176 73 14MB
German Pages 198 [204] Year 1993
Reihe Germanistische Linguistik
141
Herausgegeben von Helmut Henne, Horst Sitta und Herbert Ernst Wiegand
Gisbert Keseling
Schreibprozeß und Textstruktur Empirische Untersuchungen zur Produktion von Zusammenfassungen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1993
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Keseling, Gisbert: Schreibprozess und Textstruktur: empirische Untersuchungen zur Produktion von Zusammenfassungen / Gisbert Keseling. - Tübingen : Niemeyer, 1993 (Reihe Germanistische Linguistik ; 141) NE: GT ISBN 3-484-31141-X
ISSN 0344-6778
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1993 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt. Einband: Industriebuchbinderei Hugo Nadele, Nehren.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
IX
1.
Einleitung
1
1.1
Vorhaben
1
1.2 1.2.1
Ausgewählte Arbeiten zur Textproduktion Van Dijk/Kintschs Modell zur Textrezeption und Produktion von Zusammenfassungen Das Modell zur schriftlichen Textproduktion von Flower und Hayes Empirische Untersuchungen Anmerkungen zur Reichweite des Modells von Flower und Hayes
2
15
Einige Anforderungen an eine Theorie der schriftlichen Textproduktion. Das Kategorienpaar "normal" vs. "abweichend"
17
1.4
Das Vorhaben im einzelnen
20
1.5
Zur Aufnahme- und Transkriptionstechnik, zu den Interviews und zu den acht Versuchspersonen Versuchsanordnung Zu den einzelnen Versuchspersonen
23 23 24
2.
Aktivitäten während der Lektürephase
28
2.1
Randnotizen
28
2.2 2.2.1
Markierungen Vertikale Markierungen
34 36
2.2.2
Horizontale Markierungen
39
2.3
Schlußfolgerungen
41
2.4
Interviewäußerungen zur Lektürephase
42
3.
Aktivitäten in der Zeitspanne zwischen Abschluß der Lektüre und Beginn der Niederschrift. Skizzen, Stichworte, Gliederungen
45
Äußerungen in den Interviews
45
1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.3
1.5.1 1.5.2
3.1
3 7 12
VI 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4
4. 4.1. 4.1.1 4.1.2
4.1.3 4.2 4.2.1
Der erste Satz Interviewäußerungen zu den Anfangsschwierigkeiten Objektive Probleme beim Formulieren des ersten Satzes Strategien beim Formulieren der nicht-ersten Sätze Strategien zur Lösung der objektiven Probleme beim Formulieren des ersten Satzes
55
Rekonstruktion der Makro-Aktivitäten während der Schreibphase
58
Zur Makrostruktur des Aufsatzes Allgemeine Merkmale dieser Textsorte Merkmale der äußeren Form: Inhalt und Aufbau a) Die formale Gliederung im Primärtext b) Die inhaltlichen Komplexe des Aufsatzes; das "AufsatzSkript" Kohärenz der Kapitel, Unterkapitel und inhaltlichen Komplexe; Kohärenz der Einheiten innerhalb der Kapitel
49 51 53 53
59 60 61 61 63 64
4.2.3 4.2.4
Zur Makrostruktur der Zusammenfassungen Allgemeine Merkmale zur kommunikativen Hauptfunktion, Darstellungsform usw Merkmale der äußeren Form: Inhalt und Aufbau a) Absatzgliederung und thematische Komplexe in den Zusammenfassungen b) Der Begriff der "Skripteinheit" mit den Elementen "Kopf und "Rumpf' Kohärenz Vergleich mit den Germanistik-Referaten
69 71 72
4.3
Rekonstruktionsversuch an einem ausgewählten Beispiel
74
4.4 4.4.1
85
4.4.3 4.4.4
Überlegungen zu einem Textproduktionsmodell Der Zusammenhang zwischen Vorarbeiten und der Erzeugung von Makrostrukturen. Die Kopf-RumpfVereinigung Reihenfolge der Aktivitäten. Vorausplanung, globale Planung und lokale Planung Zu den Repräsentationen der geplanten Texteinheiten Veränderungen
5.
Zur Genese von Formulierungen
106
5.1
Formulierungstypen
108
5.2
Zur Genese von Umformulierungen
116
5.3
Zur Genese von Neuformulierungen
119
4.2.2
4.4.2
66 67 68 68
87 90 95 97
VII 5.4
Umformulierung und Neuformulierung - zwei grundsätzlich unterschiedliche Formulierungstypen?
126
6.
Abweichungen
129
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6
Sprachliche und inhaltliche Abweichungen Fehler oder Ungenauigkeiten in der Syntax Fehler oder Ungenauigkeiten bei der Wortfindung Kohärenzfehler Verstöße gegen sonstige textuelle Regeln Inhaltliche Fehler Stark redundante Darstellung
129 129 130 131 132 132 134
6.2
Prozedurale Abweichungen
135
6.3
Ergebnisse
137
7.
Überlegungen zu einer Theorie des Formulierens
138
8.
Ergebnisse
146
Abbildungsverzeichnis
153
Anhang 1 (Primärtext)
155
Anhang 2 (Zusammenfassungen)
164
Literatur
177
Register
185
Vorwort
Beim Schreiben dieses Buches haben mich viele Freunde, Kollegen und Mitarbeiter unterstützt. Allen voran danke ich Cornelia Rau und Arne Wrobel für die zahlreichen Diskussionen, ohne die der Text in der vorliegenden Form nicht hätte entstehen können. Für die Erstellung des Materials, der Transkriptionsund Korrekturarbeiten danke ich Frank Boucsein, Dörte Graul, Sabine Gerbich, Monika Hoffmann, Dagmar Laukel, Ursula Losekant-Hofmann, Annegret Neßwetha, Ulrike Petersen, Christel Scherer, Roland Schmitt-Raiser, Regina Steil, Lutz Steputis und Michael Wescher. Mein ganz besonderer Dank gilt Christiane Schönfeldt, die die Schlußredaktion und die Vorbereitung des Textes für den Druck übernommen hat, und Klaus Kirchmeyer, der uns in Fragen der Druckvorlage beraten hat. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die Gewährung einer Sachbeihilfe in den Jahren 1984 bis 1988 und für die finanzielle Unterstützung einer Reise zu den Schreibforschungszentren in den USA und in Kanada.
1. Einleitung
1.1 Vorhaben Anders als Sprechen gehört Schreiben zu den Fähigkeiten, die im Verlauf der Menschheitsgeschichte erst spät entwickelt worden sind. Es gilt vielfach als schwer, und es wird nicht wie Sprechen mehr oder weniger selbstverständlich und 'nebenbei' gelernt, sondern für die Aneignung sind langwierige und eigenständige Aktivitäten erforderlich: zuerst der Erwerb der manuellen Fähigkeiten, der Umgang mit den Schreibwerkzeugen, die Aneignung der graphischen Symbole und der Orthographie und dann, als letzte und langwierigste Phase, die Aneignung der Fähigkeit, mit der Schriftsprache aktiv umzugehen, Gedanken in Worte zu fassen und nicht nur einzelne Äußerungen, sondern ganze Texte zu Papier zu bringen. Dieser Lernprozeß hört nicht auf. Im Gegensatz zu vielen handwerklichen Fähigkeiten gibt es hier nicht den Schlußpunkt, an dem wir behaupten können, wir beherrschen die entsprechende Fähigkeit jetzt, sondern mit jedem neuen Sachgebiet oder jeder neuen Textsorte tun sich emeut Schwierigkeiten auf. Ein Schriftsteller, der bereits seine ersten Romanerfolge gehabt hat, ist damit noch lange nicht in der Lage, ein Theaterstück oder ein Filmdrehbuch zu verfassen, oder ein Jurist, der gewohnt ist, Rechtstexte zu verfassen, dürfte Schwierigkeiten bekommen, wenn er zu dem gleichen Gegenstand einen allgemeinverständlichen Zeitungsartikel schreiben will. Den meisten Schreibern sind solche Probleme bewußt. Klagen über die Schwierigkeiten, die Gedanken in eine geordnete Reihenfolge zu bringen, nicht zu wenig und nicht zu viel zu sagen, einen nicht nur sachlich richtigen, sondern zugleich 'gut geschriebenen' Text zustande zu bekommen, die richtigen Ausdrücke oder den 'Ton' einer Textart zu treffen, Mißverständnisse zu vermeiden, um nur einige der vielen Probleme zu nennen, finden wir nicht nur bei sogenannten Laien, sondern gerade auch bei professionellen Autoren, deren Selbstzeugnisse oft voll sind von Reflexionen über ihre Tätigkeit. Diese Schwierigkeiten spiegeln sich auch in der Schulpraxis und in der wissenschaftlichen Literatur wider: In vielen Ländern wird heutzutage vom dritten bis zum letzten Schuljahr Aufsatzschreiben gelehrt, in den USA ist Schreiben (composition) sogar Pflichtfach für Studienanfänger; und zu keinem anderen Unterrichtsgegenstand wird in Gestalt von Anleitungen und Methodikbüchern so viel nachgedacht wie zum schriftlichen Ausdruck. In Amerika sind diesem Gegenstand sogar mehrere Zeitschriften gewidmet, 1 und seit etwa zwei Jahrzehnten gibt es auch einen Wissenschaftszweig, die empirische Schreibforschung, in der mit Hilfe von Video- und Tonbandaufzeichnungen der Schreibprozeß festgehalten und untersucht wird.
Z.B. College Composition and Communication und College English.
2 Die vorliegende Untersuchung gehört in den Umkreis dieser prozeßorientierten Schreibforschung. Am Beispiel von Zusammenfassungen werde ich der Frage nachgehen, was Schreiben schwer macht und welche Techniken geübte Schreiber anwenden, um mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden. Es wird dabei um subjektive und objektive Schwierigkeiten gehen, also zum einen um die in den nachträglichen Interviews (s. unten) festgehaltenen 'Klagen' der Versuchspersonen über ihre Probleme und zum anderen um die Frage, was beim Schreiben tatsächlich schwer ist, i.e. welche Probleme der Autor einer Zusammenfassung vor und während der Niederschrift lösen muß und welche Strategien er zu diesem Zweck entwickelt. Ziel ist dabei nicht ein Modell, in dem die Textproduktion oder der Schreibprozeß allgemein abgebildet werden, sondern ein textsortenspezifisches und praxisnahes Modell, das in erster Linie den bewußtseinsfähigen Aufgaben und Aktivitäten beim Zusammenfassen eines wissenschaftlichen Textes Rechnung trägt und abbildet, wie geübte Autoren dabei vorgehen. Die Textsorte Zusammenfassung habe ich gewählt, weil sich die Textproduktion hier im Vergleich zu anderen Textsorten besonders gut beobachten läßt. Anders als z.B. in den meisten narrativen oder argumentierenden Texten ist hier der Gegenstand, i.e. der zusammenzufassende Text, der Wahrnehmung des Forschers zugänglich, und es ist möglich, im nachhinein zu rekonstruieren, was der Schreiber daraus im Zieltext gemacht hat.
1.2 Ausgewählte Arbeiten zur Textproduktion Ehe ich meine Fragestellung präzisiere, referiere ich zunächst einige Antworten, die in der neueren Forschung zur Textproduktion zu diesem Fragenkomplex erarbeitet worden sind. Dabei ist allerdings anzumerken, daß die Frage nach den speziellen Schwierigkeiten beim Schreiben und den Strategien zu deren Lösung in den meisten empirischen Untersuchungen nicht in dieser Form gestellt ist, sondern daß hier in der Regel andere Themen mit anderen Zielsetzungen behandelt werden, die mit meiner Fragestellung allerdings verwandt sind. Ich verzichte deshalb auf einen Forschungsüberblick zur Textproduktion und Schreibforschung und verweise auf Humes (1983), Faigley et al. (1985), Freedman et al. (1987), Antos (1989), Baurmann (1989) und Wrobel (im Druck). Vielmehr habe ich die Arbeiten, auf die ich im folgenden eingehe, ausgewählt, weil hier Aspekte zur Sprache kommen, aus denen Antworten auf die obigen Probleme abgeleitet werden können. Es handelt sich (a) um die Modelle zur Textrezeption und Textreproduktion von van Dijk und Kintsch, (b) um das Modell zur schriftlichen Textproduktion von Flower und Hayes und (c) um empirische Untersuchungen speziell zur Produktion von Zusammenfassungen.
3 1.2.1
Van Dijk/Kintschs Modell zur Textrezeption und Produktion von Zusammenfassungen
Vorstufen dieser Texttheorie reichen in die frühen siebziger Jahre zurück (van Dijk 1972 und Kintsch 1970). Seitdem haben die beiden Autoren - zuerst getrennt und später gemeinsam, ersterer unter anderem mit Kategorien der generativen Grammatik und letzterer aus der Sicht der kognitiven Psychologie - ihre Modelle mehrfach revidiert und auch empirisch überprüft.2 Dem folgenden Referat liegen die Texte van Dijk (1979), van Dijk/Kintsch (1978) und Kintsch/ van Dijk (1978) zugrunde.3 Ziel dieser Aufsätze ist die Rekonstruktion der mentalen Operationen, die den Prozessen der Textrezeption und der Textreproduktion (Erinnern und/oder Zusammenfassen von Texten) zugrunde liegen. Die Bedeutung eines Textes ist nach van Dijk und Kintsch im episodischen Gedächtnis als Textbasis und als Makrostruktur repräsentiert. Die Textbasis besteht aus einer an der Textoberfläche orientierten kohärenten Folge von Propositionen. Die Makrostruktur besteht demgegenüber aus einer Menge von Makropropositionen, die die wesentlichen Aussagen des Textes wiedergeben. Makrostrukturen sind hierarchisch organisiert: auf der untersten Ebene enthalten sie relativ viele Propositionen, und auf den nächsthöheren Ebenen nimmt die Anzahl sukzessive ab, bis dann auf der höchsten Ebene die Makrostruktur nur noch aus einer einzigen Makroproposition besteht, nämlich dem Thema (topic) des betreffenden Textes, das in der Oberflächenform z.B. als Überschrift dargestellt sein kann. All diese Makrostrukturen beschreiben dieselben Tatsachen, aber von j e globaleren Standpunkten aus gesehen. Für die Produktion von Zusammenfassungen ist nun wichtig, daß nach Ansicht von van Dijk und Kintsch der Rezipient beim Lesen eines Textes auch dann Makrostrukturen bildet, wenn er nicht beabsichtigt, von dem Text eine Zusammenfassung zu produzieren. Zwischen den Propositionen der Textbasis und den Makropropositionen existieren systematische Beziehungen, die in Form von semantischen Abbildungsregeln (semantic mapping rules) dargestellt werden können. Solche Makroregeln haben die Aufgabe, mikrostrukturelle Informationen in makrostrukturelle Informationen umzuwandeln, i.e. sie zu reduzieren und umzuorganisieren, wobei gilt, daß die Wahrheit und die Bedeutung der aus den Mikropropositionen abgeleiteten Makropropositionen erhalten bleibt. Drei Regeltypen oder Makrooperatoren werden unterschieden: "1. Tilgung: Jede Proposition, die weder eine direkte noch indirekte Interpretationsbedingung für eine nachfolgende Proposition ist, kann getilgt werden. 2. Verallgemeinerung: Jede Folge von Propositionen kann durch die allgemeine Proposition (general proposition) ersetzt werden, die den unmittelbaren Oberbegriff (super-concept) der Mikropropositionen bezeichnet. 3. Konstruktion: Jede Folge von Propositionen kann durch eine Proposition ersetzt werden, die eine globale Tatsache bezeichnet, von
Eine ausführliche Darstellung der Arbeiten von van Dijk bis zum Jahr 1975 findet sich in Gülich/Raible (1977:250-279). A u f die für unseren Zusammenhang nicht wichtigen Änderungen der Theorie (z.B. van Dijk/Kintsch 1983) kann ich hier nicht eingehen.
4 der die durch die Mikropropositionen bezeichneten Tatsachen normale Bedingungen, Folgen oder Komponenten sind" (Kintsch/van Dijk 1978:366f., von mir übersetzt, G.K.). Für die Anwendbarkeit dieser Makroregeln ist neben dem jeweiligen Kontext, in dem eine Proposition steht, das Schema oder die schematische Superstruktur der jeweiligen Textart wichtig. Darunter werden die globalen Strukturen verstanden, die unabhängig vom jeweiligen Inhalt den Typ eines Textes kennzeichnen, z.B. die Textart 'Erzählung', 'psychologischer Aufsatz' oder 'Zeitungsbericht'. Bei der Textrezeption erleichtert die Kenntnis des jeweiligen Schemas das Erinnern und Reproduzieren von Makrostrukturen; es legt unter anderem fest, welche Mikropropositionen oder Verallgemeinerungen von Mikropropositionen wichtig sind, und damit auch, welche Teile des Textes zu der wesentlichen Aussage gehören. Das bei der Textrezeption wirksame Schema können wir uns nach Kintsch/van Dijk als eine Folge von Leerstellen vorstellen, die der Rezipient bei der Lektüre ausfüllt. So sind z.B. psychologische Aufsätze konventionellerweise in die Abschnitte oder Kapitel 'Einführung 1 , 'Methode', 'Ergebnisse' und 'Diskussion' aufgeteilt, die als Leerstellen fungieren, bei der Textrezeption ausgefüllt werden und auf diese Weise für die richtige Interpretation der entsprechenden Textteile sorgen. Auch bestimmte Ziele oder Aspekte, unter denen Texte gelesen werden, gehören zum Schema. Zusammenfassungen usw. enthalten nun neben der rezeptiven Aufgabe noch einen produktiven Teil, durch den auf der Grundlage des erinnerten Textmaterials ein neuer Text hergestellt wird. Dieser ist nicht eine einfache Wiederholung der im Gedächtnis repräsentierten Makrostruktur des Primärtextes, sondern eine Umwandlung, derart daß je nach der Art der Aufgabe und dem Wissen des Adressaten Details getilgt oder hinzugefügt werden. Die hier erforderlichen Transformationen können sowohl auf der Ebene der Mikrostruktur als auch auf der Ebene der Makrostruktur oder der schematischen Superstruktur angewendet werden. Im einzelnen werden unterschieden: Änderung der Reihenfolge (reordering), Explikation von Kohärenzbeziehungen zwischen Propositionen, lexikalische Substitutionen und Perspektiven Wechsel. Darüber hinaus wird zwischen den Operationen Reproduktion und Rekonstruktion unterschieden. Mit Hilfe der ersteren wird aus den direkt zugänglichen Gedächtnisspuren von dem Primärtextinhalt (i.e. den Mikro- und den Makropropositionen) eine (neue) Textbasis erzeugt, die als Eingabe für die weitere produktive Textverarbeitung dient. - Mit Hilfe der zweiten Operation, der Rekonstruktion, werden immer dann, wenn Mikro- und Makroinformationen nicht mehr direkt zugänglich sind, die erforderlichen Informationen aus den noch auffindbaren Gedächtnisspuren erschlossen. Im Modell sind dafür drei Rekonstruktions-Operatoren vorgesehen: (a) Hinzufügung von plausiblem Detail und von normalen Eigenschaften, (b) Partikularisierung und (c) Spezifikation von normalen Bedingungen, Komponenten oder Konsequenzen von Ereignissen. Obwohl hier Irrtümer vorkommen, werden die Rekonstruktionsoperatoren nicht blind angewendet, sondern sie werden von den Superstrukturen kontrolliert,
5 derart daß nur Rekonstruktionen, die in das Schema passen, produziert werden, (a) bis (c) bilden die Umkehrung der Makrooperatoren. Dieses Modell wurde getestet, indem Versuchspersonen aufgefordert wurden, zu vorgegebenen Texten, unter anderem einer Geschichte aus Boccaccios Decamerone (van Dijk/Kintsch 1978) und einem Zeitschriftenaufsatz zum Thema Verfolgungswahn (Kintsch/van Dijk 1978) schriftliche Zusammenfassungen zu produzieren. Zu diesen Texten wurden unterschiedliche Erinnerungs- und Reproduktionsaufgaben gestellt. Speziell zu der Geschichte sollten z.B. jeweils verschiedene Probanden a) ein Recall-Protokoll anfertigen, i.e. die gesamte Geschichte aus der Erinnerung aufschreiben und b) ein Abstract davon herstellen. Es zeigte sich, daß beide Textformen Aussagen über die wichtigsten Ereignisse der Geschichte enthielten und daß die Recall-Protokolle im Vergleich zu den Abstracts noch mehr Details aufwiesen. Die Recalls wurden dementsprechend als Abstracts plus Detail gekennzeichnet. Auf eine Reihe weiterer Experimente kann ich hier nicht eingehen. Die wichtigsten Schlußfolgerungen, die in van Dijk/Kintsch (1978) und Kintsch/van Dijk (1978) zusammengefaßt sind, sind die folgenden: Die erinnerte Repräsentation einer Geschichte besteht aus der Makrostruktur plus einigen Mikrostruktur-Propositionen, die mit den entsprechenden übergeordneten Makrostruktur-Propositionen assoziiert sind. Wenn Versuchspersonen zu der Recall-Aufgabe aufgefordert werden, benutzen sie die Makrostruktur als Stütze (cue) zum Auffinden weiteren Materials, wobei sie sowohl Makrostrukturen wie auch die noch verfügbaren Mikropropositionen produzieren und diese durch plausible Rekonstruktionen ergänzen. Bei dem Abstract beziehen sie sich dagegen direkt auf die im Gedächtnis gespeicherte Makrostruktur. Makrostrukturen werden generell besser erinnert als Mikrostruktur-Propositionen (van Dijk/ Kintsch 1978). Bei der Beurteilung des Modells in Hinblick auf meine Fragestellung ist zunächst anzumerken, daß der Schwerpunkt des Modells ähnlich wie in früheren Arbeiten auf der Textgrammatik und Textrezeption liegt und daß die Aussagen der Autoren zur Textproduktion, wenn ich sie richtig verstehe, in erster Linie dem Nachweis der Verflechtung von textrezeptiven und textproduktiven Prozessen dienen sollen. Für die Frage nach den speziellen Schwierigkeiten beim Zusammenfassen von Texten, mit denen sich die Autoren allenfalls indirekt befassen, scheinen mir die Ergebnisse jedoch in mehrfacher Hinsicht interessant: 1. Der für unseren Zusammenhang wichtigste Punkt liegt m.E. in dieser Verflechtung von textrezeptiven und textproduktiven Prozessen: Um einen Text zusammenzufassen, so möchte ich die Ergebnisse auslegen, muß ein Autor nicht am Punkt Null anfangen, sondern er kann (und wird) sich dabei die Repräsentation der Makrostruktur und die Gedächtnisspuren der Mikrostrukturen zunutze machen, und er kann dies insbesondere deswegen, weil das Verstehen eines Textes mehr oder weniger automatisch mit der Bildung von Makrostrukturen Hand in Hand geht. Etwas überspitzt formuliert bedeutet dies, daß die beim Zusammenfassen anzuwendende Strategie nicht erst bei der Schreibaufgabe entwickelt werden muß, sondern daß der Autor hier auf eine im Zusammenhang
6 mit Lesen oder Hören von Texten en passant erworbene Strategie zurückgreifen kann. 2. Wenn es zutrifft, daß Makrostrukturen mit Hilfe von semantischen Abbildungsregeln mikrostrukturelle Informationen in makrostrukturelle Informationen umwandeln und daß dabei die drei Makrooperatoren Tilgung, Verallgemeinerung und Konstruktion gebildet werden, dann folgt daraus, daß auch die Schreiber von Zusammenfassungen solche Operationen anwenden, und zwar gemäß dem Punkt 1 nicht erst beim Schreiben, sondern bereits beim (ersten) Lesen des Primärtextes. Auch diese Strategie, so scheint es, muß also nicht erst speziell für die Schreibaufgabe aufgebaut werden, sondern die Autoren von Zusammenfassungen haben sie lange vorher erworben und müssen sie lediglich auf den vorliegenden Text anwenden. 3. Von diesen Rezeptionsregeln sind dann offenbar Produktionsregeln zu unterscheiden, die dazu dienen, die Makrostrukturen in die jeweilige Zieltextstruktur umzuwandeln, z.B. lexikalische Substitutionen und Perspektivenwechsel. Mit Hilfe dieser Regeln werden also Primärtextstrukturen in Zieltextstrukturen umgewandelt. Anders als die Makrooperatoren sind sie nicht ohne den (geplanten) Zieltext denkbar und für sie gilt nicht, daß der Schreiber einer Zusammenfassung auf sie als genuin rezeptionsbezogene Strategien zurückgreifen kann. Vielmehr muß er sie relativ zu dem jeweiligen Zieltexttyp von Fall zu Fall neu aufbauen oder sie aus seinem Wissen über die textuelle Struktur des Zieltextes abrufen. 4. Sowohl für die Rezeption wie auch für die Produktion ist die Kenntnis der jeweiligen schematischen Superstrukturen wichtig, wobei zwischen der Superstruktur des Primärtextes und der Superstruktur des Zieltextes zu unterscheiden ist. Ohne Kenntnis beider Superstrukturen, so müssen wir folgern, ist angemessenes Zusammenfassen nicht möglich. Um z.B. zu einem Text in einer psychologischen Fachzeitschrift ein Abstract zu schreiben, muß der Verfasser erstens in der Lage sein, mit Hilfe der Kenntnis des Schemas den Primärtext der Textsorte 'psychologischer Aufsatz' zuzuordnen, und er muß zweitens wissen, wie Abstracts aufgebaut sind, wie lang sie normalerweise sein dürfen und welche Informationen darin enthalten bzw. nicht enthalten sein sollten. Das Modell enthält also eine Reihe von Hinweisen, die auch für praxisbezogene Forschungen von Interesse sein können. Ein Nachteil ist allerdings darin zu sehen, daß van Dijk/Kintschs Modell einen Reproduktionsprozeß darstellt, der nur für die Produktion von Zusammenfassungen unter speziellen Bedingungen zutrifft: Der zu reproduzierende Text war den Versuchspersonen während der Reproduktionsphase, i.e. während des Schreibens der sog. Protokolle usw. nicht mehr zugänglich, so daß sie ausschließlich auf ihr Gedächtnis angewiesen waren. Für die Untersuchungszwecke (z.B. Testen des Modells) war diese Bedingung natürlich unerläßlich, da es den Autoren speziell um Reproduktionen aus dem Gedächtnis ging. Nur läuft in der Praxis schriftliches Reproduzieren in der Regel nicht so (von Prüfungen usw. vielleicht abgesehen). Die Primärtexte sind im allgemeinen zugänglich, und gute Autoren werden auch während des Schreibens darauf zurückgreifen, wenn sie es für notwendig erachten. Genau diesen Prozeß des sekundären oder tertiären Lesens
7 bildet das Modell nicht ab. Der Normalfall, daß Autoren ihre Zusammenfassung zum Teil aus der Erinnerung und zum Teil mit Hilfe von (selektivem) Nachlesen produzieren, und die vielfältigen Nuancen zwischen den beiden Extremen - der Produktion ausschließlich aufgrund von Erinnertem und der Produktion ausschließlich durch Nachlesen - bleiben unberücksichtigt. Ein zweiter Nachteil besteht darin, daß das Modell zwar Auskunft über Prozesse bzw. Strategien gibt, daß es aber keine Aussagen über spezielle Schwierigkeiten macht, die die Versuchspersonen beim Schreiben ihrer Texte zu überwinden haben. Mit anderen Worten: In dem Modell werden zwar sehr exakt eine ganze Reihe von Operationen beschrieben, aus denen auch deutlich wird, auf welche Weise welche Strukturen umgewandelt werden und welche neuen Strukturen dabei entstehen, aber entsprechend dem Modellcharakter der Aussagen bleibt dabei offen, welche Operationen oder Teiloperationen mit genau welchen vom Schreiber tatsächlich zu lösenden Problemen verbunden waren, ob der Schreiber sich dieser Probleme bewußt war, oder ob die Probleme eher im Sinne von Routinen gelöst werden konnten. Auf diesen letzten Punkt gehe ich noch etwas ausführlicher ein. In dem Modell, wie es van Dijk/Kintsch hier entwerfen, fehlen Entscheidungsknoten, und für die Prozesse, die das Modell darstellen soll, mögen Entscheidungsknoten, also die Einbeziehung des denkenden Subjekts, vielleicht auch entbehrlich sein. Für die Darstellung von Schreibprozessen, bei denen ein wesentliches Ziel gerade die Einbeziehung gängiger Schreibpraktiken ist, sind sie es jedoch nicht. Wie später zu zeigen sein wird, sind realitätsnahe Schreibprozesse durchsetzt von Entscheidungen, einerlei um welche Textsorte es sich dabei handelt. Auch für Zusammenfassungen gilt dies. Wie lang eine Zusammenfassung werden soll, welchem Zweck sie dient, für welche Adressaten sie gedacht ist und welches Vorwissen vorausgesetzt werden kann, dies alles sind Entscheidungen, die häufig gerade nicht routinemäßig getroffen werden können, sondern bewußte Planungen voraussetzen.
1.2.2
Das Modell zur schriftlichen Textproduktion von Flower und Hayes
Flower und Hayes gehören inzwischen zu den Klassikern der empirischen Schreibforschung. In ihrem mehrfach revidierten, in den Grundaussagen aber kaum geänderten Modell, dessen formale Eigenschaften dem Problemlösungsmodell von Newell/Simon (1972) entlehnt sind, fassen sie die wichtigsten Ergebnisse ihrer empirischen Untersuchungen zusammen. Anders als das Modell von van Dijk und Kintsch ist der Zweck dieses Modells nicht oder nicht primär die Darstellung oder Erklärung der kognitiven und textgrammatischen Prozesse beim Verstehen von Texten und der darauf basierenden Produktion von Zusammenfassungen, sondern es soll Schreibprozesse, so wie sie in der Realität bei geübten Schreibern beobachtbar sind, abbilden. Unter anderem soll es als Diagnoseinstrument für Schreibstörungen dienen. Im Vergleich zu van Dijk/Kintsch ist das Modell einerseits genereller, indem es sich nicht nur auf die Produktion von Zusammenfassungen, sondern auf die
8 Produktion aller Textsorten bezieht, und es ist andererseits spezieller, indem die Textrezeption nicht einbezogen ist. Es stehen auch nicht theoretische Überlegungen am Anfang, sondern das Modell ist aus Analysen von sog. Protokollen lauten Denkens hervorgegangen. - Ich beziehe mich in meiner Darstellung hauptsächlich auf Hayes/Flower (1980). Die Versuchspersonen, zumeist Studenten und insbesondere die Teilnehmer an den (an amerikanischen Universitäten für Studierende aller Fächer obligatorischen) Schreibkursen erhielten eine Schreibaufgabe und wurden aufgefordert, alle ihnen beim Schreiben und bei der vorausgehenden Planung durch den Kopf gehenden Gedanken laut auszusprechen. Die Tonbandmitschnitte dieses lauten Denkens wurden zusammen mit den Entwürfen und den endgültigen Texten in Hinblick auf die Aktivitäten ausgewertet, die geübte Schreiber vor und während des Schreibprozesses typischerweise ausführen. Gleichartige oder ähnliche Aktivitäten wurden dabei zu Komponenten und Subkomponenten des Schreibprozesses zusammengefaßt. Aufgrund von inhaltlichen und formalen Merkmalen ließen sich die Protokollelemente einteilen in: 1. Äußerungen, deren Inhalt darauf hindeutet, daß die Versuchsperson sich ab sofort mit der Produktion von Ideen usw. beschäftigt (z.B. And what J'll do now is to simply jot down random thaughts oder Organizing nothing äs yet), 2. Äußerungen, die darauf hindeuten, daß ab sofort die bereits gesammelten Ideen organisiert, d.h. in eine Reihenfolge gebracht werden (z.B. Now I think it's time to go back and read over the material and elaborate on its Organization), und 3. Äußerungen, die darauf hindeuten, daß sich die Versuchsperson mit der Textformulierung beschäftigen wird (z.B. Let's try and write something). Auf den vierten Typ, der auf Revisionsaktivitäten hinweist, gehe ich hier nicht ein. Kommentare vom Typ 1 und Typ 2 enthalten häufig isolierte Wörter oder Phrasen, Typ 2 zusätzlich Hinweise auf numerierte oder alphabetisierte Abschnitte usw., während in Typ 3 ausformulierte Sätze und Kommentare mit einem Fragewort enthalten sind, welches darauf hindeutet, daß die Versuchsperson gerade nach der Fortsetzung einer Formulierung sucht. Aus inhaltlichen und formalen Hinweisen dieser Art wurde geschlossen, daß der Schreibprozeß in die vier Komponenten G E N E R A T I N G (Erzeugen von Ideen, "topics" usw.), O R G A N I Z I N G (Anordnung der Ideen zu einem Schreibplan, i.e. Herstellung einer zeitlichen oder hierarchischen Ordnung), T R A N S L A T I N G (Umwandlung der geordneten Ideenfolge in einen fertigen Text oder in einen Textentwurf) und R E V I E W I N G aufgeteilt werden kann. Die Komponenten G E N E R A T I N G und O R G A N I Z I N G werden zu der Hauptkomponente P L A N N I N G zusammengefaßt. Sie umfaßt alle Aktivitäten, die der Niederschrift des Textes oder der Niederschrift von Textteilen, also dem Übersetzen in der Terminologie von Flower und Hayes, vorausgehen, und enthält außerdem noch eine Subkomponente G O A L S E T T I N G , in der Ziele in bezug auf die Beschaffenheit des zu produzierenden Textes wie z.B. 'Lesbarkeit' oder 'Übergang zum Folgenden' festgesetzt werden. Dieses Modell ist eingebettet in den Kontext, in dem es operiert, i.e. in die Aufgabenumgebung mit der Schreibaufgabe, dem schon produzierten Text und dem Langzeitgedächtnis (Abb. 1).
9 TASK ENVIRONMENT WRITING ASSIGNMENT
Topic Audience motivating cues
TEXT PRODUCED SO FAR
TRANSLATING
REVIEWING
THE WRITER'S LONG TERM MEMORY
PLANNING
knowledge of topic
ORGANIZING I
[READING] . * ~
knowledge of audience
GOAL SETTING
EDITING
stored writing plans
Abb. 1
Struktur des Schreibprozesses (Zeichnung nach H a y e s / F l o w e r ( 1 9 8 0 ) und Flower/Hayes (1984))
Im einzelnen operiert das Modell wie folgt: Der Prozeß beginnt mit der Subkomponente G E N E R A T I N G (Ideenerzeugung): Ideen (topics) werden aus dem Langzeitgedächtnis gewonnen, und zwar in Form von assoziativen Ketten, wobei jedes item in Hinblick auf seine Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit geprüft wird. Wird es als unbrauchbar befunden, wird der Prozeß vorübergehend unterbrochen, und zwar so lange, bis ein brauchbares item gefunden worden ist. Dieses kann in Form einer Notiz (ein einfaches Wort, ein Satzfragment und manchmal auch ein vollständiger Satz) festgehalten werden (s. Abb. 2). Die Funktion der zweiten Subkomponente, O R G A N I Z I N G , besteht darin, die in der Subkomponente G E N E R A T I N G gesammelten und als nützlich befundenen Ideen in einem Schreibplan zu organisieren. Dieser Schreibplan ist entweder zeitlich strukturiert (Kommentartyp 'Erst A, dann B') oder hierarchisch (Kommentartyp: 'Unter Punkt 1 sind ich A, B und C zu diskutieren'). Die Hauptkomponente T R A N S L A T I N G operiert wie folgt: Es wird angenommen, daß das Langzeitgedächtnis unter anderem Propositionen und komplexe Netzwerke von Bildern, Vorstellungen etc. enthält. Beim Umsetzen dieser Propositionen und Bilder zu Formulierungen läßt sich der Textproduzent von seinem Schreibplan, i.e. von den geordneten Ideen usw. leiten und arbeitet diese sukzessive ab. Beim Verbalisieren der einzelnen Idee folgt er Regeln, die in dem folgenden Schema (Abb. 3) abgebildet sind:
10
Abb. 2
GENERATING (Zeichnung nach Hayes/Flower 1980)
Abb. 3
TRANSLATING (Zeichnung nach Hayes/Flower 1980)
11 Charakteristisch für den Regelmechanismus sind die beiden folgenden Eigenschaften: 1. Die Regeln operieren rekursiv; i.e. die drei Regeln (1) 'aktualisiere den nächsten Teil des Schreibplans', (2) 'plane den nächsten Satz und suche Propositionen', (3) 'verbalisiere den jeweils nächsten Propositionsteil' werden so oft angewandt, bis der entsprechende Teil des Schreibplans bzw. der entsprechende Satz bzw. der entsprechende Propositionsteil realisiert ist. Ein Kontrollmechanismus (Sentence done? Part done? Plan dorn?) sorgt dafür, daß Segmente als abgeschlossene oder nicht abgeschlossene Sätze, Planeinheiten oder ganze Pläne identifiziert werden und dementsprechend bei Bedarf entweder Regel (3), Regel (2) oder Regel (1) erneut angewandt wird. 2. Die Regeln tragen der Tatsache Rechnung, daß ein Satz entweder an einem Stück geplant und hervorgebracht wird oder stückweise in Form von Propositionsteilen und daß nicht abgeschlossene Propositionsteile im lauten Denken häufig von einem Fragewort gefolgt werden, das einen Suchprozeß anzeigt (fingiertes Beispiel: Rousseau ... Rousseau, what? Rousseau displayed ...., Hayes/ Flower 1980:15). Im Modell wird dies in der Weise abgebildet, daß mit Regel (3) entweder ein vollständiger Satz erzeugt werden kann oder - alternativ - ein als "probe" bezeichneter Mechanismus in Gang gesetzt wird, bei dem - unter anderem - zuerst das bereits erzeugte Teilsatz-Segment wiederholt wird und nach erneuter, vorerst erfolgloser Anwendung der Regel (3) ('verbalisiere den nächsten Propositionsteil') zuerst ein Fragewort und anschließend der gesuchte Propositionsteil formuliert wird. Die letzte Hauptkomponente des Modells ist die Revision ( R E V I E W I N G ) , deren Funktion die Verbesserung des geschriebenen Textes ist. Sie besteht aus den Teilkomponenten R E A D I N G und E D I T I N G und ist wie folgt strukturiert:
Abb.
4
REVIEWING
(Zeichnung nach Hayes/Flower
1980)
Wichtig für die Funktionsweise des gesamten Modells ist, daß die Prozesse G E N E R A T I N G und E D I T I N G andere Prozesse unterbrechen können, daß also nach bereits geschriebenem Text erneut Ideen gesammelt werden können und daß Revisionsprozesse nicht erst nach Abschluß der Niederschrift, sondern auch zwischendrin stattfinden können.
12 Die Vorteile dieses Modells gegenüber dem Modell von van Dijk und Kintsch liegen auf der Hand: Es bildet nicht eine in der Realität relativ selten vorkommende Idealform von Zusammenfassen (i.e. Zusammenfassen von ausschließlich erinnerten Texten) ab, sondern Schreibprozesse, wie sie an Universitäten gängig sind. Insbesondere erfaßt es die jedem Autor wissenschaftlicher Arbeiten vertraute Praxis des Notizenmachens, des Ordnens dieser Notizen zu einem Schreibplan und die dabei angewandten Strategien. Ein wichtiger Unterschied ist auch darin zu sehen, daß Irrtümer oder erfolglose Regelanwendungen ein expliziter Bestandteil des Modells sind. Der hier dargestellte Prozeß ist zwar ebenfalls ein idealisiertes Konstrukt, dieses ist jedoch von anderer Art als das van Dijk/Kintsch-Modell: Es unterstellt nicht eine zu experimentellen Zwecken ausgedachte prozessuale Normalform, sondern leitet diese Normalform aus der akademischen Schreibpraxis ab, die mindestens von geübten Schreibern so oder in ähnlicher Weise gehandhabt wird. Der Anspruch, es als Diagnoseinstrument für Schreibschwierigkeiten verwenden zu können, scheint eingelöst zu sein. Was fehlt, ist allerdings der Nachweis, daß Verletzungen dieser prozessualen Normalform häufig oder sogar normalerweise zu schlechten oder inadäquaten Produkten führen. Zumindest für Zusammenfassungen steht dieser Nachweis noch aus. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang außerdem noch stellt, ist, ob die Produktion von Zusammenfassungen mit Hilfe des Flower/HayesModells überhaupt angemessen beschrieben werden kann. Um dieser Frage nachzugehen, werfe ich zunächst einen Blick auf einige empirische Arbeiten, die speziell der Produktion von zusammenfassenden Texten bzw. der Wiedergabe von Primärtext(teil)en unter bestimmten aufgabenspezifischen Aspekten gewidmet sind, und komme anschließend noch einmal auf das Flower/Hayes-Modell zurück.
1.2.3
Empirische Untersuchungen
Zusammenfassungen gehören auch in der empirischen Schreibforschung zu den gut untersuchten Textsorten. Unter dem Stichwort "Writing from Sources" (z.B. Kennedy 1985, Nelson/Hayes o.J.) oder "Reading to write" (Flower et al. 1990) werden hier unterschiedliche Textproduktionsprozesse untersucht, deren Gemeinsamkeit darin besteht, daß Schüler oder Studenten die Aufgabe hatten, Primärtexte entweder zusammenzufassen oder sie für ein Aufsatzthema zu verwerten. Gefragt war also die Fähigkeit, Primärtexte gezielt in Hinblick auf bestimmte Aufgaben zuerst zu lesen und danach das dabei angeeignete Wissen in unterschiedlicher Weise in den eigenen Texten darzustellen. - Wie sich zeigte, scheinen die hier involvierten Fähigkeiten erst in bestimmten Alters- bzw. Entwicklungsstufen herausgebildet zu werden, wobei auch das jeweilige soziale Umfeld, die Art der Unterweisung und die Präsentation der Aufgabe eine erhebliche Rolle spielen. Im einzelnen ließen sich die folgenden Zusammenhänge herausarbeiten: Nach Kennedy (1985) versteht es sich nicht von selbst, daß Versuchspersonen beim Zusammenfassen von narrativen oder expositorischen Texten den
13 Schreibprozeß planen: Ungeübte Schreiber neigen dazu, in "Writing-fromSources" -Aufgaben nach Abschluß der Lektüre sogleich mit der Ausarbeitung des eigenen Textes zu beginnen, während geübtere Schreiber in einer "postreading/prewriting phase" die Primärtexte nochmals lesen, gezielt nach Informationen für ihren eigenen Aufsatz suchen, sich Notizen machen und auf diese Weise den Zieltext planen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Spivey/ King (1988) und für narrative Texte Brown/Day/Jones (1983). Wenn jüngere Versuchspersonen aufgefordert werden, als Vorbereitung für eine spätere Schreibaufgabe bei der Lektüre expositorischer Texte Notizen zu machen, beginnen sie damit bereits während der (ersten) Lektüre, wohingegen ältere und erfahrene Versuchspersonen den Text zunächst überfliegen, sich ein Bild von dessen Inhalt machen und erst dann exzerpieren (Hidi/Klaiman 1983). Auch in der Niederschriftsphase unterscheidet sich das Planungsverhalten ungeübter und geübter Schreiber: Nach Kennedy (1985) unterbrechen die letzteren den Schreibfluß doppelt so oft wie die ersteren, indem sie erneut im Primärtext und in ihren Notizen lesen. Die ersteren verwenden dagegen mehr Zeit und Aufmerksamkeit für ihren eigenen Text und für die aus den Quellen wörtlich übernommenen Textpassagen. Ältere Versuchspersonen übertreffen jüngere in der Fähigkeit, beim Schreiben von Zusammenfassungen oder beim Exzerpieren zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden (Brown/Day/Jones 1983, Hidi/Klaiman 1983, Spivey/King 1988). Erst graduierte College-Studenten achten beim Lesen der Primärtexte nicht nur auf wichtige inhaltliche Informationen, sondern suchen darüber hinaus im Primärtext nach textorganisierenden Prinzipien und setzen die inhaltlichen Informationen zu schon vorhandenem Wissen und zu dem Thema ihrer Schreibaufgabe in Beziehung (Hidi/Klaiman 1983, Nelson/Hayes o.J.). Ältere bzw. erfahrenere Schreiber sind häufiger als jüngere/unerfahrenere Schreiber in der Lage, kurze Zusammenfassungen zu produzieren. Die jüngeren Autoren berücksichtigen in solchen Fällen nur den ersten Teil der Primärtexte. Positiv scheint sich in dieser Hinsicht die Anfertigung sichtbarer Schreibpläne auszuwirken (Brown/Day/Jones 1983). Experten (Professoren im Fach Rhetorik) unterscheiden sich von Anfangern auch durch die Fähigkeit, Primärtextinformationen aus verschiedenen Absätzen zu kombinieren und den Text entsprechend darzustellen (Brown/Day 1983). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Spivey/King (1988) bei dem Vergleich von Schülern verschiedener Altersstufen und unterschiedlich guter Lesefertigkeit: Ältere Schüler und solche mit besseren Lesetestergebnissen waren jüngeren Schülern und Schülern mit schlechteren Lesetestergebnissen bei der Organisation von Textinhalten und beim Verbinden von Textinhalten verschiedener Primärtexte überlegen. Diese Fähigkeiten scheinen nach Spivey/King also mit besseren und schlechteren Ergebnissen in Lesetests zu korrelieren. Die expositorischen Texte älterer Schüler und von Schülern mit besseren Lesetestergebnissen übertreffen die Texte jüngerer Schüler usw. in der Kohärenz und der Fähigkeit, Wissen und Interessen der Leser zu berücksichtigen (Spivey/King 1988).
14 Beim Paraphrasieren expositorischer Texte sind ältere Versuchspersonen in der Lage, Kondensationsregeln vom Typ 'invention' und 'Integration' zu verwenden, also vorgegebene Formulierungen in eigenen Worten wiederzugeben und dabei auch die Makrostruktur der Vorlage zu verändern. Jüngere bzw. unerfahrenere Versuchspersonen verwenden dagegen eine einfache 'copy-deletestrategy', d.h. sie übernehmen mehr oder weniger wörtlich Formulierungen aus dem Primärtext und kürzen diese allenfalls (Brown/Day 1983). Ähnliche Feststellungen machen Bretzing/Kulhavy (1979 und 1981) und Hidi/Klaiman (1983) für die Art der Notizen, die sich Fortgeschrittene im Vergleich zu Anfängern beim Lesen von Primärtexten machen, wobei die Autorinnen allerdings ausdrücklich hervorheben, daß das copy-delete-Verfahren auch noch oft von den Experten angewendet wird. Um aus diesen Untersuchungen spezielle Schwierigkeiten und Strategien abzuleiten, müssen wir allerdings folgendes berücksichtigen: Entsprechend dem anwendungsbezogenen (Fern)ziel dieser Arbeiten geht es hier nicht in erster Linie um Schwierigkeiten oder Probleme überhaupt, sondern um altersspezifische Schwierigkeiten und/oder die damit einhergehenden Unterschiede zwischen Anfangern und Experten. Die Standardform einer empirischen Untersuchung ist dementsprechend etwa wie folgt: Jüngere oder ältere bzw. ungeübte und geübte Schreiber erhalten dieselbe Schreibaufgabe. Produkte und/oder Strategien der einen Gruppe werden mit den Produkten und/oder Strategien der anderen Gruppe verglichen, um daraus alters- oder kompetenzspezifische Unterschiede zu erschließen. Die Frage nach den Schwierigkeiten und Strategien an sich ist mit dieser Fragestellung nicht identisch, aber darin enthalten. Wenn z.B. ältere bzw. geübtere Schreiber ihren Text häufiger revidieren als jüngere/ungeübte Schreiber, so läßt sich daraus schließen, daß Revidieren generell schwer zu sein scheint. Dies gilt aber nicht für alle altersspezifischen Schwierigkeiten: Nur sehr junge Schüler sind z.B. unfähig, zwischen Nacherzählung und Zusammenfassung eines narrativen Textes zu unterscheiden, während Studenten hiermit im allgemeinen keine Schwierigkeiten mehr haben, so daß es unkorrekt wäre, hier von einer generellen Schwierigkeit zu sprechen. Und ebenso dürfte es für die meisten erfahrenen Textproduzenten kein Problem mehr sein, einen lokal kohärenten Text zu verfassen. Wir müssen also zwischen Schwierigkeiten unterscheiden, die an bestimmte Altersstufen gebunden sind, und Schwierigkeiten, die unter bestimmten Voraussetzungen immer auftauchen, die also weniger mit einer noch nicht ausgebildeten Fertigkeit als mit dem hohen Schwierigkeitsgrad einer Schreibaufgabe zusammenhängen. Selbstverständlich gibt es hier eine breite Zwischenzone, in der sich altersspezifische und aufgabenspezifische Probleme überlappen. Ich weise hier auf dieses Problem nur hin, ohne es im folgenden weiter zu diskutieren. Unter diesen Vorbehalten können wir aus den oben referierten Forschungsergebnissen die folgenden sei es nun altersspezifischen und/oder aufgabenspezifischen Schreibprobleme ableiten: Es scheint 'schwer' oder nicht selbstverständlich zu sein, beim Zusammenfassen eines Textes einen exteriorisierten Schreibplan herzustellen, i.e. den Primärtext in Hinblick auf die Aufgabe zu lesen, ihn aufgabenspezifisch zu markie-
15 ren und Notizen dazu anzufertigen; es scheint ebenfalls 'schwer' zu sein, im Primärtext wichtige von unwichtigen Informationen zu unterscheiden, die Struktur dieses Textes zu erkennen und strukturierende Ausdrücke zu markieren oder zu notieren, Informationen aus verschiedenen Textteilen zu kombinieren, sie in eigenen Worten wiederzugeben, zusammenfassende Ausdrücke nicht nur aus dem Primärtext zu übernehmen, sondern solche selbst zu formulieren und eine kurze Zusammenfassung zu schreiben. Wie wir sehen, treten Probleme in allen Stadien, Komponenten oder Ebenen des Schreibprozesses auf, in der Vorbereitungsphase, also beim Lesen der Primärtexte, beim Notizen- bzw. Plänemachen, bei der (Um)strukturierung der aus dem Primärtext entnommenen Gedanken zu einer sog. Makrostruktur des Zieltextes, beim Formulieren und nicht zuletzt bei der Zeitplanung. Für die Strategien, die die Schreiber zur Bewältigung dieser Probleme anwenden oder zweckmäßigerweise anwenden sollten, lassen sich aus den genannten Untersuchungen ebenfalls Rückschlüsse ableiten. Alle Strategien, die ältere/erfahrene Versuchspersonen im Gegensatz zu den jüngeren/unerfahreneren anwenden, gehören offenbar hierher: Notizen und Markierungen bzw. dezidierte Schreibpläne scheinen demnach nicht nur generell, sondern auch für spezifische Zwecke wie etwa das Anfertigen von Zusammenfassungen mit einer bestimmten Länge nützlich zu sein; darüber hinaus müssen Schreiber offenbar über Strategien verfügen, die es ihnen ermöglichen, den zusammenzufassenden Text in Hinblick auf wichtige sowie strukturierende Aussagen zu analysieren und zusammenfassende Aussagen in diesem Text zu erkennen, um sie gegebenenfalls für den eigenen Text übernehmen zu können.
1.2.4
Anmerkungen zur Reichweite des Modells von Flower und Hayes
Dies sind allerdings isolierte Feststellungen, die sich nur schwer zu einem allgemeinen Konzept zusammenfügen lassen. Hier ist die Frage interessant, ob (und wenn ja wie) sie sich in das Flower/Hayes-Modell einfügen. Vergleicht man die oben dargestellten speziellen Schwierigkeiten und Strategien mit dem Flower/Hayes-Modell, dann ist schnell zu erkennen, daß es zu allgemein ist und daß es dem Anspruch, ein Diagnoseinstrument für Schreibprobleme zu sein, nicht gerecht wird, weil die meisten Schwierigkeiten, mit denen es der Autor einer Zusammenfassung zu tun hat, unterhalb der Ebenen liegen, auf denen die zur Textproduktion erforderlichen Strategien beschrieben sind. So reicht es z.B. nicht aus, festzustellen, daß geübte Schreiber in der GENERATiNG-Subkomponente Ideen erzeugen und daß sie diese danach in der ORGANiziNG-Subkomponente ordnen, sondern wichtig wäre hier zu wissen, welche textsortenspezifischen Prinzipien ein Schreiber anwendet, um z.B. eine Zusammenfassung mit vorgeschriebenem Umfang für eine Zeitschrift mit bestimmtem Leserkreis zu verfassen. Erst wenn solche Prinzipien bekannt sind, lassen sich Gründe dafür aufzeigen, weshalb unerfahrene Schreiber manchmal an dieser Aufgabe scheitern, daß sie etwa bestimmte Reduktionsregeln nicht kennen oder nicht beachten
16 oder daß ihnen das Textmuster des zu produzierenden Typs von Zusammenfassung nicht vertraut ist. Darüber hinaus muß auch die Frage gestellt werden, auf welche Textsorten das Flower/Hayes-Modell angewendet werden kann. Wie oben ausgeführt, wurde es im Zusammenhang mit Schreibaufgaben konzipiert, die im Rahmen von Schreibprogrammen für Studienanfänger und Fortgeschrittene gestellt wurden. Die Versuchspersonen waren in der Regel Studenten oder Schüler, und die Themen der im Rahmen der Schreibexperimente geschriebenen Texte sind weitgehend identisch mit den zu Übungszwecken verfaßten Erörterungen an deutschsprachigen Gymnasien oder - insgesamt seltener - Seminararbeiten an Universitäten. Die meisten dieser Themen dürften kaum in anderen Kontexten als Schule oder College vorkommen. Die Texte werden in der Regel nicht veröffentlicht und sind außer an den Lehrer oder Seminarleiter nur selten an einen bestimmten (und sei es auch fiktiven) Adressaten oder Adressatenkreis gerichtet. Es ist insofern fraglich, ob und inwieweit die Ergebnisse auch für andere Textarten, wie etwa für Gebrauchstexte unterschiedlicher Art, z.B. Briefe, Landschafts- und Wegbeschreibungen und auch Zusammenfassungen wissenschaftlicher Texte, gelten. Texte dieser Art werden unter anderen Voraussetzungen geschrieben als Schüleraufsätze usw., oft sind sie kürzer, und Routinen spielen darin eine stärkere Rolle. Sie werden häufig nicht im Sinne von Plänen vorbereitet, sondern die Autoren beginnen nach kurzem Überlegen zumeist sofort mit der Niederschrift. Für das Flower/Hayes-Modell ergibt sich daraus die Frage, ob die Komponenten Planning, Translating und Reviewing hier die gleiche Rolle spielen wie bei den Schul- und College-Aufsätzen, oder konkreter gefragt, ob es angemessen ist, den Schreibprozeß generell in Form von drei (wenn auch teilweise miteinander interagierenden) Hauptkomponenten aufzugliedern und dabei - zumindest implizit - zu unterstellen, daß es sich hier um Einheiten mit jeweils eigenständigen Verarbeitungsmechanismen und Ausgabe-Einheiten handelt. Eine Alternative wäre z.B. anzunehmen, daß mindestens bei den kürzeren und weitgehend routinemäßig produzierten Sachtexten die Formulierungsprozesse stärker mit den Planungsprozessen verwoben sind, derart daß bestimmte Planungs- und Formulierungsaufgaben nicht nur zeitlich, sondern auch von den Ergebnissen her gesehen zusammen oder unmittelbar nacheinander ausgeführt werden. Wie sehr bestimmte Details des Flower/Hayes-Modells auf Erörterungstexte von größerem oder mittlerem Umfang zugeschnitten sind, wird aus einigen Ausführungen der Autoren zum Verhältnis der Subkomponenten G E N E R A T I N G und O R G A N I Z I N G deutlich. Wie bei der Darstellung des Modells (S. 7ff.) bereits ausführlicher beschrieben, gehen Hayes/Flower davon aus, daß zunächst in der Subkomponente G E N E R A T I N G Ideen und für die Aufgabenstellung wesentliche Informationen aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen und in Hinblick auf ihre Brauchbarkeit beurteilt werden. Wenn eine Idee als nützlich angesehen wird, wird sie in Form einer Notiz festgehalten. Später werden dann diese Notizen in der Subkomponente O R G A N I Z I N G ZU einem Schreibplan verarbeitet, der sowohl zeitlich als auch hierarchisch organisiert sein kann. Dieser Plan besteht dann letztlich aus einer Folge von vorher selektierten Ideen oder "topics".
17 Zumindest in dem Modell von 1980 fehlt nun aber jeglicher Hinweis, wie der Schreiber hierbei im einzelnen verfährt, und - für unseren Zusammenhang noch wichtiger - wie die Autoren von kürzeren Sachtexten verfahren, wenn sie den gesamten Text im Kopf, also ohne Notizen planen. Mit anderen Worten: Es bleibt offen, welche mentalen Einheiten in den Plänen enthalten sind und ob angenommen werden kann, daß diese Einheiten für alle Textsorten gleich sind. Damit hängt ein weiteres Problem zusammen. Bei vielen Untersuchungen und insbesondere denen der Gruppe um Flower/Hayes fallt auf, daß hier - etwa im Gegensatz zu van Dijk und Kintsch usw. die Textmusterproblematik nur eine untergeordnete Rolle spielt. Gründe dafür liegen auf der Hand. Für die (überwiegend expositorischen) Composition-Texte gibt es keine allgemein verbindlichen Normalformen, wie sie z.B. für Geschäftsbriefe, Wegbeschreibungen, Abstracts und Zusammenfassungen gelten. D.h. die Kriterien, nach denen die ersteren bewertet werden, sind andere als bei den letzteren. Normative Aspekte dürften hier eine geringere Rolle spielen als etwa didaktische Gesichtspunkte. So viel zur Adäquatheit und Reichweite des Flower/Hayes-Modells. Zusammenfassend ist zu sagen, daß es zwar praxisnah ist und den Schreibprozeß bei Textsorten vom Typ College-Übungsaufsatz abbildet, daß es darüber hinaus aber nicht hält, was es verspricht: Es kann die zahlreichen Beobachtungen bei den empirischen Untersuchungen und insbesondere zur Produktion von Zusammenfassungen nicht beschreiben, und es kann schon gar nicht als Diagnoseinstrument für Schreibprobleme dienen. Offensichtlich ist hier ein anderer Modelltyp erforderlich, ein Modelltyp der beschreiben kann, wie geübte Autoren beim Verfassen von Zusammenfassungen verfahren, wie sie Fehler und Inadäquatheiten vermeiden und gegen welche Prinzipien oder Regeln Autoren verstoßen, wenn ihre Texte oder Teile ihrer Texte nicht in Ordnung sind.
1.3 Einige Anforderungen an eine Theorie der schriftlichen Textproduktion. Das Kategorienpaar "normal" vs. "abweichend" Eine praxisorientierte Theorie kann also auf wichtige Details der beiden dargestellten Modelle zurückgreifen, sie muß jedoch andere Akzente setzen. Die folgenden Punkte sind mir dabei besonders wichtig: 1. Mit van Dijk/Kintsch und Flower/Hayes stimme ich darin überein, daß ein erstens geübter und zweitens sachkundiger Textproduzent nicht nur eine Vorstellung von den wesentlichen inhaltlichen und formalen Eigenschaften des zu produzierenden Textes hat, sondern daß er auch weiß, was er bei der Textproduktion zu tun hat, d.h. welche Handlungen oder Typen von Handlungen er zweckmäßigerweise auszuführen hat und was er zweckmäßigerweise besser vermeidet, welche Handlungen bzw. Handlungstypen für seine Zwecke also eher ungeeignet sind. Ein Modell sollte so beschaffen sein, daß es diese Fähigkeit
18 abbildet, und zwar nicht als Bündel isolierter Fähigkeiten, sondern als 'Fähigkeiten bzw. Wissen in Aktion'. Es sollte also Prozesse der Textproduktion abbilden. 2. In Übereinstimmung mit Flower und Hayes gehe ich außerdem davon aus, daß selbst einem guten Schreiber Fehler und Irrtümer unterlaufen, daß er sich z.B. bisweilen 'verrennt', daß er einzelne Passagen mehrmals schreiben muß oder zumindest seine Schreibpläne partiell ändern muß. Über Flower/Hayes hinausgehend sollte ein Modell dem Ümgang mit Fehlern usw. nicht nur in der dafür vorgesehenen Revisionskomponente Rechnung tragen, i.e. die Regeln und Prinzipien darstellen, nach denen die Schreiber ihre Fehler etc. reparieren, sondern es sollte außerdem auch den Kriterien Rechnung tragen, die Schreiber bei ihren Änderungen - sei es schon existierender Textteile oder sei es ihrer Pläne - zugrunde legen. 3. Andererseits sollte ein Modell aber auch, und zwar sogar in erster Linie, die Fähigkeit geübter und sachkundiger Schreiber abbilden, Fehler bzw. Verstöße gegen textuelle Normen zu vermeiden, den Text also so zu planen, daß (später zu reparierende Verstöße) auf ein angemessenes Maß reduziert werden. Im einzelnen bedeutet dies: In einer Theorie zur schriftlichen Textproduktion sollten Fragen wie die folgenden im Vordergrund stehen: Was muß ein Textproduzent gelernt haben, um den Schreibprozeß im engeren Sinne (i.e. die Niederschrift) so vorzubereiten, daß er den Text erstens überhaupt und zweitens zügig zu Papier bringen kann? Wie gelingt es ihm, in jedem beliebigen Moment der Textproduktion gerade die richtigen, d.h. in den jeweiligen Zusammenhang passenden Gedanken zu erzeugen und diese auch sogleich in Worte zu fassen? Wie kommt es, daß seine Äußerungen sogar verstanden werden? Wie vermeidet er schwer reparierbare Fehler/Verstöße auf den verschiedensten Ebenen? Auf welche Weise wird er den (zum Teil normativen) Anforderungen des Textmusters gerecht? 4. Schließlich sollte ein gutes Modell auch bestimmte Aspekte der subjektiven Seite des Schreibens nicht vernachlässigen und z.B. einen Begriff von schweren oder leichten (Teil)aufgaben enthalten. 5. Um diesen Annahmen und Forderungen Rechnung zu tragen, sind vermutlich einige Grundkategorien erforderlich, die in den oben genannten Modellen noch fehlen. Ich gehe an dieser Stelle nur auf das Kategorienpaar normal vs. abweichend ein, das in dem Modelltyp, wie ich ihn mir vorstelle, eine zentrale Rolle spielt. Wenn es zutrifft, daß geübte Schreiber textuell 'fehlerfreie' von textuell 'fehlerhaften' Textpassagen unterscheiden können, dann muß man annehmen, daß sie über Bewertungskriterien verfügen, mit deren Hilfe sie schnell und mehr oder weniger intuitiv überwiegend richtige Passagen erzeugen und mit deren Hilfe sie eventuelle 'falsche' Passagen schnell durch 'richtige' ersetzen können. Und sie müssen auch über Bewertungskriterien verfügen, die sie in der Regel vor der Produktion von falschen oder in die Irre führenden Plänen bewahren. Mit van Dijk und Kintsch will ich annehmen, daß der Textproduzent diese Bewertungskriterien unter anderem aus der jeweiligen Superstruktur der entsprechenden Textart oder deren Normalform, wie ich vorziehe zu sagen, bezieht.
19 Alle Textformen, die ein Schreiber intuitiv als 'in Ordnung', 'fehlerfrei', 'richtig' usw. beurteilt, nenne ich akzeptabel und alle intuitiv als nicht 'in Ordnung' befundenen textuellen Formen nenne ich inakzeptabel oder abweichend, wobei azeptabel und inakzeptabel die subjektive Seite (erfüllte oder nicht erfüllte Erwartungen), normal und abweichend dagegen die objektive Seite (erfüllte oder nicht erfüllte sprachliche oder textuelle Normen) hervorheben. Bis zum Nachweis des Gegenteils gehe ich davon aus, daß kompetente Textproduzenten (und kompetente Textrezipienten ebenfalls) in ihrem Urteil über akzeptable und abweichende Textformen bis zu einem gewissen Grad übereinstimmen. Ich will drittens annehmen, daß es unter anderem das Kategorienpaar normal vs. abweichend ist, daß den Schreiber bei der Textproduktion leitet und ihn z.B. bei der Auswahl von verschiedenen denkbaren Plan- und/oder Formulierungsalternativen die 'richtige' Wahl treffen läßt. Ich unterscheide zwei große Klassen von Abweichungen: Abweichende Texte bzw. Textteile und abweichende Prozeduren. Analog zu abweichenden Sätzen usw. in der generativen Grammatik verstehe ich unter abweichenden Texten bzw. Textteilen solche Passagen, die von einem kompetenten Sprachbenutzer als fehlerhaft oder inkorrekt empfunden werden, wobei für die Fehlerhaftigkeit nicht nur grammatische Gründe verantwortlich gemacht werden können. Unter einer abweichenden Prozedur verstehe ich eine Handlung (oder Handlungsfolge), die entweder zu einem abweichenden Text bzw. Textteil führt oder die dazu führt, daß der betreffende Text(teil) nicht in angemessener Zeit und/oder mit angemessenem Energieaufwand zustande gebracht werden kann. Letztere sind in erster Linie für den Produzenten wahrnehmbar und gehen oft einher mit Unzufriedenheit beim Schreiben. Erstere stören vor allem den Rezipienten und sind häufig auch nur von diesem erkennbar. Typische Beispiele für abweichende Text(teile) sind Verstöße gegen textuelle Normen unterschiedlichster Art, etwa Verstöße gegen das Textmuster oder Verstöße gegen einen vorgeschriebenen Textumfang, Unverständlichkeit, Inkohärenz (fehlender Zusammenhang), zu komplexer Satzbau (Schachtelsätze), saloppe oder umgangssprachliche Schreibweise, unbewiesene und zugleich unplausible Behauptungen in einem wissenschaftlichen Text, Lügen in einer Textart, in der wahre Aussagen zur Norm gehören. Typische Beispiele für abweichende Prozeduren sind: der Schreiber verfehlt den richtigen Zeitpunkt für den Schreibbeginn und hält sich statt dessen zu lange mit Vorarbeiten unterschiedlichster Art auf; er beginnt bei einem längeren Text sogleich mit dem Formulieren, anstatt zuerst Stoff zu sammeln und zu ordnen; er schreibt zu langsam und versäumt dadurch z.B. einen Abgabetermin. Zum Verhältnis von abweichenden Textelementen und abweichenden Prozeduren sei noch angemerkt, daß die letzteren oft, aber längst nicht immer zu abweichenden Texten usw. führen, daß aber umgekehrt abweichenden Textpassagen stets abweichende Prozeduren vorausgehen.
20 1.4 Das Vorhaben im einzelnen Um ein Modell zu konzipieren, wie es mir hier vorschwebt, sind Vorarbeiten erforderlich. Um z.B. Aussagen über normale oder abweichende Prozeduren machen zu können, müssen wir wissen, welche Prozeduren ein Schreiber überhaupt anwendet, was er also außer dem Zu-Papierbringen von Formulierungen und gegebenenfalls von vorherigen Notizen sonst noch "tut" bzw. denkt, wie er seinen Text und die einzelnen Äußerungen seines Textes plant und welche Strategien er dabei anwendet. Darum wird es in diesem Buch in erster Linie gehen. Anders als in der Schreibforschung im Umkreis der Flower/Hayes-Gruppe, der es - zumindest in den Modellen - um die Abbildung von Prozeduren allgemein geht, beschränke ich mich dabei auf eine einzige Textart, nämlich auf Zusammenfassungen eines wissenschaftlichen Textes (abgekürzt: Zusammenfassungen]).4 Ich setze damit frühere Untersuchungen, die ebenfalls auf einzelne Textarten (Wegbeschreibungen, Zusammenfassungen, Geschäftsbriefe) beschränkt waren, fort (z.B. Keseling 1984, 1987, 1988a,b, 1992, Keseling/ Wrobel/Rau 1987). Mit dieser Beschränkung auf eine einzige Textart möchte ich die oben umrissenen Mängel des Flower/Hayes-Modells vermeiden. Um Hypothesen über den Schreibprozeß aufstellen zu können, sind weit mehr empirische Untersuchungen an einzelnen und gut beschreibbaren Textsorten erforderlich als im Moment vorliegen, und es sollten dabei auch Daten herangezogen werden, die nicht nur auf Interviews bzw. auf lautem Denken basieren. 5 Hier stellt sich allerdings die Frage, ob es zweckmäßig ist, für die Fallanalyse gerade die Textart Zusammenfassung zu wählen. Sind nicht Zusammenfassungen als Texte über Texte ein Spezialfall, der mit anderen Textsorten wie z.B. Erzählungen, Beschreibungen oder Argumentationen wenig Gemeinsamkeiten aufweist und der daher als Einstieg eher ungeeignet ist und kaum die Möglichkeit bietet, die Ergebnisse auf andere Textsorten zu übertragen? Denn anders als bei den letztgenannten Textarten ist in Zusammenfassungen bereits der Gegenstand sprachlich organisiert, und die Schreibaufgabe scheint - oberflächlich gesehen jedenfalls - nur darin zu bestehen, den sprachlichen Gegenstand umzuformen und zu verkürzen, so daß die wichtige Produktionsphase des sog. Translating (Flower/Hayes u.a.) hier zu entfallen scheint. Meine Entscheidung, die Fallanalyse trotzdem an dieser Textsorte durchzuführen, hat mehrere Gründe, die die erwähnten Nachteile m.E. in mehrfacher Hinsicht aufwiegen: Der erste Grund ist, daß in Zusammenfassungen die dem Schreibprozeß vorausgehende 'Analyse des Gegenstands', i.e. die Konzepte, Stichworte, Unterstreichungen usw. besser als bei den meisten anderen TextarIch benutze also den Ausdruck Zusammenfassung als Terminus technicus und subsumiere darunter Texte oder Textteile, in denen ein wissenschaftlicher Primärtext zusammengefaßt wird, und zwar unabhängig von dem dabei verfolgten Zweck. Neben den in unseren Schreibexperimenten geschriebenen Zusammenfassungen gehören also auch Kommentare in Verlagsprospekten oder Bibliographien, Abstracts, bestimmte Klausurtexte oder Referate innerhalb von Abhandlungen hierher, um nur einige Beispiele zu nennen. Zur Hinschätzung des lauten Denkens als Datenquelle s. sehr ausführlich Rau (Diss., 1993).
21 ten beobachtbar ist. Ein zweiter Grund ist, daß an Zusammenfassungen eine Reihe von Eigenschaften deutlich werden, die andere Textarten zwar ebenfalls aufweisen, die dort aber weniger deutlich zutage treten als in Zusammenfassungen. Ich denke hier insbesondere an ein Phänomen, das ich sprachliche Vororganisiertheit nennen möchte und das u.a. in der sog. Oral Poetry Theory (Parry, Havelock, Lord, Ong u.a.) an mündlich tradierten Epen untersucht worden ist. An der Fähigkeit des Folklore-Sängers, aus dem Stegreif und ohne vorheriges Auswendiglernen epische Texte vorzutragen, wurde deutlich, daß sprachliche Texte in den seltensten Fällen aus dem Nichts entstehen, sondern daß sie zumeist eine Geschichte und Vorgeschichte haben, daß Erzählungen z.B. schon vorher erzählt worden sind und nicht nur bestimmte Themen, sondern auch Formulierungen aus anderen Texten übernommen wurden. Vor diesem Hintergrund verliert die Textart Zusammenfassung vieles von ihrem vermeintlichen Sonderstatus. Vielmehr scheint in gewisser Hinsicht gerade das Gegenteil zu gelten. Auch in vielen anderen Textsorten wird auf andere - seien es schriftliche oder mündliche - Texte oder auf Äußerungen Bezug genommen, so daß auch hier von Zusammenfassungen (hier im umgangssprachlichen Sinne des Wortes) gesprochen werden kann. Meine Untersuchung ist also im Vergleich zu dem obigen Theorie-Konzept eher vorbereitender Art. Im Mittelpunkt steht dabei die folgende Frage: Lassen sich aus unseren Daten Regeln oder Prinzipien ableiten, denen die Autoren von Zusammenfassungen bei der Produktion ihrer Texte folgen und wenn ja, lassen sich aus den Daten auch Hinweise über die Wirkungsweise dieser Prinzipien und die Reihenfolge, in der sie angewendet werden gewinnen? Mein Ziel ist also die Rekonstruktion von zielgerichteten Aktivitäten vor und während des Schreibprozesses. Erst in zweiter Linie will ich auch versuchen, die Aktivitäten und die mit Hilfe dieser Aktivitäten erzielten Schreib-Produkte zu bewerten, und zwar a) in Hinblick auf normale oder abweichende Prozeduren und b) in Hinblick auf akzeptable oder abweichende Textelemente. Die normalen Prozeduren und die mit deren Hilfe erzeugten akzeptablen Textformen bilden dann die Grundlage für die Skizze eines Modells, mit dem Aspekte der Produktion von Zusammenfassungen abgebildet werden sollen. Bei der Rekonstruktion der Aktivitäten und Prinzipien werde ich auf alle verfügbaren Daten wie Recalls, Notizen und Unterstreichungen im Primärtext, Schreibpausen, Änderungen usw. zurückgreifen. Meine wichtigste Datenquelle ist dabei der Vergleich der Zieltexte mit dem Primärtext: aus der 'Differenz' zwischen Primärtext und jeweiligem Zieltext will ich unter Einbeziehung der übrigen Daten die Aktivitäten erschließen, die notwendig waren, um aus dem Primärtext die Zusammenfassungen herzustellen. Im einzelnen ergeben sich aus diesen mehr generellen Fragen eine Reihe von speziellen auf die Phasen oder Komponenten des Schreibprozesses bezogene Fragen, von denen ich hier nur einige erwähne: Wie sehen Planungsprozesse vor der Schreibphase im Vergleich zu den Planungsprozessen während der Schreibphase aus? Wodurch unterscheiden sie sich? Werden die Zusammenfassungen hauptsächlich lokal oder hauptsächlich global geplant, oder sind sowohl globale wie auch lokale Planungsprozesse im
22 Spiel? Und wenn letzteres der Fall ist, wie ist dann der Wechsel von der globalen zur lokalen Planung geregelt? Wie 'weit' wird vorausgeplant? Gibt es eine spezielle Planung des jeweils nächsten Abschnitts? Und bleibt auf der untersten Ebene, bei der Planung der einzelnen Äußerung also, bei aller noch so sorgfaltigen Vorplanung ein nicht planbarer 'Rest' übrig, weil die Produktion von Formulierungen möglicherweise Regeln unterliegt, die sich zum Teil der Kontrolle des Bewußtseins entziehen? Was bleibt der 'Intuition' oder dem spontanen Einfall überlassen, wenn sich der Autor, wie unten zu zeigen ist, eng an die Vorlage hält, Formulierungen zum Teil wörtlich oder abgewandelt übernimmt und dabei trotzdem einen zusammenhängenden und nicht aus einem Konglomerat von Zitaten bestehenden Text zustande bringt? Mit Hilfe welcher Operationen verschaffen sich die Schreiber vor und während der Schreibphase die erforderlichen Informationen aus dem Primärtext? Konsultieren sie den Aufsatz auch noch während des Schreibens, und wenn ja, wie ist dann der Wechsel von rezeptiven und produktiven Phasen geregelt? Wie sehr weichen die Autoren in ihren Zusammenfassungen vom Aufbau des Primärtextes ab? Übernehmen sie bestimmte Formulierungen, oder ziehen sie es vor, den Text in eigenen Worten wiederzugeben? Lassen sich Regeln oder Prinzipien rekonstruieren, die die Autoren bei der Um- oder Neuformulierung ihres Textes anwenden, und stimmen diese mit den von van Dijk/Kintsch formulierten Makrooperatoren usw. überein? Von diesen überwiegend auf die Phasen und/oder Komponenten des Schreibprozesses bezogenen Fragen sind dann Probleme zu unterscheiden, die mit der Normalform von Zusammenfassungen und damit auch mit der Bewertung der Produkte und Prozeduren als akzeptabel oder abweichend zusammenhängen: Wie stark ist bei unseren Versuchspersonen das Bewußtsein oder das Gefühl ausgeprägt, bei der Produktion ihres Textes "richtig oder falsch zu liegen"? Haben sie einen Begriff von dem Textmuster oder der Normalform von Zusammenfassungen? Sind die Versuchspersonen mit ihrer Zusammenfassung fertig geworden? Haben sie einzelne Passagen mehrmals geschrieben? Lassen sich während der Niederschrift flüssige und unflüssige Schreibphasen (Goldman Eisler) unterscheiden und wenn ja, lassen sich diese Unterschiede auch linguistisch bestimmen? Welche Schwierigkeiten tauchten beim Lesen des Primärtextes und beim Zusammenfassen auf? An welchen Stellen fiel das Schreiben eher leicht bzw. eher schwer? Lassen sich diese und andere Abweichungen bzw. Probleme als Verstöße, Nichtbeachtung oder Unkenntnis von Prinzipien und Regeln erklären? Mithilfe welcher Verfahren können solche Verstöße usw. ausfindig gemacht werden? Im einzelnen gehe ich wie folgt vor: Im Kapitel 1.5 stelle ich die Versuchsanordnung und die Daten dar, gehe auf die Qualifikation der einzelnen Versuchspersonen ein und charakterisiere in diesem Zusammenhang auch ihre Texte. In den anschließenden Hauptkapiteln 2 bis 5 rekonstruiere ich die Aktivitäten und
23 Prinzipien, und zwar in chronologischer Folge: zunächst das Lesen des Primärtextes, die sichtbaren Spuren der Vorplanung, also die Randnotizen im Primärtext, die Unterstreichungen usw. sowie Interviewäußerungen zur Lektürephase (Kap. 2), danach die Aktivitäten in der Zeitspanne zwischen Lektüreschluß und Schreibbeginn, die Interviewäußerungen hierzu, die schriftlichen Konzepte, Stichworte usw. sowie die Strategien bei der Formulierung des ersten Satzes (Kap. 3), die Planungsaktivitäten während der Niederschriftsphase mit anschließendem vorläufigen Modell als erstem größeren Zwischenergebnis (Kap. 4) und als letztes die Entstehung von Formulierungen mit einem Vergleich der Zieltexte mit dem Primärtext in Hinblick auf wörtliche Übereinstimmungen oder Paraphrasen auf der einen Seite und 'freieren' Formulierungen auf der anderen Seite (Kap. 5.1) und einer Rekonstruktion der Formulierungstypen und der Strategien, die die Autoren bei den einzelnen Formulierungstypen anwenden, um angemessene Formulierungen zu finden (Kap. 5.2). Im Kapitel 6 gehe ich auf textuelle und prozedurale Abweichungen ein und im Kapitel 7 noch einmal auf Probleme des Formulierens und die damit zusammenhängende Rolle der Akzeptabilität von Äußerungen.
1.5 Zur Aufnahme- und Transkriptionstechnik, zu den Interviews und zu den acht Versuchspersonen 1.5.1
Versuchsanordnung
Die gesamte Untersuchung basiert im wesentlichen auf den Erhebungen, mit denen wir an acht Versuchspersonen (ZI bis Z8) 1983 das Projekt "Produktion schriftlicher Texte" begonnen haben. Auf die Ergebnisse einer späteren Versuchsreihe, die Wrobel (im Druck) an weiteren Versuchspersonen unter zum Teil ähnlichen, zum Teil auch anderen Fragestellungen mit ähnlicher Erhebungsmethode durchgeführt hat, gehe ich nur dann ein, wenn sie von den (z.T. schon in Keseling (1984) und Keseling/Wrobel/Rau (1987) veröffentlichten) Ergebnissen abweicht. Acht Versuchspersonen (davon 4 wissenschaftliche Mitarbeiter und 4 Studentinnen) wurden aufgefordert, einen zehn Seiten umfassenden linguistischen Text zur Interaktion in Therapiegesprächen 6 zunächst zu lesen und anschließend zusammenzufassen. Sie hatten zum Schreiben eine Stunde Zeit. Der Schreibprozeß wurde dabei mit zwei Kameras aufgenommen. Das eine Bild zeigt die Versuchsperson hinter dem Schreibtisch mit sichtbarem Oberkörper, Schreibutensilien usw., und das andere Bild zeigt nur Hand, Stift und das gerade Meyer-Hermann, Reinhard/Weingarten, Rüdiger (1982): Zur Interpretation und interaktiven Funktion von Abschwächungen in Therapiegesprächen. In: K. Detering/J. SchmidtRadefeldAV. Sucharowski (Hrsg.): Sprache erkennen und verstehen. Akten des 16. linguistischen Kolloquiums. Kiel 1981. Band 2. Tübingen: Niemeyer, S. 242-252.
24 beschriebene Blatt Papier. 7 Dieses zweite Bild wurde der Versuchsperson nach dem Schreibprozeß dargeboten. Sie sollte sich beim Abspielen der Aufnahme ins Gedächtnis zurückrufen, was sie während des Schreibens und insbesondere während der Schreibpausen gedacht hatte. Die Aufnahme wurde dazu an geeigneten Stellen gestoppt. 8 Diese nachträglichen Interviews (RecallInterviews), die sich in der Regel allerdings nur auf die ersten vier bis fünf Sätze erstreckten und darüber hinaus Fragen zum allgemeinen Vorgehen vor und während des Schreibens enthielten, wurden auf Tonband aufgenommen. Vor dem Schreibversuch mußte jede Versuchsperson einen Fragebogen über ihre Schreibgewohnheiten ausfüllen. Die Schreiber wurden in dieser Versuchsserie nicht zu lautem Denken aufgefordert.
1.5.2
Zu den einzelnen Versuchspersonen
Ich stelle im folgenden jede der Versuchspersonen in Hinsicht auf die zur Beurteilung des Schreibprozesses und des Textes wichtigen Daten vor und gehe dabei auch kurz auf den jeweiligen Zieltext ein (Lesbarkeit, Grad der Übereinstimmung mit der Normalform, Abweichungen, etc.). Versuchsperson Z 1 Die Versuchsperson war zur Zeit des Experiments wissenschaftliche Hilfskraft mit dem Fachgebiet Konversationsanalyse. Weder bei der Lektüre noch beim Schreiben der Zusammenfassung hatte sie nennenswerte Schwierigkeiten. Daß sie nicht ganz fertig geworden ist, dürfte damit zusammenhängen, daß sie von dem ganzen Primärtext eine stichwortartige Rohfassung angefertigt hat. Der Text wirkt flüssig und enthält nur eine einzige textuelle Abweichung. Versuchsperson Z 2 Z 2 war zur Zeit des Versuchs Germanistikstudent im neunten Semester. Seine linguistischen Schwerpunkte waren Text- und Konversationsanalyse. Er fand den Primärtext gut verständlich, hatte aber beim Schreiben erhebliche Schwierigkeiten. Eine anfängliche Euphorie schlug schnell in das Gegenteil um. Er brach die Niederschrift zweimal nach einigen Sätzen ab, um wieder von vorn anzufangen und brachte auch beim dritten Versuch nur wenige Sätze zustande. Die Texte sind wegen eines stark verschachtelten Satzbaus nicht gut lesbar und stellenweise auch unverständlich. Die meisten Fehler lassen sich als Verstöße gegen syntaktische Regeln (Selektionsbeschränkungen usw.) beschreiben.
'
8
In der vorliegenden ersten Versuchsreihe wurden die beiden Bilder noch nicht wie später mit Hilfe eines Kameramischpultes in das erste Bild eingeblendet, sondern die Aufnahmen wurden "getrennt" durchgeführt. Das Verfahren wurde von Kagan (1975, 1981) und Bolm (1981) übernommen. Das dort bei Gesprächsaufhahmen angewendete Verfahren wurde hier auf Schreibprozesse übertragen.
25 Versuchsperson Z 3 Z 3 litt als Schüler unter Lese- und Rechtschreibschwäche und galt als sogenannter Legastheniker. Als Germanistikstudent mit dem Schwerpunkt Konversationsanalyse hatte er mit dem Primärtext keine Probleme. Beim Schreiben war er laut Interview unzufrieden. Er habe vorübergehend überlegt, von vorn anzufangen, habe aber aus Zeitgründen weitergemacht. In dem Text finden sich zwei Kohäsionsfehler, ein Verstoß gegen eine Selektionsbeschränkung und eine auf Flüchtigkeit oder auf Schwierigkeiten mit der Terminologie beruhende Auslassung. Versuchsperson Z 4 Als Altgermanist hatte Z 4 - er war zur Zeit des Schreibexperiments wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für ältere deutsche Philologie - am Anfang Probleme mit dem Primärtext, kam nach dem Einlesen, wie er im Interview sagte, aber ganz gut zurecht. Beim Schreiben habe er sich Mühe gegeben, fertig zu werden und zugleich einen guten Text zustande zu bringen, zumal er ein Abstract dieser Art noch nie geschrieben habe. Beim Durchlesen seines Textes sei er dann aber recht zufrieden gewesen. Der Text ist formal in Ordnung. Mit 182 Wörtern ist er von den acht Zusammenfssungen der kürzeste; er enthält einige inhaltliche Fehler, die vermutlich nur dem Kenner des Primärtextes auffallen. Versuchsperson Z 5 Die Verfasserin war zur Zeit des Experiments wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Linguistik mit dem Spezialgebiet Erzählforschung und von daher gesehen mit der vorliegenden Textsorte gut vertraut. Den mittleren Abschnitt des Textes habe sie nicht richtig verstanden. Beim Schreiben habe sie sich vor allem am Anfang sehr konzentrieren müssen, danach sei es eher wie von selbst gelaufen. Es sei ihr schwer gefallen, sich von den Formulierungen des Aufsatzes zu lösen und etwas zu verkürzen, ohne den Inhalt zu verstümmeln. Mit 737 Wörtern ist Z 5's Zusammenfassung von allen Texten der längste. Er enthält etliche Redundanzen, aber keine auf den ersten Blick auffalligen textuellen Abweichungen. Versuchsperson Z 6 Z 6 studierte zur Zeit des Experiments Germanistik (unter anderem mit dem Schwerpunkt Konversationsanalyse). Die Lektüre des Primärtextes bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Beim Schreiben gelang es ihm manchmal nicht, Formulierungen zu finden, mit denen er auf Anhieb zufrieden war. Inhaltlich hatte er jedoch keine Probleme, und es gelang ihm auch, den Aufsatz von Anfang bis Ende zusammenzufassen. - Der Text klingt für mein Sprachgefühl etwas unbeholfen. Neben einem Kohäsionsfehler finden sich noch einige linguistisch schwer bestimmbare lexikalische und/oder stilistische Verstöße. Der Autor hat manchmal Wortfindungsprobleme und ist sich dessen auch bewußt.
26 Versuchsperson Z 7 Die Autorin studierte zur Zeit des Experiments Literaturwissenschaft und im zweiten Fach Linguistik mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Konversationsanalyse. Sie hatte sowohl beim Lesen wie auch beim Zusammenfassen Schwierigkeiten und fühlte sich während des ganzen Versuchs unwohl. - Der Text wirkt schwerfallig, enthält einige für den Leser unverständliche Stellen, extrem lange Schachtelsätze und verschiedene grammatische und textuelle Abweichungen (s.u.), ist aber inhaltlich weitgehend in Ordnung. Die Schreiberin bricht mitten im Satz ab; die wichtigsten Punkte hat sie jedoch dargestellt. Versuchsperson Z 8 Der Verfasser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Schwerpunkt Dialektologie und Lexikographie. Wegen der ungewohnten Thematik sei das Lesen für ihn etwas befremdend gewesen. Insgesamt habe er aber weder mit der Lektüre noch mit der Zusammenfassung Probleme gehabt. - Der Text wirkt flüssig geschrieben, enthält keine Abweichungen und geht auf den gesamten Aufsatz ein. In der nachfolgenden Tabelle habe ich für jeden Text aufgeführt, wieviel Prozent des Aufsatzes in der Zusammenfassung berücksichtigt wurden, und (rechts) den daraus errechneten Reduktionsquotienten sowie den absoluten Umfang der Zusammenfassung. VP
... % des Primärtextes wurden bearbeitet
Reduktionsquotient: Zusammenfassung wurde auf ... % des Primärtextes reduziert
1
49,2 %
(1162 Wörter)
30 %
(348 Wörter)
3
58,8 %
(1390 Wörter)
18,4 %
(256 Wörter)
4
100 %
(2360 Wörter)
7,6 %
(179 Wörter)
5
100 %
(2360 Wörter)
31,2 %
(737 Wörter)
6
94,5 % (2230 Wörter) Ende schwer festzustellen
14,8 %
(332 Wörter)
40 %
(514 Wörter)
7
53,8 %
(1270 Wörter)
8
100 %
(2360 Wörter)
Tab. 1
9,4 %
(221 Wörter)
Bearbeiteter Primärtext (in Prozent) und Reduktionsquotient der Zusammenfassungen 9
Der aus drei jeweils abgebrochenen Fassungen bestehende Text der Versuchsperson Z 2 blieb bei den Zählungen unberücksichtigt.
27 Der ersten Spalte kann man entnehmen, wieviele Wörter des Primärtextes von dem jeweiligen Schreiber überhaupt bearbeitet wurden, d.h. welcher prozentuale Anteil des Primärtextes (Gesamtlänge 2360 Wörter) in die jeweilige Zusammenfassung einging. Die zweite Spalte gibt an, auf wieviele Wörter die Versuchsperson den von ihr bearbeiteten Anteil des Primärtextes in ihrer Zusammenfassung reduziert hat. Dieser in Prozenten angegebene Reduktionsquotient zeigt also für jede Versuchsperson, wie 'stark' sie ihren Primärtext zusammengefaßt hat. (Die erste Versuchsperson etwa reduzierte ihren Primärtext auf 30 Prozent der ursprünglichen 1162 Wörter). Schon auf den ersten Blick wird deutlich, daß die Versuchspersonen die Primärtexte unterschiedlich stark reduzieren. 10
Man muß allerdings beachten, daß man die Reduktionsquotienten und damit das "Reduktionsverhalten" der Autoren nicht ohne weiteres miteinander vergleichen kann. Denn nur bei drei der sieben Versuchspersonen ging der ganze Primärtext in die Zusammenfassung ein. Wären die "unvollständigen" Zusammenfassungen zuende geschrieben worden, hätten sich die Reduktionsquotienten dieser Versuchspersonen j a noch weiter erhöht. Man kann bei dieser rein quantitativen Betrachtung des Reduktionsverhaltens allerdings vereinfachend unterstellen, jedem Schreiber hätte ein eigener Primärtext vorgelegen, der eben einmal 1162 Wörter (Z 1) und in einem andern Fall 2360 Wörter (Z 5) umfaßt.
2. Aktivitäten während der Lektürephase 1
Welche Vorstellung haben Schreiber vor Beginn ihrer Niederschrift von dem zu schreibenden Text, und was tun sie, um eine solche zu gewinnen? Welche vorbereitenden mentalen oder schriftlich fixierten Überlegungen stellen sie an, um einen zusammenhängenden und verständlichen Text oder Textabschnitt zu Papier bringen zu können? Welche Strategien entwickeln sie zu diesem Zweck? Um diese und verwandte Fragen zu beantworten, werde ich erstens die Randnotizen (soweit vorhanden), zweitens die verschiedenen (vertikalen und horizontalen) Markierungen und drittens die Interviewäußerungen zur Lektürephase untersuchen. Meine Darstellung ist zu einem großen Teil deskriptiv und hat den Zweck, die spätere Rekonstruktion der mentalen Aktivitäten und deren Funktion vorzubereiten. Ich beschreibe also die sichtbaren Spuren der nicht beobachtbaren mentalen Aktivitäten beim Lesen. Über die Fragen, warum bestimmte Passagen in bestimmter Weise markiert werden, warum die meisten Autoren verschiedene Markierungsformen verwenden, warum bestimmte Passagen gar nicht und andere wiederum oft markiert werden und ob hier schon Ansätze eines Schreibplans durchschimmern, lassen sich im Moment nur Vermutungen anstellen. Diese Vermutungen werde ich in einem späteren Kapitel wieder aufgreifen und untersuchen, ob bzw. in welcher Weise die Autoren ihre Markierungen etc. beim Schreibprozeß tatsächlich benutzen. In gewisser Hinsicht entspricht mein Vorgehen auch der Chronologie und dem Vorgehen des Schreibers, der beim Lesen des Primärtextes seinen eigenen späteren Text noch nicht kennt, dessen Pläne also ebenfalls spekulativer Art sind, und der, wenn überhaupt, dann erst im nachhinein, z.B. im Recall-Interview, von Plänen usw. sprechen kann.
2.1
Randnotizen
In fünf von den acht Primärtexten finden sich Randnotizen. Um zu ermitteln, welche Rolle die Notizen bei der Vorplanung des Sekundärtextes spielen könnten, untersuche ich im folgenden die äußere Form der Randnotizen, ihren Wortlaut, ihre Bedeutung, ihre syntaktische Struktur und ihr Verhältnis zum zugehörigen Primärtext. Zur äußeren Form ist anzumerken, daß wir erstens zwischen horizontalen und vertikalen Notizen unterscheiden können, wobei die ersteren - trotz des schmalen Rands - bei weitem überwiegen, und zweitens zwischen Randnotizen im engeren Sinne, solchen, die also tatsächlich am Rand des Textes gemacht Vgl. zu diesem Kapitel auch Keseling (1984).
29 werden, und sogenannten Superskripten oder Eintragungen an Absätzen zwischen den Zeilen wie in (2). Drittens können wir unterscheiden zwischen Notizen mit und Notizen ohne Domänenmarkierungen; bei den ersteren ist durch Randklammern usw. gekennzeichnet, für welches Textsegment die Randnotiz gilt. Häufig, aber längst nicht immer, sind die Notizen auch redundant, in dem Sinne, daß ein im Text unterstrichenes Segment am Rand noch einmal wörtlich oder abgewandelt notiert wird. Oberflächlich betrachtet scheinen die Randnotizen vor allem als Gedächtnisstütze zu dienen: Bestimmte Aussagen des Primärtextes, so scheint es, werden als so wichtig angesehen, daß sie entweder markiert oder als Kondensat am Rand noch einmal notiert werden. Bei genauerem Hinsehen deutet allerdings vieles darauf hin, daß dies nicht ihre einzige und vielleicht noch nicht einmal ihre wichtigste Funktion ist. Betrachten wir die folgenden Beispiele: (la)
5.1. Bestätigung/Verneinung Hiermit löst der Klient die k Therapeuten ein. Z 6 (A 152ff.) 2
der Frage des
5.2. Neubestimmung des Grade: aer Abgeschwächtheit .„^ra^e mcdiftbertn Hierunter fallen zwei Typen: - weitere Abschwächung — Verschärfung Z 6 (A 155ff.) (lb)
— wenn er (der Klient) weiter abschwächt: Klient Kaviert — wenn er verschärft oder — wenn er den Grad der Abgeschwächtheit nicht neu bestimmt. Z 7 (A 189ff.)
(2a)
In diesem Beitrag wollen wir uns mit einem Phänomen beschäftigen, welches in auffälliger Weise das kommunikative Handeln der Therapeuten in der klientenzentrierten Gesprächstherapie (kurz: GT) (vgl. z.B. Tausch/Tausch 1960 / 7.A. 1979) kennzeichnet: der vorsichtigen, weichen oder, wie wir sagen, abgeschwächten Gestaltung ihrer Äußerungen. Gleichzeitig wollen wir an diesem Diskurstyp einen ersten Schritt zur Entwicklung der Konzepte "Abschwächung" und "Verschärfung" leisten, welche bislang noch nicht systematisch in die Diskussion eingeführt wurden. Wir werden die Komponenten und Prozesse beschreiben, die dazu beitragen, daß von einer Äußerung der Hindruck entsteht, sie sei in einem bestimmten Grade abgeschwächt, und die interaktive Funktion dieser Außemngseigenschaften in der GT untersuchen. Unser Ziel besteht also letztlich in der Formulierung von Interaktionsund Interpretationsregeln. Z 5 (A 5ff.)
auf
TUlrof.
I hemtX
V&fßel^en Absicht
Hier und im folgenden werden Zitate aus dem Primärtext mit "A" und Zeilenangabe aufgeführt.
30 (2b)
Daß "Abschwächung" im Unterschied zu "Partikel" eine interaktivrelevante Kategorie ist, wird an folgenden Argumenten deutlich: - Es wird nie ausgehandelt, ob eine Äußerung genügend Partikeln enthält, sondern z.B. ob sie genügend abgeschwächt ist. - Es wird nie über Zugehörigkeit eines Elementes zur Klasse der Partikeln verhandelt, sondern z.B. die interaktive Funktion einer Äußerung. Z 3 (A 28ff.)
Die Annahme, daß Randnotizen 'wichtige' Aussagen des Primärtextes verdeutlichen, trifft offenbar nur für (la) und (lb) zu. So ist ja/nein eine Paraphrase zu Bestätigung/Verneinung und Frage modifizieren ein Beispiel für weitere Abschwächung, das im Primärtext auf S. 249 angeführt ist. Und ganz ähnlich wird in (lb) mit der Notiz Klient reagiert aufTherap. der Fachterminus weiter abgeschwächt erläutert. In den Randnotizen sind also in der Tat inhaltliche Aspekte hervorgehoben. Für (2a) und (2b) gilt dies nur sehr bedingt: Notizen von der Art Thema, Vorgehen, Absicht, Begründung beziehen sich zwar ebenfalls auf den Primärtext, ohne dabei jedoch fachspezifische Aussagen dieses Textes zu paraphrasieren oder zu erläutern. Die gleichen Notizen könnten auch in vielen anderen wissenschaftlichen Texten gemacht werden. Ihre Funktion scheint nicht so sehr Paraphrase oder Gedächtnisstütze zu sein als vielmehr eine Verdeutlichung des Aufbaus des Primärtextes. Wollte man diese zumeist aus einem einzigen Wort bestehenden Notizen explizit machen, würden sich Sätze ergeben wie: "In dem nebenstehenden Textabschnitt wird eine Aussage über das Thema, das Ziel, die Absicht der Untersuchung gemacht" oder "In der nebenstehenden Textpassage wird eine Behauptung begründet". Das Thema, die Absicht selbst usw. bleiben dabei in der Notiz, die lediglich Verweisfunktion hat, ungenannt. Inhaltlich bleiben die Notizen also leer. (la-b) und (2a-b) scheinen also von der Funktion her gesehen verschiedene Typen zu repräsentieren. Ich spreche im folgenden von Paraphrasierungen (lab) und illokutiven Kennzeichnungen oder abgekürzt Kennzeichnungen (2a-b). Der zweite Terminus spielt dabei in Anlehnung an die Sprechakttheorie und die Theorie der Illokutionsstrukturen (z.B. Mötsch (Hrsg.) 1987) auf die illokutive Rolle der durch die Randnotiz spezifizierten Primärtextpassage an (Einzelheiten s. Keseling 1984 und daran anknüpfend Keseling/Wrobel/Rau 1987 und Wrobel, im Druck, Kap. 6.3.1.3). 3 Nur vergleichsweise selten finden sich die beiden Typen auch kombiniert in einer einzigen Notiz:
Wrobel nennt diese Randnotizen und die Markierung solcher Ausdrücke im Primärtext "Mustermarkierungen", im Gegensatz zu den propositionsbezogenen Markierungen, die sich auf die fachspezifischen Aussagen beziehen.
31 Unser Interesse für ein bestimmtes interaktives Phänomen erforAbqrenitj. dert eine andere Herangehensweise als das eher "sprachsystematische" t u ancJeren Interesse der Forschung zu Abtönungs- und Gradpartikeln (z.B. AltTetichuntjSAbflrenturß mann 1978, Franck 1980, Weydt (ed.) 1969, 1977, 1979). Während dort Kchturtjen versucht wird, lexikalische Einheiten zu isolieren und gegebenen2 iuspracbSfsiemat. falls nach ihren kommunikativen Funktionen zu suchen, versuchen wir, interaktive Kategorien zu finden und anschließend InterpretationsHesanethensund Interaktionsprozesse zu rekonstruieren. wecse Z 6 (A 20ff.)
(3)
•
Hier gehören die rechten Randnotizen zum Kennzeichnungstyp. Bei der linken Notiz handelt es sich dagegen um eine Kombination von Paraphrasen- und Kennzeichnungstyp. Hier könnte Abgrenzung zu und Herangehensweise auch in vielen anderen Texten notiert werden, während der Mittelteil (sprachsystemat[ischerj) einen fachspezifischen Aspekt beinhaltet und nur hier (oder in Arbeiten mit ähnlicher Thematik) möglich ist. Wir sehen hier, daß Notizen vom Typ (1) und (2) offenbar keine strikten Gegensätze bilden, sondern eher auf einer Skala angesiedelt sind, auf der die Paraphrasierungen das eine Extrem und die Kennzeichnungen das andere Extrem bilden. Interessant ist dabei allerdings auch, daß der Kombinationstyp im Vergleich zu den beiden übrigen Typen viel seltener ist. Es zeigt sich, daß der Kennzeichnungstyp nicht nur zahlenmäßig, sondern auch hinsichtlich seines Vorkommens bei den einzelnen Versuchspersonen am häufigsten belegt ist. Er scheint namentlich von den geübteren und professionellen Autoren bevorzugt zu werden. Wenn es zutrifft, daß die Randnotizen zwei (oder drei) von der Funktion her verschiedenen Typen angehören, was im Moment erst eine Vermutung ist, dann dürfte es interessant sein, nach formalen Unterschieden zu suchen. Auf einen ersten Unterschied haben wir schon hingewiesen: Von wenigen Ausnahmen abgesehen bestehen Kennzeichnungen nur aus einem einzigen Wort, und dieses Wort findet sich immer am Textrand. Für die Paraphrasen gilt eher das Gegenteil, sie bestehen zumeist aus mehreren Wörtern, zuweilen auch aus ganzen Phrasen oder Teilsätzen. Sie sind häufiger interlinear als am Rande angebracht. Ein nächster sehr wichtiger Unterschied besteht darin, daß die Kennzeichnungen offenbar einem eng begrenzten Vokabular angehören, wobei einzelne Notizen bei verschiedenen Versuchspersonen wiederkehren. Insgesamt kommen in meinem Korpus die folgenden Kennzeichnungen vor: (4)
Abgrenzung Abgrenzung gegen andere Methode Abgrenzung zu anderen Forschungsrichtungen Absicht Begründung Bsp. zu a) Bsp. Def. Def. Äußerung zu a) Explikation Folge
32 Geltungsbereich (2mal) Gründe für Abgrenzung von Partikeiforschung Material (2mal) Thema Verweis zu b) Vorgehen Vorgehen: was ist eine abgesch. Äußerung? Welche Funktion hat sie? Ziel (2mal) zu Bsp. 2 zu Bsp. 3
Einfachheitshalber habe ich hier auch die dem Kombinationstyp angehörenden Notizen aufgeführt. Mit diesem Unterschied hängt ein weiterer Unterschied zusammen: Alle Kennzeichnungen sind entweder Verbalabstrakta (Abgrenzung, Begründung, Vorgehen usw.) oder - seltener - einem Verbalabstraktum äquivalent {Thema, Geltungsbereich). Ausdrücke dieser Art sind ungesättigt: Sie eröffnen eine Leerstelle, und nur zusammen mit der Ausfüllung dieser Leerstelle ergeben sie eine sinnvolle und relevante Aussage. Auch dieses Merkmalbündel scheint ein Spezifikum der Kennzeichnungen zu sein. Paraphrasierungen sind zwar ebenfalls häufig unvollständig, dies jedoch in einem anderen Sinne: Ja/nein in (la) oder Klient reagiert aufTherap. in (lb) sind für sich gesehen nicht verständlich, sondern sie werden es erst im Zusammenhang mit dem Primärtextsegment, das sie paraphrasieren. Aber die Unvollständigkeit der Paraphrasierung ergibt sich nicht aufgrund einer syntaktischen Leerstelle. Auf diesen Punkt werde ich später noch zurückkommen. Nach dieser formalen Bestimmung komme ich jetzt noch einmal auf die (vermuteten) Funktionen von Paraphrasen auf der einen Seite und Kennzeichnungen auf der anderen Seite zurück. Während die Bestimmung des Paraphrasentyps kaum Schwierigkeiten bereitet, stellt sich bei den Kennzeichnungen erneut die Frage nach dem Verhältnis von Randnotiz und zugehörigem Primärtext (hier als Domäne bezeichnet). Was genau ist es, was den Leser dazu veranlaßt, eine Domäne als Thema, Ziel, Begründung, Geltungsbereich, Abgrenzung zu anderen Forschungsrichtungen usw. zu kennzeichnen? Betrachten wir dazu noch einmal die in (4) aufgelisteten Notizen. Wie leicht zu sehen ist, bilden diese Ausdrücke nicht nur in morphologischer und syntaktischer Hinsicht eine Gruppe, sondern auch in Hinblick auf ihre Bedeutung. Das Gemeinsame liegt darin, daß sich diese Ausdrücke auf Primärtextpassagen beziehen, in denen die Autoren des Primärtextes ihre wissenschaftlichen Prozeduren darlegen. Dies wird deutlich, wenn wir die Notizen mit den zugehörigen Domänen vergleichen: Betrachten wir dazu die ersten neun Zeilen des Primärtextes: Hier führen die Autoren ihr Thema ein, und sie kennzeichnen diese Prozedur mit dem Teilsatz In diesem Beitrag wollen wir uns mit einem Phänomen beschäftigen, welches ... In der Randnotiz Thema (s. Bsp. 2a) wird nun genau diese Prozedur noch ein zweites Mal gekennzeichnet. Und desgleichen wird in (2b) die - hier allerdings nicht abgesteckte - Domäne als Begründung gekennzeichnet. In beiden Fällen handelt es sich um eine Paraphrasenbeziehung. Aber
33 anders als bei den Paraphrasierungen vom Typ (la-b) wird hier nicht eine inhaltliche oder fachspezifische Aussage paraphrasiert, sondern die Kennzeichnung einer wissenschaftlichen oder textuellen Prozedur. Wir können also festhalten, daß der entscheidende Unterschied zwischen dem Paraphrasentyp (im engeren Sinne) und dem Kennzeichnungstyp offenbar in der Relation zwischen der Notiz und dem Bezugselement des Primärtextes liegt. Beim Kennzeichnungstyp beziehen sich die Notizen Themen, Vorgehen, Ziel, Absicht, Explikation u. Abgrenzung, Abgrenzung gegen andere Methoden auf Textelemente des Primärtextes, in denen die Autoren des Primärtextes ihre Prozeduren oder Handlungen als Wissenschaftler darlegen: "mit einem Phänomen beschäftigen", "die Komponenten und Prozesse beschreiben", "unser Ziel besteht ... in" usw. Handlungen dieser Art sind typisch für die Tätigkeit des Wissenschaftlers schlechthin, der einen Gegenstand (Phänomen) auswählt, um sich mit ihm zu beschäftigen, der Aspekte (Komponenten und Prozesse) dieses Gegenstands beschreibt, dabei ein Ziel verfolgt und dessen Interesse eine bestimmte Herangehensweise erfordert, die sich von anderen Herangehensweisen unterscheidet. Ausdrücke dieser Art, in denen der Wissenschaftler sein nicht fachspezifisches Handeln benennt, bezeichne ich im folgenden als prozedurale Termini (abgekürzt PR-Ausdrücke), im Gegensatz zu den Fachtermini (abgekürzt FS-Ausdrücke), die sich auf fachspezifische Handlungen und Gegenstände beziehen. Wichtig für unseren Zusammenhang ist nun, daß die PR-Ausdrücke zugleich auch die Funktion haben, die Makrostruktur zu verdeutlichen. 4 In der Terminologie von Gülich/Raible (1979) könnte man von Gliederungssignalen sprechen; es handelt sich um Ausdrücke, die dazu dienen, die Funktion von Textsegmenten im Zusammenhang des Gesamttextes an der Oberfläche deutlich zu machen (ebd., S. 74). Alle Randnotizen des ersten Haupttyps beziehen sich auf PR-Ausdrücke des Primärtextes. Da sie, wie wir gesehen haben, die entsprechenden Primärtextausdrücke lediglich wortwörtlich oder als Synonym wiederholen bzw. explizit machen, sind sie ebenfalls PR-Ausdrücke. Sowohl die PR-Randnotizen wie auch deren Entsprechungen im Primärtext haben Gliederungsfunktion. Hauptaufgabe dieser Randnotizen, so dürfen wir folgern, ist demnach eine Verdeutlichung der Gliederung des Primärtextes. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch Wrobel, wenn er die Randnotizen oder die horizontal markierten PR-Ausdrücke im Aufsatz als musterbezogene Markierungen (oder verkürzt als Mustermarkierungen) bezeichnet. Mit ihnen werden nach Wrobel die Makrostrukturen des Primärtextes gekennzeichnet, "die den Text als Exemplar eines spezifischen Texttyps und damit als Realisation eines spezifischen Textmusters charakterisieren" (Wrobel, im Druck, Kap. 6.3.1.3).
Unter Makrostruktur verstehe ich hier und im folgenden die an inhaltlichen, sprachlichen und prosodischen Merkmalen erkennbare Gliederung eines Textes, etwa im Sinne von Labov/Waletzkys Gesamtstruklur (overall structure) (Labov/Waletzky 1973). Im Gegensatz zu van Dijk/Kintsch (z.B. 1983:15) enge ich diesen Begriff also nicht auf die Repräsentation der wesentlichen Aussage(n) des Textes {the gist etc.) ein.
34 Die Randnotizen des zweiten Typs beziehen sich demgegenüber auf fachspezifische Aussagen des Quellentextes. So ist die Randnotiz Reaktion eine Paraphrase des Fachterminus Aktivität nach; ja/nein paraphrasiert Bestätigung/Verneinung und zieht zugleich eine Verbindung zu einer späteren Textstelle, in der von einer Ja-nein-Reaktion auf Therapeuten-Fragen die Rede ist (A 303ff.). Ebenso ist auch die Randnotiz Frage modifizieren nicht nur eine bloße Paraphrase des Ausdrucks weitere Abschwächung, sondern ein Hinweis auf ein späteres Beispiel einer modifizierten Frage (A 295ff.).
2.2
Markierungen
Mit Ausnahme von Z 2 haben alle Versuchspersonen beim Lesen bestimmte Stellen des Primärtexts markiert. 5 In Abbildung 5 sind die einzelnen Markierungsarten nach Formen geordnet aufgelistet.
1.
xxxxxxxxxx
Einfache Unterstreichungen (alle außer Z 2)
2.
xxxxxxxxxx
Doppelte Unterstreichungen (nur einmal bei Z 6)
3.
a
xxxx_xxxxxx
b
xxxxxxxxxx
c
xxxxxxxxxx
Unterstrichelungen, Kombinationen von Unter-
d
xxxxxxxxxx
streichung und Unterstrichelung usw. (nur Z 8)
e
xxxxxxxxxx
4. 5.
a
(xxx>, |xxx|
durchgezogene Kreise oder Rechtecke (Z 1, 3)
OCXJD
gestrichelte Kreise (nur einmal bei Z 6) durchgezogener Kreis, kombiniert mit Unterstreichung (nur Z 7)
b 6. 7.
5
1
Randmarkierung mittels einfachem senkrechten Strich (Z 1, 3, 6) Randmarkierung mittels doppeltem senkrechten Strich (Z 3, 6, 7)
Daß im Text der Versuchsperson Z 2 Markierungen gänzlich fehlen, dürfte daran liegen, daß Z 2 statt einer Kopie den Buchtext benutzt hat.
35 Randmarkierung mittels Schlängellinie (nur einmal bei Z 6)
9.
X , +
Randmarkierung mittels Kreuz (Z 1 und 7)
10.
V, !
Randmarkierung mittels Ausrufezeichen (nur Z 3 und Z 4) Randmarkierung mittels eckiger Klammer (nur Z5)
11. a
12.
•
Randmarkierung mittels Quadrat mit Punkt Randmarkierung mittels lateinischer Kleinbuchstaben (Z 3)
13. |
Randmarkierung mittels senkrechtem Pfeil (nur zweimal bei Z 7)
11
Randmarkierung mittels senkrechtem Pfeil mit unten oder oben abgeknicktem Schaft (nur Z 8)
14- a
b
'C
Randmarkierung mittels verbundenem Doppelpfeil (nur Z 4)
d
Randmarkierung mittels Abkürzung von "Abschwächung" und "Verstärkung" durch verbunden (nur einmal bei Z 6)
Abb. 5
A H V
Die von den Versuchspersonen verwendeten Markierungen
Wenn man alle formal ähnlichen Varianten gesondert zählt, läßt sich feststellen, daß die 7 Autoren insgesamt 30 verschiedene Markierungsformen verwenden. Dabei sind Unterstreichungen und einfache oder doppelte Randstriche am häufigsten. Insgesamt lassen sich zwei große Hauptgruppen, nämlich horizontale Markierungen (Unterstreichungen einschließlich Einkreisungen usw.: Nr. 1 bis 5b) und vertikale Markierungen (Randmarkierungen verschiedener Art Nr. 6 bis 14 d) unterscheiden. Nur Z 5 verwendet lediglich eine einzige Markierungsform, nämlich Randmarkierungen mittels eckiger Klammern, und zwar mit oder ohne dazugehörige Randnotiz. Die übrigen Schreiber verwenden mindestens 2 und maximal 6 Markierungsformen (letzteres Z 6 und Z 8). Um erste Hypothesen zur Funktion dieser unterschiedlichen Markierungsformen zu entwickeln, gehe ich der Frage nach, ob sich Regularitäten herausfinden lassen: Was wird markiert und was nicht? Wie lassen sich die markierten Segmente textuell kennzeichnen und welche Bedeutungen oder Funktionen lassen sich daraus erschließen?
36 2.2.1
Vertikale Markierungen
Wenn man Randmarkierungen mit horizontalen Markierungen vergleicht, läßt sich feststellen, daß die ersteren offenbar dann bevorzugt werden, wenn es sich um eine längere Textstelle handelt, bei der es zu aufwendig ist, sie ganz zu unterstreichen. Eine genauere Betrachtung zeigt allerdings, daß dies nicht das einzige Kriterium solcher Markierungen ist. Bereits bei den Randnotizen haben wir gesehen, daß die Textpassagen, auf die sich die Notizen beziehen, häufig durch vertikale Markierungen gekennzeichnet sind, daß diese Markierungen also Domänen abstecken. Beispiele wie die beiden folgenden zeigen, daß dies offenbar auch an Primärtextstellen ohne Randnotizen der Fall sein kann: (5)
Das Konzept "Abschwächung" explizieren wir vorläufig als Funktion einer Äußerung bzw. eines Außerungsteils, welche darin besteht, daß - relativ zu einer hypothetischen weniger abgeschwächten Variante der Äußerung - schwächere Obligationen aufgebaut oder übernommen werden. "Verschärfung" ist das entsprechend definierte Gegenteil von "Abschwächung". Z 1 (A 48ff.)
(6)
... bliebe. Abschwächungen in Therapeuten-Interpretationen von Klienten-Äußerungen dienen also in diesem Typ von Interaktionsschemata (oft) als Angebot an den Klienten. einen ihm (dem Klienten) gemäßen Fokus zu wählen. Man kann vielleicht sagen, daß ... Z 3 (A 307ff.)
Beide Beispiele bestehen aus zwei Teilen: der Ankündigung (... Abschwächung explizieren wir vorläufig als und Abschwächungen dienen also in diesem Typ von Interaktionsschemata (oft) als ...) und der Ausführung des Angekündigten. Beide Male ist der Text (bzw. Teile davon) unterstrichen. Dabei wird die unterschiedliche Funktion von Randmarkierung und Unterstreichung besonders in (5) deutlich, wo nicht das ganze Textsegment sondern nur wichtige Elemente darin unterstrichen sind. Umgekehrt zeigt Beispiel (6), daß die beiden Funktionen 'Ankündigung' und 'Hervorhebung von Wichtigem' einander nicht immer ausschließen. Randmarkierungen dieser Art finden sich insgesamt 34 mal; davon geht in 31 Fällen dem markierten Text eine Ankündigung voraus. Diese sind in 20 Fällen ebenfalls markiert, davon allerdings nur 15 mal vertikal, in den übrigen 6 Fällen horizontal selektiv. Da meine Analysen der Randmarkierungen weitgehend auf der sprachlichen Form dieser Ankündigungen fußen, liste ich sie im folgenden vollständig auf. Der jeweils nachfolgende Strich " " steht für die Realisierung der (von den Versuchspersonen unterstrichenen) Ankündigungen, "..." für weggelassene Teile der Ankündigung selbst. Die hochgestellten Symbole bedeuten dabei: + : die betreffende Versuchsperson markiert auch die Ankündigung vertikal,
37 x: zusätzlich zu der (markierten oder nicht markierten) Ankündigung findet sich noch eine Randnotiz, u: die Ankündigung ist ganz oder teilweise unterstrichen. Kein Symbol bedeutet: die Ankündigung bleibt gänzlich unmarkiert. (7) (a)
In diesem Beitrag wollen wir uns mit einem Phänomen + beschäftigen, welches Z 1 und X + Z 5 (A 5f.)
(b)
Gleichzeitig wollen wir _
Z 5 (A 10)
(c)
Wir werden die Komponenten und Prozesse beschreiben, die _ * + Z 5 (A 14)
(d)
Unser Ziel besteht also letztlich in _
(e)
Unser Interesse für ein bestimmtes interaktives Phänomen erfordert eine andere Herangehensweise als Z I und Z 5 (A 20f.)
(f)
Aus folgenden Gründen sind die Ergebnisse der Partikelforschung nur begrenzt auf unsere Fragestellung übertragbar: Z 6 und Z 8 (A 35f.)
(g)
Datengrundlage unserer Untersuchung sind 5 (A 43)
(h)
Das Konzept "Abschwächung" explizieren wir vorläufig als _ _ Z 1 und + Z 5 ( A 48)
(i)
Auf einer spezifischeren Ebene impliziert der Vollzug + bestimmter Interaktionstypen Z 1 (A 56f.)
(j)
So vermindert S1 in dem folgenden Beispiel (1) die Obligation, die "Behauptung" belegen zu müssen, daß Frau Blaublut Literaturwissenschaftlerin ist [folgt Beispiel] U Z 6 (A 58ff.)
(k)
Der Begriff Normal-Form-Erwartung der Interaktionspartner bezieht sich auf _ U + Z 1 (A 71f.)
(1)
Dieses Ziel kann in zwei Teilschritten angegangen werden: _ U Z 1 und Z 7 (A 80f.)
(m)
Als "Äußerung des Typs aj" betrachten wir (A 97)
(n)
Es handelt sich um folgende, zur Abschwächung beitragende Elemente: _ U Z 1 (A 113f.)
(o)
Sie sind durch folgende drei Komponenten gekennzeichnet: _ Z 1 (A 146f.)
Z 8 (A 17f.)
x +
+
Z 3 und
X+
Z 1
(p)
Insgesamt ist _
(q)
Abgeschwächte Therapeutenäußerungen kommen [...] in zwei Typen von Interaktionschemata vor: Und davon abgeleitet: _ Z 1 und U Z 7 (A 215ff.)
Z 4 und + Z 6 (A 210)
(r)
In beiden Interaktionstypen handelt es sich im + wesentlichen um Z 7 (A 230)
Z
38 (s)
Abschwächungen [...] dienen also in diesem Typ von Interaktionsschema (oft) als _ + Z 3 und + Z 4 (A 307ff.)
(t)
Zusammenfassend: _ ZI, U Z 3 und U Z 6 (A 318)
(u)
Die interaktive Funktion der abschwächenden TherapeutenÄußerung besteht darin, Z 6 (A 333f.)
Genauso wie in den Beispielen (5) und (6) scheint die Randmarkierung auch hier (unter anderem) dazu zu dienen, die Domäne für das Angekündigte abzustecken. Sieht man sich die Ankündigungen genauer an, dann läßt sich leicht erkennen, daß es sich hier ähnlich wie bei den Randnotizen (Z 6 ausgenommen) um Segmente handelt, die PR-Ausdrücke enthalten-, angekündigt werden: [1] Thema, Gegenstand, Fragestellung, Erkenntnisziel, Interesse der Untersuchung (a bis d), [2] die Gründe für eine Vorgehensweise (f), [3] die Datengrundlage (g), [4] die Definition oder Explikation von etwas (h,m), [5] die Implikation von etwas (i), [6] ein Beispiel (j), [7] Teilschritte (1), [8] Merkmale, Vorkommen, Bestimmung oder Funktionen eines Phänomens (n,o,q,r,s), [9] eine Zusammenfassung (p,t,u), wobei gleiche oder ähnliche Ankündigungen sprachlich unterschiedlich realisiert sein können. Die einzelnen Segmente werden oftmals von mehreren Versuchspersonen markiert: dabei steht das Segment (t) (zusammenfassend:...), das von drei Versuchspersonen markiert wird, an der Spitze, ihm folgen mit jeweils zweimaliger Markierung die Segmente (a) (in diesem Beitrag wollen wir), (f) (Übertragbarkeit der Ergebnisse der Partikelforschung), (g) (Datengrundlage...), (h) (Explikation von Abschwächung), (p) (Insgesamt ist...), (q) (zwei Typen von Interaktionsschemata, in denen Abschwächungen vorkommen) und (s) (Abschwächungen ... dienen ... als), während alle übrigen nur von einer Versuchsperson markiert werden. Dieses Bild ändert sich allerdings, wenn man die Segmente nach Sinngruppen zusammenfaßt. Dann ergibt sich die folgende Reihenfolge: An der Spitze stehen mit je 6 Markierungen die Typen [8] (Merkmale, Vorkommen, Funktion etc. von Abschwächungen) und [9] (zusammenfassende Passagen). Es folgen die Komplexe [1] (Thema/Gegenstand) mit 5, [4] (Definition) mit 3, [2] (Methode) und [3] (Datengrundlage) mit jeweils 2 und alle weiteren Typen mit j e einer Markierung (Gründe für eine Vorgehensweise, Implikation, Beispiel und Erklärung einer Formel). Hier wird deutlich, daß die Rezipienten 'wichtige' Aussagen offenbar häufiger markieren, als weniger wichtige, wobei zu den wichtigeren Aussagen Gegenstand, Zielbestimmung, Merkmale und Vorkommen des Phänomens Abschwächung und Zusammenfassungen gehören. Daß Definitionen, die Materialgrundlage und die Methode nur j e 3 bzw. 2 mal markiert werden, mag darin liegen, daß in dem Aufsatz dazu weniger gesagt wird als zur Merkmalsbestimmung. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, welche Typen von Aussagen überhaupt nicht randmarkiert werden. Es sind dies z.B. Argumente dafür, daß es sich bei der Abschwächung im Unterschied zur Partikel um eine "interaktiv relevante Kategorie" handelt (A 30ff.), die Formalisierung einer "Interpretationsregel" (A 89ff.), offene Fragen (z.B. A lOOff., A 128ff.), alle Beispiele (mit einer einzigen Ausnahme von Z 6) und größere Abschnitte des (im engeren
39 Sinne) empirischen Teils (A 152ff.), in dem nur die Ergebnisse markiert werden. Es sei noch angemerkt, daß die Ankündigungen zum Teil identisch sind mit den Randnotizen, mit dem Unterschied allerdings, daß die letzteren in der Regel aus einem einzigen Wort (selten aus einer Nominal- oder Präpositionalphrase) bestehen, während die Ankündigungen im Primärtext entweder ganze Sätze oder Teilsätze (c, f, j, 1, n, o, q), umfassen, mindestens aber eine Subjekt-NP mit Verb enthalten. Wir können also festhalten, daß sich die Randmarkierungen von wenigen Ausnahmen abgesehen auf Textpassagen beziehen, denen eine Ankündigung zur Gegenstands- oder Zielbestimmung, Beschreibung des Vorkommens, der Merkmale, Definition, Methode, Zusammenfassung usw. vorausgeht. Solche Stellen, so dürfen wir folgern, werden vom Rezipienten für wichtig gehalten, weil hier in komprimierter Form Kernaussagen des Textes formuliert sind. Deren Wichtigkeit im Vergleich zu nicht (oder selten) markierten Passagen wird bereits im Primärtext selbst durch die Ankündigung indirekt hervorgehoben. Dadurch dürfte sich auch erklären, daß in der Hälfte aller Fälle, in denen Randmarkierungen vorkommen, dabei auch die Ankündigung in die randmarkierte Domäne einbezogen ist und daß in einem Drittel aller Fälle Ankündigungen horizontal markiert und als Randnotizen hervorgehoben sind. Beachten wir, daß in der Hälfte aller Fälle zwischen Ankündigung und Ausführung der Ankündigung eine graphische Opposition besteht, und zwar in den folgenden Realisierungen: (8)
(a)
nicht markiert vertikal markiert
(b)
horizontal markiert vertikal markiert
Mindestens in diesen 17 Fällen scheint der Rezipient also zwischen einem Textsegment 'Ankündigung' und einem nachfolgenden Textsegment 'Angekündigtes' zu differenzieren, wobei vorläufig offenbleiben muß, weshalb er dies tut und ob die so unterschiedenen Textsegmente in irgendeiner Form in den Zieltext eingehen. Ich werde darauf im Kapitel 4 zurückkommen.
2.2.2
Horizontale Markierungen
Rein quantitativ gesehen sind horizontale Markierungen am häufigsten. Im Unterschied zu den Randmarkierungen werden hier häufig auch kleinere Segmente, einzelne Wörter oder Phrasen markiert, oder es sind innerhalb ganzer Aussagen nur wichtige Wörter oder Wortgruppen markiert. Insgesamt lassen sich sechs Typen unterscheiden:
40 Typ 1 Ankündigungen vor oder innerhalb von randmarkierten ser Typ wurde bereits in Kapitel 2.2.1 abgehandelt.
Textstellen. Die-
Typ 2 Ankündigungen. Im Unterschied zum ersten Typ bleibt hier das Angekündigte unmarkiert. So unterstreicht Z 7 die Ankündigung eines Beispiels (So vermindert S1 in dem folgenden Beispiel..., A 58f.). Zwei weitere Belege finden sich bei Z 3. - Einen Untertyp dieser Gruppe bilden Unterstreichungen oder Einkreisungen von Überschriften (2mal bei Z 3 und 5mal bei Z 6). Typ 3: PR-Ausdrücke, aber nicht als Randnotiz, sondern im Text horizontal markiert, häufig mit anderer Markierungsform als die übrigen Markierungen und häufig als Bestandteil von Ankündigungen. Beispiele sind: Ziel (A 18, hervorgehoben durch Einzirkelung) Z 3; Da/engrundlage (A 43) Z 4; Definition (in der Überschrift, A 47, hervorgehoben durch Einkastelung) Z 3. Belege finden sich außer bei Z 1 und Z 5 bei allen Versuchspersonen. Typ 4: FS-Ausdrücke (Fachtermini). Beispiele sind Abschwächung (A 1) Z 3 und Abschwächung und Verschärfung von (A l l f ) Z 4. Weitere Belege finden sich bei allen Versuchspersonen. Typ 5: Domänenmarkierungen. Sie entsprechen den in Kapitel 2.2.1 abgehandelten Randmarkierungen: Eine in der Regel mehrere Zeilen umfassende Passage wird durchgehend oder unterbrochen unterstrichen. Dem unterstrichenen Segment geht entweder eine Ankündigung voraus oder sie ist darin einbegriffen. Domänenmarkierungen kommen mehrfach bei Z 3, Z 6, Z 7 und Z 8 vor. Typ 6: Hervorhebungen ganzer Aussagen oder Aussagenketten, aber ohne vorausgehende oder darin enthaltenen Ankündigungen. Die Segmente werden teils durchgehend wie in (9) und teils unterbrochen wie in (10) unterstrichen: (9)
Zur Bestimmung der Interaktionsmuster.in welche abgeschwächte Therapeutenäußerungen eingebettet sind, ist es wichtig zu wissen, wie der Klient mit einer solchen Äußerung umgeht. Z 7 (A 142ff.)
(10)
Während dort versucht wird, lexikalische Einheiten zu isolieren und gegebenenfalls nach ihren kommunikativen Funktionen zu suchen, versuchen wir, interaktive Kategorien zu finden und anschließend Interpretationsund Interaktionsprozesse zu rekonstruieren. Z 1 (A 23ff.)
Anders als bei den Randmarkierungen, in denen Domänenmarkierungen vorherrschen, ist das Bild bei den horizontalen Markierungen also uneinheitlich. Insgesamt ist allerdings unübersehbar, daß Domänenmarkierungen und Hervorhebungen ohne Ankündigungscharakter (einschließlich Fachtermini) stark überwiegen, wohingegen Ankündigungen und PR-Ausdrücke zwar ebenfalls von einigen Versuchspersonen markiert werden, hier aber nicht selten eine andere, zur einfachen Unterstreichung kontrastierende Markierungsform gewählt wird.
41 2.3 Schlußfolgerungen Betrachtet man Randnotizen, vertikale und horizontale Markierungen im Zusammenhang und sieht man dabei zunächst von den unterschiedlichen Markierungs/omien ab, dann stellt sich heraus, daß vor allem solche Textpassagen markiert werden, die sich von der Textstruktur her wie folgt bestimmen lassen: la) PR-Ausdrücke lb) Ankündigungen 2) Angekündigte fachspezifische Aussagen 3) Nicht angekündigte fachspezifische Aussagen und Fachausdrücke la) und lb) subsumiere ich im folgenden unter dem Terminus A-Ausdrücke. Dies ist dadurch motiviert, daß PR-Ausdrücke in der Regel Bestandteile von Ankündigungen sind. Ausdrücke vom Typ 2) bezeichne ich als AFS-Ausdrücke und Ausdrücke vom Typ 3) als UFS-Ausdrücke. Um zu klären, ob diese drei Ausdruckstypen tendentiell mit bestimmten Markierungsformen korrellieren, ob sich den textuell definierten Markierungen also mehrheitlich bestimmte Markierungsformen zuordnen lassen, habe ich in der folgenden Abbildung den drei Ausdrucksformen die jeweils häufigste Markierungsform gegenübergestellt. Textuell definierte Markierungen
Häufigste Markierungsform
A-Ausdrücke (Ankündigungen und PR-Ausdrücke)
Randnotizen, horizontal
AFS-Ausdrücke (fachspezifische Ausdrücke nach vorausgehender Ankündigung = Domänen)
vertikal
UFS-Ausdrücke (fachspezifische Aussagen ohne vorausgehende Ankündigung) Abb. 6
horizontal
Häufigste Markierungsformen
Wir sehen hier, daß A-Ausdrücke vor allem horizontal und in Form von Randnotizen, daß AFS-Ausdrücke (Domänen) vor allem vertikal und UFS-Ausdrücke vor allem horizontal markiert werden. Danach werden nur AFS-Ausdrücke vorzugsweise mit einer bestimmten Markierungsform nämlich durch vertikale Mar-
42 kierungen gekennzeichnet. Außerdem werden Randnotizen hauptsächlich für AAusdrücke verwendet. A-Ausdrücke werden aber außerdem auch - und zwar ziemlich oft - horizontal markiert. Diese Ausdrücke sind also von der Form her nicht von den UFS-Ausdrücken unterschieden. Damit scheint also die Annahme, daß allen textuell definierten Markierungen mehrheitlich bestimmte Markierungsformen zuzuordnen sind, falsifiziert zu sein. Dieser Befund ändert sich indessen, wenn man berücksichtigt, daß die horizontal markierten A-Ausdrücke oft durch eine spezifische Markierungsform (z.B. Einkastelung oder doppeltes Unterstreichen) von den sonstigen horizontalen Markierungen abgehoben werden, wie oben gezeigt wurde. Stellt man diese zusätzliche Differenzierung in Rechnung, dann erhalten wir in der Tat für jeden Ausdruckstyp mehrheitlich eine bestimmte Markierungsform, wie Abbildung 7 zeigt:
Textuell definierte Markierungen
Häufigste Markierungsform
A-Ausdrücke
Randnotizen, abgehobene horizontale Markierungen
AFS-Ausdrücke
vertikale Markierungen
UFS-Ausdrücke
nicht abgehobene horizontale Markierungen
Abb. 7
2.4
Häufigste Markierungsformen mit zusätzlicher Differenzierung der häufigsten horizontalen Markierungen
Interviewäußerungen zur Lektürephase
Insgesamt können wir also festhalten, daß A-, AFS- und UFS-Ausdrücke überwiegend unterschiedlich markiert werden, daß die Rezipienten die verschiedenen Markierungsformen also nicht willkürlich wählen, sondern daß sie damit die entsprechenden Segmente als voneinander unterschieden kennzeichnen. Dies legt die Vermutung nahe, daß trotz aller Verschiedenheit der graphischen Formen die Tendenz durchschimmert, nicht nur 'Wichtiges' zu markieren, sondern mit den unterschiedlichen Markierungsformen auch erste Ergebnisse einer Primärtextanalyse festzuhalten. Der Text wird offenbar nicht nur inhaltlich zur Kenntnis genommen, sondern ein Teil der Aufmerksamkeit scheint auch der Textstruktur zu gelten, wobei - unter anderem - zwischen orientierenden, i.e textorganisierenden (Ankündigungen usw.) und fachspezifischen Aussagen unterschieden wird.
43 Dies sind vorerst allerdings Vermutungen. Denn bisher haben wir die Randnotizen und Unterstreichungen hauptsächlich unter dem Aspekt der Resultate dieser Handlungen betrachtet. Aber um die Tätigkeitszusammenhänge, in denen sie stehen, haben wir uns noch nicht gekümmert. Um dies nachzuholen, ziehe ich die Recall-Interviews heran. Dabei interessiert mich unter anderem die Frage, zu welchem Zweck die Versuchspersonen Markierungen usw. vornehmen, ob sie dabei schon einen potentiellen Zieltext vor Augen haben, wenn ja, wie solche Vorstellungen beschaffen sind und wie sehr sich die Versuchspersonen ihrer Markierungstätigkeit etc. überhaupt bewußt sind. Die Antworten auf die Frage nach den Gedanken während der Primärtextlektüre lassen sich grob in drei Gruppen einteilen, nämlich Äußerungen a) zum Inhalt des Primärtextes und zum Textverständnis, b) zur Struktur des Primärtextes und c) zu den Vorstellungen über den zu schreibenden eigenen Text und den Arbeitsplan. Häufig lassen sich die Antworten allerdings nicht eindeutig einem einzigen Thema zuordnen. Zu a) überwiegen Äußerungen zum Textverständnis. Nur zwei Versuchspersonen finden den Text leicht, die anderen eher schwer oder sperrig, wie z.B. Z 8: Das Lesen sei etwas befremdend gewesen und besonders der Anfang habe Schwierigkeiten bereitet. Ähnlich äußert sich auch Z 7: Sie habe den Text ziemlich schwierig gefunden, besonders am Anfang. Z 4 sagt, es sei ein völlig ungewohnter Text gewesen, er habe sich erst einlesen müssen; als er dann aber endlich gewußt habe, worum es geht, habe er den Text zunächst ganz gut lesen können, mit Ausnahme des Teils über die Auszählungen, zu dem er nur einen Satz geschrieben habe. Für Z 3 war der Text langweilig und chaotisch geschrieben. Die Abgrenzungen und andere Punkte seien unnötig gewesen. Im übrigen habe er sich aber beim Lesen gut konzentrieren können. Die meisten Versuchspersonen haben den Text zweimal gelesen, beim ersten Mal mehr mit Blick auf den Inhalt, beim zweiten Mal mehr auf zu verwertende oder auszulassende Passagen oder in Hinblick auf die Struktur des Primärtextes. Die Frage, ob beim Lesen schon Gedanken an das spätere Schreiben aufgekommen seien, wird von einigen Versuchspersonen für das erstmalige Lesen strikt verneint, für die zweite Lektüre aber zumeist bejaht. Bei bestimmten Passagen, sagt Z 7, habe sie gedacht, das werde sie verwerten können und die entsprechenden Reizworte, wie sie es nennt, habe sie angestrichen und dabei auch gleich so bestimmte Sachen quasi auf den Begriff gebracht... das is ne Definition, das ist ein Ergebnis, oder ne Folge aus irgendwas. Aber beim Schreiben habe sie das nicht mehr verwendet. Z 8 kann sich an Gedanken beim ersten Lesen nicht erinnern: Er wisse nur, daß er immer wieder versucht habe, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Solche Stellen habe er durch Punkte am Rand markiert. Das mache er beim Lesen immer. Zu b) äußert sich am ausführlichsten Z 5: Sie habe beim ersten Lesen weniger auf die konkreten Inhalte als auf die Struktur, den Aufbau und die Argumentation geachtet, so im Sinne von Konkretisierung, Beispiele, These, Zusammenfassung. Auf so was wie Zusammenfassung, fügt sie hinzu, springt man ja immer, weil man denkt, da könne man es gut raffen. Die zweite Lektüre sei nur noch kursorisch gewesen; sie habe sich auf die ersten Abschnitte konzentriert
44 und dann sogleich mit der Niederschrift begonnen. Z 3 äußert sich ähnlich: er habe bestimmte Stellen angestrichen, um den Text schnell nochmal überfliegen zu können. Dies seien nicht unbedingt wichtige Stellen, sondern er schreibe auch an den Rand, was Ziel der Arbeit ist, was dann folgte, Begründungen und so was, dann die Überschriften, ... Definitionen, so daß ich ihn [gemeint ist der Text] auf den ersten Blick habe. Äußerungen zu c) betreffen vor allem die Frage, ob man sich an die Gliederung des Primärtextes halten oder davon abweichen soll. Z 3 und Z 4 entschliessen sich zu ersterem, Z 6 und Z 7 zu letzterem, beide Male mit der Begründung, daß ihr Text sonst zu umfangreich werden würde. Ähnlich berichtet Z 5: Sie habe über eine Form nachgedacht, die es ihr erlauben würde, Teile des Textes unberücksichtigt zu lassen. Z 8 sagt, er habe vor dem Schreiben noch gar nicht über das Ganze nachgedacht, die Gliederung habe sich erst beim Schreiben ergeben. Insgesamt sind Äußerungen zum Primärtext, zum Textverständnis und zu den Markierungen häufiger als Äußerungen zu dem geplanten eigenen Text, die sich im allgemeinen auf relativ einförmige Angaben über verwertbare oder auszulassende Passagen beschränken. Die Funktion der Randnotizen und Markierungen für den Schreibprozeß wird zwar gesehen, aber kaum im Detail spezifiziert. Insgesamt, so dürfen wir folgern, sind sie als Orientierungshilfe für spätere zweite oder dritte Lesephasen gedacht. Zwar wissen die Versuchspersonen, daß und zu welchem Zweck sie markieren usw., aber es stellt sich trotzdem die Frage, welchen Platz im Bewußtsein der Autoren die Markierungshandlungen während der Lesephase(n) einnehmen. Obwohl die Versuchspersonen in den Interviews dazu nichts sagen, müssen wir annehmen, daß sie diese Handlungen, wenn überhaupt, nur relativ selten und für jeweils kurze Zeit fokussieren. Nicht die Markierungen, sondern der Primärtext selbst und das Textverständnis dürfte während der Lesephase(n) im Mittelpunkt gestanden haben. Wenn es überhaupt berechtigt ist, hier von einer Primärtextanalyse zu sprechen, dann dürften die dabei erzielten Ergebnisse, wie z.B. die Differenzierung zwischen verschiedenen Markierungstypen, eher ein Nebenprodukt der Rezeptionstätigkeit sein. Daß dies so ist, dafür sprechen ganz einfach die (von den meisten Versuchspersonen) artikulierten Verständnisschwierigkeiten und die hohe Konzentration beim Lesen, von der mehrere Versuchspersonen ebenfalls berichten. All dies dürfte erst recht für eventuelle Vorstellungen von dem zu schreibenden Zieltext oder eventuellen Textplänen gelten. Nicht nur die (wenigen und vagen) Interviewäußerungen, sondern auch Plausibilitätserwägungen und eigene Schreiberfahrungen legen die Annahme nahe, daß den Versuchspersonen beim ersten, vermutlich aber auch beim zweiten Lesen (soweit dieses der Schreibphase vorausgeht), kaum die Zeit und die Muße zur Verfügung stehen, um präzisere Vorstellungen von ihren Plänen entwickeln zu können. Ich werde auf diesen Punkt noch öfter zurückkommen.
3. Aktivitäten in der Zeitspanne zwischen Abschluß der Lektüre und Beginn der Niederschrift. Skizzen, Stichworte, Gliederungen
3.1 Äußerungen in den Interviews Mit welchen Vorstellungen über den zu schreibenden eigenen Text beginnen die Autoren nun die Niederschrift? Kann man annehmen, daß sich ihre Vorstellungen im Vergleich zu denen in der Lesephase konkretisiert haben und daß sie in der Zwischenzeit schriftlich oder im Kopf ein Konzept erarbeitet haben? Oder sind diese Vorstellungen nach wie vor vergleichsweise vage und sporadisch? Es scheint zweckmäßig, bei der Beantwortung dieser Frage einen Unterschied zu machen zwischen den Autoren, die vor Beginn der Niederschrift Notizen oder Stichworte aufschreiben, und denen, die dies nicht tun. Ich beginne mit den ersteren. In meinem Material gehören hierzu nur Z 1, 3 und 7, also gut ein Drittel der Versuchspersonen. Nur Z 1 fertigt vor Schreibbeginn eine ausführliche Rohfassung an, die bereits zahlreiche Formulierungen des endgültigen Textes enthält. Z 7 beginnt mit einem nicht sehr umfangreichen Problemaufriß, wie sie es nennt, den sie allerdings bald abbricht, um sodann mit der Niederschrift zu beginnen. Z 3 schreibt vor Schreibbeginn die Überschriften des Primärtextes ab. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Wrobel (im Druck) in der erwähnten späteren Versuchsreihe: Umfangreichere Vorarbeiten (Stichworte, Konzepte und Rohfassungen) finden sich hier ebenfalls nur bei etwa einem Drittel der Versuchspersonen. Interessant ist, daß in sechs Fällen die Überschriften abgeschrieben und mit Stichworten ergänzt werden. Speziell zu den Konzepten usw. stellt Wrobel fest, daß diese grundsätzlich erst im Verlauf der zweiten Lesephase erstellt werden, in einer Phase, in der zum Teil auch die Gliederungen abgeschrieben werden. Betrachten wir jetzt den folgenden Anfang der Rohfassung von Z 1 und die Stichworte von Z 12 (letztere nach Wrobel) (1)
Ziel:
Material: Def:
- Untersuchung des kommunikativen Handelns von Th. in klientenzentrierter GT - > Abschwächungen, Verschärfungen. - Formulierung von Interaktions- + Interpretationsregeln in diesem bestimmten Gesprächstyp mehrere transkribierte Gruppen- + Einzelth.Gespräche Abschwächung: Eine Abschwächung einer vorangegangenen hypothetischen Äußerung hat die Funktion, schwächere Obligationen für den Sprecher/Gesprächspartner aufzubauen. Verschärfung entsprechend def. Gegenteil
46 Obligationen: a) Allgemein sind darunter Verpflichtungen zur Hinhaltung von Regeln für die Aufrechterhaltung von Interaktionen zu verstehen b) Bei bestimmten Interaktionstypen müssen bestimmte Obligationen übernommen bzw. aufgebaut werden. Z 1
(2)
1. Einleitung Phänomen in GT - > abgeschwächte Äußerungen - > Typisch bzw. auffällig für komm. Handeln in GT Wissenschaft.: abgeschw. Äußerung = Diskurstyp Ziel: Entwicklung von Konzepten für Diskurstyp "Abschwächg." bzw. Verschärfung - > wird aber nicht näher untersucht Vorgehensfragen: was sind abgeschw. Äuß:? welche Fkt. haben sie? Ziel: Formulieren von Interaktions- u. Interpretationsregeln Herangehensweise: Abgrenzung zu sprachsystemat. Forschungsinteresse Begriffserklärung: " Abschwächung" als interaktiv relevante Kategorie Z 12 (zitiert nach Wrobel, im Druck, K a p . 6 . 3 . 1 . 4 )
Nach Wrobel, der sich in seinen Ausführungen auf dieselben Beispiele bezieht, sind Stichworte dieser Art einerseits ein Produkt vorausgehender kognitiver Operationen, bilden andererseits aber auch die Grundlage für die spätere Textproduktion. In der räumlichen Organisation dieser Aufzeichnungen zeige sich eine "analogbildhafte Modellstruktur", die dem Schreiber zum einen eine schnelle Orientierung im Primärtext und zum anderen auch eine "Orientierung hinsichtlich der Schritte, der Richtungen und der Reichweite möglicher Folgehandlungen" ermögliche (Wrobel, im Druck, Kap. 6.3.1.4). Darüber hinaus wird in beiden Beispielen aber auch die Dichotomie von textorganisierenden und fachspezifischen Ausdrücken deutlich, worauf Wrobel ebenfalls hinweist. Erstere sind in beiden Beispielen ähnlich wie die Randnotizen herausgerückt und damit als Gliederungssignale deutlich gemacht. Aber im Gegensatz zu den Randnotizen sind die Relationen zwischen den Gliederungssignalen und den fachspezifischen Ausdrücken jetzt durch graphische Symbole wie Pfeile oder Doppelpunkte ausgedrückt, die nach Wrobel prädikative, durch Verben wie sein, haben, bestehen in ausdrückbare Beziehungen substituieren. Hier zeichnen sich also bereits "Vorformen syntaktischer und textueller Kohärenz" ab (Wrobel, im Druck, Kap. 6.3.1.4). Interessant ist nun, daß sich aus dem Inhalt und der Struktur der Stichworte oft nicht eindeutig ablesen läßt, ob es sich hier um Repräsentationen des Primärtextes oder des intendierten Zieltextes handelt. Einige Interviewäußerungen deuten eher auf ersteres hin. (3)
Also, ich gehe so vor, daß ich mir den Abschnitt durchlese und danach versuche, in Stichworten im Kopf zusammenzustellen, was da ausgesagt worden ist. Entweder ich
47 krieg es hin oder merke, ich habe ihn gar nicht verstanden. Dann muß ich ihn nochmal lesen und probiere es nochmal. Und wenn es dann immer noch nicht klappt, lasse ich ihn weg. Z 12 (zitiert nach Wrobel, a.a.O.) (4)
Ich habe mir die einzelnen Abschnitte nochmal durchgelesen und Stichworte bzw. Sätze geschrieben. Ich habe zunächst versucht zu verstehen und dann zusammenzufassen. Z 14 (zitiert nach Wrobel, a.a.O.)
Die Stichworte dienen danach dem Verständnis des Primärtextes bzw. als Test für das Verstehen, wobei offenbleiben muß, ob den Stichworten im Kopf, von denen Z 12 spricht, noch eine Niederschrift folgt oder nicht. In die gleiche Richtung weisen Interviewäußerungen zur Abschrift der Kapitelüberschriften des Primärtextes: (5)
Mir schwirrte nach dem Lesen ziemlich viel im Kopf hemm und dadurch, daß ich die Kapitelüberschriften abschrieb, konnte ich alles mehr im Kopf fixieren. Z 11 (zitiert nach Wrobel, a.a.O.)
In ähnlichen weiteren Äußerungen wird aber auch die Gliederungsfunktion deutlich, die diese Abschriften haben, wobei wiederum offenbleiben muß, ob die Versuchspersonen in dem Moment, in dem sie die Primärtextüberschriften abschreiben, schon die Vorstellung von einem eigenen Text im Kopf haben. (6)
Erst habe ich die einzelnen Punkte hier aufgeschrieben ..., damit ich einen Uberblick habe, wieviel Punkte die haben und was da drin steht. Aber da habe ich praktisch nur die Überschriften abgeschrieben, da steht nichts anderes drauf. Ich selbst habe mir keine Gliederung gemacht. Z 3
(7)
Ich habe zunächst die Einleitung in Stichworten zusammengefaßt und dann die Überschriften abgeschrieben, um sie auf einen Blick zu haben und nicht immer blättern zu müssen. Und dann bin ich durchgegangen und habe eigentlich dieselbe Gliederung auch übernommen Z 14 (zitiert nach Wrobel, a.a.O.)
Diese und einige weitere von Wrobel (a.a.O.) angeführte Äußerungen scheinen also darauf hinzudeuten, daß Autoren sowohl bei der Niederschrift ihrer Stichworte wie auch bei der Abschrift der Kapitelüberschriften vorrangig immer noch den Primärtext und die Primärtextstruktur fokussieren. Ob die Stichworte oder Entwürfe auch schon systematisch als eine Art Inhaltsangabe ihrer geplanten eigenen Texte gedacht sind, wird nicht recht deutlich. Gedanken an den zu schreibenden eigenen Text tauchen eher sporadisch auf, worauf z.B. eine Interviewäußerung von Z 14 hinweist: Gefragt, ob sie beim Schreiben der Stichworte daran gedacht habe, die Stichworte vielleicht für die Zusammenfassung zu übernehmen, antwortet sie: Zum Teil ja, und manchmal dachte ich, daß ich sie auch noch verändern müsse, je nach Übergang, den ich finden würde. Grundsätzlich falle es ihr schwer, lediglich Stichworte zu notieren. Die ersten Assoziationen müsse sie gleich aufschreiben, sonst sind sie weg. - Z 3 äußert sich zum geplanten eigenen Text erst, als er gefragt wird, ob er die Überschriften als Grundlage für den eigenen Text genommen habe. Er bejaht diese Frage und fügt
48 hinzu, daß er sich an die Reihenfolge der Abschnitte gehalten habe; deren Überschriften seien seine Gliederung. Nur Z 1 scheint in dieser Hinsicht eine Ausnahme zu bilden. Zusammen mit Z 7 gehört sie zu denjenigen Versuchspersonen, die vor der Niederschrift ausführliche Stichworte machen. Aber anders als Z 7, die sich schon nach den ersten Notizen entschließt, ihren Problemaufriß abzubrechen und mit der Niederschrift zu beginnen, bricht sie diese Tätigkeit nicht ab, sondern führt sie bis zum Ende fort, um erst danach mit der Reinschrift, wie sie es nennt, zu beginnen. Interessant sind nun ihre Interviewäußerungen hierzu. Sie deklariert ihre Stichworte am Anfang des Interviews als Schmierzettel und bezeichnet diese Tätigkeit als rausschreiben und das Produkt als Gliederung. Etwas später spricht sie dann von einem Entwurf, aus dem sie viele Formulierungen einfach übernommen und abgeschrieben habe. Die Frage des Interviewers hierzu, ob es sich um eine Rohfassung gehandelt habe, bejaht sie. Allerdings wird nicht recht deutlich, ob die Autorin eine solche Rohfassung - später bezeichnet sie sie auch als Kladde - von Anfang an intendiert hat, oder ob sie ihre Notizen erst beim Schreiben zu einer Rohfassung umfunktioniert hat. Ein Blick auf die graphische Anordnung und die syntaktische Form ihrer Notizen scheint letzteres zu bestätigen. Betrachten wir dazu noch einmal (1). Hier zeichnet sich in der dritten, mit Def. beginnenden Einheit ein Übergang von dem anfänglichen Telegrammstil mit Nominalphrasen ohne Prädikat zu vollständigen Ausformulierungen ab, die dann zwischendrin nur noch gelegentlich von telegrammstilartigen Notizen unterbrochen werden. Ich schließe daraus, daß die Autorin ähnlich wie Z 7 beim Notieren ihrer Stichworte unversehens ins Ausformulieren geraten ist, worauf auch ihre widersprüchlichen Angaben im Interview (z.B. rausschreiben vs. Rohfassung) hindeuten könnten. Anzumerken ist noch, daß die Schreiberin die graphische Anordnung (die PR-Ausdrücke usw. sind links herausgerückt und unterstrichen) in dem ganzen Entwurf beibehalten hat, daß sie allerdings im zweiten Teil auch Überschriften bringt und diese unterstreicht. Ich werde in Kapitel 4.4.1 auf dieses Beispiel zurückkommen und dabei untersuchen, in welcher Weise die Autorin in der Phase der Reinschrift mit ihrer Rohfassung umgeht. Wie verhält es sich mit denjenigen Autoren, die nach Abschluß der Primärtextlektüre sogleich mit der Niederschrift beginnen? Zu erwarten ist hier, daß diese Versuchspersonen vor der Niederschrift über ihre Gliederung nachdenken, daß sie also die Gliederung anstatt auf dem Papier im Kopf anfertigen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Pause zwischen Lektüreschluß und Schreibbeginn vergleichsweise kurz ist; sie dauert im Durchschnitt 2,83 Minuten. Die längste Pause macht Z 7 mit 6 Minuten, Z 3 beginnt sofort, also ohne Pause, zu schreiben. Auf die Frage, was ihnen während dieser Zeitspanne durch den Kopf gegangen ist, antworten die meisten Versuchspersonen, daß sie nach einer Formulierung des ersten Satzes gesucht hätten. Nur Z 4 und Z 5 erinnern sich, daß sie über die Gliederung bzw. das Konzept nachgedacht hätten, ohne dabei sehr ins Detail zu gehen:
49 (8)
Nachdem ich das zweite Mal den Text gelesen hatte, habe ich festgestellt, daß ich mich ganz an die Gliederung im Text halten kann, und ich habe die dann auch so übernommen. Z 4
(9)
Eigentlich habe ich daran gedacht, daß es die Struktur haben sollte, die ich gerne habe. Also, daß es klar aufgebaut ist. Und entsprechend fängt es bei mir auch immer ähnlich an: Der vorliegende Beitrag befaßt sich da und da mit. Z 5
An dem Beispiel (9) ist interessant, daß die Probandin hier vom Thema klarer Aufbau unvermittelt zu dem Thema erster Satz wechselt und daß sie dazu weitaus mehr zu sagen hat als zu dem Problem Gliederung. Die Annahme, daß alle Schreiber ihre Niederschrift erst beginnen, nachdem sie entweder auf dem Papier oder im Kopf ein Konzept gemacht haben, scheint sich also nicht zu bestätigen, zumindest scheinen entsprechende Gedanken auch in der Pause zwischen Lektüre und Schreibbeginn keine wichtige Rolle gespielt zu haben. Z 4 scheint hier eher eine Ausnahme zu sein. Äußerungen, die sich auf die Übernahme der Kapitelfolge des Aufsatzes beziehen, finden sich im allgemeinen erst im Zusammenhang mit der Schreibphase. Auf sie werde ich weiter unten ausführlich eingehen.
3.2 Der erste Satz Zwei Fragenkomplexe sind bis jetzt offen geblieben. 1. Die Vermutung, daß unsere Schreiber den Aufsatztext während der Primärtextanalyse in Hinblick auf ihren eigenen zu schreibenden Text analysieren, konnte durch die Interviews weder bestätigt noch falsifiziert werden. Die Frage, zu welchem Zweck die Autoren bestimmte Passagen des Primärtextes markieren, Notizen an den Rand schreiben und in welcher Absicht einige Autoren Stichworte usw. schreiben, mußte also zumindest dann unbeantwortet bleiben, wenn man, wie oben geschehen, davon ausgeht, daß diese Tätigkeiten wenigstens partiell zielgerichtet waren, daß die Autoren damit auch in Hinblick auf ihre Aufgabe, eine Zusammenfassung zu schreiben, einen - wie auch immer gearteten - Zweck verfolgt haben. 2. Unbeantwortet blieb auch die damit zusammenhängende Frage nach den mentalen Handlungen, die es den Versuchspersonen ermöglichen, zu einem bestimmten Moment mit der Niederschrift zu beginnen, nach dem ersten Satz mehr oder weniger zügig fortzufahren und nicht bereits beim ersten, zweiten oder dritten Satz zu scheitern. Mit anderen Worten: Da alle Versuchspersonen ob nun mit oder ohne vorherige Stichworte - nach vergleichsweise kurzer Pause mit der Niederschrift beginnen, müssen wir annehmen, daß sie spätestens in diesem Moment über ein Konzept verfügen, das sie in die Lage versetzt, den Schreibakt überhaupt zu beginnen. Die Fragen, mit denen ich mich in den folgenden Kapiteln befassen will, lassen sich also wie folgt umschreiben: Mit Hilfe welcher Handlungen oder Überlegungen erzeugen die Autoren, eine für Zusammenfassungen spezifische
50 Makrostruktur (mit allen weiter unten zu erläuternden Implikationen wie der erforderlichen Kürze, Sachlichkeit, Zurücktreten der Person des Autors hinter der Darstellung usw.), und wie ist diese Makrostruktur des in diesem Moment noch nicht existierenden Textes im Bewußtsein der Schreiber repräsentiert? Aus der Tatsache, daß die Stichworte und die Interviewäußerungen in de. Zeitspanne zwischen Lektüreschluß und Schreibbeginn hierzu nur wenig hergeben, lassen sich - alternativ - zwei Schlüsse ziehen: [1] Die Autoren verfügen zwar bei Schreibbeginn über die erforderlichen Voraussetzungen, i.e. sie haben zwar ein Konzept entwickelt, sind sich dessen aber nicht oder nur ansatzweise bewußt. [2] Sie entwickeln ihr Konzept oder wichtige Teile desselben erst beim Schreiben, frühestens also mit dem ersten Satz. Da sich alle Versuchspersonen in den Interviews zum ersten Satz äußern, befasse ich mich im vorliegenden Kapitel mit der Entstehung des ersten Satzes und den subjektiven und objektiven Schwierigkeiten, die dabei auftauchen. In den Interviews werden sie direkt thematisiert, oder es wird ausführlich über die Strategien berichtet, die angewandt wurden, um einen geeigneten Anfang zu finden. Ehe ich darauf ausführlicher eingehe, liste ich zunächst die Anfänge auf. 1 (10.1)
In ihrem Beitrag beschäftigen sich R. Meyer-Hermann und R. Weingarten mit kommunikativen Handlungen von Therapeuten in der klientenzentrierten Gesprächstherapie.
(10.2)
Ausgehend von Erfahrungen bei der GT wollen die Autoren sich in diesem Aufsatz einerseits mit der "abgeschwächten Gestaltung" von den Therapeuten beschäftigen, um andererseits ...
(10.3)
Ziel des von Meyer-Hermann/Weingarten verfaßten Textes ist es, Interaktions- und Interpretationsregeln für das Phänomen "Abschwächung" zu erstellen.
(10.4)
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Phänomen 'Abschwächung/Verschärfung' in der klientenzentrierten Gesprächstherapie (GT), das auf seine interaktive Relevanz hin untersucht wird.
(10.5)
Der vorliegende Beitrag befaßt sich mit einem Phänomen im Rahmen der klientenzentrierten Gesprächstherapie.
(10.6)
aufgabe und ziel der beiden linguisten war es, "interaktionsregeln und interpretati onsregeln" bezüglich des phänomens "abschwächung von äußerungen" in der gesprächstherapie aufzustellen.
(10.7)
In dem oben genannten Aufsatz geht es um das Phänomen der abgeschwächten (verschärften) Gestaltung der Gesprächsführung von Therapeuten in der klientenzentrierten Gesprächstherapie.
(10.8)
Im Gegensatz zur im engeren Sinne strukturlinguistischen Untersuchung und Beschreibung der Funktion von Abtönungs- und Gradpartikeln wird im vorliegenden Aufsatz die eher pragmatische Kategorie "Abschwächung" thematisiert.
Die folgenden Seiten habe ich mit geringfügigen Änderungen aus Keseling (1984) übernommen.
51 Angesichts der Tatsache, daß diese Anfänge relativ einheitlich und ähnlich strukturiert sind (Gegenstand/Thema/Ziel des Aufsatzes werden global genannt), und daß namentlich die ersten Wörter durchweg aus Formeln bestehen ("in ihrem Beitrag beschäftigen sich", "ausgehend von ...", "Ziel des ... Textes" usw.) überrascht es, daß die Autoren damit vergleichsweise große Schwierigkeiten gehabt haben. Um zu rekonstruieren, was sie tun, um ihren ersten Satz zu finden, gehe ich in vier Schritten vor: ich frage zuerst, wie sie aus ihrer subjektiven Sicht vorgegangen sind, i.e. was sie in den Interviews zur Lösung ihrer Anfangsschwierigkeiten erinnern. Danach befasse ich mich mit den Merkmalen, die ein Satz aufweisen muß, um als erster Satz einer Zusammenfassung gelten zu können; die Beantwortung dieser Frage soll dazu dienen, diejenigen Probleme ausfindig zu machen, die ein Autor tatsächlich, i.e. unabhängig von seinem jeweiligen Wissen darüber, mit dem Anfang eines Textes zu lösen hat. Dazu wird es nötig sein, in einem dritten Schritt zunächst die Strategien beim Formulieren der nicht-ersten Sätze zu rekonstruieren. D.h. ein Teil der Spezifik des ersten Satzes, auf den ich zum Schluß in einem vierten Schritt noch einmal zurückkommen werde, wird sich erst im Kontrast zu fortsetzenden Sätzen erschließen lassen.
3.2.1
Interviewäußerungen zu den Anfangsschwierigkeiten
Zu den subjektiven Schwierigkeiten: Z 2 und Z 3 geben an, der erste Satz sei ihnen einfach so eingefallen. Den Weg dahin können sie nicht mehr erinnern. Drei weitere Versuchspersonen berichten, daß sie beim Suchen eines geeigneten Anfangs zunächst den Titel des Aufsatzes hingeschrieben hätten und/oder im Textanfang nach einem geeigneten Begriff gesucht hätten. Z 6 sagt z.B., beim Suchen eines geeigneten Anfangs habe er nachgeschaut, wie die Autoren denn ihren Text anfangen; obwohl er diesen Anfang nicht habe übernehmen wollen, sei es ihm doch eine Hilfe gewesen. Die Idee für den eigenen Anfang sei ihm bei der Lektüre des Wortes "Ziel" gekommen, welches er schon beim Lesen zweimal unterstrichen hätte. Das nicht im Text stehende "Aufgabe" habe vielleicht mit dem Klangbild zu tun ... Aufgabe und Ziel, das paßt irgendwie ganz gut und gibt irgendwie 'n ganz guten Eindruck ab, also die beiden Worte halt zusammen. Ähnlich verfährt auch Z 4: Er habe rekapituliert, wie der Text anfangt, dort das Wort "Beitrag" gelesen und daraus - als einfachste Lösung die Formel "der vorliegende Beitrag" gemacht. Für Z 1 und Z 7 sind die Entwürfe, die sie zunächst machen, eine Hilfe: Z 7 blättert vor dem Schreibbeginn zunächst im Text, macht sich dann erst Notizen, eine Art von Entwurf, wie sie sagt, bei dem sie dann allerdings unversehens ins Ausformulieren gerät, so daß sie sich ziemlich bald entschließt, den Entwurf als Anfang zu nehmen, dem sie dann lediglich einen neuen ersten Satz (vgl. 10.7) vorausstellt. Ähnlich verfährt im Prinzip auch Z 1, wenn sie die Stichworte ihres Konzepts im ersten Satz des endgültigen Textes aufgreift und daraus einen vollständigen Satz formuliert. Scheinbar aus dem Rahmen fallt Z 8: Er habe nach einem Aufhänger gesucht und dabei sei ihm - ähnlich wie schon bei der Lektüre des Textes - ein Buch-
52 prospekt über Weydt's "Die Partikeln der deutschen Sprache" eingefallen und ihm sei klar geworden, daß ebenso wie bei Weydt auch in dem Aufsatz von Meyer-Hermann etc. ein für ihn ungewohnter Linguistik-Ansatz verfolgt würde. Aus dem Gegensatz zwischen dieser und der gängigen Linguistik habe er dann seinen Aufhänger gemacht. Als erstes seien ihm die Wörter "Im Gegensatz" eingefallen, die er hingeschrieben habe, ohne eine Fortsetzung bereits im Kopf zu haben. Welchen Aufschluß können wir aus diesen Angaben gewinnen? Trotz zahlreicher Unterschiede im einzelnen scheinen die Strategien jedoch eine Reihe von Gemeinsamkeiten zu enthalten, und zwar: [1] Der Anfang wird fast immer als ein spezifisches Problem erlebt, als eine Hürde, die erst einmal genommen sein muß, bevor es weitergehen kann (die ersten zwei drei Wörter, da habe ich unheimliche Schwierigkeiten Z 4; die Formulierung des ersten Satzes, das is immer so mit das Schwerste Z 3). Steht der erste Satz (oder die ersten Wörter) erst einmal fest oder sogar auf dem Papier, dann wird das manchmal mit einem Gefühl von Erleichterung quittiert (weil ich sofort irgendwie so 'n Anfangssatz im Kopf hatte und das fand ich eigentlich ganz toll Z 2), in anderen Fällen allerdings auch mit negativen Gefühlen (in 'ner Regel gefällt er [der erste Satz] mir nich so ... Dann überleg ich immer, ob mir 'n besserer einfällt Z 3; ich wollte eigentlich zuerst anders anfangen, irgendwie so 'n / die Leerformel einfach weglassen und gleich zum Inhalt gehen Z 4). [2] Der erste Satz oder die ersten Worte lassen sich nicht erarbeiten, sondern man ist auf eine Idee, einen Einfall angewiesen. Dieser ist plötzlich da (... so 'n Anfangssatz im Kopf hatte Z 2; hab spontan ... 'n Satz im Kopf, 'n ersten, sofort, ohne zu überlegen Z 3; hab erstmal so geschrieben, was mir gerade so eingefallen ist Z 7). [3] Um einen Anfang zu finden, kann man bestimmte Vorkehrungen treffen; z.B. den Text auf wichtige Begriffe hin lesen oder die Überschrift hinschreiben, wobei es offenbar auf das Schreiben oder Lesen als solches ankommt (hab versucht dann ... nochmal zu rekapitulieren, wie der Text anfängt Z 4; guck erstmal, wie fangen denn die [die Autoren] ganz genau an Z 6; bin ich über diese Notizen eigentlich ins Schreiben reingekommen Z 7; ich habe angefangen mit dem Schreiben, daß ich den Titel geschrieben habe, um überhaupt reinzukommen ins Schreiben Z 7; daß ich irgendwas schreiben mußte, um 'n Anfang zu finden Z 7; ... is mir immer ne Hilfe eigentlich, ... wenn schon mal irgendwas aufm Blatt Papier steht Z 6). - Bloßes Nachdenken scheint demgegenüber weniger effektiv zu sein, im Gegenteil: es wird betont, daß es um das bloße Schreiben geht (was für'n Anfang halt irgendwie doch notwendig ist, wo man aber nix zu denken braucht Z 6). Wichtig scheinen in solchen Äußerungen Ausdrücke wie einen Anfang finden, ins Schreiben reinkommen, kam ich auf den Gedanken, einfallen, irgendwie anzufangen, irgendwas aufm Papier steht, irgendwie so'n Anfangsatz, die alle auf das Unbestimmbare dieses Prozesses hinweisen.
53 [4] Zwei Autoren reflektieren ausdrücklich den formelhaften Charakter ihres Anfangs (und wenn man schreibt, der vorliegende Beitrag, das is ja ne Formel Z 4; es fängt bei mir auch eigentlich immer ähnlich an: 'Der vorliegende Beitrag befaßt sich da und da mit' Z 5). Die übrigen Autoren äußern sich zwar nicht zu ihrem stereotypen Anfang, beginnen aber ebenfalls mit einer formelhaften Wendung. 3.2.2
Objektive Probleme beim Formulieren des ersten Satzes
Fragen wir als nächstes, welche objektiven Schwierigkeiten ein Autor beim Verfassen seines ersten Satzes angehen muß; oder bezogen auf die sprachliche Struktur seiner Anfange: Welche Eigenschaften müssen diese Sätze aufweisen, um erste Sätze der Textsorte Zusammenfassung sein zu können? Ohne die einzelnen Punkte hier eingehender diskutieren zu können, läßt sich dazu folgendes feststellen: [1] Wenn man davon ausgeht, daß Zusammenfassungen dazu dienen, den Leser schnell und ohne Umschweife über den Text der Vorlage zu informieren, wird der erste Satz zweckmäßigerweise bereits eine Kurzbeschreibung des Gegenstands etc. enthalten (Genaueres dazu s. unten). Für den Autor bedeutet das: Er muß eine Formulierung finden, die dies nach Möglichkeit in ein bis zwei Sätzen leistet. [2] Der Satz muß alle Eigenschaften eines ersten Satzes aufweisen; d.h. er muß so konstruiert sein, daß er außer an die Überschrift an keine andere vorausgehende Äußerung anknüpft. Allenfalls kann ein linguistisches Standardwissen beim Leser vorausgesetzt werden. [3] Der Autor muß seinen Satz als nicht einzigen und nicht letzten Satz planen, d.h. der Satz muß so beschaffen sein, daß er eine Fortsetzung ermöglicht. [4] Es müssen geeignete Wörter und eine dazu passende syntaktische Struktur gefunden werden, wobei beides (a) zu der Makrostruktur der Textsorte passen muß, (b) dem Charakter einer ersten und globalen Information Rechnung tragen muß und (c) genau die Fortsetzung ermöglichen muß, die der Autor global geplant hat oder wahrscheinlich noch planen wird. 3.2.3
Strategien beim Formulieren der nicht-ersten Sätze
Bevor ich versuche, eine Hypothese zu entwickeln, wie der Autor diese Probleme löst, will ich zunächst nachzeichnen, wie er bei der Fortsetzung verfährt, um auf dieser Grundlage die Spezifik des ersten Satzes bzw. der ersten Wörter weiter eingrenzen zu können. Insbesondere interessieren mich im folgenden alle Fortsetzungen innerhalb eines Absatzes, d.h. deijenige Teil der Schreibtätigkeit, bei der der Autor offenbar weder ein neues (Teil)konzept konstruiert noch mit der Abarbeitung eines bereits existierenden Schemas beginnt, sondern - alltagssprachlich formuliert - für einen begonnenen Gedanken eine Fortsetzung sucht.
54 D i e Besonderheiten dieser Tätigkeit können wir uns an den drei folgenden Interviewausschnitten klarmachen: (11)
Also wenn ich schreibe, dann passiert das oft / das war auch in diesem Falle sehr asso ziativ, ... / ja z.B. deswegen auch, weil ich keine feste Gliederung im Kopf hatte, das also nicht genau durchgehen konnte, aber das is sowieso eigentlich meine Art, sehr asso ziativ zu schreiben, aus dem was ich da geschrieben habe, wieder was Neues zu entwikkeln und daß ich jetzt von meinem Gefühl gar nicht mehr genau weiß, was hob ich da eigentlich geschrieben, also den Uberblick nich mehr habe. Z 7
(12)
Ja das war bis da dann eigentlich erstmal klar. Steht auch der Satz erstmal auf seinen Füßen und ... das is jetzt so der Moment, wo man sich wieder fragt: ja und nun, wie geht's weiter? Und auch, das was ich dann immer mache: nochmal das Vorherige überlesen, bedenken und auch hoffen, von da her noch mal 'n Aufschluß oder wieder 'n Ansatz zu kriegen also satzübergreifend genau das Schema, was man so im Satz macht, ... un dann hab ich wieder geguckt. Z 7
(13)
I. Z7
[fragt nach der Funktion des lauten Lesens soeben geschriebener Teile] also eigentlich sind das unterschiedliche Sachen; manchmal, indem ich also laut lese, zwinge ich mich, mich zu konzentrieren, wenn ich also merke, ich schweife ab oder irgendwie bin ich nich so richtig dabei, daß ich dann also / daß das also einmal die Funktion hat, meine Konzentration ... hinzulenken, daß ich das also nich nur sehe, sondern auch höre von mir selbst, und dann halt auch hat das schon die Funktion zu gucken, kann man das so lassen, ist das jetzt so von der Satzkonstruktion her richtig, stimmen die Fälle und die Relativsätze und so weiter, sind die Bezüge einfach richtig ... / und dann über das Hören eigentlich denn auch so 'n besseren Eindruck von dem kriege, was ich geschrieben habe. I. ... warste da mehr einverstanden oder warste eher kritisch / bei diesem lauten Durchlesen Z 7 [8 Sek. Pause] Also während ich gelesen hab oder nachdem I. sagen wir erstmal während Z 7 kritisch ... eher kritisch und dann wenn ich's laut gelesen hab dann äh hab ich denn entweder mir gesagt so geht's oder so geht's nich
Dreierlei läßt sich aus diesen Zitaten ablesen: [1] Es gibt offenbar Phasen, in denen der Autor nicht an die Abarbeitung seines Konzepts denkt, sondern ganz mit der momentanen Tätigkeit des Formulierens beschäftigt ist. Z 7 nennt dies assoziativ schreiben, ein Verfahren, das dazu führt, daß sie hinterher nicht mehr genau weiß, was sie da eigentlich geschrieben hat, daß sie den Überblick nicht mehr hat. [2] Aus dem gerade Geschriebenen wird etwas Neues entwickelt, und dazu werden die vorausgehenden Sätze noch einmal gelesen, in der Hoffnung, von daher eine Fortsetzung zu finden. Z 5, die von unseren Versuchspersonen den Schreibprozeß am stärksten reflektiert, vergleicht diese Prozedur mit syntaktischen Prozessen (also satzübergreifend genau das Schema, was man so im Satz macht)', ähnlich sagt Z 8 zu der Schreibpause nach seinem ersten Textsatz, in dem der Ausdruck die eher pragmatische Kategorie Abschwächung vorkommt,
55 er müsse jetzt das Pragmatische füllen und sagen was is das Pragmatische, weil's ja nur eher pragmatisch war. D.h. der Autor benutzt seine Textphase eher pragmatisch usw. offenbar wie ein Fortsetzungsraster (Franck 1980:50ff.), als eine sich selbst auferlegte Einschränkung der Fortsetzungsmöglichkeiten und -Verpflichtungen. - Oft scheinen solche Prozesse allerdings in Form von Routinen abzulaufen, worauf Interview-Formulierungen hindeuten wie es schreibt sich quasi von selbst usw. [3] Mit dem Lesen des bisher Geschriebenen und namentlich der letzten Sätze gehen häufig auch Bewertungen einher, wobei das Vorhandensein oder Fehlen von Fortsetzungsmöglichkeiten als besonders wichtiges und vielleicht immer angewendetes Bewertungskriterium fungiert. Nimmt man jetzt die drei Punkte zusammen und stellt zusätzlich in Rechnung, daß mehrere Autoren ihren Text laut lesen oder zumindest beim Lesen Lippenbewegungen machen, dann liegt die Hypothese nahe, daß in bestimmten Phasen der Textproduktion der Autor einen Dialog mit seinem Text und mit sich selbst führt. Er nimmt vorübergehend die Rolle des Rezipienten ein und prüft, wie dieser auf das zuletzt Hingeschriebene reagieren könnte: Findet er es in Ordnung? Kommt er mit? Ist das Gesagte verständlich? Welche Erwartungen könnte er in bezug auf die Fortsetzung haben? Erst nachdem er aus der Rezipientenperspektive diese Fragen beantwortet hat, fahrt er fort und nimmt damit wieder die Produzentenrolle ein, indem er auf die Fragen des Rezipienten im Sinne von Antworten reagiert, Zugzwänge einlöst, unverständlichen Passagen nachträgliche Erläuterungen hinzufügt u.a.m. Auf diese Weise wird auch verständlich, warum manche Autoren das zuletzt Geschriebene laut lesen. Wenn Z 7 z.B. im Interview sagt, das laute Lesen diene ihr dazu, von ihr selbst zu hören, ob man das so lassen könne, dann scheint dies genau auf den inneren Dialog hinzuweisen, den sie hier mit sich bzw. mit ihrem Text geführt hat. Die Rolle, die im Gespräch der Hörer einnimmt, indem er z.B. durch Hörersignale Verstehen, Konvergenz oder Divergenz ausdrückt (vgl. Ehlich 1979), simuliert die Autorin hier, indem sie sich selbst zuhört und innerlich entsprechend reagiert und ihre Fortsetzung danach einrichtet (Einzelheiten hierzu s. Keseling 1992).
3.2.4
Strategien zur Lösung der objektiven Probleme beim Formulieren des ersten Satzes
Ich komme jetzt noch einmal auf die Probleme des ersten Satzes oder der ersten Wörter zurück. Der Katalog an Schwierigkeiten, die ein Autor zu Beginn seiner Arbeit überwinden muß, läßt sich nunmehr vor dem Hintergrund der Hypothese von dem inneren Dialog noch um einen weiteren Punkt, offenbar den wichtigsten, erweitern: Der Autor muß die innere-Dialog-Situation, die ihn nach dem ersten Satz leitet, überhaupt erst konstituieren; oder negativ formuliert, ihm fehlen (a) inhaltliche Fortsetzungsmöglichkeiten, i.e. die Möglichkeit, auf der Grundlage von konditionellen Relevanzen, Erwartungen seitens des imaginierten
56 Rezipienten eine vorausgehende Äußerung im Sinne einer inneren Antwort fortzusetzen, (b) syntaktische Fortsetzungsmöglichkeiten, i.e. die Möglichkeit, syntaktisch an eine vorausgehende Struktur anzuknüpfen und (c) - nicht zuletzt - der Rahmen oder das 'Gesprächsmuster', innerhalb dessen Produzent und (innerer) Rezipient sich verständigen können, wozu unter anderem auch eine Selbsttypisierung (und zugleich eine Typisierung des inneren Dialogpartners) gehört. All dies muß mit dem ersten Satz - und wir können jetzt ergänzen: mit der Eröffnung des inneren Dialogs - überhaupt erst konstituiert werden. In dieser Hinsicht scheint sich die Situation des Autors von allen anderen Sprech- und Schreibsituationen zu unterscheiden: Jeder Sprecher, der im faceto-face-Kontakt ein Gespräch beginnt, weiß bereits vor seiner ersten Äußerung, mit wem er es zu tun haben wird. Und nach dem Hinschreiben des ersten Satzes existieren auch für den Autor mindestens die Umrisse eines typisierten Partners, mit dem er nach seinem ersten Satz den inneren Dialog aufnehmen kann. Vorher jedoch muß er sich selbst, i.e. den Autor, der er beim Schreiben seines Textes sein will und mit dem er in Kontakt treten will, überhaupt erst konstituieren. In der Regel sind es die ersten ein bis zwei Sätze, in denen dies geschieht. Ein nochmaliger Blick auf die Anfänge zeigt, daß alle acht Autoren diese Selbsttypisierung in ziemlich ähnlicher Weise geleistet haben: nach der Lektüre der ersten Sätze ist es für jeden kompetenten und im Wissenschaftsbetrieb vertrauten Leser klar, daß der Autor als kompetenter Wissenschaftler auftritt und sich an einen ebenfalls kompetenten Adressaten wenden wird (anstatt z.B. an einen interessierten Laien). Genau dies war den Autoren vor Schreibbeginn offenbar noch nicht endgültig klar. Äußerungen wie in 'ner Regel gefällt er [der erste Satz] mir nich so ... Dann überleg ich immer, ob mir 'n besserer einfällt Z 3 oder ich wollte eigentlich zuerst anders anfangen, irgendwie so 'n / die Leeiformel einfach weglassen und gleich zum Inhalt gehen Z 4 zeigen dies. Anstatt sich wie bei Fortsetzungen an dem bisher geschriebenen Text und insbesondere an dem jeweils letzten Satz zu orientieren, orientieren sich die Autoren bei ihrem ersten Satz am Primärtextanfang. Sowohl die Interviewäußerungen wie auch die Anfänge der Zusammenfassungen zeigen, daß die Autoren hier in abgewandelter Form Elemente des Primärtextmusters übernehmen. Zum Teil tun sie dies widerstrebend, zum Teil ist es für sie selbstverständlich. Aber die Tatsache, daß es alle Autoren tun, zeigt, daß sie offensichtlich darauf angewiesen sind, daß der Formulierungsprozeß also ohne diesen Rückgriff auf Formulierungen im Primärtext nicht zustande kommt. Vermutlich weist auch das oben geschilderte Verfahren mancher Autoren, zunächst die Überschrift des Aufsatzes, Kapitelüberschriften oder Notizen zu schreiben, in eine ähnliche Richtung: Durch Aktivitäten dieser Art scheinen sich die Autoren bereits vor dem ersten Satz in gewisser Weise auf ein Textmuster festzulegen oder, um es etwas vorsichtiger zu formulieren, sich probeweise Elemente eines Textmusters anzueignen. Wir werden später sehen, daß unsere Versuchspersonen offenbar erst nach Beginn der Formulierungsphase präzisere Überlegungen zur Makrostruktur ihres Textes anstellen. Der erste Satz und das mit dem ersten Satz in Rudimenten
57 konstituierte Textmuster scheint dagegen, so können wir folgern, eher ein Produkt des praktischen Ausprobierens zu sein. Der Übergang von der (Vorplanung zur Ausführung erfolgt in Form eines qualitativen Sprungs, der, wie in den folgenden Kapiteln zu zeigen sein wird, auch eine Reihe qualitativ andersartiger Handlungen und Operationen nach sich zieht.
4. Rekonstruktion der Makro-Aktivitäten während der Schreibphase
Wenn erste Rudimente einer Repräsentation der Makrostruktur also weitgehend en passant erzeugt werden, heißt dies natürlich nicht, daß sie aus dem Nichts entstehen und daß die entsprechenden Aktivitäten für die Rekonstruktion der Genese der Makrostruktur vernachlässigt werden können. Wahrscheinlicher ist, daß es sich um Routineaktivitäten handelt, die von den Schreibern nicht weiter beachtet werden und die daher auch in den Interviews keine große Rolle gespielt haben. Um solchen Aktivitäten und den dabei wirksamen Prinzipien und Regeln auf die Spur zu kommen, werde ich anhand eines Vergleichs von Primärtext und Zieltexten der Frage nachgehen, wie es den Autoren gelingt, in vergleichsweise kurzer Zeit aus dem neun Druckseiten umfassenden Aufsatz eine drei- bis dreizehnmal kürzere Zusammenfassung herzustellen, die trotzdem kohärent, lesbar und zumindest für Experten informativ ist. Auf der Ebene der Makrostruktur ist dies der wichtigste Teil der vorliegenden Untersuchung. In ihm will ich die Bauprinzipien rekonstruieren, von denen sich die Autoren auf der Makroebene haben leiten lassen. Ich gehe dabei von der Annahme aus, daß mindestens ein Teil der von den Schreibern zu lösenden Aufgabe darin besteht, einen Text von der Struktur T w (wissenschaftlicher Text) in einen Text von der Struktur T z (Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Textes) umzuformen, und daß sich die Prinzipien, denen unsere Autoren dabei folgen, durch einen Vergleich der Primärtextstruktur mit der Zieltextstruktur ermitteln lassen. - Im einzelnen gehe ich wie folgt vor: Zunächst (4.1) werde ich die Textstruktur des Primärtextes analysieren, denn wie sich zeigen wird und wie sich ja bereits bei der Untersuchung der Randnotizen und Markierungen angedeutet hat, operieren unsere Schreiber bei der Konstruktion ihrer Makrostrukturen offenbar auf der Grundlage einer Analyse der Primärtextstruktur. In einem weiteren, immer noch vorbereitenden Schritt (4.2) ist es außerdem notwendig, ausführlich auf die Textstruktur der Zusammenfassungen einzugehen und dabei auch einen Seitenblick auf Zusammenfassungen von professionellen Autoren zu werfen. Auf der Basis dieser Überlegungen rekonstruiere ich anschließend (4.3) an einem ausgewählten Beispiel die Aktivitäten, die bei der Umformung der Primärtextstruktur in eine Zieltextstruktur ausgeführt wurden. Schließlich (4.4) werde ich die Ergebnisse dieses Rekonstruktionsversuchs systematisieren und in Form von Überlegungen zu einem Textproduktionsmodell auswerten.
59 4.1. Zur Makrostruktur des Aufsatzes Weshalb ist es wichtig, die Rekonstruktion der Vorgehensweise unserer Autoren mit einer Analyse der Primärtextstruktur zu beginnen? Ein erster Grund wurde oben schon kurz angesprochen: Bis jetzt steht die Annahme, daß die Randnotizen und Markierungen unserer Versuchspersonen Ergebnis einer Primärtextanalyse sind, immer noch unbewiesen im Raum. Zwar konnten einige Kriterien aufgezeigt werden, nach denen bestimmte Segmente markiert und/oder mit Randnotizen versehen wurden, und in den Markierungsformen ließen sich auch Tendenzen von Oppositionen erkennen, aber bislang ist immer noch nicht recht deutlich geworden, zu welchem Zweck die Autoren dies gemacht haben bzw. ob die Markierungen usw. und die vorausgehenden "Analysen" in einem Handlungszusammenhang stehen. Aus der Tatsache, daß sich die Autoren in den Interviews speziell zu diesem Punkt kaum äußern, ließ sich schließen, daß die entsprechenden Tätigkeiten größtenteils routinemäßig ausgeführt wurden und daß sie deswegen wenig Aufmerksamkeit in Anspruch genommen haben. Sollte diese Vermutung zutreffen, dann liegt ein weiterer Schluß nahe: Die Analyse, die den Markierungen vorausgegangen ist, ist in erster Linie eine strukturelle und, wenn überhaupt, erst in zweiter Linie eine inhaltliche Analyse. Denn nur Formen, nicht aber Inhalte lassen sich routinemäßig analysieren (und dementsprechend auch reproduzieren). Die Tatsache, daß es zum normalen Verhalten von Gesprächsteilnehmern gehört, einen Vorgänger-Beitrag formal zu analysieren, haben übrigens die Konversationsanalytiker zum Grundprinzip ihrer Turnby-Turn-Analysen gemacht (vgl. dazu Streeck 1983). Aber auch ältere, strukturalistische Verfahren wie z.B. Propps Märchenanalysen basieren weitgehend auf dieser analytischen Fähigkeit. Die Primärtextanalyse ist aber noch aus einem weiteren Grund unerläßlich. Vieles deutet darauf hin, daß die Versuchspersonen beim Schreiben ihrer Zusammenfassungen ganz generell, also nicht nur in der Vorbereitungsphase, die Vorlage analysieren. Ohne eine Analyse wäre es z.B. nicht möglich, Entscheidungen über wegzulassende Passagen zu treffen oder Teile der Vorlage sinngemäß zu übernehmen. Daß auch diese Analysen weitgehend formaler Art sind, ist vorerst eine Vermutung. Sie scheint aber angesichts des Tempos, mit dem einige unserer Versuchspersonen ihre Zusammenfassung zustande gebracht haben, nicht unplausibel. Wenn es möglich ist, formale Analysekriterien ausfindig zu machen und nachzuweisen, daß die Autoren in ihrer Analyse - bis zu einem gewissen Grad jedenfalls - vom Inhalt absehen, könnte dies zugleich auch eine partielle Erklärung für das vergleichsweise hohe Produktionstempo sein. Die nachfolgende Analyse ist also nicht Selbstzweck, sondern sie erfolgt aus dem Blickwinkel des potentiellen Rezipienten. Fragen nach dem Aufbau des Textes, nach dem Zusammenhang zwischen den Einheiten und nach erkennbaren Einschnitten usw. werden im Vordergrund stehen. Ich beschränke mich daher auf folgende Punkte, von denen ich annehme, daß sie für die angeführten Fragestellungen wichtig sind:
60 - Allgemeine Merkmale dieser Textsorte wie z.B. das kommunikative Gesamtziel (z.B. Mötsch 1987), die Quaestio (Klein/von Stutterheim 1987, 1991) und daraus ableitbare allgemeine Merkmale der Illokutionsstruktur, der Darstellungsform, der linearen Organisation, Verwandtschaft mit anderen Diskursarten und Verwandtes (Kap. 4.1.1). - Merkmale der äußeren Form: Inhalt und Aufbau (Kap. 4.1.2). - Kohärenz der Kapitel, der Unterkapitel und der inhaltlichen Komplexe sowie der Einheiten innerhalb der Kapitel usw. (Kap. 4.1.3).
4.1.1
Allgemeine Merkmale dieser Textsorte
Der Primärtext ist ein Exemplar der Textsorte 'linguistischer Aufsatz'. Aus der Sicht der Illokutionstheorie läßt er sich als Darstellung eigener Forschungsergebnisse der Autoren auffassen, mit dem kommunikativen Hauptziel, diese Forschungsergebnisse bekanntzumachen und den Leser von deren Wahrheit zu überzeugen. Die dominierenden Illokutionen sind dementsprechend hauptsächlich Darlegungen komplexer Sachverhalte, die - in der Terminologie der Illokutionstheoretiker - vom Sender behauptet werden. Die stützenden Illokutionen dienen unter anderem dem besseren Verständnis, dem Akzeptieren, dem Nachvollziehen von Rückschlüssen, der Vorwegnahme möglicher Einwände und dem Nachweis der empirischen Absicherung; sie bestehen hauptsächlich aus Informationen, Begründungen, Erläuterungen und Festlegungen. Aus der Sicht der Quaestio-Theorie läßt sich der ganze Aufsatz auch als Antwort auf die Quaestio "Welche Ergebnisse wurden bei der Erforschung von Abschwächungen in Therapiegesprächen erzielt" auffassen. Die Teil-Quaestiones, auf die die einzelnen Kapitel, Abschnitte und Äußerungen antworten, sind nicht ganz einheitlich. Insgesamt ist der Text eine Kombination von ankündigenden Teilen (z.B. mit den Teil-Quaestiones: "Worum wird es in dem Aufsatz gehen?" "Wie war die Fragestellung?"), berichtenden Teilen (mit den TeilQuaestiones: "Was wurde überhaupt erforscht?" "Nach welcher Methode wurde vorgegangen?"), Annahmen und Festlegungen (Teil-Quaestiones: "Von welchen Annahmen wurde ausgegangen?" "Was wird unter x, y, z verstanden?"), Darlegungen der Ergebnisse (Quaestio: "Welche Ergebnisse wurden zu den einzelnen Fragestellungen erzielt?") und Argumentationen, durch die bestimmte Annahmen oder Ergebnisse wahrscheinlich gemacht werden sollen (Quaestio etwa: "Weshalb gilt für die Autoren eine Aussage Aj?", sinngemäß nach Klein 1980, 1981, Klein/von Stutterheim 1991). Diesen verschiedenen Teil-Quaestiones entsprechen auch jeweils andere Darstellungsformen und Linearisierungsstrategien, die sich unter anderem durch die Sprechakttypen, die lexikalische und syntaktische Realisierung und insbesondere die Verbformen unterscheiden: Die ankündigenden Teile der Einleitung und zu Beginn einiger Kapitel sind z.B. in Form von Absichtserklärungen in der 1. Person Plural mit futurischen Verbformen usw. abgefaßt (In diesem Beitrag wollen wir ... A 5; Wir werden die Komponenten ... A 14), die in den Text eingestreuten berichtenden Teile entweder ebenfalls in der w/r-Form oder passivisch
61 mit Agenstilgung, aber mit Verbformen im Vergangenheitstempus (Dazu wurden ... untersucht A 144ff.; Im folgenden haben wir ... untersucht. Dazu wurden ... festgestellt A 182ff.). Charakteristisch für die Festlegungen sind demgegenüber Äußerungen der Art Unter x verstehen wir Phänomene vom Typ ..., also mit Verben wie betrachten, definieren, explizieren, verstehen usw., jeweils in der 1.Person Plur. Präs. (Das Konzept "Abschwächung" explizieren wir ... A 48) oder der entsprechenden Passivform, oft im Wechsel mit generischen Aussagen ("Verschärfung" ist das entsprechend definierte Gegenteil von "Abschwächung"... Diese Obligationen sind ... Verpflichtungen ... A 52ff.). Typisch für die bisher genannten Darstellungsformen ist also, daß die Autoren ihre Absichten, Auffassungen usw. offenlegen und auf diese Weise den Leser an ihrem Forschungsprozeß teilhaben lassen, so als fände dieser im Hier und Jetzt statt. Diese imaginäre Forschung im Hier und Jetzt, wie ich diese Darstellungsform in Anlehnung an die sog. imaginäre Wanderung oder imaginäre Wohnungsbegehung in Wegauskünften und Raumbeschreibungen nennen will (Linde/Labov 1975, Klein 1979, Ullmer-Ehrich 1979), ist im Aufsatz allerdings nicht durchgehalten, sondern - wie übrigens in den meisten linguistischen Aufsätzen - an vielen Stellen von einem 'objektiveren' Verfahren ersetzt, bei dem die Autoren hinter der Beschreibung oder Darlegung ihrer Ergebnisse zurücktreten. Typisch für diese sachlichere Darstellungsform sind Folgen von Deklarativsätzen, in denen die Ergebnisse der Untersuchung zusammenfassend dargestellt werden. Weite Teile von Kapitel 5 sind z.B. in dieser Form abgefaßt. Eine wiederum andere Darstellungsform liegt in den paraphrasierenden, also auf die einzelnen Beiträge des Gesprächs bezogenen Erläuterungen zu den beiden Beispieltexten vor, in denen der Handlungscharakter und die interaktive Funktion deutlich gemacht werden (Der Therapeut T1 unternimmt eine Interpretation der Explikation von M3 ... Diese Interpretation ist für M3 (negative) facethreatening. A 295ff.). Typisch für den Aufsatz ist, daß diese Darstellungsformen oft abrupt wechseln und dem Leser dadurch des öfteren eine Umorientierung abverlangen.
4.1.2 a)
Merkmale der äußeren Form: Inhalt und Aufbau Die formale Gliederung im Primärtext
Bei dem Aufsatz handelt es sich um einen vom Umfang her limitierten Beitrag in einem Sammelband. Die Darstellung ist dementsprechend vergleichsweise knapp und enthält kaum Redundanzen. Insgesamt entspricht sie der Standardform vieler linguistischer Aufsätze. Der Text umfaßt ohne Anmerkungen und Literaturverzeichnis gut neun Druckseiten und ist in sieben durchnumerierte und mit Überschriften versehene Hauptkapitel gegliedert, von denen das Kapitel 5 noch vier Unterkapitel enthält, die ebenfalls mit Titeln versehen sind. Alle Kapitel und Unterkapitel sind ihrerseits in graphische Absätze gegliedert; insgesamt enthält der Aufsatz 42 Absätze mit sehr unterschiedlicher Länge (maximal 26 und minimal 3 Zeilen). Im Durchschnitt umfaßt ein Absatz 8,5 Zeilen. Die Gliederung innerhalb der Absätze ist nicht graphisch, sondern durch verbale
62 Gliederungsmerkmale und die Interpunktion gekennzeichnet (vgl. dazu Kap. 4.1.3). Inhalt und Gedankengang des Primärtextes werden in groben Umrissen bereits an den Überschriften deutlich, die in (1) wiedergegeben sind: (1)
Überschriften des Primärtextes 1. 2. 3. 4. 5.
6. 7.
Einleitung (1) Zur Definition von "Abschwächung" und "Verschärfung" (3/4) Zur Erstellung von Regeln für "Abschwächung" (3/4) Zur Interpretation von Abschwächung" (1) Die Aktivität des Klienten nach einer abgeschwächten Therapeutenäußerung (2) 5.1 Bestätigung/Verneinung (3 Zeilen) 5.2 Neubestimmung des Grades der Abgeschwächtheit (1/2) 5.3 Thematische Behandlung (3/4) 5.4 Interpretation der Ergebnisse (1/3) Zur interaktiven Funktion von Abschwächung (3) Offene Fragen (1/2)
Die eingeklammerten Zahlen hinter den Überschriften kennzeichnen die Länge der einzelnen Kapitel, gemessen nach Seitenzahlen. Die Kapitel und Unterkapitel sind inhaltlich folgendermaßen gefüllt: Kapitel 1 (Einleitung) enthält eine Einführung des Gegenstands (Abschwächung und Verschärfung in Therapiegesprächen), die Zielsetzung der Untersuchung (Definition, sprachliche Realisierung und die interaktive Funktion von 'Abschwächung'), Angaben zur Methode und in diesem Zusammenhang eine Abgrenzung gegen die Partikelforschung und eine kurze Angabe zur Datengrundlage. Im Kapitel 2 werden die Begriffe Abschwächung, Verschärfung und Obligation definiert. Es folgt die Darstellung der Untersuchung und der Ergebnisse, verteilt auf vier Kapitel: Kapitel 3 enthält einen (weitgehend formalen) Formulierungsvorschlag für Regeln, Kapitel 4 als ein erstes Ergebnis der empirischen Untersuchung der Therapiegespräche Ausführungen zur sprachlichen Realisation abgeschwächter Äußerungen, Kapitel 5 und 6 Ausführungen zur interaktiven Funktion, wobei es im Kapitel 5 um die Aktivitäten des Klienten und im Kapitel 6 um die Aktivitäten des Therapeuten geht (Kapitel 6 hat noch einmal den Titel "Zur interaktiven Funktion ...", obwohl es darum auch bereits im 5. Kapitel geht). In dem (kurzen) Kapitel 7 werden offene Fragen dargestellt. - In dem ganzen Text finden sich nur drei Beispiele aus den Transkripten, und zwar ein kürzeres in Kapitel 2 und zwei aufeinanderfolgende längere Beispiele in Kapitel 6, die insgesamt eine ganze Druckseite umfassen und anschließend erläutert werden. Kapitel 5 ist als einziges Kapitel in Unterkapitel aufgeteilt. Generell geht es hier um die auf eine abgeschwächte Therapeutenfrage folgenden Antworten der Klienten mit den Komponenten Bestätigung oder Verneinung (obligatorisch), einer Neubestimmung des Grades der Abgeschwächtheit, also weitere Abschwächung bzw. Rücknahme der Abschwächung (fakultativ) und inhaltliche Ausführungen zu der Vermutung des Therapeuten (ebenfalls fakultativ). Diese Komponenten werden dann in den Unterkapiteln 5.1-3 genauer analysiert (z.T.
63 quantitativ), und in Kapitel 5.4 werden die zuvor referierten Ergebnisse interpretiert. b)
Die inhaltlichen Komplexe des Aufsatzes; das "Aufsatz-Skript"
Wie leicht zu sehen ist, werden in dem Text in linearer Folge eine Reihe von inhaltlichen Komplexen abgehandelt, deren Hierarchie und Verteilung in (2) wiedergegeben ist. (2)
Inhaltliche Komplexe des Aufsatzes Einführung des Gegenstands (Kap. 1) Zielsetzung Abgrenzung
(Kap. 1) (Kap. 1)
Datengrundlage
(Kap. 1)
Definition (Kap. 2) Darstellung der Untersuchung und der Ergebnisse (Kap. 3-6) Regeln (Kap. 3) Sprachliche Realisation (Kap. 4) Interaktionsmuster
(Kap. 5 und 6)
Aktivitäten des Klienten (Kap. 5, 5.1-3) Aktivitäten des Therapeuten (Kap. 6) Beispiele (Kap. 6 zweiter Teil) Interpretation
der Beispiele (Kap. 6 dritter Teil)
Offene Fragen (Kap. 7)
Wie man sieht, gibt es zwischen diesen inhaltlichen Komplexen und der Kapiteleinteilung nur zum Teil eine eindeutige Entsprechung. So sind die ersten vier Komplexe in der Einleitung untergebracht, und umgekehrt enthält das Kapitel 5 drei Unterkapitel, zu denen keine inhaltlichen Komplexe existieren. Diese zum Teil wohl auf die Diskrepanz zwischen den (überwiegend) logisch motivierten inhaltlichen Komplexen und den (nicht nur logisch, sondern offenbar auch durch den Umfang motivierten) Kapiteln zurückzuführende Inkongruenz ist nun für die Makroanalyse deswegen von Belang, weil die Schreiber der Zusammenfassungen zum Teil die Kapitel und Unterkapitel, zum Teil die inhaltlichen Komplexe, oft aber auch beides zu Kriterien ihrer Gliederung machen. - Es sei angemerkt, daß die meisten dieser inhaltlichen Komplexe bereits in der Einleitung unter den dort genannten Zielen erwähnt werden, wenn nicht wortwörtlich, so doch sinngemäß. Ausdrücke wie Entwicklung der Konzepte "Abschwächung" und "Verschärfung" A 11 f., Interaktions- und Interpretationsregeln A 18f., Komponenten und Prozesse, die dazu beitragen, daß von einer Äußerung der Eindruck entsteht, sie sei in einem bestimmten Grade abgeschwächt A 14ff., Interpretation- und Interaktionsprozesse zu rekonstruieren A 26f. nehmen also die Komplexe Definition, Regeln, sprachliche Realisation, Interaktionsmuster vorweg und tragen auf diese Weise zur Orientierung des Lesers bei.
64 Ich will annehmen, daß die in der Einleitung vorweggenommenen inhaltlichen Komplexe so etwas wie ein Handlungsschema (im Sinne von Rehbein 1977) oder Skript (Schank/Abelson 1977) darstellen, an dem sich die Autoren bei der Textproduktion und die Leser bei der Rezeption orientieren. Für den Textproduzenten legen die Einheiten des Schemas bzw. Skripts "Handlungsstadien" (Rehbein) bzw. "Szenen" (Schank/Abelson) fest, an die sie bei der Ausführung der Handlung (hier: der Niederschrift) mehr oder weniger gebunden sind, und für den Rezipienten bilden sie ein Schema für die Interpretation. 1
4.1.3
Kohärenz der Kapitel, Unterkapitel und inhaltlichen Komplexe; Kohärenz der Einheiten innerhalb der Kapitel
Die Kapitel und Unterkapitel sind weitgehend additiv aneinandergereiht. Die Reihenfolge entspricht bis zu einem gewissen Grade den in der Einleitung genannten Zielen der Untersuchung, i.e. den Einheiten des Aufsatz-Skripts, auf das die Produzenten und Rezipienten festgelegt sind. Deshalb ist es nicht nötig, in einem neuen Kapitel explizit den Zusammenhang mit vorausgehenden oder früheren Textteilen deutlich zu machen. Durch die Überschrift ist hinreichend klar, daß ein neues Thema oder Subthema beginnt, für dessen Einordnung in das Textganze die Erwähnung in der Einleitung sorgt. Das gleiche gilt auch für die Unterkapitel zu dem Hauptkapitel 5, in dessen Einleitungsteil die zu behandelnden Komplexe in ähnlicher Weise angekündigt sind wie die Hauptkomplexe in der Einleitung. Die Aufzählung in A 148-151 mit den Begriffen Bestätigung/Verneinung, Neubestimmung des Grades der Abgeschwächtheit und Thematische Behandlung kann also als neues, auf Kapitel 5 beschränktes Skript bzw. Teilskript angesehen werden, dessen Stadien in den Unterkapiteln 5.1-3 realisiert sind. Die Anordnung der Einheiten innerhalb der Kapitel und Unterkapitel ist uneinheitlich. Von den verschiedenen Prinzipien, nach denen diese Einheiten geordnet sind, nenne ich im folgenden nur diejenigen, die im Aufsatz häufiger vorkommen. Es sind dies: 1) ein am Kapitelanfang ad hoc eingeführtes Skript, nach dem das ganze Kapitel oder Teile des Kapitels aufgebaut sind, 2) ein durch den jeweiligen Diskurstyp vorgegebenes Skript, 3) ein Prinzip Fortschreiten vom Ganzen zu den Teilen und/oder vom Wichtigen zum weniger Wichtigen, 4) das Prinzip Ankündigung und Angekündigtes, 5) die Reihung (vgl. zu diesem ganzen Komplex auch van Dijk/Kintsch 1983:274ff). Das erste Prinzip haben wir bereits bei der Anordnung der Kapitel und Unterkapitel kennengelernt. Es findet sich auch auf der unteren Ebene wieder. Z.B. werden im ersten Absatz des dritten Kapitels zwei Regeltypen angeführt, Interpretationsregeln und Regeln der interaktiven Funktion, die dann in den darauffolgenden Abschnitten wieder aufgegriffen werden, und zwar gemäß dem Skript zuerst die Interpretationsregeln und dann die Regeln zur interaktiven Funktion. Ich gebrauche die Termini Schema, Handlungsschema
und Skript synonym.
65 Das zweite Prinzip, ebenfalls ein Skript, wird nicht explizit eingeführt, sondern es ergibt sich aus dem jeweiligen Diskurstyp. Ein charakteristisches Beispiel ist die Einleitung: Dieser Anfang ist typisch für viele wissenschaftliche Aufsätze: Es wird zuerst das allgemeine Thema (Gegenstand) eingeführt, anschließend folgen Ausführungen zu den Zielen der Untersuchung, dann zur Methode und zum Schluß zur Datengrundlage. Wie oben ausgeführt, wird durch diese Folge zugleich ein weiteres Skript festgelegt, nämlich das, nach dem die Kapitel- und Themenfolge des ganzen Aufsatzes angelegt ist. Skripte können also ineinander eingebettet sein. - Ein weiteres Beispiel ist die Folge von Definitionen im zweiten Kapitel, in der sukzessive ein Begriff durch einen anderen definiert wird. Auch der zweite Absatz von Kapitel 3 ist in dieser Weise aufgebaut: Hier wird zuerst eine Interpretationsregel formuliert, und anschließend werden Ausführungen zu den in der Regel enthaltenen Begriffen "Äußerung", "Kontext" und "Situation" gemacht. - Ein weiteres diskursspezifisches Skript ist das der Argumentation. Im Aufsatz finden sich dazu zwei Beispiele in der Einleitung (A 28-42): Die beiden Behauptungen werden jeweils durch eine Folge von Argumenten untermauert. Die natürliche Folge scheint dabei 'Behauptung + Argumente' zu sein, wie in den beiden Beispielen. Nach dem dritten Prinzip, Fortschreiten vom Allgemeinen zum Besonderen oder vom Wichtigen zum weniger Wichtigen, sind z.B. die Äußerungen innerhalb des zweiten Absatzes von Kapitel 3 (A 88-97) angeordnet: Der Absatz beginnt mit dem Wichtigen, nämlich dem Formulierungsvorschlag für eine Interpretationsregel. Die weniger wichtigen Ausführungen über Schwierigkeiten bei der Definition von "Äußerung" usw. folgen nach. Ähnlich werden im zweiten Kapitel zuerst die Begriffe "Abschwächung" usw. definiert, dann wird ein Beispiel angeführt, und im Schlußabsatz finden sich dann Erläuterungen zu dem vorher verwendeten Ausdruck weniger abgeschwächte Äußerung, die für das Verständnis des ganzen Aufsatzes entbehrlich sind. - Speziell nach dem Prinzip Fortschreiten vom Ganzen zu den Teilen sind die beiden ersten Absätze der Einleitung angeordnet: Zuerst wird das Thema allgemein eingeführt und anschließend werden speziellere Fragestellungen genannt. Wie man sieht, sind hier das zweite und das dritte Prinzip gleichzeitig wirksam: Die gesamte Einleitung ist nach dem Skript "Einleitung wissenschaftlicher Aufsätze" gegliedert und die beiden ersten Absätze zusätzlich nach dem Prinzip Fortschreiten vom Allgemeinen zum Besonderen. Das vierte Prinzip, die Folge Ankündigung + Angekündigtes, gehört zu den häufigsten Ordnungsstrukturen des Aufsatzes, und ähnlich wie das dritte Prinzip ist es oft gemeinsam mit anderen Prinzipien wirksam, z.B. dann, wenn nach dem ersten Prinzip ein neues Skript eingeführt wird, wie in dem oben erörterten Beispiel aus dem dritten Kapitel: Hier legen die beiden Regel typen nicht nur ein Skript fest, sondern sie fungieren zugleich auch als Ankündigung, die im folgenden realisiert wird. Ähnlich hat auch der erste Satz der Einleitung Ankündigungsfunktion, wie schon aus dem Doppelpunkt hervorgeht. In dem ersten Absatz sind also gleichzeitig die Prinzipien 3 und 4 wirksam. - In anderen Fällen ist Ankündigung + Angekündigtes alleiniges Prinzip wie z.B. in den beiden ersten Absätzen von Kapitel 4.
66 Das fünfte Prinzip, die Reihung, findet sich vor allem innerhalb von Absätzen. Normalerweise geht den aufgezählten Elementen (sprachlich als Nominalphrasen oder als ganze Sätze realisiert) eine Ankündigung voraus: Beispiele finden sich fast in jedem Kapitel. In der Regel sind die Elemente durch Spiegelstriche oder Zählung durch Kleinbuchstaben kenntlich gemacht. 2
4.2 Zur Makrostruktur der Zusammenfassungen Mit den nachfolgenden Analysen unserer Zusammenfassungen verfolge ich hauptsächlich zwei Zwecke: Zunächst soll damit eine weitere Grundlage für die Rekonstruktion der Vorgehensweise unserer Autoren geschaffen werden. Wenn man den Schreibprozeß unter anderem als Umwandlung eines Textes mit der Struktur Tw in einen Text mit der Struktur Tz ansieht, dann ist es einleuchtend, daß als nächste Vorarbeit für unsere Rekonstruktion eine Analyse der Zieltexte erforderlich ist. Zweitens sind diese Analysen auch als Vorarbeit zur Bestimmung des Textmusters 'Zusammenfassung' wichtig: Es ist zu vermuten, daß sich unsere Autoren bei der Produktion ihrer Zusammenfassungen nicht nur am Primärtext orientieren, sondern daß sie dabei auch auf das im Verlauf ihres Studiums erlernte Textmusterwissen zurückgreifen. Sollte dies zutreffen, dann müssen wir neben dem Primärtext noch eine zweite Grundlage für den Prozeß des Umformens zum Zieltext ansetzen, nämlich das Textmusterwissen. Eine der Fragen dazu wird sein: Über welche Art Textmusterwissen könnten die Versuchspersonen verfügen? Beziehungsweise: Welche Art Textmusterwissen läßt sich aus dem Inhalt und insbesondere der Struktur der Zieltexte erschließen? Stimmt dieses Wissen z.B. mit dem Wissen überein, das bei professionellen Autoren von Zusammenfassungen vorausgesetzt werden kann? Und in welcher Hinsicht weicht es gegebenenfalls davon ab? Ich werde deswegen in diesem Kapitel nicht nur die Makrostruktur der Texte unserer Versuchsreihe untersuchen, sondern auch Zusammenfassungen heranziehen, die von Wissenschaftlern (Linguisten) verfaßt worden sind. Ich beginne mit der Analyse einer unserer Zusammenfassungen (Z 4) und ziehe dabei - einfachheitshalber - die sieben anderen Texte nur dann heran, wenn deren Makrostruktur wesentlich von der der Zusammenfassung von Z 4 abweicht. Auf dieser Grundlage versuche ich dann, eine allen Zusammenfassungen zugrunde liegende "Normalform" herauszuarbeiten. Zum Schluß werde ich diese Normalform mit einigen Zusammenfassungen professioneller Autoren vergleichen.
Auf die Frage, welche tiefenstrukturellen oder logischen Einheiten den linear angeordneten Strukturen zugrunde liegen und wie die letzteren sprachlich oder prosodisch indiziert sind, kann ich hier nicht eingehen. Ich verweise auf die Vorschläge von Klein zur logischen Struktur von Argumentationen (Klein 1980, 1981), auf die vor allem an Geschäftsbriefen entwickelte Illokutionstheorie, die Vorschläge von Gülich/Raible (1979) für narrative Texte und die Untersuchungen von Grimes (1975), Hinds (1979), Longacre (1979), Meyer (1975) und Thoradyke (1977) zur Absatzstruktur.
67 In der Analyse des Beispieltextes beschränke ich mich auf die gleichen Punkte, die auch der Primärtextanalyse zugrunde gelegt wurden.
4.2.1
Allgemeine Merkmale zur kommunikativen Hauptfunktion, Darstellungsform usw.
Über die kommunikative Funktion kann allenfalls spekuliert werden. Da die Versuchspersonen wußten, daß sie ihre Zusammenfassung zu wissenschaftlichen Zwecken schreiben sollten und daß ihr Text später vom Projektleiter ausgewertet werden würde, ist anzunehmen, daß alle Autoren in erster Linie als Adressaten den Projektleiter im Auge hatten, was von einigen Autoren, darunter auch Z 4, im Interview auch erwähnt wurde. Die allen Versuchspersonen gegebene weitere Information, daß ihr Text außerdem in einem Reader für die Teilnehmer an einem Seminar über Psychotherapeutische Kommunikation abgeheftet werden würde, scheint dagegen nicht von allen Versuchspersonen ganz ernst genommen bzw. sogar wieder vergessen worden zu sein. Denn auf diese Information wird in den Interviews nur dreimal zurückgegriffen. Wie etliche Interviewäußerungen zeigen, wurde die Schreibaufgabe manchmal auch als eine Prüfungsaufgabe aufgefaßt, bei der es den Versuchspersonen darauf ankam, sich selbst und dem Projektleiter ihr Können unter Beweis zu stellen. Das der Textsorte Zusammenfassung inhärente kommunikative Hauptziel, die von den Primärtextautoren referierten Forschungsergebnisse bekanntzumachen, also den potentiellen Leser über den Primärtext zu informieren, dürfte daher eher auf einer nächsthöheren Ebene, i.e. einer Übungsebene, wie ich dies nennen will, angesiedelt sein. Das Ziel zu informieren ist hier also eingebettet in ein anderes Ziel, die entsprechende Fähigkeit nachzuweisen oder zu simulieren. Dies gilt übrigens für die meisten im Rahmen unseres Projekts geschriebenen Texte. Die Quaestio des ganzen Textes ist nicht mehr wie im Aufsatz eine wissenschaftliche Fragestellung des Verfassers, sondern die Frage: Was steht in dem Aufsatz? Die dargestellten Ergebnisse sind von dem Zieltextautor nicht selbst zu verantworten. Dementsprechend ist auch die Darstellungsform anders: Die Informationen sind nicht mehr als imaginärer Forschungsprozeß im Hier und Jetzt bzw. als Einladung an den Leser zum Nachvollzug dieses Forschungsprozesses organisiert, sondern nach dem Prinzip einer Textbeschreibung. Diese ist allerdings in dem hier vorliegenden Typ von Zusammenfassung als textbezogene Darstellung des imaginären Forschungsprozesses organisiert, in der sich, wenn man so will, die Darstellungsform mancher Aufsatzpassagen als imaginärer Forschungsprozeß im Hier und Jetzt spiegelt. Wenn also ziemlich oft die Primärtextautoren Referenten sind (häufig passivisch mit "getilgtem" Agens ausgedrückt), dann ist dies nicht ganz wörtlich zu verstehen: Wendungen wie beschränken sich die Verf. auf die Neubestimmung des Abschwächungsgrades (Z 4, A 19f.) sind natürlich als Textbeschreibung zu verstehen und nicht als Darstellung einer tatsächlichen Handlung der Primärtextautoren. Die eigentlichen Referenten sind also der Primärtext und seine Teile und/oder die im Pri-
68 märtext dargestellten Objekte. Der Zieltextautor tritt hinter der Darstellung vollständig zurück; er ist niemals selbst Referent, das Personalpronomen in der 1. Person kommt nicht vor. - Nahezu alle Äußerungen bestehen aus Deklarativsätzen, mit denen - in der Terminologie von Mötsch (1987) - zumeist Informationen ausgedrückt sind.
4.2.2 a)
Merkmale der äußeren Form: Inhalt und Aufbau Absatzgliederung und thematische Komplexe in den Zusammenfassungen
Im Gegensatz zu dem Primärtext bestehen die Zusammenfassungen aus fortlaufendem Text ohne Überschrift der einzelnen Absätze bzw. Sinneinheiten. Von den acht untersuchten Texten der ersten Versuchsreihe sind fünf in graphische Absätze gegliedert, die beiden übrigen nicht. Der Aufbau des Beispieltextes geht aus der folgenden Textwiedergabe mit Dezimalzählung der Einheiten hervor: (3)
Zieltext der Versuchsperson Z 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
1. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Phänomen Abschwächung/Verschärfung, in der klientenzentrierten Gesprächstherapie (GT), das auf seine interaktive Relevanz hin untersucht wird. Das Konstrukt abgeschwächte Äußerung steht dabei in Relation zur Normalformerwartung der Interaktionspartner, nicht zu einer'Normal-Form'. 2. Der Artikel benennt die sprachlichen Möglichkeiten zur Abschwächung (bestimmte Verbformen & Formklassen, Wortwahl usw.), ohne ihre funktionale Bedeutung weiter bestimmen zu wollen. 3.1. Drei Möglichkeiten der Patientenreaktion sind benannt: Bestätigung/Verneinung der Totalfrage; Neubestimmung des Abschwächungsgrades; Thematisieren des anvisierten Komplexes. 3.2.1 Die Frage der interaktiven Relevanz dieser Möglichkeiten wird behandelt & auf das Ziel der GT (Problematisierung) hin untersucht. Da die erste Möglichkeit die Interaktion unterbricht, beschränken sich die Verf. auf die Neubestimmung des Abschwächungsgrades; bei neutra1er Patientenreaktion wird die größte Erfolgsquote verzeichnet (65%), gefolgt von verschärfender Patientenäußerung (48%) und Abschwächung (20%). 3.2.2 Die Ergebnisse werden dahingehend interpretiert, daß ein ausgewogenes Maß an Abgeschwächtheit die relativ unproblematischste Situation erzeugt, die Abschwächung durch den Patienten aber eine zu starke Gesichtsbedrohung signalisiert.
In den Beispielen (3) und (5) dieses Kapitels (Zieltext der Versuchsperson Z 4) wurde die Zeilenlänge originalgetreu aus der handschriftlichen Zusammenfassung übernommen.
69 29 30 31 32 33
4. Den Abschluß bildet eine Illustration der Abschwächung an Hand von zwei Beispielen aus der GT & die Formulierung offener Fragen zur Funktionalität der Realisierungsmerkmale abgeschwächter/verschärfter Äußerungen.
Wie man sieht, ist der Text in vier Hauptabschnitte gegliedert, die der Verfasser auch graphisch, i.e. durch Beginn einer neuen Zeile markiert. Alle Hauptabschnitte sind in Unterabschnitte und zum Teil in Unter-Unterabschnitte usw. untergliedert, ohne daß dies allerdings graphisch deutlich wird. 4 Die Zusammenfassung enthält fünf thematische Komplexe: Einführung in die Thematik (Absatz 1), die sprachlichen Mittel zur Abschwächung (Absatz 2), eine etwas ausführlichere Wiedergabe der Primärtextausführungen zur Reaktion der Patienten auf abgeschwächte Äußerungen (Absatz 3) und eine jeweils kurze Erwähnung der Beispiele und der offenen Fragen (beides Absatz 4). Der umfangreichere dritte Abschnitt ist in zwei graphisch nicht gekennzeichnete Unterabschnitte gegliedert: in dem ersten (3.1) werden drei Möglichkeiten der Patientenreaktion,5 in dem zweiten (3.2) die quantitativen Erhebungen und deren Ergebnisse dargestellt. Unterabschnitt 3.2 ist dann noch einmal unterteilt in einen Unter-Unterabschnitt, in dem die quantitativen Untersuchungen dargestellt werden (3.2.1) und einen Unter-Unterabschnitt, in dem die Ergebnisse dieser Untersuchung interpretiert werden (3.2.2). - Absatz 1 entspricht dem ersten Aufsatzkapitel (Einleitung), Absatz 2 dem 4. Kapitel ("Zur Interpretation von "Abschwächung"), Absatz 4 bezieht sich auf die im 6. Aufsatzkapitel angeführten Beispiele und das 7. Kapitel ("Offene Fragen"). Die Abschnitte und Unterabschnitte des Zieltextes entsprechen also zum Teil Kapiteln und zum Teil thematischen Komplexen des Primärtextes, wobei sich in einigen Fällen beides deckt. Weshalb ich gerade diese und nicht irgendeine denkbare andere Segmentierung annehme, soll aus dem Folgenden hervorgehen.
b)
Der Begriff der "Skripteinheii" mit den Elementen "Kopf" und "Rumpf"
Ich betrachte die drei nicht in Unterabschnitte unterteilten Abschnitte 1, 2 und 4, den Unterabschnitt 3.1 und die beiden Unter-Unterabschnitte 3.2.1 und 3.2.2 als Skripteinheiten von Zusammenfassungen (abgekürzt "Skripteinheit"6) und will also annehmen, daß diese Zusammenfassung aus insgesamt sechs Skripteinheiten besteht. Ich verwende hier und im folgenden die Ausdrücke 'Abschnitt" und "Absatz" synonym und verstehe darunter sprachlich gekennzeichnete Einheiten (s. unten), die nicht notwendigerweise mit graphischen Absätzen zusammenfallen müssen. Der Verfasser verwechselt hier Komponenten (ein linguistischer Fachausdruck) mit Möglichkeiten und gibt dadurch, ähnlich wie auch andere Versuchspersonen, den Text falsch wieder. Wenn ich im folgenden ohne weiteren Zusatz den Ausdruck "Skripteinheit" verwende, meine ich damit die Skripteinheit einer Zusammenfassung.
70 Ich nehme außerdem an, daß jede Skripteinheit aus zwei Segmenten besteht, einem Kopf und einem Rumpf. Der Kopf leitet die Skripteinheit ein, der Rumpf bildet ihren Hauptteil. Köpfe sind im Beispiel (3): Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit (1); Der Artikel benennt die sprachlichen Möglichkeiten zur Abschwächung (2); Drei Möglichkeiten der Patientenreaktion sind benannt (3.1); Die Frage der interaktiven Relevanz dieser Möglichkeiten wird behandelt (3.2.1); Die Ergebnisse werden dahingehend interpretiert, daß (3.2.2); Den Abschluß bildet (4). Der Kopf legt für die zugehörige Skripteinheit eine einheitliche Orientierung fest (s. dazu Hinds 1979). Im vorliegenden Beispiel sind dies die Thematik des Aufsatzes (1), die sprachlichen Möglichkeiten zur Abschwächung (2), die drei Möglichkeiten der Patientenreaktion (3.1), die interaktive Funktion dieser Möglichkeiten (3.2.1), die Interpretation der Ergebnisse der quantitativen Untersuchung (3.2.2), der Abschluß des Aufsatzes (4). Die Reichweite der durch den jeweiligen Kopf festgelegten Orientierung ist identisch mit dem Umfang der zugehörigen Skripteinheit. Kriterium für den Umfang einer Skripteinheit ist also die Reichweite des Kopfs. Aus diesem Grund bildet z.B. (4) eine und nicht zwei Skripteinheiten, denn das Kopfsegment Den Abschluß bildet bezieht sich nicht nur auf die Illustration durch Beispiele, sondern auch auf die offenen Fragen. Die Begrenzung einer Skripteinheit ist also formal festgelegt: Die Skripteinheit beginnt mit dem Kopf und endet vor dem Beginn einer nächsten Skripteinheit, die ihrerseits wiederum mit einem Kopf beginnt. Die syntaktisch-lexikalischen Realisierungen der Köpfe gehören einem eng begrenzten Vokabular an, wie sich an der obigen Auflistung der Köpfe in der vorliegenden Zusammenfassung schon andeutet: Jeder dieser Ausdrücke enthält a) ein Nomen oder eine Nominalphrase, die einen formal oder inhaltlich definierbaren Teil oder Aspekt des Primärtextes bezeichnet (Der vorliegende Beitrag, Der Artikel, die [in dem Aufsatz behandelten] drei Möglichkeiten der Patientenreaktion, die interaktive Relevanz dieser Möglichkeiten, Die Ergebnisse, Den Abschluß, b) ein Verb aus der Klasse der verba dicendi vom Typ beschäftigt sich mit, benennt, behandelt, zu dessen Lexikoneintrag eine durch ein Objekt (oder durch einen Substantivsatz oder auch einen syntaktisch selbständigen Satz) zu füllende Leerstelle gehört. Die Köpfe legen also bestimmte Fortsetzungsmöglichkeiten fest und schließen andere aus. Wichtig ist nun, daß die Skripteinheit nicht notwendigerweise mit der Füllung dieser einen Leerstelle enden muß, wie z.B. die erste Skripteinheit zeigt. Mit dem zweiten Satz (Das Konstrukt abgeschwächte Äußerung steht dabei ...) bleibt die durch den Kopf festgelegte Orientierung auf eine bestimmte Thematik (Einführung in das Thema des Aufsatzes) erhalten, was formal aus dem Verknüpfungselement dabei und - für unseren Zusammenhang wichtiger - aus dem Nichtvorhandensein eines neuen (und anderen) Kopfs hervorgeht. Ein weiteres Beispiel findet sich in 3.2.1: Der Rumpf besteht hier aus mehreren Sätzen, in denen die interaktive Funktion abgeschwächter Äußerungen spezifiziert wird. Die Orientierung bleibt also auch hier erhalten, und zwar so lange, bis in 3.2.2. ein nächster Kopf folgt, der eine neue Orientierung einführt. Ein drittes Beispiel endlich ist der Schlußabsatz (4). Rein formal gesehen könnte dieser Abschnitt
71 auch mit GT enden. Tatsächlich wird aber noch eine weitere Nominalphrase angeschlossen. Die drei Beispiele zeigen, daß Abschnitte, so wie ich sie hier definiere, nicht oder nur höchst indirekt mit syntaktischen Strukturen zusammenhängen, daß ein Abschnitt also aus einem oder aus mehreren, sei es syntaktisch verbundenen oder sei es unverbundenen Sätzen bestehen kann. - Auf das vielleicht wichtigste formale Merkmal von Absätzen, die fallende Tonhöhenbewegung und den hohen Einsatz am Anfang des nächstfolgenden Absatzes kann ich hier nur hinweisen (Couper-Kuhlen 1983, 1986; Selting 1992). Wie der Text der Zusammenfassung von Z 4 zeigt, reflektiert die Absatzstruktur in keiner Weise die hierarchische Textorganisation: Unterabschnitte und Unter-Unterabschnitte sind hier formal in gleicher Weise gekennzeichnet wie die Hauptabschnitte. Eine Besonderheit der Zusammenfassungen - z.B. im Vergleich zu linguistischen Aufsätzen und auch zu dem Primärtext - besteht nun in dem quantitativen Verhältnis zwischen Kopf und Rumpf: Während der Kopf maximal einen einfachen Satz umfaßt, oft aber nur einen Teilsatz oder eine Verbalphrase ohne die syntaktisch dazugehörige Objekt-Nominalphrase, ist der Rumpf zwar um ein Mehrfaches länger, aber trotzdem noch kürzer als etwa in Aufsätzen, ein Unterschied, der sich natürlich auch auf die Gesamtlänge der Absätze auswirkt. Die Kürze der Absätze hängt vermutlich damit zusammen, daß bei zu langen Rumpfteilen die Gefahr besteht, daß die entsprechenden Aussagen nicht mehr als Darstellungen des Primärtextes oder Behauptungen der Primärtextautoren, sondern als Behauptungen der Zieltextautoren verstanden werden, und daß dadurch die für Zusammenfassungen spezifische Darstellungsform (Sachlichkeit usw.) verlorengeht. 4.2.3
Kohärenz
Da einige Aspekte der Kohärenz bereits unter b) zur Sprache gekommen sind, fasse ich mich hier kurz. Anders als der Aufsatz sind die Zusammenfassungen nicht in Kapitel (mit Überschriften) eingeteilt, sondern nur in Haupt- und Unterabschnitte usw. Deren Kohärenz ist einerseits durch das Skript 'Zusammenfassung' und andererseits - auf einer nächst tieferen Ebene - durch den Aufsatz vorgegeben. Wenn der Schreiber Z 4, wie wir gesehen haben, seinen Text nach thematischen Komplexen wie 'Einführung in die Thematik', 'Realisierungsmerkmale für Abschwächung', 'Reaktion des Patienten auf abgeschwächte Äußerungen' usw. gliedert, (wobei der zuletzt genannte Komplex gemäß dem größeren Umfang des entsprechenden Primärtextabschnitts noch einmal in Unterkomplexe aufgegliedert ist), dann wird hier deutlich, daß dieser Gliederung zwei Prinzipien zugrunde liegen: Das erste Prinzip läuft darauf hinaus, daß der Aufbau von Zusammenfassungen grob gesehen der Kapitelfolge der zu referierenden Primärtexte zu entsprechen hat. Daraus folgt dann für die nächst tiefere Ebene das Prinzip, daß sich in unseren Texten der Aufbau nach dem Aufbau des Aufsatzes von Meyer-Hermann/Weingarten richtet. Konkret bedeutet das, daß sich der Zusammenhang eines Abschnittes (Unterabschnitts
72 usw.) mit dem vorausgehenden Text aus der Kapitel- oder Themenfolge des Primärtextes ergibt, sofern die explizite Verknüpfung, die Kohäsion also, dem nicht widerspricht. Wenn z.B. der Abschnitt 3.1 mit dem Satz Drei Möglichkeiten der Patientenreaktion sind genannt beginnt, dann ist aufgrund des obigen Prinzips klar, daß hier von einem nächsten oder weiteren Kapitel (oder einem thematischen Komplex) die Rede ist, daß sich der Autor also mit der hier beginnenden neuen Skripteinheit auf ein nächstes (oder späteres) Primärtextkapitel bezieht und daß dementsprechend kein logischer Zusammenhang mit dem vorausgehenden Abschnitt besteht. Es ist nicht nötig, dies im Text explizit zu machen, sondern es genügt, daß der neue Absatz "additiv" dem vorherigen hinzugefügt und parataktisch mit ihm "verbunden" wird. Die am Beispiel von Z 4 dargestellten formalen Eigenschaften von Zusammenfassungen sind auch für alle weiteren Zusammenfassungen typisch, und zwar sowohl in Hinblick auf die Darstellungsform wie auch auf die graphische Anordnung, Aufbau und Kohärenz. Unterschiede ergeben sich lediglich beim Umfang der einzelnen Texte und - damit zusammenhängend - bei der Anzahl und den Inhalten der Skripteinheiten. Insgesamt ergibt dies ein ziemlich einheitliches Bild, das auch die Vorgehensweise der Autoren reflektiert, worauf ich im folgenden Kapitel eingehen werde. Einige Autoren, wie z.B. Z 8 haben größere Teile des Primärtextes unberücksichtigt gelassen, andere, wie Z 4 und Z 1 (bei der letzteren geht dies jedenfalls aus ihrem Entwurf hervor), sind dagegen auf alle wichtigeren Punkte eingegangen. Die oben dargestellte Makrostruktur bleibt davon weitgehend unberührt, so daß ich es für gerechtfertigt halte, hier von einer Normalform zu sprechen. 4.2.4
Vergleich mit den Germanistik-Referaten
Die Frage, ob unsere Versuchspersonen einem gängigen Muster folgen, ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil die meisten Zusammenfassungen wissenschaftlicher Texte zu bestimmten Zwecken gemacht werden (z.B. um eigene Forschungen einzuleiten oder gegen verwandte Ansätze abzugrenzen, um in Verlagsprospekten Publikationen bekannt zu machen, um in Haus- und Examensarbeiten Fachkenntnisse nachzuweisen) und häufig auch in andere Textarten, z.B. Rezensionen, eingebettet sind (zu letzteren s. Wiegand 1983). Vielfach sind sie wesentlich länger oder auch wesentlich kürzer als unsere Zusammenfassungen; letzteres gilt vor allem für Abstracts, die einer eigenen Arbeit voran- oder nachgestellt sind und für die meisten Kommentare in Verlagsprospekten. Diese Kurzformen unterscheiden sich von den längeren Zusammenfassungen manchmal auch formal, indem sie nur aus einem einzigen Absatz bestehen, i.e. nicht in Skripteinheiten unterteilt sind und deswegen auch keine Köpfe vom Typ Der Artikel benennt usw. enthalten. Dieses Faktum hat wiederum zur Folge, daß diese Texte nicht explizit als Textwiedergabe bzw. Textbeschreibung, worum es sich de facto handelt, kenntlich gemacht sind
73 (weitere Einzelheiten über zusammenfassende Texte s. Kretzenbacher 1990, mit ausführlicher Bibliographie). Sowohl vom Umfang wie von der Form her stimmen unsere Zusammenfassungen am ehesten mit den kommentierten bibliographischen Angaben in dem "Referaten-Organ" Germanistik überein, mit dem Unterschied allerdings, daß die Primärtexte dort Bücher statt Aufsätze sind. 7 Um die Makrostruktur unserer Zusammenfassungen mit der Makrostruktur von Zusammenfassungen professioneller Autoren zu vergleichen, habe ich deswegen aus dem 31. Jahrgang der "Germanistik" 30 Referate zu linguistischen Publikationen herangezogen. Ein typisches Beispiel ist der folgende, im Auszug abgedruckte Bericht: (4)
Bericht aus dem Referaten-Organ "Germanistik" (Auszug) Gegenstand dieser Arbeil sind dt. Sätze mit finitem Verb in Zweitstellung, im engeren: selbständige Aussagesätze; Ziel ist die Analyse der vielfältig verschiedenen Möglichkeiten von Vorfeldbesetzung. Die Arbeit gliedert sich in zwei T. In einem ersten wird (knapp aber instruktiv und vor allem fair) die > traditionelle < Gliederung des dt. Satzes in Stellungsfelder diskutiert, wobei besondere Aufmerksamkeit den grammatischen Aussagen zur Vorfeldbesetzung gilt [...]. Der (ausfuhrlichere) zweite T. steht unter dem Programm, die Govemment-and-Binding-Theorie auf die Wortstellung des Dt. anzuwenden, einige ausgewählte Daten im Rahmen dieser Theorie zu analysieren und in einen größeren Erklärungszusammenhang zu bringen. Dieser T. wird eingeleitet durch die (nicht zwingend notwendige) Präsentation einiger einschlägiger generativ-grammatischer Grundbegriffe. Ihr folgt eine durchweg plausible Analyse von Einzelphänomenen der Vorfeldbesetzung [...]. Wie so oft bei generativ grammatischen Analysen ist die Arbeit in ihrem Duktus auch dort sehr interessant, wo sie in der Sache nicht so sehr viel weiter führt. 8
Wie leicht zu sehen ist, ähnelt dieser Text in weiten Teilen unseren Zusammenfassungen: Die Darstellungsform ist eine Textbeschreibung, die auf die Quaestio "Wovon handelt der Text, und was steht in welchem Kapitel?" antwortet. Der Bericht ist in kürzere, graphisch nicht kenntlich gemachte Absätze gegliedert, die mit einem Kopf (im Text von mir hervorgehoben, G.K.) beginnen, der einem ähnlichen Vokabular angehört wie die Köpfe unserer Zusammenfassungen und der auf ein Primärtextkapitel oder auf einen thematischen Komplex verweist, die Reichweite der zugehörigen Skripteinheit festlegt, eine Leerstelle eröffnet usw. Umgekehrt sind die Rümpfe - ebenfalls wie in unseren Zusammenfassungen - überwiegend mit referierenden bzw. textbeschreibenden fachspezifischen Aussagen gefüllt, die bisweilen allerdings auch von bewertenden Aussagen ergänzt werden. Die Reihenfolge der Skripteinheiten entspricht der Reihenfolge der Kapitel und/oder der thematischen Komplexe des Primärtexts. Von den 30 Berichten sind 20 in dieser Weise organisiert. Sie unterscheiden sich lediglich dadurch, daß in einigen Berichten die bewertenden Aussagen Einige Zusammenfassungen sind allerdings mehr als doppelt so lang wie der Durchschnitt der Germanistik-Referate. Referat von Horst Sitta zu: Dürscheid, Christa: Zur Vorfeldbesetzung in deutschen Verbzweit-Stnikturen. - (Trier:) Wissenschaftlicher Vlg (1989). In: Germanistik. Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen. Tübingen: Niemeyer.
74 einen etwas breiteren Raum einnehmen und daß sich die Texte manchmal nicht streng an die Kapitelfolge des Primärtextes halten, sondern - zumeist am Anfang oder am Ende - ausführlicher über einzelne Aspekte des Primärtextes berichten. Die restlichen 10 Berichte sind jeweils nur teilweise nach diesem Prinzip organisiert. Neben textbeschreibenden Passagen finden sich in diesen Texten auch längere rezensionsartige Passagen mit Kommentaren, Bewertungen, Argumentationen usw., oder es werden vorzugsweise die Ergebnisse referiert; zweimal besteht der Text auch nur aus einem (erweiterten) Inhaltsverzeichnis. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß sich unter den 30 ausgewählten Berichten nicht ein einziges Beispiel des oben erwähnten aus einem einzigen Absatz bestehenden (kürzeren) Abstract-Typs mit fehlenden Köpfen findet. Wenn man berücksichtigt, daß unseren Autoren hinsichtlich Umfang, äußerer Form usw. keine Auflagen gemacht wurden und daß ihnen auch nur ungenaue Angaben bezüglich des Zwecks und der potentiellen Adressaten gemacht wurden, dann rechtfertigt das relativ hohe Maß an Übereinstimmung mit dem Referat-Typ in der "Germanistik" die Annahme, daß unsere Schreiber hier in der Tat einem gängigen Textmuster folgen, das sie vermutlich während ihres Studiums und beim Umgang mit wissenschaftlicher Literatur gelernt haben. Ich komme darauf im nächsten Hauptkapitel zurück.
4.3 Rekonstruktionsversuch an einem ausgewählten Beispiel Das hier angewendete Rekonstruktionsverfahren läßt sich grob wie folgt kennzeichnen: Es liegen zwei Datenmengen vor, der Aufsatz und die Zusammenfassungen. Der Prozeß, mit dem die letzteren aus den ersteren gewonnen wurden, war nicht beobachtbar, läßt sich aber erschließen: Aufsatz und Zusammenfassungen werden in Hinblick auf ihre jeweiligen konstitutiven Eigenschaften untersucht, und es werden hypothetische Aussagen über das Zustandekommen der Zieltexte gemacht, z.B. Aussagen vom Typ: "Um aus einem Text(teil) mit den Eigenschaften x einen Text(teil) mit den Eigenschaften y zu produzieren, wurden vermutlich Prozeduren von Typ h angewandt, aber nicht vom Typ k, weil gezeigt werden kann, daß unter vergleichbaren ähnlichen Bedingungen (nur) h, aber nicht k erfolgreich ist". Um ein triviales Beispiel zu nennen: Wenn sich aufzeigen läßt, daß unsere Zusammenfassungen im allgemeinen erheblich kürzer sind als der Aufsatz, daß sie keine persönlichen Stellungnahmen oder sonstigen Zusätze enthalten, sondern die Gedanken des Primärtextes wiedergeben, dann können wir daraus schließen, daß die Versuchspersonen eine Handlung vom Typ 'Kürzen' o.ä. ausgeführt haben, weil wir aufgrund unserer Erfahrung wissen, daß genau eine solche Handlung, nicht aber z.B. eine Handlung 'den Text abschreiben' zum Erfolg führt. Oder allgemeiner gesagt: Eigenschaften der Zieltexte werden mit Eigenschaften des Primärtextes verglichen, und unter Zuhilfenahme aller weiteren verfügbaren Daten (Pausen, Körperpositionen beim Schreiben, Interviewäußerungen) einschließlich unseres Wissens werden
75 hypothetische Aussagen über Teilprozesse, Zwischenziele bzw. Zwischenprodukte usw. gemacht, die insgesamt dazu geeignet sind, den Prozeß des Ubergangs vom Primärtext zu den Zieltexten modellhaft abzubilden. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich ist die Anfertigung eines maßstabsgerechten Grundrisses einer Wohnung: Aus der Erfahrung wissen wir, daß Handlungen wie das Ausmessen der Räume, Festlegung eines (einheitlichen) Maßstabs, Benutzung von Meßwerkzeugen, Zentimetermaß usw. zu angemessenen Resultaten führt, daß aber Zeichnungen aus dem Gedächtnis in der Regel ungenauer sind. Ich versuche jetzt, beispielhaft an den beiden ersten Absätzen der Zusammenfassung der Versuchsperson Z 4 das Vorgehen dieser Versuchsperson zu rekonstruieren. Wie immer in diesem Hauptkapitel beschränke ich mich dabei auf die Makrostruktur. Aktivitäten, die Strukturen unterhalb der Makroebene betreffen, werde ich im fünften Hauptkapitel behandeln. (5)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Phänomen Abschwächung/Verschärfung, in der klientenzentrierten Gesprächstherapie (GT), das auf seine interaktive Relevanz hin untersucht wird. Das Konstrukt abgeschwächte Äußerung steht dabei in Relation zur Normalformerwartung der Interaktionspartner, nicht zu einer 'Normal-Form'. Der Artikel benennt die sprachlichen Möglichkeiten zur Abschwächung (bestimmte Verbformen & Formklassen, Wortwahl usw.), ohne ihre funktionale Bedeutung weiter bestimmen zu wollen. Z 4
Wie leicht zu sehen ist, hat der Autor mit dem Textanfang (Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit ) den Kopf einer ersten Einheit des Skripts 'Zusammenfassung' realisiert, so daß trivialerweise auch davon ausgegangen werden kann, daß er sich vorher schon, spätestens aber bei Schreibbeginn, nicht nur für diese eine Einheit, sondern auch für das gesamte Skript entschieden hat, daß er also bei Beginn der Formulierungsphase so etwas wie eine Gesamtvorstellung von dem zu schreibenden Text hat, in dem außer Aspekten des Inhalts unter anderem Grundzüge der Darstellungsform und der Einheiten des Skripts für Zusammenfassungen enthalten sind. 9 Zwar äußert sich Z 4 hierzu im Interview nicht. Aus Äußerungen anderer Versuchspersonen können wir jedoch schließen, daß der Niederschrift Gedanken, die in diese Richtung weisen, vorangehen. So sagt z.B. Z 3, er habe den ersten Teil schon im Kopf gehabt und habe sich dann noch, bevor er Überlegungen zur Formulierung des ersten Satzes angestellt habe, Gedanken über den Gesamtaufbau gemacht.
Den Terminus Gesamtvorstellung habe ich von Klein/von Stutterheim (1991) übernommen. Ich verstehe darunter allerdings nicht die einem fertigen Text zugrunde liegende kognitive Struktur, sondern die Vorstellung von einem momentan noch nicht existiernden Text, die im Verlauf der weiteren Planung sukzessive angereichert und präzisiert wird. Vgl. dazu auch Wrobel (im Druck, Kap. 6.3.3).
76 Ich will also annehmen, daß der Niederschrift die beiden Aktivitäten SKRIPTund AUSWAHL THEMATIK vorausgegangen sind, wobei ersteres eine Abkürzung für "Auswahl des Skripts 'Zusammenfassung"' und letzteres eine Abkürzung für "Auswahl der Skripteinheit 'Kurzbeschreibung der Thematik des Primärtexts'" ist. In beiden Fällen handelt es sich um mentale Aktivitäten, um Aktivitäten also, die sprachlich noch nicht repräsentiert sind. Dasselbe gilt auch für die Resultate dieser Aktivitäten, also das Skript und die erste Skripteinheit. Dabei müssen wir uns vergegenwärtigen, daß ein Skript, so wie wir es im vorletzten Kapitel definiert haben, am Anfang der Texterzeugung aus ungefüllten Einheiten besteht und daß wir uns die Textproduktion als einen Prozeß vorstellen können, in dem Plätze des Skripts sukzessive ausgefüllt werden. Eine der Fragen, die durch die Rekonstruktion geklärt werden soll, ist, wie dies im einzelnen geschieht. In dem Produktionsstadium, in dem wir uns im Moment befinden, sind noch sämtliche Plätze leer. Um einen Hinweis zu finden, welche Aktivitäten zur Füllung der ersten Skripteinheit notwendig waren, vergleiche ich den Zieltextanfang mit dem Primärtextanfang. Letzterer lautet: AUSWAHL ZUSAMMENFASSUNG
(6)
5 6 7 8 9 lt) 11 12 13
In diesem Beitrag wollen wir uns mit einem Phänomen beschäftigen, welches in auffälliger Weise das kommunikative Handeln der Therapeuten in der klientenzentrierten Gesprächstherapie (kurz GT) (vgl. z.B. Tausch/Tausch i 9 6 0 / 7.A. 1979) kennzeichnet: der vorsichtigen, weichen oder, wie wir sagen, abgeschwächten Gestaltung ihrer Äußerungen. Gleichzeitig wollen wir an diesem Diskurstyp einen ersten Schritt zur Entwicklung der Konzepte "Abschwächung" und "Verschärfung" leisten, welche bislang noch nicht systematisch in die Diskussion eingeführt wurden. A 5-13
Segmente, die in Zusammenfassung und Primärtext übereinstimmen, sind in (6) hervorgehoben. Der realisierte Kopf der ersten Skripteinheit stimmt nun in mehrfacher Hinsicht mit dem Textanfang des Aufsatzes überein, so daß wir den Schluß ziehen können, daß das Primärtextsegment In diesem Beitrag wollen wir uns mit beschäfiigen in der Zusammenfassung zu einem Segment Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit umgewandelt wurde. Wie ist diese Umformung zustande gekommen? Welche Aktivitäten könnten dazu erforderlich gewesen sein? Aus der teilweise wörtlichen Übereinstimmung können wir schließen, daß der Autor diesen Anfang vor der Niederschrift seines eigenen Textanfangs noch einmal gelesen und fokussiert hat, was übrigens auch durch die im Kapitel 3.2 erwähnte Interviewäußerung bestätigt wird. Wir können also den beiden ersten Aktivitäten eine dritte Aktivität FOKUSSIEREN des Primärtextanfangs hinzufügen. Ein weiterer Schritt ist dann die Entscheidung, den Aufsatzanfang in irgendeiner Form für den Anfang der Zusammenfassung zu übernehmen, eine Entscheidung, die vermutlich nicht ohne einen (inneren) Blick auf den konzipierten Zieltext, genauer auf die anvisierte Skripteinheit THEMATIK, zustande gekommen sein wird. Denn nicht jede Primärtextpassage wäre für die Füllung dieser
77 Skripteinheit geeignet. Ich will annehmen, daß der Entscheidung für die Verwendbarkeit der Passage eine Operation vorangegangen ist, mit deren Hilfe Eigenschaften der Skripteinheit mit Eigenschaften der fokussierten Primärtextpassage zuerst VERGLICHEN und aufgrund des Ergebnisses dieser Vergleichsoperation dann als 'geeignet' oder als 'ungeeignet' befunden werden. Zwar äußert sich unser Autor hierzu im Interview nicht, aber entsprechende Äußerungen anderer Versuchspersonen deuten darauf hin, daß alle Schreiber in dieser Weise verfahren. So äußert sich z.B. Z 3 wie folgt: Da denke ich nochmal über den ersten Satz nach ... was ich da inhaltlich reinpacke, weil ich kurz auf die Einleitung geschaut habe und mir ein paar Sätze durchgelesen hatte: Was gehört da inhaltlich rein; was ist das Ziel von dem Aufsatz? Ein Kriterium, das im vorliegenden Beispiel zu der Einschätzung 'geeignet' geführt hat, könnte die Verwandtschaft zwischen der jeweils ersten Skripteinheit von Zieltext und Primärtext sein: In beiden Fällen fordert das Skript eine Einführung in die Thematik und - ebenso wichtig - deren vorausgehende Ankündigung und damit auch eine explizite Einführung dieser ersten Skripteinheit. Der einzige Unterschied ist, daß es sich beim Aufsatz um die Thematik der eigenen Untersuchungen und bei der Zusammenfassung um die Thematik des darzustellenden fremden Aufsatzes handelt. Mit anderen Worten: Die Übernahme dieser Passage würde nur geringfügige Änderungen erfordern. Wie der Vergleich zwischen beiden Texten zeigt, wurde das Segment äußerlich gesehen nur geringfügig geändert, indem eine persönliche Konstruktion {wollen wir uns mit beschäftigen ) in eine unpersönliche Konstruktion {Der ) umgewandelt wurde. Von der Sache her ist Beitrag beschäftigt sich mit diese Änderung allerdings gravierend, denn hinter der syntaktischen Umformung steckt unter anderem eine Änderung der Darstellungsperspektive. Das Textmuster 'Zusammenfassung' erlaubt es nicht, daß die Person des Autors in der Darstellung 'hervortritt'. Da die Änderung eine globale Eigenschaft des gesamten Textes betrifft, wäre es unzureichend, diese Aktivität nur als syntaktische Operation zu beschreiben; vielmehr ist sie Teil einer globalen, i.e. den ganzen Text betreffenden Aktivität bzw. einer Entscheidung, die ähnliche syntaktische Operationen immer dann nach sich ziehen wird, wenn ein Primärtextsegment ein Personalpronomen in der 1. Person enthält. Ich bezeichne diese Aktivität als PERSPEKTIVENWECHSEL. Der Perspektivenwechsel ist im vorliegenden Fall identisch mit einer Operation anderer Art, die ich KOPFUMWANDLUNG nenne. Diese Veränderung beinhaltet die Umwandlung des Kopfes in einer Aufsatz-Skripteinheit in den Kopf in der Skripteinheit einer Zusammenfassung. Wie leicht zu sehen ist, sind die beiden Operationen nicht immer identisch: Perspektivenwechsel kann z.B. auch in Rumpfelementen vorkommen, und nicht jede Kopfumwandlung impliziert zwangsläufig einen Perspektiven Wechsel. Als weiteres Zwischenergebnis können wir also festhalten, daß in unserer Beispiel-Zusammenfassung zur Füllung des Kopfes der ersten Skripteinheit ungefähr die folgenden Aktivitäten erforderlich gewesen sein könnten: AUFSUCHEN und/oder FOKUSSIEREN eines geeigneten Primärtextsegments, VERGLEICH dieses Segments mit der (mental repräsentierten) Skripteinheit THEMATIK, Entscheidung für die Übernahme, Umformung im Rahmen eines globalen Perspek-
78 tivenwechsels mit einer daraus folgenden
LEXIKALISCH-SYNTAKTISCHEN
UMFOR-
MUNG.
Mit der Wahl der ersten Skripteinheit und der Realisierung eines entsprechenden Kopfs hat sich der Autor auf eine entsprechende Füllung festgelegt. Geeignet sind dazu nur solche Informationen, die den gesamten Aufsatz global kennzeichnen, also dessen Thematik, die Fragestellung oder die Zielsetzung betreffen. Um eine Information dieser Art zu finden, stehen prinzipiell zwei Möglichkeiten zur Verfügung: der Autor kann sie aus seinem Langzeitgedächtnis abrufen, oder er kann den Aufsatz auf entsprechende Stellen absuchen. Wie die z.T. wieder wörtlichen Übereinstimmungen mit Formulierungen des ersten Primärtextabschnitts und eine entsprechende Interviewäußerung zeigen, hat sich der Autor für letzteres entschieden. Bei der Suche nach Primärtextsegmenten, aus denen eine solche Kurzbeschreibung gewonnen werden kann, ist er dann, so können wir vermuten, wieder auf das erste Kapitel gestoßen. Denn genau dort liegt bereits eine Einführung in die Thematik vor. Der Entscheidung, einen oder mehrere Gedanken aus diesem Absatz in irgendeiner Form zu übernehmen, dürfte ähnlich wie bei dem Kopf ein Vergleich zwischen den vorliegenden Aufsatzsegmenten und der Skripteinheit vorausgegangen sein. Wie können wir uns einen solchen Vergleich vorstellen? Dazu müssen wir uns klarmachen, daß die zu vergleichenden Einheiten jetzt einen ungleichen Status haben: Die Primärtextelemente liegen in verbalisierter Form vor, während von dem auszufüllenden Skriptplatz nur erst eine Vorstellung (z.B. eine einführende Kurzbeschreibung der Thematik des zusammenzufassenden Textes) existiert. Zweck des Vergleichs zwischen dem vorgefundenen Primärtextabsatz und der Ziel Vorstellung, i.e. der Skripteinheit, wäre demnach, herauszufinden ob die Einführung in die Thematik, so wie sie im Einleitungsabschnitt des Aufsatzes steht, übernommen werden kann. Offensichtlich war dies nur mit Einschränkungen der Fall. Denn für eine Übernahme in die erste Skripteinheit sind die Äußerungen erstens zu umfangreich, zweitens zu komplex und drittens auch zu detailliert. Sie passen zwar in die erste Skripteinheit eines linguistischen Aufsatzes, aber nicht in eine Zusammenfassung. Etwa dies, so können wir folgern, könnte das Resultat des Vergleichs gewesen sein. Und ein zweites Resultat könnte die Erkenntnis gewesen sein, daß zur Übernahme dieses Abschnitts (oder einzelner Teile daraus) eine VEREINFACHENDE K Ü R Z U N G nötig ist. Ein nächster Schritt in unserer Rekonstruktion besteht also darin herauszufinden, mit Hilfe welcher Operationen eine solche vereinfachende Kürzung erreicht wurde. Ähnlich wie bei der Kopfumwandlung müssen wir auch hier zwischen oberflächlichen Operationen (Weglassen unwichtiger Details wie der Literaturangabe, des Komplexes das kommunikative Handeln der Therapeuten, der Explikation von 'Abschwächung') und übergreifenden Prinzipien, die bei der Reduktion der ganzen Passage auf das Phänomen Abschwächung/Verschärjung (einschließlich der damit verbundenen syntaktischen Umformungen) wirksam gewesen sind, unterscheiden. Zu letzteren gehört wieder der PERSPEKTIVENWECHSEL mit der Tilgung des Segments wie wir sagen und außerdem ein nicht
79 leicht faßbares und m.W. kaum erforschtes Prinzip, das ich VERSACHLICHUNG nennen will. Da das Versachlichungsprinzip in zahlreichen Formulierungen aller Autoren von Zusammenfassungen durchschlägt, gehe ich darauf etwas ausführlicher ein. Segmente wie in auffälliger Weise oder der vorsichtigen, weichen oder, wie wir sagen, abgeschwächten Gestaltung ihrer Äußerungen werden in dieser Form von keiner Versuchsperson übernommen, sondern entweder ganz weggelassen oder durch andere Ausdrücke ersetzt. Z 5 ersetzt den zweiten Ausdruck z.B. durch die spezifische Gestaltung von Therapeutenäußerungen, wie sie sich in einer zurückhaltenden Formulierung von Gesprächsbeiträgen zeigt. Zweck dieser Umoder Neuformulierung ist sicher nicht eine Kürzung, denn der Ausdruck ist länger als die Entsprechung im Original, sondern eher das Bestreben, ein sich in der Aneinanderreihung von drei charakterisierenden Adjektiven ausdrückendes Argumentationsrelikt zu tilgen, ein Bestreben, das in eine ähnliche Richtung weist wie der Perspektivenwechsel. Oder anders gesagt: In der Primärtextphrase werden Phänomen und Begriff "Abschwächung" eingeführt und dem Leser durch die Verwendung von z.T. metaphorischen Ausdrücken plausibel gemacht, während in den Zieltexten dieses Phänomen als ein bereits existierendes einfach genannt wird. Definitionen in eigener Sache gehören offensichtlich nicht in eine Zusammenfassung und müssen daher 'versachlicht' werden. Eine ähnliche Wirkung wird vermutlich auch durch die syntaktische Vereinfachung der Nebensatzkonstruktion mit einem Phänomen beschäftigen, welches ... erreicht, die von keinem unserer Autoren übernommen worden ist. Vergleicht man jetzt diejenigen Aktivitäten, die für die Erzeugung des Segments mit dem Phänomen Abschwächung/Verschärfung in der klientenzentrierten Gesprächstherapie erforderlich sind, mit denen, die für die Erzeugung des vorausgehenden Segments erforderlich waren, dann wird deutlich, daß in beiden Fällen offenbar gleiche oder ähnliche Aktivitäten im Spiel gewesen sind. Zugleich wird auch deutlich, daß diese zum Teil zyklisch geordnet sind: Auf die Auswahl oder erneute Fokussierung einer (mental repräsentierten) Skripteinheit folgt wieder eine Orientierung auf den Primärtext: Ein Primärtextsegment wird zunächst ausgewählt, zweitens mit den Erfordernissen der Skripteinheit verglichen und drittens umgeformt. Damit haben wir bis jetzt fünf Umformungsprinzipien kennengelernt: VERKÜRZUNG, VEREINFACHUNG, PERSPEKTIVENWECHSEL, KOPFUMWANDLUNG und VERSACHLICHUNG. 1 0 Unterschiede ergeben sich also hauptsächlich in Hinblick auf die jeweils angewendeten Umformungsprinzipien und deren eventuelle Kombination. Vor dem Relativsatz (das auf seine interaktive Relevanz hin untersucht wird), mit dem der Autor die Füllung der ersten Skripteinheit fortsetzt, findet sich die erste längere Pause. Längere Pausen deuten häufig - nicht immer allerdings auf eine globale Planungsphase hin. Im Interview sagt der Probarid, er habe hier überlegt, was die spezielle Fragestellung sei und fährt dann wörtlich fort: Da mußte ich ganz neu ansetzen. Ich mußte mir den nächsten Punkt raussuchen, den ich reinbringen wollte. Die Formulierung spezielle Fragestellung deutet auf Die Verkürzung und die Vereinfachung sind in dem obigen Beispiel (vereinfachende Kürzung) vereinigt. Dies ist allerdings nicht immer der Fall.
80 einen Akt hin, mit dem - in unserer Terminologie gesprochen - erneut die Skripteinheit THEMATIK vergegenwärtigt wurde, dem dann als zweite Aktivität wieder eine Handlung LESEN UND FOKUSSIEREN EINER PRIMÄRTEXTPASSAGE und zwar des zweiten Absatzes folgt. Dieser Absatz lautet: (7)
14 15 16 17 18 19
Wir werden die Komponenten und Prozesse beschreiben, die dazu beitragen, daß von einer Äußerung der Eindruck entsteht, sie sei in einem bestimmten Grade abgeschwächt, und die interaktive Funktion dieser Äußerungseigenschaften in der GT untersuchen. Unser Ziel besteht also letztlich in der Formulierung von Interaktionsund Interpretationsregeln. A 14-19
Der Vergleich mit den Skripterfordernissen wird ergeben haben, daß eine Kürzung notwendig war (Die ganze Zeit habe ich das Problem, daß die Formulierungen möglichst knapp sein müssen ... Deshalb versuche ich auch, möglichst viel Informationen auf möglichst wenig Papier zu bringen. Z 4). Die Operation, die der Autor zu diesem Zweck ausgeführt hat, unterscheidet sich von den bisherigen Operationen vor allem durch den größeren Umfang der Kürzung: Von den Primärtextzeilen 10-19 wurden nur 1 1/2 Zeilen übernommen. Hier wurde nicht nur vereinfacht, sondern mit den Zeilen 10-15 und 18-19 wurden auch inhaltlich wichtige und gerade auch für die Kurzbeschreibung wesentliche Informationen weggelassen: Von den vier im Aufsatz genannten Zielen (Entwicklung der Konzepte "Abschwächung" und "Verschärfung", Beschreibung der zur Abschwächung beitragenden Elemente, interaktive Funktion und Regeln) wird nur die interaktive Funktion übernommen. Die Operation, mit der dies erreicht wird, will ich GEDANKENTILGUNG nennen. Inhaltlich wichtige Gedanken des Primärtext werden im Zieltext nicht übernommen. Betrachten wir jetzt den zweiten Satz des Zieltexts. Der Niederschrift geht wieder eine längere Pause (fast eine Minute) voraus. Wie der Vergleich mit dem Primärtext zeigt, hat der Autor vermutlich den neunten Primärtextabsatz fokussiert, den ich im folgenden zitiere: (8)
67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Wenn wir in unserer Explikation von "Abschwächung" das Konstrukt "weniger abgeschwächte Äußerung" heranziehen, so ist dies nicht mit der Annahme gleichzusetzen,daß es sich dabei um eine wie auch immer definierbare "Normal-Form" des infragestehenden Äußerungstyps handelt. Der Begriff Normal-Form-Erwartungen der Interaktionspartner bezieht sich auf die Adäquatheit des Vollzugs von Interaktionstypen in bezug auf bestimmte Interaktionssituationen. Die Verwendung einer abgeschwächten Äußerung kann daher ebenso einer Normal-Form-Erwartung entsprechen wie die denkbare "weniger" oder "nicht-abgeschwächte" Variante dieser Äußerung. A 67-76
Aus einer Interviewäußerung zu der Pause geht hervor, daß der Verfasser während der Schreibpause auch überlegt, ob es notwendig ist, den vorangegangenen Komplex Abgrenzung gegen die Partikelforschung zu berücksichtigen, den er während der Lektüre angestrichen hat, und daß er sich schließlich dagegen entschieden hat. Auch vom Konzept her, fügt er hinzu, hätte ich Schwierigkeiten
81 gehabt, den Anschluß an den Satz vorher zu finden-, es sei einfacher gewesen, in der Explikation der Ziele der Autoren fortzufahren. Wir können dies dahingehend auslegen, daß der Autor offenbar überlegt hat, ob er hier eine neue Skripteinheit einführen soll, was er aus formalen Gründen (Schwierigkeiten, eine kohärente Fortsetzung zu finden) wieder verworfen hat. Er ist jetzt also nach wie vor mit der ersten Skripteinheit befaßt. Die Entsprechungen beschränken sich hier hauptsächlich auf die Nominalphrasen das Konstrukt "[weniger] abgeschwächte Äußerung" A 68, "weniger" oder "nicht abgeschwächte" Variante dieser Äußerung A 75f. "Normalform" A 70 und Normal-Form-Erwartung A 71. Wenn man annimmt, daß sich der Autor von diesen - gegenüber dem Primärtext in einem anderen Zusammenhang stehenden - Segmenten hat anregen lassen, dann müssen wir rückschließen, daß der Vergleich zwischen den Eigenschaften der ersten Skripteinheit und den Primärtextzeilen 67-76 unter anderem ergeben hat, daß diese Passage im Aufsatz keine Kurzbeschreibung ist, sondern daß es sich hier um eine Argumentation handelt, mit der eine dem potentiellen Leser unterstellte Annahme (Gleichsetzung der weniger abgeschwächten Äußerung mit einer Normalform) zurückgewiesen wird. Um daraus ein zu dem bereits formulierten Anfang der Zusammenfassung passendes Textsegment zu machen, wäre bloßes Kürzen unangebracht. Vielmehr muß der Autor NEUFORMULIEREN und zu der Gegenüberstellung Normal-Form und Normal-Form-Erwartung einen anderen Zusammenhang erfinden, der zu der Textart 'Zusammenfassung' paßt und entweder die schon begonnene Skripteinheit 'Kurzbeschreibung des Themas' fortsetzt, oder eine neue Skripteinheit etabliert. Wie wir gesehen haben, hat sich der Autor für ersteres entschieden und das Gegensatzpaar zu einer weiteren Bestimmung des Phänomens "Abschwächung" genutzt. Dementsprechend kann der Satz mit dabei anschließen. Auf die Tatsache, daß diese Aussage inhaltlich sinnlos oder falsch ist und vom Primärtext nicht abgedeckt ist, werde ich im Kapitel 6.1.5 eingehen. Die Operation zu bestimmen, die der Autor hier angewandt haben könnte, ist nicht ganz einfach. Ganz gewiß wäre es falsch oder zumindest nicht ausreichend, hier von einer Umformulierung zu sprechen. Denn umformuliert werden hier allenfalls syntaktische Einheiten. Was der Autor hier versucht und was ihm allerdings mißlingt, scheint eher so etwas wie die Verbalisierung eines durch einen praktischen Schluß gewonnenen Gedankens zu sein, der dann in einer Folgeoperation in die Skripteinheit THEMATIK eingepaßt wird. Vielleicht deutet darauf auch eine Äußerung im Interview hin: Zur Entstehung dieser Passage merkt der Autor an, daß er bei der gedanklichen Vorplanung zuerst das Segment das Konstrukt Abschwächung erzeugt habe, dies als inexakt verworfen und bei der Suche nach einem präziseren Ausdruck nochmal überlegt habe, worum es eigentlich geht: Und es gehe ja eben um eine Äußerung, die abgeschwächt wird und das habe er dann aus der Formulierung "weniger abgeschwächte Variante der Äußerung ..." herausgezogen und zusammengefaßt (Z 4). Wichtig ist hier die Formulierung herausgezogen und zusammengefaßt. Wenn meine Analyse richtig ist, dürfte hier ein Sonderfall einer Operationsfolge vorliegen, die ich LOSLÖSUNG UND TRANSFER EINES GEDANKENS (abgekürzt GEDANKENTRANSFER)
82 nennen will. Hier wird ein Primärtextgedanke aus seinem ursprünglichen Zusammenhang losgelöst und in einen anderen Zusammenhang transferiert. Das vorliegende Beispiel ist deswegen interessant, weil es dem Autor hier offenbar gelingt, einen inhaltlich inadäquaten Gedanken so auszudrücken, daß er in einen von der Skripteinheit vorgegebenen Zusammenhang paßt. Zwischen dem jetzt abgeschlossenen ersten Absatz und dem nächsten Absatz liegt wieder eine Schreibpause. Mit 1 min., 4 sec. ist es die bisher längste Pause. Wie aus dem Interview hervorgeht, hat der Autor sie dazu benutzt, Überlegungen zu einer geeigneten Fortsetzung anzustellen. Er sei sich bewußt gewesen, daß er jetzt die ersten beiden Punkte abgehandelt habe. Er habe dann das dritte Primärtextkapitel nochmal ganz durchgelesen und überlegt, ob er das brauche, um den Artikel angemessen darstellen zu können oder ob er vielleicht darauf verzichten könne. Wie der Zieltext zeigt, hat er sich zu letzterem entschlossen. Aus den Äußerungen läßt sich erschließen, daß der Autor nacheinander mehrere Aktivitäten ausgeführt hat: Er hat sich zunächst vergegenwärtigt, daß er jetzt die ersten beiden Punkte abgehandelt hat und daß jetzt etwas Neues folgen muß. Um dieses zu finden, war eine erneute Orientierung auf den Primärtext erforderlich, nämlich die nochmalige Lektüre des dritten Kapitels, danach die Entscheidung, dieses wegzulassen und sich auf das 4. Kapitel zu konzentrieren. In unsere Terminologie übersetzt heißt dies: Der Autor ist mit der Planung einer nächsten Skripteinheit befaßt und hat dabei versuchsweise zuerst eine Skripteinheit DRITTES KAPITEL geplant, dazu eine Primärtextpassage fokussiert, diese mit den Erfordernissen der potentiellen Skripteinheit DRITTES KAPITEL verglichen, dabei das Resultat 'ungeeignet' erzielt und sich anschliessend für eine Skripteinheit VIERTES KAPITEL umentschieden; diesmal endete die Vergleichsoperation mit dem Resultat 'geeignet'. All dies sind mentale und/oder rezeptive Aktivitäten, die der Makroplanung im engeren Sinne, i.e. der Intention, bestimmte Primärtextgedanken in eigene, zieltextadäquate Gedanken umzuwandeln, vorausgehen. Die zweite Skripteinheit ist also vorerst noch leer. Um sie zu füllen, sind jetzt textproduktive Aktivitäten erforderlich, und zwar als erstes die Füllung des Kopfes. Betrachtet man das Resultat (Der Artikel benennt die sprachlichen Möglichkeiten zur Abschwächung), dann wird deutlich, daß es zu dem ersten Teil (Der Artikel benennt) im Aufsatz keinerlei Äquivalent gibt, das sich der Autor bei der Suche nach einer geeigneten Kopffüllung hätte zunutze machen können, sondern daß der Autor den ersten Kopfteil 'hinzugefügt' hat. Ich nenne diese Operation HINZUFÜGUNG EINES KOPFELEMENTS (abgekürzt KOPFHINZUFÜGUNG). Es handelt sich hier um eine Floskel, die weder als Gedanke noch als Formulierung aus dem Primärtext stammt, sondern eine Eigenschöpfung des Zieltext-Verfassers zu sein scheint. Wenn wir uns allerdings die Analysen des Kapitels 4.2 in die Erinnerung zurückrufen, dann wird schnell deutlich, daß es sich hier weniger um eine Neuschöpfung, als um einen Rückgriff auf das Textmusterwissen handelt, in dem Ausdrücke vom Typ der Artikel benennt enthalten sind. Oder anders gesagt: Für die Produktion dieses Ausdrucks ist weder die Fokussierung einer Primärtextpassage noch eine Vergleichsoperation erforder-
83 lieh, sondern wir müssen annehmen, daß der Ausdruck so, wie er ist, oder leicht variiert direkt aus dem Lexikon bezogen wird. 11 Bei der Füllung des zweiten Kopfteils sind die Wahlmöglichkeiten wieder stark eingeschränkt. Ähnlich wie bei der ersten Skripteinheit erfordert das Skript hier eine Kurzbeschreibung des Inhalts des vierten Primärtextkapitels. Für eine Übernahme (oder Umformung) sind nur solche Primärtextsegmente geeignet, in denen - in welcher Form auch immer - angekündigt wird, worum es in diesem Kapitel gehen wird, also z.B. die Überschrift und die im Text verbalisierten Ankündigungen (die folgenden Realisierungsmerkmale ..., es handelt sich um folgende ... Elemente). Die mittlerweile bekannten Operationen erneutes FOKUSSIEREN des Primärtextabschnitts und VERGLEICH mit den Erfordernissen der Skripteinheit 4. Kapitel düften wieder zu der Erkenntnis geführt haben, kürzen zu müssen. Die Kürzung erreicht der Autor in diesem Fall, indem er aus drei Ankündigungen des Primärtextes eine macht, eine Operation, die ich VERDICHTUNG nennen will. Damit ist eine Operation gemeint, bei der gleichartige Primärtexteinheiten wie hier die drei Ankündigungen im Zieltext zu einer einzigen Einheit "verdichtet" werden. 12 So viel zu den Aktivitäten im Zusammenhang mit der Füllung des Kopfplatzes. Anders als beim ersten Rumpfplatz ist bei allen jetzt folgenden Rumpfplätzen nur noch ein erneutes Fokussieren derselben oder der nächstfolgenden Primärtextpassagen erforderlich und danach wieder ein Vergleich mit der gleichen schon vorher gewählten Skripteinheit, dessen nächster "Platz" für die inhaltlichen Ausführungen vorgesehen ist. Im Primärtext sind dies die Zeilen 115-139. Deren Kürzung erreicht der Autor, indem er erstens die Spiegelstricheinheiten in einen Klammerausdruck umwandelt (REDUKTION DER ZEILENMENGE), indem er zweitens die Anzahl der Einheiten reduziert (PUNKTTILGUNG) und indem er drittens die Ausführungen zu offenen Problemen usw. unberücksichtigt läßt (TILGUNG VON NEBENSÄCHLICHEM). Eine weitere Änderung, im Vergleich zur Vorlage eine NEUFORMULIERUNG (sprachliche Möglichkeiten für Realisierungsmerkmale), zu der er sich ausführlich im Interview äußert und bei der der Zusammenhang unangetastet bleibt, hat nicht eine Kürzung, sondern bessere Verständlichkeit zum Ziel. Der letzte Rumpfplatz der zweiten Skripteinheit ist die Infinitivkonstruktion ohne ... zu wollen. Anders als alle bisherigen Segmente gibt es hierzu keine Entsprechung im Primärtext, es handelt sich also um einen erläuternden Zusatz, der zwar nicht den Inhalt des Primärtextkapitels wiedergibt, der das Kapitel aber zutreffend charakterisiert. Wir können also annehmen, daß auch die mittlerweile schon bekannte Aktivitätsfolge FOKUSSIEREN der Skripteinheit, FOKUSSIEREN einer Primärtextpassage, VERGLEICH mit den Erfordernissen der Skripteinheit ausgeführt wurde, deren Schlußakt hier allerdings nicht die Umformung eines Primärtextgedankens ist, sondern eine textkommentierende NEUFORMULIERUNG.
12
Siehe hierzu Pawley/Syder (1983), die Wendungen dieser Art als lexikalisierte Satz-Stimme bezeichnen. Anders als bei der ersten Skripteinheit ist hier in dem Kopf auch die Nominalphrase enthalten; anderenfalls würde die Ankündigung leer bleiben.
84 Zu erwähnen sind schließlich im Zusammenhang mit der zweiten Skripteinheit noch zwei weitere Operationen, und zwar 1) eine Operation, die den ganzen zweiten Abschnitt der Zusammenfassung betrifft, nämlich die Umwandlung eines Primärtextkapitels in einen Zieliexlabschnitt. Hier handelt es sich um ein global wirksames Prinzip, das mit der gesamten Gliederung der Zusammenfassung zusammenhängt. Ich komme weiter unten darauf zurück. Mit der Umwandlung des Primärtextkapitels in einen Zieltextabschnitt hängt 2) eine Aktivität zusammen, die ich das PRINZIP DER KLEINEN ABSÄTZE nennen will. Damit ist ein ebenfalls global wirksames Prinzip gemeint, das dafür sorgt, daß die gesamte Zusammenfassung - oder zumindest größere Teile derselben - aus vergleichsweise kurzen Absätzen zusammengesetzt ist. Ich schließe damit die Handlungsanalyse des Beispiels ab. Ein großer Teil der in unserem Korpus vorkommenden Aktivitätstypen ist damit erfaßt. Auf die folgenden weiteren Typen gehe ich jetzt noch ein. Wie wir gesehen haben, gehen die meisten Gedanken in der Zusammenfassung auf Gedanken zurück, die bereits im Aufsatz in ähnlicher Weise verbalisiert sind, die also nur umgeformt, verkürzt oder verdichtet werden mußten. Eine Ausnahme war die Aktivität, die ich LOSLÖSUNG UND TRANSFER EINES GEDANKENS genannt habe. Bevor ich auf eine andersgeartete Ausnahme eingehe, führe ich vorher noch ein weiteres Beispiel für den GEDANKENTRANSFER ein: (9)
Im Gegensatz zur im engeren Sinne strukturlinguistischen Untersuchung und Beschreibung der Funktion von Abtönungs- und Gradpartikeln, wird im vorliegenden Aufsatz die eher pragmatische Kategorie "Abschwächung" thematisiert. Z 8
Der Verfasser verarbeitet hier zwei im Primärtext voneinander getrennte Informationseinheiten, nämlich den ersten und dritten Absatz der Einleitung. Dieser Entscheidung muß die Wahl einer Skriptvariante vorausgegangen sein, die sich von den Skripts der anderen Zusammenfassungen dadurch unterscheidet, daß hier in der ersten Einheit die Thematik nicht nur eingeführt wird, sondern zugleich auch gegen die vorgängige Forschung abgegrenzt wird, was im Primärtext und in den übrigen Zusammenfassungen, soweit sie diesen Punkt überhaupt behandeln, in einer selbständigen Skripteinheit geschieht. Im Endeffekt bedeutet dies eine Vereinigung von zwei Primärtext-Skripteinheiten zu einer einzigen Zieltext-Skripteinheit (VERSCHMELZUNG von Skripteinheiten). Damit ist zugleich die Aktivitätenfolge LOSLÖSUNG UND TRANSFER EINES GEDANKENS verbunden. Denn der Gedanke des Gegensatzes zwischen kommunikativen Funktionen und "sprachsystematischem" Interesse der Partikelforschung findet sich im Primärtext in einem argumentativen Zusammenhang, aus dem er herausgelöst und zu einer bloßen Information umgeformt wird. Wie leicht zu sehen ist, wird dadurch - in anderer Weise als bei der Kapitel - oder Abschnittstilgung eine Kürzung erreicht, hier mit dem Vorteil, daß das getilgte Segment nicht einfach wegfällt, sondern ein Gedanke daraus erhalten bleibt. In eine ähnliche Richtung weist ein Aktivitätstyp, bei dem eine Gedankenfolge zu einem einzigen Gedanken oder zu einer im Umfang kleineren Gedankenfolge verallgemeinernd zusammengefaßt wird. Das folgende Beispiel stammt ebenfalls von Z 8:
85 (10)
Die gesprächs- und inhaltslenkende Funktion der "Abschwächung" im Rahmen von Gesprächstherapien ist auf Therapeutenseite zu umschreiben als klientenbezogene Eröffnung von Sprechhandlungsmöglichkeiten mit möglichst geringer Vorstrukturierung der Inhalte (sog. Fokussierung). Z 8
Hier werden mit einem einzigen (komplexen) Gedanken die wichtigsten Informationen des drei Druckseiten umfassenden sechsten Kapitels des Aufsatzes zusammenfassend wiedergegeben. Erreicht wird dies vor allem durch die Nominalphrase Eröffnung von Sprechhandlungsmöglichkeiten mit möglichst geringer Vorstrukturierung der Inhalte, unter die die meisten Aussagen des Kapitels subsumiert werden können. Veränderungen dieser Art, die in etwa Kintsch/van Dijks Generalisierung entsprechen, nenne ich ZUSAMMENFASSUNG DURCH ABSTRAKTION. Ihre Leistung besteht darin, daß aus mehreren oder vielen Aussagen ein gemeinsamer Inhalt oder Aspekt herausgelöst und nach der Art eines Oberbegriffs in eigenen Worten wiedergegeben wird. 13 Eine Aktivität anderer Art läßt sich aus den beiden folgenden Beispielen rekonstruieren: (11)
Im folgenden werden Merkmale einer "Abschwächung" aufgelistet. Z 3
(12)
Den Abschluß bildet eine Illustration der Abschwächung an Hand von zwei Beispielen aus der GT. Z 4
Hier bleiben die Merkmale der Abschwächung und die Beispiele sowie deren Analyse ungenannt. Erreicht wird dadurch eine radikale Reduktion des betreffenden Kapitels. Reduktionen dieser Art ergeben sich, wenn Überschriften oder Ankündigungen nach der Art eines Etiketts ohne den dazugehörigen Ausführungsteil übernommen werden. Die Ergebnisse sind, wenn man so will, leere Beschreibungen. Operationen dieser Art nenne ich ETIKETTIERUNGEN.
4.4 Überlegungen zu einem Textproduktionsmodell Im Kapitel 4.3 habe ich an einem Textbeispiel, dem Anfang der Zusammenfassung von Z 4, die Aktivitäten rekonstruiert, die der Autor ausgeführt haben könnte, um aus dem Primärtext einen Zieltext herzustellen. Wenn man jetzt die Der Schreiber von Beispiel (10) gehört als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu denjenigen Schreibern, deren Verfahrensweise Wrobel als schemageleitet kennzeichnet. Speziell zu dieser Versuchsperson stellt Wrobel fest, daß sie im Gegensatz zu den datengeleitet prozedierenden Studenten in der Lage ist, die Primärtextinformationen zu eigenem Wissen zu integrieren und auf dieser Basis Makropropositionen zu konstruieren, "[...], die eine abstrakte Repräsentation und Reorganisation des Primärtextes erlauben". Konkret zeige sich dies z.B. darin, daß Propositionen des Primärtextes nicht nur generalisiert werden, sondern daß auch der "Zusammenhang neu strukturiert" wird. Beides seien "konstruktive Rezeptions- und Produktionsleistungen, die die wesentlichen Elemente der konstruktiven Zusammenfassungsstrategie von VP 8 bilden" (Wrobel, im Druck).
86 einzelnen Aktivitäten miteinander vergleicht, dann fallt sofort auf, daß sie offensichtlich auf ganz unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sind. Grob gesehen können wir vier Arten von Aktivitäten unterscheiden: a) überwiegend mentale Handlungen, mit denen aus einer gewissen Distanz zum Primärtext der Zieltext vorgeplant wird, b) auf den Primärtext gerichtete Such- und Fokussierungshandlungen, c) Vergleichsoperationen, mit denen Teile des projektierten Zieltextes (z.B. Skripteinheiten oder Plätze) mit Primärtextpassagen verglichen werden, d) Veränderungshandlungen, mit denen aus Primärtextsegmenten Zieltextsegmente gewonnen werden, z.B. die verschiedenen Formen von Tilgungen, Hinzufügungen, Verallgemeinerungen und Neuformulierungen. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, wie sich die Handlungen vom Typ a) bis d) zueinander verhalten, zum Beispiel wie sie geordnet sind, welche von ihnen mehrfach ausgeführt werden, ob sich Phasen oder Zyklen ergeben, welche Formen der Orientierung in den einzelnen Phasen oder Zyklen vorherrschen und nach welchen Prinzipien oder Regeln all diese Aktivitäten ausgeführt werden. Ich werde daher in den folgenden Kapiteln 4.4.1 bis 4.4.4 die Rekonstruktion fortsetzen und versuchen, die aus dem Textvergleich erschlossenen Aktivitäten und Prinzipien in einer Modellskizze darzustellen, in der einige, wie ich hoffe, relevante und prozessuale Aspekte der Makroplanung abgebildet werden sollen. Als notwendige Vorarbeit dazu will ich als erstes die im Verlauf meiner Untersuchungen mehrfach gestellte, aber immer noch nicht beantwortete Frage nach der Funktion der Markierungen aufgreifen und mich dabei insbesondere mit dem Problem eines eventuellen Zusammenhangs zwischen Markierungsaktivitäten und der Erzeugung von Makrostrukturen befassen. Ich erhoffe mir hiervon auch eine Antwort auf das - generellere - Problem der mentalen Aktivitäten vor Schreibbeginn (Kap. 4.4.1). Danach will ich als zweites versuchen, die herausgearbeiteten Aktivitäten in eine Reihenfolge zu bringen, aus der deutlich wird, wie die unterschiedlichen Aktivitäten aufeinander aufbauen, wie bestimmte Typen von Aktivitäten einander voraussetzen oder sich zu definierbaren Phasen oder Subphasen zusammenfassen lassen. Ziel dieses Unterkapitels ist also ein Ablaufschema, aus dem erkennbar ist, welche Arten der Planung mit der Produktion welcher Textsegmente verbunden sind (Kap. 4.4.2). Im darauf folgenden Unterkapitel greife ich ein Problem wieder auf, das bisher eher unsystematisch im Zusammenhang mit den Interviews zur Sprache gekommen ist, die Frage nämlich, wie in den einzelnen Phasen der Textproduktion der geplante, aber noch nicht produzierte Text und seine Teile im Bewußtsein der Schreiber repräsentiert sind. Insgesamt sind diese (allerdings nicht sehr ins Detail gehenden) Ausführungen als Alternative zu van Dijk/Kintschs Makropropositionen gedacht (Kap. 4.4.3). Im letzten Unterkapitel wird es dann - relativ ausführlich - um diejenigen Aktivitäten gehen, die ich oben unter dem Oberbe-
87 griff Veränderungshandlungen zusammengefaßt habe. In diesem Teil knüpfe ich an van Dijk/Kintschs Konzept der Makrooperatoren an (Kap. 4.4.4).
4.4.1
Der Zusammenhang zwischen Vorarbeiten und der Erzeugung von Makrostrukturen. Die K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G
Wie aus mehreren Interviewäußerungen hervorgeht, lassen sich die Autoren bei der Suche nach Kandidaten für die Ausfüllung der Kopf- und Rumpfplätze unter anderem von ihren Markierungen und Randnotizen leiten. Besonders deutlich geht dies aus den Ausführungen von Z 3 und von Z 6 hervor: Z 3 äußert sich zu seinem Anfang wie folgt. Er habe zuerst die Phrase Ziel ist es geschrieben und dann überlegt, was er da inhaltlich reinpacke. Dazu habe er kurz auf die Einleitung geschaut, ein paar Sätze durchgelesen und überlegt: Was gehört da inhaltlich rein; was ist das Ziel von dem Aufsatz. Ziel hat er im Primärtext eingekreist und außerdem an den Rand geschrieben. Für die Fortsetzung, für die Ausfüllung des ersten Rumpfplatzes also, habe er dann nochmal auf die erste Seite geschaut und sich angesehen, was er angestrichen habe, um zu sehen, was das Ziel ist von dem Aufsatz, und - nach einigen gedanklichen Abirrungen - sei er dann auf das Segment Interaktions- und Interpretationsregeln gestoßen. Ebenso wie Ziel hat er auch dieses Segment eingekreist, es jedoch - im Unterschied zu Ziel - nicht als Randnotiz herausgeschrieben. Ganz ähnlich äußert sich zu der gleichen Stelle auch Z 6, der seinen Text ähnlich angefangen hat und im Primärtext Ziel doppelt und Formulierung von Interaktions- und Interpretationsregeln einfach unterstrichen hat: Beim Suchen nach einem geeigneten Anfang habe er das von ihm doppelt unterstrichene Ziel gefunden und dementsprechend den Anfang Aufgabe und Ziel hingeschrieben. Die Fortsetzung habe er erst später formuliert, wobei ihm aufgefallen sei, daß er im Primärtext vor Formulierung einen Doppelpunkt hinzugefügt habe und daß er Interaktion nochmal eingekringelt habe. Hier wird erstens das zyklische Vorgehen deutlich: Beide Autoren haben ihren Satz nicht als zusammenhängendes Segment hervorgebracht, sondern sie haben sich in einem ersten Durchgang am Primärtext orientiert und danach ihren Textanfang niedergeschrieben, um sich in einem zweiten Durchgang abermals dem Aufsatz zuzuwenden und dort nach einer geeigneten Fortsetzung zu suchen. Zweitens wird deutlich, daß sie beim selektiven Lesen ihre Markierungen usw. benutzen, und drittens, daß dabei auch die gegensätzlichen Markierungsformen eine Rolle spielen: Die Segmente, die für die Ausfüllung des Kopfplatzes benutzt werden, sind anders markiert als die zur Füllung des Rumpfsegments ausersehenen Segmente. Damit scheint sich nun endlich auch die Funktion der unterschiedlichen Markierungsformen aufzuklären: Wenn sich, wie oben gezeigt wurde, die meisten Autoren nicht mit einer einzigen Markierungsform begnügen, sondern mehrere Formen wählen, und wenn sich dabei in Hinblick auf die markierten Ausdrücke Oppositionen abzeichnen, dann wird jetzt deutlich, daß sich die Schreiber hier offenbar von ihrem Textmusterwissen leiten lassen: Obwohl sie im nachhinein,
88 i.e. bei den Interviews, zu diesem Problem nicht viel sagen konnten, scheinen sie offenbar schon beim (zweiten) Lesen des Primärtextes ein Gefühl für den Unterschied zwischen Kopf- und Rumpfplätzen entwickelt und dabei - intuitiv den ersteren PR-Ausdrücke und Ankündigungen und den letzteren FS-Ausdrücke zugeordnet zu haben. Den bei der Primärtextlektüre angefertigten Randnotizen und Markierungen scheinen also sehr wohl bestimmte, wenn auch schwer zu verbalisierende Intentionen zugrunde zu liegen und, wichtiger noch, die zunächst schwer faßbaren mentalen Aktivitäten, von denen sich die Versuchspersonen beim Markieren haben leiten lassen, stehen offenbar in einem Zusammenhang mit der späteren manifesten Textproduktion. Letzteres wird noch deutlicher, wenn wir uns am Beispiel (1) im Kapitel 3 die Struktur der Stichworte ansehen. Wie im Kapitel 3.1 ausgeführt wurde, ist Z 1 unter den hier vorrangig berücksichtigten Autoren die einzige, die in der Phase zwischen Lektüreschluß und Schreibbeginn so etwas wie einen längeren Entwurf angefertigt hat. Für unseren Zusammenhang ist nun die räumliche Organisation dieser Stichworte wichtig: Die textorganisierenden Ausdrücke oder die möglichen Kandidaten zur Ausfüllung von Kopfplätzen, wie wir jetzt sagen können, sind nach links herausgerückt und unterstrichen. Sie sind nicht Bestandteil des fortlaufenden Textes, sondern haben eher den Charakter von Überschriften. Darüber hinaus finden sich auch einige "echte", also nicht herausgerückte, sondern lediglich unterstrichene Überschriften. Insgesamt handelt es sich um die folgenden Ausdrücke: Ziel, Material, Def., Regeln, 2 Teilschritte / 2 Fragen, Def. Äußerung, Interpretation, Aktionen des Klienten nach erfolgter Abschwächung, Ergebnis, Interpretation, interaktive Funktionen von Abschwächung. Vergleicht man jetzt diesen Entwurf mit dem endgültigen Text, dann läßt sich leicht erkennen, daß die Autorin die 346 Worte umfassenden Stichworte zur Grundlage ihrer endgültigen Ausformulierung gemacht hat, worauf sie auch in ihrem Interview mehrfach hinweist und dabei betont, daß sie viele Formulierungen daraus einfach übernommen und abgeschrieben habe. Oft habe sie sie sogar schon im Kopf gehabt, so daß es nicht notwendig gewesen sei, in jedem Einzelfall den Entwurf heranzuziehen. Darüber hinaus habe sie natürlich auch immer wieder im Primärtext selbst nachgelesen. Hier ist unübersehbar, daß die Textproduktion mit diesen Stichworten bereits begonnen hat oder daß damit sogar wesentliche Teile der Textproduktion abgeschlossen sind. Was in der Reinschrift noch zu tun ist, ist im wesentlichen nur noch die Ausformulierung der Kopfplätze, i.e. die Einbindung der im Entwurf noch isolierten Nomina Ziel, Def. usw. in den fortlaufenden Text. Demgegenüber ist die Aktivität SELEKTIVES LESEN hier komplexer als bei den Versuchspersonen, die sich ausschließlich an dem (z.T. mit Markierungen versehenen) Primärtext orientieren: Bei unserer Versuchsperson scheint dies so auszusehen, daß sie sich j e nach Bedarf mal an ihrem Entwurf und mal am Primärtext orientiert, letzteres vermutlich immer dann, wenn der Entwurf nicht ausreicht. Genaueres wissen wir darüber nicht.
89 Ein möglicher Zusammenhang zwischen den Markierungsaktivitäten und der Textproduktion im engeren Sinne, also der Erzeugung von Äußerungen (genauer: der Erzeugung der semantischen, i.e. noch nicht verbalisierten Vorstufe) wird nun deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die meisten Randnotizen, die "Rand-Ausdrücke" der Stichworte und die markierten A-Ausdrücke usw. aus Verbalsubstantiven vom Typ Ziel, Material usw. bestehen und daß sie eine Leerstelle neben sich eröffnen. Ausdrücke dieser Art ergeben für sich allein gesehen noch keinen Sinn, sondern erst dann, wenn die Leerstellen ausgefüllt sind. Vorher, so können wir vielleicht sagen, haben sie eher den Charakter von Selbstinstruktionen, die den Autor veranlassen sollen, bei Bedarf die zugehörige Textstelle bzw. die entsprechende Stelle im Entwurf noch einmal zu lesen und die Leerstelle sodann auszufüllen. Die zur Ausfüllung des Kopfplatzes erforderliche Operation beinhaltet im einzelnen eine Kombination von zwei Segmenten, der Randnotiz bzw. eines entsprechend markierten A-Ausdrucks des Primärtextes und eines zu einem Rumpfausdruck umgeformten oder neu formulierten Primärtextsegments (bzw. eines Segments aus dem Entwurf). Am Beispiel (14) von Z 6 können wir uns dies verdeutlichen: Die markierte Primärtextstelle sieht wie folgt aus: (13)
...Unser Ziel besteht also letztlich in der: Formulierung vorflnteralctionsund Interpretationsregeln. A 17ff
Daraus wird im Zieltext (14)
aufgabe & ziel der beiden linguisten war es, die interaktionsregeln & interpretationsregeln bezüglich des phänomens "abschwächung von äußerungen" in der gesprächstherapie aufzustellen. Z 6
Das doppelt unterstrichene Ziel wird zu einem regulären Satzanfang umgeformt, und dazu wird der erste Teil der komplexen Leerstelle mit dem Segment war es ausgefüllt, ein Segment, das der Autor entweder erfunden oder aus dem Primärtextsegment besteht in umgeformt hat. Zur Vervollständigung des Kopfausdrucks ist also im Prinzip nichts anderes als die Vervollständigung des Verbalsubstantivs Ziel zu einem grammatisch wohlgeformten Satzrudiment erforderlich, ein Routineakt, der - im Gegensatz zur Ausfüllung der Rumpfplätze keine besonderen textproduktiven Anforderungen stellt. Die Ausfüllung der Rumpfplätze sieht etwas anders aus: Wie wir sehen, hat der Autor das im Primärtext einfach unterstrichene Segment Interpretations- und Interaktionsregeln übernommen und es so umgeformt, daß es in die Leerstelle des Satzrudiments ...war es... paßt. Mit anderen Worten: Er hat aus den beiden unterschiedlich markierten Primärtextsegmenten Ziel und Interpretationsregeln etc. einen syntaktisch zusammenhängenden Zieltextausdruck geformt, der den Kopfplatz und einen Rumpfplatz ausfüllt. Die Operation, mit der dies erreicht wird, will ich K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G nennen. Beispiele wie (14) oder die Stichworte von Z 1 deuten darauf hin, daß Kopfund Rumpfelemente eine unterschiedliche "Vorgeschichte" haben, daß sie
90 getrennt voneinander vorgeplant und möglicherweise auch getrennt erzeugt werden und erst in einer relativ späten Phase, nämlich im Zusammenhang von Formulierungen vereinigt werden. Sowohl die oben zitierten Interviewäußerungen von Z 3 und Z 6 wie auch die räumliche Anordnung der Stichworte von Z 1 und Z 12 legen eine solche Annahme nahe. Wie wir später sehen werden, spielt die K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G bei der Textproduktion eine besonders wichtige Rolle. Die Besonderheit liegt darin, daß hier ein der Textorganisation dienendes Element mit einem Inhaltssegment vereinigt wird und auf diese Weise aus bisher immer noch isolierten Text-Bausteinen ein Stück endgültiger, i.e. linearisierter Text entsteht. Ich vermute, daß diese Operation nicht nur auf die Fälle beschränkt ist, in denen der Autor auf entsprechende Markierungen im Primärtext zurückgreifen kann, sondern daß in Zusammenfassungen - und vielleicht in vielen anderen Sachtexten ebenfalls - Skripteinheiten in dieser Weise überhaupt konstituiert werden.
4.4.2
Reihenfolge uer Aktivitäten. Vorausplanung, globale Planung und lokale Planung
Wie sind die Aktivitäten geordnet? Grobe Umrisse einer Ordnung haben sich bereits bei der Rekonstruktion des Vorgehens der Versuchsperson Z 4 herausgestellt. Wenn wir die erste (und gegebenenfalls zweite) Primärtextlektüre einbeziehen, dann beginnt der gesamte Schreibprozeß offenbar mit einer Phase, die Wrobel (im Druck, Kap. 6.3.1.2) "Primäres Lesen" genannt hat, einer Phase, die unter anderem durch die zusammenhängende Lektüre des Primärtextes ausgefüllt ist. Zum Teil parallel dazu und zum Teil im Anschluß daran folgt dann eine (wiederum hochkomplexe) Subkomponente, deren Aktivitäten in ihrem Endeffekt auf eine Analyse des Gegenstands, wie ich es nennen will, hinauslaufen. Wir werden im letzten Hauptkapitel sehen, daß offenbar auch die Produktion von Wegbeschreibungen und narrativen Texten mit einer Gegenstandsanalyse beginnt. Unter dem Gegenstand verstehe ich den Wirklichkeitsausschnitt, der in dem zu produzierenden Text vorrangig dargestellt bzw. bearbeitet werden soll. Auf die Gegenstandsanalyse folgt dann - immer noch vor der Planung einzelner Äußerungen - die Bildung einer Gesamtvorstellung von dem zu schreibenden Text, in der unter anderem der voraussichtliche Umfang des Zieltextes, Vorgehensweise (z.B. kapitelweise vorgehen), vielleicht aber auch schon einige sprachliche Charakteristika und Eigenschaften des Aufbaus enthalten sind. Die Gesamtvorstellung können wir uns am besten als eine Form von Wissen vorstellen, die, sobald sie einmal produziert ist, während des gesamten Schreibprozesses verfügbar bleibt bzw. nach Bedarf jederzeit wieder aktualisiert werden kann. Ich will also annehmen, daß die drei Aktivitäten 'primäres Lesen', 'Analyse des Gegenstands' und 'Bildung einer Gesamtvorstellung' dem Schreibprozeß im engeren Sinne, der Generierung von Gedanken und Formulierungen also, vorausgehen, wobei allerdings anzumerken ist, daß weitere Analysephasen und
91 Revisionen der Gesamtvorstellung den Schreibprozeß unterbrechen können (s. dazu auch Wrobel, im Druck, Kap. 6.3.1.2). - Wir können dies in dem folgenden Teilschema (Abb. 8) veranschaulichen:
Abb. 8
Aktivitäten v o r S c h r e i b b e g i n n
Mit der jetzt folgenden Vorbereitung des ersten Satzes beginnt eine Produktionsphase, die sich in mehrfacher Hinsicht von den vorausgehenden Aktivitäten unterscheidet. Während in der Phase der Gegenstandsanalyse und der Bildung einer Gesamtvorstellung nur (oder in erster Linie) vorgeplant wird und der Schreiber hier von dem Kontinuum der einzelnen Äußerungen kaum eine präzise Vorstellung hat, wird ab Beginn des ersten Satzes der Text als lineare Folge von Äußerungen geplant. Die Planung bezieht sich jetzt nicht mehr (oder nicht mehr in erster Linie) auf den Text als Ganzes, sondern, wie oben gezeigt wurde, auf die gerade zu produzierende erste Skripteinheit und auf die innerhalb dieser Skripteinheit auszufüllenden einzelnen Plätze. Unter einem Platz verstehe ich eine im Stadium der Planung noch leere, später mit einem Gedanken auszufüllende Einheit innerhalb der Skripteinheit. In einer ersten Annäherung können wir die jetzt folgenden Aktivitäten in dem folgenden Teilschema (Abb. 9) wiedergeben:
92
Abb. 9
Aktivitäten beim Schreibbeginn
Bei der Ausfüllung des zweiten, dritten und aller weiteren Plätze sind dann die gleichen Aktivitäten wie in (Abb. 9) anzusetzen, mit dem einzigen Unterschied, daß hier die Teilaktivität [1] entfallt, weil der Schreiber immer noch mit der Ausfüllung der Plätze innerhalb der ersten Skripteinheit befaßt ist. Erst nach deren Ausfüllung folgt dann erneut eine Teilaktivität vom Typ [1], nämlich die Auswahl einer zweiten Skripteinheit und danach wiederum [2] bis [7] und zwar wiederum so viele Male, bis auch alle Plätze der zweiten Skripteinheit ausgefüllt sind usw. Um diesen rekursiven Prozeß in einem einzigen Schema (oder Teilschema) darzustellen, führe ich zunächst den Terminus Schritt ein. Ich verstehe darunter jede einfache Folge der Teilaktivitäten [2] bis [7], Zweitens will ich annehmen,
93 daß sich die der Textproduktion (im engeren Sinne) vorausgehenden vorbereitenden Aktivitäten in drei unterschiedliche Planungsaktivitäten, nämlich VORAUSPLANUNG, GLOBALE PLANUNG und LOKALE PLANUNG aufteilen lassen, deren unterschiedliche Funktionen aus dem folgenden Schema (Abb. 10) hervorgehen. Vorausplanung
Globale Planung
usw. A b b . 10
Aktivitäten v o r und w ä h r e n d der S c h r e i b p h a s e
Lokale Planung
94 Ich will also annehmen, daß der Schreibprozeß auf drei verschiedenen Planungsebenen mit unterschiedlicher zeitlicher Reichweite organisiert ist: Die größte Reichweite hat die Komponente 'Vorausplanung'. In dieser Komponente ist ein Prozeß wiedergegeben, der mit dem primären Lesen, i.e. mit dem ersten und gegebenfalls auch zweiten Lesen des gesamten Primärtextes beginnt, der außerdem die mit dem primären Lesen verbundene Gegenstandsanalyse (die Markierungen usw.) umfaßt und der - immer noch vor Schreibbeginn - mit der Bildung einer ersten Gesamtvorstellung vorläufig abgeschlossen wird, jedoch, wie unten zu zeigen sein wird, von Zeit zu Zeit noch fortgesetzt werden kann. Kurz vor Schreibbeginn wird dann, so will ich weiter annehmen, der Prozeß der Vorausplanung vorübergehend von einem mittelfristigen Prozeß abgelöst, den ich 'globale Planung' nenne. Während sich die Vorausplanung hauptsächlich auf den ganzen Text bezieht, bezieht sich die globale Planung jeweils auf eine einzige Skripteinheit, deren Umfang durch den Kopf festgelegt ist. Wenn z.B. der Schreiber Z 4 die erste Skripteinheit, also die einführende Darstellung der Thematik des Aufsatzes plant, konzentriert er sich bei seiner Planung, i.e. dem selektiven Lesen, den Vergleichsoperationen usw. auf diese eine Skripteinheit und kann (oder muß sogar) währenddessen die vorübergehend konstant bleibende Gesamtvorstellung außer acht lassen. Sobald alle Plätze dieser ersten Skripteinheit gefüllt sind, kehrt er bei der Auswahl einer nächsten Skripteinheit zur Vorausplanungskomponente zurück, indem er die Gesamtvorstellung reaktiviert oder sie, wenn notwendig, modifiziert und/oder erweitert, um sich danach wieder der (mittelfristigen) Planung der zweiten Skripteinheit zuzuwenden. Interviewäußerungen zu der 1 min., 44 sec. langen Schreibpause (s. Kap. 4.3) sind ein deutliches Indiz von diesem Orientierungswechsel. Analog zu dem Wechsel der Orientierung zwischen der Vorausplanungskomponente und der globalen Planungskomponente scheint es nun noch einen weiteren Orientierungswechsel zwischen der (mittelfristigen) globalen Planung und der kurzfristigen 'lokalen Planung' zu geben. Letztere bezieht sich auf den einzelnen Schritt. Wie in den Kapiteln 4.2-3 gezeigt wurde, sind alle Skripteinheiten der Zusammenfassung von Z 4 in kleinere Einheiten (einfache Sätze, Teilsätze usw.) aufgegliedert, wobei die Schritte ebenso wie die Skripteinheiten im allgemeinen durch Pausen voneinander abgetrennt sind. Wie Interviewäußerungen nahelegen, deuten auch diese - im Vergleich zu den Pausen zwischen Skripteinheiten durchschnittlich etwas kürzeren - Pausen auf einen Orientierungswechsel hin. 1 4 Analog zu Untersuchungen an anderen Textsorten, die unter Bedingungen lauten Denkens durchgeführt wurden, können wir annehmen, daß in diesen Satz- und Teilsatzpausen Gedanken und Formulierungen produziert werden und daß Formulierungen in vergleichsweise kurzen, oft einem einfachen Satz oder Teilsatz entsprechenden Segmenten hervorgebracht werden, daß die schriftliche Textproduktion in dieser Hinsicht also ähnlich organisiert ist wie die mündliche Textproduktion. 15 Wenn diese Analyse zutrifft, dann können wir uns den Schreibprozeß als einen ständigen Wechsel zwischen drei verschiedenen Orientierungen vorstellen: 14 15
Speziell zu den Pausenlängen s. Keseling 1987, 1992 und Wrobel, im Druck, Kap. 4. Vgl. dazu z.B. Chafe 1979, 1980a, b und Keseling 1992.
95 einer während des ganzen Schreibprozesses wirksamen Orientierung auf den ganzen (noch) zu schreibenden Text (Vorplanung), einer während der Produktion einer Skripteinheit wirksamen Orientierung auf die Thematik der momentan zu produzierenden Skripteinheit (globale Planung) und einer nur während der Ausfüllung eines Platzes wirksamen Orientierung auf den in diesen Platz einzupassenden Gedanken und dessen Formulierung (lokale Planung).
4.4.3
Zu den Repräsentationen der geplanten Texteinheiten
Wenn es zutrifft, daß Texte zuerst in Form einer Gesamtvorstellung, dann in Form von Skripteinheiten und auf der untersten Ebene in Form von Plätzen geplant werden, dann ist die Frage interessant, wie diese Planungseinheiten im Bewußtsein der Schreiber repräsentiert sein könnten. Im folgenden befasse ich mich zuerst mit der Gegenstandsanalyse, dann mit der Gesamtvorstellung und zum Schluß mit den Skripteinheiten. Mit der Repräsentation der einzelnen Gedanken befasse ich mich erst im Kapitel 5.3 im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der Genese von Formulierungen. Welche Rückschlüsse lassen unsere Daten auf die Repräsentation der Ergebnisse der Gegenstandsanalyse zu? Wir müssen hier zwischen der mentalen Repräsentation und ihrem visuellen Ausdruck unterscheiden. Zu dem letzteren gehören erstens die Randnotizen und die markierten Primärtextsegmente und zweitens die Stichworte usw., soweit diese nicht als intendierte Zieltextentwürfe anzusehen sind. Über die Frage, wie das Produkt der Gegenstandsanalyse mental repräsentiert ist, können wir nur spekulieren. Aber auf einer vergleichsweise hohen Abstraktionsebene dürfte die Annahme nicht falsch sein, daß die Repräsentationen unter anderem ausgezeichnete Teilgegenstände des Gesamtgegenstands enthalten. Darüber hinaus lassen die tendenziell opponierenden und inhaltlich einander zugeordneten Markierungsformen und die dementsprechende Struktur einiger Notizen und Stichworte auch den Schluß zu, daß mindestens bei einigen Versuchspersonen die mental repräsentierten Einheiten unter anderem auch potentielle Paare von Kopf- und Rumpfrnarkern des Zieltextes enthalten, wie ich die präverbalen Korrelate zu den Segmenten vom Typ Ziel und Spezifizierung des Zieles vorläufig nennen will. Wie wir gesehen haben, können die Elemente solcher Paare später zu endgültigen Zieltextteilen vereinigt werden. Dies alles rechtfertigt die Annahme, daß das Produkt der Gegenstandsanalyse unter anderem aus potentiellen Material teilen besteht, daß wir uns also - immer auf einer hohen Abstraktionsebene - die Gegenstandsanalyse als einen Prozeß der Umwandlung einer noch nicht produktorientierten Repräsentation des Primärtextes in eine produktorientierte Repräsentation mit teilweise geordneten und vorstrukturierten Materialteilen vorstellen können, deren Gesamtheit so etwas wie die Essenz des Primärtextes (the gist in der Terminologie von van Dijk/ Kintsch 1983) ausmacht. Selbstverständlich darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß die mentalen Teile solcher Repräsentationen vage sind. Wesentlich schwieriger ist es, auch nur halbwegs abgesicherte Aussagen zu den Ausgabe-Repräsentationen der Subkomponente Bildung einer Gesamtvor-
96 Stellung zu machen. Aus einigen Interviews können wir entnehmen, daß die Gesamtvorstellung Vorstellungen über den voraussichtlichen Umfang und bestimmte Textmustereigenschaften wie Sachlichkeit usw. enthält, daß sie darüber hinaus aber bei den einzelnen Versuchspersonen sehr verschiedenartige Elemente enthalten kann, wie z.B. Vorstellungen von einem Adressaten und über die Vorgehensweise (kapitelweise vorgehen, einzelne Kapitel unberücksichtigt lassen usw.). All diese Vorstellungen sind ebenso wie die Ergebnisse der Gegenstandsanalyse insofern vage, als es sich um Vorstellungen von noch nicht existierenden Texten handelt. Wichtig ist dabei, daß sich Gesamtvorstellungen im Verlauf der Textproduktion entwickeln, daß sie also in jeder neuen Schleife, i.e. jedem Wechsel auf eine höhere Ebene, zwangsläufig angereichert werden. Besonders wichtig ist dabei, daß die Gesamtvorstellungen mindestens am Anfang, also unmittelbar vor Schreibbeginn, offenbar noch keine Vorstellungen von Inhalten, z.B. von generalisierenden Aussagen enthalten, sondern daß diese erst später im Verlauf der Niederschriftsphase entwickelt werden. 16 Wenn die Stichworte einiger Versuchspersonen nicht nur als Ergebnis der Gegenstandsanalyse, sondern auch schon als Bildung einer (ersten) Gesamtvorstellung anzusehen sind (s.o.), dann müssen wir außerdem annehmen, daß sie mindestens am Anfang, vielleicht aber auch noch während der Schreibphase partiell räumlich organisiert sind, worauf - m.W. als erster - Wrobel (im Druck, Kap. 6.3.1.4) hingewiesen hat. - Nicht unwichtig ist außerdem, auf den sicherlich fundamentalen Unterschied zwischen der Vorstellung von dem noch zu schreibenden und der Vorstellung von dem bereits geschriebenen Text und auf die damit zusammenhängende sukzessive Verkleinerung und/oder Modifikation der Gesamtvorstellung hinzuweisen. Wie könnten Skripteinheiten repräsentiert sein? Wenn man annimmt, daß Skripteinheiten in Gestalt von weitgehend leeren und allenfalls mit Köpfen versehenen Abschnitten im Textmusterwissen enthalten sind und daß sie in dieser Form daraus abgerufen werden, dann müssen wir zugleich annehmen, daß sie im Moment ihrer Auswahl auch in dieser Form repräsentiert sind. Konkret bedeutet dies, daß die Schreiber wissen, daß sie demnächst mehrere - bei Zusammenfassungen nicht allzu viele - Plätze ausfüllen müssen und daß als nächste Aktivität die Auswahl eines Platzes und danach dessen Ausfüllung ansteht. Anders als bei der Gesamtvorstellung bezieht sich hier die Vorstellung des zu produzierenden Abschnitts also nur auf einen kleineren künftigen Textteil, dessen Inhalt zudem durch den Kopf festgelegt ist. Einheiten dieser Art sind zwar immer noch vage - es handelt sich ja nach wie vor um Vorstellungen von (noch) nicht Existierendem - , aber bis zu einem gewissen Grad sind sie doch überschaubar. Hier wäre die Frage interessant, ob geplante Skripteinheiten bereits in Form von satzübergreifenden syntaktischen Strukturen, also etwa wie in Abbildung (11) repräsentiert sind.
Ich reserviere daher van Dijk/Kintschs Terminus Makroproposition
für die Textrezeption.
97 SE
KP
RPj
RP 2
RP 3
wobei: SE = Skripteinheit, KP = Kopfplatz, R P j = Rumpfplatz 1 usw. Abb. 11
Satzübergreifende Repräsentation einer Skripteinheit
Für eine solche Repräsentation spricht, daß der Schreiber mit der Planung einer Skripteinheit nicht mehr weit von der Formulierung entfernt ist und daß er dabei trivialerweise auch syntaktische Strukturen produzieren wird. Dagegen spricht allerdings, daß im Moment der (ersten) Planung einer Skripteinheit im allgemeinen noch ungewiß ist, wie viele Plätze die Skripteinheit enthalten wird, wie übrigens auch aus etlichen Interviewäußerungen hervorgeht. Dagegen spricht außerdem die folgende theoretische Überlegung: Wie die Schemata in Abb. (9) und (10) zeigen, ist der Schreiber, nachdem er eine Skripteinheit ausgewählt hat und anschließend damit befaßt ist, einen ersten Platz auszuwählen und auszufüllen, realiter von der syntaktischen Planung noch weit entfernt. Wie wir gesehen haben, scheint der reguläre Prozeß normalerweise so abzulaufen, daß der Schreiber sich zunächst wieder auf den Primärtext orientiert, dort nach eventuell verwendbaren Textsegmenten sucht, diese mit Eigenschaften der Skripteinheit bzw. des ersten Platzes vergleicht und daß er erst dann das ausgewählte und als geeignet befundene Segment in den Platz einpaßt und es dazu um- oder neuformt. Auf diesen Prozeß werde ich ausführlich im nächsten Hauptkapitel eingehen.
4.4.4
Veränderungen
Wenn wir uns die Entstehung einer Zusammenfassung als einen Prozeß mehrfacher Verarbeitung der aus dem Primärtext gewonnenen Informationen vorstellen, dann können wir weiter fragen, wie diese Verarbeitung im einzelnen aussieht, i.e. welche Veränderungen von der Phase des primären Lesens bis zur Produktion des endgültigen Zieltextes an dem Primärtext vorgenommen werden. Ich knüpfe hier an die Vorschläge von van Dijk (1980) und Kintsch/van Dijk (1978) an. Von den dort explizierten semantischen Transformationen unterscheiden sich meine Veränderungen vor allem dadurch, daß sie sich strikt auf die Textoberfläche der Primär- und Zieltexte beziehen, während van Dijk/ Kintschs Transformationen kognitive Operationen an der konzeptionellen Struktur des Lang- und Kurzzeitgedächtnisses beinhalten und daher abstrakter sind.
98 Betrachten wir jetzt noch einmal die im Verlauf der Rekonstruktion herausgearbeiteten Aktivitäten und Prinzipien, 17 soweit sie solche Veränderungen beinhalten. Ich will annehmen, daß zur Beschreibung einer jeden Veränderungshandlung mindestens die folgenden Angaben notwendig sind: (a) Eine Beschreibung der Strukturen, auf denen die Veränderung operiert, also z.B. Abschnitt oder Punkt bzw. einzelner Gedanke im Primärtext, bestimmte syntaktische und/oder lexikalische Strukturen; (b) eine strukturelle Beschreibung des Resultats und (gegebenenfalls auch der Zwischenresultate); und (c) eine Kurzbeschreibung des jeweiligen Ziels der Operation (z.B. Kürze, bessere Verständlichkeit, jeweils im Vergleich zu dem (oder den) Primärtextsegment(en)). (a) und (b) machen zusammen die Art der Veränderung aus, also z.B. Tilgung, Hinzufügung, Vertauschung, Substitution oder Kombination der in (a) und/oder (b) definierten Elemente. Da ich nicht beabsichtige, die Veränderungen streng formal zu beschreiben, begnüge ich mich hier mit einer tabellarischen Aufzählung (s. Tabelle 2): Die Spalte 1 enthält neben einer laufenden Nummer die Bezeichnung der jeweiligen Veränderung und die Seitenzahl, unter der sie in Kapitel 4.3 eingeführt wurde; Spalte 2 enthält eine verkürzte Beschreibung der Art der jeweiligen Veränderung und Spalte 3 deren wichtigste Ziele. In der folgenden Tabelle 2 habe ich also die einzelnen Veränderungen noch einmal zusammengestellt und dabei versucht, eine Systematik herauszuarbeiten.
Bezeichnung
Art der Veränderung
Wichtigstes Ziel
1
Absatztilgung (S. 82)
Tilgung von ganzen Absätzen
Kürze
2
Punkttilgung (S. 83)
Tilgung von Elementen in Aufzählungen
Kürze
3
Gedankentilgung (S. 80)
Tilgung einzelner Gedanken
Kürze
4
Reduktion der Zeilenmenge (S. 83)
Umwandlung von Spiegelstricheinheiten zu fortlaufendem Text
Kürze
5
Tilgung von Nebensächlichem (S. 83)
Tilgung von Erläuterungen, Beispielen, Kommentaren usw.
Kürze und Transformation der Textsorte
Ich fasse hier wie auch sonst Aktivitäten und Prinzipien zusammen, da die hier beschriebenen Aktivitäten zumeist auch durch das ihnen zugrundeliegende Prinzip charakterisiert sind. Ich bin mir aber der Tatsache bewußt, daß in einigen Fällen - wie z.B. bei der Verdichtung - mehr die spezifische Aktivität im Vordergrund steht und in anderen Fällen - wie z.B. bei dem Prinzip der kleinen Absätze - mehr das die Aktivität regulierende Prinzip, wie schon aus den Bezeichnungen hervorgeht.
99 Bezeichnung
Art der Veränderung
Wichtigstes Ziel
6
Verdichtung (S. 83)
Verdichtung mehrerer inhaltlich ähnlicher Einheiten zu einer einzigen Einheit
Kürze und Transformation der Textsorte
7
Etikettierung (S. 85)
Substitution inhaltlich wichtiger Elemente durch ein 'Etikett'
Kürze und Transformation der Textsorte
8
Vereinfachung (S. 79)
Tilgung und Kombination der nicht getilgten Teile
Kürze (und Transformation der Textsorte), Verständlichkeit
9
Prinzip der kleinen Absätze (S. 84)
(übergreifendes Prinzip, in dem andere Operationen, z.B. 3, 4 und 5 enthalten sind)
Kürze und Transformation der Textsorte
10 Verschmelzung von Skripteinheiten (S. 84)
Vereinigung von zwei PrimärtextSkripteinheiten zu einer einzigen Zieltext-Skripteinheit
Kürze
11 Gedankentransfer (S. 81)
Herauslösung von Gedanken aus dem Primärtextzusammenhang und Kombination mit anderen Primärtextgedanken
Kürze
12 Zusammenfassung durch Abstraktion (S. 85)
Herauslösung einer in mehreren Aussagen enthaltenen Allgemeinaussage
Zusammenfassung, Kürze, Verallgemeinerung
13 Versachlichung (S. 79)
Tilgung von argumentierenden und plausibilisierenden Primärtextelementen und/oder Substitution solcher Elemente durch beschreibende Passagen
Transformation der Textsorte (Kürze)
14 Perspektivenwechsel (S. 77)
Substitution der 1. Person durch die 3. Person oder durch Passiv-Formen
Transformation der Textsorte
15 Neuformulierung (S. 79)
Substitution eines Primärtextausdrucks durch einen Ausdruck mit anderen Lexemen und anderen syntaktischen Strukturen
Verständlichkeit
16 Kopf-RumpfVereinigung (S. 87)
Kombination eines Kopfelements mit einem Rumpfelement
Transformation der Textsorte
100 1
2
3
Bezeichnung
Art der Veränderung
Wichtigstes Ziel
17 Kopfumwandlung (S. 77)
Umwandlung eines Primärtext-Kopfs in den Kopf einer ZieltextSknpteinheit
Transformation der Textsorte
18 Kopfhinzufügung (S. 82)
FS-Ausdrücken wird der Kopf einer Zieltext-Skripteinheit hinzugefügt
Transformation der Textsorte
Tab. 2
Veränderungen
Wie man sieht, haben die Veränderungen eine gewisse Ähnlichkeit mit den Transformationsregeln der Generativen Grammatik vor der Rektions- und Bindungstheorie, mit dem Unterschied allerdings, daß es sich bei der Textproduktion um real ausgeführte Operationen handelt und daß sie größtenteils auf textuellen anstatt nur auf Satzstrukturen usw. operieren (s. dazu auch van Dijk 1980:195ff. und Kintsch/van Dijk 1978:375f.). Die wichtigste Gemeinsamkeit liegt in der strukturellen Beschreibung der Ausgangs- und der Zielstruktur und der Beschreibung der strukturellen Veränderung. Ich will also annehmen, daß Zusammenfassungen (und vermutlich auch die meisten sonstigen 'Texte über Texte') unter anderem nach Regeln oder Prinzipien produziert werden, bei denen nach der Art von Transformationsregeln definierbare Ausgangsstrukturen zu definierbaren Zielstrukturen verändert werden und daß dabei unter anderem Veränderungen im Spiel sind, wie sie in der Tabelle 2 aufgelistet sind. Selbstverständlich muß ich mich hier auf Andeutungen beschränken, und es erübrigt sich anzumerken, daß die Beschreibungen informell sind. Ehe ich auf die verschiedenen Veränderungstypen und auf die damit zusammenhängende Frage der Informationsverarbeitung eingehe, will ich zunächst an drei Beispielen erläutern, wie ich mir strukturelle Veränderungen im einzelnen vorstelle. Ich knüpfe dabei an meine Ausführungen im Kapitel 4.3 zum Text der Versuchsperson Z 4 an. Mein erstes Beispiel ist die ABSATZTILGUNG. Nicht nur Z 4, sondern auch die meisten anderen Versuchspersonen lassen in ihrer Zusammenfassung einzelne Kapitel des Primärtextes unberücksichtigt. Eine Beschreibung der Aktivität ABSATZTILGUNG hätte dann dreierlei zu enthalten: erstens die strukturelle Beschreibung der zu tilgenden Primärtexteinheit, wobei 'Absatz' mit Hilfe von graphischen und thematischen Merkmalen zu beschreiben wäre, zweitens die strukturelle Beschreibung des Resultats (ein für den Absatz zu substituierendes Null-Element) und drittens eine Kurzbeschreibung des Ziels (Kürze). Das zweite Beispiel ist eine NEUFORMULIERUNG, die ich als einen Spezialfall von SUBSTITUTION ansehe. In der Zusammenfassung von Z 4 findet sich das Segment die sprachlichen Möglichkeiten zur Abschwächung, das für Realisierungsmerkmale [abgeschwächter Äußerungen] im Primärtext steht. Die korrekte Veränderung (und deren Beschreibung) erfordert hier erstens eine semantische, syntaktische und phonologische Beschreibung des zu verändernden Primärtext-
101 segments (NP mit den semantischen Merkmalen s m j , . . . , s m n und den phonologischen Merkmalen p m j , . . . , p m n ) , zweitens eine Beschreibung des Resultats der Veränderung (weitgehend gleiche semantische Merkmale, aber andere lexikalische Besetzung usw.) und drittens das Ziel (etwa: verständlicher und/oder richtiger als der Primärtextausdruck). Das dritte Beispiel, eine V E R D I C H T U N G , unterscheidet sich von den beiden vorherigen Beispielen unter anderem dadurch, daß die Veränderungsoperation hier anstatt auf einem auf zwei Primärtextsegmenten operiert, die durch die Verschmelzungsoperation zu einem einzigen Zieltextsegment kombiniert werden. Ein Beispiel findet sich in Z. 8f. im Beispiel (3). Die zu verändernden Segmente sind hier drei im Primärtext benachbarte Ankündigungen, nämlich die Überschrift des vierten Kapitels (Zur Interpretation von "Abschwächung") und zwei sich anschließende Ankündigungen im fortlaufenden Text ( 1. ... davon auszugehen, daß die folgenden Realisierungsmerkmale ... zu der Interpretation "abgeschwächt" ... beitragen ...; 2. Es handelt sich um folgende, zur Abschwächung beitragende Elemente:). Diese nur durch den Detailliertheitsgrad unterschiedenen Segmente werden im Zieltext zu Der Artikel benennt die sprachlichen Möglichkeiten zur Abschwächung. Wie man sieht, ist das vorige Beispiel, die Substitution der Nominalphrase Realisierungsmerkmale [abgeschwächter Äußerungen] durch eine andere (neu formulierte) Nominalphrase, in der Verschmelzung enthalten. Um diese vergleichsweise komplexe Veränderung korrekt durchführen zu können, muß der Autor mindestens die folgenden drei zielgerichteten Teilaktivitäten ausführen: er muß erstens aufgrund der strukturellen Analyse des entsprechenden Primärtextabschnitts die zu verdichtenden Teilsegmente als Ankündigungen der gleichen Sache identifizieren, er muß zweitens eine Aktivität ausführen, mit der er die drei Ankündigungen zu einer einzigen vereinigt, so daß dabei eine nur einmal formulierte Ankündigung herauskommt, und er muß dabei drittens die beiden Ziele Kürze und Einfachheit im Auge haben. Im einzelnen erfordert dies eine Reihe von untergeordneten Substitutionen, Tilgungen und 'Bewegungen' unterschiedlicher Art, auf die ich hier nicht weiter eingehen kann. Wie die drei Beispiele zeigen, unterscheiden sich die einzelnen Veränderungen unter anderem durch den Umfang (oder Geltungsbereich) der von der Veränderung betroffenen Primärtextsegmente, durch deren Anzahl und Struktur, durch das Resultat und die daraus ableitbare Art der Veränderung, durch die semantische, textuelle, syntaktische und phonologische Struktur der zu verändernden Segmente, den Komplexitätsgrad und das jeweilige textuelle Ziel. Wie die Tabelle zeigt, besteht offenbar eine Beziehung zwischen der Veränderungsart und dem entsprechenden Ziel: Die sechs Veränderungen, bei denen (nur oder unter anderem) Tilgungen im Spiel sind (1-10), dienen in erster Linie dem Ziel, einen kurzen Zieltext zustande zu bekommen. In einigen Fällen werden dabei zugleich auch andere Ziele verfolgt, wie z.B. einfacher und verständlicher Ausdruck bei der V E R E I N F A C H U N G oder spezifische Eigenschaften der Textsorte 'Zusammenfassung' bei der E T I K E T T I E R U N G (Einzelheiten dazu s. jeweils im Kapitel 4.3 an den Stellen, wo die einzelnen Veränderungen eingeführt wurden). Um textsortenspezifische Merkmale geht es (neben Kürze) auch
102 bei den drei Kombinationstypen, i.e. der VERDICHTUNG, dem GEDANKENund der K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G : Zusammenfassungen sollen nicht nur kurz, sondern auch frei von Redundanzen sein, und das Textmuster ist am besten erfüllt, wenn die einzelnen Aussagen im Zusammenhang mit stereotypen Köpfen wie Thematik, Ziel, Methode, Ergebnisse usw. angeordnet sind. Die beiden Veränderungen PERSPEKTIVENWECHSEL und VERSACHLICHUNG stehen ausschließlich im Dienst von solchen textsortenspezifischen Zielen, wohingegen die NEUFORMULIERUNGEN sehr verschiedenen und zum Teil auch textsortenunspezifischen Eigenschaften wie Verständlichkeit, Verständlichkeit auf knappem Raum usw. dienen. Die meisten Veränderungen sind an bestimmte, mit dem Inhalt zusammenhängende Primärtextsegmente gebunden: Ob ein Kapitel, ein Absatz oder Gedanke getilgt wird oder nicht, hängt also nicht ausschließlich von der Form ab, sondern es bedarf zusätzlicher, in der Regel inhaltlicher Kriterien, die den Ausschlag geben. Umgekehrt sind der PERSPEKTIVENWECHSEL, die VERSACHLICHUNG und wahrscheinlich noch eine Reihe anderer in eine ähnliche Richtung weisender Veränderungen obligatorisch: Wann immer in einem inhaltlich zu übernehmenden Primärtextsegment die auf die Primärtextautoren verweisende 1. Person vorkommt, ist diese entweder zu tilgen oder durch ein passendes Nomen in der dritten Person (die Autoren usw.) zu ersetzen. Ebenso müssen argumentierende Passagen entweder als Argumentationen der Primärtextautoren kenntlich gemacht oder getilgt bzw., wie oben erörtert, 'versachlicht' werden. Wie aus den Beispielen und der Liste hervorgeht, ziehen die meisten (nicht alle) textuellen Veränderungen semantische, syntaktische, morphologische, phonologische und/oder mit der Wortbildung zusammenhängende Veränderungen nach sich. Darüber hinaus kommen einige textuelle Veränderungen häufig gekoppelt vor und. einige komplexe Veränderungen sind auf wenige elementare Veränderungen wie Tilgungen, Substitutionen, Hinzufügungen oder Kombinationen reduzierbar. Darauf gehe ich hier nicht weiter ein. Ehe ich versuche, die Veränderungen in unser Modell zu inkorporieren, muß ich noch etwas ausführlicher auf drei mit dem Textmuster 'Zusammenfassung' zusammenhängende Veränderungen eingehen: die K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G , die KOPFUMWANDLUNG und die KOPFHINZUFÜGUNG. Da Köpfe Gliederungsmerkmale sind und die Folge der in einer Zusammenfassung enthaltenen Köpfe die Gliederung der jeweiligen Zusammenfassung widerspiegelt, ist es interessant, uns näher anzusehen, wie Köpfe produziert werden und welche Entstehungsgeschichte ihnen vorausgeht. Am deutlichsten ist dies bei der K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G erkennbar: Es handelt sich hier um eine KOMBINATION. Aber anders als bei den meisten übrigen Kombinationen sind die zu kombinierenden Segmente hier nicht ausschließlich durch Eigenschaften des Primärtextes definiert, sondern zusätzlich durch Eigenschaften des vom Schreiber bearbeiteten Primärtextes: Ausdrücke wie Ziel, Definition, Methode etc. sind nicht per se potentielle Kopfelemente in einer Zusammenfassung, sondern sie sind vom Schreiber dazu gemacht worden und in Form von Randnotizen, Unterstreichungen oder herausgerückten Segmenten von Stichworten auch als solche kenntlich gemacht. Die Köpfe liegen hier also schon TRANSFER
103 seit der Gegenstandanalyse mehr oder weniger fertig vor und müssen bei der Produktion der jeweiligen Skripteinheit nur aus dem Primärtext bzw. den Notizen usw. übernommen und mit geeigneten Rumpfelementen vereinigt werden. Nun ist leicht zu sehen, daß nicht alle Köpfe in Zusammenfassungen aus Randnotizen, markierten Primärtextsegmenten oder herausgerückten Stichwortsegmenten stammen: Bei der K O P F U M W A N D L U N G wird der Kopf ganz einfach aus dem Kopf eines Primärtextabsatzes übernommen. Ein Beispiel dafür ist der Anfang der Zusammenfassung von Z 4 (Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit). Wie der Name andeutet, besteht die spezifische Leistung dieser Umformung darin, daß ein schon im Primärtext als Kopf- und Rumpfelement dienender Ausdruck in einen für eine Zusammenfassung spezifischen Kopf-Rumpfausdruck umgewandelt wird. Anschließend wird dieser Kopf dann mit Hilfe der schon bekannten Veränderung K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G mit einem geeigneten fachspezifischen Ausdruck KOMBINIERT. Ein dritter Kopftyp endlich ist das Ergebnis einer H I N Z U F Ü G U N G . Auch hierfür findet sich ein Beispiel in der Zusammenfassung von Z 4: Der Kopf Der Artikel benennt findet sich in dieser Form nicht im Primärtext, sondern wurde offensichtlich hinzugefügt. Auch dieser neu erzeugte Kopf muß anschließend mit einem geeigneten fachspezifischen Ausdruck KOMBINIERT werden. Wie man sieht, ist die K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G nicht auf Ausdrücke beschränkt, die schon während der Gegenstandsanalyse als potentielle Kopfausdrücke erzeugt wurden, sondern jeder irgendwann im Verlauf der Textproduktion erzeugte Kopf muß im Zusammenhang mit der Ausfüllung der Rumpfplätze mit einem fachspezifischen Ausdruck KOMBINIERT werden. Wichtig ist nun, daß in allen drei Fällen der Kopf nicht gänzlich neu erzeugt werden muß, sondern daß er aus dem (bearbeiteten) Primärtext oder dem Textmusterwissen übernommen werden kann. Wenn man außerdem bedenkt, daß sich die Versuchspersonen bei der Bildung der Gesamtvorstellung entschlossen haben, sich - mehr oder weniger - an die Kapitelfolge des Aufsatzes zu halten und daß sie diese entweder im Kopf haben oder sich jederzeit vergegenwärtigen können, dann wird deutlich, daß die Produktion der Textform 'Zusammenfassung' für geübte Autoren weitgehend ein Routineakt ist, der es ihnen ermöglicht, große Teile ihrer Aufmerksamkeit den fachspezifischen Inhalten zu widmen. Wie lassen sich diese Überlegungen in unser Modell einarbeiten? Wenn wir nach wie vor davon ausgehen, daß sich die Textproduktion als mehrfache Verarbeitung der aus dem Primärtext gewonnenen Informationen beschreiben läßt, dann können wir diesen Prozeß jetzt wie folgt spezifizieren: In der Gegenstandsanalyse wird der Primärtext - entweder auf dem Papier oder mental - in 'ausgezeichnete' und 'nicht ausgezeichnete' Segmente zerlegt, und bei den ersteren wird zusätzlich zwischen potentiellen Kopfbausteinen und potentiellen Rumpfbausteinen unterschieden. Die Auszeichnungen sind eine Vorstufe späterer Veränderungen. Diese zunächst unsystematische und fragmentarische Analyse wird bei späteren Durchgängen sukzessive vervollständigt und/oder modifiziert. Das Ergebnis geht in der Weise in die Gesamtvorstellung
104 ein, daß es nach Bedarf im Verlauf der weiteren Textproduktion aktiviert werden kann. Der Auswahl der ersten und jeder späteren Skripteinheit geht eine Entscheidung über zu berücksichtigende bzw. nicht zu berücksichtigende Primärtextkapitel bzw. thematische Komplexe voran, mit der, wie wir gesehen haben, häufig eine erneute Orientierung auf den Primärtext verbunden ist. Alle Kapiteltilgungen und etliche Absatztilgungen erfolgen in dieser Phase. Nach jeder Auswahl einer neuen Skripteinheit wird dann zuerst ein Kopf aus den Vorarbeiten oder dem Primärtext übernommen und umgewandelt bzw. neu erzeugt und anschließend mit Hilfe der K O P F - R U M P F - V E R E I N I G U N G mit einem geeigneten fachspezifischen Segment KOMBINIERT. Gleichzeitig können dabei kleinere Tilgungen und Veränderungen vom Typ 8 bis 15 (s. Tabelle 2) ausgeführt werden, wobei die VERSACHLICHUNG und der PERSPEKTIVENWECHSEL obligatorisch sind. Bei der Ausfüllung der weiteren Plätze ist dann in erster Linie nur noch fachspezifisches Wissen involviert, das geeignet ist, die im ersten Rumpfplatz schon eingeführte Thematik fortzuführen. Die hier vorzunehmenden Veränderungen umfassen wiederum kleinere Tilgungen und Veränderungen vom Typ 8 bis 15. - In der folgenden Abbildung sind diese Aktivitäten als Schema wiedergegeben:
105
i v usw. Abb. 12
Aktivitäten im Zusammenhang mit den Schritten 1 bis n
Die Aktivitäten 1 bis 4 entsprechen dem Schritt 1; 5 und 6 entsprechen den Schritten 2 bis n in Abb. 10
5. Zur Genese von Formulierungen
In meiner Rekonstruktion der Zieltextgenese fehlt jetzt immer noch ein wichtiger Schritt, nämlich die Rekonstruktion der Prozeduren, die unsere Schreiber beim Auffinden von Formulierungen anwenden. Ehe ich damit beginne, schicke ich eine Bemerkung zur Methode voran: In Übereinstimmung mit den meisten mir bekannten Sprachproduktionsmodellen bin ich - nicht ganz ohne Bedenken allerdings - davon ausgegangen, daß es möglich ist, die Genese der Makrostrukturen und die Genese von Formulierungen getrennt zu beschreiben. Nach den Ausführungen im vorigen Kapitel stellt sich jetzt allerdings die Frage, ob dies sachlich gerechtfertigt ist. Denn wie wir gesehen haben, sind alle Veränderungen, bei denen Köpfe involviert sind, aber auch kleinere Tilgungen und Substitutionen, Versachlichungen, Perspektiven Wechsel und Neuformulierungen an die Existenz von Formulierungen gebunden. Oder genereller gesagt: Kopfund Rumpfelemente sind ohne Formulierungen nicht faßbar und daher auch nicht beschreibbar. Aus der getrennten Darstellung darf also nicht geschlossen werden, daß es sich hier um getrennt ablaufende Prozesse handelt. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Beide Prozesse sind mindestes auf der untersten Ebene, der lokalen Planung, auf das Engste mit einander verzahnt. Wenn also die Veränderungen im Zusammenhang mit der Erzeugung von Makrostrukturen behandelt wurden und die Produktion von Formulierungen erst im vorliegenden Kapitel untersucht wird, dann hat dies überwiegend technische Gründe, die damit zusammenhängen, daß es im Kapitel 4 hauptsächlich um die gedanklichen Aspekte von Äußerungen ging, während von jetzt an Aspekte des Wortlauts im Vordergrund stehen werden. Es geht im folgenden also um die Frage, wie aus vorsprachlichen Einheiten Formulierungen entstehen: Welche Vorkehrungen trifft ein Schreiber, um aus den substantiell schwer faßbaren mentalen Entitäten textuelle Oberflächenstrukturen, d.h. Folgen von Sätzen, Teilsätzen, Phrasen und Wörtern zu gewinnen. In der bisherigen Forschung ist dieses Problem ziemlich einseitig behandelt worden. Ich fasse die wichtigsten Positionen hier kurz zusammen und verweise im übrigen auf den Überblick von Wrobel (im Druck, Kap. 5): Charakteristisch für die psychologisch orientierten Sprachproduktionstheorien von Herrmann (1985), Herrmann/Hoppe-Graff (1989), Levelt (1989) und mit einigen Modifikationen auch für das Textproduktionsmodell von Flower und Hayes (a.a.O) ist die Annahme von zwei bzw. drei Stufen der Textproduktion: In einer noch präverbalen Phase werden zunächst Konzepte (Levelt) bzw. Ideen (Flower und Hayes) produziert und anschließend linearisiert. Konzepte sind relativ sprachnahe, aber noch nicht verbalisierte Gebilde, die aus propositionalen Strukturen mit Prädikaten und Argumenten usw. bestehen. Diese bilden dann die Eingabe für die Formulierungskomponente, in der den Propositionen Oberflächenstrukturen (syntaktisch strukturierte Lemmata usw.) zugeordnet werden. Während die Erzeugung der dem Formulierungsakt
107 vorausgehenden kognitiven Strukturen weitgehend der zentralen Kontolle unterliegt, werden Formulierungen automatisch produziert (Levelt 1989:20f.). Auch Flower und Hayes scheinen dies anzunehmen. Für sie ist Formulieren die (offenbar unproblematische und nicht weiter untersuchenswerte) Übersetzung (translating) von Gedanken in sprachliche Äußerungen. Umgekehrt ist für den Linguisten Antos (1982 und 1984) Formulieren ein Spezialfall eines bewußt ablaufenden Problemlösungsprozesses, der sich exteriorisieren läßt, wenn Versuchspersonen gemeinsam einen Text verfassen und dabei eine Vorlage in einen Zieltext umformulieren (Antos 1982, 1984). Eine dritte Position, die von Wrobel (im Druck, Kap. 5) vertreten wird, geht auf den Schreibforscher Murray (1978) zurück. Formulieren hängt danach eng mit Revidieren zusammen, ist damit jedoch, so Wrobel, nicht identisch. In Texten, die unter Bedingungen lauten Denkens verfaßt wurden, läßt sich die Entstehung von Formulierungen in zwei Subphasen aufgliedern: In der ersten Subphase werden konzeptuelle Strukturen gebildet, die im Gegensatz zu den Aufassungen von Herrmann und Levelt etc. jedoch nicht notwendigerweis aus Propositionen bestehen, sondern z.B. auch visuell kodiert sein können. Diese werden in der zweiten ebenfalls noch prätextuellen Subphase in einem oft mehrfachen Umformungsprozeß kon- und kotextuellen Erfordernissen angepaßt, wobei die ursprünglichen Konzepte oftmals noch geändert werden (Wrobel, im Druck, Kap. 5). Zu der Frage, ob Formulierungen automatisch oder in einem Akt bewußter Planung erzeugt werden, äußert sich Wrobel nicht. Wie leicht zu sehen ist, wird die Erzeugung von Formulierungen hier jeweils nur teilweise erfaßt: Wenn man in Rechnung stellt, daß propositionale Strukturen bereits Prädikate und Argumente enthalten, dann wird deutlich, daß in den psychologischen Theorien ein wichtiger Teil der Entstehung von Formulierungen ausgespart bleibt, nämlich gerade die Phase, in der nicht propositionale Strukturen, also z.B. räumlich oder kinästhetisch kodierte mentale Elemente, in propositionale Strukturen umgewandelt werden. Dies gilt auch für Antos und Wrobel: Wenn für Antos Formulieren Umformulieren ist und wenn in Wrobels zweiter Phase Prätexte zu endgültigen Formulierungen umgeformt werden, dann werden in beiden Fällen bereits schriftliche bzw. mündliche Formulierungen vorausgesetzt, aber nicht in ihrer Entstehung zurückverfolgt. 1 In meiner eigenen Untersuchung gehe ich in mehreren Schritten vor: In einem ersten Schritt (Kap. 5.1) vergleiche ich die einzelnen Zieltexte mit dem Primärtext in Hinblick auf Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten in der Formulierung. Mein Ziel ist hier eine vorläufige Klassifizierung von Formulierungen - z.B. Umformulierungen auf der einen Seite und Neuformulierungen auf der anderen Seite - und eine quantitative Bestimmung des Verhältnisses von Umformulierungen zu Neuformulierungen. Dabei scheinen für die vorliegenden Fragestellungen sowohl die Umformulierungen wie auch die Neuformulierungen interessant zu sein, weil zu vermuten ist, daß die Autoren hier jeweils spezifische Strategien anwenden. Darauf gehe ich in den Kapiteln 5.2 und 5.3 ein. In einem vierten Schritt (Kap. 5.4) erörtere ich dann die Frage, ob wir es bei den Umformulierungen und den Neuformulierungen in der Tat mit zwei von der Zur Kritik an Antos vgl. auch Gülich/Meyer-Hermann 1984.
108 Genese her grundsätzlich verschiedenen Arten der Formulierung zu tun haben, oder ob ihnen bei allen oberflächlichen Unterschieden nicht doch ein gemeinsames Prinzip zugrunde liegt. Ich werde an dieser Stelle meine Untersuchung zunächst unterbrechen, um im Zusammenhang mit einem Kapitel über Fehler genauer auf das in der Einleitung eingeführte Kategorienpaar normal vs. abweichend einzugehen. Vor dem Hintergrund des Begriffs "normal" bzw. "akzeptabel" greife ich dann im Kapitel 7 die Untersuchung unter einem neuen Aspekt noch einmal auf.
5.1
Formulierungstypen
In welcher Weise benutzen unsere Versuchspersonen den Primärtext, um Formulierungen zu finden? Greifen sie z.B. auf bestimmte Formulierungen der Vorlage zurück und übernehmen sie diese? Und wenn dies der Fall ist, übernehmen sie solche Formulierungen (mehr oder weniger) wörtlich, oder wandeln sie sie ab, und wenn letzteres, in welcher Weise tun sie das? Oder formulieren sie eher 'neu', d.h. (mehr oder weniger) unabhängig von vorgegebenen Formulierungen? Und wenn beides zutrifft, in welchem Verhältnis stehen dann diese beiden Alternativen zueinander? Als Vorarbeit für die Beantwortung dieser Fragen habe ich zu den acht Zieltexten einen 'kritischen Text' mit allen im Primärtext auffindbaren wörtlichen bzw. lexematisch oder semantisch definierbaren oder sinngemäßen Entsprechungen hergestellt. Auf der Grundlage dieses kritischen Textes vergleiche ich im folgenden die Zieltexte mit dem Primärtext. Dabei untersuche ich zunächst an ausgewählten Zieltextpassagen, auf welche Segmente des Primärtextes die Schreiber überhaupt zurückgreifen, und wie sie diese im jeweiligen Einzelfall bearbeiten. Mein Ziel ist zunächst eine (vorläufige) Klassifikation der Umformulierungen und eine quantitative Bestimmung der Umformulierungen im Gegensatz zu den Neuformulierungen und der einzelnen Umformulierungstypen. Betrachten wir jetzt die folgenden Beispiele: (la)
Zieltext ' I n diesem Beitrag beschäftigen sich 1 2 R . Meyer-Hennann und R. Weingarten^ J m i t kommunikativen Handlungen von Therapeuten in der klientenzentrierten Gesprächstherapie 3 6f. Z 1
(lb)
Apparat ' i n diesem Beitrag wollen wir uns mit beschäftigen 5. - ^Reinhard Meyer-Hennann /Rüdiger Weingarten 3, wir 5. - 3 das kommunikative Handeln der Therapeuten in der klientenzentrierten Gesprächstherapie 7f.
(2a)
Zieltext 'Ziel des ^von Meyer-Hermann/Weingarten verfaßten 2 Textes ist e s ' 3 Interaktions- u. Interpretationsregeln ^für das Phänomen der " A b s c h w ä c h u n g z u erstellen 3 . Z 3
(2b)
Apparat ' i n diesem Beitrag wollen wir uns mit
beschäftigen 5, Unser Ziel besteht also letzt-
109 lieh in 18, Ziel RN 18. - ^Reinhard Meyer-Hermann/Rüdiger Weingarten. - ' i n der Formulierung von Interaktionsregeln 18f. - 4 Phänomen 5, Abschwächungen 2, Abschwächung 11 f. (3a)
Zieltext ' i m Gegensatz zur' "Mm engeren Sinne strukturlinguistischen Untersuchung und Beschreibung der Funktion von Abtönungs- und Gradpartikeln^, -'wird im vorliegenden Aufsatz 4 die eher pragmatische Kategorie "Abschwächung" 4 thematisiert-'. Z 8
(3b)
Apparat 'Gegensatz zu bisheriger Arbeit RN 24ff., ^das eher "sprachsystematische" Interesse der Forschung zu Abtönungs- und Gradpartikeln 21 ff-, kommunikativen Funktionen 25. ' i n diesem Beitrag wollen wir uns mit beschäftigen 5. - ^interaktive Kategorien 26, Abschwächung 28
(4a)
Zieltext 'Weiterhin wurde die Rolle des abschwächenden Therapeuten untersucht & in welchen Interaktionsmustern sich eine Abschwächung manifestiert' Z 6
(4b)
Apparat '6. Zur interaktiven Funktion von Abschwächung Abgeschwächte Therapeutenäußerungen kommen in den von uns untersuchten Gesprächstherapien charakteristischerweise in zwei Typen von Interaktionsschemata vor. 214ff.
(Sa)
Zieltext 'Der Artikel benennt' ^die sprachlichen Möglichkeiten zur Abschwächung^ '(Bestimmte Verbformen & Formklassen, Wortwahl usw.)', 4 ohne ihre funktionale Bedeutung weiter bestimmen zu wollen 4 Z 4.
(5b)
Apparat 'in diesem Beitrag 5. - ^zur Abschwächung beitragende Elemente 113f. - 'a)Bestimmte Verbformen (z.B. Konjunktiv) b) Bestimmte Formklassen ... d) Eine bestimmte Wortwahl 115ff. - 4 Ein weiteres noch offenes Problem ist die Wirkung der Kombination dieser in ihrem Einzelbeitrag zur Interpretation des Grades der Abgeschwächtheit sicherlich unterschiedlichen Elemente. 131 f
Textbeispiel und Apparat sind hier w i e in allen weiteren Beispielen w i e folgt organisiert: D a s Zieltextbeispiel ist in Segmente eingeteilt, derart daß j e d e s Segment durch einen Index (hochgestellte Zahl) eingerahmt ist. Zu den einzelnen Segmenten sind im Apparat unter dem gleichen hier nur vorangestellten Index alle Primärtextentsprechungen mit Angabe der Zeilennummer aufgelistet (zu 1 in dem Ausschnitt (2a) sind dies insgesamt 3 Entsprechungen). Als Entsprechung gelten wörtliche, teilweise wörtliche, aber auch nur inhaltliche oder teilweise inhaltliche Übereinstimmungen zwischen einer Primärtext- und Zieltextpassage. D i e einer Entsprechung nachfolgende Zahl verweist auf die Zeile, in der die Entsprechung im Primärtext steht. - "RN" + Zahl verweist auf eine beim Lesen gemachte Randnotiz. - D i e indizierten Zieltextsegmente sind z . T . ineinander verschachtelt; so reicht z . B . das Segment ' in (2a) von Ziel bis es und das darin eingebettete Segment 2 von von bis verfaßten.
110 Zum besseren Verständnis dieser Ausschnitte aus dem kritischen Text erläutere ich die Beispiele (la-b) und (2a-b) zusätzlich verbal. Diese beiden Beispiele sind wie folgt zu lesen: Beispiel (1): Dem Zieltextsegment 1 entspricht im Primärtext In diesem Beitrag wollen wir uns mit beschäftigen; dem in dem ersten Zieltextsegment eingebetteten Segment Meyer-Hermann und R.Weingarten entsprechen die im Titel aufgeführten Verfassernamen und im Primärtext das Personalpronomen wir. - Dem Zieltextsegment 3 entspricht im Primärtext das kommunikative Handeln der Therapeuten in der klientenzentrierten Gesprächstherapie. Beispiel (2): Zu dem ersten Zieltextsegment 1 finden sich im Primärtext insgesamt 3 Entsprechungen: In diesem Beitrag wollen wir uns mit beschäftigen 5, unser Ziel besteht also letztlich in 18, und die Randnotiz Ziel 18. - Der Einbettung von Meyer-Hermann verfaßten entspricht der im Primärtext-Titel aufgeführte Verfassername (und Vorname). - Zu dem Segment 3 (lnteraktions bis erstellen) findet sich die Entsprechung in der Formulierung von lnteraktions- und Interpretationsregeln 18f. und zu dem Segment für das Phänomen der "Abschwächung", das in Segment 3 eingeschachtelt ist, finden sich die drei Entsprechungen Phänomen 5, Abschwächungen 2 (im Titel) und Abschwächung 1 lf. Betrachtet man die fünf Beispiele genauer, dann wird deutlich, daß sich hier verschiedene Verfahren abzeichnen: (1) bis (3), (4) und (5) repräsentieren offenbar drei große Hauptgruppen, die sich unter anderem durch den Grad an Eigenständigkeit der Formulierungen unterscheiden. Wie leicht zu sehen ist, ist dieser in der ersten Hauptgruppe, den Beispielen (1) bis (3), vergleichsweise niedrig, in der zweiten Hauptgruppe (Beispiel 4) vergleichsweise hoch und in der dritten, durch (5) repräsentierten Hauptgruppe, etwa in der Mitte liegend. In der ersten Hauptgruppe, der ich mich zuerst zuwenden will, bestehen zwischen größeren Teilen des Zieltextausschnittes und den Entsprechungen im Primärtext lexematisch oder semantisch definierbare Beziehungen: Bestimmte Wortgruppen (Sätze, Teilsätze oder Phrasen) finden sich bereits in der wiederzugebenden Primärtextpassage, die die Autoren offenbar nicht nur sinngemäß, sondern auch in Hinblick auf den Wortlaut benutzt haben, ohne dabei die ganze Passage wortwörtlich zu übernehmen (d.h. zu zitieren). Formulierungen dieser Art nenne ich Umformulierungen (abgekürzt U). Das hier praktizierte Verfahren zeichnet sich also dadurch aus, daß die Autoren in ihren Formulierungen offenbar eine große Nähe zum Primärtext anstreben: Bereits vorhandene Primärtextformulierungen werden im Zieltext umgeformt, wobei die Autoren entweder eine einzige Primärtextpassage oder mehrere nicht zusammenhängende Passagen heranziehen. Die Formulierungen der zweiten Hauptgruppe (repräsentiert durch das Beispiel (4)) zeichnen sich dagegen durch eine größere Unabhängigkeit vom Primärtext aus. So scheint die Formulierung von (4a) vom Verfasser frei erfunden
111 zu sein. In dieser Passage wurden zwar einzelne aus jeweils einem Inhaltswort bestehende Fachtermini übernommen (z.B. abschwächen, Therapeut), aber keine Wortkombinationen: Die Rolle des abschwächenden Therapeuten kommt in dem gesamten Primärtext ebensowenig vor wie die in diesem Ausdruck enthaltende NP abschwächender Therapeut oder die Phrase sich eine Abschwächung manifestiert usw. Das Verhältnis von (4a) und (4b) ist inhaltlicher Art; es läßt sich weder lexikalisch noch semantisch definieren. Segmente dieser Art nenne ich Neuformulierungen (abgekürzt N). Ähnliches gilt auch für (5), allerdings nur zum Teil: Anfang und Schluß bestehen hier aus Neuformulierungen, während der Mittelteil (Bestimmte ... usw.) eine Umformulierung ist. Es handelt sich bei dieser dritten Hauptgruppe also um eine Mischform, eine Kombination von U und N (im folgenden als UN abgekürzt). Die in dem UN-Typ enthaltenen U und N unterscheiden sich von den ungemischten U und N also nur dadurch, daß sie zusammen innerhalb einer einzigen Informationseinheit (selbständiger, einfacher oder zusammengesetzter Satz) erscheinen. Als vierte Hauptgruppe endlich nenne ich die - in meinem Material nur relativ selten vorkommenden - Zitate (abgekürzt Z). Alle vier Hauptgruppen lassen sich dann weiter unterteilen in lokale Bearbeitungen und Kompilationen. Unter ersteren verstehe ich Umformulierungen, Neuformulierungen oder Zitate, die sich nur auf eine einzige zusammenhängende Primärtextpassage beziehen. Umgekehrt beziehen sich Kompilationen stets auf mehrere (mindestens zwei) nicht aneinandergrenzende Primärtextsegmente. Eine lokale Umformulierung liegt in (la) vor: Die Zieltextpassage bezieht sich hier auf eine einzige Primärtextpassage, und zwar die in der Überschrift genannten Autorennamen und die ersten vier Zeilen des Textes. Demgegenüber sind (2a) und (3a) kompilierte Umformulierungen: Hier beziehen sich die Zieltexte jeweils auf verschiedene, diskontinuierliche Primärtextpassagen, wie aus dem Apparat zu ersehen ist. - Der gleiche Unterschied findet sich auch bei den Neuformulierungen (N) und dem UN-Typ: So bezieht sich die Neuformulierung (4a) auf einen bestimmten Primärtextabschnitt, der über den abschwächenden Therapeuten handelt usw. Kompilierende Neuformulierungen integrieren dagegen ein bestimmtes Thema oder einen bestimmten Aspekt, der an verschiedenen Stellen des Primärtextes erwähnt oder abgehandelt wird, zu einer neuen Formulierung, wie in dem folgenden Beispiel (6): (6)
Grundlage dieser Beobachtungen sind wiederum die eingangs genannten Transkripte, die im weiteren Verlauf des Kapitels ausführlich zitiert und interpretiert werden. Z 5
Der hier angesprochene Aspekt 'Materialgrundlage' findet sich im Primärtext erstens im Zusammenhang mit den von den Autoren soeben referierten "Beobachtungen" und zweitens an späterer Stelle. Dazwischen finden sich Ausführungen über den Ort und die Zusammensetzung der Gruppen usw. Die bisher abgehandelten Formulierungstypen lassen sich in dem folgenden Baumgraphen veranschaulichen:
112
Dabei bedeuten: Zij:
lokales, d.h. nicht kompiliertes Zitat aus dem Primärtext, mit oder ohne Anführungsstriche
Zi^:
aus mehreren Primärtextsegmenten kompiliertes Zitat (kommt in den Belegen nicht vor)
UZij:
lokale Kombination von Umformulierung und lokalem Zitat (umgeformte und zitierte Primärtextpassagen beziehen sich auf ein zusammenhängendes Primärtextsegment)
UZi K :
kompilierte Kombination von Umformulierung und Zitat (umgeformte und zitierte Primärtextpassagen beziehen sich auf zwei voneinander getrennte Primärtextsegmente)
Uj:
lokale Umformulierung
U^:
kompilierte Umformulierung
UNj:
Kombination von Umformulierung und Neuformulierung, wobei die entsprechenden Primärtextsegmente aneinandergrenzen
UNK:
Kombination von Umformulierung und Neuformulierung, wobei die entsprechenden Primärtextsegmente nicht aneinandergrenzen
Nj:
lokale Neuformulierung (das Zieltextsegment bezieht sich auf ein einziges, zusammenhängendes Primärtextsegment)
N^:
kompilierte Neuformulierung (das Zieltextsegment bezieht sich auf mehrere, nicht zusammenhängende Primärtextsegmente)
Wie leicht zu sehen ist, sind diese Formulierungstypen auf einer Skala mit einem nach rechts zunehmenden Grad an Primärtextbearbeitung und damit auch, wenn man so will, an Abstraktheit angeordnet. In der mittleren Reihe links stehen die Zitate, rechts die Neuformulierungen, jeweils unterteilt in lokale (links) und kompilatorische Zitate bzw. Neuformulierungen. Dazwischen befinden sich dann, wiederum von links nach rechts geordnet, die Kombinationen von Um-
113 formulierung und Zitat, die reinen Umformungen und die Kombinationen von Umformulierung und Neuformulierung innerhalb je einer Informationseinheit. In welchem quantitativen Verhältnis stehen diese Gruppen und Untergruppen zueinander? Diese Frage ist deswegen interessant, weil zu vermuten ist, daß zwischen den in der Einleitung erörterten Voraussetzungen, die die einzelnen Versuchspersonen mitbringen, (und damit indirekt auch den Qualitätsunterschieden, Verstößen und der Inadäquatheit) und der Bevorzugung oder Vermeidung einzelner Formulierungstypen ein Zusammenhang besteht, der sich auch quantitativ beschreiben läßt. So scheint z.B. die Annahme plausibel, daß eine größere Erfahrung im Umgang mit wissenschaftlichen Texten und insbesondere mit Zusammenfassungen oder Abstracts mit einer Bevorzugung von Neuformulierungen und kompilatorischen Strategien korreliert und daß umgekehrt die mangelnde wissenschaftliche Erfahrung der Studenten dazu führt, daß sie eher Umformulierungen und lokale Strategien verwenden. Um zu ermitteln, wie oft die einzelnen Kategorien in unserem Korpus vorkommen, wurden die Zieltexte nach Ideeneinheiten segmentiert und jedes Segment einer der zehn Kategorien Zij, Zi^ usw. zugeordnet.2 Es ergab sich die folgende Verteilung: Zi,
z.K
UZi|
uz,k
L
K
UF,
11
2
4
3
4
1
27
U
1
U
UF
k
F
1
F
K
1
2
-
-
-
3
-
-
3
2
2
3
4
2
1
3
20
4
-
-
-
-
6
2
3
2
2
3
18
5
-
-
-
-
15
19
2
10
2
48
6
-
-
-
-
8
1
7
3
7
-
26
7
4
-
-
-
4
1
1
8
3
-
21
8
-
-
-
-
-
3
2
2
1
4
12
E
6
-
3
2
12
40
22
28
13
172
Tab. 3:
46
-
Absolute Häufigkeit 3
Den Begriff Ideeneinheit habe ich Chafes Terminus idea unit entlehnt (Chafe 1980a). Ich verstehe darunter einen verbalisierten Gedanken. Um bei der Abgrenzung der einzelnen Ideeneinheiten möglichst einheitliche Kriterien zu verwenden, habe ich hier grammatische Kategorien zugrunde gelegt und alle einfachen selbständigen Sätze und alle Teilsätze mit Ausnahme von restriktiven Relativsätzen als Ideeneinheiten gewertet. In etwa entspricht dies auch dem Verfahren der Illokutionstheoretiker bei der Abgrenzung von Illokutionen (Brandt/Rosengren 1991 mit weiterer Literatur). Der aus drei jeweils abgebrochenen Fassungen bestehende Text der Versuchsperson Z 2 blieb bei den Zählungen unberücksichtigt.
114 Reduktionsquotient
Anteil der Umformulierungen (in %)
Anteil der Neuformulierungen (in %)
Vp 1
30 %
66
34
3
18 %
53
47
4
8 %
58
42
5
31 %
53
47
6
15 %
54
46
7
40 %
56
44
8
9 %
42
58
55
45
G E S A M T Tab. 4:
Prozentuale Anteile der U m - und Neuformulierungen an der Gesamtzahl der Ideeneinheiten jeder Versuchsperson (ohne die Zitate: Z i | , Z i ^ , U Z i | , U Z i ^ ) mit den jeweiligen Reduktionsquotienten
Reduktionsquotient
Anteil der tungen (in %)
Anteil der kompiliertem Bearbeitungen (in % )
lokalen Bearbei-
Vp 1
30 %
78
22
3
18 %
50
50
4
8 %
61
39
5
31 %
92
8
6
15 %
85
15
7
40 %
57
43
8
9 %
25
75
72
28
G E S A M T T a b . 5:
Prozentualer Anteil lokaler und kompilierter Bearbeitungen an der Gesamtzahl der Informationseinheiten jeder Versuchsperson mit den jeweiligen Reduktionsquotienten
115 In der Tabelle 3 findet sich die Verteilung der Ideeneinheiten auf alle im Baumdiagramm (Bsp. 7) aufgeführten Kategorien. - Die Daten dieser Tabelle wurden in zwei weiteren Tabellen so dargestellt, daß die weitere Interpretation leichter verfolgt werden kann. Tabelle 4 informiert über die Verteilung von Neu- und Umformulierungen. Die absoluten Häufigkeiten der Tabelle 3 wurden bei jeder Versuchsperson in Bezug gesetzt zu der Gesamtzahl der Ideeneinheiten, in denen sie Neu- und Umformulierungen vorgenommen hat. Die so errechneten prozentualen Anteile erlauben es, der Tabelle 4 das Verhältnis von Neuformulierungen zu Umformulierungen zu entnehmen. Das bemerkenswerte Ergebnis ist leicht zu erkennen: Trotz sehr unterschiedlicher Reduktionsquotienten (die hier zur Erleichterung noch einmal abgedruckt wurden) ist das Verhältnis von Neuformulierungen zu Umformulierungen bei allen Versuchspersonen annähernd gleich. D.h. unabhängig davon, wie stark die Versuchspersonen den bearbeiteten Anteil des Primärtextes reduziert haben, bleibt das Verhältnis beider Formulierungstypen mehr oder weniger konstant. Damit ist auch die Annahme, daß die wissenschaftlichen Mitarbeiter im Vergleich zu den Studenten häufiger neuformulieren, vorerst falsifiziert. Bis auf Z 8 liegt der Anteil der Neuformulierungen zudem unter dem der Umformulierungen. Das ist umso bemerkenswerter, als die meisten Versuchspersonen ausdrücklich den Anspruch formulieren, den Primärtext in ihren eigenen Worten wiederzugeben. Aber selbst den im Schreiben von Zusammenfassungen erfahreneren wissenschaftlichen Mitarbeitern (Z 1, 4, 5 und 8) gelingt dies nur teilweise. Offenbar kann niemand auf Umformulierungen ganz und gar verzichten. Ich werde auf dieses Faktum, das der Erklärung bedarf, weiter unten zurückkommen. 4 Tabelle 5, die analog zu Tabelle 4 die lokalen vs. kompilierten Bearbeitungen enthält, gibt ein ganz anderes Bild vom Verhalten der Versuchspersonen. Zwar nahmen die Versuchspersonen mit Ausnahme von Z 8 mehr lokale als kompilierte Bearbeitungen vor. Die prozentualen Anteile zeigen jedoch ein weit weniger einheitliches Bild als die Tabelle 4. - Insgesamt kommen lokale Bearbeitungen etwa zweieinhalb mal so häufig vor wie Kompilationen, bei einzelnen Versuchspersonen ist das Verhältnis noch extremer (Z 5: mehr als 11 mal mehr lokale als kompilierte Bearbeitungen). Nur Z 8 bildet wieder eine Ausnahme. Die Annahme, daß die wissenschaftlichen Mitarbeiter insgesamt häufiger kompilieren als die Studenten, läßt sich jedoch ebenfalls nicht bestätigen. In Tabelle 4 wurde die Mischkategorie UN auf die beiden Kategorien U und N aufgeteilt. Dies rechtfertigt sich durch den Sachverhalt, daß der Kategorie UN solche Ideeneinheiten zugerechnet wurden, die eine Neuformulierung und eine Umformulierung enthalten. Diese Informationseinheiten wurden nun gewissermaßen 'halbiert' (aufgeteilt), indem die Neuformulierung der Kategorie N und die Umformulierung der Kategorie U zugerechnet wurde. Dies geschieht in der Absicht, die interessierenden Kategorien U und N quantitativ vergleichen zu können, was m.H. den Nachteil rechtfertigt, daß die insgesamt 62 Ideeneinheiten, die unter der Kategorie UN verbucht wurden, nun doppelt - nämlich unter der Kategorie N und U - gerechnet wurden. Da hier aber nur eine deskriptivstatistische Auswertung der Ergebnisse vorgenommen wird, bleibt dieser Vorgang ohne negative Folgen für die Interpretation.
116 Insgesamt werfen also die Ergebnisse der quantitativen Analyse mehr neue Fragen auf, als daß sie Lösungen anbieten. So ist vor allem der hohe Anteil an Umformulierungen und lokalen Bearbeitungen erklärungsbedürftig. Denn beides erscheint - auf den ersten Blick zumindest - kontraintuitiv: Die größere Textnähe, die sich in den Umformulierungen und den lokalen Verfahrensweisen abzeichnet, scheint dem Ziel einer vergleichsweise kurzen und zugleich informativen Zusammenfassung eher abträglich. Darüber hinaus überrascht aber auch das Ergebnis, daß die prozentualen Anteile von Um- und Neuformulierungen ein deutlich einheitlicheres Bild ergeben als die prozentualen Anteile von lokalen Bearbeitungen und Kompilationen. Dieses Ergebnis sollte ebenfalls erklärt werden. Ich nehme diese Fragen zum Anlaß, in den beiden folgenden Unterkapiteln der Frage nachzugehen, welche Strategien unsere Versuchspersonen anwenden, wenn sie Formulierungen produzieren und ob sich die "Planung" von Umformulierungen von der "Planung" von Neuformulierungen unterscheidet und wenn ja, wodurch.
5.2 Zur Genese von Umformulierungen Hierzu ist zunächst festzustellen, daß es zu einzelnen, konkreten Umformulierungen weitaus weniger Kommentare in den Interviews gibt als zu Neuformulierungen. Wenn sich gelegentlich Kommentare finden, dann bleiben sie vergleichsweise allgemein und beziehen sich so gut wie nie auf konkrete Stellen. Stattdessen reflektieren nahezu alle Versuchspersonen über die Schwierigkeit, sich vom Primärtext zu lösen. Dabei wird einerseits der Anspruch gestellt, den Aufsatz in eigenen Worten wiederzugeben, und es wird andererseits betont, daß es schwer sei, diesem Anspruch gerecht zu werden. Z 1 formuliert dies so: (8)
Ich habe versucht zu ändern, aber ich glaube, so ist das erstmal nicht gelungen, so daß ich dann doch Formulierungen übernommen habe ... Ich habe mich darüber geärgert, aber im nächsten Moment habe ich das doch gemacht, weil ich die Mühe scheute, neue Formulierungen zu finden. Z 1
Hier fällt auf, daß die Autorin nicht begründet, weshalb es notwendig ist oder besser gewesen wäre, den Primärtext zu ändern, wie sie es nennt, also sich von den vorgegebenen Formulierungen zu lösen. Genauso wie alle anderen Versuchspersonen sieht sie das offenbar als selbstverständlich an. Nur gelegentlich werden normative Vorstellungen ins Feld geführt, z.B. ein Originalitätsanspruch (Z 2 und Z 3) oder weil man es auf der Schule und Universität so gelernt habe (Z 8). Dagegen werden die Schwierigkeiten, den Text in eigenen Worten wiederzugeben, von den meisten Versuchspersonen ausführlich begründet: Bequemlichkeit (Z 1), Unsicherheit mit linguistischen Texten bzw. mit linguistischer Terminologie (Z 2, Z 5, Z 7), nicht ausreichende Fachkenntnis (Z 5) oder Verständnisschwierigkeiten (Z 8). Hat sich ein Autor dann schließlich einmal zu einer Neuformulierung durchgerungen, dann stellen sich schnell Zweifel ein, ob
117 der Primärtext damit auch richtig getroffen ist (z.B. Z 2 und Z 5). Mit Ausnahme von Z 4, der es laut Interview in Ordnung findet, Formulierungen des Aufsatzes zu benutzen, wird diese Anlehnung an die Vorlage offenbar generell als Mangel oder Unfähigkeit empfunden. Interessant ist nun, daß allen normativen Vorstellungen unserer Versuchspersonen zum Trotz auch in unseren Germanistik-Referaten, soweit sie hauptsächlich referieren, auf Umformulierungen und/oder Zitate nicht verzichtet wird. Neben den Gründen, die die Versuchspersonen für ihre Schwierigkeiten anführen, scheint es aber darüber hinaus auch objektive Gründe zu geben: Der Anspruch, sich von einem vorgegebenen Wortlaut zu lösen, ähnelt in mancher Hinsicht der in der Schreibforschung oft konstatierten Schwierigkeit, einen eigenen (oder auch fremden) Text "konzeptuell" zu ändern. Generell scheint es leichter zu sein, ein Textsegment in einzelnen Details umzuformulieren, etwa ein Wort durch ein anderes auszutauschen, eine komplizierte Konstruktion durch eine einfachere zu ersetzen, anstatt eine schon vorhandene konzeptuelle Struktur durch eine andere konzeptuelle Struktur zu ersetzen (Matsuhashi 1987, Rau, Diss., 1993). Die Frage, warum dies so ist, ist bis jetzt noch nicht abschließend geklärt. Für unseren Zusammenhang genügt es, auf die in etlichen Untersuchungen (s. Rau, Diss., 1993, mit zahlreichen Literaturhinweisen) immer wieder gemachte Beobachtung hinzuweisen, daß oberflächliche Änderungen gegenüber konzeptuellen vorgezogen werden. 5 Wir haben damit zwar eine Vermutung zur Schwierigkeit, Neuformulierungen zu erzeugen, formuliert, jedoch noch keine Aussagen zur Entstehung von Umformulierungen machen können. Da die Interviews, wie wir gesehen haben, hierzu wenig hergeben, scheint es schwierig, begründete Annahmen zu dieser Frage zu formulieren. Einen möglichen Hinweis können allerdings wiederum die Untersuchungen zu Revisionen liefern: Vergleicht man die Umformulierungen und deren Relation zu den entsprechenden Primärtextausdrücken mit den von Rau untersuchten Revisionen, dann zeigt sich eine auffällige Ähnlichkeit zwischen den Paaren Primärtextausdruck vs. umformulierter Zieltextausdruck und den Paaren Reparandum vs. Reparatur in Raus Material. Das folgende Beispiel, das zwei Substitutionen enthält, könnte auch, wenn man von der anderen Thematik und den anderen lexikalischen Einheiten absieht, aus unserem Korpus von Zusammenfassungen stammen: (9)
vb
s
auf Grund meiner Beanstandung des Anschließens der Waschmaschine am 13.1.1987 so watt schreib ich nich mhm sie haben am 13.1.1987 meine Waschmaschine angeschlossen also Sie hatten am 13.1.1987 meine Waschmaschine angeschlossen^
Die Unterscheidung von oberflächlichen und konzeptuellen Änderungen geht auf de Beaugrandes Dichotomie von sequentieller und konzeptueller Konnektivität zurück (de Beaugrande 1980). Die mit "vb" gekennzeichneten Zeilen, die der Niederschrift vorausgehen, bestehen aus Vorformulierungen und Reflexionen. Letztere sind kursiv gedruckt.
118 Die Änderungen finden sich hier erstens in der Vorformulierung und zweitens in der Niederschrift. Fordert man Schreiber im Experiment dazu auf, alle ihnen beim Schreiben durch den Kopf gehenden Gedanken laut auszusprechen, dann produzieren sie in einer Art von Probehandeln vor der Niederschrift häufig Äußerungen wie in Zeile 1-4 des vorliegenden Beispiels. Eine erste Formulierung wird in einer zweiten (und häufig auch dritten, vierten usw.) noch einmal revidiert, und zwar so lange, bis sie vom Schreiber als akzeptabel befunden und zu Papier gebracht wird (Keseling 1988a, Keseling/Wrobel/Rau 1987, Rau, Diss., 1993, Witte 1987, Wrobel, im Druck). Interessant ist in unserem Zusammenhang nun, daß in den von Rau untersuchten Wegbeschreibungen und Geschäftsbriefen sich nur 30 bzw. 15% konzeptuelle Änderungen finden, eine Tatsache, die die von Matsuhashi festgestellte Abneigung vieler Schreiber gegen konzeptuelles Ändern (hier allerdings auf Änderungen von bereits existierendem Text bezogen) bestätigt. Wenn man bedenkt, daß unsere Versuchspersonen beim Schreiben ihrer Zusammenfassungen kapitel- und abschnittweise vorgehen und daß sie, wie wir gesehen haben, bei der Planung einer jeden neuen Äußerung zunächst eine entsprechende Primärtextpassage fokussieren und erst dann ihre Niederschrift fortsetzen, dann wird deutlich, daß die Situation vor der Niederschrift einer Äußerung Ähnlichkeiten aufweist mit der Situation während der Vorformulierungsphase: Eine schon vorhandene Formulierung wird im Hinblick auf ihre Eignung für den endgültigen Text überprüft und dabei als veränderungsbedürftig befunden, nur mit dem Unterschied, daß es sich im einen Fall um eine zunächst nur verbal produzierte Formulierung und im anderen Fall um eine schriftlich vorliegende Formulierung handelt. Was dann mit dieser Äußerung weiter gemacht wird, scheint weitgehend dasselbe zu sein. Sie wird in den jeweils nächsten Platz hinter dem zuletzt produzierten Textsegment eingepaßt und entsprechend umformuliert. Wenn man außerdem bedenkt, daß dieser Vorgang größtenteils automatisch oder teilautomatisch abläuft (darauf gehe ich unten noch ausführlicher ein), dann scheint der Rückschluß gerechtfertigt, daß der Schreiber einer Zusammenfassung bei seinen Umformulierungen auf einen Mechanismus zurückgreift, den er bei der Textproduktion ständig verwendet und der ihm deshalb leichter fällt als die Neuformulierung. Wenn diese Vermutung zutrifft, dann hätten wir damit nicht nur die Frage beantwortet, warum beim Zusammenfassen vorzugsweise auf schon vorhandene Formulierungen zurückgegriffen wird, sondern auch einen Hinweis zur Genese von Umformulierungen gewonnen. Wie wir gesehen haben, wenden die Autoren hier offenbar ein Verfahren an, daß sie aus der Textproduktion allgemein und letztendlich auch aus den Reparaturen in mündlicher Kommunikation kennen (s. dazu Schegloff 1979, Schegloff/Jefferson/Sacks 1977 und Levelt 1983) und das sich, wenn man einmal von den Unterschieden zwischen der Produktion mündlicher und schriftlicher Äußerungen absieht, mit Gülich/Kotschi (1987) als Reformulierung kennzeichnen läßt: Der Sprecher bzw. Textproduzent greift hier in seinen Formulierungen auf schon vorhandene eigene oder fremde
119 Äußerungen zurück und konstruiert daraus Teile seines eigenen Beitrags, indem er die schon vorhandenen Redeteile paraphrasiert, korrigiert oder resümiert. Redeelemente dieser Art unterscheiden sich nun von nicht reformulierender Rede offensichtlich dadurch, daß hier eine eigene 'Erstformulierung' fehlt und daß dementsprechend bei den 'Zweitformulierungen', den Reparaturen also, nicht eine eigene, sondern eine fremde Formulierung modifiziert wird. Dieser Unterschied wird allerdings erst im Zusammenhang mit den im siebten Kapitel zu erörternden allgemeinen Bedingungen zur Produktion von Formulierungen richtig verständlich.
5.3 Zur Genese von Neuformulierungen Wie kommen Neuformulierungen zustande? Anders als bei den Vorformulierungen gibt es hier keine Oberflächenstrukturen, an die der Textproduzent mit seinen Veränderungsoperationen anknüpfen könnte. Vielmehr müssen wir uns den hier ablaufenden Prozeß als eine 'Rückübersetzung' von Primärtextformulierungen in Gedanken vorstellen, die dann in einem nächsten Schritt wieder in Formulierungen umgesetzt werden, und zwar in solche, die vom Wortlaut der Primärtextäußerung unabhängig sind. Beide Prozesse sind nicht beobachtbar. Allerdings verfügen wir über Daten anderer Art, die in diesem Zusammenhang herangezogen werden können. Dies sind einmal die aus dem Vergleich unserer Zusammenfassungen mit den Germanistik-Referaten gewonnenen Hinweise über das Textmusterwissen unserer Autoren und zum anderen die Interviews. Zum Textmusterwissen äußert sich Wrobel im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen zur Makroplanung. Er unterscheidet dort zwischen "datengeleiteten" und "schemageleiteten" Verfahren. Datengeleitet prozedierende Autoren halten sich nach Wrobel vergleichsweise eng an die Vorlage, während die schemageleitet prozedierenden Schreiber auf ihr "Wissen über die allgemeinen Formen und Funktionen von wissenschaftlichen Aufsätzen und von Zusammenfassungen" zurückgreifen und auf diese Weise in der Lage sind, sich stärker vom Wortlaut des Primärtextes zu lösen und die "Primärtextinformationen mit eigenem, vorgängigem Wissen [zu] integrieren" (Wrobel, im Druck, Kap. 6.3.1.5). Dieser Unterschied zwischen daten- und schemageleiteten Strategien könnte nun auch Unterschiede im Formulierungsverfahren nach sich ziehen, derart daß die Autoren bei schemageleiteter Verfahrensweise das lexikalische und/oder syntaktische Material eher aus ihrem Lexikon als aus dem Primärtext beziehen. Die schemageleitet prozedierenden Schreiber würden dann ganz einfach auf ihr Textmusterwissen zurückgreifen, während die datengeleitet vorgehenden sich auf das im Primärtext fixierte Textmusterwissen verlassen und dieses für ihren eigenen Text aus dem Primärtext entlehnen. Daß dies zumindest teilweise so ist, wird deutlich, wenn wir uns die Neuformulierungen näher ansehen und untersuchen, an welchen Stellen die Autoren vorzugsweise neu formulieren. Betrachten wir dazu noch einmal (5 a-b). Wie oben ausgeführt, ist die Entsprechung von Vorlage und Zieltext hier überwie-
120 gend inhaltlicher Art; zumindest für Anfang und Schlußteil dieser Passage dürfte es schwer fallen, diese Beziehung formal zu definieren. Unter Hinzuziehung von Alltagswissen usw. scheint allerdings die Behauptung plausibel, daß (5a) aus dem Primärtext erschlossen werden kann: Wenn die Primärtextautoren schreiben, daß abgeschwächte Therapeutenäußerungen in den von ihnen untersuchten Gesprächstherapien charakteristischerweise in zwei Typen von Interaktionsschemata vorkommen, dann kann daraus abgeleitet werden, daß sie dies auch beobachtet oder untersucht haben, wie es im Zieltext heißt. Mit dieser Formulierung greift der Zieltextautor auf sein Textmusterwissen zurück und produziert mit Hilfe der im Kapitel 4.4.4 beschriebenen KOPFHINZUFÜGUNG einen Kopfausdruck. Genauer gesagt: Der Schreiber gliedert seinen Text in der Weise, daß er - trivialerweise - in den einzelnen Abschnitten aufführt, was die Primärtextautoren beobachtet bzw. untersucht haben. Er verwendet also Ausdrücke vom Typ wurde (n) beobachtet, untersucht, aufgeführt, festgestellt als Elemente von Kopfausdrücken, von Ausdrücken also, die dazu dienen, die einzelnen Abschnitte (Skripteinheiten) einzuleiten und deren Beginn auf diese Weise kenntlich zu machen. Das hier zugrundeliegende Textmusterwissen zeichnet sich nun durch zwei Merkmale aus: es ist erstens vergleichsweise allgemein: Bestimmte Typen von Zusammenfassungen sind normalerweise in dieser Weise angelegt. Und zweitens bestehen die hier vorliegenden Kopfausdrücke aus formelhaften Wendungen mit einem vergleichsweise kleinen Vokabular, das dem allgemeinen Wissenschaftsjargon angehört und das daher rasch erlernbar ist. So kann es nicht verwundern, wenn alle Versuchspersonen Neuformulierungen dieser Art produzieren. Das hier praktizierte Verfahren beinhaltet nichts anderes als einen stereotyp durchführbaren praktischen Schluß und einen Rückgriff auf allgemeinstes Textmusterwissen zu Zusammenfassungen, das alle acht Versuchspersonen zu beherrschen scheinen, wie die folgende (alphabetisch geordnete) Liste der entsprechenden Ausdrücke zeigt: (10)
WJ-Ausdrücke in den Zieltexten der Versuchspersonen Z 1 und Z 3-8 In einem abschließenden Abschnitt (Z 5) den Abschluß bildet _ ( Z 4) werden angeführt (Z 5) wird angemerkt (Z 5) im Anschluß an diese (Z 5) wird angesprochen (mehrfach Z 5) werden aufgelistet (Z 3) wird im folgenden weiter ausgeführt Z 5 wurden beachtet (Z 6) Mit bedacht wird dabei (Z 5) sind benannt (2mal Z 4) Der Artikel benennt (Z 4) sind beobachtet worden (Z 8) die Beobachtung (Z 7) Im besonders interessierenden Bereich der (Z 8) beschließen den Artikel (Z 8)
121 beschränken sich die Verfasser auf (Z 4) werden besprochen und interpretiert (Z 5) Hier wird deutlich (Z 7) Die Untersuchungen machen deutlich (Z 7) (ebd.) (Z 7) Der konkrete Erfahningsrahmen von (Z 8) um erfassen zu können (Z 5) Das Ergebnis wird (Z 5) Hierbei wurde festgestellt, daß (Z 6) konnte man feststellen, daß (Z 6) Dem/diesem/diesen usw. folgt (mehrfach Z 5) Dazu werden gefordert (Z 5) (Z 3) soll die Frage geklärt werden, in welchen sollen weitergehende Fragen für entwickelt bzw. angelegt werden (Z 7) Die Fragestellung war nun (Z 6) wurden gefunden (Z 6) geht es um (Z 3) Es geht dabei um (Z 7, Z 8) gehen auf ein (Z 5) Jedoch geht es hier nicht um , sondern es geht um (mehrfach Z 7) Grundlage dieser sind (Z 5) Es sei daraufhingewiesen, daß (Z 1) Im Mittelpunkt ihres Interesses stehen (ZI) In dem anschließenden/folgenden Kapitel (mehrfach Z 5) um anschließend konstruieren zu können (Z 7) Methodisch wird so vorgegangen, daß (Z 7) und ihr [i.e. der ersten Frage] wird nicht weiter nachgegangen (Z 3) Als werden genannt: (Z 5) wird problematisiert (Z 5) Hauptpostulat ist dabei (Z 5) wird referiert (Z 5) ziehen daraus den Schluß, daß (Z 3) Auffälliger Unterschied: _ (Z 8) Untersucht werden soll (Z 5) (Z 5) die Überlegungen zu Am umfangreichsten sind dabei (Z 5) _ umfaßt _ (Z 5) ist zu umschreiben als (Z 5) untergliedern die Autoren ihr Vorgehen in (ZI) Untersucht wurde zunächst (Z 6) Weiterhin wurde untersucht, in welchen (Z 6) Sie stellen dabei in den Vordergrund, daß (Z 6) Hier werden vorgeschlagen (mehrfach Z 5) Vorschläge für (Z 5) Ziel solcher ist es (Z 7) wenden sich die Autoren zu (Z 1) Wir können also festhalten, daß in den WJ-Formulierungen, w i e ich sie von jetzt an nennen will, zwar keine auf dem Papier vorliegenden Primärtextpassagen umgeformt werden, daß die Autoren hier aber WJ-Ausdrücke, s o w i e sie sie im Verlauf ihres Studiums und ihrer Wissenschaftspraxis gelernt haben, ver-
122 wenden. Die Genese dieser Formulierungen ist der Genese der Umformulierungen offenbar nicht ganz und gar unähnlich: Statt auf eine Primärtextpassage scheinen die Autoren hier auf ihr Textmusterwissen zurückzugreifen und daraus geeignete WJ-Ausdrücke zu selektieren, um diese in einem nächsten Schritt für ihren Zieltext so umzuformen, daß sie inhaltlich und formal passen. Oder konkreter gesagt: In dem Textmusterwissen unserer Versuchspersonen ist so etwas wie eine Normalform von Zusammenfassung enthalten, zu der auch eine endliche und nicht zu große Menge teilweise geordneter WJ-Ausdrücke gehört. Aus diesen WJ-Ausdrücken, die Leerstellen enthalten, wählen sie nach Bedarf einen zu der geplanten fachspezifischen Aussage passenden WJ-Ausdruck aus und formen ihn dabei so um, daß er zu der fachspezifischen Aussage paßt. Wie verhält es sich mit den Neuformulierungen, die keine WJ-Formulierungen sind? Greifen die Versuchspersonen auch hier auf ein Musterwissen zurück? Und wenn ja, welche Textsorten könnten es sein, aus dem sie ihr Musterwissen beziehen? - Betrachten wir die folgenden Beispiele. (11)
... daß die abschwächung ihrerfunktion nach ... - eher ein angebot [an den Patienten] ist, sich auf sein thema zu konzentrieren Z 6
(12)
... unter folgenden Fragestellungen: 1) In welchen Kontexten und Situationen werden welche Äußerungen als abgeschwächt interpretiert? oder Wie erkennt man Abschwächungen ? 2) Welche abgeschwächten Außeningen dienen in welchen Interaktionskontexten zur Realisierung solcher interaktiven Funktionen? oder Wann treten welche Abschwächungen auf und mit welcher Funktion? Z 1
(13)
Pragmatische, nicht (laut-)sprachliche Elemente der Rede, wie z.B. der situative Kontext sind bei Bewertung der Abschwächung zu berücksichtigen Z 8
Vergleicht man diese Neuformulierungen - sie sind kursiv gedruckt - mit den oben aufgelisteten WJ-Ausdrücken, dann wird deutlich, daß es im Gegensatz zu den WJ-Ausdrücken schwierig ist, sie einer einzigen, gut definierbaren Textsorte zuzuordnen. Zwar fallt in allen drei Beispielen eine gewisse Verwandtschaft mit dem Primärtext ins Auge, aber es ist sehr die Frage, ob sich diese Verwandtschaft nicht in erster Linie auf den gemeinsamen Gegenstand anstatt auf die Sprache gründet. Denn in sprachlicher Hinsicht beschränkt sich die Relation von Zieltext zu Primärtext hier lediglich auf einige Fachausdrücke wie Abschwächung(en) in allen drei Beispielen und Kontext in (13), und schon die syntaktischen Kombinationen, in die diese Termini eingehen, sind im Vergleich zum Primärtext neu. Alle übrigen Inhaltswörter gehören entweder einem Allerweltsvokabular an (Angebot, Thema, sich konzentrieren in (11), erkennen und auftreten in (12)), oder es sind diskursanalytische oder allgemeinlinguistische Fachwörter (Funktion in (12) und pragmatisch, (laut)sprachlich, Elemente, Rede, situativ in (13)).
123 Mindestens die Herkunft der Wortkombinationen, und darum geht es hier allein, muß also einstweilen offenbleiben, und der Versuch, sie wie die WJAusdrücke einem bestimmten und vergleichsweise homogenen Textmusterwissen (Textmuster 'Zusammenfassung' oder Textmuster 'linguistischer und/oder diskursanalytischer Fachtext') zuzuorden, muß vorläufig als gescheitert angesehen werden. Die Frage nach ihrer Genese läßt sich auf diese Weise nicht klären. Darüber hinaus erscheint es auch zweifelhaft, ob die Strategie, die die Autoren bei der Erzeugung dieser FS-Ausdrücke anwenden, als schemageleitet im Sinne von Wrobel (a.a.O.) angesehen werden kann: Betrachtet man die Belege genauer, dann wird deutlich, daß die Autoren hier gerade nicht wie bei der Produktion der WJ-Ausdrücke auf ein mehr oder weniger festes Schema zurückgreifen, das sie aus dem Gedächtnis abrufen, und daraus mit Hilfe einer Umformungsprozedur einen Ausdruck ihres Zieltextes bilden, sondern daß sie zwar den Inhalt (oder inhaltliche Aspekte) einer Primärtextpassage übernehmen, jedoch nicht spezifische Wortkombinationen. Diese, so können wir bis zum Nachweis des Gegenteils folgern, sind ihre eigene Kreation. An den Beispielen (11) bis (13) wird dies deutlich: Die Eigenleistung der Autoren besteht hier darin, daß nicht nur die syntaktischen Kombinationen von Inhaltswörtern von ihnen selbst stammen, sondern auch die Zuordnung dieser Wortkombinationen zu den (aus dem Primärtext entweder übernommenen oder abgewandelten) Bedeutungen. Genau dadurch unterscheiden sich diese Neuformulierungen von den Umformulierungen, wie sich besonders gut am Beispiel (12) verfolgen läßt: Dieser Zieltextausschnitt bezieht sich auf die in (14) abgedruckte Primärtextpassage. (14)
... in zwei Teilschritten angegangen werden: - Die Formulierung von (Interpretationsregeln), in denen präzisiert wird, welche Äußerungen in welchen Kontexten und Situationen als "abgeschwächte" interpretiert werden. - Die Formulierung von Regeln, in denen präzisiert wird, welche abgeschwächten Äußerungen in welchen Interaktionskontexten zur Realisierung welcher interaktiven Funktion(en) dienen. A 80ff.
Die Schreiberin gibt hier die im Primärtext ausgedrückten Fragestellungen jeweils zweimal wieder, einmal als Umformung und einmal in ihren eigenen Worten. Im Interview kommentiert sie ihre jeweils erste Formulierung als noch zu nah am Text und auch noch zu wenig verständlich. Man könne das eben noch einfacher formulieren. Und deswegen habe sie den Zusatz noch gemacht. Beachten wir, daß sie schon in den beiden Umformulierungen den Primärtext vereinfacht, dabei aber die syntaktische Konstruktion weitgehend bewahrt hat. In dem jeweiligen Zusatz vereinfacht sie dann noch ein zweites Mal, diesmal jedoch so, daß als Resultat weitgehend veränderte syntaktische Konstruktionen mit anderen Verben, anderen indirekten Fragewörtern und - im zweiten Zusatz - mit einer zusätzlichen Präpositionalphrase entstehen und daß dabei auch die Bedeutungen modifiziert werden. Der Gewinn an Einfachheit wird dabei mit einem Verlust an Präzision bezahlt. - All dies gilt auch für (11) und (13) sowie
124 für etliche weitere (hier nicht zitierte) Fälle, nur mit dem Unterschied, daß den Neuformulierungen hier keine Umformulierungen der gleichen Primärtextpassage vorausgehen. Die Frage, wie Neuformulierungen zustande kommen, ist damit allerdings immer noch nicht beantwortet, und im Moment scheint es eher so, als sei diese Frage auch gar nicht zu klären. Beantwortet haben wir lediglich, wie Neuformulierungen offenbar nicht zustande kommen, nämlich durch den Rückgriff auf ein definierbares Textmusterwissen. Weder scheint es so zu sein, daß unsere Versuchspersonen sich hier an Formulierungen des Primärtextes anlehnen, noch greifen sie hier, wie wir gesehen haben, auf die WJ-Ausdrücke des Textmusters 'Zusammenfassung' zurück. Welche Informationen können die Äußerungen in den Interviews hierzu liefern? Eine Durchsicht aller Interviews ergab, daß sich die Autoren besonders oft und ausführlich zu ihren Neuformulierungen äußern. Während die meisten Umformulierungen und die Verwendung ihrer WJ-Ausdrücke nur beiläufig erwähnt werden, scheinen unsere Schreiber über einige Neuformulierungen so intensiv nachgedacht zu haben, daß sie in der Lage waren, ihre Gedanken beim Schreiben im Recall-Interview zu erinnern, wie sich bereits am Beispiel (12) gezeigt hat. Zwar äußert sich die Autorin hier nicht zum Wortlaut oder zur Struktur ihrer Formulierung, dafür aber zu dem Anlaß, nämlich der Unverständlichkeit ihrer vorausgehenden, sich noch zu eng an den Primärtext anlehnenden Formulierung. Es genügt der Versuchsperson offenbar nicht, den Primärtext nur umzuformulieren, da die Passage dann immer noch unverständlich bleibt. Betrachten wir jetzt eine weitere Neuformulierung: (15)
Der Artikel benennt die sprachlichen
Möglichkeiten
zur Abschwächung
Z 4, 8f.
Dazu kommentiert der Schreiber: Die Idee zu der Neuschöpfung sprachliche Möglichkeiten ... sei ihm gekommen, als ihm bewußt geworden sei, daß die Überschrift dieses Abschnitts "Zur Interpretation von Abschwächung" heiße, daß es sich hier aber eigentlich nicht um eine Interpretation handele, sondern, wie er sagt, um eine Aufzählung von Möglichkeiten, wie man sprachlich abschwächen kann. (Als Altgermanist ist dem Autor offenbar die linguistische Bedeutung von "interpretieren" unbekannt). Auch hier ist der Anlaß der Neuformulierung also ein Ungenügen des Primärtextes, diesmal nicht Unverständlichkeit, sondern das Vorhandensein eines falschen oder irreführenden Terminus, der nach Ansicht des Schreibers durch einen anderen zu ersetzen ist. Ähnliches finden wir auch in dem folgenden Beispiel: (16)
sie stellen dabei in den Vordergrund, daß "abschwächen" ein interaktives verhalten ist. Z 6, 5f.
Die Neuformulierung interaktives verhalten ist im Zieltext unterstrichen. Beim Betrachten dieser Stelle auf dem Bildschirm schmunzelt der Verfasser. Daraufhin angesprochen sagt er, er habe hier das Wort interaktiv schon unterstrichen, bevor er das zugehörige Substantiv verhalten überhaupt gefunden habe. Er habe überlegt, daß er jetzt das schreiben müsse, was den Primärtextautoren im
125 Gegensatz zur vorgängigen Partikelforschung wichtig sei: Und da kam ich auf dieses "interaktive Verhalten", fährt er dann fort, und da dachte ich, daß es das eigentlich ist, was der ganze Ausschlag für diese Untersuchung ist, weil sie eben dafür auch Regeln aufstellen wollen und da dachte ich, das muß auf jeden Fall unterstrichen werden ... Also ich merkte, als ich "interaktiv" schrieb, ja, das triffts irgendwie gut und das muß erstmal unterstrichen werden. Und da habe ich den Strich schon verfolgt so. Ich war auch wirklich überrascht, daß "Verhalten" ganz genau darüber paßte, daß es nicht zu lang oder zu kurz war. Aus dieser Äußerung läßt sich Mehreres entnehmen: Erstens: Der Niederschrift des Ausdrucks interaktives verhalten gingen offenbar Reflexionen über den Anlaß oder die wichtigste Aussage des Primärtextes voraus, wofür dem Autor jedoch anfänglich die geeigneten Worte fehlten. Zweitens: Diesen Überlegungen folgte dann der Einfall interaktiv, aber offenbar noch ohne das Substantiv verhalten, das dem Schreiber erst etwas später, nachdem er bereits die Linie gezogen hatte, einfiel. Drittens: Beide Einfälle erzeugten bei dem Autor ein Gefühl von Befriedigung (ja das triffis irgendwie gut und ich war überrascht, daß "Verhalten" ganz genau darüber paßte). Der Prozeß der Erzeugung von Neuformulierungen scheint sich demnach in drei entweder aufeinanderfolgenden oder sich teilweise überlappenden Phasen abzuspielen: 1) einer Reflexionsphase, in der die Autoren darüber nachdenken, was sie als nächstes schreiben wollen und wie sie dies am besten tun, 2) einem oder mehreren Einfällen für die Formulierung. Besteht die endgültige Formulierung aus mehreren Wörtern, wie in (16), dann müssen diese nicht in einem einzigen Einfall hervorgebracht werden, sondern zwischen den Einfallen können erneute Reflexionsphasen eingeschoben werden. 3) Fakultativ kann als Abschluß ein Gefühl der Befriedigung o.ä. folgen. In Anlehnung an die Tätigkeitstheorie von A.N. Leontjev, Galperin und Nachfolgern nenne ich Phase 1) die Orientierung und Phase 2) die Ausführung. Phase 3) könnte Ausdruck einer hier nicht weiter behandelten Kontrollphase sein. Wichtig für die Frage der Entstehung von Neuformulierungen ist der Zusammenhang zwischen den beiden ersten Phasen. Wie leicht zu sehen ist, wird Phase 2) durch Phase 1) vorbereitet, indem ein Ziel ins Auge gefaßt und über Mittel zur Erreichung dieses Ziels nachgedacht wird. Für Z 1 in (12) ist das Ziel eine verständlichere Formulierung, für Z 4 in (15) eine im Vergleich zum Primärtext sachlich richtigere Formulierung und für Z 6 in (16) eine Formulierung, die in einem Teilsatz das wichtigste Anliegen der Primärtextautoren zusammenfaßt. Auffällig ist nun, daß sich die Autoren über die Mittel zur Erreichung ihres Formulierungsziels nur sehr vage oder indirekt äußern: Z 1 spricht von einem Zusatz, den sie machen will und der dann einfacher sein soll. Für Z 4 scheint die Formulierung eher ein Zufallsprodukt zu sein, das - im Interview - innerhalb der Reflexion über die (angeblich) falsche Verwendung von Interpretation auftaucht (keine Interpretation, sondern eine Aufzählung von Möglichkeiten, wie man sprachlich abschwächen kann). Unerwähnt bleibt dabei, daß ihn eben diese Reflexion darauf gebracht hat, Interpretation durch sprachliche Möglichkeiten zu ersetzen. Nur Z 6 bezieht sich explizit auf seine Formulierung. Aber auch hier stellt der Verfasser die Genese seiner
126 Neuformulierung als Einfall dar, der ihm mehr oder weniger unvermittelt gekommen ist. Einen Suchprozeß scheint es nicht gegeben zu haben. Dieser letzte Punkt ist offenbar zentral. Wann immer unsere Versuchspersonen im Interview über Neuformulierungen sprechen, wird deutlich, daß diese als Einfall hervorgebracht werden. Sie werden nicht geplant, sondern allenfalls vorbereitet. Andererseits entstehen sie nicht aus dem Nichts, sondern ihre Entstehung ist eng verbunden mit den Inhalten der vorausgehenden Reflexion und der Lösung des Problems, mit der die Versuchsperson gerade befaßt ist, wobei dieses Problem nicht immer ein Formulierungsproblem sein muß. Bestimmte Gedanken aus der Reflexion werden verbalisiert und erscheinen dann auf dem Papier als Neuformulierung oder als Teil davon, ohne daß dies im Interview explizit erwähnt wird.
5.4 Umformulierung und Neuformulierung - zwei grundsätzlich unterschiedliche Formulierungstypen? Wodurch unterscheidet sich nun die Genese von Neuformulierungen von der Genese von Umformulierungen? Wenn man davon ausgeht, daß auch Umformulierungen durch eine Reflexionsphase eingeleitet werden (wobei einstweilen offenbleiben muß, welche Inhalte diese Phase im einzelnen enthält), dann unterscheiden sich die beiden Produktionsprozesse nicht nur durch die Ausführung, sondern auch durch die Orientierung. Diese ist offenbar nur am Anfang (bei der Fokussierung einer (oder mehrerer) Primärtextpassagen) in beiden Fällen gleich. Sobald aber die Entscheidung gefallen ist, ob die Primärtextpassage umgeformt oder neuformuliert werden soll, unterscheiden sich die beiden Prozesse: Die Produktion des U-Ausdrucks besteht in erster Linie aus syntaktischen, semantischen und textuellen Operationen an dem bereits vorhandenen Textsegment, während bei der Neuformulierung der sprachliche Ausdruck überhaupt erst gefunden werden muß. Wie wir gesehen haben, geschieht dies weitgehend indirekt: Aus gedanklichen Elementen der Orientierung werden scheinbar unvermittelt Formulierungen, über deren Herkunft wir allerdings nur spekulieren können. Wichtig ist aber, daß die Orientierungsphase bei der Produktion von Neuformulierungen eine ganz andere Rolle spielt als bei der Produktion von Umformulierungen. Bei den letzteren bezieht sich die Orientierung weitgehend auf schon vorhandene sprachliche Einheiten, die dann den Input für die Umformungsoperationen bilden, während bei den Neuformulierungen die Orientierung zu einem weitaus größeren Teil mental ist. Mit der Orientierung ist hier zugleich eine Distanzierung verbunden: Indem der Schreiber unabhängig von vorgegebenen Formulierungen neu formuliert, distanziert er sich außerdem auch von vorgegebenen gedanklichen Entitäten und erreicht gerade dadurch, daß ihm neue Formulierungen einfallen. Ähnlich wie beim Umformulieren greifen die Schreiber offenbar auch hier auf ein Verfahren zurück, daß sie beim Ändern gelernt haben: Wie Matsuhashi/Gordon (1985) in einem Experiment nachweisen konnten, fällt es ungeübten Schreibern normalerweise schwer, Textsegmente
127 konzeptuell zu ändern; bedeutungsverändende Revisionen nahmen jedoch signifikant zu, wenn die Schreiber einen Text ändern sollten, ohne diesen dabei vor Augen zu haben. Die zu Anfang dieses Kapitels aufgeworfene Frage, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, eine für alle Formulierungen geltende Erzeugungsstrategie anzunehmen, muß also zunächst eher negativ beantwortet werden: In Zusammenfassungen scheint es mindestens zwei in allen wesentlichen Details von einander abweichende Strategien zu geben. Und wenn man die - ebenfalls 'neu' formulierten WJ-Ausdrücke hinzunimmt, dann haben wir es sogar mit drei Verfahren zu tun. Als Zwischenergebnis können wir dann feststellen, daß die hauptsächliche Quelle für Umformulierungen der Primärtext ist, daß neuformulierte WJ-Ausdrücke vorrangig aus dem Textmusterwissen bezogen werden und daß für fachspezifische Neuformulierungen mindestens zwei Quellen anzunehmen sind: der Primärtext und das enzyklopädische Sprachwissen der Autoren, die je nach dem Maß und der Art ihres linguistischen, konversationellen, therapeutischen und sonstigen Wissens, in der Lage waren, die fachspezifischen Aussagen des Primärtextes so mit ihrem Vorwissen zu integrieren, daß sie mit diesem qualitativ neuen Wissen auch sprachlich umgehen konnten, die einen mehr, die anderen weniger. Ich werde in Kapitel 7 noch einmal auf dieses Problem zurückkommen. Wie werden diese drei Typen von Sprachwissen nun im Verlauf der Textproduktion verarbeitet? Oder etwas weniger anspruchsvoll formuliert: Stehen die drei Formulierungstypen und deren vermutliche Genese im Einklang mit den im Kapitel 4.4 formulierten Annahmen zum Textproduktionsmodell und insbesondere den Veränderungshandlungen? Wenn wir dazu noch einmal das Schema in Abb. (10) von Kapitel 4.4 und die Tabelle 2 heranziehen, dann wird deutlich, daß in unserem Modell vor allem noch die Schritte in einigen Details unspezifiziert geblieben sind: Für die Um- oder Neuformulierung einer zuvor ausgewählten Primärtextpassage haben wir zwar Prinzipien rekonstruiert, jedoch nur für die gedanklichen Vorstufen der endgültigen Formulierungen, aber noch nicht für die Ausfüllung der Plätze mit lexikalischem Material. Mit anderen Worten: Um unser Modell zu vervollständigen, müßten wir die Mechanismen beschreiben, mit denen die für die höheren Ebenen beschriebenen Veränderungen syntaktisch, lexikalisch, morphologisch usw. konkretisiert werden, ein Vorhaben, das allerdings eine Untersuchung für sich erfordern würde, so daß ich mich hier mit einigen allgemeineren Bemerkungen begnügen muß. Für Umformulierungen scheint folgendes zu gelten: Die Veränderungen, mit denen ein Primärtextsegment in ein Zieltextsegment umformuliert wird, operieren auf Oberflächenstrukturen des Primärtexts; diese werden gemäß den im Zusammenhang mit den Veränderungshandlungen PERSPEKTIVENWECHSEL, VERSACHLICHUNG und VEREINFACHUNG ausgeführten Prinzipien umformuliert, und zwar so, daß ein Teil der lexikalischen Einheiten und Fragmente der textuellen und syntaktischen Struktur erhalten bleiben. Die dabei wirksamen syntaktischen Regeln sind hauptsächlich Hinzufügungen, Tilgungen und Substitutionen. Neuformulierungen operieren demgegenüber nicht (oder höchstens zu einem
128 kleinen Teil) auf Oberflächenstrukturen des Primärtextes, sondern auf den diesen zugrundeliegenden Konzepten. Da sich über deren Struktur und Repräsentationsformen nur wenig gesicherte Aussagen machen lassen, lassen sich auch keine grammatischen Veränderungsregeln postulieren. Dieser Teil unseres Modells muß also offenbleiben. Sehr wohl lassen sich allerdings Aussagen darüber machen, welche Prozesse den als Einfall hervorgebrachten Formulierungen vorausgehen, nämlich Überlegungen zu einem noch ungelösten Problem (z.B. verständlichere oder sachlich richtigere Formulierung, zusammenfassende Formulierung des wichtigsten Anliegens der Primärtextautoren), das sich dann ohne strategische Überlegungen wie von selbst durch den Formulierungseinfall löst. Ich werde auf diesen ganzen Problemkomplex im siebten Kapitel ausführlich zurückkommen. Neu formulierte WJ-Ausdrücke, die, wie wir gesehen haben, weitgehend aus dem Textmusterwissen bezogen werden, werden mit um- oder neuzuformulierenden Primärtextausdrücken kombiniert, und genau dies macht den Sonderstatus der WJ-Ausdrücke aus. Die in (10) aufgeführten Ausdrücke haben größtenteils eine Vertextungsfunktion. D.h. sie dienen unter anderem dazu, die aus dem Primärtext herausgelösten und/oder reduzierten Ausdrücke in eine neue Textstruktur, die Textstruktur einer Zusammenfassung, zu bringen und für die Kohärenz der einzelnen Aussagen zu sorgen. Diese Aufgabe erfüllen die WJ-Ausdrücke nicht nur in unseren Zusammenfassungen, sondern in Zusammenfassungen ganz allgemein, und unsere Versuchspersonen haben sie sich offenbar genau in dieser Funktion angeeignet. So gesehen bilden die (teilweise geordneten) WJAusdrücke so etwas wie ein Gefäß oder eine Form, in die das im Primärtext angeeignete Fachwissen eingepaßt und umgeformt wird und in der dieses Wissen auch transportiert werden kann. Textmuster können deshalb auch als ein Mittel zur Aneignung und Weitergabe von Fachwissen (oder verallgemeinert Weltwissen) angesehen werden.
6. Abweichungen
Wie in der Einleitung ausgeführt, sollte eine Theorie der schriftlichen Textproduktion unter anderem die Prozeduren abbilden, die ein geübter und sachkundiger Schreiber anwendet, um "akzeptable" Äußerungen zu produzieren und "normale" Äußerungen zu vermeiden. Wenn die Aussagen meiner Modellskizze adäquat sind, sollte es also möglich sein, abweichende Textsegmente als Verletzung von Prinzipien oder Regeln des Modells auszuweisen. Um diesen Nachweis zu führen, befasse ich mich im folgenden mit den - nicht übermäßig zahlreichen - textuellen und prozeduralen Abweichungen unserer Versuchspersonen. Die Analyse und Klassifikation typischer Fehler soll dazu dienen aufzuzeigen, welche Regeln oder Prinzipien hier verletzt worden sind. Die Fehleranalyse ist dann zugleich so etwas wie ein Test für bestimmte Aspekte meiner Modellskizze.
6.1 Sprachliche und inhaltliche Abweichungen Ich unterscheide hier sechs Typen von Abweichungen: [1] [2] [3] [4] [5] [6]
Fehler oder Ungenauigkeiten in der Syntax Fehler oder Ungenauigkeiten bei der Wortfindung Kohärenzfehler Verstöße gegen sonstige textuelle Regeln Inhaltliche Fehler Übermäßige Redundanz in der Darstellung
Diese Einteilung ist vorläufig. Es wird sich zeigen, daß mit den meisten syntaktischen und lexikalischen Abweichungen auch Verstöße gegen Textregeln verbunden sind. Die einzelnen Fehlertypen schließen sich also nicht gegenseitig aus.
6.1.1
Fehler oder Ungenauigkeiten in der Syntax
Die insgesamt nicht zahlreichen Fehler dieser Art sind meistens nicht sinnentstellend, sondern lassen sich eher als Verstöße gegen syntaktische Normen klassifizieren: Typische Beispiele sind: (1)
Weiterhin wurde die rolle des abschwächenden therapeuten untersucht & in welchen interaktionsmustern sich eine abschwächung manifestiert. Z 6
130 (2)
Methodisch wird so vorgegangen, daß zunächst solche Phänomene beschrieben werden, um dann ihre interaktive Funktion bestimmen zu können, mit dem Ziel: Bestimmung von Interaktions- und Interpretationsregeln. Z 7
(3)
(105) Ziel solcher "Abschwächung" und "Verschärfung" (7,6) von Äußerungen (27,2) durch den Therapeuten (19,8), der (6,6) in diesen Gesprächstherapien (4,8) der Rogers'schen Therapie-Theorie (2,6) folgt (66,5), warm, echt und ep empathisch (9,1) zu sein, (8,5) folgt, (17,1) wobei er aueh (2,1) in Gruppengesprächen auch (12,6) die Äußerung eines Klienten - wie (5,2) ein im Text transkribiertes Gespräch zeigt < ( v g l . S. 48 f) (13,5) > - "abschwächen" bzw. "verschärfen" kann, ist es "konditioneile Relevanzen (5,4) der Art zu etablieren, daß der Klient (13,1) fokussiert (2,3) (und ggf. thematisch abarbeitet)." Z 7
Die Verstöße liegen auf unterschiedlichen Ebenen: (1) wäre m.E. in gesprochener Rede korrekt, im geschriebenen Diskurs müßte hinter "&" ein Verbalsubstantiv "die Frage" oder "das Problem" ergänzt werden. Ähnlich ist auch in (2) der Doppelpunkt mit anschließender Nominalphrase im Nominativ (statt Genitiv- oder Infinitivkonstruktion) nicht im strengen Sinne falsch, sondern salopp formuliert. In (3) finden sich gleichzeitig zwei Abweichungen, die sich offensichtlich gegenseitig bedingen: Die Verschachtelung, die diese Textstelle nahezu unlesbar macht, hat vermutlich dazu geführt, daß die Autorin vergessen hat, das vorn zweimal gestrichene folgt weiter hinten einzufügen bzw. die letzte Streichung rückgängig zu machen. Fehlerhäufungen dieser Art hängen offensichtlich mit Schwierigkeiten beim Formulieren zusammen. Solche Schwierigkeiten lassen sich in (3) aus den Streichungen und Änderungen sowie den vergleichsweise zahlreichen und zum Teil ungewöhnlich langen Pausen erschließen. 1 Hier und in ähnlichen anderen Fällen führt das reduzierte Produktionstempo und das damit verbundene wiederholte Lesen der problematischen Passage dazu, daß die Schreiberin nicht bemerkt, daß die Konstruktion für den Leser (und hier sogar für sie selbst) nicht mehr überschaubar ist.
6.1.2
Fehler oder Ungenauigkeiten bei der Wortfindung
Betrachten wir die folgenden Beispiele: (4)
Dabei fungieren tion. Z 2
diese Obligationen zur Gewährleistung einer funktionierenden Interak-
(5)
Ihren Versuch Konzepte für diese Äußerungsmerkmale zu entwickeln, lehnen sie an Gruppen- und Einzelgesprächstherapien an, ... Z 2
(6)
vorliegende forschungen über "abschwächungspartikel", die allein eine systematisierung und einengung auf ihre kommunikative funktion zum ziel hatten, losgelöst vom konkreten und aktuellen kommunikationsprozeß erstellt wurden, haben hier keine nulzanwendung. Z 6
Die Pausenzeiten wurden in dem Zitat (3) nur ausnahmsweise eingefügt.
131 Abweichungen dieser Art finden sich namentlich in den von Studenten geschriebenen Texten nicht ganz selten. Fast immer liegt hier - in der Terminologie der generativen Grammatik gesprochen - ein Verstoß gegen eine Selektionsbeschränkung vor: In (4) wäre statt fungieren dienen richtig gewesen. Versuch in (5) erfordert ein Verb wie unternehmen o.ä. Nur Nutzanwendung (in (6) statt z.B. nicht adäquat oder nicht anwendbar) ist syntaktisch gesehen ein kontextunabhängiger Fehler. Die Verletzung syntaktischer Regeln dürfte hier damit zusammenhängen, daß die Versuchspersonen (Studenten) wenig Übung im Schreiben wissenschaftlicher Texte haben. Alle lexikalischen Abweichungen betreffen WJ-Ausdrücke, die die Schreiber offenbar nicht voll beherrschen. Im Vergleich zu den vielen richtigen WJ-Ausdrücken unserer Versuchspersonen handelt es sich aber auch hier eher um Ausnahmen.
6.1.3
Kohärenzfehler
Insgesamt finden sich für diese Fehler nur zwei Belege. Beide Male handelt es sich um Fehler bei der Herstellung der lokalen Kohärenz: (7)
Ziel des von Meyer-Hermann verfaßten Textes ist es, Interaktions- u. Interpretationsregeln für das Phänomen der Abschwächung zu erstellen. Sie beziehen sich dabei auf Daten aus Therapiegesprächen. Z 3
(8)
aufgabe & ziel der beiden linguisten war es, ' d i e Interaktionsregeln & interpretationsregeln" bezüglich des phänomens "abschwächung von äußerungen" in der gesprächstherapie aufzustellen, sie stellen dabei in den Vordergrund, daß "abschwächen" ... Z 6
Die beiden verblüffend ähnlichen Kohärenzfehler, die sich auf der grammatischen Ebene in Form einer hier nicht statthaften Pronominalisierung manifestieren, kommen dadurch zustande, daß der vorausgehende Satz jeweils die Nominalphrase Interaktions- und Interpretationsregeln enthält, so daß der Leser das Pronomen sie im Folgesatz intuitiv auf diese Nominalphrase bezieht anstatt auf die weiter entfernte eingebettete Nominalphrase Meyer-Hermann bzw. der beiden linguisten. Der tiefere Grund für diese Kohärenzfehler könnte darin zu sehen sein, daß die Versuchspersonen die Nominalphrase nicht wortwörtlich wiederholen wollten, ihnen aber kein geeignetes nominales Synonym eingefallen ist. Dabei bleibt allerdings weiterhin erklärungsbedürftig, warum ihnen der Verstoß nicht aufgefallen ist. Ähnlich wie in (3) könnte dieses Faktum mit einer Verlangsamung des normalen Schreibtempos zusammenhängen, die dazu geführt hat, daß der falsche Anschluß nicht wahrgenommen werden konnte.
132 6.1.4
Verstöße gegen sonstige textuelle Regeln
Solche Verstöße sind selten: (9)
Anhand des Materials konnten die Elemente, die es dem Therapeuten ermöglichen, eine Äußerung abzuschwächen, festgestellt werden. Es sei darauf hingewiesen, daß dieser Liste nonverbale Komponenten fehlen . . . Z I
Die unpersönliche Konstruktion es sei... läßt vermuten, daß das Agens hier die Zieltextautorin ist, die als Rezensentin einen (kritischen) Hinweis gibt; tatsächlich handelt es sich aber um einen Hinweis der Primärtextautoren. Richtig wäre also die persönliche Konstruktion Die Autoren weisen daraufhin o.ä. gewesen. - Ein ähnliches Beispiel findet sich im Text von Z 7: Im Anschluß an eine zusammenfassende Wiedergabe eines Primärtextabschnitts schreibt die Autorin: (10)
Hier wird die interaktive Funktion solcher "Abschwächungen" und "Verschärfungen" deutlich. Z 7
und versäumt dabei, deutlich zu machen, daß es sich hier um eine Erläuterung handelt, die von ihr selbst stammt; denn im Primärtext findet sich eine entsprechende Passage nicht. Der WJ-Ausdruck wird deutlich ist zwar, wenn man ihn ohne den Kontext liest, richtig verwendet, inmitten von referierenden Äußerungen kann er aber leicht ebenfalls als referierend (anstatt kommentierend) mißverstanden werden. Bezogen auf unser Modell läßt sich die Abweichung in (9) dadurch erklären, daß die Autorin keinen Perspektivenwechsel durchgeführt hat. Beispiel (10) hätte durch die Anwendung einer in unserem Modell nicht enthaltenen Additionsregel desambiguiert werden können, einer Regel die vorschreibt, daß nicht referierende Aussagen als Kommentare des Zieltextautors kenntlich gemacht werden müssen. Die beiden letzten Belege lassen sich am einfachsten durch die Nichtanwendung der Versachlichungsregel erklären: (11)
was nun ist eine abschwächung (bzw. auch: Verschärfung)? Z 6
(12)
die fragestellung war nun ... Z 6
Das Adverb nun paßt nach meinem Sprachgefühl in beiden Fällen nicht in eine (vergleichsweise kurze) Zusammenfassung vom vorliegenden Typ, sondern gehört eher in eine Darlegung, bei der nun einen neuen Absatz mit einer neuen Argumentation einleitet. 6.1.5
Inhaltliche Fehler
Hierunter fallen Fehler, die auf ein falsches Verständnis des Aufsatzes zurückgehen, die sich jedoch sprachlich nicht immer bemerkbar machen. Solche Fehler
133 finden sich bei fast allen Versuchspersonen, bei einigen mehr, bei anderen weniger. Betrachten wir die folgenden Beispiele: (13)
Thematische Behandlung ist in dem Fall am häufigsten, in welchem der Grad der Abgeschwächtheit nicht neu bestimmt wird; (A 201f.)
(14)
Eine thematische Behandlung erfolgt häufiger, wenn im Vergleich zur vorausgehenden Therapeutenäußerung keine weitere Modifizierung ("Abschwächung, Verstärkung") erfolgt. Z 8
(15)
Es ergab sich dabei, daß der Patient dann am bereitwilligsten war in der behandlung des themas weiterzumachen, wenn er die abschwächung nicht neu bestimmte, sondern sich auf das vom therapeut anvisierte ziel einließ. Z 6
(16)
Die Wahrscheinlichkeit der thematischen ist am höchsten, wenn keine Abschwächung bzw. Verschärfung der Therapeutenäußerung von Seiten des Klienten nötig ist ... Z 3
Die Ausschnitte (14) bis (16) beziehen sich jeweils auf die gleiche, für sich gesehen schwer verständliche Primärtextpassage (13). Im größeren Zusammenhang gelesen besagt diese Passage, daß Klienten, die einer vorausgehenden Therapeutenäußerung rückhaltlos zustimmen und sie nicht durch sprachliche Mittel wie "vielleicht" o.ä. weiter abschwächen (die also "den Grad der Abgeschwächtheit nicht neu bestimmen", wie es in der Primärtextstelle heißt) am ehesten geneigt sind, die Therapeutenäußerung thematisch weiterzuführen, wohingegen Klienten, die der Äußerung nur mit Vorbehalt zustimmen, i.e. sie weiter abschwächen, seltener dazu neigen. Nur dem Schreiber von (14) gelingt es, den Text sowohl inhaltlich wie auch sprachlich korrekt wiederzugeben, während die beiden anderen Versuchspersonen scheitern. In (15) ist der Text ab sondern inhaltlich falsch oder genau genommen sinnlos, da dieser Teilsatz allenfalls eine Paraphrase des dajS-Satzes ist; die Relation wird auf diese Weise auf den Kopf gestellt. Richtig wäre z.B. die Formulierung gewesen: sondern sie übernimmt o.ä. - In (16) fehlt hinter thematischen ein Substantiv, vermutlich Behandlung, das dem Verfasser hier offenbar nicht eingefallen ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß es dem Schreiber von Ausschnitt (15) gelingt, den nicht oder falsch verstandenen Sachverhalt sprachlich korrekt auszudrücken. Dies ist häufiger der Fall. Namentlich die geübteren Schreiber entwickeln hier ein erstaunliches 'Geschick'. Ein weiteres Beispiel dafür findet sich in dem im Kapitel 4.4 analysierten Ausschnitt der Versuchsperson Z 4: (17)
Das Konstrukt abgeschwächte Äußerung steht dabei in Relation zur Normalformerwartung der Interaktionspartner, nicht zu einer 'Normal-Form' Z 4
Dieser Satz, der sich auf die Primärtextpassage A 67-76 bezieht, klingt zwar sachkundig, ist aber bei genauerem Hinsehen schwer zu interpretieren und entweder leer, sinnlos oder falsch. Die Primärtext-Aussage wird damit nicht getroffen. An dem Beispiel wird aber deutlich, daß es offenbar die Vertrautheit mit WJ-Ausdrücken ist, die es dem Autor ermöglicht, bewußt oder unbewußt seine
134 Verständnisschwierigkeiten zu überbrücken. Weniger geübten Schreibern gelingt dies nicht so gut, wie Beispiel (16) zeigt. Ein sehr krasses Beispiel dafür, wie Verständnisschwierigkeiten Formulierungsprobleme nach sich ziehen, findet sich in dem folgenden Ausschnitt: (18)
Eme-zweite-Aufgabe-dieeef-Obligationen-besteht- darin-; (33,1) Weiterhin (4,2) köiwea dieae-ObligatioHeit-in bostimmten-Fftllen (60) als Arguflaentetionsmittel (2,8) benutzt worden (3), (11,6) bei- Abschwächungen, Verschärfungen. - Formulierungen v o n Interaktions- + Interpretationsregeln in diesem bestimmten Gesprächstyp
Material Def.:
mehrere transkribierte Gruppen + Einzelth. Gespräche Abschwächung: Eine Abschwächung einer vorangegangen hypothetischen Äußerung hat die Funktion, schwächere Obligationen für den Sprecher/ Gesprächsparnter aufzubauen. Verschärfung entsprechend def. Gegenteil Obligationen: a) Allgemein sind darunter Verpflichtungen zur Einhaltung von Regeln für die Aufrechterhaltung von Interaktionen zu verstehen b) Bei spez+eWen bestimmten Interaktionstypen müssen bestimmte Obligationen übernommen bzw. aufgebaut werden.
II. Regeln:
Regeln sollen formuliert werden können durch Untersuchung, welche interaktiven Funktionen Abschwächungen haben. 2 Teilschritte / 2 Fragen : a) In welchen Kontexten + Situationen werden welche Äußerungen als abgeschwächt interpretiert? Wie erkennt man A b s c h w . b) W e l c h e abgeschwächten Äußerungen dienen in welchen Interaktionskontexten zur Realisierung welcher interaktiven Funktionen? W a n n treten welche Abschwächungen auf und mit welcher Funktion? Def. Äußerung: Eine Folge sprachlicher Elemente mit einer kommun. Funktion (Befehl, Aufforderung) wird als Äuß. betrachtet. III. Interpretation: Im Therapiegespräch bf tragen folgende Elemente innerhalb der Therapeuten-äußerungen zur Abschwächung bei: a) b) c) Aus technischen Gründen wurde hier auf eine den handschriftlichen Originalen der Versuchspersonen entsprechende Zeilenlänge verzichtet. Nachträgliche Einfügungen sind durch spitze Klammern gekennzeichnet worden. Wegen eines technischen Fehlers wurde der Schreibprozeß hier nicht aufgenommen. Im Gegensatz zu der Notation bei den anderen Zusammenfassungen konnten Pausen daher hier nicht notiert werden.
165 d) e) Intonation, Akzent f) g) Zwei offene Probleme 1) nonverbale Komponenten fehlen - > Mangel an Material 2)
Wirkung der Elemente bei Kombination derselben.
E i n Effekt
- >
Verstärkung der Abschwächung
IV. Aktionen des Klienten nach erfolgter Abschwächung: Z u unterscheiden sind drei Umgehensweisen 1) Bestätigung/Verneinung - > Klient löst konditionelle Relevanz der F r a g e d. The. 2) Neubestimmung d. Grades d. Absch. a) weitere Abschw. / b) Verschärf. zu 2a) Klient fühlte sich zu stark bedroht 2b) im Gegensatz zu 2b. 3) Thematische Behandlung: Der Klient akzeptiert die Stärke der Abschwächung duf vorgegeben durch Therapeuten und fuhrt aus Von besonderem Interesse bei Untersuchung ist es, wann der Klient am häufigsten dem - mutmaßlichen - Ziel des Therapeuten folgt, d.h. wann er ohne U m s c h w e i f e im vorgegebenen T h e m a fortfährt setzt. E r g e b n i s : Bei Akzeptierung der vorangegangenen Therapeutenäußerung (keine Neubestimmung des Grades der A b s c h w . ) wird am häufigsten das T h e m a weiterbehandelt. Interpretation: Hier fühlte sich der Klient am wenigsten bedroht + kann fortfahren. = > Ausgewogenheit der Abschwächung sind für Therapiegespräche am zweckmäßigsten. V . interaktive Funktionen von Abschwächung 2 Typen von Interaktionsschemata vorkommend: a) Mittels einer Abschwächung der Klientenäußerung < durch Th. > bietet Therapeut Möglichkeiten an, Gespräche "gefahrlos" zu übernehmen. b) Bei bedrohlichen Äußerungen eines Klienten K 1 zu einem Klienten K 2 greift Therapeut durch Abschwächung der Äußerung von K 1 ein, um den gefährdeten Interaktionsverlauf wieder herzustellen. In beiden Fällen dienen abschwächende Äußerungen des Therapeuten dazu, einen möglichst optimalen Interaktionsverlauf in der klientenzentrierten Gesprächstherapie zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
In diesem Beitrag beschäftigen sich R. Meyer-Hermann und R. Weingarten mit Kommunikativen Handlungen von Therapeuten in der klientenzentrierten
166 Gesprächstherapie. Im Mittelpunkt ihres Interesses stehen "abschwächende Äußerungen", d.h. deren Interpretationen sowie die Untersuchung ihrer interaktiven Funktionen-defselbe«. Das Ziel der Autoren besteht schließlich darin, Interpretationsund Interaktionsregeln ztt-fo™ für "Abschwächungen" innerhalb eines solchen Gesprächstypes zu formulieren. Als Untersuchungsmaterial liegen ihnen mehrere Transkripte von Gruppen - und Einzelgesprächentherapien vor. Der zu untersuchende Interaktionstyp "Abschwächung" wird von Meyer-Herman/ Weingarten wie folgt definiert Eine Abschwächung einer vorangegangenen hypothetischen Äußerung hat die Funktion, schwächere Obligationen für den Sprecher/Gesprächspartner im weiteren Gesprächsverlauf auf zubauen. Unter Obligationen sind allgemein Verpflichtungen zur Einhaltung von Regeln für die Aufrechterhaltung von Interaktionen zu verstehen. (Bei bestimmten Interaktionstypen müssen bestimmte Obligationen übernommen bzw. aufgebaut werden). U m das oben genannte Ziel des Aufsatzes zu erreichen, untergliedern die Autoren ihr Vorgehen in zwei Teilschritten unter folgenden Fragestellungen: 1)
In welchen Kontexten und Situationen werden welche Äußerungen^) als abgeschwächt interpretiert ? oder Wie erkennt man Abschwächungen ? 2) Welche abgeschwächten Äußerungen dienen in welchen Interaktionskontexten zur Realisierung welcher interaktiven Funktionen ? oder Wann treten welche Abschwächungen auf und mit welcher Funktion ? l)Eine Folge sprachlicher Elemente mit einer kommunikativen Funktion (z.B. Bitten, Befehl) wird als Äußerung betrachtet. Anhand des Materials konnten die Elemente, die es dem Therapeuten ermöglichen, eine Äußerung abzuschwächen, festgestellt werden, a) bis g) Es sei drauf hingewiesen, daß dieser Liste nonverbale Komponenten fehlen (begrenzte Daten) und daß außerdem die Wirkung der Kombination dieser Elemente bei Äußerungen in der vorliegenden Untersuchung unberücksichtigt bleiben. Nach Festlegung der Abschwächungsmerkmale-ven-ÄufteRmgen wenden sich die Autoren nun der Umgehensweise der Klienten mit derartigen Äußerungen zu, wobei drei Reaktionsarten zu unterscheiden sind. a) Bestätigung/Verneinung der Totalfrage des Therapeuten. Der Klient löst die konditionelle Relevanz ein b) Weitere Abschwächung oder Verschärfung der Therapeutenäußerung Im ersten Fall fühlte sich der Klient zu stark bedroht, um - im Sinne des Therapeuten - das Gespräch fortzusetzen, während er sich im zweiten Fall unterfordert fühlt. c)
Fortsetzung des Themas im Sinne des Therapeuten. Der Klient übernimmt den Turn, ohne den Grad der Abschwächung, vorgegeben durch den Therapeuten, zu korrigieren, d.h. das Gespräch kann ungestört weitergeführt werden.
Bei der Auswertung der quantitativen Beziehungen dieser 3 Aktivitätskom
167 (Z2) {1.Fassung} Z u s a m m e n f a s s u n g : (51,5) 3 Ausgehend von (2) E r f a h r u n g e n bei (3) der G T (4) wollen die Autoren (26) woHen-die A u t e r e n (5) sich in diesem Aufsatz (18) einerseits (8) mit der (3,5) "abgeschwächten Gestaltung" (5,8) der (4) Äußerungen von den Therapeuten (24) beschäftigen, u m andererseits (77) eine Systematisierung (25,5) für die Konzepte (4,3) "Abschwächung" und "Verschärfung" (2,2) anhand dieses speziellen Diskurstypes (4,7) zu entwickeln. In ihrer (1,3) Vorgehensweise (16,6) weichen (1,5) sie aufgru (3,5) nd (16,5) ihres Interesses (1,5) f ü r (1,8) die Abläufe der Interaktion (5,6), (12,4) von der (1,8) bisherigen Herangehensweise (2,8) der Forschung, (1) die sich hauptsächlich (11,6) auf einer (20) "sprachsystematischen" (1,4) Ebene (6,2) mit bestimmten lexikalischen Einheiten, (6) (Abtönungs-und Gradpartikeln) (32,3) beschäftigte, (4,8) ab (2) und (11) versuchen vielmehr (13) i (2,5) nteraktive Kategorien zu entwickeln, (7,2) mit denen (5) es möglich ist (25,5) Interpretations- (1,8) und (1,2) Interaktionsprozesse zu rekonstruieren (20,1). Aus (5,5) dieser Position heraus (8,9) verdeutlichen (1) sie, (29,8) daß (8,5) die Partikel (25,3) im Gegensatz zur (2) "Abschwächung (21) " (8,6) keine interaktive Kategorie bilden. (111,8) Ausgangspunkt (4) der Untersuchung (13) bilde« < stellen > die vorläufige (8,2) D e f . (1,8) v o n Abschwächung und Vers (3,6) c h ä r f u n g < dar > (26) : (24) < Durch > eine Ä u ß e r u n g b z w . ein Äußerungsteil (79) werden im Verhältnis (30) zu einer (11,8) hypothetischen (93) Variante s c h w ä c h e r e < b z w . s t ä r k e r e > Obligationen aufgebaut. Dabei fungieren diese Obligationen zur Gewährleistung einer funktionierenden Interaktion (40,6). (32) Eine-zweke-Aufgabe-dieser-Qbligationcn bestritt dorm, (33,1) Weiterhin (4,2) können diese Qbltg«ionefl-ifrfeestimmten--Fällen (60) als Argamentatiensmittel (2,8) bemrtzt-wefden (3), (11,6) bei-den (87) (131,4) weiterhin können (6,3) diese Obligationen (4,8) innerhalb (5,2) bestimmter Interaktionstype (2,1) n (6,1) eine besondere Funktion (3,1) erhalten, so daß sie z . B . (8,6) dazu dienen können (6,6) in Argumentation als < d i e > Behauptung zu (7,6) < u n t e r s t ü t z e n > (82) Bei der Untersuchung der (2) Abschwächung (4,7) ging es den Autoren d a r u m , (40,7) mit H i l f e von < z u formulierenden > Interpretationsregeln (61,3), welche Bedingungen vorliegen müssen, um eine Äußerung als (2,5) "abgeschwächt" interpretieren (2,8) zu können (51,3), und von (2,6) zu erstellenden Regeln (4) über die Bedingungen, (10) die vorliegen müssen (30,3) daß eine abgeschw.Äußerung innerhalb eines (4,7) best. Interaktions (3) kontextes (13,9) zur Realisierung (3,5) einer (3,6) interaktiven Fkt. dient. (35,8) Als-ntögHehe-ioFm-einer-selehef-IfHeFpfetrFegr (10,4) sehen die A u t o f e a (34,3) Die-von den Auteren-ais (5) möglie^e-Intefpfetat--regel (2,7) VGF (49,9) D i e Autoren schlagen eine (1) I (4,6) nterpretationsregel vor, (16,5) die sie allerdings (1) aufgrund von Definitionsschwierigkeit (13,9) nur für den Begriff Ä u ß e r u n g a u s g e f ü h r t < e« > wird (135) ausführen.
Die Pausenzeiten sind jeweils in Sekunden gemessen und in Klammem eingefügt.
168 {2.Fassung} Zusammenfassung Die Autoren dieser Arbeit (6,5) beschäftigen sich (51,2) mit einem für (12,9) die Interaktion (10) bei der GT (7,3) charakteristischen (6,1) Äußerungsverhalten der Therapeuten (16,7) : (12,4) die (2) Abschwächung und Verschärfung von Äußerungen. (27,8) Ihren Versuch (16) Konzepte für diese Äußerungsmerkmale zu entwickeln (6), lehnen sie an (12,5) Gruppen- (2,5) und Gesp Einzelgesprächstherapien (6,7) an (10) und daher sind ihre Aussagen zumindest (3,7) auf diesen Gesprächstyp begrenzt. (10,3) Die Betrachtung dieses Phänomens (7,9) weicht dabei von (4,1) der (1,9) der (14,8) Forschung ab, die (3) < s i c h (17,4) > vornehmlich (4,7) auf (7) unter sprachsystem (2) atischen Gesichtspunkten mit (6,6) Abtönungs und (1,7) Gradpartikeln (2,6) beschäftigt (9,2) und damit nicht auf die (14,3) interaktiven Kategorien eingeht (6,9), anhand deren die Autoren (4,8) versuchen (5,9) Interpretations-und Interaktionsprozesse (6,1) aufzuzeigen. (56,3) Ausgehend von der (4,6) vorläufigen Def. (5,5) der Abschwächung bzw. der (3.7) Verschärfung (1) als (31,5) Möglichkeit, < an d i e s e n > eine (15,2) Äußerung bzw. (3,1) einen Äußerungsteil (2,5) im Verhältnis zu (21) einer angenommenen (5,5) Variante (12,7) mit (2,6) schwächeren (stärkeren) Obligationen (39,7) aufgebaut zu formulieren, {Pause vom letzten Wort über eine Korrektur bis einschl. Blattwechsel beträgt 23 Min.40 Sek.} {3.Fassung} Die Autoren dieser Arbeit nehmen das für die Interaktion bei der GT charakteristische Sprachverhalten (2,1) der Therapeuten (20,8), (6,3) den häufigen Gebrauch von (3) "Abschwächung" und "Verschärfung" (6,7), (1,5) zum Anlaß (31,3) nach (6,6) den Konzepten (1) dieser Äußerungstypen (16,2) zu fragen, die bisher (5,8) noch nicht (3,1) besonders (7,4) systematisiert wurden. (51,1) Ihr (2,6) Versuch (3,5), (6,1) Regeln (13,5) herauszuarbeiten, naeh-denefl (23,9) die sich mit der Interpretation und Interaktion (6,2) im Zusammenhang mit abgeschwächten bzw.verstärkten Äußerungen (6.6) beschäftigen (2,1) geht (1,3) dabei von (14,6) einem anderen Ansatz aus, als die (4.8) Forschungsrichtung, die sich (11) unter einer sprachsystematischen Betrachtungsweise (6,3) mit Abtönungs und Gradpartikeln (3,2) befaßt (5,3) und (32,6) < s i c h > damit (8,8) auf die lexikalischen Einheiten (11,6) beschränkt (14,3) ohne (3.7) nach interaktiven Kategorien zu fragen
(Z 3) Zur Interpretation (1,5) und (5,5) interaktiven Funktion von (0,5) Abschwächungen in Therapiegesprächen von Reinhard Meyer-Hermann (1,5) /Rüdiger Weingarten (115) Zusammenfassung Ziel des (0,5) von (0,5) Meyer-Hermann/Weingarten verfaßten Textes ist es (16,25) Interaktions- u. Interpretations (0,25) regeln (13,75) für das Phänomen (9) der
169 "Abschwächung" (2,5) zu (3,5) erstellen. (30,5) Sie beziehen sich dabei (14,25) auf Daten aus Therapiegesprächen (18). (148) In der vorliegenden Untersuchung geht es (4) um die interaktive Funktion von "Abschwächung" durch den Therapeuten. (19,25) Sie Definieren eine "Abschwächung"(15,5) als eine Äußerung (12,5), die "-relatio zu einer hypo (3,5) thetisch (2,75) en, weniger abgeschwächten Variante (1,25) der Äußerung -" (0,5) eine schwächere Obligation aufbaut. (189) Zur Erstellung (4,5) von Regeln für "Abschwächung" führen die Autoren zwei (7,75) Teilschritte an (26,25). Im ersten soll die F r a g e geklärt werden in welchen Kontexten und Situationen (3,5) Äußerungen als abgeschwächt interpretiert werden, im zweiten (14,5) welcher interaktiven Funktion sie dienen. (50) Die erste Frage wird als (0,5) problematisch bezeichnet und ihr wird nicht weiter nachgegangen. (10) Lediglich der Begriff der Äußerung (28,5) wird definiert als (2,25) "eine F o l g e sprachlicher Elemente (0,5), welcher eine kommunikative Funktion angeordnet (1,5) werden kann. "(17,5) Die zweite Frage wird (2,75) im (0,5) letzten Teil des Textes beantwortet (49) Im folgenden werden Merkmale einer "Abschwächung" aufgelistet.(233) Drei Möglichkeiten hat der Klient, (2,5) nach Meinung der Autoren (2,75), auf eine abgeschwächte Therapeuten Äußerung zu reagieren. (1) Durch Bestätigung/Verneinung geht der Klient auf bestehende Obligationen ein. (7,75) B ö f - z h Im zweiten Fall bestimmt er den Grad der Abschwächung durch weitere Abschwächung bzw. Verschärfung neu, und drittens hat er die Möglichkeit thematisch auf die Äußerungen des Therapeuten einzugehen. Die Wahrscheinlichkeit der thematischen (1,5) ist am höchsten, (2,5) wenn keine Abschwächung bzw (1,5) Verschärfung der Therapeutenäußerung von Seiten des Klienten nötig ist und fällt bei Verschärfung und Abschwächung an jeweils ca. 1/3. Die Autoren ziehen daraus den Schluß, das ein ausgewogenes Maß an Abschwächung der thematischen Behandlung am förderlichsten ist. In den untersuchten (1,75) Gesprächstherapien kamen (0,75) Abgeschwächte Äußerungen zum einen
(Z4) Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Phänomen Abschwächung/ Verschärfung (4,5), in der klientenzentrierten (1,4) Gesprächstherapie (GT) (23,3), daß auf seine interaktive Relevanz (2,9) hin untersucht (1,4) wird (56,2). Das Konstrukt abgeschwächte Äußerung (38,1) steht dabei in Relation (3,3) zur Normalformerwartung (2,6) der Interaktionspartner (6,6), nicht zu einer 'Normal-Form'. (108) Der Artikel benennt (30,2) die sprachlichen Möglichkeiten (0,9) zur Abschwächung (1,8) (bestimmte Verbformen (2,5) & Formklassen, Wortwahl usw.) (11,1), ohne ihre funktionale Bedeutung weiter bestimmen zu wollen. (30,9) (42,5) Drei Möglichkeiten der Patientenreaktion sind benannt: (2,2) Bestätigung/Verneinung der Totalfrage; Neubestimmung des Abschwächungsgrades; (33,3) Thematisieren (4,7) des anvisierten Komplexes. (44,1) D i e F r a g e der interaktiven Relevanz dieser (3,7) Möglichkeiten wird behandelt (31,8) & (7,3) auf das Ziel der G T (2,1) (Problematisierung) hin untersucht. (15,1) D a die erste Möglichkeit
170 (0,7) die Interaktion unterbricht, (15,6) beschränken sich die Verf. (2,1) auf (8,6) die Neubestimmung des Abschwächungsgrades; (15,4) bei neutraler Patientenreaktion wird (0,4) die größte Erfolgsquote verzeichnet (65%) (13,2), gefolgt von verschärfender Patientenäußerung (48%) (4,5) und (4,0) Abschwächung (3,7) (20%). (52,1) D i e Ergebnisse werden dahingehend interpretiert, (4,6) daß (2,5) ein ausgewogenes Maß (2,5) an Abgeschwächtheit (0,5) die < relativ > unproblematischste Situation erzeugt, (16,4) die Abschwächung (4,5) durch den Patienten aber eine zu starke Gesichtsbedrohung signalisiert. (128) D e n Abschluß bildet eine Illustration (1,7) der Abschwächung (4,1) an Hand von zwei Beispielen (4,7) aus der G T & (99) die Formulier (16,1) ung offener (14,8) Fragen zur Funktionalität (3,0) der Realisierungsmerkmale (7,9) abgeschwächter/verschärfter Äußerungen.
(Z5)4 Der vorliegende Beitrag befaßt sich mit einem Phänomen im Rahmen der klientenzentrierten Gesprächstherapie. Untersucht werden sollen die spezifische Gestaltung von Therapeutenäußerungen, die < wie s i e > sich in einer zurückhaltenden Formulierung von Gesprächsbeiträgen zeigt. Damit soll gleichzeitig ein Beitrag zur systematischen Erfassung und Definition der Begriffe und Phänomene "Abschwächung" und "Verschärfung" geleistet werden. D a n n sollen die Merkmale beschrieben werden auf Grund derer eine Äußerung als "abgeschwächt" zu bezeichnen ist und gleichzeitig die interaktiven Funktionen dieser Äußerungsmerkmale bedacht werden. Ziel der Untersuchung ist also die Formulierung v o n Interaktions - und Interpretationsregeln. Im Anschluß an diese ersten Eingrenzungen und Festlegungen gehen die Verfasser kurz auf methodische Fragen und das zu Grunde gelegte Material ein. Z u r Methodik wird angemerkt, daß die hier vorliegende Untersuchung von anderer Vorgehensweise bestimmt ist als die Forschung zu Abtönungs - und Gradpartikeln da sie weniger von sprechsystematischen als-vielmehf-ven Erwägungen als vielmehr von dem Interesse an interaktiven Kategorien geleitet wird. Als a Untersuchungsmaterial werden transskffeierte Transkriptionen von therapeutischer G r u p p e n - und Einzelgespräche ben genannt. Entsprechend ergeben sich Konsequenzen für den Gültigkeitsbereich der hief < in diesem Aufsatz > vorgelegten Ergebnisse: D i e Aussagen zum Konzept der "Abschwächung" können C n a c h Ansicht der Verfasser > nur für diesen Gesprächstyp Geltung beanspruchen. Im Anschluß an diese einleitenden Festlegungen erfolgt eine-erste m-etflem-ersten Kapitel eine erste Definition von "Abschwächung" und " V e r s c h ä r f u n g " . "Abschwächung" wird hier verstanden als eine Äußerungsfunktion, die sieh im Vergleich mit anderen hypothetisch angenommenen bzw. möglichen Ä u ß e r u n g s f o r m e n und angeschlossenen Äußerungsfunktionen als durch eine relativ schwache Redeverpflichtung gekennzeichnet ist, < d . h . eine schwache Rede Obligation auslöst > . "Verschärfung" wird entsprechend als oppositioneller T e r m bestimmt. Diese Definition Da der Anfang versehentlich nicht aufgenommen wurde, konnten die Pausenzeiten hier nicht notiert werden.
171 wird im Folgenden weiter ausgeführt und anhand eines Beispiels illustriert. Mit bedacht wird dabei der Begriff der "Normalform" als Maßstab für die Einschätzung von Abschwächungsgraden. Dieser ersten Definition von "Abschwächung" und "Verschärfung" folgen < Überlegungen zur Fassung > die-Aufstollung von Regeln, die < d i e > die-ihre interaktiven Funktionen ven--Absehw dieser Außerungsformen abbilden und präszisieren Dazu werden zuerst Interpretationsregeln-foHnutíert < gefordert > , die angeben, welche Äußerungen in welchen Gesprächskontexten als "abgeschwächt" angesehen werden. Un-AnsehlieBend < Weiterhin > wefden < w i r d die Formulierung von Regeln vorgeschlagen > Regeln-formuliert, die bestimmen, welche abgeschwächten Äußerungen in best™ welchen Interaktionskontexten zur Realisation bestimmter interaktiver Funktionen dienen. Den Regelpostulaten folgt ein Formulierungsmuster einer möglichen Interpretationsregel. Dabei-wk-d-gteieh In diesem Zusammenhang wird weiterführend der Begriff der "Äußerung" angesprochen und problematisiert. In dem anschließenden Kapitel "Zur Interpretation von "Abschwächung" (3) und < a u f der Grundlage des eingangs genannten Materials> wird eine Auflistung (3,9) der Realisierungsmerkmale geleistet, (2,7) die nach Ansicht der Autoren (2,7) in dem Diskurstyp (1) Gesprächstherapie (6,5) < b e i den Äußungstypen "Aufforderung" und "Totalfrage" > zu der (9,3) Interpretation "abgeschwächt" (39,8) führen. (13,1) Die Liste umfaßt (5,4) sprachliche Merkmale (5,3) auf lautlicher lexikalischer und (1,6) syntatktischer (1,8) Ebene. (5,6) Die Erfassung nonverbaler Komponenten wird angesprochen (2,1) und in ihrer Problematik (10,9) erwähnt. (15) Als weiteres Problem (1) bei der (1,8) Auswertung < Beurteilung > ttnd-ftnsehätomg der (6) Wirkungen der aufgelisteten Einzelphänomene (10) wird die (22) Einschätzung der (1,3) Kombinatorik der (3) Einzelelemente (1) genannt. (213) Dieser Bestimmung (4,4) von Abschwächungs (6,6) merkmalen folgt (6,6) eine Untersuchung (4,8) der Klientenreaktion auf (10,2) als abgeschwächt (5,2) zu interpretierende Therapeutenäußerungen, um (1,5) die Interaktionsmuster (4,5) erfassen zu können (3), in die die abgeschwächten Therapeutenäußerungen eingebettet sind. (30) Die (1) Unter (1,5) Analyse (4,5) ven-K-Hentenäuftewngen Als Für Klientenreaktionen auf abgeschwächte Therapeutenäußerungen werden drei charakteristische (1,5) Komponenten angeführt: (2,9) die Bestätigung bzw. Verneinung der Totalfrage des Therapeuten, (9,6) die eventuelle (1) Neubestimmung (1,5) des Grades der Abgeschwächtheit und (2,8) die eventuelle (1,1) thematische Behandlung (7,8) des von Therapeuten angesprochenen Themenkomplexes. (30,9) Diese drei Komponenten (5) werden anschließend (1,4) ausführlicher (2,5) besprochen (4,8) und interpretiert. (14,8) Am ansföhrikh (4) umfangreichsten ist dabei (6,5) sind dabei die Überlegungen zum Bereich (2,9) "thematische Behandlung". (5,6) Hier werden (3) mehrere < m ö g l i c h e > Typen (2,3) einef < d e r > thematischen Forführung des angesprochenen Themenbereichs durch den Klienten (5,1) vorgeschlagen. (105) und die (68) Anschließend (4) wefden < w i r d > die < Untersuchung d e r > quantitativen (3) Beziehungen (2,9) der drei (5,8) genannten Typen untereinander (1) untersueht (105) angeführt und (17,9) als Fragestellung (8,6) die Überlegung (1,5) genannt (2,3), wann deF-KJient (2,3) an*-häufigsten (3,1) tR-def-thematiseheB (1) Behandlung-fcrtfahrt (55).
172 Als-EfgebfHS-©fg4bt«eh (5,1) eine-prozcBtuale-Erfasstmg-def (1,9) KlientenroaktieneB auf (15,3) Wann der Klient am häufigsten bei in der thematischen Behandlung fortfährt, (5,7) wenn er weiter abschwächt, (1,7) verschärft (2,1) oder die Abgeschwächtheit neu bestimmt. (6,4) Das Ergebnis wird in einer prozentualen Erfassung der unterschiedlichen Klientenreaktionen referiert. (8) und in (1,8) en (4,3) einem folgenden Abschnitt referiert. (8,9) Dabei zeigt sich, daß offensichtlich ein ausgeglichenes Maß an Abgeschwächtheit für (2) die thematische Behandlung besonders förderlich ist. (53,8) Im ( 1 0 , 6 ) folgenden Kapitel (1) "Zur interaktiven Funktion von Abschwächung" ( 3 , 5 ) werden (2,5) zwei grundlegende Interaktionsschemata bes (8,5) föf (8,6) als Umgebung (2,5) abgeschwächter Therapeutenäußerungen angeführt. (45) * ) Grundlage dieser Beobachtungen sind wiederum die eingangs genannten Transkripte, die im weiteren Verlauf des Kapitels ausfuhrlich zitiert und (3,4) interpretiert werden. (6) [Als (5) Interaktionsschemata werden von den Verfassern genannt (2,8) : 1. (7,7) Das Angebot a» deft-K+iefitefl (26,6) eines Fokus zw-Übemahfne (12,3) an den Klienten zur Übernahme und Vertiefung. 2. Eröffnung einer besseren Antwortmöglichkeit durch Intervention des Therapeuten zwischen zwei Gesprächsbeiträgen. (95)] In einem abschließenden Abschnitt gehen die Autoren auf offene (6) noch offene bzw. sich aus der vorliegenden Untersuchung ergebende Fragen ein (11,6). Hauptpostulat ist dabei, (7,7) bei der Formulierung von Interpretationsregeln (3,1) zuerst einen allgemeinen Überblick (2,7) über Äußerungstypen, Situationen und Kontexte ( 2 , 7 ) zu ermöglichen. Erst auf dieser Basis (3,5) scheint dann eine Analyse des Interpretationsprozesses selbst möglich zu sein. (21,5) In diesem Zusammenhang werden (5,4) < Vorschläge für > Dinge zentrale Fragestellungen < angespfoehen > < angeführt > (8,9), die bei Untersuchungen (7,1) dieser Art unbedingt zh bodonkcn-smd. (9,4) bedacht werden sollten. *) {Hier soll der mit [ ] gezeichnete übernächste Satz eingefügt werden.Eine nachträgliche Eintragung durch den P b n . , M W }
(Z6) R . - M . (3) Herrmann/ R.Weingarten (9,7) "Zur interpretation (20) & interaktiven ( 2 , 3 ) funktion von ( 3 , 1 , ) abschwächungen in therapiegesprächen (2,6) " Zusammenfassung aufgabe & ziel der beiden forseher-waf-es, (8,8) linguisten (1,8) war es (13,3),"die interaktionsregeln & (1) interpretationsregeln (8,2) " (40,8) bezüglich des phänomens "abschwächung von äußerungen (8,6) " in (7,3) der gesprächstherapie (1,7) aufzustellen. (21,9)
173 sie stellen (4,5) dabei in den Vordergrund, daß "abschwächen" ein interaktives verhalten ist; (6,7) das also (1,5) das verhalten (10,2) beider sprech-parntner bedingt. (29,1) (63,5) vorliegende forschungen über "abschwächungspartikel", die allein (5,3) eine systematisierung (39) und einengung auf ihre kommunikative funktion zum ziel hatten, losgelöst vom konkreten und akftd aktuellen (2,8) kommunikationsprozeß (101,1) erstellt wurden, haben (19,7) hier keinen nutzanwendung. (13,9) was nun ist eine "abschwächung" (bzw. auch: Verschärfung)? (91,8) "abschwächung" (3,9) tst-eine wird eine äußerung genannt, (29,1) die bezüglich einer möglichen Variante, (2,8) weniger starke Obligationen (6,1) beim (1,1) interaktionspartner hervorruft. (34,8) Obligation (1,8) hetftt-re-d < m e i n t > redeverpflichtung (9,8), zugzwang e u.ä. (160,3) Im untersuchten Diskurstyp (6,8) "gesprächstherapie" (7,6) wurden besonders die (1,5) Abschwächungen (9,6) der Therapeuten (17,3) bea (12,6) gegenüber (1,3) ihren Patienten (29,5) in den äußerungstypen (5) "aufforderung" & (2,5) "totalfrage" (13,6) beachtet. (60,5) die fragestellung war nun: (46,3) - w a n n werden, welche äußerungen (1,9), in welchem Kontext (1,8) (Situation) abgeschwächt. (49,8) - welche (2,8) abgeschwächten äußerungen (63,6) nach welchen regeln (23,3) zur realisierung (4,2) bestimmter (3,9) interaktiven (4,3) funktionen (13,5) beitragen (78,1) und welche (6,9) funktion dies letztendlich sind. (145,1) Untersucht wurde zunächst die reaktion der patienten auf abgeschwächte (6,6) fragen & aufforderungen. (13,3) d (7,4) as (4,5) material ließ sich 3 gruppen (1,8) zuordnen: (12) - die (2) Totalfrage w u r d e kurz (2,8) "bejaht" oder "vernei (4,5) nt" - (4,5) der grad der abschwächung w u r d e neu bestimmt. - (13,5) das vom anges therapeuten angeschnittene thema wurde aufgegriffen (1,5) und (2,4,) weiterbehandelt (20) es ergab (21) sich (23,5) dabei (3,6), daß der (72,3) Patient dann am bereitwilligsten war in der behandlung des themas weiterzumachen (19,4), wenn er die abschwächung nicht nur bestimmte (3), (5,2) sondern sich (8,4) auf das vom therapeut (15,3) amv anvisierte (1,2) ziel einließ. (2,1) schwächte der patient die äußerung (5,7) (der frage) noch weiter ab (8,8), f ü h r t e ihn das nur (1,3) in 20% der (3,3) fälle zu einer weiteren themenbehandlung (58.3). weiterhin konnte man feststellen (7,9), daß ein (16) "ausgewogenes maß" (5,6) an abschwächung (4,6) sich am "gesprächs förderlichsten" auswirkte. (55,8) eine (1,3) veFsehär&ng (1,8) fii (28,4) z« (1,8) starke (91,5) deF-theta (11,2) weiterhin wurde die rolle des abschwächenden therapeuten untersucht (15,5) & in (23,2) welchen (2,3) interaktionsmustern (6,1) sich die < e i n e > abschwächung manifestiert. (91,3) 2 typen wurden gefunden (6,4) - der therapeut (13,1) nimmt eine äußerung eines Patienten (14,1) modifizierend auf (10,9). (11) - (16,1) auf eine nicht (4,2) -abgeschwächte,starke (3,1) Obligationen (2,2) aufbauende (10,5) äußerung (2) eines patienten (5,8) zu einem anderen, reagiert der (4,8) therapeut abschwächend. (39,3)
174 Hierbei w u r d e (2,1) festgestellt (49,1), daß die abschwächung ihrer funktion naeh (22,1) dem-gefragten/aufgefofderten paticnten (2) eine < d i e > bessere-ehanee nach (4,5) folgende den patienten (22) - weniger starken Obligationen aussetzt, (10,5) die sein (6) vermögen, auf (1,2) ihn betreffende themenkomplexe einzugehen (4,8), hemmt. (12,8) - (65,3) eher ein (3,3) angebot ist (11,8), sich auf sein thema zu konzentrieren (27,6) - eine bessere (2,2) Diskurssituation gegeben (2,3) wird, (29,4) weil (2,1) entstehende Obligationen entlastet w e i d e n (62,5), und größere antwortspielräume er-öffntnt eröffnet werden.
(Z7) Einleitung:
Problemaufriß (22) Phänomen (47,5) :abgeschwächte Gestaltung (5,5) der Gesprächsfuhrung von Therapeuten (5,9) in der klientenzentrierten (3) Gesprächstherapie (Einzel-,Gruppengespräche) (19,1) D i e Autoren (11,6) wollen einen ersten Schritt zur (1,8) Systematisierung (16) und Entwicklung eines Konzepts (10,3) von "Abschwächung" von und "Verschärfung" leisten. (15,6) Es geht zunächst u m die Beschreibung solcher P h ä n o m e n e (14,1) und die Bestimmung ihrer interaktiven Funktionen (11,8). Ziel: (1,5) Bestimmung (4,5) v o n (7,3) Interaktions- und Interpretationsregeln. (12,1) Abgrenzung (23,8) zu "sprachsystematischen" Herangehensweisen: es geht nicht u m die Isolierung (4,6) lexikalischer Einheiten und Sinnzusammenhänge (30), u m dann die kommunikativen Funktionen zu suchen, sondern (6), um das kommunikative Handeln des Therapeuten, also um interakt. Kategorien. Kurzzusammenfassung eines Aufsatzes (4,3) von Reinhard (1,6) M e y e r - H e r r m a n n (3,8) /Rüdiger Weingarten (6) : Z u r (2,3) Interpretation (2,1) und Interaktiven (3) Funktion von Abschwächung (3,2) in (2,9) Therapiegesprächen (49,8) In dem oben (2,1) genannten Aufsatz (8,1) geht es u m (26) das P h ä n o m e n der abgeschwächten (verschärften) Gestaltung (2,2) der (1,3) Gesprächsfuhrung von Therapeuten (7,8) in der (2,8) klientenzentrierten (7,5), d-.-h~gesp (4) E m s e l - ^ m d Gruppentherapie (5,8) Gesprächsth (4,7) erapie, (41,9) d.h.Einzel- (1,8) und Gruppentherapie. (26,8) Hier soll ein erster Schritt zur Systematisierung (1,9) und Entwicklung eines Konzepts (1,5) von "Abschwächung" und "Verschärfung" (6,5) (vgl.S. (5,6) 262) (7,1) geleistet werden (6) und neue, weitergehende Fragen (38,9) auch f ü r andere Gesprächstypen (2,3) entwickelt bzw. angelegt w e r d e n . (38,3) Methodisch (2,1) wird so vorgegangen, daß zunächst (3,8) solche Phänomene (50,8) beschrieben and werden, um dann ihre (1,4) interaktive Funktion bestimmen zu können, mit dem Ziel (8) : Bestimmung von Interaktions- und Interpretationsregeln. (87,3) Jedoch geht es hier nicht um die eine Isolierung lexikalischer Einheiten < u n d S i n n z u s a m m e n h ä n g e > , wie die Autoren betonen (1,2), sondern u m darin die
175 kommunikative Funktion zu suchen, {unlesbaf} (18,4) wie in der "sprachsystematischen" Herangehensweise (vgl. S.242),-sonder« sondern (1,2) < e s geht > um < die Beobachtung > kommunikaitven Handelns des Therapeuten (72,5) alse (31,3) < u m > daraus (3,1) "interaktive (8,4) Kategorien"-zu-finden (27,9) zu entwickeln (7) und daraus (10,8) anschließend (1) Interpretations - und Interaktionsprozesse rekonstruieren zu können (56,5) (vgl.S.242) (15,9). Es geht dabei d nie um die quantitative Bestimmung solcher Partikel (2,3), sondern immer (10,2) um ihre Funktion und die Frage, (11,1) ob ihr Einsatz eine die Äußerung < eines Therapeuten > genügend abschwächen konnte, (2,9) was die jeweilige (5,7) Klientenäußerung dann signalisiert. Als Reaktion darauf (232,8) Ziel (15,5) der -•Absehwäelwng---und---Versehäffting-'--von (4,5) selchen (2,6) TherapetrteB-ist-e&,--dle (11,1) Behandlung (8,6) thematische- Behandlung (44) *1 (42,5) soteher-von Äußerungen (12) - es-können-aueh (10,6) Klientenäufterungen (36,5) sein (94,1) {Streichung des ersten Wortes} {Streichung der letzten beiden Zeilen} {Streichung der letzten fünf Zeilen und Blattwechsel} (105) Ziel < Ziel > solcher "Abschwächung" und "Verschärfung" (7,6) von Äußerungen (27,2) durch den Therapeuten (19,8), der (6,6) in diesen Gesprächstherapien (4,8) der Rogers'sehen Therapie-Theorie (2,6) folgt (66,5), warm, echt und ep empathisch (9,1) zu sein, (8,5) folgt, (17,1) wobei er aueh (2,1) in Gruppengesprächen auch (12,6) die Äußerung eines Klienten - wie (5,2) ein im Text transkribiertes Gespräch zeigt < (vgl. S.48f) (13,5) > -"abschwächen" bzw. "verschärfen" kann, ist es, "konditioneile Relevanzen (5,4) der Art zu etabliern, daß der Klient (13,1) fokussiert (2,3) (und ggf.thematisch abarbeitet)." (64,5) (S.250) D . h . , (1,8) durch "abgeschwächte" Äußerungen (13,7) des Therapeuten (2,1), soll (10,2) en "eng begrenzte Obligationen (1,8) " (S.250) (22,3), also Redeverpflichtungen, (4,8) die (9,6) für einen Klienten einen "gesichtsbedrohenden Akt" (2,4) (ebd.), (74,8) also eine mögliche Bloßstellung (14,3) und < e i n > in die Enge-getrieben (5,6) -sein (16,3) darstellen können (3,9), vermieden (2,3) werden (3,2), um (2,4) die Interaktion nicht zu gefährden (20,1). Die (3,4) Solche (14,5) eng etablierten (1,8) Obligationen (8,9), die für den Klienten möglicherweise eine Art Zwangscharakter besitzen können, sollen (10) zugunsten (12,7) der thematischen Arbeit (15) vermieden werden (6,2). "Die Abschwächungsmittel (2,9) irgendwie (2,5) nen bißchen so vielleicht oder (5,5) reduzieren das Maß der 'Gesichtsbedrohung', (14,3) sie dienen dazu, (11,2) 'to counteract (3,2) the potential (2,1) face (1,8) damage' (8,9) {unlesbares-gestrieheft} (4,5) (vgl. S.249). (74,9) Eine nicht-"abgeschwächte" (2,7) Therapeuten (1,8) Frage, (1,2) eine "Total-Frage" (6,4) würde eine so enge Obligation schaffen, die im Extremfall nur mit ja/nein beantwortet werden könnte, (18,8) worauf < durch > (3,4) eine Massenbezogene (2,4) Interaktion (4,3) gef-ve gefährdet oder sog. im Extremfall sogar abgebrochen w (72,7) erden könnte. (26,3) Hier wird die (3,6) interaktive Funktion (4,2) solcher (1,8) "Abschwächungen" und "Verschärfungen" deutlich. (2,3) Die {unlesbar-es-gestFiehen} (53,3) Untersuchungen der Autoren-s (5,4) machen (1) sotehe (3,2) diese < ü » e > < deren > Funktion (26,3) der-Part {unlesbar-}- partikel (1) deutlich. (65,9) ihre Arbeitsergebnisse fassen sie wie folgt zusammen:
176 ( 6 , 9 ) " B e i 2 0 % (3,6) der w (29,9) eiter abschwächenden Klientenäußerung ( 2 , 3 ) erfolgt ( 1 , 8 ) thematische Behandlung (2,1) ; bei 4 8 % der ver (2,1) schärfenden Äußerungen (3,4) erfogt ( 1 , 8 ) thematische Behandlung (1,8) ; in 6 5 % der Klie (6,3) ntenäußerung ( 5 , 7 ) , die relativ ( 2 , 7 ) zur v e f g e l (1,3) vorhergehenden (2,3) Therapeutenäußerung ( 1 , 6 ) weder abgeschwächt (1,3) noch verschärft sind, erfolgt thematische ( 1 , 3 ) Behandlung." ( 7 , 7 ) ( S . 2 4 7 ) "(61) Verallgemeinert wird festgehalten, (7,3) daß ein ausge -
(Z8) Im Gegensatz (5,8) zur (4,5) im engeren Sinne (3,9) struktur (3,9) linguistischen ( 3 , 3 ) Untersuchung (1,3) und Beschreibung (11,4) der Funktion (7,6) von Abtönun ( 3 , 5 ) g s und Gradpartikeln, (8,5) wird (9,8) im vorliegenden Aufsatz (24,6) die eher pragmatische Kategorie (1,7) "Abschwächung" (3,5) thematisiert. (7,3) Der konkrete Erfahrungsrahmen von (4,3) Therapiegesprächen (24,2) bietet das empirische Gerüst (3,8) für die Definition (2,5) und die Funk- (2,9) tionsbeschreibung (15,5) von ( 2 , 7 ) "Abschwächungen" und (18,3) deren ( ( 1 0 , 9 ) Gegenteil, den (10) " V e r s c h ä r f u n g e n . " (145) Unter (8) "Abschwächung" (1,2) wird (18,7) eine Funktion von Äußerungen verstanden, (22) bei der es darum geht, (6) dem (2,5) Interaktionspartner (10,8) einen größeren (12,3) Freiraum (4,6) bei der Einlösung des (1,7) interaktioneil (4,1) begründeten (17,9) Sprech (7,1) Verhaltens ( 3 1 , 7 ) (d.h. der (19,1) äußeren wie inhaltlichen (37,9) "Sprechverpflichtung") ein (3,5) zuräumen. (55) Pragmatische ( 2 0 . 4 ) , nicht (laut-) sprachliche (26) Elemente (5,3) der Rede (60), wie z . B . der (9,5) situative Kontext, (21) sind bei der (2) Bewertung (2,2) der " A b s c h w ä c h u n g " zu berücksichtigen. (15,1) Linguistische (16,2) Kategorien, die als (3,1) Indikatoren von "Abschwächungen" dienen, (4,8) sind (14,5) bestimmte Formen des Verbs ( z . B . Konjunktiv), (15) modifizierende Wort - (2,2) klassen (31), prosodische Elemente, (34.5) Inhaltliche (4,6) Vorgaben (9) etc. (12,5) - (50,3) Im (10) besonders interessierenden (13,1) Bereich der Gesprächstehrapie (26,5) sind verschiedene Verhaltensmuster von (2,6) Klienten (19) bei (1) der (2,5) Benutzung von "Abschwächungen", "Verschärfungen" und der (2) (nicht näher definierten) " N o r m a l f o r m e n " beobachtet (3,3) worden: (94) D i e Klienten (3) reagieren (26,5) auf Abschwächungen (13,4) ihrerseits (35,8) modifiziert (1,5) durch "verschärfen", "abschwächen" (14,1) oder " n o r m a l " . ( 2 7 , 5 ) Auffällige (4) r Unterschied: (11,5) Eine thematische Behandlung (2,3) erfolgt (7,5) häufiger (17,6), wenn (9,8) i (5) m Vergleich zur vorausgegangenen Therapeutenäußerung keine (8) weitere (5,3) Modifizierung ( " A b s c h w ä c h u n g " , ( 3 , 6 ) Verstärkung") erfolgt. (30,7) - (85) D i e Gesprächs- (2,8) und inhaltslenkende Funktion (3,3) der "Abschwächung" im Rahmen von Gesprächstherapien ( 1 6 , 6 ) ist auf Therapeutenseite (72) zu umschreiben (2,6) als (4,8) klientenbezogene E r ö f f n u n g von (1) Sprechhandlungsmöglichkeiten (5,1) mit möglichst geringer Vorstrukturierung (5,2) der (12,8) Inhalte bei-glek-hzeitigef (120) (sog. (12,8) Fok (4,3) kussierung).- (8) Ein Katalog offener Fragen - bezogen auf (15,6) im engeren Sinne sprachliche wie auf außersprachliche Kategorien - (11) beschlie (3,8) ßen den Artikel.
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Register
A-Ausdruck 41, 42, 89 Absatz 13, 29, 53, 61, 64, 65, 66, 68, 69, 71, 72, 73, 74, 75, 78, 80, 82, 84, 98, 99, 100, 102, 132, 135, 147, 150 Absatzgliederung 68 Absatzstruktur 66, 71 Absatztilgung 84, 98, 100, 104 Abschnitt 4, 8, 22, 25, 38, 43, 46, 47, 48, 60, 64, 69, 70, 71, 72, 78, 84, 96, 98, 120, 124, 146, 147, 148 Abstract 5, 6, 17, 20, 25, 72, 74, 113 abweichend 17, 18, 19, 20, 21, 22, 108, 127, 129, 138, 142, 143, 150 Abweichung 19, 22, 23, 24, 25, 26, 129, 130, 131, 132, 135, 137, 142, 143, 151 AFS-Ausdruck 41, 42 akzeptabel 19, 21, 22, 108, 118, 129, 138, 141, 142, 143, 144, 151 Akzeptabilität 23, 143 Analyse des Gegenstands s. Gegenstandsanalyse Ankündigung 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 64, 65, 66, 77, 83, 85, 88, 101 Antos 2, 107 Argumentation 20, 43, 60, 65, 66, 74, 79, 81, 102, 132 Aufbau 22, 30, 43, 49, 59, 60, 61, 68, 71, 72, 90 Aufsatz-Skript 63, 64 Aufsatz-Skripteinheit 77, 149 Auswahl Thematik 76 Auswahl Zusammenfassung 76 Baurmann 2
Bericht 73, 74 Beschreibung 20, 39, 50, 61, 80, 84, 85, 98, 100, 101, 109 bewerten 17, 21, 73, 143, 144 Bewußtsein 22, 44, 50, 86, 95, 138, 143, 144 bewußtseinsfähig 2, 138, 144 Bolm 24 Brandt/Rosengren 113 Bretzing/Kulhavy 14 Brown/Day 13, 14 Brown/Day/Jones 13 Chafe 94, 113 Composition 1, 17 Couper-Kuhlen 71 Darstellungsform 60, 61, 67, 71, 72, 73, 75, 147 de Beaugrande 117 Domäne 32, 36, 38, 39, 41 Domänen markierungen 29, 40 Editing 11 Ehlich 55 Einfall 22, 52, 125, 126, 128, 142, 143, 144, 145, 150 erster Satz 23, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 55, 56, 65, 75, 77, 91, 135, 136, 141, 142, 144, 146 Erzählung 4, 20, 21 Essenz 95 Etikett 85, 99 Etikettierung 85, 99, 101 fachspezifischer Ausdruck s. FSAusdruck Fachterminus s. FS-Ausdruck Faigley et al. 2 Fehler 17, 18, 19, 24, 25, 108, 129, 130, 131, 132, 134, 136, 137, 138, 143, 151
186 Flower 2, 7, 8, 12, 18, 106, 107 Flower/Hayes 9, 12, 17, 18, 20 Flower/Hayes-Modell 12, 15, 16, 17, 20, 106 fokussieren 44, 47, 76, 77, 80, 82, 83, 92, 105, 118, 130, 148, 148 fokussieren des Primärtextanfangs 76 fokussieren einer Primärtextpassage 77, 80, 83, 92, 148 Fokussierung 79, 82, 85, 126 Fokussierungshandlungen 86 formulieren 5, 11, 15, 19, 22, 23, 39, 51, 53, 54, 55, 56, 65, 81, 87, 89, 101, 107, 108, 115, 116, 117, 119, 123, 126, 127, 128, 130, 136, 137, 138, 140, 145, 148, 150 Formulierung 8, 9, 14, 16, 19, 20, 21, 22, 23, 25, 29, 45, 48, 52, 53, 55, 56, 62, 65, 69, 75, 78, 79, 80, 81, 82, 87, 88, 89, 90, 94, 95, 97, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 133, 134, 135, 136, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 150 Formulierungseinheit 138, 143, 144, 145, 150 Formulierungstyp 23, 108, 111, 112, 113, 115, 126, 127, 144 Fortschreiten vom Allgemeinen zum Besonderen 65 Fortsetzung 8, 52, 53, 54, 55, 56, 81, 82, 87, 137, 139, 141, 144 Fortsetzungskandidat 141, 143, 144, 145 Fortsetzungsmöglichkeiten 55, 56, 70 Franck 31, 55 Freedman et al. 2
FS-Ausdruck 33, 40, 88, 100, 105, 123, 144, 146 Galperin 125 Gedächtnis 3, 4, 5, 6, 24, 75, 123 Gedächtnisspuren 4, 5 Gedanke 1, 8, 15, 18, 43, 47, 49, 53, 74, 75, 78, 80, 81, 82, 84, 85, 90, 91, 94, 95, 98, 99, 102, 107, 112, 113, 119, 126, 136, 138, 139, 140, 141, 144, 148, 149, 150 Gedankentilgung 80, 98 Gedankentransfer 81, 84, 99, 102 Gegenstand 1, 2, 20, 33, 38, 39, 51, 53, 62, 63, 65, 73, 90, 122 Gegenstandsanalyse 90, 91, 93, 94, 95, 96, 103, 136, 146, 147, 148 Generating 8, 9, 11, 15, 16, 153 Gesamtvorstellung 75, 90, 91, 94, 95, 96, 103, 136, 138, 142, 144, 147, 148, 150 Geschäftsbrief 17, 20, 66, 118 Gliederung 33, 44, 45, 47, 48, 49, 54, 61, 63, 71, 73, 84, 102, 136, 146 Gliederungsfunktion 33, 47 Gliederungsmerkmale 62, 102 Gliederungssignale 33, 46 globale Planung 90, 93, 94, 95, 147, 148 globale Planungsphase 79 globalen Planungskomponente 94 Goal Setting 8 Goldman Eisler 22 Graphische Opposition s. Opposition Grice 135 Grimes 66 Gülich/Kotschi 118 Gülich/Meyer-Hermann 107 Gülich/Raible 3, 33, 66 Handlungsschema 64, 147 Havelock 21
187 Hayes 2, 7, 8, 15, 18, 106, 107 Hayes/Flower 8, 9, 10, 11, 16, 149 Hermann/Hoppe-Graf 106 Herrmann 106, 107 Hidi/Klaiman 13, 14 Hinds 66, 70 Hinzufügung 4, 82, 86, 98, 102, 103, 127, 149 Humes 2 Idee 8, 9, 11, 15, 16, 51, 52, 106, 124 Ideeneinheiten 113, 114, 115, 153 Illokutionstheorie 60, 66 illokutive Kennzeichnung s. Kennzeichnung inakzeptabel 19, 142 inhaltlicher Komplex s. Themenkomplex Intention 82, 88, 91, 147 Interpretationsbedingung 3 Kagan 24 Kapitel 4, 47, 49, 56, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 69, 71, 72, 73, 74, 78, 82, 83, 85, 90, 96, 100, 101, 102, 103, 104, 111, 118, 146, 147, 148 Kapiteleinteilung 63, 147 Kennedy 12, 13 Kennzeichnung 30, 31, 32, 33 Kennzeichnungstyp 31, 33 Keseling 20, 23, 28, 30, 50, 55, 94, 118, 140 Keseling/Wrobel/Rau 2 3 , 3 0 , 118 Kintsch 2, 3, 7, 12, 17, 18 Kintsch/van Dijk 4, 5, 85, 97, 100 Klein 60, 61, 66 Klein/von Stutterheim 60, 75 kohärent 3, 14, 58, 81 Kohärenz 4, 13, 46, 60, 64, 71, 72, 128, 129, 131, 147, 151 Kohäsion 25, 72 Kombination 31, 34, 60, 79, 89, 98, 99, 102, 109, 111, 112, 113, 122, 123 Kombinationstyp 31, 32, 102
Kompilationen 111, 115, 116 Komponente 4, 8, 15, 16, 21, 22, 29, 33, 37, 60, 62, 63, 69, 80, 94, 132, 147, 148 Kondensationsregeln 14 Konstruktion 3, 6, 58, 77, 117, 123, 130, 132 Konzept 15, 20, 21, 23, 29, 36, 37, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 53, 54, 61, 63, 76, 80, 87, 106, 107, 128, 130, 136 konzeptuell 107, 117, 118, 127, 150 Kopf 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 82, 83, 94, 96, 100, 102, 103, 104, 105, 106, 144, 147, 148, 149 Kopf-Rumpf-Vereinigung 87, 89, 90, 99, 102, 103, 104, 105 Kopf-Rumpfausdruck 103 Kopfausdruck 89, 103, 120, 135, 150 Kopfbaustein 103 Kopfelemente 82, 89, 99, 102, 103, 106, 149 Kopffüllung 82 Kopfhinzufügung 82, 100, 102, 120, 149 Kopfplatz 83, 87, 88, 89, 92, 97, 148 Kopfumwandlung 77, 78, 79, 100, 102, 103, 105, 149 Kretzenbacher 73 Kurzzeitgedächtnis 97 Labov/Waletzky 33 Langzeitgedächtnis 8, 9, 16, 78, 97 lautes Denken 8, 11, 20, 24, 94, 107, 138, 139, 140, 142, 143 Leerstelle 4, 32, 70, 73, 89, 122 Lektürephase 23, 28, 42 Leontjew 125 lesen 3, 6, 12, 13, 14, 15, 22, 23, 26, 28, 34, 43, 44, 47, 51, 52, 54, 55, 80, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 97, 109,
188 110, 130, 134, 136, 140, 146, 147, 148 Levelt 106, 107, 118 lexikalisch-syntaktische Umformung 78 Linde/Labov 61 Linearisierung 60 lokale Bearbeitungen 111, 114, 115, 116 lokale Planung 21, 22, 90, 93, 94, 95, 106, 147 Longacre 66 Lord 21 Makro-Aktivitäten 58 Makroebene 58, 75, 142 Makrooperatoren 3, 5, 6, 22, 87 Makroplanung 82, 86, 119, 140 Makroproposition 3, 4, 85, 86, 96 Makroregeln 3, 4 Makrostruktur 3, 4, 5, 6, 14, 15, 33, 50, 53, 56, 58, 59, 66, 72, 73, 75, 86, 87, 106, 147 Makrostruktur-Propositionen 5 Markierung 15, 28, 30, 33, 34, 35, 36, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 58, 59, 86, 87, 88, 89, 90, 94, 146, 153 Markierungsform 28, 35, 40, 41, 42, 59, 87, 95, 153 Matsuhashi 117, 118, 126, 150 Meyer 66 Mikroplanung 140 Mikropropositionen 3, 4, 5 Mikrostruktur 4, 5 Mikrostruktur-Propositionen 5 Mötsch 30, 60, 68 Mustermarkierungen 30, 33 Nacherzählung 14 Nelson/Hayes 12, 13 neuformulieren 81, 115, 126, 127, 136, 144, 145 150 Neuformulierung 22, 79, 83, 86, 99, 100, 102, 106, 107, 108, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 122, 123,
124, 125, 126, 127, 134, 138, 144, 145, 150, 153 Neuformung 92, 148 Newell/Simon 7 normal 17, 18, 19, 20, 21, 108, 129, 138, 142, 150 Normalform 12, 17, 18, 22, 24, 66, 72, 81, 122 Notiz 9, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 20, 21, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 36, 45, 48, 49, 51, 52, 56, 95, 103, 105 Oberbegriff 3, 85, 86 Ong 21 Opposition 39, 59, 87 Organizing 8, 9, 15, 16 orientieren 3, 42, 56, 64, 66, 87, 88, 97, 106, 136, 141, 146 Orientierung 46, 63, 70, 79, 82, 86, 94, 95, 104, 125, 126, 148 Orientierungshilfe 44 Orientierungsphase 126 Orientierungswechsel 94, 136, 137, 149 Paraphrase 23, 30, 31, 32, 34, 133 Paraphrasenbeziehung 32 Paraphrasentyp 32, 33 paraphrasieren 14, 30, 32 32, 33, 34, 61 119 Paraphrasierung 30, 31, 32, 33 Parry 21 Pause 48, 49, 54, 74, 79, 80, 82, 94, 130, 135, 138, 143, 146, 150 Pawley/Syder 83 Perspektivenwechsel 4, 6, 77, 78, 79, 99, 102, 104, 106, 127, 132, 137 Phase 1, 13, 21, 22, 45, 48, 54, 55, 86, 88, 90, 91, 97, 104, 106, 107, 125, 126, 143, 144, 146 Planning 8, 16
189 Planung 7, 8, 13, 16, 21, 22, 23, 57, 75, 79, 82, 86, 90, 91, 93, 94, 95, 97, 106, 107, 116, 118, 143, 145, 147, 148, 151 Platz 44, 76, 83, 86, 91, 92, 94, 95, 96, 97, 104, 118, 127, 142, 148 PR-Ausdruck 33, 38, 40, 41, 48, 88, 146 Prätext 107 Prätextrevision 135 primäres Lesen 90, 91, 93, 94, 97, 146, 147 Primärtextanalyse 42, 44, 49, 59, 67 Prinzip der kleinen Absätze 84, 98, 99 Prinzip 13, 15, 17, 18, 21, 22, 23, 58, 64, 65, 66, 67, 71, 72, 74, 78, 79, 84, 86, 98, 99, 100, 108, 127, 129, 137, 138, 140, 144, 147 Proposition 3, 4, 5, 9, 11, 85, 106, 107 Propp 59 prozeduraler Terminus s. PRAusdruck Quaestio 60, 67, 73 Quaestio-Theorie 60 Rau 20, 23, 30, 117, 118, 135, 140, 143, 150 Reading to write 12 Reduktion der Zeilenmenge 83, 98 Reduktionsquotient 26, 27, 114, 115, 150, 153 Reduktionsregel 15 Referent 67, 68 Reflexion 1, 117, 125, 126, 138, 140, 141, 144, 146 Reflexionsphase 125, 126, 139, 150 Regel 6, 9, 11, 12, 17, 18, 21, 22, 24, 46, 52, 56, 58, 62, 63, 64, 65, 66, 75, 80, 86, 88, 100, 102, 123, 125, 127, 129, 131, 132, 137, 144, 151
Regeltyp 3, 64, 65 Rehbein 64 Reihung 64, 66 Rekonstruktion 3, 4, 5, 21, 23, 28, 58, 59, 66, 74, 76, 78, 86, 90, 95, 98, 106, 147 Rekonstruktions-Operatoren 4 rekursiv 11, 92 Reproduktion 4, 6 Reproduktionsaufgaben 5 Rumpf 69, 70, 71, 87, 89, 90, 99, 102, 103, 104, 105 Rumpfausdruck 89, 103 Rumpfbaustein 103 Rumpfelement 77, 89, 99, 103, 106, 149 Rumpfmarker 95 Rumpfplatz 83, 87, 88, 89, 97, 103, 104, 148 Rumpfsegment 87 Rumpfteil 71 Schank/Abelson 64 Schegloff 118 Schegloff/Jefferson/Sacks 118 Schema 4, 5 , 6, 53, 54, 64, 123 schemageleitet 85, 119, 123 Schreibbeginn 19, 23, 45, 48, 49, 50, 51, 56, 75, 86, 88, 91, 92, 94, 96, 136, 146, 148, 153 Schreibkurs 8 Schreibpause 21, 24, 54, 80, 82, 94, 147 Schreibphase 21, 22, 44, 49, 58, 93, 96, 136, 153 Schreibplan 8, 9, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 18, 28 Schritt 29, 46, 76, 92, 93, 94, 105, 127, 148 Selektionsbeschränkung 24, 25, 131 selektives Lesen 87, 88, 92, 94, 148 Selting 71 Sitta 73
190 Skript 63, 64, 65, 71, 75, 76, 77, 80, 83, 84, 93, 136, 141, 142, 144, 147 Skriptauswahl 76 Skripteinheit 69, 70, 72, 73, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 86, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 100, 103, 104, 120, 137, 138, 141, 142, 144, 147, 148, 149, 150, 153 Spivey/King 13 sprachliche Vororganisiertheit 21 Subkomponente 8, 9, 15, 16, 90, 95, 147, 148 Substitution 4, 6, 98, 99, 100, 101, 102, 106, 117, 127, 149, 151 Superstruktur 4, 6, 18 Szenen 64 Textart 1, 4, 16, 18, 19, 20, 21, 72, 81, 147 Textbasis 3, 4 Textmuster 16, 17 18, 19, 22, 33, 56, 57, 66, 74, 77, 96, 102, 123, 124, 128, 137, 146, 147 Textmusterwissen 66, 82, 87, 96, 103, 105, 119, 120, 122, 123, 124, 127, 128, 150 Textrezeption 2, 3, 4, 5, 8, 96 Textsorte 1, 2, 6, 7, 8, 12, 15, 16, 17, 20, 21, 25, 53, 60, 67, 94, 98, 99, 100, 101, 102, 122, 138 Thema 2, 3, 5, 13, 16, 21, 30, 32, 33, 38, 43, 49, 51, 64, 65, 70, 72, 81, 111, 122, 133 Thematik 26, 31, 69, 70, 71, 76, 77, 78, 80, 81, 84, 94, 95, 102, 104, 117 Thematik (Skripteinheit) 77, 80, 81 thematischer Komplex s. Themenkomplex Themenkomplex 147 Thorndyke 66 Tilgung 3, 6, 78, 83, 86, 98, 99, 101, 102, 104, 106, 127, 149
Tilgung von Nebensächlichem 83, 98 Tonhöhenbewegung 71 Transformation 4, 97, 99, 100 T w 58, 66 T z 58, 66 UFS-Ausdrücke 41, 42 Ullmer-Ehrich 61 umformulieren 81, 107, 117, 118, 126, 127, 145, 150 Umformulierung 81, 107, 108, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 122, 123, 124, 126, 127, 134, 138, 144, 145, 149, 150 Umformung 58, 76, 77, 78, 79, 83, 92, 103, 107, 113, 123, 126, 148, 149 Unterkapitel 60, 61, 62, 63, 64, 86, 116, 147 Unterstreichung 20, 21, 23, 34, 35, 36, 40, 43, 102 Van Dijk 2, 3, 7, 12, 17, 18, 97, 100 Van Dijk/Kintsch 3, 5, 6, 7, 12, 17, 22, 33, 64, 86, 87, 95, 96, 97 Verallgemeinerung 3, 4, 6, 86 Veränderung 77, 85, 86, 87, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 119, 127, 127 , 128, 137, 144 149, 153 Verdichtung 83, 98, 99, 101, 102, 149 vereinfachende Kürzung 78 Vereinfachung 79, 99, 101, 127 Vergleich 2, 58, 77, 78, 80, 81, 82, 83, 86, 92, 94, 148, 149 vergleichen 54, 77, 78, 79, 82, 86, 94, 97, 115 Verkürzung 79 Versachlichung 79, 99, 102, 104, 106, 127, 132, 137 Verschmelzung von Skripteinheiten 84, 99, 101
191 Verstoß 18, 19, 22, 24, 25, 113, 129, 130, 131, 132, 137 Vorausorientierung 149 Vorausplanung 90, 93, 94, 147 Vorausplanungskomponente 94, 147 Vorformulierung 117, 118, 119, 135, 140 Vorplanung 22, 23, 28, 81, 95, 136, 148 Wegbeschreibung 16, 17, 20, 90, 118, 139 Wiegand 72 Wissenschaftsjargon 120, 134 Witte 118 WJ-Ausdruck 120, 121, 122, 123, 124, 127, 128, 131, 132, 133, 135, 137, 144, 150 Wortfindung 25, 129, 130 Writing from sources 12, 13 Wrobel 2, 20, 23, 30, 33, 45, 46, 47, 75, 85, 90, 91, 94, 96, 106, 107, 118, 119, 123, 135, 140 Zitat 22, 54, 111, 112, 113, 114, 117, 153 Zurückorientierung 149 Zusammenfassung durch Abstraktion 85, 99, 149 Zyklus 86