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German Pages 327 Year 1998
BENEDIKT WANKE
Schadensersatz für Kindesunterhalt
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 215
Schadensersatz für Kindesunterhalt Zur familien- und schadensrechtlichen Verantwortlichkeit der Mutter in Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft
Von Benedikt Wanke
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Wanke, Benedikt: Schadensersatz für Kindesunterhalt : zur farnilien- und schadensrechtlichen Verantwortlichkeit der Mutter in Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft I von Benedikt Wanke. Berlin: Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 215) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09322-4
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany
© 1998 Duncker &
ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-09322-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Meinen Eltern
Inhaltsübersicht Einleitung ............. ... ... .................................. ...... ............. ...... .. ............. 23 l.Teil
Schadensersatz tlir Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
24
1. Kapitel
Schadensersatzansprüche unter Eheleuten
25
§ 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten .......... ... .......... .. ......... .......... 26 § 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche .............. ..... .......... .................. .. . 88 § 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach§ 823 BGB .................. ... 102 § 4. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB ........................ .... 116 2. Kapitel
Schadensersatzansprüche unter Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
146
§ 5. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ......... ....... ... ....................... .. ..... 146 § 6. Schadensersatzanspruch aus Vertrag ..... ........ ..... ........ ......... ............ .. .. 152 § 7. Schadensersatz aus vertragsähnlichem Vertrauensverhältnis, § 242 BGB .. .. . 163 § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche des nichtehelichen Lebenspartners .... . 171 2. Te i 1
Schadensersatz tlir Unterhaltszahlungen an ein von einem anderen Mann gezeugtes Kind
184
1. Kapitel
Schadensersatz tlir in der Vergangenheit geleisteten Unterhalt
185
§ 9. Die familienrechtliche Ausgangssituation.................. ............... ............. 185 § 10. Ansprüche des Ehemannes ...... ....... .... ..... ... ..... .. .. ...... ....... ... .. .... .... ... 200
§ 11. Ansprüche des nichtehelichen Lebenspartners ...... .... ... ........ .. ............... . 270
8
Inhaltsübersicht 2. Kapitel
Schadensersatz für in der Zukunft zu leistenden Unterhalt
282
§ 12. Der Ehemann ........ .. .................... .. .... ...... ..... ....... ..... .. ............... .... 282 § 13. Der nichteheliche Lebenspartner ................... .. .. .. ............................... 302
Schluß .......... .. ...................................... .. ..... ... ....... ................... .. .. ...... . 310 Literaturverzeichnis ..... ........................... ... ......... ..... ...... ........... ............ 313
Inhaltsverzeichnis Einleitung ........ ...................... .. ...................... .. .. ................................... 23 l.Teil
Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
24
1. Kapitel
Schadensersatzansprüche unter Eheleuten
25
§ 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten ... ..... .............. ....... ...... ... ... .... 26 I.
Zum Wesen der Ehe ........ .... .. .. .......... ........ ... .... ................ .... ... .. ..... 26 1. Ehe als Institution oder Vertrag ..... .. .... .. ........................... .... .... ..... 26
2. Ehe als soziale Verhaltensform .... ......................... ... ....... ... ........... 28 3. Die Schwierigkeit eines konsensfahigen Ehebegriffs .. .. ........ .. ............ 28 II. Inhalt und Regelung der ehelichen Lebensgemeinschaft ..... .... .... ..... ........ 29 1. Die eherechtliche GeneralklauseL ........... ..... ................... .. ............ 30
2. Gesetzliches Leitbild in der Vergangenheit ....... .... ....... ... ... .. ............ 30 3. Autonome Gestaltung durch die Ehegatten ... ... .. ..... .... .... .. .. .. ........... . 31 III. Grenzen ehelicher GestaltungsfreiheiL .... .. ..... ...... .... ...... .. ..... ...... ... ..... 32 1. lus cogens ... ....... ......... ... .. ........ .......... ... .... ...... ..... .......... ..... ... .. 33 2. Dispositives Recht ........ .. ....................... ...... .. ........ .. ............... ... 36 a) Verpflichtung zu gemeinsamer Entscheidung .............. .. ........... ... . 36 b) Keine Einschränkung des persönlichen Bereichs ..... ................ ..... 36 IV. Die Rechtsnatur von Ehevereinbarungen .... ... .... .... ...... ........... ........... .. 38 1. Das "gegenseitige Einvernehmen" in§ 1356 Abs. 1 S. 1 BGB als Anknüpfungspunkt der Diskussion .... ... ... ................... .... ...... .. .. ..... 38
2. Gernhuber: Ordnung der Ehe durch autonomen Akt ........................ .. 40
3. Eheliches Einvernehmen als Vertrag .... ................. ............ .... .... ..... 42 a) Das Erfordernis der Willenserklärung ....................... ... .... .......... 43 aa) Die Willenserklärung wird fmgiert .. ... ..... ..... .. .... ..... .. .... .... .. 44
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Inhaltsverzeichnis bb) Nachweis des Rechtsbindungswillens durch objektive Kriterien . 44 cc) Heptings Ansatz vom "Rechtsgeschäft kraftSpruchsder Rechtsordnung" .............. ................. ... ...... ........ ... ........ .. ......... 45 b) Einschränkung der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regeln des Rechtsgeschäfts auf Ehevereinbarungen ............... .... ...... ..... ...... . 47 c) Keine Übertragung der dogmatischen Qualifizierung des ehelichen Einvernehmens als Rechtsgeschäft auf Absprachen zur Familienplanung ....... .. .... .............................. ....................... .... ..... .. . 50 d) Ablehnung des Vertragsgedankens durch andere Autoren... .. ....... .. . 53 4 . Lipp: Eheliches Einvernehmen als rechtsrelevantes Verhalten .. .... .... ... . 53 5. Der Vertrauensgedanke als Ordnungsprinzip in der Ehe ....... ... ..... ...... 55 a) Pawlowski: Berechtigte Sozialerwartungen als Maßstab der Verhaltensanforderungen .......................... .................... .. .......... ..... . 55 b) Streck: Das eheliche Treueverhältnis als Basis des Vertrauens ......... 57 c) Andere Stimmen zur Vertrauenshaftung ...... ............................... 58 6. Eigene Stellungnahme ............. ... ....... ... ..... ................................. . 58 V. Absprachen zur Familienplanung ............... ....................... ... ..... ........ 61 1. Keine Unabänderlichkeit aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 61 a) Absprache der Kinderlosigkeit .. ...... ...................... .............. ... .. 61 b) Zusage der Einnahme empfängnisverhütender Mittel.. ....... ............ 63 2 . Keine Klagbarkeit .... .... ...... ... ......... .... ... ............. ............ .... .... .. .. 63 3. Der Vertrauensgrundsatz als Maßstab für Umfang und Verbindlichkeit der aus der Absprache resultierenden Ehepflichten ........ ...... ..... .. ..... .. 64
a) Grundsätzliches Pesthalten an der Absprache ...... ... ....... ... ..... ... ... 65 b) Mitteilung eines Abweichensan den Partner .. .. ... .... .... ........ .... ... . 66
c) Verletzung der Pflicht zur einvernehmlichen Regelung ... ... ............ 67 VI. Polgen der Eheverfehlung ......... ..................... ...................... ........ .. . 67 1. Eheherstellungsklage .... ................ ...... .... ...... ....... .. ..... ...... ... ....... 67 2. Zerrüttung und Scheidung ... ................... ........ ........ ..... ..... ... .... ..... 68 3 . Härteklausel im Unterhaltsrecht ... ... ....... .... .. ..... .... ..... .. ..... .. .......... 69
a) Beschränkung des Unterhaltsanspruchs ..... ... ..... ........... ... ... .. ... ... 69 b) § 1579 Nr. 6 BGB .. .... .... ....... ....... ... ...... .......................... .. .. . 71
aa) Bisherige Stellungnahmen .... ..... .......... ....... ... ..... ............ ... 72 bb) Voraussetzungen des§ 1579 Nr. 6 BGB ... ... ..... .. ..... ...... .. ... . 73 (1) Schwerwiegendes Fehlverhalten ................................... . 73
Inhaltsverzeichnis
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(a) Abredewidriges Absetzen von Verhütungsmitteln durch die Frau ...... ................... ... .. ..................... ..... ..... . 73 (ß) Vergleich mit anderen Fallgruppen ........................ .... 74 (2) Abwägung der beteiligten Interessen ............. .. ............ ... . 75 (a) Wahrung der Kindesbelange .. .. ................... .... ..... ... . 75 (ß) Vermeidung grober Unbilligkeit ...................... ...... ... 76
cc) Die Beweislast ... .. ......... ..... ..... ... ................. .. ..... ..... .. .... . 77 dd) Eigene Stellungnahme ....... ........ .......................... .... ..... .... 77 4. Keine Auswirkung auf Versorgungs- und Zugewinnausgleich ..... .......... 78 a) Der Versorgungsausgleich ................ ........................... ...... ..... 78 b) Der Zugewinnausgleich .................. ......................... ...... ......... 80 5. Schadensersatz aus § 1353 BGB? .......... ..................... .. ... ... .. ........ . 82 a) Standpunkt des Bundesgerichtshofs ....................... .... ... .... ......... 83 aa) Persönliche Fflichten ...... ... ........................ .... .. .. ... ........... 83 bb) Vermögensrechtliche Fflichten ............ .................. ............. 84 b) Die Literatur ........ ............................... ................ .. ..... .... ..... 84 c) Eigene Stellungnahme ......................... ............................... ... . 86 § 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche ....... .. .. ... .... ................. ....... .... ..... 88 I.
Wirksamkeit des Vertrages ...... ........ .... ... ..... ..... .... ........ .......... ...... ... 88 1. Bundesgerichtshof und Literatur ................ ...... ..... ... .................. ... . 88 2. Die Maßstäbe der Prüfung ............... .. ..... ...... ................... ....... .... . 89 a) Vertragsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung .... ................ ..... .. 89 b) Verstoß gegen die guten Sitten, § 138 Abs. 1 BGB .... ..... ..... .... .. ... 90 3. Unwiderruflicher Vertrag .. ....... ...... .... .. ......................... ..... ... ...... 91 4. Modifizierter Vertrag .... ........................ .. ....................... ...... ... ... 93 a) Auslegung ............ ..... .......... ....................... ............ ..... ... ..... 93 b) Geltungserhaltende Reduktion durch richterliche Vertragsgestaltung. 94 c) Weitere Vertragsmöglichkeit ... .... ......... ... ....... ...... ..... .. ............ 95 d) Stellungnahmen ..... ............. ......... .. ............ .. ...... ..... ........ ...... 95
II. Sanktionsmöglichkeiten .... ............................. .. ......... ... ...... ... ........... 96 1. Keine Vollstreckbarkeit vertragstreuen Verhaltens ..... .................. ..... . 96 a) Ehepflicht .. ..... ...... .... ....... ................ ....... .. .... ... ................. .. 97 b) Vertragspflicht ............. ... ......... ........ ..... .. .... .... ......... ... .... ..... 97 2. Ersatzansprüche auf der Sekundärebene? ...... .. ... ................. ... .. .. ... .. 98
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Inhaltsverzeichnis a) Konventionalstrafe ... ... ..................... .. ..... ............. ... .. .......... .. 98 b) Schadensersatz ........................... ....... .. ............. ............ .. .... .. 99 c) Freistellungsvereinbarung .... ...... .. .. .... ......................... ......... .. 100 111. Ergebnis ........ .. ........................ ................... ................... ..... .... .... 102
§ 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach§ 823 BGB ............... ....... 102 I.
Anwendbarkeit des Deliktsrechts ........... .... .... ..... ......................... .... . 102 1. Allgemeines ...................................... .. .... .. .............................. 102 2. Deliktsrecht bei Täuschung über Verhütungsmaßnahmen ................... 103 a) Kein Ausschluß durch Familien- und Verfassungsrecht.. ... .. ...... ... . 103 aa) Die Position des Bundesgerichtshofs ........................ .... .... ... 103 bb) Stimmen in der Literatur .... ... ............. .............................. 104 cc) Kritik .. ................ ..... .. ... .. ... ....... .. .. .... ........ ..... .... ..... .... 105 b) Kein Ausschlußaufgrund der Interessen des Kindes ....... .. ......... ... 106 3. Ergebnis ..................... .. ...................... ................ .. ..... .. .... ....... 109
II. § 823 Abs. 1 BGB ...... ...... ................... .. .. ..... .................. ... .......... . 109 1. Geschützte Rechtsgüter ................. .. ....... .... ................... ... .... ..... . 109 2. Sonstiges Recht. ........ ..... ... ........................ .... ... ...... .... .... .......... 111 a) Kein absolutes Recht aus der Ehe selbst .. ... .. .............. ........... .... 111 b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ..... ...... ... .... .... .... ... ............ 111 aa) Mißachtung der Person des Ehemannes ...... .......... ... ............ 111 bb) Das Recht auf Familienplanung ... ......... ....... .. ...... .... ........ .. 112 111. § 823 Abs. 2 BGB .. ................. ... .. .......... ......... ...... ... ................ .... 115
§ 4. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB .... .. ....... ......... ....... 116 I.
Die Diskussion um § 826 BGB .... .. ...... ... ...... .. ..... .. .... ................... .. . 117 1. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ... ............. ...................... 117 2. Standpunkte in der Literatur ...... .. ........... ....... ... .... ...... .. .... ..... ..... . 117
II. Eigene Beurteilung ........... ... ......... ................................................ 119 1. Gute Sitten ........ ..... ... ..... ..... .. ............. ....................... ......... .... . 119
a) Begriff .... .. ............ .... .......... ..... .. ..... .... ...... .... .. .. .. ... .. ......... 119 b) Beurteilungsgrundlagen ..... .. .................................. ............... . 120 c) Bewertungsfaktoren......... .. ........ ....... ........ ... .. ........ ....... .... .. .. 121 2. Das Verhalten der Ehefrau als Verstoß gegen die guten Sitten .. .. .... .. ... 122 a) Unterlassentrotz Handlungspflicht.. .. .......... ........ .. .... .... .... .... ... 122
Inhaltsverzeichnis
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b) Verstoß gegen sozialethische Verhaltensanforderungen .... ... ........ .. 122 aa) Bewertungsrelevante Kriterien ...... ... ........... .... ........ ......... . 122 bb) Differenzierung nach vorehelicher Absprache ..... ........ ....... ... 123 (1) Keine eindeutige Ablehnung von Nachkommen ...... ...... .... 123 (2) Ausdrücklicher Ausschluß des Kinderwunsches .... .......... . 124 c) Mißbrauch der Vertrauensstellung der Ehefrau ............ ..... ..... ..... 125 aa) Eheverfehlung............................... .. .............. ... ............. 125 bb) Sittenwidrige Inanspruchnahme von Vertrauen..... ....... ... .... ... 126 d) Mißbrauch des Mannes als Instrument der Fortpflanzung? .. ... ........ 126 aa) Das äußere Verhalten .. ..................... .................. ............ 126 bb) Die innere Einstellung und Motivation der Prau .... ....... ...... ... 128 (1) Zeugung zur Pamiliengründung ...... .. ............... .. ....... .... 128 (2) Zeugung trotz Trennungsabsicht ...... .......... ... ................ 129 e) Hineindrängen des Ehemannes in die Elternschaft .... .. .. .... .. ......... 130 aa) Kein Widerspruch zu allgemeinen Anschauungen .................. 130 bb) Ausnahmen .... ............................ ..... ........... ........ .. .. ... ... 131 f) Bewußte Schadenszufügung ................ ... .... ........................ .. .. 132
aa) Absicht der Ehefrau .... ... ............ ..... ....... .. ..... .. ..... ..... .. ... 132 bb) Begründung der Sittenwidrigkeit. ..... ...... ....... ........... ...... .... 132 (1) Ausdrücklicher Schädigungswunsch ............................ .. 132 (2) Die Würde des Kindes ........... ..... ....... ........................ 132 g) Zusammenfassung .......................... ..... ... .. ................... .... .... 133 3. Vorsatz ..... ..... .. .. .... .......... ........ ....... .. .... .. .. .... ..... ..... ... ... ..... .... 134 4. Der Schaden ................ ... ......... ..... .... .. .. .. ....................... ... .. ..... 135 a) Schadensersatz für Kindesunterhalt ....... ................... ..... ..... .. .... 136 aa) Standpunkte in Literatur und Rechtsprechung ......... .. ....... ..... 136 bb) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.5.1993 und seine Auswirkung auf Rechtsprechung und Schrifttum .... .. 138 (1) Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts .. ....... ........... 138 (2) Reaktionen ..... .. ...... ... .. .... .... .... ....... .. .. ... .... ....... .. ..... 138 b) Anerkennung von Schadensersatz unter Ehepartnern .... ..... .... .... ... 142 aa) Deliktischer Ersatzanspruch ..... ..... ..................... ...... ........ 142 bb) Kind nur einseitig unerwünscht ....... .. .... ..... ...... ................. 143 5. Ergebnis ....... ..... .... ........ ..... ...... .. ... ........ ... ...... ... .. ..... ............ . 145
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Inhaltsverzeichnis
2. Kapitel Schadensersatzansprüche unter Partnern einer nichtebelieben Lebensgemeinschaft
146
§ 5. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ......... .... ...... ........ . ............... ... ... . 146 I.
Möglichkeiten nichtehelichen Zusammenlebens ... ......................... ....... 146
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben ........ . ..... ..... .... .. ............... ...... .. .... .. 147
111. Regelungsbedürftigkeit .............. ..... ......... .... ............. ... ..... .. . .. .... .... 149 IV. Regelungsvorschläge ................... ... ... .............................. .. ..... ..... .. 150
1. Lösungsvorschläge bei Auflösung der Lebensgemeinschaft........ ......... 150 2. Zur Zusage der Empfangnisverhütung durch die Frau ........... . ... ........ 151 § 6. Schadensersatzanspruch aus Vertrag ......................................... ......... .. 152 I.
Keine ausdrückliche vertragliche Einigung ..................... ... ..... .. .... ... ... 152
1. Die Einschätzung des Bundesgerichtshofs ........... ..... .. .......... .... ... .. .. 153
2. Kritik .... . .............. .... ... ... ................................ .. ....... ..... .. .... ... . 153 3. Stellungnahme ......... ..... .............................. .. .......... . ... .. ...... .. ... 154 II. Ausdrückliche Vertragsabsprache .. ......... ..... ..... .. .. ... . .......... .... ...... .... 155
1. Grundsätzliche Zulässigkeit von Partnerschaftsverträgen .............. ...... 155
2. Regelungen des Intimlebens ............. .. .. .. .... .... ..... ..... ... ............... . 156 a) Sittenwidrigkeit .... .. ....................... . ........ .......... ........ ........... 156 b) Parallele zu Ehevereinbarungen .. ........ ... .... ... . ......... ... ....... ...... 157 111. Vertragliche Abrede zur Familienplanung ... .... ...... ....... ... ... .. ... . ... ... .. .. 157
1. Zulässiger Vertragsinhalt ... . .... ........ ..... ... ...... .... ... ...... ..... ............ 157 2. Durchsetzbarkeit .... .... ........... ......... .. ... ....... ..... .... ... ..... ............. 158 3. Konventionalstrafe ..... ... ................ .. ...... .. ... ... . ........... .. .............. 158 a) Keine Anwendung des§ 888 Abs. 2 ZP0 ... ... ......................... ... 158 b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ... .. ........... ......................... 159 aa) Keine unzulässige Einengung der Entscheidungsfreiheit .. ... ..... 159 bb) Keine unzulässige Beeinträchtigung der Intimsphäre ............... 160 cc) Kein Schutzbedürfnis gegenüber staatlicher Einflußnahme ....... 160 c) Ergebnis ...... .. .............................. .......... ....................... .... . 161
4. Schadensersatz ................. ..... .... ..... ... .. .... ..... ............................ 161 a) Kein Schadensersatz unter Ehegatten . ........ ............. .... . .... .. .. .... . 162 b) Unterschiede bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ... ... .. ..... . 162
Inhaltsverzeichnis
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c) Schadensersatz bei vertragswidrigem Verschweigen des Absetzens von Verhütungsmitteln .. ........................................ ........ .. ... ... 162 § 7. Schadensersatz aus vertragsähnlichem Vertrauensverhältnis, § 242 BGB ...... 163 I.
Voraussetzungen ......................................... .... ....... ........... .. .. ....... 164 1. Allgemeines ................ .. ..................... ... ..... .... .............. ... ..... ... 164
2. Vertrauen bei Absprachen zur Familienplanung ...... .. .. ............ .. ... .... 164 3. Konkreter Vertrauenstatbestand ... ...... ................. .......... ............... 165 4. Schutzwürdigkeit des Vertrauens ................... .. .......... .. ................ . 166 II. Stoll: "Vertrauensschutz bei einseitigen Leistungsversprechen" ............... 166 1. Der Ansatz Stolls ....... ...... ..................... .... ....... ............... .......... 166
2. Die Anwendung auf Absprachen zur Familienplanung zwischen nichtehelichen Lebenspartnern .......... ...... ... ... ......................... ...... 167 a) Einseitiges Leistungsversprechen...... .... ..... .... ...................... ... . 167 b) Vertrauen des Partners auf abredegemäßes Verhalten .... .. ... .. ........ 168 c) Parallele zu Ehevereinbarungen ...... ...... ..................... ....... ...... 168 3. Einschränkungen ........ ..... ............. ..... ........................... ... .. .. ... .. 169 a) Wertungsfragen .... .. ... ........ ....... ... ................... ......... ..... ...... . 169 b) Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Mannes .... .. .......... ..... .... .... 170 aa) Erfordernis besonderer Umstände ................... .. .. ......... ...... 170 bb) Vertrauen auf Empflingnisverhütung allein nicht schutzwürdig . 170 111. Ergebnis ..................... ... ....... ............................................ ... .. ..... 171 § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche des nichtehelichen Lebenspartners ..... . 171 I.
Das Deliktsrecht als "sedes materiae" .. .. .... .. ...... ..... .... ... .... ... ........ .... . 172
II. Kein Anspruch aus § 823 BGB ...... .... ..... ... .............. ... ...... ... ............ 172 1. § 823 Abs. 1 BGB .. .......................................... .... ..... ....... ........ 172
2. § 823 Abs. 2 BGB ..................................... .. ............ ..... ........ .. .. 173 III. Schadensersatz bei vorsätzlicher sittenwidriger Schadenszufügung aus § 826 BGB .... ..... .... .. ...... ... ........ ............. .. .. ... ... ....... ..... .... ..... ...... 173 1. Bundesgerichtshof und Schrifttum ...... .... ...... .... ..... .. .. .................... 173
2. Kritik und Diskussion ...................... ........ ..... ... ... .......... ... .. ........ 174 a) Unterlassen bei sittlicher Handlungspflicht. ... ...................... ....... 175 b) Schwerer Vertrauensbruch ....... ....... .. ..... ....... ......................... 175 aa) Vorwurf der Sittenwidrigkeit unter Ehepartnern ....... .... ........ . 175 bb) Andere Voraussetzungen bei nichtehelichen Lebenspartnern .... 176
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Inhaltsverzeichnis cc) Vorwertbarer Vertrauensbruch im Bereich der Familienplanung ..................................... ...................................... 177 dd) Keine normierte Pflicht zu gemeinsamer Entscheidung ........... 177 ee) Erfordernis einer vorwertbaren Gesinnung der Frau .............. 178 c) lnstrumentalisierung des Mannes ...... .. .. ........................ .......... 179 aa) Parallele zur Ehe ..................... ... ................................... 179 bb) Absicht der Trennung ............... ..... ................................. 180 d) Hineindrängen des Mannes in die Elternschaft ..... .. ............... ...... 180 e) Ausdrücklicher Wunsch der Schadenszufügung ....... .. ..... ......... ... 181
t) Zusammenfassung .. .... ............................................... ... ... .... 181 3. Ergebnis .................... .... ................................................... .. .... 182 2. Te i 1
Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an ein von einem anderen Mann gezeugtes Kind
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1. Kapitel
Schadensersatz für in der Vergangenheit geleisteten Unterhalt
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§ 9. Die familienrechtliche Ausgangssituation................. .......... ... ....... ... ....... 185 I.
Der eheliche Vater ..... ..... .. .............. ............... ................ ..... ... .... ... 185 1. Die gesetzliche Ehelichkeitsvermutung des Kindes ........... ... ....... ...... 185
2. Die Aufhebung der Ehelichkeit ..... .. ................. ......... .. ..... ...... ... ... 186 li. Der nichteheliche Vater ......... .... ..... ............... ... .. ..... .......... .. ... ....... 187
1. Keine Vaterschaftsvermutung .. .... ........... .. ..... ........ ... .... ............... 187 2. Der Eintritt der nichtehelichen Vaterschaft.. ...... ................. ... .......... 187 a) Die Anerkennung der nichtehelichen Vaterschaft... ......... ... .... ...... 187 b) Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ........ ......... .... ........ . 188 3. Die Wirkungen der rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung .. .. .. .......... 189 a) Begründung oder Feststellung der Vaterschaft ... ........ .. ... ............ 189 aa) Rechtsprechung und Schrifttum ......... .. .... ... .. .... .... .. ... ........ 189 bb) Bedenk:en .... .. ... ........... .. .......... ... ..... ................ .. ..... ...... 190 cc) Anknüpfung an die allgemeine Meinung ...... .................. ...... 191 b) Die Rückwirkung .... .. ... ..... .... ....... .. ....... .......... ....... ....... .. .. .. 192 4. Die Aufhebung des nichtehelichen Vater-Kind-Verhältnisses ...... ... ...... 192
Inhaltsverzeichnis
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a) Die Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung .............. ............... 193 b) Aufhebung des Feststellungsurteils ......... .... ................. .. .... ....... 193 III. Die Regreßsituation des bisherigen Vaters nach der Aufhebung der Vater-Kind-Zuordnung .................... .. ........... ... ........ ....... ............. . 193 1. Die vermögensrechtliche Relevanz der Zuordnung ...... ............. ........ 194
a) Das ehelich geborene Kind ................ .. .... ....... ............. ...... .... 194 b) Das nichtehelich geborene Kind ... ..... ...... ..... .. ...... .. ................. 195 2. Rückgriffsvoraussetzungen ..... .. .......... ........ ....... ..... ................... . 196 a) Die Aufhebung der Zuordnung .............. .... ....... .... .... .. .......... .. 196 aa) § 1593 BGB ............ ............... ......... ........ ........... .......... 196 bb) Die Aufhebung der bisherigen nichtehelichen Vaterschaft ... ..... 197 b) Die Feststellung des Verpflichteten als nichtehelicher Vater, § 1600 a S. 2 BGB .......................... ..... ... .... .. .. .......... .... .. ..... 197 3. Das Bedürfnis nach Ersatzansprüchen gegen die Mutter .. ....... ... ........ 198 a) Kein erfolgversprechender Anspruch gegen das Kind ............... .... 198 b) Die Lücken im Regreß gegen den nichtehelichen Vater............ ... .. 198 c) Umfang und Funktion des Schadensersatzanspruchs .......... ...... ..... 200 § 10. Ansprüche des Ehemannes ....... ... .. ........ ................... ... ........... ........ ... 200 I.
Ansprüche aus der ehelichen Sonderverbindung .. ................ .. .......... ..... 201 1. Gesetzlich vorgesehene Rechtsfolgen bei Verletzung einer personalen Ehepflicht ..................... ....................... ............................... .. .. 202
a) Herstellungsklage, Zerrüttung und Scheidung ........................ ..... 203 b) Gesetzlich vorgesehene vermögensrechtliche Sanktionen .... ..... .... .. 203 aa) Beschränkungen im Unterhaltsrecht .................. .... ..... ... .... . 203 bb) Einschränkungen im Recht des Versorgungsausgleichs ..... .... .. 205 cc) Der Zugewinnausgleich ........................................ ...... ..... 207 dd) Zusammenfassung ............................................... .. ..... .. .. 209 2. Schadensersatzansprüche des Ehemannes aus "Ehestörung" .. ............. 209 a) Die Diskussion um Schadensersatzansprüche unter Eheleuten ........ 210 aa) Der Standpunkt des Bundesgerichtshofs ......... ... .... .... .......... 210 bb) Das Schrifttum ......................... ... ..... ................. ....... ... .. 212 cc) Stellungnahme ........ .................. ........... ... ...... ........... ... .. . 216 b) Keine taugliche Anspruchsgrundlage ... ...... .......................... ..... 222 aa) § 1353 BGB als Anspruchsnorm für Schadensersatzansprüche? 223 (1) Die Systematik des Eherechts ... .. .... .. ............ ............ ... 223 2 Wanke
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Inhaltsverzeichnis (2) Kausalitätsprobleme ........... ..... ...... ................... .... .. .. .. 224 (3) Unvereinbarkeit mit dem heutigen Eheverständnis .. .... .... .. 225 bb) Ehestörung als Verletzung eines sonstigen Rechts aus § 823 Abs. 1 BGB? .............. ............ ........ ............... ...... . 226 (1) Anerkannte absolute Rechtspositionen unter Eheleuten ...... 227 (2) Die Ehe als absolutes Recht.. ... .... ................... ... ..... .....228 (3) Aus der Ehe abgeleitete absolute Rechtspositionen . .. ......... 229 (o:) Der ungestörte Fortbestand der Ehe .. ..... .... ... ........... 229 (ß) Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 BGB ................... ..... ... ....... ........ .... ... ..... . 230
(4) Ehebruch als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts .. .. ..... .. .................... ..... ..... ........... ... ........ .... .. 231 cc) Art. 6 Abs. 1 GG als Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB? .233 c) Ergebnis .... ... ....... .. .......... .... .. ..... ... .. ... .... .... ..... .. ..... ..... .. .. ..234 II.
Deliktische Schadensersatzansprüche jenseits der ehelichen Sonderverbindung .... ... .................. ..................... ... ... ...................... ....... ... 235 1. Die Fälle sittenwidriger Schadenszufügung ..... . ........................ ....... 236 a) Allgemeines .............. ............ .... .. ..................................... .. 236 b) Die schädigende Handlung . ..... ......... ............. ..... ......... .. ... . .. .. . 239 aa) Ehebruch und Schadenseintritt . .... ... ............ .... .......... ... ..... 239 bb) Das Verschweigen des Ehebruchs ................................ ... ... 241 cc) Die Entgegennahme von Unterhalt. .............................. ...... 243 dd) Die prozessuale Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen .... 243 ee) Arglistige Täuschung über die Umstände der Zeugung .... ... .. ..243 (1) Aktives Tun.... ...... ........ . .. .... .. .. .. .... ........... .... . .... .. .. .. 244 (2) Der Zustand der Ehe ..................................... ....... .. .. .245 (3) Das frühere Verhalten der Eheleute ......................... ..... . 246 ff) Das Verschweigen des Erzeugers . .............................. . .. .. .. 247 (1) Anspruch aus eigenem normiertem Recht ... .. .............. .... 247 (2) Anspruch aus übergegangenem Recht .. ..... ...... .... ....... .... 247 (3) Anspruch aus Treu und Glauben .. .... .. ... ....... ... ... .... .. ... . 249 (4) Verschweigen gegenüber dem Jugendamt ........... . ..... .. .... 251 c) Der Schaden ....... . .... .. .. .... ..... ......... ... ...... ....... ...... ..... .... .. ... . 252 aa) Entbindungskosten und Unterhalt für die Mutter aus Anlaß der Geburt ... .... .. . ... ....... ........ ... ... .......... .. ........... ... ............ 252
Inhaltsverzeichnis
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(1) Verpflichtung zur Leistung kein zurechenbar veranlaßter Schaden .. .... ... ................... .......................... ..... ... ... . 252 (2) Schaden durch die Beeinträchtigung des Regresses gegen den nichtehelichen Vater .. .. ... .. .. .. ........ .... ..... ...... 253 (a) Umfang ............................... .. .............. .... .......... 253
(ß) Kausalität ....................... .. ..................... ... ... ....... 254 bb) Unterhaltszahlungen gemäß §§ 1601 ff. BGB .......... .. .. ...... ... 255 (1) Die Beeinträchtigung des Regresses gegen den nichtebeliehen Vater .................. .............................. .. ... ........ 256 (2) Längere Unterhaltspflicht.. ...................... ... ....... .... ...... 256 cc) Verpflichtungen gegenüber Dritten aus § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB ..... .. .............................. ................... .. ........... 258 dd) Die Kosten der Ehelichkeitsanfechtung .. ..... ...... .................. 260 2. Falschaussage im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren .. ..... ..... .............. 261 a) Die Stellung der Mutter im Anfechtungsprozeß ......... ... ............... 261 aa) Zeugin ..................................... ...... ............................. 262 bb) Partei .................................. ...... ..... ............................. 262 b) Die Wirkung der Falschaussage .......... ........ .................... ..... .. . 263 aa) Klagerücknahme seitens des Ehemannes ... .... ................... ... 263 bb) Abweisung der Klage durch Urteil .......................... .. .. ..... .. 264 cc) Prozeßbetrug und sittenwidriges Verhalten..................... ...... 265 c) Der Schaden ............ .... .................. ... ........................... .... ... 266 3. Die Fälle strafbaren Betruges .... ............ ... ....... ... ..... ... ....... .. .. ...... 266 111. Ergebnis ... ..... ..... ....... ...... .. ... ..... ...... .... ... .............................. ... ... 268 § 11. Ansprüche des nichtehelichen Lebenspartners .. ............. ............. ...... .... . 270 I.
Grundlagen eines Ersatzanspruchs ........ .................. ............ ... .... ....... 270 1. Die Untreue der Frau ... .. ....................... .... .. .... .... ........ .............. 270 2. Die Herbeiführung der Vater-Kind-Zuordnung ...... ..... .... .. .... ........... 270 3. Keine Wertungsunterschiede bei Gelegenheitsbekanntschaften .. ........ ... 271 4. Mögliche Anspruchsnormen .............. .. ... ......... ...... .. ...... ... ...... ..... 271
II. Deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche ...... ... ... ........ .... .......... ..... .. 272 1. Die sittenwidrige Schädigungshandlung im Sinne des§ 826 BGB ... ...... 272 a) Schweigen und Gewährenlassen ... .... .. ........................... ......... . 272 b) Täuschung über die Abstammungsverhältnisse .............. ......... .... . 273 c) Falschaussage vor Gericht .... .. ..... .. ....... ....... ..... ....... ......... .. ... 275
20
Inhaltsverzeichnis d) Drohung ............ .. ........................ .... ..... ..... .. ... .... ..... ...... ....275 e) Verschweigen des Erzeugers .............. .... .. ..... ...... ........ ... ... ..... 276 2. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB ..... ...... ....... ... .. ..... .. .... ....... 276 3. Die Aufhebung der verwandtschaftlichen Zuordnung .... .. ..... .. ..... ... ... 277 4. Der Schaden ............ ... ....................... ......... ............................. 278 a) Die durch die Täuschung zurechenbar verursachten Schadenspositionen .......................................... ...... ......................... .. ... .278 aa) Unterhaltszahlungen an das Kind .......... ...... ....................... 278 bb) Entbindungskosten und Unterhaltszahlungen an die Mutter aus Anlaß der Geburt ....................... ...... .................. .. .......... 278 cc) Die Kosten der Anerkennung der Vaterschaft ....................... 279 dd) Die Kosten der Anfechtung der Anerkennung ................... .... 279 ee) Verzögerungsschaden ............... ..... ................................. 280 b) Die Auswirkungen der späteren Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft eines anderen Mannes .. ....... ..... .... ......................... 280 aa) Leistung Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus § 1615 b Abs. 2 BGB ..................................................... 280 bb) Schaden bei Beeinträchtigung des Regresses ........................ 281 5. Ergebnis ....... ..... ..... .......... .... ... ................. ...... ... .............. .... ... 281 2. Kapitel
Schadensersatz für in der Zukunft zu leistenden Unterhalt
282
§ 12. Der Ehemann ........ .... ....... .... .. ...... ...... .. ........ .......... ..... .. ..... .... .... ... 282 I.
Mögliche Verhaltensweisen der Mutter ... ...... ........ ...... ... ............ ... ..... 283 1. Falsche Versprechungen ... ......... .. ..... ........... ................... ...... .....283
2. Drohung mit Verlassen und Scheidung ................................ ... .... ...284 3. Zerstreuen von Zweifeln ... ......... .. ................................... .. .. ....... 284 4. Fehlinformationen zur Rechtslage ... ..... ....... .. ... ..... ............. ......... .. 285 II. Die Regreßsperre des§ 1593 BGB ...... ... ... ..... ..... ...... ...... ........ .. .... ...286 1. Bedeutung und Schutzzweck der Norm .. ... ..... ......... .. .......... ..... ...... 286
a) Die Position des Reichsgerichts ........................................ ....... 286 b) Der Bundesgerichtshof und die heutige Situation .. ........... .. .. ........ 287 2. Ausnahmen vom Grundsatz des§ 1593 BGB ... .. ......... ......... .. ...... ... 288 a) Gesetzliche Durchbrechungen .. .................... ................ ........ ... 288 b) Einschränkungen de lege lata nach Interessenahwägung .. ...... ... : .... 289
Inhaltsverzeichnis
21
III. Die Möglichkeiten des Ehe- und Scheidungsfolgenrechts .............. ....... .. 292
1. Die Ehepflichtverletzung ........................................... ...... ....... ... .292
a) Falsche Versprechungen und Drohungen....................... ... ..... .... 292 b) Bewußte Falschinformation ......................... ....... .. ......... ... .... ..293 2. Berücksichtigung in Härteklauseln ............ ... ... ................... .. .........293 a) Die Modiflzierung des Trennungs- und Geschiedenenunterhalts gemäß § 1579 Nr. 6 BGB ........................ .. ............ .... .. ... ..... ..... 293 aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen ..... ........... .... ....... ............ 293 bb) Die Regreßsperre des§ 1593 BGB ............. .... ...... ... .......... 294 b) Auswirkungen auf den Versorgungsausgleich ... ...... ....... ............. 295 c) Berücksichtigung im Rahmen des Zugewinnausgleichs .... .. .. .. ....... 296 3. Kein Schadensersatzanspruch ...................... ......................... ... ... .297 IV. Deliktische Schadensersatzansprüche ... ... ..... ... ...... o0000o0.......... 00....... .. 297 1. Allgemeines .... .. 0.... .... 0.. ...... .................... .. ............................ 00297
2. Die sittenwidrige Schädigungshandlung ...... ..... .. .. .. .. ........... .. ......... 297 3. Das Verhältnis zu§ 1593 BGB ................. .. ... .. .................... .. ...... 299 4o Der Schaden... 0..... 0... 0.... o00.......... 0..... .. 00.... .. ........ 00..... 0........ .. ... 301 § 13. Der nichteheliche Lebenspartner ....... oo ........ .. oooooo .... ooooo oo ........ ooooo ....... 302 I.
Rechtliche Vorgaben ..... 0........ .... .. 00 ... ... .... ...... .. ........ ........ ............. 302 1. Die Anfechtungsfrist ................ 00 000.. 000.. ..... 00 .. 0. 0.. 00.... 0. 000..... ..... .. 302
2. Fristverlauf ................... .. ....... 00 0000000.. 0.... 00. 000000.. 0... 00000000........ .. 303 a) Die Anerkennungserklärung ist frei von Willensmängeln......... .. 00 .. 303 b) Anerkennung wider besseres Wissen. 0.. 000000.... .. .... 00.. .. .. ... 00.... ... 303 c) Die Anerkennungserklärung leidet unter Willensmängeln gemäß §§ 119, 123 BGB ... .... ............. o.. ..... oo ......... oooo .. ... o.oo ... .. ........ 303 30 Folgen der Fristversäumungo .. ooooo··o .............. .. ..................... ooo.oo .. 304 II. Schadensersatz aus§ 826 BGB ................... ........ .. ........................... 305 1. Tatbestandsbegründendes Verhalten der Frau .. .... ...... ..... ............... .. 305
2. Überwindung der Sperre des§ 1600 a S. 1 BGB ...... .... ........ .. .......... 306 a) Geschützte Interessen ... .... .. 000 000oo •0000 000000 oo ... 0........ .. 00000..... .... . 307 b) Ausnahmen .......... oooooo ...... oo.oo .. ·oo oo •o•oooo •.. oooooo ........... ... oo ... oo .307 c) Abwägung .... ...... oo ····...... ........... .. .. oo ... ooooooo ............ oo ····oooooo308 3. Schaden .. ..... .. 000....... ... ... .. 0.. 0. 0.... 0.. .. ... .. ..... 00000..... .. ..... .... 00000. 00309
22
Inhaltsverzeichnis
S c h l u ß o o o o o o o o o oo ooooOooOoOOooooooo o o o o o o o o O oOoooooooooooooOOOoo ooo o o o ooooo o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o o ooo o o o o 3 1 0
Literaturverzeichnis
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313
Einleitung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Frage nach einer Schadensersatzverpflichtung der Kindesmutter gegenüber einem Mann für Kindesunterhalt. Voraussetzung einer Verpflichtung der Frau ist eine durch sie zurechenbar veranlaßte Herbeiführung der Vaterschaft des Mannes. Dabei lassen sich zwei Fallgruppen unterscheiden. Die erste Gruppe erfaßt Konstellationen, in denen der Geschlechtspartner einer Frau gegen seinen Willen leiblicher Vater eines Kindes wird, weil die Frau die vereinbarten Maßnahmen zur Empfängnisverhütung heimlich unterläßt. Die andere Gruppe behandelt die Fälle der sogenannten "Kindesunterschiebung": Eine Frau empfängt ein Kind, welches nicht von ihrem Partner gezeugt wird; auf ihre Veranlassung hin wird oder bleibt ihr Partner dem Kind aber rechtlich als Vater zugeordnet. Die Vater-Kind-Zuordnung kann einmal Folge einer Fehlvorstellung des Mannes von den Abstammungsverhältnissen sein und erst später durch Aufbebung korrigiert werden; sie kann aber auch durch ein Versäumen der vorgesehenen Anfechtungsfrist aufrechterhalten bleiben. Während sich nach Aufbebung der rechtlichen Vaterschaft die Frage nach Schadensersatzansprüchen für in der Vergangenheit geleiste-ten Unterhalt stellt, interessiert im Falle ihrer Bestandskraft der Ausgleich für die in der Zukunft weiterhin zu erbringenden Leistungen. Die genannten Konstellationen ergeben sich sowohl bei Eheleuten als auch bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. In Anbetracht der heutigen Lebenswirklichkeit sind beide Formen des Zusammenlebens Gegenstand der Erörterung. Die Ehe wird als gesetzlich geregeltes Leitbild partnerschaftlieber Gemeinschaft jeweils vor der nichtehelichen Lebensgemeinschaft besprochen. Ihre Regelungsmechanismen für den Fall von Trennung und Scheidung finden dabei - obwohl sie keinen Schadensersatzanspruch vorsehen insofern Beachtung, als sie die vermögensrechtlichen Implikationen der Eheleute entscheidend modifizieren und somit für das Verständnis des Instituts der Ehe unverzichtbar sind. Darüber hinaus gilt es, in den zu behandelnden Sachverhalten Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft herauszuarbeiten. Es soll ermittelt werden, ob allgemeine Wertungen zu vergleichbaren Ergebnissen führen, oder ob die Wahl der Lebensform ein unterschiedliches Ausmaß der Konsequenzen des Fehlverhaltens der Frau präjudiziert.
1. Teil
Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder Es ist eine menschlich-biologische Grundregel, daß die geschlechtliche Vereinigung von Mann und Frau die Erzeugung von Kindem bewirken kann. Da aber die Zeugung von Nachkommen nicht immer gewünscht ist, waren die Menschen stets bemüht, die Natur zu "umgehen". Während in früheren Zeiten das "Risiko" der EmpfangDis jedoch immer sehr groß blieb, gewährleistet der medizinische Fortschritt seit einigen Jahrzehnten die "Sicherheit" fast vollständig verläßlicher Empfangnisverhütung. Die menschliche Fortpflanzung wird daher nicht mehr als Schicksal, sondern als beherrschbarer Vorgang begriffen, der allein der Entscheidung der beteiligten Partner unterliegt. Wer sich auf die Empfängnisverhütung verläßt, stellt sein Leben darauf ein; es schwindet die Bereitschaft, die natürlichen Abläufe hinzunehmen. Eine dennoch eintretende EmpfangDis erscheint "planwidrig", denn sie zwingt zur Änderung der Lebensplanung. Aufgrund dieser Entwicklung wird bei Fehlschlagen des menschlichen Handeins ein Verantwortlicher gesucht, bewirkt Unfreiwilligkeit den Ruf nach Entschädigung. Sind sich die Partner über die Empfängnisverhütung einig und "funktioniert" diese auch, so wird darin heute der Normalfall gesehen. Sind sich die Partner zwar einig, "versagt" aber die Verhütung, so liegt ein vorwertbares Verhalten nicht bei den Partnern, sondern die "ungewollten" Eltern suchen dieses bei Dritten mit dem Ziel der Entschädigung. Ersatzansprüche gegenüber Ärzten für fehlgeschlagene Sterilisationen und Schwangerschaftsabbrüche zwecks Familienplanung sind heute ebenso an der Tagesordnung wie eine Haftung der Hersteller von antikonzeptionellen Mitteln und der Apotheker, die ein falsches Mittel verkaufen. Auch außerhalb vertraglicher Beziehungen kann es zum Streit kommen. Genannt sei die Möglichkeit, daß eine Frau heimlich die "Pille" ihrer Tochter vertauscht, um endlich Großmutter zu werden. Die Liste Dritter, die so entgegen dem Willen der Partner handeln, ließe sich fortsetzen. Problematisch aber wird es, wenn der gemeinsam getroffene Entschluß, keine oder keine weiteren Kinder zu haben, nicht mehr von beiden Partnern getragen wird. Besteht bei dem Partner, der vereinbarungsgemäß die Durch-
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
25
führung der Verhütungsmaßnahme übernommen hat, der Wunsch nach Kindern, so muß er meist nur auf eine weitere Verhütung verzichten, um seinen Wunsch zu realisieren. Während der andere Partner einen Verzicht auf Verhütungsmaßnahmen bei mechanischen Methoden leicht bemerken und sein Verhalten darauf einstellen kann, ist dies bei einem Absetzen hormoneller Mittel nicht möglich. Wird hier der Partner über den Verzicht auf weitere Verhütungsmaßnahmen nicht informiert und kommt es gegen seinen Willen zur Geburt eines Kindes, so knüpft sich daran für ihn rechtliche Verantwortung für das Kind. In einer Zeit zunehmenden Individualismus' wird bei Durchkreuzung der eigenen Lebensplanung die Frage nach Ersatzansprüchen auch gegenüber dem eigenen Partner gestellt. Im folgenden soll daher untersucht werden, ob der abredewidrig das Verhütungsmittel absetzende Partner dem anderen zur Leistung von Schadensersatz aufgrund der entstehenden Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind verpflichtet ist. 1. Kapitel
Schadensersatzansprüche unter Eheleuten Vereinbaren Ehepartner untereinander, daß die Ehefrau durch die Einnahme antikonzeptioneller Mittel die Zeugung von Kindern verhüten soll, so ist diese Vereinbarung von dem gemeinsamen Willen getragen, keine oder keine weiteren Kinder haben zu wollen. Aufgrund dieser Einigung verläßt sich der Ehemann auf die Durchführung der Verhütung durch die Ehefrau und verzichtet im Vertrauen darauf auf eigene Maßnahmen. Möchte die Frau nun doch ein Kind, so wird sie auf eine weitere Empfängnisverhütung verzichten. Ist der Ehemann aber weiterhin gegen Kinder, so wird sich die Frau heimlich von der gemeinsam getroffenen Vereinbarung lösen, so daß ihr Mann gegen seinen Willen Vater wird. Als Vater aber ist er dem Kind gegenüber zu Unterhalt verpflichtet(§ 1601 BGB). Es fragt sich, ob er für seine (unfreiwilligen) Unterhaltsleistungen an das Kind von seiner Ehefrau Schadensersatzaufgrund deren abredewidrigen Verhaltens verlangen kann. Zur Klärung dieser Frage bedarf es einer rechtlichen Erfassung der Ehe und der aus ihr resultierenden Pflichten, sowie der Möglichkeit von Absprachen über die Familienplanung und der Folgen eines Verstoßes gegen diese. Dabei sollen auch die Regelungen des Eherechts, die offensichtlich keinen Schadensersatzanspruch begründen (Härteklauseln bei Trennung und Scheidung) dargestellt werden. Nur so ist dem komplexen Rechtsinstitut der Ehe gerecht zu werden. Die dort vorgesehenen Möglichkeiten können für den vorliegenden Fall verstärkt nutzbar gemacht werden.
26
l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Gleichzeitig stecken sie den Rahmen ab für die weitere Frage, ob neben den Vorschriften des Familienrechts Raum für Schadensersatzansprüche nach allgemeinen Vorschriften gegeben ist.
§ 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten Es gilt zu prüfen, ob eine Vereinbarung der Kinderlosigkeit und die Einigung auf die Einnahme empfangDisverhütender Mittel durch einen Partner mit dem Rechtsinstitut der Ehe vereinbar ist, ob solche Abreden eheliche Pflichten begründen, wie verbindlich sie sind und wie ein Verstoß gegen sie sanktioniert wird.
I. Zum Wesen der Ehe Zwar gilt seit dem Personenstandsgesetz aus dem Jahre 1875 das Prinzip der obligatorischen Zivilehe 1 , und die bürgerliche Ehe steht heute unbestritten als "voll emanzipierte Ehe" 2 neben der Kirchenehe3 • Doch auch wenn sie allgemein als die von der Rechtsordnung des Staates anerkannte Verbindung der Geschlechter angesehen wird4 , ist ihr Wesen umstritten. Vom Wesen der Ehe aber sollen sowohl die ehelichen Pflichten als auch deren Charakter als zwingende oder abdingbare Pflichten abhängen, soll durch sie der Rahmen für Absprachen über die Familienplanung gesteckt werden. In den einschlägigen Gesetzen aber wird weder gesagt, was unter Ehe zu verstehen, noch was ihr Sinn und Zweck ist.
1. Ehe als Institution oder Vertrag Von den Vertretern zweier sich gegenüberstehenden Ehelehren wird die Ehe herkömmlicherweise entweder als lnstitution5 oder als interindividuelles Ge1 Zur historischen Entwicklung der Institution Ehe in Deutschland und Europa, vgl. Giesen, Pamilienrecht, Rz. 34 - 82. 2
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht, § 3, 1.
3 Die bürgerliche Ehe läßt die Verbindlichkeit des kirchlichen Eherechts für Kirchenangehörige unberührt, § 1588 BGB. 4
Schwab, Rz. 20; Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht,
§ 3, 1.
5 Bosch, PamRZ 1966, 57, 61 f.; Dölle, Pamilienrecht I, § 5 I 2; Hübner, PamRZ 1962, 1, 6 ff.; Schwarzhaupt, PamRZ 1957, 33, 33.
l. Kap. § l. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
27
meinschaftsverhältnis (Vertrag)6 verstanden. Zwar ist die Eheschließung (Heirat) ein Vertrag7 , die Ehe selbst kann aber nicht als Vertrag betrachtet werden8, sie ist mehr als das9 • Sie wird nicht wegen einzelner Leistungspflichten geschlossen, sondern zur lebenslangen persönlichen Bindung10 , was bewirkt, daß Pflichten aus der Ehe mit deren Auflösung nicht enden11 • Doch während nach dieser personalen Ehelehre der Begriff der Ehe als offener Rahmen zur weitgehend freien Gestaltung der Ehegatten zu wenig inhaltliche Konturen aufweist, neigen die Lehren der Ehe als "Institution" zu inhaltlicher Überfrachtung. Gernhuber kritisiert hier die Vermengung metaphysischer, soziologischer und rechtlicher Aspekte 12 • Unter Berufung auf das "Wesen der Ehe" und ihren "sittlichen Gehalt" sollen traditionell vorgeprägte Eheinhalte bewahrt werden. Das trägt für Wacke aber zur Lösung aktueller Probleme nicht bei, sondern birgt vielmehr die Gefahr verschiedenster Ausdeutung - je nach weltanschaulicher Überzeugung des Interpreten - in sich: "Der auf die Ehe angewendete Begriff der Institution ist eine Hülse mit austauschbarem Inhalt"13.
6 Streck, Generalklausel, S. 52 ff.; Wolf, JZ 1973, 647, 649; Pawlowski, FS-Coing, S. 653 f., dieser gab später der Ehe als "Organisation" verbandsrechtliche Strukturen: Die Bürgerliche Ehe als Organisation, 1983.
7 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 1; Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Fam.ilienrecht, § 11 II 4; Hübner, FamRZ 1962, 1, 6.
Pa/andt!Diederichsen, Rz. 3 vor§ 1353. 9 Für eine soziologische Begriffsbestimmung definiert Hermanns , FamRZ 1994, 1001, 1001, die Ehe als "die im Willen begründete und rechtlich anerkannte lebenslange Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau".
10 Nach Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 5, sind eheliche Pflichten nicht synallagmatisch und sind vertragliche Leistungsstörungen auf die Ehe nicht anwendbar. 11 So ist z. B. der nacheheliche Unterhalt gesetzlich geregelt. Das BVerfG spricht in diesem Zusammenhang von "der fortwirkenden personalen Verantwortung der Ehegatten füreinander", BVerfGE 53, 257, 297. 12
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 3, 3.
13 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 2. Zur Wandelbarkeit der "institutionellen"
Auslegung aus dem Sinn und Wesen einzelner überpositiv gedeuteter Institute, vgl. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, § 19 VIII: "Die Auslegung im Rückgriff auf eine wie auch immer begründete, überpositive Institutionenlehre ist daher in besonderer Weise geeignet, vorhandene gesetzliche Regelungen auf neue Sachverhalte anzuwenden oder an neue Wertvorstellungen anzupassen. Jede dieser Institutionenlehren hat einen weltanschaulichen ("ideologischen") Hintergrund, den der Richter, wenn er institutionell auslegt, bewußt oder unbewußt für rechtsverbindlich erklärt."
28
l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Letztlich beleuchten die personale wie die institutionelle Betrachtungsweise aber nur zwei Seiten eines einheitlichen Phänomens 14 • und jede Epoche neigt mehr oder weniger dazu, eine Seite der Ehe hervorzuheben15 . 2. Ehe als soziale Verhaltensform Die Schwächen beider Lehren umgeht Gernhuber durch die Beschreibung der Ehe als soziale Verhaltensform 16 . Diese knüpft an tradierte soziale Verhaltensmuster an, die auf landläufigen Vorstellungen von der Ehe beruhen und von den Eheleuten selbst gelebt werden. Dadurch wird die bürgerliche Ehe von metaphysischen und religiösen Hintergründen befreit, ohne aber (zur freien Ausgestaltung) vollständig entleert zu sein und somit wandlungsfahig zu bleiben17 . Hübner bezweifelt zwar, daß der "deskriptive" Begriff der Ehe als sozialer Verhaltensform Rechtsfolgen zu begründen vermag, bleibt aber selbst nur bei der Einordnung der Ehe als einer rechtlicher Bindung "sui generis" mit verstärkter Bestandskraft, die sich mit dem Begriff des Austauschvertrags nicht erklären lasse 18 •
3. Die Schwierigkeit eines konsensfähigen Ehebegriffs Es soll weder Aufgabe dieser Arbeit sein, die Diskussion um das Wesen der Ehe nachzuzeichnen, noch dieser einen neuen Ansatz hinzuzufügen. Es wird aber deutlich, daß der Begriff der Ehe als Institution durch die Berufung auf das "Wesen der Ehe" zu stark von weltanschaulichen und ideologischen Interessen geprägt ist, als daß dafür in einer pluralistischen Gesellschaft ein tragfähiger Konsens gefunden werden könnte. "Das deutsche Recht der Gegenwart muß freilich dem Umstand Rechnung tragen, daß die moderne Rechtsgemeinschaft weder religiös noch weltanschaulich homogen ist" 19 . Des weiteren ist es wohl auch die Furcht vor einem Mißbrauch dieses Eheverständnisses - dieses unterliegt unabhängig von einer inhaltlichen Normierung allein der Aus14
Dölle, Familienrecht I, § 5 I 3.
15
Vgl. dazu Mikat, PamRZ 1962, 81 ff., 273 ff., 497 ff., PamRZ 1963, 65 ff.
16
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht, § 3 Nr. 6.
17
Zustimmend MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 2.
18
Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 9.
19
Dölle, Familienrecht I, § 5 I.
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
29
füllung des jeweiligen Rechtsanwenders -, die die Gegner des institutionellen Ehebegriffs eint20 • Eine zurückhaltendere Begrifflichkeit in der rechtlichen Behandlung der Ehe, die - frei von inhaltsschweren Charakteristika, deren Legitimation und Akzeptanz in heutiger Zeit zweifelhaft erscheint - sich auf wenige wesentliche und konsensfähige Eigenschaften beschränkt, ist daher zu begrüßen. Denn für die Ehe bedarf es einer bestimmten allgemein anerkannten Regelung21 . Jede Zeit prägt ihr eigenes Bild der Ehe, und diese Aufgabe gilt es auch heute zu erfüllen. Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung soll daher allein die Feststellung sein, daß die bürgerliche Ehe ein Rechtsverhältnis ist. Zur rechtsverbindlichen Beeinflussung des Verhaltens der in diesem Rechtsverhältnis Verbundenen können nur Rechtspflichten dienen, die sich- jenseits sittlicher Anschauungen zum Wesen der Ehe- aus den gesetzlichen Vorschriften des Eherechts ergeben. Zwar sind an die Ehe auch sittliche Anforderungen zu stellen, damit diese auf Dauer Bestand hat; diese müssen aber nicht zwingend auch rechtliche Pflichten darstellen, denn bei gleich "starken" Partnern bedarf es nicht stets einer Regelung durch den Staat, steht diesen doch im Falle des Nichtgelingens die Möglichkeit der Trennung offen22 • Verhütungsabreden dürfen, um wirksam zu sein, jedenfalls den allgemein als rechtlich zwingend anerkannten Vorschriften und Pflichten des Eherechts nicht widersprechen. II. Inhalt und Regelung der ehelichen Lebensgemeinschaft Die ehelichen Pflichten sind im Gesetz nicht konkret beschrieben. Nur die eheliche Unterhaltspflicht (§§ 1360-1361 BGB) und die aus dem Güterstand resultierenden Verbindlichkeiten haben eine spezielle gesetzliche Regelung gefunden. Ansonsten verpflichtet lediglich § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB die Eheleute "zur ehelichen Lebensgemeinschaft" . Für die Rechtspraxis liegt das juri-
20 Die materiell-rechtlichen Konsequenzen eines ideologieanfälligen Institution.~ begriffs werden besonders deutlich an der Umdeutung des "Wesens der Ehe" im Sinne der nationalsozialistischen Volkstums- und Rassenideologie. Mangels gesetzlicher Definition des "Wesens der Ehe" blieb es Aufgabe der Gerichte, diesen Begriff auszulegen, was zu einer Anpassung desselben an die jeweiligen Erfordernisse der nationalsozialistischen Weltanschauung führte . Vgl. dazu die anschauliche Darstellung bei Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, § 19 VII. 21
Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 1.
22 Küppers, Regreß des Ehemannes, S. 199, unter Hinweis auf das anders gelagerte Verhältnis zwischen Eltern und ruindeijährigem Kind, "zu dessen Wächter gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG die staatliche Gemeinschaft berufen ist" .
30
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
stische Problem daher in der Auslegung der Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB23 •
1. Die eherechtliche Generalklausel Enthielten fiühere Rechte teilweise Kataloge von Verhaltenspflichten24 , so begnügte sich das BGB von Anfang an mit einer GeneralklauseL Da der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, eine "erschöpfende Wesensbestimmung" der Ehe vorzunehmen25 , findet diese Regelungstechnik allgemeine Zustimmung26 . Wie jede Generalklausel ist auch § 1353 BGB der Präzisierung in Funktionen und Fallgruppen zugänglich27 • Auch praktische Ehelehren, die in der Ehe eine soziale Verhaltensform sehen, ordnen sie mit bestimmten Verhaltensanforderungen. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB ist dabei der rechtliche Ausdruck des jeweiligen Eheverständnisses. 2. Gesetzliches Leitbild in der Vergangenheit Die Ehe war mit Einsetzen des BGB eine Ehe zwingenden Rechts, in der wenige Fragen der autonomen Gestaltung der Ehegatten überlassen waren. Rechtsprechung und Lehre waren stets bemüht, durch die Herausarbeitung einzelner Fallgruppen den Inhalt der ehelichen Lebensgemeinschaft konkret zu bestimmen. Alle aus § 1353 BGB abgeleiteten Einzelpflichten galten als Rechtspflichten. Ein Verstoß gegen diese bedeutete eine Eheverfehlung28 • Hatte eine schuldhafte Eheverfehlung (durch den Beklagten im Ehescheidungsprozeß) zur Zerrüttung der Ehe geführt, so konnte diese nach dem damaligen vom Verschuldensprinzip bestimmten Scheidungsrecht geschieden werden(§§ 42 ff. EheG a. F.). Als gesetzliches Leitbild diente die sogenannte "Hausfrauenehe", und § 1354 BGB a. F. räumte dem Ehemann als Familien23
Staudinger!Hübner, § 1353 Rz. 9.
24 Vgl. z. B. das preuss. ALR 1 II §§ 174- 183 mit Vorschriften von einer sauberen Haushaltsführung über Anwesenheitspflichten der Eheleute bis zum Beischlaf; näher und kritisch dazu Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 22- 24.
25
Motive, Bd. IV, S. 104 f.; Schwarzhaupt, FamRZ 1957, 33, 33.
26 z. B. Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 12; Gemhuber, in: Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 18 IV 1, sieht in einer kasuistischen Regelung die "Gefahr, Trivialitäten zu normieren und peinlicher Geschmacklosigkeit zu verfallen"; a.A. aber Bosch, FamRZ 1977, 569, 572 f. , der die fehlende Konkretisierung der Ehepflichten im Gesetzestext als "Minimalismus" und "Verarmung des Rechts" bedauert.
27
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 IV 2.
28
BGHZ 33, 145, 160 f.; 38, 317, 331 f.
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
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oberhaupt die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten ein. Die Frau war demgegenüber verpflichtet, der Entscheidung des Mannes Folge zu leisten; davon durfte sie nur absehen, wenn sich die Entscheidung des Mannes als Mißbrauch seines Rechts darstellte29 • 3. Autonome Gestaltung durch die Ehegatten
Mit der Zeit zerfiel die Einheitlichkeit der Vorstellungen von der richtigen Ordnung der Ehe, die faktische Autonomie der Ehegatten wurde deutlich30 • Indem ihnen mehr Selbständigkeit zur Regelung ihrer Lebensgemeinschaft eingeräumt wurde31 , kam es mehr und mehr zu einer Zurückdrängung der institutionellen Ehelehren32 • Das Gleichberechtigungsgesetz hat § 1354 BGB a. F. gestrichen und das patriarchalische Ehebild als gesetzliches Leitbild beseitigt, ohne aber eine Norm über die Regelung der gemeinschaftlichen ehelichen Angelegenheiten zu geben. Heute herrscht das Bild einer partnerschaftliehen und von Gleichberechtigung der Ehepartner geprägten Ehe. Private Rechtsmacht wird nicht mehr verliehen, staatlicher Rechtszwang in diesem Bereich nicht ausgeübt33 • Die allgemeinen Wirkungen der Ehe werden heute zu weiten Teilen von der Entscheidung der Ehegatten bestimmt34 • Es ist den Eheleuten aufgegeben, all ihre Entscheidungen gemeinsam zu finden. Dabei sind sie auf sich selbst angewiesen, zur Rücksichtnahme auf die Meinung des anderen (gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) verpflichtet35 • Einigen sich die Ehegatten nicht in wesentlichen Angelegenheiten, so können sie als Ehegatten nicht handeln; die zu re29
Vgl. Dölle, Familienrecht I, § 34 I.
30 Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 III 1, schreibt dem als zwingendes Recht postulierten Familienleitbild im Streitfall sogar "ehezerstörerische Kraft" zu, da Ehegatten, die sich nicht diesem entsprechend verhielten, sich ins Unrecht setzten, auch wenn sich ihr Handeln kaum von dem anderer unterschieden habe. 31 Diese Entwicklung fand im Gleichberechtigungsgesetz vom 1. 7.1958 und vor allem im 1. EheRGaus dem Jahre 1976 ihren gesetzgebensehen Ausdruck. 32 Diese Entwicklung hat sich inzwischen auf die allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen ausgewirkt. Unter Berufung auf neuere sozialwissenschaftliche Befunde spricht Hermanns, FamRZ 1994, 1001, 1001, von "der verbreiteten antiinstitutionellen Einstellung der jungen Generation", denn "der institutionelle Charakter der Ehe ist weithin aus dem Blickfeld der Menschen der Gegenwart geraten". 33
So Beitzke!Lüderitz, Familienrecht, § 12 I 1.
Für Hepting, Ehevereinbarungen, S. 21 ff., ist die private Gestaltbarkeil Folge der Zurückdrängung institutioneller Ehelehren und der Gleichberechtigung der Geschlechter. 34
35
Dölle, Familienrecht I, § 34 I 1.
32
l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
gelnden Fragen müssen offen bleiben36 , was zur Folge haben kann, daß die Ehe zerbricht, daß sie scheitert (§ 1356 BGB) 37 • Ob aber eine Abrede über die Familienplanung zulässig und wirksam ist, ist bei allem Zugeständnis an die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten nicht selbstverständlich. Ihrer Autonomie sind, wenn auch in einem erheblich geringeren Maße als früher, durch die Normen des Familienrechts Grenzen gesetzt.
m. Grenzen ehelicher Gestaltungsfreiheit Die Gestaltbarkeil der Ehe durch die Ehepartner ist rechtlich nicht ungeregelt. Trotz der vielen Änderungen durch das 1. EheRG ist der Anspruch auf rechtliche Regelung des Eheinhalts nicht grundsätzlich aufgegeben worden38 . Die bürgerliche Ehe begrundet zwischen den Eheleuten ein Rechtsverhältnis, das an die Partner wechselseitige Verhaltensanforderungen stellt39 . Sie wird durch § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB strukturiert, der die Eheleute zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Daraus resultieren für die Ehegatten konkrete Einzelpflichten, die trotzAufhebungdes Funktionszusammenhangs zwischen ehewidrigem Verhalten und Scheidungstatbeständen auch heute fast einhellig als Rechtspflichten angesehen werden - unabhängig davon, ob Erfüllungszwang oder Sanktionen bestehen40 . Galten früher alle aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB resultierenden Pflichten als zwingend41 , so ist heute der Parteivereinbarung - vor allem aufgrund des 1. EheRG - ein weiter Spielraum eingeräumt. Das Zugeständnis der Kompetenz an die Ehegatten kann dahin gewertet werden, daß das Gesetz die Ehe als primär sittliches Verhalten und vorgegebene Form des sozialen Lebens anerkennt42, die dem Anspruch des einzelnen auf soziale Verhaltensmuster Ge36
Vgl. D. Reinicke, NJW 1957,934, 934.
37
Beitzke!Lüderitz, Pam.ilienrecht, § 12 I 1.
38
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht, § 3 Nr. 7.
39
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht, § 18 II 1.
BGHZ 37, 38, 41; Rol/and, § 1353 Rz. 5; Soergel!Lange, § 1353 Rz. 3; Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 12 ff.; MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 14 (anders noch Wacke, PamRZ 1977, 505, 506 f.); Hepting, Ehevereinbarungen, S. 182 ff. ; Giesen, JR 1983, 89, 91; Lipp, Eherechtliche Verpflichtungen, S. 57 f.; weithin a. A.: Beitzke!Lüderitz, Familienrecht, § 12 II 1, der für die Bejahung von Rechtspflichten die Möglichkeit von Sanktionen fordert. 40
41
RGZ 61, 50, 53; RG JW 1914, 355, 356.
42
MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 4.
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
33
nüge tun soll43 . Im Rahmen der Dispositionsbefugnis getroffene Vereinbarungen sind als eheliche Pflichten anzusehen. Normqualität haben sowohl das zwingende als auch das dispositive Recht. Die Verpflichtung der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft ist die Summe aller gesetzlich vorgesehenen und einverständlich übernommenen Ehepflichten44 . Die Generalklausel des § 1353 BGB verleiht den sittlichen Pflichten die Qualität von Rechtspflichten45 . Eine Abrede über die Familienplanung ist nur möglich, wenn sie zwingendem Recht nicht zuwiderläuft.
1. Jus cogens
Es stellt sich daher die Frage, welche der aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB resultierenden Pflichten zwingendes Recht und damit der Disposition der Ehegatten entzogen sind. Diesbezüglich werden je nach Ehelehre unterschiedliche Standpunkte vertreten: Für Vertreter institutioneller Ehelehren ist während einer intakten Ehe die umfassende Lebensgemeinschaft zwingendes Recht46 , oder es wird zumindest ein "zwingender Kembereich" gewahrt'17 • Personale Ehelehren postulieren dagegen (wenn überhaupt) nur formale Rechtspflichten und räumen den Ehegatten eine weitgehende Autonomie bei der Regelung ihrer Angelegenheiten ein48 • Eine unbegrenzte persönliche Gestaltungsfreiheit der Ehegatten wird aber dem sozialen Phänomen der Ehe nicht gerecht49 • Sie entzieht sich zwar
43
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 III 1.
44
RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 13.
45 Motive Bd. IV, S. 104 f.; RGZ 87, 56, 61; BGHZ 6, 360, 364 f.; OLG München, Fam.RZ 1967, 394, 394; Erman!Heckelmann, § 1353 Rz. 4. 46
RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 13.
47
Soergel/Lange, § 1353 Rz. 4, mit Beispielen; Reinhart, JZ 1983, 184, 189 f .
48 Erman/Heckelmann, § 1353 Rz. 6; MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 3 f .; Lüke, PS-Bosch, S. 632; dazu Bosch, Pam.RZ 1977, 569, 571; Reinhart, JZ 1983, 184, 185 f.; Diederichsen, NJW 1977, 217, 218. 49 Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 19; Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht, § 18 III 1; einen grundsätzlich anderen Ansatz vertreten Hepting, Ehevereinbarungen, S. 229 ff., 319 ff. und Hausmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, S. 343 ff., 440 ff. 3 Wanke
34
l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
weitgehend einer rechtlichen Normierung durch detaillierte Kasuistik50 , kann aber gleichzeitig Sätze zwingenden Rechts nicht entbehren51 • Als zwingendes Recht - der Disposition der Eheleute entzogen - ergibt sich aus dem Gesetz das Lebenszeitprinzip (§ 1353 Abs. 1 S. 1 BGB), sowie alle Normen im Interessenbereich Dritter (z. B. Normen des Unterhaltsrechts, §§ 1360 a, 1614 Abs. 1 BGB, oder des Gläubigerschutzes, § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB)52 • Aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB wird als zwingend auch weitgehend anerkannt, daß die bürgerliche Ehe monogam53 ist, daß sie nicht gleichgeschlechtlich ist54 und daß sie auf ein gleichberechtigtes Miteinander der Gatten angelegt ist55 • Neben Schutz- und Beistandspflichten besteht für die Eheleute die Pflicht zur Treue56 • Dieser "Ordnungskem" des Instituts der Ehe ist für das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein unantastbar57 • Es wird folglich durch keinen Wandel des gesellschaftlichen Wertebewußtseins modifiziert; vielmehr werden allgemeine Wertvorstellungen über das Wesen der Ehe an Art. 6 Abs. 1 GG gemessen58 •
50 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 4, Fn. 18, konstatiert in diesem Zusammenhang: "Je genauer solche Versuche von Gesetzgebern unternommen werden, desto schneller veralten ihre Produkte." 51
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 III 1.
52 Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 III 2; MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 6, Pn. 21. 53 Allg. M.: RGRK!Roth-Stielow, vor § 1353 Rz. 3; Palandt!Diederichsen, vor § 1353 Rz. 3. 54 BVerfGE 10, 59, 66; 36, 146, 162; 49, 286, 300; 53, 224, 245; auch die Gemeinsame Verfassungskommission hat die Ausweitung auf Lebensgemeinschaften aller Art abgelehnt, vgl. lsensee, NJW 1993, 2583, 2585; BayObLG NJW 1993, 1996, 1997; OLG Köln NJW 1993, 1997, 1997; OLG Celle FamRZ 1993, 1082, 1082 f; a. A.: AG Frankfurt/M. NJW 1993, 940, 940.
55
Vgl. BT-Drucks. 7/4361, S. 6 ff.
56 Nach wie vor h. M.: MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 29; Rolland, § 1353 Rz. 9; Soergel!Lange, § 1353 Rz. 12; RGRK/Roth-Stielow, § 1353 Rz. 12; Staudinger!Hübner, § 1353 Rz. 24; Giesen, Familienrecht, Rz. 176; Streck, Generalklausel, S. 86 f., sieht darin keine Rechtspflicht, sondern nur einen Anspruch auf Vertrauensschutz; dagegen Brühl, FamRZ 1970, 612, 614; zweifelnd auch Pawlowski, FS-Coing, s. 654. 57
BVerfGE 10, 59, 66.
58 Daher kann ein gesellschaftliches Leitbild der Ehe mit Art. 6 Abs . 1 GG unvereinbar sein; vgl. Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 227 f ., unter Hinweis auf BVerfGE 28, 314, 360.
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
35
Ob aus der Treuepflicht eine Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft folgt, ist zwar umstritten59 , jedenfalls läßt sich aus ihr aber keine Pflicht zur Nachkommenschaft ableiten. Kindererzeugung ist keine unabdingbare Folge des Geschlechtsverkehrs, denn nicht jeder Geschlechtsverkehr führt zur Zeugung eines Kindes, sei es aus biologischen Gründen, sei es aufgrund des Einsatzes antikonzeptioneller Mittel60 . Entgegen früheren Rechtsordnungen61 besteht der Zweck der Ehe heute nicht mehr in der Fortpflanzung; auch die Ehe, die notgedrungen oder kraft freien Willens der Ehegatten kinderlos bleibt, ist eine vollwertige Ehe62 • Da es nicht Aufgabe des Staates ist, die Gatten gegen ihrer beider Willen zur geschlechtlichen Hingabe zu verpflichten, sind Abreden über dauernde Enthaltsamkeit zulässig63 • Damit ergibt sich, daß eine Rechtspflicht zur Kindererzeugung nicht besteht64 • Soweit die frühere Rechtsprechung dazu neigte, in dem Gebrauch empfangnisverhütender Mittel von vornherein ein ehewidriges Verhalten zu sehen6S, kann dem heute nicht mehr zugestimmt werden66 • Etwaige Abreden über die Einnahme antikonzeptioneller Mittel scheitern daher nicht an einem Verstoß gegen zwingendes Eherecht. 59 Dafür BGH NJW 1967, 1078, 1079; Palandt!Diederichsen, § 1353 Rz. 5; RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 31 ; Rolland, § 1353 Rz. 7; Soergel/Lange , § 1353 Rz. 10; ablehnend MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 30; Lüke, AcP 178 (1978), 1, 6; Massfeller/Böhmer!Coester, Farnilienrecht, § 1353 Rz. 8, mit dem Hinweis , daß die Annahme einer Rechtspflicht zum Geschlechtsverkehr gegen die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG) verstoße. 60
So auch Marelli, Kinderzeugung als Ehepflicht, S. 30.
Im römischen Recht galt die Fortpflanzung als Hauptzweck der Ehe, vgl. Kaser, Römisches Privatrecht, § 58 I 1; preuss. ALR II 1 § 1 von 1794 lautete: "Der Hauptzweck der Ehe ist die Erzeugung und Erziehung der Kinder"; zur Zeit der Weimarer Republik ging das Reichsgericht in RGZ 94, 123, 125, davon aus, "daß diese (die Ehe, Verf.) insbesondere auch und vornehmlich zum Zwecke der Kindererzeugung abgeschlossen wird" . Im Nationalsozialismus hatte die Ehe dem höheren Ziel der Gewinnung rassereiner und erbgesunder Nachkommen zu dienen, vgl. z. B. Palandt!Lauterbach, 3. Aufl., Einl. vor§ 1297 Anm. 1. 61
62 Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 V 7; MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 31. 63 BGHZ 67, 48, 51; MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 30; Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 27; ähnlich Soergel!Lange, § 1353 Rz. 10; Streck, Generalklausel, S. 88. 64 Staudinger!Hübner, § 1353 Rz. 31; MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 31 ; RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 34; Soergel!Lange, § 1353 Rz. 11; Streck , Generalklausel, S. 87 f., 100; a. A.: Bosch, FamRZ 1970, 497, 501.
65 Vgl. RG WamR 1914 Nr. 23; RGZ 94, 123, 126; BGHZ 18, 13, 20 f. ("wider die naturgegebene Ordnung"). 66
II 4.
Streck, Generalklausel, S. 88; Ambrock, Ehe und Ehescheidung, § 1353 Anm.
36
l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
2. Dispositives Recht a) Verpflichtung zu gemeinsamer Entscheidung Läßt sich nach zwingenden Normen des Eherechts keine Pflicht zum Bereich der Familienplanung entnehmen, so ist diese Frage Gegenstand privater Gestaltbarkeit durch die Ehegatten. Das Recht, die Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft selbst regeln zu können, ist im Verhältnis zum Partner zugleich Pflicht67 • Die Verpflichtung aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB, in gemeinschaftlichen Angelegenheiten gemeinsam zu entscheiden, erstreckt sich grundsätzlich auf alle Bereiche der ehelichen Lebensplanung. Gemeinschaftliche Angelegenheiten sind solche, die für beide Gatten von Bedeutung sind und einen so deutlich fühlbaren Einfluß auf die Gestaltung des ehelichen Lebens auszuüben vermögen, daß ein Mitspracherecht des anderen Ehegatten als richtig und notwendig empfunden wird68 . Denn die Lebensplanung jedes einzelnen hat gleichzeitig Bedeutung für die Gestaltung des ehelichen Lebens. Die Frage der Nachkommenschaft erscheint daher als gemeinschaftliche Angelegenheit, die der einverständlichen Entscheidung durch beide Ehegatten bedarf. b) Keine Einschränkung des persönlichen Bereichs Der Grundsatz der gemeinsamen Entscheidung gilt aber dort nicht, wo es sich um persönliche Angelegenheiten jedes Ehegatten handelt69 , denn die Ehe erfordert keinen Verzicht auf die individuelle Entfaltung des einzelnen. Es bleibt ein Raum, in dem jeder Ehegatte sein Leben in Freiheit auch vom Partner selbst gestaltet1°, zur Wahrung seiner eigenen Persönlichkeitssphäre71 •
67
RGRK/Roth-Stielow, § 1353 Rz. 19.
68
Dölle, Familienrecht I, § 34 III 1; Henrich, Familienrecht, § 6 III 1 a.
69
Erman/Heckelmann, § 1353 Rz. 10.
70 Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht, § 18 I 1; a . A. hier Streck, Generalklausel, S. 81 ff., der die Existenz eines persönlichen Bereichs zugunsten eines bloßen Entscheidungsvorrangs des einer konkreten Frage näherstehenden Partners ablehnt. 71 Hierzu zählen z. B. die Wahrung des Briefgeheimnisses und die Freiheit des religiösen und des politischen Bekenntnisses; vgl. für viele Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 39 ff.
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
37
Die Frage der Familienplanung, das heißt die Entscheidung für oder gegen Kinder, betrifft jeden Menschen in seiner ganzen Persönlichkeit. Elterliche Verantwortung hat in ihrer Komplexität Auswirkungen auf die gesamte Lebensplanung und -gestaltung. Hier ist die Intimsphäre des einzelnen berührt, so daß jeder Ehegatte über die Frage eigener Nachkommen als persönlicher Angelegenheit autonom entscheiden können muß. Daraus könnte man nun schlußfolgern, daß verbindliche Abreden über die Einnahme von Verhütungsmitteln zwecks Vermeidung von Kindem der Verpflichtung zur gemeinsamen Entscheidung entzogen seien. Da sie den Bereich der persönlichen Freiheit des einzelnen einschränken, könnten sie als sittenwidrige Bindung in einem Raum der Freiheit nichtig sein(§ 138 BGB)72• Es ergeben sich jedoch immanente Grenzen des Persönlichkeitsrechtsschutzes aus der ehelichen Lebensgemeinschaft als Raum gemeinsamer Privatsphäre und aus dem Gebot der Rücksichtnahme auf den Partner. Die Unterrichtung des Ehepartners über wichtige Lebensumstände aus dem persönlichen Bereich des einzelnen wird schon dann gefordert, wenn diese das gemeinsame Leben nur mittelbar betreffen73 • Ein Abrücken vom gemeinsamen Wunsch der Kinderlosigkeit berührt aber das gemeinsame Leben nicht nur mittelbar; eine solche Entscheidung berührt vielmehr die gemeinschaftliche Lebensform in einem solchen Maße, daß sie wieder zu einer gemeinschaftlichen Angelegenheit wird74 • Trotz der persönlichen Bedeutung für jeden einzelnen ist die Frage der Familienplanung eine gemeinschaftliche Angelegenheit, zu deren einverständlicher Regelung die Ehegatten berechtigt und verpflichtet sind. Es herrscht daher weitgehende Übereinstimmung, daß die Frage, ob und, wenn ja, wie viele Kinder die Ehepartner haben wollen, ihrer gemeinsamen eigenverantwortlichen Entscheidung überlassen bleibt, Absprachen über Kinderlosigkeit also möglich sind75 .
72
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 I 1.
73
Schwab, Familienrecht, Rz. 95.
74
Vgl. Henrich, Familienrecht, § 61II 1 b.
75 BGHZ 67, 48, 51; Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 V 7; Erman!Heckelmann, § 1353 Rz. 5; RGRK/Roth-Stielow, § 1353 Rz. 33; Soergel/Lange, § 1353 Rz. 11 ; Staudinger!Hübner, § 1353 Rz. 31 ; MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31. Umfang und Ausmaß etwaiger Verbindlichkeit werden unten noch zu prüfen sein.
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l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
IV. Die Rechtsnatur von Ehevereinbarungen Ob der Verstoß der Ehefrau gegen eine zulässige Ehevereinbarung über die Einnahme empfangDisverhütender Mittel zur Familienplanung nun eine Eheverfehlung darstellt, die einen Schadensersatzanspruch des Ehemannes auslösen kann, hängt von der Rechtsnatur der Absprache und ihrer Bindungswirkung ab. Da Absprachen über die Familienplanung sich nicht unmittelbar auf die zwingenden Pflichten der ehelichen Lebensgemeinschaft beziehen, beziehungsweise diesen widersprechen (also nicht wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig sind), steht sowohl ihre Zulässigkeit als auch ihre Notwendigkeit außer Frage. Fraglich bleibt nur ihre Rechtsnatur. Wie über die einzelnen Eheinhalte sagt das Gesetz auch nichts über die rechtliche Qualifikation möglicher Regelungen durch die Ehegatten. Konnten früher - das heißt vor dem 1. EheRG - Ehegatten zwar auch schon ihre Lebensgemeinschaft im gegenseitigen Einvernehmen gestalten, so galt aber im Streitfall doch das gesetzliche Eheleitbild mit seiner objektiven Pflichtenverteilung, an dem die Eheleute grundsätzlich nichts ändern konnten. 1. Das "gegenseitige Einvernehmen" in § 1356 Abs. 1 S. 1 BGB als Anknüpfungspunkt der Diskussion
Aufgrund der Abschaffung des ehelichen Leitbildes fehlt den Ehegatten heute ein Ehemodell als Richtmaß dafür, welche Vereinbarung (noch) gültig ist, welche (auch einseitig) abzuändern ist und welche ihre Verbindlichkeit verloren hat. Im Streit um die einverständliche Gestaltung des ehelichen Lebens bietet § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB den Eheleuten kein vorgegebenes Modell für ihre Ehe. Im Gesetz spricht § 1356 Abs. 1 S. 1 BGB im Zusammenhang mit der Regelung der Haushaltsführung vom "gegenseitigen Einvernehmen". Da die Frage der Haushaltsführung meist am Ende einer Reihe weit wichtigerer Überlegungen steht, nimmt das Einvernehmen des § 1356 Abs. 1 S. 1 BGB eine zentrale Stellung innerhalb der eherechtliehen Vorschriften ein76 • Immer wenn die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft gestalten wollen, bedarf es eines gegenseitigen Einvernehmens. Stets ist es das persönliche Bemühen und Gestalten der Ehegatten, das als Grundlage zur Verwirklichung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft die Richtigkeit des Handeins bestimmt. Fällt es somit dem "gegenseitigen Einvernehmen" zu, der jeweiligen Ehe rechtsverbindliche Inhalte zu geben, so darf diese personale Komponente als 76
Kurr, PamRZ 1978, 2, 2.
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
39
bestimmendes Moment des Handeins bei der rechtlichen Qualifizierung von Absprachen unter Eheleuten nicht außer Betracht bleiben. Die Rechtsnatur eheinterner Übereinkünfte als Ergebnis oder Ausdruck des gegenseitigen Einvernehmens ist aber umstritten. Das in § 1356 Abs. 1 S. 2 BGB verwendete Wort "überlassen" soll zum Ausdruck bringen, daß es keiner förmlichen Einigung bedarr7 , doch ist damit noch nichts Entscheidendes für oder gegen eine Zuordnung zum vertraglichen oder außervertraglichen Bereich gesagt. Bei der Bestimmung der Rechtsnatur ist vom Zweck der Ehe, nämlich von der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft auszugehen. Dieser Zweck beinhaltet die Pflicht, bei Entscheidungen bezüglich des gemeinsamen Lebens Übereinstimmung zu suchen. Die Gemeinschaft mit dem Ehepartner zu verwirklichen, wird somit zu einer ständigen Aufgabe. Der dynamische Charakter, der dadurch Ehevereinbarungen zuteil wird, darf bei der Bestimmung ihrer Rechtsnatur nicht aus den Augen verloren werden, will man dem Lebenssachverhalt Ehe gerecht werden. Während ein Teil des Schrifttums Absprachen unter Ehegatten als Realakt beziehungsweise faktisches Handeln ohne Rechtsgeschäftsqualität bewertet18 , sehen andere sie einem Beschluß durch zusammenlaufende parallele Erklärungen näherstehend79 . Der Großteil der Lehre geht von einem Rechtsgeschäft aus 80 , doch in der weiteren Qualifizierung gehen die Meinungen dann wieder auseinander.
77
BT-Drucks. 7/650, S. 98.
78 Ambrock, Ehe und Ehescheidung, § 1356 Anm. I 1; ders ., § 1353 Anm. II 7; Schwab, Familienrecht, Rz. 102; Pawlowski, Organisation, S. 58; Ramm, Grundgesetz und Eherecht, S. 41; Streck, Generalklausel, S. 100. 79 MünchKomm!Wacke, § 1356 Rz. 8; ders., FamRZ 1977, 505, 518, der die Qualifikation als Rechtsgeschäft oder als geschäftsähnliche Handlung letztlich offenläßt, jedenfalls die meisten Vorschriften des Allgemeinen Teils über Willenserklärungen für unanwendbar hält; vgl. auch Dölle, Familienrecht I, § 34 II.
so RGRK/Roth-Stielow, § 1353 Rz. 20; ders., in: Bastian!Roth-Stielow/Schmeiduch, § 1356 Anm. 12; ders ., § 1353 Anm. 7; Emu:m/Heckelmann , § 1356 Rz. 5; Soergel!Lange, § 1356 Rz. 8; Palandt!Diederichsen, § 1356 Rz. 2, unter Hinweis auf die 44. Auf!., § 1356 Anm. 2 a bb; ders., NJW 1977, 217, 219; Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 111; ders., Fanl.RZ 1979, 193, 196, 200 ff.; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 229 ff., 234 ff.; Kanzleiter, Vereinbarungen, S. 11; Bauemfeind, Zweckgemeinschaften, S. 63, 67; Kurr, Vereinbarungen, S. 112; ders ., FamRZ 1978, 2, 3 f. ; Lüke, FS-Bosch, S. 627, 634; ders., AcP 178 (1978), 1, 12; H. P. Westermann, JurBl 1979, 113, 117 f.; Rolland, § 1356 Rz. 6; Massfeller/Böhmer/Coester, Familienrecht, § 1353 Rz. 12; Holzhauer, JZ 1977, 729, 729; Reinhart, JZ 1983, 184, 190.
40
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
2. Gemhuber: Ordnung der Ehe durch autonomen Akt Für Gernhuber werden die Eheinhalte durch Vereinbarungen bestimmt, die er als autonome Akte versteht und in "Ordnungen", "Beschlüsse" und "Verträge" unterteilt. Durch "Ordnungen" werden alle Eheinhalte bestimmt, die von grundlegender Bedeutung für die konkrete Ehe sind, gleichsam als "Verfassung der Ehe". "Beschlüsse" versteht Gernhuber als planende Akte, durch die die Eheleute Richtlinien für zukünftiges Verhalten aufstellen. Die dritte Kategorie sind "Venräge" 81 , durch die konkrete Verhaltensanforderungen gestellt werden. Beschlüsse und Ordnungen bezeichnet Gernhuber als rechtlich relevantes Verhalten, das auf Willenserklärungen beruhe, aber nicht (anders als Verträge) den Regeln der §§ 104 ff. BGB zu unterstellen sei. Während Verträge im Entwurf der bürgerlichen Ehe nicht notwendig mitgedacht seien82 , sei dies bei Ordnungen und Beschlüssen der Fall. Diese Notwendigkeit von Ordnungen und Beschlüssen steht aber in Widerspruch zu der rechtsgeschäftliehen Organisation der Ehe kraft autonomen Aktes, da rechtsgeschäftliche Autonomie auch bedeutet, auf den Abschluß von Rechtsgeschäften verzichten zu können83 • Die Unterscheidung der Begriffe erscheint bei Gernhuber in der konkreten Anwendung nicht konsequent, wenn z. B. die Entscheidung für die Mitarbeitsehe - eine grundlegende organisatorische Entscheidung, die doch eher unter den Begriff der Ordnung paßt - nur durch Vertrag erfolgen kann84 • Versucht man nun, die Absprachen zur Familienplanung zu erfassen, stellt sich zunächst die Frage, welche der drei Kategorien hier einschlägig ist. Es erscheint sachgerecht, die Abrede aufzuteilen in die Einigung über Kinderlosigkeit und die Zusage der Ehefrau, durch die Einnahme antikonzeptioneller Mittel Maßnahmen der Empfängnisverhütung zu unternehmen. Die Absprache der Kinderlosigkeit wäre wegen ihrer grundlegenden Bedeutung wohl als "Ordnung" zu bezeichnen. Die Einigung bezüglich ihrer Umsetzung könnte als Richtlinie für zukünftiges Verhalten als "Beschluß" kategorisiert werden;
81 Hier unterscheidet Gernhuber zwischen eheneutralen Verträgen, die in keinem Zusammenhang mit einer ehelichen Ordnung stehen, Verträgen mit doppeltem Geschäftszweck, d. h. der Koppelung von eheneutralem Geschäftszweck mit dem des Vollzugs der Lebensgemeinschaft und ehebezogenen Kooperationsverträgen als vertraglich vereinbarter Verwirklichung der Lebensgemeinschaft oder als Trennungsvertrag, PamRZ 1979, 193, 200 ff. ; ders., in: Gemhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 III 6. 82
Gemhuber, PamRZ 1979, 193, 199 ff.
83
So Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 70.
84
Gemhuber, FamRZ 1979, 193, 201 ff.
l. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
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weil dadurch aber an die Frau konkrete Verhaltensanforderungen gestellt werden, könnte es sich auch um einen "Vertrag" handeln. Beide Rechtsinstitute knüpfen jedoch an unterschiedliche Voraussetzungen an. Während für einen "Beschluß" beschränkte Geschäftsfähigkeit ausreicht, bedarf es für den Abschluß eines "Vertrages" der vollen Geschäftsfähigkeit. Dieser läßt sich bei Lückenhaftigkeit- anders als bei einem "Beschluß" -nach den herkömmlichen Interpretationsmaximen des Vertragsrechts (§§ 133, 157 BGB) auslegen85 . Beide Möglichkeiten begründeten jedenfalls für die Frau die Verpflichtung zur Einnahme hormoneller Mittel, aus welcher sie sich aus wichtigem Grunde durch einseitigen Akt lösen könnte86 . Das Vorliegen eines wichtigen Grundes als Voraussetzung zur Aufhebung der Verpflichtung erscheint jedoch für einen so stark persönlichkeitsrelevanten Bereich nicht angemessen, sondern beeinträchtigt vielmehr die Ehefrau in ihrer Menschenwürde. Die "Ordnung" der Absprache der Kinderlosigkeit steckt zwar den Rahmen für "Beschlüsse" und "Ordnungen", begründet selbst aber keine Rechtspflichten87. "Ordnungen" seien Rechtsgeschäfte, die gleichwohl Rechtswirkungen entfalteten, in Form rechtsgeschäftlicher Bindung ohne verpflichtenden Charakter88 . Es bleibt dabei aber unklar, woraus sich dann die Bindungswirkung ergeben soll, da sich diese weder aus Vertrags- noch aus Schuldrecht ergebe89 , und die eigentlichen Rechte und Pflichten aus "Beschluß" oder "Vertrag" resultierten. Eine Begründung für die Bindungswirkung von Ordnungen bleibt aus. Allein ihre Kategorisierung als Rechtsgeschäfte, um dann eine rechtsgeschäftliche Bindung abzuleiten, überzeugt nicht. Mag zwar Gernhuber für den vorliegenden Fall, daß der Vereinbarung der Kinderlosigkeit kein verpflichtender Charakter zukomme, im Ergebnis zuzustimmen sein, so ist nicht einzusehen, daß dafür die Idee der rechtsgeschäftliehen Bindung bemüht werden muß, der dann aber jeder verpflichtende Charakter abgesprochen wird. Gernhuber räumt selbst ein, daß Ehegatten üblicherweise nicht in Willenserklärungen verkehren90 , mißt gleichzeitig aber alle autonomen Akte am strengen Maßstab der Rechtsgeschäftslehre91 • 85 Gemhuber. in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 III 6. 86 Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 IIl 5, 6. 87 Gemhuber, FamRZ 1979, 193, 196; ders., in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 III 3. 88 Gemhuber, FamRZ 1979, 193, 199; ders., in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 IIl 4. 89
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 III 4.
90
Gemhuber, FamRZ 1979, 193, 201.
91
Vgl. dazu Hepting, Ehevereinbarungen, S. 122.
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l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Es ist auch nicht ersichtlich, wie solche Ehen zu beurteilen sind, in denen keine Ordnung besteht (etwa weil sich die Ehegatten nie geeinigt haben oder sich nicht mehr einig sind). Daß dann keine rechtliche Biodung sondern "bloße Faktizitäten" gegeben seien92 , trägt wenig zur Lösung praktischer Probleme bei. Das läßt die Frage aufkommen, warum es eigentlich der "Ordnungen" bedarf. Neben dem Unbehagen bei der Charakterisierung der Absprache der Kinderlosigkeit als "Ordnung" bleibt das Problem, in welche der drei Kategorien Ehevereinbarungen überhaupt einzuordnen sind, und wie diese Frage für die hier vorliegende Einigung der Eheleute auf Verhütungsmaßnahmen der Frau zu beantworten ist. Ob Ehevereinbarungen im Spannungsfeld zwischen schuldrechtlicher Verpflichtung und Eherecht nun als Rechtsgeschäft erfaßt werden können, bleibt weiterhin noch fraglich- und damit der ganze Sinn der Unterscheidung Gernhubers. Seine Kategorisierung kann zwar als Inhaltsangabe dieneo93 , zur Herausnahme bestimmter Formen aus der Rechtsverbindlichkeit und somit zur Lösung konkreter Einvernehmensprobleme überzeugt sie nicht94 .
3. Eheliches Einvernehmen als Vertrag Da zur Herstellung der Bindungswirkung zwischen zwei Personen üblicherweise der Vertrag die geeignete Form ist, wird das gegenseitige Einvernehmen (des § 1356 Abs. 1 S. 2 BGB) zwischen Ehegatten überwiegend als Vertrag gewertet95 . Bevor diese Einordnung näher dargestellt wird, soll kurz ein Gedanke von Lipp aufgegriffen werden. Er weist darauf hin, daß für die Annahme eines Rechtsgeschäfts jedenfalls dann kein Raum sei, wenn ein Ehegatte zum Beispiel die Haushaltsführung nicht aus freiem Willen, sondern aufgrund des 92
Gernhuber, FamRZ 1979, 193, 197.
93
So MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 7.
94
Reinhart, JZ 1983, 184, 188.
95 RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 20; ders., in: Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, § 1356 Anm. 12; ders., a.a.O., § 1353 Anm . 7; Erman!Heckelmann, § 1356 Rz. 5; Soergel!Lange, § 1356 Rz. 8; Palandt!Diederichsen, § 1356 Rz. 2, unter Hinweis auf die 44. Auf!., § 1356 Anm. 2 a bb; ders., NJW 1977, 217, 219; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 229 ff., 234 ff.; Kanzleiter, Vereinbarungen, S. 11; Bauernfeind, Zweckgemeinschaften, S. 63, 67; Kurr, Vereinbarungen, S. 100; ders. , FamRZ 1978, 2, 3 f. ; Lüke, FS-Bosch, S. 627, 634; ders., AcP 178 (1978), 1, 12; H. P. Westermann, JurBI 1979, 113, 117 f.; Rolland, § 1356 Rz. 6; Massfeller!Böhmer! Coester, Familienrecht, § 1353 Rz. 12; Holzhauer, JZ 1977, 729, 729; Reinhart, JZ 1983, 184, 190.
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"Zwangs der Umstände" übernehme, und seine ablehnende Haltung dem anderen Ehepartner auch bekannt sei. Von gegenseitigem Einvernehmen sei in dieser Situation nicht zu sprechen, dennoch ergäben sich die Fragen nach Bindungswirkung, Erfüllungsanspruch und Lösungs- oder Abänderungsmöglichkeiten. Wenn hier aber die Möglichkeit eines Rechtsgeschäfts ausgeschlossen sei96 , beschränke sich sein Anwendungsbereich auf bedenkliche Weise und müsse für die nicht erfaßten Fälle ein anderer dogmatischer Ansatzpunkt gefunden werden97 • Die Rechtsnatur ehelichen Einvernehmens wird oft deshalb als Rechtsgeschäft eingeordnet, weil ihm Rechtsfolgen erwüchsen, und diese gewollt seien98 . Daß ehelichem Einvernehmen Rechtsfolgen erwachsen, ergibt sich aus §§ 1356 Abs. 1 S. 2, 1360 S. 2 BGB; doch nur weil die Eheleute diese auch wollen, ergibt sich daraus allein noch kein Rechtsgeschäft. Ihr Konsens könnte auch ein tatsächlicher, nicht aber final rechtsgeschäftlicher sein99 • Deutlich wird, daß das Verhalten der Ehepartner rechtserheblich ist, nicht aber zwingend die Form eines Rechtsgeschäfts hat. a) Das Erfordernis der Willenserklärung Um in Fällen bestehenden Einvernehmens dieses als vertraglich bezeichnen zu können, muß es sich aus übereinstimmenden Willenserklärungen ergeben. Im subjektiven Tatbestand einer rechtsgeschäftliehen Willenserklärung bedarf es eines Erklärungsbewußtseins, das heißt der Erklärende hat das Bewußtsein, daß das betätigte Verhalten eine rechtlich relevante Erklärung ist100 , und er hat dabei einen auf die Herbeiführung der bindenden Rechtsfolge gerichteten Willen101 . Lieb identifiziert dieses Erklärungsbewußtsein als aktuellen
96 Die Berufung auf die BGH-Rechtsprechung, wonach trotz fehlenden Erklärungsbewußtseins eine Willenserklärung vorliege, wenn der Erklärende bei Allwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, daß seine Außerung nach der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte (BGH NJW 1984, 2279 ff.), greife hier nicht Platz, da weder die "im Verkehr erforderliche Sorgfalt" noch die "Verkehrssitte" das Verhältnis zwischen Eheleuten bestimme, und diese ein Verhalten auch nicht als verbindlich auffaßten, Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 84. 97
Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 85.
Diederichsen, NJW 1977, 217, 219; Lüke, AcP 178 (1978), 1, 13; ders., FSBosch, S. 634; Holzhauer, JZ 1977, 729, 729. 98
99
Darauf verweist Hepting, Ehevereinbarungen, S. 77.
100
Flume, BGB-AT II, § 4 Nr. 2 b.
101
Larenz, BGB-AT, § 18 I.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Rechtsfolgewillen102 . Ist dieser Rechtsfolgewillen nicht vorhanden, liegt keine Willenserklärung vor. Ob Absprachen unter Eheleuten aber nicht nur auf einen tatsächlichen, sondern auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet sind, erscheint doch immerhin fraglich, wäre aber für die Annahme eines Rechtsgeschäfts konstitutiv: "Nicht das Wollen irgendwelcher Erfolge oder Zwecke ist aber der Inhalt des Rechtsgeschäfts, sondern daß etwas gelten soll, und zwar von Rechts wegen gelten soll. "103 aa) Die Willenserklärung wird fingiert Um Ehevereinbarungen als Rechtsgeschäft qualifizieren zu können, überzeugt das Schrifttum nicht immer durch dogmatische Schlüssigkeit. Grundsätzlich wird ein konkludentes Rechtsgeschäft angenommen, wobei der Tatbestand des "schlüssigen Verhaltens" sehr weit ausgedehnt wird: Für Hecketmann ist in der Regel von "einer vertraglichen Vereinbarung auszugehen, die in Fällen lediglich tatsächlicher Handhabung ohne förmliche Einigung stillschweigend erfolge" 104. So reicht "tatsächliche Funktionsteilung" 105 für ein Rechtsgeschäft ebenso aus wie "natürlicher Konsens" 106 . Wacke räumt einerseits ein, daß beim "Überlassen" im Sinne des § 1356 Abs. 1 S. 2 BGB den Eheleuten meist das Erklärungsbewußtsein fehlen werde, andererseits aber "kein bloßer Realakt" vorliegel07. bb) Nachweis des Rechtsbindungswillens durch objektive Kriterien Andere bemühen sich um mehr "Systemtreue", indem sie den oft schwer nachzuweisenden Rechtsbindungswillen, wenn er nicht deutlich zum Ausdruck kommt, aus der Tragweite der Entscheidung in persönlicher und wirtschaftlicher Sicht ableitenl 08 . 102 Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 14- 31. 103 Flume, BGB-AT ll, § 4 Nr. 5. 104 Erman!Heckelmann, § 1356 Rz. 5; so auch Holz/lauer, JZ 1977, 729, 729.
tos Palandt/Diederichsen, 44. Aufl., § 1356 Anm. 2 a bb. 106 Lüke, AcP 178 (1978), 1, 13; ders., FS-Bosch, S. 634; Holz/lauer, JZ 1977, 729, 729. 107 MünchKomm!Wacke, § 1356 Rz. 9. 108 Kurr, PamRZ 1978, 2, 3; ihm folgend Bruns , Absprachen, S. 26 ff.; ähnlich auch Reinhart, JZ 1983, 184, 189.
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Hierfür wenden sie die von Rechtsprechung 109 und Literatur110 für das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens-im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Gefälligkeitsverhältnis und Rechtsgeschäft - aufgestellten objektiven Kriterien an: Diese sind die Art der Gef;Uligkeit, ihr Grund und Zweck, ihre wirtschaftliche Bedeutung, die Umstände, unter denen sie erwiesen wird, sowie die Interessenlage der Parteien. Doch diese Abgrenzung wird gerade der Ehe nicht gerecht. In der Ehe wird oft mehr geleistet als in sonstigen Rechtsverhältnissen üblich, kommt es zu ungleichen Verteilungen der Aufgaben und Pflichten, denn Ehegatten handeln nicht im Sinne eines do-ut-des, sondern aufgrundehelicher Gesinnung, allein zum Zwecke der Verwirklichung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft. Die aufgestellten Kriterien erscheinen tauglich für die Frage, ob durch eine Abrede eine Ehepflicht entsteht oder es sich nur um eine alltägliche Bagatellabrede handelt. Zum Nachweis eines Rechtsbindungswillens als Voraussetzung eines Rechtsgeschäfts unter Ehegatten aber sind sie abzulelmen. Hier wird deutlich, daß im Schrifttum durchaus nicht übersehen wird, daß sich Abreden in der Ehe meist durch tatsächliche Aufgabenteilung ergeben, dennoch wird aber an der Rechtsgeschäftsqualität festgehalten111 . Es ist somit Hepting zuzustimmen, daß, wer die aus Absprachen resultierenden Verpflichtungen in das Rechtsgeschäft integrieren will, in der Regel einen entsprechenden Verpflichtungswillen wird fingieren müssen112 • cc) Heptings Ansatz vom "Rechtsgeschäft kraftSpruchsder Rechtsordnung" Dem Erfordernis des Rechtsbindungswillens versucht Hepting insoweit aus dem Wege zu gehen, als nach seiner Auffassung der Rechtsbindungswille für 109 Grundlegend zur Abgrenzung von Gefälligkeit und Rechtsgeschäft BGHZ 21, 102, 107. 110
Z. B.: Soergel/Hefennehl, vor§ 116 Rz. 27; Medicus, BGB-AT, Rz. 193.
111 Es ist wohl eher eine Vermutung, wenn Erman/Heckelmann, § 1356 Rz. 5, davon ausgeht, daß eine von den Ehegatten gefundene Aufgabenteilung von dem Willen getragen werde, durch Vertrag ein gewisses Maß an Rechtsverbindlichkeit für ihre Lebensbeziehung zu begründen, so daß "an den Verpflichtungselementen nicht zu zweifeln" sei; ebenso Lüke, AcP 178 (1978), 1, 13. 112 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 78, der selbst aber auch Ehevereinbarungen als Rechtsgeschäft qualifiziert. Zu seinem Entwurf siehe im folgenden unter cc). Bzgl. einer so weiten Bestimmung des Begriffs der Willenserklärung mahnt Flume, 8GBAT II, § 10 Nr. 5: "Erst recht geht es aber nicht an, auf Grund dessen, daß man für Fälle bloßen rechtlich relevanten Verhaltens die Entscheidung mit der Fiktion einer Willenserklärung begründet, den Begriff der Willenserklärung nach den Fällen der Fiktion der Willenserklärung zu bestimmen."
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l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
ein Rechtsgeschäft nicht konstitutiv seil 13 • Er sieht in den Vereinbarungen unter Ehegatten "Rechtsgeschäfte kraft Spruchs der Rechtsordnung". Grund für deren Verbindlichkeit sei nicht der Rechtsfolgewille der Parteien, sondern der Regelungswille der Rechtsordnung, welche an ein bestimmtes Verhalten Rechtsfolgen knüpfe114 . Das tatsächliche Wollen bezeichnet Hepting als "Regelungswillen" 115 ; decke sich dieser mit dem "normativen Realtypus" der Willenserklärung, so ergebe sich daraus die Rechtsfolge der Verbindlichkeit. Ein fehlender Rechtsbindungswille der Parteien beim gegenseitigen Einvernehmen hindert daher nicht an der Bejahung eines Rechtsgeschäfts. Ziel Heptings ist es, das subjektive Element des Bindungswillens wegen seiner schweren Nachweisbarkeit als Voraussetzung einer Willenserklärung zu überwinden. Ob er damit dem Parteiwillen im Sinne der Privatautonomie gerecht wird, erscheint immerhin fraglich. Indem er die Rechtsverbindlichkeit als Tatbestandsmerkmal des Willens leugnet und sie als Rechtsfolge (vorgegeben durch die Rechtsordnung) charakterisiert116 , macht er sie aber gleichzeitig zur Tatbestandsvoraussetzung des normativen Realtypus "Willenserklärung" 117 • Zur Bejahung einer Willenserklärung bedarf es im konkreten Fall dann aber doch einer normativen Auslegung, so daß die Entscheidung über die Rechtsverbindlichkeit kaum anders als die zwischen Vertrag und faktischer Handlung ist11 8. Nach Hepting ergibt sich die Verbindlichkeit einer Absprache zur Familienplanung also nicht als Folge des Willens der Ehepartner, sondern aus dem "Spruch der Rechtsordnung": "Die Verbindlichkeit einer Abrede wird nicht "festgestellt", sondern als Rechtsfolge eines konkreten Regelungswillens normativ "angeordnet". Der "Spruch der Rechtsordnung" setzt daher einen hermeneutischen Prozeß voraus, in dem für den jeweiligen konkreten Regelungswillen die angemessene Bindungswirkung ermittelt wird. Diese Ermittlung erfolgt typologisch; jede Erklärung wird dem "normativen Realtypus" eines bestimmten Rechtsgeschäfts zugeordnet, wodurch sie mit dem eben diesen Rechtsgeschäftstypus prägenden Grad der Verbindlichkeit verknüpft wird. "119
113 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 229 ff., 234 ff. 114 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 269 ff.; 315 ff. 115 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 269. 116 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 277. 117 Hepting,
Ehevereinbarungen, S. 277 ff.
118 So kritisch Erman!Heckelmann, § 1356 Rz. 5. 119 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 317.
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Unklar bleibt aber, was als von der Rechtsordnung verbindlich angeordnet anzusehen ist, welche Rechtsnatur Absprachen zur Familienplanung haben und welche Wirkungen Abreden haben, die nicht vom Spruch der Rechtsordnung erfaßt sind. Die Einordnung von Ehevereinbarungen als Vertrag wird durch den Ansatz Heptings nicht überzeugender. b) Einschränkung der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regeln des Rechtsgeschäfts auf Ehevereinbarungen Die Schwierigkeit, Eheleuten den Willen zur Setzung von Rechtsfolgen nachzuweisen, wurde soeben deutlich. Es bedarf aber eines Rechtsfolgewillens, um aus diesem die jeweiligen Verpflichtungen des einzelnen Ehegatten abzuleiten. Ein gewisses Unbehagen bei der Bestimmung dessen, was die Ehegatten wohl angeblich gewollt haben, läßt sich hier nicht leugnen. Der Wille der Eheleute umfaßt meist eher die Regelung eines tatsächlichen Erfolges als die Begründung einer Rechtslage, denn Ehegatten denken nicht in juristischen Kategorien120 . Durch Abreden verwirklichen die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft - nicht aber zur Schaffung separater Rechtsverhältnisse, sondern als notwendige Folge der Ehe 121 • Die Schwierigkeiten und Konsequenzen der Qualifizierung von Ehevereinbarungen als Rechtsgeschäfte werden auch in der Literatur erkannt. Es wird zugegeben, daß es nicht möglich sei, die Regelungen des Rechtsgeschäfts in toto auf Ehevereinbarungen anzuwenden. Um der Situation unter Eheleuten gerecht zu werden, sollen einige Normen des Allgemeinen Teils des BGB nicht anwendbar sein122 • So bejahen auch Befürworter von Verträgen ein "ius variandi" 123 • Eine "Pflicht zur Änderung" 124 oder ein "einseitiges Widerrufsrecht"125 beziehungsweise die Möglichkeit eines "faktischen Abweichens" 126 120 Henrich, Familienrecht, § 6 III 2; ähnlich auch Schwab, Familienrecht, Rz. 102. 121
Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 87.
122 RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 20, hält die §§ 116-144, 145-156 BGB und Soergel/Lange, § 1356 Rz. 9, die Normen über die Geschäftsfähigkeit für unanwendbar, ebenso das Zugeständnis von Schadensersatzansprüchen bei Verstößen gegen die Absprachen, da dies der Wertung des § 888 Abs. 2 ZPO widerspräche. 123
Bosch, FamRZ 1977, 569, 571.
Lüke, AcP 178 (1978), 1, 13; Rolland, § 1353 Rz. 36; H. P. Westermann, Jur811979, 113, 118; Soergel/Lange, § 1356 Rz. 9 . 124
125 RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 23; ders., in: Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, § 1353 Anm. 13; Gemhuber, FamRZ 1979, 193, 200 f.
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wird eingeräumt. Auch individuell-psychische Änderungen in der Person eines Ehegatten127 und Änderungen der Verhältnisse128 seien dabei relevante Gesichtspunkte. Es drängt sich aber die Frage auf, zu welchen Nutzen die Bindungswirkung von Ehevereinbarungen ausführlich zu diskutieren ist, wenn diese dann unter weiten Voraussetzungen widerruflich sein sollen, die Wirksamkeit des Widerrufs aber nicht gerichtlich überprüfbar ist129 • Die stets geforderte Rechtsverbindlichkeit und Berechenbarkeit, die für Absprachen nur in der Form von Verträgen möglich sein soll 130 , wird stark eingeschränkt, wenn jegliche Verbindlichkeit jederzeit wieder aufgehoben werden kann. Dadurch wird hier das Rechtsgeschäft beziehungsweise der Vertrag als allgemein passende Rechtsform fraglich . Es wird deutlich, daß mit einem schuldrechtlichen Rechtsinstitut ein personaler Lebenssachverhalt nicht zufriedenstellend erfaßt werden kann. Größere Realitätsnähe beweist in diesem Zusammenhang Lipp: "Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, "typische" Rechtswirkungen des "gegenseitigen Einvernehmens" als gewollte Rechtsfolgen den Ehegatten zuzuschreiben, um dann in Wissenschaft und Judikatur darüber zu streiten, wie denn diese Rechtsfolgen aussehen könnten (Verpflichtung? Haftung? Kündigungsmöglichkeit?). Solange sich die Rechtswissenschaft selbst nicht einmal in Grundzügen darüber einig ist, welche Rechtswirkungen das eheliche Einvernehmen nach sich zieht, ist es bare Behauptung anzunehmen, Eheleute seien sich darüber in ihren Absprachen klar gewesen. "131 Deutet nichts darauf hin, daß Eheleute mit ihren Vereinbarungen rechtsverbindliche Regelungen herbeiführen wollen, kann nicht von Rechtsgeschäften ausgegangen werden, um daraus Inhalt und Rechtsfolgen abzuleiten132 •
126 Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 111 4; Dölle, Familienrecht I, § 34 IV. 127 Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 111 4, Fn. 5; Rolland, § 1356 Rz. 6; H. P. Westennann, Jur811979, 113, 118. 128
Dieckmann, FS-Bosch, S. 130, Fn. 42.
129
So Hepting, Ehevereinbarungen, S. 93.
130
Für viele Ennan/Heckelmann, § 1356 Rz. 5.
131
Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 88.
132 Zu Fragen der Ehegattenmitarbeit konstatiert Müller-Freienfels, FS-Nipperdey I, S. 639: "Gerade im Ehegattenverhältnis liegt die Annahme nahe, daß die Partner ihre Mitarbeit nicht in rechtlich fixierten Erklärungen regeln. Im allgemeinen gestalten Ehegatten "natürlich" ihre Beziehungen vom Persönlichen her in tatsächlicher Form."
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Beabsichtigten die Eheleute eine rechtsgeschäftliche Bindungswirkung, so müßten sie auch die Streitentscheidung durch die Gerichte wollen. Davon wird in der Regel aber vor allem bei Fragen der Familienplanung und Empfangnisverhütung nicht auszugehen sein133 . Die Rechtsfigur des Vertrages mit seinem statischen Charakter der Fixierung momentaner Übereinstimmung wird der dynamischen Verpflichtung der Ehegatten, sich stets um Gemeinsamkeit zu bemühen, insgesamt nicht gerecht134. Er formalisiert das Einvernehmen der Ehegatten in "unpassender Weise" 135 . Ein Vertrag will für die Zukunft binden, um bei Unstimmigkeiten den Partner auf seine vertraglichen Verpflichtungen verweisen zu können. Dies aber erscheint als Widerspruch zur oben postulierten Pflicht der Ehegatten, jeden Tag neu zur Übereinstimmung mit dem Partner zu gelangen136. "Nicht das Prinzip "pacta sunt servanda", sondern das Gebot der Rücksichtnahme bestimmt das eheliche Zusammenleben•137. Die Pflicht zum Einvernehmen ist die Kehrseite der den Eheleuten eingeräumten Autonomie bezüglich der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft. Versteht man die Ehe als Inbegriff sozial üblicher Verhaltensweisen, so bedeutet in diesem Rahmen Autonomie auch, ohne Willenserklärungen und ohne Rechtsgeschäfte auszukommen, den Ehegatten die Möglichkeit einzuräumen, ihre Ehe in privatautonomen Akten zu strukturieren. In diesem Autonomiebereich sind Willenserklärungen nicht üblich 138 und können daher auch nicht als zwingend vorausgesetzt werden, soll der Begriff der Autonomie hier noch seine Berechtigung behalten139 . Wird die Annahme eines Vertrages bei Absprachen unter Eheleuten durch das überwiegende Schrifttum bereits dadurch relativiert, daß häufig eine sofortige Aufbebung der Verpflichtung eingeräumt wird, so soll für Absprachen bezüglich der Nachkommenschaft wieder etwas anderes gelten.
133
Vgl. Henrich. Familienrecht, § 6 III 2.
134 Streck, Generalk:lausel, S. 99 f. 135 So Schwab, Familienrecht, Rz. 102. 136 Vgl. Streck, Generalk:lausel, S. 100. 137 Schwab, Familienrecht, Rz. 102. 138 Die Feststellung Gemhubers, FamRZ 1979, 193, 201, daß Eheleute nicht in Willenserklärungen miteinander verkehrten, fmdet allgemeine Zustimmung. 139 So Hepting, Ehevereinbarungen, S. 177. 4 Wanke
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c) Keine Übertragung der dogmatischen Qualifizierung des ehelichen Einvernehmens als Rechtsgeschäft auf Absprachen zur Familienplanung Die Vertreter des Rechtsgeschäftsgedankens beim ehelichen Einvernehmen schränken ihre Ansicht weiter ein, wenn es um Absprachen über Familienplanung und die Einnahme von Verhütungsmitteln geht. Reinhart, der Ehevereinbarungen grundsätzlich als Verträge qualifiziert, will Verträge über persönliche Ehewirkungen zwischen Ehegatten nur dann zulassen, wenn mit ihnen ein Zweck verfolgt werde, der über den unabdingbaren Kernbereich der Ehe hinausgehe. Zu diesem Kernbereich gehöre der Bereich des Geschlechtslebens einschließlich des Ausschlusses oder der Festlegung einer bestimmten Zahl von Nachkommen. Diesbezügliche Pflichten resultierten nicht aus rechtsbegründenden Vereinbarungen (privatautonome Akte), sondern aus der "bedingungslosen" Eingebung der Ehe (§ 13 Abs. 2 EheG) und der darin liegenden, auf Konsens beruhenden Begründung eines Statusverhältnisses140 • Somit seien Vereinbarungen über Familienplanung trotz Rechtsbindungswillens mit der Ehe als Institution nicht vereinbar und daher unbeachtlich. Andere Autoren bleiben eine Begründung für ihre einschränkende Ansicht meist schuldig. So beschränkt sich Diederichsen auf die schlichte Feststellung, daß Vereinbarungen über die Familienplanung keine rechtliche Verbindlichkeit haben141 • Lange hält für den Gebrauch von Verhütungsmitteln ein beiderseitiges Einvernehmen der Eheleute für erforderlich. Die Einigung auf Kinderlosigkeit sei zwar möglich, aber nicht unwiderruflich142 • Der Bundesgerichtshof hält eine Vereinbarung zur Familienplanung in Form eines Vertrages für rechtlich unwirksam14 3.
140 Zur Begründung beruft sich Reinhart auf die Instituts- und Einrichtungsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG, die in der Ehe eine eigenständige "Privatheit" garantiere, die jeglichem Zwang durch den Staat entzogen sei. Die Grenze für den Staat ermögliche dem einzelnen eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung. Würden Vereinbarungen der Ehegatten bzgl. des Kernbereichs durch eine veränderte Interpretation des § 894 Abs. 2 ZPO voll justitiabel, so tangierte das die genannte Privatheit. Der innerfamiliäre Bereich unterliege nicht einer Beurteilung durch den Richter, vgl. JZ 1983, 184, 190. 141
Palandt/Diederichsen, § 1353 Rz. 5.
Soergel!Lange, § 1353 Rz. 11, mit dem Hinweis, daß ein unwiderruflicher Verzicht auf Nachkommenschaft "dem in der Volksanschauung herrschenden Ehebilde widersprechen" dürfte; ähnlich auch RGRK/Roth-Stielow, § 1353 Rz. 34. 142
143 Urteil des BGH vom 17.4.1986: BGHZ 97, 372 ff. = NJW 1986, 2043 ff. = FamRZ 1986, 773 ff. = JZ 1986, 1008 ff. = VersR 1986, 819 ff. = JR 1986, 451 ff. = MDR 1986, 844 ff. = DB 1986, 1972 ff. = JuS 1986, 910 ff.
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In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine Abrede über die Familienplanung getroffen. Danach hatte sich die Frau gegenüber ihrem nichtehelichen Lebenspartner zur Einnahme empfängnisverhütender Mittel verpflichtet. Später setzte sie diese Mittel ohne Mitteilung an ihren Partner ab, um so von diesem ein Kind zu empfangen. Nachdem es zur Geburt eines Kindes gekommen war, verlangte der Mann von seiner Partnerin Schadensersatz für die ihm gegenüber dem Kind entstandene Unterhaltsverpflichtung. Diese Ablehnung eines Vertrages begründet der Bundesgerichtshof zum einen damit, daß der sich verpflichtenden Frau der Bindungswille fehle 144 ; in dieser Frage erhält der Bundesgerichtshof von der Literatur, welche diese Entscheidung grundsätzlich scharf kritisiert, überwiegend Zustimmung 145 • Doch auch bei Vorliegen eines entsprechenden Bindungswillens der Frau - so der Bundesgerichtshof - sei ein solches Rechtsgeschäft nicht wirksam, weil der von ihm erfaßte engste persönliche Freiheitsbereich einer vertraglichen Regelung entzogen sei. Die personale Würde, sich immer wieder neu für ein Kind entscheiden zu können, dürfe nicht eingeschränkt werden146 • Handelte es sich zwar bei dieser Entscheidung um Partner einer nichtebeliehen Lebensgemeinschaft, so ist die faktische Lebenssituation unter Eheleuten aber keine andere, werden doch Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht durch das Eingehen einer Ehe nicht verändert. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dem Bundesgerichtshof sowohl bezüglich des Fehlens eines Rechtsbindungswillen der sich verpflichtenden Frau als auch bezüglich der Ablehnung eines Vertrags als geeigneter Regelungsform für Absprachen zur Familienplanung zuzustimmen. Wenn der Bundesgerichtshof deswegen aber der Vereinbarung jegliche Rechtsverbindlichkeit abspricht, wird im folgenden noch zu prüfen sein, ob dem hier gefolgt werden kann. Es wurde deutlich, daß neben den grundsätzlichen Zweifeln an der Rechtsfigur des Vertrages als geeignete Qualifikation für Ehevereinbarungen diese Einordnung für die Absprachen über die Nachkommenschaft noch weniger greift. Einschränkungen der vertraglichen Lösung durch Begriffe wie "Kernbereich der Ehe", die "Institution der Ehe im verfassungsrechtlichen Sinne", "höchstpersönlicher Bereich", "Privat- und Intimsphäre" verdeutlichen das Unbehagen, das bei der Vorstellung aufkommt, einen Ehepartner 144
BGHZ 97, 372, 379.
145 Fehn, JuS 1988, 602, 602; Dunz, VersR 1986, 819, 819; anders Schlund, JR 1986, 455, 456, nach dessen Interpretation es Gegenstand der Vereinbarung gewesen sei, "alles zu lassen, bzw. nichts zu unternehmen, was zu einer Schwangerschaft führen könnte". Diesbezüglich habe die Prau aber mit Bindungswillen gehandelt. 146 BGHZ 97, 372, 379; zustimmend Ramm, JZ 1986, 1011, 1012; Fehn, JuS 1988, 602, 602; Roth-Stielow, JR 1987, 7, 8.
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als zur Einnahme empfängnisverhütender Mittel vertraglich verpflichtet zu bezeichnen. Insofern überzeugt auch der Ansatz von Bruns nicht, Ehevereinbarungen grundsätzlich als Verträge "sui generis" zu qualifizieren147 , und in Folge auch Absprachen über die Familienplanung als Verträge "sui generis" mit einseitiger Leistungspflicht zu bezeichnen148 . Eine Einschränkung der Anwendbarkeit der Normen des Schuldrechts aufgrund der Natur der durch die Absprachen geregelten Materie lehnt Bruns ebenso ab, wie eine etwaige Unvereinbarkeit dieser Verträge mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des sich zur Verhütung verpflichtenden Ehepartners149. Zwar seien die Absprachen jederzeit unabhängig von den dafür entscheidenden Gründen und ohne Angabe dieser Gründe mit Wirkung für die Zukunft lösbar150; setze aber der zur Verhütung verpflichtete Ehepartner das hormonelle Mittel vorsätzlich und ohne Mitteilung an den anderen Partner ab, so werde - da es sich um ein Fixgeschäft handele - die ihm obliegende Leistung unmöglich151 . Er habe dem auf die Verhütung vertrauenden Partner den aufgrundder Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind entstehenden Schaden nach § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen152. Eine solche strikte Anwendung schuldrechtlicher Regeln auf die Frage eigener Nachkommen erscheint starr und formalistisch. Begriffe wie "Fixgeschäft", "Unmöglichkeit" und "einseitige Leistungspflicht" passen nicht in einen familienrechtlichen Rahmen. Der Schwerpunkt eines eventuellen Vorwurfs liegt wohl weniger in der verschuldeten Unmöglichkeit als im Verschweigen des Absetzens gegenüber dem vertrauenden Partner. Mag man den Ansatz Bruns' auch als konsequente Fortführung des Vertragsgedankens ansehen, so wird dadurch umso deutlicher, wie wenig hier der Begriff des Vertrages paßt. Die mangelnde Konsequenz der Vertragstheorie, die einerseits Ehevereinbarungen als Vertrag einordnet, für Absprachen zur Familienplanung diese Kriterien dann nicht anlegt, gleichzeitig aber eine andere dogmatische Qualifizierung derselben nicht bietet, legt es nahe, statt dessen für Ehevereinbarungen eine Kategorisierung zu finden, die auch für Verhütungsabreden greift. Da diese heute Bestandteil einer jeden Ehe sind, bedürfen Ehevereinbarungen ei147 Bruns, Absprachen, S. 29. 148 Bruns, Absprachen, S. 36. 149 Bruns, Absprachen, S. 53. ISO
Bruns, Absprachen, S. 57.
151 Bruns, Absprachen, S. 63. 152 Bruns, Absprachen, S. 74.
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ner rechtlichen Qualifizierung, die auf alle Bereiche ehelichen Lebens Anwendung finden kann. d) Ablehnung des Vertragsgedankens durch andere Autoren In der Literatur gibt es Stimmen, die den Vertragscharakter ablehnen und verstärkt auf das faktische Handeln und tatsächliche Einvernehmen der Eheleute abstellen153 • Allein aus der Ablehnung der Rechtsgeschäftsqualität ergibt sich aber noch keine Einordnung als "Realakt" 154 , vielmehr bleibt eine weitere Qualifizierung meist aus. Handelt es sich auch nicht um Rechtsgeschäfte, so entbehren die Absprachen zur Familienplanung aber nicht der Verbindlichkeit155 . Sie erhalten letztere über die allgemeinen Pflichten der ehelichen Lebensgemeinschaft156 • Die Erfüllung der Absprachen kann somit zum Bestandteil der verwirklichten Lebensgemeinschaft werden157 . Das ergibt sich aus der Tatsache, daß Eheleute bei der Ordnung und Gestaltung ihrer Gemeinschaft im Bewußtsein gegenseitiger Verantwortung handeln. Sie wissen, daß sich der andere Partner auf die Einhaltung der Abreden verläßt. Lieb spricht in diesem Zusammenhang von "einem Gefühl der Bindung" 158 • Dies allein genügt aber noch nicht für eine dogmatische Qualifizierung.
4. Lipp: Eheliches Einvernehmen als rechtsrelevantes Verhalten Ausgehend von der gegenseitigen Verantwortung, die in der Ehe nicht nur tatsächlicher, sondern auch rechtlicher Art sei, will Lipp diese Verantwortung dogmatisch fassen, indem er eheliches Einvernehmen nicht als rechtsgeschäftliebes, sondern als rechtsrelevantes Verhalten begreift159 • 15 3 Schwab, Familienrecht, Rz. 102; Ramm, Grundgesetz und Eherecht, S. 41; Streck, Generalklausel, S. 100; Ambrock, Ehe und Ehescheidung, § 1353 Arun. II 7; ders., § 1356 Arun. I 1 ("tatsächliche Handhabung"); Jauemig/Schlechtriem, § 1356 Arun. 2 a ("tatsächliches Einverständnis"); Pawlowski, Organisation, S. 58 ("Entscheidend sind die Formen und Prinzipien, die das Zusammenleben der Eheleute faktisch beherrschen."). 154
So aber deutet Bruns, Absprachen, S. 11, die genannten Autoren.
155
So aber Willoweit, Nichtrechtsgeschäftliche Vereinbarungen, S. 66 ff.
156
Schwab, Farnilienrecht, Rz. 102.
157
Ambrock, Ehe und Ehescheidung, § 1353 Arun. II 7 .
158
Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 41.
159
Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 94 ff.
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Rechtlich relevantes Verhalten sei keine Rechtsgestaltung durch autonomes Handeln des einzelnen, sondern Bewertung eines tatsächlichen Verhaltens durch den Gesetzgeber. Diese Aufgabe übernehme die eherechtliche Generalklausel, die dem tatsächlichen Verhalten der Ehegatten die rechtliche Relevanz verleihe. Aus ihr ergebe sich das zwingende eherechtliche Ordnungsprinzip der Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft in rechtlicher Verantwortung. Rechtliche Verantwortung bedeute die Rechtspflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme - nicht als Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten, sondern als Pflicht zur Toleranz 160. Eine Pflichtwidrigkeit ergebe sich nicht, weil ein Ehegatte sich nicht einem bestimmten Ehemodell unterwerfen wolle, sondern weil er die Persönlichkeit des Partners mißachte. An Verstöße gegen diese Pflicht ließen sich (später) Sanktionen wegen ehelicher Pflichtverletzung anschließen161 . Komme es zu keinem Einvernehmen, trete an dessen Stelle das Gebot der ehelichen Toleranz162. Aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB resultiere zwar die Rechtspflicht, eigene Entscheidungen in ehelicher Verantwortung zu treffen, doch bestehe darauf kein Rechtsanspruch. Da eheliches Verhalten aber ein rechtlich relevantes sei, löse die Mißachtung der Verantwortungspflicht Folgen aus. Diese Pflicht charakterisiert Lipp als negatorische, deliktisch strukturierte Verhaltenspflicht, verstanden als Folgeverpflichtung einer tatsächlich gelebten Ehegemeinschaft163. Eheliches Einvernehmen erlösche, wenn es nicht mehr bestehe, es bestehe keine Bindung im obligatorischen Sinne. Zwar könne sich jeder Partner jederzeit von einer bestimmten Form der Ehevereinbarung lösen; § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB entlasse ihn aber nicht aus der eherechtliehen Verantwortung und einer möglichen Haftung. Die rechtliche Relevanz des gegenseitigen Einvernehmens sei die negatorisch-deliktsrechtliche Verantwortung. Diese sei rechtsgeschäftlicher Disposition entzogen und vom willentlichen subjektiven Einvernehmen unabhängig. Nach diesem Ansatz Lipps erhielte die Absprache der Kinderlosigkeit und der Übertragung der Durchführung von Empfängnisverhütungsmaßnahmen auf die Ehefrau ihre rechtliche Relevanz aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Ehefrau wäre zwar nicht im obligatorischen Sinne an die Absprache gebunden, doch könnte die aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB resultierende Pflicht zur Toleranz eine Haftung wegen Mißachtung der Persönlichkeit ihres Ehemannes 160 Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 96. 161 Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 97. 162 Sei dieses Toleranzgebot für Bereiche des Glaubens und der Religion unstreitig anerkannt (vgl. dazu auch oben 111.2.b), ohne daß daraus diesbezüglich eine ungeordnete Ehe angenommen werde, so gebe es keinen Grund, daß für §§ 1353 Abs. 1, 1356 BGB etwas anderes gelten solle, vgl. Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 97. 163 Lipp, Eherechtliche Pflichten, S. 97 f .
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auslösen. Es wird aber nicht klar, wie nun der genaue Umfang der Verpflichtung der Ehefrau ausfällt. Lipp entnimmt § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB das eherechtliche Ordnungsprinzip der rechtlichen Verantwortung, die er als Rechtspflicht zu Rücksichtnahme und Toleranz beschreibt. Rücksichtnahme und Toleranz alleine reichen aber noch nicht aus, um im konkreten Streitfall zu entscheiden, was recht und unrecht ist. Es fehlt ein Maßstab dafür, ab wann ein Verhalten als Verstoß gegen die Verantwortungspflicht zu qualifizieren ist. Es wird nicht deutlich, ob die Ehefrau nun bis zur nächsten Einigung an ihrer Zusage festhalten muß oder ob allein eine Mitteilung über ihr Abgehen von der Vereinbarung an den Ehemann ausreicht. Da die Achtung der Persönlichkeit im deliktisch-negatorischen Sinne auch gegenüber Dritten geboten ist, verliert das Faktum der Eheschließung wie auch die konkrete Abrede zur Familienplanung an Bedeutung. In diesem Ansatz findet der Wille der Ehepartner zu wenig Beachtung, wird das Streben nach Objektivierung einer möglichen individuellen Übereinstimmung der Eheleute im konkreten Einzelfall nicht gerecht. Wenn Lipp diese Verantwortungspflicht im deliktisch-negatorischen Sinne als eine Folgeverpflichtung einer tatsächlich gelebten Ehegemeinschaft sieht, scheint die Grundlage dieser Pflicht dem, was andere Autoren als rechtlich geschütztes Vertrauen bezeichnen, nahezukommen. Mit dem Vertrauensschutzgedanken aber ist ein Mittel zur Hand gegeben, das dem Einzelfall einer jeden Ehe gerecht zu werden vermag.
5. Der Vertrauensgedanke als Ordnungsprinzip in der Ehe Vertrauensschutz zur Strukturierung der ehelichen Lebensgemeinschaft vertreten vor allem Streck und Pawlowski. Beide sind Vertreter interindividueller Ehelehren und wenden sich dagegen, Vorgaben für das Verhalten der Eheleute aus dem "sittlichen Wesen" der Ehe herzuleiten164 • a) Pawlowski: Berechtigte Sozialerwarrungen als Maßstab der Verhaltensanforderungen Unter Bezugnahme auf die Verfassung deutet Pawlowski die Ehe als einen durch das Recht gewährleisteten statusrechtlichen, offenen Rahmen, innerhalb dessen die Eheleute ihre Lebensgemeinschaft autonom gestalteten165 • Daraus 164
Streck, Generalklausel, S. 28 ff.; Pawlowski, Rechtswissenschaft, S. 299 ff.
165
Pawlowski, Rechtswissenschaft, S. 325 f.
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zieht er den Schluß, daß eheliche Pflichten nicht als Rechtspflichten zu begreifen seien. Die eherechtliehen Vorschriften ließen jegliche Ehepflicht höchstens im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht zu Rechtspflichten werden, doch könnten diese Rechtsfolgen auch über den Tatbestand der "Enttäuschung von berechtigten Sozialerwartungen" erreicht werden166 • Verhaltensanforderungen ergeben sich für Pawlowski somit nicht aus objektiven Rechtspflichten, sondern aus der "berechtigten Sozialerwartung" des anderen Partners. Werde diese enttäuscht, könne das zur Zerrüttung der Ehe führen, aus welcher sich der andere Ehepartner durch Scheidung lösen könne. Geprägt würden die Sozialerwartungen durch die Anschauungen der Allgemeinheit167 • Pawlowski ergänzt später seine Ansicht, indem er Ehevereinbarungen als "Organisationsakte" präzisiert, die nicht rechtlich verbindlich, sondern rein faktisch seien168 ; etwaige Rechtsfolgen ergäben sich aber allein aus der "Enttäuschung von berechtigten Sozialerwartungen "169 • Für den Fall der Absprachen zur Familienplanung und Durchführung einer EmpfangDisverhütung bedeutet dies, daß es "berechtigte Sozialerwartungen" zu definieren gilt, um daraus die aus der Absprache resultierenden Pflichten bestimmen zu können. Das führt zu dem Ergebnis, daß sich die Partner an die Absprache zu halten und im Moment eines Abgehens davon, dies ihrem Ehepartner mitzuteilen hätten, um sich dann um eine neue Einigung zu bemühen. Eine Pflicht der Frau, bis dahin ihre Zusage durchzuhalten, entspricht aber wohl nicht mehr "berechtigten Sozialerwartungen". Werden an "berechtigte Sozialerwartungen" unter Eheleuten Rechtsfolgen geknüpft, so ist dies nichts anderes als der Schutz berechtigten Vertrauens. Es ist Pawlowski aber insoweit zu widersprechen, als er eheliche Pflichten nicht als Rechtspflichten begreift. Denn es stellt sich dann die Frage, warum es noch einer Eheschließung bedarf, wenn allein die Enttäuschung allgemeiner Erwartungen in eine gewisse Form des Zusammenlebens bereits Rechtsfolgen soll auslösen können.
166 Pawlowski,
Rechtswissenschaft, S. 315.
167 Pawlowski, Rechtswissenschaft, S. 341. Daraus ergibt sich eine gewisse Nähe zu Gernhubers Qualiftkation der Ehe als sozialer Verhaltensform, vgl. oben 1.2. 168 Pawlowski,
Organisation, S. 58, der datnit jede rechtsgeschäftliche Pflicht in
169 Pawlowski,
Organisation, S. 52.
der Ehe ablehnt.
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b) Streck: Das eheliche Treueverhältnis als Basis des Vertrauens Ähnlich wie bei Pawlowski bleibt für Streck das Recht gegenüber konkreten Eheinhalten neutral und gewährt den Eheleuten einen Raum der Freiheit170. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB lege den Ehegatten aber die Pflicht zur Gestaltung der Gemeinschaft in Übereinstimmung mit dem Partner auf, das heißt es bestehe die Pflicht zur gemeinsamen Entscheidung. Was der gemeinsamen Entscheidung der Ehepartner entspreche, sei Recht. Aus der Pflicht zur gemeinsamen Entscheidung allein erwachse aber noch nicht das Kriterium Recht oder Umecht. Doch gerade wenn es an einer Einigung fehle, bedürfe es einer Entscheidung, zu was ein Ehepartner konkret verpflichtet sei und ob das Verhalten eines Ehepartners konkret Recht oder Umecht war171 . Für solche Einzelfragen komme es zur Anwendung der Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Aus ihr leitet Streck das eherechtliche Treueverhältnis ab, das durch das gegenseitige Vertrauen der Partner ineinander begründet werde und das somit konkrete Einzelpflichten festlege. Den Grund des Treueverhältnisses sieht Streck darin, daß sich die Eheleute zu einem gemeinsamen Zweck rechtlich verbunden hätten. Aus dieser rechtlichen Verbindung zur gemeinsamen Zweckverfolgung ergebe sich das Vertrauen der Ehepartner, daß der jeweils andere Partner am gemeinsamen Zweck festhalten werde. Verpflichte die Rechtsordnung zur Erfüllung des gemeinsamen Zwecks, so müsse sie auch das darauf gegründete Vertrauen schützen. Der Gegenstand des Vertrauens liege in der Hand der Partner, so daß sich das Vertrauensprinzip bei der rechtlichen Beurteilung eines jeden konkreten Einzelfalls entfalte. Die Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB diene der Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit, wie dies§ 242 BGB im Schuldrecht leiste172 . Gegenstand des Vertrauens sei die Erwartung, der Partner werde sich sozialadäquat verhalten. Anknüpfungspunkt dafür seien entweder sozialübliche Verhaltensmuster bezüglich einer Lebensgemeinschaft oder aber das bisherige Verhalten der Partner in einer konkreten Ehe173 . Auch hier zeigen sich deutliche Ähnlichkeiten mit dem Ansatz Pawlowskis, der an "berechtigte Sozialerwartungen" anknüpft174.
170
Streck, Generalklausel, S. 53.
111
Streck, Generalklausel, S. 60.
172 Streck, Generalklausel, S. 60. 173 Streck, Generalklausel, S. 69. 174
Vgl. Pn. 169.
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Eheliche Autonomie deutet Streck in diesem Zusammenhang als Freiheit zu faktischer Gestaltbarkeit, nicht aber zur Begründung verbindlicher Rechtsverhältnisse in Form starrer Verträge175 • Andererseits begründe ein etwaiger Vertragsschluß trotz Nichtigkeit Vertrauen, da er Zeugnis einmal bestandener Einigkeit seil 76 . Durch den Vertrauensgrundsatz gelangt Streck zu einer Verbindlichkeit von Vereinbarungen und faktischem Verhalten, unabhängig von jeglichem rechtsgeschäftlichen (Bindungs-) Willen allein durch Anknüpfung an die tatsächlich verwirklichte Lebensgemeinschaft. Durch seine Bezugnahme auf die Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB kann er - anders als Pawlowski - die sich für die Ehegatten ergebenden Pflichten als Rechtspflichten qualifizieren177 . c) Andere Stimmen zur Vertrauenshaftung Der Gedanke des Vertrauensschutzes als Regelung der ehelichen Lebensgemeinschaft erscheint auch bei anderen Autoren, wird aber nicht immer expressis verbis als solcher bezeichnet. Ambrock sieht die Erfüllung ehelicher Absprachen als Bestandteil der verwirklichten Lebensgemeinschaft an 178 , und bei Schwab dürfen die Ehepartner voneinander erwarten, daß sie sich jeweils an die einverständliche Funktionsteilung halten, solange sich nicht wesentliche Gründe für eine Änderung ergeben179 . Auch für Renrieb schafft das eheliche Einvernehmen einen Vertrauenstatbestand180, und Wacke konstatiert, daß Ehevereinbarungen, die "schlicht gelebt" werden, ihren Geltungsgrund aus dem Gedanken der Bindung an zurechenbar geschaffenes Vertrauen beziehen181.
6. Eigene Stellungnahme Nachdem deutlich wurde, daß eine Behandlung des ehelichen Lebens mit rechtsgeschäftliehen Kategorien den Ehepartnern nicht gerecht zu werden 175 Streck, Generalklausel, S. 99 f. 176 Streck, Generalklausel, S. 100. 177
Vgl. Streck, Generalklausel, S. 72, 80.
178 Ambrock, Ehe und Ehescheidung, § 1353 Anm. II 7. 179 Schwab, Familienrecht, Rz. 102. 180 Henrich, Familienrecht, § 6 111 2. 181
MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 7.
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vermag, wurden die Ansätze des rechtlich relevanten Verhaltens und des Vertrauensschutzgedankens dargestellt. Zur Verdeutlichung sei auf die von Flume getroffene Beschreibung von Rechtsgeschäft und rechtlich relevantem Verhalten hingewiesen. Flume unterscheidet beide Kategorien in der Weise, daß "das rechtsgeschäftliche Handeln - ungeachtet der rechtlichen Behandlung des Irrtums - als ein final auf Rechtsgestaltung gerichteter Akt auf Grund der Anerkennung durch die Rechtsordnung die rechtsgeschäftliche Regelung in Geltung setzt, während das Verhalten, wenn es rechtlich relevant ist, als bloßes Faktum eines Tuns oder Unterlassens in Anbetracht seiner Umstände ex lege rechtliche Bedeutung hat. Das Rechtsgeschäft ist eine rechtliche Regelung. Das rechtlich relevante Verhalten ist dagegen, auch wenn die gleichen Rechtsfolgen wie bei einer rechtsgeschäftliehen Regelung eintreten, keine Regelung, sondern es wird geregelt, es ist der Tatbestand einer Regelung von Rechts wegen, die aufgrundrechtlicher Wertung des Verhaltens erfolgt" 182 • Diese Figur des rechtlich relevanten Verhaltens entspricht dem Charakter von Absprachen unter Eheleuten insofern, als es hierfür einer Willenserklärung (die bei Eheleuten in der Regel ja fingiert werden muß) mit Rechtsbindungswillen nicht bedarf, das Verhalten der Eheleute aber durch die eherechtliehe Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB rechtliche Bedeutung in Form von rechtlicher Verbindlichkeit als eheliche Pflicht erhält183 • Durch die Eheschließung kommt es zwischen den Ehegatten zu einer rechtlichen Verbindung zur gemeinsamen Zweckerfüllung in Form einer Lebensgemeinschaft. Die Generalklausel steckt dafür den rechtlichen Rahmen ab und ist Grundlage für die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Daß das Einvernehmen der Ehegatten über die Lebensführung seine Verbindlichkeit über die allgemeinen Pflichten der ehelichen Lebensgemeinschaft erhält und daß die durch Absprachen begründeten Verhaltenspflichten insoweit Rechtspflichten sind, wie auch die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft eine Rechtspflicht ist, ist heute allgemein anerkannt184 . Durch § 1353 BGB wird das Verhalten der Eheleute ein rechtlich relevantes; auch ohne den Charakter von Willenserklärungen begründen Vereinbarungen unter Eheleuten eheliche Pflichten.
182
Flume, BGB-AT II, § 10 Nr. 1.
183 Hier bestehen Parallelen zum Ansatz Heptings, demzufolge Rechtsfolgen von Ehevereinbarungenkraft "Spruchs der Rechtsordnung" eintreten. Das führt bei Hepting aber zur Qualifizierung der Absprachen als Rechtsgeschäft, dem hier nicht gefolgt wird, vgl. oben 3.a.cc. 184
Vgl. z. B. Schwab, Pamilienrecht, Rz. 102; Henrich, Familienrecht, § 6 III 2.
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Einer Qualifizierung von Übereinkünften und daraus resultierender Verhaltensanforderungen als ehelicher Pflichten bedarf es aber nur, wenn es unter den Eheleuten zum Streit darüber kommt. Ob aber das Verhalten eines Ehepartners als Unrecht und als Verstoß gegen eine Ehepflicht und somit als Eheverfehlung zu werten ist, muß in jedem konkreten Einzelfall anband der individuellen Ehegegebenheiten geprüft werden. Es muß erkennbar werden, was für die Eheleute als verpflichtend galt, beziehungsweise als verpflichtend gelten sollte. Dafür ist die Generalklausel allein aber nicht ausreichend, sie bedarf der Ausfüllung. Hierfür bietet sich der Gedanke des Vertrauensschutzes an. Anknüpfungspunkt für das Vertrauen der Eheleute sind sowohl Absprachen zur Regelung des gemeinsamen Lebens als Ausdruck von Absichten als auch das bisherige tatsächliche Verhalten der Ehepartner als Beurteilungsgrundlage für das weitere Verhalten. Stets vertrauen die Ehepartner darauf, daß sich der andere den getroffenen Vereinbarungen oder dem bisherigen Verhalten gemäß verhalten werde. Indem sie als Eheleute Absprachen treffen, die ihre gemeinsame Lebensgemeinschaft betreffen, begründen sie Vertrauen. Sie vertrauen darauf, daß der andere die ehelichen Pflichten einhält, sich ihnen gemäß verhält. Da sie miteinander verheiratet sind und somit um den verpflichtenden Charakter ihrer Absprachen wissen, ist ihr Vertrauen ein begründetes. Eheschließung und Regelung des ehelichen Lebens im gegenseitigen Einvernehmen bilden die Vertrauensgrundlage. Jeder weiß, daß der andere mit Erfüllung rechnet, sind sie doch zur ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet. Versteht man darunter das Bemühen um Einigkeit, so darf nicht einseitig gegen einen einmal gefundenen gemeinsamen Willen verstoßen werden. Die Pflichten der Ehepartner werden nicht durch den Vertrauensgrundsatz begründet (wie dies zum Beispiel bei der Haftung nach Rechtsscheinsgrundsätzen der Fall ist). Begründet werden sie vielmehr durch die eheliche GeneralklauseL Der Vertrauensgrundsatz ist dabei aber das Maß zur Bestimmung des Umfangs der ehelichen Verpflichtungen. Als Ergebnis ist hier somit zu konstatieren: Inhalt und Umfang von Ehepflichten bestimmen die Ehepartner durch - aufgrund von Absprachen und faktischem Verhalten - gesetztes Vertrauen; deren rechtliche Verbindlichkeit ergibt sich aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieses Ergebnis gilt es nun auf Absprachen zur Familienplanung anzuwenden.
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V. Absprachen zur Familienplanung Die Frage, ob, wann und wie viele Kinder Ehegatten haben möchten, gehört heute zu den zentralen Punkten ehelicher Lebensgemeinschaft. Die Entscheidung über Nachkommenschaft liegt aufgrund des medizinischen Fortschritts weitestgehend in der Hand der Ehepartner, ist aber von ihrer Übereinstimmung und ihrem demgemäßen Verhalten abhängig. Einigen sich die Eheleute darauf, keine (weiteren) Kinder haben zu wollen, und erklärt sich die Ehefrau bereit, durch die Einnahme von Ovulationshemmern eine Empfangnis zu verhüten, so gestalten sie durch dieses Einvernehmen einen Bereich ihrer Lebensgemeinschaft. Wurde oben festgestellt, daß Vereinbarungen der Kinderlosigkeit zwischen Ehegatten grundsätzlich zulässig sind185 , ist damit noch nichts über das Ausmaß ihrer Verbindlichkeit gesagt. Wann ein abredewidriges Verhalten als Eheverfehlung angesehen werden kann, ist anband der Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB, des Vertrauensgrundsatzes und allgemeiner Rechtsgrundsätze zu ermitteln.
1. Keine Unabänderlichkeif aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Durch die Absprache der Familienplanung regeln die Eheleute einen wesentlichen Bereich ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft. Da sie zu einer Übereinstimmung in dieser Frage gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet sind, erlangt diese Abrede Verbindlichkeit. Ob diese aber im Sinne einer Unabänderlichkeit zu verstehen ist, erscheint fraglich. a) Absprache der Kinderlosigkeit
Art. 1 Abs. 1 GG legt das unbedingte Gebot fest, die Würde des Menschen zu achten. Ihre Unantastbarkeit gilt umfassend. Jedes Verhalten, das gegen diese Unantastbarkeit der Menschenwürde verstößt, stellt einen direkten Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG dar186 • Wenn der BGH in oben genannter Entscheidung 187 ausführt, daß jegliche Selbstverpflichtung zur Empfangnisverhütung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Ausfluß der Men-
185
Vgl. oben 111.1 und 2 .b.
186 v. Mangoldt/Klein!Starck, 187
Vgl. Fn. 143.
Art. 1 I GG Rz. 19.
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sehenwürde nicht vereinbar sei, so ist dem in dieser Absolutheit nicht zuzustimmen. Grundsätzlich besteht für jeden Menschen die Möglichkeit, sein Leben in freier Selbstbestimmung zu gestalten. Deshalb muß es dem einzelnen zugestanden werden, über seine Nachkommenschaft frei zu entscheiden. Diese Freiheit umfaßt auch die Möglichkeit, verbindliche Abreden über Kinderlosigkeit zu treffen. Solange der sich Verpflichtende an dieser Abrede festhalten, den Zustand der Bindung also freiwillig aufrechterhalten möchte, kann von einer Verletzung der Menschenwürde nicht gesprochen werden. Dennoch darf die Freiheit der Selbstbestimmung wiederum nicht so weit gehen, daß sich der einzelne dieser Freiheit völlig begibt. Da die Entscheidung für oder gegen Kinder in höchstem Maße die Persönlichkeit der Ehepartner betrifft, gebietet es die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG), in der Entscheidung der Nachkommenschaft grundsätzlich frei zu bleiben188 . Die Verbindlichkeit diesbezüglicher Absprachen kann also nicht so weit gehen, das der einzelne Partner unwiderruflich an sie gebunden ist und somit die Freiheit, über die Frage eigener Kinder immer wieder neu entscheiden zu können, verliert. Zwar ist im Falle einer Meinungsänderung auch das Persönlichkeitsrecht des "abredetreuen" Ehepartners betroffen, doch dieses "überwiegt nicht das Bedürfnis seines Partners nach Freiheit" 189. Aufgrund der hier bestehenden unveräußerlichen Freiheit erlangt die Absprache der Kinderlosigkeit für beide Ehepartner keine Verbindlichkeit im Sinne einer unabänderlichen Verhaltenspflicht190. Auch darf die Möglichkeit der Lossagung von einer solchen Vereinbarung an keinerlei Voraussetzungen geknüpft sein, um die Freiheit der Entscheidung nicht einzuschränken191 . Allein das Abgehen von dieser Übereinkunft durch die Ehefrau verletzt damit keine verbindliche Ehepflicht. 188 BGHZ 97, 372, 379; LAG Hamm DB 1969, 2353, 2354. 189 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 212. 190 Für viele vgl. Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 31 ; Soergel/Lange, § 1353 Rz. 11; RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 27; Bosch, FamRZ 1970, 497, 501; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 211 ff.; Reinhart, JZ 1983, 184, 190; MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31, spricht von einem jederzeitigen Kündigungsrecht auch gegen den Wi-
derspruch des anderen Ehegatten.
191 Es ist daher Rolland, § 1353 Rz. 10, zu widersprechen, der im Falle des Konsenses der Ehegatten zur Frage der Nachkommenschaft ein Recht der Ehegatten, das gemeinsam Gewollte in Frage zu stellen, vom Vorliegen eines triftigen Grundes abhängig macht. Der Wunsch nach eigenen Kindern bedarf aus persönlichkeitsrechtlichen Griinden nicht eines wichtigen Grundes; außerdem bleibt unklar, was unter einem solchen Grund zu verstehen ist.
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b) Zusage der Einnahme empfängnisverhütender Mittel Ebenso beurteilt sich die Zusage der Ehefrau, durch die Einnahme empfängnisverhütender Mittel die Vereinbarung "umzusetzen". Die Einnahme hormoneller Mittel hat auf die Frau Auswirkungen physischer und psychischer Art. Ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden ist aber als Teil ihrer Persönlichkeit ebensowenig einschränkbar, wie die davon betroffene Frage eigener Nachkommenschaft. Auch hier verbietet die Menschenwürde eine Verbindlichkeit im Sinne einer unwiderruflichen Gebundenheit der Ehefrau. Die Zusage der Einnahme antikonzeptioneller Mittel stellt somit noch keine Ehepflicht dar192 . Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verbietet es, die Abrede der Kinderlosigkeit und der Durchführung der Empfängnisverhütung durch die Ehefrau als verbindlich im Sinne einer unabänderlichen Ehepflicht zu begreifen. Die Würde des Menschen gebietet es vielmehr, in der Frage der Nachkommenschaft frei zu bleiben. Die Ehefrau kann somit sowohl von der Abrede der Kinderlosigkeit als auch von ihrer Zusage der Einnahme empfängnisverhütender Mittel abgehen, ohne eine Ehewidrigkeit zu begehen. 2. Keine Klagbarkeil Die Vereinbarung der Kinderlosigkeit und Empfängnisverhütung darf daher auch nicht als eine unabänderliche Bindung im Sinne einer Durchführungspflicht des einzelnen Ehegatten verstanden werden193 • Denn dadurch würde die Vereinbarung und das diesbezügliche Verhalten der Ehegatten einer gerichtlichen Beurteilung unterstellt werden können. Will die Ehefrau von der Verhütungsabsprache abweichen (und teilt sie das ihrem Ehemann auch mit), so soll der Ehemann sie nicht mit der Eheherstellungsklage zur Einhaltung der Verabredung zwingen können. Denn besteht zwischen den Eheleuten keine Einigkeit mehr, so müssen sie sich um eine neue Übereinstimmung ihrer Standpunkte bemühen. Der autonome Akt der Konsenstindung ist nicht erzwingbar. Ein Eheherstellungsurteil zwecks Verpflichtung der beklagten Ehefrau zur Einhaltung der Verhütungsabrede würde die autonome Entscheidung beider Ehegatten durch die Entscheidung des 192 So aber wohl Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 V 7: "Da sich die Ehegatten zur Kinderlosigkeit bereit fanden, handelte die Frau pflichtwidrig, wenn sie die Empfängnis nicht verhütete." Dann stellt sich aber die Frage, wie der Fall zu beurteilen ist, daß die Ehefrau aus gesundheitlichen Gründen hormonelle Präparate nicht verträgt, dies aber vor ihrer Zusage nicht gewußt hat. 193
Vgl. MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 8.
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Richters ersetzen194 • Der Richter müßte zur Beurteilung des Verhaltens der Ehefrau (ist ihr Abweichenwollen von der Vereinbarung berechtigt oder nicht?) im Intimbereich der Eheleute "herumstochern", was gerade durch die Eherechtsreform vermieden werden sollte 195 • Für die eine Ehe beeinflussenden Kräfte und zur Beurteilung des Verhaltens der Eheleute in diesem höchstpersönlichen Bereich ist das Recht nicht der geeignete Maßstab196 • Es bleibt Aufgabe der Eheleute, hier zu neuer Einigung zu finden. Diese kann durch nichts ersetzt werden197 • Ein Eingriff des Richters in den Autonomiebereich ist daher nicht zulässig, eine Verbindlichkeit im Sinne einer justitiableu Durchführungspflicht besteht für die Ehegatten nicht. Darf jeder Ehepartner aufgrund seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und mangelnder Klagbarkeit der Absprache von dieser abgehen, ohne dadurch eine Eheverfehlung zu begehen, so hat dadurch die gültige Ehevereinbarung aber nicht jegliche rechtliche Bedeutung verloren. Durch sie haben die Eheleute die grundsätzliche Frage der Familienplanung sowie deren Umsetzung geregelt. Damit stellen sie aneinander bestimmte Verhaltensanforderungen. Der Umfang der aus der Abrede resultierenden verbindlichen Ehepflichten ist anband des Vertrauensgrundsatzes zu ermitteln.
3. Der Vertrauensgrundsatz als Maßstab für Umfang und Verbindlichkeit der aus der Absprache resultierenden Ehepflichten Als Vertreter des Vertrauensgedankens äußert Streck in diesem Zusammenhang: "Grundsätzlich werden heute noch Ehepartner voneinander eine Ehe mit Kindem erwarten. Haben sich die Partner aber zu einer kinderlosen Ehe entschlossen und diese über Jahre hin verwirklicht, können beide Partner das
194
MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 8; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 87, 213.
195
Vgl. BT-Drucks. 7/650, S. 72 f., 105 f., 109 f.
196 Zu diesem Ergebnis gelangen auch die Vertreter der Lehre vom "rechtsfreien Raum". Danach sollen bestimmte persönliche Lebensbereiche privatrechtliehen Verpflichtungen entzogen sein, um der freien Entschließung des Menschen erhalten zu bleiben. Diesbezügliche Absprachen seien nicht rechtsverbindlich. Auch im Bereich der Ehe gebe es solche "rechtsfreien Räume", wie z. B. die Frage der Nachkommenschaft. Vgl. zum rechtsfreien Raum z. B: Larenz, Methodenlehre, S. 371; Comes, Der rechtsfreie Raum, S. 18 ff., 45 ff., 73 ff., 90 f.; Willoweit, Nichtrechtsgeschäftliche Vereinbarungen, S. 26; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 190 ff. 197 Soergel!Lange, § 1356 Rz. 7; Lüke, FS-Bosch, S. 634; Pawlowski, Organisation, S. 11.
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Recht auf Zeugung und Empfängnis eines Kindes verloren haben. Dem einseitigen Fordern fehlt der Rechtsgrund. " 198 Diese Position erscheint zu weitgehend. Über eine anhaltende Übung zwischen den Ehegatten will Streck einen status quo etablieren, der unabänderlich sei. Einerseits stellt er sich damit in Widerspruch zu seiner Kritik arn Gedanken des Rechtsgeschäfts zwischen Ehegatten, dessen statischer Charakter der dynamischen Pflicht der Ehepartner zum dauernden Bemühen um Einigung entgegenstehe199; demnach dürfe keine Frage des gemeinschaftlichen Lebens in einer Endgültigkeit zementiert werden. Andererseits kann aber vor allem eine jeden Ehegatten höchstpersönlich betreffende Frage wie die der Nachkommenschaft aufgrund des Persönlichkeitsschutzes nicht eines Tages als in unabänderlicher Weise entschieden gelten. Es hieße, den Vertrauensgrundsatz unzulässigerweise überspannen, wollte man das Vertrauen der Ehepartner darauf, daß der jeweils andere nie von der Abrede der Kinderlosigkeit abweichen wolle, als rechtlich geschützt anerkennen. Das Vertrauen auf ein Verhalten, das gegen Grundrechte verstößt, ist kein berechtigtes und genießt daher nicht die Anerkennung und den Schutz der Rechtsordnung. a) Grundsätzliches Festltalten an der Absprache Die Frage der Nachkommenschaft betrifft beide Ehepartner in höchstem Maße in ihrer Persönlichkeit und ist damit zwar einer Verbindlichkeit im Sinne einer unabänderlichen Bindung entzogen. Doch es ergeben sich immanente Grenzen des Persönlichkeitsrechtsschutzes aus der ehelichen Lebensgemeinschaft als einem Raum gemeinsamer Privatsphäre und aus dem Gebot der Rücksichtnahme auf den Partner200. Eine Absprache über die Familienplanung dient zur Klärung und Übereinstimmung der Ansichten beider Ehegatten. Gelangen sie zu einer Einigung, so kann jeder darauf vertrauen, daß sich der andere daran hält. Das Vertrauen kann aber eben nicht soweit gehen, daß der andere seine Meinung darüber nie wird ändern wollen. Dies gilt nicht nur für die Frage der Familienplanung. Doch gerade in diesem persönlichen Bereich sind Änderungen des einmal vertretenen Standpunkts - wie oben festgestellt - denkbar und müssen auch zulässig sein, will man die Persönlichkeit des einzelnen nicht zu stark einschränken. 198 Streck, Generalklausel, S. 88 f., 100. 199 Vgl. oben IV.5 .b. zoo Schwab, Familienrecht, Rz. 95. 5 Wanke
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b) Mitteilung eines Abweichens an den Partner Die Achtung vor der Persönlichkeit des Ehepartners gebietet aber auch, bei Auftreten des Wunsches, von einer einmal getroffenen Übereinkunft abzuweichen, diesen Wunsch dem Ehepartner mitzuteilen, um dann gemeinsam nach einer neuen Übereinstimmung zu suchen. Dies ist Bestandteil der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft201 • Daß der Ehemann nicht auf eine unwiderrufliche Pflicht der Frau zur Einnahme antikonzeptioneller Mittel vertrauen darf, ergibt sich aus deren persönlichkeitsrechtlicher Relevanz. Um aber nicht in ständiger Unsicherheit leben zu müssen, darf der Ehemann darauf vertrauen, daß sich seine Ehefrau ohne gegenteilige Äußerungen an das einmal Vereinbarte hält. Er kann davon ausgehen, daß sie ihm den Wunsch, von der Vereinbarung abgehen zu wollen, mitteilt. Auch die Ehefrau weiß um die Bedeutung der Absprache. Sie weiß, daß ihr Ehemann auf ein abredegemäßes Verhalten ihrerseits vertraut und sein Verhalten danach richtet. Die Ehegatten sind verpflichtet, im Falle des Abweichenwollens von getroffenen Abreden, dies dem Ehepartner mitzuteilen und sich um einen neuen Konsens zu bemühen202 , wobei beide Partner zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind203 • Der Ehemann darf also darauf vertrauen, daß die Ehefrau ihm ihren Wunsch, in Zukunft auf die Empfängnisverhütung zu verzichten, mitteilt. Können sich die Eheleute daraufhin nicht (sofort) auf einen Konsens verständigen, hat der Ehemann immerhin die Möglichkeit, von weiterem Geschlechtsverkehr (vorerst) abzusehen oder selbst Maßnahmen der Verhütung zu ergreifen. Da sich die Einnallme von Antikonzeptiva durch die Ehefrau einer Kontrolle des Ehemannes entzieht, muß sein Vertrauen auf ein verabredungsgemäßes Verhalten seiner Frau, beziehungsweise eine Mitteilung bei Verhaltensänderung, geschützt sein. Somit läßt sich anband des Vertrauensgrundsatzes die eheliche Pflicht der Ehefrau inhaltlich klar bestimmen: Die Erklärung der Frau, durch die Einnahme hormoneller Mittel eine Empfängnis zu verhüten, verpflichtet diese nicht, unwiderruflich daran festzuhalten. Sie verpflichtet die Frau aber, ein 201
Vgl. oben III.2.a.
202 Allgemein zu Abreden über persönliChe Ehewirkungen, MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 8: "Der Vertrauensschutzgedanke und die Grundsätze der Verständnisund Verständigungsbereitschaft rechtfertigen und erfordern allerdings eine Bindung an die Abrede in der Weise, daß eine Lossagung von ihr dem anderen Ehegatten mit Motiven mitgeteilt und mit dem Ziel einer verständnisvollen Einigung erörtert werden muß, sie nicht zur Unzeit erfolgen darf und ausreichend Gelegenheit zu einer schadensmindernden Umdisponierung des anderen Ehegatten und der Familie gegeben sein muß. n 203
Vgl. Hepting, Ehevereinbarungen, S. 213 .
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Absetzen der Verhütungsmittel ihrem Ehemann mitzuteilen. Das Vertrauen des Ehemannes auf diese Mitteilung ist im Hinblick auf sein Persönlichkeitsrecht rechtlich begründet. Verschweigt die Ehefrau das Absetzen des Verhütungsmittels gegenüber ihrem Mann, so begeht sie eine Eheverfehlung204 . c) Verletzung der Pflicht zur einvernehmlichen Regelung Die aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB resultierende Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft beinhaltet auch die Pflicht, in Fragen des gemeinsamen Lebens eine Einigung mit dem Partner herbeizuführen. Sie gilt als wichtigste persönliche Ehepflicht205 • Indem die Ehefrau eigenmächtig die Frage der Nachkommenschaft regelt, verstößt sie auch gegen die Pflicht zur Einigung. Die Frau verletzt somit sich aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB ergebende personale Ehepflichten und handelt ehewidrig206 . VI. Folgen der Eheverfehlung
Fraglich ist, welche rechtliche Konsequenzen dieses ehewidrige Verhalten der Ehefrau hat. 1. Eheherstellungsklage
Grundsätzlich dient als Mittel zur Geltendmachung persönlicher Ehepflichten die Eheherstellungsklage. Seit dem 1. EheRG wird diese allerdings generell in Zweifel gezogen, da sie ihre Hauptfunktion, ein Scheidungsver204 Ähnlich - allerdings nicht für den Fall des heimlichen Abgehens von einer Vereinbarung - Reinhart, JZ 1983, 184, 190, der grundsätzlich Ehevereinbarungen als Rechtsgeschäfte qualifiziert, diese Möglichkeit aber bei Absprachen über die Familienplanung als mit dem Verständnis der Ehe als Institution unvereinbar ablehnt (vgl. oben 1.1) und diese Absprachen als Rechtshandlungen einordnet. Bei Wegfall des Einigseins der Ehegatten würden diese Vereinbarungen zwar hinfällig, doch greife dann der Grundsatz des Vertrauensschutzes ein, nach dem das "willkürliche", d. h . grundlose einseitige Abgehen rechtswidrig sein könnte, wenn dadurch die Interessen des anderen Ehegatten ungerechtfertigt verletzt würden. 205 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 4, 18; Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch/RothStielow, § 1353 Anm. 12; Lüke, FS-Bosch, S. 632; Diederichsen, NJW 1977. 217, 217: "ureigenste Aufgabe mündiger Eheleute" ; Rolland, § 1353 Rz. 27: "elementare Pflicht". 206 MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 31; Streck, Generalklausel, S. 88; Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 33; Ramm, JZ 1986, 1011, 1012 f .
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fahren vorzubereiten, verloren habe und der Absicht des Gesetzgebers, gerichtliche Streitigkeiten um die eheliche Intimsphäre zu vermeiden, entgegenstehe207. Wie bereits bezüglich der Durchsetzbarkeil der Vereinbarung der Kinderlosigkeit und der Einnahme empfängnisverhütender Mittel festgestellt, hat sie grundsätzlich eine "autonomiewidrige Funktion" im ehelichen Autonomiebereich208. Bei der vorliegenden Konstellation wäre für eine Eheherstellungsklage bezüglich des Verstoßes der Ehefrau gegen die Pflicht zur Einigung in gemeinschaftlichen Angelegenheiten nur ein Antrag denkbar, die Ehefrau zu einer inhaltlich nicht näher konkretisierten Einigungsbemühung zu verurteilen. Das bedeutete zwar keinen Eingriff in den ehelichen Autonomiebereich, da die Pflicht zur Konsenstindung für beide Partner zwingend ist. Doch hätte eine Eheherstellungsklage nur einen Sinn, wenn sich die Frau im Vorfeld gegen eine Einigung ausgesprochen hätte. Dies ist aber nicht der Fall, wenn die Ehefrau eigenmächtig von einer bestehenden Einigung abweicht und durch die Geburt eines Kindes Tatsachen schafft, die mit der Herstellungsklage nicht mehr beseitigt werden können. Eine Klage für die weitere Zukunft erscheint dann nicht mehr zweckmäßig, denn kommt es dadurch zu einem Zerwürfnis zwischen den Ehepartnern, so ist davon auszugehen, daß der Ehemann an einem Weiterführen der Ehe nicht interessiert sein wird. Zwar besteht die Pflicht zur Mitteilung über das Absetzen des Verhütungsmittels gegenüber dem Ehemann, doch würde eine Verurteilung der Frau helfen, zukünftig jede Beendigung ihrer Verhütungspraxis ihrem Ehegatten mitzuteilen, diesemangesichtsseiner Persönlichkeitsrechtsbetroffenheit bei ungewollter Vaterschaft nicht weiter.
2. Zerrüttung und Scheidung Sind persönliche Ehepflichten zwar nicht durchsetzbar und kaum klagbar, so kann die Eheverfehlung der Ehefrau aber zur Zerrüttung der Ehe beitragen. Für das Scheitern der Ehe im Sinne des § 1565 Abs. 1 BGB gelten die Pflichten der §§ 1353 ff. BGB in der Form, wie die Ehegatten sie durch autonomen Akt geregelt haben209 . Ihre Verletzung und die daraus resultierende Zerrüttung der Ehe lassen sich aufgrund bestebender Vereinbarungen leicht feststellen, ohne daß es eines gerade zu vermeidenden "Herumstocherns im Intimbereich der Ehegatten" bedarf. 207 So z. B. MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 43. 208 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 89. 209 Rol/and, § 1565 Rz. 10; RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 14.
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Es bleibt aber zu bedenken, daß das durch die Zerrüttung bedingte Scheitern der Ehe mit anschließender Scheidung nicht unbedingt einen Nachteil oder eine Sanktion für die Ehefrau bedeuten muß, denn es ist durchaus denkbar, daß sie an der Aufrechterhaltung der Ehe gar nicht mehr interessiert ist, ihr zumindest die Geburt eines Kindes wichtiger ist als die Beibehaltung ehelichen Konsenses und sie dafür die Ehescheidung in Kauf nimmt. 3. Härteklausel im Unterhaltsrecht
Nach Aufhebung des Schuldprinzips im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht durch das 1. EheRG soll eheliches Fehlverhalten grundsätzlich nicht mehr sanktioniert werden. Vermögensrechtliche Sanktionen sind nur im engen Rahmen der Härteklauseln möglich. Zu prüfen ist, ob hier das Fehlverhalten der Ehefrau als Eheverfehlung Einfluß auf ihre Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem Mann haben kann. a) Beschränkung des Unterhaltsanspruchs In Extremsituationen kann eine Eheverfehlung Auswirkungen auf den Trennungs- oder nachehelichen Unterhalt haben, wenn einem Ehepartner die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung an den anderen wegen dessen ehelichen oder nachehelichen Verhaltens oder auch wegen besonderer Umstände der Ehe oder der Scheidung nicht zugemutet werden kann210 • Wurde auf die Täuschung über die Empfängnisverhütung hin ein Kind geboren und kam es darüber zur Trennung der Ehepartner und zur Zerrüttung der Ehe, so ist davon auszugehen, daß das Kind bei der Mutter lebt und von ihr betreut und gepflegt wird, da der Mann kein Interesse am Kind haben wird. Ist die Ehefrau bisher nicht erwerbstätig gewesen, so soll sie bei einer Trennung - um ihren Lebensstandard zu halten - grundsätzlich nicht sofort zu einer Arbeitsaufnahme gezwungen werden, weil dies das endgültige Scheitern der Ehe eher fördern würde. Da aber eine Trennung fast inuner zu einer Scheidung führt, ist heute von einer Obliegenheit der Frau auszugehen, sich um eine Arbeitsaufnahme zu kümmern211 • Ist sie wegen der Betreuung des Kindes jedoch daran gehindert, so steht ihr grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann aus§ 1361 Abs. 2 BGB zu.
210
Giesen, Pamilienrecht, Rz. 427.
211
Palandt!Diederichsen, § 1361 Rz. 28 .
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Sind die Eheleute geschieden, so hat die Frau gegen ihren geschiedenen Ehemann einen Unterhaltsanspruch, soweit sie aufgrund der Pflege oder Erziehung des gemeinschaftlichen Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, § 1570 BGB. Die Regelung des nachehelichen Unterhalts ist als Ausfluß der ehelichen Solidarität zu betrachten212 , um die aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nach deren Beendigung bewirkten wirtschaftlichen und beruflichen Nachteile auszugleichen213 • Demgegenüber dient der Anspruch aus § 1570 BGB dem Ausgleich dafür, daß der kinderbetreuende Ehegatte die während der Ehe beiden Ehepartnern zustehende Aufgabe der Kinderbetreuung (§§ 1626, 1627 BGB) nach der Scheidung für den anderen mit übernimmt. Ist aufgrund des Alters und der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes eine Erwerbstätigkeit der Frau nicht möglich, so steht ihr ein Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann aus§ 1570 BGB zu. In beiden Konstellationen - Trennung und Scheidung - ermöglicht es § 1579 BGB214 , den Unterhaltsanspruch der Ehefrau gegen ihren (ehemaligen) Ehemann zu versagen, zu verringern oder zeitlich zu limitieren, soweit die Inanspruchnahme des verpflichteten Mannes bei Vorliegen bestimmter Umstände "grob unbillig" wäre. In sechs Regelbeispielen und einer Auffangklausel nennt § 1579 BGB Fälle grober Unbilligkeit. Trotz seiner sanktionierenden Wirkung hat § 1579 BGB dabei keinen Strafcharakter; er ist vielmehr als Rechtsmißbrauchsklausel215 zu verstehen, die keine Rückkehr zum Verschuldensprinzip bedeutet216 , sondern versucht, unter Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall auch den Interessen des Unterhaltsverpflichteten gerecht zu werden217 •
212
BT-Drucks. 7/650, S. 121; Bosch, FamRZ 1980,739, 746.
213
Beitzke/Lüderitz, Familienrecht, § 20 III 1.
Im Falle des Unterhalts bei Getrenntlebenden ftndet § 1579 BGB über § 1361 Abs. 3 BGB entsprechende Anwendung. 214 215
Ramm, JZ 1986, 164, 168.
216 Heute ganz h. M., vgl. MünchKomm!Richter, § 1579 Rz. 2; Häberle, FamRZ 1986, 311, 313. 217 In seiner Entscheidung vom 14.7.1981, FamRZ 1981, 745, 750, führt das BVerfG zu § 1579 BGB a. F., der für den Fall der Kindesbetreuung jegliche Möglichkeit einer Unterhaltsbeschränkung ausschloß, aus, daß dies zu unzumutbaren Belastungen des Unterhaltsverpflichteten führen könne, die gegebenenfalls dann mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht mehr zu vereinbaren seien. Die daraus resultierende Verfassungswidrigkeit der Norm wurde durch ihre Neufassung durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 20.2.1986, BGBI. I 1986, 301, 302, beseitigt.
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b) § 1579 Nr. 6 BGB Für die hier vorliegende Eheverfehlung der Ehefrau wäre eine Modifizierung ihres Unterhaltsanspruchs denkbar, wenn ihr Verhalten als ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten gegen ihren Ehemann im Sinne der Nr. 6 des§ 1579 BGB zu verstehen wäre. Dieser Teil der Vorschrift regelt vor allem Ehewidrigkeiten, also Verstöße gegen Pflichten aus den §§ 1353 ff. BGB218 . Die Fehlverhaltensklausel ist als Ausnahme vom Grundsatz der Aufgabe des Verschuldeosprinzips im Scheidungsrecht zu verstehen. Hat die Ehefrau den Mindestanforderungen allgemeinen zwischenmenschlichen Umgangs zuwidergehandelt219 , so soll sie sich nicht uneingeschränkt auf das Fortbestehen einer wirtschaftlichen Verpflichtung ihres Mannes berufen können220 . Damit das heimliche Absetzen der Verhütungsmittel durch die Ehefrau als schwerwiegendes Fehlverhalten bezeichnet werden kann, müßte es von grober Verantwortungslosigkeit geprägt gewesen sein221 . Hauptanwendungsfall des § 1579 Nr. 6 BGB sind Verstöße gegen die eheliche Treuepflicht, sei es mit Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus der Ehe heraus222 , sei es die Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses mit einem anderen Partner, auch wenn es nicht zur Aufnahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommt223 . Darüber hinaus greift die Norm ein bei "Unterschiebung" eines sogenannten "scheinehelichen" Kindes (vor oder nach der Scheidung)224 und beim Abhalten des Ehemannes von der rechtzeitigen Erhebung einer Ehelichkeitsanfechtungsklage225; des weiteren sei genannt die Verletzung eines auch nach der Scheidung bestehenden Mindestmaßes an Achtung gegenüber dem
218 Palandt/Diederichsen, § 1579 Rz. 24. 219 So die Formulierung von Schwab, Geschiedenenunterhalt, S. 40. 220 MünchKomm!Richler, § 1579 Rz. 33. 221 MünchKomm/Richter, § 1579 Rz. 38. 222 Vgl. aus der Zeit vor lokrafttreten des UÄndG: BGH NJW 1980, 1686, 1687; 1981, 1782, 1783; 1981, 1214, 1215; 1982, 2664, 2664; 1983, 1548, 1550 f.; 1984, 297, 298; 1986, 722, 723. 223 BGH FamRZ 1981, 439, 441 ( zu § 1579 Nr. 4 BGB a. F.); BGH FamRZ 1982, 463, 464; 1983, 142, 142; 1984, 986, 986 f.; OLG Frankfurt FamRZ 1994, 169, 169; OLG Hamm FamRZ 1981, 257, 258 (n. rlcr.); OLG Oldenburg FamRZ 1981, 775, 776 ff.; MünchKomm/Richter, § 1579 Rz. 38. 224 BGH FamRZ 1985, 267, 269 f. ; OLG Celle FamRZ 1987, 603 , 603; OLG Frankfurt FamRZ 1988, 62, 63; OLG Oldenburg FamRZ 1991, 448, 449. 225 BGH NJW 1985, 428, 429; 1985, 2266, 2267.
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Partner226 oder die fortgesetzte schuldhafte Vereitelung des Umgangsrechts bezüglich gemeinsamer Kinder227. aa) Bisherige Stellungnahmen Ob das heimliche abredewidrige Absetzen von Verhütungsmitteln von § 1579 Nr. 6 BGB erfaßt wird, ist in der Rechtsprechung bisher nicht klar entschieden worden. Das OLG Stuttgart führt in einem Urteil vom 13.5.1986228 im Leitsatz und den Entscheidungsgründen aus: "Der Ehemann kann dem Unterhaltsanspruch der getrennt lebenden Ehefrau, die ein Kleinkind aus der Ehe betreut, nicht entgegenhalten, die Frau habe abredewidrig keine empfängnisverhütenden Mittel genommen und eine Abtreibung verhindert. . . . Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist nicht durch die negative Härteklausel der §§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB begrenzt oder ausgeschlossen .... Der Hauptstreitpunkt zwischen den Parteien, der alsbald nach der Eheschließung zu einem tiefgreifenden Zerwürfnis und schließlich zur Trennung führte, war... , daß die Klägerin sofort nach der Heirat schwanger wurde und entgegen dem Verlangen des Beklagten eine Abtreibung nicht zuließ. Hierbei befand die Klägerin sich im Recht, auch wenn die Parteien . . . schon vor dem Zeitpunkt der Empfängnis vereinbart gehabt hätten, daß sie keine Kinder haben wollten und daß die Klägerin deshalb empfängnisverhütende Mittel einnehmen solle . ... Keinesfalls könnte eine derartige Abrede zur Abtreibung verpflichten. .. " Hier wird nicht deutlich, ob die Ehefrau im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes rechtmäßig gehandelt hatte, obwohl sie entgegen vorheriger Zusage heimlich keine Maßnahmen der Empfängnisverhütung ergriff, oder nur deshalb, weil sie einem Abtreibungsverlangen ihres Ehemannes widersprach. Ohne genauer zu differenzieren, geht das OLG Stuttgart sofort zu der unbestreitbaren Feststellung über, daß eine solche Absprache keinen Anspruch des Ehemannes auf Vor'nahme einer Abtreibung begründen könne. Selbst wenn das Urteil so zu verstehen ist, daß einerseits der Eintritt der Schwangerschaft trotz entgegengerichteter Abrede "Recht" war und andererseits der Verzicht auf einen Schwangerschaftsabbruch nicht "Unrecht" sein konnte, so wird 226 Für den Fall, daß die Ehefrau gegen den Willen des Mannes der Prostitution nachgeht, OLG Schleswig FamRZ 1977, 814, 814, oder ihren Ehemann sowohl bestohlen als auch tätlich angegriffen hat, OLG Hamm FamRZ 1994, 168, 168. 227 OLG Celle FamRZ 1989, 1194, 1195 f.; zuletzt OLG Nümberg FamRZ 1994, 1393, 1394. 228 OLG Stuttgart FamRZ 1987, 700 ff.
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nicht problematisiert, daß eine Nichtverhütung ohne Mitteilung an den Ehepartner - entgegen einer vorherigen Absprache - durchaus ein vorwertbares Verhalten im Sinne einer Eheverfehlung darstellt. Wenn in der Literatur für diese Konstellation eine Anwendung des§ 1579 Nr. 6 BGB unter Hinweis auf vorliegendes Urteil abgelehnt wird229 , kann dem so einfach nicht gefolgt werden. bb) Voraussetzungen des § 1579 Nr. 6 BGB (1) Schwerwiegendes Fehlverhalten (a) Abredewidriges Absetzen von Verhütungsmitteln durch die Frau
Voraussetzung für eine Anwendung dieser Vorschrift wäre ein schwerwiegendes Fehlverhalten; es muß eine Fall grober Verantwortungslosigkeit vorliegen230. Es soll hier von der Situation ausgegangen werden, daß die Ehefrau sich mit ihrem Verhalten über eine gemeinsame Ehevereinbarung hinwegsetzt, sich nicht um eine neue gemeinsame Entscheidung zur Familienplanung bemüht und ihren Ehemann gegen dessen Willen in die Vaterschaft drängt. Handelt sie auf diese Weise, so berührt sie die personale Würde ihres Ehemannes, da sie ihn als bloßes Instrument der Fortpflanzung benutzt231 . Ihr Verhalten hat für ihren Ehemann neben persönlichkeitsrechtlichen Auswirkungen auch weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen. Ein derartiges Verhalten ist aber nicht nur gegenüber dem Ehemann, sondern auch gegenüber dem Kind verantwortungs- und rücksichtslos, da es ein Kind von Eltern wird, die sich aufgrund seiner Existenz zerstritten, und das von einem Elternteil nicht gewollt ist. Erfährt das Kind später von diesen Umständen oder wächst es in diesem Wissen auf, so kann sich das negativ auf seine Identitätstindung auswirken. Liegt eine ausdrückliche Absprache über Fragen der Familienplanung nicht vor, oder geht die Ehefrau davon aus, daß ihr Ehemann letztlich doch ein Kind akzeptieren würde - ohne sich jedoch mit ihm darüber auszusprechen -, so vermag ihr Verhalten die hohen Anforderungen des § 1579 Nr. 6 BGB wohl nicht zu erfüllen, auch wenn ihr Verhalten als Verstoß gegen § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB zu beurteilen ist. In Fällen aber, in denen sich die Frau be229 So Palandt!Diederichsen, § 1579 Rz. 25 . 230 MünchKomm!Richter, § 1579 Rz. 38. 231 Vgl. Ramm, JZ 1986, 1011, 1012.
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wußt über den Willen ihres Ehemannes hinwegsetzt und dadurch eine Gefährdung der Ehe in Kauf nimmt, nur um einseitig ihren Fortpflanzungswillen durchzusetzen, liegt es nahe, ihr Fehlverhalten als rücksichtslos und damit als ein "offensichtlich schwerwiegendes" zu bezeichnen. (ß) Vergleich mit anderen Fallgruppen Läßt sich bereits hier ein Fehlverhalten der Ehefrau feststellen, so soll seine Intensität mit anderen Verhaltensweisen, die als von § 1579 Nr. 6 BGB erfaßt gelten, verglichen werden. Verstöße gegen die eheliche Treuepflicht reichen stets dann für eine Anwendung des§ 1579 Nr. 6 BGB aus, wenn mit ihnen eine innere Abkehr vom Ehepartner verbunden ist232 • In der Abwendung vom Ehepartner zugunsten einer Zuwendung zum neuen Partner liegt der Kern des Vorwurfs233 • Indem sich die Ehefrau durch das Unterlassen einer Mitteilung über ihr Verhalten gegenüber ihrem Ehemann eklatant über eine Übereinstimmung bezüglich einer für beide so wichtigen und zentralen Frage - und damit über seinen Willen und die bisherige Praxis gemeinsamer Entscheidungstindung - hinweggesetzt hat, bringt sie deutlich eine Abkehr von ihrem Ehemann und der bisher gelebten Lebensgemeinschaft zum Ausdruck. Auch wenn sie sich nicht einem neuen Partner zuwendet, so ist ihr Verhalten doch geprägt von Rücksichtslosigkeit und Egoismus, ist die Verletzung der Person des Partners und dessen Willen von nicht geringer Intensität. Betrachtet man die Fälle der "Kindesunterschiebung", so zeigt ein Vergleich zwar, daß dort die Ehefrau ihren Ehemann in die Vaterschaft gegenüber einem nicht von ihm stammenden Kind drängt, während er im vorliegendem Fall leiblicher Vater ist; die Motivation, den Ehemann zum Vater eines eigenen Kindes "zu machen", ist aber die gleiche. In beiden Fällen sieht der Mann aufgrund der Täuschung durch seine Frau von weiteren Handlungen, die eine Vaterschaft vermeiden könnten, ab. So verzichtet er im einen Fall auf die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes und im anderen auf eigene Maßnahmen der Empfängnisverhütung. Stets setzt sich die Ehefrau über seine Vorstellungen hinweg, beeinflußt durch Täuschung sein Verhalten, drängt ihn in eine Vaterschaft und mißachtet somit seine Persönlichkeit. Der Grad der Vorwerfbarkeit erscheint daher durchaus vergleichbar.
232 So lehnt der BGH in NJW 1989, 1083, 1085, eine Anwendung von § 1579 Nr. 6 BGB ab, wenn die intime Beziehung zu einem Dritten keinen Ausbruch aus einer intakten Ehe darstellt, wenn sich die Ehe also bereits in einer Krise befmdet; ähnlich OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 456, 456 f. 233
Vgl. BGH FamRZ 1982, 466, 467, m.w.N.
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Diesen Vergleichen läßt sich die Wertung entnehmen, daß ein bewußt heimliches Absetzen von Verhütungsmitteln gegen den Willen des Ehepartners einen solchen Grad an Härte und Unzumutbarkeit erreichen kann, daß in schwerwiegenden Einzelfällen eine unterhaltsrechtliche Sanktion nicht prinzipiell ausgeschlossen werden sollte. Das Fehlverhalten muß aber eindeutig allein bei der Ehefrau liegen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Ehemann durch sein vorangegangenes eigenes Fehlverhalten zum Fehlverhalten seiner Frau beigetragen hat234 . (2) Abwägung der beteiligten Interessen
§ 1579 BGB greift jedoch nicht schon dann ein, wenn einer der Einzeltatbestände erfüllt ist, sondern erst, wenn sich die Inanspruchnahme des Verpflichteten darüber hinaus als grob unbillig erweist235. Eine grobe Unbilligkeit ist gegeben, wenn die volle oder teilweise Gewährung des Unterhalts dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht236 . Um dies festzustellen, bedarf es einer Abwägung der Interessen aller Beteiligter.
(a) Wahrung der Kindesbelange Bei der Prüfung der groben Unbilligkeit haben die Kindesinteressen grundsätzlich Vorrang gegenüber denen des unterhaltspflichtigen Elternteils237 . Gemäß § 1579 BGB sind die Interessen des dem unterhaltsberechtigten Ehepartner anvertrauten Kindes238 stets zu wahren. Eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs der Mutter ist daher nur möglich, soweit die Pflege und Erziehung des Kindes trotzdem gesichert bleibt239 . Zu den Belastungen der Scheidung soll nicht auch noch die Betreuung durch den zugewiesenen Elternteil - aufgrund von dessen Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit - beein-
234 BGH Fam.RZ 1983, 670, 672 f., für den Fall der Aufnahme einer auf Dauer angelegten Beziehung. 235 Erman/Dieckmann, § 1579 Rz. 3; BGH Fam.RZ 1982, 463, 464. 236 MünchKomm/Richter, § 1579 Rz. 52. 237 BVerfGE 37,217,252. 238 "Anvertraut" bedeutet, daß der Unterhaltsberechtigte das Kind mit Einverständnis des Verpflichteten oder aufgrund einer gerichtlichen Sorgeentscheidung betreut; anderenfalls wäre der Vorrang des Kindeswohls nicht zu bejahen, vgl. Henrich, Fam.RZ 1986, 401, 401. 239 Giesen, Familienrecht, Rz. 430.
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trächtigt werden240 , soll das Kind nicht unter dem Fehlverhalten der Mutter leiden müssen. Der Unterhaltsanspruch kann daher nur dann eingeschränkt werden, wenn er das Maß dessen übersteigt, was die betreuende Mutter zur Deckung ihres Mindestbedarfs benötigt241 • Eine Unterhaltsbeschränkung wird sich daher meist auf eine Kürzung auf die Höhe des Mindestbedarfs beschränken, da sich die Mutter so der Betreuung des Kindes widmen kann und somit dessen Belange als gewahrt gelten242 •
(ß) Vermeidung grober Unbilligkeit Erst wenn die Kindesinteressen auf diese Weise gewahrt sind, ist zu prüfen, ob eine (weitergehende) Einschränkung des Unterhaltsanspruchs der Frau aufgrund grober Unbilligkeit angemessen erscheint243 • Hier muß für jeden konkreten Einzelfall eine Abwägung der Interessen der Ehegatten erfolgen244 • Eine unverhältnismäßige Belastung des verpflichteten Vaters ist möglich, wenn die Privilegierung der Mutter nicht oder nicht in vollem Umfang durch das Kindesinteresse gerechtfertigt ist. Von Bedeutung sind also stets die Einkommensverhältnisse des verpflichteten Vaters und die Vermögensverhältnisse der berechtigten Mutter245 • Läßt das Kindeswohl eine Beschränkung zu, so besteht diese - wie bereits festgestellt - meist in einer Reduzierung des vollen Unterhaltsanspruchs auf den Mindestbedarf. Eine weitergehende Beschränkung ist möglich, soweit die Frau die für die Deckung ihres Mindestbedarfs erforderlichen Mittel von an-
240 BVerfG FamRZ 1981, 217, 219, das in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß es für das Kind besser sei, sich stets in der Obhut eines Elternteils zu wissen. 241 BVerfG NJW 1981, 1771, 1772 f. Das Existenzminimum muß der Frau belassen werden, da sonst die Gefahr bestände, daß sie doch einer mit den Bedürfnissen des Kindes nicht zu vereinbarenden Erwerbstätigkeit nachginge oder daß sie den Kindesunterhalt teilweise für ihre eigenen Bedürfnisse verwendete, OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 1267, 1269. 242 Nach Beendigung der Kindesbetreuung greift der Härtegrund uneingeschränkt durch, OLG Hamm NJW 1981, 60, 60. 243 Dieses Gebot ergibt sich aus der Aufgabe des Staates, bei der Regelung des Privatrechtsverhältnisses der Ehegatten während ihrer Trennung und nach ihrer Scheidung unverhältnismäßige Belastungen des einen Ehegatten zugunsten des anderen zu vermeiden, BVerfGE 35, 202, 221. 244 MünchKomm!Richter, § 1579 Rz. 52, nennt in diesem Zusammenhang die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehepartner, die Ehedauer, die während der Ehe erbrachten Leistungen, die Zahl der in der Ehe geborenen Kinder, sowie die Interessen der Pflege- und einseitigen Kinder.
245
BGH NJW 1984, 297, 298 f.
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derer Seite erhalten kann und daher auf den Unterhalt nicht angewiesen ist246 , oder wenn die Pflege und Erziehung des Kindes in anderer Weise als durch elterliche Betreuung sichergestellt werden kann247 , die Unterhaltsleistungen für den Mann aber eine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Erscheint die Inanspruchnahme des verpflichteten Mannes im Hinblick auf den konkret festgestellten Sachverhalt als grob unbillig, so kann es zum Ausschluß, zur zeitlichen Begrenzung oder zur Herabsetzung des Unterhalts kommen248 . cc) Die Beweislast Da es sich bei § 1579 BGB um eine rechtsvernichtende Einrede handelt, hat der Ehemann hier die seine Einwendung begründenden Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen249 • Er muß also sowohl das Fehlverhalten seiner Frau als auch deren gegen grobe Unbilligkeit sprechendes Vorbringen widerlegen250 • dd) Eigene Stellungnahme Erwägt man für das abredewidrige Absetzen von Verhütungsmitteln durch die Ehefrau ohne Mitteilung an ihren Ehemann eine Beschränkung ihres Unterhaltsanspruchs über die negative Härteklausel des § 1579 Nr. 6 BGB, so darf der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift nicht vergessen werden. Nicht in jedem Fall von Trennung und Scheidung kann solch ehewidriges Verhalten auf der unterhaltsrechtlichen Ebene sanktioniert werden, da sonst das Verschuldensprinzip unzulässigerweise wieder an Boden gewänne. In Frage kommen allein solche Fälle, in denen eine Ehefrau, die sich der ablehnenden Haltung ihres Ehemannes gegenüber eigenen Kindem genau bewußt ist, die weiß, daß er sich aufgrundeiner gemeinsamen Absprache auf die Durchführung von Maßnahmen der Empfängnisverhütung durch sie verläßt und die um die Gefahr der Zerrüttung der Ehe weiß, dennoch heimlich auf die Einnahme 246 Sei es aufgrund vorhandenen Vermögens oder aufgrund der Beziehung zu einem neuen Mann, OLG Koblenz NJW-RR 1989, 5, 5. 247 So, wenn die Mutter von der Betreuung des Kindes durch die Großeltern weitgehend entlastet wird, BGH NJW 1983, 1552, 1553. 248
Vgl. BGH NJW 1982, 2064, 2064.
249
Häberle, FamRZ 1982, 557, 561.
250 Vgl. BGH FamRZ 1982, 463, 464, für den Fall der Aufnahme einer auf Dauer angelegten außerehelichen Beziehung.
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l.Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
empfängnisverhütender Mittel verzichtet. Hier kehrt sich die Ehefrau von den ehelichen Bindungen ab und setzt den Bestand der Ehe aufs Spiel. Sie setzt ihren Willen über den ihres Mannes und drängt diesen in eine von ihm nicht gewollte Vaterschaft. Kommt es über dieses Kind zu Trennung und/oder Scheidung, und ist der Frau wegen der Betreuung des Kindes eine Arbeitsaufnahme nicht zumutbar, wodurch sie ihrem Mann gegenüber unterhaltsberechtigt wird, so erscheint es - wenn die Unterhaltszahlung für den Ehemann eine große Belastung darstellt - grob unbillig, ihr diesen Anspruch in voller Höhe zuzugestehen. Können die Belange des Kindes nach den oben genannten Voraussetzungen als gewahrt angesehen werden, so erscheint in Fällen solch grober Unbilligkeil eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs durchaus gerechtfertigt. In begrenzten Ausnahmefallen ist es somit möglich, daß aufgrund des heimlichen abredewidrigen Absetzens von Verhütungsmitteln der Trennungsunterhaltsanspruch der Frau gegenüber ihrem Ehemann aus § 1361 Abs. 2 BGB oder der Anspruch auf Geschiedenenunterhalt aus § 1570 gemäß § 1579 Nr. 6 BGB versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden kann.
4. Keine Auswirkung auf Versorgungs- und Zugewinnausgleich a) Der Versorgungsausgleich Eine weitere Möglichkeit der vermögensrechtlichen Sanktionierung ehewidrigen Verhaltens bietet die Norm des § 1587 c BGB. Der grundsätzlich nach der Scheidung einer Ehe zwischen den (geschiedenen) Eheleuten durchzuführende Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff. BGB) kann bei Vorliegen eines der in § 1587 c BGB aufgezählten Härtefälle ganz oder teilweise ausfallen251 • Dies soll allerdings nicht bei jeder Verletzung des Grundgedankens des Versorgungsausgleichs, sondern nur bei besonders krassen Verstößen möglich sein252 . Grundgedanke des Versorgungsausgleichs ist es, die während der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften bei Scheidung der Ehe ohne Berücksichtigung der formalen Zuordnung der Anwartschaften auf beide Ehegatten zu verteilen253 •
251 Daß nicht nur ein völliger Ausschluß des Versorgungsausgleichs, sondern auch dessen Herabsetzung möglich ist, ergibt sich aus der Formulierung "soweit" im Gesetzestext; vgl. MünchKomm/Dörr, § 1587 c Rz. 36. Zum Ausschluß des Versorgungsausgleichs vgl. neuestens Eichenhofer, PuR 1994, 65 ff. 252
BGH NJW 1981, 1733, 1734.
253
BGH NJW 1979, 1289, 1291.
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
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In Frage käme hier die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB, wonach der Versorgungsausgleich zu kürzen ist, wenn die Inanspruchnahme des Ausgleichsverpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse der Eheleute grob unbillig wäre. Zwar geht es auch hier grundsätzlich um die Vermeidung grober Unbilligkeiten, dennoch scheidet ein Bezug zu der allgemeinen Härteregelung des § 1579 Abs. 1 Nr. 6 BGB für das Unterhaltsrecht aus. Ein Unterhaltsanspruch betrifft meist in Zukunft sich verwirklichende Verpflichtungen, während der Versorgungsausgleich der rechtlichen Abwicklung eines in der Vergangenheit liegenden Lebenssachverhalts dient. Eine Kürzung oder der Ausschluß dieses Ausgleichs läuft letztlich auf die Rückgängigmachung von in der Vergangenheit gewährten Leistungen, auf die Rückgewähr eines Teils des erbrachten Unterhalts hinaus254 . Die Anforderungen, die an eine Kürzung des Versorgungsausgleichs zu stellen sind, gehen daher über die Anforderungen bezüglich einer Beschränkung des Unterhaltsanspruchs nach§ 1579 BGB hinaus255 • Da die Norm des § 1587 c Nr. 1 BGB der Einzelfallgerechtigkeit dient, verbietet sich eine starre Anwendung derselben auf vergleichbare Fallgruppen. Dennoch gibt es bestimmte Lebenssachverhalte, die ihre Anwendung nahelegen. Dazu gehört auch persönliches Fehlverhalten des ausgleichsberechtigten Ehepartners256. Sieht man als Grundlage des Versorgungsausgleichs den Gedanken der ursprünglich auf Lebenszeit angelegten ehelichen Lebens- und Versorgungsgemeinschaft, so kann es nicht ausgeschlossen sein, daß Verstöße gegen die aus der ehelichen Lebensgemeinschaft folgenden Pflichten auch ohne wirtschaftliche Relevanz die grobe Unbilligkeit einer Inanspruchnahme des Ausgleichs254
So BGH FamRZ 1982, 32, 34.
255 MünchKomm/Dörr, § 1587 c Rz. 33. 256 Ob auch persönliches Fehlverhalten eines Ehegatten während der Ehe im Rahmen der Härteregelung des § 1587 c Nr. 1 BGB Berücksichtigung finden und zu Herabsetzung oder Ausschluß des Versorgungsausgleichs führen kann, ist umstritten. Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß hier nur ein wirtschaftlich erhebliches Verhalten in Betracht komme, nicht dagegen ein sonstiges ehewidriges Verhalten (Ambrock, Ehe und Ehescheidung, § 1587 c Anm. II 4; Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 28 V 8). Andere erachten persönliche Belange für berücksichtigenswert, doch sollen sie entsprechend einer Meinung alleine noch nicht die Härteregelung des § 1587 c Nr. 1 BGB auslösen können (Rol/and, § 1587 c Rz. 8; Bastian!Roth-Stielow!Schmeiduch/Roth-Stielow, § 1587 c Rz. 12), während nach anderer Meinung besonders schwerwiegende eheliche Verfehlungen auch alleine ausreichen sollen (Soergellv. Homhardt, § 1587 c Rz. 17; Erman/Ronke, § 1587 c Rz. 7. Der BGH vertritt- im Hinblick auf den weit gefaßten Wortlaut der Vorschrift und den Gang des Gesetzgebungsverfahrens - seit seinem Urteil vom 26.5.1982, PamRZ 1982, 795, 795, die Ansicht, daß die grobe Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Ausgleichsverpflichteten nach § 1587 c Nr. 1 BGB nicht nur durch wirtschaftlich relevante Verhältnisse begründet werden, sondern sich auch aus sonstigen Umständen ergeben kann; vgl. BGH FamRZ 1983, 32, 33; FamRZ 1983, 267, 269.
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verpflichteten begründen257 . Dieses muß aber besonders schwerwiegend sein, so daß die Durchführung des Versorgungsausgleichs unerträglich erschiene258 und zu einer "Prämierung des pflichtwidrigen Verhaltens des ausgleichsberechtigten Ehegatten" fübrte259. Sind Beschränkungen von Trennungs- oder Geschiedenenunterhalt aber bereits nur in seltenen Ausnahmefällen anzunehmen, so erscheint es nicht sachgerecht, hier auch die noch höheren Anforderungen des § 1587 c Nr. 1 BGB als gegeben zu sehen. Zwar ist ein persönliches Fehlverhalten der Ehefrau gegeben, doch ist dies trotz allem als "eheimmanentes" Fehlverhalten nicht so schwerwiegend, daß die Durchführung des Versorgungsausgleichs unerträglich erschiene260 . Diese Beurteilung entspricht allgemeiner Rechtsansicht, denn es findet sich keine Gerichtsentscheidung und keine Stimme in der Lehre, die diese Möglichkeit der Sanktion hier annähme. b) Der Zugewinnausgleich Für den von seiner Ehefrau getäuschten und hintergangenen Ehemann kann des weiteren die Möglichkeit bestehen, nach der Scheidung der Ehe die Erfüllung der Ausgleichsforderung seiner Ehefrau nach § 1378 BGB im Rahmen des Zugewinnausgleichs (§§ 1372 ff. BGB) zu verweigern, § 1381 Abs. 1 BGB. Diese Norm greift ein, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Einzelfalles grob unbillig wäre. Das Gesetz nennt im zweiten Absatz der Vorschrift beispielhaft, daß der ausgleichsberechtigte Ehegatte längere Zeit hindurch die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen schuldhaft nicht erfüllt hat. An der vor dem 1. EheRG geltenden herrschenden Auffassung, daß nicht nur wirtschaftliche, sondern auch persönliche Eheverfehlungen ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 1381 Abs. 1 BGB begründen können, wird auch heute allgemein festgehalten261 . Teilweise erfolgt dies allerdings nur unter Ein257 BGH FamRZ 1983, 32, 33; OLG Karlsruhe NJW 1994, 1474, 1475. 258 BGH NJW 1984, 2358, 2361. 259 BVerfG NJW 1980, 692, 694. 260 Zur anderen Beurteilung der Schwere des Täuschens über die Ehelichkeit eines Kindes, vgl. unten§ 10.1.l.b.bb. 261 Soergel!Lange, § 1381 Rz. 12; Erman!Heckelmann, § 1381 Rz. 3; Schwab, FamRZ 1984, 525, 528 ff.; Dörr, NJW 1989, 1953, 1960; BGHZ 46, 343, 347; BGH NJW 1980, 1462, 1462; OLG Celle FamRZ 1979, 431, 432; a. M. aber Gemhuber, ~: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 36 VII 6, nach dessen Ansicht der Ubergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht die h. M . diskreditiert habe; schuldhafte Eheverfehlungen im persönlichen Bereich stört~p. nicht die Grundlage der schematischen Berechnung des Zugewinnausgleichs. Ahnlieh Wiegmann, FamRZ 1990, 627, 628.
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schränkungen. So sollen persönliche Ehewidrigkeiten allein noch nicht ausreichen262; eine Anwendung des § 1381 BGB erfordere noch weitere Umstände263, welche allerdings nicht unbedingt wirtschaftliche Auswirkungen zeitigen müßten264 . Es wurde und wird stets darauf abgestellt, ob durch die Eheverfehlung entweder die wirtschaftliche Entwicklung oder aber die eheliche Lebensgemeinschaft im persönlichen Bereich schwerwiegend, insbesondere für längere Zeit beeinträchtigt worden ist265 . Auch Fälle der Erbunwürdigkeit gemäß § 2339 BGB können eine Anwendung des § 1381 BGB rechtfertigen266.
§ 1381 BGB ist dabei aber nicht als Scheidungsstrafe zu verstehen267 . Es geht hier nicht um das Schuldprinz~p, sondern um die Frage, ob das Gleichgewicht der Mitwirkung im persönlichen Bereich erheblich beeinträchtigt worden ist. Das ist bei einer gewöhnlichen Eheverfehlung sicherlich nicht der Fall, wohl aber bei einer schwerwiegenden und lang andauernden. Vor allem die Rechtsprechung war und ist stets bereit, bei längerer Dauer einer Eheverfehlung § 1381 BGB zur Anwendung kommen zu lassen. So muß die Pflichtwidrigkeit - vor allem für einen völligen Ausschluß des Ausgleichsanspruchs mehrere Jahre andauern268 . Besonders eindringlich ist der einer Entscheidung des OLG Celle zugrundeliegende Fall, in dem eine Frau nach mehr als elfjährigem Ehebruch vier Ehebruchskinder von jeweils vier verschiedenen Vätern
262 Palandt/Diederichsen, § 1381 Rz. 6: nur wenn die Verfehlungen einen Bezug zum Vermögen aufweisen, wie z. B. die Kosten für einen Ehescheidungs- oder einen Anfechtungsprozeß. Ebenso Wiegmann, FamRZ 1990, 627, 627. 263 Staudingerrrhiele, § 1381 Rz. 20; OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 262, 263. 264 Staudingerrrhiele, § 1381 Rz. 22; Soergel/Lange, § 1381 Rz. 12; i. Erg. auch BGHZ 46, 343, 352; OLG Karlsruhe NJW 1964, 2112, 2113 f.; OLG Nürnberg FamRZ 1964,440, 441 ; a. A. aber LG Freiburg FamRZ 1963, 647, 648. 265 Staudingerrrhiele, § 1381 Rz. 21; Soergel/Lange, § 1381 Rz. 3; Erman/Heckelmann, § 1381 Rz. 3; RGRK/Finke, § 1381 Rz. 10; Thiele , JZ 1960, 394, 396; Dölle, Familienrecht I, § 61 VIII 2; BGHZ 46, 343, 352; BGH NJW 1970, 1600, 1601; OLG Hamm FamRZ 1976, 633, 633 f.; OLG Karlsruhe NJW 1964, 2112, 2113 f.; OLG Nürnberg FamRZ 1964, 440, 441. 266 OLG Karlsruhe FamRZ 1987, 823, 824, für den Fall der verwerflichen Tötung des Ehepartners; gleichzeitig aber zutreffenderweise gegen eine schematische Anwendung des§ 1381 BGB bei Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes. 267 Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 36 VII 6; Wiegmann, FamRZ 1990, 627, 628. 268 BGHZ 46, 343, 352; BGH NJW 1970, 1600, 1601; OLG Hamm FamRZ 1976, 633, 634; NJW 1992, 1515, 1515; bedenklich weitgehend erscheint demgegenüber AG Schweinfurt NJW 1973, 1506, 1506 (§ 1381 BGB bei Eheaufhebung wegen arg-
listiger Täuschung über voreheliche Beziehung der Ehefrau mit dem Vater des Ehemannes). Anders OLG Nürnberg FamRZ 1964, 440, 441 (auch bei schwersten Eheverfehlungen höchstens Minderung). 6 Wlllke
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hatte269 . Berücksichtigt wird auch, wie lange vor der Eheverfehlung die Ehe intakt verlief270 , und ob die Eheverfehlung auch Auswirkungen auf den Ehepartner hatte271 .
§ 1381 BGB dient somit der Minderung oder dem Ausschluß "dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechende(r) Ausgleichsansprüche"272. An den genannten Kriterien wird bereits deutlich, daß diese von einer Eheverfehlung der hier behandelten Art nicht erfüllt werden. Das Täuschen über die Durchführung der Empfängnisverhütung ist grundsätzlich nicht von langer Dauer. Auch kann eine ungewollte eheliche leibliche Vaterschaft späteren Ausgleichsansprüchen der Ehefrau nicht dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechend angesehen werden273 .
5. Scluulensersatz aus§ 1353 BGB? Fraglich bleibt, ob dem Ehemann wegen der Eheverfehlung seiner Frau ein eherechtlicher Schadensersatzanspruch gegen diese zusteht274 . Das Recht der Schadensersatzansprüche ist grundsätzlich das Vertrags- oder das Deliktsrecht, dort werden materielle Schäden ausgeglichen. Als vermögensrechtliche Sanktionen für die Verletzung personaler ehelicher Pflichten können im Familienrecht die §§ 1381, 1579, 1587 c BGB angesehen werden. Gesetzlich geregelte Schadensersatzansprüche gibt es im Familienrecht hingegen wenige, wie etwa die aus Verlöbnis gemäß §§ 1298 ff. BGB. Die Haf269 OLG Celle FamRZ 1979, 431, 432; hier waren es sowohl Schwere als auch Dauer der Eheverfehlung, die zu einem vollständigen Ausschluß des Ausgleichsanspruchs führten. Da es nicht zu einer Ehelichkeitsanfechtung kam, waren etwaige damit verbundene Kosten oder Unterhaltsleistungen nicht Gegenstand der gerichtlichen Erwägungen. 270 OLG Köln FamRZ 1979, 511, 511 (kein§ 1381 BGB, wenn sich die Ehefrau nach zehn Jahren Ehe, in denen sie vier gemeinsame Kinder aufgezogen hat, einem anderen Mann zuwendet); OLG Hamm FamRZ 1989, 1188, 1190 (Kürzung des Anspruchs um ein Drittel bei ehebrecherischer Beziehung zu vier Männem nach 30 Jahren Ehe); dazu sehr kritisch Wiegmann, FamRZ 1990, 627 ff. 271 OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 262, 623 f.; a. A. Roth-Stielow, NJW 1981,
1594, 1595.
272 Dörr, NJW 1989, 1953, 1960. 273 Für eine andere Bewertung fmdet sich auch hier keine Stimme. 274 In diesem Zusammenhang geht es allein um die Herleitung eines Schadensersatzanspruchs aus § 1353 BGB. Die Diskussion um deliktische Schadensersatzansprüche zwischen Ehegatten wegen Eheverfehlungen soll daher hier noch keine Berücksichtigung fmden. Vgl. dazu unten§§ 3 u. 4 .
1. Kap. § 1. Familienrechtliche Sanktionsmöglichkeiten
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tungsbeschränkung auf eigenübliche Sorgfalt in den §§ 1359, 1664 BGB deutet zwar darauf hin, daß der Gesetzgeber wohl von der Möglichkeit von Ersatzansprüchen unter Ehegatten ausgeht, doch dienen diese Vorschriften nur als Haftungsmaßstab, nicht als Haftungsgrund. Weitere Sanktionen sind im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Als Grundlage für einen eherechtliehen Schadensersatz könnte daher lediglich § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB dienen. Diese Norm ordnet selbst keinen Schadensersatz an, doch ist dadurch ein solcher noch nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Ehe bringt eindeutige und klare Pflichten hervor, wie etwa die Unterhaltspflicht, bei der Schadensersatzansprüche aus Unmöglichkeit, Verzug und positiver Forderungsverletzung in Betracht kommen275, sowie wegen Verletzung der Auskunftspflicht gemäß § 1580 BGB276 • Als Anspruchsgrundlagen dienen in diesen Fällen jedoch stets Normen außerhalb des Familienrechts. Bei ehelichen Pflichten, die nur allgemein durch die eheliche Lebensgemeinschaft umschrieben sind, die also im Rahmen des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB der näheren Konkretisierung bedürfen, kann aber auch § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB selbst als Anspruchsgrundlage für Schadensersatz dienen. Es ist aber umstritten, ob und für welche Art von Ehepflichten ein Schadensersatzanspruch aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB zugestanden werden soll. a) Standpunkt des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof unterscheidet hier zwischen persönlichen und vermögensrechtlichen Pflichten. aa) Persönliche Pflichten Die Verletzung der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft begründet nach Ansicht des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß die Erfüllung der persönlichen Pflichten, die aus dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft fließen, nur durch die auf freier sittlicher Entscheidung beruhende eheliche Gesinnung gewährleistet werden könne; damit sei jeder, auch indirekte staatliche Zwang, wie etwa durch die Zubilligung einer Vertragsstrafe oder eines Schadenser275
Vgl. Palandt!Diederichsen, vor§ 1353 Rz. 8 m.w.N .
276 So ist z. B. der Unterhaltsgläubiger bei Weiterempfang von tituliertem Unterhalt trotz Wegfalls der Bedürftigkeit gegebenenfalls nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig, BGH NJW 1986, 1751, 1752 ff. ; nach BGH NJW 1986, 2047, 2049, allerdings nur (noch) bei Hinzutreten besonderer Umstände.
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satzes, unvereinbar277 • Das gelte für all jene Pflichten, die dem eigentlichen, höchstpersönlichen Bereich der Ehe angehörten. bb) Vermögensrechtliche Pflichten Anders beurteilt der Bundesgerichtshof die Situation bei vermögensrechtlichen Pflichten. Zu diesen gehöre zum Beispiel die Verpflichtung zur Unterzeichnung der gemeinsamen Steuererklärung278 • Verweigere ein Ehegatte UDberechtigterweise die Zustimmung zur Zusammenveranlagung, so sei er seinem Ehepartner gegenüber zum Ersatz des diesem dadurch entstandenen Schadens verpflichtet. Es sei nicht erkennbar, wieso bei derartigen rein geschäftsmäßigen Handlungen wie der Unterzeichnung einer Steuererklärung ein staatlicher Zwang mit dem Wesen der Ehe unvereinbar sein solle279 • In diesen Fällen der Verletzung vermögensrechtlicher Pflichten gründet der Bundesgerichtshof den Schadensersatzanspruch unter Eheleuten direkt auf § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Da es sich bei Absprachen zur Familienplanung und Empfängnisverhütung um Absprachen über den höchstpersönlichen ehelichen Intimbereich handelt, deren Einhaltung allein auf der freien sittlichen Entscheidung der Ehepartner beruht, läßt der Bundesgerichtshof hier einen Schadensersatzanspruch aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu. b) Die Literatur Die Ansicht des Bundesgerichtshofs wird von der Literatur zum Teil stark kritisiert. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB diene auch als Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche bei Ehestörung gegen den anderen Ehegatten280 • 277 So die ständige Rechtsprechung des BGH: BGHZ 34, 80, 85; 37, 38, 41 f. ; 46, 392, 397. 278 Dazu führt der BGH in seinem Urteil vom 13.10.1976, FamRZ 1977, 38, 40, aus : "Familienrechtlich kann jedoch eine Verpflichtung zur Zusammenveranlagung bestehen. Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich für beide Ehegatten die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Die Ehefrau ist daher ihrem Ehemann gegenüber verpflichtet, in eine Zusammenveranlagung einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des Ehemannes verringert, die Ehefrau aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. " 279
BGH FamRZ 1977, 38, 41; bestätigt durch BGH FamRZ 1988, 143, 143 f.
Jayme, Die Familie, S. 260; Hanelt, Ansprüche gegen Ehegatten und Drittstörer, S. 92, 98; Künkel, FamRZ 1966, 176, 179, nennt als Anspruchsgrundlage § 1353 BGB i.V.m. §§ 276, 249 BGB. 280
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Diese Bestimmung gelte für vermögensrechtliche Ansprüche281 ebenso wie für persönliche Ehepflichten. Über seinen ursprünglichen Anwendungsbereich hinaus sei § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB zur Generalklausel für alle Ansprüche unter Ehegatten aus dem ehelichen Verhältnis geworden282 . Ausgehend von dem Verständnis des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB als einer Norm, die den Eheleuten für ihre persönlichen Angelegenheiten einen Rahmen autonomen Handeins schafft, erscheint nicht überzeugend, ihr die Rechtsfolge eines Schadensersatzanspruchs zu entnehmen, wenn sich einer der Partner innerhalb des gemeinsamen Intimverhältnisses nicht an eine Absprache hält. Die konkrete Frage von Schadensersatzansprüchen für das hier behandelte ehewidrige Verhalten der Ehefrau wird daher auch im Schrifttum kontrovers beurteilt. Renrieb gestattet zwar allgemein in Fällen, in denen ein Ehegatte sich zur Unzeit von einer Absprache lossagt oder den anderen Ehegatten bewußt im Unklaren läßt, sowie für den Fall, daß durch dieses Verhalten ein Schaden entsteht, einen Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des Vertrauensschadens283. Den konkreten Fall des heimlichen abredewidrigen Absetzens von Verhütungsmitteln durch die Ehefrau läßt er aber offen. Andere vertreten die Ansicht, daß bei heimlich unterlassener Empfängnisverhütung dem Ehegatten, der dem Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist, Schadensersatzansprüche gegen anderen Ehegatten, der bewußt heimlich von der Vereinbarung abgewichen ist, zugestanden werden sollten. Letzterer verletze schuldhaft das eherechtlich zu wahrende Vertrauen (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB), welches gebiete, einen an sich zulässigen Sinneswandel dem Partner wenigstens anzuzeigen284 . Die Freiheit eines Ehegatten, sich von der Abrede der Kinderlosigkeit zu lösen, berechtige nicht dazu, den anderen Ehegatten gegen seinen Willen in eine Elternschaft zu drängen285 . Letzterem ist zwar zuzustimmen; daraus aber eine Schadensersatzverpflichtung der Ehefrau abzuleiten, erscheint nicht zwingend.
281 Vgl. z. B. für den Anspruch des Ehegatten auf familienrechtlichen Ausgleich bei Mitarbeit in Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten: Müller-Freienfels, FSNipperdey I, S . 655; Kropholler, FamRZ 1969,241,244 f. 282 Jayme, Die Familie, S. 261. 283 Henrich, Familienrecht, § 6 III 2. 284 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31; H. P. Westermann, JurB11979, 113, 119; Ramm, JZ 1986, 1011, 1012. 285 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31.
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Gernhuber begründet die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen damit, daß die Verpflichtung der Ehefrau und Kindesmutter zu Schadensersatz gegenüber ihrem Ehemann für dessen Unterhaltsleistungen an das Kind zu einer (wenn auch nur mittelbaren) Belastung nur eines Elternteils mit dem Kindesunterhalt führte. Das aber sei mit der Wertung der §§ 1593 ff. und 1601 ff. BGB nicht zu vereinbaren. Ein unbestreitbar eheliches Kind sollte auch mittelbar nicht nur einem Ehegatten zugeordnet werden286 • Zu diesem Ergebnis gelangen auch Beitzke/Lüderitz, allerdings mit anderer Begründung: Im vorliegenden Fall sei eine heimliche Willensänderung der Frau nicht gerechtfertigt und Schadensersatz daher an sich die "angemessene Sanktion". Im Ergebnis wird aber wird dieser abgelehnt, da er sich mit den entgegenstehenden Interessen des Kindes stoße287 • Dieser Wertung unter Einbeziehung der Kindesinteressen bedarf es aber dann nicht, wenn man eine Schadensersatzpflicht der Ehefrau aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB bereits mit dem eheinternen personalen Charakter der hier gegebenen Eheverfehlung ablehnt. c) Eigene Stellungnahme Mit Eingebung der Ehe verpflichten sich die Eheleute zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Sie sind verpflichtet, einander zu achten und die Persönlichkeit des anderen zu respektieren. In gegenseitiger Toleranz haben sie sich um eine einverständliche Regelung ihrer Lebensgemeinschaft zu bemühen. Setzt sich ein Ehegatte eigenmächtig über den Wunsch des anderen, keine Kinder zu haben, hinweg, so begeht er eine Eheverfehlung. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Verhütungsabrede wurzelt im höchstpersönlichen Bereich. Als personale Ehepflicht wäre sie zwar mit der Eheherstellungsklage geltend zu machen, aber diese wäre gemäß § 888 Abs. 2 ZPO nicht vollstreckbar. Sinn des § 888 Abs. 2 ZPO ist es, den Kern der Ehe frei von Rechtszwang zu halten288 • In dieser Norm ist die freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Schutz vor übermäßigen Sanktionen als Rechtsstaatsprinzip verankert289 • Eine direkte Erzwingung des auf Herstellung der Gemeinschaft gerichteten Urteils, das heißt hier auf Einhaltung der Absprache, würde der sittlichen Autonomie des Individuums in persönlichen Fragen widersprechen290 • 286
Gemhuber, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 V 7.
287
Beitzke/Lüderitz, Familienrecht, § 13 Nr. 2, Bsp. (3).
288
Schwab, Familienrecht, Rz. 119, unter Hinweis auf RGZ 151, 159, 162.
289
Deutsch, FS-Gernhuber, S. 589.
290
Dölle, Familienrecht I, § 33 111 1 b.
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So betont auch der Bundesgerichtshof291 , daß die Erfüllung der persönlichen Ehepflichten nur durch die auf freier sittlicher Entscheidung beruhende eheliche Gesinnung gewährleistet werden könne. Sei aufgrund des Vollstreckungsverbots des § 888 Abs. 2 ZPO staatlicher Einfluß in Form von direktem Zwang nicht zulässig, so müsse dies auch für indirekten Zwang in Form von Schadensersatz gelten. Mit der Androhung von Schadensersatzverpflichtungen wären die Eheleute in ihrer Entscheidungsfreiheit in persönlichen Angelegenheiten eingeschrärikt. Es bestünde indirekt ein Druck, zwecks Vermeidung einer Schadensersatzpflicht sich im Intimbereich in einer vorbestimmten Weise zu verhalten. Zwar sollen sich die Eheleute auch in persönlichen Fragen untereinander verbindlich einigen können; es kann aber nicht Aufgabe des Staates sein, durch die Anerkennung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen hier Einfluß zu nehmen. Daher ist dem Bundesgerichtshof zuzustimmen, daß eine Schadensersatzpflicht dann ausgeschlossen ist, wenn der Anspruch, dessen schuldhafte Verletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz begründet, nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann292 • Die Erfüllung eines Herstellungsurteils darf nicht auf dem Umweg über eine Schadensersatzpflicht herbeigeführt werden293 • Das bedeutete im Ergebnis eine Umgehung der Wertung und Intention des§ 888 Abs. 2 ZPO. Ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung personaler Ehepflichten könnte - im Gegensatz zu den vermögensrechtlichen Sanktionen im Familienrecht aus §§ 1381, 1579, 1587 c BGB- auch während des Bestehens der Ehe geltend gemacht werden294 • Diesen Anspruch erst nach Scheitern der Ehe zuzulassen295 , vermag seine Systemfremdheit innerhalb eines Eherechts, das grundsätzlich der Aufrechterhaltung der Ehe dient, nicht zu überwinden. Eine solche Auslegung bedeutete einen Anreiz, die Ehe zu beenden, um Ansprüche gegenüber dem anderen Ehepartner geltend zu machen. Ein familienrechtlicher Schadensersatzanspruch ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dem Ehemann steht somit gegenüber seiner Ehefrau kein Schadensersatzanspruch aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB für die Unterhaltszahlungen an ein gegen seinen Willen geborenes gemeinsames eheliches Kind zu. 291
BGHZ 34, 80, 85; 37, 38, 41 f.; 46, 392, 397.
292
Ebenso Tiedtke, Pam.RZ 1977, 686, 690; Schwab, Pamilienrecht, Rz. 123.
293
Dölle, Familienrecht I, § 33 III 1 b.
294 Küppers, Regreß des Ehemannes, S. 201 f., im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen aus§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB für Verbindlichkeiten eines Ehemannes gegenüber einem aus einem Ehebruch der Prau hervorgegangenen Kind. 295 So für einen Schadensersatzanspruch aus ehelicher Treuepflichtverletzung Boehmer, Pam.RZ 1955, 7, 9; ders., AcP 155 (1956), 181, 191 ff. ; v. Hippe/, NJW 1965, 664, 665.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
§ 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche War es im Bereich der familienrechtlichen Ansprüche das Unbehagen, bei einfachen Vereinbarungen oder nur rein faktischem Verhalten bezüglich Fragen der Kinderlosigkeit und Empfängnisverhütung den Ehegatten ein Denken und Handeln in juristischen Kategorien (in Form von Willenserklärungen) zu unterstellen, so stellt sich dieses Problem nicht mehr, wenn die Ehepartner diese Fragen bewußt durch einen Vertrag regeln wollen. Besteht ein ausdrücklicher Wille, sich hier rechtlich bioden zu wollen - unter Umständen suchen die Eheleute sogar einen Notar auf-, so fragt sieb, mit welchem lobalt bezüglich Umfang der Verpflichtung und denkbarer Sanktionen ein solcher Vertrag rechtlich möglich ist.
I. Wirksamkeit des Vertrages 1. Bundesgerichtshof und Literatur In der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.4.1986296 lehnt dieser auch für den Fall, daß die Partner eine Vereinbarung über Kinderlosigkeit und Empfängnisverhütung mit dem Bewußtsein rechtsgeschäftlieber Verbindlichkeit getroffen hätten, die Wirksamkeit eines derartigen Rechtsgeschäfts ab, weil der von ihm erfaßte engste persönliche Freiheitsbereich einer vertraglichen Regelung entzogen sei: "Zur personalen Würde und zum Persönlichkeitsrecht von Partnern, die miteinander Geschlechtsverkehr haben, gehört es, sich immer wieder neu und frei für ein Kind entscheiden zu können. Sie müssen daher in ihrer Entscheidung, ob sie zur Vermeidung einer Schwangerschaft empfängnisverhütende Mittel gebrauchen, frei bleiben. Diese Entscheidungsfreiheit betrifft den engsten Kern ihrer Persönlichkeit und ihrer Entfaltung in Selbstbestimmung( ... ). Daraus folgt, daß ein Partner sieb nicht wirksam im voraus zur regelmäßigen Anwendung eines Empfängnisverhütungsmittels rechtsverbindlich verpflichten kann. "297 Die Feststellung des Bundesgerichtshofs, daß die personale Würde, sich immer wieder neu für ein Kind zu entscheiden, nicht unwiderruflich eingeschränkt werden dürfe, findet im Schrifttum allgemeine Zustimmung298 • 296
Vgl. oben§ 1, Fn. 143.
297
BGH NJW 1986, 2043, 2045.
Ramm, JZ 1986, 1011, 1012; Fehn, JuS 1988, 602, 602; Roth-Stielow, JR 1987, 7, 8; Schlund, JR 1986, 455, 456. 298
1. Kap. § 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche
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Sogar die Ansicht, daß der Intimbereich der Partner einer rechtsgeschäftliehen Regelung entzogen sei, findet Unterstützung299 . Ein solcher Vertrag sei als eine unzumutbare Einengung des Persönlichkeitsrechts von vornherein sittenwidrig und daher gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig300 . Diese Beurteilung erscheint jedoch etwas voreilig, sie wirkt wie der Versuch, einer "Verrechtlichung" des Intimbereichs dadurch vorzubeugen, daß jeglicher vertragliche Ansatz mit dem Argument der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit von vomherein im Keim erstickt wird. Hier wäre eine differenziertere Betrachtungsweise geboten301 .
2. Die Maßstäbe der Prüfung a) Vertragsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung Die Privatautonomie überläßt es dem einzelnen, seine Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich zu gestalten. Als Teil des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wird sie durch den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich gewährleistet302. Ausfluß der Privatautonomie ist die Vertragsfreiheit, welche den einzelnen berechtigt, durch Verträge rechtsverbindliche Regelungen zu treffen. Zum Bereich der in Art. 2 Abs. 1 GG als Grundrecht gewährleisteten freien Entfaltung der Persönlichkeit gehört auch der Bereich des Geschlechtlichen303. Bei der Frage der sexuellen Selbstbestimmung304 liegt der maßgebliche persönlichkeitsrechtliche Aspekt in deren Zuordnung zur grundsätzlich unantastbaren Intimsphäre des einzelnen und somit zum Kernbereich des aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitenden Persönlich-
299 Medicus, BGB-AT, Rz. 193 a. 300 So Fehn , JuS 1988, 602, 603, der allerdings auch aufgrund der Drittwirkung der aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG resultierenden Menschenwürde des Kindes einen derartigen Vertrag als sittenwidrig bezeichnet. 301 Dazu Limbach, in: Limbach/Schwenzer, S. 42: "Der Respekt vor der Regelungshoheitder Paare in ihrer Intim- und Privatsphäre sollte Juristen davor bewahren, Urteile des guten Geschmacks voreilig in den Gefilden der Sittenwidrigkeit anzusiedeln." 302 BVerfGE 6, 32, 36 f.; 8, 274, 328; 70, 115, 123; 72, 155, 170. 303 BVerfGE 6, 389, 432. 304 Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist seit BVerfGE 47 , 46, 73, anerkannt.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
keitsrecht305 • Der Schutz des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung umfaßt auch den Schutz des Rechts, eine Befruchtung zu verhindem306 • Es steht somit jedem grundsätzlich frei, auch seinen Intimbereich zum Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen zu machen. Diese Freiheit unterliegt zwar den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung307 , welche gebietet, einer Beschränkung der Selbstbestimmung des einzelnen entgegenzuwirken308 , doch kann sie nicht von vornherein negiert werden. b) Verstoß gegen die guten Sitten, § 138 Abs. 1 BGB Als Grund der Nichtigkeit von Verträgen im höchstpersönlichen Bereich wird ein Verstoß gegen§ 138 Abs. 1 BGB genannt. Damit§ 138 Abs. 1 BGB zur Verhinderung des Mißbrauchs der Privatautonomie anwendbar ist, müßte die fragliche Rechtsgestaltung in Widerspruch zu den Grundprinzipien unserer Rechts- und Sittenordnung treten, zu welcher auch die Grundrechte gehören. Als hier maßgebliches Grundrecht wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht angeführt, welches aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet und aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG zusätzlich abgestützt wird309 • Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht werde durch Verträge über Kinderlosigkeit und Empfängnisverhütung verletzt31o. Die Grundrechtsartikel des Grundgesetzes stellen zwar keine unmittelbar wirksamen Schranken der Vertragsfreiheit dar, weil sie nach ihrer geschichtlichen Entwicklung, ihrem Inhalt und Zweck das Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Gewalt betreffen311 ; sie wirken aber über die Generalklauseln (§§ 138, 242, 826 BGB) in das Privatrecht ein312 . Somit erlangt das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem über § 138 Abs. 1 BGB im Privatrecht Geltung 313 . Ob aber jegliche vertragliche Regelung im Intimbereich gegen das 305
Degenhart, JuS 1992, 361, 367.
306
Ramm, JZ 1989, 861 , 865.
307
BVerfGE 4, 7, 15; 12, 341, 347.
308
BVerfG NJW 1990, 1469, 1470.
Vgl. BVerfGE 34, 269, 282 f., 287; 35, 202, 220 f. ; 54, 148, 152 f.; 72, 155, 167 f.; 79, 256, 268 f .; 80, 367, 373 f. 309
310 BGH NJW 1986, 2043, 2045 ; Fehn, JuS 1988, 602, 603. 3ll
BVerfGE 7, 198, 204 f.
312 Zur herrschenden Theorie der mittelbaren Drittwirkung vgl. BVerfG NJW
1990, 1469, 1470; Wiedemann, JZ 1990, 695, 696; Palandt!Heinrichs, § 242 Rz. 7, mit Nachweisen zum Streit über Art und Umfang der Einwirkung der Grundrechte auf das Privatrecht. 313
BVerfG NJW 1990, 1469, 1470; BGH NJW 1985, 2944, 2944.
1. Kap. § 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche
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allgemeine Persönlichkeitsrecht der beteiligten Partner und somit gegen die Grundlagen und Wertungen der Rechts- und Sittenordnung verstößt, erscheint fraglich.
3. Unwiderruflicher Vertrag Geht man von einem Vertrag aus, in dem die Ehegatten Kinderlosigkeit vereinbaren und in dem sich die Ehefrau zur Einnahme empfangnisverhütender Mittel verpflichtet, so stellt sich die Frage, ob eine derartige Vereinbarung im Rahmen unserer Rechtsordnung zulässig ist. Enthält ein solcher Vertrag keinerlei Kündigungs- oder Rücktrittsmöglichkeiten, so sind die Ehepartner unwiderruflich an die vertragliche Vereinbarung gebunden, ist vor allem die Ehefrau unwiderruflich zur weiteren Durchführung empfangnisverhütender Maßnahmen verpflichtet. Wäre die Ehefrau hierzu nicht mehr bereit, und setzte sie daher die Einnahme hormoneller Mittel aus, verhielte sie sich vertragswidrig. Käme es daraufhin zur Geburt eines Kindes, stellte sich dieses als Ergebnis eines Vertragsbruchs der Ehefrau dar. Die Frage etwaiger Schadensersatzansprüche des "vertragstreuen" Ehemannes - sei es wegen Nichterfüllung, aus positiver Forderungsverletzung oder aufgrund vereinbarter Vertragsstrafe - kann hier dahingestellt bleiben. Allein die unwiderrufliche vertragliche Bindung in einer so höchstpersönlichen Angelegenheit wie der Frage der eigenen Nachkommenschaft erscheint in der Tat im Widerspruch zu Grundprinzipien unserer Rechtsordnung zu stehen314 • Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gebietet, daß der einzelne sich seiner Entscheidungsfreiheit in höchstpersönlichen Angelegenheiten nicht begeben darf3 15 • "Entscheidungsfreiheit ( ... ) setzt die Möglichkeit des Auch-andersKönnens voraus" 316 . Durch einen unwiderruflichen Vertrag zur Familienplanung aber ist die Ehefrau in ihrem Verhalten festgelegt. Sie ist in ihrer Entscheidung, ein Kind zu haben, nicht mehr frei. Ihre Selbstbestimmung im höchstpersönlichen Be314 Das Recht einer Frau auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit umfaßt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Selbstverantwortung der Frau, sich für oder gegen eine Elternschaft und die daraus resultierenden Pflichten zu entscheiden, BVerfGE 39, 1, 43. 315 So spricht der BGH bei der Erörterung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild von der "Freiheit der Selbstentschließung über seinen persönlichen Lebensbereich" und vorn Schutz der "inneren Freiheit", BGHZ 26, 349, 356. 316 So Schmidt, IZ 1974, 241, 246, der hervorhebt, daß der Persönlichkeitsschutz durch Schutz der Entscheidungsfreiheit der Selbstverwirklichung des einzelnen diene.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
reich ist in einer Weise eingeschränkt, die mit ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht unvereinbar ist317 und daher gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB verstößt. Dient diese Vorschrift dem Schutz der am Vertrag Beteiligten, so bedeutet das unter Umständen eben auch den Schutz des Vertragspartners vor sich selbst318 • Zu dem Ergebnis der Ablehnung eines derartigen Vertrages gelangt auch
Ramm319:
"Denn die Verhinderung der Befruchtung kann ebensowenig wie die Unterlassung des Geschlechtsverkehrs im allgemeinen oder mit einer bestimmten Person Gegenstand einer rechtswirksamen Abmachung sein, wobei es keine Rolle spielt, ob sie gegenüber einem Dritten oder gegenüber dem selbstgewählten Partner erfolgt. Beide Tatbestände fallen in einen elementaren Freiheitsbereich, der zum Kern der Individualität gehört und die Persönlichkeit ausmacht. Dieser Bereich ist unverfügbar und unverzichtbar, da sonst die Freiheit nicht als allgemeiner Ordnungsgrundsatz aufrechterhalten werden kann. Die rechtsgeschäftliche Privatautonomie ist nur das Gestaltungsmittel für einen Freiheitsbereich minderen Ranges." Da die Entfaltung der Persönlichkeit nur unter dem Vorbehalt einer Übereinstimmung mit dem Sittengesetz gewährleistet ist (Art. 2 Abs. 1 GG), ist hier eine Einschränkung der Vertragsfreiheit gerechtfertigt, eine Nichtigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB gegeben320 • Wie oben bei der Untersuchung des verbindlichen Umfangs einer gleichlautenden Ehevereinbarung321 ist es auch hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das eine unwiderrufliche Verpflichtung der Ehegatten in Fragen der Kinderlosigkeit und der Empfängnisverhütung verhindert. Wenn es um die Verletzung von Grundrechten geht, ist es unerheblich, in welcher Form die in Frage stehende Verpflichtung erfolgen soll; ihre Beachtung ist sowohl bei schlichten Ehevereinbarungen als auch bei ausdrücklichen Verträgen geboten.
317
Battes, Nichteheliches Zusammenleben, S. 25 .
318
Maunz/Dürig!Herzog!Dürig, Art. 2 I GG Rz. 56.
319
Ramm, JZ 1989, 861, 865.
320 Der Inhalt des Begriffs des "Sittengesetzes" in Art. 2 Abs. 1 GG liegt auf einer Ebene mit dem der "guten Sitten", Maunz/Dürig!Herzog/Dürig, Art. 2 I GG Rz. 16. 321
Vgl. oben§ l.V.l.a. und b .
1. Kap. § 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche
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Ein unwiderruflicher Vertrag ist daher wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig322 •
4. Modifizierter Vertrag Mit Feststellung der Nichtigkeit solcher Verträge nimmt man ihnenjegliche rechtliche Relevanz. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß damit auch die moralische Bedeutsamkeil dieser Vereinbarungen in Abrede gestellt wird, und somit das Bemühen um Verläßlichkeit in internen zwischenmenschlichen Beziehungen untergraben wird 323 • Damit für die Ehepartner entgegen ihrer Absicht dem Vertrag zur Empfängnisverhütung nicht jede Bedeutung genommen wird, und die Frage der Familienplanung dadurch völlig ungeregelt bleibt, wäre zu überlegen, ob nicht eine Modifizierung des Vertrages dessen Rechtmäßigkeit herbeiführen könnte. a) Auslegung Für eine Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157 BGB ist hier kein Raum. Aufgabe der eigentlichen Auslegung ist es festzustellen, ob ein bestimmtes Verhalten als Willenserklärung aufzufassen ist324 • Das aber ist hier unstreitig gegeben, da die Ehepartner ausdrücklich eine vertragliche Regelung wollten und damit auch ihre Vertragserklärungen als Willenserklärungen verstanden. Die ergänzende Vertragsauslegung hat dagegen den Zweck, Lücken 322 Auch die Tatsache, daß Verträge über eine Sterilisation zwecks Familienplanung seit der Entscheidung des BGH vom 29.6.1976, BGHZ 67, 48 ff. (zuletzt bestätigt durch BGH NJW 1995, 2407, 2409), nicht als sittenwidrig anzusehen sind, rechtfertigt hier kein anderes Ergebnis. Zwar bedeutet eine Sterilisation einen in der Regel endgültigen Eingriff in die Fortpflanzungsfähigkeit, welcher die Persönlichkeit in ihren Grundlagen betrifft. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bei der vertraglichen Verpflichtung zur Einnahme empfängnisverhütender Mittel bezieht sich aber nicht auf das Ergebnis der Verhinderung der Empfängnis, denn das bewirkt eine Sterilisation auch. Die Sittenwidrigkeit besteht vielmehr in der Beschränkung der Entscheidungsfreiheit. Bei einer Sterilisation bleibt die P.r.au bis zur Vornahme des Eingriffs zum Rücktritt berechtigt; danach besteht keine Anderungsmöglichkeit mehr und somit auch keine Möglichkeit zu einer Entscheidung. Die Perpetuierung der (vertraglich-obligatorischen) Verpflichtung zur Kinderlosigkeit trotz faktischer Zeugungsfähigkeit beeinträchtigt aber die persönliche Freiheit zu einer Entscheidung, die grundsätzlich möglich wäre. Es ist diese dauernde Beschneidung der Selbstbestimmung im höchstpersönlichen Bereich, die den Vertrag über die Empfängnisverhütung im Gegensatz zum Sterilisationsvertrag zu einem sittenwidrigen macht. 323 So Limbach für derartige Verträge zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in: Limbach/Schwenzer, S. 41. 324
Pa/andt/Heinrich.s, § 157 Rz. 2.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
der rechtsgeschäftliehen Regelung zu schließen325 • Lücken, die einer Ausfüllung bedürften, sind in der vertraglichen Absprache der Ehegatten aber nicht vorhanden. Daher kommen die§§ 133, 157 BGB hier nicht zur Anwendung. b) Geltungserhaltende Reduktion durch richterliche Vertragsgestaltung Haben die Vertragspartner ihre Freiheit zur Regelung ihrer Rechtsbeziehungen überschritten und ist daher ihr Vertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, so kann im Wege richterlicher Vertragsgestaltung ein geschlossener Vertrag entgegen dem ausdrücklichen Willen der Vertragsschließenden unter Anwendung des § 242 BGB seinem Inhalt nach sachlich abgeändert werden326 . Gelänge es, die unverhältnismäßige Einengung der persönlichen Entscheidungsfreiheit der Ehefrau aufgrund ihrer unwiderruflichen Verpflichtung zur Einnahme empfängnisverhütender Mittel gemäß § 242 BGB auf ein rechtlich zulässiges Maß herabzusetzen, so käme § 138 Abs. 1 BGB entgegen dem ersten Anschein nicht zur Anwendung 327 . Zu denken wäre hier an ein außerordentliches Kündigungsrecht328 . Würde man den Ehepartnern für den Fall des Auftretens neuer Wünsche ein Kündigungsrecht einräumen, das allerdings nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden wäre, so wäre die Unwiderruflichkeit ihrer Bindung beseitigt, ihre Entscheidungsfreiheit wiederhergestellt. Von einer unzulässigen Einengung der Selbstbestimmung im höchstpersönlichen Bereich könnte dann nicht mehr gesprochen werden. Um der vertraglichen Absprache aber nicht jegliche verpflichtende Wirkung zu nehmen, wäre ihr im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Ehepartners(§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) die Verpflichtung zu entnehmen, die Kündigung des Vertrages nicht stillschweigend vornehmen zu dürfen, sondern diese dem anderen Ehepartner gegenüber auszusprechen. Denn - so hebt Ramm329 zu Recht hervor - nicht nur die Frau, sondern auch der Mann soll frei sein, sich für und gegen die Zeugung zu entscheiden. Dieser wäre also über die Loslösung vom Vertrag zu informieren. Ein auf diese Weise durch § 242 BGB "modifizierter" Vertrag wäre als rechtswirksam zu bezeichnen. Die Ehefrau dürfte danach nicht einfach heimlich aufgrund eines Sinneswandels auf die weitere Vomahme empfangnisver325 BGHZ 9 , 273, 277; 77, 301, 304. 326 BGHZ 9, 273, 279. 327 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 138 Rz. 14; ders., § 242 Rz. 19. 328 So die Rechtsprechung bei Dauerschuldverhältnissen: RGZ 152, 251 , 254; BGH JZ 1952, 366, 367. 329 Ramm, JZ 1986, 1011, 1012.
1. Kap. § 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche
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hütender Maßnahmen verzichten. Sie dürfte zwar jederzeit den Vertrag kündigen, um so ihren neuen Wunsch umsetzen zu können, sie hätte aber die Verpflichtung, dies ihrem Ehemann mitzuteilen. c) Weitere Vertragsmöglichkeit Ebenso wäre auch ein Vertrag denkbar, der neben einer Einigung über Kinderlosigkeit und Empfängnisverhütung den jeweils "verhütenden" Partner ausdrücklich verpflichtete, im Falle der Loslösung vom Vertrag, dies dem anderen mitzuteilen. Auch hier wäre die Frau nicht unwiderruflich zur Einnahme der Pille verpflichtet; sie könnte sie jederzeit absetzen. Es bestände nur die Verpflichtung, den Ehemann dann darüber in Kenntnis zu setzen. d) Stellungnahmen Schlund entnimmt der Absprache über Kinderlosigkeit und Empfangnisverhütung, daß damit jede einseitige Entscheidung für ein Kind ausgeschlossen und diese Frage einer gemeinsamen Botschlußfassung vorbehalten werden solle: "Zumindest wäre die anderen Sinnes gewordene Frau also verpflichtet gewesen, dies ihrem LebensgefahrteD mitzuteilen. Eine solche Absprache muß aber einer vertraglichen Regelung zugänglich sein, denn ein Einvernehmen über eine zeitweilige Empfängnisverhütung hat nichts mit einer vertraglichen Reglementierung der Sexualität inter partes als solcher zu tun und widerspricht damit kaum der personalen Würde und der zum Persönlichkeitsrecht zählenden Entscheidung, bei der Ausübung des Geschlechtsverkehrs sich immer wieder neu entscheiden zu können, ob daraus ein Kind entstehen soll oder nicht. "330 Der Bundesgerichtshof äußert sich zwar nicht ausdrücklich dazu, ob er einen Vertrag diesen Inhalts als rechtmäßig anerkennt. Einen vertraglichen Schadensersatzanspruch billigt er im Falle eines Verstoßes jedenfalls nicht zu: "Wenn der Partner zur Mitwirkung bei der Empfängnisverhütung nicht mehr bereit ist, kann daraus daher auch dann kein vertraglicher Schadensersatzanspruch hergeleitet werden, wenn er dies dem anderen nicht mitteilt, weil auch dadurch seine Intimsphäre unzumutbar berührt würde. "331
330
Schlund, JR 1986, 455, 456; zustimmend Roth-Stielow, JR 1987, 7 , 9.
331
BGH NJW 1986, 2043, 2045.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Hier stößt der Bundesgerichtshof auf starke Kritik. Wenn eine Vereinbarung über den beiderseitigen Intimbereich schon für zulässig und oft notwendig erachtet werde, dann könne es der Intimbereich nicht rechtfertigen, daß ein Partner sein einseitiges Lossagen, das ihm freistehe, zum Zwecke der Täuschung verschweige332 . Nach überwiegender Ansicht ist eine vertragliche Absprache der Kinderlosigkeit und Empfängnisverhütung rechtlich zulässig, wenn sie ein unbedingtes Kündigungsrechts vorsieht. Aus einer solchen Absprache wird für die verhütende Frau die Pflicht abgeleitet, einen Sinnes- und Verhaltenswandel ihrem Ehemann rnitzuteilen333 . Die Frage der rechtlichen Zulässigkeil eines solchen Vertrages ist jedoch zu unterscheiden von seiner gerichtlichen Durchsetzbarkeil und daraus abzuleitender Sekundäransprüche334.
II. Sanktionsmöglichkeiten Verstößt die Ehefrau gegen ihre vertragliche Verpflichtung in der Weise,
daß sie auf die weitere Einnahme empfängnisverhütender Mittel verzichtet,
ohne dies ihrem Ehemann mitzuteilen, so stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie ihr Verhalten sanktioniert werden kann.
1. Keine Vollstreckbarkeit vertragstreuen Verhaltens Die Ehefrau ist gemäß der vertraglichen Absprache bis zur Kündigung zur Einnahme eines empfängnisverhütenden Mittels verpflichtet. Setzt sie das Mittel ohne ausdrückliche Kündigung ab, so verstößt diese "faktische Kündigung" gegen ihre Vertragspflicht Die Pflicht zur Empfängnisverhütung bis zu einer ausdrücklichen Kündigung und die Pflicht zur Mitteilung einer Verhaltensänderung stellen personale Ehepflichten dar.
332 Dunz, VersR 1986, 819, 820, der hier einen behutsameren Umgang mit dem Tabubereich des Persönlichkeitsrechts anmahnt; ähnlich Roth-Stielow, JR 1987, 7, 8; Schlund, JR 1986,455, 456; Ramm, JZ 1986, 1011, 1012. 333 Limbach, in: Limbach/Schwenzer, S. 39; Ramm, JZ 1986, 1011, 1012; Schlund, JR 1986, 455, 456; Roth-Stielow, JR 1987, 7, 8; Dunz, VersR 1986, 819, 820. 334 Darauf verweist Limbach, in: Limbach/Schwenzer, S. 39.
1. Kap. § 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche
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a) Ehepflicht Aus § 888 Abs. 2 ZPO ergibt sich, daß die Erfüllung personaler Ehepflichten nicht durch äußeren Rechtszwang durchgesetzt werden kann335 • Im Fall einer Ehevereinbarung mit daraus resultierender Ehepflicht könnte der Ehemann zwar mit der Eheherstellungsklage seine Frau zur Durchführung weiterer Verhütungsmaßnahmen bis zu einer ausdrücklichen Kündigung beziehungsweise zur Mitteilung über deren Aussetzung (da dies eine einmalige Handlung ist, wäre es hier für eine Herstellungsklage im Streitfall allerdings bereits zu spät) verklagen. Dieses Herstellungsurteil wäre aber gemäß § 888 Abs. 2 ZPO nicht vollstreckbar336 • Die zwangsweise Durchsetzung eines Verhaltens ist immer dann ausgeschlossen, wenn dies gleichzeitig eine Gesinnungsänderung des Ehepartners zur Folge haben müßte 337 . b) Vertragspflicht Fraglich ist, ob die Tatsache, daß die Eheleute hier die Form eines ausdrücklichen Vertrages wählen, zu einem anderen Ergebnis führt. Die Frage der Familienplanung ist eine gemeinschaftliche Angelegenheit beider Ehegatten, sie betrifft den Kernbereich ihrer Lebensgemeinschaft. Treffen die Ehepartner darüber eine Vereinbarung, so ergeben sich daraus persönliche eheliche Pflichten. Allein die Form eines gesonderten Vertrages ändert an diesem Charakter nichts. Könnten die Eheleute durch separate Regelung aus einer personalen Ehepflicht eine rein vertragliche machen, deren Durchsetzung gerichtlich vollstreckt werden könnte, so liefe das auf eine Umgehung des § 888 Abs. 2 ZPO hinaus. Soll diese Norm die Vollstreckung personaler Ehepflichten verhindern, so kann bei deren Regelung in Form eines Vertrages nichts anderes gelten. Das gesetzgebensehe Ziel, den personalen Kern der Ehe von Rechtszwang frei zu halten, würde sonst vereitelt. Kann auf der Primärebene eine Erfüllung des Vertrages nicht erzwungen werden, so stellt sich die Frage, ob dies auch für die Sekundärebene des Vertrages gilt.
335
Schwab, Familienrecht, Rz. 113.
Das Ziel dieser Regelung, den personalen Kern der Ehe frei von Rechtszwang zu halten, wurde bereits genannt; vgl. oben § 1. VI.S.c. 336 337
Hanelr, Ansprüche gegen Ehegatten und Drittstörer, S. 2.
7 Wanke
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2. Ersatzansprüche auf der Sekundärebene? a) Konventionalstrafe Die Eheleute könnten in ihrem rechtlich als zulässig erachteten Vertrag für den Fall eines Verstoßes gegen Vertragspflichten ausdrücklich eine Vertragsstrafe vereinbart haben. Fraglich ist, ob solch ein Zusatz rechtmäßig wäre. Gottwald verweist in diesem Zusammenhang auf§ 1297 Abs. 2 BGB, nach dem ein Verlöbnis nicht durch eine Vertragsstrafe gesichert werden könne. Das Versprechen einer Strafe für den Fall, daß die Eingebung der Ehe unterbleibt, sei nichtig. Daraus folgert er, daß auch das Strafversprechen für den Fall des Verstoßes gegen die eheliche Lebensgemeinschaft als nichtig anzusehen sei338 • Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Es bedeutete eine Umgehung der Grundsätze des Eherechts, wenn es den Eheleuten möglich wäre, die Einhaltung einzelner Ehepflichten durch vertraglich vereinbarte Druckmittel durchsetzen zu können339 • Soll den Ehegatten in ihrer Ehe die Freiheit zu autonomem Handeln im höchstpersönlichen Bereich dadurch garantiert werden, daß dieser einer gerichtlichen Kontrolle und Intervention entzogen ist, so liefe eine gerichtliche Anerkennung und Durchsetzung von Vertragsstrafen für den Fall des Verstoßes gegen (eigentlich) personale Ehepflichten gerade auf das Gegenteil hinaus. Die Erfüllung eines nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht vollstreckbaren ehelichen Herstellungsurteils darf nicht durch eine Vertragsstrafe herbeigeführt werden340 • Es entspricht daher überwiegender Ansicht, daß Eheleute die Erfüllung der Pflichten aus der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht durch Konventionalstrafen absichern können341 • 338 MünchKomm/Gottwald, vor§ 339 Rz. 7, unter Verweis auf den BGH, welcher im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen die eheliche Treuepflicht in NJW 1961, 504, 505 f., ausführt, "... daß die Erfüllung der persönlichen Pflichten, die aus dem Wesen der ehelichen Gemeinschaft fließen, nur gewährleistet werden kann durch die auf der freien sittlichen Entscheidung beruhende eheliche Gesinnung. Sie kann nicht ersetzt werden durch staatliche Zwangsgewalt, deren Anwendung die Zerstörung der sittlichen Grundlage der Ehe bedeuten würde. ( ... )Ein rechtlicher Zwang; ja auch nur ein wirtschaftlicher Druck zur Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft und zur Unterlassung ehewidriger oder ehebrecherischer ~eziehungen ist unserem Recht fremd und darf nicht ausgeübt werden." 339 Zur Sittenwidrigkeit einer einem Ehegatten durch Ehevertrag für den Fall einer von ihm veranlaßten Scheidung auferlegten Zahlungsverpflichtung, vgl. OLG Oldenburg FamRZ 1994, 1454, 1455 f. 340
Dölle, Familienrecht I, § 33 III 1 b.
341 Für die h . M. Strätz, FamRZ 1980, 301, 306 m.w.N. Nach seiner Auffassung "lassen es das besondere Gewicht der personalen Elemente in der rechtlichen Beziehung und der Schutz der persönlichen Entscheidungsfreiheit als unangemessen erscheinen, die Erfüllung derartiger Pflichten durch Vertragsstrafen abzusichern. "
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Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist daher mit der herrschenden Auffassung als nichtig anzusehen342.
b) Schadensersatz Anknüpfungspunkt für einen Schadensersatzanspruch des Ehemannes wäre die Tatsache, daß die Ehefrau ihrem Ehemann gegenüber die Kündigung des Vertrages nicht ausdrücklich erklärt hat, beziehungsweise ihm das Absetzen des Verhütungsmittels nicht mitgeteilt hat. Da er auf ihre vertraglich übernommenen Verhütungsmaßnahmen vertraut, sieht er selber von solchen ab. Kommt es nun zur Geburt eines Kindes, so wird der Vater diesem gegenüber zu Unterhalt verpflichtet. Diese Unterhaltslast könnte er als Schaden geltend machen. Oben wurde festgestellt, daß bei Verletzung personaler Ehepflichten kein Schadensersatz aus § 1353 Abs. 2 S. 1 BGB verlangt werden kann343 . Hier aber wäre Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche nicht § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern diese hätten- als Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder aus positiver Vertragsverletzung - ihren Ursprung im ausdrücklich zwischen den Eheleuten abgeschlossenen Vertrag. Limbach schließt die Möglichkeit einer Schadensersatzverpflichtung des gegen den Vertrag verstoßenden Teils nicht aus. Sie gesteht es Partnern zu, schadensersatzbewehrte Verträge wirksam abzuschließen und auch Verstöße dagegen zu ahnden, freiwillig zu liquidieren und freiwillig Sanktionen zu erleiden344. Sie trifft eine Einschränkung dieser Verpflichtung erst auf der Ebene der Durchsetzbarkeit. Danach können sich die Vertragspartner zur Realisierung dieser Schadensersatzleistungen nicht der staatlichen Hilfe in Form gerichtlicher Durchsetzung bedienen. Über die Androhung von gerichtlich durchsetzbarem Schadensersatz könnte hier sonst mittelbar ein Druck zur Erfüllung ausgeübt werden, der der Wertung des § 888 Abs. 2 ZPO gerade widerspreche. Ein gerichtliches Verfahren sei nicht das passende Mittel, um Intimbeziehungen dauerhaft (und konstruktiv) gestalten zu können345 . Daher sei den Gerichten in allen Fällen personaler Pflichten verwehrt, auf dem Umweg 342 So im Ergebnis auch schon das Reichsgericht in RGZ 158, 294, 300. Ist die Vereinbarung der Konventionalstrafe Teil des gesamten Vertrags, so ist bezüglich der Vertragsstrafe Teilnichtigkeit im Sinne des § 139 BGB anzunehmen, da davon ausgegangen werden kann, daß eine Aufrechterhaltung des Restvertrages dem Interesse der Eheleute eher gerecht wird, als eine GesamtnichtigkeiL 343 Vgl. oben§ l.VI.S. 344 Limbach für derartige Verträge zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in: Limbach/Schwenzer, S. 41. 345 Limbach, in: Limbach/Schwenzer, S. 41.
100
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
von vertraglichen Schadensersatzansprüchen einen mittelbaren Zwang auf den "vertragsbrüchigen" Partner auszuüben346 • Zwar können (Ehe-) Partner freiwillig liquidieren und sich freiwillig Sanktionen auferlegen, wie es ihnen beliebt. Einer juristischen Bewertung bedarf es immer erst, wenn Einigkeit nicht mehr herbeigeführt werden kann, wenn für Freiwilligkeit die Bereitschaft fehlt. Dann aber erscheint das Ergebnis, Schadensersatzansprüche anzuerkennen, sie jedoch als nicht durchsetzbar zu bezeichnen, nicht überzeugend. Ist auf der Primärebene ein Anspruch nicht durchsetzbar, so kommt es auf der Sekundärebene erst gar nicht zur Entstehung irgendwelcher Ansprüche. "Eine Schadensersatzpflicht ist aber ausgeschlossen, wenn der Anspruch, dessen schuldhafte Verletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz begründet, nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. "347 Dieses Ergebnis ergibt sich daraus, daß es sich hier um einen Vertrag handelt, der Fragen der ehelichen Lebensgemeinschaft behandelt. Bei der Beurteilung eines solchen Vertrages und seiner Sanktionierung darf aber § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB nicht außer Betracht bleiben. Auch wenn es sich um eine ausdrückliche vertragliche Regelung handelt, sind dadurch keine anderen Ergebnisse als bei Ehevereinbarungen möglich. Kann daher ein Urteil auf Vertragserfüllung aufgrund der Wertung des § 888 Abs. 2 ZPO nicht vollstreckt werden, so sind auch vertragliche Schadensersatzansprüche hier nicht möglich. Das bedeutet, daß im Falle der Verletzung einer (wenn auch vertraglich geregelten) personalen Eheverpflichtung Schadensersatzansprüche nicht nur nicht vollstreckbar sind, sondern erst gar nicht entstehen. c) Freistellungsvereinbarung Zu bedenken wäre des weiteren eine vertragliche Regelung, die die Ehefrau verpflichtete, für den Fall, daß es durch ihr "vertragswidriges" Verhalten zur Geburt eines gemeinsamen Kindes komme, den Ehemann von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind freizustellen. Die Eltern haften für den Unterhalt des Kindes als gleich nahe Verwandte anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen, § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB. Sie können sich aber im Verhältnis zueinander nicht nur über die von ihnen zu leistenden Unterhaltsbeträge verständigen, sondern auch einen von ihnen von einer Unterhaltsleistung vollständig freistellen348 • Zwar kann 346
Limbach, in: Limbach/Schwenzer, S. 42.
347
Tiedtke, PamRZ 1977,686, 690.
348
BGH PamRZ 1986, 444, 445.
1. Kap. § 2. Vertragliche Schadensersatzansprüche
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gemäß § 1614 Abs. 1 BGB für die Zukunft nicht auf Unterhalt verzichtet werden, doch wird davon die Vereinbarung der Ehepartner nicht berührt, da das Kind seinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch ungeachtet der Vereinbarung seiner Eltern gegen beide behält349 • Die Freistellungsvereinbarung entfaltet nur Rechtswirkungen zwischen den Eltern und wirkt nicht für und gegen das Kind350 • Da derartige Vereinbarungen nicht nur vor der Eheschließung351 , sondern auch bereits vor der Geburt des Kindes möglich sind352 , erscheint eine solche vertragliche Regelung hier zulässig zu sein. Das ist im Ergebnis aber nicht der Fall. In den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen war das Kind zwar noch nicht geboren, wohl aber schon empfangen, und beide Elternteile wußten dies353 • Was immer die Motivation zum Abschluß derartiger Freistellungsvereinbarungen gewesen war, stets war den Eltern die konkret bevorstehende Geburt des Kindes bekannt, sollte durch die Vereinbarung eine bald entstehende Unterhaltslast geregelt, nicht aber künftiges persönliches Verhalten gesteuert werden354 . Vereinbaren die Ehepartner aber schon vor der Zeugung eines Kindes im Rahmen einer Regelung der Familienplanung eine Freistellung von Unterhaltszahlungen zugunsten des Ehemannes, so ist diese Freistellungsvereinbarung als Instrument der Steuerung des Verhaltens der Ehefrau im Bereich der Empfängnisverhütung zu verstehen. Sie regelt nicht die Unterhaltsverteilung für ein bereits empfangenes Kind, sondern soll die Ehefrau zur Einhaltung der vertraglichen Abrede - das heißt hier zur Mitteilung über eine Unterbrechung der Verhütungsmaßnahmen - anhalten. Die Freistellung bedeutet eine Sanktion für "vertragswidriges" Verhalten. Sie hat den Charakter einer Vertragsstrafe, die ein Verhalten sanktioniert, das eigentlich Ehepflicht ist und daher nicht durch Konventionalstrafen abgesichert sein darf355 • Daher ist auch die
349
Staudinger/Kappe, § 1606 Rz. 42.
350
BGH FamRZ 1987, 934, 934; Palandt/Diederichsen, § 1606 Rz. 18.
351
BGH FamRZ 1985, 788, 788; OLG Hamm FamRZ 1982, 1215, 1215.
352
OLG Celle FamRZ 1989, 64, 64; OLG Stuttgart FamRZ 1992, 716, 717.
353
OLG Celle FamRZ 1989, 64, 64; OLG Stuttgart FamRZ 1992, 716, 717.
354 Sollte durch Freistellungsvereinbarungen Einfluß auf persönliches Verhalten genommen werden, so erklärte die Rechtsprechung diese Freistellungsvereinbarungen für nichtig gemäß § 138 Abs . 1 BGB. Vgl. z. B. OLG Harnburg FamRZ 1984, 1223, 1224, für den Fall, daß durch die Freistellungsvereinbarung die Zustimmung des anderen Elternteils zur Sorgerechtsübertragung erreicht werden soll; BGH FamRZ 1984, 778, 779, wenn durch die Freistellung ein ständiger Anreiz geschaffen werden soll, das Umgangsrecht nicht auszuüben oder überhaupt darauf zu verzichten, OLG Karlsruhe FamRZ 1983,417,418. 355
Vgl. oben 2.a.
102
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Vereinbarung einer Freistellungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig356.
m. Ergebnis Es wird deutlich, daß die Möglichkeit einer ausdrucklieh gewollten vertraglichen Bindung im Bereich der Familienplanung in dem Umfang rechtsverbindlich erfolgen kann, wie dies oben bei der Frage der schlichten Ehevereinbarungen und den daraus resultierenden verbindlichen Ehepflichten festgestellt wurde. Die Frage der Kinderlosigkeit ist im Falle einer jederzeitigen Rücktrittsmöglichkeit ebenso vertraglich vereinbar wie die Pflicht, ein Abgehen vom Vertrag dem anderen Ehepartner mitzuteilen. Auch die Frage der Sanktionsfabigkeit ergibt das gleiche Ergebnis, denn die vertraglichen Pflichten sind nicht durchsetzbar. Dem Bundesgerichtshof ist daher im Ergebnis zuzustimmen, daß die Ehefrau im Falle des Verstoßes gegen eine rechtlich zulässige vertragliche Absprache über Fragen der Familienplanung und Empfangnisverhütung, ihrem "getäuschten" Ehemann gegenüber nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist.
§ 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau
nach § 823 BGB Nachdem deutlich wurde, daß der Ehemann weder aus familienrechtlieber noch aus vertraglicher Anspruchsgrundlage Schadensersatzanspruche für aufzuwendenden Kindesunterhalt gegenüber seiner Ehefrau geltend machen kann, ist zu prufen, ob das Verhalten der Frau eine deliktsrechtliche Verantwortlichkeit auszulösen vermag.
I. Anwendbarkeit des Deliktsrechts
1. Allgemeines Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, ob das Deliktsrecht im Bereich des Familienrecbts anwendbar ist, ob also Familienrechte in den Schutzbereich der 356
Zur Teilnichtigkeit vgl. Fn. 342.
1. Kap. § 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach § 823 BGB
103
§§ 823 ff. BGB fallen. Es ist aber allgemein anerkannt, daß einige familienrechtliche Rechtspositionen von §§ 823 ff. BGB erfaßt werden. So gilt das Sorgerecht der Eltern gegenüber dem Kind als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB357 . Verletzt die Ehewidrigkeit der Frau zwar familienrechtliche Positionen, die aber nicht zugleich auch einem absolut geschützten Rechtsgut des § 823 Abs. 1 BGB zuzuordnen sind, so schließt das eine Anwendung der Deliktsregeln noch nicht aus. Grundsätzlich bestehen Ansprüche des Deliktsrechts neben Ansprüchen aus anderen Rechtsgebieten und können auf dasselbe Ziel gerichtet sein358 . Das ist bezüglich des Familienrechts selten der Fall, da dessen Ansprüche außer denen aus Verlöbnisbruch nicht auf Schadensersatz gerichtet sind. Pflichtwidriges Verhalten im familienrechtlichen Bereich kann aber stets dann auch eine deliktische Haftung auslösen, wenn es zugleich die Voraussetzungen der§§ 823 ff. BGB erfü1It359.
2. Deliktsrecht bei Täuschung über Verhütungsmaßnahmen a) Kein Ausschluß durch Familien- und Verfassungsrecht aa) Die Position des Bundesgerichtshofs In der oben bereits genannten Entscheidung zum abredewidrigen Absetzen von Verhütungsmitteln zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lehnt der Bundesgerichtshof Ansprüche des getäuschten Mannes aus unerlaubter Handlung ab360: "Der Intimbereich zweier volljähriger Partner, die beim freiwilligen Geschlechtsverkehr nicht nur ihr sexuelles Bedürfnis befriedigen, sondern das Entstehen von Leben verantworten, unterliegt im Falle der Geburt eines Kindes grundsätzlich auch dann nicht dem Deliktsrecht, wenn der eine Partner 357 RGZ 141. 319, 320 f.; BGHZ 111, 168, 172; Erman/Schiemann, § 823 Rz. 46. 358 Deutsch, FS-Gernhuber, S. 585. 359 So entschied bereits das Reichsgericht in Fällen, in denen ein familienrechtliches Fehlverhalten gleichzeitig ein von § 823 Abs . 1 BGB erfaßtes Recht verletzte. Vgl. z.B.: RG WarnRspr 1911, 290, 292: Rücktritt des Verlobten bedingt Gesundheitsverletzungder Frau; RGZ 75, 251, 253 f.; RG JW 1912, 190, 190: Verabsäumung der elterlichen Fürsorgepflicht führt zu Unfall und Verletzung des Kindes; RG WarnRspr 1913, 67, 69: Der Vater verlangt von der Mutter das entwendete Kind aus unerlaubter Handlung heraus; RGZ 85, 335, 337: Körperverletzung zwischen Ehegatten. 360 BGH NJW 1986, 2043, 2045; vgl. § 1, Fn. 143.
104
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
dabei den anderen über die Anwendung empfangnisverhütender Maßnahmen getäuscht hat. " Eine Begründung dieser Aussage bleibt aus. Bedenken gegen diese Auffassung treten aber auf im Hinblick auf die Fälle mißlungener Sterilisationen. Dort bewirkt die Verantwortung der Geschlechtspartner für die Entstehung neuen Lebens nicht den Ausschluß eines Anspruchs gegenüber Dritten; (vertragliche) Schadensersatzansprüche der Eltern für ungewollte Kinder gegenüber Ärzten werden zugelassen36t. bb) Stimmen in der Literatur Auch im Schrifttum wird vertreten, einen Schadensersatzanspruch des Mannes gegenüber seiner Frau abzulehnen. Dunz362 verweist auf den Ausschließlichkeitsanspruch der familienrechtlichen Regelung. Die freiwillige geschlechtliche Vereinigung von Erwachsenen, unabhängig davon, ob diese sich dessen bewußt sind, bedinge stets auch die familienrechtliche Einstandspflicht für die Entstehung von Leben. Unterhaltsansprüche im Verhältnis von Vater, Mutter und Kind seien nur an den biologischen Tatbestand gebunden und nicht etwa daran, .ob Leben entstehen sollte oder nicht. Das Zugeständnis von Deliktsansprüchen störe die Ausschließlichkeit der familienrechtlichen Regelung zwischen den familienrechtlich verbundenen Personen in den Grundbereichen, wenn deshalb forensisch auf die kleineren und größeren Intrigen eingegangen werden müßte, die nun auch Liebesbeziehungen eigen seien. Ramm363 lehnt einen deliktischen Schadensersatzanspruch des Ehemannes tnit einer gegenüber Dunz entgegengesetzten Begründung ab. Die bisherige Unterhaltsregelung beruhe auf der Fiktion einer gemeinsamen Entscheidung, bei einem Geschlechtsverkehr auch dessen mögliche Folgen zu tragen. Das aber entfalle heute, denn heutzutage gebe es nur noch die Entscheidung über die Benutzung sicherer Verhütungstnittel. Den Ausschluß deliktsrechtlicher Ansprüche begründet Ramm nicht tnit familien- und unterhaltsrechtlichen Regelungen, sondern tnit dem verfassungsrechtlichen Leitbild der Ehe. Danach sei auch die Familiengründung Teil des Inhalts der Ehe, falls nicht besondere, in den Gesundheitsbereich fallende Gründe vorlägen. Dem verfassungsrechtli-
361
So zu Recht Ramm, JZ 1986, 1011, 1012.
362 Dunz. VersR 1986, 819, 820, im Zusammenhang mit § 826 BGB, dessen Tatbestandserfüllung er bejaht. 363
Ramm. JZ 1986, 1011, 1012, zu§ 826 BGB.
1. Kap. § 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach§ 823 BGB
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eben Leitbild der Ehe sei auch die Absicherung der Intimbeziehung gegen alle Dritte - einschließlich der Richter - zu entnehmen364 • cc) Kritik Wenn Ramm neben die positive Freiheit, sich fortzupflanzen, die negative stellt, sich nicht fortzupflanzen, so erscheint es folgerichtig, die Fortpflanzungsentscheidung nicht mehr als eine im Sexualakt enthaltene partnerschaftliehe Entscheidung zu qualifizieren365 • Da aber auch heute Empfängnisverhütung nur nahezu perfekt funktioniert, läßt sich die Eventualität der Zeugung nicht völlig vom Geschlechtsverkehr trennen. So ist wohl auch der Gedanke der "Einstandspflicht für die Entstehung von Leben" von Dunz zu verstehen. Dieser Pflicht waren sich die Partner auch bewußt, denn durch ihre Absprache hatten sie diese gerade vermeiden wollen366 • Es ist daher nicht hilfreich, die aufgrund der Unberechenbarkeit von Natur und Verhütungstechnik verbleibende Fortpflanzungsmöglichkeit derart überzubewerten, daß deshalb jede Zeugung von Nachkommen als unantastbar in der Weise hinzunehmen sei, daß auch bei klar einseitigem Vorgehen - unter Verletzung getroffener Absprachen und des Vertrauens des Sexualpartners - jegliche Möglichkeit des Regresses desselben mit dem Argument der Ausschließlichkeit der auf den biologischen Zeugungstatbestand aufbauenden familienrechtlichen Unterhaltspflicht ausgeschlossen sei. Die Ausschließlichkeit der familienrechtlichen Regelungen kann nicht so weit gehen, daß ein Verhalten, das unter Ausnutzung bestehender Verhütungsmethoden und Verletzung getroffener Abreden unter Umständen sogar als sittenwidrig einzustufen ist, den eben doch "Geschädigten" nicht zu Ersatzansprüchen berechtigen soll. Anknüpfungspunkt ist hier weder der biologische Kausalverlauf noch die rechtlich geschützte Einheit der Familie, sondern vielmehr ein jenseits dieser Wertungen verlaufendes schädigendes Verhalten. Eine Schadensersatzforderung des getäuschten Ehemannes soll hier weder die Konzeption des Unterhaltsrechts sprengen noch den Lebensbereich Familie ignorieren. Sie ist lediglich Reaktion auf ein Verhalten, daß sich über diese Kategorien gerade hinwegsetzt und aus eigenen Wertmaßstäben zu beurteilen ist. 364 Ramm, Familienrecht I, § 30 I, der aus diesem verfassungsrechtlichen Leitbild der Ehe weitreichende Konsequenzen zieht: "Der Rückgriff auf das verfassungsgemäße Leitbild der Ehe verbietet es, den Ehegatten, der gegen den Willen des anderen die Zeugung des Kindes herbeiführt, mit der alleinigen Unterhaltspflicht zu belasten. Diese Lösung, die sowohl die Vergewaltigung der nicht getrennt lebenden Ehefrau als auch die arglistige Täuschung und widerrechtliche Bedrohung des anderen Ehegatten einschließt, schützt zugleich die Intimsphäre der Ehegatten." 365
Ramm, JZ 1989, 861 , 863.
366
Roth-Stielow, IR 1987, 7, 9.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Die Position Ramms wirkt hier insofern widersprüchlich, als er auf der einen Seite eine (zu) strikte Trennung von Sexualität und Fortpflanzung vornimmt und auf der anderen Seite von einer wechselseitigen Bedingung von Ehe und Kindem ausgeht. Zur Ablehnung von Schadensersatzansprüchen aber auf die enge Verbindung von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG hinzuweisen, welche den individuellen Wunsch eines Ehepartners auf EmpfangDisverhütung als unbeachtlich erscheinen lasse, weil die rechtliche Institution der Ehe auch wegen daraus hervorgehender Kinder gerechtfertigt werde, überzeugt heute nicht mehr. Denn Ehe und Kinder bedingen sich gerade nicht mehr selbstverständlich. Wer heiratet, möchte deswegen nicht auch zwingend Mutter oder Vater werden. Hier müßte die gleiche Trennung erfolgen wie bei sexueller Betätigung und Zeugung von Nachkommen. Daher kann ein Verhalten eines Ehepartners, der sich durch Täuschung über den Wunsch des anderen nach Fortpflanzung oder Kinderlosigkeit hinwegsetzt, nicht als rechtlich unbeachtlich qualifiziert werden. Zwar erscheint im Bereich der Intimsphäre ein behutsamer Umgang mit den Vorschriften des Deliktsrechts angezeigt, ein völliger Ausschluß läßt sich auf diese Weise aber nicht rechtfertigen. Auch Intimpartner haben sich an die durch die Normen des Deliktsrechts aufgestellten "Spielregeln" zu halten367 • b) Kein Ausschluß aufgrund der Interessen des Kindes Der Bundesgerichtshof lehnt die Anwendung des Deliktsrechts des weiteren mit dem Hinweis auf die Interessen des Kindes (im entschiedenen Fall eines Sohnes) ab: "Er (der Sohn, Verf.) nimmt dabei naturgemäß in allen seinen Lebensbedingungen an den Lebensverhältnissen der Mutter und ihrem Lebensstandard teil. Wegen des Schadensersatzverlangens des eigenen Vaters müßte er daher bis zum Ende seiner Unterhaltsbedürftigkeit erhebliche persönliche, psychische und wirtschaftliche Beeinträchtigungen erleiden. Das Kind müßte die finanzielle und seelische Belastung der Mutter miterleben und mitempfinden. Besonders schwerwiegend wären diese Auswirkungen im Falle einer zwangsweisen Seitreibung des Anspruchs gegen die Mutter. Möglicherweise würde diese durch ihre im Ergebnis doppelte Unterhaltslast auch zu einem beruflichen Einsatz veranlaßt, der die Belange des Kindes nicht mehr wahrt. Einem Kind, dessen Mutter derartigen seelischen und finanziellen Belastungen ausgesetzt ist, werden die Ursachen dafür nicht verborgen bleiben. Die damit notwendigerweise verbundene Erkenntnis des Kindes, daß es durch seine eigene Exi-
367
Ähnlich Fehn, JuS 1988, 602, 603.
1. Kap. § 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach§ 823 BGB
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stenzeine Haftung der Mutter gegenüber dem Vater ausgelöst hat, betrifft das Kind in der ihm zukommenden Menschenwürde. "368 aa) Daß dem Kind das Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG zukommt, steht außer Zweifel. Daß dieses Grundrecht aber das Verhältnis zwischen Vater und Mutter zu beeinflussen vermag, widerspricht heutiger Grundrechtsdogmatik. Grundsätzlich sind die Grundrechte staatsgerichtet, im Privatrecht gelten sie nur ausnahmsweise direkt369 • Dort erlangen sie ihre Geltung mittelbar durch Generalklauseln und allgemeine gesetzliche Wertentscheidungen370 • So können zwar Grundrechte Privatrechtsbeziehungen beeinflussen, jedoch stets nur die des Grundrechtsträgers zu anderen Rechtssubjekten, nicht aber die Dritter. Die Grundrechte des Kindes können somit seine Beziehungen zu anderen prägen. Für die Bestimmung des zivilrechtliehen Verhältnisses zweieranderer Personen- hier von Vater und Mutter- kann die Menschenwürde des Kindes nicht herangezogen werden. "Wenn der Bundesgerichtshof anderer Auffassung ist, ist dies ersichtlich ergebnisorientiert, dogmatisch hingegen nicht haltbar. "371 Somit vermag für den vorliegenden Fall die Menschenwürde des Kindes einen Ausschluß des Deliktsrechts für das Verhältnis der Eltern untereinander nicht zu rechtfertigen372 • bb) Doch auch die vom Bundesgerichtshof angeführten wirtschaftlichen und psychischen Interessen des Kindes, die eine deliktische Haftung der Mutter ausschließen sollen, sind kein zwingendes Erfordernis der Billigkeit. Die Teilhabe eines Kindes an den inneren und äußeren Verhältnissen seines sorgeberechtigten Elternteils ist Folge einer jeden Trennung seiner Eltern, aber nach geltendem Recht kein deliktsrechtlicher Haftungsausschließungsgrund373. Der Hinweis auf die "doppelte Unterhaltslast" der Mutter betrifft die Frage der Durchsetzung von Ansprüchen, kann aber auf die Anwendbar-
368
BGH NJW 1986, 2043, 2045.
369
So Art. 9 Abs. 3 GG.
370 Das BVerfG hat in NJW 1987, 827, 827 eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte abgelehnt. Zur herrschenden Theorie der mittelbaren Drittwirkung vgl. BVerfG NJW 1990, 1469, 1470; Wiedemann, IZ 1990, 695, 696. Siehe auch oben § 2, Fn. 312. 371 So Fehn, JuS 1988, 602, 604, der des weiteren darauf verweist, daß sich dieses Ergebnis bereits aus der inter-partes-Wirkung des Zivilurteils ergebe, die darauf basiere, daß eben nur die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien judiziert würden, was bedeute, daß das Gericht als Träger hoheitlicher Gewalt lediglich die Grundrechtsbeziehungen zu Kläger und Beklagtem zu beachten habe. 372 So im Ergebnis Schlund, IR 1986, 455, 456; zustimmend Roth-Stielow, IR 1987, 7, 9. 373
Roth-Stielow, IR 1987, 7, 9 .
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
keit von Anspruchsgrundlagen keinen Einfluß haben374 • Der Vater strebt den Ersatz des Unterhalts an, den er an das Kind geleistet hat375 • Ist die Mutter zahlungsunwillig oder -unfähig, so trägt der Mann dieses Risiko, da er stets vorleistungspflichtig ist. Ist die Mutter zur Erstattung nicht in der Lage, so wird sie nicht- unter Vernachlässigung der Sorge für das Kind -zur Aufnahme einer Arbeit verpflichtet, da dies im Widerspruch zu ihrer Sorgepflicht stände376 • Der Fall der Unzumutbarkeit tritt daher gar nicht ein377 • Es sollte dabei auch nicht vergessen werden, daß es die Frau war, die durch Täuschung ihres Ehemannes die Geburt des Kindes durchgesetzt hat. Wenn sie nun die Konsequenzen ihres Verhaltens zu tragen hat, so bedeutet das noch keine Beeinträchtigung der rechtlichen Interessen des Kindes378 • cc) Es kann auch nicht überzeugen, daß es für die Psyche des Kindes von größerem Nachteil sei, zu erfahren, daß es von seinem Vater unerwünscht war, als für die Kinder, die in den Fällen fehlgegangener Sterilisation später begreifen, daß sie von beiden Eltern nicht gewollt waren. Die Erkenntnis des ursprünglich nicht Erwünschtseins ist nie leicht, unabhängig davon, ob dies von einem oder beiden Elternteilen so empfunden wurde. Des weiteren ist es nicht die Existenz des Kindes, die den Ersatzanspruch des Vaters ausgelöst hat379 , sondern das Fehlverhalten seiner Mutter gegenüber seinem Vater.
374
Fehn, JuS 1988, 602, 604.
375 Schlund, JR 1986, 451, 456, spricht hier von einem "Wiederholen" der vom Mann an das Kind entrichteten Unterhaltsbeträge. 376 Dieser Grundsatz wurde bereits im Rahmen der Härteklausel des § 1579 Nr. 6 BGB zur Minderung des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann dargestellt. Dort wurde festgestellt, daß die Betreuung des Kindes durch den zugewiesenen Elternteil nicht durch dessen Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit beeinträchtigt werden soll, vgl. oben § l.VI.3.b. So würde auch hier der Mutter das Existenzminimum belassen, damit eine unzumutbare und sich nachteilig auf das Kind auswirkende "doppelte Unterhaltslast" der Mutter eben erst gar nicht entstände. 377
Vgl. dazu auch Fehn, JuS 1988, 602, 604, Fn. 29.
378 Fehn, JuS 1988, 602, 604. Für Ramm, JZ 1989, 861, 866, Fn. 45, ist das abstrakte Argument, die Mutter werde das Kind aufgrund der Regreßforderung des Mannes vernachlässigen, "als bloße Rechtsbehauptung nicht ernst zu nehmen". 379 So aber BGH NJW 1986, 2043, 2045. In den Sterilisationsfällen hebt der BGH dagegen immer deutlich hervor, daß nicht das Kind, sondern die entstandene Unterhaltsverpflichtung der Schaden sei, und daß dieser nicht aufgrund der Existenz des Kindes, sondern aufgrundeiner vertraglichen Fehlleistung entstanden sei.
1. Kap. § 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach§ 8238GB
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3. Ergebnis Für den Fall des abredewidrigen Absetzens von Verhütungsmitteln durch die Ehefrau ist eine Anwendung der deliktsrechtlichen Haftungsnormen grundsätzlich weder durch Normen des Familienrechts, noch aufgrund der Intimsphäre der Partner oder der Belange des Kindes ausgeschlossen. Es ist somit zu untersuchen, ob das Verhalten der Ehefrau die Verletzung eines absolut geschütztes Rechts oder Rechtsguts (Abs. 1) oder eines Schutzgesetzes (Abs. 2) darstellt.
ll. § 823 Abs. 1 BGB 1. Geschützte Rechtsgüter a) Bei Zeugung und Geburt eines Kindes kommt es weder zu einer Verletzung des Lebens noch der Gesundheit des Mannes. Auch eine Körperverletzung scheidet aus. In diesem Zusammenhang soll kurz erwähnt werden, daß der Bundesgerichtshof bei der Vernichtung konservierten Spermas, das der Spender hatte einfrieren lassen, um sich für eine vorhersehbare Unfruchtbarkeit die Möglichkeit zu erhalten, eigene Nachkommen zu haben, einen Anspruch auf Schmerzensgeld unter dem Gesichtspunkt der Körperverletzung bejahte380 . Dabei legte der 6. Zivilsenat den Begriff der Körperverletzung weit aus: Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB sei "nicht die Materie, sondern das Seinsund Bestimmungsfeld der Persönlichkeit, das in der körperlichen Befindlichkeit materialisiert ist. ( ... ) Die Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB schützt den Körper als Basis der Persönlichkeit. "381 So wie aus dem Körper ausgegliederte Organe, die zur Bewahrung der Körperfunktion mit diesem später vereinigt werden (zum Beispiel die zur Befruchtung entnommene Eizelle), auch während der Trennung vom Körper unter den Schutz des Körpers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB fallen, diene auch das konservierte Sperma zur einzig möglichen Realisierung der körperlichen Funktion der Zeugung eigener Nachkommen, was eine zumindest entsprechende Anwendung der deliktsrechtlichen Schutznormen bewirke382.
380 BGHZ 124, 52 ff. 381 BGHZ 124, 52, 54. 382 BGHZ 124, 52, 56. Zustimmend Schnorbus, JuS 1989, 830, 834.
110 1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder Auch in der hier zu prüfenden Fallkonstellation war das Sperma des Mannes nach dessen Wunsch nicht zur Zeugung von Nachwuchs bestimmt, so daß durch die "Zweckentfremdung" seitens der Ehefrau das "aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgende Selbstbestimmungsrecht des Rechtsträgers für das Schutzgut Körper" 383 verletzt sein könnte. Erscheint aber das Urteil des Bundesgerichtshofs an sich schon kritikwürdig384 , so ist die Situation dort mit der hiesigen auch nicht vergleichbar. Wird auch die Zweckbestimmung des Spermas durch den Ehemannaufgrund des Verhaltens der Ehefrau vereitelt, so ist es gerade nicht eine Körperfunktion des Mannes, die durch FremdeiDwirkung beeinträchtigt wird, sondern diese hat sich aufgrund des Verzichts auf Maßnahmen, die sie unterdrücken sollten, gerade verwirklicht. Allein die Verhinderung der Selbstbestimmung bezüglich eigener Körperfunktionen vermag nicht den Tatbestand der Körperverletzung zu verwirklichen385. Das bedeutete die Aufgabe der Unterscheidung zwischen Schutz der Handlungsfreiheit und Bestandsschutz für Güter, wird doch nur letzterer von § 823 Abs. 1 BGB erfaßt386. Der nächste Gedanke wäre sonst, bei heimlicher EmpfangDisverhütung durch die Frau eine Körperverletzung des Mannes zu bejahen, was nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zumindest bei einem - zum Beispiel aufgrund eines bevorstehenden operativen Eingriffs - letzten möglichen Zeugungsakt nicht mehr fern läge. Im vorliegenden Fall ist eine Körperverletzung somit nicht gegeben. b) Faßt man unter den Begriff der "Freiheit" ausschließlich die körperliche Bewegungsfreiheit387 und nicht die allgemeine Handlungsfreiheit388 , so ist auch dieses Rechtsgut nicht betroffen.
383 BGHZ 124, 52, 54. 384 So kritisieren Laufs!Reiling, NJW 1994, 775, 775 f., unter anderem z. B. die mangelnde Klarheit in der Unterscheidung zwischen Verletzung des Körpers und der Persönlichkeit. Für Rohe, JZ 1994, 465, 467 f., sind die Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruchs nicht gegeben. 385 Auf die Abweichung der BGH-Ansicht vom strafrechtlichen Integritätsschutz verweisen Laufs!Reiling, NJW 1994, 775, 775; ähnlich Rohe, JZ 1994, 465, 466. 386 Deliktsnormen beschränken die Handlungsfreiheit, dienen aber nicht dazu, diese selbst als Rechtsgut zu schützen; so Mertens, PamRZ 1969, 251, 252; Selb, JZ 1971, 201, 208; Laufs!Reiling, NJW 1994, 775, 776. 387 So z. B. Staudinger/Schäfer, § 823 Rz. 44; AK-BGB/Joerges, § 823 I Rz. 10; RGRK/Steffen, § 823 Rz. 14; a. A.: Palandttrhomas, § 823 Rz. 6: auch Nötigung zu einer Handlung durch Drohung, Zwang oder Täuschung; ebenso MünchKomm/Mertens, § 823 Rz. 64. 388 OLG München OLGZ 1985, 466, 467.
1. Kap. § 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach§ 823 BGB
111
c) Die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt beeinträchtigt zwar das Vermögen des Vaters, stellt aber keine Verletzung des Eigentums im Sinne der Vorschrift dar. Es bleibt die Möglichkeit der Verletzung eines sonstigen Rechts. 2. Sonstiges Recht a) Kein absolutes Recht aus der Ehe selbst aa) Zwar begeht die Ehefrau hier eine Eheverfehlung, doch bleibt diese eheintern; es liegt keine Verletzung der Ehe durch Ausbruch aus derselben vor, wie dies beim Ehebruch der Fall ist, bei dem stets eine Drittbeteiligung erforderlich ist. Daher ist an dieser Stelle auf den deliktischen Schutz der Ehe bei Ehestörung - gekennzeichnet durch die Diskussion um ein absolutes Recht der Ehegatten "auf ungestörten Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft" - nicht einzugehen. bb) Bei einer rein eheinternen Verletzung einer ehelichen Pflicht kann nicht durch die Gewährung eines Ersatzanspruchs die Rechtsposition des Anspruchs auf ehegemäßes Verhalten im Sinne von § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB zu einem absoluten Recht aufgewertet werden. Die Position der Ehepartner untereinander genießt keinen so weiten Schutzbereich und wird auch im allgemeinen Bewußtsein nicht als unerlaubte Handlung angesehen389. b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Zu denken wäre an die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welches als "sonstiges Recht" in§ 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist390 . aa) Mißachtung der Person des Ehemannes In der Diskussion um das abredewidrige Absetzen von Verhütungsmitteln durch die Ehefrau wird darauf verwiesen, daß der Mann hier von seiner Frau als bloßes Instrument der Fortpflanzung benutzt werde, was gegen seine personale Würde und somit gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoße 391 . Diese Mißach389 Vgl. Deutsch, FS-Gernhuber, S. 590. 390 Seit BGHZ 13, 334, 338. 391 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31; Roth-Stielow, JR 1987, 7, 8.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
tung der Person des Ehemannes wird jedoch nicht als Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts betrachtet, um als Verletzung eines sonstigen Rechts eine Schadensersatzverpflichtung nach § 823 Abs. 1 BGB auszulösen392. Dem ist zuzustimmen, denn auch wenn unter dem Blickwinkel der lnstrumentalisierung des Mannes das Verhalten der Ehefrau eine Mißachtung seiner Persönlichkeit darstellt, kann dies nicht als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts- mit der Folge eines Schadensersatzanspruchs des "verletzten" Ehegatten - angesehen werden. Es erscheint nicht zweckmäßig, mit der Universalwaffe des Persönlichkeitsrechts jegliche Beeinträchtigung des Personseins zu sanktionieren. Das hätte zur Folge, daß der Begriff des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgeweicht und zu unbestimmt würde, was die Gefahr einer grenzenlosen Anwendung bedeutete. Des weiteren ist zu bedenken, daß das Vorgehen der Frau im Intimbereich beider Eheleute stattgefunden hat, welcher für beide sehr persönlichkeitsintensiv ist. Hier vorschnell eine staatliche Intervention zuzulassen, um den einen Partner gegen den anderen auszuspielen, widerspräche gerade diesem einheitlichen, dem staatlichen Zugriff grundsätzlich verschlossenen Intimbereich. Die Ausnutzung des Ehemannes als "Mittel zum Zweck", der Mißbrauch desselben "als "Objekt" zur Durchsetzung höchst egoistisch bestimmter Wünsche"393, bewirkt für ihn keinen Schadensersatzanspruch gegenüber seiner Ehefrau aus§ 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als sonstiges Recht. bb) Das Recht auf Familienplanung Darüber hinaus wäre eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter dem Aspekt eines "Rechts auf Familienplanung" 394 denkbar. Versteht man unter der Idee eines "Rechts auf Familienplanung" sowohl die positive Freiheit, sich fortzupflanzen als auch die negative Freiheit, sich nicht fortzupflanzen395, so wäre der Ehemann hier in seiner negativen Fortpflanzungsfreiheit beeinträchtigt. Durch das Absetzen der Pille verletzt die Ehefrau die Entscheidungsfreiheit ihres Mannes, sein Sperma nicht zur Befruchtung einzusetzen. Wegen der großen Bedeutung von eigenen Nachkommen für die Entfal392 Vielmehr bejahen MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31, und Roth-Stielow, JR 1987, 7, 8, im Ergebnis eine Schadensersatzverpflichtung aus§ 826 BGB.
393 Roth-Stielow, JR 1987, 7, 8 . 394 So erstmals Giesen, FamRZ 1970, 565, 569. 395 Vgl. Ramm, JZ 1989, 861, 861 f.
1. Kap. § 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach§ 823 BGB
113
tung der eigenen Persönlichkeit wäre hier an einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form eines Rechts auf Familienplanung zu denken. Dieser Begriff entstand in der Diskussion um den Apothekerfall 396 und die Sterilisationsfälle397 • Er beinhaltet das Recht der Eltern zu entscheiden, ob und wann sie eigene Nachkommen erzeugen und empfangen wollen. Es ist stark umstritten, ob ein solches Recht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB anzuerkennen ist. In der Literatur gibt es Stimmen, die ein allgemeines Recht auf Familienplanung direkt als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bezeichnen398 , während andere dieses als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einordnen399 • Überwiegend wird aber ein solches Recht abgelehnt4°0 • Während es der Bundesgerichtshof anfangs noch offenließ, ob für die Bestimmungsfreiheit bei der Familienplanung ein besonderes Schutzrecht aus der Verfassungsgarantie der Familie oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgeleitet werden könne401 , lehnte er später ein "Recht auf Familienplanung" als Ausstrahlung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab402 • Zwar werde bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine schmerzensgeldähnliche Entschädigung gewährt. Doch sei diese auf den Bereich des Ehrenschutzes beschränkte Rechtsprechung nicht auf die Fälle auszudehnen, in denen eine die Persönlichkeit betreffende Entscheidung nur faktisch vereitelt werde. In all den in diesem Zusammenhang diskutierten Konstellationen waren es stets Dritte403 , die den gemeinsamen Wunsch beider Elternteile zur Familienplanung durch ihr "Fehlverhalten" durchkreuzten. Die Partner des Geschlechtsverkehrs waren sich über die Zeugung oder Verhinderung von Nachkommen einig und standen als "Einheit" einem Dritten gegen396
LG Itzehoe FamRZ 1969, 90 f.
397 Die grundlegenden Entscheidungen dazu sind BGHZ 76, 249 ff. und BGHZ 76, 259 ff. 398 Fischer, JuS 1984,434, 437 f.; Harrer, DAVorm 1990, 509, 515 f.; Ramm, JZ 1989, 861, 866, 874. 399 Heldrich , JuS 1969, 455, 461; Lankers, Fam.RZ 1969, 384, 385; Giesen, FamRZ 1970, 565, 569; Ennan/Schiemann, § 823 Rz. 18; ders., JuS 1980, 709, 711 f.; Schünemann, JZ 1981, 574, 576; Diederichsen, VersR 1981, 693, 696. Wohl auch Roth, PuR 1993, 305, 309 f. 400 Palandt!Thomas, § 823 Rz. 17, 196; wohl auch Staudinger!Schäfer, § 823 Rz. 14 ("doch ist dies problematisch"); MünchKomm!Mertens, § 823 Rz. 62; ders.: FamRZ 1969, 251, 252 f.; Reinelt, Fam.RZ 1970, 572, 575; Selb, JZ 1971, 201, 207 f.; Roth, NJW 1994, 2402, 2403, Fn. 22; OLG Karlsruhe NJW 1979, 599, 601; OLG Düsseldorf NJW 1992, 1566, 1567; OLG Frankfurt NJW 1993, 2388, 2389. 401
BGHZ 76, 259, 261.
402
BGHZ 86, 240, 249.
403 Apotheker, die statt Antikonzeptiva andere Präparate ausgaben; Ärzte, denen Sterilisationen und Abtreibungen mißlangen oder die die Möglichkeit einer indizierten Abtreibung übersahen. 8 Wanke
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
über, der durch sein Eingreifen ihren Wunsch vereitelt hatte. Bereits in diesen Situationen erscheint die Anerkennung eines Rechts auf Familienplanung bedenklich. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt einen Bestandsschutz, aber keinen Schutz der Aktionsfreiheit404 • Die allgemeine Handlungsfreiheit unterfallt daher nicht dem Schutz des § 823 Abs. 1 BGB405 . Ein Recht auf Familienplanung würde aber nichts anderes bedeuten als ein Recht auf freie Entschließung, denn es ist lediglich die freie Willensbetätigung, die hier berührt ist, nicht aber ein Bestandteil der Persönlichkeit. Eine Beeinträchtigung der elterlichen Entscheidungsfreiheit wird allein noch nicht von § 823 Abs. 1 BGB erfaßt. Um die vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen deliktsrechtlichen Schutzes letztlich nicht uferlos auszuweiten406 , erscheint die Anerkennung. eines Rechts auf Familienplanung für den vorliegenden Fall noch fraglicher. Hier nämlich ist die Situation eine andere. Die am Geschlechtsverkehr beteiligten Ehepartner sind sich in der Frage gemeinsamer Nachkommenschaft nicht einig. Es ist aber gerade der Zeugungsakt, der die Frage nach Familienplanung erst aufwirft. Die Folgen desselben - die aufgrund nicht ganz unbeachtlicher "Versagerquoten" antikonzeptioneller Mittel grundsätzlich nicht mit letzter Sicherheit steuerbar sind - müssen die Partner, die sich bis zu diesem Grad aufeinander eingelassen haben, unter sich ausmachen. Sie können sich in diesem einheitlichen Vorgang nicht gegenseitig ein Fehlverhalten vorwerfen, dessen Folgen dann mit den Mitteln des Deliktsrechts ausgeglichen werden sollen. Die Ziele innerehelicher Absprachen und Entscheidungen sind nicht durch das Deliktsrecht geschützt4°7 • Geschlechtspartner, die freiwillig miteinander verkehren, stehen sich nicht wie Dritte gegenüber, sondern sind Subjekte eines einheitlichen Intimbereichs. Aus diesem können die Partner nicht absolute Rechtspositionen gegeneinander ableiten. Es darf hierbei nicht vergessen werden, daß jede Ausweitung des § 823 Abs. 1 BGB gleichzeitig eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit bedeutet. Daher kann der Ehemann gegenüber seiner Ehefrau keinen Anspruch wegen Verletzung eines Rechts auf Familienplanung geltend machen.
404
Mertens, FamRZ 1969, 251, 252 f.; Selb, JZ 1971, 201, 207.
405
Vgl. Laufs!Reiling, NJW 1994, 775, 776.
406
So zuletzt OLG Frankfurt NJW 1993, 2388, 2389.
407
RGRK/Steffen, § 823 Rz. 68.
1. Kap. § 3. Deliktische Verantwortlichkeit der Ehefrau nach§ 823 BGB
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m. § 823 Abs. 2 BGB Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB müßte die Ehefrau gegen ein Schutzgesetz im Sinne der Vorschrift verstoßen haben. Denkbar erscheint hier allein ein Betrug der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann gemäߧ 263 StGB. Nach Absetzen des Verhütungsmittels hat die Frau eine von ihr verursachte Fehlvorstellung ihres Mannes über die Empfangnisverhütung pflichtwidrig aufrechterhalten. Damit hat sie ihn getäuscht. Durch diese Täuschung müßte der Ehemann zu einer Vermögensverfügung veranlaßt worden sein. Seine spätere Unterhaltsleistung stellt zwar eine Vermögensverfügung dar, doch muß die Verfügung durch den Irrtum verursacht werden. Das täuschungsbedingte Verhalten des Opfers muß also selbst unmittelbar eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne herbei führen408 . Das aber ist hier nicht der Fall. Der Mann verzichtet aufgrund seines Irrtums lediglich auf Verhütungsmaßnahmen. Der ungeschützte Geschlechtsverkehr mindert noch nicht sein Vermögen. Nicht jeder Geschlechtsakt bewirkt eine Zeugung und nicht jede Zeugung führt zu einer Geburt. Die Unterhaltspflicht ist aber nicht an den Geschlechtsverkehr, sondern an die Geburt geknüpft. Es fehlt daher an der für den Betrugstatbestand erforderlichen Unmittelbarkeit der Vermögensverfügung409. Diese ist auch nicht gegeben, wenn man hier von einer Vermögensgefährdung ausgeht. Zwar reicht zur Erfüllung des Betrugstatbestands eine Vermögensgefährdung aus, und bedeutet die erhöhte Möglichkeit der Geburt eines Kindesaufgrund fehlender Verhütungsmaßnahmen eine Gefährdung des Vermögens des Mannes. Doch es fehlt auch hier an der Unmittelbarkeit, denn eine Vermögensgefährdung steht nur dann einer Vermögensminderung gleich, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung schon eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage darstellt4 10. Die gegenwärtige Vermögenslage des Mannes ist aber im Moment des ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht gefahrdet. Die erforderlichen Zwischenschritte der Zeugung und der Geburt, deren Eintritt nicht sicher ist, unterbrechen die Unmittelbarkeit zwischen Täuschung und Vermögensverfügung. Täuschungsbedingt ist allein das Sicheinlassen des
408
BGHSt 14, 170, 171 f.
409 Fehn,
JuS 1988, 602, 605.
410 BGHSt 21, 112, 113.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Mannes auf ungeschützten Geschlechtsverkehr, der selbst keine Vermögensverfügung darstellt411 • Ist somit der Tatbestand des § 263 StGB nicht erfüllt, entfällt ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB.
§ 4. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB Eine weitere Möglichkeit eines deliktischen Schadensersatzanspruchs bietet die Norm des § 826 BGB. Daß die Verletzung familienrechtlicher Pflichten auch einen Deliktstatbestand erfüllen kann, und daß auch bei Identität von Eheverfehlung und deliktischer Handlung unter Umständen ein Schadensersatzanspruch aus Delikt zugestanden wird, wurde bereits erörtert. Als Generalklausel ergänzt § 826 BGB den deliktsrechtlichen Grundtatbestand des § 823 BGB und ist nicht auf bestimmte Lebensgüter beschränkt"12 • Wenn auch in Fällen eines begangenen Ehebruchs die Vorschriften des Eheund Familienrechts die allgemeinen Deliktsansprüche wegen dessen Folgen verdrängen, so schließt dies nach allgemeiner Meinung doch nicht aus, daß bei Hinzutreten weiterer schädigender Umstände die besondere Deliktsregel des § 826 BGB als eine Rechtsnorm "höherer Art" zur Anwendung kommen kann413 • Dies gilt auch für die innereheliche, geschlechtliche Beziehung zwischen den Ehegatten, wenn der sich sittenwidrig schädigend verhaltende Ehegatte mit - gegebenenfalls bedingtem - auf eine Schadenszufügung gerichteten Vorsatz bandelt-414 • Für eine Anwendung des § 826 BGB müssen sich die Wertmaßstäbe für das Sittenwidrigkeitsurteil nicht aus der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern aus eigenständigen Wertungsbereichen ergeben415 •
411 Anders beurteilt sich die Situation, wenn die Frau einen Mann zur Vaterschaftsanerkennung bewegt. In einem solchen Fall erfolgen keine weiteren - unberechenbaren - Zwischenschritte wie Zeugung und Geburt, sondern die irrtumsbedingte Vaterschaftsanerkennung führt unmittelbar zur Unterhaltspflicht des Mannes , so daß der Betrugstatbestand erfüllt ist (vgl. dazu unten§ 11.11.2).
412
MünchKomm/Mertens, § 826 Rz. 1.
413
Soergel/Lange, § 1353 Rz. 41 ; Lüke, AcP 178 (1978), 1, 10 f.
414
BGH NJW 1990, 706, 708; RGRK!Steffen, § 826 Rz. 33.
415
RGRK/Steffen, § 826 Rz. 132.
1. Kap. § 4. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB
117
I. Die Diskussion um § 826 BGB
1. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Es wurde bereits dargestellt, daß der Bundesgerichtshof in einer nichtebeliehen Lebensgemeinschaft Ansprüche des Mannes aus unerlaubter Handlung gegenüber seiner Partnerin ablehnr'16 • Voraussetzung für eine derartige Haftung sei ein Verhalten, das sittlichen Grundvorstellungen und Ordnungsprinzipien des Gemeinschaftslebens widerspreche; ein solches Verhalten sei hier aber nicht gegeben. Unter Verzicht auf eine taugliche Begründung konstatiert der Bundesgerichtshof lediglich, daß bei Freiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs der Intimbereich nicht dem Deliktsrecht unterliege und auch Interessen des Kindes hier entgegenständen417 • Somit steht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dem Ehemann kein Schadensersatzanspruch - auch nicht gemäß § 826 BGB - gegenüber seiner Ehefrau zu. 2. Standpunkte in der Literatur Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stößt auch in der Frage deliktischer Ansprüche auf Kritik in der Literatur. Es wird allgemein anerkannt, daß ein Einverständnis über EmpfangDisregelung aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen von großer Bedeutung isr'18 • Gerade wer Leben verantworte, das heißt verantwortlich mit der Entstehung von Leben umgehe, müsse eine Abweichung von einem einmal getroffenen Einverständnis seinem Partner mitteilen, damit dieser wisse, ob er ein Kind verantworten wolle oder nichr'19 • Der Intimbereich sei besonders vertrauensintensi020 und werde durch die Absprache noch verdichtet. Die Frau wisse, daß ihr Mann ihr vertraue und sich somit auf sie verlasse; das Unterlassen der Mitteilung an den Partner stelle einen Vertrauensbruch daf421 .
416
Vgl. oben§ 3.1.2.a.
417
BGH NJW 1986, 2043, 2045.
418
Dunz, VersR 1986, 819, 819; Fehn, JuS 1988, 602, 603.
419
Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9.
420
Dunz, VersR 1986, 819, 819.
421
Fehn, JuS 1988, 602, 603 .
118
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
Aus dem Vertrauen des Ehemannes resultiere für die Frau eine Garantenstellung422, die es ihr verwehre, durch Schweigen ihren Mann zu täuschen.
Ramm postuliert in diesem Zusammenhang den allgemeinen Rechtssatz der Täuschungsfreiheit als ethisches Minimum der pluralistischen Gesellschaft im Hinblick auf das Menschenbild des Grundgesetzes, welches den Menschen nicht isoliere, sondern als Teil der Gesellschaft sehe423 • Wenn eine Vereinbarung für den Intimbereich grundsätzlich für notwendig und zulässig erachtet werde, dann könne es der Intimbereich nicht rechtfertigen, ein Lossagen davon dem Partner gegenüber zu verschweigen424 . Die Freiheit, sich von der Abrede der Kinderlosigkeit zu lösen, berechtige nicht dazu, den anderen Ehegatten gegen seinen Willen in die Elternschaft zu drängen425. Das Verhalten der Frau wird so gedeutet, daß sie durch ihre bewußte Täuschung den Mann unter Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG als bloßes Mittel und Instrument ihres höchst egoistisch bestimmten Fortpflanzungswunsches mißbrauche426 und ihn so in seiner personalen Würde verletze. Das Verschweigen sei eine hinterlistige Bestimmung des Mannes zur Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs427. Durch den Verstoß gegen ihre Garantenpflicht und die Mißachtung der Person des Mannes stehe das Verhalten der Frau derart in Widerspruch zu den sittlichen Grundvorstellungen und Ordnungsprinzipien des Gemeinschaftslebens, daß sich daran die Haftungsfolgen der §§ 823 ff. BGB knüpften428 . Daher erfüllt das Verhalten der Frau nach überwiegender Ansicht im Schrifttum den Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schadenszufügung, § 826 BGB429 . 422 Dunz, VersR 1986, 819, 820; Ramm, JZ 1986, 1011, 1012. 423 Ramm, JZ 1986, 1011, 1012. 424 Dunz, VersR 1986, 819, 820, der darauf verweist, daß man nach dieser Begründung sonst auch einen Mann nicht hindem könnte, bewußt auf die Verhütung von Schwangerschaft zu verzichten, die es aus gesundheitlichen, eugenischen oder sozialen Gründen unbedingt zu vermeiden gelte. Schließlich gebe es sogar - zum Beispiel nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten - Rechtspflichten zur geschlechtlichen Enthaltsamkeit. 425 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31. 426 Ramm, JZ 1986, 1011, 1012; MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31. 427 Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9. 428 Fehn, JuS 1988, 602, 603. 429 MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31, Dunz, VersR 1986, 819, 820; Fehn, JuS 1988, 602, 603; Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9; Ramm, JZ 1986, 1011, 1012.
1. Kap. § 4. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, §8268GB
119
Die Kritik an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs fällt im Schrifttum insgesamt aber keineswegs einheitlich aus, die Meinungen gehen in Begründung und Ergebnis auseinander. Es soll nun versucht werden, unter Einbeziehung dieser Diskussion eine differenzierte Lösung des Problems für Eheleute zu erarbeiten. II. Eigene Beurteilung
Das abredewidrige Absetzen der Verhütungsmittel durch die Ehefrau ohne Mitteilung an ihren Ehemann müßte eine vorsätzliche Schädigung desselben sein, die sich als Verstoß gegen die guten Sitten darstellt.
1. Gute Sitten a) Begriff Die Diskussion um die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt, daß sich in der Frage der sittenwidrigen Schädigung kein einheitliches Ergebnis aufdrängt. Ein Verstoß gegen die guten Sitten wird stets dann bejaht, wenn gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen wird430 • Diese Formel, die sich schon in den Motiven findet4 31 , trägt zur inhaltlichen Präzisierung allerdings wenig bei432 • Der Begriff der guten Sitten bedeutet weder Sittlichkeit im gesinnungsethischen Sinne433 , noch die Sitten im Sinne der tatsächlich geübten Konvention. Zwar sind für den Pluralismus einer demokratischen und freien Gesellschaft sozialethische Grundlagen unverzichtbar. Die Schwelle, ab welcher es der Gesellschaft zusteht, das Verhalten eines einzelnen mit einer zulässigen rechtlichen Sanktion zu belegen, liegt allerdings recht hoch, sind doch die Grundlagen eines gesellschaftlichen Konsenses wenig substantiiert. Wertungen, die unter Berufung auf den Sittenbegriff erfolgen, dürfen sich weder an höchstpersönlichen Vorstellungen noch an den Vorstellungen bestimmter Bevölkerungskreise ausrichten434 • Eine Orientierungshilfe gibt die verfassungsrechtliche Wertordnung als Ausdruck von in 430
RGZ 80, 219, 221; BGHZ 10, 228, 232; 69, 295, 297; BAG NJW 1976, 1958,
431
Motive, Bd. II, S. 727.
432
Larenz, BGB-AT, § 22 III a.
1958.
433 Sack, 434
NJW 1985, 761, 767.
Vgl. Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 218.
120
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
der Gemeinschaft lebendigen Wertvorstellungen435 • Die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen dienen hier als wichtige Erkenntnisquellen für die Grundwerte der Gemeinschaft, welchen Recht und Sitte verbunden sind436 • Es geht beim Begriff der guten Sitten im Rahmen des § 826 BGB nicht um ein moralisches Werturteil sittlichen Verhaltens, sondern um einen Grundbestand an Anständigkeit bei der Durchsetzung der eigenen Interessen gegenüber den anderen, der von der Gemeinschaft als maßgebender Wert ihrer Ordnung angesehen wird437 • Gegenstand eines Sittenwidrigkeitsurteils kann danach nur ein Verhalten sein, das im Widerspruch zur Idee der Gesamtrechtsordnung im Umgang mit Interessen anderer steht. Es geht also lediglich um den Schutz sittlicher Ordnungsprinzipien des Gemeinschaftslebens zur Aufrechterhaltung eines geordneten Zusammenlebens. Für das Ziel der Erlangung von Gerechtigkeit in der Gemeinschaftsordnung bedarf es eines ethischen Fundaments. Wird ein Verhalten als Unrecht am anderen empfunden, weil es bei der Durchsetzung eigener Interessen ein Minimum an Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen vermissen läßt, (welches von diesem als Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben erwartet werden darf), so sollen sich an dieses Verhalten Haftungsfolgen knüpfen. b) Beurteilungsgrundlagen Für zahlreiche Verhaltensweisen läßt sich auch heute noch eine Übereinstimmung in deren Beurteilung als sittenwidrig feststellen, wenn dies tendenziell auch immer schwerer wird. Da sich Auffassungen ändern können438 , unterliegen auch die sich aus den guten Sitten ergebenden Anforderungen einem Wandel439 • Gerade im Bereich des Ehe- und Familienrechts ändern sich die allgemeinen Anschauungen, werden überkommene Ansichten durch neue ersetzt. Gleichzeitig ist es nicht die Aufgabe des Rechts, unter Aufgabe bewährter Grundsätze alle Strömungen des Zeitgeistes aufzugreifen440 • Wenn es wie hier um die Zulässigkeit egoistischen Verhaltens im autonomen Entschei435
BVerfGE 7, 198, 206.
436
RGRK!Steffen, § 826 Rz. 18.
437
RGRK!Steffen, § 826 Rz. 15.
438 Vgl. z. B. die Rechtsprechung zum Mätressentestament, BGHZ 53, 369, 375, und zum Vertrag über Sterilisationen, BGHZ 67, 48,49 ff. 439
Palandt/Heinrichs, § 138 Rz. 10.
440 Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 213: "Die Rechtsfortbildung am Zeitgeist auszurichten, birgt die Gefahr, daß man subjektive Richtigkeitsvorstellungen oder Forderungen minoritärer Gruppen vorschnell mit den geistigen Strömungen der Zeit gleichsetzt. "
1. Kap. § 4. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB
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dungshereich von Ehe und Intimsphäre geht, sind die Wertvorstellungen des Grundgesetzes von besonderer Aussagekraft. c) Bewertungsfaktoren Die Sittenwidrigkeit ist aus dem Charakter, dem Zweck und dem Beweggrund der Handlung für jeden Einzelfall zu entnehmen441 . Als Generalklausel des Deliktsrechts bietet § 826 BGB keinen so klaren Tatbestand, daß bei Erfüllung von dessen Merkmalen die Norm sogleich eingriffe. Er dient gerade der Einzelfallgerechtigkeit; die präjudizielle Kraft richterrechtlicher Regeln ist hier als gering einzuschätzen442. Ein Sittenwidrigkeitsurteil ergibt sich in der Regel nicht allein aus einem Kriterium. Es ist meist das Zusammenwirken mehrerer negativer Faktoren, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ermitteln läßt. Als Elemente der Abwägung sind hier neben den Grundrechten die Abwehr von Freiheitsbeschränkungen und Machtmißbrauch, die Verhinderung groben Vertrauensbruchs sowie die Durchkreuzung verwerflicher Gesinnungen von Relevanz443 • Erst nach einer Gesamtwürdigung aller beteiligten Interessen vermag ein Verhalten als sittenwidrig beurteilt zu werden. In Fällen wie dem vorliegenden gilt es, das Interesse des einzelnen an der Verwirklichung seiner individuellen Freiheit und die Besonderheiten der familienrechtlichen Struktur, in der er sich befindet, in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen, einen gerechten Ausgleich zwischen Einzelund Familieninteresse zu finden. Die hier bisher dargestellte Diskussion muß daher als auf den konkret entschiedenen Fall bezogen und begrenzt und nicht für alle Fälle abredewidrigen Absetzens von Verhütungsmitteln geltend angesehen werden. Im folgenden sollen zwar die genannten Argumente berücksichtigt werden, doch soll die Erörterung von § 826 BGB unter Eheleuten losgelöst von diesem konkreten Einzelfall erfolgen.
441 Vgl. Palandt/Thomas, § 826 Rz. 3. 442 So MünchKomm/Mertens, § 826 Rz. 106. 443 So Erman/Schiemann, § 826 Rz. 4.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
2. Das Verhalten der Ehefrau als Verstoß gegen die guten Sitten a) Unterlassentrotz Handlungspflicht Ausgangspunkt für die Prüfung sittenwidrigen Verhaltens der Ehefrau ist auch hier nicht das Absetzen der Antikonzeptiva, sondern das Nichtinformieren des Ehemannes über diese Tatsache. Grundsätzlich kann die Sittenwidrigkeitsowohl in einem Tun als auch in einem Unterlassen bestehen, wobei im Falle der Unterlassung das Handeln einer sittlichen Pflicht entsprechen muß444 . Gebt man davon aus, daß die Eheleute über die Frage der Familienplanung und Empfängnisverhütung eine (ausdrückliche) Abrede getroffen haben, so wurde bereits oben daraus die eheliche Pflicht der Frau abgeleitet, im Falle des Abgehens von der Absprache den Ehemann zu informieren445 • Da eheliche Pflichten sowohl sittliche Pflichten als auch Rechtspflichten sind446 , steht der Charakter des Unterlassens der Möglichkeit, das Verhalten der Frau als sittenwidrig einzustufen, nicht entgegen. b) Verstoß gegen sozialethische Verhaltensanforderungen aa) Bewertungsrelevante Kriterien Aus der Rechtsordnung als Maßstab der Sittlichkeit lassen sich sozialethische Verhaltensanforderungen ableiten, bei deren Mißachtung ein Verhalten als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen werden kann447 • Mertens betont, daß vorwerfbar auch Verhaltensweisen seien, die zwar für sich genommen nicht ohne weiteres das Sittenwidrigkeitsurteil trügen, die aber bei der notwendigen Gesamtwürdigung erheblich ins Gewicht fielen. Dazu gehöre zum Beispiel die rücksichtslose Durchsetzung eigener Interessen auf Kosten des gemeinschaftlichen Interesses im Rahmen einer engen sozialen Gruppe, "untreues, unfaires, unredliches, gewissenloses und rücksichtslos egoistisches Verhalten im allgemeinen sowie die unsachliche und manipulative Einwirkung auf die Entschließungsfreiheit anderer" 448 •
444
BGH NJW 1963, 148, 149.
445
Vgl. oben§ l.V.3.b.
446
Vgl. oben§ l.III.
447 So MünchKomm/Mertens, § 826 Rz. 32; vgl. seine Aufzählung von Verhaltensanforderungen unter§ 816 Rz. 18 bis 33. 448
MünchKomm/Mertens, § 826 Rz. 32.
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Nach diesem Katalog einschlägiger Verhaltensumschreibungen ist mangeneigt, das abredewidrige und heimliche Vorgehen der Ehefrau ohne Umschweife als sittenwidrig zu bezeichnen. So wird in der Literatur auch erkannt, daß die Ehefrau eine bewußte Täuschung ihres Ehemannes begehe449 und ihn hinterlistig zur Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs bestimme450 , besser müßte es wohl lauten: zur Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs, ohne daß er seinerseits Verhütungsmaßnahmen ergreift. In der Tat erscheint das Verhalten der Ehefrau als eine "manipulative Einwirkung auf die Entschließungsfreiheit" ihres Mannes in Bezug auf dessen Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs oder dessen Verzicht auf Verhütungsmaßnahmen. Sie setzt ihre Fortpflanzungsinteressen auf Kosten des ehelichen Konsenses durch, und ihr Verhalten scheint daher untreu, unfair und rücksichtslos egoistisch zu sein. Dennoch vermögen diese allgemeinen Charakteristika vorwertbaren Verhaltens einen Sittenwidrigkeitsverdikt allein nicht zu begründen, "denn der hohe Wert der Freiheit in unserer Rechtsordnung bringt es mit sich, daß Rücksicht auf andere und Fairness ihnen gegenüber nicht zu den schlechthin zu wahrenden Grundwerten gehören können, sondern daß ein Verstoß gegen sie erst dann zivilrechtliche Sanktionen nach sich zieht, wenn das Maß an Unfaimess und Illoyalität nach einer Reaktion der Rechtsordnung "schreit" "451 • bb) Differenzierung nach vorehelicher Absprache Daß die Verwirklichung des Wunsches nach eigenen Kindem in einer Ehe aber nach einer rechtlichen Sanktion "schreit", erscheint in solch allgemeiner Form nicht vertretbar. Nicht jede Frau, die so verfährt, tut dies ohne eine Vorgeschichte allein aus verwerflicher Gesinnung. Stets bedarf ihr Verhalten einer umfassenden Würdigung in seinem sozialen Kontext452 • Dazu gehört nicht nur eine Berücksichtigung ihrer Beweggründe, sondern auch das Verhalten ihres Ehemannes. (1) Keine eindeutige Ablehnung von Nachkommen Haben die Eheleute vor ihrer Eheschließung die Frage der Nachkommenschaft nicht ernsthaft oder eindeutig erörtert, oder schlossen sie Kinder zu ei449
Ramm, JZ 1986, 1011, 1012.
450
Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9.
451
Erman/Schiemann, § 826 Rz. 4.
452
MünchKomm/Mertens, § 826 Rz. 41.
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nem späteren Zeitpunkt zumindest nicht aus - ging also die Frau davon aus, ihr Mann werde sich eines Tages ihrem Wunsch nach Kindem anschließen-, so gilt, wie bereits erwähnt, seine Weigerung ohne triftigen Grund als ehewidrig. Vielleicht war der Wunsch nach Nachwuchs für die Frau sogar eine wesentliche Motivationslage zur Eheschließung, die dem Mann entweder nicht bewußt war oder über die hinwegzugehen er von vomherein beabsichtigte. Sieht die Frau nun keine andere Möglichkeit, als durch bewußte Täuschung ihren Kinderwunsch zu verwirklichen, relativiert sich der Eindruck der Rücksichtslosigkeit. Zwar verhält auch sie sich durch Mißachtung der Position ihres Mannes ehewidrig, doch ist sein Verhalten dabei nicht als völlig unbeachtlich zu bezeichnen. Wie immer man das Handeln der Ehefrau beurteilt, vermag es unter solchen Umständen noch nicht den Grad der Sittenwidrigkeit zu erreichen. (2) Ausdrücklicher Ausschluß des Kinderwunsches Anders mag die Situation zu beurteilen sein, wenn die Eheleute bereits vor Eheschließung klar zum Ausdruck gebracht haben, daß sie keine Kinder haben wollen. Hier wußte die Frau von vornherein, woran sie war; ihr Ehemann konnte davon ausgehen, daß sie, wenn sie dennoch die Ehe mit ihm einging, die Kinderlosigkeit akzeptierte. Das Verhalten der Frau wirkt dann vorwerfbarer, sittenwidrig erscheint es aber noch immer nicht. Denn es bleibt zu bedenken, daß die Eheleute die Ehe bedingungslos eingehen(§ 13 Abs. 2 EheG), eine voreheliche Absprache der Kinderlosigkeit also keine "Bedingung" zur Eheschließung sein kann. Des weiteren wurde bereits festgestellt, daß eine verbindliche Festlegung der Eheleute auf den Verzicht auf eigene Nachkommen aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen gar nicht zulässig ist. Daher erscheint - trotz von Anfang an berechenbar klaren Willens des Mannes zur Kinderlosigkeit und des daraus resultierenden höheren Grades an Vorwerfbarkeit - das Verhalten der Frau über eine Eheverfehlung hinaus nach hier vertretener Auffassung nicht den Anforderungen eines Sittenwidrigkeitsverstoßes zu genügen. Eine andere Bewertung wäre aber dann zulässig, wenn die Ehefrau von vomherein nur deshalb auf Eingebung der Ehe drängt, um dann unter dem "Deckmantel" der Ehe, das heißt unter Bedingungen, die vom Mann ein größeres Maß an Hinnahme für ihn nachteiliger Umstände verlangen, ihre Ziele zu verwirklichen. Mögen solche Fälle planmäßigen Mißbrauchs der Ehe auch höchst selten sein, so wird daran deutlich, daß ein Sittenwidrigkeitsvorwurf nur in Ausnahmefällen zuzugestehen ist.
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c) Mißbrauch der Vertrauensstellung der Ehefrau aa) Eheverfehlung Es ist dem Schrifttum zuzustimmen, daß eine Absprache unter Partnern zur Familienplanung von besonderer Bedeutung ist, und nur ihre Einhaltung beziehungsweise das gemeinsame Bemühen um eine neue Einigung im Falle abweichender Standpunkte ein verantwortliches Handeln darstellt-453 • Es bedarf bei Eheleuten keiner besonderen Betonung des gegenseitigen Vertrauens im Intimbereich; die gesamte eheliche Lebensgemeinschaft ist geprägt von gegenseitigem Vertrauen, der Vertrauensgrundsatz ist der Maßstab für die Bestimmung des Umfangs ehelicher Pflichten454 . Für die Ehe aber findet er seinen positiv-rechtlichen Ausdruck in der Norm des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Ehefrau, die weiß, daß ihr Mann sich auf ihre Maßnahmen der Empfängnisverhütung verläßt und diesen dennoch bewußt darüber täuscht, bricht sein Vertrauen; sie setzt sich darüber hinweg. Des Begriffs der Garantenstellung455 bedarf es hier nicht, denn beide Eheleute genießen das Vertrauen des anderen456 . Zwar verlagert sich der Schwerpunkt des Vertrauens in den verschiedenen Lebensbereichen; je nachdem, welcher Ehepartner welche Aufgabe des gemeinsamen Lebens übernimmt, genießt er jeweils das Vertrauen des anderen. Das aber liegt in der Natur der Ehe und bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Sind das gegenseitige Vertrauen und die daraus resultierende wechselseitige Verantwortung bereits Inhalt des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB, so stellt ein Bruch dieses Vertrauens in erster Linie einen Verstoß gegen § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB dar. Das aber genügt allein noch nicht für einen Vorwurf der Sittenwidrigkeit im Rahmen des § 826 BGB. Zwar sind die Folgen dieser Ehepflichtverletzung durch die Frau sehr weitreichend, doch stellt allein der Mißbrauch ehelichen Vertrauens keinen Sittenverstoß dar. Der Mangel an ehelicher Gesinnung stellt über die Eheverfehlung hinaus keinen schädigenden Umstand dar.
453
Vgl. Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9.
454 Vgl. oben§ l.IV.6. 455 So Dunz, VersR 1986, 819, 820; Ramm, IZ 1986, 1011, 1012, für die Dichteheliche Lebensgemeinschaft. 456 Davon unabhängig ist die Garantenstellung der Eheleute für einander im Sinne des § 13 StGB, vgl. Staudinger!Hübner, § 1353 Rz. 48.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
bb) Sittenwidrige Inanspruchnahme von Vertrauen Ein über das Maß einer Eheverfehlung hinausgehendes sittenwidriges Verhalten der Ehefrau wäre eventuell dann gegeben, wenn sie sich von vornherein nur deshalb zur Übernahme der empfängnisverhütenden Maßnahmen bereit erklärte, um dies später für sich ausnutzen zu können. Eine Übernahme dieser Verantwortung mit dem Ziel, diese Position eines Tages gegen den Willen des Mannes zur Verwirklichung der eigenen Wünsche zu mißbrauchen, widerspräche in so eklatanter Weise den Anforderungen ehelichen aber auch allgemein menschlichen Zusammenlebens, daß in einer solchen Situation der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gerechtfertigt erscheint. d) Mißbrauch des Mannes als Instrument der Fortpflanzung? Es ist allgemein anerkannt, daß die Persönlichkeit des einzelnen ein überragendes Schutzgut unserer Rechtsordnung darstellt. Es überrascht daher nicht, daß nach Ansicht einiger Autoren die Ehefrau ihren Mann als bloßes Instrument ihres Fortpflanzungswillens mißbraucht habe, was im Widerspruch zu sittlichen Grundvorstellungen und Ordnungsprinzipien der Gemeinschaft stehe und somit sittenwidrig sei4 57. aa) Das äußere Verhalten Oben wurde im Rahmen der Erörterung des§ 823 Abs. 1 BGB eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowohl unter dem Aspekt des Rechts auf Familienplanung458 als auch der Instrumentalisierung des Mannes zur Fortpflanzung459 abgelehnt. Es steht außer Zweifel, daß der Ehemann, der gegen seinen Willen Vater wird, in seiner Persönlichkeit betroffen ist. Die Ehefrau mißachtet durch einen heimlichen Verzicht auf (weitere) Verhütungsmaßnahmen den Wunsch ihres Mannes. Sie "nutzt" den Geschlechtsverkehr nicht nur zum sexuellen Erlebnis, sondern zur Zeugung von Nachkommen; sie gibt ihm eine andere beziehungsweise eine weitere Bestimmung als ihr Ehemann. Jedes derartige heimliche Verhalten der Ehefrau aber als den Grundvorstellungen und Ordnungsprinzipien der Gemeinschaft widersprechend anzusehen, erscheint fraglich. 457 Ramm, JZ 1986, 1011, 1012; MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31; RothStielow, IR 1987, 7, 9. 458
Vgl. oben§ 3.11.2.b.bb.
459
Vgl. oben§ 3.11.2.b.aa.
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Die Ehe ist Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft460 . Zwar wird die Fortpflanzung heute nicht mehr als oberstes Ziel der Ehe angesehen, und auch (bewußt) kinderlose Ehen sind vollwertige Ehen461 , dennoch ist auch heute noch die eheliche Gemeinschaft der Bereich, in dem Kinder gezeugt werden462. Auch die gemeinsame Nennung von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG deutet auf den engen Zusammenhang beider Institute hin. Wollen Eheleute keine Kinder, so bleibt trotz immer perfekterer Verhütungsmethoden auch heute noch das "Restrisiko" einer Empfängnis; die Folge der Zeugung menschlichen Lebens läßt sich nicht vollständig ausschließen. In diesem Sinne ist wohl auch die Äußerung des Bundesgerichtshofs zu verstehen, daß zwei volljährige Partner "beim freiwilligen Geschlechtsverkehr nicht nur ihr sexuelles Bedürfnis befriedigen, sondern das Entstehen von Leben verantworten"463; damit beabsichtigt der Bundesgerichtshof, einen Schadensersatzanspruch eines Partners gegen den anderen für Unterhaltszahlungen an ein aus dieser Vereinigung entstandenes Kind generell auszuschließen. Natürlich sahen die Partner die Möglichkeit der Zeugung und wollten diese durch geeignete Maßnahmen verhindern. Indem die Ehefrau entgegen ihrem Versprechen Maßnahmen zur "Risikoverringerung" unterläßt, verstößt sie gegen den gemeinsamen Plan; doch es erscheint etwas übertrieben, darin sogleich eine Benutzung des Mannes als bloßes Instrument der Fortpflanzung464 zu sehen. Freiwilliger Geschlechtsverkehr ist geprägt durch beiderseitige Aktivität; beide Partner agieren als Subjekte. Diese Situation ist nicht vergleichbar mit Fällen von Vergewaltigung, Befruchtung im Schlaf (Narkose) und Samenentnahme im Schlaf oder gegen den Willen des Mannes zwecks Verwendung desselben zur künstlichen Befruchtung. Daß dort die Betroffenen ohne beziehungsweise gegen ihren Willen als Objekt und Instrument des Fortpflanzungswillens anderer in sittenwidriger Weise mißbraucht werden, steht außer Frage. Der freiwillige Geschlechtsverkehr unter Eheleuten, bei dem die Frau den Mann über mangelnde Verhütungsmaßnahmen im Unklaren läßt, um so doch zu einem gemeinsamen Kind zu kommen, kann aber nicht ohne weiteres den vorgenannten Beispielen gleichgestellt werden. Aus der ehelichen Geschlechtsgemeinschaft entsteht neues Leben. Dieses "Ergebnis", das der Ehemann hatte vermeiden wollen, hat sich zwar nicht aufgrund "technischen Versagens" oder Nachlässigkeit, sondern aufgrunddes 460 Staudinger!Hübner, § 1353 Rz. 27. 461 Vgl. oben § 1.111.1. 462 Soergel/Lange, § 1353 Rz. 11; Beitz)ce/Lüderitz, § 12 I 1, allerdings unter Hinweis auf den Wegfall des Leitbildes der Ehe mit Kindern; für Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 31, ist auch heute die Ehe auf die Zeugung von Kindem angelegt. 463 BGH NJW 1986, 2043, 2045. 464
MünchKomm!Wacke, § 1353 Rz. 31.
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bewußten und gewollten Verhaltens der Ehefrau realisiert. Das allein reicht aber für den Vorwurf sittenwidriger "Instrumentalisierung" des Ehemannes nicht aus. Im Rahmen der Prüfung des § 826 BGB ist stets eine umfassende Würdigung des Täterverhaltens geboten465 , wozu auch die besondere Berücksichtigung der Beweggründe zählt. Zwar gehört das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit nicht zum Tatbestand des § 826 BGB466 , dennoch ist die innere Haltung des Täters - hier also der Ehefrau - mitentscheidend467 • Ein verwerfliches Motiv allein ist zwar im allgemeinen nicht ausreichend, ein Verhalten als Verstoß gegen die guten Sitten erscheinen zu lassen, solange sich diese innere Einstellung nicht im äußeren Verhalten niederschlägt, doch es kann das Sittenwidrigkeitsurteil mittragen468 • Um das Verhalten der Ehefrau als einen sittenwidrigen Mißbrauch des Ehemannes als Instrument ihres Fortpflanzungswillens zu bezeichnen, kommt es auch auf ihre damit verfolgten Ziele an: bb) Die innere Einstellung und Motivation der Frau ( 1) Zeugung zur Familiengründung Möchte die Ehefrau die Ehe mit ihrem Ehemann und mit Kindem fortsetzen und erreicht sie dieses Ziel (nur) durch Täuschung des Mannes, so wird dieser gegen seinen Willen Vater. Dieses gegen die Absprache verstoßende Verhalten stellt eine Eheverfehlung dar. Zur Anwendung des § 826 BGB müßten aber weitere schädigende Umstände hinzutreten469 • Allein die Tatsache, daß aus der kinderlosen Ehe aufgrund des Willens der Frau - aber gegen den Willen des Ehemannes- eine Familie wird, reicht für den Vorwurf sittenwidriger Instrumentalisierung desselben nicht aus. Beide Ehegatten werden "gleichberechtigte" Eltern eines gemeinsamen Kindes, mit dem sie zusammenleben (können). Nicht nur die Ehefrau, sondern auch der Ehemann pflanzt sich hier fort; er wird Subjekt der Elternschaft, nicht aber bloß "Mittel zum Zweck" der Ehefrau. Grundsätzlich bleibt zu bedenken, daß für die Geburt eines Kindes immer die Eltern - moralisch und juristisch - verantwortlich sind470 , und zwar beide. Eine Einigung über die Vermeidung von Kindem und die Mög465
MünchKomm/Mertens, § 826 Rz. 41.
466
Staudinger/Schäjer, § 826 Rz. 66, 68.
467
Erman/Schiemann, § 826 Rz. 10.
468
RGRK!Steffen, § 826 Rz. 28.
469
Soergel/Lange, § 1353 Rz. 41; Lüke, AcP 178 (1978), 1, 10 f.
470
Roth, NJW 1994, 2402, 2403.
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lichkeit der Aufteilung der U rsächlichkeit für die Entstehung neuen Lebens kann im Falle des Verstoßes durch die Ehefrau, die hier ihren Wunsch nach eigenen gemeinsamen Kindem mit ihrem Ehepartner gegen dessen Willen verwirklichen will, nicht als Verstoß gegen sozialethische Anschauungen gewertet werden. Ist hier die Motivation der Frau allein der Wille zu gemeinsamer Elternschaft und Familie, so erscheint ihr Verhalten - auch wenn es den Ehemann zum "Vaterglück" zwingt-, nicht "für den redlichen Verkehr unerträglich und daher sittlich unstatthaft" 471 , so daß eine Beurteilung als sittenwidrig nicht getroffen werden kann. (2) Zeugung trotz Trennungsabsicht Anders stellt sich die äußerlich gleiche Situation dar, wenn die Ehefrau sich bereits mit der Absicht der Trennung von ihrem Mann trägt. Wird diese Situation auch nicht häufig sein, so ist doch durchaus denkbar, daß eine Ehefrau sich zwar von ihrem Mann trennen und scheiden lassen will, vorher aber noch ein Kind von ihm möchte. Sie kann davon ausgehen, im Falle der Scheidung das Sorgerecht für das Kind übertragen zu bekommen, während sich der Vater mit einem Umgangsrecht und der Zahlung von Unterhalt abfinden muß. Hier beabsichtigt die Ehefrau nicht die Begründung einer zusammenlebenden Familie mit gleichberechtigten rechtlichen Positionen von Mutter und Vater. Sie möchte das Kind - da sie beabsichtigt, den Mann zu verlassen - für sich; sie sieht es als ihr Kind an, nicht als ein gemeinsames. Die Rolle des Vaters beschränkt sich dabei fast ausschließlich auf die Zeugung und eine spätere "Zahlvaterschaft"472 • Zwar wollte der Ehemann ursprünglich kein Kind, doch selbst im Falle eines Sinneswandels hätte er kaum noch eine Möglichkeit zu verhindern, daß ihm das Kind von seiner Frau "entzogen" wird. In einer solchen Situation benutzt die Frau ihren Ehemann tatsächlich nur als "Mittel zum Zweck". Die Mißachtung seiner Persönlichkeit rechtfertigt in diesem Fall, ihr Verhalten als "hinterlistig" und im Widerspruch zur Idee der Gesamtrechtsordnung zum Umgang mit Interessen anderer stehend zu bezeichnen. Hier ist der Vorwurf der Sittenwidrigkeit zutreffend.
471 So die Formulierung des BGH in BGH NJW 1970, 657, 658, zur Sittenwidrigkeit von Kreditsicherungen durch Banken.
472 Zwar ist die Position eines geschiedenen Vaters gegenüber dem Kindaufgrund seines Umgangsrechts aus § 1634 Abs. 1 BGB besser als die eines nichtehelichen Vaters, welcher zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist, aber kein allgemeines Umgangsrecht hat (vgl. § 1711 Abs. 1 BGB), doch ist sein "Recht am Kind" nur ein geringes. 9 Wanke
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e) Hineindrängen des Ehemannes in die Elternschaft aa) Kein Widerspruch zu allgemeinen Anschauungen Wacke473 betont, daß die Freiheit, sich von der Abrede der Kinderlosigkeit zu lösen, den jeweiligen Ehepartner nicht dazu berechtige, den anderen gegen dessen Willen in die Elternschaft zu drängen. Dem ist zuzustimmen, sind doch die Ehegatten zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und bedürfen Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens einer übereinstimmenden Regelung. Deshalb ist auch unter dem Aspekt des Hineindrängens in die Elternschaft das Verhalten der Ehefrau eine Eheverfehlung, also ein Verstoß gegen § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Doch erscheint auch das nicht ausreichend, um in einer Ehe von einer sittenwidrigen Verhaltensweise zu sprechen. Zwar wurde bereits festgestellt, daß in heutiger Zeit und nach heutiger Auffassung Kinder nicht mehr selbstverständlich zur Ehe dazugehören474 , daß viele Ehepartner von vornherein eine Ehe ohne Kinder beschließen. Wenn also hier der Ehemann keine Kinder haben wollte, wird er nun durch die Geburt des Kindes in seiner weiteren Lebensführung und -planung stark eingeengt. Seine persönliche und wirtschaftliche Freiheit erfahrt Einschränkungen, die hinzunehmen der Ehemann nicht bereit sein mag. Doch ist hier zu bedenken, daß er verheiratet ist. Zwar beraubt die Ehe den einzelnen nicht aller Freiheiten, doch bewirkt sie Verantwortungen und auch Einschränkungen. Neben der Pflicht zu Toleranz und Rücksichtnahme auf die Wünsche, Belange und Eigenarten des anderen - auf die sich die Frau wegen ihres einseitig rücksichtslosen Verhaltens hier nicht mehr berufen könnte - besteht auch das Wissen um die Risiken einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft. Daß aus einer Ehe Kinder hervorgehen - und sei es auch gegen den Willen eines der Ehepartner - kann nicht als gegen die Anschauungen der Gemeinschaft verstoßend angesehen werden. Ein unwiderruflicher Verzicht auf Nachkommen wurde bereits als rechtlich nicht zulässig erörtert, weil er eine unzumutbare Einengung natürlich gegebener (Entfaltungs-) Möglichkeiten darstellt. Da ein Ehepartner mangels vorehelicher Absprache davon ausgehen darf, daß sich der andere dem Wunsch nach Kindem nicht entgegenstellen werde, ist die grundlose Verweigerung von Nachkommen eine Ehepflichtverletzung475.
473 MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 31. 474 Hermanns, FamRZ 1994, 1001, 1003: "Ehe und Elternschaft werden nicht mehr von allen als unbedingt zusammengehörig angesehen." 475 Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 32.
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Stehen dem Wunsch nach Kindem keine zu respektierenden Hindernisse entgegen, so dürfte dessen Verweigerung "nach wie vor dem in der Volksanschauung herrschenden Ehebilde widersprechen "476 . Setzt sich nun die Ehefrau über diese Ehevereinbarung hinweg, indem sie den Mann gegen seinen Willen zum Vater werden läßt, so kann das nicht als Sittenverstoß angesehen werden. bb) Ausnahmen Eine andere Wertung ist unter der engen Voraussetzung denkbar, daß das Hineindrängen in die Elternschaft nicht nur als Einengung persönlich-individueller Freiheitsvorstellungen eine Ehepflichtverletzung darstellt, sondern für den Ehemann (zumindest zu diesem Zeitpunkt) als unzumutbare Belastung nicht hinnehmbar erscheint. Zu denken wäre hier an die Fälle, in denen die Verweigerung der Zeugung von Nachkommen durch einen Ehepartner als gerechtfertigt erscheint. Das sind für den Mann meist Gründe auf Zeit, wie der Wunsch nach Vollendung einer Berufsausbildung, nach Fortsetzung einer begonnenen Berufstätigkeit oder auch nach Verbesserung der äußeren Grundlagen des Familienlebens477. Es können sich für ihn aus physischen oder psychischen Erkrankungen478 langfristige beziehungsweise dauernde Verweigerungsgründe ergeben, ebenso wegen hohen Alters oder Erziehungsunfähigkeit gegenüber Kindem479. In alldiesen Fällen geht das Verhalten der Frau über eine bloße Eheverfehlung in Form der Einschränkung des Mannes in seiner Entscheidungsund Dispositionsfreiheit bezüglich gemeinsamer Kinder hinaus. Hier mißachtet sie ihn betreffende Umstände wie berufliche Entfaltungsmöglichkeiten und seine körperliche oder geistige Konstitution. Solch ein Verhalten ist auch zwischen Ehepartnern nicht mehr hinzunehmen und unter den Begriff des "allgemeinen Eherisikos" zu fassen. Die Frau greift hier in unzumutbarer Weise in die Lebensumstände des Mannes ein, beeinträchtigt ihn dadurch in seiner Verfassung und konkreten Lebensplanung. Unter solchen Bedingungen verstößt das heimliche Vorgehen der Ehefrau gegen die guten Sitten.
476 So Soergel/Lange, § 1353 Rz. 11; RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 35, spricht sogar von einer Pflicht zur Zeugung/Empfängnis. 477 Vgl. Soergel/Lange, § 1353 Rz. 11. 478 Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 32. 479 RGRK!Roth-Stielow, § 1353 Rz. 35.
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f) Bewußte Schadenszufügung
aa) Absicht der Ehefrau Das sittlich Verwerfliche einer Handlung kann aber auch in dem verfolgten Zweck gesehen werden. Dazu gehört auch die planmäßige Schadenszufügung480. Ginge es der Ehefrau allein darum, durch die Geburt eines Kindes den Ehemann gegen seinen ausdrücklichen Willen von seinen Lebensplanungen abzuhalten (ihn an sich zu binden, ihn in seiner Karriere zu bremsen), ihn durch die ihm dem Kind gegenüber entstehenden Unterhaltsverpflichtungen wirtschaftlich zu schädigen oder ihn einfach nur zu ärgern, so liegt hier ein Sittenverstoß nahe. bb) Begründung der Sittenwidrigkeit (1) Ausdrücklicher Schädigungswunsch
Geht es der Ehefrau beim heimlichen Absetzen des Verhütungsmittels allein
um eine Schädigung des Ehemannes in persönlicher oder wirtschaftlicher Hin-
sicht, so ist ein derart planmäßiges Vorgehen als sittenwidrig zu beurteilen. Das Unwerturteil ergibt sich hier nicht aus der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern aus eigenständiger Wertung. Es kann nicht als zulässig erachtet werden, jemanden gegen dessen Willen in die Elternschaft zu drängen, allein um ihm dadurch Schaden zuzufügen. Ein solches Verhalten ist auch oder gerade unter Eheleuten, die in ihrer Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft füreinander Verantwortung tragen, nicht hinzunehmen. (2) Die Würde des Kindes
Ist es das erklärte Ziel der Ehefrau, ihrem Mann Schaden zuzufügen, ihm "eins auszuwischen" , und erscheint ihr die Geburt eines Kindes als das dafür geeigneteste Mittel, so verstößt sie damit gegen die Menschenwürde des Kindes. Sie instrumentalisiert dieses, indem sie es allein zur Durchsetzung ihrer Pläne, die nicht vom ehrlichen Wunsch nach Elternschaft geleitet sind, empfängt. Hier dient die Geburt eines Menschen als Mittel zur Durchsetzung persönlicher Intrigen und Streitigkeiten unter Mißachtung seines sittlich-personalen Eigenwertes. Allein eine solche Zweck-Mittel-Relation stellt sich als
480 Palandt!Thomas, § 826 Rz. 5.
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ein klarer Verstoß gegen die sittlichen Grundvorstellungen und Ordnungsprinzipien des Gemeinschaftslebens dar. g) Zusammenfassung Die Erörterung der verschiedenen Aspekte der Vorwerfbarkeit im Verhalten der Ehefrau, die auf den ersten Blick als für ein Sittenwidrigkeitsurteil ausreichend eingeschätzt werden könnten, hat gezeigt, daß gerade in der Ehe beim Vorwurf der Sittenwidrigkeit Zurückhaltung angezeigt ist. Zwar verstößt die Frau gegen eheliche Pflichten, handelt sie bewußt den Wünschen ihres Mannes zuwider; doch es läßt sich mit Mitteln des Rechts weder verhindem noch wirtschaftlich ausgleichen, daß aus Eheleuten Eltern werden. Dies ist ein eheinterner Vorgang, den die Eheleute mit den vom Familiemecht zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zu lösen versuchen müssen. Durch die Eingebung der Ehe begeben sich die Eheleute der Möglichkeit, alles - wie vielleicht bisher - allein entscheiden zu können. Sie lassen sich auf diese Beschränkung zugunsten der Suche nach Übereinstimmung ein. Darüber setzt sich die Ehefrau durch ihr heimliches Vorgehen hinweg, und die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen zwingt dem Mann auch noch (zumindest) die wirtschaftlichen Folgen auf. Die Ehefrau setzt ihre Freiheit auf Kosten der ihres Ehemannes durch. Dennoch erscheint dieses Ergebnis in einer Ehe hinnehmbar. Zwar darf das nicht zu einer Überbewertung der Interessen der Frau gegenüber denen des Mannes führen, doch stehen die Einzelinteressen des Mannes oft hinter den Eheinteressen zurück. Auch wenn die Frau sich das zunutze macht, bewirkt allein die Mißachtung der Entscheidungsfreiheit des Mannes über eigene Nachkommen noch keinen Sittenverstoß. Bedenkt man, daß Eltern über die gesetzliche Unterhaltspflicht, die ihnen gegenüber ihren Kindem obliegt, grundsätzlich nicht disponieren können - denn Kindesunterhalt soll, so das Gesetz, gezahlt und nicht vermieden werden481 -, so kann auch ein haftungsauslösendes Unwerturteil nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen angenommen werden. Es kann also nicht pauschal für alle Fälle des abredewidrigen Absetzens von Verhütungsmitteln durch die Ehefrau von einem sittenwidrigen Verhalten ausgegangen werden. Daher ist den Auffassungen zu widersprechen, denen zufolge das Verhalten der Ehefrau als Instrumentalisierung des Mannes zur
481 Darin sieht Roth, NJW 1994, 2402, 2403, die juristische Verantwortlichkeit von Eltern gegenüber ihren Kindern, gegen deren Verlagerung er sich im Palle der vertraglichen Arzthaftung wendet.
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Fortpflanzung482, als Mißbrauch ihrer Vertrauens- beziehungsweise Garantenstellung483 und als Hineindrängen des Ehemannes in die Elternschaft484 bereits einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellt und zu einer Ersatzpflicht der Frau nach § 826 BGB führt. Es wurde deutlich, daß ein Sittenverstoß grundsätzlich eher abzulehnen und nur in Ausnahmefällen zuzulassen ist. Damit ist aber auch der Tendenz des Bundesgerichtshofs entgegenzutreten, bei einer Täuschung der Ehefrau über ihre Verhütungsmaßnahmen jegliche Verantwortlichkeit nach § 826 BGB abzulehnen. Stets kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Nur wenn die Ehefrau mit ihrem Verhalten und den damit verfolgten Zwecken nicht nur gegen Ehepflichten verstößt, sondern auch den Grundbestand an Anständigkeit bei der Durchsetzung ihrer Ziele vermissen läßt, der von der Gemeinschaft als maßgebender Wert ihrer Ordnung angesehen wird485 , bleibt Raum für eine Anwendung des§ 826 BGB. Denn in diesen Fällen darf ein Ehepartner nicht des rechtlichen Schutzes entbehren, der auch anderen Rechtsgenossen grundsätzlich zuteil wird. Kann in Ausnahmefällen im Verhalten der Ehefrau ein Sittenverstoß gesehen werden, so müssen auch die weiteren Voraussetzungen des § 826 BGB gegeben sein.
3. Vorsatz Ein Ersatzanspruch des Ehemannes gegen seine Ehefrau für seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem gemeinsamen Kind aus § 826 BGB ist nur gegeben, wenn die Frau vorsätzlich handelte. a) Dazu gehört das Bewußtsein, daß das Handeln den schädlichen Erfolg haben wird, das heißt der Vorsatz muß die gesamten Schadensfolgen umfassen486. Es bedarf dabei aber keiner Absicht der Schädigung487 , denn bereits bedingter Vorsatz ist hier ausreichend. Für diesen genügt das Bewußtsein der Frau, daß infolge ihres Verhaltens der Mann einen Schaden erleiden könnte,
482 Ramm, JZ 1986, 1011, 1012. 483 Fehn, JuS 1988, 602, 603; Dunz, VersR 1986, 819, 820; Ramm, JZ 1986, 1011 , 1012. 484 MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 31. 485 RGRK/Steffen, § 826 Rz. 15. 486 BGH NJW 1963, 148, 150. 487 BGHZ 8, 387, 393.
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wenn sie diesen möglichen Erfolg in ihren Willen aufgenommen und für den Fall seines Eintritts in Kauf genommen hat-488 . Es wird grundsätzlich davon auszugehen sein, daß die Frau weiß, daß durch die Geburt des Kindes für den Mann eine Unterhaltsverpflichtung diesem gegenüber entsteht. Unter den oben herausgearbeiteten Konstellationen sittenwidrigen Verhaltens der Ehefrau besteht im Falle der bewußten Schadenszufügung sogar eine ausdrückliche Schädigungsabsicht, da Antrieb ihres Handeins vor allem die (auch finanzielle) Beeinträchtigung des Ehemannes ist. Doch auch in den anderen Fällen - Zeugung trotz Trennungsabsicht, Übernahme der Verhütungsmaßnahme zwecks Ausnutzung zu späterer Täuschung sowie Verwirklichung des eigenen Kinderwunsches, obwohl dies für den Mann eine unzumutbare Belastung darstellt - wird die Frau um die Schadensfolge der Unterhaltsverpflichtung wissen. Ist die Schadenszufügung auch nicht das erklärte Ziel, so nimmt die Frau diese Folge für ihren Mann zumindest in Kauf, um ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Damit handelt sie bezüglich des Schadens bereits (bedingt) vorsätzlich. b) Es ist allerdings nicht erforderlich, daß die Frau bei ihrem heimlichen Verhalten das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit hat-489 . Es reicht, daß sie die Tatumstände gekannt hat, die ihr Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen490. In den schon eng gefaßten Situationen, in denen oben Sittenwidrigkeit bejaht wurde, war es neben den äußeren Umständen immer auch die innere Einstellung der Ehefrau, die zu dem Sittenwidrigkeitsurteil geführt hat. Daher wird in den meisten Fällen ein Wissen um die Umstände, die zum Sittenwidrigkeitsvorwurf geführt haben, gegeben sein.
4. Der Schaden Zum Tatbestand des § 826 BGB gehört die Zufügung eines Schadens, das heißt das heimliche Vorgehen der Frau muß hier zu einem Schaden ihres Mannes führen. Aufgrund des Absetzens des Verhütungsmittels ohne Mitteilung an den Ehemann kam es zu "ungeschütztem" Geschlechtsverkehr zwischen den Eheleuten. Dieser hatte die Empfängnis und die Geburt eines Kindes zur Folge. Durch diese ungewollte Geburt des Kindes müßte dem Mann ein Schaden entstanden sein. Der Vater wird gemäß §§ 1601 ff. BGB dem Kind gegenüber zur Leistung von Unterhalt verpflichtet. Leben die Eheleute nicht getrennt, so hat die Mutter neben ihrem Bedarf auch wegen des Bedarfs 488 BGH DB 1957, 185, 185. 489 BGH WM 1962, 578, 579. 490 Paumdtffhomas, § 826 Rz. 11 .
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des Kindes Unterhaltsansprüche gemäß §§ 1360, 1360 a BGB gegenüber ihrem Ehemann. Des weiteren können den Ehemann Verpflichtungen gegenüber Dritten aus § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB treffen, wenn die Mutter zur Deckung des Lebensbedarfs anläßlich der Geburt ihres Kindes vertragliche Verpflichtungen eingegangen ist. Ein Schaden wäre folglich dann gegeben, wenn diese (Unterhalts-) Verpflichtungen als Schaden im Sinne des § 249 BGB491 anzusehen wäre. a) Schadensersatz für Kindesunterhalt aa) Standpunkte in Literatur und Rechtsprechung Die Frage, ob Kindesunterhalt als Schaden zu qualifizieren ist, wurde und wird heftig diskutiert. Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung in der Lehre war ein Urteil des LG Itzehoe aus dem Jahre 1968492 , in welchem ein Apotheker, der ein Verhütungsmittel mit einem Magenpräparat verwechselt hatte, zum Ersatz des Schadens verurteilt worden war, der den Eltern wegen der Unterhaltsbelastung gegenüber ihrem ungewollt geborenen Kind entstanden war493 • Seitdem stehen sich in der Literatur zwei Meinungsblöcke gegenüber. Während die einen vom "Kind als Wertverwirklichung" ausgehen und der Gegenmeinung vorwerfen, daß sie das "Kind als Schaden" ansehe494 , betont die wohl überwiegende Meinung495 , daß nicht das Kind, sondern lediglich die für 491 Für den Inhalt des Ersatzanspruchs gern. § 826 BGB gelten die§§ 249 ff. BGB, vgl. Erman/Schiemann, § 826 Rz. 18. 492
LG Itzhoe FamRZ 1969, 90 f.
Bei gleicher Fallkonstellation vertrat das LG München I, VersR 1970, 428, 429, die entgegengesetzte Auffassung. 493
494 Lankers, FamRZ 1969, 384, 386 f.; Löwe, VersR 1969, 573, 574; ders., VersR 1970, 430, 430; Selb, JZ 1971, 201, 204, 207; Klimke, VersR 1975, 1083, 1086; Schlund, JR 1978, 335, 336; ders., JR 1980, 369, 369 f.; ders., JR 1981, 238, 239; Adomeil, Jura 1981, 196, 198 f.; Zimmermann, JZ 1981, 86, 89; Tröndle, MedR 1986, 31, 35; Diederichsen, Warenhersteller, S. 386; Palandt/Heinrichs, vor § 249 Rz. 48, der unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG vom 28.5.1993 die bisherige Rechtsprechung des BGH (entgegen seinen Ausführungen in der Vorauflage) für überholt erklärt. 495 Staudinger/Medicus, vor§ 249 Rz. 14 ff.; Deutsch, Haftungsrecht, S. 441 f.; ders., JZ 1978, 532, 533; ders., Arztrecht und Arzneimittelrecht, S. 130 ff.; ders., MDR 1984, 793, 794; ders., NJW 1994, 776, 777; Emmerich, JuS 1980, 757, 758; Engelhardt, VersR 1988, 540, 543; Fischer, JuS 1984, 434, 436 f.; ders., NJW 1981, 1991, 1991 f.; Fuchs, NJW 1981, 610, 611; Giesen, FamRZ 1970, 565, 567; ders., JR 1984, 221 , 222; ders., JZ 1994, 286, 291 f.; Giesen/Giesen, FamRZ 1969, 319, 319; Grunsky, JZ 1983, 372, 373 f.; ders., JZ 1986, 170, 171; ders., Jura 1987, 82, 82; Harrer, FuR 1990, 206, 207; Heldrich, JuS 1969, 455, 459; v. Hippel, FamRZ 1971, 409, 410; Köhler, VersR 1979, 700, 700; Laufs, Arztrecht, Rz. 347 ff.; Loewenheim, NJW 1969, 1754, 1756; Lorenz, AcP 170 (1970), 367, 386,
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seinen Unterhalt notwendigen Aufwendungen einen Vermögensschaden darstellten496. Auch in der unterinstanzliehen Rechtsprechung werden beide Ansichten vertreten497 . Der Bundesgerichtshof erkennt jedoch in ständiger Rechtsprechung einen ersatzfähigen Schaden bei der Geburt eines unerwünschten Kindes sowohl bei mißglückter Sterilisation498 als auch bei fehlgeschlagener499 oder nicht ermöglichter500 Abtreibung an. Dabei ist die konsequente Haltung des Bundesgerichtshofs nur die Fortsetzung früherer höchstrichterlicher Rechtsprechung, hatte doch das Reichsgericht bereits im Jahre 1924501 einem Geisteskranken, der als Patient einer Irrenanstalt mit seiner Pflegerin Geschlechtsverkehr hatte und als Erzeuger ihres außerehelichen Kindes zur Zahlung von Unterhalt an dieses verurteilt worden war, Schadensersatz gegen den Träger der Anstalt zuerkannt502 • Fn. 61; Medicus, VersR 1981, 593, 603; Mertens, FamRZ 1969, 251, 254 f.; Michalski, JA 1979, 186, 190; Reinelt, FamRZ 1970, 572, 573; Roth-Stielow, MDR 1971,265, 267; Sigel, NJW 1978, 2340, 2341; wohl auch Stümer, VersR 1984, 297, 307; ders., FamRZ 1985, 753, 760 f.; ders., JZ 1986, 122, 125; ders., Jura 1987, 75, 78; Tiedtke, FamRZ 1970, 232, 232; Waibl, Kindesunterhalt als Schaden, S. 138 ff.; dies. , NJW 1987, 1513, 1515 ff. 496 Auf die Einzelheiten dieser umfassenden Dislcussion soll hier nicht mehr näher eingegangen werden. Eine Darstellung der verschiedenen Argumente fmdet sich z. B. bei Michalski, JA 1979, 186 ff.; Giesen, JR 1984, 221 ff.; ders., JZ 1994, 286 ff. Zur Problematik der Anerkennung von Kindesunterhalt als Schaden ausführlich Waibl, Kindesunterhalt als Schaden, S. 50 ff. 497 Gegen die Ersatzflihigkeit von Kindesunterhalt: OLG Samberg NJW 1978, 1685, 1687 (n. rkr.); OLG Frankfurt NJW 1983, 341, 342 f. (n. rkr.); LG Duisburg VersR 1975, 432, 432 (n. rkr.); LG Kassel NJW 1984, 1411, 1412 (n. rkr.). Dafür: OLG Celle NJW 1978, 1688, 1689 (n. rkr.); OLG Düsseldorf NJW 1975, 595, 595 f.; OLG Karlsruhe NJW 1979, 599, 600 f. (n. rkr.); OLG Zweibrücken NJW 1978, 2340, 2340; OLG Zweibrücken NJW 1984, 1824, 1825 (n. rkr.); LG Freiburg NJW 1977, 340, 340 f. (n. rkr.). 498 BGHZ 76, 249, 256; 76, 259, 263; BGH VersR 1980, 719, 720; NJW 1981, 630, 631; 1981,2002, 2003; FamRZ 1984, 982,982 f.; NJW 1992,2961,2961. 499 BGH NJW 1985, 671, 672; JZ 1986, 137, 140; BGHZ 95, 199, 209 ff.; BGH VersR 1986, 869, 870; NJW 1992, 1556, 1557. soo BGHZ 86, 240, 247 f.; 89, 95, 104 f.; BGH NJW 1987, 2923, 2923 . 501
RGZ 108, 86 ff.
Nach der damaligen Rechtslage waren ein uneheliches Kind und sein Vater jedoch nicht verwandt(§ 1589 Abs. 2 BGB a. F.); das Kind hatte gegen diesen keinen Unterhaltsanspruch, sondern lediglich einen reinen Geldanspruch (vgl. §§ 1708, 1712 BGB a. F.), der auf der Beiwohnung(§ 1717 Abs. 1 BGB a. F.) und nicht auf der Abstammung beruhte. Daher war das Urteil schadensrechtlich damals keine Besonderheit und wurde dementsprechend nicht in einem solchen Umfang dislcutiert; vgl. Diederichsen, VersR 1981, 693, 694, Fn. 2, der den historischen Kontext darstellt. 502
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Somit läßt sich feststellen, daß der Unterhalt für ein unerwünschtes eigenes Kind gegenüber Dritten grundsätzlich einen ersatzflihigen Vermögensschaden für den oder die Unterhaltsverpflichteten darstellt. bb) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.5.1993 und seine Auswirkung auf Rechtsprechung und Schrifttum (1) Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts Gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Anerkennung von Kindesunterhalt als Vermögensschaden hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.5.1993 Bedenken erhoben503 . Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kommt eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle von Verfassungs wegen (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht in Betracht504 • Die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, jeden Menschen in seinem Dasein um seiner selbst willen zu achten, verbiete es, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen505 • Die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Haftung für ärztliche Beratungsfehler oder für fehlgeschlagene Schwangerschaftsabbrüche bedürfe deshalb der Überprüfuog5o6.
(2) Reaktionen (1) Unter Berufung auf dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts weicht das Landgericht Düsseldorf in einem nicht rechtskräftigen Urteil507 von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Zumindest in den Fällen, in denen nach komplikationsloser Schwangerschaft ein gesundes Kind geboren werde, schließe es die Komplexität des Eltern-Kind-Verhältnisses aus,
503 BVerfG NJW 1993, 1751 ff. (=BVerfGE 88, 203 ff.) Gegenstand des Urteils war die Neuregelung des Rechts des Schwangerschaftsabbruchs. ln dieser Entscheidung hat das BVerfG zu der zivilrechtliehen Frage Stellung bezogen, ob und wieweit die Belastung mit der Unterhaltspflicht für ein ungewolltes Kind einen Schadensersatzanspruch der Eltern gegen denjenigen begründen kann, der - meist vertraglich die Verpflichtung für den Nichteintritt einer Geburt übernommen habe, wie z. B. der Hersteller oder Verkäufer empfängnisverhütender Mittel oder der Arzt, der eine Sterilisation oder Abtreibung durchführt.
504
BVerfG NJW 1993, 1751, 1751.
505
BVerfG NJW 1993, 1751 , 1764.
506
BVerfG NJW 1993, 1751, 1764.
507
LG Düsseldorf, Urteil vom 2.12.1993, NJW 1994, 805 ff. (n. rkr.).
1. Kap. § 4. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB
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den Unterhaltsaufwand für ein Kind als isolierbare Schadensposition zu behandeln508. (2) Auch der Bundesgerichtshof5°9 hielt - trotz seines Hinweises, daß den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts keine Bindungswirkung zukomme510 und der erkennende Senat seine Rechtsprechung mehrfach kritischer Überprüfung unterzogen habe - eine neuerliche eingehende Prüfung der Rechtslage für erforderlich51 1: Dem Hinweis des Bundesverfassungsgerichts sei keine Begründung zu entnehmen, die im zu entscheidenden Fall einer Beurteilung der Aufwendungen für den Unterhalt als Schaden entgegenstünde. Ausgangspunkt dieser rechtlichen Wertung sei die haftungsrechtliche Einstandspflicht eines Arztes für die Erfüllung der von ihm übernommenen Pflichten eines rechtmäßigen Behandlungs- oder Beratungsvertrages, welcher auch darauf gerichtet sein könne, die wirtschaftliche Belastung durch ein Kind zu vermeiden512 . Dazu ergäben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken, denn auch das Bundesverfassungsgericht betone, daß die Schlechterfüllung ärztlicher Behandlungs- oder Beratungspflichten grundsätzlich zivilrechtliche Haftungsfolgen auslösen könne. Führe dann ein Fehler des Arztes zur Geburt eines Kindes, so erstrecke sich seine Haftung auf die Freistellung des Vertragspartners von den wirtschaftli-
508 LG Düsseldorf NJW 1994, 805, 806. Deutsch, NJW 1994, 776, 777, hält dem Landgericht hier einen normativen Schadensbegriff vor, der bei aller Komplexität verfehlt sei, da der Schaden ein erhebliches faktisches Moment sei, und die Faktizität höchstens normativ in bestimmter Richtung eingeschränkt werden könne. 509 BGH, Urteil vom 16.11.1993, BGHZ 124, 128 ff. FamRZ 1994, 364 ff. = JZ 1994, 305 ff.
= NJW 1994, 788 ff. =
510 Der BGH schließt hier zu Recht eine Bindungswirkung aus, BGHZ 124, 128, 136. Gegenstand der Bindungswirkung sei allein die Urteilsformel (BGHZ 13, 265, 277 ff.). Demgegenüber ist das BVerfG in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, daß Gegenstand der Bindungswirkung die Grundsätze für die Auslegung der Verfassung seien, die sich sowohl aus dem Tenor als auch aus den tragenden Entscheidungsgründen ergäben (so z. B.: BVerfGE 19, 377, 391 f.; 40, 88, 93). Da die Ausführungen des BVerfG zur Frage der Qualiftkation von Kindesunterhalt als Schaden hier weder zum Tenor noch zu den tragenden Entscheidungsgründen zählen, liegt somit nach beiden Ansichten keine Bindungswirkung i. S. von § 31 BVerfGG vor; vgl. dazu und in diesem Sinne Giesen, JZ 1994, 286, 287 f. 511 In diesem Urteil hatte der VI. Zivilsenat des BGH eine neue Fallgestaltung im Bereich des Familienplanungsschadens zu beurteilen. Gegenstand war eine fehlerhafte humangenetische Beratung. Der beratende Arzt verneinte die genetische Disposition eines von Geburt an geistig und körperlich behinderten Kindes. Auf diese Beratung hin wurde die Ehefrau erneut schwanger und gebar ein Kind, welches die gleichen körperlichen und geistigen Behinderungen hatte wie das erste. Für den BGH bestanden keine Bedenken, die von den anderen Fallgruppen zur durchkreuzten Familienplanung entwickelten Grundsätze auf diesen Fall zu übertragen.
512 BGHZ 124, 128, 138.
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eben Belastungen, die durch den Vertrag vermieden werden sollten513 . Unter Hinweis auf seine früheren Urteile hebt der Bundesgerichtshof hervor, daß er stets der Auffassung gewesen sei, daß es sich von Verfassungs wegen (Art. 1 GG) verbiete, die Existenz des Kindes als Schaden anzusehen und daß der Schaden nur in der Vermögensminderung aufgrunddes durch die planwidrige Geburt des Kindes ausgelösten Unterhaltsaufwands bestehe514 . Die schadensrechtliche Betrachtungsweise beschränke sich allein auf die wirtschaftliche Seite dieses komplexen Lebenssachverhalts, was zur Folge habe, daß lediglich die wirtschaftliche Situation des Unterhaltsverpflichteten mit und ohne Bestehen der Unterhaltsverpflichtung in Ansatz zu bringen sei. Es werde aber gerade keine Aussage über den "Wert" des Kindes und seine Existenz getroffen515, also auch nicht dessen Rechte aus Art. 1 Abs. 1 GG berührt. Daß die wirtschaftliche Belastung erst durch die Existenz des Kindes ausgelöst werde, sei ein lediglich naturwissenschaftlicher wertfreier Kausalzusammenhang516 . Die Übernahme der Unterhaltslast durch den Arzt sei Folge der Ausgleichsaufgabe des Haftungsrechts und von rein vermögensmäßiger Bedeutung, so daß daraus dem Kind kein Makel entstehe, da dem Schadensbegriff keine so negative Bedeutung zukomme517. Somit hält der Bundesgerichtshof an seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht fest, daß Unterhalt für ein Kind, dessen Geburt zu verhindern sich ein Arzt in einem rechtmäßigen Vertrag verpflichtet habe, von den Eltern dem Arzt gegenüber als ersatzfähiger Vermögensschaden geltend gemacht werden kann518 . Diese Position hat er durch zwei weitere Urteile erneut bestätigt519 . Grundlage eines Schadensersatzanspruchs ist stets der jeweils abgeschlossene Behandlungsvertrag. Allerdings ist der Unterhaltsaufwand für ein nach einem fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch geborenes Kind dann nicht mehr vom Schutzzweck des Arztvertrages erfaßt, wenn der Abbruch sich nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien nicht als rechtmäßig, sondern lediglich als straffrei erweise, weil keine medizinische, embryopathische oder kriminologische Indikation vorgelegen habe520 . Die Einordnung der wirtschaftlichen Belastungen, die sich aus der 513 BGHZ 124, 128, 139. 514 BGHZ 124, 128, 139 f., mit dem Hinweis, daß dies keine künstliche Aufspaltung bzw. Zergliederung der personalen Ganzheit des Kindes bedeute. 515 BGHZ 124, 128, 143. 516 BGHZ 124, 128, 140. 517 BGHZ 124, 128, 142. 518 Ebenso OLG Düsseldorf NJW 1995, 788 f. (n. rkr.).
519 BGH NJW 1995, 1609 ff.; 1995,2407 ff. 520 BGH NJW 1995, 1609, 1610.
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Geburt eines Kindes für seine Eltern ergeben, sei als Schaden im haftungsrechtlichen Sinne zu verstehen, seit der medizinische Fortschritt es ermöglicht habe, die zur Geburt eines Kindes führenden Vorgänge zuverlässiger zu steuern und - durch empfängnisverhütende Maßnahmen oder Sterilisationen - bereits die Zeugung eines Kindes zu verhindern52t. (3) Auch im Schrifttum erfuhr das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Zulässigkeit der Anerkennung von Kindesunterhalt als Schaden keine starke Unterstützung. Deutsch ist der Ansicht, daß im Vertragsrecht für das Eltern-Arzt-Verhältnis die Bewertung von Kindesunterhalt als Schaden in Zukunft wohl als verfassungswidrig angesehen werde522 • Gleichzeitig weist er aber auf die Widersprüchlichkeil des Urteils hin: Obwohl eine Abtreibung rechtswidrig sei, sei der Vertrag über diese als gültig anzusehen, damit im Falle der Schlechterfüllung vertrags-und deliktsrechtliche Sanktionen eingriffen. Solche Sanktionen, die meist aus Schadensersatz bestünden - und als Schaden komme vor allem der Unterhalt für das Kind in Betracht-, könnten aber gar nicht wirken, wenn es sich von Verfassungs wegen verböte, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen. Insoweit stimmt Deutsch dem Bundesgerichtshof zu, der auf den wirksamen Vertrag, seine Verletzung und den dann geschuldeten Schadensersatz hinweist523 . Auch Giesen524 nimmt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das des Bundesgerichtshofs zum Anlaß, erneut die Anerkennung von Kindesunterhalt als Schaden auf ihre Vereinbarkeit mit der Menschenwürde hin zu untersuchen. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit allen denkbaren Einwendungen spricht er - unter Ablehnung der Bedenken des Bundesverfassungsgerichts - seine Zustimmung zur Haltung des Bundesgerichtshofs aus525 . Kritik am Urteil des Bundesgerichtshofs äußert dagegen Roth526 . Der Bundesgerichtshof treffe Pauschalierungen, die dem Problem des konkreten Einzelfalls nicht gerecht würden527 . Es bleibe auch nicht bei einer "wertneutralen Rechenoperation", der Bedingungszusammenhang zwischen Kind und Unter521 BGH NJW 1995, 2407, 2409. 522 Deutsch, NJW 1993, 2361, 2362. 523 Deutsch, NJW 1994, 776, 776. Außerdem wirft Deutsch, NJW 1993, 2361, 2362 f., dem BVerfG einen ungenauen Umgang mit Begriffen des Haftungsrechts ("Schadensquelle", "Schaden", "Schädigung") vor. 524 Giesen, JZ 1994, 286 ff. 525 Giesen, Familienrecht, Rz. 610; ders., JZ 1994, 286, 292. 526 Roth, NJW 1994, 2402, 2403. 527 Auf die Kritik Roths, daß der im konkreten Fall vom BGH zugesprochene Schadensersatzanspruch vom Schutzzweck des Beratungsvertrages nicht erfaßt worden sei, soll hier nicht näher eingegangen werden, da diese Konstellation nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist.
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haltsaufwand könne nicht geleugnet werden; so beweise die Schadensvoraussetzung der "Ungeliebtheit", daß der Schaden am Kind und nicht an der Unterhaltsverpflichtung festgemacht werde528 ; das betreffe aber nicht nur die Menschenwürde des Kindes, sondern laufe auch den gesetzlichen Wertungen des Unterhaltsrechts zuwider529 • Die Eltern blieben für die Geburt des Kindes moralisch und juristisch verantwortlich; dieser Verantwortung könnten sie sich nicht durch Verlagerung der Unterhaltsbelastung auf den Arzt entledigen. Verfassungsrechtliche Wertentscheidungen zugunsten von Kindem und Familien verdrängten hier die einschlägigen schadensrechtlichen Vorschriften des BGB530 . Die Vermeidung der Unterhaltspflicht sei ein Interesse, dem rechtlich nur Rechnung getragen werde, wenn das Kind nicht existiere531 • (4) Da der Äußerung des Bundesverfassungsgerichts, daß es sich verbiete, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen, als obiter dieturn keine Bindungswirkung im Sinne des § 31 BVerfGG zukommt532 und der Bundesgerichtshof an seiner bisherigen Beurteilung festhält, kann und soll auch hier weiter davon ausgegangen werden, daß die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung an ein unerwünschtes Kind für den Verpflichteten gegenüber Dritten einen Vermögensschaden darstellen kann. b) Anerkennung von Schadensersatz unter Ehepartnern aa) Deliktischer Ersatzanspruch War ein Kind von beiden Elternteilen nicht erwünscht, so können sie dem verantwortlichen Dritten gegenüber den Unterhaltsaufwand für das Kind als Schaden geltend machen. In den entschiedenen Fällen handelte es sich aber stets um vertragliche Schadensersatzansprüche, und der Bundesgerichtshof weist auch deutlich auf die vertragliche Natur des Anspruchs hin. Gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages beständen keine Bedenken und deshalb sollte auch insoweit ein besonderer Schadensbegriff Anwendung finden533 • Für Deutsch ist es "allerdings schwer einzusehen, wieso ein hier verursachter de-
528
Roth, PuR 1993, 305, 307 f.
529
Roth, NJW 1994, 2402, 2403.
530
Roth, PuR 1993, 305, 307.
531
Roth, PuR 1993, 305, 308.
532 So die Verfassungsrichter Mahrenholz und Sommer in ihrem abweichenden Votum, NJW 1993, 1778; ebenso Roth, NJW 1994, 2402, 2402. Vgl. auch Pn. 505. 533
BGHZ 124, 128, 138.
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lilctischer Schaden anders strukturiert sein sollte" 534 • Für die Eltern stellt die Belastung mit dem geldlichen Aufwand für den Unterhalt die die Annahme eines Schadens nach der Differenzhypothese kennzeichnende Vermögensminderung dar, unabhängig von der Norm, die den Ersatzanspruch begründet. Allein der deliktische Charakter der hier erfüllten Anspruchsnorm steht somit der Annahme eines Schadens nicht entgegen. bb) Kind nur einseitig unerwünscht Fraglich ist aber, ob die Annahme eines Schadens auch für die Fälle gilt, in denen das Kind nur von einem der am Geschlechtsverkehr beteiligten Ehepartner nicht gewollt war. In seiner Entscheidung vom 17.4.1986535 schließt der Bundesgerichtshof im Falle freiwilligen Geschlechtsverkehrs Schadensersatzansprüche für Kindesunterhalt zwischen den Eltern aus. Eine Parallele zu den Fällen fehlgegangener Sterilisationen, in denen den volljährigen Partnern freiwilligen Geschlechtsverkehrs Schadensersatz für den Unterhalt eines unerwünschten Kindes zugebilligt wurde, lehnt der Bundesgerichtshof ab. Es sei eine nicht vergleichbare Situation, wenn ein Partner den anderen über die Anwendung empfängnisverhütender Maßnahmen täusche, weil das Kind dann "keineswegs ein unerwünschtes Kind war, sondern nur von einem seiner Elternteile nicht gewollt war" 536 • Diese Differenzierung nach der Einseitigkeit der Unerwünschtheit des Kindes im Falle durchkreuzter Familienplanung erscheint fraglich. Für den Ehepartner, der das Kind nicht wollte, ist es gleich, ob ein Dritter oder der eigene Ehepartner (hier die Ehefrau) die Empfängnisverhütung vereitelt hat. Er muß für ein Kind Unterhalt leisten, welches er bewußt nicht haben wollte. Der Begriff der Familienplanung bezieht sich nicht nur auf die übereinstimmenden Vorstellungen beider Geschlechtspartner. Er umfaßt auch die Gedanken und die Einstellung eines jeden einzelnen zur Frage eigener Nachkommen. Es ist möglich, daß beide am Geschlechtsverkehr beteiligten Partner verschiedene Ansichten der Familienplanung vertreten. Aufgrund heutiger zuverlässiger Verhütungsmethoden ist die Familienplanung eben "nicht mehr notwendig eine im Sexualakt als Möglichkeit enthaltene partnerschaftliche Entscheidung, sondern kann auch zur Individualentscheidung desjenigen werden, der die Verhütung unterläßt" 537 • Die Ehefrau kann durch das 534
Deutsch, NJW 1994, 776, 777.
535
BGH NJW 1986, 2043 ff.; vgl. § 1, Fn. 143.
536
BGH NJW 1986, 2043, 2045.
537
Ramm, JZ 1989, 861, 863.
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heimliche Absetzen des Verhütungsmittels die Familienplanung ihres Ehemannes durchkreuzen. Daß sie das Kind haben wollte, ist für ihn dabei bedeutungslos. Weder die Erwünschtheit des Kindes durch die Mutter noch die Freiwilligkeit des Geschlechtsakts läßt den Schluß zu, daß das Kind daher (auch für den Mann) ein erwünschtes sei. Familienplanung erfolgt zwar nicht nur aus finanziellen Erwägungen, doch sie ist zumeist mit solchen verbunden; Familienplanung ist mithin zugleich Vermögensplanung. Die generell auch bestehenden wirtschaftlichen Motive der Familienplanung reichen aus, eine Durchkreuzung der Familienplanung und somit einen Schaden anzunehmen538 • Es bleibt auch hier bei der Erkenntnis, daß eine Unterhaltsverpflichtung eine vermögensrechtliche Aufwendung ist, die für denjenigen, der diese Aufwendung vermeiden wollte, einen Schaden darstellt539 • Erkennt man die Unterhaltszahlung an ein ungewolltes eigenes Kind grundsätzlich als Schaden an, so kann für diese Anerkennung nicht entscheidend sein, ob das Kind "einseitig ungewollt" oder "zweiseitig ungewollt" war. Die Durchkreuzung der Familienplanung als Voraussetzung für die Annahme eines Schadens ist hier also gegeben, der Ehemann wird in seiner Dispositionsfreiheit über sein Vermögen gestört. Der Grund des Schadensersatzanspruchs liegt hier nicht in der Existenz des Kindes, denn die Frau ist nach Aussage des Bundesgerichtshofs zum Absetzen der "Pille" berechtigt. Der Grund des Anspruchs liegt im deliktischen Verhalten der Ehefrau, nämlich im Unterlassen der Mitteilung an den Ehemann, so daß der Annahme eines Schadens hier nichts entgegensteht. Der Höhe nach umfaßt der Schadensersatzanspruch die Unterhaltszahlungen, die der Vater gemäß §§ 1601 ff. BGB an das Kind zu leisten verpflichtet ist. Der Bundesgerichtshof begrenzt den Schaden in den Fällen der Ersatzpflicht von Ärzten auf den einem durchschnittlichen Lebenszuschnitt entsprechenden Unterhalt540 . Da hier aber nicht ein außensteheoder Dritter, sondern die Ehefrau Schuldner des Ersatzanspruchs ist, erscheint es angemessen, die vom ehelichen Vater tatsächlich zu erbringenden Unterhaltsleistungen anzusetzen. Darüber hinaus umfaßt der Anspruch etwaige Unterhaltsverpflichtun538
Vgl. Waibl, Kindesunterhalt als Schaden, S. 150.
539
Fehn, JuS 1988, 602, 604.
BGHZ 76, 259, 265; Zuletzt bestätigt durch BGH NJW 1995, 2407, 2409. Maßgebend seien die Regelunterhaltssätze für nichteheliche Kinder, vermehrt um einen Zuschlag für Betreuungsleistungen der Mutter und vermindert um das Kindergeld. Die Ersatzpflicht des Arztes solle aber entfallen, wenn das Kind wegen einer veränderten Einstellung seiner Eltern zum Wunschkind werde, BGHZ 76, 249, 256; BGH NJW 1984, 2625, 2626; 1985, 671, 673; dazu kritisch Stümer, PamRZ 1985, 753, 759. 540
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gen gegenüber der Mutter wegen des Bedarfs des Kindes nach §§ 1360, 1360 a BGB sowie etwaige Verbindlichkeiten gegenüber Dritten aus § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB für den Fall, daß die Mutter zur Deckung des Lebensbedarfs anläßtich der Geburt des Kindes vertragliche Verpflichtungen eingegangen ist541.
5. Ergebnis
Für eine differenzierte Lösung des Lebenssachverhalts der Täuschung über die Vornahme von Verhütungsmaßnahmen erscheint es wichtig, auf jegliche Pauschalierung zu verzichten. Die Anwendung von Deliktsrecht, hier des § 826 BGB, sollte weder vorschnell bejaht noch grundsätzlich ausgeschlossen werden. Wertungen und Anforderungen aus dem Familien-, Ehe- und Unterhaltsrecht sollten im Rahmen des Sittenwidrigkeitsurteils ihre Beachtung finden, um so im konkreten Einzelfall zu einem ausgewogenen Urteil zu kommen. Dadurch wird die Anerkennung von Schadensersatzansprüchen unter Eheleuten nicht überhandoehmen, denn es wurde deutlich, daß die Anforderungen an einen Sittenverstoß sehr hoch sind, dieser nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu bejahen ist. In den genannten Fallkonstellationen, in denen ein Sittenverstoß gegeben ist, treten neben die Eheverfehlung weitere schädigende Umstände, so daß es geradezu geboten erscheint, in diesen konkreten Ausnahmefällen die besondere Deliktsregel des § 826 BGB als "Rechtsnorm höherer Art" 542 zur Anwendung kommen zu lassen. Da der Bundesgerichtshof Ansprüche aus § 826 BGB zwischen Eheleuten grundsätzlich auch in deren geschlechtlichen Beziehung zuläßt, wenn der sich sittenwidrig schädigend verhaltende Ehegatte mit auf eine Schadenszufügung gerichtetem Vorsatz handelt543 , erscheint es konsequent, diese auch hier zuzulassen. Eine Durchbrechung familienrechtlicher Prinzipien ist darin nicht zu sehen. In den Ausnahmefällen, in denen das abredewidrige und heimliche Absetzen von Verhütungsmitteln durch die Ehefrau als sittenwidrig zu beurteilen ist, hat der Ehemann gegen seine Frau einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, 541 Zum Umfang des Schadensersatzanspruchs für Kindesunterhalt beider Eltern gegenüber Dritten, vgl. ausführlich Waibl, Kindesunterhalt als Schaden, S. 155 ff. 542 Soergel/Lange, § 1353 Rz. 41 ; Lüke, AcP 178 (1978), 1, 10 f.; vgl. dazu oben vor I. 543 BGH NJW 1990, 706, 708, im Falle der "Kindesunterschiebung": "§ 826 BGB kann demgemäß auch im Bereich der Störung der innerehelichen, geschlechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten, insbesondere durch einen Ehebruch, dann ausnahmsweise eingreifen, wenn zu dem Ehebruch ein weiteres, sittenwidrig schädigendes Verhalten des Ehegatten hinzutritt und dieser dabei mit - gegebenenfalls bedingtem - auf eine Schadenszufügung gerichtetem Vorsatz handelt"; so auch RGRK/Steffen, § 826 Rz. 33. 10 Wanke
146
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
der ihm aufgrund der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem von ihm nicht gewollten gemeinsamen Kind entstanden ist. 2. Kapitel
Schadensersatzansprüche unter Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Das Problem des abredewidrigen und heimlichen Absetzens von Verhütungsmitteln durch die Frau ist kein ehespezifisches Problem, sondern stellt sich ebenso zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Auch hier wird der Mann durch das einseitige Vorgehen seiner Partnerin gegen seinen Willen Vater. Nach Feststellung seiner nichtehelichen Vaterschaft aufgrund Anerkennung oder gerichtlicher Entscheidung(§ 1600 a BGB) ist er dem gemeinsamen Kind gegenüber zu Unterhalt verpflichtet(§ 1601 BGB). Im folgenden soll untersucht werden, ob die Tatsache, daß die Eltern des Kindes nicht verheiratet, sondern "nur" nichteheliche Lebenspartner sind, für die Frage des Schadensersatzanspruchs des Mannes für den Kindesunterhalt gegenüber der Frau zu anderen Ergebnissen führt.
§ 5. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft I . Möglichkeiten nichtehelichen Zusammenlebens Es besteht heute weitgehend Einigkeit, daß es die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht gibt544 • Neben Wirtschafts- und Versorgungsgemeinschaften (zwischen Verwandten und Freunden) gibt es gleichgeschlechtliche Gemeinschaften und heterosexuelle Verbindungen, die äußerlich einer Ehe stark ähneln (auch sogenannte "Probeehen", die später in eine Ehe münden, Rentenkonkubinate und "alternative Lebensgemeinschaften"), sowohl unter geschiedenen als auch unter noch verheirateten Partnern. Eher selten werden diese Beziehungen für das Leben geschlossen545 . All diesen Formen des Zusammenlebens ist über das gemeinsame Wirtschaften hinaus eine emotionale (nicht unbedingt sexuelle) Bindung der Beteiligten untereinander gemein.
544
Coester-Waltjen, NJW 1988, 2085, 2085; Schwenzer, Realbeziehung, S. 163.
545
Giesen, Familienrecht, Rz. 454- 456; Hermanns, FamRZ 1994, 1001 , 1003.
2. Kap. § 5. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft
147
Aus der Fülle der Möglichkeiten von Lebensgemeinschaften, die nichtebelieh sind546 , soll sich die vorliegende Untersuchung auf das auf Dauer angelegte, also "nicht nur vorübergehende Zusammenleben von zwei Personen verschiedenen Geschlechts in umfassender Wohn-, Wirtschafts-, sowie in der Regel auch Geschlechtsgemeinschaft, das heißt letztlich in einer eheähnlichen Gemeinschaft, der nur die förmliche Eheschließung fehlt" 547 , beschränken548 . Diese Lebensgemeinschaft ist in Inhalt und Umfang der Ehe am stärksten angenähert, sie ist die wohl häufigste Form des nichtehelichen Zusammenlebens und somit für die hier zu untersuchende Problematik der Hauptanwendungsbereich. Das bedeutet aber nicht, daß einige Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung - vor allem im Bereich des § 826 BGB - nicht auch für Gelegenheitsbekanntschaften gelten können.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben Zwar wird auch heute noch die Ansicht vertreten, die nichteheliche Lebensgemeinschaft sei "ihrer rechtlichen Struktur nach eine Verbindung von Egoisten" 549 , doch wird eine solche Umschreibung weder der sozialen Wirklichkeit550 noch den in ihr verbundenen Menschen gerecht. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist heute allgemein anerkannt551 , ohne aber gesetzlich geregelt zu sein. Im Grundgesetz ist sie nicht vorgesehen; Art. 6 Abs. 1 GG schützt nur Ehe und Familie, nicht aber die nichtebeliehe Lebensgemeinschaft552 . Daraus ergibt sich jedoch kein Verbot dersel546 Vgl. dazu Coester-Waltjen, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 41 I 1; Limbach, in: Limbach!Schwenzer, S. 35 f. 547 So Lieb, Gutachten, S. A 10. 548 Dabei ist es unerheblich, ob die Partner nicht heiraten können oder nicht heiraten wollen. 549 So Diederichsen, FamRZ 1988, 889, 897. 550 Schwenzer, Realbeziehung, S. 162 f.; Zeidler, in: Benda/Maihofer/Vogel, S. 576 f. Das Bundesverfassungsgericht spricht von der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als einer "typischen Erscheinung des sozialen Lebens", BVerfGE 9, 20, 32. 551 Zur Geschichte der nichtehelichen Lebensgemeinschaften: E. M. v. Münch, in: Limbach/Schwenzer, S. 1 ff.; dies., Zusammenleben ohne Trauschein, S. 15 ff. ; Schott, in: Eser, S. 13 ff.; Weimar, in: Eser, S. 81 ff.; Schwab, FamRZ 1981, 1151, 1151 ff. m. w. N.; Schlüter, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 10 ff. 552 Für die h. M. v. Münchlv. Münch, Art. 6 GG Rz. 3a; /. v. Münch, in: Landwehr, S. 140 f.; Strätz, FamRZ 1980, 301 , 304; Maunz/Dürig!Herzog!Maunz, Art. 6 GG Rz. 15a ff.; Zeidler, in: Benda/MaihoferNogel, S. 580 f.; AK-GG/Richter, Art. 6 GG Rz. 15, 15a, 44; Schlüter, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 18.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliebe Kinder
ben553 . Die nichteheliche Lebensgemeinschaft steht mit der geltenden Rechtsund Verfassungsordnung in Einklang554 ; sie ist grundsätzlich einer gesetzlichen Regelung zugänglich555 , jedoch unter der Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 GG, daß sie nicht bessergestellt werden darf als die Ehe, und daß die Ehe gegenüber nichtehelichen Partnerschaften nicht benachteiligt werden darf556. Aufgrund der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit besteht für jedermann das Recht, keine Ehe einzugehen557 . Daher verbietet sich eine Regelung des nichtehelichen Zusammenlebens, die den Rechtsfolgen der Eheschließung identisch wäre558 , was aber die Anwendung einzelner Vorschriften des Eherechts nicht unbedingt ausschließt559 . Die allgemeine Handlungsfreiheit gewährleistet andere Formen des Zusammenlebens, findet dabei aber ihre Grenzen in den Rechten anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung und dem Sittengesetz. Die verfassungsmäßige Ordnung ist hier der Bereich des Art. 6 Abs. 1 GG, "Sittengesetz" die "überwiegende sittengesetzliche Auffassung der Allgemeinheit" 560 . Nichteheliche Lebensgemeinschaften werden heute allgemein nicht mehr als sittenwidrig angesehen561. Doch die Sittengesetze gelten auch in diesen Gemeinschaften, wenn es dort zum Beispiel zu unzumutbaren Ausnutzungssituationen kommt562 . 553 Maunz/Dürig!Herzog/Maunz, Art. 6 GG Rz. 15; /. v. Münch, in: Landwehr, S. 149. 554 Heyde, in: Limbacb/Scbwenzer, S. 22. 555 Coester-Waltjen, NJW 1988, 2085, 2086; Heyde, in: Limbacb/Scbwenzer, S. 20; Lieb, Gutachten, S. A 26 f.; Battes, in: Blaurock, S. 22. 556 Sogenanntes "Disk.riminierungsverbot" der Ehe; vgl. Maunz!Dürig!Herzogl Maunz, Art. 6 GG Rz. 15a. Gegen eine Neuinterpretation von Art. 6 Abs . 1 GG trotz feststellbarer Distanzierung vom Institut der Ehe und trotz Zunahme alternativer Formen des Zusammenlebens wendet sich Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 234: "Ein Wandel in den Wertvorstellungen und Verhaltensweisen kann hier keine normative Kraft entfalten, weil Ehe und Familie als Keimzelle, als natürliche und sittliche Grundlage jeder menschlieben Gemeinschaft ohne Alternative sind." 557 BVerfGE 9, 20, 32; 56, 363, 384; BGHZ 84, 36, 40. 558 Coester-Waltjen, NJW 1988, 2085, 2086; Heyde, in: Limbach/Scbwenzer, S. 24; Battes, in: Blaurock, S. 22. 559 /. v. Münch, in: Landwehr, S. 150. 560 So Heyde, in: Limbacb/Schwenzer, S. 22, der diesen Begriff auch mit "herrschenden Moralvorstellungen" umschreibt. 561 BVerfGE 56, 363, 384; Lieb, Gutachten, S. A 25m. w. N.; Battes, ZHR 143 (1979), 385, 405 f.; Schwenzer, Realbeziehung, S. 167 f. In zunehmendem Maße wird sogar in Fällen, in denen ein Partner oder beide verbeiratet ist oder sind, die Sittenwidrigkeit verneint, vgl. z. B. BGH FamRZ 1980, 664, 665. 562 Vgl. Coester-Waltjen, NJW 1988, 2085, 2086.
2. Kap. § 5. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft
149
m. Regelungsbedürftigkeit Aufgrund der Verschiedenartigkeit möglicher Konstellationen ist eine völlige oder nur weitgehende Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe unmöglich, wollte man nicht - von verfassungsrechtlichen Einschränkungen ganz abgesehen - das Recht der Ehehindernisse oder den Parteiwillen unterlaufen563 • Daher wurde eine völlige Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, auch wenn sie lange andauern, mit der Ehe bisher nicht in Erwägung gezogen564 • Aber auch eine umfassende Regelung und Institutionalisierung nichtehelicher Lebensgemeinschaften neben der Ehe wird überwiegend abgelehnt565 , da es der Autonomie der Betroffenen zuwiderliefe, wenn der Gesetzgeber Personen, die gerade durch Verzicht auf die Ehe einer vorgegebenen Regelung entgehen wollen, einen umfassenden Katalog von Rechten und Pflichten in Form einer "Zwangsehe" auferlegte566 • Auch wenn durch den Verzicht auf die Ehe die Beziehung nicht auf eine rechtlich verbindliche Grundlage gestellt wurde, kann man nicht annehmen, daß die Partner im Falle auftretender Konflikte auf staatlichen Rechtsschutz verzichten wollten567 , wenn ihnen eine einvernehmliche Lösung nicht möglich erscheint. Die Wahl dieser Lebensform enthält also nicht die Entscheidung für ein Leben im rechtsfreien Raum568 , wohl aber für ein Leben, das nicht unter der Rechtsform der Ehe geführt wird569 • Daher wird für verschiedene Situa563
Coester-Waltjen, NJW 1988, 2085, 2086; Schwab, Familienrecht, Rz. 697.
564 Schwab, FamRZ 1981, 1151, 1156; Derleder, NJW 1980, 545, 546 f.; Lipp, AcP 180 (1980), 537, 561; Schlüter, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 17; Strätz, FamRZ 1980, 301, 304; Battes, Nichteheliches Zusammenleben, Rz. 6; Finger, JZ 1981 , 497, 501; Kunigk, Jura 1980, 512, 518; Simon, JuS 1980, 252, 253; Müller-Freienfe/s, in: Ringeling/Svilar, S. 62. 565 So z. B. Coester-Waltjen, NJW 1988, 2085, 2090; Diederichsen, NJW 1983, 1017, 1025; ders., FamRZ 1988, 889, 897; Lipp, AcP 180 (1980), 537, 573; Bosch, FamRZ 1980, 849, 852 f.; Dunz, VersR 1986, 819, 819, gelangt zu diesem Ergebnis aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber der nichtehelichen Lebensgemeinschaft: "Solche modischen Bindungen drohen sonst zu einer Schmalspurehe zu verrechtlichen, wofür es in Rechtsgeschichte und moderner Rechtsvergleichung genug Beispiele gibt. " 566 Hausmann , Nichteheliche Lebensgemeinschaften, S. 17; Heyde, in: Limbach/Schwenzer, S. 25; Scholz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 35; I. v. Münch, in: Landwehr, S. 150; Schlüter, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 17 f.; Schwenzer, Realbeziehung, S. 172. 567 So aber OLG Hamm FamRZ 1977, 318, 320; OLG Düsseldorf NJW 1979, 1509, 1509. 568 Zeidler, in: Benda/Maihofer!Vogel, S. 579; Battes, Nichteheliches Zusammenleben, Rz. 12; Finger, JZ 1981 , 497, 497; Kunigk, Jura 1980, 512, 517; Ramm, Familienrecht I. § 67 III; Steinen, NJW 1986, 683, 684. 569
Heyde, in: Limbach/Schwenzer, S. 20.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
tionen und unterschiedliche Formen von Lebensgemeinschaften die Notwendigkeit einer (auch gesetzlichen) Regelung von Einzelfragen, die sich nach geltendem Recht nicht befriedigend lösen lassen, bejaht570 • Da trotz verfassungsmäßiger Zulässigkeit die nichteheliche Lebensgemeinschaft gesetzlich nicht geregelt ist und eine umfassende Regelung auch nicht angestrebt wird, ist zu prüfen, wie eine Absprache über Familienplanung unter nichtehelichen Lebenspartnern rechtlich zu fassen ist.
IV. Regelungsvorschläge
1. Lösungsvorschläge bei Auflösung der Lebensgemeinschaft Um die mannigfachen sich aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Probleme einer gerechten Lösung zuzuführen, versucht die Literatur seit langem, das gesetzgebensehe Defizit durch verschiedenste Regelungskonzepte auszugleichen. Diese reichen von der analogen Anwendung der Verlöbnisvorschriften571 über die Anwendung gesellschafts-572 und gemeinschaftsrechtlicher573 Regeln bis hin zur Annahme vertragsähnlicher Haftung574 sowie der Formulierung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als eines Zusammenlebensvertrages sui generis575 . Diese vorgeschlagenen Modelle dienen stets der Lösung des Problems der Vermögensauseinandersetzung im Falle des Scheiterns der Lebensgemeinschaft, da für diese Situation keine Vorschriften wie für den Fall der Scheidung einer Ehe bestehen. Vorliegend geht es nicht um die umfassende Regelung des Verhältnisses zweier nichtehelicher Lebenspartner zueinander, sondern um die Klärung der besonderen Frage eines Vertrauensbruchs im Intim-
570 Schwenzer, Realbeziehung, S. 170 f.; Lieb, Gutachten, S. A 8; Schatz, ZRP 1981, 225, 229 f.; Struck, ZRP 1983, 215, 219; E. M. v. Münch, ZRP 1988, 327, 327 ff.; Zeidter weist darauf hin, daß ein Rückzug des Rechts aus diesem Lebensbereich zu gesellschaftlich unerwünschten und für die Rechtsordnung inakzeptablen Konsequenzen für den jeweils schwächeren Partner führen könnte, in: Benda/Maihofer!Vogel, S. 579. 571
Evans-v. Krbek, JA 1979, 236, 241 f.
572
So insbesondere Battes, ZHR 143 (1979), 385, 407.
573
Derteder, NJW 1980, 545, 548 ff.
574
Derteder, NJW 1980, 545, 550 ff.
Rath-Stietaw, JR 1978, 233, 234; ähnlich Schatz , Nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 42. 575
2. Kap. § 5. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft
151
hereich und eines daraus resultierenden Vermögensschadens576 , auf die die Gesamtkonzepte zum Vermögensausgleich beim Scheitern der Gemeinschaft nicht anwendbar sind.
2. Zur Zusage der Empfängnisverhütung durch die Frau Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist im Gegensatz zur Ehe und den im Bürgerlichen Gesetzbuch besonders normierten Verträgen des Schuldrechts nicht typisiert. "Sie ist somit ausschließlich der Privatautonomie unterworfen, während für die Ehe ein Bündel zwingender und dispositiver Normen gilt, von denen bekanntlich nur die letzteren der Vertragsfreilieh Raum lassen und bei Fehlen vertraglicher Vereinbarungen subsidiär eintreten. "577 Da die nichteheliche Lebensgemeinschaft also nicht unter den Regelungsbereich der familienrechtlichen Normen fällt, kommt deren Prüfung auch nicht in Betracht. Doch auch der Frage einer teilweisen (analogen) Anwendung von Vorschriften des Eherechts muß hier nicht nachgegangen werden, da das Eherecht für die vorliegende Problematik - wie oben festgestellt - keine passende Lösungsmöglichkeit vorsieht. Es gibt jedoch auch hier keine Normen (des Familien- und Eherechts), die einen Ausschließlichkeitsanspruch erheben und somit die Anwendung anderer Ansätze versperren. Die Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind nur in der Weise geregelt, daß einzelne Lebenssachverhalte, die von der Rechtsordnung normativ erfaßt werden, auch in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft vorkommen. Ebenso verhält es sich mit der Frage einer Absprache zu Familienplanung und Empfängnisverhütung. Sie ist kein spezifisches Problem der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und kann nur mit den allgemeinen Regelungen der Rechtsordnung beantwortet werden. Der Tatbestand der Lebensgemeinschaft hat dabei lediglich auf allgemeine Wertungsfragen Einfluß. Somit gelten für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses nichtehelicher Lebenspartner zueinander die allgemeinen Regelungen, ohne daß dabei aber ihr spezifischer Lebenssachverhalt ganz außer acht gelassen werden sollte578 • Über die selbstverständliche Anwendung der allgemeinen Regeln hinaus 576 Daß die Frage der Einigung über die Familienplanung eine besondere ist, wurde bereits bei der Prüfung der Anwendbarkeit der Grundsätze des "gegenseitigen Einvernehmens" des§ 1356 BGB deutlich, vgl. oben§ l.IV.l- 3. 577
Scholz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 41.
578 Müller-Freienfels, in: Ringeling/Svilar, S. 69: "Insofern kann nicht des Rätsels Lösung einfach in einer schematischen unterschiedslosen Anwendung schuldrechtlicher Regeln auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft liegen, sondern es muß eben dabei deren persönlichen und sachlichen Besonderheiten jeweils nachhaltig Rechnung getragen werden unter Einbeziehung der Problematik ihres Verhältnisses zur Ehe."
152
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
verbieten sich aber "korrigierende Eingriffe von außen während des Bestandes einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft" 579 . Folglich beschränkt sich die Beurteilung des Verhaltens der Frau, was der Grund für das Schadensersatzbegehren ihres Lebensgefährten ist, auf den Bereich des Vertrages, des Vertrauensschutzes und des Deliktsrechts. Stets bedarf es dabei der Beachtung der besonderen Situation des Miteinanders in einer Lebensgemeinschaft. Es gilt, den "inneren Tatbestand" der nichtehelichen Lebensgemeinschaft insofern zu berücksichtigen, "als die personale Komponente der nichtebeliehen Lebensgemeinschaft in vielen Fällen eine Modifizierung der Anwendung der allgemeinen Vorschriften erfordert, um adäquate Ergebnisse zu erzielen"5so.
§ 6. Schadensersatzanspruch aus Vertrag Auch zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist die Möglichkeit eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs denkbar. Dafür müßte zwischen den Partnern ein Vertrag zur Frage von Nachkommen und Empfängnisverhütung abgeschlossen worden sein. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften heute nicht mehr als sittenwidrig angesehen werden, sind ausdrückliche Vereinbarungen zwischen den Partnern grundsätzlich wirksam und durchsetzbar5 81 •
I. Keine ausdrückliche vertragliche Einigung Fehlt es an einer ausdrücklichen vertraglichen Abmachung, so stellt sich die Frage, ob die Partner die dafür erforderlichen Willenserklärungen konkludent abgegeben haben.
579
Finger, JZ 1981, 497, 501.
580
de Witt!Huffmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, Rz. 99.
581 Daß in der Praxis dennoch von vertraglichen Vereinbarungen kaum Gebrauch gemacht wird, liegt folglich nicht an der Rechtslage, sondern an anderen Gründen. Schwenzer, Vom Status zur Realbeziehung, S. 169, nennt hier sowohl das Phänomen, daß Streit und Trennung gar nicht in Betracht gezogen werden, als auch die Ansicht vieler Partner, daß Voraussetzung der Lebensgemeinschaft das gegenseitige Vertrauen sei, welches aber durch eine Vereinbarung bereits in Frage gestellt würde.
2. Kap. § 6. Schadensersatzanspruch aus Vertrag
153
1. Die Einschätzung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof582 spricht der Zusage einer nichtverheirateten Lebenspartnerin, zur Verhütung einer Schwangerschaft Medikamente nehmen zu wollen, den Charakter einer Willenserklärung ab: "Bestehen für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Hindernisse zur Eingebung einer Ehe ( ... ) , so verzichten sie im allgemeinen bewußt auf die mit der Institution der Ehe zur Verfügung stehende rechtliche Ordnung ihrer Beziehungen. Sie wollen ihre freie Partnerschaft nicht Rechtsvorschriften unterordnen ( ... ). Im allgemeinen gründen Partner solcher Gemeinschaften ihre Beziehungen daher auf ihre individuellen Vorstellungen von Moral und Anstand sowie auf Gefühl und Vertrauen. Sie wollen für ihre persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gerade keine rechtliche Regelung ( ... ) . Rechtliche Bindungen zur Ordnung vermögensrechtlicher Beziehungen unter den Partnern sind daher die Ausnahme ( ... ). Noch ferner liegt es nach allgemeiner Vorstellung, daß Partner ihre persönlichen, intimen Beziehungen zum Gegenstand vertraglicher Bindung machen wollen. "583 2. Kritik Daß die Partner, die sich bewußt für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und gegen eine Ehe entscheiden, in rechtlich ungeregelten Verhältnissen leben wollen, um die Möglichkeit der jederzeitigen Auflösung der Gemeinschaft zu haben, ohne irgendwelche rechtlichen Konsequenzen fürchten zu müssen584 , überzeugt nicht. Der Verzicht bezieht sich nur auf die Anwendbarkeit des Verlöbnis- und Eherechts und aller darauf bezogenen Vorschri ften585 • Ramm fragt in diesem Zusammenhang, ob denn die rechtsgeschäftliche Privatautonomie so weit gehe, die Herrschaft des Rechts überhaupt auszuschließen, die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft also einen rechtsfreien Raum schaffen dürften586 • Der Verzicht auf das Recht der Ehe bedeutet nicht gleichzeitig auch eine Entscheidung für ein Leben im rechtsleeren Raum. Daher
582
Urteil vom 17.4.1986, vgl. oben§ 1, Pn. 143.
583
BGH NJW 1986, 2043, 2044.
584
So auch Fehn, JuS 1988, 602, 602.
585
So zu RechtRoth-Stielow, JR 1987,7, 8.
586
Ramm, JZ 1986, 1011, 1013.
154
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
stößt diese Folgerung des Bundesgerichtshofs in der Literatur auf Kritik587 • Allein die Lebensform der nichtehelichen Lebensgemeinschaft läßt noch nicht den Schluß zu, die Partner verkehrten grundsätzlich nie in Willenserklärungen miteinander.
3. Stellungnahme Das Maß an Unverbindlichkeit, das die nichteheliche Lebensgemeinschaft gegenüber der Ehe ausmacht, läßt eher die gegenteilige Wertung zu. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist wegen ihrer leichteren Lösbarkeit eher darauf gegründet, keine Kinder haben zu wollen588 • Unverbindlich bleibt eine Beziehung aber umso mehr, wenn keine Kinder aus ihr hervorgehen. Gerade die Aufrechterhaltung dieser Unverbindlichkeit legt es nahe, Absprachen, die diese sichern sollen, eine umso größere Bedeutung zukommen zu lassen589 • Dennoch dürfte dem Bundesgerichtshof im Ergebnis zuzustimmen sein, daß ein Vertrag über die Familienplanung nicht angenommen werden kann. Die Begründung dafür liegt aber nicht in der gewählten Lebensform der betroffenen Partner, denn die "typische Ablehnung von Abmachungen über die wirtschaftliche Kohabitation, um die es meist geht, kann aber kaum Aufschluß über den Bindungswillen bei einem Einverständnis über Konzeptionsverhütung geben" 590 • Die Ursache liegt vielmehr in der Wirklichkeit partnerschaftliehen Umgangs im zwischenmenschlichen Bereich. Allein aus einem Einigsein der Partner in der Frage der Empfängnisverhütung einen rechtsgeschäftliehen Bindungswillen der Frau abzuleiten591 , überzeugt nicht. Der Intimbereich und das Bewußtsein der Sexualpartner bei Einigungen über Nachwuchs und empfängnisverhütende Maßnahmen beurteilt sich bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht anders als unter Ehepartnern. Auch hier fehlt den Beteiligten wohl das Bewußtsein, irgendeine rechtserhebliche Erklärung abzugeben und bestimmte Rechtsfolgen herbeizuführen, wenn abgemacht wird, eine Empfängnis durch Einnahme der Pille zu 587 Schlund, JR 1986, 455, 456; Ramm, JZ 1986, 1011, 1013; Limbach, in: Limbach!Schwenzer, S. 39. 588
Ramm, JZ 1986, 1011, 1013.
589 Die im Auftrag des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit im Jahre 1985 erarbeitete Studie über nichteheliche Lebensgemeinschaften in Deutschland zeigt, welche erhebliche Bedeutung die Geburtenplanung gerade für nichtehelich Zusammenlebende hat. Vgl. BMJFG, S. 57, 75. 590 Dunz. 591
VersR 1986, 819, 819.
So Schlund, JR 1986, 455, 456.
2. Kap. § 6. Schadensersatzanspruch aus Vertrag
155
verhindern592 . Auch hier ist die "Fiktion" einer Willenserklärung zur Konstruktion eines Vertrags abzulehnen593 . Fehlen jegliche Hinweise auf einen ausdrücklichen Bindungswillen der Partner, so kann nicht von einem Vertrag über Empfängnisverhütung zwischen ihnen ausgegangen werden594 . Anders ist die Situation dann zu beurteilen, wenn die Partner ausdrücklich die Absicht einer rechtlichen Bindung und den Wunsch nach rechtsgeschäftlieber Regelung äußern. Dies ist möglich sowohl in einem umfassenden Partnerschaftsvertrag, der auch diese Frage behandelt, als auch in Form einer vertraglichen Einzelabmachung. II. Ausdrückliche Vertragsabsprache
1. Grundsätzliche Zulässigkeil von Partnerschaftsverträgen Im Schrifttum wird heute den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor allem für den Fall des Scheiterns der Gemeinschaft ausdrücklich geraten, vertragliche Abreden zu treffen595 . Grundsätzlich verstoßen solche Vereinbarungen nicht gegen die guten Sitten allein weil sie der Verwirklichung einer auf Dauer angelegten, von inneren Bindungen getragenen Lebensgemeinschaft dienen596.
Schwieriger wird es allerdings, wenn Gegenstand der Regelungen der Intimbereich ist.
592
Giesen, Familienrecht, Rz. 467; vgl. Fehn, JuS 1988, 602, 602.
593 Vgl. zu dieser Problematik unter Eheleuten oben§ l.IV.3. 594 Diederichsen, FamRZ 1988, 889, 896: "So darf aus der späteren Geltendmachung von Ansprüchen nicht auf einen ursprünglichen Rechtsfolgewillen geschlossen werden." 595 So z. 8.: Giesen, Familienrecht, Rz. 463; Müller-Freienfels, in: Ringeling/Svilar, S. 66; Schwab, in: Landwehr, S. 83; Finger, JZ 1981, 497, 510; Scholz. Nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 126; Kunigk, Die Lebensgemeinschaft, S. 104 ff.; Kurr, Vereinbarungen, S. 14; E. M. v. Münch, Zusammenleben ohne Trauschein, S. 152; Strätz, FamRZ 1980, 301, 306; de Witt!Hujfmnnn, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, Rz. 99.
596 BGH FamRZ 1980, 664, 665; 1991, 168, 169, für Zuwendungen sowie Absprachen über Wohnung, Hausrat und Unterhalt. Vgl. Schlüter, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 32; Giesen, Familienrecht, Rz. 700.
156
1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
2. Regelungen des Intimlebens a) Sittenwidrigkeit Will nach einer vertraglichen Regelung ein Partner den anderen erkennbar für dessen Bereitschaft zu sexuellem Zusammenleben belohnen, oder werden durch den Vertrag eheliche Angehörige eines oder beider Partner unangemessen benachteiligt, so ist ein solcher Vertrag sittenwidrig597 . Daher empfehlen einige Autoren, in einem Vertrag jeglichen Hinweis auf das sexuelle Zusammenleben zu unterlassen, um so die Nichtigkeit des (unter Umständen gesamten) Vertrags zu vermeiden598 • Der Rahmen des rechtlich Zulässigen und die Begründung der Sittenwidrigkeit ist bei umfassenden Partnerschaftsverträgen und vertraglichen Einzelabsprachen gleich. Für Eheleute ergibt sich aus der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft die Pflicht zu Geschlechtsgemeinschaft und Treue. Derartige Pflichten bestehen zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht599 • Diese vertraglich zu begründen, bedingt schnell den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Eine solche Vereinbarung könnte eine unzulässige Einschränkung der Persönlichkeitsrechte der Parteien bedeuten600 • "Anders als in der legalen Ehe steht diesen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte nicht der normierte Schutz von Ehe und Familie höherwertig gegenüber. "601 Die Äußerungen in der Literatur sind aber wohl eher das Ergebnis einer etwas unbestimmten Furcht, ein Gericht könnte einen vertraglichen Passus über den Intimbereich sogleich als Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen finanziellen Leistungen und geschlechtlicher "Hingabe" oder als unzulässige Einengung der Persönlichkeit der Vertragspartner mit dem Verdikt der Sittenwidrigkeit belegen. Das aber erscheint so nicht begründet.
597 Vgl. E. M. v. Münch, Zusammenleben ohne Trauschein, S. 154. Zur Sittenwidrigkeit von Schenkungen unter Lebenden und Verfügungen von Todes wegen aus diesem Grunde, vgl. BGHZ 52, 17, 20; 53, 369, 376; BGH FamRZ 1984, 141, 142. 598 So z. 8.: Kunigk, Die Lebensgemeinschaft, S. 120; E. M. v. Münch, Zusammenleben ohne Trauschein, S. 154. 599 Es besteht lediglich eine strafrechtliche Garantenpflicht zur Lebensrettung (bei schwerem Unfall oder Selbstmordversuch) der nichtehelichen Lebenspartner untereinander; vgl. E. M. v. Münch, Zusammenleben ohne Trauschein, S. 69. 600
Schwab, Familienrecht, Rz. 701.
Kunigk, Die Lebensgemeinschaft, S. 120 f., für den eine Vereinbarung der Kinderlosigkeit deshalb unwirksam wäre. 601
2. Kap. § 6. Schadensersatzanspruch aus Vertrag
157
b) Parallele zu Ehevereinbarungen Der Rahmen des rechtlich Zulässigen wird hier wie zwischen Eheleuten durch die allgemeine Handlungsfreiheit einerseits und die Menschenwürde der Beteiligten andererseits abgesteckt. Fragen des individuellen Intimbereichs lassen keine Differenzierung zwischen nichtehelichen Lebenspartnern und Eheleuten zu602 • Das Maß an gegenseitigem Vertrauen wie auch die Tragweite der Geburt von Kindem für die Eltern ist in beiden Konstellationen vergleichbar. "Beide Lebensgemeinschaften begründen als intime umfassende Sozialbeziehung wechselseitige Abhängigkeiten und setzen für ihren Fortbestand Verläßlichkeit im alltäglichen Umgang miteinander voraus. "603 Zwar verbietet Art. 6 Abs. 1 GG eine Gleichstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit der Ehe604 . In der Frage der Zulässigkeit von vertraglichen Vereinbarungen geht es aber nicht um die grundsätzliche Gleichstellung von Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Gegenstand der Beobachtung ist hier ausschließlich der Intimbereich des einzelnen als engster und persönlichkeitsintensivster Kernbereich des Individuums, der stets des gleichen Respekts und Schutzes bedarf, unabhängig von der gewählten Lebensform der jeweils Betroffenen. Insofern kann hier auf die Ausführungen zu vertraglichen Ansprüchen unter Eheleuten605 verwiesen werden.
m. Vertragliche Abrede zur Familienplanung 1. Zulässiger Vertragsinhalt Allein die Betroffenheit des engsten persönlichen Freiheitsbereichs schließt die Möglichkeit einer vertraglichen Absprache über Familienplanung und EmpfangDisverhütung nicht aus606 . Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit berechtigt den einzelnen, seinen Intimbereich zum Gegenstand
602 Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9. 603 Limbach, in: Limbach/Schwenzer, S. 40. 604 Vgl. Banes, Nichteheliches Zusammenleben, Rz. 8, unter Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 1 GG: "Wenn schon der Gesetzgeber Ehe und nichteheliches Zusammenleben nicht zum Nachteil der Ehe gleichstellen darf, so dürfen die Beteiligten dies auf dem Wege über einen Vertrag auch nicht." 605 Vgl. oben§ 2. 606 So aber BGH NJW 1986, 2043, 2045 ; zustimmend Fehn, JuS 1988, 602, 602 f.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
rechtsgeschäftlicher Einigungen zu machen607 . Nur wenn ein solcher Vertrag die Partner unwiderruflich zu einem Verzicht auf Nachkommen und die Frau zur Einnahme empfangDisverhütender Mittel verpflichtet, bedeutete dies eine unzulässige Einschränkung der Entscheidungsfreiheit in persönlichen Angelegenheiten. Dieser Vertrag stellte einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar und wäre somit sittenwidrig. Böte der Vertrag aber beiden Partnern eine jederzeitige und bedingungslose Kündigungs- bzw. Widerrufsmöglichkeit, so wäre gegen dessen Gültigkeit nichts einzuwenden608 • Zulässig und erforderlich erscheint dabei aber eine Verpflichtung, das Sich-Lösen von der vertraglichen Absprache dem anderen Partner mitzuteilen. 2. Durchsetwarkeit Da die Einigung über Kinderlosigkeit und Durchführung empfangnisverhütender Maßnahmen lediglich widerruflich erfolgen kann, stellt sich die Frage der Durchsetzbarkeit der vertraglichen Verpflichtung nicht609 •
3. Konventionalstrafe Die Möglichkeit einer Konventionalstrafe im Falle des Unterlassens der Mitteilung über das Abgehen von der Vereinbarung scheiterte unter Eheleuten an der Wertung des § 888 Abs. 2 ZPO, da die Erzwingung einer personalen Ehepflicht durch die Androhung einer Strafe- für den Fall der Nichterfüllung derselben als Vertragspflicht- auf die Umgehung dieser Norm hinausliefe610 • a) Keine Anwendung des § 888 Abs. 2 ZPO Für das Verhältnis Nichtverheirateter untereinander hat § 888 Abs. 2 ZPO keine unmittelbare Bedeutung. Umfaßt zwar auch die nichteheliche Lebens607 Die Frage, ob vertragliche Regelungen des Zusanunenlebens gegen§ 138 BGB verstoßen können, läßt Giesen, Familienrecht, Rz. 466, offen: "Soweit die Regelungen die Persönlichkeits- und Intimsphäre betreffen, sind etwa übemonunene Pflichten zumindest nicht erzwingbar." 608
Vgl. oben§ 2.1.4.
Die Verurteilung zur Mitteilung des Abgehens von der Absprache wäre zwar möglich, da hier die vertragliche Abrede und deren Durchsetzbarkeit keine Vorschriften über Ehepflichten umginge, sie käme aber stets zu spät; vgl. oben § 2.11.1. 609
610 Die Norm des § 888 Abs . 2 ZPO ist Beleg für die "Zurückhaltung des Rechts gegenüber der Ehe"; so Müller-Fr.eienfels, Ehe und Recht, S. 107.
2. Kap. § 6. Schadensersatzanspruch aus Vertrag
159
gemeinschaft den Intimbereich der in ihr verbundenen Partner, so gelten für sie aber dennoch nicht die Normen des Eherechts, sondern die allgemeinen Vorschriften, wahrt das Recht ihnen gegenüber nicht die gleiche Zurückhaltung. Der Schutz des ehelichen Intimbereichs findet in§ 888 Abs. 2 ZPO eine Art "Institutionalisierung", welche für die Lebensform der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht gilt. Gerade ihre rechtliche Unverbindlichkeit eröffnet mehr "Einbruchsstellen" des Rechts als in der verbindlicheren Ehe. b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aa) Keine unzulässige Einengung der Entscheidungsfreiheit Zwar ist auch die Mitteilung über das Absetzen des Verhütungsmittels für die Lebenspartnerin eine persönliche Pflicht; die Anerkennung einer Vertragsstrafe bedeutet somit zweifelsfrei eine Einengung der Entscheidungsfreiheit in persönlichen Angelegenheiten. Die Frau wäre durch die drohende Vertragsstrafe dazu angehalten, das Absetzen des Verhütungsmittels ihrem Lebenspartner mitzuteilen. Damit wird sie zwar in einer persönlichen Verhaltensweise beeinflußt, doch scheint das hier in Frage stehende Ausmaß des Eingriffs mit Blick auf die (Mit-) Betroffenheit des Mannes vertretbar. Kann die Verpflichtung zu einer ständigen Empfängnisverhütung wegen ihrer weitreichenden Konsequenzen für die gesamte Persönlichkeit der Frau nicht erfolgen, so ist das bezüglich einer Mitteilungspflicht anders zu beurteilen. Für den Mann ist die Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts hier viel stärker als für die Frau. Durch die Vertragsstrafe wird sie dazu angehalten, ihren Partner zu informieren. Die dadurch bewirkte Einengung ihrer persönlichen Entscheidungsfreiheit erscheint zumutbar; ist sie damit aber nicht unzulässig, so stellt sie auch keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dat' 11 • 611 Wegen unzulässiger Einengung der Selbstbestimmung im höchstpersönlichen Bereich erklärte z. B. das OLG Hamm NJW 1988, 2472 ff., eine Bestimmung in einem Partnerschaftsvertrag zwischen nichtehelichen Lebenspartnern für nichtig, in welcher der Mann verpflichtet wurde, im Falle einer seinerseitigen Auflösung der Gemeinschaft einen genau festgelegten Geldbetrag als Ausgleich an seine Partnerin zu zahlen. Diese Norm sei eine Sanktion mit Strafcharakter, die an die Nichterfüllung personaler Verhaltenserwartungen anknüpfe. Da eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft selbst in der Ehe nicht erreichbar sei, sei diese Regelung als Verstoß gegen die persönliche Entscheidungsfreiheit sittenwidrig. Dem Urteil ist zuzustimmen. Hier wird deutlich, daß es für ein Sittenwidrigkeitsurteil entscheidend auf die Tragweite und Bedeutung des geregelten Verhaltens ankommt. Die Aufrechterhaltung einer Beziehung stellt ebenso wie die weitere Einnahme empfängnisverhütender Mittel in ganz anderer Weise ein persönliches Verhalten dar, als die bloße Mitteilung über ein Verhalten.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
bb) Keine unzulässige Beeinträchtigung der Intimsphäre Durch die Mitteilung gegenüber dem Partner wäre die Intimsphäre der Frau nicht unzumutbar berührt612 • "Wenn man schon eine Vereinbarung über den beiderseitigen Intimbereich für zulässig und notwendig erachtet. dann kann es der Intimbereich nicht rechtfertigen, daß ein Partner sein einseitiges Lossagen, das ihm freisteht, zum Zwecke der Täuschung verschweigt. "613 Die Frau hat ihre (Freiheit der) Entscheidung über Empfängnisverhütung und somit einen Teil ihrer Intimsphäre zum Gegenstand einer zulässigen vertraglichen Absprache gemacht; sie kann sich nun nicht zur Abwendung einer Vertragsstrafe auf den Schutz derselben berufen614 • cc) Kein Schutzbedürfnis gegenüber staatlicher Einflußnahme Die Mitteilung über die Beendigung weiterer Verhütungsmaßnahmen an den Lebenspartner ist eine Handlung im persönlichen Bereich der Frau. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG gebieten die Achtung dieser ureigensten Intimsphäre der Frau, was den Schutz derselben vor jeglichem staatlichen Einfluß bedeutet615 • Die gerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung einer wirksam vereinbarten Vertragsstrafe stellt einen staatlichen Eingriff dar. Nicht anders als bei der Ehe gilt hier der Gedanke, daß die Erfüllung personaler Pflichten nicht durch äußeren Rechtszwang durchgesetzt werden darf. § 888 Abs. 2 ZPO macht das für die Ehe deutlich. Die Vorschrift beruht auf der Einsicht, daß das gerichtliche Verfahren ein zu grobes Instrument ist, um Intimbeziehungen dauerhaft und konstruktiv gestalten zu können616 • Bei der gerichtlichen Klärung der Verwirkung der Vertragsstrafe müßte aber nicht tief in die Privat- und Intimsphäre des Paares eingegriffen werden. Mag für personale Ehepflichten aller Art grundsätzlich das Vollstreckungsverbot des § 888 Abs. 2 ZPO greifen, so ist für die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht selbstverständlich das gleiche anzunehmen. Es erscheint gerade nicht zweckmäßig, jede personale Pflicht als dem der gerichtlichen Überprüfung entzogenen höchstpersönlichen Bereich angehörend zu beurteilen, auch wenn hier ein geschützter gemeinsamer Intimbereich gewahrt
612
Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9; a. A. aber BGH NJW 1986, 2043, 2045 .
613
Dunz. VersR 1986, 819, 820.
614
Vgl. Ramm, JZ 1986, 1011, 1013.
615
Vgl. BVerfGE 34,269, 281; 35,202, 220.
616
Limbach, in: Limbach/Schwenzer, S. 41.
2. Kap. § 6. Schadensersatzanspruch aus Vertrag
161
werden sollte, und auch hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine Beschränkung der Selbstbestimmung im höchstpersönlichen Bereich gebietet. Zwar ist auch die Informationspflicht eine persönliche Pflicht, doch wirkt diese hier in den Bereich eines anderen - nämlich ihres Lebenspartners - hinein, was ein Verlassen ihrer Privatsphäre und einen Verlust des Schutzes des individuellen Intimbereichs durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bedeutet. Es liegt hier keine familiemechtliche Beziehung vor, die das beide Partner betreffende Verhalten als noch in den engsten und einheitlichen Intimbereich fallend erscheinen läßt617 • Größere Unverbindlichkeit bedingt eine stärkere Verrechtlichung; ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft Ausdruck zunehmender Individualisierung, so hat das eine stärkere Transparenz der Beziehung zur Folge. Eine völlige Abschirmung des internen Bereichs der Beziehung wie bei der Ehe bedeutete eben doch eine Nivellierung der beiden in ihr lebenden Individuen, was der ursprünglichen Intention der Partner - wie ja auch an der Vereinbarung einer Konventionalstrafe deutlich wird - wohl nicht gerecht werden würde618 • Daraus läßt sich ableiten, daß zumindest die Frage einer Mitteilung des Abgehens von der Vereinbarung gegenüber dem Lebenspartner nicht in der Weise den Schutz des Intimbereichs vor staatlicher Einflußnahme genießt, daß eine dazu vereinbarte Konventionalstrafe nicht zulässig und durchsetzbar wäre. c) Ergebnis Hat die nichteheliche Lebenspartnerin gegen ihre vertragliche Pflicht zur Information ihres Lebensgefährten über das Absetzen antikonzeptioneller Mittel verstoßen, und ist für diesen Fall eine Vertragsstrafe vereinbart worden, so kann der Partner diese verlangen. Somit ergibt sich für diese Frage ein anderes Ergebnis als zwischen Eheleuten.
4. Schadensersatz Auch für die Frage des Schadensersatzes (wegen Nichterfüllung oder aus positiver Vertragsverletzung) erscheint es zutreffend, zwischen nichtehelichen Lebenspartnern ein anderes Ergebnis zuzulassen als unter Ehegatten. 617
Für die Ehe vgl. dazu BVerfGE 6, 389. 433.
618 Dazu Ramm, JZ 1986, 1011 , 1012: "Die nichteheliche Lebensgemeinschaft wird durch die leichte Lösbarkeit charakterisiert, und damit fehlt ihr das entscheidende Merkmal der Gemeinschaft, deren Autonomie mit dem Schutz des gemeinsamen Intimbereichs zwingend verbunden ist." II Wanke
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
a) Kein Schadensersatz unter Ehegatten Bei Ehepartnern ist es die Norm des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB, aufgrund derer es untersagt ist, eine Ehepflicht als Vertragspflicht auszugestalten, um so bei deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch zuzulassen619 • Die Ehe ist die gesetzlich anerkannte und geregelte Form der Lebensgemeinschaft zweier Menschen, und es sind daher auch ihre Normen, die diesen Lebensbereich in Form eines gemeinsamen Intimbereichs regeln, schützen und abschirmen. Der Widerstreit der Einzelinteressen der Ehegatten tritt hinter dem gemeinsamen Autonomiebereich, der sich äußerer rechtlicher Regelung entzieht, zurück. b) Unterschiede bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Für die nichteheliche Lebensgemeinschaft aber gibt es die Norm des § 1353 BGB nicht. Zwar besteht auch in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein (gemeinsamer) Intimbereich, darf nicht durch gerichtliche Ausforschung und Eingriffe eine Reglementierung erfolgen. Dennoch kann nicht von einem so umfassenden Schutz des Intimbereichs wie in der Ehe ausgegangen werden. Es ist sowohl der höhere Grad rechtlicher Unverbindlichkeit als gerade auch die stärkere Betonung des einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, der es verbietet, alle Wertungen des Eherechts zu übernehmen. Hier ist eine stärkere Differenzierung nach der konkreten Einzelfrage erforderlich, bedarf es doch gerade mangels gesetzlicher Vorgaben (im Falle des Wunsches nach dennoch "geregelten Verhältnissen") einer viel stärkeren individuellen Regelungsdichte durch die Partner. Zwar können auch Eheleute alles bis ins Detail regeln, doch ist die Frage der Durchsetzbarkeit und Sanktionierung eine andere als bei nichtehelichen Partnern. Sind grundsätzlich alle personalen Ehepflichten nicht vollstreckbar (§ 888 Abs. 2 ZPO) und somit auch nicht mit Schadensersatz sanktionierbar, so erscheint es zu pauschal, jede personale Verhaltenspflicht bei nichtehelichen Lebenspartnern ebenso zu behandeln. c) Schadensersatz bei vertragswidrigem Verschweigen des Absetzens von Verhütungsmitteln Zur Frage der Familienplanung ergibt sich daraus folgendes: Die vertragliche Pflicht zur Mitteilung über die Beendigung der EmpfangDisverhütung ist gegenüber dem Partner nicht unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG für nichtig zu erklären, da die Frau durch die Absprache den engsten Bereich ihrer Per619
Vgl. oben§ 2.11.2.b.
2. Kap. § 7. Schadensersatz aus vertragsähnlichem Vertrauensverhältnis
163
sönlichkeit verlassen hat. Diese Pflicht engt sie nicht in unzumutbarer Weise in ihrer persönlichen Entscheidungsfreiheit ein und bedarf nicht des Schutzes vor gerichtlicher Überptüfung, da sie nicht in einen gemeinsamen, unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG stehenden Intimbereich fallt. Ist die Mitteilungspflicht vereinbar und (theoretisch) durchsetzbar, so erscheint es folgerichtig, sie auch als sanktionsfahig (in Form von Schadensersatz) anzusehen. Dem Schadensersatz kommt kein Strafcharakter zu, sondern er ist ein Ausgleichsanspruch. Sein Ziel ist nicht die direkte Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit, sondern er dient vielmehr dem Ausgleich eines durch Mißachtung einer vertraglichen Vereinbarung entstandenen Schadens620 • Somit hätte der Mann hier gegen seine nichteheliche Lebenspartnerin einen vertraglichen Schadensersatzanspruch. Er umfaßt die ihm gemäß §§ 1600 a, 1615 a ff., 1601 ff. BGB dem Kind gegenüber entstehende Unterhaltsverpflichtung, sowie die an die Mutter im Zusammenhang mit der Geburt geleisteten Zahlungen621 •
§ 7. Schadensersatz aus vertragsähnlichem Vertrauensverhältnis, § 242 BGB Geht man von der wohl häufigsten Situation aus, daß die nichtehelichen Lebenspartner keine für sie erkennbar rechtsverbindliche Absprache über die Fragen der Familienplanung und Empfängnisverhütung getroffen haben, so könnte ihr diesbezügliches Verhalten aber dann ein rechtlich bedeutsames sein, wenn sich aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs des Mannes herleiten ließe.
620 Dieses Ergebnis gilt auch für etwaige Freistellungsvereinbarungen für den Fall der Geburt eines Kindes aufgrund Unterlassens einer Mitteilung über die Beendigung von Verhütungsmaßnahmen, da auch diese Form der Sanktion wie eine Konventionalstrafe oder Schadensersatzforderung zu behandeln ist; vgl. oben§ 2.II .2.c. 621 Nach Begründung der nichtehelichen Vaterschaft hat die Mutter gegen den nichtehelichen Vater einen Anspruch auf Ersatz der Entbindungskosten (§ 1615 k BGB) und auf Unterhalt für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes (§ 1615 I BGB). Ist die Frau aus Gründen, die auf die Schwangerschaft zurückzuführen sind, zu einer Erwerbstätigkeit nicht imstande, so kann ihr ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater zustehen; dieser beginnt dann frühestens vier Monate vor der Entbindung und endet spätestens ein Jahr nach der Entbindung, vgl. § 1615 I Abs. 2 S. 3 BGB. Zu den Verpflichtungen des nichtebeliehen Vaters, siehe des weiteren unten§ 9.III.l.b.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
I. Voraussetzungen
1. Allgemeines Der Gedanke des Vertrauensschutzes ist Teil des Grundsatzes von Treu und Glauben in § 242 BGB622 • Aus der systematischen Stellung der Norm des § 242 BGB wird abgeleitet, daß der Grundsatz von Treu und Glauben nur innerhalb rechtlicher Sonderverbindungen gelte623 • Dabei wird dieser Begriff aber im Zusammenhang des § 242 BGB im weitesten Sinne verstanden624 ; es genügt jeder "qualifizierte soziale Kontakt" 625 , so daß das nichteheliche Lebensverhältnis diese Voraussetzung erfüllt. Eine Haftung aus Vertrauensschutz erfordert keine Willenserklärungen, solche müssen daher auch nicht fingiert werden, was dem hier zu prüfenden Lebenssachverhalt gerechter wird. Somit erscheint in der vorliegenden Konstellation eine Anwendung des Vertrauensschutzgedankens möglich.
2. Vertrauen bei Absprachen zur Familienplanung Die Absprache zur Familienplanung hat für beide Partner eine besondere Tragweite und Bedeutung, "weil damit ein ganz wesentlicher Teil in der Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen für die Zukunft geregelt worden ist und die Verläßlichkeit darauf ein Höchstmaß an Vertrauen vor allem in das Verhalten der Frau voraussetzt" 626 • Auch Ramm, für den die nichteheliche Lebensgemeinschaft wegen ihrer leichten Lösbarkeit typischerweise darauf gegründet ist, keine Kinder haben zu wollen, sieht in diesem Punkt ein "besonderes Vertrauensverhältnis" 627 • Aus diesem Vertrauen sowie "der grundsätzlichen Rechtsverbindlichkeit gegenseitiger Vereinbarungen und jener Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Personsein der Beteiligten beigelegt hat", leitet Roth-Stielow den Charakter
622
BGHZ 94, 344, 351.
623
RGZ 160, 349, 357; BGHZ 95, 285, 288.
624
Palandt!Heinrichs, § 242 Rz. 6.
625
MünchKomm!Roth, § 242 Rz. 55.
626
Roth-Stielow, IR 1987, 7, 9 .
627
Ramm, JZ 1986, 1011, 1013.
2. Kap. § 7. Schadensersatz aus vertragsähnlichem Vertrauensverhältnis
165
der Rechtsverbindlichkeit (§§ 241 und 242 BGB) der Absprache ab628 • Vertrauen auf Gegenseitigkeit (§ 242 BGB) ersetze den Schutz aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Mißbilligung arglistiger Täuschungen sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz und hinsichtlich der Folge nicht abdingbar. Der Gesetzgeber schütze damit Vertrauen und Zukunftsgestaltung durch Verbindlichkeit629 • 3. Konkreter Vertrauenstatbestand
Da das eigentlich Wesentliche bei der Vertrauenshaftung nicht das Vertrauen, sondern der das Vertrauen begründende Tatbestand ist630 , gilt es zunächst, diesen Tatbestand des Vertrauens hier aufzuzeigen. Zwischen den Partnern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft besteht im Zweifel bezüglich der Frage der Empfängnisverhütung sowohl eine tatsächliche Übung als auch eine Zusage der Frau, Maßnahmen zur Empfängnisverhütung vorzunehmen. Durch die bisherige Verhütungspraxis der Frau und die Abrede wird ein Tatbestand geschaffen, auf dem das Vertrauen des Mannes gründet631 • Des weiteren bedarf es einer Konkretisierung des Vertrauens; es ist herauszustellen, worauf das Vertrauen gerichtet ist632 . Hier vertraut der Mann allein darauf, daß die Frau weiterhin Maßnahmen zur Empfängnisverhütung trifft. Infolge dieses konkreten Vertrauens sieht er von eigenen Vorkehrungen zur Vermeidung von Nachkommen ab.
628
Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9.
Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9, Fn. 9; im Ergebnis aber spricht sich Roth-Stielow nicht ausdrücklich für einen eigenen Ersatzanspruch des Mannes aus Vertrauensschutz für den ihm durch den Vertrauensbruch der Frau entstandenen Vermögensschaden aus. 629
630
Flume, BGB-AT II, § 10 Nr. 5.
631
Vgl. Fehn, JuS 1988, 602, 603.
632 Ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis etwa als allgemeine Grundlage eines Ausgleichsanspruchs zwischen nichtehelichen Lebenspartnern bei Auflösung ihrer Gemeinschaft heranzuziehen, scheitere - so Derleder, NJW 1980, 545, 548 - daran, daß das gegenseitige Vertrauen in ehelosen Gemeinschaften sehr "unterschiedlich dimensioniert" sein könne und es so an einem "differenzierten Verhaltensmodell" fehle. Auch in Anbetracht der Leichtigkeit der Beendigung einer solchen Gemeinschaft lasse sich ein rechtserhebliches Vertrauen auf ihren Fortbestand gerade nicht rechtfertigen. Bei der Verteilung von Kontoständen greift Derleder, a.a.O., S. 550, dann aber doch auf das Institut des vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses zurück, wenn nur ein Partner Kontoführer sei, das Guthaben aber auf Einzahlungen beider beruhe; kritisch dazu Schlüter/Belling, FamRZ 1986, 405, 411, die bemängeln, daß offenbleibe, worauf sich das Vertrauen des nicht kontoführenden Partners eigentlich beziehe.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliebe Kinder
4. Schutzwürdigkeit des Vertrauens Das Vertrauen, das einen Anspruch begründen soll, muß ein schutzwürdiges sein. Das erscheint hier zweifelhaft. Nach Ansicht von Canaris633 verdient das Vertrauen auf ein künftiges Verhalten des Partners grundsätzlich dann keinen Schutz, wenn dieser sich nicht rechtsgeschäftlich verpflichtet hat634 . Wer um das Fehlen einer rechtsgeschäftliehen Bindung wisse, dürfe keinen gesteigerten Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen635 . Da hier aber gerade keine rechtsgeschäftliche Absprache zur Familienplanung vorliegt, wäre danach eine Vertrauenshaftung abzulehnen.
II. Stoll: "Vertrauensschutz bei einseitigen Leistungsversprechen" Zu einem anderen Ergebnis gelangt Stoll mit seiner Theorie vom "Vertrauensschutz bei einseitigen Leistungsversprechen"636 .
1. Der Ansatz Stalls Nach der Theorie Stolls stellen einseitige Leistungsversprechen einen besonderen Vertrauens- und damit Haftungstatbestand dar, aufgrund dessen es möglich sei, "dem auf ein Leistungsversprechen Vertrauenden - unabhängig von einem "Rechtsbindungswillen" des Versprechenden - den erforderlichen Rechtsschutz zu gewähren. Auf die Fiktion eines Rechtsbindungswillens könnte dann verzichtet werden, wodurch die Rechtsgeschäftslehre entlastet würde. "637 Einseitige Leistungsversprechen bedürften einer selbständigen Bewertung, weil bei ihnen die Privatautonomie nicht dieselbe Tragweite habe wie bei ausgehandelten Verträgen638 . Mit diesem Ansatz erfaßt Stoll Situationen, in denen ausdrückliche Erklärungen abgegeben werden, deren rechtsgeschäftlieber Charakter aber oft zweifelhaft ist. Solche Versprechen seien häufig all633 Canaris, Vertrauensbaftung, S. 352 f. 634 Zustimmend Schlüter!Belling, FamRZ 1986, 405,411. 635 Schlüter/Belling, FamRZ 1986,405, 411. 636 Stoll, FS-Plume, S. 741 ff. 637 Stoll, PS-Plume, S. 747; er orientiert sieb bei diesem Ansatz am Vorbild der US-amerikanischen Doktrin vom "promissory estoppel". 638 Stoll, PS-Plume, S. 748 .
2. Kap. § 7. Schadensersatz aus vertragsähnlichem Vertrauensverhältnis
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gemein gehalten und vage formuliert, es werde nicht deutlich, ob die Leistung nur in Aussicht gestellt oder fest versprochen werde, so daß die Konstruktion eines Vertragsschlusses nicht zulässig wäre639 • Unterstelle man in diesen Situationen dennoch einen Vertragsschluß, so bedürfe dieser regelmäßig einer Ergänzung durch den Richter, was dem Parteiwillen nicht immer gerecht werde. Eine besondere außerdeliktische Haftung werde erst dann relevant, wenn durch ein einseitiges Leistungsversprechen das Vertrauen des Empfängers in Anspruch genommen werde640 . Zu diesen zählt Stoll auch Leistungsversprechen im familiären oder gesellschaftlichen Bereich641 . Damit wendet er sich gegen die Auffassung von Canaris, daß eine Vertrauenshaftung nur bei "Teilnahme am rechtsgeschäftliehen Verkehr" in Betracht komme642 . Diese Voraussetzung könne nicht bestimmt werden, wenn die Vertrauenshaftung gerade nicht den Abschluß eines Rechtsgeschäfts voraussetze. Wenn das Verhalten stets auf Abschluß eines Rechtsgeschäfts abzielen müsse, bedeute das eine unnötige Einengung. Die Vertrauenshaftung solle ja gerade "die oftmals gekünstelte Konstruktion eines rechtsgeschäftliehen Willens" entbehrlich machen643. 2. Die Anwendung auf Absprachen zur Familienplanung
zwischen nichtehelichen Lebenspartnern
Versteht man die Zusage der Frau, Maßnahmen zur Empfängnisverhütung vorzunehmen, als einseitiges Leistungsversprechen, so scheint hier eine Vertrauenshaftungnach dem Ansatz Stalls, der eben keine "Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr" voraussetzt, gegeben. a) Einseitiges Leistungsversprechen Bei der Zusage der Frau handelt es sich nicht um eine beliebige Erklärung, sondern um das einseitige Versprechen, die "Leistung" der Empfängnisverhütung zu erfüllen. Die Frau nimmt durch dieses Versprechen das Vertrauen ihres Lebenspartners in Anspruch. Auf einen für eine vertragliche Absprache erforderlichen "Rechtsbindungswillen" der Frau kommt es hier zur Begrün-
639
Stoll, FS-Flume, S. 771.
640 Stoll, FS-Flume, S. 754. 641 Stoll, FS-Flume, S. 770 ff. 642 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 442 ff., 452. 643 Stoll, FS-Flume, S. 770, Fn. 139.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
dungeines Haftungstatbestandes nicht an. Da sie ihr Versprechen mit klarem und ernsthaftem Regelungswillen gibt, erscheint es gerechtfertigt, sie aus einer "vertragsähnlichen" Vertrauenshaftung in Anspruch zu nehmen. Der Haftungstatbestand erfordert zwar keinen rechtskonstitutiven Willen, doch wird hier eine Leistungserwartung geweckt, die es nach § 242 BGB zu schützen gilt644 • Diese Leistungserwartung des Partners als Versprechensempfänger scheint das Bedürfnis nach einer Vertrauenshaftung der Frau zu rechtfertigen. b) Vertrauen des Partners auf abredegemäßes Verhalten Indem die Frau von ihrem Verhütungsversprechen abgeht, ohne es dem Mann mitzuteilen, realisiert sich der Sachverhalt, den es aufgrundder Vereinbarung gerade zu vermeiden gilt. Durch die Enttäuschung des Vertrauens des Mannes ist ihm aufgrund der mit der Geburt des Kindes verbundenen Verpflichtungen ein Schaden entstanden, für den die Frau einzustehen hätte. c) Parallele zu Ehevereinbarungen Die grundsätzliche Anwendbarkeit der Lehre Stolls auf die Absprache zur Familienplanung (sowie generell auf Abmachungen zwischen nichtehelichen Lebenspartnern) läßt eine Parallele zu den Vereinbarungen unter Eheleuten im Rahmen des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB erkennen, bei deren Auslegung es auch der Vertrauensgrundsatz war, der Umfang und Verbindlichkeit festlegte. Da diese Norm aber nur zwischen Ehegatten zur Anwendung kommt, erfüllt § 242 BGB diese Funktion zwischen nicht verheirateten Partnern. Umgekehrt ist es § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB, der eine Anwendung des § 242 BGB zwischen Ehepartnern entbehrlich macht, gleichzeitig aber auch bei Verletzung personaler Ehepflichten einem Schadensersatzanspruch entgegensteht. Es fragt sich daher, ob hier aufgrund der Tatsache des Nichtverheiratetseins eine andere Wertung in bezug auf die Zuerkennung von Schadensersatz für den Unterhalt eines ungewollten Kindes zwischen dessen Eltern vorzunehmen ist.
644 Stoll gewährt dem Adressaten des Versprechens allerdings nicht dessen Erfüllung; dieser könne nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn er auf das rechtsgeschäftlich nicht bindende Versprechen nicht vertraut hätte, was gerade bei familiären Abmachungen bedeutungsvoll sei. Dieser Vertrauensschaden sei maximal auf den Betrag des Erfüllungsinteresses begrenzt; FS-Flume, S. 773.
2. Kap. § 7. Schadensersatz aus vertragsähnlichem Vertrauensverhältnis
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3. Einschränkungen
a) Wertungsfragen Enttäuscht wird in beiden Konstellationen ein Vertrauen im engsten zwischenmenschlichen Bereich. Es liegt keine vertragliche Absprache vor, die der Frau die Verbindlichkeit ihrer Zusage hätte deutlicher erkennen lassen. Die Frau weiß, daß sie sich zur Empfängnisverhütung verpflichtet hat - auch um die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind zu vermeiden. Ihr abweichendes Verhalten hat für beide Partner weitreichende Folgen. Diese Folgen aber entgegen den auf Abstammung begründeten Wertungen der unterhaltsrechtlichen Normen der §§ 1601 ff. BGB allein der Frau aufzubürden, wäre ein gewagter Schritt. Ein solch umfassender Vertrauensschutz für den Mann bedeutete, an eine bloße Absprache weitreichende rechtliche Konsequenzen zu knüpfen. Das Verhalten der Frau ist ein klarer Verstoß gegen das bestehende Vertrauensverhältnis. Käme es zu einer Schadensersatzforderung des Mannes, so wäre das Vertrauensverhältnis wohl nicht mehr zu retten und es käme zur Trennung, wie Ehegatten der Ausweg der Scheidung bleibt. Die Trennung ist hier einfacher, denn fast alles ist unverbindlicher. Sollte die Unverbindlichkeit der Liaison für den Mann aber ein solches Maß erreichen, daß er im Falle eines Vertrauensbruchs seiner Partnerin dessen Folgen ganz auf diese abwälzen könnte, dann bedeutete das geradezu eine Empfehlung an alle Männer, zur Aufrechterhaltung ihrer persönlichen Freiheit auf eine Eheschließung zu verzichten. Zwar mögen der Wunsch nach Unverbindlichkeit und persönlicher Freiheit für viele Unverheiratete ein Beweggrund für den Verzicht auf eine Eheschließung sein. Es kann aber nicht Aufgabe des Rechts sein, an derartige Motivationen weitreichende Folgen zugunsten des so denkenden Rechtsgenossen zu Lasten eines anderen zu knüpfen. Eine solch unterschiedliche Behandlung verheirateter und nicht verheirateter Frauen und Männer, würde der Bewertung des vergleichbaren Lebenssachverhaltes nicht gerecht. Auch der familiäre und zwischenmenschliche Bereich fordert vom einzelnen, für die Folgen seines Verhaltens einzustehen. Das für die Unterhaltsverpflichtung des Mannes ursächliche Verhalten ist hier nicht allein im Verzicht auf eigene Verhütungsmaßnahmen zu sehen. In dieser Frage ist bereits früher anzusetzen. Anknüpfungspunkt ist vielmehr die Eingebung und Führung einer umfassenden Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft mit einer Partnerin. Eine solche ist nicht völlig unverbindlich, nur weil ihr die Rechtsform der Ehe fehlt.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
b) Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Mannes Dem enttäuschten Lebenspartner einen Ersatzanspruch zuzugestehen, hieße, sein Vertrauen auf die Zusage seiner Partnerin als rechtlich so schützenswert einzustufen, daß jeder durch dessen Enttäuschung eingetretene Vermögensschaden ersetzt werden müßte. Auch Stoll scheint mit seinem Ansatz so weit nicht gehen zu wollen. Die Frage ist daher, ob das Vertrauen des Mannes ein rechtlich geschütztes darstellt. aa) Erfordernis besonderer Umstände Zwar fordert Stoll anders als Canaris keinen rechtsgeschäftliehen Kontakt der Beteiligten. Er räumt auch ein, daß Versprechen zur Regelung familiärer Fragen oftmals keinen rechtlich geschützten Vertrauenstatbestand schaffen, weil der gegebene Rahmen jedermann klarmache, daß das Versprechen außerhalb der Rechtssphäre liege645 • Deshalb handele derjenige auf eigene Gefahr, der sich auf das Versprechen verlasse. Das ernsthaft gemeinte einseitige Leistungsversprechen allein reiche aber noch nicht aus, einen Vertrauensschutz zu rechtfertigen. Es bedürfe vielmehr des Hinzutretens besonderer Umstände, wenn etwa das Versprechen gerade darauf abziele, den Versprechensempfänger zu erheblichen Vermögensdispositionen zu veranlassen646 • bb) Vertrauen auf Empfängnisverhütung allein nicht schutzwürdig Ein solcher Umstand liegt aber im Falle enttäuschten Vertrauens im Bereich der Familienplanung nicht vor. Der Mann wurde aufgrundseines Vertrauens auf das Versprechen der Empfängnisverhütung durch seine Lebenspartnerin nicht zu erheblichen Vermögensdispositionen veranlaßt, die nun "umsonst" oder "vergeblich" wären647 • Durch sein Vertrauen wurde er nur zu einem 645 StoLZ, FS-Flume, S. 770, unter Verweis auf Flume, BGB-AT II, § 7 Nr. 2, der mit Recht betone, daß bestimmte Lebensbereiche der rechtsgeschäftliehen Regelung überhaupt entzogen seien. 646
StoLZ, FS-Flume, S. 770.
Es mag Situationen geben, in denen der Mann im bewußten - und seiner Lebenspartnerin auch so bekannten - Vertrauen auf Kinderlosigkeit Vermögensdispositionen (z. B. Anschaffungen) trifft, die er später in Folge seiner Unterhaltsverpflichtung rückgängig machen müßte. Hier erschiene sein Vertrauen nur in Bezug auf die getroffenen Aufwendungen schutzwürdig. Er könnte also verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Zusage der Frau vertraut hätte und somit von seinen Dispositionen Abstand genommen hätte. In Bezug auf den Ersatz des Kindesunterhalts aber wäre sein Vertrauen kein berechtigtes, so daß er diesen nicht ersetzt verlangen könnte. 647
2. Kap. § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche
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tatsächlichen Verhalten veranlaßt: er unterließ eigene Maßnahmen der Empfängnisverhütung und vollzog somit (weiterhin) "ungescllützten" Geschlechtsverkehr. Den Mann treffen hier zwar durch Empfängnis und Geburt eines Kindes "Folgekosten" in Form von Unterhaltspflichten; im Vorfeld des Handeins der Frau aber traf er keinerlei Vermögensdispositionen, die er ohne das Versprechen der Frau unterlassen hätte und um derentwillen er schutzwürdig erscheint. Allein das Versprechen der Frau, Maßnahmen der Empfängnisverhütung zu unternehmen, schafft keinen rechtlich geschützten Vertrauenstatbestand, der dem Mann das Gefühl hätte geben können, aufgrund der Enttäuschung dieses Vertrauens jeden ihm daraus entstehenden Schaden ersetzt verlangen zu können. Ein solches Vertrauen wäre nicht berechtigt. Auch die Frau hatte nicht das Bewußtsein, daß sie die finanziellen Folgen ihres Verhaltens allein zu tragen habe oder daß ihr Partner von dieser Vorstellung ausging. Insofern erscheint dessen Vertrauen - mangels weiterer besonderer Umstände - nicht schützenswert.
m. Ergebnis Das Vertrauen des Mannes in die Zusage seiner nichtehelichen Lebenspartnerin, durch die Einnahme hormoneller Mittel eine Empfängnis zu verhüten, ist allein nicht schutzwürdig. Er handelt in der Frage der EmpfangDisverhütung "auf eigene Gefahr". Ein Schadensersatzanspruch des nichtehelichen Lebenspartners aus vertragsähnlichem Vertrauensverhältnis bei einseitigem Leistungsversprechen für die ihm gegenüber einem von ihm ungewollten Kind entstehenden Unterhaltsverpflichtungen ist somit für den Fall des abredewidrigen Absetzens von Verhütungsmitteln duch die Frau zu verneinen.
§ 8. Deliktische Schadensersatzansprüche
des nichtehelichen Lebenspartners
Da der Spielraum für vertragliche Schadensersatzansprüche im Bereich der Familienplanung unter Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, abgesehen von der Verletzung einer vertraglichen Mitteilungspflicht, eng ist - es liegt häufig entweder keine rechtsverbindliche Absprache vor oder die getroffene Absprache, unwiderruflich auf Nachkommen zu verzichten, verstößt als Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die guten Sitten-, stellt sich auch für diese die Frage nach deliktsrechtlichen Ansprüchen.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
I. Das Deliktsrecht als "sedes materiae"648 Über die grundsätzliche Anwendbarkeit des Deliktsrechts im Bereich außerehelicher Partnerschaften besteht insofern kein Zweifel, als daß es hier keine anderen gesetzlichen Vorschriften gibt, die zu diesem in Konkurrenz treten könnten. Das Deliktsrecht ist Teil der allgemeinen Normen des Schuldrechts, auf die es für die Beurteilung der Verhältnisse zwischen nichtehelichen Lebenspartnern zurückzugreifen gilt, wenn auch in einem der personalen Komponente des Sachverhalts gerecht werdenden Maße. Das gilt auch für den Bereich der Familienplanung und die konkrete Problematik der Täuschung bezüglich empfängnisverhütender Maßnahmen. Daß die hiergegen vom Bundesgerichtshotfi49 angeführten Argumente nicht überzeugen, wurde bereits oben dargelegt: Weder die Freiwilligkeit der Intimpartner beim Geschlechtsverkehr, noch die Interessen des Kindes vermögen eine grundsätzliche Anwendbarkeit des Deliktsrechts für die vorliegende Konstellation auszuschließen650. Bei einem Verhalten, das meist nicht Gegenstand vertraglicher Reglementierung ist (und sein kann), aber doch mit den Grundvorstellungen und Ordnungsprinzipien unseres Gemeinschaftslebens nicht übereinzustimmen scheint, sind es gerade die Normen des Deliktsrechts, die - mangels anderer gesetzlicher Vorschriften -als allgemeiner Maßstab für die Prüfung eventueller Haftungsfolgen dienen.
ll. Kein Anspruch aus § 823 BGB I. § 823 Abs. I BGB Ein Schadensersatzanspruch nach Absatz 1 der Norm scheiterte unter Eheleuten daran, daß das heimliche Absetzen der Antikonzeptiva durch die Ehefrau keines der hier geschützten absoluten Rechtsgüter des Ehemannes verletzt651 . Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des nichtehelichen Lebenspartners durch seine Lebensgefährtin ist - wie unter Eheleuten - sowohl unter dem Gesichtspunkt der Mißachtung der Person des Mannes als auch der Verletzung eines Rechts auf Familienplanung abzulehnen. Beide Aspekte beziehen ihre Bedeutung allein aus dem Vollzug der Geschlechtsge648 So Ramm, JZ 1986, 1011, 1012. 649 BGH, Urt. vom. 17.4.1986, NJW 1986,2043 ff.; vgl. oben§ 1, Fn. 143. 650 Insofern kann hier auf die Ausführungen zur parallelen Problematik unter Eheleuten, oben§ 3.1.2, verwiesen werden. 651
Vgl. dazu und zu den folgenden Ausführungen oben unter§ 3.11.1.
2. Kap. § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche
173
meinschaft. Nur in dieser Situation "mißachtet" die Frau die Person des Mannes, "durchkreuzt" sie sein (negatives) "Recht auf Familienplanung". Doch die Verletzung geht nicht weiter: Die Frau verfolgt keine weiteren "instrumentalisierenden" Ziele; ein "Recht auf Familienplanung" läßt sich nicht zwischen den Partnern des Geschlechtsverkehrs aufspalten. Es ist die Einheit der am Geschlechtsverkehr Beteiligten, die darauf bezogene absolute Rechte der beiden Partner gegeneinander und untereinander ausschließt. Diese Besonderheit des engsten und in diesem Umfang auch gemeinsamen Intimbereichs aber gilt für Eheleute wie für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleichermaßen. Hier ist eine andere Wertung nicht zuzulassen, will man dem Tatbestand einer umfassenden Lebensgemeinschaft gerecht werden. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist daher abzulehnen. 2. § 823 Abs. 2 BGB Durch das abredewidrige und heimliche Absetzen des Verhütungsmittels liegt auch bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kein Verstoß g~gen ein Schutzgesetz im Sinne der Norm vor.
m. Schadensersatz bei vorsätzlicher sittenwidriger Schadenszufügung aus § 826 BGB
1. Bundesgerichtshof und Schrifttum Der Bundesgerichtshof erklärt das Verhalten der Frau kurzerhand als mit den Grundvorstellungen und Ordnungsprinzipien des Gemeinschaftslebens übereinstimmend und gelangt so - unter Ablehnung jeglicher Anwendung des Deliktsrechts - gar nicht erst zu § 826 BGB652. Während der Bundesgerichtshof, um dieses Ergebnis zu erreichen, der Absprache zwischen nichtehelichen Lebenspartnern jegliche Bedeutung im Rechtssinne abspricht, mißt die Literatur der Einigung ein erhebliches Maß an rechtlicher Relevanz bei653 • Diese ergebe sich aus der Bedeutung der Frage von Nachkommenschaft für beide Partner654 , ihrer Verantwortung gegenüber 652
BGH NJW 1986, 2043, 2045; siehe dazu oben § 3.1.2.a und § 4.1 .1.
653
Vgl. dazu oben§ 4.1.2.
654
Dunz, VersR 1986, 819, 819; Fehn, JuS 1988, 602, 603.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
neuem Leben655 , des freien Willens eines jeden zur Übernahme elterlicher Verantwortung656 und dem besonderen Maß an Vertrauen im Intimbereich657 • Für die Frau resultiere aus der Absprache eine Garantenstellung658 , ihr Verhalten stelle einen eklatanten Vertrauensbruch daf659 • Durch hinterlistige Bestimmung zum Geschlechtsverkehr660 mißbrauche die Frau den Mann als Instrument ihres höchst egoistischen Fortpflanzungswillens661 . Aus diesen Gründen erfülle das Verhalten der Frau den Tatbestand des§ 826 BGB. Unter Berufung auf das verfassungsrechtliche Leitbild der Ehe - nach welchem die Familiengründung Teil der Ehe sei und die Intimbeziehungen gegenüber Dritten abgesichert seien - lehnt Ramm einerseits einen Ersatzanspruch für Kindesunterhalt unter Eheleuten ab, bejaht aber andererseits für die nichteheliche Lebensgemeinschaft eine Haftung der Frau gegenüber ihrem Lebenspartner aus § 826 BGB662. Demgegenüber verneint Dunz auch hier einen Anspruch, da dieser im Widerspruch zu den allein auf dem biologischen Zeugungstatbestand aufbauenden Unterhaltsregelungen stehe663 • 2. Kritik und Diskussion Anknüpfungspunkt der Untersuchung ist auch hier allein die Tatsache des Unterlassens der Mitteilung über die Unterbrechung der Konzeptionsverhütung durch die Lebenspartnerin. Für die Frage, ob das Unterlassen der Information des Partners den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründen kann, gilt es zu untersuchen, ob sich in diesem Bereich für die nichteheliche Lebensgemeinschaft gegenüber der Ehe andere Wertungen ergeben.
655
Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9.
656
MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 31.
657 Dunz,
VersR 1986, 819, 819.
658
Ramm, JZ 1986, 1011, 1012.
659
Fehn, JuS 1988, 602, 603.
660
Roth-Stielow, JR 1987, 7, 9 .
661
MünchKomm/Wacke, § 1353 Rz. 31 Ramm, JZ 1986, 1011, 1012.
662
Ramm, JZ 1986, 1011, 1012 f.
663 Dunz,
VersR 1986, 819, 820.
2. Kap. § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche
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a) Unterlassen bei sittlicher Handlungspflicht Um an die unterlassene Aufklärung deliktische Haftungsfolgen knüpfen zu können, müßte die Frau zur Information ihres Partners verpflichtet sein. Zwar ergibt sich diese Pflicht nicht aus einer Norm, wie das bei Eheleuten mit § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB der Fall ist, doch schon die Lebensbeziehung an sich löst einen abstrakten Vertrauenstatbestand aus, der sich durch die Abrede über EmpfangDisverhütung zwischen den Partnern noch verdichtet664 • Durch dieses gelebte allgemeine Vertrauensverhältnis und die besondere Vertrauenssituation des Intimbereichs besteht für die Frau eine Garantenstellung gegenüber ihrem Intimpartner665 , die sie verpflichtet, ein Abgehen von der gemeinsamen Absprache diesem mitzuteilen. Indem die Frau durch ihr Schweigen gegen diese für sie bestehende sittliche Aufklärungspflicht verstößt, kann ihr Unterlassen Gegenstand eines Sittenwidrigkeitsurteils sein666 • b) Schwerer Vertrauensbruch Zwischen Eheleuten bedarf es nicht der Begriffe der Garantenstellung und des Vertrauensverhältnisses, ist doch die Ehe ein institutionalisiertes Vertrauensverhältnis, normiert in der eherechtlieben Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Zur nichtehelieben Lebensgemeinschaft aber werden sie von den Autoren im Schrifttum zu Recht verwandt und bejaht667 • Ist das Täuschungsverhalten der Ehefrau noch als Eheverfehlung zu fassen, welches allein einen SittenwidrigkeilSvorwurf nicht auszulösen vermag, so ergibt sich dieses Ergebnis nicht zwingend für die Partnerin einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. aa) Vorwurf der Sittenwidrigkeit unter Ehepartnern Die "Zurückhaltung des Rechts gegenüber der Ehe" erstreckt sich auch auf die Anwendbarkeit der deliktischen Normen. Der Begriff der Eheverfehlung ist weit gefaßt, um damit einen großen Bereich von "Fehlverhalten" zwischen Ehegatten aufzufangen. Verstöße gegen § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB gelten als eheintern, ein Verstoß gegen § 826 BGB wird nur dann bejaht, wenn zum 664
So Fehn, JuS 1988, 602, 603.
665
Dunz. VersR 1986, 819, 820; Ramm, JZ 1986, 1011, 1012 f.
666 Vgl. zum Erfordernis einer sittlichen Handlungspflicht im Falle des UnterIassens, BGH NJW 1963, 148, 149. 667
Vgl. Dunz, VersR 1986, 819, 820; Ramm, JZ 1986, 1011, 1012 f .
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
ehewidrigen Verhalten weitere schädigende Umstände hinzutreten, das Sittenwidrigkeitsurteil sich also aus anderen eigenständigen Wertungsbereichen ergibt668 . Das aber bedeutet, daß "sittenwidriges" Verhalten zwischen Eheleuten erst jenseits der Eheverfehlung beginnt. Dies ist Folge des ihnen zur eigenen Disposition überlassenen Autonomiebereichs. Daraus ergibt sich zwar noch keine Rechtlosigkeit der Eheleute untereinander, aber die Toleranz- und Eingriffsschwelle des Deliktsrechts ist höher; einer Verrechtlichung des gemeinsamen Lebensbereichs und einer dadurch bedingten größeren Möglichkeit staatlicher Intervention soll damit entgegengetreten werden. bb) Andere Voraussetzungen bei nichtehelichen Lebenspartnern Gerade diesen Effekt wollen aber nichteheliche Lebenspartner häufig vermeiden. Die von ihnen propagierte Unverbindlichkeit der Beziehung bedeutet eben auch, das "Risiko" eines nicht justitiablen Fehlverhaltens des Partners zu vermeiden. Wer auf Individualismus bedacht ist, sucht die Abgrenzung der eigenen Persönlichkeit vom anderen, was auch die Aufrechterhaltung und Betonung eigener Rechte umfaßt. Mit einer geringeren Bereitschaft, Einschränkungen durch den anderen hinzunehmen, geht der Wunsch nach Ausgleich und Regreß für erlittene Einbußen einher. Betonen nichteheliche Lebenspartner durch den Verzicht auf eine Eheschließung die Autonomie jedes einzelnen von ihnen (gegenüber einer Autonomie der Gemeinschaft in der Ehe), so ist dieser Wunsch insofern zu respektieren, als daß ihnen die allgemeinen Regeln des Rechts nicht verwehrt bleiben dürfen. Wer auf die Form der Ehe verzichtet, muß gerade deswegen davon ausgehen können, daß sich der andere an die "durch die Normen des Deliktsrecht aufgestellten Spielregeln"669 hält, und daß die Rechtsordnung ihm bei der Durchsetzung dieser Anforderungen zur Verfügung steht. Deshalb liegt die Schwelle der Anwendung des Deliktsrechts zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft niedriger als bei Ehegatten. Daraus ergibt sich, daß mangels spezialgesetzlicher Norm den nichteheIichen Lebenspartnern im persönlichen Bereich untereinander nur die Norm des § 826 BGB zur Sanktionierung ihres Verhaltens bleibt. Es erscheint daher auch gerechtfertigt, an den Begriff der Sittenwidrigkeit einen anderen Maßstab anzusetzen. Bedeutet nach allgemeiner Anschauung ein Zusammenleben außerhalb der Ehe mehr Unverbindlichkeit und Individualismus, so hat das eine stärkere Verrechtlichung in der Weise zur Folge, daß sich ein Vertrauensbruch in der so entscheidenden Frage der Nachkommenschaft für den 668 RGRK!Steffen, § 826 Rz. 132; Soergel/Hönn, § 826 Rz. 41. 669 Fehn, JuS 1988, 602, 603.
2. Kap. § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche
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hintergangenen Partner nicht mehr als hinnehmbar darstellt. Es besteht hier gerade nicht die Pufferzone des "allgemeinen Eherisikos", was die Eheleute eingeben, in dem Bewußtsein, daß ihnen hier mehr hinzunehmen zugemutet wird. cc) Vorwertbarer Vertrauensbruch im Bereich der Familienplanung Haben sich die nichtehelichen Lebenspartner in der Frage der Familienplanung ausdrücklich auf Kinderlosigkeit geeinigt und die Durchführung von Verhütungsmaßnahmen durch die Einnahme hormoneller Mittel seitens der Frau vereinbart, so entsteht durch das explizite Versprechen der Frau, die Pille zu nehmen, ebenso wie durch eine dauernde diesbezügliche Übung für den Mann ein konkreter Vertrauenstatbestand. Vertraut er seiner Partnerin und verläßt er sich auf das von ihr zugesagte Verhalten, so verstößt ihr Vorgehen gegen den von Ramm angeregten "allgemeinen Rechtsgrundsatz der Täuschungsfreiheit für zwischenmenschliche Beziehungen" 670 • Die Frau weiß um das Vertrauen ihres Partners auf Einhaltung der Absprache, mißachtet somit das konstitutive Element einer rechtlich nicht abgesicherten Lebensgemeinschaft und verstößt damit gegen allgemeine sittliche Anschauungen. Dieses Ergebnis mag erstaunen. In einer Lebensform, die früher an sich bereits schon als sittenwidrig galt, scheinen nun für die Partner höhere sittliche Verhaltensanforderungen zu bestehen und ein hintergangener Partner schutzwürdiger zu sein als in der Ehe. Es ist daher auch etwas voreilig, das Verhalten der Frau hier sogleich als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu bezeichnen. dd) Keine normierte Pflicht zu gemeinsamer Entscheidung Eine solche Betrachtungsweise verlagert Verantwortlichkeit und Schutzwürdigkeit stark zuungunsten der Frau. Es darf bei diesen Wertungen nicht vergessen werden, daß sich für Eheleute aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB die Rechtspflicht zu gemeinsamer Entscheidung in gemeinschaftlichen Angelegenheiten ergibt. Verweigert man einem Ehemann - trotz eines klaren Verstoßes seiner Ehefrau gegen diese Pflicht - unter Hinweis auf den etwas laxen Begriff des "allgemeinen Eherisikos" die Möglichkeit eines deliktischen Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, so erscheint es nicht gerechtfertigt, das Vertrauen eines nichtehelichen Partners so viel höher zu bewerten. Er vertraut zwar auf die Zusage seiner Partnerin und 670
Ramm, JZ 1986, 1011, 1012.
12 Wanke
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
erscheint darin auch schützenswert, aber eine Rechtspflicht zur Suche nach neuer Einigung im Falle einer Willensänderung besteht für die Frau nicht von vornherein. Es sind hier die gleichen Überlegungen, aufgrund derer im Rahmen eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses dieses Vertrauen des Mannes als nicht schutzwürdig im Rechtssinne zu bezeichnen ist671 . Den Wunsch des Mannes nach Unabhängigkeit so hoch zu werten, daß das unredliche Verhalten seiner Partnerin sogleich als sittenwidrig erscheint, erzeugt den Eindruck einer Schieflage: Das Anspruchsprofil in Bezug auf persönliches Verhalten wäre für nichtverheiratete Frauen höher; unverheiratete Männer könnten im Gegensatz zu verheirateten durch bloße Absprache die Verantwortlichkeit für von ihnen gezeugte Kinder auf die Mutter abwälzen. Ein nichtehelicher Lebenspartner, der nicht von einer gesetzlich vorgesehenen Pflicht seiner Lebensgefahrtin zur Übereinstimmung in gemeinsamen Angelegenheiten ausgehen kann, trägt in dieser Frage aber auch ein "Risiko". Er ist auf die partnerschaftliehe Gesinnung seiner Lebensgefährtin angewiesen, welche er rechtlich nicht völlig absichern kann. Versteht man den Begriff der "guten Sitten" als die in den beteiligten Gruppen anerkannten moralischen Anschauungen672 , so ist hier darauf abzustellen, daß als Basis einer außerehelichen Partnerschaft neben Liebe, Zuneigung und emotionaler Verbundenheit673 auch Treue, Offenheit und gegenseitiges Vertrauen gelten674 • Wenn das Verhalten der Frau auch gegen diese Grundwerte verstößt, so istes-selbst wenn man die Schwelle für sittenwidriges Verhalten geringer ansetzt- doch die "Art der Beziehung" 675 , die hier den Vertrauensbruch der Frau allein noch nicht als sittenwidrig erscheinen läßt. ee) Erfordernis einer vorwerfbaren Gesinnung der Frau Sittenwidrig erschiene das Verhalten der Frau - wie unter Eheleuten - nur dann, wenn besondere Umstände hinzuträten, etwa die Absicht, die Empfängnisverhütung von vornherein nur deshalb zu übernehmen, um diese Position einmal gegen den Willen des Partners zur Verfolgung eigener Ziele auszunutzen. Allein die Erfüllung eines einseitigen Kinderwunsches reicht in einer Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft nicht aus, um als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB bewertet zu werden. 671
Vgl. oben§ 7.11.3.b.
672
Palandt/Thomas, § 826 Rz. 2.
673
Roth-Stielow, JR 1978, 233, 233; Kunigk, Die Lebensgemeinschaft, S. 15.
674
Schwenzer, Realbeziehung, S. 169; BMJFG, S. 15, 51 f.
675
Erman/Schiemann, § 826 Rz. 54.
2. Kap. § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche
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c) Instrumentalisierung des Mannes aa) Parallele zur Ehe Die Mißachtung des Wunsches des Mannes, keine Kinder haben zu wollen, vermochte zwischen Ehepartnern unter dem Aspekt des Mißbrauchs des Mannes als Instrument der Fortpflanzung allein nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen. Dort war es die Bedeutung der Ehe als Geschlechtsgemeinschaft (von Rechts wegen), ihre Nähe zur Familie und die Verantwortung beider Geschlechtspartner für die Entstehung neuen Lebens, die dieses Ergebnis rechtfertigten. Nur wenn- in wohl seltenen Fällen- zu diesem Verhalten die klare Absicht der Frau trat, ihren Mann nach Zeugung und Geburt zu verlassen, konnte von einer "Instrumentalisierung" desselben gesprochen werde676 • Die einzelnen Punkte der Wertung lassen bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kein wesentlich anderes Ergebnis zu. Zwar ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft als die weniger verbindliche Form des Zusammenlebens grundsätzlich weniger auf die Zeugung von Nachkommen angelegt als die Ehe; doch aufgrunddes immer bleibenden "Empfangnisrisikos" und der daraus resultierenden Verantwortlichkeit der Partner für das Entstehen neuen (wenn auch ungeplanten) Lebens, werden auch aus nichtehelichen Gemeinschaften Familien mit Kindern. So wie heute Kinder nicht mehr selbstverständlich Folge einer Eheschließung sind, bedeutet Nichtverheiratetsein nicht generelle Kinderlosigkeit. Es läßt sich in dieser Frage eine Annäherung beider Lebensformen erkennen, so daß dieser Punkt zumindest zu allzu starken Differenzierungen nicht geeignet ist. Für den Aspekt einer Instrumentalisierung des Mannes für die Fortpflanzungswünsche seiner Partnerin ist Gegenstand der Beurteilung nicht die rechtliche Lebensform, sondern die Tatsache eines Zusammenlebens in Geschlechtsgemeinschaft. Es ist die intime Partnerschaft von Mann und Frau, die solche Konflikte erst ermöglicht, nicht ihr rechtlicher Rahmen. Somit ergibt sich hier für die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine andere Bewertung des Verhaltens der Frau. Bei gemeinschaftlich freiwilligem Vollzug des Geschlechtsakts kann nicht ein Partner Instrument des anderen sein, auch wenn beide bezüglich der Empfangnisverhütung von unterschiedlichen Prämissen ausgehen.
676
Vgl. oben§ 4.II.l.b.
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1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder
bb) Absicht der Trennung Nur wenn die Frau schon im Moment des heimlichen Absetzens des Verhütungsmittels beabsichtigt, nach der Geburt des Kindes den Mann zu verlassen, erscheint das als Verstoß gegen die guten Sitten. Mag diese Situation unter Eheleuten nicht so häufig sein - die Umstände einer Scheidung sowie die Unwägbarkeiten einer richterlichen Entscheidung über Sorgerecht und Umgangsrecht (des nicht sorgeberechtigten Elternteils) erschweren derartige selbstbezogenen Pläne - so stellt sich das bei unverheirateten Paaren anders dar. Es bedarf keiner Scheidung, das Kind steht unter der elterlichen Sorge der Mutter (§ 1705 BGB), sie bestimmt den Umgang des Kindes mit dem Vater (§ 1711 Abs. 1 BGB). Der nichteheliche Vater hat hier im Gegensatz zum ehelichen Vater(§ 1634 Abs. 1 BGB) kein allgemeines Umgangsrecht677 , ist aber gegenüber dem Kind gemäß §§ 1615 a ff., 1601 ff. BGB zu Unterhalt verpflichtet678 . Diese rechtlich umstrittene Situation des bloßen "Zahlvaters" bedeutet für die Frau eine kalkulierbare Möglichkeit, ein Kind "für sich" zu haben, bei gleichzeitiger Unterhaltszahlung eines (ansonsten praktisch rechtlosen) Vaters. Ist dies die Motivation der Frau, so ist ihr gesamtes Verhalten wegen Verstoßes gegen Grundprinzipien der derzeitigen Wertordnung als sittenwidrig zu bezeichnen. d) Hineindrängen des Mannes in die Elternschaft Es wird erwogen, das Hineindrängen des Partners gegen dessen Willen in die Elternschaft als sittenwidrig zu beurteilen679 , da eine nichteheliche Lebensgemeinschaft gerade darauf angelegt sei, keine Kinder zu haben; ein Unverheirateter könne daher eher darauf vertrauen, daß er kinderlos bleibe. Daß das nicht überzeugt, wurde soeben dargelegt. Es ist wieder der intimste Bereich der Geschlechtspartner, der einer Vorstellung von erzwingbarem oder sanktionsfahlgern Verhalten entgegensteht. "Nutzt" ihn einer der Partner zur Verwirklichung seines Wunsches nach gemeinsamen Kindern, so kann dies nicht als sittenwidrig bewertet werden. Wer um jeden Preis Kindervenneiden will, muß eben selbst für die Verhütung einer Empfangnis Vorsorge treffen. Von einer besonderen Rücksichtslosigkeit der Frau, die hier eine andere Wertung zuließe, kann nur dann gesprochen werden, wenn die Frau sich mit 677
Zur Verfassungsmäßigkeit vgl. BVerfG NJW 1981, 1201, 1201 ff.
678 Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs des nichtehelichen Kindes gegen seinen Vater ist jedoch die Feststellung der Vaterschaft durch Anerkennung (§§ 1600 a ff. BGB) oder gerichtliche Entscheidung (§§ 1600 n f. BGB).
679 MünchKomm!Wacke, §
1353 Rz. 31.
2. Kap. § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche
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ihrer Verhaltensweise über beachtens- und schützenswerte Interessen ihres Lebenspartners hinwegsetzte, so daß für ihn die Geburt eines Kindes eine unzumutbare Belastung darstellen würde. Dies können sowohl berufliche als auch gesundheitliche (physische und psychische) Gründe sein680 . e) Ausdrücklicher Wunsch der Schadenszufügung Ist es das (alleinige) Ziel der Frau, durch die Geburt eines Kindes ihrem Lebenspartner einen Schaden zuzufügen - sei es in einer Verhinderung seiner Lebenspläne, sei es die wirtschaftliche Belastung durch seine Unterhaltsverpflichtung - so erscheint dieses Verhalten als sittenwidrig. Es liegt hier eine verwerfliche Zweck-Mittel-Relation vor, denn die Frau setzt sich sowohl über die Würde des Kindes als auch über den komplexen und folgerneichen Sachverhalt der Vaterschaft allein zum Zwecke der Schädigung hinweg. f) Zusammenfassung Es wurde deutlich, daß die heimliche und abredewidrige Unterbrechung der Empfängnisverhütung durch die nichteheliche Lebenspartnerin bei aller Vorwerfbarkeit allein noch nicht für einen Sittenwidrigkeitsvorwurf ausreicht. Betonen unverheiratete Partner zwar im Gegensatz zu Ehegatten ihre Unabhängigkeit, ihren Individualismus und ihre Einzelinteressen, so begründen sie zumindest in Fragen des Intimbereichs doch eine Zone von Zuneigung und Vertrauen, in welcher sie sich nicht gegenseitig den Vorwurf der Sittenwidrigkeit machen können, um damit ein Schadensersatzverlangen durchzusetzen. "Fehlverhalten" des Partners in diesen Fragen müssen sie in Kauf nehmen. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit der Trennung, welche bei ihnen wegen der größeren rechtlichen Unverbindlichkeit schneller als zwischen Eheleuten erfolgen kann. Der menschlichen Enttäuschung können sie rechtlich ebensowenig vorbeugen wie ihrer elterlichen Verantwortung gegenüber neuem Leben. Das Verhalten der Partner im Bereich der Familienplanung betrifft Grundfragen der Lebensführung. Gerade in solchen Bereichen, in denen nach dem freiheitlichen Persönlichkeitsbild der Verfassung der Pluralismus der Anschauungen nicht durch Sanktionen eingeschränkt werden darf681 , muß mit dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit äußerste Zurückhaltung geübt werden. Nur wenn im jeweiligen konkreten Einzelfall zusätzliche besonders vorwertbare subjektive Momente - wie etwa eine Schädigungsabsicht von Anfang an oder 680
Vgl. oben§ 4.11.2.e.bb.
681
RGRK/Steffen, § 826 Rz. 20.
182 1. Teil: Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an eigene leibliche Kinder besondere Rücksichtslosigkeit -das Verhalten der Frau bestimmen, oder eine verwerfliche Zweck-Mittel-Relation vorliegt, erscheint ein Unwerturteil ausnahmsweise gerechtfertigt. Das Verhältnis zweier Intimpartner ist ein anderes als das am rechtsgeschäftliehen Verkehr Beteiligter; insofern lassen sich sonstige allgemeine Verhaltensanforderngen nicht schematisch übertragen. Nur so ist den Besonderheiten des spezifischen Lebenssachverhalts einer intimen Partnerschaft gerecht zu werden. Hier wirkt sich der anfangs angemahnte "behutsame Umgang" mit dem Deliktsrecht im zwischenmenschlichen Bereich aus.
3. Ergebnis
Es ist somit nicht das verfassungsrechtliche Leitbild der Ehe, welches hier für die Frage eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB eine Differenzierung zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft rechtfertigt682 , es ist vielmehr die Gleichartigkeit dieser konkreten Situation, die gegen eine Differenzierung spricht. Der Hinweis von Dunz, daß die Wertungen des Unterhaltsrechts einem Anspruch hier entgegenstünden683 , kann zwar in die Beurteilung und Abwägung eines jeden Einzelfalls einfließen684 , eine grundsätzliche Ablehnung von § 826 BGB vermag er aber nicht zu rechtfertigen. In der hier gegebenen Situation § 826 BGB pauschal anzuwenden, wozu ein großer Teil der Literatur neigt, ist ebensowenig zutreffend wie seine generelle Ablehnung durch den Bundesgerichtshof. Aufgrund seines Charakters als Auffangtatbestand685 kommt es für eine Anwendung des § 826 BGB stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Seine ausnahmsweise Anwendung im Zusammenhang mit Fragen des Intimbereichs sollte auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht aufgegeben werden686 . Etwas anderes gilt in diesem Zusammenhang für die zu Beginn dieses Kapitels genannten Gelegenheitsbekanntschaften687 . Bei ihnen fehlt es an der Lebensbeziehung als abstraktem Vertrauenstatbestand. Das bedeutet einerseits, daß der Frau keine so umfassende Garantenstellung zukommt, andererseits 682 So aber Ramm, JZ 1986, 1011, 1012 f. 683 Dunz, VersR 1986, 819, 819. 684 So für die Frage der Schutzwürdigkeit und Verantwortlichkeit des hintergangenen Mannes im Rahmen der Sittenwidrigk:eitspn1fung. 685 Erman/Schiemann, § 826 Rz. 1, 3. 686 Bzgl. des Erfordernisses des Vorsatzes der Prau kann hier auf die Ausführungen zu Ehepartnern verwiesen werden, vgl. oben § 4.11.4. Zum Umfang des Schadens, vgl. oben § 6.111.4.c. 687 Vgl. oben§ 5.1 am Ende.
2. Kap. § 8. Deliktische Schadensersatzansprüche
183
aber ist das Vertrauen des Mannes gegenüber einer Zufallsbekannten auch weniger schutzwürdig. Mangels eines gelebten Vertrauensverhältnisses ist der zwischenmenschliche Bereich nicht so ausgeprägt, daß das Recht hier so behutsam und :iurückhaltend anzuwenden ist wie bei einer Lebensgemeinschaft. Aufgrund größerer Unverbindlichkeit sind die rechtlichen Konsequenzen täuschenden Verhaltens weitreichender als in dem stärker abgeschirmten Bereich einer dauerhaften Intimbeziehung. Bei Gelegenheitsbekanntschaften ergeben sich somit im Verhältnis zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft im hier verstandenen Sinne abweichende Wertungen bezüglich der einzelnen Faktoren eines Sittenwidrigkeitsvorwurfs, die sich zwar bezogen auf das Gesamtergebnis teilweise wieder aufheben, grundsätzlich aber mehr Raum für einen Schadensersatzanspruch des Mannes geben.
2. Teil
Schadensersatz für Unterhaltszahlungen an ein von einem anderen Mann gezeugtes Kind Die Frage nach Schadensersatz für Kindesunterhalt gegenüber der Mutter stellt sich für einen Mann nicht nur in dem bisher behandelten Fall des heimlichen abredewidrigen Absetzens von Verhütungsmitteln. Sie stellt sich vielmehr auch in den Fällen, in denen das Kind, dessen Unterhalt Gegenstand des Schadensersatzanspruchs ist, nicht das leibliche Kind des Mannes ist. Besteht von Gesetzes wegen eine Vater-Kind-Zuordnung, so ist der Vater deshalb zur Leistung von Unterhalt an das Kind verpflichtet (§§ 1601 ff. BGB), unabhängig von einer blutsmäßigen Abstammung. Hier kann sich eine Schadensersatzforderung sowohl auf bereits geleisteten als auch zukünftig zu leistenden Unterhalt beziehen. Erhält ein Kind, das von einem anderen Mann abstammt, durch Ablauf von Anfechtungsfristen den unabänderlichen Status eines Kindes des Nichterzeugers, so kann sich dieser der rechtlichen Zuordnung als Vater und seiner damit verbundenen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht mehr entziehen. Es ist zu prüfen, ob es Situationen gibt, in denen der Vater diesen zukünftigen Unterhaltsschaden zum Inhalt einer Schadensersatzforderung gegenüber der Mutter machen kann. Die wohl häufigere Situation -bekannt unter dem Schlagwort "Scheinvaterregreß" - ist die, daß sich ein Mann aufgrund einer Fehlvorstellung für den leiblichen Vater seines Kindes hält und diesem Unterhalt zahlt!. Erst später t Es sollte vermieden werden, in Fällen dieser Art für den Status des ehelichen Kindes aus § 1593 BGB oder des nichtehelichen Kindes aus § 1600 a S. 1 BGB von einem "Rechtsschein" der Ehelichkeit bzw. der Vaterschaft oder von "Scheinehelichkeit" bzw. "Scheinvaterschaft" zu sprechen, auch wenn dies allgemeiner Übung entspricht (vgl. etwa die Begründung im Regierungsentwurf: "Rechtsschein der (nichtehelichen) Vaterschaft", BT-Drucks. 5/2370, S. 25 f.; jüngst auch der Bundesgerichtshof in FamRZ 1994, 1313, 1314). Das Kind "gilt" nicht nur als eheliches oder nichteheliches Kind eines Mannes, und es ist auch nicht nur als ein solches "anzusehen", sondern es ist Kind des Mannes (vgl. Coester-Waltjen, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 51 I 6). Es besteht ein echtes Verwandtschaftsverhältnis i. S. d. § 1589 BGB. Anders wird man der auf Dauer bindenden Festlegung des familienrechtlichen Status nicht gerecht. Um das Auseinanderfallen von blutsmäßiger Abstammung und rechtlicher Zuordnung zu verdeutlichen wird im folgenden der Begriff "Statusvater" verwendet.
1. Kap. § 9. Die familienrechtliche Ausgangssituation
185
erfahrt er oder das Kind von der Erzeugerschaft eines anderen. Das Wissen um die Nichtvaterschaft allein befreit noch nicht von der Unterhaltspflicht; es bedarf dafür eines Statusurteils. Erst wenn das Verwandtschaftsverhältnis angefochten wird und mit Rechtskraft des Statusurteils die Vater-Kind-Zuordnung rückwirkend entfällt, wird der bisherige Vater von seiner Unterhaltsverpflichtung frei. Verlangt er nun Ersatz für das auf seine venneintliche Unterhaltspflicht Geleistete, so macht er Schadensersatzansprüche für die Vergangenheit geltend.
1. Kapitel
Schadensersatz für in der Vergangenheit geleisteten Unterhalt Gegenstand eines Schadensersatzanspruchs des Mannes gegen die Mutter sind vor allem Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Kind, aber auch andere Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Geburt des Kindes. Diese Verpflichtungen sind Teil der familienrechtlichen Wirkungen von Verwandtschaft. Es bedarf daher einer verwandtschaftlichen Zuordnung zwischen Vater und Kind. Das gegenwärtige Recht ordnet die Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindem verschieden, je nachdem, ob die Eltern verbeiratet sind oder nicht, das heißt, es wird stets zwischen ehelieben und nichtehelieben Kindem unterschieden.
§ 9. Die familienrechtliche Ausgangssituation I. Der eheliche Vater 1. Die gesetzliche Ehelichkeitsvermutung des Kindes Bei einem in einer Ehe geborenen Kind steht die Abstammung von der Ehefrau grundsätzlieb fest2 • Etwas anderes gilt für den Ehemann der Kindesmutter, denn dieser ist nicht zwangsläufig auch der Vater des Kindes. Kinder, die während einer Ehe oder innerhalb von dreihundertundzwei Tagen nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren werden, sind nach geltendem Recht ehelich, wenn der Mann der Frau innerhalb der gesetzlichen Emp2
den.
Von den Besonderheiten bei künstlicher Befruchtung soll hier abgesehen wer-
186 2. Teil: Unterhaltszahlungen an ein von einem anderen Mann gezeugtes Kind
fängniszeit (§ 1592 BGB) beigewohnt hat (vgl. §§ 1591, 1593 BGB)3 . Auch wenn ein anderer Mann das Kind gezeugt hat, ist der Ehemann Vater des Kindes. Für die eheliche Vaterschaft ist es daher zunächst gleichgültig, ob der Ehemann der Mutter auch der leibliche Vater des Kindes ist. Hat der Ehemann keine Zweifel an seiner Erzeugerschaft, so wird er das Verwandtschaftsverhältnis zu dem Kind nicht in Frage stellen.
2. Die Aufhebung der Ehelichkeit Erfahrt aber der Vater oder das Kind später von dem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Verwandtschaft, so kann diese Vater-Kind-Zuordnung - und somit der Status des Kindes als eheliches Kind - aufgehoben werden. Dazu bedarf es der Anfechtung der Ehelichkeit und einer rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung der Nichtehelichkeit Zur Anfechtung sind nur der Ehemann der Mutter(§§ 1594 ff. BGB)4 und das Kind (§ 1596 BGB)5 berechtigt6 • Das Urteil gestaltet rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt den Status des Kindes um; die Zuordnung zum Ehemann der Kindesmutter entfallt, das Kind ist nun von vornherein nichtehelich. Damit entfallt auch rückwirkend die Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes. Nicht er, sondern der Erzeuger ist und war von Anfang an der Unterhaltspflichtige7 • Von welchem Vater das Kind in Wirklichkeit abstammt, wird dabei nicht geklärt- das Kind wird somitjuristisch "vaterlos".
3 Zur Diskussion um das Abstammungsrecht vgl. Gaul, FS-Gernhuber, S. 619 ff. ; Mutschler, Fam.RZ 1994, 65 ff., der trotz der sehr formalen und zeitlich weit gespannten Abstammungsvermutungen deren leichte Durchschaubarkeit und praktischen V orteile hervorhebt. 4 Nach dessen Tod geht das Anfechtungsrecht gemäß § 1595 a BGB auf seine Eltern über. Kritisch dazu Mutschler, FamRZ 1994, 65, 68.
5 Daß ein Anfechtungsrecht der Mutter positiv-rechtlich nicht vorgesehen ist, ist im Hinblick auf Art. 3 GG umstritten, vgl. Beitzke!Lüderitz, Familienrecht, § 22 II 1 e; KG Fam.RZ 1985, 1156, 1156. De lege ferenda wird das Recht der Mutter, die gesetzliche Vaterschaft ihres Ehemannes anfechten zu können, überwiegend befürwortet; so z. B. MünchKomm!Mutschler, § 1593 Rz. 13; Schwenzer, Realbeziehung, S. 242 f.; Ramm, NJW 1989, 1594, 1595; Deichfuß, PuR 1991 , 275 ff., m.w.N. ; a. A. Erman!Holzhauer, § 1594 Rz. 2. 6 Die Beschränkung des Kreises der Anfechtungsberechtigten dient dem Familienfrieden und dem Schutz des Kindes, dessen Personenstand so leicht nicht in Frage gestellt werden soll; vgl. BGHZ 45, 357, 359; 80, 218, 221.
7 BGHZ 57, 229, 235; NJW 1981, 1445, 1446. Anders der anerkennende Nichterzeuger, der erst durch den Statusakt (rückwirkend) Verpflichteter wird, vgl. unten
11.3.a .
1. Kap. § 9. Die familienrechtliche Ausgangssituation
187
II. Der nichteheliche Vater
1. Keine Vaterschaftsvermutung Die juristische "Vaterlosigkeit" bedeutet, daß mit Aufhebung der ehelichen Vaterschaft des Ehemannes der Mutter der Erzeuger des nichtehelichen Kindes juristisch nicht automatisch dessen Vater ist. Das gleiche gilt, wenn eine in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebende ledige Frau ein Kind empfangt. Auch in diesem Fall wird ihr Lebenspartner nicht unmittelbar der Vater des Kindes, da es hier keine Vaterschaftsvermutung wie bei Eheleuten gibt8 • Nichtehelichkeit ist nach gegenwärtigem Recht ein Status mit zunächst "offener Vaterschaft", das heißt es besteht- anders als im Verhältnis zur Kindesmutter- keine feste Zuordnung zu einem Mann9 . Der Sinn dieser anfänglichen juristischen "Vaterlosigkeit" besteht darin, vor allen anderen Rechtsbeziehungen eine allgemeinverbindliche Klärung der Vaterschaft herbeizuführen, um Inzidententscheidungen zu vermeiden10 . Eine Vaterschaftsbegründung ist zwar möglich, aber nicht notwendig11 • Soll sie erfolgen, so bedarf sie stets eines Statusaktes. Dieser wird entweder durch Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1600 a ff. BGB) oder durch gerichtliche Feststellung der Vaterschaft(§§ 1600 n f. BGB) herbeigeführt.
2. Der Eintritt der nichtehelichen Vaterschaft a) Die Anerkennung der nichtehelichen Vaterschaft Ist der nichteheliche Lebenspartner der Mutter der leibliche Vater des Kindes oder hält er sich dafür oder möchte er das Kind zumindest zu "seinem" Kind machen, so besteht für ihn die Möglichkeit der Anerkennung seiner nichtehelichen Vaterschaft12 •
8 Zur Diskussion um eine Vaterschaftsvermutung zugunsten des mit der Mutter zusammenlebenden Lebenspartners, vgl. Mutschler, PamRZ 1994, 65, 65 f. 9
Coester-Waltjen, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht, § 52 I 2.
10
Beitzke/Lüderitz, Pamilienrecht, § 23 I 1.
11
Coester-Waltjen, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Pamilienrecht, § 52 I 2.
Eine Anerkennung der Vaterschaft ist bereits vor der Geburt des Kindes möglich, § 1600 b Abs. 2 BGB. Kritisch dazu Göppinger, PamRZ 1966, 418, 421. 12
188 2. Teil: Unterhaltszahlungen an ein von einem anderen Mann gezeugtes Kind
Die Anerkennung der nichtehelichen Vaterschaft erfolgt durch Willenserldärung13 des anerkennenden Vaters (§ 1600 b BGB), daß er das Kind als von ihm gezeugt gelten lassen will 14 • Das Wissen oder die Überzeugung des Anerkennenden von seiner Vaterschaft ist nicht erforderlich 15 -auch eine bewußt unrichtige Anerkennung ist wirksam16. Das Kind muß der Anerkennung zustimmen, eine einseitige Herbeiführung der Zuordnung ist nicht möglich. Die leibliche Vaterschaft des Anerkennenden wird nicht geprüft; der Verzicht auf Eingriffe in die Intimsphäre dient der Verfallrenserleichterung und soll entspannte Beziehungen der Beteiligten durch Bekenntnis zum Kind gewährleisten17. Daß deswegen bei gewollt oder ungewollt unrichtiger Anerkennung leibliche und rechtliche Vaterschaft auseinander fallen können, hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen18 . b) Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft Liegt keine Anerkennung vor, oder ist eine Anerkennung durch Anfechtung unwirksam geworden (fehlt es also an einer Vater-Kind-Zuordnung) so besteht des weiteren die - wenn auch seltener wallrgenommene19 - Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft gemäß §§ 1600 a, 1600 n BGB. Angesichts der weitreichenden Bedeutung der verwandtschaftlichen Zuordnung für Vater und Kind sind nur das Kind und sein Erzeuger ldageberechtigt; anderen Personen ist die Klagemöglichkeit verwehrt20 . Mangels Anfechtungsmöglichkeit ist die gerichtliche Feststellung zwar rechtsbeständiger 13 Für die (umstrittene) rechtliche Einordnug der Anerkennung als Willenserklärung, vgl. für viele MünchKomm/Mutschler, § 1600 a Rz. 3; Beitzke/Lüderitz, Familienrecht, § 23 II 1; Coester-Waltjen, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §52 II 1, m.w.N. A. A. Schwab, Familienrecht, Rz. 572 (Rechtsgeschäft); Giesen, Familienrecht, Rz. 525 (einseitiges Rechtsgeschäft). 14
BGHZ 64, 129, 130; Brüggemann, FamRZ 1966, 530, 538.
15 MünchKomm/Mutschler, § 1600 a Rz. 3. 16 Erman/Holz}lauer, § 1600 c Rz. 1; Frank, Grenzen der Adoption, S. 98 f.,
m.w.N.; ders. , ZBIJugR 1972, 260, 260.
17 Soergel/Gaul, § 1600 a Rz. 2. 18 Vgl. BT-Drucks. 5/2370, S . 26. 19 Nach den statistischen Angaben bei MünchKomm!Mutschler, § 1600 a Rz. 2, und Mutschler, FamRZ 1994, 64, 66, lag im Jahr 1988 der Anteil der freiwilligen Vaterschaftsanerkennungen bei 82,7% der erledigten Vaterschaftsfälle, 1989 bei 90, 4% und 1990 bei 91,4% . 20 MünchKomm/Mutschler, § 1600 a Rz. 16; Soergel/Gaul, § 1600 a Rz. 15; Coester-Waltjen, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §52 I 5; Engel, Rückgriff, S. 24; Stolterfoht, FamRZ 1971, 341, 343.
1. Kap. § 9. Die familienrechtliche Ausgangssituation
189
als die Anerkennung21 , doch ist hier die Akzeptanz des Verurteilten bezüglich der Entscheidung weniger gesichert als bei einem Anerkennenden, der freiwillig die Verantwortung zu übernehmen bereit ist22 • Da sich die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft heute auf immer verfeinertere Methoden naturwissenschaftlicher Erkenntnis mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeitsquote stützt23 , ist es sehr unwahrscheinlich, daß ein Mann als der biologische Vater des von einem anderen gezeugten Kindes festgestellt wird. Zu einem Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft kann es bei nichtehelicher Vater-Kind-Zuordnung daher eigentlich nur bei Anerkennung der nichtehelichen Vaterschaft kommen. 3. Die Wirkungen der rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung
Die Wirkungen, die der Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft beizumessen sind, sind Folge eines grundsätzlichen Verständnisses von nichtehelicher Verwandtschaft. a) Begründung oder Feststellung der Vaterschaft aa) Rechtsprechung und Schrifttum Nach allgemeiner Ansicht ist Verwandtschaft Blutsverwandtschaft. Entscheidendes Kriterium ist die Abstammung (§ 1589 BGB)24 • Daher sind ein Mann und das von ihm gezeugte nichteheliche Kind seit der Geburt miteinander verwandt. Es fehlt lediglich an einer rechtlichen Zuordnung der beiden zueinander, die Verwandtschaft wird erst durch Anerkennung oder gerichtliche Entscheidung festgelegt. Die Rechtswirkungen der Vaterschaft beruhen folglich auf der blutsmäßigen Abstammung, treten aber erst mit der gerichtlichen Feststellung ein, sie sind bis dahin suspendiert. Sobald die Vaterschaft mit Wirkung für und gegen alle gemäß § 1600 a BGB festgestellt ist, können 21 Die Aufhebung eines rechtskräftigen die Vaterschaft feststellenden Urteils ist nur im Wiederaufnahmeverfahren(§§ 578 ff., 641 i ZPO) möglich. 22 Mutschler, FamRZ 1994, 65, 67 f., der zu bedenken gibt, daß die Übereinstimmung der gesetzlichen mit der wahren Abstammung kein absolut geschützter Wert sei.
23 Zu den verschiedenen Methoden der Vaterschaftsfeststellung und ihrer prozentualen Wahrscheinlichkeitsquote, vgl. Coester-Waltjen, in: Gemhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, §52 1114, Fn. 15, mit zahlreichen Nachweisen aus Schrifttum und Rechtsprechung. 24
Gemhuber, in: Gemhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 4 I 1.
190 2. Teil: Unterhaltszahlungen an ein von einem anderen Mann gezeugtes Kind
sie geltend gemacht werden25 . Die Norm des § 1600 a S. 2 BGB wird demzufolge als "Rechtsausübungssperre" verstanden26 . bb) Bedenken Gegenüber dieser vorherrschenden Auffassung erscheinen mit Blick auf die Möglichkeit der Begründung nichtehelicher Vaterschaft durch die Anerkennung der Vaterschaft seitens eines Mannes, der nicht der leibliche Vater des Kindes ist, Bedenken angezeigt. Die Anerkennung des Nichterzeugers hat zweifelsfrei konstitutiven Charakter27 • Wird beim Nichterzeuger die Vaterschaft erst durch Statusakt begründet, weil er vorher nicht als nichtehelicher Vater identifiziert werden kann, so kann für den Erzeuger nichts anderes gelten. Denn es ist immerhin fraglich, ob der Erzeuger rechtlich überhaupt nichtehelicher Vater des von ihm gezeugten Kindes wird, besteht doch die Möglichkeit, daß auch ein anderer Mann, der das Kind nicht gezeugt hat, eine wirksame Anerkennungserklärung abgibt. Das Verhältnis des Kindes zu seinem Erzeuger - anders als jenes zum Nichterzeuger - bereits vor dem Statusakt als verwandtschaftlich zu bezeichnen, erscheint - auch wenn dem keine rechtliche Bedeutung zukommt - bedenklich, möchte man nicht das Gefühl unterschiedlicher Qualitäten nichtehelicher Vaterschaft aufkommen lassen. Die Dominanz des Blutes im Abstammungs- und Verwandtschaftsrecht gegenüber gelebten und somit willentlich herbeigeführten Zuordnungen ist diskussionswürdig28. Nach anderer Ansicht wird daher die nichteheliche Vaterschaft
25 Vgl. etwa BVerfG NJW 1988, 3010, 3010; BGH FamRZ 1982, 159, 159; BGHZ 92, 275, 278; BGH NJW 1993, 1195, 1195; OLG München FamRZ 1978, 349, 350; LG Bochum FamRZ 1986, 298, 299; MünchKomm/Mutschler, § 1600 a Rz. 12; Palandt/Diederichsen, § 1600 a Rz. 9 ff.; Staudinger/Göppinger, § 1600 a Rz. 6; RGRK/Böckermann, vor§ 1589 Rz. 10; Soergel/Gaul, § 1600 a Rz. 1 ("statusbefestigende Wirkung" der Feststellung); Gemhuber, in Gemhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 4 I 1; Coester-Waltjen, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I 2 (Feststellung "präzisiert" den Status des Kindes). 26 Palandt/Diederichsen, § 1600 a Rz. 1; RGRK/Böckermann, § 1615 b Rz. 5; Soergel/Gaul, § 1600 a Rz. 5; Coester-Waltjen, in: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I 5; für Staudinger/Göppinger, § 1600 a Rz. 30, greift der Begriff der Rechtsausübungssperre zu kurz; OLG Köln FamRZ 1978, 834, 835; s. a. Raiser, FamRZ 1986, 942, 945 (stets Überwindung des § 1600 a S. 2 BGB, wenn schutzwürdige Belange auf dem Spiel stehen). 27
BGHZ 64, 129, 130.
Kritisch zur Blutsverwandtschaft als vorrangigem Anknüpfungskriterium des Eltern-Kind-Verhältnisses, Frank, FamRZ 1992, 1365 ff. 28
1. Kap. § 9. Die familienrechtliche Ausgangssituation
191
stets erst durch einen Statusakt begründet29 • Dann aber kann zwischen dem Erzeuger und seinem Kind zuvor keine Verwandtschaft bestehen30. cc) Anknüpfung an die allgemeine Meinung Trotz der bedenkenswerten Gegenargumente soll hier an die allgemeine Ansicht angeknüpft werden31 . Es ist allerdings weiter zu differenzieren, da sich die Sachverhalte einer einheitlichen Regelung und Terminologie entziehen. Grundsätzlich sind das Kind und sein Erzeuger seit der Geburt miteinander verwandt; bis zur rechtskräftigen Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft können die bereits bestehenden Rechtswirkungen der Verwandtschaft lediglich nicht geltend gemacht werden. Bei dieser Konstellation ist der allgemeinen Auffassung zu folgen, daß § 1600 a S. 2 BGB die Funktion einer Rechtsausübungssperre erfii1Jt32. Etwas anderes gilt jedoch bei der Anerkennung der nichtehelichen Vaterschaft (§ 1600 b ff. BGB) und der rechtskräftigen Feststellungsentscheidung (§ 1600 n BGB), wenn sie mit den biologischen Abstammungsverhältnissen nicht übereinstimmen, wenn also ein Nichterzeuger nichtehelicher Vater wird. Hier wird die Verwandtschaft erst durch den Statusakt begründet33 . § 1600 a S. 2 BGB ist dann ein konstitutiver Charakter beizumessen. Mangels Verwandtschaftsverhältnis bestanden zuvor keine Rechte, deren Ausübung an § 1600 a S. 2 BGB hätte scheitern können. Mit Bestandskraft ist die nichteheliche Vaterschaft von leiblichem und nichtleiblichem Vater gleichwertig.
29 Hol