Schuldnerverzug: Bürgerliches Gesetzbuch, Rechtssystematik und Schuldrechtsreform [1 ed.] 9783428490547, 9783428090549

Nach dem Reformvorschlag der Schuldrechtskommission sollen die Tatbestandsvoraussetzungen des Verzugs, seine Abgrenzung

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German Pages 302 Year 1998

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Schuldnerverzug: Bürgerliches Gesetzbuch, Rechtssystematik und Schuldrechtsreform [1 ed.]
 9783428490547, 9783428090549

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Friedrich Wahl · Schuldnerverzug

Schriften zum Bürgerlichen Recht

Band 212

Schuldnerverzug Bürgerliches Gesetzbuch, Rechtssystematik und Schuldrechtsreform

Von Friedrich Wahl

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Wahl, Friedrich: Schuldnerverzug : Bürgerliches Gesetzbuch, Rechtssystematik und Schuldrechtsreform I von Friedrich Wahl. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 212) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09054-3

Alle Rechte vorbehalten 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

©

ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-09054-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Meinen Eltern

Vorwort Die Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen im Sommersemester 1996 als Dissertation vor. Mein aufrichtiger Dank gilt Herrn Professor Dr. Wolfgang Ernst. Er hat mir mit seinen Anregungen den Mut gegeben, Kernfragen des Leistungsstörungsrechts zum Thema meiner Arbeit zu machen. Er hat mir die zur Entwicklung eigener Lösungen erforderliche Freiheit gelassen. Ferner danke ich Herrn Professor Dr. Zöllner fiir die Erstattung des Zweitberichts sowie der Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung Tuttlingen fiir die großzügige Förderung durch den Stiftungspreis 1996. In besonderem Maße bin ich all denen zu großem Dank verpflichtet, die durch Rücksicht und vielfältige Unterstützung zur Erstellung der Arbeit beigetragen haben. Uhingen, im März 1998

Friedrich Wahl

Inhaltsverzeichnis Einleitung ...... ....................... ........ ...................... .............. ...... ... .. .......................... .. .... .. 15

A. Kurze Einfiihrung zum Kommissionsentwurf ........................................................... 15 B. Allgemeine Überlegungen zu einer Gesetzesänderung ........................................ ...... 19 C. Aufgabenstellung und Thematik der Arbeit .............................................................. 20 D. Gang der Darstellung ................................................................................................ 26

Erstes Kapitel Unmöglichkeit und Verzug

29

A. Das Verhältnis von Unmöglichkeit und Verzug nach herrschendem Verständnis .... 29 B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf..................................................... 31

I. Überblick .............................................................................................. ........... ..... 31 1. Kritik des geltenden Rechts durch die Kommission ...................................... 31 2. Die Grundkonzeption des Entwurfes ............................................................. 33

li. Grenzen der Leistungspflicht nach § 275 BGB-KE ............................................ 35 l . Die Wirkung der Einrede des § 275 BGB-KE auf den Eintritt des Schuldnerverzugs .................................................. ......................................... 35

a) Einrede und Schuldnerverzug nach geltendem Recht ............................. 38 aa) Erste Grundansicht Das Vorliegen der Voraussetzungen der Einredeberechtigung schließt die Verzugsfolgen aus ...................... 39 bb) Zweite Grundansicht Erst die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechtes schließt den Verzug aus ................ 40 cc) Vermittelnde Theorien .................................................................... 40 dd) Stellungnahme ................................................................................ 41

lO

Inhaltsverzeichnis b) Die Einrede des § 275 BGB-KE im besonderen ..................................... 45 c) Ergebnis ..................................................... ............................................. 4 7

2. Der Vorrang des§ 306 BGB-KE ............................................................ ....... 50 3. Die fiir die Anwendbarkeit des § 275 BGB-KE entscheidungserheblichen Fragestellungen .............................................................................................. 56

4. Die Verpflichtungskraft des Schuldverhältnisses .......................................... 61 a) Grundsätzliche Überlegungen ................................................................. 61

aa) Der Zweck des Schuldverhältnisses ................................................ 61 bb) Die Bindungskraft des Schuldverhältnisses .................................... 64 b) Englisches Recht und Einheitliches Kaufrecht ....................................... 66

aa) Englisches Recht ............................................................................. 66 bb) Einheitliches Kaufrecht. .................................................................. 67 cc) Übertragbarkeit auf unsere Rechtsordnung ............................ ......... 69 c) Geltendes deutsches Recht.. .............................................................. ...... 72

aa) Grund und Grenze der Schuldnerbefreiung wegen Unmöglichkeit der Leistung .................................................................................... 73 a) Literatur und Rechtsprechung .............................................. ...... 73 aa) Herrschende Lehre............................................................. 73 ßß) Die andere Schulrichtung................. .................................. 80 yy) Rechtsprechung ................................................................... 87 88) Stellungnahme .............................................................. ...... 97

ß) Der Ausschluß der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit im

Bürgerlichen Gesetzbuch nach eigenem Verständnis ............ .. aa) § 275 BGB ....................................................................... ßß) § 280 BGB ....................................................... ................ yy) § 306 BGB ........................................................................

100 100 114 117

y) Zur fehlenden Erforderlichkeit einer materiell-rechtlichen Berücksichtigung vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit 118 aa) Leistungsanspruch und Erfiillungsunmöglichkeit... ......... 118

ßß) Sinn und Unsinn der Verurteilung zu einer "unmög-

lichen" Leistung................................................................ 121

bb) Das Prinzip der Zufallsbefreiung nach§ 275 BGB und der Maßstab fiir die zur Überwindung von Leistungshindernissen geschuldeten Anstrengungen .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. 124 d) Folgerungen fiir die nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses geforderten Anstrengungen ............................... ................................... 13 5

5. Unmöglichkeit und Unvermögen ................................................................. 140 6. Ergebnis ....................................................................................................... 141

Inhaltsverzeichnis

11

III. Die Schadensersatzregelung des Entwurfs ....................................................... 143 1. Die Grundvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nach § 280 Abs. 1 BGB-KE ................................................................................. 143 2. Schadensersatz "statt der Leistung" nach§§ 280 Abs. 2 Satz 1, 283 BGB-KE ............................................................................................... 145 a) Anwendungsbereich der Vorschrift... .................................................... 145 b) Die Voraussetzungen des§ 283 BGB-KE im einzelnen ....................... 156 aa) Vorherige Bestimmung einer angemessenen Frist, § 283 Abs. 1 BGB-KE ....................................................................................... 156 bb) Offensichtliche Erfolglosigkeit einer Fristbestimmung, § 283 Abs. 2, 1. Alt. BGB-KE .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 161 cc) Vorliegen besonderer Umstände, "die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzes rechtfertigen", § 283 Abs. 2, 2. Alt. BGB-KE .......... 164 3. Schadensersatz "wegen Verzögerung der Leistung" nach§§ 280 Abs. 2 Satz 2, 284 BGB-KE .................................................................................... 164 C. Die Gläubigeransprüche im Vergleich .................................................................... 165

I. Bloßes Ausbleiben der geschuldeten Leistung ................................................... 165 l . Bürgerliches Gesetzbuch ............................................................................. 165 2. Kommissionsentwurf................................................................................... 167 II. Dauernde objektive Unmöglichkeit.. ................................................................. 168 l . Bürgerliches Gesetzbuch ............................................................................. 168 2. Kommissionsentwurf................................................................................... 170 III. Vorübergehende objektive Unmöglichkeit ...................................................... 173 IV. Leistungserschwerung und Unvermögen ......................................................... 177 D. Zusammenfassende Darstellung anhand der Funktionen von Unmöglichkeit und Verzug ................................................................................................................... 179

I. Die unterschiedlichen Funktionen der verschiedenen Formen der Unmöglichkeit. ................................................................................................... 179 l. Geltendes Recht........................................................................................... 179 2. Kommissionsentwurf................................................................................... 181 II. Die Funktion des Schuldnerverzugs .................................................................. 184

12

Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel

Die Mahnung

188

A. Funktion der Mahnung ............................................................................................ 189

I. Die der Mahnung zugeschriebene Warnfunktion ............................................... 189 1. Der Standpunkt der heutigen Lehre ............................................................. 189

2. Stellungnahme ............................................................................................. 190 II. Mahnung als Aufforderung zur Bewirkung der geschuldeten Leistung ............ 193 1. Die Zeitstufen im Schuldverhältnis ............................................................. 193

2. Zweck der Mahnung .................................................................................... 196 III. Mahnung und Vertretenmüssen ....................................................................... 200 1. Die Bedeutung der Kenntnis des Schuldners von seiner Leistungspflicht als besonderem Verschuldenserfordemis ..................................................... 201 2. Die Beweislast fiir das Vertretenmüssen ..................................................... 205 3. Folgerungen ................................................................................................. 211 B. Entbehrlichkeit der Mahnung nach geltendem Recht... ........................................... 215 I.§ 284 Abs. 1 BGB .............................................................................................. 215 II. § 284 Abs. 2 BGB ............................................................................................. 216 1. Dies interpellat pro homine ......................................................................... 216

2. Vorausgehende Kündigung,§ 284 Abs. 2 Satz 2 BGB ............................... 218 3. Bloße Berechenbarkeit nach dem Kalender.. ............................................... 219 III. Erfiillungsverweigerung ................................................................................... 224 IV. Fur semper in mora .......................................................................................... 225 V. "Verzicht" auf die Mahnung ............................................................................. 226 1. Vertragliche Abre~ .................................................................................... 227 2. Selbstmahnung ............................................................................................ 228 3. Anzeige- und Wampflichten ........................................................................ 231 VI. Zusammenfassung ........................................................................................... 233

Inhaltsverzeichnis

13

C. Die Mahnung und ihre Entbehrlichkeit nach dem Kommissionsentwurf ................ 234

I. Fristbestimmung nach § 284 Abs. I Satz 2 BGB-KE ......................................... 234 II. Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 284 Abs. 2 BGB-KE .............................. 240 I. Zeitbestimmung nach dem Kalender, § 284 Abs. 2 Nr. I BGB-KE ............ 240 2. Berechenbarkeil der Leistungszeit von einem Ereignis an, § 284 Abs. 2 Nr. 2 BGB-KE ............................................................................................ 24 I a) Ausgangsposition des Kommissionsentwurfs ....................................... 24 I b) Gesetzliche Vermutung einer Leistungszeitbestimmung....................... 244 c) Kenntnis des Schuldners vom Eintritt des Ereignisses .......................... 249 d) Zusammenfassung ................................................................................. 253 3. Offensichtliche Erfolglosigkeit einer Mahnung, § 284 Abs. 2 Nr. 3 BGB-KE ............................................................................................ 254 4. § 284 Abs. 2 Nr. 4 BGB-KE ........................................................................ 257

Drittes Kapitel 262

Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

A. Die Funktion des Schuldnerverzugs und die Anordnung seiner Voraussetzungen 262 nach geltendem Recht ...................................................................... 0 0 00 00 .

B. Die Regelung des Kommissionsentwurfs ..

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oo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271

C. Verbesserung, Vereinfachung, Rechtsvereinheitlichung - Empfehlen sich die vorgeschlagenen Änderungen? ..................................................................................... 280

Literaturverzeic:hnis ............................ ............

Sachregister .. ....

oo • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • oo • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

0 0 0 0 0 0 0 . . . . . . . . . . . . 00 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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287

296

Einleitung A. Kurze Einführung zum Kommissionsentwurf Mit ihrem im Jahre 1992 veröffentlichten Abschlußbericht 1 hat die vom Bundesminister der Justiz einberufene Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts2 ihre Tätigkeit beendet. Ihr Auftrag war es, einen Gesetzesvorschlag zu unterbreiten, der "es dem Gesetzgeber erlauben" soll, "das allgemeine Leistungsstörungsrecht, das Gewährleistungsrecht des Kauf- und Werkvertrages sowie das Verjährungsrecht unter Berücksichtigung insbesondere der Ergebnisse der Rechtsprechung und der Praxis übersichtlicher und zeitgemäßer zu gestalten". 3 Ausgangspunkt der fiir das allgemeine Leistungsstörungsrecht angestellten Reformüberlegungen4 war der eigenen Darstellung der Kommission zufolge die Feststellung, daß zwar der "Bau des Bürgerlichen Gesetzbuches" die "gewaltigen Veränderungen", die das ausgehende Jahrhundert mit sich brachte, "in bemerkenswerter Weise überdauert" habe, daß aber die Erhaltung seiner "Grundstrukturen" und "seine Anpassung an den Wandel der Verhältnisse"- als "Verdienst" vor allem "von Rechtsprechung und Rechtslehre" - auf weitreichende Ergänzungen der gesetzlichen Vorschriften "im Wege der Rechtsfortbildung" zurückzufilhren sei. 5 Dies zeigten etwa die Entwicklung der Figur des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" oder die Anerkennung einer Haftung aus

1 Abschlußbericht der Kornmission zur Überarbeitung des Schuldrechts (hrsg. vom Bundesminister der Justiz), 1992. 2 Nach der Ernennung ihrer Mitglieder, unter ihnen befanden sich einige der hervorragendsten Rechtswissenschaftler unserer Zeit, durch den Bundesminister der Justiz hat sich die Kommission am 2. Februar 1984 konstituiert, Abschlußbericht, S. 14 f. Zur Vorgeschichte vgl. Abschlußbericht, S. 13 ff. und Braun, JZ 1993, S. 4 f. 3 Abschlußbericht, S. 15. 4 Die Schuldrechtskommission hat den "rechtspolitisch dringendsten 'Handlungsbedarf" im Verjährungsrecht erkannt. Sie sah aber "das Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrecht als vorgreiflieh an, weil eine überzeugende Lösung der Verjährungsfragen Klarheit über Art und Inhalt derjenigen Ansprüche" voraussetze, "die der Verjährung unterliegen sollen", Abschlußbericht, S. 15. 5 Abschlußbericht, S. 13 f.

16

Einleitung

"culpa in contrahendo" und "positiver Forderungsverletzung".6 Durch das Zusammenspiel zwischen gesetzlicher Regelung und richterrechtlicher Rechtsfortbildung seien "viele schuldrechtliche Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ( ... )heute von einem so starken Firnis von Richterrecht überzogen, daß das wirklich geltende Recht selbst von einem juristisch ausgebildeten Fachmann aus der bloßen Lektüre des Gesetzes nicht mehr erschlossen werden" könne. 7 Dieser letztgenannten Beobachtung wird man ebensowenig die Berechtigung versagen können wie der sich hieran anschließenden Fage, "in welchen Grenzen es auch zukünftig noch hingenommen werden könne, daß sich der Abstand zwischen den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und den Regeln des wirklich geltenden Rechts immer weiter" vergrößere8 . Schon darin, daß sich die Kommission dieser Problematik angenommen hat, ist eine verdienstvolle Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erkennen. Im Rahmen ihrer "Bestandsaufnahme" zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht9 hat die Schuldrechtskommission sodann darauf verwiesen, "daß nach allgemeiner Ansicht die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches über das Leistungsstörungsrecht in wichtigen Teilen nicht als gelungen bezeichnet werden" könnten und "daß auch die Rechtsprechung mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln diese Mängel nicht aufüberzeugende Weise" hätte beseitigen können10• So sei es verfehlt, daß im "Mittelpunkt des geltenden Leistungsstörungsrechts der Begriff der 'Unmöglichkeit der Leistung'" stehe mit all seinen durch das Gesetz geforderten Differenzierungen, "deren rechtspolitische Rechtfertigung ( ...) nicht erkennbar" sei. 11 "Das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung" belege "besonders deutlich, daß das kodifizierte Leistungsstörungsrecht in sehr wichtigen Bereichen der praktischen Rechtsanwendung unvollkommen" sei. 12

6 Die Kommission benennt weiterhin die "unzulässige Rechtsausübung" sowie den "Vertrag mit Schutzwirkung fiir Dritte" und erinnert an die Entwicklung der Regeln über den Schutz gegen unangemessene AGB-Klauseln durch die Rechtsprechung, Abschlußbericht, S. 13 f. 7 Abschlußbericht, S. 14.

8 Dito. 9 Abschlußbericht,

S. 16 ff. S. 16. II Abschlußbericht, S. 16 f. Zur Kritik der Kommission im einzelnen unten S.31 ff. 10 Abschlußbericht,

12 Über die bereits angesprochene Problematik des "Nebeneinanders" von geschriebenen und ungeschriebenen Ansprüchen hinaus sei es unbefriedigend, daß "diese Ansprüche" nicht klar "gegeneinander( ...) abgegrenzt werden könnten" und daß deren unterschiedliche Rechtsfolgen keine "einleuchtende rechtspolitische Grundlage hätten", wie dies insbesondere die "Konkurrenz zwischen( ...) Gewährleistungsansprüchen" und denen "aus positiver Forderungsverletzung" zeige, "die in der gerichtlichen Praxis zu mancherlei Unklarheiten und Ungereimtheiten" gefiihrt habe, Abschlußbericht, S. 17 f.

A. Kurze Einfiihrung zum Kommissionsentwurf

17

Schließlich stehe das gesetzliche Rücktrittsrecht hinter "den praktischen Anforderungen" nicht nur in der Ausgestaltung seiner Rechtsfolgen, sondern auch deshalb zurück, weil "Rücktritt und Schadensersatz einander" ausschlössen und weil das Rücktrittsrecht an das Erfordernis eines Vertretenmüssens geknüpft sei. 13 Zur Vermeidung der "nicht einleuchtenden Ergebnisse( ... ), die sich im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches fiir einige Teilbereiche ergeben" hätten, 14 hat die Refonnkommission das "Regelungsmodell" des Rechts der "internationalen Warenkaufverträge" fiir ihre Neuregelung "nutzbar gemacht", 15 wie dies bereits Huber als Vorgutachter eindringlich empfohlen hatte 16. Im Gegensatz zum Bürgerlichen Gesetzbuch käme das Leistungsstörungsrecht des ON-Kaufrechts unter anderem "ohne Vorschriften aus, die an die Unmöglichkeit der Leistung anknüpfen"; sie werde "als einer der möglichen Fälle der Nichterfiillung des Vertrages von den dafiir geltenden allgemeinen Vorschriften miterfaßt" .17 "Der Vorrang der Erfiillung" sei durch das grundsätzliche Erfordernis einer Nachfrist "sichergestellt" .18 Zwar fiihre "das Leistungsstörungsrecht des UNKaufrechts überwiegend zu den gleichen Ergebnissen( ... ), wie sie nach geltendem deutschen Recht im Zusammenwirken von gesetzlicher Regelung, Rechtsprechung und Vertragspraxis erzielt werden", doch bestehe der "entscheidende Unterschied ( ...) darin, daß das UN-Kaufrecht die Grundprinzipien, von denen sein Leistungsstörungsrecht geleitet ist, in klaren, verständlichen, widerspruchsfreien und rechtspolitisch einleuchtenden Regeln niedergelegt" habe. 19 Aufgrund dieser Orientierung am UN-Kaufrecht, die zugleich der Rechtsvereinheitlichung dienen soll,2° formuliert der Kommissionsentwurf die "Pflichtverletzung" als "zentralen Begriff' des von ihm entwickelten Leistungsstörungsrechts,21 das damit zugleich auf "einer Weiterentwicklung und Verallgemei13

Abschlußbericht, S. 19 f.

14 Abschlußbericht, S. 20. 15 Abschlußbericht, S. 16. 16 Huber, Leistungsstörungen, S. 633 ff. Im Rahmen seiner Vorprüfungen hatte das

Bundesministerium der Justiz insgesamt 24 Gutachten eingeholt, die als "Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts" 1981 (Band l und li) und 1983 (Band III) veröffentlicht wurden. 17 Art. 45 ff., 61 ff. UN-Kaufrecht, vgl. Abschlußbericht, S. 19 f.

18 Dies kommt immer dann zum Tragen, wenn das vertragswidrige Verhalten des Verkäufers keine "wesentliche Vertragsverletzung" darstellt, Art. 47 Abs. l, 49 Abs. l UNKaufrecht; vgl. Abschlußbericht, S. 20. 19 Abschlußbericht, S. 20. 20

Dito.

21 Abschlußbericht, S. 29. DasUN-Kaufrecht verwende zwar "in Art. 45 Abs. l, 61

Abs. l den Begriff der 'Nichterfüllung' der vertraglichen Pflichten". "Aber darin" liege 2 Wahl

18

Einleitung

nerung der Grundsätze über die Haftung wegen positiver Forderungsverletzung" beruhe, 22 obwohl fiir diesen "Grundtatbestand" der Pflichtverletzung nur ein objektiver Verstoß gegen eine Pflicht verlangt wird23 . Während diese Pflichtverletzung gemäß § 323 BGB-KE eine Voraussetzung des vom Vertretenmüssen unabhängigen Rücktrittsrechts darstellt, 24 soll sie - als vom Schuldner zu vertretende - der umfassenden Schadensersatzregelung des § 280 BGBKE unterliegen, nach der jede Pflichtverletzung ohne "Unterscheidung nach der Art der verletzten Pflicht" zu einem Schadensersatzanspruch des Gläubigers fUhren soll, "es sei denn, der Schuldner hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten". 25 Mit der Regelung des § 280 Abs. I BGB-KE sollen danach nicht nur "die Gründe der positiven Forderungsverletzung im Gesetz festgeschrieben" werden, sondern es soll die Vorschrift darüberhinaus auch diejenigen Fälle erfassen, "in denen nach geltendem Recht Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfiillung nur beim Vorliegen besonderer Leistungsstörungstatbestände insbesondere Unmöglichkeit oder Verzug- gegeben sind", weil auch in diesen Fällen "die Grundvoraussetzung fiir einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers darin" liege, "daß der Schuldner die ihm nach dem Vertrage obliegende Leistung nicht erbracht" habe26 . Unmöglichkeit und Verzug sollen "nicht mehr besondere und eigenständig geregelte Formen der Leistungsstörung" sein. 27 Die Unmöglichkeit der Leistung soll Bedeutung nur als einer der Fälle erlangen können, in denen dem Sachleistungsschuldner ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 BGB-KE zusteht, weil er die Leistung "nicht mit denjenigen Anstrengungen zu erbringen vermag, zu denen er nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses verpflichtet ist" 28. "Der Vorrang der Erfiillung" werde fiir den Anspruch auf Schadensersatz "statt der Leistung" durch das grundsätzliche Erfordernis einer Fristsetzung in §§ 280 Abs. 2 Satz I, 283 BGB-KE sichergestellt.29 Der Verzug, dessen Voraussetzungen auch im Hinblick auf das Mah"nur ein verbaler, kein sachlicher Unterschied", Abschlußbericht, S. 30. Kritisch hierzu Schapp, JZ 1993, S. 637 ff., insbesondere S. 638 ff. 22 "Wenn die Rechtsprechung als positive Forderungsverletzung alle Pflichtverletzungen" ansähe, "die weder Unmöglichkeit noch Verzug herbeiführen", beruhe dies "auf der Erkenntnis, daß auch die Nichtleistung wegen Unmöglichkeit und der Verzug Pflichtverletzungen darstellen", Abschlußbericht, S. 30. 23 Abschlußbericht, S. 29. 24 Abschlußbericht, S. 31. Vgl. dort zur Verbindung von Schadensersatz und Rücktritt sowie zu den "Grundzügen der Neuregelung der Rücktrittsfolgen". 25 Abschlußbericht, S. 30. Dito. Abschlußbericht, S. 29. 28 Abschlußbericht, S. 29 f. Hierzu eingehend unten S.35 ff. 26

27

29

Abschlußbericht, S. 30 f.

B. Allgemeine Überlegungen zu einer Gesetzesänderung

19

nungserfordernis modifiziert werden sollen,30 bilde neben der nach § 280 Abs. l BGB-KE grundsätzlich erforderlichen Pflichtverletzung "nur ein zusätzliches Erfordernis fiir den Anspruch des Gläubigers auf Ersatz des Verzögerungsschadens"31. Darüberhinaus schlägt die Kommission als wesentlichste weitere Neuerung im allgemeinen Leistungsstörungsrecht die Aufhebung der Vorschriften über die anfangliehe Unmöglichkeit in §§ 306 - 309 BGB vor; stattdessen sollen in § 306 BGB-KE die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kodifiziert werden32 . Schließlich enthalten §§ 241 Abs. 2, 305 Abs. 2 BGB-KE Bestimmungen über die "Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsanbahnung". 33

B. Allgemeine Überlegungen zu einer Gesetzesänderung Im Gegensatz zu "gewöhnlicher" wissenschaftlicher Arbeit bedingt eine Gesetzesänderung erheblichen Aufwand fiir die Praxis.34 In ganz besonderem Maße träfe dies auf eine Änderung35 des allgemeinen Leistungsstörungsrechtes zu, dessen Regelungen nicht nur aufgrund ihres weiten Anwendungsbereiches "zu den wichtigsten des Schuldrechts gehören", 36 sondern auch deshalb, weil sie in besonderer Weise die Systematik des Schuldrechts prägen. Durch eine Gesetzesreform würde nicht nur die forensische Praxis mit großen Umstellungsschwierigkeiten belastet. 37 Änderungen in den Voraussetzungen schuldrecht30 "Das wesentliche Reformbedürfuis" wurde bei den "Mahnungssurrogaten" gesehen, vgl. § 284 BGB-KE und Abschlußbericht, S. 136 ff. Hierzu unten S.235 ff. 31 §§ 280 Abs. 2 Satz 2, 284 BGB-KE, Abschlußbericht, S. 30. 32 Abschlußbericht, S. 31 f. 33 Vgl. hierzu sowie zur Regelung der Kündigung aus wichtigem Grund nach § 307 BGB-KE Abschlußbericht, S. 31 f. 34 Beispielhaft ist dabei etwa an "die vielen Hunderte und Tausende Allgemeinen Geschäftsbedingungen kleiner und kleinster Unternehmen" zu denken, "die alle umgeschrieben werden müßten", 60. DJT-Kretschmer, S. K 122. 35 Die knappe Skizzierung des Entwurfs hat gezeigt, daß nicht lediglich einzelne Randkorrekturen des geltenden Rechts beabsichtigt sind. 36 Gerade hiermit begründet die Kommission die Notwendigkeit einer Änderung, Abschlußbericht, S. 16. 37 V gl. Huber, Leistungsstörungen, S. 670. Auf derartige Bedenken gründete das Kommissionsmitglied Heinrichs noch vor zehn Jahren seine Ablehnung gegen eine "grundlegende Reform des Rechts der Leistungsstörungen", da eine "Ersetzung der bisherigen Konzeption durch eine andere, etwa nach dem Vorbild des in der Praxis kaum erprobten Einheitlichen Kaufrechts zumindest flir eine Umstellungsphase von mehreren Jahrzehnten kein Mehr, sondern ein Weniger an Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen bringen" würde, Pa/andt-Heinrichs, 44. Auflage 1985, Vorbem. vor§ 275, Anm. 2) a. E.

20

Einleitung

licher Ansprüche - insbesondere im Blick auf Fristsetzung und Mahnung müßten Eingang in den alltäglichen "vorgerichtlichen" Schriftverkehr fmden. Besonders schwer könnte dabei wiegen, daß auch der betroffene Bürger bei der Ausgestaltung "seiner" Rechtsverhältnisse die sich aus dem Reformvorschlag ergebenden Änderungen beachten müßte. Gleichwohl sollte das unbequeme Erfordernis eines Umdenkens dort nicht von einer Reform abhalten, wo diese geboten ist. Um so dringlicher erscheint allerdings die erhoffte breite Diskussion über die vorgeschlagene Reform,38 zumal die meisten der bisherigen Stellungnahmen eher Anlaß zur Skepsis geben39 . Dem Ergebnis dieser Diskussion muß vorbehalten bleiben, ob der Kommissionsentwurf die fiir eine Änderung erforderliche Akzeptanz fmden wird. Der mit der angestrebten Reform verbundene Aufwand lohnt nur dann, wenn das derzeit geltende Recht mangelhaft ist und eine Änderung Verbesserungen dieses Zustandes mit sich bringt, oder wenn eine Änderung schließlich der sinnvollen Allgleichung an internationales Recht dient4°. Darüberhinaus wird nur ein durch seine Breite tragfiihiger Konsens unter Wissenschaftlern und Praktikern eine Neuerung beim betroffenen Bürger rechtfertigen können, im Bewußtsein der Vorteile, die eine Reform mit sich bringen soll: einer Verbesserung, Vereinfachung oder Angleichung.

C. Aufgabenstellung und Thematik der Arbeit Aus dem umfangreichen Änderungskatalog41 greift die Arbeit mit dem Schuldnerverzug das in der Praxis bedeutendste Rechtsinstitut des allgemeinen Leistungsstörungsrechts heraus, dessen geplante Reform untersucht werden soll auf die Frage, ob sich die vorgeschlagene Änderung der Voraussetzungen fiir den Eintritt des Schuldnerverzuges empfiehlt"2. Vgl. das "Vorwort des Justizministers" im Abschlußbericht Vgl.etwa Braun, JZ 1993, S. 1 ff.; Ernst, NJW 1994, S. 2177 ff.; ders., JZ 1994, S. 802 ff.; Schapp, JZ 1993, S. 637 ff.; Emmerich; FS f. Jahr; S. 267 ff., Flume, ZIP 1994, S. 1497 ff. ; differenzierend 60. DJT-Brüggemeier, S. K 55 ff. ; vgl. andererseits aber auch das Fazit von Friete über den 60. DJT in Münster 1994, JZ 1995, S. 190 f. 40 V gl. zum Reformziel der Rechtsvereinheitlichung Schubert, S. 416 ff. 41 Für die außerhalb des allgemeinen Leistungsstörungsrechts geplanten Neuerungen muß auf den Abschlußbericht der Kommission sowie die bislang erschienen Veröffentlichungen verwiesen werden. Vgl. zum Kauf- und Werkvertragsrecht Abschlußbericht, S. 32 ff., S. 192 ff. und S. 243 ff. sowie Haas, NJW 1992, S. 2395 ff., Ernst, ZIP 1993, S. 481 ff., und Schube/, ZIP 1994, S. 1330 ff., zum Verjährungsrecht Abschlußbericht, S. 34 ff. und S. 42 ff. und Rabe, NJW 1992, S. 2395 ff. 42 Ist im folgenden von Verzug die Rede, so ist stets der Schuldnerverzug gemeint. 38

39

C. Aufgabenstellung und Thematik der Arbeit

21

Auch zukünftig43 wird Verzugsrecht nur bei Nichtleistung des Schuldners auf einen wirksamen44 und falligen45 Anspruch des Gläubigers zur Anwendung kommen. Die Kommission will am grundsätzlichen Erfordernis einer Mahnung festhalten 46 und der Schuldner soll auch de lege ferenda gemäß § 284 Abs. 3 BGB-KE solange nicht in Verzug kommen, wie "die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat" 47 . Gegenstand der Prüfung kann demnach nur sein, welche Änderungen sich gegenüber dem geltenden Recht ergeben durch die Regelung der Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 284 Abs. 1 und 2 BGB-KE zum einen, aus dem sich aus der Systematik des Gesetzes ergebenden Anwendungsbereich der Verzugsregeln zum anderen. Eine Einschränkung der Anwendbarkeit des Verzugsrechts kann sich fiir das geltende Recht etwa aus dem "ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal" der Möglichkeit zur Leistung ergeben48 oder wird in der Nichtanwendbarkeit des Verzugsrechts auf die Fälle der "Säumnis bei der Erfiillung anderer" als seiner Leistungspflichten gesehen, die "stets nur unter dem Gesichtspunkt einer positiven Forderungsverletzung zu würdigen" seien49 . Derartige Begrenzungen des Anwendungsbereichs der Verzugsvorschriften können ihren Grund in der Annahme einer Begrenzung der Schuldnerpflichten haben, 50 ihnen kann aber auch die Wirkung zukommen, daß die Rechte des Gläubigers als nicht an die Tatbestandsvoraussetzungen des Verzugs geknüpft angesehen werden, daß insbesondere keine Mahnung durch den Gläubiger gefordert wird51 . Auch nach dem Kommissionsentwurf kommen solche Einschränkungen in Betracht, so wenn 43

Unabhängig von der Frage, ob das Reformvorhaben verwirklicht wird.

44 Es braucht hier nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob darüberhinaus etwa

mit Diederichsen, JuS 1985, S. 828 ff., sogenannte "Vollwirksamkeit" der Forderung zu verlangen ist. Entscheidend ist, daß Verzugsansprüche bei sogenannten Naturalobligationen, unvollkommenen Verbindlichkeiten ausscheiden, gleichgültig ob man hier bereits die "Schuld im Rechtssinne" (so Palandt-Heinrichs, Ein!. v. § 241 Anm. 4 a), Rdnr. 15), die Wirksamkeit der Forderung (so Walchshöfer, JuS 1983, S. 599) oder erst deren "Vollwirksamkeit" (so Diederichsen, Jus 1985, S. 828 ff.) verneint. Gleiches gilt sinngemäß filr einredebehaftete Ansprüche, die auch durch den Reformentwurf keine (Neu-)Regelung erfahren, vgl. Abschlußbericht, S. 139 und unten S.35 ff. 45

Abschlußbericht, S. 137.

46

§ 284 Abs. I BGB-KE, vgl. auch Abschlußbericht, S. 137.

47 Abschlußbericht,

S. 137.

48

Vgl. hierzu unten S. 29 ff. und S.l84 ff.

49

Vgl. Gernhuber, Bürgerliches Recht, § 31 I 2, S. 286.

50 So soll etwa nach herrschender Meinung die Leistungspflicht des Schuldners bei nachträglicher Unmöglichkeit und nachträglichem Unvermögen erlöschen, vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 8 a), Rdnr. 24. 5 1 Dies gilt etwa fiir die Fälle der positiven Forderungsverletzung, aber auch flir die Gläubigerrechte aus §§ 280, 325 BGB.

22

Einleitung

der Schuldner die Leistung mittels der Einrede des § 275 BGB-KE verweigert, 52 für die Geltendmachung eines Anspruches auf Schadensersatz "statt der Leistung" nach § 283 BGB-KE53 oder für das Rücktrittsrecht des § 323 BGBKE, dessen Voraussetzungen unabhängig vom Schuldnerverzug, insbesondere auch unabhängig vom Vertretenmüssen des Schuldners, formuliert werden54. Die letztgenannte Neuerung soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit außer Betracht bleiben. 55 Ein verschuldeosunabhängiges Rücktrittsrecht wird weder de lege lata, noch soll es de lege ferenda vom Recht des Schuldnerverzugs geregelt werden56 . Solange der Eintritt des Schuldnerverzugs an ein Vertretenmüssen des Schuldners geknüpft bleibt, schließen sich Verzug und "verschuldensunabhängiges" Rücktrittsrecht57 begrifflich aus. Soweit es darum geht, ob dem Gläubiger im Falle des Verzugs des Schuldners neben dem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtausfiihrung des Vertrags 58 oder nur stattdessen59 ein Rücktrittsrecht zustehen soll, betrifft dies die Ausgestaltung der Rechtsfolgen, nicht der Voraussetzungen des Verzugs60. Schließlich steht die Frage, inwieweit das Rücktrittsrecht im Falle zeitlicher Verzögerung unter die Vor-

52 Abschlußbericht, S. 139. Zur Wirkung des § 275 BGB-KE auf den Eintritt des Verzugs eingehend unten S.35 ff. 53 Dieser Anspruch unterliegt jedenfalls nach der oben S. 18 dargestellten Systematik nicht den Voraussetzungen des § 284 BGB-KE; vgl. auch den Wortlaut der §§ 280 Abs. 2, 283 BGB-KE, andererseits aber § 286 BGB-KE; zur Problematik unten s. 157 ff.

54 Abschlußbericht, S. 31 und S. 162 ff.

55 Vgl. dazu insbesondere Kahler, WM 1993, S. 642 ff. und Kriechbaum, JZ 1993, S. 642 ff, insbesondere S. 646 ff.

56 Allerdings wird von einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht gefordert, § 326 BGB analog auf die Fälle der vom Schuldner nicht zu vertretenden vorübergehenden Unmöglichkeit anzuwenden, die denen der endgültigen Unmöglichkeit nicht gleichgeachtet werden, in denen aber der "auf diese Weise entstehende Schwebezustand" fiir den Gläubiger unzumutbar sei, insbesondere "wenn er andere Dispositionen treffen" müsse, vgl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 19 II, S. 212 f. und eingehend Beinert, S. 174 ff. sowie weitergehend Jakobs, FS f. F.A. Mann, S. 35 ff., der- dann meines Erachtens folgerichtig - entsprechend einem bereits von Jacubezky bei den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch gestellten Antrag auf das Erfordernis des Schuldnerverzugs als Rücktrittsvoraussetzung überhaupt verzichten will, Jakobs, FS f. F.A. Mann, S. 56. 57 Präzise müßte es heißen: "vom Vertretenmüssen des Schuldners unabhängiges" Rücktrittsrecht. 58 So der Kommissionsentwurfnach §§ 280 Abs. 2 Satz 3, 283, 327 BGB-KE. 59 So § 326 BGB.

60 Es kann hier noch dahinstehen, ob es sich nach dem Reformentwurf insoweit überhaupt um einen Verzugsanspruch handelt.

C. Aufgabenstellung und Thematik der Arbeit

23

aussetzungen des Schuldnerverzugs zu stellen ist: inwieweit es die Funktion der Verzugsvorschriften gebietet, dem Gläubiger ein Recht zum Rücktritt nur beim Vorliegen seiner Voraussetzungen zu gewähren, im untrennbaren Zusammenhang mit der weiteren Frage, ob man das Rücktrittsrecht des Gläubigers wie nach dem Reformvorschlag verschuldensunabhängig ausgestalten will, oder ob man an dem grundsätzlichen Erfordernis des Verschuldens festhalten will, wie es vom geltenden Recht angeordnet ist. Überlegungen zu dieser speziell das Rücktrittsrecht betreffenden Problematik sollen hier nicht angestellt werden. 61 Daher konzentrieren sich die nachfolgenden Ausfil.hrungen auf die Schadensersatzansprüche des Gläubigers, die auch de lege ferenda nur dann gewährt werden sollen, wenn der Schuldner das Ausbleiben der Leistung zu vertreten hat. Der Umfang der sich bereits aus dem allgemeinen Schuldrecht ergebenden Fragen verbietet es außerdem, diejenigen Begrenzungen des Anwendungsbereichs der Verzugsvorschriften in die Betrachtung einzubeziehen, die sich aus den Gerwährleistungsvorschriften des besonderen Schuldrechts62 oder aus den Besonderheiten des Sachenrechts ergeben63 , oder die sich nur im Zusammenhang mit familienrechtlichen Eigenheiten erörtern lassen64 . Die Darstellung hat sich daher auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht zu beschränken, wobei schließlich auf die besonderen Probleme nicht eingegangen werden soll, die sich fiir Dauerschuldverhältnisse und Unterlassungspflichten ergeben. Zuletzt bleiben diejenigen Fallkonstellationen ausgeklammert, die nach geltendem Recht dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstitut der "culpa in contrahendo" unterworfen werden. 65 In diesen Fällen beruht die Haftung nach überzeugender Ansicht auf der "Verletzung von Verkehrspflichten im Stadium der Vertragsverhandlungen" - ohne daß "der Abschluß eines Vertrages" ( ...) "notwendige Voraussetzung" der Haftung wäre. 66 61 Hält man am grundsätzlichen Verschuldenserfordemis auch fiir das Recht zum Rücktritt vom Vertrage fest- hierfiir etwa Wiedemann, S. 395, der die Geltung des Verschuldensprinzips und die "möglichste Schonung der Verträge" als wesentliche Bestandteile der Rechtsordnung erhalten will; zweifelnd an der geplanten Änderung im Hinblick auf die "Anerkennung in Wissenschaft und Praxis" auch Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht, S. 57 - können die hier zu findenden Ergebnisse sinngemäß auf das Rücktrittsrecht übertragen werden. Folgt man dagegen der entgegengesetzten Ansicht, so sollte man konsequenterweise das Rücktrittsrecht auch "verzugsunabhängig" formulieren, vgl. Jakobs, oben Fußnote 56. 62 V gl. zu den grundlegenden Änderungsvorschlägen des Reformentwurfs Abschlußbericht, S. 192 ff. 63

Vgl. Pa/andt-Heinrichs, § 284 Anm. 1 c) aa), Rdnr. 5, m.w.Nachw.

Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 45 X 2, S. 695, Bentert, FamRZ 1993, S. 891 sowie MüKo-Köhler, § 1613, Rdnm. 4 ff. 65 Vgl. Larenz, SehR I,§ 9, S. 104 ff. 64

66

Huber, FS. f. v. Caemmerer, S. 862 ff.

24

Einleitung

Eine Antwort auf die Frage, ob die Regelung der Voraussetzungen des Schuldnerverzugs nach dem Kommissionsentwurf - insgesamt oder in Teilbereichen - gegenüber der durch das Bürgerliche Gesetzbuch geschaffenen Ordnung vorzugswürdig ist, kann sich nicht aus einer einfachen Gegenüberstellung der jeweiligen Verzugsvorschriften und der von diesen erfaßten Sachverhaltskonstellationen fmden lassen. Dem Gesetzgeber steht frei, welche Rechte des Gläubigers er unter die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs stellt und welche er durch andere Vorschriften regelt, letztlich, ob er überhaupt ein Recht des Schuldnerverzugs nonniert. Dementsprechend kann es fUr die vorliegende Arbeit nicht allein darauf ankommen, ob die bislang durch das Recht des Schuldnerverzugs geregelten Fälle auch zukünftig vom Verzugsrecht umfaßt werden sollen. Vielmehr muß es um die Frage gehen, ob die bislang dem Verzug unterworfenen Fallgruppen, sollen sie künftig anderen Nonnen unterliegen, von diesen anderen Vorschriften treffend, gegebenenfalls besser erfaßt würden, ob umgekehrt bislang vom Recht des Schuldnerverzugs ausgeklammerte Fälle zukünftig treffend von den Vorschriften des Schuldnerverzugs geregelt würden und schließlich, ob die nach wie vor allein nach Verzugsrecht zu beurteilenden Fallgruppen durch die Änderung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 284 BGB besser zu lösen wären. Einzig zulässige Richtschnur dafiir, wann ein angeordnetes Ergebnis falsch oder richtig ist, kann dabei die Frage sein, ob die jeweilige Regelung, ob das Gesetz dem Gläubiger im Einzelfall nicht mehr und nicht weniger als den ihm zustehenden Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens gewährt, der ihm durch eine vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung verursacht wurde. Dieser "Obersatz" wird zum "gesicherten Bestand des heutigen Schuldrechts" 67 gerechnet68 und soll vom Kommissionsentwurf durch§ 280 Abs. I Satz I BGB-KE eigens nonniert werden69 . Gravierende Neuerungen durch Änderungen der nach materiellem Recht zu findenden Ergebnisse sind durch den Refonnvorschlag kaum zu erwarten. 70 Dadurch könnte, neben dem von den Refonnem selbstgesteckten Ziel der Rechts67

Larenz, SehR I, § 24 I a), S. 367 mit zahlreichen w. Nachw.

Abweichend wohl allenfalls Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 58 ff. Diese generelle Vorschrift des § 280 BGB-KE, die "durch Spezialvorschriften ergänzt", als "Grund- und Auffangtatbestand" einen "umfassenden Tatbestand fiir Schadensersatzansprüche bilden" soll, Abschlußbericht, S. 130, kann eine Prüfung der speziellen Vorschriften nicht erübrigen, da auch nach dem Reformvorschlag gemäß §§ 280 Abs. 2 Satz l, 283 BGB-KE Einschränkungen fiir den Anspruch auf "Schadensersatz statt der Leistung" gelten und Verzögerungsschäden nach §§ 280 Abs. 2 Satz 2, 284 BGB-KE nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Schuldnerverzugs zu ersetzen sein sollen, Abschlußbericht, S. 130 f. Diese Einschränkungen verlören ihren Sinn, wenn sie unter Mißachtung des prinzipiellen Vorrangs der Ieges speciales durch Anwendung der Iex generaUs umgangen werden könnten. 70 V gl. Abschlußbericht, S. 20. 68 69

C. Aufgabenstellung und Thematik der Arbeit

25

Vereinheitlichung, ein weiteres Kriterium an Bedeutung gewinnen, demzufolge sich auch der Kommissionsentwurf - im Vergleich zum geltenden Recht - auf die Klarheit und Verständlichkeit seiner Grundprinzipien prüfen lassen muß, auf seine Freiheit von Widersprüchen71 • Für das Recht des Schuldnerverzugs erfordert dies die Herausarbeitung einleuchtender Kriterien fiir die Beantwortung der Frage, welche Gläubigerrechte in welchen Sachverhaltskonstellationen dem Verzugsrecht und damit dem grundsätzlichen Mahnungserfordernis unterliegen sollen. Diese Kriterien lassen sich nur durch Ermittlung der Funktion des Schuldnerverzugs im allgemeinen Leistungsstörungsrecht fmden. Sie muß sich in erster Linie durch Sinn und Zweck der Mahnung bestimmen, durch die ihr zugewiesene Aufgabe. Aber sie kann sich nicht allein aus der Frage fmden lassen, wann eine Mahnung im Einzelfall entbehrlich sein soll, weil es sonst - wenn allein die Erforderlichkeit der Mahnung im Einzelfall den Verzug ausmachen würde - keine Entbehrlichkeit der Mahnung im Recht des Schuldnerverzugs geben dürfte. Demnach muß sich die Funktion des Schuldnerverzugs auch widerspiegeln in seiner Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten, in seinem Anwendungsbereich, nach dem er einen bestimmten Kreis von möglichen Gläubigerrechten zu regeln hat, in denen sich die Frage nach der Erforderlichkeit einer Mahnung überhaupt nur stellen kann und damit in der Ausgrenzung derjenigen Anspruchsgrundlagen, die eine Mahnung auch im Grundsatz nicht erfordern. Reformbestrebungen wachsen auf dem Boden der Erkenntnis vom Bestehenden. Setzt man sich mit den von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen auseinander, bedarf dies einer Kritik nicht nur dieser Reformvorschläge, sondern auch des Verständnisses vom geltenden Recht, wie es dem Entwurf zugrundeliegt. Dieses Verständnis vom geltenden Recht bewirkt fiir eine Reform zweierlei: Erstens vermittelt es das Bewußtsein der Mängel des geltenden Rechts, das die Neuerungen motiviert; zweitens bildet es die Grundlage fiir diese Neuordnung insoweit, als "Altbewährtes" fortgefiihrt werden soll. In beiden Fällen hätten falsche Schlüsse gleichermaßen negative Auswirkungen: Die Änderung des Bestehenden, weil es unzutreffenderweise als fehlerhaft erkannt wird wie die Fortfiihrung des Bestehenden, weil es unzutreffenderweise als richtig erkannt wird. Darüberhinaus aber könnte schon allein die Perpetuierung eines falschen Verständnisses von einer an sich gelungenen Regelung fehlerhafte Folgen zeitigen, wenn diese Regelung auf der Grundlage eines falschen Verständnisses modifiziert würde.7 2 Hieraus wird deutlich, warum der

7 1 Vgl.

Abschlußbericht, S. 20. Die Aufgabe wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Reformvorhaben sollte demzufolge insbesondere darin gesehen werden, die den Änderungsbestrebungen zugrundeliegenden Prämissen gerade dort zu hinterfragen, wo die Reformer auf "gesicherte" Erkenntnisse aufzubauen meinten: nicht die Frage nach der Folgerichtigkeit 72

26

Einleitung

eigentliche Ansatzpunkt der Kritik des Kommissionsentwurfs und der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit in der Auseinandersetzung mit dem geltenden Recht liegen muß. Dieses Erfordernis sollte filr die hier vorzunehmende Untersuchung auch nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß die Grundzüge des Verzugsrechts nur in auffallend geringem Maße Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion dieses Jahrhunderts waren73 und man sie schon allein deswegen als abschließend geklärt ansehen müßte. Aus diesen "Vorfragen" fur die Beurteilung des Kommissionsentwurfs ist- in erheblichem Maße durch die Reformvorschläge bedingt - beim Verfasser ein eigenes Verständnis vom geltenden Recht des Schuldnerverzugs gewachsen, von seiner Funktion und der dadurch bedingten Regelung seiner Voraussetzungen. Die nachfolgende Darstellung auch dieses eigenen Verständnisses 74 ließ es gerechtfertigt erscheinen, neben den geplanten Änderungen auch die Frage nach dem gesetzten Recht in den Titel der Arbeit aufzunehmen.

D. Gang der Darstellung Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Im ersten Kapitel ist nach dem Anwendungsgebiet des Verzugsrechts zu fragen, nach dem ihm jeweils zugewiesenen der Reformvorschläge in den Vordergrund zu stellen, sondern zur Prüfung der durch die Schuldrechtsdogmatik vorgegebenen Ausgangsüberlegungen beizutragen. 73 Demgegenüber fanden aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht die Rechtsinstitute der Unmöglichkeit, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und der positiven Forderungsverletzung ungleich mehr Aufmerksamkeit, vgl. etwa die Literaturnachweise bei Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § I, S. I f. oder im Abschlußbericht der Kommission selbst, S. 304 ff. Hermerkenswert ist auch der Schrifttumsnachweis bei Staudinger-Löwisch (1995), Vorbem. zu§§ 284-292, der zu weit überwiegendem Teil auf Arbeiten aus dem neunzehnten Jahrhundert und den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts verweist. Die jüngeren Darstellungen behandeln - soweit sie nicht in erster Linie Lehrzwecken dienen -den Verzug zumeist entweder nur gleichsam "am Rande", dienen der Rechtsvergleichung oder betreffen spezielle Einzelfragen, vgl. zu den vorherigen auch die Nachweise bei Larenz, SehR I, § 23, S. 344. So verwundert es kaum, daß als "nach wie vor grundlegend" auf die Arbeit Mommsens über "Die Lehre von der moranebst Beiträgen zur Lehre von der culpa" aus dem Jahre 1855 hingewiesen wird, Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 153. Wie diese - lange Zeit vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches veröffentlichten - Ausführungen Mommsens, wird daher auch die Darstellung Sibers über "Interpellatio und Mora" aus dem Jahre 1908 besondere Beachtung finden, die wohl mit Recht als die jüngste und zugleich grundlegendste der umfassenden Abhandlungen über das Wesen und die Funktion der Mahnung im Bürgerlichen Gesetzbuch bezeichnet werden muß. 74 Gleichwohl bleibt die Arbeit stets um eine vergleichende Gegenüberstellung der von den Reformern angestrebten Neuerungen mit den Ergebnissen des geltenden Rechts bemüht, wie sie nach herrschender Lehre und Rechtsprechung zu finden sind.

D. Gang der Darstellung

27

Regelungsbereich im allgemeinen Leistungsstörungsrecht, der sich nur aus einer Gesamtschau derjenigen Fälle ermitteln läßt, die nach den Regeln über den Schuldnerverzug beurteilt werden sollen. Wie fiir das geltende Recht, so stellt sich auch fiir den Kommissionsentwurf dabei vor allem die Frage, ob und wie diejenigen Fallkonstellationen anders zu lösen sind, in denen der Leistung ein Hindernis entgegensteht: die Fälle der Unmöglichkeit im weitesten Sinne nach ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Dieses erste Kapitel trägt daher den Titel "Unmöglichkeit und Verzug". Mit dieser Gegenüberstellung ist eine Ausgrenzung der Regeln über die positive Forderungsverletzung nicht verbunden. Weder das Bürgerliche Gesetzbuch noch der Kommissionsentwurf enthalten abschließende gesetzliche Vorschriften über diesen "dritten Tatbestand der Leistungsstörung".75 Er kann als Folge "planwidriger Unvollständigkeit des Gesetzes" 76 die Intentionen des historischen Gesetzgebers nicht beeinflußt haben und ohne entsprechende Normierung kann er die Systematik beider Regelungsmodelle nicht bestimmen. Soll der Sinn des Schuldnerverzugs, die ihm zugedachte Funktion, ermittelt werden, dürfen Haftungsgrundsätze, die erst infolge nachträglicher Rechtsfortbildung Geltung erlangt haben, nicht in den Ausgangspunkt der Überlegungen einbezogen werden. Entsprechendes gilt auch fiir die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, die aber - obwohl nicht im Mittelpunkt der Arbeit stehend, weil sie jedenfalls in erster Linie vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungshindernisse betreffen77 - im Rahmen der Prüfung der Anwendbarkeit des § 275 BGB-KE und seiner Voraussetzungen zu beachten sein werden. Aus der gewählten Überschrift wird zudem deutlich, daß sich der Aufbau der Arbeit an der auch dem Leser wohl eher vertrauten Systematik des geltenden Rechts orientiert. Seinen Regelungen werden die des Kommissionsentwurfs gegenübergestellt. Hieraus ist die Systematik des Reformentwurfs erst zu bestimmen und es wird dies anband der Frage zu geschehen haben, inwieweit die dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht unterliegenden Fälle nach dem Reformvorhaben vom Begriffspaar "Unmöglichkeit und Verzug" erfaßt werden sollen und inwieweit der Kommissionsentwurf von dieser herkömmlichen "Zweiteilung" des allgemeinen Leistungsstörungsrechts abweicht und dadurch den Anwendungsbereich des Verzugsrechts neu gestaltet.

75 Insbesondere ist auch in der Regelung des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB-KE keine Nonnierung des Rechtsinstituts der positiven Forderungsverletzung zu sehen. Dies hat die Kommission selbst klargestellt, vgl. Abschlußbericht, S. 129. 76 Larenz, SehR I, § 24 I a), S. 366 Fußnote 11. 77 Zur Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage aufLeistungshindemisse, die vom Schuldner zu vertreten sind, unten S. 54 ff.

28

Einleitung

Diese Fragen sollen anband einer zusammenfassenden Darstellung der Funktionen von Unmöglichkeit und Verzug erörtert werden, die aus einer Gegenüberstellung der unterschiedlichen Lösungen einzelner Fallgruppen, der dem Gläubiger aus Unmöglichkeit und Verzug gewährten Ansprüche, zu ermitteln sind, gegliedert nach Lebenssachverhalt und Gläubigerbegehr. Im Rahmen dieser vergleichenden Zusammenstellung können fiir das geltende Recht erste Erkenntnisse aus Überlegungen zu der fiir den Kommissionsentwurf vorab zu prüfenden Frage fruchtbar gemacht werden, welche Wirkungen das Vorliegen eines Leistungshindernisses de lege ferenda in seinem Einfluß auf die Pflichten des Schuldners und seine Verzugshaftung haben soll. Dies wird insbesondere zu prüfen sein im Blick auf die Frage nach der Wirkung der Einrede des § 275 BGB-KE auf den Eintritt des Schuldnerverzuges und die nach den Anstrengungen, zu denen der Schuldner "nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses verpflichtet ist". 78 Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels steht die Frage nach dem Sinn und Zweck, nach der Funktion der Mahnung, die der Kommissionsentwurf als grundsätzlich erforderliche Voraussetzung von Verzugsansprüchen beibehalten will79 • Die Ausgestaltung dieses Erfordernisses im Blick auf die Regelung seiner Entbehrlichkeit muß zeigen, inwieweit die Anordnung des Mahnungserfordernisses im Einzelfall de lege lata et ferenda dieser Funktion entspricht, ob die Erweiterung der "Mahnungssurrogate" nach § 284 BGB-KE durch das von der Kommission gesehene "wesentliche Reformbedürfnis" 80 gefordert wird. Erst im dritten Kapitel werden schließlich Schlußfolgerungen aus den zum Anwendungsbereich des Schuldnerverzugs und der Funktion des Mahnungserfordernisses gewonnenen Erkenntnissen dahingehend zu treffen sein, inwieweit sich beides, Regelungsbereich und Regelungsgrund des mit der Besonderheit des Mahnungserfordernisses verbundenen Verzugsrechts nach den zu vergleichenden Ordnungsmodellen zu einem sinnvollen Ganzen fügt und es sind danach dort die gefundenen Ergebnisse als Antwort auf die Ausgangsfrage darzustellen, ob sich die geplante Änderung des Rechts des Schuldnerverzuges empfiehlt. Diese Ergebnisse mögen die Diskussion um die geplante Reform anregen; sie mögen für das geltende Recht dazu beitragen, das Recht des Schuldnerverzugs aus seinem dogmatischen Schattendasein81 zu befreien.

78

Vgl. § 275 BGB-KE.

79

Abschlußbericht, S. 137.

80

Dito. Vgl. oben S. 23, Fußnote 73 .

8!

Erstes Kapitel

Unmöglichkeit und Verzug A. Das Verhältnis von Unmöglichkeit und Verzug nach herrschendem Verständnis Am Anfang jeder Prüfung der Verzugsvoraussetzungen steht nach allgemeiner Meinung zum geltenden Recht die Frage nach der Möglichkeit der Leistung. Schuldnerverzug sei, so wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung 1 kommentiert2 und gelehrt3, im Falle der dauernden Unmöglichkeit sowie des dauernden Unvermögens des Schuldners zur Leistung ausgeschlossen. Das Verhältnis zwischen Unmöglichkeit und Verzug sei "vom Gesetz sich gegenseitig ausschließend gedacht" 4 Es sei "ungeschriebene, aber sich aus dem Gesetzeszusammenhang ergebende Voraussetzung des Schuldnerverzugs ( ...), daß die Leistung möglich und damit nachholbar ist" 5. Diesem weitverbreiteten Verständnis von der gegenseitigen Ausschließlichkeit der beiden im Gesetz geregelten Fälle des allgemeinen Leistungsstörungsrechts dürfte es durchaus entsprechen, daß die zu vertretende vorübergehende Unmöglichkeit nach heute allgemeiner Meinung Verzug begründet6, sofem7 und weil die Leistung nachholbar ist.8 1 RGZ

94,203, 206; RGZ 97, 9; RGZ 105,280, 281;BGHZ 84,244,248 f. Palandt-Heinrichs, § 284 Anm. 1 b) aa), Rdnr.2, MüKo-Thode, § 284 Rdnr. 21; Soergel-Wiedemann § 326 Rdnr. 8. 3 Larenz, SehR I, § 23, S. 344; Gernhuber, BR, § 31 I 4, S. 287; Medicus, SehR I, § 34 I 2, S. 185; Diederichsen, JuS 1985, S. 828; Walchshöjer, JuS 1983, S. 598 f. 4 Soergel-Wiedemann, § 326 Rdnr. 8. 5 Diederichsen, JuS 1985, S. 828, Walchshöfer, JuS 1983, S. 599. 6 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 284 Anm. I) b) aa), Rdnr. 2, MüKo-Thode, § 284 Rdnr. 23; Diederichsen, JuS 1985, S. 828. 7 Ausgenommen sind die Fälle des absoluten Fixgeschäfts, der Nichtnachholbarkeit in der Vergangenheit versäumter Leistungen bei Dauerverpflichtungen- Diederichsen, JuS 1985, S. 828 - sowie unter weiteren Voraussetzungen diejenigen Fälle, in denen die Erreichung des Vertragszwecks durch den Zeitablauf in Frage gestellt würde - vgl. MüKo-Thode, § 284 Rdnr. 23. 8 Diederichsen, JuS 1985, S. 828. 2

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

30

Kann zwar hiernach schon von einem allgemeingültigen Satz des Vorrangs der Unmöglichkeit vor dem Schuldnerverzug nicht mehr ohne weiteres gesprochen werden und bestehen angesichts einer Rechtsprechung, die es dem Gläubiger trotz vom Schuldner behaupteter aber von ihm zu vertretender Unmöglichkeit erlaubt, nach §§ 283, 326 BGB9 vorzugehen,l 0 ernstzunehmende Zweifel jedenfalls auch an der Allgemeingültigkeit der Lehre vom Ausschluß des Verzuges bei vom Schuldner zu vertretender dauernder Unmöglichkeit und dauerndem Unvermögen zur Leistung, die freilich im engen Zusammenhang stehen mit der Frage nach dem Fortbestand der Leistungspflicht bei vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen, 11 so schließt doch unbestritten die Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht bei nachträglicher, von ihm nicht zu vertretender objektiver Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB die Anwendung der Verzugsregeln aus. 12 Dies gilt hier auch fiir die nur vorübergehende Unmöglichkeit. 13 Darüberhinaus erübrigt sich die Frage des Schuldnerverzugs nach geltendem Recht in den Fällen anflinglicher objektiver Unmöglichkeit, in denen nach § 306 BGB Nichtigkeit des Vertrages anzunehmen ist. 14

9 Auch § 283 BGB ist den Verzugsvorschriften zuzuordnen. Die Vorschrift setzt in ihrem objektiven Tatbestand nicht Unmöglichkeit, infolge § 284 Abs. I Satz 2 BGB wohl aber Verzug voraus. Sie erübrigt dem Gläubiger nach rechtskräftiger Verurteilung des Schuldners durch Setzung einer angemessenen Frist den sonst nach § 286 Abs. 2 BGB zu führenden Beweis, "daß die Leistung infolge des Verzugs des Schuldners kein Interesse mehr für ihn hat", Staudinger-Kuh/enbeck, 7./8. Auflage, § 283 Anm. I. § 283 BGB hat daher "seinen systematischen Ort in der Lehre vom Schuldnerverzug", ders., a.a.O. m. w. Nachw.; so auch Planck-Siber, § 283 Anm. I a), S. 251; offengelassen bei Soergei-Wiedemann, § 283 Rdnr. 3; nach MüKo-Emmerich, § 283 Rdnr. I, weise die Vorschrift "eine enge Verwandtschaft insbes. mit§ 326 Abs. 1 auf'. 10 Dazu unten S. 91 ff.

V gl. eingehend unten S. 73 ff. Vgl. die oben Fußnote 2 genannten. 13 Vgl. RGZ 168, 328; Palandt-Heinrichs, § 225 Anm. 5 a), Rdnr. 17; allerdings verlangt MüKo-Emmerich, Rdnr. 28 vor § 275, eine Einrede des Schuldners. 14 Daß dies nicht für alle Fälle anfänglicher objektiver Unmöglichkeit zutreffend ist, zeigen neben gesetzlichen Sonderregelungen wie beispielsweise § 437 BGB auch die Fälle, in denen die Rechtsprechung eine vertragliche Garantiehaftung angenommen hat, vgl. RGZ 137, 84. II

12

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf I. Überblick 1. Kritik des geltenden Rechts durch die Kommission

Der eben geschilderte Vorrang des Unmöglichkeitsrechts: der sich aus dem Gesetzeszusammenhang ergebende Ausschluß des Schuldnerverzuges überall dort, wo das Gesetz Nichtigkeit des Vertrages anordnet oder wo der Schuldner wegen Unmöglichkeit vom Gesetz als nicht zur Leistung verpflichtet angesehen wird, 15 steht als eine der Folgen, die der historische Gesetzgeber der Unmöglichkeit zugeordnet habe, im Mittelpunkt der Reformanliegen im allgemeinen Leistungsstörungsrecht "Die Heraushebung der Unmöglichkeit (neben dem Schuldnerverzug) als eine der beiden Säulen des Rechts der Leistungsstörungen", so heißt es im Abschlußbericht, 16 "sei der Hauptmangel des geltenden Rechts" 17 . Demzufolge soll die Unmöglichkeit nach dem Vorschlag der Kommission "ihre zentrale Position im Recht der Leistungsstörungen verlieren" 18 . Nachdem "die Fragwürdigkeit der zentralen Rolle der Unmöglichkeit im Bürgerlichen Gesetzbuch schon 1907 von Ernst Rabe/ hervorgehoben worden", die "Kritik seitdem nicht verstummt" und zuletzt von Huber in seinem fiir die Kommission angefertigten Gutachten 19 "scharfe Kritik am Abstellen auf die Unmöglichkeit" geübt worden sei, 20 wird bei der Angabe von Mängeln des Unmöglichkeitsrechts zur Begründung dieses Reformanliegens nicht gespart. Mit der "Unmöglichkeit der Leistung als zentralem Merkmal des geltenden Leistungsstörungsrechtes" sei ein seltener Fall zum Mittel- und Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung gemacht. 21 Die vom geltenden Recht außerdem geforderte Unterscheidung nach "den verschiedenen Arten der Unmöglichkeit

15 Je nachdem, welcher Auffassung man folgt, nur nach § 275 BGB oder auch nach § 280 BGB; vgl. unten S. 73 ff. 16 Abschlußbericht, S 118. 17 Dies wird im Rahmen der Erläuterungen zu§ 275 BGB-KE festgestellt, Abschlußbericht, S. 118. 18 Abschlußbericht, S. 120. 19 Vgl. Huber, Leistungsstörungen, S. 757 f. 20 Abschlußbericht, S. 120. 21 Ein Fall, der nach Ansicht der Kommission "nicht nur selten auftritt, sondern überhaupt nur bei ganz bestimmten Schuldverhältnissen auftreten kann", Abschlußbericht, S. 16.

32

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

und des Unvermögens" bilde "eine ständige Quelle von Abgrenzungsschwierigkeiten, deren befriedigende Lösung daran" scheitere, "daß eine plausible rechtspolitische Rechtfertigung der unterschiedlichen Rechtsfolgen, ( ... ),nicht erkennbar" sei22 . Kritisiert wird in diesem Zusammenhang insbesondere die vielgescholtene23 Regelung des § 306 BGB aufgrund der generellen Nichtigkeitsanordnung und der Beschränkung der Haftung auf das negative Interesse durch § 307 BGB24 sowie das Fehlen einer Regelung des anflinglichen Unvermögens25. Bemängelt wird ferner die nach Ansicht der Kommission unzulängliche Regelung der vorübergehenden Unmöglichkeit. Sie sei im Gesetz nur teilweise geregelt, unter anderem "nicht hingegen insoweit, als die Unmöglichkeit erst nachträglich eintritt"26 . Dem historischen Gesetzgeber "mißglückt" sei die Regelung der nachträglichen Leistungshindernisse auch deshalb, weil § 275 BGB unzutreffenderweise voraussetze, daß den Schuldner kein Verschulden treffe; das Vertretenmüssen sei richtigerweise "fiir den Fortbestand der Primiirleistungspflicht ohne Bedeutung: Was der Schuldner nicht leisten kann, das schuldet er auch nicht, und zwar unabhängig von dem Grund seiner Unfähigkeit'm. "Rechtspolitisch zweifelhaft" sei endlich auch die vom Gesetz angeordnete Befreiung ipso iure. 28 Andere Rechtsordnungen böten dagegen ein anderes Bild. So käme insbesondere das Leistungsstörungsrecht des UN-Kaufrechtes ohne das Rechtsinstitut der Unmöglichkeit aus.29 Die einschlägigen Fälle würden von den allgemeinen Vorschriften erfaßt,30 die nicht an den Grund der Nichterfiillung anknüpften, 31 sondern "an die (dem Gläubiger sichtbare) Nichterfiillung der Vertragspflicht"32. "Ähnliches" gelte "fiir die Zivilgesetzbücher des romanischen Rechtskreises" 33 . "Auch im angloamerikanischen Recht" sei "- schon wegen dessen anderen Ausgangspunkts - fiir die Unmöglichkeit nur am Rande Raum als Befreiungstatbestand"34 . Zwar fiihre das so beschriebene Regelungsmodell 22 Abschlußbericht, S. 17. 23 Vgl. unten S. 79. 24

Abschlußbericht, S. 16.

25 Abschlußbericht, S. 16 f. 26 Abschlußbericht, S. 17. 27 28

Abschlußbericht, S. 118. Abschlußbericht, S. 119.

29 Abschlußbericht, S. 19. 30

Art. 45 ff., 61 ff. UN-Kaufrecht, Abschlußbericht, S. 20.

31 Vgl. hierzu auch Huber, Leistungsstörungen, S. 699 f. 32 Abschlußbericht, S. 119. 33 Abschlußbericht, S. 119, unter Berufung auf Zweigert!Kötz II, § 13 III. 34 Abschlußbericht, S. 119; Zweigert!Kötz II, § 13 IV.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

33

desUN-Kaufrechtes "überwiegend zu den gleichen Ergebnissen", "wie sie nach geltendem deutschen Recht( ... ) erzielt werden", es wäre aber das Nebeneinander zweier ganz unterschiedlicher Normensysteme "auf die Dauer mißlich"3 5. Darüberhinaus habe das UN-Kaufrecht im Gegensatz zum Bürgerlichen Gesetzbuch "die Grundprinzipien, von denen sein Leistungsstörungsrecht geleitet ist, in klaren, verständlichen, widerspruchsfreien und rechtspolitisch einleuchtenden Regeln niedergelegt"36. 2. Die Grundkonzeption des Entwurfes Folgerichtig entbehrt der Kommissionsentwurf durch die Neufasssung der §§ 275, 280, 306, 323 ff. BGB jeder Norm, die die Gültigkeit des Vertrages oder den Fortbestand der Leistungspflicht ausdrücklich und ipso iure von der Möglichkeit der Leistung abhängig macht. Die Nachholbarkeit der Leistung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Verzuges37 wird gestrichen. Jede Nichterfiillung einer vertraglichen Leistungspflicht soll - unabhängig vom Grund der Nichtleistung, vom Vertretenmüssen des Schuldners und von seiner Möglichkeit zur Leistung - im Grundtatbestand der Pflichtverletzung zumindest nach § 323 BGB-KE aufgehen. 38 Um dies zu gewährleisten, um auch die Unmöglichkeitsflille im allgemeinen Tatbestand der Verletzung einer Leistungspflicht zu erfassen, darf diese Pflicht nicht wie nach § 306 BGB in ihrer Entstehung durch die Möglichkeit der Leistung bedingt oder wie nach § 275 BGB39 durch die Möglichkeit zur Leistung begrenzt sein, muß nach dem Kommissionsentwurf auch die Nichtleistung des Schuldners aufgrund von ihm nicht zu vertretender Unmöglichkeit immer als Pflichtverletzung bezeichnet werden40 und demzufolge kann auch der Verzug des Schuldners nicht schon durch eine allgemeine pflichtenbegrenzende Norm wie die des § 275 BGB dadurch ausgeschlossen sein, daß die Leistung nicht nachholbar ist. Die Unmöglichkeit soll -jedenfalls nach dem Wortlaut der §§ 280 ff. BGBKE- auch in der Regelung der dem Gläubiger dienenden Anspruchsgrundlagen die ihr nach geltendem Recht im Rahmen der §§ 280, 325 BGB zukommende

3S

Abschlußbericht, S. 20.

38

V gl. Abschlußbericht, S. 166.

39

Entsprechend der herrschenden Lehre auch nach § 280 BOB.

36 Abschlußbericht, S. 20, unter Darlegung weiterer Vorzüge des UN-Kaufrechtes. 37 Vgl. oben S.29.

Wohl in erster Linie zu diesem Zweck soll§ 275 Satz 2 BGB-KE "klarstellen, daß auch die durch eine Einrede gedeckte Nichtleistung eine Pflichtverletzung sein kann", vgl. Abschlußbericht, S. 121. 40

3 Wahl

34

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

besondere Bedeutung filr das Schadensersatzverlangen verlieren. 41 Während die Ansprüche aus vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit neben denen aus Schuldnerverzug die Schadensersatzregelung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches prägen und die Frage nach der Konkurrenz dieser Vorschriften aufwerfen,42 sollen die Gläubigeransprüche de lege ferenda solche auf Ersatz des Verzögerungsschadens oder auf "Schadensersatz statt der Leistung" sein.43 Durch die von der Kommission angestrebte Neuordnung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ohne zentrale Stellung der Unmöglichkeit werden demnach die Weichen fiir das Verhältnis zwischen Unmöglichkeit und Verzug in vielfältiger Hinsicht neu gestellt: In Ermangelung einer dem § 306 BGB entsprechenden Regelung ist der auf eine anilinglich objektiv unmögliche Leistung gerichtete Vertrag grundsätzlich wirksam,44 der Schuldner einer nachträglich unmöglich gewordenen Leistung nicht ipso iure von seiner Leistungspflicht frei, die Möglichkeit der Leistung nicht ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung des Schuldnerverzugs. Noch weitergehend wird im Erläuterungsteil des Abschlußberichtes der Kommission sogar festgestellt, überhaupt sei das Verhältnis zwischen Unmöglichkeit und Verzug nicht geregelt und brauche auch nicht "geregelt zu werden", da "sich die Wirkung der Unmöglichkeit" nach dem Kommissionsentwurf "darauf beschränken" solle, "eine Mahnung wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit" gemäß § 284 Abs. 2 Nr. 3 BGB-KE "unnötig zu machen". 45 Es leuchtet jedoch unmittelbar ein, daß dies zumindest dann nicht das letzte Wort sein kann, wenn man mit dem Kommissionsentwurfund den entsprechenden Darlegungen im Abschlußbericht trotz der erwähnten heftigen Kritik an der Rolle der Unmöglichkeit im geltenden Recht beim Auftreten von Leistungshindernissen eine sich aus dem Schuldverhältnis selbst ergebende Begrenzung der Primärleistungspflicht jedenfalls bei Unmöglichkeit der Leistung anerkennt,46 fiir die es nicht einmal auf ein Vertretenmüssen ankommen, wenn also

41 Vgl. aber filr die Bedeutung der Unmöglichkeit als Ausnahme vom Erfordernis der Fristsetzung nach § 283 Abs. 2 BGB-KE zunächst Abschlußbericht, S. 135. 42 Vgl. oben S. 29 ff. 43 Eine erste Übersicht über die Schadensersatzregelung des Kommissionsentwurfs nach §§ 280 ff. BGB-KE sowie über die Motive filr diesen Reformvorschlag wurde bereits in der Einleitung gegeben, vgl. oben S. 18 f. 44 Zu den auch de lege ferenda anzuerkennenden Ausnahmen vgl. unten S. 117 und v. Wallenberg, ZRP 1994, S. 309. 45 Abschlußbericht, S. 139; die dort genannten weiteren Folgen spielen vorliegend keine Rolle. 46 Abschlußbericht, S. 120.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

35

der Schuldner nicht schulden soll, was er nicht leisten kann.47 Entsprechend heißt es im Schlußsatz der Erläuterungen zum Verhältnis zwischen Schuldnerverzug und Unmöglichkeit, im übrigen läge "es beim Schuldner, die Einrede aus § 275 BGB KE zu erheben".48

II. Grenzen der Leistungspflicht nach § 275 BGB-KE 1. Die Wirkung der Einrede des § 275 BGB-KE

auf den Eintritt des Schuldnerverzugs

Die soeben in ihrer Kürze fast vollständig wiedergegebenen Bemerkungen im Abschlußbericht zum de lege ferenda von der Kommission erachteten Verhältnis zwischen Unmöglichkeit und Verzug vermitteln den Eindruck, als stünde es nach den Regelungen des Entwurfs außer Zweifel und bedürfte darum keiner weiteren Erörterung, daß der Schuldner trotz Unmöglichkeit in Schuldnerverzug geraten, diesen aber durch Geltendmachung des ihm dann zustehenden Leistungsverweigerungsrechtes ausschließen könnte. Indessen haben die Reformer selbst darauf hingewiesen, daß sie "die Frage, ob und inwieweit schon das Bestehen einer Einrede (und nicht erst deren Geltendmachung) den Schuldnerverzug" ausschließe, "bewußt nicht geregelt", sondern "Rechtsprechung und Lehre überlassen" hätten. 49 Wird aber dem Schuldner mit § 275 BGB-KE eine Einrede gegen den Leistungsanspruch des Gläubigers gegeben, so bedeutete dies jedenfall nach der von der Rechtsprechung auf dem Boden des geltenden Rechts dem Einrederecht zugewiesenen Wirkung und nach der heute noch als herrschend bezeichneten Lehre50, daß der Eintritt der Verzugsfolgen nicht erst mit der Erhebung der Einrede, sondern bereits ab dem Bestehen des Einrederechts, mithin ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit, ausgeschlossen wäre, nicht dagegen erst durch die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechtes. 51 Dann aber würden sich in den wohl allermeisten Fällen52 Änderungen allenfalls in der dogmatischen Kon-

47

Abschlußbericht, S. 118.

48 Abschlußbericht, S. 139, im Anschluß an die Feststellungen oben, Fußnote 45. 49 Abschlußbericht, S. 139. 50

Vgl. Larenz, SehR I,§ 23 I c, S. 349, und unten S. 39.

51 Dito. 52 Ausgenommen wären nur und quasi "im Nachhinein" die wirklich seltenen Fallkonstellationen, in denen der Schuldner - aus welchen Gründen auch immer - die Einrede im Prozeß nicht erhebt, vgl. unten S. 39.

36

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

struktion,53 nicht aber hinsichtlich der Bedeutung der Unmöglichkeit als Ausschlußgrund filr den Schuldnerverzug ergeben. Folgt man dagegen der entgegengesetzten Grundanschauung, die den Verzug erst durch die Erhebung der Einrede als ausgeschlossen erachtet, 54 so kann es nach derzeitigem Meinungsstand nicht als abschließend geklärt angesehen werden, daß die Verzugsfolgen durch die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechtes auch rückwirkend hinflillig sein sollen. 55 Schließlich weichen - ohne daß dies im Abschlußbericht ausdrückliche Erwähnung fmdet56 - die Rechtsfolgen eines derart konsequent gedachten Verzugsausschlusses so weit vom geltenden Recht ab, daß es zumindest einer Prüfung der Frage bedarf, ob die Erhebung der Einrede des § 275 BGB-KE57 den Verzug des Schuldners in jedem Falle ausschließen soll, in dem dieser zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Hierbei ist in erster Linie an die Behandlung der vorübergehenden vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit zu denken, 58 die nach heute allgemeiner Meinung nur den Verzugsregeln zu unterwerfen ist, 59 sowie an die sich de lege ferenda bei der Annahme eines Verzugsausschlusses ergebenden Änderungen in den Rechtsfolgen, 60 aber auch daran, daß die Gerichte bei vom Schuldner zwar behaupteter, nicht aber

53 Verzugsausschluß nicht mangels des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der Nachholbarkeit der Leistung, sondern aufgrund der Einrede des Schuldners wegen Nichtnachholbarkeit der Leistung. 54 So insb. Jahr, Jus 1964, S. 302; vgl. unten S. 40. 55 Dito.

56 Vgl. lediglich etwa den Hinweis auf die nach Ansicht der Kommission unzulängliche Regelung der vorübergehenden Unmöglichkeit nach geltendem Recht, Abschlußbericht, S. 17. 57 Nach anderer Ansicht schon das Vorliegen ihrer Voraussetzungen. 58 Nach dem im Hinblick auf die Erfassung auch lediglich vorübergehender Leistungshindernisse eindeutigen Wortlaut des § 275 BGB-KE müßten Verzugsansprüche des Gläubigers bei Erhebung der Einrede ausscheiden. 59 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 284 Anm. I b) aa, Rdnr. 2. 60 Schließt man Verzugsansprüche des Gläubigers aufgrund der Einrede aus, so dürfte doch Einigkeit darüber bestehen, daß es dem Gläubiger auch de lege ferenda bei vom Schuldner zu vertretenden Umständen möglich sein muß, zum Ersatz des Verzögerungsschadens zu gelangen. Und es ist genauso zweifelsfrei, daß es sich bei entsprechend verspäteter Leistung um eine Verzögerung der Leistung handelt. Deswegen, wegen zeitlicher Verzögerung, kann der Gläubiger nach § 280 Abs. 2 Satz 2 BGB-KE Schadensersatz aber "nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Verzugs nach § 284 BGBKE verlangen", der seinerseits doch aufgrund der Leistungsverweigerung des Schuldners ausgeschlossen wäre. Zur Lösung nach dem Kommissionsentwurf vgl. unten s. 173.ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

37

"feststehender"61 dauernder Unmöglichkeit dem Schuldner den Beweis dieser Unmöglichkeit gerade mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Gläubigers verwehren, nach Verzugsregeln62 nicht nur zum Ersatz des Verzögerungsschadens, sondern auch zum Schadensersatz wegen Nichterfiillung zu gelangen,63 . wenn der beklagte Schuldner nicht zugleich unter Beweisantritt substantiiert behauptet, "daß die Unmöglichkeit nicht von ihm zu vertreten" sei.64 Anknüpfungspunkte fiir eine Differenzierung dergestalt, daß man dem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 BGB-KE verzugsausschließende Wirkung nur dann zuerkennt, wenn der Schuldner den Eintritt seiner Voraussetzungen nicht zu vertreten hat, könnten sich etwa daraus ergeben, daß man den Grund fiir den Verzugsausschluß bei einem dem Schuldner zustehenden Leistungsverweigerungsrecht im Ausschluß des Verschuldens nach § 285 BGB65 erblickt66 oder im "jeweiligen Rechtfertigungsgehalt der Einrede fiir die Leistungsverzögerung durch den Schuldner"67 fmdet und das Vorliegen dieser Voraussetzungen bei vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen in Frage stellt. Für die geplante Neuregelung scheint es darüberhinaus sogar denkbar, der Einrede des § 275 BGB-KE Wirkung auf den Eintritt des Schuldnerverzuges generell zu versagen, weil nach der Systematik des Kommissionsentwurfs auch die vom Schuldner nicht zu vertretende Nichtleistung, gleich ob sie durch die Einrede des § 275 BGB-KE gedeckt ist, als "Pflichtverletzung" Tatbestandsvoraussetzung fiir Gläubigerrechte jedenfalls zum Rücktritt68 und zum "Schadensersatz statt der Leistung" nach § 283 BGB-KE sein karm69 und sein muß70 • Nähme man dasselbe auch fiir den Anspruch des Gläubigers auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach§§ 280, 284 BGB-KE an, so ergäbe sich 61

Das heißt unstreitiger oder bewiesener, vgl. Pant/e, S. 83 f., Rdnr. 160.

62

Zu ihnen zählt auch§ 283 BGB, vgl. oben Fußnote 9. Über §§ 283, 326 BGB.

63

64 Pantle, S. 83 f. De lege lata kann dies nur möglich sein unter Außerachtlassung der herrschenden Lehre, nach der sich die Primärleistungspflicht bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit infolge der gemäß § 280 BGB anzunehmenden "Umwandlung" ipso iure in eine Verpflichtung zur Schadensersatzleistung "verwandle", vgl. unten S. 73 ff. De lege ferenda wäre die Fortftlhrung dieser Rechtsprechung angesichts des § 275 BGB-KE unhaltbar. 65 Für den Reformentwurf § 284 Abs. 3 BGB-KE. 66

Vgl. unten S. 39.

Diederichsen,JuS 1985, S. 829 f. § 323 BGB-KE. 69 Dies soll durch § 275 S. 2 BGB-KE klargestellt werden, Abschlußbericht, S. 121. 70 Sonst würde der Gläubiger durch die Einrede des Schuldners nicht nur seinen Erftlllungsanspruch, sondern auch den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterftlllung verlieren. 67

68

38

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

keine abwegige Konstruktion, die zu unzutreffenden Ergebnissen fiihren würde. Bei vom Schuldner nicht zu vertretenden - auch nur vorobergehenden - Leistungshindernissen bis hin zur dauernden Unmöglichkeit bliebe der Eintritt des . Schuldnerverzuges ausgeschlossen durch das Verzugserfordernis des Verschuldeos nach§ 283 Abs. 3 BGB-KE. 71 a) Einrede und Schuldnerverzug nach geltendem Recht

Die seit lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Wirkung von Einreden auf den Schuldnerverzug vertretenen Theorien ergeben ein mannigfaltiges Bild. 72 So reichen die Ansichten in zahlreichen Abstufungen vom "Ausschluß der Leistungspflicht" selbst bei bloßer Berechtigung zur Leistungsverweigerung73 bis hin zur Leugnung eines logischen Zusammenhanges zwischen Einrede und Verzugsausschluß Oberhaupt. 74 Seit jeher wird zudem zwischen den verschiedenen Einreden des geltenden Rechts differenziert, werden insbesondere Ausnahmen fiir §§ 273, 320 BGB anerkannt1 5. Besteht heute zwar insoweit Einigkeit, als der Eintritt der Verzugsfolgen jedenfalls bei erhobener Einrede ausgeschlossen sein soll, so steht nach wie vor im Mittelpunkt der Diskussion, ob bereits das bloße Bestehen des Einrederechts76 oder erst dessen Ausübung den Schuldnerverzug ausschließen, ob nach zweitgenannter Ansicht die Wirkung erst ex nunc von der Geltendmachung des Leistungsverweigerungs71 Bereits fiir das geltende Recht wird von Jakobs die Ansicht vertreten, daß die Leistungspflicht des Schuldners - und mit ihr die Verzugsansprüche des Gläubigers durch von ihm selbst zu vertretende Leistungshindernisse grundsätzlich nicht ausgeschlossen werde, auch nicht bei dauernder objektiver Unmöglichkeit, vgl. unten S. 84 ff. Und nicht zuletzt entspräche eine solche Konstruktion jedenfalls insoweit den von der Rechtsprechung erzielten Ergebnissen, als diese die Leistungspflicht allenfalls bei feststehender dauernder Unmöglichkeit verneint (abgesehen natürlich von den Fällen der anfli.nglichen Unmöglichkeit nach § 306 BGB), unten S. 91 ff., sowie der heute allgemeinen Meinung für vorübergehende vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse bis hin zur Unmöglichkeit und der Behandlung, die das anflingliche Unvermögen gegenwärtig erfährt, vgl. unten S. 76 ff. 72 Vgl. insbesondere Oertmann, ZHR 78, I ff.; Larenz, SehR I, § 23 I c), S. 349 ff. ; Jahr, JuS 1964, S. 125, 218 uns 293 ff.; Diederichsen, JuS 1985, S. 829 f. ; Huber, Leistungsstörungen, S. 782 ff. 73 Vgl. den Hinweis aufeine "(ältere) Ansicht von Hölder" bei Oertmann, S. 3. 74 Schreiber, S. 238 f. und S. 243, demzufolge ein Verzugsausschluß "immer besonders aus rechtspolitischen Gesichtspunkten begründet werden" müsse. 75 Larenz, SehR I, § 23 I c), S. 351 f. ; Oertmann, S. 10; Jahr, JuS 1964, S. 301m. w. Nachw.; vgl. aber Huber, Leistungsstörungen, S. 783. 76 V gl. die zahlreichen Nachweise aus Schrifttum und Rechtsprechung bei Larenz, SehR I, S. 349, Fußnote 19, sowie nachfolgend sub aa).

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

39

rechts an eintreten oder ob sie mit rückwirkender Kraft auf den Zeitpunkt des Eintritts der Einredeberechtigung ausgestattet sein soll77 . aa) Erste Grundansicht Das Vorliegen der Voraussetzungen der Einredeberechtigung schließt die Verzugsfolgen aus Die bereits eben erwähnte Lehre vom Ausschluß der Leistungspflicht bei bloßer Berechtigung zur Leistungsverweigerung wird - soweit ersichtlich heute nicht mehr vertreten. Vielmehr wird von denjenigen Vertretern, der als herrschend bezeichneten Meinung78 , wonach allein das Vorliegen der Voraussetzungen der Einredeberechtigung die Verzugsfolgen ausschließen soll, die zur Begründung dieses Ergebnisses an die Leistungspflicht des Schuldners anknüpfen, zumeist entweder die "Fälligkeit" oder die "Vollwirksamkeit" der Forderung verneint. 79 Daneben wird auch vom "Ruhen" der Forderung gesprochen. 80 Dagegen meinen andere 81 , der Schuldner sei an sich zwar zur Leistung weiterhin verpflichtet, er habe deren Ausbleiben jedoch nach § 285 BGB nicht zu vertreten und könne deshalb nicht in Verzug geraten. Von diesem Standpunkt aus kann jedoch nicht übersehen werden, daß ein wirksamer Verzugsausschluß nur dann anzuerkennen ist, wenn der Schuldner von seinem Leistungsverweigerungsrecht spätestens im Prozeß tatsächlich Gebrauch macht, weshalb zahlreiche Vertreter dieser ersten Grundanschauung die Wirkung des Verzugsausschlusses unter die "Bedingung", unter die Voraussetzung späterer Erhebung "der Einrede im Prozeß" stellen. 82 Sonst müßte, wenn der Schuldner von seinem Leistungsverweigerungsrecht keinen Gebrauch machen will, zwar hinsichtlich des Leistungsanspruches stattgegeben werden, dagegen würden die weiteren Verzugsansprüche der Abweisung unterliegen83 .

So insbesondere Jahr, a.a.O., S. 301 f. Hierzu nachfolgend sub bb). So Larenz, SehR I, § 23 I c), S. 349. 79 Palandt-Heinrichs, § 284, Anm. 2 a), Rdnr. 11 ; Walchshöfer, JuS 1983, S. 599.

77

78

Gernhuber, Bürgerliches Recht, § 31 III 1 c), S. 290. So insbesondere die Rechtsprechung, vgl. RGZ 126, 285; Seuff A 76 Nr. 48; BGHZ 84, 42, 44. 82 Gernuber, § 31 III 1 c), S. 290; vgl. auch Palandt-Heinrichs, § 284, Anm. 2 a), Rdnr. 11. 83 Vgl. Larenz, SehR I,§ 23 I c), S. 350. 80 81

40

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

bb) Zweite Grundansicht: Erst die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechtes schließt den Verzug aus Nach der entgegengesetzten Grundansicht soll der Eintritt des Verzuges nicht schon durch das Bestehen, sondern erst durch die Geltendmachung der Einrede ausgeschlossen sein. 84 Nach dieser Meinung könne die Einrede als Gestaltungsrecht Wirkungen erst dann entfalten, wenn der Schuldner sie geltend macht. 85 Führt man diesen zumeist als treffend bezeichneten Ansatz86 zu Ende, so stellt sich jedoch die Frage, ob die Erhebung der Einrede rückwirkende Kraft entfalten kann. Verneint man dies deshalb, weil die Ausübung eines Gestaltungsrechts grundsätzlich nicht zurückwirkt,87 so müßten die bis zur Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechtes bereits eingetretenen Verzugsfolgen bestehen bleiben und es wäre eine Klage bei Geltendmachung der Einrede erst im Prozeß hinsichtlich des Leistungsanspruches selbst abzuweisen, dagegen wären dem Gläubiger Ansprüche wegen des bis dahin eingetretenen Verzugsschadens zuzusprechen.88 Es liegt auf der Hand, daß unter Mißbilligung dieses Ergebnisses der Geltendmachung der Einrede demzufolge von den meisten Vertretern dieser Grundansicht rückwirkende Kraft beigemessen wird. 89 cc) Vermittelnde Theorien Keine der beiden Grundanschauungen in ihrer strikten Konsequenz als auf alle Einreden des bürgerlichen Rechts anwendbar erachtend,90 haben sich zur Vermeidung der darin erkannten Krux schließlich vermittelnde Theorien gebildet. So sieht Larenz in der Einrede zwar ein Gestaltungsrecht, "dessen Ausübung" erst "den Anspruch des Gläubigers ( ... ) zu 'hemmen"' vermöge, 91 wogegen "gewisse Rechtsfolgen" , zu denen er auch den Ausschluß des Verzuges 84 Jahr, JuS 1964, S. 302; Planck-Siber, § 284 Anm. 3a); Oertmann, ZHR 78, S. 11 ff.; Staudinger-Löwisch (1995), Rdnr. 9; Medicus, SehR I,§ 34 I 3 b), S. 186. 85 Jahr, JuS 1964, S. 302. 86 Diederichsen, JuS 1985, S. 829; Huber, Leistungsstörungen, S. 782; vgl. auch Larenz, SehR I, § 23 I c), S. 350. 8? Vgl. Larenz, SehR I,§ 23 I c), S. 350. ss Hieraufverweist Larenz, SehR I,§ 23 I c), S. 350. 89 So Jahr, JuS 1964, S. 301 f.; Huber, Leistungsstörungen, S. 782; differenzierend Medicus, SehR I, § 34 I 3 b), S. 186, der ähnlich wie Diederichsen, JuS 1985, S. 829, nach der speziellen Gestaltung der einzelnen Einredenormen unterscheiden möchte. 90 Vgl. zu der bereits dargelegten Problematik eingehend Larenz, SehR I, § 23 I c), S. 350; ähnlich Diederichsen, JuS 1985, S. 829. 91 Larenz, SehR I, § 23 I c), S. 350 f.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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rechnet, jedoch bereits beim Vorliegen der Voraussetzungen dieses Rechtes "'ipso jure' eintreten" sollen.92 Mache der Schuldner jedoch von seiner Einrede im Prozeß "keinen Gebrauch", dann müsse "er sich nun so behandeln lassen, als wäre er in Verzug gekommen".93 Diederichsen sieht die Lösung "in der Anknüpfung an den jeweiligen Rechtfertigungsgehalt der Einrede fiir die Leistungsverzögerung durch den Schuldner"94 . Dabei hänge die Frage, ob der Verzug bereits bei Vorliegen der Voraussetzungen des Einrederechts oder erst bei dessen Geltendmachung ausgeschlossen sein soll, "von dem 'Grade' ab, in welchem die Einrede das Hinauszögern der Leistung durch den Schuldner rechtfertigt". 95 Danach soll beispielsweise das bloße Bestehen des Einrederechts aus § 320 BGB den Verzug ausschließen, "weil bei den Austauschverträgen Leistungs- und Gegenleistungsanspruch von vornherein voneinander abhängig gemacht werden", 96 wogegen im Falle des § 273 BGB erst die Berufung des Schuldners auf die Einrede den Verzug ausschließen soll, weil der Leistungsanspruch des Gläubigers "an sich 'in Ordnung"' wäre, "erst die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes den Zusammenhang zwischen der Verpflichtung des Schuldners und seinem eigenen Gegenanspruch" herstelle. 97 dd) Stellungnahme Gegen die Ansicht, wonach der Verzug bei entgegenstehendem Leistungsverweigerungsrecht mangels Fälligkeit ausgeschlossen sein soll, hat bereits Oertmann98 schlagende Argumente vorgebracht: Setzt der Lauf der Verjährungsfristen einen "flilligen Anspruch voraus", 99 so stünde die Annahme eines Fälligkeitsausschlusses bei entgegenstehendem Einrederecht im Widerspruch zur Anordnung des § 202 BGB, wonach die dort genannten aufschiebenden

92

Larenz, SehR I, § 23 I c), S. 350 f.

Dito. Diederichsen, JuS 1985, S. 829 f. 95 Ders., JuS 1985, S. 830.

93

94

96

Dito.

JuS 1985, S. 829 f. Gerade im letztgenannten Fall sieht sich auch die herrschende Meinung zur Anerkennung einer Ausnahme vom Grundsatz des Verzugsausschlusses beim bloßen Bestehen des Einrederechtes gezwungen, die freilich häufig mit der Abwendungsbefugnis des § 273 Abs. 3 BGB begründet wird, vgl. BGHZ 84, 44; BGH NJW 1963, S. 1149; Palandt-Heinrichs, § 284 Anm. 2 b, Rdnr. 12. 97 Diederichsen,

98 99

Oertmann, S. 11 ff. Wie allgemein angenommen, vgl. nur Larenz, SehR I,§ 23 I c), S. 350.

42

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Einreden die Verjährung nicht hemmen. 100 Würde die Einrede der Verjährung selbst die Fälligkeit ausschließen, so könnte sich der Gläubiger nach § 223 BGB wegen eines nicht flUligen Anspruches aus Hypotheken und Pfändern befriedigen. 101 Der Gläubiger eines mit der Einrede des § 273 BGB behafteten Anspruches könnte seinerseits gegen den Anspruch des Schuldners mangels Fälligkeit seines Anspruches kein Zurückbehaltungsrecht gegen den Schuldner haben. 102 Nicht nur die Vorschrift des § 1211 BGB wäre bei Annahme eines Ausschlusses der Fälligkeit überflüssig, auch die des § 390 Satz l BGB, da ohnehin bereits nach§ 387 BGB "nicht aufgerechnet werden" könnte1°3• Will man den Eintritt des Schuldnerverzuges beim Vorliegen der Voraussetzungen eines Leistungsverweigerungsrechtes deshalb ausschließen, weil der Schuldner nur das Ausbleiben der Leistung nicht zu vertreten habe, so muß man gleichsam als Vorfrage die nach der Leistungspflicht, dem Leistensollen, bejahen, es muß mit anderen Worten "die Leistungsnotwendigkeit objektiv vorhanden" sein. 104 Unterstellt man diese Leistungspflicht, so kann das Nichtleisten des Schuldners nicht aufgrund einer ihm zustehenden Einrede zu einem unvorsätzlichen, zu einem nicht fahrlässigen werden. Vielmehr wird doch der Schuldner, der sich fi1r sein Nichtleisten auf den Einwand der Verjährung, auf sein Zurückbehaltungsrecht oder künftig auf§ 275 BGB-KE beruft, gerade vorsätzlich nicht leisten. Als subjektiver Entschuldigungsgrund bei feststehender Leistungspflicht kommt deswegen allenfalls die "irrige Annahme des Schuldners" vom Bestehen eines Einrederechtes in Betracht. 105 Anderenfalls kann "die willkürliche Leistungsweigerung als solche das Nichtleisten nicht rechtfertigen" .106 Entscheidend kann es danach fiir die Frage des Verzugsausschlusses nicht sein, ob der Schuldner fahrlässig oder vorsätzlich dem an ihn gerichteten Leistungsgebot nicht nachgekommen ist, sondern es muß allein darauf ankommen, ob die Rechtsordnung angesichts des Leistungsverweigerungsrechtes dieses Leistungsgebot selbst aufrechterhalten will. Darüber, daß dies bei einredebehafteter Forderung, spätestens aber bei Geltendmachung des Leistungs-

100 Oertmann, S. 12. 101 Dito. 102 Oertmann, S. II f. Überhaupt könnten - weiter gedacht - die Tatbestandsvoraussetzungen des § 273 BGB nicht erftillt werden und die Vorschrift wäre insgesamt gänzlich unverständlich, weil sie den Gegenanspruch als fällig bezeichnet, der doch seinerseits einredebehaftet sein muß, ders., a.a.O. 103 Oertmann, S. 13 f. 104 So Oertmann, S. 19. 105 Ders., S. 19 m. w. Nachw. 106 Oertmann, S. 19, der den zutreffenden Vergleich zieht zu "einem Münchhausen, der sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpfe zu ziehen versucht".

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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verweigerungsrechtes durch den Schuldner nicht der Fall sein soll, dürfte auf dem Boden des geltenden Rechts Einigkeit bestehen.107 Auf eine besondere Rechtfertigung aus rechtspolitischen Gründen kann es darüberhinaus nicht ankommen, wo die Rechtsordnung zur Leistungsverweigerung berechtigt. 108 Den Rechtfertigungsgehalt der Einrede fiir die Leistungsverzögerung gibt die Rechtsordnung selbst durch die Anordnung des Leistungsverweigerungsrechtes.109 Hieraus wird zudem umgekehrt deutlich, daß dort, wo die Rechtsordnung ein Leistungsverweigerungsrecht gewährt, das Nichtleisten kein "ungerechtfertigtes"110, kein schuldhaftessein kann, ganz gleich aus welchem Grunde die Rechtsordnung dem Schuldner die Einrede gewährt. Danach kann es fiir die Frage des Verzugsausschlusses nicht darauf ankommen, ob der Schuldner die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechtes selbst schuldhaft herbeigefiihrt hat und man kann ebensowenig der ihm dann zustehenden Einrede den Rechtfertigungsgehalt versagen. 111 Schließlich streiten gegen die Annahme eines Ausschlusses der Fälligkeit oder des Verschuldens bei entgegenstehender Einredeberechtigung auch all die folgenden Gründe, die der Annahme eines Verzugsausschlusses bei bloßem Leistungsverweigerungsrecht, von dem der Schuldner noch keinen Gebrauch gemacht hat, überhaupt entgegenstehen. Bereits oben 112 wurde darauf hingewiesen, daß die sich aus der herrschenden Meinung auch dann, wenn man die "Vollwirksamkeit" der Forderung verneint oder die Forderung als "ruhend" bezeichnet, 113 ergebende Konsequenz, nach der der Schuldner zwar zur Leistung, nicht aber zum Ersatz des Verzögerungsschadens verurteilt würde, wenn er die Einrede auch im Prozeß nicht erhebt, vielfach als untragbar empfunden wird, 114 zumal auch bei Säumnis des Schuldners die Klage "wegen der Verzugs107 Vgl. oben S. 38. 108 Die von Schreiber, S. 238 f. und S. 243, begründete Ansicht wird demnach heute wohl auch nicht mehr vertreten. 109 So auch Oertmann, S. 22. 110 Vgl. dens., S. II f. 111 Damit scheidet die oben S. 37 in Erwägung gezogene Möglichkeit aus, fiir die Frage der Wirkung von Einreden auf den Eintritt des Schuldnerverzugs danach zu differenzieren, ob der Schuldner die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechtes selbst schuldhaft herbeigefUhrt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob man hierfiir an das Verzugserfordernis des Verschuldens nach § 284 Abs. 3 BGB-KE oder in Anlehnung an die von Diederichsen - allerdings nur fiir die Frage, ob es de lege lata einer Geltendmachung der Einrede bedarf - geforderte Unterscheidung nach dem jeweiligen Rechtfertigungsgehalt der Einrede anknOpfen wollte. 112

s. 39.

Oben S. 39. 11 4 Larenz, SehR I,§ 23 I c), S. 350; Jahr, JuS 1964, S. 301. 113

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

folgen" abgewiesen werden müßte 115. Auch die zur Vermeidung dieses Ergebnisses angenommene "Bedingung" der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechtes spätestens im Prozeß 116 kann zur Lösung dieses Widerspruches nicht befriedigen. Denn letztlich zeigt gerade diese "Korrektur", daß die herrschende Meinung zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen prozessualen Gleichbehandlung der von Amts wegen zu beachtenden rechtsvernichtenden Einwendungen und der nur bei Geltendmachung durch den Beklagten zu beachtenden Einrede fiihrt, 117 wie überhaupt nur die entgegengesetzte Ansicht, nach der es auf die Geltendmachung der Einrede ankommen soll, der Ausformung der Einrede durch das Gesetz als "Gestaltungsrecht" gerecht wird. 118 Reicht sonach die bloße Berechtigung zur Leistungsverweigerung grundsätzlich nicht aus, den Eintritt der Verzugsfolgen auszuschließen, so scheint schließlich gegen die Ansicht zu sprechen, nach der der Schuldnerverzug erst bei Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechtes ausgeschlossen sein soll, daß der Ausübung dieses Gestaltungsrechtes rückwirkende Kraft beigemessen werden müßte, um zu befriedigenden Ergebnissen zu gelangen.119 Hier weist wiederum Oertmann 120 einen überzeugenden Lösungsweg: Solange die Voraussetzungen einer Einrede fiir den Schuldner gegeben sind, er von seinem Leistungsverweigerungsrecht aber noch keinen Gebrauch gemacht hat, können Verzugsansprüche des Gläubigers zwar zur Entstehung gelangen, allerdings infolge des Einrederechts gegen den Hauptanspruch als selbst nur mit der gleichen Einrede behaftete, die der Schuldner dann auch diesen Nebenansprüchen, beispielsweise dem Anspruch auf Verzugszinsen, entgegenhalten kann.1 21 Bei lediglich aufschiebenden Einreden vermag dabei der Geltendmachung von Verzugsansprüchen aus der Zeit der Einredeberechtigung das Leistungsverweigerungsrecht entgegengehalten zu werden. 122 Schadensersatzansprüche infolge des Verzuges entstehen ebenfalls nur als einredebehaftete, wobei "alle innerhalb der Dauer seines Leistungsweigerungsrechtes entstandenen Folgen der Nichtleistung endgültig" vom Schuldner abgewehrt werden

115 Oertmann, S. 14 mit dem Hinweis auf ein eindrucksvolles Beispiel von Siber. 116 Vgl. oben S. 39. 117 Vgl. Oertmann, S. 13. 118 So insbesondere Jahr, JuS 1964, S. 302; Staudinger-Löwisch (1995), § 284 Rdnr. 9; Huber, Leistungsstörungen, S. 782; im Ergebnis wohl auch Medicus, SehR I, § 34 I 3 b), S. 186. 119 Vgl. Larenz, SehR I,§ 23 I c), S. 350.

120 S. 32 ff. 121 Oertmann, S. 32; so auch Staudinger-Löwisch (1995), § 284 Rdnr. 9. 122 Oertmann, S. 35.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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können. 123 Dem ist zu folgen. Nach dieser Ansicht kann dem Charakter der Einrede als Gestaltungsrecht Rechnung getragen werden, das Rechtswirkungen erst mit seiner Geltendmachung entfaltet, ohne daß dabei unbefriedigende Ergebnisse erzielt würden und ohne daß man der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechtes systemwidrig rückwirkende Kraft beimessen müßte. Vermittelnder Theorien 124 bedarf es nicht. Gleichwohl dürfte diese Auffassung letztlich kaum zu abweichenden Ergebnissen gegenüber denjenigen filhren, die entweder der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechtes trotz der hiergegen gerichteten Kritik rückwirkende Kraft zuordnen 125 oder aber unter dem Vorbehalt späterer Ausübung dem Einrederecht selbst verzugsausschließende Kraft beimessen 126 . Trotz der erheblichen Unterschiede in der dogmatischen Einordnung, deren Bedeutung fiir die Erfassung des Kommissionsentwurfs und den Fortgang der Arbeit nicht besonders betont werden muß, besteht im praktischen Ergebnis weitgehende Einigkeit dahin, daß einerseits die Einrede dem Verzug dann nicht entgegensteht, wenn der Schuldner von seinem Leistungsverweigerungsrecht überhaupt keinen Gebrauch macht und daß andererseits der Gläubiger Ersatz seines Verzögerungsschadens auch fiir die Zeit vor der Erhebung der Einrede selbst dann nicht nach den Regeln über den Schuldnerverzug erlangen kann, wenn der Schuldner die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts selbst schuldhaft herbeigefilhrt hat, sofern sich nicht aus den fiir die Einrede des § 275 BGB-KE angeordneten Besonderheiten anderes ergibt. b) Die Einrede des§ 275 BGB-KE im besonderen

Bereits oben 127 wurde darauf hingewiesen, daß der Kommissionsentwurf die Leistungspflicht des Schuldners auch bei erhobener Einrede des § 275 BGB-KE nicht als hinfallig betrachtet, sondern selbst bei vom Schuldner nicht zu vertretenden Leistungshindernissen die Nichtleistung durch den Schuldner zum Anknüpfungspunkt von Gläubigerrechten macht. Nach den Erläuterungen im Abschlußbericht soll auch die durch die Einrede des § 275 BGB-KE gedeckte Nichtleistung als Pflichtverletzung zu betrachten sein können, 128 die dem

123

Ders., S. 35 f.

124

Vgl. oben S. 40. Jahr, JuS 1964, S. 302; Huber, Leistungsstörungen, S. 782.

125 127

Vgl. oben S. 39. s. 37.

128

Abschlußbericht, S. 121.

126

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Gläubiger ein Rücktrittsrecht nach § 323 BGB-KE gewährt. 129 Im Falle vom Schuldner zu vertretender Leistungshindernisse berechtigt die in der Nichtleistung zu erkennende Pflichtverletzung den Gläubiger zum Schadensersatz "statt der Leistung" nach §§ 280, 283, 323, 327 BGB-KE und es stellt sich daher die Frage, ob Entsprechendes nicht auch fiir den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach §§ 280, 284 BGB-KE zu gelten habe. Dann wäre der auf§ 275 BGB-KE gestützten Leistungsverweigerung ein Einfluß auf die Frage des Verzugseintritts zu versagen und der Verzug wäre lediglich durch das Erfordernis des VertretenmUssens gemäß § 284 Abs. 3 BGB-KE bei vom Schuldner nicht zu vertretenden Leistungshindernissen ausgeschlossen. 130 Hierfiir könnte sprechen, daß § 284 Abs. 2 Nr. 3 BGB-KE eine Mahnung fiir den Eintritt des Schuldnerverzuges bei deren offensichtlicher Erfolglosigkeit als entbehrlich erklärt, was nach den Erläuterungen im Abschlußbericht insbesondere im Falle der Unmöglichkeit gelten soll. 131 Und immerhin hat auch Huber als Vorgutachter in seinem Modellvorschlag der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit 132 keine Auswirkungen auf den Verzug zugeordnet, 133 wie er generell die Pflichten des Schuldners nicht durch von ihm zu vertretende Umstände beeinflußt sehen wollte 134 . Doch gerade hiergegen hat sich die Kommission entschieden gewandt, wenn es im Abschlußbericht135 heißt, es bedürfe "auch in Zukunft einer Grenze fUr die Primärleistungspflicht des Schuldners", die künftig durch § 275 BGB-KE gezogen werden soll. Und wer nicht schuldet, was er "nicht leisten kann", 136 der kann sich schwerlich mit seiner Leistung im Verzuge befinden. Nach dem

129 Die Nichtleistung stellt nach der Dogmatik des Kommissionsentwurfes selbst dann eine Pflichtverletzung durch den Schuldner dar, wenn ihm die Leistung aufgrund eines vom Gläubiger zu vertretenden Umstandes unmöglich geworden ist, vgl. § 323 Abs. 3 Nr. 3 BGB-KE. 130 Diese Frage ist zu scheiden von den vorigen Erörterungen über den Einfluß des Vertretenmüssens auf den Verzugsausschluß. Dort ging es um die generell den Einreden des geltenden Rechts zuzuschreibenden Wirkungen, hier um die spezielle Ausformung des von der Kommission vorgeschlagenen § 275 BGB-KE. 131 Abschlußbericht, S. 139. 132 Wenn es im Abschlußbericht, S. 120, heißt, Huber habe von der Berücksichtigung der Unmöglichkeit ganz abgesehen, so kann dem meines Erachtens nicht gefolgt werden, da die Fälle der vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit von § 275 Abs. 3 und 4 des Hubersehen Modellvorschlages wenigstens miterfaßt werden. Dies dürfte letztlich auch die Kommission gesehen haben, Abschlußbericht, S. 120.

133

Vgl. §§ 275 a, 275 b und Leistungsstörungen, S. 779 ff.

134

§ 275 Abs. 3 und 4; Leistungsstörungen, S. 779 ff.

135

Abschlußbericht, S. 120.

136

Vgl. oben S. 34.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Grundgedanken des Reformvorschlags hat der Schuldner, der die Leistung nach § 275 BGB-KE verweigern darf, obgleich er zu ihrer Erbringung schuldhaft nicht imstande ist, nicht den aus der Verzögerung der - "nicht geschuldeten" Leistung entstehenden Schaden zu ersetzen, sondern er schuldet "Schadensersatz statt der Leistung"; er hat den Schaden des Gläubigers zu ersetzen, der quasi dadurch entstanden ist, daß der Schuldner nicht mehr zu leisten verpflichtet ist. Dies wird mit aller Deutlichkeit durch den Wortlaut des § 275 Satz 2 BGB-KE klargestellt, nach dem bei Leistungsverweigerung durch den Schuldner filr die Rechte des Gläubigers die §§ 280, 281, 283, 323 BGB-KE gelten sollen, nicht dagegen die der §§ 284, 286 BGB-KE. Eine spezielle Anordnung wie in § 323 Abs. 3 Nr. 4 BGB-KE, daß die Einrede des § 275 BGB-KE "außer Betracht" zu bleiben habe, ist in § 284 BGB-KE nicht getroffen. Dem entspricht es auch, wenn der Unmöglichkeit im Abschlußbericht137 zwar keine direkte Wirkung auf den Eintritt des Schuldnerverzuges zugewiesen wird, 138 wohl aber vermittels der Erhebung der Einrede des § 275 BGB-KE 139. Und schließlich zeigen die Erläuterungen des Abschlußberichts zu § 284 BGB-KE, nach denen dem Erfordernis des Vertretenmüssens nach§ 284 Abs. 3 BGB-KE wegen dem bereits in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB-KE genannten Verschuldenserfordernis Bedeutung nur beigemessen wird hinsichtlich der "anderen" Verzugsfolgen, 140 daß die Regelung nicht so gemeint sein kann, daß Verzug erst aufgrund fehlenden Vertretenmüssens durch den Schuldner ausgeschlossen sein soll. 141 Für § 275 BGB-KE gelten die allgemeinen Regeln über die Wirkung der Einrede auf den Eintritt des Schuldnerverzugs. c) Ergebnis

Wenn auch der Kommissionsentwurf die Verpflichtung des Schuldners zur Leistungtrotz des Einrederechts nach § 275 BGB-KE zum Anknüpfungspunkt

137

S. 139.

Vgl. oben S. 35. 139 Abschlußbericht, S. 139, wodurch sich die Kommission zudem - obwohl nach der vorhergehenden Ziffer 5 noch offengelassen - für das Erfordernis der Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechtes erklärt. 140 Abschlußbericht, S. 139: "Haftungsverschärfung" und "Verzugszinsen" - § 275 BGB-KE erfaßt den Schuldner einer Geldleistung nicht! 138

141 Demnach dUrften die Erläuterungen, insoweit sie eine Wirkung der Unmöglichkeit auf die Frage des Verzugseintrittes verneinen und die Mahnung im Falle der Unmöglichkeit gern. § 284 Abs. 2 Nr. 3 BGB-KE als entbehrlich erachten, Abschlußbericht, S. 139, nur die Fälle bezeichnen, in denen der Schuldner von seinem Leistungsverweigerungsrecht keinen Gebrauch macht.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

von Schadensersatzansprüchen des Gläubigers wegen Nichterfiillung 142 und des Rücktrittsrechtes nach § 323 BGB-KE macht, so kann doch der Schuldnerverzug bei Unmöglichkeit vermittels der dem Schuldner gewährten Einrede ausgeschlossen werden. Obgleich sich zur Frage, ob bereits das bloße Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechtes oder erst dessen Ausübung den Schuldnerverzug ausschließen soll, nach geltendem Recht eine einheitliche Meinung seit lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches weder gebildet hat, noch dies auch nach einer Änderung im Sinne des Kommissionsentwurfes in absehbarer Zeit zu erwarten ist, so sprechen doch fiir ein Erfordernis der Geltendmachung der Einrede entgegen der noch als herrschend bezeichneten Meinung die besseren Argumente. Nachdem ferner die Erläuterungen im Abschlußbericht der Kommission fiir dieses Erfordernis sprechen, 143 ist zumindest fiir die Einrede des § 275 BGB-KE davon auszugehen, daß der Verzug de lege ferenda nicht ipso iure durch Unmöglichkeit ausgeschlossen sein, sondern daß es hierfiir auf die Berufung durch den Schuldner auf das Leistungshindernis ankommen soll. Mit seinem Leistungsverweigerungsrecht soll sich der Schuldner aber auch gegen solche Verzugsansprüche des Gläubigers zur Wehr setzen können, die bereits vor der Geltendmachung, aber nach dem Eintritt der Voraussetzungen dieses Rechtes entstanden sind. 144 Unabhängig von der Stellung zu den vorgenannten Fragen dürfte es der allgemeinen Meinung zum geltenden Recht wie auch dem Willen der Kommission entsprechen, daß der Schuldner allen Verzugsansprüchen des Gläubigers ausgesetzt ist, wenn er das Leistungsverweigerungsrecht des § 275 BGB-KE nicht geltendmacht, wenn er die Einrede nicht spätestens im Prozeß erhebt. 145 Dagegen ist die verzugsausschließende Wirkung der Leistungsverweigerung von einem das Einrederecht begründenden schuldhaften Verhalten unabhängig. 146 Der Schuldner kommt, wenn er von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch macht, auch dann nicht in Verzug, wenn er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 275 BGB-KE selbst schuldhaft herbeigefUhrt hat. Sieht man von dem Fall ab, daß der Schuldner von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 BGB-KE- warum auch immer 147 - keinen Gebrauch 142 Nach der Terminologie des Kommissionsentwurfes: "Schadensersatz statt der Leistung",§ 283 BGB-KE. 143 Oben Fußnote 139. 144 Zum Problem oben.S. 38. 14 5 Zum Sonderfall der Säumnis des Schuldners vgl. Abschlußbericht, S. 121. 146 Hierzu oben S. 43.und S. 47. 147 Die im Abschlußbericht, S. 121, erwähnte Möglichkeit, der Schuldner wolle sich seinen Anspruch auf die vertragliche Gegenleistung sichern, kommt in den Fällen "echter", das heißt naturgesetzlicher, juristischer oder sogenannter faktischer Unmöglichkeit eben wegen dieser Unmöglichkeit nicht in Betracht. Für die Fälle des Unvermögens und der bloßen Leistungserschwerung steht die Prüfung der Voraussetzungen noch

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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macht, so soll demnach de lege ferenda die Unmöglichkeit, als dauernde oder nur vorübergehende, als vom Schuldner zu vertretende oder nicht zu vertretende, den Verzug zwar nicht ipso iure, aber doch vermittels der Geltendmachung der Einrede des § 275 BGB-KE ausschließen. Anders läßt sich der Kommissionsentwurf nicht verstehen, obwohl das Ergebnis in Anbetracht der oben 148 im Blick auf die dadurch bedingte Änderung der Behandlung der dauernden und vor allem der vorübergehenden vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit ausgefilhrten Bedenken und angesichts der eingangs 149 dargestellten Kritik der Kommission am Unmöglichkeitsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, 150 insbesondere auch wegen der Berufung auf Rabe/ und Huber auf das Schärfste verwundem muß. Nach Hubers Modellvorschlag sollten vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse keinen Einfluß auf den Verzugseintritt haben.151 Und Rabe/ hat sich in seinem berühmten Aufsatz 152 entschieden gegen das "Dogma" 153 gewandt, daß Unmögliches nicht geschuldet sei, weil es nicht geleistet werden könne, 154 auf das die Kommission ihre Regelung gründet, 155 und er hat daher eine restriktive Handhabung der Unmöglichkeits-

aus, unter denen der Schuldner die Leistung nach § 275 BGB-KE verweigern darf; in den allermeisten Fällen wird es sich jedoch um eine nicht unerhebliche Erhöhung des zur Erbringung der Leistung erforderlichen Aufwandes handeln, und zumindest dann wird den Schuldner die versprachende Gegenleistung nicht zur Erbringung erheblicher Mehraufwendungen bewegen können, wenn Leistung und Gegenleistung nach dem Vertrag unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf der Grundlage gewöhnlicher Abwicklung austariert sind. Daß es daneben aber auch andere, von der Kommission wohl kaum in Erwägung gezogene und rechtspolitisch unerwünschte Gründe fiir die Nichterhebung der Einrede geben kann, wird unten, S. 277, zu zeigen sein. 148 S. 36. 149

Oben S. 31.ff.

Von der Kommission angegriffen wird doch gerade die zentrale Bedeutung der Unmöglichkeit neben dem Verzug, die sich im Verhältnis der beiden Rechtsinstitute zueinander in nichts anderem widerspiegelt als im Ausschluß dieser beim Vorliegen der Voraussetzungen jener Vorschriften. Dem als vorbildlich gegenübergestellt wird das Leistungsstörungsrecht des UN-Kaufrechtes, das ohne das Rechtsinstut der Unmöglichkeit auskomme und nicht an den Grund der Nichterfiillung - vorliegend kommen Unmöglichkeit oder Verzug in Betracht- sondern an die dem Gläubiger sichtbare Nichterfiillung der Vertragspflichten anknüpfe. Worin aber soll dann der Unterschied des Kommissionsentwurfes zum geltenden Recht liegen, wenn nicht in einer Ausweitung der Bedeutung der Unmöglichkeit? 150

151

§§ 275 Abs. 3 und 4, 275 b Abs. 1, vgl. Huber, Leistungsstörungen, S.779 ff.

152

FS f Bekker, S. 171 ff.

153

Rabe/, FS f Bekker, S. 176.

154

Ders., FS f Bekker, S. 177 ff. Vgl. hierzu eingehend unten S. 118.

15 5

Abschlußbericht, S. 118.

4 Wahl

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

vorschritten des Bürgerlichen Gesetzbuches gefordert. 156 Wenn dagegen - was angesichts der Kritik der Kommission an den durch das geltende Recht geforderten Unterscheidungen 157 nach der Art der Leistungshindernisse naheliegend erscheint und im folgenden zu prüfen sein wird - der Refonnvorschlag die verzugsausschließende Wirkung von Leistungshindernissen gegenüber dem Bürgerlichen Gesetzbuch ausweiten will auf anfiingliches Unvennögen, vorübergehende vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit und Fälle bloßer Leistungserschwerung, so stellt sich die von Rabe/158 aufgeworfene und filr die nachfolgende vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit mit Selbstverständlichkeit verneinte Frage mit neuer, größerer Tragweite: ob wirklich auch die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit und de lege ferenda darüberhinaus das Unvennögen und die bloße Leistungserschwerung - nach § 275 BGB-KE geltend gemacht - den Schuldner deshalb auch von Verzugsansprüchen befreit, "weil gerade die Unmöglichkeit die Obligation notwendig töten muß, wo sie sie fmdet, wie die Katze den Spatzen".

2. Der Vorrang des § 306 BGB-KE Vor den Tatbestand der Befreiung von der Leistungspflicht nach § 275 BGBKE haben die Kommissionsmitglieder - zumindest filr den Fall der Leistungserschwerung159- die Prüfung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage gesetzt. Dies ergibt sich bereits aus der hervorgehobenen Stellung der neugeschaffenen Nonn, die nach der Streichung des § 306 BGB ihren Platz gleich am Anfang des zweiten Abschnitts nach dem grundlegenden § 305 BGB/BGB-KE gefunden hat. Im Abschlußbericht wird zudem ausdrücklich hervorgehoben, daß 156 Rabe/, FS f. Bekker, S. 231 ff. Unter anderem sprach sich Rabe/, a.a.O., S. 234, dafiir aus, "die teilweise Unmöglichkeit, die sich begrifflich für die nicht rechtzeitige Leistung ergeben mag, da sie doch in §§ 286, 326 geregelt ist, dem Verzugrecht [zu] belassen". 157 Vgl. oben S. 31. und Ro/land, demzufolge "32 verschiedene Fälle der Unmöglichkeit gezählt worden" seien, NJW 1992, S. 2381. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, ob und inwieweit de lege ferenda Differenzierungen nach anilinglicher und nachträglicher, vollständiger und teilweiser, objektiver und subjektiver, zu vertretender und nicht zu vertretender, dauernder und vorübergehender Unmöglichkeit entbehrlich sein würden. Sind die vorgenannten Distinktionen ferner zu kombinieren mit der Unterscheidung nach echter Leistungshinderung und bloßer Leistungserschwerung sowie mit der Möglichkeit, daß der Schuldner von seinem Recht aus § 275 BGB-KE keinen Gebrauch macht, so ließen sich gedanklich fortan 128 verschiedene, dem Regelungsbereich der Vorschrift unterliegende Fallgruppen unterscheiden: 27 = 128. 158 FS f. Bekker, S. 228. 159 Zu den Fällen "echter" Unmöglichkeit sogleich im folgenden.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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§ 306 BGB-KE als Spezialregelung dem § 275 BGB-KE im vertraglichen Bereich grundsätzlich vorginge, 160 wo das Problem der Geschäftsgrundlage in der Regel nur auftrete. 161 Scheint hierdurch das nach geltendem Recht verbreitete Verständnis der Subsidiarität der Grundsätze über die Geschäftsgrundlage gegenüber den Vorschriften über die Unmöglichkeit162 geradezu auf den Kopf gestellt zu werden, so stellt sich als Vorfrage fiir die Anwendbarkeit des § 275 BGB-KE die nach der Abgrenzung zu § 306 BGB und es drängt sich ferner sogleich die Frage nach einem Vorrang des § 306 BGB-KE auch fiir die Fälle der Unmöglichkeit im engeren Sinne auf. Zuletzt bleibt, weil die Anwendbarkeit der Vorschrift nicht ausdrücklich fiir die Fälle vom Schuldner zu vertretender Herbeifilhrung der leistungserschwerenden Umstände ausgeschlossen ist, und mangels eines vom theoretischen Ansatz her gegenteiligen Hinweises im Abschlußbericht der Kommission163 zweifelhaft, ob und wann dem Schuldner auch in diesem Falle eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gewährt werden soll. Die Anwendung des § 306 BGB-KE auch auf diejenigen Fälle, die herkömmlicherweise nur nach den Vorschriften der §§ 275 ff., 306 ff. sowie 323 ff. BGB geregelt werden, erscheint nach dem Kommissionsentwurf nicht ausgeschlossen. Sind die weiteren Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 306 BGB-KE gegeben, so stünde dem Schuldner, da eine Vertragsanpassung regelmäßig ausscheiden würde, 164 das Recht zum Rücktritt vom Vertrag gemäß § 306 Abs. 3 BGB-KE zu. Für eine dem Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners nach § 275 BGB-KE gegebenenfalls vorgehende Möglichkeit der "Korrektur" des Vertrages vermittels Aufhebung der Leistungspflicht selbst durch Rücktritt vom Vertrage könnte man jedenfalls vorbringen, daß, von "Ausnahmetallen" der "Gefahr der Existenzvernichtung" der benachteiligten Partei abgesehen, "die Frage nach dem Wegfall der Geschäftsgrundlage in aller Regel, bildlich gesprochen, auf einer Stufe vor der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung anzusiedeln" sei, 165 weil es 160 Abschlußbericht, S. 151. 161 Abschlußbericht, S. 150- wogegen es im Satz zuvor noch heißt, der Wegfall der Geschäftsgrundlage sei ein besonderer Anwendungsfall des § 242 und nicht nur fiir Verträge von Bedeutung, Abschlußbericht, a.a.O.; zum Streitstand über die Anwendbarkeit der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bei einseitigen Rechtsgeschäften und gesetzlichen Schuldverhältnissen vgl. Palandt-Heinrichs, 52. Aufl., § 242 Rdnr. 114m. w. Nachw.; anderer Ansicht ders., 54. Auflage, unter Hinweis auf BGHNJW 1993, S. 850. 162 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 242, Rdnr. 119. 163 Vgl. die Ausruhrungen S. 151 f. 164 Hiervon muß bei vollständiger Unmöglichkeit der Leistung ausgegangen werden. 165

Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 28 II I c), S. 333 f.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

letztlich um die Frage gehe, "was geschehen soll, wenn die jeweilige (vertragliche oder gesetzliche) Risikoverteilung deshalb versagt, und zwar gemessen an materialen Gerechtigkeitspostulaten und Äquivalenzvorstellungen, weil die ihr zugrundeliegenden 'Voraussetzungen' in dem betreffenden Fall nicht mehr zutreffen" 166 . Erkennt man treffend das Wesen der Geschäftsgrundlage darin begründet, daß sie sich gerade aus den Umständen bildet, "auf denen die jeweilige Risikoverteilung aufbaut und bei deren im wesentlichen unveränderten Fortbestand sie 167 daher allein sinnvoll ist" 168, so liegt es in der Tat nahe, diese Risikoverteilung beim Fortfall der genannten Umstände auf den zugrundeliegenden Vertrag nicht mehr anzuwenden, vorausgesetzt aber immer, daß man die Möglichkeit des Wegfalls dieser Umstände nicht als von der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung umfaßt ansieht. 169 Letztlich ist es also gerade dieses: die Nichtanwendung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, was Kern und Wesen des Instituts und seiner Rechtsfolgen ausmacht- und hiervon ist de lege ferenda bereits aufgrunddes insoweit eindeutigen Wortlauts des § 306 BGB-KE auszugehen. Wie aber läßt sich bestimmen, wann die "planmäßige" Durchfilhrung des Vertrages entsprechend der durch Vertrag und Gesetz vorgesehenen Risikoverteilung für eine Partei unzumutbar sein soll, weil die "vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung durch das Fehlen oder den Wegfall der genannten Umstände geradezu ihren Sinn verliert und gleichsam in ihr Gegenteil verkehrt wird"? 170 Dies ist nur möglich, indem quasi als Vorfrage die Rechtsfolge ermittelt wird, die sich unter Außerachtlassung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ergeben würde, und dieses Ergebnis "an materialen Gerechtigkeitspostulaten und Äquivalenzvorstellungen" 171 gemessen wird. Dies gilt auch und gerade dort, wo nach herrschender Meinung zum geltenden Recht die Frage nach einem Wegfall der Geschäftsgrundlage

Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 28 II I c), S. 334. Gemeint ist wohl die Risikoverteilung, vgl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 28 II I c), S. 334. 168 Ders., Das Recht der Leistungsstörungen, § 28 li 1 c), S. 334. 169 Dies erscheint nicht nur de lege ferenda aufgrund der an sich umfassenden Regelung des § 275 BGB-KE fragwürdig, sondern es ist bereits de lege lata das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur unter der Annahme der herrschenden Meinung zu rechtfertigen, daß § 275 BGB die Frage der angemessenen Risikoverteilung in den vom "Wegfall der Geschäftsgrundlage" erfaßten Fällen nicht beantworte, mit anderen Worten mit der Annahme einer Lücke in der Regelung des dispositiven Rechts, vgl. hierzu unten S. 141 . Merkwürdig mutet es aber allemal an, daß der Kommissionsentwurf mit§ 306 BGB-KE eine Vorschrift enthält, die eine gesetzliche Risikoverteilung für den Fall bereithält, daß die "gesetzliche Risikoverteilung" einer Partei nicht zugemutet werden kann. Dies ist hier nicht weiter zu vertiefen. 170 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 28 II 1 c), S. 335. 171 Ders., Das Recht der Leistungsstörungen, § 28 li 1 c), S. 334. 166 167

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dem Unmöglichkeitsrecht "vorgehen", weil nicht § 275 BGB, sondern § 242 BGB anzuwenden sein soll, nämlich bei der fiüher sogenannten "wirtschaftlichen Unmöglichkeit", dem Fall der bloßen Leistungserschwerung, bei dem sich die Anwendungsbereiche der §§ 275 und 306 BGB-KE überschneiden.172 Nur fiillt die Prüfung des Ergebnisses der gesetzlichen Risikoverteilung de lege lata hier besonders leicht und bedarf vom Ausgangspunkt der vorgenannten herrschenden Ansicht keiner näheren Untersuchung, weil bloße Leistungserschwerungen als von § 275 BGB nicht umfaßt angesehen werden und demnach allein nach dieser Vorschrift vom unbeschränkten Fortbestand der Leistungspflicht auszugehen sein soll. 173 Für den Kommissionsentwurf kann dies natürlich nicht gelten. Hier soll die Leistungserschwerung durch § 275 BGB-KE ausdrücklich geregelt werden 174 und es bedarf mithin fiir die Frage der Unzumutbarkeit nach § 306 BGB-KE der vorrangigen Prüfung der gesetzlichen Risikoverteilung und damit insbesondere des § 275 BGB-KE darauf, ob nicht Unzumutbarkeit bereits deshalb ausscheidet, weil dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Aus Vorstehendem folgt, daß eine Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auch nach § 306 BGB-KE in allen Fällen der Leistungserschwerung bis hin zur Unmöglichkeit eine vorherige gedankliche Anwendung des § 275 BGB-KE voraussetzt. Soweit die Kommission vom Vorrang der Regelungen des § 306 BGB-KE ausgeht, kann lediglich ein Vorrang der Rechtsfolgen gemeint sein, der dann eintreten soll, wenn eine Prüfung des § 275 BGB-KE den Fortbestand der Leistungspflicht ergibt, die des § 306 BGB-KE, daß dies fiir den Schuldner unzumutbar wäre. Wird die Leistungspflicht infolgedessen den veränderten Umständen angepaßt, so kann die solchermaßen "korrigierte" Pflicht vom Schuldner nicht mehr gemäߧ 275 BGB-KE verweigert werden. 175 Damit bleibt die "Störung der Geschäftsgrundlage" 176 gegenüber den Fällen des § 275 BGB-KE subsidiär. Für die objektive Unmöglichkeit gilt dann, daß § 306 BGB-KE gar nicht zum Zuge kommen kann, weil dem Schuldner schon aufgrund § :275 BGB-KE das Recht zur vollständigen Verweigerung der Leistung zusteht. 177 Im Falle der bloßen Leistungserschwerung ist vorrangig zu fragen, ob der Schuldner die Leistung nach dem sich aus "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" sich ergebenden Maßstabe der geschuldeten Anstrengun-

172 Vgl. Abschlußbericht, S. 120. 173 Unten S. 124 ff. 174 Abschlußbericht, S. 118 f; hierzu unten S. 57. 175 Vgl. Abschlußbericht, S. 151. 176 Abschlußbericht, S. 146. 177 Auch eine Schadensersatzverpflichtung nach § 283 BGB-KE scheidet mangels Verschuldens aus.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

gen 178 zu erbringen hat, wobei in erster Linie "vom Schuldverhältnis" auszugehen sein soll 179 . Ist dies zu bejahen, so hätte es in zweiter Prüfungsstufe darauf anzukommen, ob dem Schuldner dieses Leistungsgebot ausnahmsweise und unter den weiteren Voraussetzungen des§ 306 BGB-KE unzumutbar ist, wobei im Ansatz von seiner "Person" auszugehen 180 und dabei auf die durch § 306 BGB-KE zu kodifizierende, seit Jahrzehnten bewährte Rechtspraxis zurückgegriffen werden soll, 181 wonach die Unzumutbarkeit insbesondere in den Fällen von Äquivalenz- 182 und Zweckstörungen sowie von Leistungserschwerungen in Betracht komme. 183 Aber auch dann, wenn das Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 BGB-KE zu bejahen ist, wird man zu fragen haben, ob nicht eine Anpassung des Vertrages - im Interesse des anderen Teils - die nach § 306 BGB-KE vorrangig angeordnete Rechtsfolge darstellen würde. Insgesamt sind danach aber - abgesehen von möglichen Überschneidungen mit § 275 BGBKE184- wesentliche Änderungen gegenüber dem geltenden Rechtszustand durch eine Kodifizierung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage mit der geplanten Einfilhrung des § 306 BGB-KE insoweit nicht zu erwarten, zumal der Kommissionsvorschlag nach den Bekundungen im Abschlußbericht185 "nur das ohnehin schon Anerkannte wiedergeben will". Mit großer Wahrscheinlichkeit wird zudem die Rechtsprechung das sich aus § 306 BGBKE daraus ergebende Problem, daß der richterlichen Gestaltung keine rückwirkende Kraft beigemessen werden kann und damit der Leistungsanspruch des Gläubigers bis zur Rechtskraft des Urteils bestehen bleibt, dahingehend lösen, daß die Nichtleistung - gegebenenfalls in Höhe des den angepaßten Betrag überschießenden Teils - bis dahin als unverschuldet angesehen wird und dadurch Verzugsansprüche des Gläubigers ausgeschlossen werden. Somit verbleibt die Frage nach der Beachtlichkeit vom Schuldner zu vertretender Leistungshindernisse im Rahmen des § 306 BGB-KE, die von der

178 Vgl. hierzu unten S.60 ff. 179 Abschlußbericht, S. 120. 180 Dito. 181 Abschlußbericht, S. 148. 182 Hier wird die Fragwürdigkeit desAbstellensauf die Person des Schuldners meines Erachtens besonders deutlich. Auf die auch schon im Abschlußbericht, S. 120, angesprochenen Abgrenzungsprobleme im einzelnen einzugehen, ist hier kein Platz. Vgl. hierzu auch Ernst, JZ 1994, S. 801 ff., 803. 183 Vgl. Abschlußbericht, S. 148. 184 Für die Fallgruppe der Leistungserschwernis wird hierauf zurückzukommen sein, vgl. unten S. 141. 185 S. 148.

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Kommission im Grundsatz nicht gänzlich ausgeschlossen wird. 186 Doch dürfte hierin nicht eine von der Kommission intendierte Tendenz zur Öffuung des Rechtsinstituts filr diejenigen Fälle zu erkennen sein, in denen der Schuldner selbst den Wegfall derjenigen Umstände zu vertreten hat, die eine Grundlage des Geschäfts ausmachen. Auch nach der EinfUgung des § 306 BGB-KE sollen "die strengen Anforderungen, die bisher an einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gestellt werden, unverändert aufrechterhalten" werden. 187 Hierzu gehört, daß eine Partei sich dann nicht auf den Wegfall berufen können soll, "wenn der Eintritt des Ereignisses, das die Störung der Geschäftsgrundlage ausmacht, als solches der Abhilfe begehrenden Partei zuzurechen ist". 188 Zutreffend wird dies auch unter Hinweis auf§§ 162, 242 BGB begründet. 189 Ebenso soll, in entsprechender Anwendung von § 287 Satz 2 BGB, eine Risikoverlagerung auf die Gegenpartei nicht stattfinden, wenn die Störung während des Verzuges eintrat.190 Auch wenn eine Partei "eine bestimmte Gefahr unschwer voraussehen konnte" 191 oder "sie es versäumt hat, der von ihr erkannten Entwicklung rechtzeitig durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken und dadurch den drohenden Schaden von sich abzuwenden", 192 wird die Anwendung versagt. Insgesamt wird man danachtrotzden in manchen Entscheidungen der Gerichte 193 zumeist ohne praktische Auswirkung genannten Vorbehalten 194 die Berufung auf den 186 Abschlußbericht, S. 152: "Eine Schadensersatzpflicht nach§ 280 BGB-KE besteht auch in den nur schwer vorstellbaren Fällen, in denen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen ist, obwohl der betroffene Vertragsteil ihn zu vertreten hat; die Verursachung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage stellt eine Pflichtverletzung dar". 187 Abschlußbericht, S. 150. 188 MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 542 m. w. Nachw. 189 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 27 III 4 a), S. 324. 190 Enneccerus-Lehmann, § 41 III 5, S. 182; Braun, JuS 1979, S. 692 ff., 697 m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung; BGH MDR 1953, S. 26. 191 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 27 III 4 a), S. 324. 192 Braun, JuS 1979, S. 697 m. w. Nachw. 193 Braun, JuS 1979, S. 697, weist darauf hin, daß sich das von der Praxis eingeschlagene Verfahren bewährt habe, "obgleich die verschiedenen Gesichtspunkte von den Gerichten sogleich wieder mit einer Reihe von Vorbehalten versehen worden sind" meines Erachtens durchaus dem Zweck der Einzelfallentscheidung ohne Vorgriff auf anders gelagerte Sachverhalte entsprechend- "und obgleich auch ihr Verhältnis zueinander keineswegs geklärt ist". Hierdurch sei es immer wieder möglich gewesen, "konkrete Fälle mit sparsamsten Mitteln überzeugend zu entscheiden" - also eben das zu tun, was alle Praxis im Gegensatz zur Dogmatik auch nur tun soll. Hat aber demnach nicht fur Wissenschaft und Gesetzgebung anderes zu gelten? 194 Braun, JuS 1979, S. 697. Nach Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 27 III 4 a), S. 324, soll es sich daher bei den vorgenannten Ausschlußtatbeständen nicht um zwingende Regeln handeln, "so daß in Ausnahmefällen je nach den Umständen des Falles und Treu und Glauben auch immer noch eine abweichende Beurteilung

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Wegfall der Geschäftsgrundlage dann als ausgeschlossen zu betrachten haben, wenn die Störung filr die betroffene Partei voraussehbar oder venneidbar gewesen, wenn mithin ihr Eintritt von ihr als verschuldet oder die Überwindung als geschuldet anzusehen ist.l95

3. Die für die Anwendbarkeit des § 275 BGB-KE entscheidungserheblichen Fragestellungen Auch über das eben dargestellte Problem der Abgrenzung zu § 306 BGB-KE hinaus wirft die vorgeschlagene Regelung eine ganze Reihe zum Teil sehr komplexer Fragenkreise auf, die zu behandeln man sich im Rahmen einer Prüfung der Verzugsvoraussetzungen gerne sparen würde, 196 die aber, wie dargelegt, 197 den de lege ferenda zu erachtenden Anwendungsbereich des Rechts des Schuldnerverzugs jedenfalls insoweit bestimmen, als sie vom Schuldner zu vertretende Leistungsstörungen betreffen 198.

§ 275 BGB-KE benennt als filr das Leistungsverweigerungsrecht beachtlichen Umstand dasjenige, was der Schuldner mit den "nach Inhalt und Natur des möglich" bleibe. In den von ihm zitierten Entscheidungen hat der BGH einmal die Möglichkeit der Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach Verzugseintritt verneint, BGH MDR 1953, S. 26. Im zweiten Fall, BGH BB 1957, S. 136, war die Störung zwar durch den Schuldner, aber wohl nicht durch dessen Verschulden, weil "im beiderseitigen Interesse", herbeigefiihrt worden. Zweifelhafter erscheint immerhin die dritte Entscheidung BGH LM § 133 (A) BGB Nr. II. Allerdings lagen die Dinge dort schon insofern besonders, als über die Anwendbarkeit der Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf Schenkungen zu entscheiden war, "soweit der Sachverhalt außerhalb des Bereichs der Sondervorschriften der §§ 527, 528, 530 BGB liegt", und zudem hat das Gericht die Besonderheit des Falles darin gesehen, "daß das schuldhafte Verhalten (...) zwar eine maßgebende, aber nicht die alleinige Ursache der Erschütterung der Geschäftsgrundlage war". 195 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz mag allenfalls in Analogie zu §§ 251 Abs. 2, § 633 Abs. 2 BGB vertretbar sein. Zur Ratio und systematischen Einordnung dieser Vorschriften vgl. unten S. 131 . 196 Vgl. unten S. 183 f. 197 Oben S. 48. 198 Bei unverschuldeten Leistungsstörungen steht dem Eintritt des Schuldnerverzugs de lege ferenda § 284 Abs. 3 BGB-KE entgegen. Gleichwohl kann auch eine Befreiungsregelung fiir vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungshindernisse fiir das Verständnis des Verzugsrechts nicht als unbedeutend angesehen werden, weil sie zum einen Aufschluß darüber geben kann, wann eine Leistungsverzögerung als vom Schuldner nicht zu vertreten anzusehen sein soll und weil sie zum anderen das Verhältnis zwischen Leistungspflicht und fiir den Eintritt des Schuldnerverzugs erforderlicher Pflichtverletzung verdeutlichen sollte, vgl. unten, S. 134 f.

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Schuldverhältnisses" geschuldeten Anstrengungen nicht zu "erbringen vermag" und bezeichnet, durchaus der Absicht der Kommission entsprechend, 199 mit dieser Umformulierung des Subjekts aus§ 275 Abs. 2 BGB zum Verb in§ 275 BGB-KE als prinzipiell beachtenswerten leistungshindernden Umstand neben der objektiven Unmöglichkeit200 auch das Unvermögen20I des § 275 Abs. 2 BGB- so verwunderlich diesangesichtsder gerade an dieser Vorschrift des geltenden Rechts so häufig geübten Kritik erscheinen mag.202 Aufgrund der durch die Streichung der §§ 306 ff. BGB geplanten Eingliederung der Fälle anflinglicher Unmöglichkeit in das allgemeine Recht der Leistungsstörungen203 muß dies nach dem Wortlaut des § 275 BGB-KE auch für anflingliche Leistungshindernisse gelten, obwohl doch nach ganz herrschender Meinung zum geltenden Recht das anfängliche Unvermögen die Wirksamkeit des Vertrages nicht hindert, der Gläubiger "auf Erfiillung klagen" 204 und damit auch Verzugsansprüche geltendmachen kann. Wird darüberhinaus im Abschlußbericht205 die "Beschränkung des § 275 BGB auf die (objektive und subjektive) Unmöglichkeit" als "verbesserungswürdig" bezeichnet, weil sie "den wirklichen Anwendungsbereich der Entlastungsregel nur unvollständig zum Ausdruck" bringe, so scheinen schließlich auch bloße Leistungserschwerungen als Anknüpfungspunkte der Einrede des § 275 BGB-KE dienen zu sollen, soweit und solange nur das Schuldverhältnis 199 Abschlußbericht, S. 118 f. 200 Auch der Schuldner kann nicht, was keiner kann. Nach Schlechtriem, ZEuP 1993, S. 224, dürften befreiende "Unmöglichkeit des § 275 BGB (und auch die objektive anfiingliche Unmöglichkeit des § 306 BGB) (... ] neben den Fällen unzumutbarer Leistungserschwerung immer noch den Kern des Anwendungsbereichs der Vorschrift ausmachen". 201 Auf eine besondere "Qualifikation" des Unvermögens, beispielsweise dahingehend, daß "der Schuldner auch zur Beschaffung" der geschuldeten Sache "nicht in der Lage ist", vgl. Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 3 a), Rdnr. 13, braucht es allein hiernach, braucht es für die Frage nach der grundsätzlichen Beachtlichkeit des hindernden Umstandes nicht anzukommen. Auch § 279 BGB-KE ist - wird doch das Vertretenmüssen in § 275 BGB-KE nicht genannt - kein direkter Einfluß auf die Befreiungsregelung zu entnehmen. 202 Vgl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 6 IV 3 c), S. 93 m. w. Nachw.; nach Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 267, gehörten die "Begriffe des Unvermögens und der subjektiven Unmöglichkeit" gar "- als Beispiele begriffsjuristischer Entgleisung - in die Dogmengeschichte". 203 Die hiermit verbundenen Fragen können im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht umfassend erörtert werden, vgl. nur unten S. 117; hierzu Ernst, JZ 1994, S. 80 I ff., 803 f. und v. Wallenberg, ZRP 1994, S. 306 ff. 204 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 4 a), Rdnr. 9. 205 S. 118.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

dem Schuldner nicht die Überwindung der hindemden Umstände gebietet. Allein es bleibt zu fragen, unter welchen Voraussetzungen dies gegeben sein soll, und wir werden diese Frage auch dann zu prüfen haben, wenn die von der Kommission vorgesehene "Auslegung des Versprechens" 206 nicht weiterhelfen kann.207 Im Gegensatz zu § 275 BGB wird die Begrenzung der (Primär-)Leistungspflicht des Schuldners in § 275 BGB-KE nach dem Wortlaut der Vorschrift aber auch nicht davon abhängig gemacht, daß der Schuldner die leistungshindemden Umstände "nicht zu vertreten" hat. 208 Hieraus wird man zu schließen haben, und in ersten Stellungnahmen zum Kommissionsentwurf wird dies getan,209 daß es nach Absicht seiner Verfasserde /egeferenda fiir die Befreiung des Schuldners - allerdings nur aus seiner Primärleistungspflicht - 210 auf die Frage eines Verschuldeos hinsichtlich des Eintritts oder der Nichtüberwindung eines leistungshindernden Umstandes nicht ankommen soll, zumal § 275 BGB im Abschlußbericht vor allem deshalb bemängelt wird, weil die Frage nach der Befreiung des Schuldners mit dem Vertretenmüssen verknüpft sei2 11 . "Zweifel, ob dies ernsthaft die von der Reformkommission intendierte Regelung sein kann", 212 ob der Schuldner tatsächlich bei objektiver und subjektiver Unmöglichkeit und darüberhinaus auch bei einer bloßen Leistungserschwerung, die er selbst schuldhaft herbeigefUhrt hat, völlig unabhängig von der Frage nach dem Vertretenmüssen von seiner Primärleistungspflicht frei werden soll, drängen sich nicht nur deshalb auf, weil der Anspruch des Gläubigers auf Erfiillung in forma specifica in nicht akzeptabler Weise preisgegeben würde, 213 sondern auch, weil dies eine erhebliche Abweichung vom geltenden Recht darstellen würde, 214 mit der sich der Abschlußbericht nicht auseinandersetzt, weil hierin 206 Abschlußbericht, S. 119; vgl. auch Medicus, NJW 1992, S. 2384 ff., 2385. 207 Bei gesetzlichen Schuldverhältnissen scheidet sie von vomherein aus. 208 Zum Streitstand über die Bedeutung des Vertretenmüssens im Tatbestand des § 275 BGB und für die Befreiung des Schuldners aus seiner Leistungspflicht vgl. unten S. 73 ff., sowie zur vernichtenden Kritik dieser Vorschrift durch die Kommission Abschlußbericht, S. 118, und im folgenden. 209 Vgl. Ernst, JZ 1994, S. 801 ff., 804. 210 Vgl. §§ 280,283 BGB-KE und Ernst, JZ 1994, S. 803 ff. 211 Abschlußbericht, S. 118. 212 Ernst, JZ 1994, S. 804. 213 Ders., JZ 1994, S. 804 mit eindrucksvollen Beispielen. 214 Vgl. die vorigen Ausführungen zum Ausschluß der Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, nach dessen Grundsätzen die Fälle der Leistungserschwerung de lege lata vornehmlich behandelt werden, wenn das störende Ereignis der Abhilfe begehrenden Partei "zuzurechnen" ist, oben S. 54 ff.

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entgegen den erklärten Zielen des Reformvorhabens215 kaum eine Anpassung an internationales Recht erblickt werden könnte, 216 und weil solches - soweit ersichtlich- jedenfalls in dieser Tragweite bislang auch von niemandem gefordert wurde217. Letztlich kann es aber ohnehin nicht alleinentscheidend darauf ankommen, welche Intentionen218 die Kommission mit der vorgeschlagenen Norm verfolgen mag, 219 sondern vor allem wäre darauf abzustellen, was ihre Mitglieder ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht haben würden, was de lege ferenda nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 275 BGB-KE im Rahmen der dem Gesetz zu entnehmenden Grundprinzipien als angeordnet anzusehen wäre, wenn die Bestimmung geltendes Recht würde. Will man es unternehmen, den Anwendungsbereich des § 275 BGB-KE wenigstens in seinen wesentlichen Zügen220 abzustecken,221 so stellen sich zwei entscheidungserhebliche Fragen: Was gebieten 215 Vgl. oben S. 32. 216 Unten, S. 72. 217 Man denke etwa an das Unvermögen zur Autlassung eines Grundstückes als einem seiner "klassischen" Fälle und stelle die Entscheidungen RGZ 67, 233 sowie RG JW 1924, S. 292 gegenüber; zur Frage, ob im Falle der zweitgenannten Entscheidung ein Unvermögen vorgelegen hat, vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 255 ff. Daß hier künftig nicht mehr nach der Frage differenziert werden sollte, ob der Schuldner sein Unvermögen zur Leistung zu vertreten hat, wird wohl niemand ernsthaft fordern. 218 Diese sind maßgeblich nur fiir die - hier gleichsam vorweggenommene - historische Auslegung der Vorschrift. 219 Immerhin zählt beispielsweise Medicus in einer Darstellung der sich gegenüber § 275 BGB ergebenden Änderungen einen Wegfall des Erfordernisses des Vertretenmüssens nicht auf, NJW 1992, S. 2384 ff., 2385. Mit aller wünschenswerten - und filr die Beachtlichkeit erforderlichen - Deutlichkeit wird auch von Rol/and, NJW 1992, S. 2377 ff., 2381 ebenso wie im Abschlußbericht, S. 118, nur darauf hingewiesen, daß das Vertretenmüssen-nach dem Satz "impossibilium nulla est obligatio"- dann keine Rolle spielen könne, wenn die Leistung wenigstens vom Schuldner nicht erbracht werden kann, wenn sie also objektiv oder subjektiv unmöglich ist. Deutlich wird hieraus nicht, daß dasselbe auch fiir (andere) bloße Leistungserschwerungen gelten müsse. Vgl. aber den Nachweis auf Schlechtriem, ZEuP 1993, 224 u. 228 bei Ernst, JZ 1994, S. 804. Andererseits verweist Schlechtriem, ZEuP 1993, S. 229 jedoch darauf, daß es nach § 275 S. 1 und § 276 Abs. I S. 1 BGB-KE "sowohl fl.ir die Grenze der Erfiillungsptlicht als auch fiir die Verantwortung auf Inhalt oder Natur des Schuldnerhältnisses" ankomme. 220 Auf Einzelfallabgrenzungen braucht hier, wo nach dem systematischen Vorrang der Befreiungsregelung des Reformvorschlags gegenüber dem Recht des Schuldnerverzugs zu fragen ist, nicht eingegangen zu werden. 221 Daß dies kein leichtes Unterfangen sein kann, ergibt sich bereits aus den knappen Erläuterungen im Abschlußbericht, vgl. S. 120 f., zum "Lösungsvorschlag des Entwurfs", die nur wenig Anhaltspunkte fiir die korrekte Auslegung der Vorschrift enthalten.

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Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses? Kann der Schuldner die Leistung mit den hiernach gebotenen Anstrengungen erbringen?222 Im Kornmissionsentwurf soll, jedenfalls wohl §§ 241, 275 BGB-KE betreffend, 223 mit dem "'Inhalt' vor allem das konkret Geregelte" gerneint sein, der Begriff "Natur" soll "eher dasjenige bezeichnen, was unausgesprochen durch den Zweck des Schuldverhältnisses erfordert wird". 224 Danach ergibt sich als erste und zentrale Frage der Schuldnerbefreiung nach § 275 BGB-KE die nach denjenigen Anstrengungen, zu denen der Schuldner aus dem unausgesprochenen Zweck des Schuldverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Regelung verpflichtet ist.

222 Hierzu unten sub 5, S. 140 ff. 223 Vgl. die folgende Fußnote. 224 Dies wird im Abschlußbericht, S. 115, im Rahmen der Erläuterungen zu § 241 Abs. 2 Satz I BGB-KE ausgeftihrt, auf die bei der Besprechung des § 275 BGB-KE, S. 120, verwiesen ist. Daselbst, S. 115, wird weiter nur darauf hingewiesen, daß der Doppelbegriff "Inhalt und Natur" in den §§ 275, 276 Abs. I BGB-KE wiederkehre und hier wie dort "die Rechtsanwendung zu sorgflHtigem Eingehen auf die Besonderheiten des konkreten Schuldverhältnisses anhalten" solle. Freilich geht aber die soeben gewonnene Klarheit wieder verloren, wenn man die Ausftihrungen im Erläuterungsteil zu § 276 BGB-KE berücksichtigt. Danach soll im Rahmen des § 276 BGB-KE der "Inhalt" nicht die vertraglichen Regelungen und die "Natur" nicht das bezeichnen, was durch den Zweck des Schuldverhältnisses gefordert wird, sondern es soll durch ausftihrlichere Formulierung des § 276 Abs.1 Satz I BGB der Rechtsanwender darauf hingewiesen werden, daß außer durch Gesetz oder Rechtsgeschäft im Einzelfall auch "andere Umstände" einen vom Verschuldeosprinzip abweichenden Haftungsmaßstab ergeben können, Abschlußbericht, S. 123. Glücklicherweise erübrigt es sich hier, näher darauf einzugehen, welche weitere Dimension neben vertraglicher und gesetzlicher Bestimmung -man vergleiche diese Vorstellung nur mit dem Wortlaut des § 306 BGBKE! - hier gemeint sein soll, weil nach Ansicht der Kommission die "Vorschriften über das Vertretenmüssen" (... ) "sinnvollerweise nur vor denjenigen Normen", mithin der §§ 280 ff. BGB-KE, "stehen" könnten, "die an das Vertretenmüssen allein Rechtsfolgen knüpfen" und daher die §§ 276 ff. den derzeitigen Standort behielten, "obwohl" - warum nicht: weil?- "§ 275 BGB-KE im Gegensatz zu§ 275 BGB das Vertretenmüssen nicht mehr erwähne", S. 124. Abgesehen von den hiergegen sich erhebenden systematischen Bedenken, dürfte nirgends besser als durch diesen Bedeutungswandel, den Begriffe von entscheidendem Gewicht ftir die Auslegung zweier aufeinanderfolgender Normen ganz zentraler und grundsätzlicher Weichenstellung hier erfahren sollen, deutlich werden, wie sehr man Stringenz und Klarheit des BGB vermissen würde.

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4. Die Verpflichtungskraft des Schuldverhältnisses a) Grundsätzliche Überlegungen aa) Der Zweck des Schuldverhältnisses Ein Rechtsverhältnis wird dann als Schuldverhältnis bezeichnet, weiUl es "eine privatrechtliche Verpflichtung" wenigstens "einer Person gegenüber einer anderen ( ... ) zum Inhalt" hat. 225 Die "typische Grundstruktur des Verpflichtetseins einerseits und des VerlangenköMens andererseits" macht die Besonderheit des Schuldverhältnisses aus, das "in seinem Kern" zu verstehen ist als "rechtliches 'Band', demzufolge der eine von dem anderen ein bestimmtes Verhalten (oder auch: die Herbeiftlhrung eines bestimmten Erfolges) verlangen kann, dieser jenem dazu verpflichtet ist". 226 Was dem Schuldverhältnis neben der Haftung, "dem möglichen Zugriff des Gläubigers in der Zwangsvollstrekkung"227 "vornehmlich Inhalt und Bedeutung gibt und den Charakter seines Typus bestimmt", ist die "bestimmte Leistungspflicht", weil es "darauf angelegt" ist, "diese Leistung", diesen Erfolg "herbeizuftlhren" und dann, weM dieses "geschehen", "sein Zweck erreicht ist". 228 Der Ausgangspunkt der Frage nach dem Zweck des Schuldverhältnisses229 ist sonach darin zu erblicken, daß es auf Erftlllung zielt, daß im Vertrag die Parteien sich im Vertrauen auf die Verpflichtungskraftder rechtlichen Bindung und die "Durchsetzbarkeit der Forderung im Rechtswege" 230 gegenseitig das do ut des versprechen: "pacta sunt servanda". 231 Auf die Frage, zu welchen Anstrengungen der Schuldner im Grundsatz verpflichtet ist, kann es aus diesem Zweck nur eine Antwort geben: zu all denen, welche die Herbeiftlhrung des geschuldeten Erfolges bewirken. Das "Risiko der Erhöhung eigenen Aufwands" hat jede Partei selbst zu tragen, 232 es 22 5 Larenz, SehR I, § l, S. l. 226 Ders., SehR I, § l, S. 5. 227 Ders., SehR I, § 2 IV, S. 21 ff. :"Wer schuldet, haftet auch". 228 Larenz, SehR I, § 2 I, S. 7. 229 Der nach dem Kommissionsentwurf seine "Natur" ausmachen soll, vgl. oben

S. 60.

23° Larenz, SehR I, § 2 III, S. 19. 231 Diesen Ausgangspunkt brauchen wir nicht einmal mit simpler Auslegung des

§ 241 BGB zu begründen, wir können ihn vielmehr begreifen als "Ergebnis vielseitiger wissenschaftlicher Bemühungen" unseres Jahrhunderts, das "selbst der ständigen Überprüfung durch die Wissenschaft" unterliege, so Larenz, SehR I, § l, S. 5 f. 232 Vgl. Koller, S. l3 ff. Wenn "man die Funktion des in den §§ 275, 279 BGB verwendeten Unmöglichkeitsbegriffes ausschließlich darin" erblicke, "daß er eine vorgegebene Schranke des Versprechens klarstellt", werde "damit zugleich dem Schuldner

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

ist allein von diesem Ausgangspunkt, vom Grundsatz her kein Platz fiir eine Befreiung des Schuldners bei bloßer Leistungserschwerung. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob der Schuldner, kann die Primärforderung des Gläubigers etwa wegen objektiver Unmöglichkeit nicht mehr erfiillt werden, noch zu irgendwelchen Anstrengungen als verpflichtet anzusehen ist, die auf Erfiillung dieser unmöglich zu erfiillenden Forderung zielen. Zwar wird man dies nicht lediglich unter Berufung auf den Satz "impossibilium nu/la est obligatio" verneinen können, weil- wie vielfach zu Recht betont -233 kein zwingendes Gebot der Logik es fordert, daß nicht geschuldet sein soll, was nicht erbracht werden kann. Jedoch wird man von einer Rechtsordnung nach heutigem Verständnis nicht sagen können, daß sie diesen Namen auch nur verdiene, wenn sie einen irgendwie gearteten Rechtszwang gegen den Schuldner anordnet, die unmögliche Leistung zu bewirken oder irgendwelche sonstwie gearteten Nachteile fiir den Fall bereithält, daß er keine weiteren Anstrengungen zum Zwecke der Erfiillung unternimmt. Treffen kann und darf den Schuldner nur noch die Haftung, die aus dem Schuldverhältnis sich ergebende "Sekundärleistungspflicht" als eine solche wegen Unmöglichkeit der Erfiillung, nicht dagegen als Sanktion -des Verstoßes gegen eine auf Erfiillung gerichtete Verhaltenspflicht. 234 Wird aber dem Schuldner bei Unmöglichkeit der Leistung ein auf Erfiillung gerichtetes Verhalten deshalb nicht angesonnen, weil es kein Unrecht ist, sich nicht anzustrengen, um zu erreichen, was - wie groß auch die Anstrengungen sein mögen- nicht geschehen kann,235 so muß dies auch dann gelten, wenn zwar andere, nicht aber der Schuldner, der allein in der Pflicht steht, nicht erreichen kann, worauf das Schuldverhältnis primär zielt. 236 Und man wird es zWar fiir möglich halten, daß sich diese Situation ändert, weil das Unvermögen des Schuldners "vorübergehender Natur" zumindest sein kann, 237 doch darf man dann nicht wegen dieser möglichen zukünftigen Änderung heute als geboten ansehen, was erst morgen zu verwirklichen ist. 238 Und schließlich besteht- entdas volle Risiko der Aufwandserhöhung bis zur Grenze der Unmöglichkeit zugerechnet", ders. S. 13. 233 Rabe/, FS f. Bekker, S. 177 f., Brehm, JZ 1974, S. 573. 234 V gl. unten S. 118

ff.

Hierin dürfte die Kommission einen Grund fiir die Änderung des § 275 BGB gesehen haben, vgl. Abschlußbericht, S. 118. 235

236 Soweit konsequent auch die Ausfiihrungen im Abschlußbericht, S. 118.

Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 261; so schon Motive, S. 46; vgl. dazu instruktiv Beinert, S. 208. 23 8 Demnach müßte der Schuldner- soll sein Unvermögen beachtlich sein - immer so lange von seiner Pflicht zur Leistung frei sein, wie dieses Unvermögen dauert. 237

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gegen dem Kommissionsentwurf -239 kein Grund, anderes dann anzunehmen, wenn nicht eine Sache sondern Geld geschuldet ist240 • Dies gilt nicht in erster Linie deshalb, weil eine solche Unterscheidung den einen Schuldner ohne rechtfertigenden Grund benachteiligen würde, sondern weil dann, wenn als Regel gilt, was wir als richtig erkennen, daß der Schuldner keine ihn treffende Pflicht dadurch verletzt, daß er sich nicht bemüht zu erreichen, was er nicht erreichen kann, die Rechtsordnung dieses Unterlassen überhaupt nicht sanktionieren und an das Ausbleiben der versprochenen Leistung keine Folgen knüpfen darf, es sei dies denn die Haftung wegen Nichterftlllung. Und soll Voraussetzung der Haftung die vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung sein,241 so kann er schließlich nicht deswegen haften, weil er nun nicht erfiillt, sondern es muß ihm der Verstoß gegen eine andere Pflicht vorgeworfen werden können. 242 Dies gilt selbst fiir den Geldschuldner, der erst in fiinf oder in zehn Jahren bezahlen kann, weil er erst in fiinf oder zehn Jahren durch Nichtzahlung eine Pflicht verletzt, aber nicht hier und heute. So ungewohnt diese Konsequenz in Anbetracht all dessen sein mag, was zum Unvermögen und vor allem zur Geldschuld gelehrt wird243 und so untragbar die hieraus zu ziehenden Folgerungen auf dem Boden der herrschenden Meinung erscheinen mögen, 244 so zwingend ist doch der gezogene Schluß. Welche Bedeutung daher dem dargestellten Prinzip de lege lata beizumessen ist, wonach sich aus dem auf Erfiillung zielenden Zweck des Schuldverhältnisses ergibt, daß ein zur Erreichung dieses Zweckes sinnloses Verhalten dem Schuldner nicht abzuverlangen ist, ob mit anderen Worten daraus, daß der Schuldner nicht leisten kann, nicht nur zu folgern ist, daß die Rechtsordnung dieses Nichtleisten nicht sanktionieren darf, sondern ob der Schuldner dadurch auch aus seinem Versprechen, aus der Verpflichtung selbst frei wird, weil anzunehmen wäre, daß nicht als geschuldet angesehen werden könne, was nicht geleistet werden kann,245 wird in anderem Zusammenhang zu erörtern sein. 246 Für den Kommissionsvorschlag kann jedoch schon hier festgestellt werden, daß der Schuldner die Leistung nach dem Wortlaut des § 275 BGB-KE immer dann- gegebe-

§ 275 BGB-KE nimmt die Geldschuld aus; vgl. auch Abschlußbericht, S. 121. Auch "das gesamte kunstvolle Insolvenzrecht", Abschlußbericht, S. 121 , kann die Unterscheidung nicht rechtfertigen, weil dies selbst dem übergeordneten Prinzip, erkennt man es an, weichen müßte. 241 Vgl. oben S. 24. 242 Hierzu unten S. 169. 243 Vgl. etwaRoth, JuS 1968, S. 101, 103 ff. mit zahlreichen w. Nachw. 244 Vgl. Larenz, SehR I, § 21 I d), S. 318 und Abschlußbericht S. 121. 245 Abschlußbericht, S. 118. 246 Unten S. 118 ff. 239 240

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neofalls zeitweilig - verweigern darf, wenn nur er sie nicht erbringen kann, unabhängig von der Frage nach dem Bestand der Verpflichtung. 247 Dagegen befreit dieser Gedanke den Schuldner nicht aus der Verpflichtung, alle erforderlichen Anstrengungen zur Überwindung solcher Leistungshindernisse vorzunehmen, die er überwinden kann. bb) Die Bindungskraft des Schuldverhältnisses Aus zwei Gründen kann man freilich nicht bei dieser Auslegung der Vorschrift, bei der Annahme einer Befreiung des Schuldners nur bei Unmöglichkeit und Unvermögen, wie dies der heute herrschenden Lehre zu § 275 BGB entspricht,248 stehenbleiben: Erstens widerspräche dies ganz offensichtlich der Intention der Kommissionsmitglieder,249 und zweitens schließt die Feststellung, daß das Schuldverhältnis auf Erfullung zielt, nicht aus, daß es ihm immanente Schranken fi1r das Maß der geschuldeten Anstrengungen enthält, die jedenfalls ganz allgemein fiir den vom Schuldner im Rahmen seiner Fahrlässigkeitshaftung zu beobachtenden Sorgfaltsmaßstab anerkannt sind,250 so wie es im Abschlußbericht251 zutreffend heißt, daß allein die technische Möglichkeit einer Leistung nicht bedeuten kann, "daß sie auch geschuldet" ist, sondern daß "hierüber unter rechtlichen Gesichtspunkten ( ... ) zu entscheiden" sei. Konkrete Maßstäbe, Anhaltspunkte fi1r die demnach vorzunehmende Vertragsauslegung insbesondere dort, wo die Parteien nichts weiter als die erfolgsbezogenen Leistungspflichten vereinbaren, werden von der Kommission hierzu aber nicht erläutert. Lediglich wird darauf verwiesen, daß "sich Praxis und Lehre" längst über die "Beschränkung des § 275 BGB ( ...) auf wirkliche Unmöglichkeit(...) hinweggesetzt" hätten und die Vorschrift "auch auf die sog. faktische Unmöglichkeit angewendet" werde, daß "eine weitere Ausdehnung auf die sog. wirtschaftliche Unmöglichkeit oder das Überschreiten der Opfergrenze" im Streit stehe und daß sich andere "ähnliche Entlastungsgründe (... ) bei § 242

247 Hierzu im einzelnen unten S. 140 ff. 248 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 2 e) und 3 a), Rdnr. 12 f. 249 Abschlußbericht, S. 120 f. 250 Nach§ 276 Abs. I Satz 2 BGB handelt fahrlässig nur, "wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt". Vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, § 276 Anm. 4 B) b), Rdnm. 16 ff., und insbesondere Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 77 ff., der hieraus als allgemeines Prinzip den Ausschluß der Leistungspflicht dann folgert, "wenn zur Bewirkung der Leistung mehr erforderlich wäre, als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gebietet", ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 81 f.; dazu unten S. 124 ff. 251 S. 119. Maßgebend soll hierbei die "Auslegung des Versprechens" sein.

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BGB angesiedelt" hätten, "etwa wegen einer Unzumutbarkeit aus Gewissensgründen oder wegen Mängeln der Geschäftsgrundlage" 252, und es wird beispielhaft erwähnt, daß das Versprechen der Lieferung einer Maschine nicht die Hebung des Schiffes umfasse, "mit dem die Maschine versunken ist", der Schuldner dagegen beim Versprechen der Hebung des Schiffes "regelmäßig nicht durch Schwierigkeiten entlastet" werde, "die dieser Hebung entgegenstehen"253. Nähmen wir hiernach an, es verliefe die Grenzeaufgrund des besonderen Charakters des jeweils vereinbarten Schuldverhältnisses dort, wo zur Bejahung der Leistungspflicht ein anderes besonderes Schuldverhältnis hätte vereinbart werden müssen, so ergäben sich dennoch zahlreiche Zweifelsfragen: Was müßte zum Beispiel gelten, wenn das zu hebende Schiff im Meeresgrund verschüttet wäre? Läge die Grenze der Leistungspflicht dann dort, wo der Schuldner auf dem Grunde des Meeres "Berge zu versetzen" hätte?254 Vor allem aber müßte sich mit besonderer Schärfe die Frage aufwerfen, was anzunehmen sein soll, wenn der Schuldner die Leistungserschwerung selbst schuldhaft herbeigeftlhrt hat, ob auch solche Hindernisse nach der Auslegung der Parteivereinbarung stets beachtlich oder stets unbeachtlich sein sollen, oder ob hier schließlich nach dem Grad des Verschuldens zu unterscheiden wäre. 255 Die gleiche Frage nach den Gründen, den Umständen, aufgrundderer eine grundsätzlich unbeschränkte Pflicht, eine Garantie, 256 ausnahmsweise als nicht vertraglich versprochen angesehen werden kann, stellte sich am deutlichsten stets in einer Rechtsordnung, in der eine dem § 275 BGB vergleichbare Befreiungsregelung nicht existiert, und es bietet sich demzufolge an, fiir die Frage nach der Beachtlichkeil schuldhaft herbeigeftlhrter Leistungshindernisse dort eine Orientierung zu suchen: im englischen Recht. 257

252 Abschlußbericht, S. 119; vgl. hierzu unten S. 124 ff. 253 Abschlußbericht, S. 119. 254 Vgl. Abschlußbericht, S. 118 f.; meines Erachtens bliebe es, wenn man die Grenze (nur) im besonderen Charakter des jeweiligen Schuldtypus sehen wollte, hier bei der ausschließlichen Anwendung nur der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 306 BGB-KE. 255 Vgl. die Beispiele bei Ernst, JZ 1994, S. 804. 256 Wobei es sich allerdings im Ausgangspunkt um eine Garantie nur fiir Schadensersatzhaftung handelt, vgl. im folgenden. 257 Vgl. zu dessen Ausgangspositionen Zweigert/Kötz, Bd. II, § 13 IV, S. 222. 5 Wahl

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b) Englisches Recht und Einheitliches Kaufrecht aa) Englisches Recht Bis zum 19. Jahrhundert galt im Common Law das "in einem formlosen Vertrag geleistete Versprechen" als Garantieübernahme, filr die- freilich wegen der anderen Ausgangspositionen zunächst lediglich bezüglich der Schadensersatzverpflichtung -258 nur die Frage zu stellen war, ob das Versprechen unter der expliziten Einschränkung gegeben war, daß beim Auftreten "bestimmter Leistungshindernisse die Garantie ausgeschlossen sein" sollte. 259 Ausgehend von der Prämisse, daß der Schuldner "im Zweifel die Garantie uneingeschränkt übernommen" habe, wurde im "'Leading Case' ( ... ) Paradine v. Jane" 260 entschieden, daß der Schuldner, wenn "die Erfilllung einer unmittelbar durch die Rechtsordnung begründeten Pflicht oder Last durch ein unvermeidbares Ereignis ohne" sein Verschulden "verhindert" werde, "entschuldigt" sei,261 daß aber, wenn sich jemand "bedingungslos" verpflichte, "eine im Zeitpunkt der Verpflichtung mögliche Handlung auszufiihren", er von "der Verpflichtung nicht entschuldigt" werde, weil er sich "durch entsprechende Vertragsklauseln" hätte "schützen" können. 262 Auch mit der "Begründung der modernen Unmöglichkeitslehre" im Jahre 1863 durch die Entscheidung "Taylor v. Ca/dweil" änderte sich der theoretische Ansatz nicht. 263 Im Ausgangspunkt blieb es bei der Annahme einer grundsätzlichen Garantiepflicht mit der neuen Einschränkung, daß nunmehr anzunehmen sein sollte, jeder Vertrag enthalte die stillschweigende Bedingung, "daß der Schuldner durch den zufalligen Untergang einer die Grundlage des Vertrags bildenden körperlichen Sache entschuldigt werde".264 Bahnte sich schließlich eine Entwicklung an, "die den Garantiefall" auch "dann als nicht gegeben ansieht, wenn die Leistung zwar physisch möglich bleibt, wenn sich aber infolge einer unvorhergesehenen und unvorhersehbaren 258 Hierzu im folgenden. 259 Vgl. Rheinstein, S. 160 f. 260 Nach Rheinstein wurde die Entscheidung aus dem Jahre 1647 zum "Leading Case für das Gesamtgebiet des Law ofContract", S. 162m. w. Nachw. 261 Beachtenswert ist die hiernach schon früh anerkannte Befreiung bei "gesetzlichen" Schuldverhältnissen. 262 Vgl. Rheinstein, S. 162. 263 Vgl. dens., S. 173 f. 264 "(... ) so that, (... ) in the absence of any express or implied warranty that the thing shall exist, the contract is not to be construed as a positive contract but as subject to an implied condition that the parties shall be excused in case, before breach, performance become impossible from the perishing of the thing without the fault of the contractor", vgl. Rheinstein, S. 174.

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Änderung der Verhältnisse die Grundlagen völlig verschoben haben, die bei Abschluß des Vertrages filr die Parteien als gemeinsame Voraussetzung wesentlich waren",265 so bleibt doch filr eine Befreiung als Voraussetzung stets festzustellen, daß Unmöglichkeit oder Leistungserschwerung vom Schuldner weder vorausgesehen noch vermieden werden konnten, weil der Parteiabrede - jedenfalls ohne ausdrückliche anderweitige Vereinbarung - nicht unterlegt werden kann, daß der Schuldner von ihm selbst fahrlässig herbeigefiihrte Leistungshindernisse nicht zu überwinden habe, und weil schließlich die Annahme einer rechtlichen Bindung auch fiir den Fall geradezu als absurd erscheint, daß der Schuldner seine Pflicht durch vorsätzliches vertragswidriges Verhalten auslöschen könnte. 266 Wenn demnach das Schuldverhätnis eine ihm immanente Beschränkung der geschuldeten Anstrengungen enthält, die de lege ferenda in den meisten Fällen "durch Vertragsauslegung zu konkretisieren sein" soll, 267 so wäre diese hiernach wiederum auf unverschuldete, das heißt vom Schuldner nicht voraussehbare und nicht schuldhaft herbeigefiihrte Leistungshindernisse begrenzt. bb) Einheitliches Kaufrecht Die soeben dargestellten Grundsätze blieben nicht auf den anglo-amerikanischen Rechtskreis268 beschränkt. Sie fanden Eingang auch in das von den Mitgliedern der Reformkommission als vorbildlich gewürdigte269 Internationale Kaufrecht, in die Vorschrift zunächst des Art. 74 EKG, 270 nach dessen erstem Absatz eine Partei filr die Nichterfiillung nicht einzustehen habe, "wenn sie beweist, daß die Nichterfiillung aufUmständen beruht, die sie nach den Absichten der Parteien bei Vertragsschluß weder in Betracht zu ziehen noch zu vermeiden Vgl. Rheinstein, S. 191. Vgl. zum geltenden Recht§§ 162, 242, 276 Abs. 2 BGB. 267 Medicus, NJW 1992, S. 2384 ff., 2385. 268 Vgl. filr die Vereinigten Staaten Rheinstein, S. 192.

265

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Vgl. oben, S. 33. Vgl. zu dessen Ableitung durch "Rabe/ hauptsächlich aus dem englischen Vertragsgedanken" Dölle-Stol/, Art. 74 EKG, Rdnr. 3. Nach Huber, Die Rechtsbehelfe der Parteien ( ...) nachUN-Kaufrecht im Vergleich zu EKG und BGB, S. 204 f. m. w. Nachw., habe "das EKG in der allgemeinen Vorschrift des Art. 74" die Regel des § 275 BGB "über nicht zu vertretende Leistungshindernisse inzidenter übernommen", nach welcher der Erfilllungsanspruch entfalle, "wenn die Leistung aus einem Grund, den der Schuldner nicht zu vertreten hat, endgültig unmöglich geworden ist" und '"zessiert', wenn der Schuldner bei Fälligkeit vorübergehend an der Leistung gehindert ist", was "im BGB, als selbstverständlich, nicht ausdrücklich ausgesprochen" sei. Vgl. dazu unten s. 101 ff. 269

270

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oder zu überwinden verpflichtet war". Diese "Grundidee" der Schuldnerbefreiung wurde nicht nur als "ubiquitär" bezeichnet, als "notwendig allen Rechtsordnungen gemeinsam, weil sie sich aus dem Wesen des Vertrages ergebe",211 es hat auch Huber als Vorgutachter in seinem Modellvorschlag fllr die Reform eine ähnlich gestaltete Befreiungsregelung vorgeschlagen, nach welcher der Gläubiger "Erfiillung und Schadensersatz" dann "nicht verlangen" können soll, "wenn die Nichterfilllung auf einem Umstand beruht, den der Schuldner nicht zu vertreten hat". 272 Es dürfte wohl nicht falsch sein, diesen Satz als Umkehrschluß der von Huber aus einer Zusammenfassung der Bestimmungen des EKG "über Vertragsverletzungen und die sie ergänzende Vorschrift des Art. 74 EKG über die Befreiung des Schuldners im Fall nicht zu vertretender Leistungshindemisse" als "Quintessenz" gefundene "allgemeine Regel" zu begreifen, nach welcher der Schuldner "in jedem Fall der zu vertretenden Nichterfiillung auf Erfiillung und Schadensersatz hinsichtlich des Ausgleichsinteresses" hafte. 273 Für das UN-Kaufrecht ist zwar streitig, ob der Erfiillungsanspruch bei vom Schuldner nicht zu vertretenden Leistungshindernissen bis hin zur Unmöglichkeit fortbesteht, weil die Befreiungsregelung des Art. 79 Abs. I bis 3 UN-Kaufrecht nicht hindert, "ein anderes als das Recht auszuüben, Schadensersatz nach diesem Übereinkommen zu verlangen", 274 doch können auch unter der unzutreffenden Ansicht275 , dem Gläubiger stünde selbst bei vom Schuldner nicht zu vertretender Unmöglichkeit ein Anspruch auf Erfilllung zu, die obengenannten Grundsätze insoweit nicht in Frage gestellt werden, als der Erfiillungsanspruch des Gläubigers jedenfalls durch vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse nicht berührt wird. 276 Auch nachUN-Kaufrecht gilt danach, daß solchen Leistungshindemissen, die der Schuldner in Betracht zu ziehen, oder zu vermeiden verpflichtet war, deren 271 Vgl. den Nachweis auf das Römische Institut bei Dölle-Stol/, Art. 74 EKG, Rdnr. 3. 272 § 275 Abs. 3 S. 1 des Modellvorschlags, Huber, Leistungsstörungen, S 672 f.

273 Huber, FS f. v. Caemrnerer, S. 840. 274 Anträge Norwegens und der Bundesrepublik Deutschland zur Klarstellung, daß im Fall der Entlastung auch die Rechte auf Erfiillung entfallen, sind "in den Beratungen des Entwurfs durch die 1. Kommission der Wiener Konferenz" der Ablehnung verfallen, vgl. Huber, Die Rechtsbehelfe der Parteien ( ... ) nach UN-Kaufrecht im Vergleich zu EKG und BGB, S. 205 m. w. Nachw. 275 Vgl. hierzu sowie zum Streitstand Huber, Die Rechtsbehelfe der Parteien( ... ) nach UN-Kaufrecht im Vergleich zu EKG und BGB, S. 205 ff. 276 Materiell-rechtlich ändert hieran auch der durch Art. 28 UN-Kaufrecht angeordnete Vorbehalt der Iex fori nichts. Diese Einschränkung hat "nur prozessualen Charakter", Huber, Die Rechtsbehelfe der Parteien ( ... ) nach UN-Kaufrecht im Vergleich zu EKG und BGB, S. 203.

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Herbeifilhrung mit anderen Worten von ihm zu vertreten ist, kein Einfluß auf seine Leistungsverpflichtung beizumessen ist, 277 und es hat dies nicht nur filr Fälle der bloßen Leistungserschwerung zu gelten, filr die nur dann die Frage gestellt zu werden braucht, ob der Schuldner sie zu überwinden verpflichtet ist,278 wenn er ihren Eintritt nicht zu vertreten hat, 279 sondern selbst im Falle objektiver Unmöglichkeit. Dagegen kann keine Rede sein von der Geltung eines Grundsatzes, demzufolge der Schuldner nicht schulde, was er nicht leisten kann. cc) Übertragbarkeit auf unsere Rechtsordnung Man wird gegen den Vergleich jedenfalls mit dem englischen Recht einwenden wollen, dort stehe nicht die Primärleistungspflicht im Vordergrund, der Anspruch des Gläubigers aufErfiillung informa specifica, sondern es werde die Frage der Schadensersatzpflicht wegen Nichterfiillung geregelt. 280 Und man wird darüberhinaus dem Verfasser den Vorwurf machen, er verkenne die - nach den Ausfiihrungen im Abschlußbericht wahrscheinliche -281 Absicht der Kommission, die Schuldnerbefreiung bei Leistungserschwerung "dualistisch" dergestalt zu regeln, daß der Schuldner unter gewissen Voraussetzungen nach § 275 BGB-KE zwar auch bei verschuldeter Leistungserschwerung von seiner (Primär-)Leistungspflicht frei werden könne, daß es aber dann immer bei der SekundärIeistungspflicht der Schadensersatzhaftung nach §§ 280, 283 BGB-KE verbleibe,282 die nach ihren Voraussetzungen durch § 276 BGB-KE an das Vertretenmüssen geknüpft bleiben soll. Aber auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis ist doch der Erfiillungsanspruch bei verschuldeten Leistungshindernissen nicht deswegen als ausgeschlossen zu betrachten, weil der Anspruch auf specific performance erst in equity gewährt, wenn er nur dann prozessual durchsetzbar wird, wenn der at law geschuldete Schadensersatz im Einzelfall

277 Zur Frage, inwieweit der Schuldner ein Leistungshindernis zu vertreten hat, zu dessen Überwindung er nicht verpflichtet ist, unten S. 124 ff.

278 Griffige Regeln zur Ausgestaltung und Konkretisierung dieses Prinzips enthält das UN-Kaufrecht nicht, vgl. Ernst, JZ 1994, S. 804 m. w. Nachw. Auf die Frage nach dem Maßstab fiir die geschuldeten Anstrengungen soll daher an dieser Stelle nicht eingegangen werden. V gl. dazu unten S. 124 ff. 279 Der Terminologie der Einheitlichen Kaufrechte besser entsprechend: mit denen er nicht rechnen und denen er nicht ausweichen mußte, vgl. Dölle-Stol/, Art. 74 EKG, Rdnr. 81. 280 Vgl. fiir das englische Recht Zweigert!Kötz, Bd. II, § 13 IV, S. 222, und nachfolgend im Text. ZumUN-Kaufrecht oben Fußnote 274. 281 Vgl. Abschlußbericht, S. 118. 282

V gl. Ernst, JZ 1994, S. 803 ff.

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als inadequate remedy anzusehen wäre. 283 Vielmehr wird man doch anzunehmen haben, daß ihm auch dieses Recht, unter weiteren Voraussetzungen Erfiillung in Natur zu verlangen, im Grundsatz wegen auftretender Leistungshindernisse nur dadurch - und nur bei unverschuldeten - begrenzt ist, daß der at law geschuldete Schadensersatzanspruch gegeben ist. 284 Auf wie wenig Verständnis die Annahme eines Untergangs des Erfilllungsanspruches aufgrund Unmöglichkeit anderenortes stößt, wird deutlich, wenn man sich die Ablehnung selbst des deutschen Antrags auf der Wiener Konferenz vergegenwärtigt, den Ausschluß des Erfilllungsanspruches bei unverschuldeten Leistungshindernissen klarzustellen.285 Während man demzufolge aus den unterschiedlichen Ausgangspositionen der verschiedenen Rechtsordnungen, der nach englischem Recht und ihm nachfolgend nach Einheitlichem Kaufrecht286 im Vordergrund stehenden Frage nach der Schadensersatzpflicht einerseits und der nach deutschem Recht vorrangigen Frage nach dem Anspruch auf Erfiillung der Primärleistungspflicht andererseits eine Annäherung an internationales Recht durch eine Begrenzung der Primärleistungspflicht auch bei verschuldeten Leistungshindernissen nicht begründen kann, so kann doch anhand der grundsätzlich verschiedenen Ausgangsfragen, anhand des "unterschiedlichen Entwicklungsstands" des deutschen und des englischen Rechts287 jedenfalls in seiner ursprünglichen Ausgestaltung, anschaulich gezeigt werden, wie sich die Anordnung einer dualistischen Regelung der Schuldnerbefreiung, welche die Grenzen für den Anspruch auf Erfiillung in forma specifica enger zöge als die für eine Haftung auf Schadensersatz, zu den grundlegenden Prinzipien unserer Rechtsordnung verhalten würde. Und schließlich geben diese Unterschiede auch wertvolle erste Anhaltspunkte für das Maß der nach dem Zweck des Schuldverhältnisses aufzubringenden Anstrengungen. Nur wenn man die in equity gewährte Möglichkeit der Durchsetzbarkeit einer vertraglich versprochenen Leistung in specific performance ausklammert und solchermaßen zurückgeht auf die Wurzeln des Common Law, auf die ihm eigene Grundvorstellung vom Wesen der Parteivereinbarung, so wird deutlich, daß der Schuldner "- wenigstens in Assumpsit -" 288 sich durch die Abrede 283

Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 169 f.

284

Vgl. dens., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 172. Vgl. oben Fußnote 274.

285

286 Zumindest jedenfalls insoweit, als dort die Beachtlichkeit der Iex fori entsprechende Bedeutung erlangt, vgl. Huber, Die Rechtsbehelfe der Parteien ( ...) nach UN-Kaufrecht im Vergleich zu EKG und BGB, S. 203. 287 Vgl. hierzu eingehend Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 169 ff. 288

Rheinstein, S. 189 f., Fußnote 173.

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"nicht zu einer Leistung" bindet, sondern ein Risiko übernimmt, 289 die in Aussicht gestellte Leistung dergestalt "garantiert", daß er filr die Nichterfiillung des Vertrages Schadensersatz und- weil nur dieser Gläubigeranspruch durchsetzbar ist - nur diesen wirklich verspricht290 : "Ob er die versprochene Leistung erbringen will, steht bei ihm. Tut er es nicht, so hat er die Folgen zu tragen" 291 . "Die Auffassung der vertraglichen Bindung als vincu/um iuris im Sinne des römischen Rechts" -wie sie auch unserer Rechtsordnungangesichts dessen nur zugrundeliegen kann, daß der Leistungspflicht des Schuldners stets das Forderungsrecht des Gläubigers nach § 241 BGB korrespondiert, als gerichtlich und bis zur Grenze der Unmöglichkeit292 nur als solcher durchsetzbarer Anspruch auf "Erfiillung"293 informa specifica294 , als Leistensollen in Form der Schuld, der die Haftung "gleichsam wie ein Schatten" nur nachfolgt und die letztlich "in die Zwangsvollstreckung" mit hierfiir eigens vorgesehenen Regelungen "mündet"295 - "ist dem klassischen Common Law fremd" 296 . Vergegenwärtigt man sich schließlich, daß in ihren Anfängen "die Specific performance der Equity deswegen als rechtswidrig bekämpft" wurde, "weil sie 'den Schuldner seines Wabirechts beraube, entweder Schadensersatz zu zahlen oder sein Versprechen zu erfiillen"'297 , so wird vollends klar, worauf es am Ende abzielen würde, wenn man dem Schuldner auch bei von ihm zu vertretenden Leistungshindernissen ein Leistungsverweigerungsrecht einräumen würde: ihm die den Grundprinzipien unserer Rechtsordnung - dem Gedanken vertraglicher Verpflichtung zur Leistung selbst - zuwiderlaufende Möglichkeit zu gewähren, vorsätzlich oder wenigstens durch bewußte Nachlässigkeit zwischen der Erfiillung der Primärleistungspflicht und der Schadensersatzverpflichtung zu "wählen". Gleichzeitig zeigen diese Überlegungen jedoch auch, daß sich der Maßstab fiir die zur Erfilllung der "Primärverpflichtung" geschuldeten Anstrengungen nicht aus dem Umfang der Sekundärleistungspflicht bestimmen Jassen kann, weil auch dies am Ende einem Wahlrecht bei Leistungserschwerung gleichkäme und im theoretischen Ausgangspunkt eine Anknüpfung nicht an das

Rheins/ein, S. 189 f., Fußnote 173. Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterftlllung, S. 171. 29 1 Rheinstein, S. 189 f., Fußnote 173. 292 Nach §§ 280, 325 BGB, sofern nicht die weiteren Voraussetzungen der §§ 283, 286 Abs. 2, 326 BGB gegeben sind. 293 Zur Frage der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruches auf "Erftlllung" vgl. aber unten S. 87 ff. 294 Vgl. Larenz, SehR I, § 2 III, S. 19 f. 295 Larenz, SehR I, § 2 IV, S. 21 ff. 296 Rheinstein, S. 189 f., Fußnote 173. 2S9

290

297

Dito.

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rechtliche Band der versprochenen Leistung, sondern an die ursprüngliche englisch-rechtliche Risikoübernahme darstellen würde.298 Ungeachtet der aus der positiv-rechtlichen Anordnung des § 275 BGB-KE zu ziehenden Folgerungen299 sprechen somit der Vergleich mit einer Rechtsordnung, die seit Jahrhunderten die Grenzen der Schuldnerverpflichtung durch Auslegung des Versprechens zu gewinnen sucht sowie die Regelungen des UNKaufrechts, an die das Bürgerliche Gesetzbuch anzugleichen eines der Reformziele darstellt, dafil.r, vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen keinen Einfluß auf seine Verpflichtung beizumessen, ihn als trotz der von ihm zu vertretenden Hindernisse - bis hin zur Unmöglichkeit - als nach der Natur des Schuldverhältnisses zur Leistung verpflichtet anzusehen. Anderes wird mangels einer ausdrücklichen generellen Regelung im Grundsatz300 schließlich auch de lege lata nur dann anzunehmen sein, wenn fil.r unsere Rechtsordnung spezifische, materiell-rechtliche Grundsätze dies fordern oder wenn die durch das Prinzip der Realexekution grundsätzlich gewährte Möglichkeit der Inanspruchnahme des Schuldners fil.r die Leistung in Natur, insbesondere nach den Vorschriften der§§ 883 ff. ZPO, anderes gebietet.

c) Geltendes deutsches Recht Weit wichtiger als der Vergleich mit anderen Rechtsordnungen ist fil.r die Frage, bis zu welcher Grenze der Schuldner Kraft der Natur des Schuldverhältnisses de lege ferenda zur Leistung verpflichtet sein soll, der auf dem Boden des geltenden deutschen Rechts zu gewinnende Ausgangspunkt. Auch wenn bereits nach den bisherigen Ausfilhrungen davon auszugehen ist, daß dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 BGB-KE immer dann zustehen soll, wenn er die Erfiillung der Primärleistungspflicht nicht bewirken kann, bleibt die Frage nach dem Einfluß verschuldeter Unmöglichkeit auf die Verpflichtung des Schuldners als Voraussetzung des Schuldnerverzuges de lege lata, sollen die Unterschiede herausgearbeitet werden, zu prüfen. Da zudem die Frage, welcher Einfluß der schuldhaften Herbeifiihrung bloßer Leistungserschwerungen auf die Verbindlichkeit des Schuldners beizumessen ist und in welchem Maß der Schuldner zur Überwindung von Leistungserschwerungen de lege lata et ferenda - verpflichtet bleibt, nach der festen Überzeugung des Verfassers nur im Gesamtzusammenhang der Befreiungsregelung der§§ 275 ff. BGB sowie der Vorschriften der §§ 280, 325 BGB verständlich werden kann, 298 So aber Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 259. Dagegen bereits Motive, S. 49 f. 299 Hierzu unten S. 140 ff. 300 Zu den Ausnahmen der§§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 BGB unten S. 131 .

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sollen die "Unmöglichkeitsvorschriften" des Bürgerlichen Gesetzbuches nachfolgend zusammenfassend erörtert werden. Dies gebietet sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht nur aus dem Grunde, daß sich die verschiedenen Lösungsansätze der Wissenschaft301 unvereinbar gegenüberstehen, 302 die wiederum beide die Praxis der Gerichte nicht zu erklären vermögen, 303 als vielmehr deshalb, weil in derratiodes § 275 BGB der Schlüssel auch fUr das Verständnis des Rechts des Schuldnerverzugs zu fmden ist. aa) Grund und Grenze der Schuldnerbefreiung wegen Unmöglichkeit der Leistung

a) Literatur und Rechtsprechung aa) Herrschende Lehre

Nach heute wohl noch herrschender Lehre 304 soll die Leistungspflicht des Schuldners bei nachträglicher Unmöglichkeit und nachträglichem Unvermögen stets erlöschen.305 Dies gelte "entgegen dem Wortlaut des § 275 BGB" nämlich "auch dann, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat". 306 Hat es "der Schuldner nicht zu vertreten", "daß er nicht mehr leisten kann", so falle die ursprüngliche Forderung ersatzlos weg, 307 weil die nicht zu vertretende Unmöglichkeit nach§ 275 BGB einen "Befreiungsgrund" darstelle. 308 Bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit oder zu vertretendem Unvermögen wird von einem Teil der Anhänger der herrschenden Lehre angenommen, der Erfilllungsanspruch wandle sich in einen Schadensersatzanspruch wn, 309 weil "§ 280 Abs. I BGB der Pflicht des Schuldners einen anderen Inhalt", nämlich den zur Leistung von Schadensersatz, gebe. 310 Andere meinen, der "Anspruch aufScha301

Dazu unten S. 73 ff.

302

Vgl. Ernst, JZ 1994, S. 801 ff., 805 m. w. Nachw.

Zur Rechtsprechung eingehend unten S. 87 ff. 304 Vgl. Ernst, JZ 1994, S. 801 ff., 805. 303

306

§ 275 Anm. 8, Rdnr. 24. Ders., § 275 Anm. 8, Rdnr. 24; Staudinger-Löwisch (1995), § 275 Rdnr. 56.

307

Vgl. Brehm, JZ 1974, S. 573.

3°5 Palandt-Heinrichs,

Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 1 a), Rdnr. 1, unter Hinweis auf die Unanwendbarkeit des § 275 Abs. 2 BGB auf Geld- und Gattungsschulden. 3°9 Pa/andt-Heinrichs, § 280 Anm. 1 a), Rdnr. 1. 308

310 Medicus, SehR I, § 33 V 3 a), S. 183 f.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

densersatz" trete "im Gefilge des Schuldverhältnisses" - im Wege einer "Auswechslung der Leistungspflichten" - "an die Stelle des ursprünglichen Leistungsanspruchs". 311 Begründet wird die Annahme, die Pflicht des Schuldners bestehe auch bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit nicht fort, heute zu Recht kaum mehr mit dem Wortlaut des § 280 BGB312 oder mit der logischen Undenkbarkeil des Fortbestandes eines auf eine unmögliche Leistung gerichteten Anspruches.313 Vielmehr stützt sich die herrschende Lehre in erster Linie darauf, daß die Annahme der Fortdauer "der unerfilllbar gewordenen Leistungspflicht ( ... ) eine leere Formalität" wäre, weil die Forderung "nicht mehr zu realisieren",314 "sinnwidrig" geworden315 sei und der Anspruch auf die Primärleistung "fiir den Gläubiger ohnehin keinen Wert hätte" 316 . Darüberhinaus wird darauf verwiesen, daß "die gleichzeitige Existenz des Erfiillungs- und des Ersatzanspruches nicht in das allgemeine Leistungsstörungssystem des BGB" passe, das dem Gläubiger mit §§ 280 Abs. 2, 283, 286 Abs. 2, 326 "nur entweder den einen oder den anderen Anspruch" gewähre317 und daß ein "nicht erfiillbarer Anspruch( ... ) den Rahmen der unter der Bezeichnung 'Anspruch' verwendeten Rechtsfigur" sprenge318.

311 So Larenz, SehR I, § 22 I, S. 333; zur Bedeutung dieser hier unerheblichen Unterscheidung und zum Streitstand ders., a.a.O., mit zahlreichen w. Nachw.; vgl. auch Meincke, AcP 171, S. 19 ff. 312 Vgl. Brehm, JZ 1974, S. 573 m. w. Nachw.; vgl. aber zu Zweifeln "gegenüber der mitunter anzutreffenden These( ...), der Gesetzgeber habe das Problem offengelassen", Soergei-Wiedemann, § 280 Rdnr. 30; dazu unten S. 114 ff. 313 Hiergegen bereits Rabe/, FS f. Bekker, S. 178; vgl. Brehm, JZ 1974, S. 573 m. w. Nachw. 314 Larenz, SehR I,§ 21 I b), S. 308. 315 Palandt-Heinrichs, § 280 Anm. I a), Rdnr. I ; Soergel-Wiedemann, § 280 Rdnr. 30. 316 Brehm, JZ 1974, S. 576. 31 7 Soergel-Wiedemann, § 280 Rdnr. 30; Meincke, AcP 171 , S. 24. 318 Meincke, AcP 171, S. 25. Dem weiteren Argument Wiedemanns, beim "gegenseitigen Vertrag" fiihre die Annahme des Fortbestands der Leistungspflicht trotz Unmöglichkeit "zu erheblichen Problemen", Soergel-Wiedemann, § 280 Rdnr. 30, kann meines Erachtens keine Bedeutung zugemessen werden. Die dort abgelehnte Ansicht schließt nicht aus, daß der Gläubiger sich bei Eintritt der Unmöglichkeit vor Nachfristablauf auf die Unmöglichkeit beruft und deswegen § 325 BGB Anwendung findet. Wendet der Richter dagegen bei noch möglicher Leistung den nach der von Wiedemann abgelehnten Ansicht bei bloßem Schuldnereinwand der zu vertretenden Unmöglichkeit allein maßgeblichen § 326 BGB unzutreffenderweise nicht an und gelangt er daher zu einer fehlerhaften Entscheidung, so beweist dies nur, daß falsche Rechtsanwendung zu falschen Urteilen fiihrt. Überhaupt läßt sich die Argumentation Wiedemanns wohl nur

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Aufgrund der ausdrücklichen Gleichstellung mit der nachträglich eingetretenen Unmöglichkeit in § 275 Abs. 2 BGB wird auch dem nachträglichen Unvermögen des Schuldners im Grundsatz leistungsbefreiende Wirkung beigemessen. 319 Allerdings soll sich der Schuldner keineswegs in allen Fällen, in denen er die Leistung wenigstens zur Zeit nicht zu erbringen vermag, auf sein Unvermögen berufen können. 320 Wenngleich Uneinigkeit darüber besteht, unter welchen Voraussetzungen befreiendes Unvermögen im Sinne der Vorschrift anzunehmen sein soll, 321 so wird doch zumeist gelehrt, § 275 Abs. 2 BGB fände keine Anwendung auf Geld- und Gattungsschulden, 322 zumindest aber müsse wie "bei Geldschulden( ...) auch bei Beschaffungsschulden der Satz gelten, daß der Schuldner fiir seine fmanzielle Leistungsfähigkeit stets einzustehen" habe, 323 weil "kein Grund vorhanden" sei, "dem Gläubiger den Erfiillungsanspruch zu nehmen", da "die fmanzielle Leistungsunflihigkeit beseitigt werden" könne,324 und es wird gar- obgleich doch der Schuldner nicht kann, was er muß - die Auffassung vertreten, in diesem Falle sei "richtigerweise überhaupt das Unvermögen" zu vemeinen. 325 Nur wenn das Unvermögen zur Beschaffung des geschuldeten Gegenstandes auf anderen Gründen als rechtlich unbeachtlicher Mittellosigkeit des Schuldners beruhe, löse es "die Rechtsfolgen des § 275 Abs. 2 BGB aus".326 In enger Anknüpfung bereits an die Ansicht, nach der das Unvermögen nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser grundsätzlich keinen Einfluß auf die Verbindlichkeit des Schuldners haben sollte, 327 aber auch in enger Anlehnung an die Praxis328 wird schließlich die Ansicht vertreten, "in sämtlichen Unververstehen unter Zugrundelegung der Prämisse strikter Ausschließlichkeit der Vorschriften über Unmöglichkeit und Verzug. Dazu unten S. 184 ff. 319 Larenz, SehR I, § 21 I a), S. 305; Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 3 a); Staudinger-Löwisch (1995), § 275 Rdnr. 56. 320 Vgl. hiergegen bereits oben S. 61 ff. 321 Vgl Soergel-Wiedemann, § 280 Rdnr. 32: es bleibe zu untersuchen, "in welchen Fällen dies zu bejahen ist"; Meincke, AcP 171, S. 20. 322 So wohl Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 3 b), Rdnr. 14. 323 Soerge/- Wiedemann, § 280 Rdnr. 33; vgl. Meincke, AcP 171, S. 21 ; PalandtHeinrichs, § 275 Anm. 3 a), Rdnr. 13. 324 Soergel-Wiedemann, § 280 Rdnr. 33; vgl. Roth, JuS 1968, S. 105; Meincke, AcP 171, S. 26. 325 Staudinger-Löwisch ( 1995), § 275 Rdnr. 53. 326 Roth, JuS 1968, S. 108; danach sei "überhaupt nur das Vermögen des Schuldners zur Leistung" zu prüfen, was praktisch vernünftig sei, da den Gläubiger "primär nur die Leistungspflicht gerade seines Schuldners" interessiere, ders. a.a.O. 327 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 145 f. 328 Hierzu unten S. 87 ff.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

mögensflillen" könne sich "im Grunde sinnvollerweise immer nur die Frage stellen, bis zu welcher Grenze der Schuldner verpflichtet ist, sich durch den Einsatz eigener Mittel um die Leistungsbereitschaft des leistungsflihigen Dritten zu bemühen". 329 Danach soll die Leistungspflicht des Schuldners immer dann unberührt bleiben, wenn "die Erfiillung von der Mitwirkung eines Dritten abhängt, auf den der Schuldner einwirken kann, mag er auf dessen Mitwirkung einen Anspruch haben oder nicht". 330 Diese Haftung des Schuldners ende somit "erst an der von Fall zu Fall zu bestimmenden Opfergrenze". 331 "Erst nach Überschreitung dieser Grenze" sei der Schuldner "nicht mehr zur Erfiillung in Natur verpflichtet" und könne "den Gläubiger statt dessen auf den Schadensersatz wegen Nichterftlllung verweisen". 332 Gleich welche Schattierung der herrschenden Lehre man betrachtet, so wird ganz offensichtlich dem Unvermögen aber nur dort ein Einfluß auf die Leistungsverpflichtung des Schuldners beigemessen, wo seine Aufhebung in absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann, wo mit ihr wenigstens nicht gerechnet zu werden braucht und wo mit anderen Wortentrotz der vorübergehenden Natur des Unvermögens die Erreichung des Vertragszwecks praktisch ausgeschlossen erscheint. 333 Spielt diese zeitliche Dimension, die wegen ihrer Nähe zum Recht des Schuldnerverzugs hier besondere Beachtung verdient, bei der wissenschaftlichen Betrachtung des Unvermögens durch die herrschende Lehre, dem doch vom Gesetzgeber und noch heute von manchen per se vorübergehender Charakter beigemessen wird,334 vordergründig keine Rolle, so wird allerdings ftlr die objektive Unmöglichkeit danach unterschieden, ob sie eine endgültige oder nur eine vorübergehende ist. So sei nach allgemeiner Meinung "Voraussetzung ft1r die Anwendung der§§ 275, 280, 306 BGB ( ... )eine dauernde Unmöglichkeit''. 33 5 Ein zeitweiliges Leistungshindernis sei einem dauernden nur dann Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 6 IV 3 a), S. 91. Ders., Das Recht der Leistungsstörungen, § 6 IV 3 a), S. 92. 331 Ders., Das Recht der Leistungsstörungen, § 6 IV 3 a), S. 92, unter Hinweis auf BGH NJW 84, S. 49, der neuerdings auf eine Analogie zu den §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 2 BGB hinweise. 332 Ders., Das Recht der Leistungsstörungen, § 6 IV 3 a), S. 92. Dies zeige, "daß es im Grunde noch nicht einmal angemessen" sei, "hier von 'Unvermögen' zu sprechen, weil dadurch nur die Gefahr einer falschen Assoziation zu § 275 Abs. 2 BGB ausgelöst" werde; "die allein sachgerechte Lösung sei vielmehr hier die Anwendung des in jeder Hinsicht am besten passenden§ 326 BGB", ders., a.a.O. 333 V gl. Larenz, SehR I, § 21 I d), S. 316 f. und a), S. 305 ff.; dazu unten S. 177 ff. 334 Motive, S. 46; Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 261; Beinert, S. 208 m. w. Nachw. 335 Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 5 a), Rdnr. 17. 329

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B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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gleich zu achten, "wenn die Erreichung des Vertragszwecks durch die zeitweilige Unmöglichkeit so in Frage gestellt wird, daß dem Vertragsgegner nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unter billiger Abwägung der Belange beider Vertragsteile die Einhaltung des Vertrages nicht zugemutet werden kann". 336 Dagegen wird bei bloß vorübergehender Unmöglichkeit nur von manchen und zumeist337 nur dann, wenn der Schuldner das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat, eine Befreiung des Schuldners für die Zeit der Unmöglichkeit angenommen, 338 zum Teil unter Berufung auf den "Rechtsgedanken" des § 275 BGB. 339 Nach anderer Ansicht bleibe der Schuldner zwar "weiterhin zur Leistung verpflichtet, der Gläubiger" müsse aber "warten, bis sie möglich ist". 340 "Das Hinausschieben der Leistungspflicht bei nicht zu vertretender vorübergehender Unmöglichkeit" verhindere "neben dem Ausschluß der Verzugsfolgen, daß der Schuldner über § 283 BGB ohne Verschulden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird". 341 "Bei zu vertretender vorübergehender Unmöglichkeit" sei "dagegen kein Grund dafür ersichtlich, dem Gläubiger den Weg des § 283 BGB abzuschneiden". 342 Es sei eine zeitweilige Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht vielmehr "damit unvereinbar, daß der Schuldner in diesem Fall in Verzug gerät".343 Daher wird eine ältere Ansicht, derzufolge - durchaus in der Konsequenz der herrschenden Lehre vom Ausschluß der Leistungspflicht bei Unmöglichkeit liegend - auch die zu vertretende vorübergehende Unmöglichkeit die Leistungspflicht des Schuldners hinausschiebe, so daß der Gläubiger nur noch ein Urteil auf zukünftige Leistung erlangen könne, 344 heute fast einhellig abgelehnt. 345 Weder zur Begrenzung der Leistungspflicht des Schuldners noch zur Begründung eines Schadensersatzan336 Staudinger-Löwisch (1995), §275 Rdnr. 31 m. zahlr. Nachw. zur ständigen Rechtsprechung; vgl. fast wörtlich BGHZ 83, 197, 200; Pa/andt-Heinrichs, § 275 Anm. 5 b), Rdnr. 18; auf Einzelheiten sowie auf die Behandlung von Dauerverpflichtungen braucht hier nicht eingegangen zu werden, vgl. Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 5 b), Rdnr. 18, sowie Staudinger-Löwisch (1995), Vorbem. 5 zu§§ 284 ff. 337 Anderer Ansicht wohl Staudinger-Löwisch (1995), § 275 Rdnr. 30 in Verbindung mit Rdnr. 56. 338 Palandt-Heinrichs, Anm. 5 a), Rdnr. 17 m. w. Nachw.; MüKo-Emmerich, Rdnr. 28 vor § 275 hält eine Einrede des Schuldners ftlr erforderlich. 339 So Palandt-Heinrichs, Anm. 5 a), Rdnr. 17. 340 Larenz, SehR I,§ 21 I a), S. 305.

Soerge/-Wiedemann, § 280 Rdnr. 13; P/anck-Siber, § 283 Anm. I c) a) aa). Soerge/-Wiedemann, § 280 Rdnr. 13. 343 Ders., § 280 Rdnr. 13; Larenz, SehR I, § 21 I a), S. 305 f. 344 Planck-Siber, Anm. II I) a) vor§ 275, S. 199, § 280 Anm. 3) a) ß), S 243; vgl. auch Nastelski, JuS 1962, S. 293: Der Anspruch könne nicht durchgesetzt werden. 345 Soergei-Wiedemann, § 280 Rdnr. 13; vgl. aber Staudinger-Löwisch (1995), § 275 Rdnr. 30 in Verbindung mit Rdnr. 56. 341

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

spruches des Gläubigers soll demnach die nur vorübergehende vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit nach herrschender Lehre eine Rolle spielen und damit insgesamt funktionslos bleiben. Soweit die herrschende Lehre im dargestellten Rahmen der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit und - eingeschränkt - auch dessen Unvermögen Einfluß auf die Verbindlichkeit beimißt, geht sie vom Untergang der materiellrechtlichen Leistungsverpflichtung aus. 346 Obwohl diese Annahme an sich, das heißt sofern man eine entgegenstehende Ansicht nicht mit einer "mindestens völlig neuartigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Privatrecht und Prozeß" rechtfertigt, 347 zwingend zur Konsequenz haben müßte, ein gegen den Schuldner im Falle auch von ihm zu vertretender Leistungshinderung gerichtetes Urteil auf die Primärleistung auszuschließen348 und den Schuldner zum Beweis der Unmöglichkeit zuzulassen349, wird dies nur von wenigen wirklich gefordert. 350 Sie rügen die noch zu besprechende Praxis der Gerichte als "widersprüchlich"351 , "inkonsequent"352 und "rechtssystematisch kaum vertretbar"353. Dagegen nehmen andere - nicht zuletzt wohl im Blick auf die Rechtsprechung - an, trotz der infolge Unmöglichkeit erloschenen Leistungspflicht könne "der Schuldner ohne Beweiserhebung" in die Primärleistung "verurteilt werden". 354 346 Soergei-Wiedemann, § 280 Rdnr. 30. 347 Vgl. Rabe/, FS f. Bekker, S. 184; hierzu auch Meincke, AcP 171, S. 23 m. w. Nachw. 34S Soergei-Wiedemann, § 280 Rdnr. 29. 349 So Soergei-Wiedemann, § 280 Rdnr. 30m. w. Nachw.; demgegenüber vertritt aber Schmidt die Auffassung, im Hinblick auf "den Zusammenhang der Verkürzung des Streitstoffes mit den§§ 893 ZPO, 283 BGB", aus denen folge, "daß die Unmöglichkeit der Leistung auch materiallrechtlich unterschiedliche Wirkung" habe, "je nachdem, ob sie feststeht oder nicht", sei die "sonderbare Erscheinung, daß eine Tatsache als Beklagtenvorbringen unerheblich ist und doch, wenn sie feststeht, zur Klagabweisung fuhren kann", verständlich, ZZP 87, S. 62 im Anschluß an Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 245 ff. 3SO Soerge/-Wiedemann, § 280 Rdnr. 30; fiir die objektive Unmöglichkeit Brehm, JZ 1974, S. 577; Roth, JuS 1968, S. 101 ff.; Coester-Waltjen, AcP 183, S. 285 f. ; Meincke, AcP 171, S. 22 ff.; in jüngerer Zeit Wittig, NJW 1993, S. 638: "Die Verurteilung eines Schuldners zur Herausgabe ohne Berücksichtigung seines Beweisangebots fiir die von ihm behauptete Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache ist nicht möglich". 351 Soergei-Wiedemann, § 280 Rdnr. 30. 352 Brehm, JZ 1974, S. 577. 353 Roth, JuS 1968, S. 101, Fußnote 3. 354 So etwa Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 8 b), Rdnr. 25 unter der Rubrik: "Verfahrensrechtliches" und unter Verweisung auf die Möglichkeit, nach § 283 BGB vorzugehen; vgl. Soergei-Wiedemann, § 280 Rdnr. 29m. w. Nachw.

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In enger Anlehnung an den Wortlaut des § 306 BGB wird schließlich bei anflinglichen Leistungshindernissen Nichtigkeit des Vertrages nur bei objektiver Unmöglichkeit angenommen,355 die nach ganz herrschender Meinung im Grundsatz zu verstehen sein soll wie in §§ 275, 280 BGB: als naturgesetzliche, juristische oder sogenannte faktische Unrnöglichkeit.356 Nicht zuletzt aufgrund der massiven Kritik an den §§ 306 ff. BGB in der Literatur, welche die Regelung und insbesondere die Beschränkung der Haftung nach § 307 BGB auf das negative Interesse als "rechtspolitisch ( ... ) sehr zweifelhaft"357 und gar "interessenwidrig" 358 bezeichnet, 359 wird jedoch weithin eine restriktive Auslegung der Norm gefordert. 360 Weitergehend wird neben den bereits im Gesetz vorgesehenen Sonderregelungen der§§ 437, 537, 538 BGB361 im Anschluß an das Urteil des OLG Harnburg aus dem Jahre 1910 über die "schwimmend Dampfer Thekla Bohlen" verkauften, zuvor aber nicht verladenen kanarischen Kartoffeln362 die Nichtanwendbarkeit der Vorschrift auch dann angenommen, wenn der "nicht zwingende § 306" 363 ausdrücklich oder stillschweigend durch die Übernahme einer Garantie fiir die Möglichkeit der Leistung abbedungen seP64 Im Umkehrschluß aus der gesetzlichen Regelung nur der objektiven Urunöglichkeit365 sowie aufgrunddes Fehlenseiner dem§ 275 Abs. 2 BGB entsprechenden Vorschrift366 wird allgemein367 die Wirksamkeit "des auf eine sub-

355 Larenz, SehR I, § 8 I, S. 98; Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 2, Rdnrn. 3 f. ; vgl. auch die Nachweise bei Arp, S. 35 Fußnote 1. 356 Vgl.

Larenz, SehR I,§ 8 I, S. 99 f.; Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 2 b), Rdnr. 4. Medicus, SehR I,§ 33 IV 2 a), S. 180. 358 Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. la), Rdnr. 1 m. w. Nachw. 357

359 Vgl. zur "Kritik der heutigen Rechtswissenschaft an § 306 8GB" und deren Geschichte die zahlreichen weiteren Nachweise bei Arp, S. 37 ff. 360 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. la) Rdnr. 1. 361 Vgl.

Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 3 II, S. 18 ff.

OLG Hamburg, Seuff A 65 (1910), Nr. 160, S. 309; vgl. Arp, S. 43 ff., der diesen Fall als "leading case der stillschweigenden Garantieübernahme für Möglichkeit der Leistung" bezeichnet. 363 Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 5 a), Rdnr. 11. 36 2

364 Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 1 a), Rdnr. 1; Staudinger-Löwisch ( 1995), § 306 Rdnr. 3; besonders eindrucksvoll Larenz, SehR I, § 8 II, S. 103, der dann "die Regeln nicht über Unmöglichkeit, sondern die über ein Unvermögen des Schuldners anwenden" will, wobei dann die Haftung des Schuldners für sein anfängliches Unvermögen "auch nicht in Fällen höherer Gewalt" entfalle; vgl. zur Lehre von der Abdingbarkeit des § 306 8GB kritisch Arp, S. 42 ff. 365 Larenz, SehR I, § 8 I, S. 98 f.

366 Larenz, SehR I, § 8 I, S. 98 f. ; Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 4 a), Rdnr. 9. 367

Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 4 a), Rdnr. 9.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

jektiv unmögliche Leistung gerichteten Vertrages" angenommen368 und mit ihrals wollte man gleichsam die Verwimmg über die Bedeutung und die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit und des Unvermögens im Bürgerlichen Gesetzbuch vollständig machen - wie im Falle der "Garantieübernahme" nicht nur ein sofortiger Schadensersatzanspruch des Gläubigers wegen Nichterfiillung,369 sondern mit der Wirksamkeit des Vertrages auch der Fortbestand der Leistungspflicht370 und das Recht des Gläubigers, aufErfiillung zu klagen371.

ßß) Die andere Schulrichtung Auch nach entgegengesetzter Grundanschauung372 greife die Befreiungsregelung des § 275 Abs. l BGB bei vom Schuldner nicht zu vertretender Unmöglichkeit, jedoch sei es nicht die Unmöglichkeit, die den Schuldner nach herrschender Lehre "gedankenmäßig" befreie,373 sondern der Schuldner wäre aufgrunddes der Vorschrift des § 275 BGB zugrundeliegenden Prinzips frei, daß nämlich "die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung ausgeschlossen sein soll" unter "solchen Umständen, die eine Ersatzpflicht des Schuldners wegen Nichterfilllung ausschließen würden". 374 Da dem Schuldner das Ausbleiben der Leistung aber bei Unmöglichkeit "schon dann nicht zugerechnet" werde, "wenn die Unmöglichkeit (... )weder von ihm vorsätzlich herbeigefilhrt, noch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu verhindern war", könne "fiir andere Schwierigkeiten, die zur Bewirkung der Leistung überwunden werden müßten, nichts anderes gelten", und so sei die Leistungspflicht ausgeschlossen, "wenn zur Bewirkung der( ... ) Leistung(...) mehr erforderlich wäre, als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gebietet", weil die Nichtleistung bereits dann als eine zuflillige, "dem Schuldner" nicht "zuzurechnen" wäre. 375 Nähme man dage368 Zu den teilweise in der Literatur geforderten Beschränkungen der Einstandspflicht des Schuldners vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 4 b), Rdnr. 10 und Larenz, SehR I, § 8 li, S. I00. 369 Nach Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 4 a), Rdnr. 9 sei dies herrschende Meinung und ständige Rechtsprechung; anders Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 4 II 2 a), S. 34 f., der auf den Weg über § 283 BGB verweist - unter Hinweis auf die Motive, S. 54, und RGZ 80, 247, 249 f. 37o Larenz, SehR I, § 8 II, S. I 00. 371 Palandt-Heinrichs, § 306 Anm. 4 a), Rdnr. 9; so wohl auch Larenz, SehR I, § 8 II,

s. 100.

Vgl. grundlegend Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfilllung. 373 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 68. 374 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 77. 372

375 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 79 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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gen mit der herrschenden Lehre an, es sei die Unmöglichkeit, die den Schuldner nach § 275 BGB befreit, dann stünde "der Schuldner bei Möglichkeit der Leistung schlechter" als bei deren Unmöglichkeit,376 und dann "würde das Gesetz den schärfsten Vorwurf verdienen", weil es "vom Schuldner zur Bewirkung der Leistung mehr verlangen" würde "als zur Vermeidung der Haftung wegen Nichterfiillung" 377 . § 275 BGB enthalte jedoch "selbst den Ansatzpunkt" dafiir, "die Unmöglichkeit ( ... ) als Befreiungsgrund" aufzugeben, indem er den Schuldner "von seiner Verpflichtung zur Leistung nur dann" befreie, "wenn er wegen NichterfUllung nicht verantwortlich ist",3 78 wenn er mit anderen Worten das Leistungshindernis - so möchte man hinzufUgen -379 nicht zu vertreten hat. Als Folge der "Kasuistik der römischen Quellen"380 sei auch § 275 BGB "kasuistischer Natur" und bringe daher das Prinzip, nämlich den Ausschluß der Leistungspflicht bei "Nichterfüllung infolge eines dem Schuldner nicht zurechenbaren Umstandes" nur unvollkommen zum Ausdruck, indem "dieses Prinzip" im ersten Absatz der Vorschrift "nur auf den Fall des Unmöglichwerdens der Leistung angewendet" werde381 und mit dem Unvermögen im zweiten Absatz ein "mißglückter Ausdruck fiir die Leistungserschwerung" gewählt worden sei.382 Auf diese Ansicht wird im Verlaufe der Arbeit zurückzukommen sein,383 und es soll daher die Begründung durch Jakobs grob umrissen werden.

Mommsen, wie nach ihm auch Windscheid, habe das Prinzip der Befreiungsregelung im römischen Satz: "casus a nu/lo praestantur" gesehen.384 Beim Versuch, aus diesem Grundsatz "einen scharf abgegrenzten( ... ) Tatbestand fiir das Freiwerden des Schuldners herauszuarbeiten", die "Gränzen" dieses Prinzips zu bestimmen, habe er die von ihm gesuchte "objektive Beziehung" des befreienden Ereignisses zum Schuldverhältnis in der Unmöglichkeit gefunden, 385 weil "bei Möglichkeit der Leistung die Verschuldungper se gegeben, weil die Nichterftlllung ihren Grund dann immer in dem Willen des Schuldners zu haben und also eine willkürliche zu sein schien" und "weil folglich bei Möglichkeit der Leistung die Verschuldung ohne weiteres zu bejahen" seP86 Dabei habe 376 Jakobs,

Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 80.

377 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 103. 378

379

Ders.,Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 104. Vgl. aber unten S. 124 ff.

380 Jakobs,

Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 161.

381

Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 106 f.

382

Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 127 ff.

Unten S. 124 ff. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 117 ff. 385 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 118 ff. 386 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 123 f. 383

384

6 Wahl

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Mommsen verkannt, daß dem Schuldner auch das Nichtbewirken der möglichen Leistung nicht "unter allen Umständen zuzurechnen" seP87

Für § 275 Abs. 2 BGB zeige schon dessen Entstehungsgeschichte, daß die subjektive Unmöglichkeit nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser unbeachtlich sei, weil wie im ersten Entwurf nur der aus den römischen Quellen bekannte spezielle Fall einer beachtlichen Leistungserschwerung, das Abhandenkommen eines individuell bestimmten Gegenstandes, geregelt werden sollte. 388 Der endgültige Gesetzeswortlaut sei auf ein Redaktionsversehen zurückzufilhren.389 Der solchermaßen gefundene Bedeutungsgehalt des § 275 Abs. 2 BGB entspräche auch der Ansicht Mommsens, derzufolge es fUr die subjektive Unmöglichkeit nicht darauf ankommen sollte, "daß der Schuldner sich die Disposition über die Sache ( ... ) nicht zu beschaffen vermag", sondern nach der das Freiwerden mangels Verschuldens Voraussetzung sei fUr die Annahme "wahrer" Unmöglichkeit. 390 Subjektive Unmöglichkeit sei bei Mommsen in Wahrheit "nur ein anderes Wort für Leistungsschwierigkeit".391 Entsprechendes gelte auch fUr Windscheid, fUr den allein wesentlich gewesen sei, "'daß inzwischen ein Ereignis eingetreten ist, welches ihm' - dem Schuldner - 'die früher vorhandene Möglichkeit der Leistung genommen hat"', 392 und der meinte: "Bei der nachfolgenden Unmöglichkeit kommt es nicht darauf an, ob sie eine objektive oder subjektive ist, sondern darauf, ob den Schuldner im Betreff derselben eine Schuld triffi oder nicht" 393 . Die Annahme der Unbeachtlichkeit des Unvermögens entspräche schließlich auch dem geltenden Recht, filr das § 279 BGB nur ausspreche, "was allgemein gelten" müsse. 394 Die gegenteilige Annahme wäre unvereinbar mit dem Grundsatz, daß Geldmangel immer unbeachtlich sei. 395 Auch die Rechtsprechung gewähre dem Schuldner Befreiung nur, wenn und weil ihm "die Nichterfüllung nicht zuzurechnen" ist.396

387 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 125. 388 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 145 f. : Die Fassung des ersten Ent'M!rfs habe klarstellen sollen, daß das Unvermögen in allen anderen Fällen keine Beachtung finden sollte. 389 Vgl. hierzu im einzelnen Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 147 ff. 390 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 136 ff. 391 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 137. 392 Windscheid, Heidelberger Kritische Zeitschrift 1855, Band. 2, S. 109. 393 Windscheid-Kipp, § 264, S. 82; Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, s. 141 ff. 394 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. I SO. 395 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 15 I f. 396 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 153 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Die noch im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltene Kasuistik habe historische Gründe: "Vor der Schuld als einer realisierbaren rechtlichen Verpflichtung" sei "historisch die Haftung wegen Nichterfi.illung" als "das Primäre" gestanden; die Leistungsverpflichtung des Schuldners sei demgegenüber "das erst später Hinzugetretene", "das Sekundäre"397 . Erst "mit dem Wegfall der Geldkondernnation" habe "nach dem Bestand der Verpflichtung zur Leistung" gefragt werden müssen. 398 Dies sei jedoch aufgrund der vornehmliehen Beschäftigung mit den römischen Quellen - mit dem noch geltenden justinianischen Recht - unterblieben und daher die Lehre Mommsens "unfertig".399 Deswegen sage noch "das Gesetz über die Voraussetzungen der Haftung wegen Nichterfi.illung mehr" aus "als über den Inhalt der Leistungspflicht", der in §§ 241, 242 BGB "lediglich dahin umschrieben" werde, "daß die Leistung so zu bewirken ist, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern". 40 Für die Bestimmung der Leistungspflicht sei es daher "der sicherste Weg", "von den Voraussetzungen der Haftung wegen Nichterfi.illung auf den Inhalt der Verpflichtung des Schuldners zurückzuschließen". 401

°

Auf diesem Wege gewinnt Jakobs als "zu Ende gedachte Regelung der beiden Absätze des § 275" BGB, in dessen "Interpretation(... ) sowohl die Unmöglichkeit wie das Unvermögen" fehlen würden, weil sie "keine wesentlichen Voraussetzungen des Freiwerdens von der Leistungspflicht" seien, "sondern nur zwei Fälle, fi.ir die das Freiwerden des Schuldners ausgesprochen" sei, die folgende Regel fi.ir die Befreiung des Schuldners, die zugleich eine "negative Umschreibung des § 242 BGB in dessen ursprünglichem Sinn als Regelung des Inhalts der Leistungspflicht" darstelle: "Der Schuldner ist zur Leistung nicht verpflichtet, wenn er die Leistung bei Beobachtung der von ihm zu vertretenden Sorgfalt nicht bewirken kann. Zu vertreten hat der Schuldner, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist, die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt".402 In Anwendung dieser Regel, daß ein Schuldner zur "Überwindung einer nachträglich eingetretenen Leistungserschwerung ( ...) nicht mehr aufzuwenden" habe, "als zur Vermeidung der Haftung wegen Nichterfi.illung", zieht Jakobs wenn er hier richtig verstanden wird - den Schluß, daß ein Schuldner "zur Be397 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 169. Vgl. dort zum Common Law S. 170 ff., zum römischen Recht S. 174 ff. 398 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 188 ff. 399

Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 190 ff.

400 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 165 f. 401 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 167, unter Hinweis auf die durch solches Vorgehen gegenüber der herrschenden Lehre überlegene Lehre von der Kraftanstrengung, vgl. dazu insbesondere S. 197 ff. 402 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 225.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

wirkung der Leistung" im Falle eines unverschuldeten Leistungshindernisses, wenngleich es nicht zur Unmöglichkeit der Leistung filhrt, "überhaupt nichts aufzuwenden" habe und "also zur Leistung nicht verpflichtet sein" könne, wenn er- nähme man Unmöglichkeit an - "den dem Gläubiger durch die Nichterfilllung entstehenden Schaden(...) nicht zu ersetzen verpflichtet" wäre,403 und daß dann, wenn "eine Ersatzpflicht ( ...) feststeht", weil der Schuldner den Eintritt des Leistungshindernisses zu vertreten hat, er von seiner Verpflichtung dann frei sei und nicht zur Leistung verurteilt werden dürfe, "wenn ihn die Naturalerfi1llung mehr kosten würde als eine ersatzweise Befriedigung des Gläubigerinteresses an der Leistung": "Der dem Gläubiger durch die Nichterfüllung entstehende Schaden" begrenze "das Maß der vom Schuldner zum Zwecke der Leistung aufzuwendenden Mittel". 404 Dasselbe Prinzip der Befreiung des Schuldners müsse auch bei nur vorübergehenden Leistungshindernissen zur Anwendung kommen, weil "die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung bereits dann ausgeschlossen" sei, wenn sie "infolge eines dem Schuldner nicht zurechenbaren Umstandes" ausbleibe, und so folge bereits aus dem Grundgedanken der Befreiungsregelung des § 275 BGB, "daß der Schuldner nicht in Verzug kommt, 'solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat"'. 405 Wie auch angesichts des Wortlauts des § 285 BGB in seiner Vorgängervorschrift des ersten Entwurfs "den Verfassern des Bürgerlichen Gesetzbuches das Nichteintreten des Verzuges nur eine Konsequenz des Nichtbestehens der Leistungspflicht gewesen" sei,406 könne die "Frage nach der Existenz der Leistungspflicht und die Frage nach den Voraussetzungen des Verzuges ( ... ) nicht verschieden zu beantworten" sein, könne nicht "die Leistungspflicht zu bejahen sein auch unter Umständen, unter denen ein Verzug des Schuldners zu verneinen ist".407 Deswegen sei die Leistungspflicht und mit ihr der Verzug ausgeschlossen, "solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den der Schuldner nicht zu vertreten hat", sei die Verpflichtung des Schuldners zwar "nicht schlechthin aufgehoben", aber "zeitweilig nicht existent": sie zessiere. 408 Der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit und dem von ihm zu vertretenden Unvermögen soll nach dieser Auffassung im Grundsatz4°9 keine AusJakobs, Unmöglichkeit und Nichterftillung, S. 156. Ders., Unmöglichkeit und Nichterftillung, S. 258 f. 405 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 82 ff. 403

404

Ders., Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 85 Fußnote 38 m. w. Nachw. Ders., Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 83. 408 Ders., Unmöglichkeit und Nichterftillung, S. 85 f; so auch Huber, Die Rechtsbehelfe der Parteien( ... ) nachUN-Kaufrecht im Vergleich zu EKG und BGB, S. 204. 409 Zu den Ausnahmen im folgenden. 406 407

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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wirkungauf die Primärverpflichtung zukommen. Sei der Schuldner nach § 275 BGB nicht wegen Unmöglichkeit oder Unvennögen, sondern deshalb befreit, weil er im Falle der Nichterftlllung nicht haften würde, so werde er auch im Falle der von ihm zu vertretenden Unmöglichkeit grundsätzlich nicht durch diese von seiner Leistungspflicht frei, weil sie nicht einen Befreiungsgrund filr den Schuldner darstelle, sondern vielmehr "den Gläubiger aus seiner Beschränkung auf den Primärleistungsanspruch" befreie.410 Als solche sei "die Unmöglichkeit ( ... ) ohne Einfluß auf den Bestand der Verpflichtung", wie dies schon Mommsen gelehrt habe und das anzunehmen man nicht durch das Gesetz gehindert sei, weil dieses sich infolge der undoktrinären Behandlung der "bloß konstruktiven Frage" durch die Gesetzesverfasser darauf beschränkt, die Rechtsfolge der Schadensersatzverpflichtung anzuordnen.411 Würde dagegen die Unmöglichkeit stets die Leistungspflicht ausschließen, "so müßte (...) eine Verurteilung des Schuldners zur Leistung des ursprünglichen Gegenstandes" auch bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit stets "ausgeschlossen sein". 412 "In ständiger Rechtsprechung" werde der Unmöglichkeit jedoch ein solcher "'Einfluß' versagt und angenommen, ein Schuldner könne sich auf die Unmöglichkeit der Leistung 'nicht berufen', wenn sich nicht aus seinem Vorbringen ergebe, daß er die behauptete Unmöglichkeit nicht zu vertreten" habe. 413 Diese Praxis ließe sich nicht durch die bereits verschiedentlich "als 'monströs"' bezeichnete Konstruktion halten, der Schuldner sei zwar "materiell-rechtlich nur noch als ersatzpflichtig anzusehen", ihm sei "aber im Leistungsprozeß" der "Beweis der Unmöglichkeit abzuschneiden",414 sondern "nur auf Grund der materiellrechtlichen Annahme", "daß eine Unmöglichkeit" von der Leistungspflicht "nicht befreit". 415 "Selbstverständlich" komme zwar nurmehr "Ersatzleistung in Betracht", gleichwohl verlören Verpflichtung und Verurteilung nicht ihren Sinn, der sich aus der materiell-rechtlichen "Vorstellung des Anspruches (...) in ihrer prozessualen Funktion" ergebe. 416 Die Annahme des Fortbestands der Leistungspflicht sei der "notwendige Ausdruck dafilr, daß die Unmöglichkeit der Leistung nicht im Erkenntnisverfahren, ( ... ) sondern im Vollstrekkungsverfahren festzustellen" sei, "in dem es um die Realisierung der Leistung"

410 Jakobs, 411

Unmöglichkeit und Nichterftillung, S. 229. Ders., Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 231 ff.

412 Ders., Unmöglichkeit und Nichterftillung, S. 232. 413 Ders., Unmöglichkeit und Nichterftillung, S. 232; zur Rechtsprechung unten

S. 87 ff. 414 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterftillung, S. 237 f. m. w. Nachw.; vgl. hierzu

bereits oben S. 78. 415 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 239. 41 6

Ders., Unmöglichkeit und Nichterftillung, S. 239 ff.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

ginge und das dafiir die geeigneten Mittel zur VerfUgung stelle.417 "Im geltenden Recht sei die Perpernation der Leistungspflicht" - "in Konsequenz des Prinzips der Rea/exekution" - "Ausdruck der Befugnis des Gläubigers, die Realisierbarkeit der Leistung durch Zwangsvollstreckung festzustellen". 418 Allerdings verlöre die Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht dort ihren Sinn, wo "es keinen Sinn mehr" habe, "die Realisierbarkeit der Leistung durch Zwangsvollstreckung festzustellen", wie dies bei Verpflichtungen zu einem facere 419 oder dann der Fall wäre, wenn die Nichtrealisierbarkeit der Leistung bereits im Erkenntnisverfahren wegen offenkundiger oder vom Gläubiger zugestandener Unmöglichkeit feststünde420• "Diese materiell-rechtliche Unterscheidung" ergäbe "sich auf Grund des Unterschieds, der im Zwangsvollstreckungsrecht auch heute noch" bestehe, "je nachdem, ob die zu erzwingende Leistung in einem dare oder in einemfacere" bestehe.421 Seien dies die wenigen Ausnahmen, in denen der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit Einfluß auf die Primärleistungsverpflichtung zukomme, so gelte solches nie filr bloßes Unvermögen. Schon weil der Schuldner nach geltendem Recht "sein Unvermögen zur Leistung( ...) immer zu vertreten" habe, könne "ihm aus einem Fortbestehen seiner Verpflichtung zur Leistung auch kein Nachteil entstehen, der ihn nicht zu Recht träfe" und es könne dem Gläubiger, wo allein sein Interesse auf dem Spiel stehe, "auch nicht versagt werden, die Realisierbarkeit der Leistung durch Zwangsvollstreckung festzustellen". 422 Sei es schließlich die eigentliche Bedeutung der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit, "den Gläubiger aus seiner Beschränkung auf den Leistungsanspruch" zu befreien,423 so soll diese Funktion im Grundsatz nur der dauernden objektiven Unmöglichkeit zukommen können. Da "die Eigenart des Unvermögens" darin bestehe, "daß es an sich vorübergehender Natur" sei und "die Leistung an sich noch erbracht werden" könne, es nicht ausgeschlossen sei, daß "dem Schuldner die Leistung wieder möglich und er sie dann auch bewirken werde", könne mangels endgültigen Feststehens der Nichterfilllung das Unvermögen allein nicht zum Schadensersatz berechtigen. 424 Dieser Anspruch solle dem Gläubiger nur dann zustehen, wenn er beweist, daß eine Aussicht fiir den 41 7

Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterflillung, S. 240 f.

Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 242. Hierzu im einzelnen ders., Unmöglichkeit und Nichterflillung, S. 242 ff. 420 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 245; vgl. zum ganzen ähnlich Kahler, JuS 1991, S. 943 ff. 421 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 252. 422 Ders., Unmöglichkeit und Nichterflillung, S. 254 f. 423 Ders., Unmöglichkeit und Nichterflillung, S. 229. 424 Ders., Unmöglichkeit und Nichterflillung, S. 261. 4 18

419

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Schuldner nicht besteht, "das Leistungsvermögen binnen des filr die Leistung sinnvollerweise in Betracht kommenden Zeitraumes" wiederzuerlangen. 42 5 Solches werde durch die zu § 280 BGB ergangene Rechtsprechung nicht widerlegt, sondern geradezu bestätigt, indem sie den Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz stets nur dort anerkannt habe, wo der Schuldner zum Ausdruck gebracht habe, nicht leisten zu wollen. 426 rr) Rechtsprechung

In der Praxis der Gerichte wird eine Befreiung des Schuldners aus seiner Primärleistungspflicht jedenfalls bei dauernder objektiver Unmöglichkeit anerkannt, die der Schuldner nicht zu vertreten hat. Angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift des § 275 BGB und angesichts der wenigstens insoweit auch in der Lehre bestehenden Einigkeit verwundert es nicht, daß dies nie Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidung war, sondern daß sich der Grundsatz, wonach das Bürgerliche Gesetzbuch "die Regel" enthalte, "daß der Schuldner von der Leistungspflicht frei wird, wenn nach der Entstehung des Schuldverhältnisses die Leistung ohne Verschuldung des Schuldners( ... ) unmöglich wird",427 ausgesprochen nur in Entscheidungen fmdet, die das Unvermögen428 , die lediglich vorübergehende429 oder die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit430 betreffen. Bereits die in den genannten Entscheidungen gewählten Formulierungen bringen zum Ausdruck, daß eine solche leistungsbefreiende Wirkung der Unmöglichkeit nur dann zukommen soll, wenn der Schuldner sie nicht zu vertreten hat. 431 Mit aller Deutlichkeit wurde darüberhinaus bereits vom Reichsgericht klargestellt, daß der Schuldner sich gegenüber der Klage des Gläubigers auf Erfilllung der Primärleistungspflicht "auf eine Unmöglichkeit oder ein Unvermögen, die, wenn sie festgestellt würden, von ihm zu vertreten wären, nicht berufen" kann, 432 weil auch dann der Anspruch des Gläubigers "in obligatione geblieben", der Schuldner "von der Leistungspflicht nicht nach der Vorschrift des § 275 BGB freigeworden ist" 433 : "Diese Unmöglichkeit, wenn bewiesen, Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 262. Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 263 ff. 427 RGZ 67, 233 ff., 236. 425 426

428

Dito; RGZ 60, 160 ff.; 106, 177 ff.; 107, 156 ff.

429

RGZ 117, 127 ff.; BGH LM § 275 BGB Nr. 7; BGHZ 83, 197 ff.

430 431

RGZ 54, 28 ff. Vgl. insbesondere RGZ 54,28 ff.; 60, 160 ff.; 117, 127 ff.; BGH LM § 275 BGB

432

RG JW 1924, S. 292 ff., 293.

433

RG, JW 1924, S. 292 ff., 293.

Nr. 7.

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kommt aber der Beklagten nur dann zustatten, wenn sie sie nicht etwa ( ...) zu vertreten hat ( ...)"434 . Wenn überhaupt, so könnte aus der gesamten reichsgerichtliehen Rechtsprechung nur eine Passage aus dem Urteil RGZ 88, 76 ff., fiir die Annahme angefilhrt werden, der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit käme Einfluß auf den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch des Gläubigers zu, weil dort unter Hinweis auf RGZ 54, 28, 31, die Entscheidung, "daß ein Urteil auf eine Leistung, deren Unmöglichkeit bereits feststeht, nicht zu erlassen" sei, in Verbindung gebracht wird mit der bereits damals herrschenden Lehre, daß im Falle einer nachträglichen, vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit "die Verbindlichkeit sich in eine solche auf Schadensersatz" umwandle. Wollte man hierin ein Indiz dafiir erkennen, daß die Rechtsprechung der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit materiell-rechtliche Bedeutung beimesse, so bliebe unverständlich jedoch nicht nur, daß in dem in Bezug genommenen Urteil RGZ 54, 28 ff., noch von der "allseitig anerkannten Erwägung" die Rede ist, "daß bei dem nachträglichen Eintritt einer von dem Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistung das ursprUngliehe Schuldverhältnis unverändert bestehen" bleibe, sondern auch, daß sich der erkennende Senat in RGZ 88, 76 ff., selbst der Rechtsprechung anschloß, daß die vom Beklagten bloß behauptete Unmöglichkeit einer Verurteilung in den ursprUngliehen Leistungsgegenstand nicht entgegenstehe.435 Demzufolge kommt der Entscheidung RG JW 1924, S. 292 ff., vor allem dann besondere Bedeutung zu, wenn man die Ausfilhrungen dort, wo auf beide ebengenannten Entscheidungen Bezug genommen wird, als notwendige Klarstellung dessen betrachtet, was bereits in RGZ 54, 28 ff., ausgefiihrt wurde, daß nämlich aufgrund des VertretenmUssens der Schuldnerin der Anspruch der Klägerin "inhaltlich nach wie vor auf die Übertragung des Eigentums", dieser "in obligatione geblieben" sei und "(wie schon in den Motiven zum I. Entwurf eines BGB hervorgehoben und in RG 54, 32 ausgesprochen ist)" der Gläubiger "in solchem Falle auch bei vorliegender Unmöglichkeit rechtlich nicht gehindert" sei, "zunächst auf Erftlllung zu klagen und Verurteilung zu dieser zu erwirken". Schließlich kann anderes nicht aus der noch näher

434 RGZ 107, 156 ff., 158. Obwohl diese Entscheidung meinesErachtenseinen Fall des Unvermögens betraf, kann das Zitat im Textzusammenhang uneingeschränkt Geltung beanspruchen. Einschließlich des vorhergehenden Satzes lautet die Stelle vollständig: "Das hier in Rede stehende Vorbringen des Beklagten würde daher, wenn bewiesen, ausreichen, den Tatbestand einer allgemeinen, objektiven Unmöglichkeit der Lieferung, nicht nur den eines subjektiven Unvermögens zu begründen. Diese Unmöglichkeit, wenn bewiesen, kommt aber der Beklagten nur dann zustatten, wenn sie sie nicht etwa unter einem besonderen Gesichtspunkt zu vertreten hat (§§ 279, 275, 307 BGB)". 435 Vgl. zu dem systematischen Widerspruch der herrschenden Lehre oben S. 78.

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zu untersuchenden ständigen Rechtsprechung436 geschlossen werden, daß bei feststehender Unmöglichkeit nicht zur Leistung verurteilt werden dürfe, weil, wie zu zeigen sein wird, die ratio dieser Rechtsprechung es geradezu verbietet, die Frage nach dem materiell-rechtlichen Fortbestand der Leistungspflicht überhaupt zu stellen. 437 Und danach sollte auch die einzig in Frage kommende Stelle einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes, fiir dessen Abweichen von den Rechtsgrundsätzen des Reichsgerichts sonst keine Anhaltspunkte vorliegen, nicht zur Annahme eines Einflusses der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit auf die Primärleistungspflicht des Schuldners herangezogen werden, in der die Folge des Untergangs "des Erfiillungsanspruches nach §§ 275, 280 BGB" wegen Möglichkeit der Leistung verneint wird,438 und darin keine grundsätzliche Änderung der Rechtsprechung vermutet werden, zumal etwa in BGHZ 83, 197 ff., wieder ausdrücklich die Befreiung der Klägerin unter Anwendung des § 275 BGB aus der "von ihr nicht zu vertretenden politischen Lage im Iran" begründet wird. Leistungsbefreiende Wirkung wird von den Gerichten auch der vom Schuldner nicht zu vertretenden vorübergehenden Unmöglichkeit beigemessen,439 im Grundsatz jedoch auf die Zeit begrenzt, während der das Leistungshindernis Bestand hat: der Schuldner wird "nach § 275 BGB ( ... ) insoweit frei". 440 Allerdings soll die Frage, ob der Schuldner "verpflichtet bleibt, nach Wegfall des Hindernisses zu leisten", nach "den Umständen des einzelnen Falles" zu beurteilen441 und insbesondere dann zu verneinen sein, wenn die Erfiillung von Dauerschuldverhältnissen vorübergehend unmöglich wird, weil bei solchen "eine vorübergehende Unmöglichkeit sehr bald untragbar (RGZ 105, 387; 146, 60; ...)" werde442 . Unter Anwendung desselben "allgemeinen Gedankens, daß das zeitweilige Unterbleiben der Leistung eine vertragsmäßige Erfiillung nicht mehr zuläßt, wenn es zur Folge hat, daß der Vertragszweck nicht mehr in der vorgesehenen Weise erreicht werden kann (BGH MDR 51 , 153)" sei "bei Geschäften des Warenhandels vielfach ein vorübergehendes Leistungshindernis als schuldbefreiend angesehen worden".443

436 Vgl. unten S. 92 ff. 437 Dito.

438 BGHZ 56, 308 ff., 311 . 439 RGZ 117, 127 ff.; BGH LM § 275 BGB Nr. 4; BGH LM § 275 BGB Nr. 7; BGHZ 83, 197 ff. 440 RGZ 117, 127 ff., 130. 441 BGH LM § 275 BGB Nr. 4. 442 Dito. 443 Dito.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Schließlich stellt die Rechtsprechung, wie gerade auch die zuletzt zitierte Entscheidung zeigt, 444 der vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit entsprechend dem Wortlaut des§ 275 Abs. 2 BGB das vom Schuldner nicht zu vertretende Unvermögen prinzipiell gleich,445 weil wie vormals das gemeine Recht auch das Bürgerliche Gesetzbuch die Regel enthalte, "daß der Schuldner von der Leistungspflicht frei" werde, "wenn nach der Entstehung des Schuldverhältnisses die Leistung ohne Verschuldung des Schuldners ( ...) unmöglich wird, einerlei, ob die Unmöglichkeit objektiver, oder subjektiver Natur ist (§§ 275, 276 BGB)"446 . Ohne weitere Unterscheidung nach der Art des Unvermögens,447 wird lediglich die Frage nach dem Vertretenmüssen gestellt, wo dieses verneint wird, Befreiung des Schuldners angenommen, 448 und zur Beantwortung der Frage, ob dem Schuldner "ein Verschulden nicht zur Last fällt", 449 "ob das Unvermögen seinen Grund in einem Umstand hatte, den "der Schuldner" nicht zu vertreten braucht", "der § 242 BGB herangezogen ( ...), insofern hier, neben der Auslegungsvorschrift des § 157 über den Inhalt des Vertrages, Bestimmung über die Art der Leistung des geschuldeten Gegenstandes getroffen wird". 450 Wenn freilich die Gleichstellung des Unvermögens mit der Unmöglichkeit nur als eine prinzipielle bezeichnet werden kann, so dürfte schließlich in der zutreffenden Erkenntnis, daß das Unvermögen "an sich" nur "vorübergehender Natur" 451 ist, der Grund dafiir liegen, daß eine endgültige Befreiung des Schuldners aus seiner Leistungspflicht nur dort angenommen werden kann, wo "die Unmöglichkeit einer dauernden gleichzuerachten" und daher die Verpflichtung nicht dann wieder auflebt, wenn das "Unvermögen nachträglich weggefallen ist". 452 Weit weniger durchsichtig scheint sich die Rechtsprechung in den Fällen vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit zu präsentieren. Hier stellt sich neben der Frage nach dem Anspruch des Gläubigers auf Erfilllung der Primärver-

444 BGH LM § 275 BGB Nr. 4: "(...), so lebt( ... ) ihre Verpflichtung nicht dadurch wieder auf, daß ihr Unvermögen nachträglich weggefallen ist". 445 RGZ 60, 160 ff.; 67, 233 ff.; RG JW 1937, S. 3226; vgl. auch RGZ 57, 116 ff.; 99, I f. 446 RGZ 67, 233 ff., 236. 447 Vgl. die herrschende Lehre oben S. 75. 448 In RGZ 99, I f. sogar entgegen dem Wortlaut des § 279 BGB. 449 RGZ, 99, I f. 45° RGZ 60, 160 ff., 162 f.; vgl. auch RGZ 57, 116 ff.; 99, I f. und RGZ 107, 156 ff., wo nach den gleichen Grundsätzen verfahren, das Vertretenmüssen jedoch nicht verneint wurde. 451 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 261. 452 BGH LM § 275 BGB Nr. 4.

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pflichtung sogleich die nach seiner Möglichkeit, Schadensersatz statt der Leistung zu beanspruchen und nur hier kommt schließlich auch dem bereits erwähnten Grundsatz Bedeutung zu, daß zu einer festgestelltermaßen unmöglichen Leistung nicht verurteilt werden dürfe. 453 Es wurde bereits dargelegt, daß die bloße Tatsache des Vorliegens einer vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit in ständiger Rechtsprechung nicht als Hinderungsgrund eines Leistungsurteils angesehen wird,454 sondern daß, wie bereits in RGZ 54, 28 ff., und seither immer wieder nicht zuletzt unter Berufung auf § 283 BGB455 sowie die Motive456 angenommen, "auch bei vorliegender, jedoch noch nicht festgestellter Unmöglichkeit auf die Leistung selbst geklagt werden" kann, "und daß eine entsprechende Verurteilung zu erfolgen" hat. 457 In Fortfilhrung der reichsgerichtliehen Rechtsprechung schon vor lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches458 und der herrschenden Lehre zum gemeinen Recht4 59, wonach die Verpflichtung auf die ursprüngliche Vertragsleistung durch ein nicht zuflilliges Ereignis nicht aufgehoben wäre und, da hiernach "an sich eine fortdauernde Verbindlichkeit der Beklagten aus dem Vertrage anzunehmen" sei, "die Klage auf die eigentliche Vertragsleistung (das uti frui licere) nicht unzulässig" sei460 , wird folgerichtig dem Schuldner die Berufung auf die Unmöglichkeit versagt, 461 wird ihm die Zulassung zum Beweis der Unmöglichkeit verwebft462 und in die Primärleistungspflicht verurteilt. 463

453 Dies dürfte sich schon daraus erklären, daß offensichtlich bis heute kein Kläger sein etwaiges Ansinnen bis in die dritte Instanz verfolgt hat, den Beklagten zu einer Leistung verurteilen zu lassen, die nach dem eigenen Bekunden des Klägers aus vom Beklagten nicht zu vertretenden Umständen unmöglich geworden war. 454 RGZ 54,28 ff.; 88, 76 ff; 107, 15 ff.; RG JW 1911 , S. 807; 1924, S. 292 ff.; 1937, S. 3226; OLG Koblenz NJW 1960, S. 1253 ff.; vgl. auch BGH NJW 1977, S. 152 sowie die nachfolgend zitierten Entscheidungen, in denen eine Verurteilung wegen f eststehender Unmöglichkeit abgelehnt wurde. 455 RGZ 88, 76 ff.; RG JW 1924, S. 292 ff.; OLG Koblenz NJW 1960, S. 1253 ff.; BGH, NJW 1977, S. 152.

456

RGZ 54, 28 ff., 31 .

Dito. RGZ 32, 131 ff. 459 Vgl. RGZ 32, 131 ff., 133, unter ausdr. Berufung auf Windscheid und Mommsen. 457 458

460 RGZ 32, 131 ff., 133; es soll- obwohl dies meines Erachtens keine Rolle spieltnicht verschwiegen werden, daß in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall Unvermögen vorlag. 461 RGZ 54, 28 ff. 462 RG JW 1937, S. 3226. 463 RG JW 1911, S. 807.

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Anders wird nur dort entschieden, wo die Unmöglichkeit feststeht, 464 das heißt wo sie unstreitig oder vom Gericht festgestellt ist. 465 Es dürfte den erkennenden Richtern kaum entgangen sein, daß sich eine Unterscheidung danach, ob die Unmöglichkeit bereits feststeht, unter der Annahme eines Unterganges der materiellen Leistungspflicht bei verschuldeter Unmöglichkeit nicht halten ließe, weil gerade dann der Schuldner zum Beweis der von ihm behaupteten Unmöglichkeit zugelassen werden müßte. 466 Außer den bereits besprochenen Ausfilhrungen in RGZ 88, 76 ff., läßt sich aber auch keine Entscheidung fmden, die eine solche Annahme, eine Begründung dieser Rechtsprechung aus dem Untergang der Leistungspflicht, auch nur nahelegen würde. Wenn vielmehr wenigstens467 seit RGZ 54, 28 ff., danach differenziert wird, ob fiir die begehrte Verurteilung bereits feststeht, daß sie "widersinnig oder zwecklos" ist,468 so deshalb, weil "die Verurteilung zu einer nach Angabe des Schuldners unmöglichen Leistung keineswegs widersinnig und zwecklos sei" 469, sondern später- also in der Zwangsvollstreckung -470 "sich fmden mUsse, ob der Kläger die Leistung werde erwirken können oder Schadensersatz werde fordern müssen "471 . Weil aber den "Hauptzweck eines Leistungsurteils außer den Fällen des § 888 Abs. 2 ZPO ( ... )die Vollstreckung" bilde, darum sei "die Verurteilung zu einer festgestelltermaßen objektiv unmöglichen Leistung" widersinnig472 und dürfe "deshalb nicht ausgesprochen werden" 473 . Selbst Rabe/ als einer der namhaftesten Vertreter der Ansicht, die der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit keine Bedeutung fiir die Erfilllungsklage beigemessen wissen will,474 hat der 464 RGZ 54,28 ff.; 88. 76 ff.; RG JW 1911, S. 807; 1919, S. 188 ff.; RGZ 107, 15 ff.; RG JW 1924, S. 292 ff.; 1937, S. 3226; BGH LM Nr. 7 Vorbem. zu § 253 ZPO (Rechtsschutzbedürfnis); BGH NJW 1972, S. 152. 465 RG JW 1937, S. 3226; RGZ 107, 15 ff. 466 So insbesondere Rabe/, der in seiner Anmerkung zu RG JW 1924, S. 292 ff., ebendaS. 293, zu der treffenden Folgerung gelangt, daß demzufolge die ursprünglich bestimmte Leistung "noch 'in obligatione"' geblieben sein muß; vgl. auch die aus ihrer Sicht folgerichtige Kritik der Rechtsprechung durch Vertreter der herrschenden Lehre, oben S. 78; anderer Ansicht Schmidt, oben Fußnote.349. 467 Vgl. RGZ 32, 131 ff. 468 RG JW 1911, S. 807; 1937, S. 3226; RGZ 107, 15 ff.; BGH NJW 1972, S. 152. 469 RG JW 1911, S. 807 unter Berufung auf RGZ 54, 28 ff. 470 Vgl. RGZ 160, 257 ff., 263. 471 RG JW 1911, S. 807. 472 RGZ 107, 15 ff., 17. 473 RG JW 1937, S. 3226. 474 Rabe/, Anmerkung zu RG JW 1924, S. 292 ff., ebenda S. 293: "Immer ist und bleibt es das richtige, dem Gläubiger gegen den vertragsuntreuen Schuldner den Versuch der Zwangsvollstreckung nicht zu verkürzen".

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vom Reichsgericht vorgesehenen "Ausnahme, 'wenn die Unmöglichkeit feststeht"', zugegeben, es müsse auch da "ein Geftlhl zugrundeliegen, das durch Rechtsgründe zu ersetzen Aufgabe der Theorie" sei. 475 Die Praxis selbst hat diese "Rechtsgründe" entwickelt. Bereits in den reichsgerichtliehen Entscheidungen flillt auf, daß nicht die Begründetheit der Klage auf eine verschuldet unmögliche Leistung in Zweifel gezogen, sondern daß stets - selbst in RGZ 88, 76 ff. -476 danach gefragt wird, ob "eine dahingehende Verurteilung zulässig ist" 477 • Und schließlich hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 9.10.1974478 in ausdrücklicher Anknüpfung an RGZ 107, 15 ff., entschieden, "daß die Verurteilung zu einer Leistung, deren Unmöglichkeit bereits feststeht, nicht zulässig" sei und es lassen die Ausfilhrungen des Gerichts keinen Zweifel daran, daß der Grund fUr diese Unzulässigkeit im fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zu fmden ist. 479 Danach ist festzustellen, daß nicht - wie vielfach kommentiert -480 der Schuldner bei streitiger, aber nicht festgestellter Unmöglichkeit aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Primärleistung verurteilt werden kann, sondern daß umgekehrt aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Verurteilung dort nicht stattfmdet, wo die Unmöglichkeit bereits feststeht, und daß schließlich deshalb in solchen Fällen die Frage nach dem materiell-rechtlichen Bestand der Leistungspflicht, nach der "Begründetheit" der Klage, nicht mehr gestellt zu werden braucht. Auch bei der Behandlung der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit hält die Rechtsprechung an der prinzipiellen Gleichstellung von Unmöglichkeit und Unvermögen fest. 481 "Zu einer Leistung, von der feststeht, daß gerade der Schuldner sie nicht erbringen kann", dürfe "nicht mehr verurteilt werden". 482 Ein "gerichtliches Erkenntnis" dürfe "von der verurteilten Partei keine Leistung

475

Rabe/, Anmerkung zu RG JW 1924, S. 292 ff., ebendaS. 293.

Vgl. oben S. 88. 477 RG, ebenda; RG JW 1911, S. 807; vgl. auch RGZ 32, 131 ff.; RGZ 107, 15 ff.: "Deshalb läßt das Reichsgericht(...) eine Verurteilung(...) nicht zu (...)"; BGH NJW 1972, S. 152: "Zu einer Leistung, die unstreitig nicht möglich ist, kann nicht verurteilt werden". 478 BGH LM Nr. 7 Vorbem. zu§ 253 ZPO (Rechtsschutzbedürfnis). 479 So ausdrücklich auch schon RGZ 168, 321 ff.; ebenso OLG Schleswig NJW 1982, S. 2672 ff.; vgl. Soergel-Wiedemann, § 280 Rdnr. 28 Fußnote 32; hierzu unten S. 121 ff. 476

480

Vgl. oben Fußnote 354.

RGZ 107, 15 ff.; RG JW 1937, S. 3226; RGZ 160, 257 ff.; OLG Koblenz NJW 1960, S. 1253 ff.; BGHZ 62, 388 ff.; BGH NJW 1972, S. 152; OLG Schleswig NJW 1982, S. 2672 ff.; offengelassen in RG JW 1924, S. 292 ff. 482 RG JW 1937, S. 3226. 4 81

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

verlangen( ... ), von der bereits feststeht, daß die Partei sie unmöglich erbringen kann". 483 Allerdings fmden sich hier zwei Besonderheiten. Die eine liegt wiederum in der vorübergehenden Natur des Unvermögens dadurch begründet, daß eine Möglichkeit zur Leistung insbesondere auch nicht in der Zukunft in Aussicht stehen darf, mit der ernsthaft zu rechnen wäre. 484 So verwundert es nicht, daß trotz der immer wieder betonten grundsätzlichen Gleichstellung des Unvermögens mit der Unmöglichkeit eine Verurteilung in der überwiegenden Zahl der Fälle damit gerechtfertigt wurde, daß etwa "trotz des Verkaufs mit der Möglichkeit gerechnet werden" müsse, "daß der Beklagte sich ( ...) das Gut wiederverschafft" 485 , es als "zumindest möglich" erachtet wurde, "daß der Beklagte ( ... ) die Freimachung der Grundstücksteile erreicht"486 oder weil nach Ansicht des Gerichts nicht feststand, "daß die Kläger einen ihnen zuerkannten Beseitigungsanspruch unter keinen Umständen durchzusetzen vermochten"487 . Es wird auf die Frage zurückzukommen sein,488 warum letzten Endes eine Verurteilung bei vom Schuldner zu vertretendem Unvermögen einzig deshalb ausgeschlossen wurde, weil "aufgrund unstreitiger Tatsachen" feststand, "daß der Beklagten die Erfiillung des Räumungsanspruchs der Klägerin subjektiv unmöglich ist" 489 oder "unstreitig war, ( ... ), daß die Beklagten die Häute nicht mehr herausgeben können" 490 . Die zweite Einschränkung der Anwendbarkeit der Grundsätze fiir die objektive Unmöglichkeit betrifft eine völlig anders gelagerte Fallgruppe, in der trotz oder man könnte auch sagen gerade wegen - der Möglichkeit zur Durchsetzung des Leistungsurteils im Wege der Zwangsvollstreckung eine Verurteilung ausgeschlossen sein soll. Bereits in RG JW 1924, S. 292 ff., wurde erörtert, daß zwar "sich bei der Zwangsvollstreckung herausstellen" müsse, "ob die erforderlichen Mittel beschafft werden können", daß aber, "wenn die Verschaffung des Eigentums ganz außerordentliche Mittel erfordern würde, so daß dem Schuldner ihre Aufwendung ungeachtet seines Verschuldeos nach Treu und 483 OLG Koblenz NJW 1960, S. 1253 ff., 1255, unter Berufung auf RGZ I 07, 18 und

160,263.

484 RGZ 107, 15 ff., 17: "Allein solange mit dieser Möglichkeit [hier: Leistung des Dritten llir den Schuldner] nicht gerechnet werden kann, muß der Schuldner einer Verurteilung zu einer ihm unmöglichen Leistung, falls die Unmöglichkeit feststeht, entgehen können". 485 RG JW 1911, S. 36 f. 486 BGHZ 56, 308 ff., 311. 487 BGHZ 62, 388 ff., 393. 488 Unten S. 122. 489 OLG Schleswig NJW 1982, S. 2672 f., 2673. 490 BGH NJW 1972, S. 152.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Glauben gemäß § 242 BGB nicht zugemutet werden dürfte, ( ... ) eine solche 'überobligationsmäßige Schwierigkeit' dem Unvermögen gleichgestellt werden könne (RG 57, 118; P/anck-Siber zu § 279 Erl. I b, 2)". Dementsprechend hat der Bundesgerichtshoftrotz seiner Feststellung in BGHZ 62, 388 ff., ein feststehendes Unvermögen zur Beseitigung vertragswidriger Kraftwagen-Stellplätze läge nicht vor, die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen zur weiteren "Aufklärung nach der Richtung, ob die Beseitigung fiir den Beklagten etwa mit unverhältnismäßigen, ihm billigerweise nicht zuzumutenden Aufwendungen verbunden wäre" und dabei auf seine Ausfil.hrungen in derselben Entscheidung verwiesen, nach denen sich entsprechend dem der Vorschrift des § 633 Abs. 2 S. 2 BGB zugrundeliegenden, allgemeinen Rechtsgedank:en, "wie er auch in der schadensersatzrechtlichen Bestimmung des § 251 Abs. 2 BGB zum Ausdruck" komme, "sich das Verlangen nach Herstellung eines an sich gebotenen Zustandes dann als rechtsmißbräuchlich" erweise, "wenn ihm der in Anspruch Genommene nur unter unverhältnismäßigen, vernünftigerweise nicht zurnutbaren Aufwendungen entsprechen könnte". Zuletzt fand auch die vorübergehende vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit, soweit sie in Rede stand, als "feststehende" Beachtung.491 So wurde in RG JW 1919, S. 188 f., entschieden, daß die Beklagte zwar wegen§ 287 BGB fiir die an sich zuflillige "Leistungsunmöglichkeit aufkommen" müsse, sie aber, "weil diese offen zutage liegt, zur sofortigen Lieferung der rückständigen Seide nicht verurteilt werden" könne, weil andere Erwägungen492 "gegen den selbstverständlichen Grundsatz, daß ein Leistungsurteil nicht ergehen darf, wenn die Unmöglichkeit, es zu vollstrecken, im Augenblick seines Erlasses bereits feststeht", verstoßen würden. Auch hier treffen wir wieder auf die Unterscheidung danach, ob die "notwendig gewordene Verschiebung der Leistung deren Wesen in dem Maße ändere, daß die nachträgliche Leistung nicht mehr als sinngemäße Erfilllung des Vertrages gelten könne" 493 und es wurde dort, wo "noch völlig ungewiß, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen" das Hindernis zu beheben ist, "die Zulässigkeil des geltend gemachten Anspruchs auf künftige Leistung, insbesondere auch ein Rechtsschutzbedürfnis filr diesen Anspruch, schon aufgrundallgemeiner Erwägungen nicht anerkannt". 494 Die zweite im Rahmen des Unmöglichkeitsrechts nach dem Gesetzeswortlaut unzweifelhafte und wohl unbestritten zu bejahende Frage ist die nach dem Anspruch des Gläubigers, im Falle dauernder vom Schuldner zu vertretender

491 492

189. 493 494

RG JW 1919, S. 188 f.; RGZ 168,321 ff. Das Reichsgericht bezieht sich dabei auf die Vorinstanz, RG JW 1919, S. 188 f., Vom Reichsgericht in RG JW 1919, S. 188 f., verneint. RGZ 168, 321 ff., 326.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Unmöglichkeit Schadensersatz wegen Nichterfilllung zu erlangen. Hierzu wurde denn auch im wesentlichen nur entschieden, daß der "Schadensersatzanspruch aus § 325 BGB wegen verschuldeter Unmöglichkeit der Erfilllung ( ...) nicht abhängig" sei "von der HerbeifUhrung der Verzugsfolgen" und "auch in seinem Ausmaß nicht beschränkt" werde "durch die Notwendigkeit einer Mahnung und Nachfristsetzung nach§§ 284, 326 BGB".495 Weit problematischer liegen die Dinge im Falle des Unvermögens, obwohl sich wegen § 275 Abs. 2 BGB abermals melufach ausgedrückt fmdet, daß das "Unvermögen zur Erfilllung ( ...) hinsichtlich der Rechtsfolgen einer nachträglichen Unmöglichkeit" gleichstehe. 496 Wiederum wird nämlich dem vorübergehenden Charakter des Unvermögens Rechnung getragen, indem fiir den Übergang zum Schadensersatzanspruch wegen Nichterfilllung gefordert wird, daß über das bloße derzeitige Unvermögen hinaus eine Möglichkeit des Schuldners zur Behebung dieses Unvermögens auch in der Zukunft ausgeschlossen ist. 497 So soll der Gläubiger das Interesse etwatrotzvertragswidriger Veräußerung des verkauften Gegenstandes durch den Schuldner dann nicht fordern dürfen, wenn die "Möglichkeit der ursprünglichen Leistung" noch besteht,498 der Schuldner "zur Erfilllung durch Wiedererwerb der Sache willens und in der Lage ist" 499 . Daß "die Darlegung dieser Unmöglichkeit zur Begründung der auf Entschädigung gerichteten Klage gehöre" 500 und damit im Grundsatz Sache des Gläubigers wäre, war bereits vor lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts.501 Ebenfalls noch zum gemeinen Recht wurde aber schon entschieden, "daß dieser Nachweis im allgemeinen schon durch die Tatsache gegeben sei, daß der Käufer nach dem Kaufabschlusse das Kaufobjekt an einen Dritten(... ) veräußert hat". 502 Dieser Auffassung könne "nicht vorgeworfen werden, daß sie die Beweislast verdrehe", sie wolle "nur dem Umstande, daß der Verkäufer ein Kaufobjekt, statt es zu tradieren, an Dritte veräußert, die richtige Bedeutung zuerkannt wissen".503 Dem beklagten Verkäufer sei es daher "anheimgegeben dazuthun, daß ihm, ungeach495 BGHZ 2, 310 ff. zum zu vertretenden Unvermögen. 496 BGH WM 1973, S. 1202; so auch RG JW 1937, S. 3226 und RGZ 54, 28 ff.; vgl. auch RGZ I 07, 15 ff. sowie bereits zum gemeinen Recht RGZ 31, 184 ff. 497 RGZ 31, 184 ff.; 47, 297 ff.; 52, 92 ff.; RG JW 1924, S. 292 ff.; BGH WM 1973,

s. 1202.

498 RG JW 1924, S. 292, 293 f. 499 BGH WM 1973, S. p02. 500 RGZ 31, 184 ff. 501 Dito. 502 Dito. 503 RGZ 31, 184 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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tet der aus jener Thatsache fließenden Konsequenz, gleichwohl die Tradition des Objektes nicht unmöglich, und daß er eventuell auch gewillt sei, die hierzu erforderlichen Schritte zu thun ( ...)". 504 Dieser vom Reichsgericht mehrfach bestätigten505 "Beweislastumkehr" zugunsten des Gläubigers hat sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen: "Wenn sich der Verkäufer einer Sache zu deren Leistung durch anderweitigen Verkauf außerstande setzt, so muß sein Unvermögen zur Leistung angenommen werden, solange er nicht behauptet und beweist, daß er zur Erfiillung durch Wiedererwerb der Sache willens und in der Lage ist". so6 Ist ein solches "dauerndes" Unvermögen nicht anzunehmen, bleibt der Gläubiger nach der Rechtsprechung mithin ebenso auf Verzugsansprüche beschränkt wie im Falle der nur vorübergehenden objektiven Unmöglichkeit, weil die Anwendbarkeit der §§ 280, 325 BGB dauernde Unmöglichkeit voraussetzten. so1

öö) Stellungnahme Wäre mit der herrschenden Lehre ein Satz des Inhalts anzuerkennen, daß eine Verpflichtung zur Leistung bei Unmöglichkeit, gleich ob vom Schuldner zu vertreten oder nicht, deshalb nicht bestehe, weil die Forderung nicht mehr zu realisieren, weil sie sinnwidrig geworden sei und der Anspruch auf die Primärleistung für den Gläubiger keinen Wert hätte, 508 so müßte dieser Satz konsequenterweise fi1r alle Formen der Unmöglichkeit gelten, insbesondere auch dann, wenn die Unmöglichkeit und mit ihr die "Sinnlosigkeit" nur vorübergehenden Charakter hat. so9 Diesen Schluß zieht die herrschende Lehre nicht. Könnte man es - obgleich nach hier vertretener Auffassung falsch _slo noch als "Schönheitsfehler" abtun, die Konsequenz fi1r bestimmte Arten des UnvermögensSII und die nur vorübergehende Unmöglichkeit deshalb nicht zu ziehen, weil der Schuldner - obgleich nicht jetzt, worauf es richtigerweise ankommen muß -512 S04

RGZ 31, 184 ff.

sos RGZ 54, 92 ff. und RG JW 1924, S. 292 ff., jeweils m. w. Nachw. so6 BGH WM 1973, S. 1202. 507

RGZ 168, 321 ff.

sos Oben S. 73 ff. S09

Zur Lehre vom gegenständlichen Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriff unten

SIO

Vgl. oben S. 61 ff.

s. 103 ff.

s11 Oben S. 75.

S12 Oben 7 Wahl

S. 61 ff.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

doch vielleicht in der Zukunft zu leisten bereit sein könnte, so kann die Behandlung der anfllnglichen Unmöglichkeit mit der Annahme der Leistungspflicht im Falle einer "Garantieübernahme" 513 jedenfalls angesichts der zugrundeliegenden Prämisse keineswegs folgerichtig sein, wenn die Unsinnigkeit doch allein in der Unmöglichkeit begründet liegen soll. Vom Standpunkt der herrschenden Lehre aus vermag zudem weder die fiir die vom Schuldner nicht zu vertretende vorübergehende Unmöglichkeit eingeräumte Ausnahme noch die hierfiir gegebene Begründung514 zu überzeugen. Wie die Prämisse des Untergangs der Leistungspflicht infolge Unmöglichkeit, so fmden auch die verschiedenen Unterscheidungen nach der Art des Unvermögens515 weder eine Stütze im Gesetz noch eine Entsprechung in der Praxis der Gerichte516 . Ziehen die Vertreter der herrschenden Lehre hieraus den Schluß, die gesetzliche Regelung sei insofern "mißglückt", als § 275 BGB "die Frage nach der Befreiung des Schuldners mit dem Vertretenmüssen" verknüpfe, 517 die Rechtsprechung systematisch widersprüchlich, so muß sich die herrschende Lehre umgekehrt die Frage gefallen lassen, ob die von ihr erarbeitete Systematik tatsächlich dem Bürgerlichen Gesetzbuch zugrundeliegt Der insbesondere von Jakobs vertretenen Gegenmeinung ist zuzuerkennen, daß sie jedenfalls insoweit dem Wortlaut der §§ 275 Abs. I, 276 BGB entspricht, als sie eine Befreiung des Schuldners bei Unmöglichkeit lediglich unter der Voraussetzung annimmt, daß auch eine Haftungsinanspruchnahme ausgeschlossen ist, und daß es - wie im übrigen schon § 275 Abs. 2 BGB zeigt - fiir die Befreiung nicht auf das Vorliegen dauernder objektiver Unmöglichkeit ankommen kann. Zöge man hieraus jedoch mit Jakobs den weiteren Schluß, der Schuldner würde durch alle von ihm nicht zu vertretenden Leistungserschwerungen befreit,518 dann würde der Schuldner kein "Leisten" mehr schulden, das doch nach Jakobs eigenem Dafiirhalten gerade durch das "Überwinden von Hindernissen" gekennzeichnet sein soll.519 Auch beim Vorliegen objektiver Unmöglichkeit kann eine Haftung des Schuldners deshalb gegeben sein, weil er auch unverschuldete - Leistungshindernisse zur Vermeidung des Eintritts dieser

513 Oben S. 79 f. 514 Vgl. oben S. 76 ff. 515

Oben S. 75; vgl. hierzu auch die Ausführungen im Abschlußbericht, S. 17.

516 Vgl. oben S. 90 f. 51 7 So auch die Reformk:ommission, Abschlußbericht, S. 118; vgl. auch Fikentscher,

§ 44 II 2 a, S. 226, demzufolge man "strenggenommen ( ...) die Worte 'den er nicht zu vertreten hat"' in § 275 Abs. I BGB "streichen" müßte. 518 Vgl. oben S. 83 ff. 519 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 206.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Unmöglichkeit nicht überwunden hat, 520 und so wird man auch heute noch mit Mommsen nach der "Gränze" des Satzes: "casus a nullo praestantur" fragen müssen, weil nicht jeder Zufall, egal welche Bedeutung ihm filr das Schuldverhältnis zukommt, den Schuldner befreien kann, 521 zumal Jakobs selbst in die von ihm formulierte Befreiungsregel, daß der Schuldner "zur Leistung nicht verpflichtet" sein soll, "wenn er die Leistung bei Beobachtung der von ihm zu vertretenden Sorgfalt nicht bewirken kann", unter anderem Namen genau das aufhimmt, was seines Erachtens "in die Dogmengeschichte" gehören soll: das Unvermögen als subjektive Unmöglichkeit522. Darüberhinaus ist zu fragen, ob der Maßstab filr die zur Überwindung von Leistungshindernissen geschuldeten Anstrengungen in der verkehrserforderlichen Sorgfalt gefunden werden kann, die den gesetzlichen Haftungsmaßstab filr Fahrlässigkeit konkretisiert, nicht filr den Vorsatz, auf den es hier ankommen muß, wenn der Schuldner die Anstrengungen nicht erbringen will, die zur Bewirkung der Leistung erforderlich wären. Dem Unvermögen auch im Rahmen der Frage nach dem Schadensersatzanspruch des Gläubigers keine Beachtung beizumessen, erscheint nicht nur angesichtsdes Wortlauts des § 275 Abs. 2 BGB zweifelhaft, sondern auch im Hinblick auf die Rechtsprechung, in deren Betrachtung der Verfasser, wie sich aus den vorangegangenen Erörterungen ergibt,523 den Ausfilhrungen Jakobs524 nicht zu folgen vermag. Fragwürdig erscheint schließlich die im Gesetz nicht vorgesehene Unterscheidung der materiell-rechtlichen Auswirkungen der Unmöglichkeit, je nachdem, ob sie ein dare oder ein facere betrifft, ob sie feststeht oder nicht. 525 Angesichts all dieser Fragen und im Blick auf eine von der Wissenschaft abweichende Rechtsprechung, die zwar in ihren Ergebnissen kaum angezweifelt wird526, die aber ihrer Aufgabe entsprechend keine Dogmatik des allgemeinen Schuldrechts lehrt, bleibt nichts, als die Bedeutung der §§ 275 ff. BGB im folgenden anband des Wortlauts der gesetzlichen Vorschriften und unter Zuhilfenahme der Motive zu untersuchen. Dabei soll, mag dies auch unkonventionell 520

Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 7), Rdnr. 23 m. w. Nach.

521 Vgl. oben S. 81. 522 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 267; an anderer Stelle - zu § 9 Abs. 2 des Reformentwurfs der Akademie für Deutsches Recht - weist Jakobs selbst darauf hin, daß mit den Worten: "noch bewirkt werden kann" der "Sache nach an der Unmöglichkeit" festgehalten wurde, ders., a.a.O., S. 28 Fußnote 43; entsprechendes gilt für das Unvermögen, wenn auf das "Können" nur des Schuldners abgestellt wird. 523 Oben S. 96. 524 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 263 ff. 525 Vgl. oben S. 84. 526 Vgl. Abschlußbericht, S. 20.

100

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

erscheinen, davon ausgegangen werden, der historische Gesetzgeber habe genau das geregelt, was er geregelt wissen wollte, es sei ihm diese Regelung weder "mißglückt", 527 noch beruhe sie in wesentlichen Teilen auf einem "Redaktionsversehen" 528 •

ß) Der Ausschluß der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit im Bürgerlichen Gesetzbuch nach eigenem Verständnis aa) § 275 BGB

Indem das Gesetz in § 275 Abs. 1 BGB die Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht bei Unmöglichkeit vom Eintritt eines Umstandes abhängig macht, den der Schuldner nicht zu vertreten hat, ordnet es im Umkehrschluß fUr die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit den Fortbestand der Leistungspflicht an. Diese an sich unmißverständliche Regelung des Gesetzgebers könnte allenfalls dann unrespektiert bleiben, wenn sie nicht Ausdruck der gesetzgeberischen Absichten oder wenn sie aus logischen oder systematischen Gründen unhaltbar wäre 529 . Wie jedoch die Motive zu § 237 des ersten Entwurfs verdeutlichen, war das mangelnde Vertretenmüssen fUr die Gesetzesverfasser unabdingbare Voraussetzung fUr die Befreiung des Schuldners: "Daß diese Unmöglichkeit, so lange und so weit sie reicht und vom Schuldner nicht zu vertreten ist, die Verbindlichkeit des Schuldners ausschließt, entspricht der Natur der Sache und dem geltenden Rechte" 530. Wird dort weiter ausgefiihrt, es sei "zu enge oder mißverständlich", die befreiende Wirkung "dem zufälligen oder nicht verschuldeten Eintritt der Unmöglichkeit der Leistung" beizulegen, weil der "Zufall (im zivilrechtliehen Sinne) in Ansehung der Erfilllung der Verbindlichkeit" da beginne, "wo die Haftung des Schuldners aufhört", und daß deshalb, weil die Haftung durch Gesetz oder Rechtsgeschäft abweichend von allgemeinen Grundsätzen festgesetzt sein könne, der "Ausdruck: 'ein von dem Schuldner(...) nicht zu vertretender Umstand"' gewählt sei, 531 so ist dies ein sicherer Beleg dafiir, daß der Grund fUr die Befreiungsregelung nicht in dem Satz: "impossibilium non est obligatio", sondern, wie filr die Pandektenwissenschaft des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts wohl selbstverständlich,532 in So die herrschende Lehre, vgl. Abschlußbericht, S. 118. So Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 147 ff. 529 Hierzu unten S. 118 ff. 530 Motive, S. 45 m. w. Nachw. 52 7 528

53 1 Motive,

S. 45. Windscheid-Kipp, § 264, S. 82, Fußnote 5, m. w. Nachw., demzufolge man den Satz, daß der Schuldner bei der nachfolgenden Unmöglichkeit, in Betreff derer ihn keine 532

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

101

"casus a nullo praestantur" zu fmden ist. 533 Dieses Prinzip der Zufallsbefreiung läßt keinen Raum filr die Berücksichtigung vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit. Andererseits setzt die Anwendung der Regel - auch nach Ansicht des historischen Gesetzgebers- keine dauernde Unmöglichkeit voraus. Wenn in den Motiven von befreiender Wirkung der nicht zu vertretenden Unmöglichkeit die Rede ist, "so lange und so weit sie reicht" 534, so muß auch der vorübergehenden kasuellen Unmöglichkeit filr deren Dauer befreiende Wirkung zukommen sollen. Auch dieser Ausfluß des Prinzips der Zufallsbefreiung, das letztlich nichts anderes besagt, als was das Verschuldeosprinzip verkörpert, und dessen allgemeine Geltung ein Auseinanderfallen von Schuld und Haftung verbietet, 535 ist an anderer Stelle mit noch größerer Deutlichkeit ausgesprochen: "Die vorübergehende nicht zu vertretende Unmöglichkeit befreit den Schuldner nur zur Zeit; er kommt während ihrer Dauer nicht in Verzug" 536 . Daß auch die Regelung des § 285 BGB nicht dem Ausschluß des Eintritts der Verzugsfolgentrotz bestehender Leistungspflicht dienen soll,537 sondern daß die Vorschrift als konsequente Folge des Grundsatzes der Zufallsbefreiung nur die Befreiung auch von der Verzugshaftung in Parallelität zur Leistungsbefreiung anordnet, 538 belegen die Ausführungen zu § 246 des ersten Entwurfs, wonach Verzug dann nicht eintreten soll, "wenn und so lange der Schuldner in Folge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes zu leisten nicht verpflichtet ist" 539• In Ablehnung der gegenläufigen Mindermeinung zum gemeinen Recht sowie der französischen und schweizerischen Korliftkationen wird dementsprechend das Vertretenmüssen als unabdingbare Voraussetzung des Eintritts jedweder Verzugsfolgen aus genau denselben Erwägungen begründet: "Aus der richtigen Auffassung, daß der Verzug die Nichterftlllung der Verbindlichkeit in einer gewissen Richtung ist, ergiebt sich die Notwendigkeit, die Voraussetzung des Verzuges, bezw. seiner Folgen in subjektiver Hinsicht einheitlich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen über die Vertretbarkeil der Nichterfiillung bezw. über die Unmöglichkeit Schuld treffe, frei sei, "auch wohl so auszudrücken" pflege: "der Schuldner haftet nicht fiir Zufall (vgl. R 23 D. 50,17)". 533 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 75 ff., und Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 139 ff. und S. 187 f. 534 Motive, S. 45. 535 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 76 f., und Neumann, S. 46 ff. Motive, S. 45. Vgl. die treffenden Ausruhrungen bei Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, s. 82 ff. 538 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 83. 539 Motive, S. 60. Im einzelnen sollen hierfiir "die allgemeinen Grundsätze (§§ 237, 241), vor Allem der Inhalt des Schuldverhältnisses, maßgebend" sein, Motive, a.a.O. 536 537

102

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

der Erfilllung festzusetzen. Aus jener prinzipiellen Auffassung folgt daher, daß der Schuldner sich gegen den Vorwurf des Verzuges in demselben Umfange und durch dieselben Umstände, wie gegenüber vertretbarer gänzlicher Unmöglichkeit oder anderer theilweiser Unmöglichkeit der Erfüllung muß exkulpieren können" 540 . Dieser letzte Satz enthält zugleich den Beleg dafiir, daß der Gesetzgeber die nachfolgende vorübergehende Unmöglichkeit geregelt hat.541 Wie es der Logik der Sache entspringt, war es dem historischen Gesetzgeber selbstverständlich, die zeitweilige Unmöglichkeit als eine Form der teilweisen Unmöglichkeit zu begreifen542 und daher umfaßt "soweit" im Sinne des § 275 Abs. l BGB auch die teilweise Unmöglichkeit "der Erfilllung in Ansehung der Zeit, zu welcher sie zu bewirken ist" 543 , ist der Schuldner durch die Unmöglichkeit befreit, "so lange und so weit sie reicht" 544 . Danach brauchen wir die Befreiung des Schuldners im Falle von ihm nicht zu vertretender vorübergehender Unmöglichkeit - so richtig dies in der Sache auch ist - nicht aus dem der Vorschrift des § 275 BGB zu entnehmenden Prinzip zu folgern, 545 sondern sie ergibt sich bereits aus deren Wortlaut, weil die Unmöglichkeit entgegen der These Heinrich Stalls im Gesetz nicht gegenständlich gemeint" ist,546 sondern weil dem Bürgerlichen Gesetzbuch ein - auch in Ansehung der Zeit - umfassender Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriff zugrunde liegt. 547 So verwunderlich dies angesichts schon der bisherigen Ausfiihrungen erscheint: der gegenständliche Unmöglichkeitsbegriff dominiert zwar nicht die Rechtsprechung548, aber die Lehre bis heute. 549 Dies sowie die Tatsache, daß er nicht nur dem eben erläuterten Verständnis von der zutreffenden Behandlung vorübergehender vom Schuldner nicht zu vertretender Unmöglichkeit entgegensteht, vielmehr bis dato das richtige Verständnis vom Verhältnis der Vorschriften über die Unmöglichkeit und den Verzug blockiert,550 machen es erforderlich, sich im folgenden mit seiner Begründung auseinanderzusetzen.

540

Motive, S. 60.

541

Anderer Ansicht die Reformkommission, Abschlußbericht, S. 17.

54 2

Vgl. Motive, S. 60: "( ...)oder anderer theilweiser Unmöglichkeit(... )".

543

Vgl. Motive, S. 56.

Motive, S. 45. 545 So wohl Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 82 ff. 544

546

Hierzu im folgenden.

547 So neuerdings auch MüKo-Emmerich, 549

V gl. oben S. 87 ff. MüKo- Emmerich, § 275 Rdnr. 7 ff.

550

Hierzu unten S. 180 ff.

548

§ 275 Rdnr. 7 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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In seinem Anliegen, "Abschied von der Lehre von der positiven Vertragsverletzung"551 zu nehmen, und diese Lehre- weil auch er das Gesetz "in der Tat" fiir "ergänzungsbedürftig" erachte -552 durch das von ihm vorgeschlagene "System der Forderungsverletzungen" zu ersetzen, 553 hatte sich Heinrich Sto/l mit der damals noch jungen Lehre Himmelscheins554 auseinanderzusetzen, nach dessen Auffassung das Gesetz überhaupt keine Lücke enthalte555 . Ausgangspunkt der Überlegungen Himmelscheins ist die Erkenntnis, daß "der Sinn der gesetzlichen Regelung" der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit darin bestehe, "den Schuldner zur exakten Erfiillung zu zwingen und die Ersatzleistung soweit auszuschalten, als die Primärleistung möglich ist". 556 Weil die "Ersatzleistung ( ...) grundsätzlich subsidiär" sein sollte, sei die Frage, ob die Klage "auf Naturalleistung" oder "auf Ersatz" zu richten ist, durch §§ 280, 325 BGB "in dem Sinne entschieden worden, daß 'soweit' der Gläubiger durch die Primärleistung befriedigt werden kann, weder der Schuldner sich durch Ersatzleistung befreien, noch der Gläubiger sie statt der Naturalleistung fordern darf'. 557 Diese Regelung habe jedoch entgegen Staub nicht zum Entstehen einer Lücke in den gesetzlichen Haftungsvorschriften gefiihrt, weil "jede zu vertretende Nichterfiillung (Verletzung) der Schuldnerpflicht ( ... ) mindestens eine teilweise Unmöglichkeit der Leistung" involviere, "was seinerseits die Entstehung des Anspruchs auf Schadensersatz" zur Folge habe. 558 Allerdings behauptet Himmelschein, wie ihn der Verfasser versteht, damit nicht, in jedem Falle der Nichterfiillung läge auch ein Fall teilweiser Unmöglichkeit im Sinne des § 280 Abs. 2 BGB, ein Fall teilweiser Unmöglichkeit im Sinne der gesetzestechnischen Bedeutung der "Unmöglichkeit". 559 Auf der "Mommsenschen Begriffsbildung" basierend560, sei der Leistungsbegriff des Gesetzes ein umfassender. Zum Inhalt der Verbindlichkeit gehörten "sämtliche Haupt- und Nebenleistungen ( ...), welche nicht nur die Bestimmungen des Vertrages, sondern auch die Verkehrssitte sowie Treu und G Iauben dem 551 Heinrich Stol/, AcP 136 (1932), S. 233 ff. 552 Ders., AcP 136 (1932), S. 282. 553 Ders. AcP 136 (1932), S. 314 ff. 554 Himmelschein, AcP 135 ( 1932), S. 255 ff. 555 Ders., AcP 135 (1932), S. 308. 556 Ders., AcP 135 (1932), S. 281 f. und umfassend S. 268 ff. 557 Ders., AcP 135 (1932), S. 273 f. m. zah1r. Nachw. aus den Motiven. 558 Himmelschein, AcP 13 5 (1932), S. 308. 559 So aber wird Himmelschein wohl zumeist verstanden, vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S 24 ff., unter Bezugnahme auf Heinrich Stol/, Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 20 IV, S. 217 und Medicus, SehR I, § 35 I 2, S 193. 560 Himmelschein, AcP 135 (1932), S. 289.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Schuldner auferlegen". 561 "Die 'vollständige' Leistung" sei demnach nur "die exakte Erfilllung der Schuldnerpflicht, der Haupt- wie der Nebenpflicht in gegenständlicher, örtlicher und zeitlicher Beziehung". 562 Demnach gehöre - wie ausdrücklich auch die Motive - 563 "zur vollständigen Bewirkung der geschuldeten Leistung" insbesondere auch "deren rechtzeitige Bewirkung". Aus diesem "Begriffe der 'vollständigen' Leistung, der den Gegenstand, den Ort und die Zeit umfaßt", ergäbe sich "mit Notwendigkeit ein weiter Begriff der Nichterfüllung der Schuldnerpflicht". 564 Nichterfiillung läge "nicht nur dann vor, wenn überhaupt nichts geleistet ist, sondern auch, wenn das Geleistete in irgendwelcher Beziehung vom Geschuldeten abweicht"; immer dann sei die geschuldete Leistung "nicht vollständig bewirkt, oder, was dasselbe" sei, "nur 'teilweise' bewirkt". 565 "Dieselben Konsequenzen wie bezüglich der Nichterfiillung" müßten "auch fiir die Frage der Unmöglichkeit der Leistung gezogen werden", die "nicht nur vollständig, sondern auch hinsichtlich jeder Einzelleistung der Gesamtleistung, wie hinsichtlich jeder Modalität unmöglich werden" könne. 566 "Aus dieser Problemstellung" folge wiederum "mit Notwendigkeit, daß der Verzug des Schuldners stets die 'teilweise' Unmöglichkeit der Leistung" involviere, weil "was gestern nicht getan wurde", "nicht mehr gestern geschehen" könne und damit die Nichterfiillung der Schuldnerpflicht "endgültig fiir alle Ewigkeit" feststehe. 567 Die sich hieraus ergebenden logischen Konsequenzen habe der Gesetzgeber durchaus gezogen und sei der Theorie Mommsens, der sich auch "Wimßcheid angeschlossen" habe, gefolgt, indem er den "Verzug als" einen "Spezialfall der teilweisen Unmöglichkeit aufgefaßt" und in seinen Rechtsfolgen entsprechend ausgestaltet habe, 568 wie etwa § 280 BGB durch § 286 BGB "in einer etwas gekürzten Form, aber ohne sachliche Änderung wiedergegeben" sei569 . Damit seien aber alle Fälle der Nichterfiillung, auch die nicht rechtzeitiger Leistung, von dem theoretischen Unmöglichkeitsbegriff, der dem Gesetz zugrundeliege, umfaßt, der danach - wie Himmelschein hier verstanden wird, - freilich zu sondern sei vom gesetzestechnischen Begriff der Unmöglichkeit im Sinne der §§ 280, 325 BGB, welcher nur den Teil der Unmöglichkeitstalle abdecke, der nicht vom Verzug als gesetzlichem "Begriff der teilHimmelschein, AcP 135 (1932), S. 290. Ders., AcP 135 (1932), S. 289 ff., unter Berufung auf Mommsen und m. zahlr. Nachw., insbesondere aus den Motiven. 561

562 563 564 565 566

567

Vgl. Motive, S. 37. Himmelschein, AcP 135 (1932), S. 291. Ders., AcP 135 (1932), S. 291 f., wiederum unter Bezugnahme auf Mommsen. Ders., AcP 135 (1932), S. 295.

Dito. Himmelschein, AcP 135 (1932), S. 297 f. 569 Ders., AcP 135 (1932), S. 298m. w. Nachw. 568

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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weisen Unmöglichkeit der Leistung in Bezug auf die Zeit" erfaßt werde. 570 Erstrecke sich die Unmöglichkeit exakter Leistung nicht nur "auf das Zeitrnoment", wäre der "Tatbestand der 'teilweisen Unmöglichkeit' außerhalb des Verzuges" gegeben. 571 Bestehe dagegen die Nichterfiillung im "Ausbleiben der Hauptleistung oder einer solchen akzessorischen Leistung", "die unabhängig von der Hauptleistung erbracht werden kann, wie z. B. in der Erstattung einer Anzeige", so bewirke das "Ausbleiben dieser Leistung, nach dem sie vollfällig geworden ist", zwar "ebenso die Unmöglichkeit der exakten Leistung, aber zunächst nur in bezug auf die Zeit"; während allerdings die Subsumtion auch dieser Fälle unter den theoretischen Begriff der Unmöglichkeit keine Probleme bereite, so stoße doch "ihre Subsumtion unter den gesetzlichen Begriff der teilweisen Unmöglichkeit der Leistung in bezug auf die Zeit ("Verzug") auf eine Schwierigkeit", die sich aus dem Mahnungserfordemis und insbesondere dessen unzutreffendem Verständnis ergäbe. 572 Sei aber der Schuldner im Grundsatz erst nach der Mahnung "zur Leistung ohne Aufforderung" verpflichtet573 und verzichte man auf die Mahnung "in den Fällen, in welchen sie unmöglich und sinnlos ist, so sei "der Kreis ( ...) geschlossen" und es wären "keine Fälle der Nichterfilllung einer vollfälligen Leistung nachzuweisen, die nicht zugleich eine vollständige oder eine 'teilweise' Unmöglichkeit der exakten Leistung nach sich zögen".574 Im Rahmen seiner Kritik der Lehre Himmelscheins gesteht Heinrich Stoll trotz gewisser Vorbehalte und Einschränkungen575 nicht nur zu, daß sich der Gesetzgeber von der Theorie Mommsens habe leiten Iassen576, der den "Begriff der Leistung und der Nichterfiillung im weiten Sinn aufgefaßt" habe und nach dem "teilweise Unmöglichkeit(...) auch diejenige" sei, "die sich auf die Modalitäten der Leistung bezieht" 577, sondern auch die logische Folgerichtigkeit der Theorie Himmelscheins, nach der "alle Fälle der Nichterfiillung als solche vollständiger und teilweiser Unmöglichkeit der exakten Leistung erfaßt werden" könnten.578 Diese "theoretische Folgerichtigkeit" sei jedoch "noch kein Beweis 570 Himme/schein, AcP 135 (1932), S. 302 f. 571 Dito. 572 Himme/schein, AcP 135 (1932), S. 302 f.; vgl. hierzu eingehend unten S. 232 ff. 573 Ders., AcP 135 (1932), S. 304. 574 Ders., AcP 135 (1932), S. 306. 575 Der weite Leistungsbegriff sei bei Mommsen eher "theoretische Verzierung"; "grundlegend filr Mommsens Lehre" seien die "Arten der Unmöglichkeit", vgl. im einzelnen Heinrich Sto/1, AcP 136 (1932), S. 269 ff. 576 Heinrich Sto/1, AcP 136 (1932), S. 273. 577 Ders., AcP 136 (1932), S. 269. 578 Ders., AcP 136 (1932), S. 274.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

daftir, daß auch das Gesetz 'dieselbe Konsequenz bezüglich der Nichterfilllung auch ftir die Frage der Unmöglichkeit der Leistung gezogen' habe". 579 Vielmehr läge der Irrtum Himmelscheins "darin, daß er" annehme, "jeder Fall der Nichterfiillung sei ein Fall der ganzen oder teilweisen Unmöglichkeit und das Gesetz fasse die Unmöglichkeit in dem ganz weiten Sinn der Unmöglichkeit zu exakter Leistung auf'. 580 Hiergegen spreche schon "der von Himmelschein so treffend nachgewiesene gesetzgeberische Zweck, die Streitfrage des französischen und schweizerischen Rechtes (über die Entstehung des Schadensersatzanspruches) durch die Unmöglichkeitslehre abzuschneiden". Seien nämlich "nun 'keine Fälle der Nichterfiillung einer vollfalligen Leistung nachzuweisen, die nicht zugleich eine vollständige oder eine 'teilweise' Unmöglichkeit der exakten Leistung nach sich zögen"', werde "wirklich 'die exakte Leistung auch als Erfolg gedacht, durch die erste Fehlleistung unmöglich', dann" könne "es ja gar keine Fälle geben, in denen die Erfilllung noch möglich ist, dann" müsse "ja jede Vertragsverletzung notwendigerweise eine (mindestens teilweise) Unmöglichkeit sein und es" sei "nicht einzusehen, wo denn das Problem des Gesetzgebers, festzustellen, wann die Nichterfiillung als defmitive anzusehen ist, eigentlich noch zu fmden wäre". Der Gesetzgeber wolle "doch neben der Nichterfilllung noch einen besonderen Grund daftir haben, daß statt der Naturalerfiillung die Ersatzleistung verlangt werden kann und geleistet werden darf'. Sei aber "jede Nichterfilllung völlige oder teilweise Unmöglichkeit", so könne "doch die Unmöglichkeit nicht die weitere Voraussetzung des Ersatzanspruches sein". 581 Die Antwort auf die Frage, "wann statt auf Naturalerfilllung oder neben ihr auf Schadensersatz geklagt werden" könne, gebe das Gesetz "durch die Regeln über Unmöglichkeit und Verzug". Könne "die Leistung- gegenständlich -noch erbracht werden, so" müsse "auf Erfiillung geklagt werden". Nur wenn feststehe, "daß die Leistung unmöglich ist", könne "Schadensersatz wegen Nichterfilllung verlangt werden" - mit Ausnahme des Anspruches nach § 283 BGB und des Verzögerungsinteresses "im Falle des Verzugs" sowie "mangels Interesse" des Gläubigers wegen "der ganzen Verbindlichkeit" auch "bei teilweiser Unmöglichkeit und bei Verzug" gemäߧ§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 BGB. Nur nach dieser Auffassung ließe sich auch § 287 Satz 2 BGB "zwanglos ( ... ) erklären", weil sonst - wenn man die Unmöglichkeit im Sinne des Gesetzes nicht stets als nur gegenständliche begreife, "Unmöglichkeit einmal im weiten Sinne der Unmöglichkeit zu exakter Leistung, das andere Mal im gegenständlichen Sinne gemeint" sein müsse582.

Heinrich Stall, AcP 136 (1932), S. 274. 580 Dito. 581 Heinrich Stall, AcP 136 (1932), S. 275, zuletzt Fußnote 33. 582 Ders., AcP 136 (1932), S. 275 f.

579

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Falsch ist jedoch schon die Annahme, die Unmöglichkeit verlöre als besondere Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches ihren Sinn, wenn man unter Zugrundelegung des weiten Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriffes in jedem Fall der Nichterfiillung eine mindestens teilweise Unmöglichkeit erblickt. Nirgends fmdet sich im Gesetz ein Satz des Inhalts, der Gläubiger könne in jedem Fall der nur teilweisen Unmöglichkeit grundsätzlich Schadensersatz wegen Nichterfiillung der ganzen Verbindlichkeit fordern. Das Gegenteil besagen beide Absätze des § 280 BGB und - wenn man mit Himmelschein im Verzug den "Spezialfall" einer "theoretisch gedachten" teilweisen Unmöglichkeit erkennen möchte -583 auch die des § 286 BGB. Richtig ist dann nur, daß jede schuldhafte Pflichtverletzung den Zugang zum Interessenausgleich über §§ 280, 284, 286 BGB dem Grunde nach eröffnet. Wer dies leugnet, der fmdet zwangsläufig die im Gesetz gesuchte Lücke. Dagegen können nur so auch zwei der wesentlichen Grundprinzipien unseres allgemeinen Leistungsstörungsrechts im Einklang stehen: Soll einerseits der Schuldner dem Gläubiger fiir jede schuldhafte Pflichtverletzung Schadensersatz zu leisten haben und soll andererseits der Anspruch auf Schadensersatz unter dem Vorbehalt der Unmöglichkeit der Primärleistung stehen, so vereinbart sich dies nur unter der obigen Erkenntnis, daß jede Pflichtverletzung eine mindestens teilweise - wenigstens denkgesetzliche - Unmöglichkeit der Leistung nach sich zieht. Die Prüfung der weiteren Frage, inwieweit der Gläubiger auf den Primärleistungsanspruch beschränkt bleibt, ft1r welchen Teil der geschuldeten Leistung er Schadensersatz wegen Nichterfiillung beanspruchen darf, setzt hier erst ein. Ist die Pflichtverletzung darin zu fmden, daß sich der Schuldner das Bewirken der Leistung in der Zukunft zumindest teilweise "unmöglich" gemacht hat, so beantwortet sie sich nach § 280 Abs. 1 BGB dahingehend, daß dem Gläubiger ein Schadensersatzanspruch statt der Erfilllung nur zusteht, "soweit" diese Unmöglichkeit reicht. Im Falle bloßer Überschreitung der Leistungszeit kann - weil die exakte Leistung im Normalfall nur als rechtzeitige nicht nachholbar und nur insoweit nicht möglich sein wird - im Grundsatz nur Schadensersatz wegen der Verzögerung der Leistung verlangt werden, wie ihn§§ 284, 286 BGB gewähren. Dies macht aber eine Prüfung des Einzelfalles nicht entbehrlich, weil gleichartige Pflichtverletzungen unterschiedliche Folgen hinsichtlich des weiteren Schicksals der Leistung und insbesondere ihrer Erbringbarkeit in der Zukunft zeitigen können, wie am Beispiel einer einstündigen Überschreitung des vereinbarten Leistungszeitpunktes verdeutlicht werden soll: Liefert etwa der Schuldner das versprochene Bild zu spät, so kommen in den allermeisten Fällen allenfalls Ansprüche wegen Verzögerung der Leistung in Betracht, weil die Leistung im übrigen vollumfänglich nachholbar bleibt; erscheint dagegen der Sänger zum Konzert erst, als das von der Zweitbesetzung enttäuschte Publikum am Ende der Veranstal-

583

Hierzu differenzierend im Folgenden.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

tung bereits den Saal verläßt, so soll doch dem Gläubiger nach allgemeiner Meinung ein Schadensersatzanspruch wegen Nichtnachholbarkeit der als absolutes Fixgeschäft bezeichneten Leistung gern. § 280 Abs. I BGB zustehen584 . Ähnliche Fragen nach der Nachholbarkeit sind in Fällen quantitativer oder qualitativer Fehlleistungen zu stellen, auf die hier nicht näher einzugehen ist585. Wenn Heinrich Stoll hingegen seine These vom gegenständlichen Leistungsbegriff in erster Linie auf das dualistische Regelungssystem des Gesetzes mit Unmöglichkeit und Verzug stützt, so kann auch dies die Darlegung Himmelscheins und die Annahme eines grundsätzlich umfassenden Unmöglichkeitsbegriffes zu widerlegen nicht geeignet sein, weil auch nach dessen Ansicht die Regelung des Verzugs nur einen "Spezialfall" der "denkgesetzlichen" Unmöglichkeit darstelle und deswegen die Vorschrift des § 280 BGB auf keinen Fall teilweiser Unmöglichkeit in Ansehung der Zeit Anwendung zu fmden habe. Hier aber irren beide. Es ist - wie bereits von Himmelschein zutreffend bemerkt - eine triviale Zwangsläufigkeit586, daß jede Nichterfiillung einer geschuldeten Leistung die völlige oder teilweise Unmöglichkeit exakter Pflichterfüllung nach sich zieht, so wie und weil jedes der vollständigen und korrekten Leistung entgegenstehende, unüberwindliche Hindernis die vollständige oder teilweise Unmöglichkeit exakter Pflichterfüllung zur Folge hat. Beidesmal wird der Schuldner seiner Pflicht nicht uneingeschränkt nachkommen, gleich ob es sich um vollständige oder teilweise, gegebenenfalls vorübergehende Unmöglichkeit handelt. Es kann nur gefragt werden, welche dieser Formen denkgesetzlicher Unmöglichkeit von den gesetzlichen Unmöglichkeitsvorschriften insbesondere der §§ 280, 325 BGB, welche von denen des Schuldnerverzugs - das Sonderproblem des Mahnungserfordemisses hier noch ausgespart587 - erfaßt werden sollen. Hat der Schuldner durch bloßes Nichtleisten nur die Leistungszeit überschritten, so steht dem Gläubiger grundsätzlich auch nur Ersatz des Ausgleichsinteresses wegen dieser Verzögerung zu. Der strengen Logik nach beruht zwar auch dieser Anspruch auf der Unmöglichkeit der Nachholbarkeit der rechtzeitigen Leistung, schon das praktische Verständnis zeigt aber, daß er eher in die Vergangenheit gerichtet ist: weil der Schuldner nicht rechtzeitig geleistet hat, die Leistung bislang ausgeblieben ist. Dies ist bei genauer Betrachtung kein Widerspruch. Aus der Sicht des Gläubigers stellt sich als Grund fUr den Schadensersatzanspruch die Nichterfüllung der Leistung in der Vergangenheit. Die Pflichtverletzung des Schuldners hat sich bereits im zeitweiligen Ausbleiben der 584 Palandt-Heinrichs, § 271 Anm. 5 b), Rdnr. 16. 585 Vgl. hierzu Himmelschein, AcP 135 (1932), S. 300 ff. sowie Motive, S. 49. 586 Himmelschein, AcP 135 (1932), S. 295. 587 V gl. dazu unten, S. 189 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Leistung als unumkehrbare Nichterfilllung manifestiert. Für die Nichterfiillung in der Zukunft dagegen gibt der Schuldnerverzug insofern grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch, als aufgrund seines Vorliegens allein das weitere Ausbleiben der Leistung auch in der Zukunft nicht feststeht 588 . Ist es dagegen die Ratio der Unmöglichkeitsvorschriften, die ihnen zugrundeliegende "Problemstellung", einen "besonderen Grund" dafilr anzugeben, daß "statt der Naturalerfiillung die Ersatzleistung verlangt werden kann und geleistet werden darf', 589 weil das Ausbleiben der Leistung feststeht, so kann es filr die Beantwortung dieser Frage nur darauf ankommen, inwieweit die Leistung zukünftig möglich ist - auch in Ansehung der Zeit. Nach dem sicheren Ausbleiben der Primärleistung in der Zukunft ist im Rahmen der Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung zu fragen, deren Eintritt so, wie sie den Schuldner befreit, "so lange und so weit sie reicht" und von ihm nicht zu vertreten ist, dem Gläubiger andernfalls Schadensersatz wegen vollständiger oder teilweiser Nichterfüllung in der Zukunft gewährt. 590 Wenngleich hierbei an den Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit anzuknüpfen ist, 591 der möglicherweise in der Vergangenheit liegt, so gewähren doch die Vorschriften über die Unmöglichkeit dem Gläubiger über diesen Zeitpunkt hinaus keine Ansprüche wegen Nichterfilllung der Leistung in der Vergangenheit. Wenn nun auch die dem Gläubiger nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug ohne weiteres gemäß § 286 Abs. I BGB gewährten Ansprüche Ausdruck desselben Prinzips sind, daß nämlich die Verletzung des Gläubigeranspruchs aufrechtzeitige Leistung deshalb im Wege des Schadensersatzes auszugleichen ist, weil sie nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, so besagt dies zunächst nur, daß diese Ansprüche - die wegen zu vertretender Unmöglichkeit im Sinne der gesetzlichen Vorschriften und diejenigen wegen eingetretenen Schuldnerverzugs- in ihrem Umfang gleich auszugestalten sind. Nichts hindert den Gesetzgeber dagegen, den Schuldnerverzug wegen der Besonderheiten sei-

588 Dies hat auch Himmelschein treffend erkannt, wenn er in seiner - fast 30 Jahre später erschienenen - Gegenkritik den Verzug als einen "Fall der teilweisen Nichterfi1llung" beschreibt, "welcher notwendig zu einer Unmöglichkeit der pflichtgemäßen Leistung, was ihre Rechtzeitigkeit anbelangt" fiihre, weil, "was nicht rechtzeitig geschah", "möglicherweise noch geschehen" könne, "aber nicht mehr rechtzeitig", AcP 158, S. 285. Dabei hielt Himmelschein aber an der Auffassung fest, im Bürgerlichen Gesetzbuch sei durch den Verzug fiir "die Verletzung der Pflicht in zeitlicher Hinsicht( ...) eine besondere Regelung" getroffen, welche die Anwendung der Unmöglichkeitsvorschriften auf die Leistungsmodalität "Zeit" ausschließe, AcP 158, S. 290. 589

Vgl. Heinrich Stall, AcP 136 (1932), S. 275.

An anderer Stelle wird zu zeigen sein, daß die Behandlung der Fälle vorübergehender Unmöglichkeit nach §§ 280, 325 BGB die einzig sachgerechte ist, unten S. 174. 591 V gl. die vorhergehende Fußnote. 590

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

ner Voraussetzungen - des bloßen Ausbleibens der geschuldeten Leistung - oder seiner Rechtsfolgen, etwa wegen der besonderen weiteren Möglichkeit des Übergangs zwn Schadensersatz wegen Nichterfiillung der gesamten Verbindlichkeit infolge weiteren Ausbleibens nach Fristsetzung oder schließlich auch nur wegen seiner großen praktischen Bedeutung oder der eigenständigen Geschichte des Rechtsinstituts der mora eigens zu regeln. Daß aber mit den Vorschriften über den Schuldnerverzug ein besonderer Fall der Unmöglichkeit geregelt werden sollte, entsprach auch der Ansicht Plane/es: "Eine Leistung, welche zu derjenigen Zeit, zu welcher sie erfolgen sollte, nicht erfolgt, kann zu dieser Zeit überhaupt nicht mehr erfolgen. Durch die Nichtleistung tritt also in Ansehung der Zeit eine vollständige und dauernde Unmöglichkeit der Leistung ein. Für diese Art der Unmöglichkeit gelten die Vorschriften über den Verzug des Schuldners(§§ 284-290)" 592 . Ist somit der Verzug nach der "besseren theoretischen Erkenntnis" des historischen Gesetzgebers593 zutreffenderweise gedanklich als ein Unterfall der vorn Schuldner zu vertretenden "Unmöglichkeit" anzusehen, indem sein Eintritt jene "involviert" 594, so ist durchaus dieser logische - nicht gesetzestechnische Begriff der "Unmöglichkeit" nach der Systematik der gesetzlichen Regelung Ausdruck des zugrundeliegenden Prinzips, daß ohne das Vorliegen weiterer Umstände diese denkgesetzliche "Unmöglichkeit" zukünftiger - exakter - Leistung einzige aber unabdingbare Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches ist, das dem Gläubiger den Anspruch auf Schadensersatz nur aber auch "soweit" gewähren soll, als das hier nicht mehr in Frage stehende - Ausbleiben der Leistung defmitiv feststeht. Ob sie dies - insbesondere im Rahmen der dem Verzugsrecht unterliegenden Sachverhalte - tut, wird noch zu prüfen sein595 . Eine besondere Regelung durch die Vorschriften über den Schuldnerverzug erfahren dabei aber nur diejenigen Fälle, in denen die "Unmöglichkeit" einzig in der Nichtnachholbarkeit rechtzeitiger Leistung wegen bereits überschrittener Leistungszeit besteht. 596 Nichts hindert uns dagegen, sondern es ist vielmehr aus der Logik der Sache geradezu geboten, alle anderen Fälle teilweiser Unmöglichkeit in Ansehung der Zeit, die ihre Ursache nicht in einer Verspätung der Leistung fmden, dem Unmöglichkeitsrecht zu unterstellen. Dafiir, daß dem Gesetz genau diese Unterscheidung zugrundeliegt, spricht auch, daß namentlich Windscheid in der mora zwar einen Fall der Unmöglichkeit erblickte, ihre "concrete Erscheinung"

592 593 594 595

Planck, S. 69. V gl. Heinrich Stall, AcP 136 (1932), S. 273. Motive, S. 56. Unten S. 189 ff., Zweites Kapitel.

596 Vgl. Planck, S. 69: "Besondere Vorschriften [über den Verzug] gibt das BGB. filr den Fall, daß die Leistung nicht rechtzeitig erfolgt."

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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aber darin erkannte, "daß nicht zur rechten Zeit erfiillt worden ist". 597 Unmöglichkeit im Sinne der §§ 275, 280, 325 BGB ist demnach nur in einem Sinne zu verstehen: als defmitiv feststehendes Ausbleiben der Leistung - auch in der Zukunft, hinsichtlich der "Haupt- wie der Nebenpflichten in gegenständlicher, örtlicher und zeitlicher Beziehung".598 Als eigenständige Anspruchsvoraussetzung hat sie nur dort keinen Sinn, und braucht nicht gesondert geprüft zu werden, wo infolge Überschreitens der Leistungszeit die Nichtnachholbarkeit exakter Leistung schon denknotwendig insoweit immer gegeben ist, wo filr den Richter nichts mehr zu prüfen und fiir den Gläubiger nichts mehr zu beweisen ist: im Falle des Schuldnerverzugs bezüglich des Verzögerungsschadens. 599 Lägen die Dinge anders, wäre mit Heinrich Stall dem Bürgerlichen Gesetzbuch ein nur gegenständlicher Unmöglichkeitsbegriff zugrundezulegen, dann hätte der historische Gesetzgeber - was schon angesichts der wohl nicht gerade unwesentlichen Beteiligung Windscheids kaum wahrscheinlich sein dürfte -600 nicht nur Mommsen, er hätte auch seine eigene Regelung nicht verstanden. 601 Dann wäre - vorausgesetzt der Gesetzgeber hätte in § 275 BGB bewußt wie in § 280 BGB den gleichlautenden Wortlaut: "soweit ... unmöglich" gewählt- die Rechtsprechung jedenfalls zur vorübergehenden vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit falsch602 und die Unterscheidung nach der Bedeutung zeitweiligen Ausbleibens der Leistung fiir ihren Charakter unsinnig, gleich ob vom Schuldner zu vertreten oder nicht6°3 . Falsch wäre dann auch die Entscheidung des Reichsgerichts, welche die zeitweilige Unmöglichkeit unter den Be-

597 Wörtlich schreibt Windscheid, Heidlberger Kritische Zeitschrift 1856, Band. 3, S. 260: "Mora ist Unmöglichkeit der Erfiillung der Obligation in Beziehung auf das Zeitmoment; diese Auffassung ist vollkommen begründet. Aber sie ist zu abstract; die concrete Erscheinung der Mora ist die, daß nicht zur rechten Zeit erfiillt worden ist. Da drängt sich die Frage auf: wann kann man sagen, daß nicht zur rechten Zeit erfiillt worden sei ? - und die Mora als besonderes Rechtsinstitut ist fertig". 598 Vgl. Himmelschein, AcP 135 (1932), S. 291 und dazu unten S. 169 ff. sowie S. 174 ff. 599 Vgl. Brecht; S. 248; nur zum Verständnis sei hinzugefügt, daß selbst die Subsumtion der dem Verzug vorbehaltenen Fälle unter den Unmöglichkeitsbegriffnicht schaden würde. Dann stünde dem Gläubiger gemäß §§ 280, 325 BGB Schadensersatz wegen bis dato verspäteter Leistung zu. Wegen weiterer Verzögerungsschäden müßte der Anspruch dagegen ständig neu erwachsen.

60° Vgl. Himmelschein, AcP 135 ( 1932), S. 297

f. und S. 316.

Vgl. etwa Motive, S. 60, oben Fußnote 540, sowie S. 56, oben Fußnote 594. 602 V gl. oben S. 89; zur Behandlung der vom Schuldner zu vertretenden zeitweiligen Unmöglichkeit unten S. 174. 603 Vgl. oben S. 89 und S. 95. 60I

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

griff der Unmöglichkeit im Sinne des § 287 Satz 2 BGB subsumiert,604 die andererseits doch gerade die Argumentation widerlegt, das Gesetz ginge dann, wenn man den Begriff der Unmöglichkeit nicht stets gegenständlich verstehe, von zwei unterschiedlichen Unmöglichkeitsbegriffen aus605 . Darüberhinaus wären gesetzwidrig dann auch Rechtsprechung und Lehre zum absoluten Fixgeschäft, weil auch in den darunter zu subsumierenden Fällen - denkt man etwa an die Taxifahrt zum Bahnhof - nur das Zeitmoment den Ausschlag dafilr geben kann, daß die "gegenständlich" vollumtanglich mögliche Leistung nicht mehr als Erfilllung angesehen wird.606 Fragt man angesichts all dessen, warum die Lehre vom gegenständlichen Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriff noch heute gleich einem Axiom die Wissenschaft beherrscht,607 so dürfte die Antwort hierauf nicht nur darin zu sehen sein, daß die These Heinrich Stolls - wie von ihm selbst eingeräumt -608 nicht folgerichtig und , wie gesehen, nicht differenziert genug, dafilr und gerade deswegen aber einfach und folglich eingängig ist. Es ist vielmehr, wenn konstatiert wird, sie habe sich durchzusetzen vermocht und deswegen sei an die Stelle der gesetzlichen Regelung "inzwischen ein enger gegenständlicher Leistungsbegriff getreten",609 so wenig auch dies seine Geltung zu rechtfertigen vermag, auch die der dargestellten Auseinandersetzung über den Umfang des Unmöglichkeitsbegriffes folgende und filr wissenschaftliche Arbeit so wenig fruchtbare Zeit zu berücksichtigen, sowie - bei aller Hochachtung vor seinem rechtswissenschaftliehen Wirken - die Bedeutung Heinrich Stolls in dieser Zeit6 10. Und so dürfte leicht auszumachen sein, warum sich namentlich Jury Himmelschein der seine Gegenkritik nicht mehr veröffentlichen konnte -611 und seine Lehre jedenfalls zu dieser Zeit nicht durchzusetzen vermochten. 612 Auch aus diesem Grunde sollte man die Diskussion über die Lehre vom gegenständlichen Leistungsbegriff nicht als abgeschlossen betrachten. Um Abschied von ihr zu nehmen, sollte es ebensowenig der geplanten Reform bedürfen613 wie der ausdrück604 RG JW 1919, S. 188 f., oben S. 95. 605 V gl. Heinrich Stall, AcP 136 ( 1932), S. 275 f. 60 6

Vgl. Pa/andt-Heinrichs, § 271 Anm. 5 b), Rdnr. 16.

607 Vgl. nur MüKo-Emmerich, § 275 Rdnr. 7 ff. 608 Gesteht er, AcP 136 (1932), S. 274, der Theorie Himmelscheins Folgerichtigkeit

zu, so schließt er diese fiir seine eigene Ansicht damit aus. 609 MüKo-Emmerich, § 275, Rdnr. 9.

610 Vgl. Heinrich Stall, Lehre von den Leistungsstörungen, und dort S. 6 ff.

611Jsele, AcP 158, S. 303. 612 Vgl. zum weiteren Schicksal Himmelscheins: lsele, AcP 158, S. 306 ff. 613 Wenigstens in der Sache zielen Vorschriften wie§§ 241 Abs. 1 BGB-KE meines Erachtens in diese Richtung, vgl. auch Abschlußbericht, S. 128 ff.

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liehen EinfUgung der Worte: "so lange" in § 275 BGB-KE, um der vorübergehenden Unmöglichkeit diejenige Bedeutung "wiederzugeben", die ihr nach Wortlaut und Systematik des geltenden Gesetzes allein zuzukommen hat. Für die Frage, welchen objektiven Tatbestand die Vorschrift des § 275 BGB fiir eine Befreiung des Schuldners entsprechend ihrer Ratio des "casus a nullo praestantur" voraussetzt, welche "Gränzen" dem Prinzip der Zufallsbefreiung dadurch gesetzt sind, daß dem Eintritt des fiir den Schuldner zufalligen Ereignisses ein bestimmter Grad an Bedeutung fiir seine Leistungsverpflichtung zukommen muß, um befreiende Wirkung zu entfalten614, können die Erläuterungen in den Motiven deshalb keine entscheidenden Anhaltspunkte geben, weil nach§ 237 Abs. 2 des ersten Entwurfs neben der objektiven Unmöglichkeit nur der besondere Fall des Unvermögens Beachtung fmden sollte, "daß ein in sich d. h. individuell bestimmter Gegenstand zu leisten ist und der Schuldner in Folge eines von ihm zu vertretenden Umstandes nachträglich außer Stand gesetzt wird, denselben zu leisten",615 und damit "zugleich ausgesprochen" sei, "daß in den anderen bezeichneten Fällen ( ... ) das subjektive Unvermögen von dem Schuldner immer gleich verschuldeter nachträglicher Unmöglichkeit zu vertreten ist"616 . Dagegen entspricht das Gesetz wieder dem Vorentwurfv. Kübels617 sowie der wohl herrschenden Lehre zum gemeinen Recht6 18, indem es das Unvermögen nach § 275 Abs. 2 BGB der Unmöglichkeit gleichstellt und der nur subjektiven Unmöglichkeit damit im Grundsatz dieselbe befreiende Wirkung zuerkennt wie der objektiven Unmöglichkeit. Gehen wir davon aus, der Gesetzgeber habe diese Änderung gegenüber dem ersten Entwurfbewußt getroffen,619 so wollte er eben nicht geregelt haben, daß das Unvermögen, von der benannten Ausnahme abgesehen, immer zu vertreten und daher nicht zu berücksichtigen sei, sondern daß Unvermögen immer dann befreit, wenn es der Schuldner nicht zu vertreten hat, was demzufolge fi1r jeden Einzelfall des Unvermögens nach den gesetzlichen Vorschriften über das Vertretenmüssen gesondert zu prüfen ist. Und daß man sich der Konsequenzen dieser Redaktion nicht nur bewußt, sondern daß sie auch gewünscht waren, wurde uns von einem der bedeutendsten Juristen seiner Zeit überliefert, der maßgeblich am Zustandekommen des Werks beteiligt war: "Aber der Abs. 2 beschränkt sich nicht auf den im E I bezeichneten Fall, sondern trifft alle Fälle, in welchen der Schuldner die von 614

Vgl. oben S. 81.

615

Motive, S. 46.

616

Dito.

Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 145 und v. Kübel, § 10, Abschnitt I, Tit. 3 III l. 617

Windscheid-Kipp, § 264, 2., S. 82 m. w. Nachw. Zur Ansicht Jakobs, der den Gesetzeswortlaut auf fehlerhafte Redaktion zurückfUhrt, ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 145 ff. 618

619

8 Wahl

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

ihm geschuldete Leistung infolge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes zu bewirken unvennögend wird" 620 . Damit aber ist die Regelung keine kasuistische621 und es ist mit der Aufnahme des Unvennögens als Befreiungsgrund zugleich vom Gesetzgeber entschieden, daß alle Fälle bloßer Leistungserschwerung, die weder Unmöglichkeit noch Unvennögen nach sich ziehen, keine Beachtung fmden sollen. 622 Es braucht an dieser Stelle623 nicht dargelegt zu werden, warum diese Regelung - richtig verstanden - die einzig sachgerechte ist, 624 wenn man nur das Gesetz beim Wort nimmt und damit dem Unvennögen befreiende Wirkung zukommen läßt, wiederum allerdings nur, "so lange und so weit" es reicht "und vom Schuldner nicht zu vertreten ist'1625 - genau so, wie dies der Rechtsprechung in den oben zitierten Entscheidungen entspricht626 .

ßß) § 280 BGB Die Vorschrift regelt entsprechend der gesetzgeberischen lntention627 nur die Schadensersatzverpflichtung des Schuldners im Falle der - nötigenfalls vom Gläubiger bewiesenen - "gänzlichen oder theilweisen Unmöglichkeit der Leistung"628. Mag man hieraus zwar noch mit einigem Recht schließen, das Gesetz regele das Schicksal einer auf diese Weise unmöglich gewordenen Primärverpflichtung in der Vorschrift des § 280 BGB nicht, 629 so zeigen doch die Motive zu § 240 des ersten Entwurfs bei genauer Prüfung, wie der Gesetzgeber zur heute wohl noch herrschenden Lehre vom Fortfall der Leistungspflicht bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit infolge einer Umwandlung oder Inhaltsänderung des Erfilllungs- in einen Schadensersatzanspruch stand,630 mit 620 Planck, § 275 Anm. 3, S. 71, unter Darlegung der Ziele des § 237 Abs. 2 des ersten Entwurfs und der §§ 275 Abs. 2, 279 BGB. 621 Anderer AnsichtJakobs, vgl. oben S. 81. 622 Anderer Ansicht ausdrücklich zwar Jakobs, vgl. die vorhergehende Fußnote; vgl. aber zu seiner Befreiungsregel oben S. 83. 623 V gl. im Zusammenhang unten S. 124 ff.

624 Vgl. auch § 275 BGB-KE sowie allerdings die dann wenig folgerichtige Vorschrift des § 306 BGB-KE und näher zum ganzen unten S. 179 ff.

625 Vgl. Motive, S. 45. 626 Vgl. oben S. 87 ff.; zum "Sonderproblem" des Wegfalls der Geschäftsgrundlage

unten S. 179 ff. 627 Motive, S. SO, zu § 240 des ersten Entwurfs.

628 Vgl. Motive, S. 49. 629 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 231 f. 630 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 280 Anm. I, Rdnr. 1, m. w. Nachw. sowie oben

s. 73 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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der allein das "Dogma von der Unmöglichkeit der Leistung als Befreiungsgrund fUr den Schuldner"631 zu halten und die Unsinnigkeit der Aufnahme des "NichtVertreten-Müssens" in den Wortlaut des§ 275 BGB zu begründen wäre. Heißt es zur Erläuterung der gesetzlichen Regelung, es sei "doktrinär und nicht ganz unbedenklich, vom Fortbestande der Verbindlichkeit zu reden, da, so wichtig die Annahme der Fortdauer der Obligation ist, die Verbindlichkeit zum Schadensersatze jedenfalls einen anderen Gegenstand hat" 632 , so soll dies zunächst und in erster Linie erklären, warum das Bürgerliche Gesetzbuch nicht wie andere Kodiflkationen explizit ausspricht, "daß die Verbindlichkeit des Schuldners fortbestehe". 633 Ist es "doktrinär", vom Fortbestande der Verbindlichkeit zu reden, so ist es dem eigentlichen Wortsinne des Ausdrucks nach: auf dem Grundsatz beruhend, auf dem Prinzip der Zufallsbefreiung, die eine Befreiung im Falle vom Schuldner zu vertretender Leistungshindernisse nicht zuläßt und damit ist es nur folgerichtig, wenngleich nicht unbedingt glücklich, und ist dies "nicht ganz unbedenklich", so ist es jedenfalls nach Ansicht des Gesetzgebers auch nicht falsch. Dennoch gingen die Verfasser des Gesetzes offensichtlich davon aus, daß der Schuldner nicht das Unmögliche möglich machen muß, daß er bei Unmöglichkeit letztlich nurmehr Schadensersatz wegen Nichterfiillung zu leisten hat, wenn es weiter heißt, daß "die Verbindlichkeit zum Schadensersatze, jedenfalls einen anderen Gegenstand hat". Diesen Widerspruch - die Ablehnung einer Befreiung des Schuldners aus seiner Primärverpflichtung ohne ihn wirklich fiir verpflichtet zu halten, das zu tun, was er nicht kann - aufzulösen, gibt es nur die eine, im seihen Satz dargelegte Möglichkeit: die so wichtige "Annahme der Fortdauer der Obligation". Es ist dies nichts anderes als und zugleich die Bestätigung fUr die von Jakobs im Anschluß an das Vorbild des römischen Rechts634 sogenannte "Perpetuation der Leistungspflicht" im geltenden Recht als "Ausdruck der Befugnis des Gläubigers, die Realisierbarkeit der Leistung durch Zwangsvollstreckung festzustellen", 635 und mehr noch: das Festhalten an der ursprünglichen Verpflichtung in Form eines materiell-rechtlichen Leistungsanspruches als Grund und Maß fiir die Schadensersatzansprüche des Gläubigers.636 Offensichtlich unbeachtet lassen die Anhänger der herrschenden Lehre auch, daß der historische Gesetzgeber den "Ausdruck: 'Verwandlung der ursprünglichen Obligation"' interessanterweise genau deshalb vermied, weil er den Anschein erzeuge, "daß die alte Obligation erlo63 1 Jakobs,

Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 67 ff.

632

Motive, S. 50.

633

635

Dito. Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 178 ff. m. w. Nachw. Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 242.

636

Hierzu im Folgenden.

634

116

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

sehen und durch eine neue ersetzt sei",637 und daß diese gleichsam vorweggenommene Ablehnung der heute herrschenden Lehre von den Gesetzesverfassern zutreffend auch damit begründet wurde, "daß der Gläubiger, indem er Schadensersatz wegen Nichterfiillung fordert, bei dem ursprünglichen Schuldverhältnisse stehen bleibt und gerade aus diesem seine Rechte geltend macht". 638 Würde nämlich der Schuldner ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit nicht mehr die Primärleistung, sondern nunmehr nur noch Schadensersatz häufig in Geld - schulden, so müßten sich jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die weiteren Ansprüche des Gläubigers wegen ferneren Ausbleibens an der Nichtleistung dieses Geldbetrages orientieren - nicht an der Nichterfilllung der ursprünglichen Verpflichtung. Schließlich zeigt entgegen der Behauptung, "die gleichzeitige Existenz des Erfiillungs- und des Ersatzanspruches" passe "nicht in das allgemeine Leistungsstörungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches",639 die Vorschrift des§ 283 BGB, daß dem Gläubiger durchaus die Wahl zwischen dem Festhalten am Erfiillungsanspruch und der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs wegen Unmöglichkeit eingeräumt sein kann, und auch hier machen die Erläuterungen in den Motiven deutlich, daß dieses "Nebeneinander von Erfiillungs- und Ersatzanspruch"640 mit Bedacht geregelt wurde: "Der Gläubiger ist befugt, den Weg des § 243 auch bei vorliegender Unmöglichkeit (§§ 237, 240, 242) zu beschreiten, was fiir ihn von praktischer Wichtigkeit sein kann"64J. Die gesetzliche Regelung der Rechtsfolgen nachträglicher Unmöglichkeit als eine wohlüberlegte zu begreifen, gebietet sich um so mehr deshalb, weil sie in all den benannten Grundsätzen der zumindest wohl herrschenden Lehre des Pandektenrechts ihrer Zeit entspricht. Dies gilt fiir die grundsätzliche Gleichstellung des Unvermögens mit der Unmöglichkeit,642 ob vom Schuldner zu vertreten oder nicht, 643 ebenso wie fiir die Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht im Falle vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit644 mit der 637 638

Motive, S. 50. Motive, S. 50 m. w. Nachw.

Oben S. 74. Freilich kann der Gläubiger immer nur eines verlangen. 641 Motive, S. 54. Zur weiteren Begründung heißt es dort: "Nicht selten weiß der Gläubiger von der Unmöglichkeit nichts oder er kann den Eintritt der Unmöglichkeit (...)nicht beweisen". 642 Zur Rechtfertigung dieser grundsätzlichen Gleichstellung, unten S. 124 ff. und S. 178 ff.; dort auch zu ihren aus der Natur der Sache folgenden Grenzen. 643 Windscheid-Kipp, § 264, 2., S. 82 f. 644 Ders., § 264, 2., S. 82 f. Fußnote 7: "Das dabei stattfindende rechtliche Verhältnis ist nicht etwa so zu denken, daß das bisher bestandene Forderungsrecht durch die eingetretene Unmöglichkeit der Leistung untergegangen, zugleich aber durch die Verschul639 640

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Folge der Fortdauer aller "filr das alte Forderungsrecht geltenden rechtlichen Bestimrntheiten", zu denen man - was noch interessieren wird -645 auch den Verzug rechnete,646 und nicht zuletzt filr die Begründung der Auffassung, daß, obwohl das Forderungsrecht "nur mit verändertem Leistungsgegenstand" fortbestehe, "auch bei objectiver Unmöglichkeit einstweilen noch immer der ursprüngliche Leistungsgegenstand geschuldet werde", aus der Erwägung, "daß der Umfang dieses Gegenstandes, der Betrag des zu leistenden Interesse, erst bestimmt werden muß". 647 Nelunen wir an, der historische Gesetzgeber habe regeln wollen, was Stand rechtswissenschaftlicher Erkenntnis seiner Zeit war, so ist ilun hieran nichts mißglückt, kein Versehen unterlaufen. rt) § 306 BGB

Erkennt man wenigstens eine Bedeutung der Vorschrift des § 306 BGB darin, a priori sinnlosen, "gegenstandslosen Verträgen" die Wirksamkeit zu versagen, 648 so fmdet sich allein hier ein Gebiet strikter Anwendung des Satzes: "impossibilium nulla obligatio est", 649 das freilich infolge seines Ausnalunecharakters keineswegs die Annalune zu belegen geeignet ist, der Unmöglichkeit der Leistung käme als solcher leistungspflichtvernichtender Charakter zu. 650 Das Gegenteil anzunelunen gebietet sich auch ftlr alle sonstigen Fälle anflinglicher Unmöglichkeit, gleich ob man mit Rechtsprechung und herrschender Lehre die Abdingbarkeit der Vorschrift anerkennt, 651 den Schuldner dann aufgrund seiner "Garantieübernalune" als zu der unmöglichen Leistung verpflichtet ansieht und damit der These vom Untergang der Leistungspflicht infolge Unmöglichkeit den Boden entzieht, oder ob man mit Arp den Inhalt der "Regel des § 306 BGB" darin als "erschöpft" ansieht, "daß Rechtsgeschäfte dann" als "nichtig" anzusehen, "wenn sie sinn-, zweck- und gegenstandlos sind" und die "Haftung fiir Nichterfiillung", ist dies nicht der Fall, auch "bei anfänglichen Leistungshindernissen ausschließlich davon abhängig" macht, "ob der Schuldner

dung des Schuldners ein anderes Forderungsrecht gegen denselben begründet worden sei. Sondern dasjetzt vorhandene Forderungsrecht ist das alte( ... )". 646

Unten S. 180 ff. Windscheid-Kipp, § 264, 2., S. 82 f.

647

Ders., § 264, 2., S. 82 f. m. zahlr. Nachw.

648

Vgl. Arp, insbesondere S. 153 ff.

645

Vgl. insoweit auch bereits Windscheid-Kipp, § 264, 2., S. 82, Fußn. 2, im Gegensatz dazu dens. oben Fußnote 532 hinsichtlich nachträglicher Unmöglichkeit. 649

650

Vgl. Arp, S. 156.

651

Vgl. oben S. 79.

118

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

nach dem Vertrag verpflichtet war, dieses Leistungshindernis zu überwinden oder in Betracht zu ziehen".652

]') Zur fehlenden Erforderlichkeif einer materiell-rechtlichen Berücksichtigung vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit Genügt somit die bloße Unmöglichkeit der Leistung nach der gesetzlichen Regelung nicht, den Schuldner aus seiner Primärleistungsverpflichtung zu befreien, so muß, um dem Prinzip der Zufallsbefreiung zu genügen, die Unmöglichkeit oder das ebenfalls ausreichende Unvermögen außerdem auf einem Umstand beruhen, den der Schuldner nicht zu vertreten hat. Anderes könnte contra legem allenfalls dann anzunehmen sein, wenn die Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht im Falle vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit entweder in Folge der Anerkennung eines Leistungsanspruches trotz Erfullungsunmöglichkeit aufgrund übergeordneter Prinzipien dogmatisch unhaltbar wäre, dem Schuldner Unzumutbares auferlegen oder gar zu unzutreffenden Ergebnissen fuhren würde, oder aber die Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht nach dem Hauptargument der herrschenden Lehre653 sinnlos wäre, insbesondere wenn die Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung stets unsinnig wäre. aa) Leistungsanspruch und Erfullungsunmöglichkeit

In der Anerkennung des Gläubigeranspruches trotz Unmöglichkeit der Leistung könnte eine Benachteiligung des Schuldners nur dann gesehen werden, wenn ihm dadurch etwas abverlangt würde, zu dem er aufgrund dieser Unmöglichkeit nicht mehr verpflichtet sein kann. 654 Die Erfullung der Leistungspflicht selbst kommt dabei schon deswegen nicht in Betracht, weil nicht werden wird, was nicht werden kann. Gehört andererseits die Prüfung der Frage, ob im Einzelfall die - gegebenenfalls vom Schuldner behauptete - Unmöglichkeit tatsächlich vorliegt, "der Natur der Sache nach in dasjenige Verfahren, in dem es um die Realisierung der Leistung geht, also in das Vollstreckungsverfahren",655 und erfolgt diese Prüfung "in Konsequenz des Prinzips der Realexekution", 656 so ist 652 Arp, S. 243. 653 Oben S. 73 f. 654 Vgl. oben S. 61 ff. 655 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 241. 656 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 242.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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sie selbst Ausdruck und Bestandteil der Haftung des Schuldners.657 Er hat dann zu Recht auch die Kosten hierfilr zu tragen, jedenfalls so lange, wie seine Inanspruchnahme diesem Zweck entspricht, nicht widersinnig oder gar rechtsmißbräuchlich ist. 658 Bis heute sind demzufolge auch keine Stimmen laut geworden, die in der ständigen Praxis der Gerichte eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Schuldners erkennen, der mit dem Einwand der von ihm zu vertretenden Unmöglichkeit nicht gehört wird. 659 Die einzigen Fälle, in denen vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse im Erkenntnisverfahren materiell-rechtliche Beachtung zu fmden haben, sind folgerichtig gerade solche, in denen eine objektive Unmöglichkeit der Leistung nicht vorliegt: diejenigen der §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 2 BGB sowie die von der Rechtsprechung nach dem Rechtsgedanken dieser Vorschriften gleichzubehandelnden Fälle des vom Schuldner zu vertretenden Unvermögens. 660 Würde der Schuldner in diesen Fällen zur Leistung verurteilt, so könnte ihm im Vollstreckungsverfahren ein "übermäßiges Opfer" abverlangt werden. Wie fiir "das klassische römische Recht" die Ansicht vertreten wird,661 aufgrund des Prinzips der "Geldkondemnation" habe man - ohne auf den Inhalt des Anspruches achten zu müssen - den Schuldner "trotz des Untergangs" der geschuldeten Sache "so lange" als "obligiert" ansehen können, "wie er haftet", weil"diese Betrachtungsweise(...) auch die Vorstellung" ermöglicht habe, "daß der Schuldner von dem ursprünglichen Obligationsband weiter gehalten werde, daß sich auch die Obligation überhaupt nicht verändert habe", und deswegen weil sich "alles Weitere ( ...) prozessual durch den Grundsatz der Geldkondemnation" ordnete - "innerhalb der Obligation nicht" danach gefragt werden mußte, ob "der Schuldner zur Leistung verpflichtet" ist oder "wegen Nichterfiillung" haftet, sondern nur "nach dem Bestand der Obligation"662 , so wird man meines Erachtens jedenfalls im hier besprochenen Zusammenhang dasselbe auch im geltenden Recht fiir das Erkenntnisverfahren annehmen dürfen: "alles Weitere" ordnet sich dann im Vollstreckungsverfahren durch die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts. 663 So erklärt sich nicht nur die - vom Reichsgericht mehrfach bestätigte -664 Annahme der Fortdauer der Obligation durch den historischen Gesetzgeber,665 sondern auch seine Ansicht, "daß der Gläu65?

Vgl. Siber, Schu1drecht, § 2, S. 6 ff.

658

Dazu unten S. 121 ff. Zur Rechtsprechung eingehend oben S. 87 ff.

6 59

Oben S. 93 f. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 173 ff. 662 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 180 f. 663 V gl. zu den begrenzten Zwangsmitteln des Gläubigers Schopp, JuS 1984, S. 282.

660 661

664 665

V gl. oben S. 87 ff. Motive, S. 50; näher oben S. 114 ff.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

biger, indem er Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordert, bei dem ursprünglichen Schuldverhältnisse stehen bleibt und gerade aus diesem seine Rechte geltend macht" 666. Schadet demnach die Annahme des Fortbestandes der Leistungpflicht dem Schuldner nicht, so verliert andererseits, wenn doch das Vorliegen der Primärleistungspflicht nicht als tatsächliches Handlungsgebot wirklich behauptet, sondern lediglich angenommen und gleichsam nur fmgiert wird,667 das dogmatische Argument, es könne keine Pflicht, keinen Leistungsanspruch bei ErfUllungsunmöglichkeit geben,668 seine Kraft. Demnach verbleibt als eher rechtspolitisches Bedenken die Frage, ob es angeht, den Schuldner zu einer Leistung zu verurteilen, die er nicht erbringen kann, daß ihm die Rechtsordnung - wenngleich ohne hierauf gerichteten "Rechtszwang" -669 etwas gebietet, das ihm auch beim Aufbringen all seiner Kräfte nicht möglich ist. Die allgemeine Anwendung einer solchermaßen "sittlich-bewertenden" Sichtweise, wie sie ihre Ursprünge in der "aristotelischen Ethik" und den Gelübderegeln des Thomas von Aquin hat, 670 schon dort aber auf Fälle nachträglicher verschuldeter Unmöglichkeit nicht anwendbar war, 671 und nur mit dieser Ausnahme Eingang in die "pandektistische willenstheoretische Unmöglichkeitlehre" fand, 672 würde jedoch zu kaum überschaubaren Schwierigkeiten fUhren, weil sie auf jede Form des Unvermögens bis hin zur Geldschuld Anwendung fmden müßte. 673 Zugegebenermaßen wäre es zwar eleganter, den Schuldner schon im Erkenntnisverfahren immer nur zu solchen Leistungen zu verurteilen, die er auch erbringen kann. Auch der Reformentwurf könnte dies aber selbst bei weitestmöglicher Auslegung des § 275 BGB-KE674 nur in eingeschränktem Maße erreichen, nicht dagegen etwa bei Nichterhebung der Einrede und vor allem im wohl häufigsten Fall, in dem der Schuldner nicht erbringen kann, was er nach dem Urteil muß: der Geldschuld675 . Zudem verbliebe das genannte Bedenken im Falle des Eintritts der Unmöglichkeit nach der letzten mündlichen Verhandlung. Entscheidend sollte daher auf ZweckMotive, S. 50. Dito. 668 Oben S. 74. 669 V gl. Siber, Schuldrecht, § 2, S. 6. 670 Eingehend Wol/schläger, Sympotica Franz Wieacker, S. 154 ff. 67 1 Arp, S. 129; vgl. auch Wollschläger, Sympotica Franz Wieacker, S. 162 ff. 666 667

672

Wollschläger, Sympotica Franz Wieacker, S. 154.

Vgl. oben S. 61 ff. 674 Etwa auch auf Fälle finanzieller Mittellosigkeit; vgl. aber zu den Grenzen der Leistungsbefreiung nach § 275 BGB-KE infolge vom Schuldner zu vertretenden Unvermögens unten S. 141 ff. 675 Vgl. § 275 BGB-KE. 673

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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mlilligkeit und Effektivität der Rechtsordnung abgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf prozeßökonomische Gesichtspunkte sowie auf die Geeignetheit des Verfahrens zur Feststellung der Unmöglichkeit.

ßß) Sinn und Unsinn der Verurteilung zu einer "unmöglichen" Leistung Wie filr die Frage des Anwendungsbereichs der Regel des § 306 BGB diejenigen sinn-, zweck- und gegenstandlosen Verträge, deren Inhalt mangels eines feststellbaren Regelungsgehalts weder Gegenstand eines materiell-rechtlichen Anspruches noch der Zwangsvollstreckung selbst in das - nicht feststellbare positive Interesse sein kann,676 zu sondern sind von solchen, die trotz der anfiinglichen Unmöglichkeit ihrer Erfilllung einen an sich sinnhaltigen und feststellbaren Regelungsgehalt haben, der jedenfalls als Grundlage eines Schadensersatzanspruches ausgemacht werden kann und filr die damit zumindest die Frage gestellt und verneint werden kann, 677 ob der Schuldner aus der eingegangenen Verpflichtung deshalb befreit sein soll, weil der Vertrag "sich im nachhinein als unvernünftig herausgestellt" hat, 678 während die Rechtsordnung "auf die Gegenstandslosigkeit" jener nur mit ihrer "Wirkungslosigkeit" reagieren kann, 679 so gebietet sich eine ganz ähnliche Unterscheidung nach der Sinnhaltigkeit auch fi1r die Frage der Statthaftigkeit einer Rechtsverfolgung durch den Gläubiger. Selbst dann, wenn die Rechtsordnung die Wirksamkeit der Verpflichtung anerkennt, wie etwa in allen Fällen zu vertretender nachträglicher Unmöglichkeit, kann auch im Rahmen der Durchsetzbarkeil der Gläubigeransprüche "in der privatautonom gestalteten Rechtsordnung die Willkür nicht schrankenlos" herrschen. 68° Haben wir neben der zwangsweisen Durchsetzung der Gläubigeransprüche als seiner eigentlichen Aufgabe dem Vollstreckungsverfahren auch den weiteren Zweck zuerkannt, die Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche zu prüfen,681 so ist ein Leistungsurteil, das diesem weiteren Zweck der Erforschung der Möglichkeit der Befriedigung des Gläubigers in forma specifica zu dienen geeignet ist, durchaus sinnvoll und daher ist insbesondere auch die Verurteilung zu einer Leistung nicht zwecklos, deren Unmöglichkeit lediglich vom Schuldner behaup-

677

Vgl. Arp, S. 156. Ob man dies tun will, ist eine andere Frage.

6?8

Vgl. Arp, S. 154 f.

676

Arp, S. 156. 680 Vgl. Arp, S. 156, zur Frage der Nichtigkeit gegenstandsloser Verträge. 679 681

Oben S. 114 ff.

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Erstes Kapitel : Unmöglichkeit und Verzug

tet wird. 682 Unsinnig - "widersinnig" -683 ist dagegen ein Leistungsurteil, von dem bereits feststeht, daß es wegen der Unmöglichkeit seiner Vollstreckung weder der Befriedigung des Gläubigeranspruches, noch der Prüfung der Möglichkeit dieser Befriedigung dienen kann. Genau hierin dürfte der Grund dafiir zu finden sein, daß das Reichsgericht in RGZ 107, 15 ff., die Entscheidung des Berufungsrichters mit solch scharfen Worten dahingehend rügte, daß bei festgestellter Unmöglichkeit "das Gericht dem Eigensinn des Gläubigers, durch den Gerichtsvollzieher die Vollstreckung zu versuchen und das Offenbarungseidverfahren durchzusetzen, nicht Vorschub leisten" dürfe, weil anderenfalls dieser "Eigensinn" dem Gericht und den Vollstreckungsorganen Unsinniges aufgeben würde. Ein solches Leistungsurteil kann seinen eigentlichen Zweck nicht erftlllen, es kann nicht Grundlage eines sinnvollen Vollstreckungsverfahrens sein, es kann nur anderen Zwecken dienen. Damit steht auch fiir das Erkenntnisverfahren ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von dieser Unmöglichkeit fest, daß es nur "zur Verfolgung zweckwidriger, nicht schutzwürdiger Ziele" dienen kann und daher fehlt dem Kläger "ein berechtigtes Interesse ( ...) daran, zur Erreichung des von ihm begehrten Rechtsschutzes ein Zivilgericht in Anspruch zu nehmen": ihm fehlt das Rechtsschutzinteresse. 684 Diese Annahme wird nicht widerlegt, sondern vielmehr bestätigt, wenn man berücksichtigt, daß die Rechtsprechung die Unzulässigkeit der Verurteilung wegen Unmöglichkeit in den allermeisten Fällen nicht wegen vom Gericht festgestellter, sondern wegen vom Gläubiger selbst zugestandener Unmöglichkeit angenommen hat, bei Unvermögen stets nur aus diesem Grunde, weil hier ja die Vergeblichkeit der Zwangsvollstreckung nie mit Sicherheit feststehen kann. 685 Einen "klassischeren" Fall fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses dürfte es nicht geben als den, daß der Rechtssuchende etwas zu begehren vorgibt, das zu bekommen er selbst nicht fiir möglich hält. Auch aus anderen Gründen erweist sich schließlich die Prozeßvoraussetzung: Rechtsschutzbedürfhis als "richtiger Prüfungspunkt". Dies zeigt sich besonders deutlich an den obengenannten "unsinnigen" Verträgen. Zwar fUhrt auch nach hier vertretener Auffassung die Unmöglichkeit der Leistung, soweit sie erst festgestellt werden muß, ebensowenig zum Ausschluß des Rechtsschutzinteresses wie die Klage, die einen Anspruch aus einem gesetz- oder sittenwidrigen So auch die Rechtsprechung, vgl. oben S. 92 ff. Zur Rechtsprechung oben, wie vorhergehende Fußnote. 684 V gl. allgemein zu dieser Voraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses Thomasl Putzo, Vorbem. § 253 III AI m) Rdnr. 26; so im Ergebnis auch die Rechtsprechung, vgl. oben, vorhergehende Fußnote, entgegen wohl allgemeiner Meinung in der Literatur, vgl. nur Stein/Jonas-Schumann, Vorbem. III vor § 253 Rdnr. 117; anderer Ansicht früher Schänke, der aber das Rechtschutzbedürfnis im Falle der Unmöglichkeit wohl stets, nicht nur für die "feststehende", verneint, ders., S. 33. 685 Vgl. oben S. 93 ff. 682

683

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Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat. 686 Doch muß anderes dann gelten, wenn sich Gesetzwidrigkeit oder - aufgrund Gegenstandslosigkeit denkgesetzliche Unmöglichkeit aus dem Antrag selbst ergeben. Genausowenig wie es richtig sein kann, daß das Gericht die Klage des Anstifters gegen den gedungenen Killer auf Tötung eines Dritten dem Beklagten nicht nur zuzustellen hätte, sondern auch nach mündlicher Verhandlung die Klage im Urteil als zulässig, aber unbegründet abzuweisen hätte, kann es angehen, den Richter in ebensolcher Weise mit dem Ansinnen auf Übereignung des berühmten Hippozentauren zu befassen. Entsprechendes gilt fUr einen Klagantrag, der auf die "Herausgabe des verbrannten Gemäldes" lauten würde. Es muß außerdem bei Zweifeln des Gerichts am Sinn der Begehr eine Prüfung von Amts wegen möglich sein. Sonst könnten die Parteien den Richter zu einem - nur nicht offenkundig - unsinnigen Urteil zwingen. Hat das Gericht zudem Zweifel an der Sinnhaltigkeit des klägerischen Antrags, so muß insofern den Gläubiger selbst die Beweislast fiir diesen Sinn treffen. Wenn auch die Reformer eine Streichung des § 306 BGB trotzder Ausgestaltung des § 275 BGB-KE als Einrede fiir möglich erachten, weil etwa im Falle der Säumnis des Schuldners das Rechtsschutzbedürfnis "bei evidenter Unmöglichkeit" verneint werden könnte,687 so dürften auch sie der hier vertretenen Ansicht wenigstens eingeschränkt folgen, weil doch dieser vorgeordnete Prüfungspunkt nicht infolge der Anwesenheit des Schuldners bejaht werden kann. Um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen: nur in den Fällen sinn-, zweck-und gegenstandloser Verträge soll nach hier vertretener Auffassung stets das Rechtsschutzbedürfnis und auch dann lediglich bezüglich der undenkbaren Primärverpflichtung entfallen. In allen anderen Fällen grundsätzlich nur, wenn die Unmöglichkeit ohne eine an sich unzulässige Beweiserhebung fiir das Gericht feststeht oder vom Gläubiger selbst unstreitig gestellt wird. Ist dies aber der Fall, so folgt hieraus nicht nur die Unnötigkeit einer auch materiell-rechtlichen Berücksichtigung dieser Unmöglichkeit, 688 sondern es wäre wie nach der Auffassung des historischen Gesetzgebers geradezu verfehlt, der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit und damit der Unmöglichkeit als solcher auch materiell-rechtlichen Einfluß auf die Verpflichtung des Schuldners beizumessen, weil der Gläubiger - wie von der Rechtsprechung bestätigt -689 auch im Falle des stets zulässigen Übergangs zum Antrag auf Schadensersatz wegen 686 Vgl. OLG Harnburg MDR 1973, S. 941 f. und Stein/Jonas-Schumann, Vorbem. III vor§ 253 Rdnr. 117. 687 Abschlußbericht, S. 121. 688 Mit Ausnahme freilich der genannten Fälle des § 306 BGB, weil sich hier die Unsinnigkeit auch auf das Verlangen nach Schadensersatz wegen Nichterfiillung durchschlagen muß. 689 Oben S. 87 ff.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Nichterfiillung "bei dem ursprünglichen Schuldverhältnisse stehen bleibt und gerade aus diesem seine Rechte geltend macht". 690 bb) Das Prinzip der Zufallsbefreiung nach§ 275 BGB und der Maßstab fiir die zur Überwindung von Leistungshindernissen geschuldeten Anstrengungen Aufgrund der bisherigen Ausfiihrungen kann nur auf zwei der eingangs im Rahmen grundsätzlicher Überlegungen691 gestellten Fragen eine Antwort gegeben werden. Danach braucht erstens auch unter der Geltung des Prinzips der Realexekution infolge des bloßen Vorliegens einer- vom Schuldner zu vertretenden - Unmöglichkeit nicht der Untergang oder die "Verwandlung" 692 des ursprünglichen Schuldverhältnisses angenommen zu werden, weil die Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht dem Schuldner nichts weiter abverlangt als seine Haftung wegen Nichterfiillung. Zweitens sind - abgesehen von einem "Übermaßverbot" - schuldverhältnisimmanente Schranken auch nach geltendem deutschen Recht693 nur fiir solche Leistungshindernisse anzuerkennen, deren Eintritt der Schuldner nicht zu vertreten hat, weil andernfalls das Prinzip der Zufallsbefreiung keinen Platz greifen kann, sondern, wie sich am deutlichsten durch § 287 Abs. 2 BGB zeigen läßt, die Verpflichtung durch schuldhaftes Zuwiderhandeln perpetuiert wird. 694 Der noch offenen Frage, wie weit das der Regel "casus a nullo praestantur" entnommene Prinzip nach der Vorschrift des § 275 BGB reicht, zu welchen Anstrengungen der Schuldner verpflichtet bleibt, unter welchen Voraussetzungen er frei sein soll, nach welchen "rechtlichen Gesichtspunkten" mit anderen Worten filr das geltende Recht zu entscheiden ist, ob eine technisch mögliche Leistung "auch geschuldet" ist,695 soll im folgenden nachgegangen werden. Zugleich bietet sich dem Verfasser Gelegenheit, nicht unbeantwortet zu lassen, warum seines Erachtens zu dem vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstand entsprechend der Formulierung des Gesetzes eine Unmöglichkeit oder zumindest ein Unvermögen der Leistung treten muß, warum es gerechtfertigt ist, die Befreiungsvoraussetzungen der beiden doch zu Recht als "inkompatibel" bezeichneten "Schulrichtungen"696 zu kumulieren. 690

Motive, S. 50.

691

Oben S. 61 ff. V gl. oben S. 73 f. Zum englischen Recht und zum UN-Kaufrecht vgl. oben S. 66 ff.

692 693

694 Vgl. Motive, S. 64 m. w. Nachw.; Windscheid, § 280, S. 84, sowie instruktiv Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 179. 695 Vgl. die Ausfilhrungen im Abschlußbericht, S. 118 f. 696

Ernst, JZ 1994, S. 805.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

125

Ist es nach dem Grundgedanken der herrschenden Lehre die Unmöglichkeit, die den Schuldner aus seiner Leistungspflicht befreit, so liegt es auf der Hand, daß sie diesseits einer mit allen nur erdenklichen Mitteln gegebenen Unerreichbarkeit des Leistungserfolges den Schuldner nicht als nach § 275 BGB befreit ansehen kann. Zwangsläufig kann sie daher auch zu der dritten Befreiungsvoraussetzung in der Trilogie des Art. 74 Abs. l EKG, daß nämlich der Schuldner zur Überwindung der widrigen Umstände und damit zur Leistung ausnahmsweise nicht verpflichtet sein kann, keine Entsprechung in § 275 BGB des geltenden Rechts und in dem diese Vorschrift nach § 276 BGB konkretisierenden Maßstab des VertretenmUssens fmden. Es wird eine Begrenzung der Leistungspflicht, eine Befreiung des Schuldners auch bei bloßer Leistungserschwerung aufgrund der gesetzlichen Befreiungsregelung des § 275 BGB nur anerkannt von Jakobs, der aber die Höhe des vom Schuldner geforderten Fleißes, seiner Bereitschaft, Hindernisse auf eigene Kosten zu überwinden, am Fahrlässigkeitsmaßstab der verkehrserforderlichen Sorgfalt messen will, und dessen Lehre, derzufolge es auf Unmöglichkeit und Unvermögen nicht ankommen soll, letztlich nur zu halten ist aufgrund der Annahme, der Gesetzgeber habe im Ergebnis Leistungserschwerung und subjektive Unmöglichkeit verwechselt. 697 Dem steht nicht nur der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen, sondern auch, daß die Nichtüberwindung eines Hindernisses von einem Ausnahmefall abgesehen698 in aller Regel vorsätzlich sein wird, in den nach § 275 BGB-KE zu entscheidenden Fällen sein muß, weil anders der Schuldner sich nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Demzufolge sah bereits Mommsen in der Nichterfiillung einer dem Schuldner möglichen Leistung - wiederum von der Ausnahme der fahrlässig nicht gekannten Schuld abgesehen -699 stets eine verschuldete, weil "auf seinem Willen" beruhende und demnach vorsätzliche.7°0 Auf diese Vorstellung einer stets verschuldeten - weil vorsätzlichen - Nichtleistung, verbunden mit der irrigen701 und sogleich nach lokrafttreten des Gesetzes aber vorherrschend gewordenen Annahme702 , daß es nach § 275 BGB gerade auf die Unmöglichkeit als Befreiungsgrund filr den Schuldner ankomme, dürfte es zurückzuV gl. oben S. 81 ff. Ein solcher ist dann anzunehmen, wenn das Hindernis gerade darin besteht, daß der Schuldner seine Pflicht fahrlässig nicht kennt, vgl. die nachfolgende Fußnote. 699 Diese Ausnahme erkannte Mommsen, S. 17, fiir die Fälle an, in denen der Schuldner "sich in einem völlig entschuldbaren Irrthum über die Entstehung der Obligation" befindet oder glaubt, "daß die Schuld bereits getilgt sei". Dieser Problemkreis wird im zweiten Kapitel, S. 202 ff., umfassend erörtert. 700 Mommsen, S. 17. 701 Vgl. oben S. 114 ff. 702 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 67 ff. 697

698

126

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

fuhren sein, daß die Grenzen der Leistungspflicht zunächst in der Ausdehnung des Unmöglichkeitsbegriffes des § 275 BGB auf die faktische 703 und - zwischenzeitlich - die wirtschaftliche Unmöglich.keit'04 mit der Vorstellung einer "Opfergrenze" 705 gesucht und schließlich vor allem in § 242 BGB706 gefunden wurde, auf den die Lehre vom Fortfall der Geschäftsgrundlage gegründet ist' 07 und mit dem die Entscheidungen über eine Befreiung aufgrund Gewissensnot begründet werden708 . Dagegen scheint eine Begrenzung der Schuldnerpflicht zur Überwindung unverschuldeter Leistungshindernisse ähnlich derer, nach welcher der Schuldner befreit ist, obwohl er nicht jede, aber doch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, aus den gesetzlichen Befreiungsvorschriften der§§ 275, 276 BGB nicht anzuerkennen sein. Auch wenn die Nichtüberwindung eines Leistungshindernisses durch den Schuldner nach den Regeln über den Vorsatz zu beurteilen ist, so folgt daraus jedoch noch nicht, daß eine solche Nichtüberwindung stets auch schuldhaft sein muß. Die Frage nach dem Vertretenmüssen kann fiir vorsätzliches Handeln ebensowenig nach dem abstrakten Vorliegen eines "Willens" beurteilt werden, wie fiir die Fahrlässigkeitshaftung nach dem bloßer "Nachlässigkeit". Hier wie dort kann der Anknüpfungspunkt fiir die Frage nach dem Verschulden nicht der bloße tatbestandsmäßige Erfolg, die Nichterfiillung, sein, sondern es ist wie bei der Fahrlässigkeitsprüfung nach einer verletzten Sorgfaltspflicht, so auch beim Vorsatz nach der Verletzung einer Verhaltenspflicht, der Pflicht zur Vomahme einer konkreten Handlung zu fragen. So hat etwa der Bundesgerichtshof den Freitod eines Pächters nur deshalb nicht als von diesem zu vertretenden Grund fiir die vorzeitige Aufgabe der Bewirtschaftung des Pachthofes ansehen können, weil "diese höchstpersönliche Entscheidung(...) mit seinen Verhaltenspflichten nichts zu tun" habe, den Pächter nicht "im Interesse seines Verpächters die Rechtspflicht zu einer gesunden und ungefährlichen Lebensfilhrung" treffe709. Damit hat das Gericht nicht etwa den unzweifelhaften Willen des Pächters verneint, sondern eine entsprechende Verhaltenspflicht Aber auch in keinem 703 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 2 c) Rdnr. 8 m. w. Nachw.: "Unmöglich ist auch die Leistung, die zwar theoretisch möglich, nach der Anschauung des Lebens aber praktisch nicht erbracht werden kann." 704 Hiergegen völlig zu Recht und überzeugend bereits Planck-Siber, Vorbem. zu §§ 275-292, 1111 b), s. 203 ff. 705 Vgl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 6 II I, S. 78 f. m. zahlr. Rechtsprechungsnachweisen.

So schon Planck-Siber, Vorbem. zu§§ 275- 292, III I b), S. 203 ff. Larenz, SehR I, § 21 II, S. 322. 708 Vgl. Palandt-Heinrichs, § 242 Anm. I d), Rdnr. 9. 709 BGH MDR 1991, S. 344 f. Insofern stützt sich die Entscheidung gerade auf einen Vergleich der Haftung für Vorsatz mit der für Fahrlässigkeit. 706

707

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

127

anderen Fall können Vorsatz oder Fahrlässigkeit frei im Raum stehen. Ihr Vorliegen muß stets, wie im Straf- und Deliktsrecht und wie auch für die Frage nach der Rechtswidrigkeit1 10, anband der vorrangigen Frage nach einer Verhaltenspflicht beurteilt werden. Nurso-wie es fiir die Fahrlässigkeit längst anerkannt ist, daß zuerst die Frage nach einer den Schuldner treffenden Sorgfaltspflicht zu stellen ist -711 macht die Bindung an ein Vertretenmüssen, an eine der beiden Schuldformen überhaupt Sinn, findet es erst statt, da sonst nicht Verschuldens- sondern Zufallshaftung angeordnet wäre. Gilt der Verschuldensgrundsatz "auch im Recht der Forderungsverletzungen", so "muß deshalb" auch hier "von einem verhaltensbezogenen Rechtswidrigkeilsbegriff ausgegangen werden". 712 Nur indem man anerkennt, daß das Schuldverhältnis ihm durch das Verschuldeosprinzip gesetzte immanente Schranken enthält,713 kann man den Schuldner nicht fiir jede, sondern nur fiir die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt haftbar machen. Es wäre nun aber bereits im gedanklichen Ansatz verfehlt, der besonderen Regelung des Fahrlässigkeitsmaßstabes nach § 276 Abs. I Satz 2 BGB eine Einschränkung des allgemeinen - fiir beide Schuldformen angeordneten - Haftungsmaßstabes zu entnehmen. Es liegt vielmehr auf der Hand, daß diese Vorschrift eine Erweiterung des Pflichtenkreises vom Verkehrsüblichen zum Verkehrserforderlichen beinhaltet.714 Und hieraus wird schließlich klar, worin nach dem Gesetz der Maßstab fiir die dem Schuldner aus dem Schuldverhältnis gebotenen Anstrengungen zu fmden und wie er zu bestimmen ist: "wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern". So - auf diese Art und Weise - ist der Schuldner nach § 242 BGB verpflichtet, die Leistung zu bewirken. Wir brauchen dieser Vorschrift keine ihr nach ihrem Wortlaut nicht zukommende selbständige Schrankenfun.ktion715 zu unterlegen, wir können allein diesem Wortlaut in Verbindung mit der Befreiungsregelung der §§ 275, 276 BGB entnehmen, daß der Schuldner über den genannten Maßstab hinauszugehen nicht verpflichtet und deswegen von seiner Leistungspflicht nach § 275 BGB dann frei ist, wenn ihm die Leistung mit dem ihm angesonnenen Verhaltensmaßstab nicht möglich ist, wenn und eben weil ihn nach § 276 BGB keine Schuld trifft, weil die nachgeordnete Frage nach dem Vorsatz überhaupt nur dann gestellt werden darf, wenn zuvor eine Verhaltenspflicht bejaht wurde, was aber dann nicht möglich sein kann, wenn die Leistung nur anders, nur in einer 710 711

Grundlegend Münzberg,passim, insbesondere S. 109 ff. Vgl. Palandt-Heinrichs, § 276 Anm. 4, Rdnm. 12 ff.

Löwisch, AcP 165, S. 421 ff. Vgl. dazu auch Neumann, S. 66: Ein "Erfolg, der nur durch ein Verhalten herbeigeführt werden kann, das nicht Inhalt der Leistung ist, ist nicht geschuldet". 7 14 Palandt-Heinrichs, § 276 Anm. 4 B b), Rdnr. 16. 715 Vgl. Palandt-Heinrichs, § 242 Anm. I a), Rdnr. l. 7 12 713

128

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Art und Weise zu erbringen ist, wie sie nach§ 242 BGB nicht geschuldet ist.7 16

Hieraus folgt auch, welche Gestalt ein Hindernis annehmen muß, wie stark es der Schuldnerverpflichtung auf Bewirkung der geschuldeten Leistung entgegenstehen muß, um befreiende Wirkung zu entfalten. Es darf ihm die Leistung nicht lediglich schwerer machen, ihn zu größeren Anstrengungen im Rahmen des Geschuldeten zwingen: das Hindernis muß dem Schuldner die Bewirkung der Leistung mit den geschuldeten Anstrengungen unmöglich machen. Die Leistung muß infolge eines Umstandes unmöglich werden, den der Schuldner nicht zu vertreten, weil mangels entsprechender Verhaltenspflicht nicht zu überwinden hat, oder er muß zumindest dazu unvermögend werden. Einen beachtenswerten Unterschied macht es dabei deshalb nicht aus, ob Unmöglichkeit ftlr jedermann oder Unvermögen nur ftlr den Schuldner vorliegt, weil der Maßstab ftlr die Bestimmung des Umfangs der Verhaltenspflichten, auf den es ftlr die Frage der Befreiung entscheidend ankommt, wie ftlr die Bestimmung des Sargfaltsmaßstabes im Rahmen der Fahrlässigkeitshaftung ein objektiver ist. 717 Fordert man vom Schuldner, um nicht dem Vorwurf der Fahrlässigkeit ausgesetzt zu sein, "das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist",718 so schuldet er auch- in milderem Maßstabe -719 das Maß an Kraftanstrengung, das nach dem Urteil leistungsflihiger und fleißiger Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises aufzubringen ist. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, mangelt ihm diese "geschuldete Leistungsflihigkeit", so ist er zwar unvermögend, aber nicht frei, 720 schuldet er das versprochene Geld oder die übernommene Beschaffung, obwohl er nicht leisten kann. Deshalb ist auch diese - nach hier vertretener Auffassung Gesetz gewordene - Befreiungsregelung Windscheids, nach der es "bei der nachfolgenden Unmöglichkeit" nicht darauf ankomme, "ob sie eine objektive oder subjektive ist, sondern darauf, ob den Schuldner in Betreff derselben eine Schuld trifft 716 Vgl. RGZ 60, 160, 162 f.: Voraussetzung einer Haftung für Vorsatz sei "selbstverständlich, daß das vorsätzliche Handeln überhaupt gegen die V ertragsptlicht verstößt". Für diese Frage dürfe "der § 242 BGB herangezogen werden, insofern hier, neben der Auslegungsvorschrift des § 157 über den Inhalt des Vertrages, Bestimmung über die Art der Leistung des geschuldeten Gegenstandes getroffen wird, was auch das Verhalten des Schuldners im Hinblick auf die künftige Leistung umfaßt"; vgl. auch den Wortlaut des§ 275 Abs. I des Modellvorschlags des Vorgutachters, Huber, Leistungsstörungen, S. 671. 717 Vgl. Paiandt-Heinrichs, § 276 Anm. 4 Ba), Rdnr. 15.

718 Ders., § 276 Anm. 4 B b), Rdnr. 16.

Oben S. 127. Man wird auch hier in den einschlägigen Fällen ein sogenanntes "Übemahmeverschulden" annehmen können, vgl. Paiandt-Heinrichs, § 276 Anm. 4 Ba), Rdnr. 15, zur Fahrlässigkeitshaftung. 719

720

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

129

oder nicht" 721 , nicht "zu weit gefaßt". 722 Und nur so läßt sich die Erwiderung Windscheids auf die Kritik Hartmanns - in den Fällen sogenannter subjektiver Unmöglichkeit läge "gar keine Unmöglichkeit der Leistung" vor,723 vielmehr sei entscheidend, ob die "Spannungskraft" der Obligation "vor einer solchen bloßen Schwierigkeit erlahmen könnte" -724 er sähe "von diesem Verlassen des Sprachgebrauchs des Lebens keinen Vorteil", 725 daß nämlich Windscheid damit in der Sache keinen Unterschied sah, auch damit vereinbaren, daß er gleichwohl an Unmöglichkeit und Unvermögen als Befreiungsvoraussetzung festhielt. 726 Auch Planck hielt eine Leistung dann fUr subjektiv unmöglich, "wenn sie von dem Schuldner durch diejenige Kraftanstrengung nicht bewirkt werden kann, welche ihm nach dem Inhalte des Schuldverhältnisses obliegt". 727 Und auch er meinte, wie der Verfasser, daß man an das einzelne Schuldverhältnis immer "den im § 242 BGB bestimmten Maßstab anlegen müßte, nach welchem die Leistung so zu bewirken ist, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern,728 wobei er allerdings zugegebenermaßen nicht auf den Zusammenhang der§§ 242, 276 BGB verwies. Umgekehrt kann man auf die Voraussetzung des Vorliegens wenigstens einer subjektiven Unmöglichkeit aber auch nicht verzichten, weil nur so sichergestellt werden kann, daß auch dann die Leistungspflicht nicht erlischt, wenn zwar der Schuldner die Leistung in der von ihm vorgesehenen Art nicht oder nur mit von ihm nicht zu vertretenden Anstrengungen zu erbringen vermag, dagegen auf eine ebenfalls geschuldete andere Weise. Auch deshalb wird man mit Rabef1 29 , um das Unvermögen nach dem Gesetzbuch beurteilen zu können, "immer von der Grundlage der Windscheidsehen Lehre ausgehen" müssen, und "vor jeder Theorie ( ... ) warnen, welche die subjektive Leistungsunmöglichkeit mit der Möglichkeit durcheinanderwirft, welche die Scheidewand einreißt zwischen Unvermögen und Schwierigkeit".730 Wenn sich Rabe/ andererseits gegen eine 721

V gl. Windscheid-Kipp, § 264, S. 82.

722

Anderer Ansichtlakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 143. Hartmann, S. 173.

723 724

725

Ders., S. 196. Windscheid-Kipp, § 264, S. 81 . Fußnote I.

726 Vgl. hierzu eingehend, aber mit letztlich abweichendem Ergebnis Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 141 ff. 727 Planck, § 275 Anm. I, S. 69; vgl. auch Neumann, S. 64: "Wie bei § 275 Abs. I beginnt auch bei § 275 Abs. 2 das Freiwerden des Schuldners da, wo seine Haftung aufhört." 728 Planck, § 275 Anm. I, S. 70.

Rabe/, RheinZ 3, S. 470 f. Ders., RheinZ 3, S. 471; vgl. dazu aber auch Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 144. 729 730

9 Wahl

130

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Verquickung der Begriffe des Unvermögens und der Unerschwinglichkeit im Wege der Betrachtung des Unvermögens "als eine Art präswntiver Möglichkeit'' ausspricht, weil er - "so gerne" er "dies zugeben möchte" - zu Recht verneint, daß "derartige Anschauungen mit den Grundlinien der gesetzlichen Ordnung verträglich" seien, insbesondere denen des § 275 BGB,731 so sei fiir die hier vertretene Auffassung klargestellt: Nichtleistenkönnen des Schuldners bleibt Unvermögen auch unterhalb der Grenze der Unerschwinglichkeit, nur daß dieses Unvermögen - als vom Schuldner zu vertretendes - keinen Einfluß auf die Verbindlichkeit hat, wenn nur dem Schuldner die Mittel zur Erbringung der Leistung fehlen. Gerade hierin unterscheidet sich die Ansicht des Verfassers von derjenigen, wonach fiir die Frage des Vorliegens des Unvermögens nach dessen Qualität zu unterscheiden, etwa im Falle fmanzieller Mittellosigkeit zu verneinen sei732 • Und schließlich liegt hier auch der wesentliche Unterschied zu einer anderen älteren Ansicht, der ersten "herrschenden" unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuches,733 derzufolge zwar ebenfalls der Schuldner nach § 242 BGB "immer nur zu derjenigen Leistung verpflichtet" sei, "die in concreto nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordert werden karm", 734 nach der ebenso mangels "aus dem zugrundeliegenden Rechtsgeschäft sich ergebender Anhaltspunkte" die "Verkehrsanschauung" "über das Maß der geschuldeten Anstrengung und Aufwendung" entscheide735 und nach der folgerichtig, da "als Vorsatz jegliche bewußt gegen Treu und Glauben verstoßende Willenshaltung" erscheine,736 "je nach dem Maß der gegenseitigen Ansprüche und Verpflichtungen ( ... ) ein und dieselbe Handlung bei den verschiedenen Kontrakten fiir dolus zu erachten sein" könne "oder nicht", 737 die aber gleichwohl als "juristisch unmöglich" jede Leistung bezeichnet, "welche dem Schuldner gesetzlich oder kontraktlieh nicht zugemutet werden darf1738• Dagegen soll nach hier vertretener Auffassung der dem Schuldner angesonnene Verhaltensmaßstab nicht über das Kriteriwn der Möglichkeit der Leistung entscheiden, sondern über das des Vertretenmüssens. Ausgehend von Sinn und Zweck der Befreiungsregelung, die Grenze zwischen befreiendem FS f. Bekker, S. 211, Fußnote I. 732 Vgl. oben S. 75 f.

73 1 Rabe/,

Planck-Siber, Vorbem. zu§§ 275- 292, III 1 b), S. 203. Staudinger-Kuhlenbeck, 7./8. Auflage, Vorbem. zu§§ 275-282, I I, S. 134. 735 Dito. 736 Bei der Vertragsob1igation, Staudinger-Kuhlenbeck, 7./8. Auflage, § 276 I 1, S. 158. 733

734

Dito; vgl. dazu aber auch Kuhlenbeck, Von den Pandekten zum BGB I, S. 436 ff. Staudinger-Kuh/enbeck, 7./8. Auflage, Vorbem. zu §§ 275 - 282, I 1, S. 133. Diese Auffassung treffe im wesentlichen zusammen mit dem von Brecht vertretenen sogenannten Prinzip der Kraftanstrengung, ders., a.a.O.; vgl. dazu Brecht, insbesondere s. 242 ff. 737

738

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Zufall und Haftung zu bestimmen,739 ist zuerst nach den vom Schuldner zu vertretenden Umständen zu fragen. Erst danach kann entschieden werden, ob die Leistung mit "der geschuldeten Anstrengung und Aufwendung" erbracht werden kann, ob- mit dem Wortlaut des§ 275 BGB- die Unmöglichkeit Folge eines vom Schuldner zu vertretenden Umstandes ist.740 Dabei bleibt der zur Beantwortung dieser Frage heranzuziehende Begriff der Unmöglichkeit der philisophische der "negativen Notwendigkeit" 741 : der "Notwendigkeit des Nichtgeschehens" 742 . Und es braucht sich demnach die hier vertretene Ansicht ebensowenig wie Windscheid oder gar das Gesetz selbst den Vorwurf der Begriffsjurisprudenz gefallen zu lassen, "als unmöglich auch das noch zu bezeichnen, was in Wirklichkeit nur schwierig ist" 743 . Allerdings dürfte dieser der vorerwähnten Lehre zu Recht vorzuwerfende Mangel nicht unerheblich zu deren Zurückdrängung namentlich durch Siber beigetragen haben, 744 wenngleich dessen Hauptargumente gegen "die völlige Gleichstellung der Unmöglichkeit mit der überobligationsmäßigen Schwierigkeit"745 fehlgehen. Einmal habe, so Siber, das Gesetz in den Einzelvorschriften insbesondere der §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 BGB "dem Schuldner wegen überobligationsmäßiger Schwierigkeiten nur eine Einrede" gegeben, zum anderen wäre es "unangemessen, wenn der Schuldner auch filr den Fall nicht verpflichtet würde, daß er ihre Überwindung in voller Kenntnis der Sachlage ernstlich versprochen hat". In beiden Fallgruppen können jedoch die Voraussetzungen der Schuldnerbefreiung nach Vgl. oben S. 100 ff. Nur scheinbar stellt § 275 BGB dem Wortlaut nach, weil dort als erstes genannt, zuerst auf die Frage nach der Unmöglichkeit ab. Indem dort aber von der Unmöglichkeit infolge eines näher zu konkretisierenden Umstandes die Rede ist, bringt die Vorschrift auch in ihrem Wortlaut den gedanklichen Vorrang der Frage nach diesem Umstand, nach dem Vertretenmüssen, zum Ausdruck; vgl. Motive, S. 45: "Ob eine wirkliche natürliche oder juristische - Unmöglichkeit der Leistung eingetreten ist, muß in concreto geprüft werden nach dem Gegenstande und gesammten Inhalte des Schuldverhältnisses". 741 Vgl. Staudinger-Kuhlenbeck, 7./8. Auflage,Vorbem. zu§§ 275- 282, I I, S. 133. 742 Vgl. Planck-Siber, Vorbem. zu §§ 275 - 292, III I b), S. 203, der darunter die "rechtliche, die absolute, physische, logische Notwendigkeit des Nichtgeschehens" faßt. 743 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 144, und dagegen Motive, S. 45. 744 Planck-Siber; Vorbem. zu §§ 275 - 292, III I b), S. 203 ff., der aber gleichwohl anerkennt, daß "jede Schwierigkeit als überobligationsmäßig anzusehen" ist, "deren Nichtüberwindung nach den §§ 276 - 278 nicht vom Schuldner zu vertreten ist, auch wenn das nur auf dem Haftungsmaßstabe des einzelnen typischen Schuldverhältnisses beruht", ders., Vorbem. zu §§ 275 - 292, III 3 b) a), S. 208, und daß die "Frage der überobligationsmäßigen Schwierigkeit( ... ) in letzter Linie nach den§§ 157 und 242 zu entscheiden" sei, ders., Vorbem. zu §§ 275 - 292 I I b) y), S. 205, dem Schuldner aber aus sogleich im Text zu besprechenden Gründen deswegen nur eine Einrede zugestehen will, ders., Vorbem. zu§§ 275-292 I 3 b) ß), S. 209. 745 Ders., Vorbem. zu§§ 275-292 I I b) ß), S. 203 f. 739

740

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

§ 275 BGB schon deshalb nicht vorliegen, weil der Schuldner den Eintritt der Leistungserschwerung beidesmal zu vertreten hat.746 Gerade in der Begrenzung des Leistungsumfanges durch das "Übermaßverbot"747 der §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst - und nur - in solchen Fällen, in denen der Schuldner die Schwierigkeit durch eigenes schuldhaftes Verhalten verursacht hat, ist umgekehrt ein weiteres Argument dafilr zu fmden, daß der Gesetzgeber den Schuldner in Fällen "unverschuldeter" überobligationsmäßiger Schwierigkeit als durch § 275 BGB ohnehin ipso iure befreit ansah - selbst dort, wo "die Überobligationsmäßigkeit nur auf dem Haftungsmaßstabe des einzelnen Schuldverhältnisses beruht", wo sie sich aus "bloßer Anwendung der §§ 157 und 242" BGB ergibt748. Heute- im Gegensatz zum ersten Entwurf -749 ist der gedankliche Zusammenhang zwischen §§ 157, 242 BGB und dem Vertretenmüssen nur zerschnitten, und freilich auch nur im hier erörterten Zusammenhang750 . Was nach § 242 BGB vom Schuldner nicht geschuldet ist, wird als ihm nicht zuzumuten eingestuft, nicht als von ihm nicht zu vertreten. Wenn dagegen filr die Gesetzesverfasser "ein von dem Schuldner - nach dem Inhalte des zur Beurteilung stehenden Schuldverhältnisses - nicht zu vertretender Umstand" ausschlaggebend fiir die Befreiung aus der Leistungspflicht nach §§ 275, 276 BGB sein sollte/51 so dürften sie dabei sehr wohl im Auge gehabt haben, daß nach ihrer eigenen Vorstellung "sich der Inhalt einer Leistungsverbindlichkeit nur im konkreten Falle" vollständig erkennen läßt, "mittels Auslegung des Gesetzes, bezw. des Rechtsgeschäftes, auf welchem die Verbindlichkeit beruht"752 • Für diese Auslegung haben sie mit §§ 73, 359 des ersten Entwurfs als Vorläufervorschriften der§§ 157, 242 BGB konkretisierende Regeln geschaffen, auf die im Rahmen der Beschreibung des Inhalts der Leistungspflicht verwiesen wird, 753 aufgrundderer- "wo die Ermittlung des Inhalts eines Vertrages und der einzelnen hieraus filr die Parteien fließenden Verpflichtungen in Frage steht, jene Rücksicht 'auf Treue und Glauben' in erster Linie zur Richtschnur zu nehmen" sein soll754 . Steht die Verpflichtung des Schuldners zur vollständigen Be746 Vgl. oben S. 93 f. sowie S. 118 ff. 747 Vgl. oben, wie vorhergehende Fußnote. 748 Vgl. Planck-Siber; Vorbem. zu§§ 275-292 I 3 b) ß), S. 209. 749 Vgl. dazu Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 209 Fußnote 135. 75° Vgl. etwa Palandt-Heinrichs, § 242 Anm. 4 B, Rdnm. 15 ff, zur Fahrlässigkeitshaftung sowie die gesamte Lehre zur culpa in contrahendo und zur positiven Forderungsverletzung. 751 Motive, S. 45. 752 Motive, S. 26. 753 Dito. 754 Motive, S. 198.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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wirkung der solchermaßen zu bestimmenden Leistung755 zuoberst im zweiten Titel des ersten Entwurfs über den "Inhalt der Schuldverhältnisse" und folgt im direkten Anschluß als Satz 2 des § 224 noch im seihen Absatz die Anordnung der Haftung des Schuldners "wegen vorsätzlicher" und "fahrlässiger Nichterfiillung seiner Verbindlichkeit", so war dieser Zusammenhang im ersten Entwurf noch gegeben, war noch deutlich, daß filr die Frage auch nach dem Vorsatz des Schuldners als Vorfrage die nach einer konkreten Pflicht zu stellen war. 756 Noch deutlicher wird dies, wenn man betrachtet, wie die Bestimmung des § 224 Abs. I des ersten Entwurfs bei "fehlerfreier Klarstellung" durch die Redaktionskommission nach Ansicht Hubers757 in ihren beiden ersten Sätzen hätte lauten müssen: "Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie es durch Vertrag und Gesetz bestimmt ist und wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Er hat, sofern nicht ein anderes bestimmt ist, die vorsätzliche und die fahrlässige Nichterfilllung seiner Verbindlichkeit zu vertreten". Man wird, wenn man dem Vorhergehenden folgt, erkennen, daß es dem Gesetzgeber durchaus gelungen ist, die Grenze fiir die Befreiung des Schuldners exakt entsprechend der seiner Haftung zu ziehen. 758 Man wird in der gesetzlichen Befreiungsregelung der §§ 275, 276 BGB eine Regel ähnlich der von Jakobs gefundenen759 sehen, die ihre Konkretisierung durch § 242 BGB "in dessen ursprünglichem Sinn als Regelung des Inhalts der Leistungspflicht fmdet" 760, wenn man nur der Jakobsehen Formel zugibt, daß auch sie nicht ohne Umschreibung des Unvermögens als Grenze der Zufallsbefreiung auskommen kann, 761 was freilich am eigentlichen Grund der Befreiung, dem mangelnden Vertretenmüssen, nichts ändert, weil Unmöglichkeit und Unvermögen nur als Maßstab zur Bestimmung desjenigen dienen, was der Schuldner zu vertreten hat. Man sollte sich dabei auch die oben762 dargestellte Rechtsprechung vor Augen filhren, derzufolge- dem Wortlaut des § 275 BGB entsprechend- nicht zwischen Unmöglichkeit und Unvermögen unterschieden, sondern nur nach 755

Vgl. Huber, FS f. v. Caemmerer, S. 843, Fußnote 16.

756

Vgl. oben S. 126 f.

Huber, FS f. v. Caemmerer, S. 843; zu den von ihm angesprochenen anderen Zusammenhängen unten S. 270 f. 758 Vgl. Motive, S. 45. 757

759 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 225; vgl. oben S. 83. Diese Regel ist allerdings deshalb viel zu weit, weil sie nach ihrem Wortlaut auch vom Schuldner zu vertretendes Unvermögen erfaßt; vgl. dazu auch die Ausführungen zu § 275 BGB-KE, unten S. 140 ff. 760

Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 225.

761

Vgl. oben S. 98 f.

762

s. 90 f.

134

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

dem Vertretenmüssen gefragt wird, der Maßstab hierfiir aus §§ 157, 242 BGB gewonnen und dort, wo es verneint wird, die Frage - wie Jakobs zutreffend darlegt -763 überhaupt nicht mehr gestellt wird, ob das Unvermögen etwa solcher Gestalt ist, daß es vom Schuldner auch mit allen nur erdenklichen, eben nicht geschuldeten Mitteln, hätte überwunden werden können. 764 Aber auch nach der Übernahme der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage durch die Praxis765 hat sich insoweit nichts geändert, als bis heute der nach hier vertretener Auffassung bereits in § 275 BGB zum Ausdruck kommende Rechtssatz Gültigkeit beanspruchen kann, wonach eine Befreiung des Schuldners bei zwar letztlich möglicher, aber unter nach Treu und Glauben zurnutbaren Opfern unmöglicher Leistung in Betracht kommt.766 Zugleich ist damit der Kreis fiir die Antwort auf die "erste" Frage nach den Voraussetzungen des Schuldnerverzugs, der nach dem Bestand der Leistungspflicht geschlossen, kann Stellung bezogen werden zum Standpunkt der herrschenden Meinung, nach dem nur der leistungsflihige Schuldner in Verzug geraten können soll767 . Ein Ausschluß des Schuldnerverzugs infolge Unmöglichkeit ist zwingend nur gegeben bei - logischerweise bereits anfiinglicher - denkgesetzlicher Unmöglichkeit aufgrund der Nichtigkeit sinnloser Verträge gemäß § 306 BGB.768 Haben vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse abgesehen von den Fällen der §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 S. 2 BGB - keinen Einfluß auf den Bestand der Leistungspflicht, sondern bildet vielmehr die Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht auch bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit Grund und Maßstab der Haftung wegen Nichterfiillung, und erweist sich schließlich aus der gesetzlichen Systematik, daß Gläubigeransprüche aus Unmöglichkeit und Verzug nebeneinander bestehen können,769 so kann es insoweit keinen Vorrang des Unmöglichkeitsrechtes vor dem Schuldnerverzug geben. Der Fortbestand oder wenigstens die Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht bilden eine gemeinsame Voraussetzung beider Rechtsinstitute, die sich in der parallelen Regelung der Voraussetzung des VertretenmUssens in§ 280 wie in§ 285 BGB findet. 770 Nur dort, wo dieses 763

Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 153 ff.

764 Vgl. insbesondere RGZ 60, 160 ff; 67, 233 ff. 765 V gl. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 27 II 2, S. 310 f. 766 Vgl. dazu sowie zur rechtspolitischen Würdigung der Anerkennung mehrerer Be-

freiungsgründe nebeneinander Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 69 ff. 767

Vgl. oben S. 29 ff. und Wa/chshöfer, JuS 1983, S. 598.

768

Vgl.obenS. II7.

769 Oben S. 114 ff.; vgl. insbesondere auch Motive, S. 54, zur Möglichkeit des Gläu-

bigers, trotz Unmöglichkeit nach § 283 BGB vorzugehen, sowie Windscheid-Kipp, § 264, 2., S. 82 f. Fußnote 7, zur Anwendbarkeit des Verzugsrechts bei Unmöglichkeit. 770

Vgl. oben S. 100 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

135

VertreternnOssen nicht gegeben ist, wo der Schuldner aufgrund Zufallsbefreiung gemäß § 275 BGB dauernd oder vorübergehend befreit ist, wo der Schuldner die Notwendigkeit des dauernden oder vorübergehenden Ausbleibens der Leistung in der Vergangenheit - die Verzögerung - nach § 285 BGB nicht zu vertreten hat, scheiden Schadensersatzansprüche des Gläubigers wegen Nichterfiillung aus. Unmöglichkeit und Verzug unterscheiden sich nur in ihren geschriebenen Tatbestandsmerkmalen der §§ 280, 284 BGB. Aber selbst dann, wenn der Schuldner infolge § 275 BGB durch Zufall befreit, weil eine Haftung nach §§ 280, 285 BGB nicht gegeben ist, bilden Unmöglichkeit und gleichgestelltes Unvermögen nur ein - freilich unentbehrliches - Kriterium fiir das Vorliegen eines befreienden Zufalls. Deswegen schließt aber nicht das Vorliegen "dauernder" Unmöglichkeit den Verzug aus, besteht kein Vorrang der Unmöglichkeit vor dem Schuldnerverzug. d) Folgerungenfür die nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses geforderten Anstrengungen

Alle hier in Betracht genommenen Rechtsordnungen erkennen an, daß das Schuldverhältnis den Schuldner nicht unter allen Umständen zu jeder nur erdenklichen Anstrengung verpflichtet. Vom BOrgerlichen Gesetzbuch wird die Grenze in Konsequenz des Verschuldeosprinzips durch das in § 275 BGB angeordnete Prinzip der Zufallsbefreiung gezogen, wenngleich die Vorschrift nur an sich Selbstverständliches wiedergibt und demzufolge auch nur "im Interesse der Deutlichkeit und der praktischen Handhabung des Gesetzes" 771 zur Klarstellung dessen Aufnahme in die Kodifikation gefunden hat, daß die nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses "hinsichtlich des Verhaltens, das zur Bewirkung der Leistung zu beobachten ist, geltende Beschränkung(... ) notwendigerweise auch die Leistungspflicht von vornherein auf den Fall" beschränkt, "daß die Leistung mit dem gebotenen Verhalten bewirkt werden kann".772 Im Grundsatz wird der Schuldner danach von seiner Leistungspflicht immer dann frei, wenn das Ausbleiben der Leistung seine Ursache nicht in einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der durch § 242 BGB konkretisierten Verhaltenspflichten773 fmdet. Modifikationen des Pflichten- wie des Haftungsmaßstabes können durch gesetzliche Bestimmungen angeordnet oder durch Parteiabrede vereinbart sein, weshalb der Vertragsauslegung entscheidende Bedeutung Protokolle, S. 315. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 211 ; so im Ergebnis auch Neumann, S. 71 f. 773 Für den Sorgfaltsmaßstab unter besonderer Berücksichtigung des § 276 Abs. I Satz 2 BGB. 771

772

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

zukommen kann. Dagegen bildet die Auslegung des Versprechens im angloamerikanischen Rechtskreis - aufgrund der ursprünglichen Vorstellung einer verschuldeosunabhängigen Garantieübernahme - den einzig möglichen Anknüpfungspunkt filr eine Schuldnerbefreiung bei vertraglichen Schuldverhältnissen.774 Sie setzt eine Auslegung der Vereinbarung dahin voraus, daß die grundsätzlich anzunehmende Garantie filr gewisse Fälle der Unmöglichkeit oder Leistungserschwerung nicht gegeben sein sollte, wenn auch nunmehr angenommen wird, jeder Vertrag enthalte die stillschweigende Bedingung der Entschuldigung infolge zuflilligen Sachuntergangs. 775 Auch danach hat aber zu gelten, was sich in Art. 74 EKG und 79 UN-Kaufrecht nach dortiger Terminologie normiert fmdet: daß der Eintritt des die Leistung erschwerenden oder hindernden Umstandes vom Schuldner nicht zu vertreten sein darf.1 76 Indem der Kommissionsentwurf den Begriff der "Pflichtverletzung" zum Grundtatbestand aller, auch unverschuldeter Leistungsstörungsfälle erhebt,777 gibt er das in § 275 BGB ausgedrückte Prinzip der Befreiung des Schuldners aus seiner Leistungspflicht wegen Unerreichbarkeit des Leistungserfolges infolge vom Schuldner nicht zu vertretender Umstände auf. Was aber hat fiir die Frage nach den Anstrengungen zu gelten, zu denen der Schuldner de lege ferenda nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses verpflichtet ist? Diese Anstrengungen beschreiben die konkreten Verhaltenspflichten, gegen die zu verstoßen beim Schuldner den Vorwurf des Vorsatzes begründet. 778 Würde man daher die Verpflichtung des Schuldners zur Vornahme entsprechender Handlungen nach "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" bejahen, so würde er im Falle ihrer Nichtvornahme auch nach dem Haftungsmaßstabe des § 276 BGBKE wegen Nichterfüllung Schadensersatz zu leisten haben. Weder kann dieser Haftungsmaßstab- wegen des beibehaltenen zweiten Absatzes- durch den "sonstigen Inhalt" oder die "Natur" des Schuldverhältnisses in dem dort verstandenen Sinne als Konkretisierung des Haftungsmaßstabes eine Modifikation dahingehend erfahren, daß im Einzelfalle auch fiir Vorsatz nicht gehaftet werden soll, noch kann anderes aufgrund des in § 275 BGB-KE eingeräumten Leistungsverweigerungsrechtes selbst angenommen werden, weil ja auch "die durch eine Einrede gedeckte Nichtleistung" als Anknüpfungspunkt eines Schadensersatzanspruches dienen können soll, § 275 Satz 2 BGB-KE.779 Eher wird man dieser weiteren Bedeutung der Begriffskombination: "Inhalt und 774 Zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen im englischen Recht vgl. oben S. 66 f. 775 Vgl. oben entsprechend vorhergehender Fußnote. 776 Vgl. für das englische Recht oben S. 66 ff., für das intern. Kaufrecht oben S. 67 ff. 777 Vgl. dazu kritisch Ernst, JZ 1994, S. 805 f. 778 Oben S. 126 f. 779

Vgl. auch Abschlußbericht, S. 121.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Natur des Schuldverhältnisses"- neben der Konkretisierung des Pflichtenkreises in § 241 BGB-KE auch der näheren Bestimmung des Haftungsmaßstabes in § 276 BGB-KE zu dienen - entnehmen können, daß ihr in ihren beiden Regelungszusammenhängen Bedeutung filr die Bestimmung desjenigen zukommen soll, was der Schuldner in concreto zu tun verpflichtet ist. Will die Reformkommission fiir die Schadensersatzhaftung am Erfordernis des Vertretenmüssens festhalten,7 80 so muß auch de lege ferenda wenigstens fiir die konkreten Verhaltenspflichten gelten, was Jakobs in der Sache zutreffend fiir das geltende Recht ermittelt, indem er gleichsam "das Pferd vom Schwanze her" aufzäumt: "daß die Verpflichtung zur Leistung nicht weiter reichen kann und auch im Gesetz nicht weiter reichen soll als die Haftung wegen Nichterfiillung".781 Auch wenn der Kommissionsentwurf in Abweichung hiervon als "Pflichtverletzung" selbst diejenige Nichtleistung bezeichnet, die der Schuldner nicht zu vertreten hat, so soll doch auch nach der Intention seiner Verfasser die "Anknüpfung an die 'nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses geschuldeten Anstrengungen'(... ) neben der echten Unmöglichkeit auch weitere Tatbestände" erfassen,782 und es soll demzufolge nicht allein das in § 275 BGB-KE benannte Unvermögen den Anwendungsbereich der Entlastungsregel bestimmen, wie dies von den Reformern der gesetzlichen Regelung gerade vorgeworfen wird. 783 Als ersten Bedeutungsgehalt können wir der Vorschrift des § 275 BGB-KE sonach entnehmen, daß der Schuldner die Leistung dann verweigern darf, wenn er ihre Bewirkung deshalb nicht schuldet, weil sie ohne sein Vertretenmüssen nur mit den geschuldeten Anstrengungen von ihm nicht zu erreichen ist - unabhängig vom Vorliegen objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit zur Bewirkung des Leistungserfolges mit allen erdenklichen, auch nichtgeschuldeten Anstrengungen. Der Schuldner kann mit anderen Worten die Leistung wenigstens dann verweigern, wenn er durch Zufall von weiteren Aufwendungen befreit ist: unter genau denselben Voraussetzungen, unter denenerde lege lata gemäß § 275 BGB ipso iure frei ist. Aus ähnlichen Erwägungen sowie aus den obigen Darlegungen zur Funktion der Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht bei vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen784 läßt sich schließlich eine Antwort auf die eingangs gestellte weitere Frage785 geben, ob nicht der auf Erfilllung gerichtete Zweck des Schuldverhältnisses es gebietet, den Schuldner als zur Primärlei780 § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB-KE und Absch1ußbericht, S. 130. 781

Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 166.

782 Absch1ußbericht, S. 120 f. 783 Absch1ußbericht, S. 118. 784 s. 114 ff. 785 Oben S. 61 ff.

138

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

stung dann nicht mehr verpflichtet anzusehen, wenn er die Bewirkung des Leistungserfolges wegen Unmöglichkeit oder Unvermögens nicht erbringen kann, ob der Schuldner also nach § 275 BGB-KE die Leistung bei verschuldeter objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit deswegen verweigern darf, weil er zu der unmöglich erfolgreichen Anstrengung als nach "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" nicht verpflichtet anzusehen wäre. Auch hierbei ist entscheidend, daß sich der Zweck des Schuldverhältnisses nicht in der Durchsetzbarkeit des Primärleistungsanspruches erschöpft, sondern daneben die Schadensersatzhaftung wegen Nichterfiillung umfaßt. Nur wenn man anerkennt, daß der Schuldner, indem er gegen die Pflicht verstößt, sich die Leistung nicht unmöglich zu machen, zugleich die Verpflichtung zur Bewirkung der Leistung verletzt, wenn man diese dadurch nicht in ein Nichts aufgelöst, sondern als Anknüpfungspunkt seiner Schadensersatzhaftung als fortbestehend betrachtet, kann man den Schuldner in Geld dafiir einstehen lassen, daß er nicht leistet, was er schuldet. Nur indem man anerkennt, daß er durch seine Nichtleistung die Pflicht zur Vomahme der versprochenen Leistung verletzt, kann seine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz auf die schuldhafte Verletzung derjenigen Verhaltenspflicht gestützt werden, die den "Betrag des zu leistenden Interesse" erst bestirnmt.786 Derartige Überlegungen haben den historischen Gesetzgeber zur Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht auch bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit gefiihrt, 787 ohne daß dies Gegenstand positiver Regelung werden mußte, wie auch bereits "die ältere römische Jurisprudenz" der Auffassung war, "daß auch bei objectiver Unmöglichkeit einstweilen noch immer der ursprüngliche Leistungsgegenstand geschuldet werde"788. Verurteilen die Gerichte bis heute den Schuldner zur Leistung, ohne bei der bloßen Behauptung seiner Leistungsunfiihigkeit zu fragen, ob er oder wenigstens ein Dritter diese Leistung erbringen kann, 789 so muß doch der Schuldner de lege lata als "nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" auch dann zur Leistung verpflichtet angesehen werden, wenn er sie aus von ihm zu vertretenden Umständen nicht erbringen kann. Auf die Bestimmung dessen, zu dem der Schuldner aus dem Schuldverhältnis verpflichtet ist, kann die Reform durch die Vorschrift über das Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 BGBKE keinen Einfluß nehmen. Die Bestimmung kann allenfalls die Rechtsfolgen dieser Verpflichtung regeln790. Wollte man nach der beabsichtigten Gesetzesänderung den Schuldner bei von ihm zu vertretender Unmöglichkeit nicht

786 Vgl. Windscheid-Kipp, § 264, S. 83. Vgl. oben S. 114 ff. Windscheid-Kipp, § 264, S. 83 m. w. Nachw. 789 Vgl. oben S. 87 ff. 790 Hierzu sogleich sub 5, S. 140 ff.

787

788

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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mehr als nach "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" zur Leistung verpflichtet ansehen, die sich ja in nur einer einzigen "Anstrengung" erschöpfen kann, dann hätte die Reform ihr Ziel der Rechtsvereinheitlichung deutlich verfehlt. Ist bereits über den Untergang der Primärleistungspflicht bei vom Schuldner nicht zu vertretender Unmöglichkeit mit Vertretern anderer Rechtskreise keine Einigung zu erzielen,791 so dürfte die Annahme desselben bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit auf bares Unverständnis stoßen. Wie nach englischem Recht und internationalen Kaufrechtsübereinkommen die vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernisse ohne Einfluß auf den Bestand der Leistungspflichten bleiben, 792 so hat im Grundsatz dasselbe auch de lege ferenda ftir das deutsche Recht zu gelten, abgesehen von der einzigen Ausnahme, in der die Möglichkeit der Realexekution den Schuldner zu einer "übermäßigen" Anstrengung zwingen könnte,7 93 die in einer ihrer Ausprägungen auch von der Kommission angesprochen ist als einer von den "nur schwer vorstellbaren Fällen, in denen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen ist, obwohl der betroffene Vertragsteil ihn zu vertreten hat" 794 • In allen anderen Fällen vom Schuldner zu vertretender Leistungserschwerungen bis hin zur Unmöglichkeit kann dem Schuldner mithin ein Leistungsverweigerungsrecht nur aufgrundder sogleich zu besprechenden, durch § 275 BGB-KE angeordneten Regelung zustehen, nicht dagegen deshalb, weil der Schuldner als nach "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" nicht mehr zur Leistung als verpflichtet anzusehen wäre. Man mag der hier vertretenen Ansicht vorwerfen, daß sie konstruiert sei, weil es sich bei der Annahme des Fortbestandes der Leistungspflicht bei Unmöglichkeit in der Tat um eine Konstruktion handelt. Wer sie dagegen als gekünstelt bezeichnen wollte, der halte die andernfalls aus dem Reformentwurf sich ergebende "Konstruktion" dagegen: Der Gläubiger könnte dann vom Schuldner Schadensersatz wegen der schuldhaften Verletzung einer "Pflicht" verlangen, die nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses gar nicht besteht und der nachzukommen der Schuldner nach § 275 BGB-KE sich weigern dürfte. 795 Immerhin erspart darüberhinaus die Annahme, daß vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse auch de lege ferenda grundsätzlich keinen Einfluß auf den Bestand der Schuldnerpflichten haben, dem Reformentwurf den sonst

792

Oben Fußnote 274. V gl. oben S. 66 ff.

793

Oben S. 118 ff.

794

Abschlußbericht, S. 152; vgl. auch oben S. 54 ff. und unten S. 141 ff.

791

Auch nach dem Kommissionsentwurf wird die Leistungspflicht, gleich ob man der hier vertretenen Ansicht folgt, perpetuiert, indem auch die berechtigte Nichtleistung als verschuldete "Pflichtverletzung" anzusehen sein kann, § 275 Satz 2 BGB-KE. 795

140

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

berechtigterweise gegen ihn erhobenen Vorwurf einer nicht akzeptablen "Preisgabe des Gläubigerrechts aufErftlllung in forma specifica".796

5. Unmöglichkeit und Unvermögen Weder nach dem Wortlaut der Vorschrift, noch nach der Absicht der Reformer797 erschöpft sich der Regelungsgehalt des § 275 BGB-KE in der Anordnung eines Leistungsverweigerungsrechtes in den Fällen, in denen der Schuldner zu weiteren Anstrengungen aufgrund der schuldverhältnisimmanenten Schranke der Zufallsbefreiung nicht verpflichtet ist. Das Einrederecht soll dem Schuldner auch dann zustehen, wenn er die Leistung nur nicht zu erbringen vermag, wenn er trotz seiner fortbestehenden Verpflichtung nicht leisten kann. Dies kommt bei Unmöglichkeit und Unvermögen in Betracht, nicht jedoch bei bloßen Leistungserschwerungen. Beweist der Schuldner Unmöglichkeit oder Unvermögen, so ist er "soweit und solange" diese reichen, zur Verweigerung der Leistung berechtigt. Wie lange die Unmöglichkeit reicht, ob sie lediglich vorübergehender oder dauernder Natur ist, läßt sich feststellen und beweisen. Wie lange aber reicht das Unvermögen? Will sich der Schuldner auf § 275 BGB-KE wegen seines Unvermögens wenigstens für eine bestimmte Dauer berufen, so muß er den Richter von der Notwendigkeit des Ausbleibens der geschuldeten Leistung innerhalb wenigstens dieser Frist überzeugen. Für seine Entscheidung wird sich das Gericht nicht nur von der Erkenntnis bereits des historischen Gesetzgebers leiten lassen, daß in allen Fällen "eine Aenderung des subjektiven Unvermögens des Schuldners jederzeit möglich" ist,798 sondern es wird sich auch an der ständigen Rechtsprechung zum geltenden Recht orientieren, die eine Verurteilung des Schuldners wegen "feststehenden" Unvermögens nur im Falle des Unstreitigsteliens durch den Gläubiger ablehnt/99 weil eben die Notwendigkeit des Ausbleibens der Leistung in der Zukunft infolge bloßen Unvermögens des Schuldners nicht feststehen kann.800 Gesteht allerdings der Gläubiger auf den Schuldnereinwand das Unvermögen zu und fordert deshalb

796 Vgl. Ernst, JZ 1994, S. 804 und oben S. 57 f. 797 Sie wollen im Gegensatz zu § 275 BGB das Einrederecht bei Unmöglichkeit und Unvermögen des Schuldners "unabhängig von dem Grund seiner Unfliliigkeit" und damit unabhängig vom Vertretenmüssen gewähren, wenn der Schuldner nur nicht kann, was er nach dem Schuldverhältnis müßte, vgl. Abschlußbericht, S. 118. 798 Motive, S. 46. 799 Oben S. 93 f. 800 Vom Gegenteil kann auch die Rechtsprechung zur "Beweislastumkehr" im Falle der Gläubigerbegehr auf Schadensersatz, oben S. 96 f., nicht überzeugen; vgl. zu dieser Rechtsprechung auch Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfiillung, S. 255 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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Schadensersatz, so liegt dies in der Sache nicht anders, als wenn er auf die Erfilllungsverweigerung des Schuldners hin sofort Schadensersatz geltend macht. Ein "echtes" Leistungsverweigerungsrecht gegen den Willen des Gläubigers gibt die Vorschrift dem Schuldner aufgrund von ihm zu vertretenden Unvermögens damit nicht. Die Einrede steht dem Schuldner lediglich im Falle zu vertretender objektiver Unmöglichkeit zu, soweit und solange diese reicht, mithin auch filr die Dauer nur vorübergehender Unmöglichkeit. Allerdings sollte dabei nicht unbeachtet bleiben, daß die Unflihigkeit zur Erbringung höchstpersönlicher Leistungspflichten nicht Unvermögen, sondern objektive Unmöglichkeit nach sich zieht, und daß etwa dann, wenn sich eine Sache beim räumlich entfernten Leistungsflihigen befindet, die filr die Überwindung dieser räumlichen Distanz erforderliche Zeit vorübergehende objektive Unmöglichkeit begründen kann.801

6. Ergebnis

Schuldnerverzug ist bei Erhebung der Einrede des§ 275 BGB-KE durch den Schuldner ab dem Zeitpunkt des Bestehens des Einrederechts ausgeschlossen. Ein solches Einrederecht steht dem Schuldner einmal dann zu, wenn ihm das Schuldverhältnis weitere Anstrengungen deshalb nicht auferlegt, weil er ohne sein Vertretenmüssen die Leistung nicht oder nur mit solchen Mitteln erreichen könnte, deren Aufwendung ihm "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" nicht gebieten. Dies entspricht nach hier vertretener Auffassung dem vom historischen Gesetzgeber der Regelung des § 275 BGB zugedachten Bedeutungsgehalt der "Zufallsbefreiung": Es befreit "ein von dem Schuldner - nach dem Inhalte des zur Beurtheilung stehenden Schuldverhältnisses - nicht zu vertretender Umstand" - in concreto zu prüfen "nach dem Gegenstande und gesammten Inhalte des Schuldverhältnisses", das heißt unter Berücksichtigung dessen, was gemäß §§ 157, 242 BGB nach Treu und Glauben als geschuldet anzusehen ist. 802 Es entspricht andererseits den von der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung im Zusammenspiel von § 275 BGB und den aus § 242 BGB entwickelten Befreiungsgründen, zu denen auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zählen803 . Gerade hier schafft allerdings der Reformentwurf eine Besonderheit durch die Ausnahmeregelung des § 306 BGB-KE, deren Anwendungsbereich allerdings nur schwer abgrenzbar ist von dem des§ 275 BGB-KE,804 und die aber auch nur dann zum Zuge kommen soll, 801 Dazu unten S. 173 ff. 8°2 Vgl. Motive, S. 45, sowie oben S. 124 ff. 803 Vgl. Abschlußbericht, S. 119. 804 Abschlußbericht, S. 120; vgl. dazu auch 60. DJT-Brüggemeier, S. K 63 f.

142

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

wenn die "gesetzliche" Regelung des § 275 BGB-KE "versagt", wenn - nach dem Verständnis der Reformer -805 "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" dem Schuldner auferlegen, was ihm aus in seiner Person liegenden Gründen nicht zurnutbar ist. Ist es ohnehin schwer genug vorstellbar, den Schuldner nach "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" als zu einer Leistung verpflichtet anzusehen, die ihm "unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung" nicht zuzumuten sein soll,806 und den Schuldner deswegen dann letzten Endes doch nicht filr zur Leistung verpflichtet zu halten, so sind jedenfalls beide Befreiungsregelungen Ausdruck nur des einen Prinzips: daß der Schuldner die Leistung dann nicht erbringen muß, wenn er ihr Ausbleiben nicht zu vertreten hat. Daraus wird deutlich, daß die Abgrenzung des § 306 BGB-KE zum Schuldnerverzug keine grundsätzlichen Probleme bereitet. Ist dem Schuldner die Leistung nicht zumutbar, scheidet Verzug aus, ist eine "angepaßte" Leistung zumutbar, können insoweit Verzugsansprüche des Gläubigers entstehen, denen insbesondere § 275 BGB-KE nicht entgegensteht. Allerdings bleibt im Einzelfall stets zu berücksichtigen, daß hinreichende Kenntnis des Schuldners von Bestand und Umfang seiner Verpflichtung zu fordern ist, was oftmals erst durch die endgültige Anpassung des gestörten Vertrages zu erreichen sein wird. 807 Ähnliches gilt schließlich "in den nur schwer vorstellbaren Fällen, in denen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen ist, obwohl der betroffene Vertragsteil ihn zu vertreten hat". 808 Diese sind Ausdruck des bereits mehrfach erwähnten, in §§ 251, 633 BGB geregelten "Übermaßverbotes",809 das Auswirkungen nur auf den Primärleistungsanspruch hat, und das deshalb dem Eintritt des Schuldnerverzuges nicht entgegenzustehen braucht, weil dessen Rechtsfolgen sich auf die sekundären Schadensersatzansprüche beschränken. Das Einrederecht aus § 275 BGB-KE steht dem Schuldner aber auch in Fällen zu, in denen er nach geltendem Recht nicht nach dem Prinzip des § 275 BGB befreit ist. Er kann sich auf die Vorschrift auch dann berufen, wenn er die Leistung mit den nach "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" - weiterhin geschuldeten Anstrengungen nicht zu erbringen vermag. Abgesehen von den unproblematischen - Fällen, in denen der Gläubiger die Berufung des Schuldners auf sein Unvermögen unstreitig stellt,810 kann ihm der de lege ferenda zuzulassende Beweis der zwingenden Notwendigkeit des Ausbleibens der Leistung infolge seiner Unfähigkeit dabei aber nur gelingen, wenn es sich um

806

Vgl. Abschlußbericht, S. 119. Vgl. § 306 BGB-KE.

807

V gl. dazu unten S. 211 ff.

808

Abschlußbericht, S. 152.

805

Oben S. 131. 810 Oben S. 140 f. 809

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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objektive dauernde oder vorübergehende Unmöglichkeit handelt. Die Befreiungsregelung des § 275 BGB-KE ist somit "dualistisch"811 nur in Fällen objektiver Unmöglichkeit, 812 in denen mithin der Schuldnerverzug durch Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechtes ausgeschlossen werden kann.

IIT. Die Schadensersatzregelung des Entwurfs 1. Die Grundvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nach§ 280 Abs. 1 BGB-KE Entsprechend dem bereits eingangs erwähnten, auch de lege /ata allgemein anerkannten Obersatz813 soll der Gläubiger nach § 280 Abs. 1 BGB-KE Ersatz desjenigen Schadens verlangen können, der ihm dadurch entsteht, daß der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Allerdings beschreibt der Begriff der "Pflichtverletzung" nach dem Reformentwurf nicht nur den Verstoß gegen das, was dem Schuldner nach "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" geboten ist,814 sondern er umfaßt, wie insbesondere § 323 BGB-KE zeigt,815 abweichend vom derzeitigen Verständnis816 sämtliche Fälle der Leistungsstörung. "Pflichtverletzung" bedeutet danach strenggenommen nicht nur Nichterfilllung der durch das Verschuldensprinzip und den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzten Leistungspflichten, sondern in einem umfassenden Sinne Nichter-

811

Vgl. oben S. 69.

Im umgekehrten Sinne ist sie es freilich auch filr die Geldschuld. So besteht ein Leistungsanspruch des Gläubigers beispielsweise auch bei unvorhersehbaren staatlichen Eingriffen in den "Devisen- und Rechnungsverkehr mit dem Ausland", vgl. dazu Schlechtriem-Sto/1, Art. 79, Rdnrn. 21 ff., ohne daß - mangels Vertretenmüssens - ein Schadensersatzanspruch "statt der Leistung" oder wegen Verzuges gegeben wäre. Eine Abhilfe über § 306 BGB-KE scheint schon im Grundsatz fragwürdig. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß sich infolge der Unbeachtlichkeit vom Schuldner zu vertretenden Unvermögens auch im Hinblick auf das in § 275 BGB-KE angeordnete Leistungsverweigerungsrecht die Ausnahme der Geldschuld als ebenso überflüssig erweist, wie sie es filr die Bestimmung der vom Schuldner geforderten Anstrengungen und dort, wie bereits Windscheid erkannt hatte, ders., § 277, S. 75 f., darüberhinaus falsch ist. Um so unverständlicher ist es daher, daß die Reformer die deutsche Schuldrechtsdogmatik mit dieser Ausnahmeregelung ins internationale Abseits stellen wollen, vgl. nur Sch/echtriem-Sto/l, a.a.O., zum CISG. 812

813

Oben S. 24.

Vgl. oben S. 135 ff. Vgl. Abschlußbericht, S. 163 ff. 816 Ernst, JZ 1994, S. 805. 814

81 5

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

fiillung nach einem de lege ferenda damit wenigstens zu denkenden Garantieprinzip, was angesichts der Herleitung der entsprechenden Grundsätze aus dem einheitlichen Kaufrecht nicht zu verwundem braucht817 . Die Grenzen der Ernstandspflicht des Schuldners ergeben sich mithin allein aus dem Erfordernis des Vertretenmüssens. Dabei aber fmdet sich als erste Einschränkung diejenige auf die nach "Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses" gebotenen Verhaltenspflichten, weil filr darüberhinausgehende Anstrengungen ein Vertretenmüssen nicht zu denken ist,818 als zweite die auf das nach dem jeweiligen Haftungsmaßstabe zu Vertretende. Es sind dies die Einschränkungen, die nach hier vertretener Auffassung im geltenden Recht schon den Pflichtenkreis des Schuldners nach § 275 BGB begrenzen,819 weshalb Nichterfiillung als Anknüpfungspunkt fiir Schadensersatzansprüche überhaupt nur dort in Betracht kommen karm, wo der Schuldner nicht befreit ist: bei von ihm zu vertretenden Leistungsstörungen, die das Bürgerliche Gesetzbuch gliedert in solche wegen zukünftigen Ausbleibens der Leistung und in solche wegen Ausbleibens der Leistung in der Vergangenheit. Von der genarmten Einschränkung nicht umfaßt werden dagegen die Fälle vom Schuldner zu vettretender Herbeiführung der Unmöglichkeit der Leistung. Da auch hier die Nichtleistung des Schuldners als "Pflichtverletzung" im Sinne des§ 280 BGB-KE zu qualifizieren ist, wird auf diese Weise, indem die "Pflichtverletzung" bei Leistungsverweigerung des Schuldners quasi legalisiert, dennoch aber als solche behandelt wird, die auch de lege ferenda als Anknüpfungspunkt fiir Schadensersatzansprüche unverzichtbare Perpetuation der Leistungspflicht auch zu Unmöglichem gewährleistet. 820 Sodarm soll durch die Wahl des Begriffs der "Pflichtverletzung" als Grundtatbestand der Leistungsstörung sichergestellt werden, daß § 280 BGB-KE jedes Ausbleiben der geschuldeten Leistung erfaßt, auch "bloße Abweichungen der Leistung vom Geschuldeten hinsichtlich der Zeit oder der Begleitumstände".821 Ausschlaggebend hierfilr war die Befilrchtung, die von Huber im Vorgutachten gewählte Bezeichnung "Nichterfüllung" könne deshalb zu Mißverständnissen führen, weil sie im geltenden Recht nur den Fall bezeichne, "daß die geschuldete Leistung (ganz oder zu einem Teil) auf Dauer ausbleibt". 822 Indem somit § 280 BGB-KE den umfassenden Leistungs- und Nichterfilllungsbegriff, wie er entgegen der herrschenden Lehre mit Himmelschein auch dem geltenden Recht zugrundezulegen ist,823 zum Anknüpfungspunkt filr Scha81 7 Vgl. Abschlußbericht, S. 130. 818 Oben S. 124 ff. 819 Dito. 820 Vgl. § 275 Satz 2 BGB-KE. 821 Abschlußbericht, S. 130. 822 Dito. 823 Oben S. I 03 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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densersatzansprüche des Gläubigers macht, soll die Vorschrift "einen umfassenden Tatbestand ftlr Schadensersatzansprüche bilden". 824 Da aber auch de lege ferenda zum einen die Verletzung einer Pflicht durch den Schuldner nicht ohne weiteres dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnen soll, Schadensersatz wegen Nichterfilllung der ganzen Verbindlichkeit zu fordern, sondern "Schadensersatz wegen Nichterfilllung" nur verlangt werden könne, "wenn die Primärleistung nicht mehr möglich(§ 280 BGB) oder das Warten auf sie dem Gläubiger nicht mehr zurnutbar ist (§§ 283 Abs. I, 286 Abs 2 BGB)",825 zum anderen der Ersatz des Verzögerungsschadens "nur unter den Voraussetzungen des Schuldnerverzugs" gewährt werden soll826 und drittens im Hinblick auf die "Kombination" von Rücktritt und Schadensersatz einige Besonderheiten ftlr den gegenseitigen Vertrag gelten sollen, auf die hier nicht näher eingegangen zu werden braucht,827 wird der "Generaltatbestand des § 280 Abs. I BGB-KE ( ... ) durch einige Spezialvorschriften ergänzt oder modifiziert" 828 . Dieser "Vorrang" soll "durch § 280 Abs. 2 BGB-KE" klargestellt werden. 829 In welchem Verhältnis diese Spezialregelungen zur Grundnorm stehen, wann mit anderen Worten auf § 280 Abs. I BGB-KE Rückgriff zu nehmen ist, kann indessen nur zu klären sein durch Bestimmung des Anwendungsbereichs dieser Sondertatbestände des Schadensersatzes "statt der Leistung" nach§§ 280 Abs. 2 Satz I, 283 BGB-KE sowie des Schadensersatzes "wegen Verzögerung der Leistung" nach §§ 280 Abs. 2 Satz 2, 284, 286 BGB-KE.

2. Schadensersatz "statt der Leistung" nach §§ 280 Abs. 2 Satz 1, 283 BGB-KE a) Anwendungsbereich der Vorschrift

Die von der Reformkommission als Regelungsgrund filr § 283 BGB-KE erkannte "Problemstellung" besteht in der Anordnung der besonderen Möglichkeit des Gläubigers zum "Übergang vom Anspruch auf die Primärleistung zu einem diese Leistung ersetzenden Schadensersatzanspruch", der "an besondere Voraussetzungen geknüpft werden" müsse.830 Dabei soll § 283 BGB-KE 824

Abschlußbericht, S. 130.

825

Dito. Abschlußbericht, S. 131.

826 827

§ 280 Abs. 2 Satz 3 BGB-KE, vgl. Abschlußbericht, S. 131.

82 8

Abschlußbericht, S. 130.

Dito. 830 Abschlußbericht, S. 133. 829

10 Wahl

146

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

sowohl die Fälle erfassen, in denen "die Primärleistung nicht mehr möglich" ist, als auch diejenigen, in denen "das Warten auf sie dem Gläubiger nicht mehr zumutbar" ist. 831 Eine Vorschrift aber, die die Möglichkeit zum Übergang vom Primärleistungsanspruch auf Schadensersatz in den Fällen möglicher und unmöglicher Nachholbarkeit der Leistung regelt, bildet eine umfassende Regelung für alle Schadensersatzansprüche. Es gibt keine anderen Sachverhaltskonstellationen. Dabei dürfte es dem Leser nicht entgangen sein, daß die Vorschrift des § 283 BGB-KE dem Verfasser allein deswegen, weil sie ihrem Wortlaut nach alle Fälle der Nichtnachholbarkeit exakter Leistung erfaßt, keine Probleme bereiten würde. Auch nach geltendem Recht gibt es bei genauer Betrachtung Schadensersatzansprüche nur entweder wegen Nichtnachholbarkeit der Leistung, weil strenggenommen auch die Schadensersatzansprüche wegen Verzugs solche der Nichtnachholbarkeit exakter Leistung sind, 832 oder wegen "Unzumutbarkeit" weiteren Wartens auf die Leistung filr den Gläubiger833 • Hieraus wird dann aber auch zweierlei deutlich: Erstens befaßt sich § 283 BGB-KE seinem Zweck entsprechend, die Frage der Möglichkeit des Übergangs zum Schadensersatz "statt der Leistung" zu regeln, vor allem aber indem die Ansprüche wegen Ersatz des Verzögerungsschadens nach der sogleich zu besprechenden Sonderregelung der§§ 280 Abs. 2 Satz 2, 284, 286 BGB-KE wie durch den Schuldnerverzug nach geltendem Recht ausgespart werden, ebenso wie § 280 BGB nur mit den Ansprüchen des Gläubigers hinsichtlich des Ausbleibens der Leistung in der Zukunft.834 Zweitens kann es fiir § 280 BGB-KE dann keinen eigenen Anwendungsbereich geben, wenn mit dem Begriff des Schadensersatzes "statt der Leistung" der Ersatz desjenigen Schadens gemeint ist, der dem Gläubiger dadurch entsteht, daß der Schuldner irgendeiner seiner Verpflichtungen nicht nachkommt, wenn man mit anderen Worten den Begriff der "Leistung" nicht enger faßt, als allen aus dem Schuldverhältnis fließenden Pflichten nachzukommen. Das erste bestätigt sich dadurch, daß der Begriff "Schadensersatz statt der Leistung" nach dem Willen der Kommission "den im Bürgerlichen Gesetzbuch verwendeten Ausdruck 'Schadensersatz wegen Nichterfiillung' ersetzen" soll,835 wie er dort so oder ähnlich in §§ 280 , 286 Abs. 2, 326 BGB, nicht aber in § 286 Abs. I BGB Verwendung fmdet. Das zweite folgt daraus, daß, wenn die Schadensersatzansprüche wegen Ausbleibens der Leistung in der Vergangenheit und diejenigen wegen Ausbleibens der 831

Abschlußbericht, S. 130.

832

Oben S. l 03 ff. So etwa §§ 286 Abs. 2, 326 BGB.

833

834 Wobei freilich neben dem Feststehen des Ausbleibens der Leistung wegen Unmöglichkeit auch das Ausbleiben der Leistung allein in der Vergangenheit Grund fiir diesen Übergang sein kann. 83 5 Abschlußbericht S. 131.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

147

Leistung in der Zukunft speziell geregelt werden sollen, es unter Zugrundelegung eines umfassenden Leistungsbegriffes keinen Raum mehr geben kann filr eine "dritte Kategorie", die von§ 280 Abs. 1 BGB direkterfaßt werden könnte. Schadensersatz wegen Verletzung einer Pflicht, der nicht zugleich Schadensersatz "statt der Leistung" ist, wäre aber etwa dann denkbar, wenn de lege ferenda der Leistungsbegriff gegenständlich verstanden werden soll. Hierfiir könnte sprechen, daß der "Schadensersatz wegen Nichterfiillung" nach Ansicht der Reformer "im geltenden Recht ( ... ) nur den Fall" bezeichne, "daß die geschuldete Leistung (ganz oder zu einem Teil) auf Dauer ausbleibt". 836 Zudem versteht die Kommission Unmöglichkeit und Verzug als "Unterfiille der Pflichtverletzung", die als "Fälle besonderer Leistungsstörungstatbestände" auch von § 280 Abs. 1 BGB-KE erfaßt werden sollen,837 und es fragt sich, welchen Sinn die Regelung des § 280 Abs. 1 BGB-KE haben sollte, wenn Schadensersatzansprüche ausschließlich in den speziellen Vorschriften der§§ 280 Abs. 2, 283, 284, 286 BGB-KE ihre Grundlage finden könnten. Es sei darüberhinaus in der Kommission zwar "bezweifelt worden, ob die 'nicht vollständige Leistung' des § 283 Abs. 3 Satz 1 BGB-KE nicht auch die qualitative Teilleistung (also die Schlechterfiillung) erfassen könnte", 838 doch soll - abweichend von der herrschenden Lehre zu § 280 Abs. 2 BGB -839 zumindest "nach Auffassung der Kommission( ...) § 283 Abs. 3 BGB-KE auf die Schlechtleistung grundsätzlich keine Anwendung fmden", wenngleich es der "Rechtsprechung( ... ) überlassen" bleibe, "in besonders liegenden Fällen die Regelung entsprechend anzuwenden".840 Denkbar wäre auch, daß "Leistung" im Sinne der §§ 280 Abs. 2, 283, 284 BGB-KE nur die "Leistungspflichten" des Schuldners im Gegensatz zu den in§ 241 Abs. 2 BGB-KE eigens erwähnten "Schutzpflichten" erfassen soll841 eventuell weiter eingeschränkt auf Haupt- und selbständige Nebenleistungspflichten. Schließlich soll nach den von Medicus gegebenen Erläuterungen842 "insbesondere der Ersatz von Begleitschäden" nicht "unter die Einschrän836 Abschlußbericht, S. 130. 837 Abschlußbericht, S. 30. 838 Abschlußbericht, S. 136. 839 Auch die qualitative Unmöglichkeit begründet danach Teilunmöglichkeit, Palandt-Heinrichs, § 275 Anm. 6 b) Rdnm. 21 f. sowie§ 280 Anm. 4, Rdnm. 7 f. 840 Abschlußbericht, S. 136. Ein fiir den Verfasser angesichts der Entscheidung RGZ 67, 233 ff., unerfindlicher Grund fiir die von der Kommission offensichtlich fiir notwendig erachtete Privilegierung des Erben gegenüber dem Vermächtnisnehmer im erwähnten Beispielsfall der Beschädigung eines vermachten Kraftwagens, aufgrund derer der Vermächtnisnehmer an dem Wagen nicht mehr interessiert sei, wird im Abschlußbericht nicht angegeben. 841 Vgl. auch die Ausfiihrungen im Absch1ußbericht, S. 113 ff. 842 Medicus, NJW 1992, S. 2384 ff., 2386.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

kungen von § 280 Abs. 2 BGB-KE" fallen, "wie er nach geltendem Recht vor allem aus positiver Forderungsverletzung hergeleitet wird", weil hier "ja auch Erfordernisse wie Fristsetzung, Mahnung oder Interessenwegfall keinen Sinn" gäben. Von einem solchen "Begleitschaden" sei seines Erachtens dann zu sprechen, wenn er "typischerweise an Rechtsgütern des Gläubigers" eintritt, "die außerhalb des Vertrages stehen", wie etwa "im Fall von RGZ 66, 289 nicht an dem zu liefernden Futter, sondern an den Pferden". 843 In diesem Fall sei dem Gläubiger - so wird auch von anderen gelehrt -844 "aus der ersten Lieferung, wegen ihrer vertragswidrigen Beschaffenheit, ein zusätzlicher Schaden ( ... ) entstanden, der sich weder als Nichterftlllungsschaden ( ... ) noch als Verzögerungsschaden, sondern als ein sonstiger Schaden" darstelle. Demnach spricht vieles dafilr, die de lege lata als positive Forderungsverletzung bezeichneten Fälle "einer durch Schlechtleistung oder durch Verletzung einer sonstigen Verhaltenspflicht ( ... ) bewirkten Schädigung des Gläubigers" nicht unter den Anwendungsbereich des § 280 Abs. 2 BGB-KE zu fassen, weil diese Fälle nach ganz herrschender Meinung gerade deshalb als durch das Bürgerliche Gesetzbuch nicht ausdrücklich geregelt angesehen werden, weil sie "weder auf einer Unmöglichkeit noch auf der Verzögerung der Leistung" beruhten.845 Man hätte dann den Ersatz durch Verletzung solcher Pflichten verursachter Schäden nicht als Schadensersatz "statt der Leistung" oder "wegen Verzögerung der Leistung" zu verstehen. Eine derartige Differenzierung entspräche der von Jakobs de lege lata erkannten "Begrenzung des Geltungsbereichs der gesetzlichen Regelung der Haftung des Schuldners" 846 in den Vorschriften über Unmöglichkeit und Verzug, die seines Erachtens überall dort keine Anwendung zu fmden brauche, wo "der Schuldner dem Gläubiger einen Schaden durch Nichterftlllung oder Verletzung einer Pflicht zuftlgt, deren Erftlllung keine Leistung an den Gläubiger" sei. 847 Unmöglichkeit und Verzug sollten nur dort besondere Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches sein, wo "das, was der Schuldner leisten soll, an sich ftlr den Gläubiger von Interesse ist, wenn dem Gläubiger etwas verschafft werden soll, was er noch nicht hat". 848 Gehe es dagegen "mit der Leistung des Schuldners nicht darum (... ), daß der Gläubiger etwas bekommen soll, was er noch nicht hat, sondern wenn er in dem, was ihm zusteht, in seinem Tun und Haben, nicht gestört und beeinträchtigt werden soll", so stelle die "Nichterftlllung einer solchen Pflicht(...) als 843 844

Medicus, SehR I,§ 35 II I a), S. 192. Larenz, SehR I, § 24 I a), S. 364 m. w. Nachw.

Larenz, SehR I, § 24 I a), S. 366. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 30 ff. 847 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 30. 848 Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 32.

845

846

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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solche filr den Gläubiger auch niemals einen Schaden dar". Sie könne "einen Schaden nur zur Folge haben, indem der Gläubiger etwas von dem verliert, was er bereits hat, oder an einem ihm möglichen Erwerb gehindert wird". Andernfalls könne der Gläubiger "Schadensersatz schon deswegen nicht verlangen, weil kein Schaden eingetreten" sei, und er könne "die unterbliebene Erfiillung nicht verlangen, weil er ja nicht an dieser, sondern nur an der Vermeidung ihrer möglichen Folgen interessiert" gewesen sei, "weil Sinn der Verpflichtung des Schuldners nur die Vermeidung eines solchen Schadens" sei. Habe "aber die Nichterfiillung oder Verletzung einer solchen Pflicht", an deren ErfiUlung "das Interesse des Gläubigers" in diesem Sinne "nicht ein positives, sondern ein negatives" sei, einen Schaden verursacht, so komme "auch allein die Ersatzpflicht in Betracht". 849 Demnach sei filr die Verletzung einer Schutzpflicht "auch die Haftung filr den durch die Pflichtverletzung verursachten Schaden die durch die Eigenart der verletzten Pflicht begründete selbstverständliche Rechtsfolge", ohne daß es darauf ankomme, "ob die Voraussetzungen vorliegen, an die das Gesetz die Haftung desjenigen Schuldners knüpft, der ( ... ) eine positive Leistung zu bewirken hat": auf Unmöglichkeit und Verzug.850 Im Falle der Schlechtleistung könne der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichtverwirklichung seines positiven Interesses an der Leistung nur verlangen unter den Voraussetzungen der §§ 280, 283, 284 BGB, dagegen den etwa in der Gefährlichkeit des Bekommens einer fehlerhaften Leistung über das positive Interesse hinausgehenden Schaden ohne eine derartige Einschränkung. Im letzten Fall gehe es "nicht um die Verletzung des Vertrages, nicht der Forderung auf Leistung in der vereinbarten Beschaffenheit, sondern um die Verletzung der dem einen bereits zustehenden Rechtsgüter, seiner Person und seines Vermögens infolge eines unsorgfliltigen Verhaltens des anderen". 851 Durchaus folgerichtig aus seiner Unterscheidung zwischen der Verletzung des "positiven" und des "negativen" Gläubigerinteresses an der Leistung sich ergebend, schließt Jakobs weiter, daß es danach wesentlich hinsichtlich aller Schuldnerpflichten darauf ankomme, ob "es sich um die Verletzung einer dem negativen Interesse eines anderen dienenden Pflicht handle" und daher komme es auf Unmöglichkeit und Verzug auch nicht an bei "Verletzung einer so unzweifelhaften Hauptpflicht wie derjenigen, eine fremde Sache aufzubewahren". 852 Spätestens hier aber wird die Fragwürdigkeit der getroffenen Unterscheidung offensichtlich, die freilich nur die Konsequenz der Annahme von "Begleitschäden" an "außerhalb des Vertrages" stehenden Rechtsgütern widerspiegelt,

849 Jakobs,

Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 33.

851

Ders., Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 40. Ders., Unmöglichkeit und Nichterfilllung, S. 41 ff., zuletzt S. 45.

852

Ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 40.

850

150

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

die keine Nichterfüllungsschäden seien.853 Stellt die Aufbewahrung der Sache hier keine Leistung an den Hinterleger dar, so könnte doch kaum die Annahme der stillschweigenden Vereinbarung einer Vergütung nach § 689 BGB gerechtfertigt sein, müßte die Annahme eines gegenseitigen Vertrages854 fehlgehen. Sollen - allgemeiner - die Vorschriften über Unmöglichkeit keine Anwendung fmden können, wenn feststeht, daß nur der geschuldete Schutz, der doch immer vom Gläubiger deswegen begehrt wird, weil er ihn noch nicht hat, mit Sicherheit ausbleiben wird? Auch durch "Schutz" kann man bekommen, was man nicht hat, ebenso wie durch exakte Leistung statt fehlerhafter Leistung. 855 Dies gilt auch, wenn die Schutzpflicht nur Nebenpflicht ist, wenn der Gläubiger etwa den aus der an sich - gegenständlich - fehlerfreien Leistung zu ziehenden Vorteil nicht ohne Gefahr für seine sonstigen Rechtsgüter ziehen kann. Deshalb kann auch der im Abschlußbericht erwähnten Ansicht von der Möglichkeit, es könne "(etwa bei Bewachungs- oder Beratungsverträgen) der gesteigerte Schutz der Rechtsgüter des anderen Teils Inhalt einer Leistungspflicht sein", aus der zu schließen wäre, daß dies im Grundsatz nicht gelte, ebensowenig gefolgt werden wie der Annahme, eine Aufklärungspflicht könne "sowohl dem Leistungsinteresse wie dem Schutzinteresse dienen", 856 wenn man daraus schließen sollte, das Schutzinteresse sei im Rahmen eines wirksam entstandenen Schuldverhältnisses nicht stets auch Bestandteil des Leistungsinteresses. 857 Dies beweist gerade das von der Kommission erwähnte Beispiel der "Anleitung über die richtige Bedienung einer Motorsäge", deren Zweck "sowohl das Funktionieren der Säge sein" könne, "als auch Verletzungen des Benutzers (oder auch bloß das Zerstören der Säge) zu verhindern". 858 Würde hier das Interesse des Benutzersam Schutz vor Verletzungen nicht zu seinem Leistungsinteresse gerechnet, so müßte dieses als erfüllt angesehen werden, auch wenn er den Leistungsgegenstand nicht ohne Gefahr fiir Leib und Leben benutzen kann, wäre mit der von ihm bezweckten "Veränderung der Güterlage" 859 die Leistung perfekt, ohne daß der Gläubiger den erstrebten Vorteil ziehen könnte - wenn er die Gefahr kennt ohne die Befürchtung weiterer Nachteile aufgrund § 254 BGB nicht einmal ziehen dürfte. Der Gläubiger könnte, gehörte der Schutz vor Verletzungen nicht zu den "Leistungspflichten" des Schuldners, weder Erfüllung verlangen,860 noch könnte

854

Vgl. oben S. 147. Vgl. Palandt-Thomas, Einf. vor§ 688, Anm. 1, Rdnr. 1.

855

V gl. zur Schlechterfüllung Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 42 ff.

856

Abschlußbericht, S. 113.

853

Anderes mag in den hier nicht zu erörternden Fällen eines Verschuldens vor Vertragsschluß gelten, vgl. Palandt-Heinrichs, § 276 Anm. 6, Rdnm. 65 ff. 857

858

Abschlußbericht, S. 113.

859

Dito.

860 Jakobs,

Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 33.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

151

er bei sicherem Ausbleiben korrekter Anleitung in der Zukunft Schadensersatz wegen Nichterfilllung nach §§ 280 ff. BGB-KE verlangen, geschweige denn Schadensersatz wegen Nichterfilllung der ganzen Verbindlichkeit. Das "Leistungsinteresse" des Gläubigers müßte ebenso als vollständig erfilllt angesehen werden wie etwa bei der Leistung todbringender Schlankheitspillen, wenn man dem Gläubiger hieraus keine Schadensersatzansprüche "statt der Leistung" geben will. 861 Auch eine Unterscheidung nach dem jeweils eingetretenen Schaden, insbesondere die Anerkennung eines "Begleitschadens", aber auch schon die eines Verzögerungsschadens neben dem Nichterfiillungsschaden geht fehl. Dies zeigt sich am deutlichsten, wenn man den Fall der Leistung vergifteten Futters damit vergleicht, daß der Schuldner überhaupt nicht leisten kann oder zu spät leistet. Ob die Pferde verenden, weil der Schuldner überhaupt nicht, zu spät oder "schlecht" leistet, bleibt sich insoweit gleich, als der Schaden jedesmal an Rechtsgütern des Gläubigers eintritt, "die außerhalb des Vertrages stehen".862 Von einem "Begleitschaden" könnte bei Unmöglichkeit oder Verzug im Gegensatz zur Schlechtleistung nur dann nicht gesprochen werden, wenn man den Tod der Pferde bei Ausbleiben der gegenständlichen Leistung als Nichterfiillungsschaden deswegen begreifen würde, weil er aus der Verletzung des Interesses des Gläubigersam Bekommen der gegenständlichen Leistung resultiert. Warum sollte dann aber nicht auch das Verenden der Tiere infolge schlechter Leistung oder Verletzung einer Schutzpflicht als Nichterfiillungsschaden deswegen zu begreifen sein, weil er aus der Verletzung des Interesses des Gläubigers am Bekommen exakter und vollständiger Leistung resultiert? Die Fragwürdigkeit solcher Unterscheidungen zeigt schließlich gerade der Fall verspäteter Leistung, bei dem der Gläubiger die Leistung in ihrer Gegenständlichkeit vollumflinglich erhält und der Schaden demzufolge auch stets als "Begleitschaden" in dem oben dargelegten Sinne anzusehen wäre, der nur daraus folgt, daß der Schuldner schlecht, nämlich zu spät leistet. 863 Spätestens hier wird deutlich, daß die de 861 V gl. zur Schlechtleistung Abschlußbericht, S. 136; anders Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 42 ff.; gegen dessen Unterscheidung überzeugend Huber, FS f. v. Caemmerer, S. 860: "In der Sache ist die Entgegensetzung von 'positivem' und 'negativem' Interesse verfehlt. Denn sie verdeckt, daß die beiden Schadensarten keinen Gegensatz bilden, sondern daß das sogenannte 'negative' Interesse sich zum 'positiven' Interesse verhält wie der Teil zum Ganzen. Sie verdeckt ferner, daß es dem Gläubiger stets um dasselbe Interesse geht: um das Interesse an rechtzeitiger, fehlerfreier Erfüllung der Verbindlichkeit." 862

Vgl. oben S. 147.

Vgl. Huber, FS f. v. Caemmerer, S. 860: "Wenn der Verkäufer den Käufer nicht rechtzeitig beliefert, und wenn der Käufer deshalb einen Produktionsausfall erleidet oder sich seinen eigenen Abnehmern gegenüber schadensersatzpflichtig macht, so haftet der Verkäufer wegen Verzugs gemäß § 286 BGB. Noch nie ist jemand darauf verfallen, diesen Schaden als 'negatives Interesse' zu bezeichnen. Setzt der Käufer dem Verkäufer er863

152

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

lege lata erkannten Unterscheidungskriterien nicht aus der gesetzlichen Systematik folgen, sondern daß sie nur eine Zusammenfassung des aus der erkannten LUckenhaftigkeit des Gesetzes Folgenden widerspiegeln, indem die Grundsätze über die positive Forderungsverletzung eben auf diejenigen Fälle Anwendung fmden sollen, die als durch Unmöglichkeit und Verzug nicht geregelt angesehen werden, die aber nicht als eigene Kategorie der "Pflichtverletzung" neben der NichterfUllung der Leistungspflichten stehen können. Nicht zuletzt ist an die Folgen zu denken, die sich ergeben würden, wenn man derartige Differenzierungen de lege ferenda dadurch zum gesetzlichen System erheben würde, daß Schadensersatz "statt der Leistung" und Schadensersatz "wegen Verzögerung der Leistung" von vornherein bestimmte Arten der Pflichtverletzung nicht erfassen sollten. Es ergäbe sich eine tatbestandliehe Erfassung der Fälle sogenannter positiver Forderungsverletzung durch die Vorschrift des § 280 BGB-KE nur auf Kosten des Verzichts auf eine Regelung dieser Fallgruppen über die bloße Anordnung des ohnehin Selbstverständlichen hinaus, daß nämlich der Gläubiger Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch eine vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung zugefügt wird. 864 Denn würde man § 283 BGB-KE nicht auf die Verletzung von Schutzpflichten anzuwenden haben, so stünde dem Gläubiger keine Möglichkeit zu, im Falle des sicheren Ausbleibens des geschuldeten Schutzes Schadensersatz wegen des Ausbleibens dieses Schutzes in der Zukunft zu fordern; er bliebe auf die Geltendmachung des bereits eingetretenen Schadens beschränkt. Entsprechendes gilt für den Fall der SchlechterfUllung. Darüberhinaus wäre dem Gläubiger keine Möglichkeit gegeben, bei Interessefortfall Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit zu fordern - wenn man nicht die von der Kommission für die Schlechterfüllung erörterte Frage analoger Anwendbarkeit des § 283 Abs. 3 BGB-KE auch im Falle der Schutzpflichtverletzung regelmäßig bejahen würde. 865 Aber auch die auf den ersten Blick unproblematische Frage, von welchem Zeitpunkt ab der Gläubiger Schadensersatz wegen Verletzung einer Schutzpflicht verlangen kann, wirft Schwierigkeiten auf. Nehmen wir an, die vorgenannte Motorsäge sei zur Lieferung am 1. Mai fällig, der Gläubiger mahne am 10. Mai und die Lieferung erfolge am 20. Mai, jedoch ohne die für den Schutz des Schuldners unentbehrliche "Anleitung zum Schutz vor Körperverletzungen". Für welchen Zeitraum ist Schadensersatz geschuldet? Soll das Verzugsrecht de lege ferenda hier von vornherein keine Anwendung fmden, wenn der Gläubiger mangels Anleitung die Arbeit nicht aufhehrneo kann, weil folglos Nachfrist, so bildet der Schaden einen Teil des nach § 326 BGB zu ersetzenden Nichterftlllungsschadens." Dasselbe wie filr das "negative Interesse", gilt meines Erachtens auch filr die Annahme eines "Begleitschadens". 864 Vgl. oben S. 24. 865 V gl. Abschlußbericht, S. 136.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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nicht Schadensersatz "wegen Verzögerung der Leistung" im Raume stünde, so dürfte die Mahnung keine Rolle spielen. Der Schuldner hätte seine Schutzpflicht mithin durch Nichtleistung am 1. Mai verletzt und demzufolge müßte der Gläubiger Schadensersatz auch von diesem Zeitpunkt an fordern dürfen. Wie auch immer man dagegen argumentieren wollte - immer stünde die Systematik des Gesetzes entgegen, die ftlr Schlechtleistungen und die Fälle von Schutzpflichtverletzungen gerade auch den Grundsatz aufgeben würde, der de lege lata vor einer solchen - falschen 866 Lösung des dargestellten Falles bewahrt: die Subsidiarität der Grundsätze über die positive Forderungsverletzung hinter der gesetzlichen Regelung über Unmöglichkeit und Verzug.867 All dies macht auch deutlich, daß in den Fällen sogenannten "Begleitschadens" keineswegs "Erfordernisse wie Fristsetzung, Interessenwegfall oder Mahnung keinen Sinn" machen würden. 868 Schließlich wäre dann, wenn "Leistung" im Sinne des Kommissionsentwurfs nur die gegenständliche Leistung oder jedenfalls nicht die korrekte Leistung und keine Schutzpflichten umfassen würde, zu fragen, wie es um den Erfi1llungsanspruch des Gläubigers bestellt wäre, ob er zum Beispiel berechtigt sein würde, den "Schutz" zu fordern. Der Wortlaut des § 241 BGBKE gibt hinreichenden Anlaß zu Zweifeln, dessen erster Absatz dem Gläubiger einen Anspruch nur auf die Leistung gibt, während der zweite lediglich den Schuldner zu besonderer Rücksicht auf die Rechte und Rechtsgüter des anderen Teils verpflichtet. Ergäbe sich aus §§ 280 ff. BGB-KE, daß der solchermaßen gebotene Schutz nicht zugleich eine Leistung darstellt, so könnte der Gläubiger ihn kaum verlangen. Und abschließend zeigt ein Blick auf § 362 BGB/BGB-KE, wohin der Reformentwurf fUhren würde, wenn man ihn als Kodifizierung der herrschenden Lehre verstünde, die durch die Reduzierung des Leistungsbegriffes auf einen gegenständlichen - so sinnvoll die Aufgliederung der verschiedenen Leistungspflichten in der Sache zum Verständnis dessen auch ist, was die vollständige Leistung innerhalb des komplexen Schuldverhältnisses ausmacht - zu so merkwürdigen Konsequenzen fUhrt, wie der Vorstellung von Leistungspflichten nach "Beendigung des Leistungsprogramms't869 aus einem nach dem Wortlaut des § 362 BGB durch Erfüllung erloschenen Schu/dverhältnis870 über die Unten S. 231 ff. Vgl. Palandt-Heinrichs, § 276 Anm. 7 Ac), Rdnr. 107. 868 Vgl. oben S. 147. Für den Interessenfortfall gilt eher das Gegenteil: Welchen Sinn macht die Frage etwa bei vollständiger Unmöglichkeit infolge Sachuntergangs, vgl. § 283 Abs. 2 BGB-KE? 869 Gernhuber, Bürgerliches Recht,§ 14 II, S. 133. 870 Der Verfasser verkennt nicht, daß die herrschende Lehre insoweit in sich schlüssig ist, als sie zwischen dem "Schuldverhältnis i.e.S." und dem "Schuldverhältnis i.w.S." unterscheidet, vgl. Gernhuber, Bürgerliches Recht, § 50 I 2, S. 476 und PalandtHeinrichs, Ein!. v. § 241 Anm. I a) Rdnrn. 1 f. Dies macht aber nur um so deutlicher, 866 867

154

Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

Anerkennung von Schuldverhältnissen, die mangels der Möglichkeit zur Bewirkung einer "Leistung" nicht erfilllt werden und die demnach auch nicht erlöschen, sondern nur "gegenstandslos" werden könnten, 871 hinaus zu der Annahme, daß Leistungspflichten auch bei unkorrekter Bewirkung - im Falle der Schlechtleistung - nach § 362 BGB erlöschen, wenn "Leistung" nur gegenständlich gemeint wäre. An dieser Stelle sei wiederholt, daß diejenigen Fälle hier ausgespart bleiben, in denen ein von den Parteien angestrebtes Schuldverhältnis nicht oder noch nicht wirksam zustandegekommen ist, in denen es um den Schutz des Vertrauens auf das Zustandekommen eines Vertrages oder um eine Erweiterung der als zu eng erachteten deliktischen Anspruchsgrundlagen gehen mag. 872 Ganz gleich ob und inwieweit sie sich- mutatis mutandis- de lege lata durch die gesetzlichen Regelungen des Leistungstörungsrechts zutreffend fassen lassen oder nicht, welche Lösung sie de lege ferenda erfahren sollen und ob sich §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. I BGB-KE - auf diese Fälle beschränkt und allein hieraus rechtfertigen: fiir eine Prüfung, die letztlich auch die von der Kommission unerörterte Frage einbeziehen müßte, "ob das die Schutzpflichten erzeugende Schudverhältnis in jedem Fall auf Gesetz beruht( ... ) oder auch aufeinem wirksamen Rechtsgeschäft beruhen kann", 873 ist hier kein Raum. 874 Jedenfalls aber überall dort, wo sich Primärleistungspflichten des Schuldners de lege lata aus einem wirksamen Schuldverhältnis begründen lassen, bleibt auch in den Fällen der sogenannten positiven Forderungsverletzung, der Schlechterftlllung wie der Verletzung von Schutz- oder sonstigen Verhaltenspflichten die Unterscheidung danach unentbehrlich, ob die Erfiillung der Pflicht auch in Zukunft ausbleiben wird und der Schuldner daher schon jetzt zum Schadensersatz wegen Nichterftlllung verpflichtet ist, oder ob die Erfiillung in der Zukunft möglich ist und der Gläubiger daher nur Schadensersatz wegen Ausbleibens der Leistung in der Vergangenheit und daneben Erftlllung in der Zukunft zu fordern berechtigt ist. Darüberhinaus ist zu fragen, fiir welchen Zeitraum des Ausbleibens der Leistung in der Vergangenheit der Schuldner Schawie weit sich die "moderne Schuldrechtslehre", Abschlußbericht, S. 113 m. w. Nachw., durch die Verengung des Leistungsbegriffes vom Gesetzestext und den Intentionen seiner Verfasser entfernt hat, vgl. Motive, S. 26. 871 Vgl. Gernhuber, Bürgerliches Recht,§ 50 I 2, S. 476. 872 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 39 Fußnote 68. 873 Abschlußbericht, S. 115. 874 Vgl. oben S. 23. Prima facie ist dem Verfasser allerdings kein Grund ersichtlich, warum die hier angestellten Überlegungen auf die culpa in contrahendo keine Anwendung finden sollten, da es sich doch in beiden Alternativen um ein Schuldverhältnis mit freilich andersgeartetem Leistungsinhalt handelt und die Problematik sich daher in erster Linie um Begründung und Inhalt derartiger Schuldverhältnisse dreht, solange allerdings derartige Schuldverhältnisse ihrer Art nach nicht ins Deliktsrecht gehören, vgl. unten s. 225 ff.

B. Die Neuordnung nach dem Kommissionsentwurf

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densersatz zu leisten hat, 875 und schließlich in beiden Fällen, der - teilweisen "Unmöglichkeit" wie des "Verzugs", unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen dem Gläubiger wegen der Pflichtverletzung des Schuldners ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfiillung der ganzen Verbindlichkeit zustehen soll. Hinsichtlich aller Pflichten, denen nachzukommen nicht als "Leistung" des Schuldners im Sinne der §§ 280 Abs. 2, 283, 284 BGB-KE anzusehen sein sollte, würde der Entwurf hierüber in § 280 Abs. 1 BGB-KE keine Regelung enthalten. Die dem Bürgerlichen Gesetzbuch nachgesagte Lücke, die Fälle der positiven Forderungsverletzung nicht zu erfassen, würde durch diese Lücke in der Regelung des Kommissionsentwurfs ersetzt, die allenfalls durch Analogie zu §§ 280 Abs. 2, 283, 284 BGB-KE geschlossen werden könnte876 -ganz so wie als Rechtsfolge der positiven Forderungsverletzung nach geltendem Recht die "entsprechende Anwendung der Bestimmungen über Verzug (§§ 286, 326) und Unmöglichkeit(§§ 280, 325)" 877 geboten sein soli.878 Wie aber fi1r das geltende Recht hier nicht von vornherein das Bestehen einer Lücke angenommen, sie mit anderen Worten nicht ins Gesetz hineingetragen werden soll durch verfehlte Verengung des Leistungsbegriffes,879 sondern de lege lata eine Lücke nur anzuerkennen sein wird, wenn nach Prüfung der gesetzlichen Regelung eine solche tatsächlich anzunehmen sein muß, weil der Schuldner allein nach den gesetzlichen Anordnungen über Unmöglichkeit und Verzug nicht all denjenigen Schaden zu ersetzen hätte, den er dem Gläubiger durch eine von ihm zu vertretende Pflichtwidrigkeit zufiigt, so soll auch de lege ferenda eine unzureichende "Lückenfiillung" nicht schon deswegen behauptet werden, weil "Leistung" im Sinne der §§ 283, 284 BGB nicht die Entsprechung des Schuldners all seiner sich aus dem Schuldverhältnis ergebenden Pflichten meine, solange - ungeachtet der dargestellten Ausfiihrungen im Abschlußbericht- Wortlaut und Systematik des Entwurfs dieses nicht zwingend gebieten. Andernfalls, insbesondere wenn man dem Reformentwurf den gegenständlichen Leistungsbegriff der herrschenden Lehre zugrundelegen würde, läge - wie noch zu zeigen sein wird -880 eine Lücke nicht lediglich hinsichtlich der Schlechtleistung, der Verletzung von Schutz- und weiteren Verhaltenspflichten 875 Besser: ab welchem Zeitpunkt das Ausbleiben der Leistung in der Vergangenheit dem Schuldner als von ihm zu vertretende Pflichtverletzung zuzurechnen ist, vgl. unten s. 193 ff. 876 Vgl. die oben genannten Ausfiihrungen im Abschlußbericht, S. 136, zur offen gelassenen Frage analoger Anwendbarkeit des § 283 Abs. 3 S. I BGB-KE auf Fälle der Schlechterfiillung. 877 Palandt-Heinrichs, § 276 Anm. 7 Ab) Rdnr. 105m. w. Nachw. 878 Vgl. auch Larenz, SehR I, § 24 I a), S. 369 f. 879 Oben S. 103 ff. 880 Unten S. 173 ff.

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Erstes Kapitel: Unmöglichkeit und Verzug

vor, sondern es träte darüberhinaus eine zudem nur gegen den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut zu schließende Lücke filr den Fall der vom Schuldner zu vertretenden vorübergehenden Unmöglichkeit bei Leistungsverweigerung durch den Schuldner hinzu.

b) Die Voraussetzungen des§ 283 BGB-KE im einzelnen aa) Vorherige Bestimmung einer angemessenen Frist,§ 283 Abs. I BGB-KE Nach dem in § 283 Abs. I Satz I BGB-KE ausgesprochenen "Grundsatz"881 soll der Gläubiger nach fruchtlosem Ablauf einer dem Schuldner zuvor gesetzten, angemessenen Frist Schadensersatz "statt der Leistung" verlangen dürfen. Dabei beschränkt sich, wie aus § 283 Abs. 3 BGB-KE zu entnehmen ist, das Übergangsrecht zum Schadensersatz auf den ausgebliebenen Teil der Leistung. Der Gläubiger kann mithin Schadensersatz "statt der ganzen Leistung" nur unter der weiteren Voraussetzung des Interessefortfalls nach § 283 Abs. 3 BGB-KE fordern. 882 Die mit der Vorschrift in erster Linie von der Kommission bezweckte Neuerung, im Gegensatz zu §§ 283 Abs. I, 326 Abs. I Satz I BGB den Übergang zum Sekundärleistungsanspruch nicht mehr unter das Erfordernis einer Ablehnungsandrohung zu stellen, das sich nach Ansicht der Reformer als "offenbar wenig praktikabel" erwiesen habe, 883 betrifft ebenso wie die Ausnahmeregelung des § 283 Abs. I Satz 2 BGB-KE, nach der im Falle des Anspruchs auf "Rückgewähr eines bestimmten Gegenstandes" zum fruchtlosen Fristablauf treten muß, "daß der Gläubiger durch die Verzögerung das Interesse an der Rückgewähr verloren hat", 884 nicht die Voraussetzungen, an die das Gesetz Rechtsfolgen allein wegen des Ausbleibens der Leistung knüpft, sondern die Ausgestaltung dieser Rechtsfolgen selbst. Den mit der geplanten Änderung insoweit verbundenen Fragen soll demnach hier nicht nachgegangen werden. 885 Dagegen muß besonders interessieren, unter welchen näher zu bestimmenden Voraussetzungen der Gläubiger de lege ferenda im Grundsatz die Möglichkeit haben soll, durch Setzung einer Frist den Übergang zum Anspruch auf Scha-

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Abschlußbericht, S. 134.

882

Vgl. dazu näher Abschlußbericht, S. 135 f.

Abschlußbericht, S. 134 f; vgl. dazu Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht, S. 49, sowie Soergei-Wiedemann, § 326 Rdnr. 2, der § 326 BGB ftlr "die wichtigste und gelungenste Vorschrift im allgemeinen Teil der Leistungsstörungen" hält. 883

884

Vgl. dazu Abschlußbericht, S. 135 und kritisch Ernst, JZ 1994, S. 806.

885

V gl. oben S. 20.

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densersatz wegen Nichterfllllung herbeizufiihren, die ihm im Falle bloßen Ausbleibens der geschuldeten Leistung de lege lata nur unter der Voraussetzung mindestens des bereits eingetretenen Schuldnerverzugs nach § 326 BGB gewährt wird. 886 Die Vorschrift bindet die Möglichkeit zur Fristsetzung nach ihrem Wortlaut an nichts weiter als die vom Schuldner zu vertretende Verletzung einer aus dem Schuldverhältnis sich ergebenden Pflicht, § 280 Abs. 1 BGB-KE. 887 Als "selbstverständlich" hat es die Kommission aber erkannt, daß die Frist wirksam erst "nach Fälligkeit des Primärleistungsanspruchs" gesetzt werden könne.888 Ohne weiteres selbstverständlich dürfte dies jedoch weder dem Laien sein, der sich wie der Fachmann auf die Neuregelung einzustellen hätte,889 und der möglicherweise als Gläubiger seinem Schuldner vor dem Eintritt der Fälligkeit890 eine extra lange Frist gesetzt hat, noch ergibt sich dies zwingend aus der Schadensersatzregelung des Entwurfs, weil der Schuldner bereits vor Eintritt des Fälligkeitszeitpunktes eine Pflichtverletzung dadurch begehen kann, daß er sich die Leistung unmöglich macht891 und eine Fristsetzung bereits vor Fälligkeit demjenigen Gläubiger helfen könnte, fUr den deren Erfolglosigkeit nicht offensichtlich ist,892 und weil schließlich die Annahme der Fälligkeit als generelle VoraussetzungfUrAnsprUche aus § 283 BGB-KE- also auch in den Fällen des § 283 Abs. 2, 1. Alt. BGB-KE - zu unhaltbaren Ergebnissen fUhren würde. 893 Dennoch ist im Blick auf§ 271 BGB/BGB-KE das Erfordernis der Fälligkeit deshalb zu bejahen, weil in der Bestimmung einer Frist fUr die Leistung ein Leistungsverlangen des Gläubigers zu sehen ist, 894 das Fälligkeit der Leistung voraussetzt. Diffiziler gestaltet sich die Frage, ob § 283 BGB-KE - wenigstens in einigen Tatbestandsvarianten - den vorherigen Eintritt des Schuldnerverzugs erfordert. Für alle, denen dies abwegig erscheint, enthält der Entwurf die nach Ansicht der 886 Auch § 283 BGB setzt Verzug voraus, vgl. § 284 Abs. 1 BGB. Zur Möglichkeit der Verbindung von verzugsbegründender Mahnung und Nachfristsetzung nach § 326 BGB unten S. 160. 887 Allein deswegen den vorherigen Eintritt des Schuldnerverzugs zu fordern, wie dies auf der Grundlage der Systematik des geltenden Rechts nach hier vertretener Auffassung angezeigt wäre, vgl. unten S. 166, ließe sich de lege ferenda nicht halten, weil nach dem Kommissionsentwurf bereits die Nichtleistung bei Fälligkeit als schuldhafte Pflichtverletzung angesehen werden muß, vgl. unten S. 237 ff. 888 Abschlußbericht, S. 134. 889 890

Vgl. oben S. 19 ff. Dazu unten S. 193 ff.

Dazu unten S. 169. Vgl. unten S. 161 ff. 893 Unten S. 168 ff. 894 Näher hierzu unten S. 193 ff. 891

892

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Reformer "klarstellende" 895 Anordnung des § 286 BGB-KE, daß der Gläubiger "wegen des Verzugs nach Maßgabe der§§ 280, 283 BGB-KE Schadensersatz verlangen" kann, also immer - nur? - dann, wenn der Schulaner gemäß § 284 BGB-KE auf eine Mahnung des Gläubigers oder einen dieser gleichgestellten Umstand nicht geleistet hat. Hierfiir spricht ferner, daß nach den Ausfiihrungen im Abschlußbericht896 eine "bloße Verzögerung der Leistung über die Fälligkeit hinaus ( ... ) fiir den Schuldner noch keine wesentlichen Rechtsnachteile erzeugen" soll, zu denen doch auch die Möglichkeit des Gläubigers zu rechnen ist, durch einfache Fristsetzung den Übergang zum Anspruch auf Schadensersatz "statt der Leistung" herbeizufiihren. Gewichtigere Gründe sprechen aber gegen die Annahme des Erfordernisses des Verzugs als Voraussetzung filr die Rechte des Gläubigers aus § 283 BGB-KE. Einmal kann der vorherige Eintritt des Schuldnerverzuges, auch wenn die Mahnung wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit nach § 284 Abs. 2 Nr. 3 BGB-KE entbehrlich wäre,897 in den Fällen des § 283 Abs. 2, 1. Alt. BGB-KE, zu denen auch die Unmöglichkeit zählen kann, 898 nicht gefordert werden, wenn dadurch nicht die Möglichkeit des Gläubigers beschnitten werden soll, entsprechend der treffenden Lösung des geltenden Rechts899 im Falle der Unmöglichkeit Schadensersatz bereits vor Fälligkeit zu beanspruchen. Hieraus könnte man nun argumentieren, entsprechend der Unterscheidung des historischen Gesetzgebers zwischen der Möglichkeit des Gläubigers einerseits, im Falle des aufgrund Unmöglichkeit sicheren Ausbleibens der Leistung in der Zukunft ohne weiteres Schadensersatz wegen Nichterfilllung fordern zu können und der Möglichkeit andererseits, infolge allein des Ausbleibens der Leistung in der Vergangenheit - im Falle des Schuldnerverzugs -900 durch Fristsetzung im Wege der§§ 283, 326 BGB den Übergang zum Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfiillung nur eben unter der Voraussetzung vorherigen Verzugseintritts herbeifUhren zu können, solle auch de lege ferenda Schadensersatz "statt Leistung" als Schadensersatz wegen Nichtleistung in der Zukunft, wenn die Übergangsmöglichkeit ihren Grund allein in der "Verzögerung der Leistung" findet, nur unter der weiteren Voraussetzung des Verzugs gemäß §§ 280 Abs. 2 Satz 2, 284 BGB-KE gefordert werden können. Eine solche Unterscheidung kann dem Reformentwurf jedoch nicht entnommen werden, der die Gliederung des geltenden Leistungsstörungsrechts in Ansprüche wegen Unmöglichkeit und solche wegen Verzugs - wie nicht zuletzt die Zusammenfassung der Ansprüche "statt der Leistung" in § 283 BGB-KE zeigt- ja Abschlußbericht, S. 139. Abschlußbericht, S. 137. 897 Dazu unten S. 255 ff. 895

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Abschlußbericht, S. 135 und unten S. 161 ff. Unten S. 168 ff. 900 Hierzu unten S. 184 ff.

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gerade aufgibt. Vielmehr wird durch § 280 Abs. 2 BGB-KE deutlich, daß sich de lege ferenda nur der Schadensersatz wegen Ausbleibens der Leistung in der Zukunft nach §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 283 BGB-KE und der Schadensersatz wegen Ausbleibens der Leistung in der Vergangenheit nach §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 284 BGB-KE gegenüberstehen sollen. Diese Unterscheidung betrifft die Art des Schadens, nicht die Art der Pflichtverletzung danach, ob der Anspruch des Gläubigers seinen Grund in der Herbeifilhrung der Unmöglichkeit oder im bisherigen Ausbleiben der Leistung fmdet. Es entspricht zudem ganz offensichtlich der Absicht der Reformer, mit §§ 280 Abs. 2 Satz 2, 284 BGB-KE entsprechend§ 286 Abs. 1 BGB nur den "Ersatz von Verzögerungsschäden" zu erfassen,901 fiir den auch weiterhin Verzug erforderlich sein soll,902 der seinerseits "neben der Pflichtverletzung nur ein zusätzliches Erfordernis fiir den Anspruch des Gläubigers auf Ersatz des Verzögerungsschadens" bilden soll.903 Anders könnte die Kommission ferner kaum ihr Ziel verfolgen, an Stelle des geltenden Rechts "mit seinen vielen Differenzierungen" eine einfache Lösung zu setzen.904 Zudem würde die Annahme, bereits zur wirksamen Fristsetzung nach § 283 Abs. 1 Satz 1 BGB-KE wäre Schuldnerverzug erforderlich, zu der merkwürdigen Konsequenz filhren, daß immer dann, wenn der Gläubiger den Verzug - wie es de lege ferenda gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 BGB-KE möglich sein soll - durch Bestimmung einer Frist herbeifiihrt, 905 zum Übergang auf Schadensersatz "statt der Leistung" eine zweite Fristsetzung erforderlich wäre. Mit dem Wortlaut des § 283 Abs. 1 Satz 1 BGB-KE wäre dies nicht mehr zu vereinbaren. Vor allem aber zeigt gerade diese geplante Änderung des § 284 Abs. 1 BGB-KE, wie die Zusammenhänge liegen: Durch die Bestimmung einer Frist nach Fälligkeit, "die den Übergang vom Primärleistungsanspruch auf den Schadensersatzanspruch einleitet", soll der Schuldner bei Nichtleistung nach §§ 284 Abs. 1 Satz 2 BGB-KE in Verzug geraten, 906 nach fruchtlosem Ablauf der Frist soll er nach § 283 Abs. 1 Satz 1 BGB-KE Schadensersatz "statt der Leistung" fordern können. § 286 BGB-KE kann demnach deshalb auf § 283 BGB-KE verweisen, weil der Schuldner durch Setzung der Frist des § 283 Abs. 1 Satz 1 BGB-KE immer schon im Verzug ist. Für § 283 Abs. 2, 1. Alt. BGB-KE muß man davon ausgehen, daß Verzug ohnehin nicht vorausgesetzt werden kann, wenn man nicht Schadensersatzansprüche des Gläubigers bei Unmöglichkeit erst ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit eintreten lassen will - es sei denn man hielte aufgrund § 284 Abs. 2 Nr. 3 BGB-KE mit der Mahnung auch 901 Abschlußbericht, S. 131. 902

Abschlußbericht, S. 31.

903 Abschlußbericht, S. 30. 904 Vgl. Abschlußberi