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German Pages 394 Year 1997
JULIA ZUNCKEL
Rüstungsgeschäfte im Dreißigjährigen Krieg
Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte In Verbindung mit Rainer Fremdling, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hartmut Kaelble und Herbert Matis herausgegeben von Wolfram Fischer
Band 49
Rüstungsgeschäfte im Dreißigjährigen Krieg Unternehmerkräfte, Militärgüter und Marktstrategien im Handel zwischen Genua, Amsterdam und Hamburg
Von Julia Zunckel
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Zunckel, Julia: Rüstungsgeschäfte im Dreissigj ährigen Krieg : Unternehmerkräfte, Militärgüter und Marktstrategien im Handel zwischen Genua, Amsterdam und Hamburg / von Julia Zunckel. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte ; Bd. 49) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08807-7 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0588 ISBN 3-428-08807-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Vorwort Die vorliegende Untersuchung verfolgt das Ziel, den internationalen Rüstungshandel in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu analysieren. Erstaunlicherweise wurde dieses Thema bislang kaum untersucht, ein Umstand, der hauptsächlich auf die schlechte Quellenlage für militärwirtschaftliche Zusammenhänge zurückzuführen ist. Mein Interesse für die Entwicklungsprozesse der europäischen Weltwirtschaft und speziell die Beschäftigung mit dem "Zeitalter der Genuesen" führten mich in das Staatsarchiv Genua. Dort entdeckte ich einen Quellenbestand, der sich sowohl für die Behandlung von militärgeschichtlichen als auch für die Erhellung makroökonomischer Problemkomplexe als besonders aussagekräftig erwies. Auf der Grundlage dieser Dokumente konnte ein "interdisziplinärer" Forschungsansatz entwickelt und verfolgt werden, der wirtschafts-, sozial- und militärgeschichtliche Fragestellungen konstruktiv miteinander verbindet. Ich hoffe, daß die vorliegende Untersuchung, die im Juli 1994 am Fachbereich Geschichtswissenschaften der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen wurde, den Anstoß dazu geben wird, künftig einige der noch großen Forschungslücken in diesem Bereich aufzuarbeiten. An dieser Stelle möchte ich allen danken, deren Unterstützung die Entstehung dieses Buches ermöglicht hat. Größter Dank gilt Frau Prof. Dr. Adelheid Simsch (Freie Universität Berlin). Ihre Lehrveranstaltungen und wissenschaftlichen Diskussionsrunden prägten meinen akademischen Reifeprozeß und führten schließlich dazu, daß die Beschäftigung mit wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Themen der Frühen Neuzeit in das Zentrum meines persönlichen Forschungsinteresses rückte. Auch nach Abschluß meiner Magisterarbeit bestärkte sie mich mit Rat und Tat bei der Entscheidung, meine Studien fortzuführen. Sie betreute das Dissertationsvorhaben von Anfang an in vorbildlicher Weise. Ihr Engagement ging weit über die Lösung finanzieller Probleme, die die Realisierung des Projektes bedrohten, hinaus. Ohne ihren Beistand wäre die Durchführung dieses doch recht ungewöhnlichen Vorhabens unmöglich gewesen! Wertvoll war auch die Unterstützung von Herrn Prof. Dr. Edoardo Grendi (Universität Genua), der vor allem die Anfangsschwierigkeiten im Genueser Staatsarchiv überwinden half. Dank gilt ebenfalls Herrn Prof. Dr. Bernhard R. Kroener und Herrn Prof. Dr. Reimer Hansen für wertvolle Hinweise und anregende Kritik. Das mühsame Korrekturlesen
Vorwort
6
der Arbeit übernahmen Frau M.A. Edda Helmke und Herr Dipl. Ing. K.-H. Bärtlein. Auch Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Nicht zuletzt danke ich meiner Familie, die mir sowohl mein Studium als auch meine Promotion ermöglichte.
Berlin, den 30. März 1996 Julia Zunckel
nsverzeichnis
I.
II.
III.
IV.
Das Konzept der Arbeit unter wirtschafts- und militärgeschichtlichen Aspekten
13
1. Gegenstand der Untersuchung
13
2. Forschungslage, Quellenbasis und methodischer Ansatz
14
3. Fragestellung und Aufbau der Arbeit
26
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen der Rüstungsgeschäfte: Die Stellung Genuas, Amsterdams und Hamburgs im Austauschgefüge der europäischen Weltwirtschaft
30
1. Genua
30
2. Amsterdam
41
3. Hamburg
46
Militärwirtschaftliche Grundlagen: Die frühneuzeitliche Waffen- und Schießpulverproduktion und ihr Vertriebsnetz in Europa
54
1. Die Entstehung des internationalen Waffenhandels bis zum Dreißigjährigen Krieg. Nachfrage, Produktion und Rüstungshändler
54
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter und Schießpulver in der Frühen Neuzeit
77
Die Genueser Munitionsbestellungen nördlich der Alpen: Anlaß, Bedeutung und politisch-ökonomisches Umfeld für die großen Rüstungsaufträge der Republik in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts
110
1. Das politische Umfeld des Konfliktes mit Savoy en
110
2. Die Grundzüge des Genueser Militärwesens
117
3. Die Rüstungsanstrengungen anläßlich des Savoyenkrieges
124
8
Inhaltsverzeichnis
V.
Die Amsterdamer Schießpulver lieferungen an Genua in den Jahren 1625/1626
131
1. Der Inhalt der Geschäftsabschlüsse
131
2. Die Genueser Auftraggeber: Stefano, Antonio und Bartolomeo Balbi. Ein führendes europäisches Handels- und Bankhaus des 17. Jahrhunderts
135
3. Der Amsterdamer Geschäftspartner: Guillelmo Bartolotti und die Elite der niederländischen Kaufmannschaft
145
4. Der Amsterdamer Kriegsgütermarkt in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts und die Handelsusancen im Rüstungsgeschäft anhand der Korrespondenz Bartolottis
159
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge des Munitionsgeschäftes mit der holländischen Mitttelmeerfahrt
176
6. Die Hamburger Konkurrenz. Marktinformationen der Maggioli & Lazagna aus Antwerpen
189
VI.
Die Munitionsbestellungen der Republik Genua in Hamburg 16251628
194
1. Der Inhalt des Rüstungsgroßauftrages und der Verlauf des Geschäftes
194
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler: Francesco Serra und Jan Paolo Dorchi. Genueser Handelshäuser in Nordwesteuropa ...
208
3. Der Hamburger Geschäftspartner und seine Einbindung in die Handelsstrukturen der Hansestadt: Hans de Hertoghe (der Ältere)
224
4. Der Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts anhand der Korrespondenzen Hans de Hertoghes, Lelio Levantos und Jan Paolo Dorchis
239
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge mit der Hamburger Handelskonjunktur, speziell der Spanien- und Mittelmeerfahrt 274 VII. Die oberdeutschen Salpeter- und Schießpulverlieferungen an Genua in den Jahren 1626, 1627 und 1628
303
1. Süddeutsche Explosivstoffe im Rahmen der "Mailandkonjunktur"
303
2. Die Pulver- und Salpeterlieferungen Georg Ammans und Giulio Cesare Pestalozzis aus Augsburg an Gio Maria Vertema in Genua
314
Inhaltsverzeichnis 3. Die Pulver- und Salpeterlieferungen Christoph Furtenbachs
323
4. Die Salpeterlieferverpflichtungen des Handelshauses Angerer und Filippo di Liones im Frühjahr 1627
330
VIII. Ergebnisse und Perspektiven
334
Handelstechnische Angaben
344
1. Gewichtsrelationen
344
2. Rechnungseinheiten, Währungsrelationen und Quotierungen
346
Quellen- und Literaturverzeichnis
350
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Grundstrukturen des internationalen Militärgüterhandels in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts
76
Abb. 2: Baltischer Exportsalpeter und Schießpulver im Oresund (1563-1657) ..
97
Abb. 3: Internationale Handelsverbindungen im Rüstungsgeschäft zwischen Genua und Amsterdam (Oktober 1625-Frühjahr 1626) Abb. 4: Preisniveau für Militärgüter in Amsterdam (1625/1626)
134 174
Abb. 5: Internationale Handelsverbindungen im Rüstungsgeschäft zwischen Genua und Hamburg (Dezember 1625-Frühjahr 1628)
207
Abb. 6: Getreidepreise in Amsterdam und Hamburg (1625-1628)
248
Abb. 7: Preisniveau für Militärgüter in Hamburg (1626-1628)
269
Abb. 8: Frachtkosten in Amsterdam und Hamburg (1621-1627)
281
Abb. 9: Preise für Salpeter und Schießpulver in Genua (1625-1628)
333
Abungsverzeichnis
1. Zeitschriftenabkürzungen
AESC
Annales Economiques Sociales Culturelles
AHN
Acta Hitoriae Neerlandicae
ASLSP
Atti della Società Ligure di Storia Patria
EHR
Economic History Review
ES
Economia e Storia
HGbl.
Hansische Geschichtsblätter
JEEH
Journal of European Economic History
JEH
Journal of Economic History
Jhb.NS
Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik
Jhb.WS
Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte
JMH
Journal of Modern History
MSL
Miscellanea Storica Ligure
MVGN
Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Nürnbergs
NRS
Nuova Rivista Storica
PP
Past and Present
RdN
Revue du Nord
RSI
Rivista Storica Italiana
SEHR
Scandinavian Economic History Review
SS
Società e Storia
TC
Tecnology and Culture
TvG
Tijdschrift voor Geschiedenis
12
Abkiirzungs Verzeichnis
VSWG
Vierteljahresschrifìt für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
ZGSHG
Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte
ZGSW
Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft
ZHF
Zeitschrift für Historische Forschung
ZHVS
Zeitschrift des Historischen Vereins für die Steiermark
ZVHG
Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte
ZVLGA
Zeitschrift des Vereins für Lübecker Geschichte und Altertumskunde
2. Handelstechnische Abkürzungen
Ztr.
Zentner
t
Tonne
#
Libbre (Handelspfund)
fl
Gulden (falls kein anderer Zusatz holländische)
st
Stuiver
Duk.
Dukaten
Rtl.
Reichstaler
ß
Schilling
lüb.
lübisch
fläm.
flämisch
3. Allgemeine Abkürzungen
A.S.G.
Archivio di Stato di Genova (Staatsarchiv Genua)
B.U.G.
Biblioteca Universitaria di Genova (Universitätsbibliothek Genua)
m.s.
Manuskriptabteilung
I. Das Konzept der Arbeit unter wirtschafts- und militärgeschichtlichen Aspekten 1. Gegenstand der Untersuchung Militärische Auseinandersetzungen haben den Verlauf der Geschichte zu allen Zeiten in erheblichem Maße bestimmt. Für das frühneuzeitliche Europa mit seinen zahlreichen Kriegen trifft dies besonders zu. Vor allem der Dreißigjährige Krieg, der nur auf Grund intensiver Rüstungsproduktion und eines umfangreichen Handels mit Kriegsgütern über einen so langen Zeitraum geführt werden konnte, hat das 17. Jahrhundert in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung entscheidend geprägt. Während die politischen, finanziellen und demographischen sowie die militärgeschichtlichen und -technischen Probleme des Krieges von 1618-1648 vielfach untersucht worden sind, ist die militärwirtschaftliche Seite noch weitgehend unerforscht. Einer der Hauptgründe dafür ist die bisher nur unzureichend erschlossene Quellenbasis für rüstungsrelevante Geschäfte in der Frühen Neuzeit. Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, dieses Forschungsdefizit aufzuarbeiten. An Hand von ungedruckten Quellen des Staatsarchives Genua kann der Militärgüterhandel zwischen Genua, Amsterdam und Hamburg zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges analysiert werden. Zwei Themen bilden den Kern der Untersuchung: Zum einen die Handelsverbindungen zwischen der italienischen Metropole Genua und den nordwesteuropäischen Umschlagplätzen Amsterdam und Hamburg, zum anderen die Funktion dieser beiden Städte als größte europäische Verteilerzentren für Militärgüter in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts. Die Betrachtung aus der Perspektive Genuas erweitert den Horizont der Arbeit erheblich. Nicht nur der Rüstungssektor kann näher untersucht werden, sondern auch die europäischen Fernhandelsstrukturen dieser Zeit, in der sich das Zentrum des europäischen Wirtschaftslebens eindeutig vom Mittelmeerraum nach Nordwesteuropa verschob. Dabei tritt das Verhältnis zwischen Hamburg und Amsterdam im Südeuopageschäft, d.h. die Frage nach den Expansionsmöglichkeiten beider Städte zur Zeit der spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen, in den Mittelpunkt der Nachforschungen. Der bedeutende Anteil des internationalen Rüstungssektors am wirtschaftlichen Aufstieg Amsterdams und Hamburgs seit dem ausgehenden 16. Jahrhun-
14
I. Konzept der Arbeit
dert und während des Dreißigjährigen Krieges bildet die Grundlage dafür, militär- und wirtschaftshistorische sowie sozialgeschichtliche Fragestellungen konstruktiv miteinander zu verbinden. Somit kann ein Beitrag dazu geleistet werden, das auf diesem Gebiet bis in die jüngste Zeit bestehende "interdisziplinäre" Forschungsdefizit, insbesondere auch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, aufzuarbeiten. 1
2. Forschungslage, Quellenbasis und methodischer Ansatz Forschungslage Die Lösung militärorganisatorischer Probleme war bekanntlich eng mit der Entstehung frühmoderner Staaten verknüpft. 2 Die Versorgung der Armeen 1
Für dieses Defizit sind sicherlich auch politische Beweggründe verantwortlich. Militärgeschichtlich motivierte Ansätze sind nach dem Zweiten Weltkrieg in Verruf gekommen. Die Forschungen der ersten Jahrhunderthälfte (in erster Linie die Ansätze der Schmoller-Schule) wurden nicht weitergeführt. Eine sichtliche Änderung ist vor allem mit den Untersuchungen des militärgeschichtlichen Forschungsamtes eingetreten. Siehe hierzu: R. Wohlfeil, "Wehr-, Kriegs- oder Militärgeschichte", in: U. v. Gersdorf (Hrsg.), Geschichte und Militärgeschichte, Frankfurt a.M. 1974, S. 165-176; B.R. Kroener, "Vom 'extraordinari Kriegsvolck' zum 'miles perpetuus'. Zur Rolle der bewaffneten Macht in der europäischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. Ein Forschungs- und Literaturbericht", in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 43 (1988), S. 141-188; E.W. Hansen, "Zur Problematik einer Sozialgeschichte des deutschen Militärs im 17. und 18. Jahrhundert", in: ZHF 6 (1979), S.432-460. Arbeiten, die das Verhältnis von Gesellschaft und Militär in den Mittelpunkt stellen, finden sich seit 1975 im Supplementband der "Militärgeschichtlichen Mitteilungen" unter dem Titel "War and Society Newsletters" aufgeführt. 2
G. Oesterreich, "Zur Heeres Verfassung der deutschen Territorien 1500-1800. Ein Versuch vergleichender Betrachtung", in: Ders., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Ausgewählte Aufsätze, Berlin 1969, S.290-310; S.E. Finer, "State and Nation-Building in Europe: The Role of the Military", in: C. Tilly (Hrsg.), The Formation of National States in Western Europe, Princeton 1975, S.84-163; J. Kunisch (Hrsg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung in der europäischen Geschichte der Frühen Neuzeit, Berlin 1986; C. Tilly, Coercion, Capital and European States, A.D. 990-1990, Oxford 1990; H. Schnitter, "Söldnerheer und Landesdefension - Militärische Alternativentwicklungen im Verhältnis von Volk, Staat und Streitmacht im spätfeudalen deutschen Reich in der Zeit des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus (15. Jahrhundert bis 1789)", in: H. Timmermann (Hrsg.), Die Bildung des frühmodernen Staates - Stände und Konfessionen, Saarbrücken 1989, S.405-420.
2. Forschungslage, Quellenbasis und methodischer Ansatz
15
mit Kriegsgütern war eines der Hauptprobleme der frühneuzeitlichen Logistik. Die komplexe Rolle, die der Rüstungssektor für die Entwicklung des europäischen Wirtschaftsgefüges spielte, muß demnach in den ökonomischen und politischen Forschungen zur Frühen Neuzeit einen festen Platz einnehmen. Die rüstungskonjunkturelle Hochphase des Dreißigjährigen Krieges ist unter diesem Gesichtspunkt ein außerordentlich interessanter Untersuchungsgegenstand, zumal diese Zeit mit den großen ökonomischen Umstrukturierungen des europäischen Handelsraumes in Verbindung steht. Bereits A. Ernstberger hat den Versuch unternommen, das zentrale Versorgungssystem der kaiserlichen Partei um Wallenstein und seinen Finanzmann Hans de Witte in seinen Funktionsgrundzügen darzustellen und die beteiligten Unternehmer zu identifizieren. Allerdings stehen in seiner Studie, die hauptsächlich die Kreditstrukturen aufdecken will, Nachforschungen zum internationalen Rüstungsmarkt nicht im Mittelpunkt des Untersuchungsinteresses.3 Mit Hilfe einer Reihe von inzwischen zu Standardwerken gewordenen Arbeiten und neueren Einzelstudien kann der Forschungsansatz Ernstbergers in vielen Punkten ergänzt und die internationale Perspektive erheblich ausgebaut werden. Vor allem die wegweisende Studie von P.W. Klein über den Amsterdamer Waffengroßhändler Elias Trip, den "Krupp des 17. Jahrhunderts",4 sowie die Forschungen zum Hamburger Rüstungsmarkt von E. Baasch,5 H. Kellenbenz6 und E. Amburger7 haben die Grundstrukturen dieser zentralen Handelsplätze für Militärgüter offengelegt. Die wichtigsten Rüstungszentren Europas sind durch die einschlägigen Studien über Lüttich, dem Zentrum der 3
A. Ernstberger, Hans de Witte. Finanzmann Wallensteins, Wiesbaden 1954 (VSWG-Beiheft 38) und ders., Wallenstein als Volkswirt im Herzogtum Friedland, Reichenberg 1929. Zur kritischen Würdigung der Arbeit Ernstbergers siehe: F. Redlich, "Military Entrepreneurship and the Credit System in the 16th and 17th Centuries", in: Kyklos 10(1957), S.186-193. 4 P.W. Klein, De Trippen in de 17e eeuw. Een Studie over het ondernemergsgedrag op de Hollandse stapelmarkt, Assen 1965 und ders., "The Trip Family in the 17th Century. A Study of the Behaviour of the Entrepreneur on the Dutch Staple Market", in: AHN 1(1966), S. 187-211. Siehe auch: E.W. Dahlgreen, Louis de Geer. Hans lif och werk, 2 Bde., Uppsala 1923 und F. Breedvelt Van Veen, Louis de Geer. 1587-1652, Amsterdam 1935. 5 E. Baasch, "Der Verkehr mit Kriegsmaterialien aus und nach den Hansestädten vom Ende des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts", in: Jhb.NS 137(1932), S.538543. 6 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel 1590-1625, Hamburg 1954. 7 E. Amburger, Die Familie Marseiis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte, Gießen 1957.
I. Konzept der Arbeit
16
südniederländisch-niederrheinischen Militärgüterproduktion, 8 sowie durch die Arbeiten über das Metallgewerbe Nürnbergs 9 untersucht. Die neuesten Forschungsansätze der österreichischen Wirtschaftsgeschichte, u.a. die Studien von H. Valentinisch, versuchen, die von Nürnberg und Suhl nach Prag, Graz und Wien gerichteten Militärgüterströme zu beleuchten.10 Obwohl die Analyse von Einzelsegmenten des europäischen Rüstungsmarktes in der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung seit geraumer Zeit und in zunehmendem Maße einen festen Platz einnimmt, fehlt bis heute eine umfassende und systematische Darstellung der europäischen Produktionsstrukturen für Militärgüter und ihres internationalen Verteilungsnetzes im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. 11 Einzelbelege zu diesem Thema finden sich in den unterschiedlichsten Forschungsbeiträgen. Jedoch haben Produktion und Vertrieb von Rüstungsgütern und von militärrelevanten Rohstoffen weder einen festen Platz in den Abhandlungen zur Militär- und Waffengeschichte gefunden, die 8
C. Gaier, L'industrie et le commerce des armes dans les anciennes Principautés belges du XID™ à la fin du XV™e siècle, Paris 1973; ders., Four Centuries of Liege Gunmaking, London 1977; J. Lejeunne, La formation du capitalisme moderne dans la Principauté de Liège au XVI e siècle, Lüttich 1939; J. Yerneaux, La métallurgie liègoise et son expansion au XVII e siècle, Lüttich 1939. 9 Κ. Dettling, "Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jahrhundert", in: MVGN 27(1928), S.97-241; F.M. Reß, "Die Nürnberger 'Briefbücher' als Quelle zur Geschichte des Handwerks, der eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe sowie der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte", in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd.II, Nürnberg 1967, S.800-830; R. Stahlschmidt, "Das Messinggewerbe im spätmittelalterlichen Nürnberg", in: MVGN 57(1970), S.124-149; ders., Die Geschichte des eisenverarbeitenden Gewerbes in Nürnberg von den ersten Nachrichten im 12.13. Jahrhundert bis 1630, Nürnberg 1971. 10 H. Valentinisch, "Nürnberger Waffenhändler und Heereslieferanten in der Steiermark im 16. und 17. Jahrhundert", in: MVGN 64(1977), S.165-182; ders., "Suhler Waffenhändler in den habsburgischen Erblanden in der Frühen Neuzeit", in: H. Ebner u.a. (Hrsg.), Festschrift für O. Pickl zum 60. Geburtstag, Graz/Wien 1987, S.683-688; ders., "Großunternehmer und Heereslieferanten in der Steiermark und an der windischen Grenze", in: ZHVS 66(1975), S.141-165; ders., "Italienische Unternehmer im Wirtschaftsleben der innerösterreichischen Länder 1550-1650", in: J. Schneider (Hrsg.), Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege. Festschrift H. Kellenbenz, Bd.II, Stuttgart 1978, S.695-708; Trommeln und Pfeifen - Militärzelte - Anderthalbhänder - Nürnberger Waffen - Waffenhandel und Gewehrerzeugung in der Steiermark, Graz 1976 (Veröffentlichungen des Landeszeughauses Graz Bd.VI). 11 Am ehesten verwendbar ist der Überblick von: W. McNeill, Krieg und Macht. Militär und Gesellschaft vom Altertum bis heute, München 1984. Allerdings steht in dieser Untersuchung der Dreißigjährige Krieg nicht im Zentrum der Darstellung.
2. Forschungslage, Quellenbasis und methodischer Ansatz
17
eher auf die allgemeine Entwicklung der Kriegstechnik und Militärtaktik abzielen, noch werden derartige Probleme von den einschlägigen handelsgeschichtlichen Darstellungen systematisch aufgegriffen. 12 Folglich wurde der Stellenwert dieses Handelssektors für die ökonomische Entwicklung der Zeit bis jetzt noch nicht hinreichend empirisch untersucht. Auch das internationale Vertriebssystem für Salpeter (unverzichtbarer Hauptbestandteil von Schießpulver) erfuhr bislang keine erschöpfende wirtschaftshistorische Behandlung. Angesichts der stark zunehmenden Bedeutung des Feuerwaffeneinsatzes im 17. Jahrhundert ist dieses Forschungsdefizit besonders beklagenswert.13 Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß das personelle Beziehungsgeflecht der international tätigen Kaufmannschaft im 17. Jahrhundert weit weniger offen liegt und untersucht ist als z.B. die Geschäftsstrukturen zur Glanzzeit der frühneuzeitlichen Handelsexpansion im 16. Jahrhundert.14 Wie alle mit den staatlich-politischen Gewalten verknüpften Transaktionen scheint auch der Rüstungshandel für diese noch näher zu identifizierenden Kreise der Großkaufmannschaft in der Aufbauphase des frühmodernen Staates und gerade in dieser unsicheren Zeit des Umbruchs ein lohnendes Geschäft gewesen zu 12
Dieses generelle Forschungsdefizit beklagen: C.M. Cipolla, Guns, Sails, and Empires: Technological Innovation and the Early Phases of European Expansion, 1400-1700, New York 1965, S.151 ff; V. Schmidtchen, Bombarden, Befestigungen, Büchsenmacher. Von den Mauerbrechern des Spätmittelalters zur Belagerungsartillerie der Renaissance. Eine Studie zur Entwicklung der Militärtechnik, Düsseldorf 1977, S.8. Aus handelsgeschichtlicher Perspektive weist M. Hroch, Handel und Politik im Ostseeraum während des Dreißigjährigen Krieges, Prag 1976, S.21, auf dieses Defizit hin. Auch das diesbezügliche Kapitel von H. Langer, Kulturgeschichte des Dreißigjährigen Kriegs, Leipzig 1978, S. 15-186, fällt nur recht mager aus. In neuerer Zeit wurden Aspekte des kriegsrelevanten Gewerbes in zunehmendem Maße in die Untersuchungen zur Eisen- und Kupferproduktion einbezogen. Siehe: H. Kellenbenz (Hrsg.), Schwerpunkte der Eisengewinnung und Eisenverarbeitung in Europa: 15001650, Köln 1974 und ders. (Hrsg.), Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500-1650, Köln 1977. Vgl. auch: J.K.W. Willers, Die Nürnberger Handfeuerwaffe bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Entwicklung, Herstellung, Absatz nach archivalischen Quellen, Nürnberg 1973. 13
Als Standardwerk gilt allgemein: J.R. Partington, A History of Greek Fire and Gunpowder, Cambridge 1960. Diese Studie geht auf handelshistorische Fragestellungen nur am Rande ein. 14 C.M. Cipolla, Storia economica dell'Europa preindustriale, Bologna 1974; H. Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd.I: Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, München 1977; F.-W. Henning, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Paderborn 1991. 2 Zunckel
I. Konzept der Arbeit
18
sein. 15 Darüber hinaus stand die internationale Vermittlung von Militärgütern stets in engem Kontext mit den europäischen Austauschstrukturen. Bekanntlich traten seit Ende des 16. Jahrhunderts die unterschiedlichen Entwicklungsprozesse Nord-, Süd- und Osteuropas in aller Deutlichkeit hervor. Bis in die 20er Jahre des 17. Jahrhunderts dominierten italienische Handels- und Bankhäuser im europäischen Austauschgefüge. Die ökonomischen Kräfteverhältnisse verschoben sich dann aber eindeutig und endgültig zugunsten Nordwesteuropas. Besteht über die Grundlinien dieser Entwicklung in der Forschung allgemein Klarheit, so sind die Übergangsstrukturen und die Dynamik, die den Wechsel vom mediterranen zum nordwesteuropäischen Zirkulationssystem begleiten, kaum untersucht. 16 Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges verdeckten die großen militärischen Auseinandersetzungen den zunehmenden ökonomischen und politischen Bedeutungsverlust des Mittelmeerraumes. Trotzdem können überwiegend kriegsbedingte Elemente, wie etwa die zentrale Funktion italienischer Handels- und Bankhäuser für die spanische Kriegsmaschinerie 17 und die umfangreichen süddeutschen Warenexporte 15
V. Barbour, Capitalism in Amsterdam in the Seventeenth Century, Toronto 1963, S.ll. 16 D.C. North/R.P. Thomas, "An Economic Theory of the Growth of the Western World", in: EHR 23(1970), S.1-17; C.G. Reed, "Transactions Costs and Differential Growth in Seventeenth Century Western Europe", in: JEH 33(1973), S. 177-190; R.C. Blitz, "Mercantilist Policies and the Pattern of World Trade, 1500-1759", in: JEH 27(1967), S.39-55; C. Hill (Hrsg.), The Transition from Feudalism to Capitalism, London 1978; J. Topolski, "Ein Versuch der Modellanalyse der Entstehung des Kapitalismus und des Refeudalisierungsprozesses in Europa (14.-17. Jahrhundert)", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.V, Stuttgart 1981, S.213227; R.T. Rapp, "The Unmaking of the Mediterranean Trade Hegemony: International Trade Rivalry and the Commercial Revolution", in: JEH 35(1975), S.499-525; C.M. Cipolla, "The Decline of Italy. The Case of an Fully Matured Economy", in: EHR 5/6(1952-54), S. 178-187; J.-G. Da Silva, "Capiteaux et marchandises, échanges et finances entre XVI e et XVIII e siècle", in: AESC 2(1957), S.287-300; J.-G. Da Silva/R. Romano, "L'Histoire des Changes. Les foires de 'Bisenzone' de 1600 a 1650", in: AESC 17(1962), S.715-721. 17 R.S. Lopez, "Il predominio economico dei genovesi nella monarchia spagnola", in: Ders., Su e giù per la storia di Genova, Genua 1975, S.253-263; G. Mandich, Le pacte de "ricorsa" et le marché italien des changes au XVII e siècle, Paris 1953; F. Braudel, "Le pacte de ricorsa au service du roi d'Espagne et de ses prêteurs à la fin du XVI e siècle", in: Studi in onore di A. Sapori, Bd.II, Mailand 1957, S.1113-1126; V. Vazquez de Prada, "Gli uomini d'affari e i loro rapporti con la corona spagnola nelle Fiandre (1567-1597)", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz (Hrsg.), La Repubblica internazionale del denaro tra XV e XVII secolo, Bologna 1986, S.243-274.
2. Forschungslage, Quellenbasis und methodischer Ansatz
19
im Rahmen der "Mailandkonjunktur",18 nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die Wirtschaftskraft Spaniens und Italiens dem Ende zuneigte: In engem Zusammenspiel mit den politischen Veränderungen und den militärischen Auseinandersetzungen wurde das europäische Wirtschaftsgefüge neu "austariert". Auch die jüngsten Forschungsansätze zur niederländischen Wirtschaftsgeschichte betonen den hohen Stellenwert, der den politisch-militärischen Faktoren für die Periodisierung des "goldenen holländischen Zeitalters" zukam. Die älteren Auffassungen Fernand Braudels wurden hierbei in vielen Bereichen widerlegt.19 Neben der militärischen Konfrontation in Flandern, die für die spanische Krone eine große finanzielle Belastung darstellte, wurde der spanisch-niederländische Konflikt auch als Wirtschaftskrieg ausgetragen,20 der für das gesamte europäische Handelsgefüge, besonders in den Phasen der aktiven militärischen Auseinandersetzungen, eine Reihe von bedeutenden handelsstrukturellen Auswirkungen nach sich zog. Der Polarisierung der internationalen politischen Beziehungen entsprach in gewisser Weise auch eine Polarisierung des Handelslebens, die die europäische Geschäftselite teilweise durch Ausweichstrategien zu überwinden suchte oder sogar für die eigenen 18
J. Müller, "Augsburgs Warenhandel mit Venedig und Augsburger Handelspolitik im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges", in: Archiv für Kulturgeschichte 1 (1903), S.326-347; L. Beutin, "Deutscher Leinenhandel in Genua im 17. und 18. Jahrhundert", in: VSWG 24(1931), S.157-168; ders., "Italien und Köln", in: Studi in onore di A. Sapori, Bd.I, S.29-46; G.S. Gramulla, Handelsbeziehungen Kölner Kaufleute zwischen 1500 und 1650, Köln/Wien 1972, S.151 ff; F. Blendinger, "Augsburger Handel im Dreißigjährigen Krieg nach Konzepten von Fedi di Sanità, Politen, Attesten u.ä.", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.II, S.287325. 19 J.I. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World, 1606-1661, Oxford 1982 und ders., Dutch Primacy in World Trade, 1585-1740, Oxford 1989. 20 J. Paul, "Die nordische Politik der Habsburger vor dem Dreißigjährigen Kriege", in: HZ 133(1926), S.433-454; J.H. Kernkamp, De handel op den vijand, 15721609, 2 Bde., Utrecht 1934; A. Dominguez-Ortiz, "Guerra econòmica y comercio extranjero en el reinado de Felipe IV", in: Hispania 22(1962), S.71-113; R. Ródenas Vilar, "Un gran proyecto anti-holandés en el tiempo de Felipe IV. La destruccion del comercio rebelde en Europe", in: Hispania 23(1963), S.542-558; J. Alcalâ-Zamora, Espana, Flandes y el Mar del Norte (1618-1639). La ultima ofensiva Europea de los Austrias Madrilenos, Barcelona 1975; M.E.H.N. Mout, "'Holendische Propositiones': Een Habsburgs plan tot vernietiging van handel visserij en scheepvaart der Republiek (ca. 1625)", in: TvG 95(1982), S.345-362; J.I. Israel, "The Politics of International Trade Rivalry during the Thirty Years' War: Gabriel de Roy and Olivares' Mercantilist Projects, 1621-1645", in: International History Review 8(1986), S.517549. 2*
I. Konzept der Arbeit
20
Geschäfte zu nutzen verstand. Von den negativen Auswirkungen des Krieges war seit 1621 in erster Linie das holländische Mittelmeergeschäft betroffen. 21 Potentielle Nutznießer dieser Schwierigkeiten konnten neutrale Anbieter sein, die von Embargomaßnahmen nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden. In erster Linie hatte Hamburg in dieser Zeit die Chance, den Holländern Konkurrenz zu machen. Diese Probleme wurden in letzter Zeit von der internationalen Forschung verstärkt aufgegriffen. Allerdings stehen der umfassenden Neubewertung des holländischen Mittelmeerhandels auf deutscher Seite leider keine Recherchen neueren Datums gegenüber.22 Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß Spanien und die norditalienischen Stadtstaaten seit Anfang des 17. Jahrhunderts neben dem Hauptimportgut Getreide Rüstungswaren in größerem Umfang aus Nordwesteuropa bezogen. Hierbei handelte es sich in erster Linie um Salpeter und Schießpulver.23 Bekanntlich erhöhte die Modernisierung der Kriegführung den Bedarf an Rüstungsgütern erheblich. Nicht nur in Bezug auf die militärische Entwicklung war Italien in dieser Zeit im Vergleich zu Nordeuropa ins Hintertreffen geraten.24 Offensichtlich verfügten lediglich die nordwesteuropäischen Handelszentren über zusätzliche Rohstoffquellen, die den Bedarf der Mittelmeerländer in Kriegszeiten decken konnten.
Quellenbasis und methodischer Ansatz
Die Schwierigkeiten, auf die die Geschichtswissenschaft bei der Erforschung des internationalen Rüstungshandels in der Frühen Neuzeit stößt, beruhen nicht zuletzt auf der äußerst prekären Quellenlage. Zeugnisse über den 21
Siehe: S. Hart, "Die Amsterdamer Italienfahrt 1590-1620", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.n, S. 145-170 und J.I. Israel, "The Phases of the Dutch straatvaart (1590-1713). A Chapter in the Economic History of the Mediterranean", in: TvG 99(1986), S.l-33. 22 Siehe hierzu die zusammenfassende Wertung von: H. Kellenbenz, "Gens de mer nordiques dans la Méditerranée, le cas de Hambourg", in: R. Ragosta (Hrsg.), Le genti del mar mediterraneo, Bd.n, Neapel 1981, S.811-830. 23 Mit den nordwesteuropäischen Rüstungslieferungen an Spanien befaßt sich die Forschung seit langer Zeit. Die italienischen Absatzmärkte sind noch nicht untersucht. Siehe hierzu: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.68 und S.333; H. Wätjen, Die Niederländer im Mittelmeergebiet zur Zeit ihrer höchsten Machtstellung, Berlin 1909, S.343 ff; P.W. Klein, De Trippen, S.239, S.283 ff; G. Devos/W. Brûlez (Hrsg.), Marchands flamands à Venise, Bd.II (1606-1621), Brüssel/Rom 1986, S.IX; S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S. 161, S. 164; J.I. Israel, Dutch straatvaart, S.25. 24 W. McNeill, Krieg und Macht, S.89-95.
2. Forschungslage, Quellenbasis und methodischer Ansatz
21
internationalen Militärgüterhandel sind nur schwer erfaßbar, weil diese Transaktionen in der Regel auf Grund handelsstrategischer Erwägungen von Seiten der beteiligten Handelshäuser möglichst geheim gehalten wurden. Die Gefahr der Beschlagnahme war sehr groß. Wegen der politischen Implikationen dieser Art von Geschäften war man in den unsicheren Kriegszeiten an Publizität kaum interessiert. Darüber hinaus erfuhren derartige Transaktionen, besonders vor Mitte des 17. Jahrhunderts, auf Empfängerseite selten eine systematische Archivierung. Dieser Umstand ist einerseits auf das Überwiegen der (semi-)privaten, dezentralisierten Beschaffungsstrukturen zurückzuführen und ist andererseits in der mangelnden Dokumentierung der staatlich kontrollierten und zentralisierten Versorgungsapparate begründet.25 Obwohl die Grundstrukturen des internationalen Militärgüterhandels von der Forschung deutlich herausgearbeitet werden konnten, fehlt es prinzipiell an Quellenmaterial, das sich dazu eignen würde, konkrete Geschäftsabschlüsse über den isolierten Einzelfund hinaus zu dokumentieren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, bleiben Ausmaß und Umfang von rüstungsrelevanten Transaktionen, die auf diesem Sektor tätigen Unternehmerkräfte, ihre ganz Europa umspannenden Geschäftsverbindungen und der Zusammenhang zu anderen Handelsaktivitäten verborgen.26 Auch die allgemeine konjunkturelle 25
Zur generell schwierigen Quellenlage auf diesem Gebiet siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.71 f; E.E. Unger, "Nürnberger Handel mit Hamburg im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert", in: MVGN 54(1966), S.l-85, S.55; H. Valentinisch, Suhler Waffenhändler, S.683 f; B.R. Kroener, "Rechtsstellung und Profite französischer Heereslieferanten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", in: VSWG 76(1989), S.457-493, S.458. 26 Für Hamburg siehe die Schwierigkeiten von H. Kellenbenz, den von ihm untersuchten Unternehmerkräften eindeutig rüstungsrelevante Handelsbeziehungen nachzuweisen. Ders., Unternehmerkräfte, S.105-236, S.287-311; ders., "Hansestädtisches Unternehmertum", in: H. Kellenbenz. Kleine Schriften, Bd.III: Wirtschaftliche Leistung und gesellschaftlicher Wandel, Wiesbaden 1991 (VSWG-Beiheft 94), S.945972, S.959 f; K. Richter, "Ein Schlag gegen Hamburgs Iberienschiffahrt 1598", in: ZVHG 60(1974), S.91-110. (An Hand eines typischen Einzelbeispieles werden die Gesamtbeobachtungen von Kellenbenz um wichtigte Details ergänzt.) Für Nürnberg siehe: F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.805, S.810. Die Briefbücher geben nur insofern Auskunft über die Unternehmerkräfte, als es sich nicht um Großhandelsfirmen handelte. Deshalb kann nur ein kleiner Teil dieser Aktivität erfaßt werden. Für Frankreich siehe: B.R. Kroener, Rechtsstellung und Profite, S.475-481. Die in der Produktion tätigen Unternehmerkräfte und Fachleute sind leichter zu identifizieren. Siehe: E. Heer, Der neue Stoeckl. Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400-1800, 3 Bde., Schwäb. Hall 1979.
I. Konzept der Arbeit
22
Entwicklung sowie die jeweilige Marktsituation fur Rüstungsgüter in Relation zum Angebot-Nachfrage-Mechanismus sind deshalb nur schwer quantifizierbar. Bewertungsversuche, die die Märkte für Rüstungsgüter miteinander vergleichen, müssen sich bislang auf allgemeine Einschätzungen zumeist handelsstruktureller Art beschränken.27 Für genauere Analysen fehlt die empirische Basis. Über Marktstrategien und Gewinnspannen auf diesem Gebiet können ebenfalls nur wenige Aussagen getroffen werden. Das zu allen Zeiten schlechte Image der Rüstungsunternehmer - allgemein als Kriegsgewinnler tituliert kann für die Frühe Neuzeit nur selten überprüft werden.28 Angesichts der schlechten Quellenlage sind die im Staatsarchiv Genua dokumentierten Rüstungsgeschäfte ausgesprochen aufschlußreich. Anläßlich des Savoyenkrieges bestellte die Republik Genua mit Hilfe von Privatleuten umfangreiche Munitionsmengen in Amsterdam, Hamburg, Neapel und Süddeutschland. Die Unterlagen dieser Rüstungsaufträge können als relativ geschlossener Quellenbestand bezeichnet werden. Der Fundus besteht aus ca. 200 unveröffentlichten Einzeldokumenten, wie Geschäftsbriefen, Gesandtschaftskorrespondenzen, Eingangsbestätigungen, Rechnungen, Frachtunterlagen u.ä.. 29 Auf dieser verhältnismäßig breiten Quellenbasis bietet sich die Möglichkeit, Amsterdam und Hamburg in ihrer Eigenschaft als europäische Hauptumschlagplätze für Salpeter und Munition mit Hilfe der quantitativen Methode zu vergleichen. Obwohl statistisches Datenmaterial für einen längeren Zeitraum nicht zur Verfügung stand, konnten die in Amsterdam und 27
Vgl. die diesbezüglichen Bewertungen von: P.W. Klein, De Trippen, S.206 f; E. Baasch, Kriegsmaterialien, S.543; V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.36 ff. 28 Siehe: B.R. Kroener, Rechtsstellung und Profite, S.457, S.489 ff und J. Brakker, "Ein Wrackfund aus der Elbe bei Wittenbergen", in: H. Stoob (Hrsg.), See- und Flußhäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung, Köln/Wien 1986, S.229260, S.230. 29 Das Staatsarchiv Genua (A.S.G.) verfügt leider über keine Findbücher, so daß die systematischen Nachforschungen zum Thema erheblich erschwert wurden. Zwei Quellenbestände bilden die Hauptbasis der vorliegenden Arbeit: - A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni) für die Jahre 1626-1628. Hierbei handelt es sich insofern um einen geschlossenen Quellenbestand, da unter dieser Signatur alle das Hamburger Rüstungsgeschäft betreffenden Dokumente zusammengefaßt vorliegen. - A.S.G. Camera del Governo Nr.761-772 (Munitioni) für die Jahre 1600, 1611, 1616, 1622, 1625-1631 und 1643. Hierbei handelt es sich um alle verfügbaren Unterlagen zu den Munitionskäufen der Republik. Insbesondere die Dokumente der Jahre 1625-1631 behandeln die zum Hamburger Geschäftsabschluß parallel geführten Aufträge nach Amsterdam und Süddeutschland, so daß auch diese Dokumentsammlung als relativ geschlossener Quellenbestand bezeichnet werden kann.
2. Forschungslage, Quellenbasis und methodischer Ansatz
23
Hamburg herrschenden Marktverhältnisse punktuell beleuchtet werden. 30 Der zeitlich sehr enge Rahmen der Nachforschungen, die Jahre 1625-28, deckt sich dabei interessanterweise mit der ersten rüstungskonjunkturellen Hochphase des Dreißigjährigen Krieges. Vor allem die Marktstrategien der nordwesteuropäischen Handelshäuser und die Preisbewegungen auf dem internationalen Militärgütermarkt sollen herausgearbeitet werden. Wertvolle Zusatzinformationen und Vergleichsmöglichkeiten ergeben sich aus den Quellen zu den süddeutschen Salpeterlieferungen, die Genua im selben Zeitraum über Land erreichten. Eine grundlegende Vorgehensweise besteht in den Recherchen zu den in den Quellen erscheinenden europäischen Handelshäusern, ihren internationalen Geschäftsstrukturen und ihrem personellen Beziehungsgeflecht. 31 Über die Identifizierung von international tätigen Unternehmern, die sich im Mili30
Eine genauere quantitative Erfassung des Militärgüter- und Frachtmarktes würde eingehende Forschungen auf der Grundlage internationaler Quellenbestände (u.a. in den Notariatsarchiven) über einen längeren Beobachtungszeitraum erfordern. Auch die vorbildliche Studie von P.W. Klein, De Trippen, S.206, ist diesen modernen statistischen Anforderungen auf Grund der generell schlechten Quellenlage nicht gewachsen. Derzeitig kann nur ein deskriptiver Überblick über die Marktverhältnisse und die konkreten Unternehmerstrategien in Bezug auf Einzelgeschäfte gegeben werden, der sich allerdings auf neues Datenmaterial stützt. Vgl. auch: F. Irsigler, "Möglichkeiten und Grenzen quantifizierender Forschung in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit", in: Rheinische Vierteljahresblätter 43(1979), S.236-259. 31 Die "prosophographische" Methode (d.h. das Studium der Geschäftsbeziehungen europäischer Handelshäuser) ist einer der maßgeblichen Forschungsansätze der firühneuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte. Ohne die Ergebnisse dieser mikroökonomischen Vorgehens weise (Unternehmensgeschichte, Nachforschungen in Privat- und Notariatsarchiven) wären die Ergebnisse der "traditionellen" quantitativen Forschungen (Auswertung von Zollregistern, Hafenunterlagen u.ä.) für die Erhellung der makroökonomischen Wirtschaftsstrukturen in der Frühen Neuzeit nur unzureichend. Schon von daher sind mikro- und makroökonomische Ansätze auf diesem Sektor eng miteinander verknüpft, wobei die mikroökonomische Vorgehensweise dabei zum großen Teil eher makroökonomisch orientiert ist. Siehe hierzu insbesondere: E. Grendi, Introduzione alla storia moderna della repubblica di Genova, Genua 1976, Kap.VIE: "Storia micro-economica: le aziende", S.201-212. Zu den diesbezüglichen Problemen der modernen Wirtschaftsgeschichte vgl.: W. Fischer, "Unternehmensgeschichte und Wirtschaftsgeschichte. Über die Schwierigkeiten, mikro- und makroökonomische Ansätze zu vereinen", in: H. Kellenbenz/H. Pohl (Hrsg.), Historia socialis et oeconomica. Festschrift W. Zorn, Wiesbaden 1987 (VSWG-Beiheft 84), S.61-71.
I. Konzept der Arbeit
24
tärgüterhandel engagierten, und über die Analyse ihrer Marktstrategien kann das Bild des frühneuzeitlichen Rüstungssektors um wichtige Faktoren ergänzt und konkretisiert werden.32 Die in diesem Zusammenhang auftretenden Personen sind für die Wirtschaftsgeschichte durchaus keine Unbekannten. Über die Aktivitäten dieser Großkaufmannskreise auf dem Gebiet des Militärgüterhandels war der Forschung jedoch zumeist nichts oder nur sehr wenig bekannt. Die Rekonstruktion der von Genua ausgehenden Geschäftsabschlüsse erlaubt einen tieferen Einblick in die Strukturen der maßgeblichen internationalen Rüstungskanäle und erhellt deren Verhältnis zueinander. In der Wahl der Perspektive, von Genua aus, besteht gleichzeitig die Chance, einen Blick auf das gesamteuropäische Handelsgefüge zu werfen. Die Rüstungsgeschäfte fallen in die Umbruchperiode der 20er Jahre. Vor dem Hintergrund der "Krise des 17. Jahrhunderts" vollzogen sich die strukturellen Veränderungen der europäischen Weltwirtschaft. Auch unter diesem Gesichtspunkt sind die Dokumente aufschlußreich. Die Genueser Kriegsgüterbestellungen in Amsterdam und Hamburg sind in diesem Zusammenhang als ein wichtiger Bestandteil des nordwesteuropäischen Mittelmeerhandels zu behandeln. Hierbei tritt das Verhältnis zwischen dem holländischen Anteil am Austausch mit Südeuropa und den potentiellen Wachstumschancen der Hamburger Handelstätigkeit zur Zeit der spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen als wichtiger Untersuchungsschwerpunkt in Erscheinung. In Ergänzung der über See laufenden Handelsbeziehungen des deutschen Wirtschaftsraumes kann zusätzlich Einblick in die transalpinen Handelsströme aus den oberdeutschen Gebieten genommen werden. Wiederum wird bei der Behandlung dieses 32
In diesem Zusammenhang wurden neben den oben angegeben Hauptquellenbeständen zusätzlich folgende Dokumentabteilungen gesichtet und ausgewertet: - A.S.G. Antica Finanza Nr.709/710 (Pratiche Diverse), verschiedene Vorgänge für die Jahre 1530-1615 und 1625-1710. - A.S.G. Antica Finanza Nr. 1401 (Corrispondenza Estera), Kopialbuch des deutschen Handelshauses Raynoldt im Dienste der Republik Genua in den Jahren 1619/ 20, das leider als einziges Dokument dieser Art erhalten ist. - A.S.G. Camera del Governo Nr. 159-192 (Atti), für die Jahre 1625-1628. - A.S.G. Archivio Segreto Nr.2779 (Lettere Principi Alemagna), hauptsächlich zu den Hamburger Getreidelieferungen in den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts (teilweise bereits ediert). - A.S.G. Archivio Segreto Nr.2783, Dokumente zum deutschen Konsulat (teilweise ediert). - A.S.G. Archivio Segreto Nr.2788 (Lettere Principi Olanda), zur holländischen Präsenz in Genua (teilweise ediert). - A.S.G. Archivio Segreto Nr. 1666 (Marittimarum), zu Handelsschwierigkeiten der ausländischen Kaufleute in Genua.
2. Forschungslage, Quellenbasis und methodischer Ansatz
25
Problemkomplexes die quantitative Methode, die sich in erster Linie auf die Zusammenstellung und Interpretation des in den Quellen aufgefundenen Datenmaterials zu Frachtraten und Transportkapazitäten richtet, von den Recherchen zu den beteiligten Unternehmerkräften, ihren Geschäftsverbindungen und ihren Marktstrategien flankiert. Zur näheren Klärung der europaweiten Geschäftsbeziehungen dieser Handelshäuser wurde neben den Genueser Quellenbeständen auf die einschlägigen Quelleneditionen zum europäischen Handelsleben und speziell zum Mittelmeerhandel zurückgegriffen. 33 Darüber hinaus ist die herangezogene Quellenbasis dazu geeignet, über die für die Genueser Rüstungsgroßaufträge erforderlichen Modalitäten des Geldtransfers Einblick in das europäische System der Privatbankbeziehungen und deren personelle Schaltstellen zu erhalten: ein Gebiet, auf dem sich die internationale Forschung in Hinblick auf den hier interessierenden Zeitpunkt erst am Anfang befindet. Wie aus den vorhergehenden Ausführungen deutlich wird, stützt sich die Arbeit vorrangig auf die Sichtung der Genueser Quellenbestände. Auf Grund der Fülle der daraus resultierenden Informationen und Problemkomplexe sowie in Anbetracht der generell schlechten Quellenlage, die eine umfassende Erforschung des frühneuzeitlichen Rüstungshandels erheblich erschwert, wurde auf weitere Recherchen in Amsterdamer, Antwerpener und Hamburger Archiven zunächst verzichtet. Derartige Nachforschungen, die die systematische Erfassung der nordwesteuropäischen Verhältnisse anstreben, hätten den zeitlichen Rahmen der Arbeit bei weitem gesprengt, sind aber für zukünftige Recherchen auf diesem Sektor erforderlich. 34
33
Um nur die wichtigsten Werke aufzulisten: K. Heeringa, Bronnen tot de geschiedenis van den Levantschen Handel (1590-1660), 2 Bde., Den Haag 1910; W. Brûlez, Marchands flamands à Venise Bd.I (1568-1605), Brüssel/Rom 1965; G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands; A. Tenenti, Naufrages, corsaires et assurances maritimes à Venise 1592-1609, Paris 1959; J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires à Lisbonne entre 1595 et 1607. Lettres marchandes des Rodrigues d'Evora et Veiga, Paris 1956; V. Vazquez de Prada, Lettres marchandes d'Anvers, 4 Bde., Paris 1962; P.H. Winkelman, Bronnen voor de geschiedenis van de Nederlandse Oostzeehandel in de zeventiende eeuw, Bd.IV (1609-1617) und Bd.V (1617-1625), Den Haag 1983. 34 Auch systematische Nachforschungen in den polnischen Archiven, insbesondere in Danzig, wären in diesem Zusammenhang in Zukunft notwendig. Zur Erschließung neuen polnischen Quellenmaterials siehe: F. C. Berkenvelder, "Some Unknown Dutch Archivalia in the Gdansk (Danzig) Archives", in: W.G. Heeres u.a. (Hrsg.), From Dunkirk to Danzig: Shipping and Trade in the North Sea and the Baltic 13501850. Essays in Hounor of J.A. Faber, Den Haag 1988, S.145-166.
I. Konzept der Arbeit
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Zu betonen ist, daß die herangezogenen Quellen des Staatsarchives Genua über den Rüstungssektor hinaus vor allem für die Wirtschaftsgeschichte Hamburgs von großem Wert sind. Bekanntlich ist die allgemeine Quellensituation in der Hansestadt insbesondere für frühneuzeitliche Forschungen als äußerst kritisch zu bezeichnen, da ein großer Teil der Dokumentenbestände beim Stadtbrand 1842 vernichtet wurde. Recherchen in anderen europäischen Archiven, die Hamburg betreffende Themen beleuchten, sind deshalb um so notwendiger.35
3. Fragestellung und Aufbau der Arbeit Im Rahmen der beiden Themenbereiche Rüstungsmärkte und internationale Austauschstrukturen weist die vorliegende Arbeit drei Untersuchungsschwerpunkte mit den folgenden Einzelfragestellungen auf: 1. Wer war an den Rüstungsgeschäften in welcher Form beteiligt? Über welche Kanäle wurde vermittelt und inwieweit waren Transaktionen auf dem Militärgütersektor mit anderen Handelsaktivitäten strukturell verbunden? 2. Welche Güter wurden vermittelt? Konnten der Amsterdamer und Hamburger Militärgütermarkt miteinander konkurrieren und wie gestalteten sich die Preisbewegungen in der Angebot-Nachfrage-Relation? Welche Geschäftsstrategien kamen zur Anwendung und wie beeinflußten diese den Markt? Welchen Einfluß hatten außerökonomische Faktoren auf die konjunkturelle Entwicklung für militärische Explosivstoffe und auf das Verhältnis zwischen den beiden Verteilerzentren? 3. Welche Aussagen können auf Grund der Quellenbasis über allgemeine Umstrukturierungen des europäischen Handelslebens gemacht werden, und weshalb konnte oder wollte Hamburg in den 20er Jahren nicht umfassend von der holländischen Schwäche im italienischen Mittelmeerhandel profitieren? 35
Siehe: A. v. Brandt, "Hamburg und Lübeck. Beiträge zu einer vergleichenden Geschichtsbetrachtung", in: Festschrift H. Reincke, Hamburg 1951, S.20-47, S.33. Zur schlechten Quellenlage speziell für den Hamburger Mittelmeerhandel siehe: H. Kellenbenz, Gens de mer nordiques, S.824 ff, S.830. Zu den Hamburger Archivbeständen siehe auch: Ders., Unternehmerkräfte, S.353 ff und H.D. Loose, Bestände des Staatsarchives der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburg 1973. Im Reichsarchiv Kopenhagen befindet sich bislang unberücksichtigtes Quellenmaterial, das u.a. Auskunft über Hamburger Militärgütertransporte (1630-1654) liefert. Siehe: G. Köhn, "Neue Quellen zum Glückstädter Elbzoll und zum Schiffsverkehr auf der unteren Elbe in den Dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts", in: ZVHG 59(1973), S. 103-106.
3. Fragestellung und Aufbau der Arbeit
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Diese Fragestellungen werden im quellenanalytischen Hauptteil der Untersuchung auf der Basis neu erschlossener Dokumente und der einschlägigen Quelleneditionen für Amsterdam und Hamburg in den Kapiteln V und VI ausführlich behandelt. Die Kapiteleinteilung der Arbeit erfolgte unter geographischen Gesichtspunkten bzw. analog der Chronologie der drei Geschäftsstränge. Die Feingliederung innerhalb der einzelnen Kapitel richtete sich nach den oben aufgelisteten Fragestellungen. In Kapitel VII wurde zusätzlich auf die süddeutschen Salpeter- und Schießpulverlieferungen an Genua eingegangen. Diese Geschäfte wurden aus verschiedenen Gründen in die Arbeit einbezogen. Da über die Quellenbasis die Möglichkeit bestand, alle internationalen Salpeterbezugsquellen der Republik Genua zu dokumentieren, durften auch diese Lieferungen schon allein der Vollständigkeit halber nicht fehlen. Die an den süddeutschen Geschäftsabschlüssen beteiligten Handelshäuser gehörten noch dazu zu denjenigen Unternehmerkreisen, die in den Diensten des Hauses Habsburg standen. Weiterhin erreichten jene Salpeter- und Schießpulvermengen Genua auf dem Landweg. Dieser Umstand ist in Anbetracht der allgemeinen handelstechnischen Gegebenheiten erstaunlich, denn Salpeter wurde nach Zentnern als schweres Massengut transportiert. Allein auf Grund der "Mailandkonjunktur" waren derartige Lieferungen über die Alpen realisierbar. Vor allem ergaben sich aus diesen Geschäften wertvolle Vergleichsmöglichkeiten, die es erlaubten, das Preisniveau der süddeutschen Ware mit dem nordwesteuropäischen Angebot zu konfrontieren. Das Bild der internationalen Salpeter- und Schießpulvermärkte wurde dadurch abgerundet.36 Da die Untersuchung des institutionellen Hintergrundes des Genueser Militärwesens und seiner Beschaffungsstrukturen nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit sein konnte, wurden die Verhältnisse in der Mittelmeerstadt in Kapitel IV nur insofern behandelt, als sie für das Verständnis der Quellenbasis unbedingt erforderlich erschienen. Die Ausführungen dieses Abschnittes stützen sich auf die Ergebnisse der italienischen Forschung und berücksichtigen neben gedrucktem Quellenmaterial37 die einschlägig bekannten, deskriptiven Quellen der zeitgenössischen "Publizistik" und Historiographie. Außerdem wurde zu diesem Zweck zusätzliches Quellenmaterial im Genueser Staatsar36
Auf die neapolitanischen Lieferungen wird hingegen in Kapitel IV eingegegangen, weil es sich hierbei um eine überregionale Bezugsquelle handelte. Die Gegebenheiten auf dem neapolitanischen Rüstungsmarkt sind bislang unerforscht. 37 Insbesondere wurde auf die bereits abgedruckte, deskriptive Quelle eines unbekannten Autors, die auf 1607/08 datiert ist, zurückgegriffen: F. Braudel, "Gênes au début du XVII e siècle", in: Fatti e idee di storia economica nei secoli ΧΠ-ΧΧ. Studi dedicati a F. Borlandi, Bologna 1976, S.457-479.
28
I. Konzept der Arbeit
chiv erschlossen.38 Auf das bei den militärrelevanten Großbestellungen der Republik aktiv in Erscheinung tretende Genueser Unternehmertum und seine internationalen Geschäftsbeziehungen wurde im eigentlichen analytischen Kernstück der Arbeit (in den Kapiteln V, VI und VII) dezidiert eingegangen. Wegen der Vielzahl der angesprochenen Probleme und der sich in neuester Zeit um den frühneuzeitlichen Militärsektor entwickelnden innovativen Forschungsansätze und Bewertungstendenzen wurden der eigentlichen Quellenanalyse aus den Genueser Archivbeständen relativ umfangreiche Überlegungen makroökonomischer und militärspezifischer Natur vorangestellt. Gegenstand und Charakter der herangezogenen Quellenbasis und eine moderne "interdisziplinäre" Herangehensweise an Themen dieser Art, die bislang jedoch nur in den seltensten Fällen systematische und erschöpfende Einzelstudien hervorgebracht hat, ließen eine derartige Vorgehensweise günstig erscheinen. Die gesamteuropäische Perspektive, die die Dynamik des internationalen Austauschgefüges in den Mittelpunkt der Untersuchung stellt, komplizierte den Einstieg in die zu behandelnden Fragestellungen. Wie bereits angesprochen wurde, verfolgt die wirtschaftshistorische Forschung darüber hinaus in jüngster Zeit Ansätze, die die politisch-militärischen Auswirkungen auf konjunkturelle und wirtschaftsstrukturelle Veränderungen betonen. Es war deshalb erforderlich, in Kapitel II einen kurzen Überblick zu geben, der das makroökonomische Umfeld des Amsterdamer und Hamburger Militärgüterhandels absteckt. Obwohl der Rüstungshandel beider Städte in der vorliegenden Studie vorrangig als Bestandteil der europäischen Warenströme angesehen wird, mußte in Kapitel III dennoch auf militärwirtschaftliche Aspekte eingegangen werden, aber nur insoweit, wie es für das Verständnis der Materie unbedingt erforderlich war. Hierbei machte sich das Fehlen einer den frühneuzeitlichen Rüstungsbereich behandelnden Wirtschaftsgeschichte besonders bemerkbar, weil auf einschlägige Darstellungen, die die breiteren Struktur- und Problemzusammenhänge militärrelevanter Themen aus wirtschaftshistorischer Perspektive analysieren, nicht zurückgegriffen werden konnte. Da die Kenntnis der all38
- A.S.G. Antica Finanza Nr. 168/69 (Cartulario del Negozio della Polvere), für den Zeitraum 1608-1612 und 1630. - A.S.G. Antica Finanza Nr.453 und Nr.997 (Polvere), für die Jahre 1617 und 16041799. - A.S.G. Antica Finanza Nr.667-679 (Rolli soldati), für die Jahre 1617-1627. - A.S.G. Senato, Oberto Foglietta Appendix (Militarum) Nr. 1098-1113 (Militiae Germanicae), Nr.1115, Nr.1117, Nr.1118, Nr.1120, Nr.1125, Nr.1140, Nr.1114. (Diese Bestände geben Aufschlüsse zur Militärgeschichte der Republik im behandelten Zeitraum.)
3. Fragestellung und Aufbau der Arbeit
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gemeinen militärwirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewertung der Genueser Rüstungsaufträge unverzichtbar ist, mußte eine breitere rüstungsrelevante Grundlage mit Hilfe der stark defizitären Sekundärliteratur erst erschlossen werden. Durch diese Vorgehensweise war es gleichzeitig möglich, die neuesten Forschungsansätze zum weitgefaßten Problemkomplex "Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit" in die Darstellung zu integrieren. Angesichts der Tatsache, daß es sich bei den behandelten Warengruppen hauptsächlich um Schießpulver und den Rohstoff Salpeter handelt, wurde im zweiten Abschnitt von Kapitel III versucht, eine Art Produktions- und Handelsgeschichte der militärischen Explosivstoffe in der Frühen Neuzeit zu erstellen. Recherchen auf diesem Gebiet schienen deshalb angebracht, weil sie für das Verständnis der zentralen Amsterdamer und Hamburger Marktposition auf diesem Sektor notwendig sind. Trotz der hohen strategischen Bedeutung von Salpeter, die bis zur Erfindung der synthetischen Explosivstoffe Ende des 19. Jahrhunderts anhielt, existiert keine diesbezügliche moderne Monographie. Weil die ansteigende Nachfrage Europas nach Salpeter in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zusätzlich in erster Linie über den Danziger Rohstoffmarkt gedeckt wurde, mußte zunächst die allgemeine konjunkturelle Entwicklung der Danziger Exportware skizziert und quantifiziert werden. Zu diesem Zweck wurden die Sundzollregister ausgewertet.39 Sowohl die umfangreichen italienischen Zitate (mit deutscher Übersetzung) aus den Genueser Quellen als auch die Einbeziehung der zahlreichen Einzelbelege zu rüstungsrelevanten Fragestellungen in der Frühen Neuzeit, die sich verstreut in den unterschiedlichsten Beiträgen zur Wirtschafts- und Militärgeschichte finden, ließen das Volumen des Anmerkungsapparates erheblich ansteigen. Dieses Vorgehen war für eine angemessene Dokumentierung des Argumentationsganges unvermeidlich. An Stelle einer eindeutigen Spezialisierung auf den Einzelbereich des Militärgüterhandels wurde in der vorliegenden Studie versucht, eine ganzheitliche Sicht der europäischen Austauschverhältnisse in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses zu stellen. Diese Perspektive schien sowohl der Quellenbasis als auch der Sachproblematik angemessen, weil die Aktivitäten der europäischen Großkaufmannskreise im internationalen Rüstungsgeschäft keineswegs vom übrigen Handelsleben isoliert betrachtet werden können. Im folgenden Kapitel sollen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dieser Aktivitäten dargestellt werden. 39
Basierend auf der Edition von: N.E. Bang, Tabeller over Skibsfart og Varetransporten gennem Oresund, 1497-1660, Bd.II: Tabeller over Varetransporten A und B, Kopenhagen/Leipzig 1922.
II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen der Rüstungsgeschäfte: Die Stellung Genuas, Amsterdams und Hamburgs im Austauschgefüge der europäischen Weltwirtschaft 1. Genua Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts markierte für den weiteren Entwicklungsprozeß der europäischen Weltwirtschaft 1 sowohl in konjunktureller als auch struktureller Hinsicht eine deutliche Umbruchperiode.2 Zum einen ging 1
Zum Konzept der "europäischen Weltwirtschaft" siehe: F. Braudel, Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, 3 Bde., München 1980, (Bd.I: Der Alltag, Bd.II: Der Handel, Bd.ni: Aufbruch zur Weltwirtschaft), "Einteilung von Raum und Zeit in Europa", in: Aufbruch zur Weltwirtschaft, S. 17-92; P. Jeannin, "Vorindustrielle Weltwirtschaft und Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung einzelner Regionen", in: H. Kellenbenz (Hrsg.), Weltwirtschaftliche und währungspolitische Probleme seit dem Ausgang des Mittelalters, Stuttgart/New York 1981, S. 1-14; J. von Kruedener, "Die Weltwirtschaft als Gegenstand der Wirtschaftsgeschichte", in: Ebenda, S. 15-24; F.-W. Henning, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Paderborn 1991, S.579 ff. 2 Siehe die kurze Zusammenfassung der internationalen Diskussion bei: I. Wallerstein, The Modern Worldsystem Π. Mercantilism and the Consolidation of the European World Economy, 1600-1750, New York 1980, S.2-11; ders., "Underdevelopment and Phase-B: Effect of the Sevententh-Century Stagnation on Core and Peripherie of the European World-economy", in: A. Guarducci (Hrsg.), Sviluppo e sottosviluppo in Europa e fuori d'Europa dal secolo ΧΙΠ alla Rivoluzione Industriale, Florenz 1983, S.29-40; T. Aston (Hrsg.), Crisis in Europe 1560-1660. Essays from Past and Present, London 1965; J. de Vries, The Economy of Europe in an Age of Crisis, 1600-1750, Cambridge 1976; G. Parker/L.M. Smith (Hrsg.), The General Crisis of the Seventeenth Century, London 1978; M. Hroch/J. Petran, Das 17. Jahrhundert. Krise der feudalen Gesellschaft?, Hamburg 1981; H. G. Koenigsberger, "Die Krise des 17. Jahrhunderts", in: ZHF 9(1982), S.143-165. Zur Handelskrise der 20er und 30er Jahre siehe auch: R. Romano, "Tra XVI e XVII secolo. Una crisi economica 1619-1622", in: RSI 74(1962), S.480-530 und J.D. Gould, "The Trade Depression of the Early 1620's", in: EHR 7(1954), S.81-90.
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die wirtschaftliche Aufschwungphase des "langen 16. Jahrhunderts", die den gesamten europäischen Wirtschaftsraum erfaßt hatte, zu Ende: Die internationale Handelskrise der 20er und 30er Jahre, die Umkehr des demographischen Aufwärtstrends sowie die zu beobachtenden "Refeudalisierungsprozesse" sind nur einige Aspekte der stagnierenden Konjunkturkurve Europas, um die sich in der historischen Forschung die "Krisendiskussion des 17. Jahrhunderts" rankt. Zum zweiten zeichnete sich in dieser Zeit die endgültige Schwerpunktverlagerung des aktiven Zentrums der europäischen Weltwirtschaft vom Mittelmeerraum nach Nordwesteuropa deutlich ab. Die wirtschaftliche Zerrüttung der Iberischen Halbinsel in Verbindung mit dem Niedergang des gesamten spanischen Weltreiches sowie der Abstieg Italiens vom Zentrum der europäischen Weltwirtschaft zur Semiperipherie 3 standen dem gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung der drei nordwesteuropäischen Handelszentren, Amsterdam, London und (in geringerem Maße) Hamburg, gegenüber.4 3
Zur spanischen Entwicklung siehe: H.J. Elliott, "The Decline of Spain", in: T. Aston, Crisis in Europe, S. 167-193; J.V. Vives, "The Decline of Spain in the Seventeenth Century", in: C.M. Cipolla (Hrsg.), The Economic Decline of Empires, London 1970, S. 121-167; H. Kamen, "The Decline of Spain. A Historical Myth?", in: PP 81(1978), S.24-50. Zur italienischen Entwicklung siehe: G. Quazza, La decadenza italiana nella storia europea. Saggi sul Sei-Settecento, Turin 1971; P. Villani, "La società italiana nei secoli XVI e XVn", in: Ricerche storiche ed economiche in memoria di C. Barbagallo, Bd.I, Neapel 1970, S.251-292; C.M. Cipolla, "The Economic Decline of Italy", in: Ders., Economic Decline, S. 196-214; P. Malanima, "L'economia italiana nel Seicento", in: G. Cherubini u.a. (Hrsg.), Storia della società italiana, Bd.ll: La controriforma e il Seicento, Mailand 1989, S. 149-188. Vgl. zur polnischen Entwicklung: M. Petrusewicz, "La Polonia nella crisi del Seicento: analisi di un dibattito", in: RSI 90(1978), S.92-116; A. Maçak, "State Revenues and National Income: Poland and the Crisis of the Seventeenth Century", in: A. Guarducci (Hrsg.), Prodotto lordo efinanza pubblica, secoli ΧΙΠ-ΧΙΧ, Florenz 1988, S.677-702. 4 Siehe: D.C. North/R.P. Thomas, The Rise of the Western World, Cambridge 1973; R. Davis, The Rise of Atlantic Economies, London 1973. Zu England siehe: Β.E. Supple, Commercial Crisis and Change in England, 1600-1642. A Study in the Instability of Mercantile Economy, Cambridge 1959. Zur Periodisierungsfrage und den damit verbundenen theoretischen Problematiken vgl.: F. Braudel, La Mediterranée et le monde méditerranéen à l'époque de Philippe Π, Paris 1949 (hier benutzt in der italienischen Übersetzung: Civiltà e imperi del Mediterraneo nell'età di Filippo Π, Turin 1986), S.456, S.498, S.645, S.689 ff, mit: I. Wallerstein, Das moderne Weltsystem I. Die Anfänge der kapitalistischen Landwirtschaft und die europäische Weltökonomie im 16. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1986, S.127, S.238 ff.
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Lange Zeit konnten die italienischen Handelsmächte ihre wirtschaftliche Führungsposition in Europa behaupten. Im 16. Jahrhundert paßten sich die norditalienischen Metropolen den Umstrukturierungen des internationalen Handels, die durch die Entdeckung der interkontintalen Seewege bedingt waren, an. Venedig blieb der zentrale Handelsplatz im nach wie vor blühenden Levantegeschäft5 und fungierte weiterhin als südliche Außenhandelsbasis Mittel- und Nordeuropas, insbesondere Deutschlands.6 Genua hatte sich in wirtschaftlicher Hinsicht schon früh nach Westen orientiert. Die starke Präsenz der Genueser Kaufmannschaft auf der Iberischen Halbinsel und vor allem ihre Funktion als maßgebliche Bankiers der spanischen Krone garantierten sowohl die Teilnahme der Italiener am spanischen Überseehandel als auch die Herrschaft der Genuesen über die Piacenzamessen. Die strukturelle Anlehnung an Spanien, die dem Genueser Handelskapital die Verfügungsgewalt über einen Teil der internationalen Silberströme sicherte, rückte diese italienische Metro5
F.C. Lane, "The Mediterranean Spice Trade: It's Revival in the Sixteenth Century", in: Venice and History. The Collected Papers of F.C. Lane, Baltimore 1966, S.25-34; N. Steensgaard, Carracks, Caravans and Companies. The Structural Crisis in European Asia-Trade in the Early Seventeenth Century, Kopenhagen 1973; C.H. H. Wake, "The Changing Pattern of Europe's Pepper and Spices Imports, 14001700", in: JEEH 8(1979), S.361-403; S. Faroqhi, "The Venetian Presence in the Ottoman Empire", in: JEEH 15(1986), S.345-384; R. Davis, "Comparative Advantage of the Levant and Cape Routes to India in the Sixteenth and Seventeenth Centuries", in: A. Guarducci, Sviluppo e sottosviluppo, S.479-498; H. van der Wee, "Structural Changes in European Long-distance Trade, and Particulary in the Re-export Trade from South to North 1350-1750", in: J.D. Tracy (Hrsg.), The Rise of Merchant Empires: Long-distance Trade in the Early Modern World, 1350-1750, Cambridge 1990, S.14-33. 6 F. Braudel, "Die erste Weltwirtschaft Europas", in: Aufbruch zur Weltwirtschaft, S.96-121; ders. "Die späte Vormachtstellung Venedigs", in: Ebenda, S.122146; G.V. Scammell, The World Encompassed. The First European Maritime Empires (800-1650), London/New York 1981, S.86-154; F.C. Lane, Venice. A Maritime Republic, Baltimore 1973; L. Beutin, "Der wirtschaftliche Niedergang Venedigs im 16. und 17. Jahrhundert", in: HGbl. 76(1958), S.42-72; H. Kellenbenz, "Der Niedergang Venedigs und die Beziehungen Venedigs zu den Märkten nördlich der Alpen", in: Ders., Kleine Schriften, Bd.I: Europa, Raum wirtschaftlicher Begegnung, Wiesbaden 1991 (VSWG-Beiheft 92), S.121-173; ders., "Zur Geschichte der oberdeutschen und niederländischen Ostindienverbindung auf dem Landweg um die Wende des 17. Jahrhunderts", in: Ders., Kleine Schriften, Bd.II: Dynamik in einer quasi-statischen Welt, Wiesbaden 1991 (VSWG-Beiheft 93), S.661-676; M. Knapton, "Venezia e il Mediterraneo dalla guerra di Cipro alla Pace di Passorowitz", in: G. Cherubini, Storia della società italiana, Bd.ll, S.399-424.
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pole bis in die 20er Jahre des 17. Jahrhunderts sogar in das Zentrum der europäischen Weltwirtschaft. 7 Erst das Eindringen der aufsteigenden nord westeuropäischen Handelsmächte in den Mittelmeerraum brachte seit Ende des 16. Jahrhunderts einen Wandel, der zunächst fast unmerklich war. Über den Transportsektor und den zunehmenden Bedarf an nordischen Rohstoffen gelang es vor allem den Holländern, in die kommerziellen Strukturen Südeuropas einzudringen und schließlich die italienischen Waren auf ihren angestammten Märkten durch nordwesteuropäische oder überseeische Produkte zu ersetzen.8 Aus dem aktiven Wirtschaftsleben zog sich die italienische Kaufmannsaristokratie nun in zunehmendem Maße zurück. 9 Die veränderten wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen Nordwestund Südeuropa wirkten sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht nur auf die internationalen Handelsströme aus. Mit dem Niedergang der poli7
F. Braudel, "Das 'Zeitalter der Genuesen' (1557-1627), seine Dimension und seine Bedeutung", in: Ders., Aufbruch zur Weltwirtschaft, S. 167-188; A. De Maddalena, "La repubblica internazionale del denaro: un'ipotesi infondata ο una tesi sostenibile?", in: Ders./H. Kellenbenz, Repubblica internazionale, S.7-16; G.V. Scammell, World Encompassed, S. 155-224; F. Ruiz Martin, "Los hombres de negocios genoveses de Espana durante el siglo XVI", in: H. Kellenbenz (Hrsg.), Fremde Kaufleute auf der Iberischen Halbinsel, Köln/Wien 1970, S.84-99; E. Otte, "Il ruolo dei Genovesi nella Spagna del XV e XVI secolo", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Repubblica internazionale, Bologna 1986, S. 17-56; R. Pike, Enterprise and Adventure. The Genoese in Seville and the Opening of the New World, New York 1966; D. Gioffrè, Gênes et les foires de changes. De Lyon à Besançon, Paris 1960. 8 R.T. Rapp, Unmaking of Trade Hegemony, S.499 ff; ders., Industry and Economic Decline in the Seventeenth-century Venice, Cambridge 1976; B. Pullan (Hrsg.), Crisis and Change in the Venetian Economy in the 16th and 17th Centuries, London 1968; D. Sella, Commerci e industrie a Venezia nel secolo XVII, Venedig/Rom 1961; ders., "Industrial Production in Seventeenth Century Italy: A Reappraisal", in: Explorations in Entrepreneurial History 1969, S.235-253; S. Ciriacono, "Silk Manufacturing in France and Italy in the XVIIth Century: Two Models Compared", in: JEEH 10(1981), S.161-199; G. Sivori, "Il tramonto della industria serica genovese", in: RSI 84(1972), S.893-943. 9 Zur Genueser Sozialentwicklung siehe in diesem Zusammenhang: G. Quazza, "La crisi dello Stato cittadino. La Genova dei Magnifici", in: Ders., Decadenza italiana, S.203-218. Zu Venedig siehe: Ders., "Lo Stato cittadino: Venezia", in: Ebenda, S.35-51. Vgl. auch: A. De Maddalena, "La ricchezza come nobiltà, la nobiltà come potere (secoli XV-XVIII): nodi storici e storiografici. (Dal 'mito della borghesia' al 'mito dell'aristocrazia'?)", in: A. Guarducci (Hrsg.), Gerarchie economiche e gerarchie sociali, secoli ΧΠ-ΧνίΠ, Florenz 1990, S.325-358 und R. Burke, Venice and Amsterdam. A Study of Seventeenth-century élites, London 1974. 3 Zunckel
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tischen Macht Spaniens kam es ebenfalls zu Umstrukturierungen des privaten und des im Dienste der Territorialstaaten stehenden europäischen Zahlungsund Finanzverkehrs. Einerseits lehnten sich beide Systeme eng an die internationalen Handelsbeziehungen an. Andererseits wurden monetäre Transferdienste über die Kreditmärkte intensiv von den europäischen Herrscherhäusern genutzt. Der steigende Geld- und Kreditbedarf der sich herausbildenden frühmodernen Territorialstaaten sowie die Notwendigkeit effizienter Transferverbindungen bei noch unzureichenden administrativen Strukturen 10 boten den internationalen Privatbankhäusern seit dem Mittelalter immer größere, wenn auch risikoreiche Profitmöglichkeiten. 11 Standen am Anfang dieser Entwicklung die Dienste der großen italienischen Bankhäuser für die Kurie und die mittelalterlichen Herrscher, 12 so läßt sich die Linie in den hinlänglich bekannten Kredit10
Siehe: G. Oesterreich, Frühmoderner Staat, insbesondere S.279 ff; G. Ardant, "Financial Policy and Economic Infrastructure of Modern States and Nations", in: C. Tilly, Formation of National States, S. 169-242; M. Stolleis, Pecunia Nervus Rerum. Zur Staatsfinanzierung in der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M., 1983; A. De Maddalena/H. Kellenbenz (Hrsg.), Finanze e ragion di Stato in Italia e in Germania nella prima Età moderna, Bologna 1984; F.C. Lane, "The Role of Governments in Economic Growth in Early Modern Times", in: JEH 35(1975), S.8-17. Vgl. hierzu die Auffassung von I. Wallerstein, Weltsystem I., S.519: "...Ich vertrete eher die Ansicht, daß der Kapitalismus als Wirtschaftsweise eher darauf gründet, daß die Wirtschaftsfaktoren in einem Gebiet wirksam sind, das größer ist als das, das ein politisches Gebilde völlig kontrollieren kann. Dies gibt dem Kapitalismus eine strukturell begründete Handlungsfreiheit..." 11 Zu den einzelnen Phasen der "außergewöhnlichen Ausweitung des Bank- und Kreditwesens" siehe: F. Braudel, Der Handel, S.426-436. Zur Entwicklung der dazu notwendigen finanztechnischen Instrumentaria siehe: R. de Rooover, L'évolution de la lettre de change (XIV e -XVIII e siècles), Paris 1953. 12 J. Kirshner (Hrsg.), Business, Banking and Economic Thought in Late Medieval and Early Modern Europe (Selected Studies of R. de Roover), Cambridge 1974; A.P. Usher, The Early History of Deposit Banking in Mediterranean Europe, Cambridge/Mass. 1943; G. Olsen, "Italian Merchants and the Performance of Papal Banking Functions in the Early Thirteenth Century", in: D. Herlihy/ R.S. Lopez (Hrsg.), Economy, Society and Government in Medieval Italy, Kent (Ohio), 1969, S.43-63; B.N. Nelson, "The Usurer and the Merchant Prince: Italian Businessmen and the Ecclesiastical Law of Restitution, 1100-1500", in: JEH 7(1947), S. 104-122; P. Partner, "Papal Financial Policy in the Renaissance and Counter Reformation", in: PP 88 (1980), S. 17-62; W. Reinhard, "Finanza pontificia e Stato della Chiesa nel XVI e XVII secolo", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Finanze e ragion di Stato, S.353387.
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Zahlungen und Finanztransaktionen oberdeutscher Bankhäuser, vor allem der Fugger, für Karl V. weiterziehen. 13 Mit dem "Zeitalter der Genuesen" (1557-1627) waren die finanziellen Bedürfnisse der spanischen Habsburger und die einträgliche, aber diskrete Herrschaft der Genueser Großbankiers ("asientistas") über die Austauschstrukturen der europäischen Weltwirtschaft fest miteinander verbunden. 14 Die freiwillige Aufgabe der Piacenzamessen durch die Genuesen im Jahre 1621 15 und der spanische Staatsbankrott von 13
R. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger. Geldkapital und Kreditverkehr im 16. Jahrhundert, 2 Bde., Jena 1896-1922; R. Carande, Carlos V et sus Banqueros, 3 Bde., Madrid 1949-1967; H. Kellenbenz, "Das römisch-deutsche Reich im Rahmen der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Erwägungen Karls V. im Spannungsfeld imperialer und dynastischer Interessen", in: H. Lutz (Hrsg.), Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., München/Wien 1982, S.35-54; R. Hildebrandt, "The Effects of Empire: Changes in the European Economy after Charles V.", in: I. Blanchard (Hrsg.), Industry and Finance in the Early Modern History: Essays presented to G. Hammersley, Wiesbaden 1992, S.58-76; ders., "I 'merchant bankers' della Germania meridionale nell'economia e nella politica del XVI e XVII secolo", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Repubblica internazionale, S.211-242. 14 G. Muto, "Sull'evoluzione del concetto 'hacienda' nel sistema imperiale spagnuola", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Finanza e ragion di Stato, S. 155-180; F. Ruiz Martin, "La 'hacienda' di Castiglia nei secoli XVI e XVII", in: ES 14(1967), S.7-16; H. Lapeyre, "La participation des génois aux 'asientos' de Charles Quint et de Philippe II", in: R. Belvederi (Hrsg.), Rapporti Genova - Mediterraneo - Atlantico nell'età moderna, Genua 1983, S. 143-162; H. Lapeyre, Simon Ruiz et les "asientos" de Philippe Π, Paris 1953; R. Romano, "Banchieri genovesi alla corte di Filippo II", in: RSI 61(1949), S.241-247; M. Ulloa, La Hacienda Real de Castilla en el Reinado de Felippe II, Rom 1963; A. Dominguez-Ortiz, Politica y Hacienda de Felippe IV, Madrid 1960; H. Pohl (Hrsg.), Europäische Bankengeschichte, Frankfurt a.M. 1993, S.103-120; J.-G. Da Silva, Banque et crédit en Italie au XVII e siècle, 2 Bde., Paris 1969. 15 Bislang steht die Erforschung der Problematik um die Auflösung der Piacenzamessen erst am Anfang. Siehe: Ebenda, S.55-63, S.135 ff, S.679-691; ders., Capitaux et marchandises, S.295 f; ders., "Forza lavoro, deprezzamento della moneta e strategia del capitale nel XVII secolo. (Elementi genovesi per un modello sulla instaurazione dei rapporti capitalistici di produzione)", in: RSI 84(1972), S.945-977; G. Mandich, "Fiere cambiarie concorrenti (genovesi, fiorentine, veneziane) nel 16221652", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Repubblica internazionale, S. 123-152; D. Maffei, "Notizie su alcuni trattati cinque-seicenteschi in tema di cambi", in: Ricerche storiche ed economiche in memoria di C. Barbagallo, Bd.II, Neapel 1970, S.329347; M. Cassandro, "Note per una storia della fiere", in: Studi in memoria di F. Melis, Bd.I, Neapel 1978, S.239-254. 3*
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1627 markierten das sich andeutende Ende dieses traditionellen mediterranspanischen Zirkulationssystems, das von Madrid und Sevilla über die Zentralen Genua (bzw. Piacenza) in erster Linie auf Antwerpen ausgerichtet war und unter Ausnutzung der europäischen Handelsströme vornehmlich der Finanzierung der spanischen Militärpolitik in Flandern diente. 16 Das "Zeitalter der Genuesen", das sowohl auf der Zentralstellung Italiens im europäischen Wirtschaftsgefüge als auch auf der Machtpolitik Spaniens gegründet hatte, zeigte deutliche Auflösungserscheinungen. 17 Parallel zum "Spanisch-Genueser Zirkulationssystem" intensivierten sich seit 1590 Austauschbeziehungen zwischen Nord- und Südeuropa, die direkt über Venedig liefen und weit über die traditionellen Handelsbeziehungen der Lagunenstadt hinausgingen.18 Teilweise liefen die venezianischen Zahlungen 16
F. Braudel, "Endet das 'Jahrhundert der Genuesen' im Jahr 1627?", in: I. Bog (Hrsg.), Wirtschaftliche und soziale Strukturen im saekulären Wandel. Festschrift für W. Abel zum 70. Geburtstag, Bd.n, Göttingen 1974, S.455-468. Zur Substituierung der sogenannten zweiten Generation der Genueser Asientistas durch portugiesische Bankhäuser (1627-1650) siehe: A. Castillo Pintado, "Dans la Monarchie Espagnole du XVII e siècle: Les Banquiers portugais et le circuit d'Amsterdam", in: AESC 19 (1964), S.311-316; H. Pohl, Portugiesen in Antwerpen (1567-1648). Zur Geschichte einer Minderheit, Wiesbaden 1977 (VSWG-Beiheft 63); J.C. Boyajian, Portugies Bankers at the Court of Spain (1626-1650), New Bruinswick 1983. Zur portugiesischen Präsenz in Hamburg vgl.: H. Kellenbenz, Sephardim an der unteren Elbe. Ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung vom Ende des 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, Wiesbaden 1958 (VSWG-Beiheft 40). 17 Vgl. die unterschiedlichen Bewertungen bei: F. Braudel, Aufbruch zur Weltwirtschaft, S. 167-185 und I. Wallerstein, Weltsystem I, S.283. Im Gegensatz zu Braudel beruhte die Stärke Genuas "lediglich" auf der engen Bindung an Habsburg und konnte deshalb nicht von Dauer sein, da die "gesunde" wirtschaftliche Basis fehlte. Siehe auch: M.-T. Boyer-Xambeu/G. Deleplace/L. Gillard, "Goldstandard, Währung und Finanz im 16. Jahrhundert", in: M. North (Hrsg.), Geldumlauf, Währungsysteme und Zahlungsverkehr in Nord Westeuropa 1300-1800. Beiträge zur Geldgeschichte der späten Hansezeit, Köln/Wien 1989, S. 167-182, insbesondere S.177 ff. 18 H. Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch-italienischen Handelsbeziehungen, 2 Bde. Stuttgart 1887; A. Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehr zwischen Westdeutschland und Italien mit Anschluß von Venedig, 2 Bde., Leipzig 1900; P. Braunstein, "Wirtschaftliche Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien im Spätmittelalter", in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd.I, S.377-406; H. van der Wee, Structural Changes, S.20 f, S.27; H. Kellenbenz, "Relazioni commerciali tra il Levante ed i paesi d'Oltralpe", in: R. Ragosta (Hrsg.), Navigazioni mediterranea e connessioni continentali (sec.XIXVI), Neapel 1982, S.301-314.
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zwar ebenfalls über die zentralen Messen von Piacenza, in zunehmendem Maße hatten die Transaktionen aber auch Antwerpen oder sogar Amsterdam direkt zum Ziel. Als antispanischer Pol in Italien eröffnete das europäische Clearingzentrum Venedig in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine neue, zunehmend wichtige Zahlungsverbindung nach Nordwesteuropa. 19 Die Präsenz großer niederländischer Handelshäuser in der Lagunenstadt bildete hierfür einen günstigen Anknüpfungspunkt. Über Venedig konnte nicht nur die holländische Handelselite in Kontakt zu Italien treten, sondern auch die norditalienische Kaufmannschaft den Anschluß an das sich konstituierende nordwesteuropäische System finden, ohne die traditionellen Handelsgeschäfte aufzugeben. Von dieser Möglichkeit machten die Genuesen zunehmend Gebrauch, um außerhalb der habsburgischen Einflußsphäre Geschäfte abzuwickeln oder Kapital zu investieren. 20 Die Hypothese einer Parallelexistenz zweier sich überlagernder Handelsund Finanzkreisläufe, die sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts jeweils an die beiden großen politischen Lager anlehnten, entbehrt also nicht
19
Um die Herausarbeitung dieses Aspektes hat sich vor allem H. Kellenbenz bemüht. Siehe (neben den bereits zitierten, Venedig betreffenden Werken von Kellenbenz) auch: Ders., "Eine italienische Kaufmannskorrespondenz aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts", in: Studi in onore di A. Fanfani, Bd.V, S.234-271; ders., "Geldtransfer für Graf Ofiate", in: Histoire économique du monde méditerranéen, 14501650. Mélanges en l'honneur de F. Braudel, Bd.I, Toulouse 1973, S.277-298; ders., "From Melchior Manlich to Ferdinand Cron: German Levantine and Oriental Trade Relations (Second Half of the XVIth and Beginning of the XVIIth Centuries)", in: JEEH 19(1990), S.611-622. Siehe außerdem: R. Hildebrandt, "Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Oberdeutschland und Venedig um 1600", in: B. Roeck/K. Bergolt/A.J. Martin (Hrsg.), Venedig und Oberdeutschland in der Renaissance. Beziehungen zwischen Kunst und Wirtschaft, Sigmaringen 1993, S.277-288; F. Tremel, "Der Venezianer Handel Wiens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", in: Histoire économique, S.621-631; H. Valentinisch, "Die Quecksilberappaltoren in Innerösterreich 15941630", in: ZHVS 63(1972), S.69-94; ders., Italienische Unternehmer, S.695 ff; O. Pickl, "Gli Asburgo Austriaci e la concorrenza delle grandi banche dal XIV secolo alla fine del XVII", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Repubblica internazionale, S.153-177. 20 G. Doria/R. Savelli, "'Cittadini di governo' a Genova: richezze e potere tra Cinque e Seicento", in: Materie per una storia della cultura giuridica 10(1980), S.277355, S.325 f; G. Felloni, Gli investimenti finanziari genovesi in Europa tra il Seicento e la Restaurazione, Mailand 1971, S. 143 ff; A. Tenenti, Naufrages, S.62.
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einer gewissen Grundlage. 21 Berührungspunkte ergaben sich zwischen Venedig, Mailand und Genua. Auch die deutschen Messeplätze Frankfurt und Nürnberg dienten als Vermittlungsplätze zwischen beiden Kreisläufen. 22 Im Nordwesten bestanden Verbindungen zwischen dem spanischen Antwerpen, dem holländischen Amsterdam und dem neutralen Hamburg, die durch die gemeinsame Klammer der südniederländischen Emigration über die politischen Lager hinaus kooperieren konnten.23 Antwerpen kam in dieser Beziehung auch und gerade in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine zentrale Bedeu21
Vgl. die graphischen Darstellungen in: J.-G. Da Silva, Capitaux et marchandise, S.288 ff. Leider wird die Situation nach 1620 nicht berücksichtigt, so daß sich auch die Amsterdam betreffende Graphik (S.293) lediglich auf 1585, einem für die hier interessierende Fragestellung viel zu frühen Zeitpunkt bezieht. Siehe auch: Ders., Stratégie des affaires, S.3. Die Beziehungen zu Hamburg und Venedig werden als beinahe illegal charakterisiert. Direkte Verbindungen nach Amsterdam werden für die Piacenzamessen erst seit 1621 (bzw. 1624, d.h. nach der Auflösung dieser Veranstaltung in ihrer bisherigen Form) aufgeführt. Ders., Banque et crédit, S. 114, S.296, S.320. 22 Venedig war wichtiger als Mailand, Nürnberg vielseitiger als Augsburg. (Einschätzung von: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.293.) Siehe auch: V. Vàzquez de Prada, Uomini d'affari S.253, S.259, S.269; E. Westermann, "Zur künftigen Erforschung der Frankfurter Messen des 16. und frühen 17. Jahrhundert. Ein Wegweiser zu ungenützten Quellen", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.II, S.245-270; F. Lerner, "Die Reichsstadt Frankfurt und ihre Messen im Verhältnis zu Ost- und Südeuropa im Zeitraum 1480 bis 1630", in: I. Bog (Hrsg.), Der Aussenhandel Ostmitteleuropas 1450-1650, Köln/Wien 1971, S.147-184. 23 Zur Schwierigkeit, das Handelsgeflecht zwischen Hamburg, Antwerpen und Amsterdam zu rekonstruieren, siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.300 ff. Vgl. auch: J.-G. Da Silva, "Trafics du Nord, marchés du 'Mezzogiorno', finances génoises: recherches et documents sur la conjoncture à la fin du XVI e siècle", in: RdN 41(1959), S. 129-153; H. van der Wee, "Money and Economic Interdependence Between the Northern and Southern Netherlands and the Baltic (15th-17th Centuries)", in: The Interactions of Amsterdam and Antwerpen in the Baltic Region 1400-1800, Leiden 1983; C. Dalhede, "Neue Augsburger Quellen zur Kenntnis europäischer Handelshäuser", in: VSWG 76(1989), S.514-526. Siehe auch die Einzelstudien von: R. Baetens, "Een Antwerp Handelshuis uit de XVIIe eeuwn: de firma Van Colen", in: TvG 73(1960), S. 198-214; W. Brulez, De firma della Faille en de internationale handel van Vlaamse firma's in de XVIe eeuw, Brüssel 1959; ders., "De diaspora de vlaamse kooplui op het ende de XVIe eeuw", in: Bijdragen voor de Geschiednis der Neederlanden 15(1960), S.279-306; ders., "La navigation flamande vers la Méditerranée à la fin du XVI e siècle", in: Revue belge du philologie et d'histoire 36 (1958), S.1210-1242.
1. Genua
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tung z u . 2 4 In Bezug auf die exakte Identifizierung der personellen Schaltstellen zwischen beiden Kreisläufen sowie die analytische Durchdringung der sich überlagernden Handelsstränge steht die internationale Forschung erst am Anfang. Die Übergangsperiode vom mediterranen zum nordwesteuropäischen Zahlungssystem und die damit in Zusammenhang stehenden Strukturen und Probleme, die sich aus der Verknüpfung beider Sphären unter neuen Prämissen - d.h. unter zunehmend veränderten wirtschaftlichen Kräfteverhältnissen ergaben, sind noch eingehend zu untersuchen.25 Die Konsolidierungsphase des politischen Machtgefüges in Europa, die mit dem Unabhängigkeitskrieg der Niederlande gegen Spanien einsetzte und im Dreißigjährigen Krieg ihren ersten vorläufigen Höhepunkt fand, 26 zog für das Wirtschaftsleben Europas nicht nur handelspolitische Schwierigkeiten nach 24
C. Verlinden, "En Flandre sous Philippe Π: durée de la crise économique", in: AESC 7(1952), S.21-30; W. Brûlez, "Anvers de 1585 à 1650", in: VSWG 54(1967), S.75-99; F.J. Smolar, "Resilience of Enterprise: Economic Crisis and Recovery in the Spanish Netherlands in the Early Seventeenth Century", in: From the Renaissance to the Counter Reformation. Essays in Honour of G. Mattingly, London 1966, S.247268; R. Baetens, De nazomer van Antwerpens welvaart. De diaspora en het handelshuis De Groote tijdens de erste helft der ΧνΠ-de eeuw, 2 Bde., Brüssel 1976. 25 J. Sperling, "The International Payment Mechanism in the Seventeenth and Eighteenth Centuries", in: EHR 14(1961/62), S.455-468; B.E. Supple, "Currency and Commerce in the Early Seventeenth Century", in: EHR 10(1957), S.239-255; J. Schneider/O. Schwarzer, "International Rates of Exchange: Structures and Trends of Payments Mechanism in Europe, 17th to 19th Century", in: W. Fischer/R.M. McInnis/J. Schneider (Hrsg.), The Emergence of World Economy 1500-1914, Bd.I, Stuttgart 1986, S. 143-170; J. Schneider, "The Significance of Large Faires, Money Markets and Precious Metals in the Evolution of a World Market from the Middle Ages to the First Half of the Nineteenth Century", in: Ebenda, S. 15-36; M.A. Denzel, "La pratica de la cambiatura". Europäischer Zahlungsverkehr vom 14.-17. Jahrhundert, Stuttgart 1994. 26 T.K. Rabb, The Struggel for Stability in Early Modern Europe, Oxford 1976; S.J. Steinberg, Der Dreißigjährige Krieg und der Kampf um die Vorherrschaft in Europa 1600-1660, Göttingen 1967; D. Maland, Europe at War, 1600-1650, London/Basingstone 1980; N.N. Sutherland, "The Origins of the Thirty Years' War and the Structure of European Politics", in: EHR 107(1992), S.587-625; G.N. Clark (Hrsg.), War and Society in the Seventeenth Century, Cambridge 1958; R. Bean, "War and the National State", in: JEH 33(1973), S.203-221; J. Black (Hrsg.), Origins of War in Early Modern Europe, Edinburg 1987; A. Podraza, "Das Mächteverhältnis im neuzeitlichen Europa vom 16.-18. Jahrhundert. Versuch einer Typologie", in: H. Timmermann, Bildung des frühmodernen Staats, S.323-330; V. Press, "Reich und Habsburger Monarchie im europäischen Mächtesystem", in: Ebenda, S.331-352.
. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
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sich, die durch die direkten Auswirkungen der militärischen Operationen, die zeitweise Instabilität der europäischen Währungen sowie die merkantilistischen Barrieren verursacht wurden.27 Gleichzeitig konnten die im Kriegsfalle steigenden Verteidigungsausgaben für die europäischen Handelshäuser einen Anreiz darstellen. Nicht nur der Geldmarkt eröffnete in diesem Zusammenhang Profitmöglichkeiten, auch die stark ansteigende Nachfrage nach Kriegsmaterialien aller Art sowie die allgemeinen Erfordernisse des militärischen Nachschubwesens wurden lohnende Betätigungsfelder. 28 Zumindest zeigte sich in einer Epoche der großen politisch-militärischen Instabilität, wie sie der Dreißigjährige Krieg zweifellos darstellte, die Notwendigkeit besonders deutlich, sich den außergewöhnlichen Umständen des Krieges, die in dieser Zeit zum Dauerzustand wurden und somit unweigerlich auch zu gewissen Umstrukturierungen des Wirtschaftslebens führten, anzupassen, um die (Überlebens-)basis der eigenen Handelstätigkeit zu sichern. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, daß die Genueser "Asientistas" nicht nur für die reibungslose Bereitstellung der in Flandern erforderlichen Geldmittel sorgten, sondern ebenfalls als Rüstungsunternehmer aktiv wurden. Eines der traditionellen Betätigungsfelder der Genueser Aristokratie war die Reederei von Kriegsschiffen und die Betätigung als Militärunternehmer in spanischen Diensten.29 In zunehmendem Maße schalteten sich die in Nordwesteuropa ansässigen Genueser Handelshäuser offenbar aber auch in die in-
27
J.I. Israel, Dutch Primacy, S. 121 ff; M. Hroch, "Die Handelskrise um 1630 und ihre europäischen Zusammenhänge", in: Hansische Studien, Bd.III, Weimar 1975, S.86-104; A. Attman, "Stranglehold on the Vistualia. The International Corn Crisis around 1630" in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.II, S.545-562; P.W. Roth, "Die Kipper- und Wipperzeit in den Habsburgischen Ländern, 1620 bis 1623", in: E. Schremmer (Hrsg.), Geld und Währung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart 1993 (VSWG-Beiheft 106), S.45-68. 28 G. Parker, Die militärische Revolution. Die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens 1500-1800, Frankfurt/New York 1990, S. 86 ff; ders., "War and Economic Change. The Economic Costs of the Dutch Revolt", in: Ders., Spain and the Netherlands 1559-1659. Ten Studies, London 1979, S. 178-204; R. Puddu, "Guerra e Stato tra. Cinque e Seicento", in: RSI 90(1978), S.311-326; I. Bog, "Krieg und Wirtschaft im 16. Jahrhundert", in: O. Pickl (Hrsg.), Krieg, Militärausgaben und Wirtschaft, Graz 1980, S.37-46; F.C. Lane, Role of Governments, S.8 ff. 29 Siehe an dieser Stelle nur: G. Doria, "Conoscenza del mercato e sistema informativo: il know-how dei mercanti-finanzieri genovesi nei secoli XVI e XVII", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Repubblica internazionale, S.57-122, S.65 ff und I.A.A. Thompson, War and Government in Hapsburg Spain, 1550-1620, London 1976, S.174, S.290-294, S.300 f.
2. Amsterdam
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ternationalen Vermittlungsstrukturen für Kriegsmaterialien ein. 30 Brüssel und Antwerpen waren die Schaltzentralen des logistischen Systems in den spanischen Niederlanden. Von hier aus reichten die Nachschublinien u.a. über die Maas zur Metallindustrie in Lüttich und Namur und vor allem nach Hamburg, von wo aus Schiffbaumaterialien, Salpeter, Schießpulver und Getreide Danziger Provenienz, aber auch Kriegsmaterialien holländischer Herkunft, in die südlichen Niederlanden geleitet, bzw. über die Vermittlung der Antwerpener Kaufmannschaft nach Spanien weiterverschifft wurden. Bei diesen Transaktionen übernahmen Genueser Kaufleute bis Mitte des 17. Jahrhunderts eine zentrale Rolle. Die Vermittlungsfunktion der italienischen Handels- und Bankhäuser im internationalen Militärgüterhandel über Antwerpen zeigt, inwieweit diese traditionelle Handelselite von neuen, expandierenden Sektoren profitieren konnte. Allerdings waren die Genueser Aktivitäten im Rüstungshandel stets nach Spanien orientiert. In zunehmendem Maße bedienten sich die aufsteigenden nordwesteuropäischen Wirtschaftskräfte der Dienste der (ehemaligen) südeuropäischen Handelselite. An den umfangreichen Rüstungsexporten in Richtung Italien waren italienische Unternehmerkräfte schon seit Anfang des 17. Jahrhunderts offenbar nicht mehr beteiligt.31
2. Amsterdam Im 17. Jahrhundert stiegen die nördlichen Niederlande zur wirtschaftlichen Führungsmacht Europas auf. Im Welthandelszentrum Amsterdam liefen sowohl die innereuropäischen als auch ein großer Teil der außereuropäischen Handelsströme zusammen. Als städtisches Entrepot von ausgedehnten Lagerkapazitäten wurde die Stadt spätestens seit 1609 nicht nur zum zentralen Warenkaufhaus Europas sondern auch zum internationalen Börsenplatz, Geldmarkt und Finanzzentrum: Das "goldene Zeitalter" der Niederlande war ange30
Dieser Aspekt wird erst in neuester Zeit von der historischen Forschung zunehmend betont. Siehe: G. Doria, Conoscenza del mercato, S.5-122 und V. Vâzquez de Prada, Uomini d'affari, S.245 ff. Zu den noch weniger bekannten Geschäften mit Kriegsgütern über die Lombardei und Sizilien in Richtung Spanien, bei denen Mailänder und Genueser Handelshäuser, wie z.B. die Pallavicino, Durino, Airoldi und die Odescalchi als Procuratoren Francisco de Melos, beteiligt waren, siehe: C. Trasselli, "I genovesi e la guerra dei Trent'anni. Finanza genovese e pagamenti esteri (16291643), in: RSI 84(1972), S.978-987, S.984, S.987 und M. Aymard, "I genovesi e la guerra dei Trent'anni. Bilancio di una lunga crisi finanziaria", in: Ebenda, S.9881017, S.989 ff. 31 G. Devos/W. Brûlez, Marchandsflamands, S.IX.
42
. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
brochen.32 Der kometenhafte Aufstieg Amsterdams vollzog sich in Auseinandersetzung mit Spanien, das unter Aufbringung aller seiner Kräfte vergeblich versuchte, die niederländischen Unabhängigkeitsbestrebungen im 80jährigen Krieg (1568-1648) zurückzudrängen und somit sowohl die politische Vitalität als auch die enorme ökonomische Kraft der Generalstaaten zu unterminieren. Der spanisch-niederländische Konflikt war auch ein - mehr oder wenig erfolgreich geführter - Wirtschaftskrieg, der auf internationaler Ebene ausgefochten wurde.33 Politisch-militärische Faktoren beeinflußten die Entwicklung der holländischen Handelsstrukturen derartig, daß die Periodisierung des "goldenen holländischen Zeitalters" von der historischen Forschung in engen Zusammenhang zu den politischen Zäsuren des niederländischen Unabhängigkeitskrieges gesetzt wird. 34 Die Basis der holländischen Handelsmacht stellte in erster Linie die Schaffung der Direktverbindung zwischen der baltischen Wirtschaftszone und dem Mittelmeerraum dar. 35 Vor allem der immense Bedarf der relativ rohstoffarmen Iberischen Halbinsel an Holz, Metallprodukten, Kupfer sowie an Schiffbaumaterialien aller Art, die Nachfrage nach Getreide und die Fracht32
E. Baasch, Holländische Wirtschaftsgeschichte, Jena 1927; V. Barbour, Capitalism in Amsterdam; J.G. van Dillen, Van Rijkdom en Regenten. Handboek tot de economische en sociale geschiedenis van Nederland tijdens de Republiek, Den Haag 1970; J.A. van Houtte, An Economic History of the Low Countries 800-1800, London 1977; M. Aymard (Hrsg.), Dutch Capitalism and World Capitalism, Cambridge/Paris 1982; G.V. Scammell, World Encompassed, S.373-435; F. Braudel, "Die Vorherrschaft der Städte: Amsterdam", in: Ders, Aufbruch zur Weltwirtschaft, S. 187-304. 33 Siehe: J.H. Kernkamp, Handel und J.I. Israel, Dutch straatvaart, S.5 ff; J.I. Israel, Dutch Republic, S.211 f, S.285; V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.39; P.J.H. Ubachs, "Neutraliteit, theorie en praktijk tjidens de Tachtigjahrige Oorlog", in: TvG 96(1983), S.165-178. 34 J.I. Israel, Dutch Republic und ders., Dutch Primacy. Zur Diskussion um die erst nach Ende der spanisch-holländischen Auseinandersetzungen voll zur Geltung kommende Expansionsphase der holländischen Weltwirtschaft siehe: J.C. Riley, "The Dutch Economy after 1650: Decline or Growth?", in: JEEH 13(1984), S.521-569 und J.A. Faber, "The Economic Decline of the Dutch Republic in the Second Half of the Eighteenth Century and the International Terms of Trade", in: W.G. Heeres, From Dunkirk to Danzig, S. 107-116. 35 H. Kellenbenz, "Spanien, die nördlichen Niederlande und der skandinavischbaltische Raum in der Weltwirtschaft und Politik um 1600", in: VSWG 41 (1954), S.289-332; M. Bogucka, "Amsterdam and the Baltic in the First Half of the Seventeenth Century", in: EHR 26(1973), S.433-447.
2. Amsterdam
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dienste der auf billige Massengütertransporte spezialisierten Niederlande36 zwischen Spanien und Italien öffneten den "Rebellen" in Friedenszeiten den Zugang zum spanischen Silber, das für den Levante- und Ostseehandel dringend benötigt wurde. Außerdem bekamen die Holländer Zugang zur außereuropäischen Warenpalette Sevillas und den Mittelmeerprodukten, die auf den nordeuropäischen Märkten gefragt waren. Das qualitativ hochstehende iberische Salz war unverzichtbarer Konservierungsstoff für die niederländische Heringsschiffahrt und Hauptexportgut der Holländer im Baltikum.37 Bereits in den Jahren 1585-90 und 1598-1609 erließ die spanische Krone Embargomaßnahmen, die sich gegen die holländische Präsenz in den iberischen Häfen richteten. Nach Ablauf des 12-jährigen Waffenstillstands (1621) stand die Zerstörung der niederländischen Wirtschaftsmacht stärker als je zuvor im Zentrum der weitgespannten politischen Konzeption Philipps IV. und seines maßgeblichen Ratgebers Olivares. Das Handelsembargo gegen niederländische Warentransporte nach Spanien mit Hilfe des ursprünglich doppelseitig angelegten "Almirantazgo"-Projektes war die Folge. Auf der einen Seite wurde die Substituierung der Holländer vornehmlich durch die Favorisierung der Hanseaten mit der Schaffung eines gemeinsamen Schiffahrtsunternehmens unter Monopolanspruch anvisiert. Gleichzeitig verfolgten Spanien und der deutsche Kaiser ehrgeizige, letztlich aber scheiternde Flottenpläne im Baltikum, die darauf ausgerichtet waren, die holländische Vormachtstellung in den nördlichen Meeren zu vernichten und den Sund zu kontrollieren.38 Gekoppelt waren diese Maßnahmen an den für die Holländer überaus verlustreichen Kaperkrieg der spanischen Flandernflotte, die seit 1624 eng mit den südnieder36
C. Wilson, "Transport as a Factor in the History of Economic Development", in: A. Vannini Marx (Hrsg.), Trasporti e sviluppo economico, Florenz 1986, S.313322; F.C. Lane, "Technology and Productivity in Seaborne Transportation", in: Ebenda, S.233-244; V. Barbour, "Dutch and English Merchant Shipping in the Seventeenth Century", in: EHR 2(1930), S.261-290; J.R. Bruijn, "Productivity, Profitability and Costs of Private and Corporative Dutch Shipping Owning in the Seventeenth and Eighteenth Century", in: J.D. Tracy, Merchant Empires, S.174-194; R.W. Unger, The Ship in the Medieval Economy, 600-1600, London 1980, S.251-281. 37 Ders., "Dutch Herring, Technology and International Trade in the Seventeenth Century", in: JEH 90(1980), S.253-279. 38 J.I. Israel, Politics of International Trade Rivalry, S.517 ff; A. Dominguez-Ortiz, Guerra econòmica, S.71 ff; R. Ròdenas Vilar, Proyecto anti-holandés, S.542 ff; M.Ε.H.Ν. Mout, Holendische propositiones, S.345 ff; J. Paul, Nordische Politik, S.433 ff. Siehe auch: R. Häpke, Niederländische Akten und Urkunden zur Geschichte der Hanse und der deutschen Seegeschichte (1558-1669), 2 Bde., Lübeck 1913-1923, Nr. 1061 (Statuten der Almirantazgo) sowie H. Günter, Die Habsburger-Liga 16251635. Briefe und Akten aus dem General-Archiv zu Simancas, Berlin 1908.
II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
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ländischen Freibeutern in Dünkirchen kooperierte. 39 Handelsverbote für holländische Kaufleute wurden auch für die spanischen Besitzungen in Italien erlassen.40 Darüber hinaus versuchte Spanien durch die zeitweise Stationierung von Flottenverbänden vor Gibraltar die holländische "straatvaart" zu behindern. 41 Von 1621 bis 1647 mußten die Holländer schwere Rückschläge ihrer europäischen Handelsexpansion, insbesondere im Mitteimeeraum, hinnehmen. 42 Von diesen Schwierigkeiten konnte in den 20er Jahren Hamburg in einigen Teilbereichen profitieren, denn über die handelspolitischen Restriktionen hinaus führte die kriegsbedingte Kostensteigerung dazu, daß auch generell teurere Anbieter mit den ansonsten konkurrenzlos billigen holländischen Transportdiensten auf den internationalen Frachtmärkten in Wettbewerb treten konnten. In den 30er Jahren übernahmen hauptsächlich Engländer die Transportfunktion der Holländer in der Mittelmeerfahrt. 43 Letztlich konnte der Aufstieg der Niederlande und der teilweise damit zusammenhängende Abstieg
39
H. Malo, Les Corsaires dunkerquoises et Jean Bart, 2 Bde., Paris 1913. In jüngster Zeit erforscht durch: R. Baetens, "Organization and Effects of Flemish Privateering in the Seventeenth Century", in: AHN 9(1976), S.48-75 und R.A. Stradling, "The Spanish Dunkirkers, 1621-48: A Record of Plunder and Destruction", in: TvG 93(1980), S.541-558. Siehe auch: R. Baetens, "An Essay on Dunkirk Merchants and Capital Growth During the Spanish Period", in: W.G. Heeres, From Dunkirk to Danzig, S. 117-144. 40 Zu den spanischen Embargomaßnahmen in der italienischen Einflußzone siehe: J.I. Israel, Dutch Republic, S.141 ff und ders., Dutch Primacy, S.125, S.150 f. 41 Zur allerdings mangelnden Schlagkraft der Gibraltarflotte, die anscheinend nur 1621-1623 voll einsatzfähig war, siehe: J. I. Israel, Dutch Republic, S . l l l f. In den 20er Jahren verdoppelten sich die spanischen Ausgaben für die gesamten Atlantikstreitkräfte wieder. Diese Mittel lagen jedoch deutlich unter den Ausgaben für die Flotte von 1587-1597. Siehe: I.A.A. Thompson, War and Government, Appendix, Tab.E (S.295). 42 Diesen Rückschlägen, die vornehmlich das gesamte Mittelmeergeschäft (Iberien-, Italien- und Levantehandel) betrafen, standen in dieser Zeit allerdings enorme Fortschritte in der holländischen Überseexpansion gegenüber. Siehe: J.I. Israel, Dutch Primacy, S. 171 ff. 43 Nach Beendigung des anglo-spanischen Krieges (1625-1630) konnten die Engländer die traditionelle "spanish road" der Genuesen durch die "english road" (16351642) weitgehend substituieren. Siehe: H. Taylor, "Trade, Neutrality, and the 'English Road', 1630-1648", in: EHR 25(1972), S.236-260 und J.S. Kepler, "Fiscal Aspects of the English Carrying Trade during the Thirty Years' War", in: EHR 25 (1972), S.261-284. Vgl. auch: Ν. Steensgaard, "Freight Costs in the English East India Trade, 1601-1657", in: SEHR 8(1965), S.143-162.
2. Amsterdam
45
Spaniens durch handelspolitische oder kriegsbedingte Maßnahmen aber nicht mehr aufgehalten werden. Die starke Orientierung der niederländischen Kaufmannschaft an den spezifischen Belangen der frühmodernen Staaten ist eines der Charakteristika des vorindustriellen Kapitalismus Amsterdamer Prägung. In ähnlicher Weise wie die Vormacht Genuas beruhte die Zentralstellung Amsterdams zu einem Teil auf Mechanismen und Nachfragestrukturen, die mit der politischen Formierungsphase Europas eng verbunden waren.44 Allerdings gründete das "Jahrhundert der Genuesen" in viel stärkerem Maße auf der Symbiose mit den international dominierenden politischen Strukturen, weil diese Verbindung ihr Fundament in den großen Krediten an die spanische Krone und speziell in den Erfordernissen der Kriegführung in Flandern hatte. Die holländische Zentralstellung in der europäischen Weltwirtschaft entwickelte sich hingegen vorrangig als "Anti-System". Allein über ein langsames Eindringen in die internationalen Märkte und Zahlungskreisläufe, maßgeblich unterstützt durch die südniederländische Emigration und aggressive Strategien in Übersee, konnte die nordniederländische Handelsmacht expandieren. Gerade die ständigen militärischen Auseinandersetzungen mit Spanien sowie der Zugang zu den wichtigsten Rohstoffquellen förderten in Holland die Entwicklung militärrelevanter Handels- und Produktionsstrukturen nicht nur für den Eigenbedarf. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß das Welthandelszentrum Amsterdam, dessen Aufstieg und Blüte in eine Zeit ständiger militärischer Auseinandersetzung und politischer Polarisierung in Europa fiel, ebenfalls über eine Warenpalette der wichtigsten Rüstungsgüter verfügte und dies um so mehr, da die Vereinigten Provinzen den Kern darstellten, um den sich die antihabsburgische Mächtekonstellation formierte.
44
V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.ll, S.29 ff. Sie verweist in erster Linie auf die neuen Profitmöglichkeiten, die sich dem europäischen Kapitalismus im Laufe des 17. Jahrhunderts im Rahmen der politischen Konsolidierung mit der Finanzierung der Höfe, des Verwaltungsapparates und der Kriegsmaschinerie auftaten. Dieser Aspekt gehört ihrer Auffassung nach zu einer der wichtigsten Entwicklungstendenzen der Frühen Neuzeit. Gleichzeitig fand der Kapitalismus Amsterdamer Prägung den bestmöglichen Rückhalt in denföderativen Strukturen des nordniederländischen Gemeinwesens. Siehe hierzu: J.I. Israel, Dutch Primacy, S. 16 f. Vgl. auch: J. de Vries, "The Strengths and Limitations of Dutch Capitalism", in: A. Guarducci, Sviluppo e sottosviluppo, S. 153-174. Zum vielschichtigen Verhältnis zwischen europäischer Kaufmannschaft und frühmodernem Staat vgl. auch: J. D. Tracy (Hrsg.), The Political Economy of Merchant Empires, Cambridge 1991.
II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
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Der internationale Rüstungshandel hatte demzufolge großen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung der nördlichen Niederlande. Im Dreißigjährigen Krieg fungierte Amsterdam in erster Linie für das antihabsburgische Europa als zentraler Anbieter für Munition und Kriegsgerät, ohne den internationalen Markt auf Grund der immensen Nachfrage nach Rüstungsgütern vollständig monopolisieren zu können.45 Bis Mitte des 17. Jahrhunderts, als die massive Zufuhr von überseeischem Salpeter den europäischen Markt für diesen - in der modernen Kriegführung unverzichtbaren - Explosivgrundstoff grundlegend umstrukturierte, standen Amsterdam und Hamburg als die führenden europäischen Verteilerzentren für Militärgüter nahezu gleichwertig nebeneinander.46
3. Hamburg Der Aufstieg Hamburgs zum "florentissimum emporium totius germaniae"47 war seit 1585 zu einem großen Teil mit den handelspolitischen Schwierigkeiten Amsterdams in Südeuropa verknüpft. Vor allem das Iberiengeschäft war die Basis für den wirtschaftlichen Aufstieg Hamburgs im 17. Jahrhundert. Die Hamburger Mittelmeerfahrt war dabei nicht nur mit dem 45
V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.39 f. Zur (den Zeitgenossen immens erscheinenden) Ausfuhr von Kriegsgütern durch die Vereinigten Niederlande im 17. Jahrhundert siehe die Erwähnung der (neidvollen) Beobachtungen J.J. Bechers, zitiert in: I. Bog, Der Reichsmerkantilismus. Studien zur Wirtschaftspolitik des Heiligen Römischen Reiches im 17. und 18. Jahrhundert, Stuttgart 1959, S.8. Die in engem Zusammenhang zum Waffenhandel stehende diplomatische Tätigkeit der Niederlande im Dreißigjährigen Krieg wird demgegenüber in der Forschung oft vernachlässigt. Siehe: F. Braudel, Aufbruch zur Weltwirtschaft, S.218. 46 P.W. Klein, De Trippen, S.206 f; V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.36 ff; E. Baasch, Kriegsmaterialien, S.543. 47 Zur wirtschaftlichen Entwicklung Hamburgs siehe die Überblicke von: H.D. Loose/W. Jochmann (Hrsg.), Hamburg, Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, 2 Bde. Hamburg 1982; H. Kiessmann, Geschichte der Stadt Hamburg, Hamburg 1981; E. Wiskemann, Hamburg und die Welthandelspolitik von den Anfängen bis 1814, Hamburg 1928; H. Reincke, Hamburgs Geschichte/Hamburg 1933; P.E. Schramm, Hamburg, Deutschland und die Welt, München 1943; K.P. Zoellner, "Seehandel und Handelspolitik der Hanse in der Zeit ihres Niedergangs (1550-1600)", in: Jhb.WG ΙΠ/1970, S.221-238 sowie den vergleichenden Überblick von: H. Mauersberger, Sozialgeschichte zentraleuropäischer Städte in neuerer Zeit. Dargestellt am Beispiel Basel, Frankfurt, Hamburg, Hannover, München, Göttingen 1960.
3. Hamburg
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Getreidegeschäft gleichzusetzen, sondern umfaßte auch Kupfer- und Rüstungswaren.48 Hamburg wurde einer der Hauptlieferanten des spanischen Kriegsapparates, der zweifellos als wichtigster Abnehmer für Hamburger Militärgüter fungierte. 49 Trotz und gerade wegen der Kriegsgeschehnisse hielt der Aufstieg der Stadt im Dreißigjährigen Krieg weiter an, denn Hamburg spezialisierte sich in hohem Maße auf den Handel mit Gütern des militärischen Bedarfes, so daß dieser spezifische Handelssektor zu einem wichtigen Pfeiler der günstigen Hamburger Konjunktur wurde. 50 Auch in das von Wallenstein und Hans de Witte geschaffene logistische Gefüge der kaiserlichen Partei war der Hamburger Rüstungsmarkt eingebunden.51 Außerdem entwickelte sich die neutrale Hansestadt zum nordeuropäischen Informationszentrum aller kriegführenden Parteien, zur Drehscheibe für die mit dem Krieg verbundenen Geldtransaktionen und Geschäfte, besonders solcher zur Versorgung und Ausrüstung des Militärs. 52 Nicht zuletzt diesen Aktivitäten hatte die 48
1590-1625 ausführlich untersucht durch: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts vorrangig unter sozialhistorischen Prämissen behandelt von: M. Reißmann, Die Hamburgische Kaufmannschaft des 17. Jahrhunderts in sozialgeschichtlicher Sicht, Hamburg 1975. Im Nachfolgezeitraum untersucht durch: H. Pohl, Die Beziehungen Hamburgs zu Spanien und dem spanischen Amerika in der Zeit bis 1806, Wiesbaden 1963 (VSWG-Beiheft 45). Siehe hierin insbesondere den kurzen Überblick: "Lage und Entwicklung der hamburgisch-spanischen Beziehungen vor 1740", S. 1-12. Zur kritischen Quellenlage vgl.: H. Kellenbenz, Gens de mer nordiques, S.811 ff und ders., "Hamburger Kaufmannsbriefe vom Ende des 16. Jahrhunderts", in: ZVHG 60(1974), S.71-90. Das Bild des Hamburger Iberienhandels ist in groben Umrissen bekannt. Es fehlt aber an Details. 49 So die Einschätzung von H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.68, S.333, zu den Warengruppen Hamburger Provenienz (Lebensmittel und Kriegsmaterialien), denen die Spanier größten Wert beimaßen. Vgl. auch: P.W. Klein, De Trippen, S.207. 50 E. Baasch, Kriegsmaterialien, S.542 f und ders., "Hamburgs Seeschiffahrt und Waarenhandel vom Ende des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts", in: ZVHG 9(1894), S.295-420, S.314, S.404 ff. Allerdings sind die von Baasch ausgewerteten Quellen der Schifferbücher für die Ausfuhr dieser Warengruppe nicht aussagekräftig, so daß er lediglich die Einfuhr von Kriegsmaterial in die Hansestadt (teilweise) dokumentieren konnte. 51 A. Ernstberger, Hans de Witte, S.214, S.216, S.219. 52 Im Zusammenhang mit den Subsidienzahlungen des Dreißigjährigen Krieges behandelt von: H. Kellenbenz, "Hamburg und die französisch-schwedische Zusammenarbeit im Dreißigjährigen Krieg", in: ZVHG 49/50(1964), S.83-107 sowie neuerdings von: S.M. Schröder, "Hamburg und Schweden im Dreißigjährigen Krieg - vom potentiellen Bündnisspartner zum Zentrum der Kriegsfinanzierung", in: VSWG 79 (1989), S.305-332.
II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
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von den Kriegsverwüstungen substantiell verschont gebliebene Stadt ihre günstige wirtschaftliche und finanzielle Ausgangslage der Nachkriegszeit zu verdanken.53 Die niederländisch-hamburgischen Beziehungen waren ständig durch eine gewisse Zwiespältigkeit gekennzeichnet. Bekanntlich wurde der wirtschaftliche Aufstieg der Hansestadt maßgeblich von den niederländischen Emigrantenfamilien getragen, die ihr Geschäftsnetz praktisch nach Hamburg transferiert hatten und natürlich in engem Kontakt zu ihrer süd- und nordniederländischen Verwandtschaft standen.54 Hamburg fungierte aber nicht nur als Amsterdams Außenposten, von dem aus viele niederländische Großkaufleute als "neutrale Hamburger getarnt" in Spanien kommerziell operieren konnten. Es war gleichzeitig Amsterdams Rivale in Bezug auf den Nordeuropa- und Mittelmeerhandel. Die Hamburger Militärgüterexporte nach Spanien waren ein heikler Punkt in den freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Polen, wie insbesondere die Vorgänge um die Blockade des Hamburger Außenhandels in den 20er und 30er Jahren zeigen sollten.55 Obwohl beide Handelsplätze gewissermaßen voneinander abhängig waren, betrieben die Holländer eine Politik, die stets darauf bedacht war, Hamburgs Eigenanteil an den Handelstransaktionen nicht zu groß werden zu lassen.56 Der Raum für eine eigenständige, die Niederlande kontrastierende und auf Expansion ausgerichtete Außenhandelspoltik Hamburgs war jedenfalls zumindest in der ersten Hälfte 53
Zur brillanten (da wenig verschuldeten und wirtschaftlich gesunden) Startposition Hamburgs unmittelbar nach dem Krieg siehe: G. Buchstab, Reichstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongreß. Zusammenhänge von Sozialstruktur, Rechtsstatus und Wirtschaftskraft, Münster 1976, S.53 f, S.194 f. 54 Siehe: R. van Roosbroeck, "Die Bedeutung der Emigranten aus den Niederlanden für die Neugestaltung der deutschen Wirtschaft im 16. und 17. Jahrhundert", in: H. Heibig (Hrsg.), Führungskräfte der Wirtschaft in Mittelalter und Neuzeit, Bd.I (1350-1850), Limburg 1973, S. 121-148 und H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S. 179-240. 55 H.D. Loose, Hamburg und Christian IV. während des Dreißigjährigen Krieges, Hamburg 1963, S.24 ff, S.60 ff. 56 Mit den politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen des zwiespältigen niederländisch-hamburgischen Verhältnisses befassen sich: E. Baasch, "Hamburg und Holland im 17. und 18. Jahrhundert", in: HGbl. 16 (1910), S.45-102; B. Kuske, "Die wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen zwischen Deutschland und den Niederlanden bis zum 18. Jahrhundert", in: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 1 (1937), S.669-714; L. Beutin, "Nordwestdeutschland und die Niederlande seit dem Dreißigjährigen Krieg", in: H. Kellenbenz (Hrsg.), Ludwig Beutin. Gesammelte Schriften, Köln/Graz 1963, S.21-253; D. Kausche, "Hamburg und die Niederlande 1660-1730", in: ZVHG 67(1981), S.75 ff.
3. Hamburg
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des 17. Jahrhunderts sehr eng bemessen und immer von den äußeren Rahmenbedingungen des gesamteuropäischen politischen Schauplatzes determiniert. Hamburg war eindeutig der schwächere der beiden Partner. Im Gravitationszentrum der die europäische Weltwirtschaft dominierenden Niederlande gelegen, fand die Hansestadt Hamburg - auch dank der Anfang des 17. Jahrhunderts schon erstaunlich gut entwickelten Handelsbeziehungen zum deutschen Binnenland57 - Anschluß an den führenden ökonomischen Entwicklungstrend. Im Gegensatz zu England58 durchlief Hamburg aber keine Periode eigenständigen und zukunftsweisenden Wirtschaftsaufschwunges. Die Entwicklungs57
Zur Absteckung der generell günstigen Rahmenbedingungen des wirtschaftsgeographischen Standortes Hamburgs, auf denen die Entwicklung der Stadt zum zentralen Außenhandelsplatz des Deutschen Reiches aufbaute, siehe: K. Newman, "Hamburg and the European Economy 1660-1750", in: JEEH 14(1985), S.57-93 und K.H. Kaufhold, "Hauptrichtungen und wichtige Wege des binnenländischen Fernverkehrs in Niedersachsen in der frühen Neuzeit", in: J. Bestmann/F. Irsigler/J. Schneider (Hrsg.), Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen. Festschrift W. Stromer, Bd.II, Trier 1987, S.719-740. Die um 1600 bereits beachtliche Durchdringungstiefe des Hamburger Handelsaustausches in Bezug auf das deutsche Binnenland ist in den Einzelaspekten noch näher zu untersuchen. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.308 ff. 58 Zu England siehe: G.D. Ramsay, English Overseas Trade During the Centuries of Emergence, London 1957; F.J. Fisher, "London's Export Trade in the Early Seventeenth Century", in: W.E. Minchinton (Hrsg.), The Growth of English Overseas Trade in the 17th and 18th Centuries, London 1969, S.64-77; R. Davis, "England and the Mediterranean 1570-1670", in: F.J. Fisher (Hrsg.), Essays in the Economic and Social History of Tudor and Stuart England in Honour of R.H. Tawney, London/New York 1970, S. 117-137; ders., The Rise of the English Shipping Industry in the Sevententeenth and Eighteenth Centuries, London 1972; ders., English Overseas Trade, 1500-100, London 1973. Zum Verhältnis zwischen Hamburg und England in Hinblick auf die feste Etablierung des englischen Stapels in der Hansestadt seit 1611 siehe: R. Ehrenberg, Hamburg und England im Zeitalter der Königin Elisabeth, Jena 1896; H. Fernow, Hamburg und England im ersten Jahre der englischen Republik, Hamburg 1897; H. Hitzigrath, Die politischen Beziehungen zwischen Hamburg und England zur Zeit Jacob I., Karl I. und der Republik von 1611-1660, Hamburg 1907; L. Beutin, Hanse und Reich im handelspolitischen Endkampf gegen England, Berlin 1929; G.D. Ramsay, The City of London in International Politics at the Accession of Elizabeth Tudor, London 1975; ders., The Queens Merchants and the Revolt of the Netherlands, London 1986, insbesondere Kap.VI: "Hamburg, the new rival", S. 116-152; T.H. Lloyd, England and the German Hanse 1157-1611: A Study of Their Trade and Commercial Diplomacy, Cambridge 1991. 4 Zunckel
II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
50
möglichkeiten des Hamburger Stadtstaates wurden durch die unzureichende politisch-ökonomische Machtbasis auf Grund des mangelnden Reichszusammenhanges erheblich eingeschränkt.59 Angesichts der mit Holland nahezu identischen Rohstoff- und Absatzmärkte in Europa war der Aktionsrahmen für die internationalen Handelsaktivitäten Hamburgs in besonderem Maße von der geschickten Ausnutzung der jeweiligen politischen Situation, vor allem im Rahmen des niederländisch-spanischen SpannungsVerhältnisses, abhängig. Scheinbar nur unter Sonderbedingungen und bei gleichzeitig stark ansteigenden holländischen Frachtraten konnte der übermächtigen niederländischen Konkurrenz auf den europäischen Märkten begegnet werden. Die Holländer hatten ihre beste Zeit in den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts (also unmittelbar vor Ausbruch des niederländischen Unabhängigkeitskrieges) und in der Zeit des holländisch-spanischen Waffenstillstandes (1609-1621), während Hamburg in der Periode zwischen beiden Zäsuren, mit einem deutlichen Peak in den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts, die besten Chancen wirtschaftlicher Expansion besaß.60 Ähnlich vorteilhaft war für Hamburg theoretisch die Zeit nach 1621, als der Iberienhandel und die günstige Kriegskonjunktur mit der allgemeinen Angebotsknappheit für Salpeter auf ihrem vorläufigen Höhepunkt angelangt waren. Amsterdams Iberien- und Levantehandel befand sich hingegen in einer tiefen Krise. 61 Mit Erfolg verdrängten die Hamburger die Holländer seit 1621 aus dem Iberiengeschäft. Die spanischen Pläne der gemeinsamen Handelsmonopolunternehmung, der "Almirantazgo", wurden jedoch von hansischer Seite abgelehnt, weil das neutrale Hamburg sein Handelsleben nach allen Seiten hin offen halten wollte und zu keinen Zugeständnissen bereit war, vor allem was die enge Zusammenarbeit mit Holland anbelangte. Darüber hinaus zog die "Almirantazgo", wie sie von Spanien verstanden wurde, harte Kontrollen der hansischen Kaufleute sowohl auf der Iberischen Halbinsel als auch in Nord59
F. Blaich, Die Wirtschaftspolitik des Reichstages im Heiligen Römischen Reich. Ein Beitrag zur Problemgeschichte wirtschaftlichen Gestaltens, Stuttgart 1970; V. Press, Krieg und Krisen. Deutschland 1600-1715, München 1991; ders., "Die Reichsstadt in der altständischen Gesellschaft", in: ZHF Beiheft 3(1987), S.9-42. 60 H. Kellenbenz, " Der Pfeffermarkt um 1600 und die Hansestädte", in: HGbl. 74(1956), S.28-50 und ders., Spanien, S.304. In den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts bestand (theoretisch) sogar die Möglichkeit für Hamburg, zum führenden nordwesteuropäischen Welthandelszentrum aufzusteigen. Allerdings hatte Hamburg keine Aussicht auf eine erfolgreiche Expansion in Übersee. 61 J.I. Israel, Dutch Straatvaart, S.l ff; S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt 15901620, S.145 ff; W. Vogel, "Handelskonjunkturen und Wirtschaftskrisen in ihrer Auswirkung auf den Seehandel der Hansestädte 1560-1806", in: HGbl. 74 (1956), S.5064, S.5 ff; E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.316 ff, S.331 ff.
3. Hamburg
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deutschland selbst (seit 1630 über Glücksstadt) nach sich, um die als neutrale Hanseaten getarnten Niederländer mit Hilfe des Zertifikationssystems effektiver ausschließen zu können.62 Eigentümlicherweise konnte Hamburg in dieser Zeit aber nicht umfassend von den holländischen Einbrüchen und Schwierigkeiten im Italien- und Levantehandel profitieren. Schon Ludwig Beutin mußte für die 20er und 30er Jahre des 17. Jahrhunderts den fast völligen Stillstand der hansischen Mittelmeerfahrt konstatieren.63 Anscheinend konnte Amsterdam in dieser Zeit auch in Bezug auf den Rüstungshandel einige strukturelle Vorteile Hamburg gegenüber erlangen, nicht zuletzt deshalb, weil die Elbblockade der alliierten antihabsburgischen Mächte das Handelsleben der Hansestadt von 1625 bis 1628 praktisch lahmlegte. Die ungleiche Ausgangslage Amsterdams (Zentrum eines kleinen Territorialstaates mit einem weltweiten ökonomischen Einzugsgebiet) und Hamburgs (Stadtstaat ohne politisch-ökonomischen Rückhalt auf internationaler Ebene) läßt einen Vergleich recht problematisch erscheinen. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit handelstechnische Faktoren, d.h. Angebotsunterschiede auf 62
Aus hansischer Sicht behandelt bei: H.C. Messow, Die Hansestädte und die Habsburgische Ostseepolitik im Dreißigjährigen Kriege (1627-28), Berlin 1935; M. Hroch, "Wallensteins Beziehungen zu den wendischen Hansestädten", in: Hansische Studien, Bd.I, Berlin 1961, S. 131-161; H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.25-28; K.F. Olchenowitz, "Die Hansestädte und der spanisch-niederländische Konflikt", in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, gesellschaftliche und sprachwissenschaftliche Reihe 21(1972), S.255-261. Zu Glücksstadt siehe: G. Köhn, Neue Quellen, S.103 ff. 63 L. Beutin, Der deutsche Seehandel im Mittelmeergebiet bis zu den Napoleonischen Kriegen, Neumünster 1933, S.44 ff. Leider hat seine Studie zum deutschen Mittelmeerhandel in der deutschen Wirtschaftsgeschichtsschreibung bis auf die Bemühungen von H. Kellenbenz keine systematische Nachfolge gefunden. Siehe: H. Kellenbenz, Gens de mer nordiques, S.811 ff; ders., "Germania e Genova nei secoli moderni. Relazioni terrestri e marittime", in: R. Belvederi (Hrsg.), Rapporti Genova Mediterraneo - Atlantico nell'età moderna, Genua 1983, S.477-502 sowie ders., Relazioni commerciali, S.301 ff. Siehe ebenfalls: P. Jeannin, "Enterprise hanseates et commerce méditerranéen à la fin du XVI e siede", in: Histoire économique, Bd.I, S.263-276; H. Samsonowicz, "Relations commerciales entre la Baltique et la Méditerranée aux XVI e et XVII e siècles. Gdansk et l'Italie", in: Ebenda, S.537-545; M. Bogucka, "Le commerce de Gdansk avec la Peninsule Ibérique à la charnière du XVI e et du XVII e siècle", in: Studi in memoria di F. Melis, Neapel 1978, Bd.IV, S.289-308; E. Grendi, "I nordici e il traffico del porto di Genova: 1590-1666", in: RSI 83(1971), S.23-71. 4*
. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
52
Preis- und Qualitätsebene, die Situation auf dem Frachtmarkt und die Verfügbarkeit von adäquatem Schiffsraum, sowie spezifische handelsstrukturelle Verknüpfungen, insbesondere die Kooperation und "Arbeitsteilung" Hamburger und niederländischer Unternehmerkräfte, neben den globalpolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei dieser teilweise "verpaßten Chance" der 20er Jahre zum Tragen kamen. Angesichts der mangelnden systematischen Erforschung der deutschen Außenhandelsbeziehungen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts handelt es sich hierbei um ein zentrales Untersuchungsfeld. 64 64
Die Erstellung einer binnenwirtschaftlichen Gesamtkonjunktur des deutschen Wirtschaftsraumes ist angesichts der territorialen Zersplitterung des Reiches und der heterogenen Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges momentan kaum möglich. Beim gegenwärtigen Stand der Forschung ist ein analoges Defizit erst recht für die Erstellung einer Art Außenhandelsbilanz des Reiches festzustellen. Empirisch auswertbares Quellenmaterial zu den verschiedenen Sektoren deutscher Außenwirtschaftstätigkeit ist lediglich bruchstückhaft und in Einzelfällen erhalten. Nur sehr wenige Studien befassen sich mit der Problematik der durch die deutschen Gebiete fließenden europäischen Handelsströme. Eine genauere Bewertung der Stellung und Funktion der deutschen Territorien im europäischen Austauschgefiige, bzw. die strukturelle Eingliederung des Deutschen Reiches in das weltzeitliche Schema der europäischen Weltwirtschaft (wie es Fernand Braudel entworfen hat), steht noch aus. Die starke Betonung der territorialen Zersplitterung und die daran anschließende Hinwendung der Forschung zu exakten Einzeluntersuchungen von kleinen Gebietseinheiten darf eine solche Einordnung in die gesamteuropäische Perspektive nicht verhindern. Siehe hierzu: R. Hildebrandt, "Handel und Kapitalverkehr um 1630. Außenwirtschaftliche Beziehungen Deutschlands im Dreißigjährigen Krieg", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.V, S. 135-159. Zur Problemstellung der deutschen Ausfuhr, siehe auch: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.337 f; G. S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S. 151-310, insbesondere S.261 f; G. Seibold, "Hieronimus Erhard - Ein Augsburger Kaufmann in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege Bd.n, S.325-346; ders., "Zur Situation der italienischen Kaufleute in Nürnberg während der zweiten Hälfte des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts", in: MVGN 71(1984), S.186-207; H. Kellenbenz, Melchior Manlich, S.611 ff; B. Freund, Die italienischen Kaufleute in Nürnberg an der Wende zum 17. Jahrhundert, Nürnberg 1975 (Diplomarbeit); L.F. Peters, Der Handel Nürnbergs am Anfang des Dreißigjährigen Krieges. Strukturkomponenten, Unternehmen und Unternehmer - Eine quantitative Analyse, Stuttgart 1994 (VSWG-Beiheft 112). Von italienischer Seite beachte: M.C. Lamberti, "Mercanti tedeschi a Genova nel XVII secolo. L'attività della compagnia Raynoldt negli anni 1619/20", in: ASLSP 12(1972), S.77-121, S.447-448 und E. Grendi, Nordici, S.40 ff.
3. Hamburg
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Da der expandierende internationale Rüstungshandel für die Entwicklung Amsterdams und Hamburgs in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in ähnlichem Maße von Bedeutung war, können gerade Nachforschungen auf diesem Sektor, wie sie in den folgenden Kapiteln angestellt werden, zur weiteren Erhellung dieses Problemkomplexes beitragen.
III. Militärwirtschaftliche Grundlagen: Die frühneuzeitliche Waffen- und Schießpulverproduktion und ihr Vertriebsnetz in Europa
1. Die Entstehung des internationalen Waffenhandels bis zum Dreißigjährigen Krieg. Nachfrage, Produktion und Rüstungshändler Die systematische Behandlung des europaspezifischen Bedingungsgefüges zwischen kapitalistischer Wirtschaftsentwicklung und frühmoderner Staatenbildung hat in neuester Zeit auch zu einer verstärkten Hinwendung zu militärspezifischen Fragestellungen geführt. 1 Unter Rückgriff auf die älteren Stan1
V. Barbagli Bagnoli (Hrsg.), Domanda e consumi. Livelli e strutture (nei secoli ΧΠΙ-ΧνίΠ), Florenz 1978 (Akten der 6. Studienwoche des Internationalen Wirtschaftshistorischen Institutes "Francesco Datini", Prato 1974, Themenkreis: "Guerra e difesa", S.409-458); J.M. Winter (Hrsg.), War and Economic Development, Cambridge 1975; O. Pickl (Hrsg.), Krieg, Militärausgaben und Wirtschaft, Graz 1980 (Referate des 7. Internationalen Wirtschaftshistorischen Kongresses, Edinburgh 1978, Sektion Β 6: "War, Military Expenditure and Economic Change"); Ν. Labanca, "Clio, Mercurio e Marte. Aspetti economici della guerra in Europa", in: Ricerche storiche 14(1984), S.645-672 und T. Zambarbieri, "Gli aspetti economici della guerra in Europa (sec.XIV-XVII)", in: NRS 69(1985), S.367-378 (Berichte über die 16. Studienwoche des Institutes "Francesco Datini", Prato 1984, bislang leider nicht ediert); W. Brulez, "Het gewicht van de oorlog in de nieuwe tijden. Enkele aspekten", in: TvG 91(1978), S.386-406; A. Corvisier, Armées et sociétés en Europe de 1494 à 1789, Paris 1976; J.R. Hale, War and Society in Renaissance Europe 1450-1620, London 1985. Siehe auch (trotz berechtigter Kritik): K.G. Zinn, Kanonen und Pest. Über die Ursprünge der Neuzeit im 14./15. Jahrhundert, Opladen 1989 und die diesbezügliche Rezension von: K.H. Ludwig, in: Technikgeschichte 58(1991), S. 156-158. In der europäischen Expansionforschung sind militärrelevante Aspekte fester Untersuchungsbestandteil. Siehe: C.M. Cipolla, Guns, Sails, and Empires; J. F. jr. Guilmartin, Gunpowder and Galleys. Changing Technology and the Mediterranean Warfare at Sea in the 16th Century, Cambridge 1974; D.B. Ralston, Importing the European Army: The Introduction of European Military Technique and Institutions into the Extra European World (1600-1914), Chicago 1990.
1. Entstehung des internationalen Waffenhandels
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dardwerke zum weiten Themenkreis "Krieg und Kapitalismus" werden die Kriegsausgaben der frühmodernen Staaten sogar als Urform der (indirekten) Wirtschaftspolitik interpretiert. 2 Die Modernisierung des frühneuzeitlichen Kriegsapparates schuf Bedürfnisse, die die politischen Gewalten allein nicht decken konnten. Die Verteidigungsaufwendungen stellten von daher einen Anreiz für die Wirtschaft dar. 3 In gesamtgesellschaftlicher Hinsicht beruht dieser Ansatz auf der Auffassung, daß die politische Geschichte Europas ohne die maßgebliche Einflußnahme und Prägung der Wirtschaft unmöglich gewesen sei. Die starke Anlehnung an die Politik wäre dann gleichzeitig die Hauptvoraussetzung für die Entstehung der europazentrierten Weltwirtschaft. In Kriegszeiten wurde der Zusammenhang zwischen beiden Polen sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht nur allzu deutlich.4 Im Zentrum des allgemeinen Forschungsinteresses stehen seit geraumer Zeit die Revolution der europäischen Militärtaktik seit Mitte des 16. Jahrhun-
2
Ausgangsstudie ist: W. Sombart, Krieg und Kapitalismus, München/Leipzig 1913. Mit dieser von der Geschichtswissenschaft zunächst wenig rezipierten Arbeit setzte sich vor allem die Forschung zur englischen Frühindustrialisierung intensiv auseinander. Siehe: J.U. Nef, "War and Economic Progress 1540-1640", in: EHR 12(1942), S. 13-38. Militärspezifische Fragestellungen wurden in der Folgezeit fest in die wirtschaftsgeschichtlichen Untersuchungen Großbritaniens eingebunden. Siehe: W. Rees, Industry Before the Industrial Revolution, Cardiff 1968; J.U. Nef, Industry and Government in France and England, 1540-1640, New York 1968; C.G.A. Clay, Economic Expansion and Social Change: England 1500-1700, Bd.II: Industry, Trade, and Government, Cambridge 1984. 3 Siehe die Forschungspostulate von: F.C. Lane, Role of Governments, S.9, S.13, S.15. Vgl. auch die Studie von: J. Brewer, The Sinews of Power. War, Money and the English State, 1688-1783, New York 1989. 4 Siehe: P.M. Kennedy, The Rise and Fall of the Great Powers. Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000, London 1988. Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Einführung von Feuerwaffen in die europäischen Kriegführung siehe: F. Braudel, Der Alltag, S.418-430. Zur Bewertung der Sombartschen Hypothesen: "... W. Sombart spricht zu Recht von einem durch die Technik erneuerten Krieg, der die moderne Welt ins Leben ruft und die Entstehung kapitalistischer Systeme beschleunigt ..." (Aufbruch zur Weltwirtschaft, S.57 f) und "... Im Grunde kommt der Krieg dem wachsenden modernen Staat und dem sich darin einnistenden Kapitalismus zugute: Bellum Omnium Pater ... " (ebenda, S.62). Vgl. auch: F.C. Lane, "Economic Consequences of Organized Violence", in: JEH 18 (1958), S.401-410 und Ν. Steensgaard, "Violence and the Rise of Capitalism: Frederic C. Lane's Theory of Protection and Tribute", in: F. Braudel Center for Study of Economics, Historical Systems and Civilizations, Review 5(1981), S.247-274.
. Militärwirtschaftliche Grundlagen
56
derts5 und die spezifisch frühneuzeitlichen Heeresstrukturen im Rahmen der "militärischen Devolution", d.h. die administrative Delegierung der Kriegführung an die über eigene Söldnertruppen verfügenden privaten Militärunternehmer. 6 In diesem Zusammenhang befaßte man sich zunächst hauptsächlich mit den finanzwirtschaftlichen Problemen, die durch den expandierenden Militärsektor hervorgerufenen wurden. 7 In jüngster Zeit ist vor allem die Entwicklung der frühneuzeitlichen Logistik, d.h. die Organisation des militärischen Versorgungswesens, als wichtiger Untersuchungsschwerpunkt hinzugekom5
M. Roberts, The Military Revolution, 1560-1660, Belfast 1955; G. Parker, "The 'Military Revolution', 1560-1660 - A Myth?", in: JMH 48 (1976), S.195-214; M. Duffy (Hrsg.), The Military Revolution and the State, 1500-1800, Exeter 1980; D.A. Parrot, "Strategy and Tactics in the Thirty Years' War: The 'Military Revolution'", in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 38(1985), S.7-25. 6 Zum Begriff der "militärischen Devolution" siehe: G. Parker, Militärische Revolution, S.89 ff. Neben den bereits zitierten Arbeiten von A. Ernstberger ist auf diesem Gebiet natürlich das Standardwerk von F. Redlich, The German Military Enterpriser and his Work Force, 2 Bde., Wiesbaden 1964 (VSWG-Beiheft 47), grundlegend. Siehe auch: Ders., "Der Marketender", in: VSWG 41(1954), S.227-254; ders., De Praeda militari. Looting and Booty, 1500-1815, Wiesbaden 1956 (VSWG-Beiheft 39); H. Schnitter, Söldnerheer und Landesdefension, S.405 ff; E. von Frauenholz, Das Heereswesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Berlin 1930. 7 Zum Reichsgebiet siehe: F. Redlich, "Contributions in the Thirty Years' War", in: EHR 17(1959/60), S.247-254; ders., Military Entrepreneurship, S.186 ff; M. Hüther, "Der Dreißigjährige Krieg als fiskalisches Problem: Lösungsversuche und ihre Konsequenzen", in: Scripta Mercaturae 21(1987), S.52-81; F. Kaphan, "Der Zusammenbruch der deutschen Kreditwirtschaft im 17. Jahrhundert und der Dreißigjährige Krieg", in: Deutsche Geschichtsblätter 13(1912), S.144-155. In Bezug auf die Subsidienzahlungen sei hier nur auf D. Alb recht, "Zur Finanzierung des Dreißigjährigen Kieges. Die Subsidien der Kurie für Kaiser und Liga 16181635", in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 19(1956), S.534-566, verwiesen. Siehe ebenfalls die neuesten Einzelstudien von: H. Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg 1635-1650. Der niederrheinisch-westfälische Reichskreis, Münster 1990 und H. Ernst, Madrid und Wien 1632-1637. Politik und Finanzen zwischen Philipp IV. und Ferdinand II, Münster 1991. Spanien behandeln das bereits zitierte Werk von I.A.A. Thompson, War and Government und F. Ruiz Martin, "Gastos ocasionados por el sostenimento de la guerra: repercusions economicas quese experimentaron en Espafia", in: V. Barbagli Bagnoli, Domanda e consumi, S.445-457. Für den Krieg mit den Niederlanden siehe: G. Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road, 1567-1659. The Logistics of Spanish Victory and Defeat in the Low Countries' War, Cambridge 1972 und ders., War and Economic Change, S.178 ff.
1. Entstehung des internationalen Waffenhandels
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men.8 Sowohl die mangelnde Effizienz der sich erst langsam ausbildenden staatlichen Verwaltungsapparate als auch der inadäquate finanzielle Hintergrund der politischen Zentralgewalten führten dazu, der privaten Unternehmerinitiative auch und gerade im Hinblick auf die materiellen Aspekte der Kriegführung ein lohnendes Betätigungsfeld zu öffnen. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, daß die staatlichen Defizite nicht nur die strukturelle Einbindung von privaten Militärunternehmern (Söldnerführern) in das Militärwesen der Zeit bedingten, sondern auch dazu führten, weite Kreise des europäischen Handelslebens auf lokaler, regionaler, territorialstaatlicher und internationaler Ebene durch die Bereitstellung von Krediten sowie die Lieferung von militärischen Ausrüstungsgegenständen und Proviant in die frühneuzeitliche Kriegführung zu integrieren. 9 Gegenüber der sonst üblichen und be8
Einen weitgespannten europäischen Überblick geben: M.C. van Creveld, Supplying War: Logistics from Wallenstein to Patton, Cambridge 1977; W. Hummelsburger, "Kriegswirtschaft und Versorgungswesen von Wallenstein bis Prinz Eugen", in: MGFA (Hrsg.), Die Bedeutung der Logistik für die militärische Führung von der Antike bis in die neueste Zeit, Herford/Bonn 1986 (Vorträge zur Militärgeschichte Bd. VII), S.61-85. Vgl. auch: G. Perjés, "Army Provisioning, Logistics, and Strategy in the Second Half of the Seventeenth Century", in: Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricae 16(1970), S.l-51. Zur französischen Versorgungsmaschinerie im Dreißigjährigen Krieg siehe: B.R. Kroener, Les Routes et les Étappes. Die Versorgung der französischen Armeen in Nordostfrankreich (1631-1661). Ein Beitrag zur Verwaltungsgeschichte des Ancien Régime, München 1980. Für England siehe: G.C. Cruickshank, Elisabeth's Army, Oxford 1946; C.S.L. Davies, "Provisions for Armies, 1509-1550. A Study in the Effectiveness of Early Tudor Government", in: EHR 17(1964), S.234-248; L. Boynton, The Elizabethan Militia, 1558-1638, London 1967. 9 Die Identifizierung des deutschen Militärunternehmers par excellence in der Figur Wallensteins hat zu einer gewissen Vernachläßigung der in die Kriegführung integrierten Unternehmerkräfte geführt, obwohl insbesondere die Studie A. Ernstbergers demonstrierte, in welch großem Umfang auch Wallenstein und sein Finanzmann de Witte auf die Dienste europaweit operierender Handelshäuser angewiesen waren. Dies galt nicht nur für die Kreditstrukturen, auf denen die habsburgische Kriegsmaschinerie aufbaute, sondern auch für die Bereitstellung von Kriegsmaterialien, obwohl Wallenstein bereits über ausgedehnte Produktionsstrukturen für den militärischen Bedarf verfügte! Siehe auch: J. Kunisch, "Wallenstein als Kriegsunternehmer", in: U. Schulz (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an, München 1986, S. 153-161 und S.279281.
Zu Ambrogio Spinola, der in dieser Hinsicht mit Wallenstein in gewisser Weise zu vergleichen war, obwohl sich die sozioökonomische Basis beider Feldherren erheblich unterschied, siehe die Bewertung von: R. Puddu, Guerra e stato, S.324 f.
III. Militärwirtschaftliche Grundlagen
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sonders in Deutschland angesichts des Dreißigjährigen Krieges naheliegenden Betonung der destruktiven Konsequenzen militärischer Auseinandersetzungen für das Wirtschaftsleben, 10 stehen die "konstruktiven" Auswirkungen der frühmodernen Kriegführung - oder zumindest die mit der Kriegswirtschaft in Zusammenhang stehenden Umstrukturierungen - wieder verstärkt im Mittelpunkt der Forschung. 11 Im Laufe des 17. Jahrhunderts verdrängte die fortschreitende "Modernisierung" des staatlichen Lebens durch die absolutistischen Bestrebungen der politischen Zentralgewalten die Privatinitiative zunehmend aus den militärischen Befehlsstrukturen. Das Zeitalter der Condottieri, auch als "Epoche der kommerziellen Kriegsführung" charakterisiert, 12 fand, zumindest was den Land10
R. Ergang, The Myth of th All-destructive Fury of the Thirty Years' War, Pocono Pines 1956; F. Lütge, "Die wirtschaftliche Lage Deutschlands vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges", in: Jhb.NS 170(1958), S.43-99; H. Kamen, "The Economic and Social Consequences of the Thirty Years' War", in: PP 39(1968), S.44-61; G. Franz, Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk. Untersuchungen zur Bevölkerungs- und Agrargeschichte, Jena 1943; I. Bog, "Wachstumsprobleme der oberdeutschen Wirtschaft 1540-1618", in: Jhb.NS 179(1966), S.493-537, S.527 ff; H. Haan, "Prosperität und Dreißigjähriger Krieg", in: Geschichte und Gesellschaft 7 (1981), S.91-118; W. Hippel, "Bevölkerung und Wirtschaft im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Das Beispiel Württemberg", in: ZHF 5 (1976), S.413-448; ders., "Zum Problem der wirtschaftlichen Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges im Deutschen Reich", in: Literatur und Volk im 17. Jahrhundert, Wiesbaden 1985, S. 111-125; R. Endres, "Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges in Franken", in: H. Kellenbenz (Hrsg.), Wirtschaftsentwicklung und Umweltbeeinflussung (14.-20. Jahrhundert), Wiesbaden 1983, S. 125-145. 11 Siehe hierzu insbesondere: M. Hroch, Handel und Politik, S.19 ff. Der stimulierende Charakter der Kriegspolitik auf die Güterverschiebung wurde beispielsweise von E. Erdmannsdörfer, Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen. 1648-1740, 2 Bde., Berlin 1892-93, S.116, betont und fand in neuerer Zeit bei J. Polisensky, Der Krieg und die Gesellschaft in Europa, Wien/Köln/Graz 1971, S.127 ff und in der bereits zitierten Arbeit von S.J. Steinberg, Dreißigjähriger Krieg, eine Nachfolge. 12 Zur Definition der "kommerziellen Kriegsftihrung" im Zusammenhang mit der "militärischen Devolution" siehe: W. McNeill, Krieg und Macht, 67 ff, S . l l l . Vgl. auch: V.G. Kiernan, "Foreign Mercenaries and Absolute Monarchie", in: PP 11 (1957), S.66-86; G. Trease, Die Condottieri. Söldnerführer, Glücksritter und Fürsten der Renaissance, München 1974; N. Covini, "Condottieri ed eserciti permanenti negli stati italiani del XV secolo in alcuni studi recenti", in: NRS 69(1985), S.329-355; S. Fiedler, Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Landsknechte, Koblenz 1985.
1. Entstehung des internationalen Waffenhandels
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krieg in Europa selbst anging, mit dem Dreißigjährigen Krieg weitgehend ein Ende. 13 Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stand das stehende Heer als Instrument der Machtpolitik par excellence im Mittelpunkt der absolutistischen Politikkonzeption.14 Durch die Produktion der erforderlichen Kriegsgüter wurde das Militärwesen nun endgültig zum "Wirtschaftsfaktor, von dem erhebliche Wachstumsimpulse ausgingen"15 und war folglich für die merkantilistische Wirtschaftsauffassung von großer Bedeutung. Das Versorgungswe13
Nur in Bezug auf die innereuropäischen Festlandskriege erfuhr die bis dahin vorherrschende Vermengung von Gewinndenken und militärischer Motivation mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges weitgehende Einschränkungen. Im Seekrieg blieb in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts selbst nach dem Aufkommen regulärer Kriegsflotten die Verbindung zwischen (para-)staatlichlicher Gewaltausübung auf den Meeren und privatem Gewinninteresse durch die nach wie vor beibehaltene Praxis des Kaperkrieges weitgehend bestehen. Darüber hinaus wurden die europäischen Überseeunternehmungen trotz aller gradueller Verschiedenheiten zu allen Zeiten und in allen Fällen von einer Kombination staatlicher, quasi-staatlicher und rigoros auf Gewinn bedachter Privatinitiativen getragen. Siehe: W. McNeill, Krieg und Macht, S.93 ff; M. Oppenheimer, A History of Administration of the Royal Navy and of the Merchant Shipping in Relation to the Navy, London 1896 (Reprint London 1961); R. Goutalier, "Privateering and Piracy", in: JEEH 6 (1977), S. 199-213; A. Pérotin-Dumon, "The Pirate and the Emperor: Power and the Law on the Seas, 1450-1850", in: J. D. Tracy, Political Economy, S. 196-227; G. Parker, Militärische Revolution, S.105 ff. 14 Siehe: G. Papke, Von der Miliz zum stehenden Heer. Wehrwesen im Absolutismus, München 1979 (Handbuch zur deutschen Militärgeschichte Bd.9). Im Zusammenhang mit der größeren Kontrolle der politischen Zentralgewalten über den Militärapparat verbessert sich auch die Forschungslage deutlich. In Hinblick auf militärrelevante Fragestellungen sind die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts und vor allem das 18. Jahrhundert sehr viel besser abgedeckt als die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Siehe: W. McNeill, Krieg und Macht, S.119 ff, S.141 ff. Folglich liegt auch die Schwerpunktsetzung militärhistorischer und -logistischer Darstellung eindeutig in der absolutistischen Epoche. Vgl.: M.C. van Creveld, Supplying War, S.5 ff und S. Fiedler, Grundriß der Militär- und Kriegsgeschichte, Bd.I: Die stehenden Heere im Zeitalter des Absolutismus 1640-1789, München 1972. 15 F. Blaich, Die Epoche des Merkantilismus, Wiesbaden 1973, S.171. Auch Blaich bezieht sich in erster Linie auf das 18. Jahrhundert, in dem sich die Armee zum "Schwungrad der preußischen Staatswirtschaft" (Zitat: Haussherr) entwickelte. Auf die Merkantilismusdebatte soll hier nicht näher eingegangen werden. Siehe hierzu nur die grundsätzlichen Ausführungen von: I. Bog, Reichsmerkantilismus, S. 1-10, S.16 sowie D.C. Coleman, "Mercantilism Revisited", in: Historical Journal 23(1980), S.773-791.
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sen blieb aber trotz der zunehmenden staatlichen Kontrollversuche nach wie vor weitgehend in den Händen des privaten Unternehmertums. 16 Die direkten Kriegsausgaben unterteilten sich generell in die Einzelposten: Sold, Lebensmittelversorgung, Fuhrdienste und militärische Ausrüstungsgegenstände aller Art, nämlich Waffen, Schießpulver und (später) Uniformen. Unterhielt man außerdem eine Kriegsflotte in Eigenregie, so kamen Schiffbaumaterialien als erheblicher Kostenfaktor hinzu. 17 Höchstwahrscheinlich lag das Hauptgewicht der ständigen Aufwendungen dabei in den Soldkosten sowie in der Versorgung mit Naturalien, während die Militärgüter im Verhältnis zu diesen Kategorien vermutlich weniger ins Gewicht fielen. 18 Wie die 16
Zu Frankreich siehe: L. André, Michel Le Tellier et Louvois, Paris 1942 und ders., Michel le Tellier et l'organisation de l'armée monarchique, Montpellier 1906 (Reprint Genf 1980). Zu Preußen siehe: W. O. Henderson, Studies in the Economic Policy of Frederick the Great, London 1963, insbesondere S. 1-17 und W. Treue, "David Splitgerber. Ein Unternehmer im preußischen Merkantilstaat 1683-1764", in: VSWG 41(1954), S.253-267. Vgl. auch: MGFA (Hrsg.), Friedrich der Große und das Militärwesen seiner Zeit, Herford/Bonn 1987 (Vorträge zur Militärgeschichte Bd.VIII) und B.R. Kroener (Hrsg.), Europa im Zeitalter Friedrichs des Großen. Wirtschaft, Gesellschaft, Kriege, München 1989. 17 Zu den jährlichen "Betriebskosten" eines spanischen Kriegsschiffes siehe: I.A.A. Thompson, War and Government, Appendix Tab.I (S.302). Zum Umfang der gesamten spanischen Flotte, zu der auch die Verbände Genuas, Neapels und Siziliens zählten, siehe: Ebenda, Appendix, Tab H. (S.300 f). 18 Diesbezügliche Studien fehlen für das 17. Jahrhundert. Vgl.: A. Caspary, Wirtschaftsstrategie und Kriegsführung. Wirtschaftliche Vorbereitung, Führung und Auswirkungen des Krieges im geschichtlichen Aufriß, Berlin 1932. In neuester Zeit ist beispielsweise gerade die Erforschung des französischen Truppenversorgungssystems mit Getreide in den Untersuchungsmittelpunkt gerückt. Siehe: F. C. Spooner, "The Mantuan Succession and the Crisis of 1628-31: A Bill of Exchange from Cardinal de Richelieu", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd. Π, S. 193204 und B.R. Kroener, Rechtsstellung und Profite, S.461. Die Verhältnisse des 18. Jahrhunderts sind nicht auf das 17. Jahrhundert übertragbar, da die Militärgüterversorgung von der Angebotsseite in verschiedener Hinsicht (Manufaktursystem, gestiegener staatlicher Einfluß, grundsätzlich andere Konditionen auf dem Salpetermarkt, stark differierende Naturalienversorgung) erheblich veränderten Bedingungen unterlag. Siehe: P. Rehfeld, "Die preußische Rüstungsindustrie unter Friedrich dem Großen", in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 55(1944), S.l-31. 13% der preußischen Gesamtausgaben wurden demnach im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) für Kriegsmaterial aufgewendet. Waffen, Pulver und Blei schlugen dabei durchschnittlich nur mit 3,6% ins Gewicht. Ebenda, S.30. Vgl. auch: G. Parker, Militärische Revolution, S.86.
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neuesten Forschungen zur Waffentechnologie zeigen, stand nichtsdestotrotz die Verfügbarkeit eines adäquaten Waffenarsenals und des dazugehörigen Explosivstoffes seit dem Spätmittelalter im Zentrum aller logistisch-strategischen Erwägungen: Die frühneuzeitliche Rüstungsspirale nahm ihren Anfang, indem die Feuerwaffentechnologie das europäische Kriegswesen spätestens seit Mitte des 16. Jahrhunderts umfassend revolutionierte. 19 Die großen militärischen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts - man denke nur an die kriegerischen Unternehmungen Karls V. und Philipps II., den permanenten Konflikt mit dem Osmanischen Reich, den niederländischen Unabhängigkeitskrieg sowie die große Zahl der "lokalen" Auseinandersetzungen im Inneren der europäischen Länder 20 - sorgten mit der Herstellung einer relativ stabilen Nachfrage nach Rüstungsgütern für eine äußerst günstige Kriegskonjunktur und damit für hervorragende Entwicklungsbedingungen auf dem Gebiet der Militärgüterproduktion, die schließlich im Dreißigjährigen Krieg kulminierten. Dieser internationale Konflikt übertraf alles davor Dage19
Siehe: J.M. Bridgeman, "Gunpowder and Governmental Power: War in Early Modern Europe (1494-1824)", in: L.L. Farrar jr. (Hrsg.), War. A Historical, Political, and Social Study, Oxford 1978, S. 105-111 und J.A. Hale, "Gunpowder and the Renaissance. An Essay in the History of Counter-Reformation", in: From the Renaissance to the Counter Reformation, S. 113-144. So vervierfachten sich die jährlichen Aufwendungen der spanischen Krone für die einheimische Rüstungsproduktion (15801606) von jährlich 40.000 Duk. auf 166.000 Duk. Allein der Schießpulverbedarf verdoppelte sich von 2000 Quintal im Jahre 1577 auf 4000 Quintal im Jahre 1589. Siehe: I.A.A. Thompson, War and Government, S.241. Die Gesamteuropa betreffende Aufrüstungsphase Ende des 16. Jahrhunderts läßt sich auf lokaler Ebene beispielsweise für Augsburg, das sich im Gegensatz zu Nürnberg nicht zu einem internationalen Rüstungszentrum entwickelte, gut belegen. Siehe: J. Kraus, Das Militärwesen der Reichsstadt Augsburg 1548-1806, Augsburg 1980. Zum Aufschwung des Geschützgusses in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sowie dem Höhepunkt der Rüstungsphase (1590-1620), siehe: Ebenda S.337, S.339. Ende des 16. Jahrhunderts lieferte der Augsburger Pulvermacher jährlich ca. 400 Ztr. an das Zeughaus ab. In der Phase der stärksten Aufrüstung bezog die Stadt (1611) 700 Ztr. aus der städtischen Pulvermühle. Ebenda, S.335 f. 20 Zum latenten Konflikt zwischen der europäischen und der osmanischen "Supermacht", der neben den negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen aber auch überaus stimulierende Wirkung auf die europäische Rüstungsproduktion hatte, siehe: F. Braudel, Mediterraneo, S.897-902, S. 1034-1250, S. 1293 und Ο. Pickl (Hrsg.), Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Türkenkriege, Graz 1971. Zum Ansteigen der spanischen Kriegsausgaben im Zusammenhang mit dem 80-jährigen Krieg vgl. die Studien von: I.A.A. Thompson War and Government, insbesondere Appendix, Tab.Β (S.289), G. Parker, Army of Flanders; ders., War and Economic Change.
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wesene besonders in Hinsicht auf die enorm steigende Menge von Kriegsmaterial, die erforderlichen kurzen Lieferzeiten und die Dauer der Rüstungshochkonjunktur.21 In allen europäischen Ländern war der Bedarf an militärischen Ausrüstungsgütern derartig groß, daß die steigende Nachfrage kaum befriedigt werden konnte und nur ein europaweit verzweigtes Netz an Beschaffungsstrukturen einen halbwegs geordneten und kontinuierlich fließenden Nachschub sichern konnte. Alle verfügbaren Ressourcen und Beziehungen auf dem Handels- und Finanzsektor mußten mobilisiert werden, um das reibungslose Funktionieren der Kriegsmaschinerien annähernd gewährleisten zu können. 22 Natürlich verfügten alle europäischen Länder über Rüstungsstrukturen, die ihren realen militärischen Bedürfnissen (mehr oder weniger) entsprachen. 23 Charakteristisch ist jedoch für fast alle dieser Zentren der hohe Anbindungsgrad an das internationale Handelsnetz für militärrelevante Waren und Rohstoffe. 24 Dieser Umstand ist einerseits auf die relative und momenta21
Bezeichnend ist außerdem die geschätzte Gesamtsumme der kaiserlichen Kriegskosten von 110.000.000 Gulden. Siehe: A. Ernstberger, Hans de Witte, S.171, S.237, S.239, S.256. Vgl. auch: H. Valentinisch, Nürnberger Waffenhändler, S.169 ff; F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.805, S.810 ff, S.816. 22 Als Musterbeispiel sei nur auf das weitverzweigte Finanz- und Rüstungssystem Wallensteins und de Wittes im Dienste Ferdinands Π. verwiesen. Auch die größte Rüstungsschmiede konnte der enormen Nachfrage nicht immer nachkommen. Zu den Nürnberger Engpässen siehe: I. Bog, Wachstumsprobleme, S.528 und H. Valentinisch, Nürnberger Waffenhändler, S.179. Vgl. hierzu die bei A. Ernstberger, Hans de Witte, dokumentierten Großaufträge der Kaiserlichen an Köln (ebenda S.245), Suhl (ebenda S.241 ff) und die Endsumme der nach Friedland gerichteten Aufträge (ebenda S.254). Ferner mußte man sich auch nach Hamburg wenden, um über Walter de Hertoghe aus Amsterdam, England und Frankreich Militärgüter zu beziehen. Ebenda, S.214. 23 Siehe die kurzen Überblicke zu den europäischen Rüstungsproduktionszentren in: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S.324-347 und ders., Eisengewinnung, S.428439. Vgl. auch: J.U. Nef, Industry and Government, S.59-68, S.88-98; C. Ffoulkes, The Gunfounders of England, Cambridge 1937; J.F. Hayward, The Art of the Gunmaker, London 1962; G.D. Ramsay, City of London, S. 116 ff und S.220 f; P. Contamine, "Les industries de guerre dans la France de la Renaissance: L'Exemple de Γ artillerie", in: Revue Historique 55(1984), S.249-280. 24 England, Frankreich und Schweden waren auf Rüstungsimporte angewiesen. Siehe: V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.38. Zur Rohstoffversorgung der spanischen Rüstungszentren und Schiffbauindustrie siehe: I.A.A. Thompson, War and Government, S.234-255; W.D. Philipps jr., "Spain's Northern Shipping Industry in the Sixteenth Century", in: JEEH 17 (1988), S.267-301; H. Kellenbenz, Spanien, S.289 ff.
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ne Knappheit solcher Produkte in akuter Kriegslage sowie auf den hohen Spezialisierungsgrad dieser kostenintensiven Gewerbesparten zurückzuführen. Andererseits erklärt sich die große Abhängigkeit vom internationalen Waffenhandelsnetz aber auch aus dem mangelnden staatlichen Zugriff auf die Produktion von Rüstungsgütern25 und den Handel der dazugehörigen Rohstoffe. 26 Außerdem stand das staatliche Vorratswesen für die Einlagerung von 25
Die Abhängigkeit von den privaten Rüstungsunternehmern trat mehr und mehr in das Bewußtsein der europäischen Herrscher. So zielte der Aufbau einer umfangreichen militärischen Eigenproduktion im Herzogtum Friedland durch Wallenstein eindeutig darauf hin, einen direkten Zugriff auf Rüstungsstrukturen zu haben, um zumindest über eine sichere Versorgungsquelle zu verfügen und Engpässen begegnen zu können. Siehe: A. Ernstberger, Hans de Witte, S.244, S.248 ff. Der Versuch Ferdinands II., in der Steiermark eine den deutschen Rüstungskomplexen vergleichbare österreichische Militärgüterproduktion aufzubauen und sich somit vom Ausland unabhängig zu machen, ging seit den Überlegungen von 1622, 1627 und nach dem Zusammenbruch des Imperiums von de Witte und Wallenstein (seit 1632) in dieselbe Richtung. Erst nach 1639 kam es zur Aufnahme einer kontinuierlichen Eigenproduktion, die lediglich seit 1656 den Import von Militärgütern (hauptsächlich Suhler oder Nürnberger Provenienz) zurückdrängen konnte. Siehe: H. Valentinisch, Suhler Waffenhändler, S.684 ff; A. Ruhri, "Aspekte der Waffenerzeugung im Bereich der Innerberger Hauptgewerkschaft in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", in: H. Ebner u.a. (Hrsg.), Festschrift für O. Pickl zum 60. Geburtstag, Graz/ Wien 1987, S.543-549; F. Redlich, "Plan for the Establishment of War Industry in the Imperial Dominion during the Thirty Years' War", in: Business History Review 38 (1964), S. 123-126; E. Egg, Der Tiroler Geschützguß 1400-1600, Innsbruck 1961. 26 Zwar versuchten die europäischen Zentralgewalten, den Militärgüterhandel über die eigenen Grenzen hinweg aus naheliegenden strategischen Erwägungen zu reglementieren. Es fehlte jedoch an Kontrollmechanismen einer zentralen Überwachungsinstanz. Nur der Salpeterbereich wurde allgemein strenger überwacht. Als konkretes Beispiel für die handelspolitischen Reglementierungsversuche in Bezug auf Kriegsgüterexporte sei hier nur auf die Niederlande verwiesen, die seit dem Plakat von 1591 wiederholt versuchten, den Handel mit Rüstungsgütern auf alliierte oder neutrale Staaten zu begrenzen. Konnte mit Hilfe dieses Zugeständisses die angestrebte Regelung erfolgreich unterlaufen werden, indem man über neutrale Handelsplätze (Hamburg) vermittelte, so hatte man auch gegen die direkten Lieferungen an den Feind (beispielsweise durch Elias Trip 1642) auf Grund der fehlenden Kontrollmöglichkeiten keine Handhabe. Die allgemeinen Ausfuhrbestimmungen für Kriegsgüter wurden aus politischen Gründen (Unterstützung von Alliierten) schlecht eingehalten und waren außerdem den kommerziellen Grundinteressen der Amsterdamer Stapelplatzpolitik untergeordnet. Zu diesem Themenkomplex siehe: P.W. Klein, De Trippen, S. 185-207.
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III. Militärwirtschaftliche Grundlagen
Kriegsmaterialien erst am Anfang. 27 Im Kriegsfalle war man allerorten dazu gezwungen, sich an die großen europäischen Produktions- und Verteilerzentren für Materialien des militärischen Bedarfes zu wenden. So exportierten die großen europäischen Rüstungsproduktionszentren ihre Erzeugnisse im Dreißigjährigen Krieg ohne Rücksicht auf politische Koalitionen oder militärische Gegnerschaft über alle Grenzen hinweg in alle Richtungen.28 Die kontinuierlich ansteigende Nachfrage nach Militärgütern bildete die Voraussetzung für die Ausbildung, die Expansionsmöglichkeiten und die Spezialisierungstendenzen der europäischen Rüstungszentren, die mit dem Dreißigjährigen Krieg an ihrem konjunkturellen Höhepunkt angelangt waren. "Die Waffenherstellung war in Europa zu einer für damalige Verhältnisse nicht nur großen, sondern zur führenden und technologisch anspruchvollsten Industrie geworden. " 2 9
27
Siehe: M.C. van Creevelt, Supplying War, S. 17-26. Vgl. auch: M.N. Nani Mocenigo, L'Arsenale di Venezia, Venedig 1927; Venezia e la difesa del Levante. Da Lepanto a Candia 1570-1670 (Arsenale Editrice), Venedig 1986, S.4-60; H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S.32; J.U. Nef, War and Economic Progress, S.21 ff; Ο. Hogg, The Royal Arsenal. Its Background, Origin and Subsequent History, 2 Bde., London 1963. 28 Beispielsweise lieferte Nürnberg im Laufe des 16. Jahrhunderts an den Reichsfeind Frankreich immer wieder Kriegsmaterialien über Lyon, im Dreißigjährigen Krieg Rüstungsgüter sowohl an die katholische als auch an die protestantische Partei. Vgl. hierzu: F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.811, S.813 und G. Pfeiffer, "Die Bemühungen der oberdeutschen Kaufleute um die Privilegierung ihres Handels in Lyon", in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. I, S.407-455, S.411. Die politische Instabilität des südniederländisch-niederrheinischen Waffenherstellungskomplexes bildete die Hauptvorrausetzung für den ausgedehnten Rüstungshandel dieser Gebiete mit allen europäischen Ländern und politischen Parteiungen, weil die internationale Großkaufmannschaft hier den nötigen handelspolitischen Freiraum zwischen den Fronten fand. Zur Belieferung Spaniens und der Vereinigten Niederlande durch das neutrale Bistum Lüttich siehe: W. McNeill, Krieg und Macht, S.107. Vgl. auch: E. von Ranke, "Die wirtschaftlichen Beziehungen Kölns zu Frankfurt, Süddeutschland und Italien im 16. und 17. Jahrhundert", in: VSWG 17 (1923), S.54-94, S.77 (zu den Aktivitäten des Kölner Großverlegers Anton Frey-Aldenhovens, seinen Geschäften mit den Kaiserlichen und der Vermittlung von Kriegsgütern aus Lüttich nach Nancy, Epinal, Basel und Genf im Jahre 1621). 29 K.G. Zinn, Kanonen und Pest, S.118 und S.154. Seiner Einschätzung nach wuchs der Rüstungssektor unter Einbeziehung der Zulieferproduktion im Laufe des 15. Jahrhunderts zur dominierenden Industrie heran. Ebenda S.118. Laut examinierter Sekundärliteratur trifft diese Wertung jedoch erst für ein Jahrhundert später zu.
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Wie die von B. Rathgen zusammengestellten Quellen zur weit verbreiteten Pulverwaffenherstellung vieler Städte des Deutschen Reiches und Europas seit dem Mittelalter bezeugen, war die Entwicklung der Feuerwaffe von Anfang an eng mit dem Städtewesen verknüpft. 30 In verschiedener Hinsicht begünstigte das sozioökonomische Milieu der Städte das Aufkommen der Feuerwaffenproduktion in ihren Mauern. 31 Allein ein schlagkräftiges Verteidigungswesen konnte den Stadtrechten Sanktionskraft verleihen, und die neuen, effizienten Waffensysteme waren hierfür besonders geeignet. Rüstung war zudem eine recht teure Angelegenheit, die sich nur reiche Gemeinwesen mit einer guten Rohstoffversorgung und geeigneten Produktionsstrukturen leisten konnten. 3 2 Gerade das hohe technische Know-How des Urbanen Gewerbepotentials und allein die hohe Diversifikation einer enorm spezialisierten Berufsstruktur, gepaart mit einer kapitalkräftigen handelsorganisatorischen "Klammer" durch das Verlagssystem, konnten den idealen Nährboden für komplizierte Fertigungstechniken, wie sie bei der Herstellung von Feuerwaffen zur Anwendung kamen, stellen.33 Andererseits trug die Rüstungsproduktion in produktionsor30
B. Rathgen, Das Geschütz im Mittelalter, Berlin 1928 (Neudruck Düsseldorf
1987). 31
Siehe: K.G. Zinn, Kanonen und Pest, S.116 ff und 0. Thiele, "Salpeterwirtschaft und Salpeterpolitik", in: ZgSW-Ergänzungsheft 15(1905), S. 1-237, S.43. Die Einführung der Feuerwaffentechnologie war ein langsam vor sich gehender wirtschaftlicher Fortschritt. Zur Erlangung von Pulver und Waffen gehörte Industrie und Geld. Beides besaßen die Stadtbürger. 32 K.G. Zinn, Kanonen und Pest, S.160. So kostete die "Große Frankfurter Büchse" im Jahre 1394 1076 Gulden 14 Soldi und 5 Heller. Ein Betrag, der in etwa dem Wert von 101 Ochsen, 80 Tonnen Heringen oder 584 Pfund Zucker entsprach. Vgl. auch: J. Rosen, "Kriegsausgaben im Spätmittelalter. Der militärische Aufwand in Basel 1360 bis 1535", in: VSWG 71(1984), S.457-484. 33 Als Beispiel für den hohen Spezialisierungsgrad des städtischen Handwerkes soll nur auf die beeindruckende Gewerbevielfalt in der metallverarbeitenden Branche Nürnbergs verwiesen werden. Siehe die (den Raum einer Buchseite einnehmende) Auflistung bei: F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.801. Die Entstehung kapitalkräftiger Handelsgesellschaften wurde durch den Umstand begünstigt, daß der Nürnberger Rat innerhalb der Stadtmauern keine Zünfte duldete. Ebenda, S.805 ff. Zur Rohstoffversorgung des Nürnberger Rüstungshandwerkes siehe: Ebenda, S.822-829. Speziell zur Versorgung mit Kupfer siehe: R. Hildebrandt, "Augsburger und Nürnberger Kupferhandel 1500-1619. Produktion, Marktanteile und Finanzierung im Vergleich zweier Städte und ihrer wirtschaftlichen Führungsschicht", in: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S. 190-224. Ähnlich günstige Ausgangsbedingungen kennzeichneten die Waffenproduktion Suhls. Siehe: H. Valentinisch, Suhler Waffenhändler, S.683. 5 Zunckel
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ganisatorischer und -technologischer Hinsicht zur weiteren "Modernisierung" der städtischen Metallverarbeitung bei. Dies galt um so mehr in jenen Fällen, in denen die Kriegsmaterialien nicht ausschließlich für den Urbanen Kontext bestimmt waren, sondern in den Export gingen. 34 So verschaffte die Produktion von Militärgütern den fortgeschrittenen metallgewerblichen Sektoren Nürnbergs und Lüttichs ein besonderes Gepräge, das diese Städte schließlich zu den wichtigsten und traditionsreichsten Rüstungszentren Europas werden ließ. Der größte frühneuzeitliche Waffenherstellungskomplex war in Nordwesteuropa im südniederländisch-niederrheinischen Raum angesiedelt.35 Ausge34
Unter der "Modernisierung" der städtischen Metallverarbeitung (speziell des Nürnberger Rüstungssektors) muß neben dem technologischen Fortschritt in erster Linie die Tendenz zur kommerziellen Konzentration der Rohstoffzufuhr und des Produktabsatzes verstanden werden: die forcierte Entwicklung der Verlagsproduktion. Dieses System war in der Lage, den Prozeß der Produktionszerlegung organisatorisch zu kontrollieren. Der an der Spitze anzutreffenden Konzentration entsprach die Livellierung der Masse von kleinen Meistern und Gesellen, deren relativ niedriges Lohnniveau gleichzeitig die Konkurrenzfähigkeit der Nürnberger Produkte auf dem internationalen Markt gewährleistete. Nur mit Hilfe dieser handelstechnischen Organisationsstrukturen konnte der überaus großen und stets schlagartig einsetzenden Nachfrage wenigstens annähernd entsprochen werden. Im Gegensatz zu anderen städtischen Gewerbebereichen ermöglichten die günstige Kriegskonjunktur und die Organisationsverhältnisse der Rüstungsbranche dem Nürnberger Militargütergewerbe in der relativ ungünstigen konjunkturellen Lage des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts bis weit hinein in den Dreißigjährigen Krieg zu florieren. Siehe: I. Bog, Wachstumsprobleme, S.527-531 und H. Maschat, Technik, Energie und Verlagswesen der spätmittelalterlichen Reichsstadt Nürnberg, München 1988. 35
A. Joris, "Probleme der mittelalterlichen Metallindustrie im Maasgebiet", in: HGbl. 87(1969), S.58-76; C. Gaier, L'industrie et le commerce des armes, speziell S. 116-149; ders., Liege Gunmaking; J. Yerneuax, Métallurgie liègoise; G. Hansotte, "La métallugie Wallone au XVI e et dans la premièr motié du XVU e siècle. Un état de la question", in: H. Kellenbenz, Eisengewinnung, S. 126-146; C. Douxchamps-Lefèvre, "Note sur la métallurgie du cuivre en pays mosan de 1500 à 1650", in: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, 41-55. Insbesondere aber: J. Lejeune, Formation du capitalisme, S.169, S.180-187, S.190-195. Erst Ende des 16. Jahrhunderts steigerte sich die Produktion auf allen Einzelgebieten schlagartig, weil sich die Nachfrage durch die spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen massiv erhöhte und die großen niederländischen Handelshäuser verstärkt den Kontakt zu den Rüstungszentren suchten. Siehe auch: H. van der Wee, "Die städtische Wirtschaft in den südlichen Niederlanden und im Fürstbistum Lüttich 1500-1700", in: V. Bestmann/F. Irsigler/J. Schneider, Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen, S.623-640.
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dehnte Produktionsstrukturen erstreckten sich vom Hennegau über die Zentren Namur, Lüttich und Maastricht, Aachen/Stolberg und Köln 3 6 bis weit in den mittelwestdeutschen Raum. 37 Im Süddeutschland verfügte Nürnberg über vergleichbare Produktionskapazitäten. Im Gegensatz zu Augsburg hatte sich Nürnberg frühzeitig auf die Massenproduktion von Feuerwaffen spezialisiert und war außerdem das führende deutsche Zentrum des Geschützgußes und der Rollmessingherstellung geworden. 38 Daneben stieg Suhl in Thüringen im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts durch die Spezialisierung auf billige Massenware für den einfachen Soldaten und durch die kommerzielle Bindung an Nürnberg zum wichtigen europäischen Produktionszentrum für Militärgüter auf. 3 9 Mit der Zuwanderung des führenden holländischen Rüstungsexperten, Louis de Geer, forcierte Schweden unter Gustav II. Adolf im Rahmen der Neugestaltung seines Kupfer- und Eisengewerbes seit 1627 den Aufbau von umfangreichen Produktionsstrukturen für Waffen und Munition. 40 Die Her36
R.A. Peltzer, "Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing (Dinanderies) in Aachen und in den Ländern zwischen Maas und Rhein von der Römerzeit bis zur Gegenwart", in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 30(1908), S.235-463; E. von Ranke, "Kölns binnendeutscher Verkehr im 16. und 17. Jahrhundert", in: HGbl. 29(1924), S.64-77, S.68-75; ders., Beziehungen Kölns, S.58, S.62, S.65 f, S.71; K. Schneider, Geschichte der Stoiberger Messingindustrie, Stolberg 1956; H. Pohl, "Kupfergewinnung, Kupferverarbeitung und Kupferhandel im Aachen-Stolberger Raum von 1500-1650", in: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S.225-240. 37 Siehe die Beiträge von H. Pohl, F. Krins, F. Geisthardt, G. Philipp und H. Dennert in: H. Kellenbenz, Eisengewinnung, S. 147-240. Zur Geschützproduktion in Westfalen und in der Grafschaft Waldeck siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.220 ff. 38 Siehe die Arbeiten von: F.M. Reß, H. Valentinisch, I. Bog, R. Stahlschmidt, K. Dettling sowie: E. Scheibe, Studien zur Nürnberger Waffenindustrie von 1450-1550, Bonn 1908. 39 H. Valentinisch, Suhler Waffenhändler, S.683 ff, A. Ernstberger, Hans de Witte, S.237 ff, 241; W. Maeßner, "Suhl und Lüttich als Großerzeuger von Schußwaffen" in: Zeitschrift für historische Waffenkunde 7(1915-17), S.254 ff. 40 F. Breedfelt van Veen, Louis de Geer, S.77-128 und N.G. Nijman, "Louis de Geer (1587-1652), vader van de Zweedse industrie?", in: TvG 104(1991), S.213-232; K.G. Hildebrandt, "Das schwedische Eisen 1500-1650", in: H. Kellenbenz, Eisengewinnung, S. 1-16; J. Kreztschmar, "Schwedische Handelskompanien und Kolonisationsversuche im 16. und 17. Jahrhundert", in: HGbl. 17(1911), S.215-246;. Bereits seit 1615 sind die ersten Handelskontakte mit Schweden dokumentiert. Partner in Schweden war Willem de Besehe. Beim Aufbau der schwedischen Schwerindustrie beim Kupferberg Falun, in Finspag und Nordköpping sowie beim Aufbau der Schieß5*
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Stellung von Rüstungsgütern ermöglichte dem schwedischen König in zweierlei Hinsicht, seinen Staat in den Reigen der europäischen Großmächte einzureihen. Einerseits bildeten die Kriegsgüter aus eigener Produktion die Basis für die ambitiösen militärischen Unternehmungen Schwedens im Dreißigjährigen Krieg. Andererseits war der seit 1632 blühende schwedische Geschützexport, der schließlich für die Verdrängung englischer Waffensysteme aus ihrer bislang führenden Marktposition mitverantwortlich war, 41 neben den schwedischen Kupferausfuhren 42 eine willkommene Geldquelle, die das an finanziellen Mitteln relativ arme Land gut gebrauchen konnte.
Zu europazentralen Vermittlungsplätzen für Militärgüter entwickelten sich seit Ende des 16. Jahrhunderts in erster Linie zwei nordwesteuropäische Hafenstädte: Amsterdam und Hamburg. Besonders für den Unbhängigkeitskampf gegen Spanien,43 aber auch für die militärische Absicherung ihrer überseeischen Unternehmungen benötigten die niederländischen Nordprovinzen große Mengen von Kriegsmaterialien aller Art, ohne jedoch auf eigenem Territorium über nennenswerte Produktionsstätten zu verfügen. Erst um 1600 kam es mit dem Eindringen von Handelskapital in die Branche zum forcierten Aufbau der niederländischen Rüstungszentren in Dordrecht, Rotterdam, Den Haag, Leuwarden, Groningen, Gouda, Utrecht und um Amsterdam.44 Mitte des 17. Jahrhunderts waren die nördlipulver- und Luntenproduktion in Ostgotland war diese Familie maßgeblich beteiligt. Dabei kamen deutsche und niederländische Fachkräfte, die hauptsächlich aus Lüttich und Aachen geworben wurden, in großem Maße zum Einsatz. 1636 wurde sogar der Versuch unternommen, die gesamte Aachener Messingindustrie nach Schweden zu ziehen. 41 G. Hammersley, "Technique or Economy? The Rise and Decline of the Early English Copper Industry, ca. 1550-1660", in: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S.l41; D.W. Crossley, "The English Iron Industry, 1500-1650: The Problem of New Techniques", in: H. Kellenbenz, Eisengewinnung, S. 17-34; C.M. Cipolla, Guns, Sails, and Empires, S.3-52. 42 K. Kumlien, "Staat, Kupfererzeugung und Kupferausfuhr in Schweden 15001650", in: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S.241-259; Für das schwedische Kupfer ergab sich seit Ende des 16. Jahrhunderts eine äußerst günstige Situation, weil der Kupferpreis durch die Drosselung der ostmitteleuropäischen Kupferausbeute, durch den Bedarf der europäischen Kriegsgüterindustrien und durch die Währungspolitik vieler europäischer Staaten (Kipper- und Wipperzeit) stark anstieg. Anfang der 20er Jahre des 17. Jahrhunderts war die Kupferkonjunktur an ihrem Höhepunkt angelangt. Siehe: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S.343 ff. 43 P.W. Klein, De Trippen, S.186 ff. 44 Ebenda, S. 191-196.
1. Entstehung des internationalen Waffenhandels
69
chen Niederlande in den Rang des großen Rüstungszentrums von überragender Bedeutung aufgestiegen. Die Schlüsselstellung Amsterdams als internationaler Waffenhandelsplatz bestand bereits seit 1609. Neben den Importen für den Eigenbedarf fungieren die Niederlande im Dreißigjährigen Krieg eindeutig als das zentrale Lieferzentrum der antihabsburgisch-protestantischen Koalitionskonstellationen.45 Die holländischen Handelshäuser verzichteten jedoch keineswegs auf Rüstungsexporte in die spanische Einflußsphäre oder an die kaiserliche Partei, denn über die Verbindungskanäle der niederländischen Emigration konnte man in Antwerpen und Hamburg auch mit feindlichen Mächten in Geschäftskontakt treten. 46 Importiert und exportiert wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts dank der ungeheueren Nachfrage in alle Richtungen. Neben dem direkten Zugang zu den baltischen Rohstoffquellen (Salpeter, Blei und Kupfer), zu denen im Laufe des 17. Jahrhunderts in immer größerem Umfang auch die überseeischen Ressourcen hinzutraten, lagen die Bezugspunkte des Amsterdamer Waffenhandels zunächst vorrangig in den Hansestädten (Hamburg, Bremen und Lübeck), im Deutschen Reich 47 und 45
Um nur einige große Beispiele herauszugreifen: 1619/20 große Waffenlieferungen Louis de Geers an Schweden; seit 1622 wiederholte Lieferungen de Geers an Graf Ernst von Mansfeld, Fürst Christian von Braunschweig und Johann von Sachsen-Weimar; 1616 und 1619 Lieferungen an La Rochelle. Siehe: F. Breedvelt van Veen, Louis de Geer, S.16 f, S.22 ff, S.38 f. Zu den Lieferungen an Friedrich von der Pfalz (1619), dem Venezianer Großauftrag an Trip/de Geer (1617), den Bestellungen Dänemarks und Frankreichs (in den Jahren 1625-27) sowie den Rüstungslieferungen derselben Unternehmergruppe an Rußland (seit 1627) siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.196 ff, S.229 ff, 284 ff. Zu den Lieferungen an Frankreich (1627-1641) und zu den Bestellungen Englands (1617-1645) siehe: V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.38. 46 Siehe: E. Baasch, Kriegsmaterialien, S.538 ff und V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.39 (zu den autorisierten holländischen Direktimporten von Rüstungsmaterialien nach Spanien 1634-1637). 47 Zum Import von Kugeln und Geschützen aus Deutschland (meist über Bremen) und zu den Kugel-, Schießpulver- und Salpeterlieferungen aus Hessen, Braunschweig und Hamburg (1598-1609) siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.187 ff. Die großen Geschützherstellungskapazitäten auf deutschem Reichsboden hätten zum Hauptbezugsquelle der Niederlande werden können. Auf Grund der territorialen Zersplitterung des Reiches und wegen des immensen Eigenbedarfes nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges kam jedoch kein Importmonopol zustande, obwohl Bremer Kaufleute 1622 die Einfuhr in die Niederlande (die um 1620 fest in deutscher Hand lag) zu monopolisieren suchten. Zum damit in Verbindung stehenden Rechtsstreit über die Produktionsstrukturen der Grafschaft Waldeck, um die sich von niederländischer Seite Elias Trip bemühte, siehe: Ebenda S.218 ff.
. Militärwirtschaftliche Grundlagen
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England48 sowie dann verstärkt in Schweden, das seit den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts vornehmlich über holländische Unternehmerkräfte an die kontinentaleuropäischen Handelsströme angeschlossen wurde.49 Vor allem aber aus Lütt ich, das nach 1492 zum größten nordwesteuropäischen Rüstungszentrum aufgestiegen war, und aus den wallonischen Metallverarbeitungszentren bezog Amsterdam Militärgüter. 50 Die Existenz eines europaweit operierenden Rüstungskonsortiums, das sich in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts um Louis de Geer und Elias Trip in Amsterdam formierte, markiert den vorläufigen Höhepunkt dieses Handelssektors. In den 30er Jahren erfuhr das Waffenhandelsimperium der Trip durch die Einbeziehung der Hamburger Familie Marseiis eine weitere Ausdehnung.51 Bis Mitte des 17. Jahrhunderts charakterisierte der Zusammenschluß dieser Großkaufleute den holländischen Militärgüterhandel. Nach 1650 ist im Zusammenhang mit der eigenständigen Produktion von Militärgütern auf niederländischem Boden eine weitere Steigerung des Handelsvolumens und die zweite Hochkonjunktur des holländischen Rüstungsexportes zu verzeichnen.52 Das kommerzielle Netz der deutschen Militärgüter hatte seine Hauptvertriebspunkte in den großen Handelszentren des Reiches. Neben Nürnberg, Frankfurt und Leipzig sowie Prag und Wien53 traten die Hansestädte Lübeck, 48
Ebenda, S.213 ff. Für die enge kommerzielle Bindung an Amsterdam wurde die politische Basis mit dem Bündnis zwischen Schweden und den Generalstaaten bereits 1614 gelegt. Kurz danach setzten die intensiven Kontakte des (zu dieser Zeit noch in Amsterdam ansässigen) Louis de Geer mit Schweden ein. Siehe: K. Kumlien, Kupfererzeugung, S.253 und P.W. Klein, De Trippen, S.327-417. 50 J. Lejeune, Formation du capitalisme, insbesondere S.169, S.194. 51 Zur schrittweisen Entstehung des holländischen Rüstungskonsortiums und den daran beteiligten Unternehmerkräften siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.208 ff, S.224 ff, S.247 if; F. Breedvelt van Veen, Louis de Geer, S.ll, S.39; H. Kellenbenz, Spanien, S.310 ff; E. Amburger, Familie Marseiis, S.35. Zur Genealogie der Familie Trip und ihren verwandtschaftlichen Beziehungen siehe: J.E. Elias, De vroedshap van Amsterdam 1578-1795, 2 Bde., Haarlem 1903-1908 (Neudruck Amsterdam 1963), Bd.I, S.549 ff, S.573 ff. 52 Zur Periodisierung der holländischen Waffenherstellung und des auf Amsterdam zentrierten internationalen Militärgütermarktes in der Sekundärliteratur siehe: V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.35-42, S.164 und P.W. Klein, De Trippen, S.196. 53 A. Ernstberger, Hans de Witte, S.214-224 und S.264 f. Zu Frankfurt vgl. auch: C. Kapser, "Handel und Militär in Frankfurt zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges", in: R. Koch (Hrsg.), Brücke zwischen den Völkern - Zur Geschichte der Frankfurter Messe, Frankfurt a.M. 1991, S.140-146. 49
1. Entstehung des internationalen Waffenhandels
71
Bremen, Hamburg und Danzig auf diesem Gebiet besonders in Erscheinung. Lieferte Danzig rüstungsrelevante Rohstoffe, so war der Militärgüterhandel seit dem 16. Jahrhundert Domäne der deutschen Hafenstädte. 54 Zunächst nahm Lübeck durch die exzellenten Handelsverbindungen zu Nürnberg, Danzig und Schweden die Schlüsselstellung für die internationale Vermittlung von Militärgütern ein. 5 5 Als baltische Handelsmacht setzte Lübeck seine bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition als internationales Waffenhandelszentrum im 16. und 17. Jahrhundert mit den Salpeterexporten aus Danzig sowie den Kupferausfuhren aus Schweden weiter fort. 56 Hamburg diente seit Ende des 16. Jahrhunderts als Exporthafen Lübecks und gewann schließlich die Oberhand. 57 Ausschlaggebend für die zentrale Vermittlungsfunktion Ham54
Siehe: E. Bäsch, Kriegsmaterialien, S.538 f und F. Breedvelt van Veen, Louis de Geer, S.18. 1622 beauftragte Gustav Adolf die schwedische Handelskompanie mit Waffenkäufen, die vorzugsweise in Lübeck und Hamburg zu tätigen waren. 55 Zum Export von Nürnberger Waffen über Lübeck, dann verstärkt über Hamburg, aber auch über Genua siehe: E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.9, S.55 f und H. Kellenbenz, "Oberdeutsche Geschütze und Harrnische für Spanien", in: Exportgewerbe und Außenhandel vor der Industriellen Revolution. Festschrift G. Zwanowitz, Innsbruck 1984, S. 199-210. Der Anteil Lübecks an der Versendung kriegsrelevanten Materials spiegelt sich auch in den Sundregistern wider. Zur Verschiffung von Kanonenkugeln im 16. Jahrhundert siehe: N.E. Bang, Tabeller over varetransporten, S.66 f, S.90 f, S.94 f, S.104 f, S.120 f, S.128 f, S.132 f, S.140 f, S.144 f, S.148 f, S.166, S.182 f, S.190 f, S.198 f, S.262 f. Siehe auch: P. Jeannin, "Le commerce du Lübeck aux environs de 1580", in: AESC 16(1961), S.36-65; ders., "Die Rolle Lübecks in der hansischen Spanien- und Portugalfahrt des 16. Jahrhunderts", in: ZVLGA 55 (1975), S.5-40; F. Irsigler, "Hansischer Kupferhandel im 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts", in: HGbl. 97(1979), S.15-35; K. Kumlien, "Stockholm, Lübeck und Westeuropa zur Hansezeit", in: HGbl. 71(1952), S.9-29. 56 F. Sie wert, Geschichte und Urkunden der Rigafahrer in Lübeck im 16. und 17. Jahrhundert, Berlin 1897; W. Vogel, "Beiträge zur Geschichte der deutschen Seeschiffahrt im 17. und 18. Jahrhundert", in: HGbl. 53(1928), S.110-152; E. HarderGersdorf, "Zur Frage der Lübecker Rußlandimporte durch Rigafahrer im 17. Jahrhundert", in: ZVLGA 56(1976), S.61-78; ders., "Lübeck, Danzig und Riga, Ein Beitrag zur Frage der Handelskonjunktur im Ostseeraum am Ende des 17. Jahrhunderts", in: HGbl. 96 (1978), S. 106-138; A.F. Cowan, The Urban Patriciate. Lübeck and Venice, 1580-1700, Köln/Wien 1986, S.19 ff. 57 E. Baasch, "Die Durchfuhr in Lübeck. Ein Beitrag zur Geschichte der lübischen Handelspolitik im 17. und 18. Jahrhundert", in: HGbl. 34(1907), S. 109-150; A. Jürgens, Zur Schleswig-Holsteinischen Handelsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, Berlin 1914, S.110 ff; A. v. Brand, Hamburg und Lübeck, S.20 ff; H. Kellenbenz, Spanien, S.325-331; K. Kumlien, Kupfererzeugung, S.242 f.
III. Militärwirtschaftliche Grundlagen
72
burgs waren in erster Linie der kommerzielle Zugang zu den baltischen Märkten (vornehmlich über Lübeck), die strikte Neutralitätspolitik der Stadt und die guten Beziehungen zu England, das Hamburg 1611 zum Hauptstapelplatz auf dem Kontinent erkoren hatte. Hinzu kamen die regen Austauschbeziehungen zu Nürnberg sowie die handelsstrukturelle und verwandtschaftliche Verknüpfung des hansestädtischen Unternehmertums mit den niederländischen Handelshäusern in Antwerpen und Amsterdam.58 Neben der Eigenproduktion von Kriegsgütern bezog Hamburg vermutlich große Mengen an Rüstungsmaterial aus den Vereinigten Niederlanden und Schweden.59 Andererseits vermittelte die Stadt militärrelevante Güter über Antwerpen vornehmlich nach Spanien oder über Hans de Wittes Hauptfaktor in Hamburg, Walter de Hertoghe, an die kaiserliche Partei.60 Neben den im Kupfer- und Militärgüterhandel engagierten Familien (wie z.B. den Rodenburg-de Greve-Ruland, den Van Uffeln-Berenberg-Haesdonck sowie der Gruppe Verpoorten-Ruland-Groenedael, die bereits vor den Marseiis eng mit dem Amsterdamer Konsortium um Elias Trip zusammenarbeitete) hat anscheinend ein großer Teil der in Hamburg ansässigen Handelshäuser am internationalen Kriegsgüterhandel der Stadt partizipiert. 61 Steht die von Amsterdam und Hamburg wahrgenommene Funktion als europazentrale Anbieter für Kriegsmaterialien in der Forschung außer Zwei58
E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.19 ff; G.D. Ramsay, "Hamburg and the English Revolution", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.II, S.423-439; H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.300 ff; A. v. Brandt, "Die Hansestädte und die Freiheit der Meere", in: Lübeck, Hanse und Nordeuropa. Gedächtnisschrift A. v. Brandt, Köln/Wien 1979, S.80-96. 59 Zur Hamburger Eigenproduktion von Kriegsmaterial siehe: A. Jürgens, Schleswig-Holsteinische Handelsgeschichte, S.30 ff und R.A. Peltzer, Messingindustrie, S.333. Zur umfangreichen Einfuhr von Kriegsmaterial aus Holland 1622-1634, siehe: E. Baasch, Kriegsmaterialien, S.541 und ders., Hamburgs Seeschiffahrt, S.404 ff. Zum Hamburger Anteil an den schwedischen Lieferungen, der auf Grund der bestehenden familiären Verknüpftingen mit den Niederlanden und angesichts der politischen Lage zwar groß, aber letztlich doch nur ein "Ableger" der zunehmend auf Amsterdam zentrierten schwedischen Kupferströme war, siehe: H. Kellenbenz, Kupferpmduktion, S.344 ff. 60 Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.333 und A. Ernstberger, Hans de Witte, S.214, S.216, S.219. 61 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.84, S.190 ff S.127 ff, S.201 ff, S.226 ff, S.235, S.327. Größere Einzelgeschäfte sind in diesem Zusammenhang jedoch leider nur selten dokumentierbar, obwohl die zentrale Funktion des Hamburger Unternehmertums im internationalen Waffenhandel allgemein außer Frage steht. Siehe zu einem Einzelbeispiel: K. Richter, Hamburgs Iberienschiffahrt, S.91 ff.
1. Entstehung des internationalen Waffenhandels
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fei, so harrt die genauere Durchdringung der Marktbedingungen und Handelsstrukturen dieses Wirtschaftssektors einer umfaßenden Erforschung. Insbesondere die Identifizierung der mit dem frühneuzeitlichen Rüstungshandel befaßten Unternehmerkräfte und ihrer internationalen Geschäftsverbindungen sowie die Einbettung des Militärgüterhandels in andere Handelsaktivitäten steht, vor allem in Bezug auf Hamburg, noch aus. Der Handel mit Kriegsgerät unterschiedlicher Provenienz wurde für die internationale Kaufmannschaft zu einem lohnenden Betätigungsfeld, da ohne deren Kooperation und ohne ein weitverzweigtes Netz von Geschäftsbeziehungen der militärische Bedarf kaum gedeckt werden konnte. Die Dienste der europäischen Handelshäuser wurden für die frühmodernen Staaten gerade auf dem Verteidigungssektor unverzichtbar. Am gesamteuropäischen Waffenhandel waren weite Großkaufmannskreise beteiligt, ohne sich besonders auf den Rüstungshandel zu konzentrieren.62 Das die internationale Großkaufmannschaft auszeichnende Charakteristikum der Vielseitigkeit galt besonders für den Rüstungsbereich.63 So betätigten sich Unternehmerkräfte, die beispielsweise hauptsächlich im Textil- oder Getreidegeschäft engagiert waren, am Militärgüterhandel, falls ihr Geschäftsnetz dazu die Möglichkeit bot. Gleichzeitig konnte über den Handel mit Warengruppen des "friedlichen Bedarfes" der 62
Vgl. die Auflistung der für Hans de Witte und die kaiserliche Partei im Dreißigjährigen Krieg tätigen Handelshäuser. Involviert waren die Amman, Pestalozzi, Zobel, Flandrini, Blommaert, Sepossi, de Hertoghe und Vertema. Diese Kaufleute kümmerten sich nicht nur um die reibungslose Bereitstellung von Geldmitteln, sondern waren auch bei der Vermittlung von Rüstungsgeschäften beteiligt. Die Einbeziehung auffällig vieler niederländischer und italienischer Handelshäuser in das kaiserliche Bezugssystem demonstriert die feste Verankerung der militärischen Bezugsstrukturen im internationalen Austauschgefüge der Zeit. Siehe: A. Ernstberger, Hans de Witte, S.216 ff. Sucht man nach den im Militärgüterhandel tätigen großen Nürnberger Handelsunternehmen, müssen sicherlich die mit dem Kupferhandel befaßten Handelshäuser (wie die Fürer, die Weiser, die Imhoff und die Pfinzing) in Betracht gezogen werden. Leider tauchen nur vereinzelt einige Zeugnisse über derartige Aktivitäten in den Quellen auf. So schlossen 1601 Christoph Fürer und Christoph Örtel im Verbund mit Hans Klett in Suhl ein Geschäft mit Schweden zwecks Rüstungslieferungen ab. Siehe: F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.825. Neben der Betätigung der Stromer im mittelalterlichen Salpetergeschäft (siehe: B. Rathgen, Geschütz im Mittelalter, S.99 f) sind Anhaltspunkte vorhanden, daß sich auch die Holtzschuher, Paumgärtner und Haller (1544) auf diesem Sektor betätigten. Siehe: F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.811. Zur Beteiligung der Schetz am Militärgüterhandel siehe: J. Lejeune, Formation du capitalisme, S. 194 f. 63
Siehe: F. Braudel, Der Handel, S.411-415. Lediglich kleine und mittlere Unternehmer spezialisierten sich auf Einzelbereiche.
. Militärwirtschaftliche Grundlagen
74
Transfer von Militärgütern gut getarnt werden. Handelshäuser, die direkt oder über andere Kaufleute Kontakte zu Hof- oder Regierungskreisen hielten, beteiligten sich ebenfalls am Rüstungshandel.64 Auf Grund der extremen Grundstoffabhängigkeit dieses Wirtschaftsbereiches scheinen naturgemäß diejenigen Handelshäuser, die auf dem Metallsektor (Kupfer, Eisen, Blei, Zinn) aktiv waren, für eine Betätigung im Rüstungshandel prädestiniert gewesen zu sein. 65 Vor allem Großkaufleute, die mit den europäischen Produktionszentren für Kriegsgüter (wie z.B. Nürnberg) und den Hauptbezugsquellen für militärrelevante Rohstoffe (wie z.B. Danzig) in Beziehung standen, können als potentielle Vermittler von Kriegsmaterialien in Betracht gezogen werden. 66 Rüstung wurde für die Spitzenkräfte des europäischen Unternehmertums zum großen Geschäft, natürlich nur wenn die ureigensten Handelsinteressen nicht zu stark vom Kriegsgeschehen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Ausbildung monopolartig zusammengeschlossener, auf den internationalen Metall·, Salpeter- und Waffenhandel ausgerichteter Handelskonsortien ist deshalb kaum verwunderlich. 67 Weiterhin spezialisierten sich einzelne Handelshäuser 64
Die italienischen Handelshäuser Pestalozzi, Vertema und Carlo Albertineiii in Graz und Wien standen in Verbindung zu Nürnberg und arbeiteten eng mit den Hofbehörden zusammen. Ihre Betätigung als Heereslieferanten ist deshalb nicht weiter verwunderlich. Siehe: H. Valentinisch, Italienische Unternehmer, S.695 ff; ders., Nürnberger Waffenhändler, S.179; L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.90, S.135, S.179-185. 65 Beispielsweise waren die Nürnberger Behaim im Militärgüterhandel aktiv. Siehe: F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.824, W. Schultheiß, "Geld- und Finanzgeschäfte Nürnberger Bürger vom 13.-17. Jahrhundert", in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd.I, S.49-116, S.84; C. Schaper, "Die Beheim - Eine Geschützund Glockengießerfamilie in Nürnberg (1350-1600)", in: MVGN 51(1962), S.160213. Zum Kölner Großverläger in Waffengeschäften, Anton Frey-Aldenhoven, der die Aachener, die niederrheinische und Teile der südniederländischen Metallindustrie für sich arbeiten ließ, siehe: A. Ernstberger, Hans de Witte, S.244 ff. 66 Siehe hierzu die Liste der Hamburger Nürnberghändler bei: E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.30 ff und L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.49-89. 67 An erster Stelle ist natürlich das Rüstungskonsortium um Elias Trip und Louis de Geer zu nennen, in das weite Kreise der Amsterdamer Kaufmannschaft einbezogen waren. Zur Hamburger Großkaufmannschaft, über deren Aktivitäten konkret am wenigsten bekannt ist, siehe: H. Kellenbenz, Spanien, S.318 und ders., Unternehmerkräfte, S.84, S.127 ff, S.190 ff, S.201 ff, S.235, S.326 ff. Zu den Aktivitäten des Lütticher Rüstungsexperten Jean Curtius, der die Waffen- und Schießpulvernachfrage der spanischen Niederlande bis zu seinem Tod im Jahre 1628 monopolisierte, siehe: J. Lejeune, Formation du capitalisme, S.279-304 und I.A.Α. Thompson, War and Government, S.253 f.
1. Entstehung des internationalen Waffenhandels
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von mittlerer Größe auf das Rüstungsgeschäft.68 Die Kriegskonjunktur indizierte Veränderungen in den Warenstrukturen einzelner Handelsunternehmen, insofern sie den nötigen kommerziellen Weitblick besaßen und der allgemeinen politischen Lage Rechnung trugen. Wie verschiedene Einzelbeispiele beweisen, konnten die mittleren Schichten der europäischen Großhandelskreise von der Rüstungskonjunktur, an die sie sich nolens volens anpassen mußten, profitieren. 69
68
Die Quellenlage für diese Handelshäuser ist generell besser. Als Rüstungsunternehmer mittlerer Größe sind in Nürnberg Hanns Fürst und Jacob Sesar (1557) sowie Michael Frank (1579) in den Quellen erwähnt. Siehe: F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.810. Einer der wichtigsten Großverläger und Hauptlieferant für die Steiermark war bis zu seinem Tod (1587) Georg Sohner, danach sein Sohn Egidius Sohner. Einer seiner größten Konkurrenten war bis 1582 Andre Egghold. Siehe: H. Valentinisch, Nürnberger Waffenhändler, S.171 ff. Als Großlieferanten für die Steiermark traten (1616-1626) u.a. die Nürnberger Leonhard Schöner und Tobias Herbst auf. Siehe: Ebenda S.179 und ders., Suhler Waffenhändler, S.683 f. Als weiterer Rüstungshändler von schon beachtlicher Größe erscheint in den Quellen (1624/25) Michael Schreck. Siehe: F.M. Reß, Nürnberger Briefbücher, S.815 f. Lorentz Hentz gehörte 1499 zu den Nürnberger Pulverhändlern. Hans Heer und Sebald Heinz lieferten 1614 in die Steiermark. Siehe: H. Valentinisch, Nürnberger Waffenhändler, S.177. Den Vertrieb der Suhler Waffenerzeugnisse teilten sich im Dreißigjährigen Krieg in erster Linie zwei große Handelsgesellschaften: die Firma von Valentin Schneider und die Gesellschaft um Niklas Jung, Georg Klett und Matthias Herlein. Siehe: Ders., Suhler Waffenhändler, S.685 f. Daneben trat Valentin Cronenberger als Hauptfaktor Hans de Wittes in Erscheinung. Siehe: A. Ernstberger, Hans de Witte, S.223, S.245. Zu den Rüstungshändlern Lüttichs, Wathier Godefrin, Laurent Butbach und Jean Curtius sowie zu seinem größten Konkurrenten, dem Antwerpener Kaufmann Jacques le Roy, siehe: J. Lejeune, Formation du capitalisme, S.268-304. 69
So der Stralsunder Kaufmann Johann von Scheven. Gemäß dem kriegerischen Charakter seiner Zeit traten zu den von ihm gehandelten traditionellen Waren Produkte der Kriegsgüterpalette hinzu. Den Anfang dieser Entwicklung bildete 1628 die Lieferung von einer Schute Kriegsmaterial an seine bedrängte Vaterstadt Stralsund. Danach begann für ihn und seinen Kompagnon, Joachim Meincke, die Zeit gewinnbringender Geschäftsbeziehungen mit Schweden, für das die beiden Geschäftsleute (16291636) als Heereslieferanten tätig waren. Faktor in Hamburg wurde Peter Scherenberg. Faktor in Amsterdam war Moritz Zooms. Die Firma lieferte aber auch an die kaiserliche Partei. Während des Krieges konnten diese Geschäftsleute ihr Vermögen verdreifachen. Siehe: K.F. Olchenowitz, Handel und Seeschiffahrt der späten Hanse, Weimar 1965, S.131 ff.
III. Militärwirtschaftliche Grundlagen
76 ENGLAND (Geschützproduktion)
SCHWEDEN Kupferexport Geschützexport
RUSSLAND
DE GEER,
INDIEN Salpeterexporte nach Europa seit den 20er Jahren
DANZIG Hauptbezugsquelle für europäischen Exportsalpeter LÜBECK
ιι
AMSTERDAM Waffenhandelszentrum vornehmlich der antihabsburgischen Kräfte
4HAMBURG Waffenhandelszentrum militärrelevante Exporte nach Spanien
TRIP-DE GEER-BARTOLOTTI * MARSELIS
(Monopolkreise)
VAN UFFELN-BERENBERG GROENDAAL & VERPOORTEN RODENBURG-DE GREVE-RULAND MARSELIS (DÄNEMARK)
ANTWERPEN 4 Vermittlung nach Spanien durch italienische und südniederländische Handelshäuser
LUTTICH-NAMUR-MAASTRICHT AACHEN/STOLBERG-KÖLN Südniederländisch-niederrheinischer Herstellungskomplex für Rüstungsgüter CURTIUS-FREY-ALDENHOVEN
DORCHI-MAGGIOLI-ANDREA
NÜRNBERG — Waffenindustrie ALBERTI NELLI SOHNER-EGGHOLD SCHÖNER-HERBERT
SPANIEN
SUHL Waffenindustrie SCHNEIDER JUNG/KLETT HERLEIN
ι
* ITALIEN
OSTERREICH
TRIP-QUINGUETTI CALANDRINI-BARTOLOTTI HURREAU
PESTALOZZI-VERTEMA FERRARI
Abb. 1: Grundstrukturen des internationalen Militärgüterhandels in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
77
Insbesondere ein Einzelbereich des Rüstungsgeschäftes eröffnete im Dreißigjährigen Krieg eine profitable Gewinnquelle: der Handel mit Schießpulver und Salpeter. Da der Verbrauch von militärischem Explosivstoff gerade in dieser Zeit beträchtlich anstieg, veränderten sich die Bedingungen für den Bezug dieser Ware grundlegend. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich erstmals ein internationaler Markt für Salpeter, der relativ stabile Strukturen aufwies. Entstehung und Grundbedingungen dieses Handelssektors sollen im folgenden Untersuchungsabschnitt analysiert werden.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter und Schießpulver in der Frühen Neuzeit Die Ursprünge der Schießpulvererfindung liegen bis heute noch im Dunkeln.70 Seit dem Spätmittelalter revolutionierten die bahnbrechenden Erfindungen des Geschützwesens und der Handfeuerwaffen das europäische Kriegswesen in einem langsamen Entwicklungsprozeß. Der Siegeszug der Feuerwaffe ist, auf Basis der einschlägigen Sekundärliteratur, in vier Phasen zu unterteilen:71 Einer Experimentieiperiode, die ungefähr Mitte des 14. Jahrhunderts auslief und an deren Ende die neue Technologie in Europa allgemein bekannt war, 72 folgte eine Übergangszeit, in der die Explosivtechnik ihren zunächst nur sporadischen Einzug in die Kriegspraxis hielt. Der Einsatz von Geschützfeuer in den Hussitenkriegen (1419-1436) und der kriegsentscheidende Gebrauch von Bombarden im Hundertjährigen Krieg (1339-1453) markierten den Durchbruch der neuen Kriegstechnik.73 Der sich daran an70
Vgl.: K.G. Zinn, Kanonen und Pest, S.120 ff, J.R. Partington, Greek Fire, S.298-314; F. Braudel, Der Alltag, S.418 ff; J. Needham, Science and Civilization in China Bd.V, Teil 7: Military Technology - The Gunpowder Epic, Cambridge 1986. Vermutlich stammte das Pulver aus China oder aus dem arabischen Raum. 71 Einteilung orientiert an: K.G. Zinn, Kanonen und Pest, S.114. 72 Ebenda, S.222 f. 73 V. Schmidtchen, "Karrenbüchse und Wagenburg - Hussitische Innovationen zur Taktik des Kriegswesens im späten Mittelalter", in: V. Schmidtchen/E. Jäger (Hrsg.), Wirtschaft, Technik und Geschichte. Beiträge zur Erforschung der Kulturbeziehungen in Deutschland und Osteuropa. Festschrift für A. Timm, Berlin 1980, S.83-108; K.B. McFarlane, "War, Economy, and the Hundred Years' War", in: PP 22(1962), S.3-17; C.T. Allmand (Hrsg.), Society and War. The Experience of England and France during the Hundred Years' War, Edinburgh 1973; P. Contamine, "Consomation et demande militaire en France et en Angleterre, Xm e -XV e siècles", in: V. Bargagli Bagnoli, Domanda e consumi, S.409-428.
78
. Militärwirtschaftliche Grundlagen
schließende Verbreitungsprozeß wurde in der dritten Phase seit Mitte des 15. Jahrhunderts durch eine allgemeine waffentechnische Differenzierung und Vervollkommnung sowie durch die schrittweise Ausdehnung der Produktionskapazitäten begleitet. Diese Entwicklungen wurden in erster Linie durch die Fortschritte auf den Gebieten des Bronze-, Kupfer- und Messinggusses ermöglicht. Im 16. Jahrhundert wurden diese Technologiebereiche durch das Aufkommen und die Perfektionierung des Eisengußverfahrens für militärische Zwecke ergänzt und schließlich von diesem überflügelt. 74 Die Fortschritte auf dem metallverarbeitenden Produktionssektor flankierten die Erfindungen des gekörnten Pulvers (1420er Jahre) und des Luntenschlosses (um 1450) sowie die Einführung der Lafette. Diese drei Entwicklungen waren für den Erfolg der neuen Waffentechnolgie von zentraler Bedeutung.75 Hinzu kamen die 74
Der Ende des 15. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Hochofentechnik für militärische Zwecke stark forcierte Eisenguß konnte den ihm in qualitativer Hinsicht überlegenen Bronzeguß jedoch bis ins 17. Jahrhundert nicht verdrängen. Obwohl Eisengeschütze ungefähr um ein Drittel billiger waren als vergleichbare Bronzeprodukte, vollzog sich der entscheidende Durchbruch des Eisens wohl erst im Laufe des 18. Jahrhunderts. Die Eisengußtechnik war jedoch schon frühzeitig für die Herstellung von Munition (Kanonenkugeln) von erheblichem militärischen Belang. Siehe: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S.324-330; ders., Eisengewinnung, S.397-431; E. Kothe, "Kriegsgerät als Schrittmacher der Fertigungstechnik", in: Technikgeschichte 30 (1941), S. 1-8. 75 K.G. Zinn, Kanonen und Pest, S.286 ff; V. Schmidtchen, Bombarden, S.12101; ders., Kriegswesen im späten Mittelalter. Technik, Taktik, Theorie, Weinheim 1990; ders., "Technik im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit zwischen 1350 und 1500. Strukturwandel im Kriegswesen", in: W. König (Hrsg.), Propyläen Technikgeschichte Bd.Π (1000-1600): Metalle und Macht, Frankfurt a.M./Berlin 1992, S.266355. Mit der Erfindung des gekörnten Pulvers wurde die Treibkraft erheblich erhöht und die hygroskopische Eigenschaft des Pulvers eingedämmt. Dadurch konnten erstmals mittlere Geschütze von mauerbrechender Kraft auf breiter Front eingesetzt werden. Außerdem lieferten die Erfindung des gekörnten Pulvers und die Entwicklung eines praktikablen Zündmechanismus die Hauptvoraussetzung für die Entwicklung der Handfeuerwaffen seit Mitte des 15. Jahrhunderts. Erst um 1710 ersetzte man die Luntenschlösser durch Feuersteinschlösser, die bereits 1615 erfunden wurden, zunächst aber trotz doppelter Feuergeschwindigkeit und nur 33% Versagerquote als zu teuer erachtet wurden. Mit der Lafette (seit 1380 bekannt, aber erst mit der Massenproduktion von Kanonen im 15. Jahrhundert von Bedeutung) wurde die Geschützfront beweglich, so daß die Feldartillerie ihren endgültigen Einzug in das Kriegsszenario hielt. Siehe: W.H. McNeill, Krieg und Macht, S.365 und E. Stenzel, "Die Entwicklung der Artillerie zu einer Waffengattung im spätfeudalen Militärwesen (17.-18. Jahrhundert), in: Militärgeschichte 15(1976), S.211-223.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
79
Standardisierung der Kalibersysteme und die Perfektionierung der Geschoßherstellung, 76 so daß der eigentliche Durchbruch zur Großproduktion von Kriegsgütern der modernen Generation spätestens seit Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgte. In dieser Epoche der grundsätzlichen Ausrichtung des Militärwesens auf die neue Kriegstechnik spiegelte sich die große Bedeutung der innovativen Feuerwaffentechnolgie für den protoindustriellen Fortschritt und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung auch auf dem "Wissenschaftssektor" wider, wie die zahlreichen und über ganz Europa verteilten waffentechnischen Handschriften beweisen.77 Anfang des 16. Jahrhunderts, also zu Beginn des 76
Siehe: K.G. Zinn, Kanonen und Pest, S.288 und V. Schmidtchen, Bombarden, S.83-119. Für die Massenproduktion von Geschützen und Munition wurde die Standardisierung der Geschützsysteme unverzichtbar und unter den Kaisern Maximilian I. und Karl V. durchgesetzt. Grundlage bildete das von Georg Löffler entwickelte Nürnberger Kalibersystem, das bis ins 19. Jahrhundert seine Gültigkeit behielt. Wurden in der Frühzeit des Geschützwesens vorrangig Steinkugeln verwendet, so verschossen leichtere Geschütze bereits Anfang des 15. Jahrhunderts Blei- und Eisenkugeln. Hohlkugeln waren seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bekannt und hatten sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts weithin durchgesetzt. Eisenkugeln wurden seit Ende des 15. Jahrhunderts auch für die schwere Belagerungsartillerie verwandt. 77 Zum großen Raum, den kriegstechnische Thematiken in der protowissenschaftlichen Literatur, den praktisch ausgerichteten "Technologiehandbüchern" dieser Zeit, einnahmen, siehe: J.R. Partington, Greek Fire, S. 144-179. Neben dem wohl verbreitetsten und bekanntesten pyrotechnischen Traktat von Vanoccio Biringuccio, "De la Pirotechnia", 1540 posthum erschienen (in englischer Übersetzung hrsg. von: C.S. Smith, Cambridge Mass. 1966), sind für den deutschen Raum vor allem die kriegstechnische Schrift des Conrad Keyser aus Eichstätt, "Bellifortis", entstanden vor 1405 (hrsg. von G.v. Quarg, 2 Bde, Düsseldorf 1967), das "Feuerwerksbuch" eines nicht näher zu identifizierenden Autors, entstanden um 1420 (hrsg. von W. Hassenstein, Neudruck des Erstdruckes aus dem Jahre 1529 mit Übertragung ins Hochdeutsche und Erläuterungen, München 1941) sowie die militärtechnischen Ausführungen im "Mittelalterlichen Hausbuch", ca. 1475-1485 in Süddeutschland (Heidelberg oder Speyer) entstanden (hrsg. von H.T. Bossert und W.F. Stock, Leipzig 1912), zu erwähnen. Vgl. auch: F. Klemm, "Die Rolle der Technik in der Renaissance. Biringuccio und Tartaglia", in: Technikgeschichte 32(1965), S.221-243 und E. Knobloch, "Marino di Jacopo detto Taccolas 'De machinis'. Ein Werk der italienischen Frührenaissance", in: Ebenda 48(1981), S.l-27. Dieses Übergewicht von waffentechnischen Argumenten ist für K.G. Zinn, Kanonen und Pest, S.29 f, ein Indikator seiner Hauptthese von einem grundlegenden Richtungswechsel in der Technikentwicklung. Seit dem 14. Jahrhundert trug der technische Fortschritt kaum noch zum Produktivitätsfortschritt bei, sondern war nur noch Ausdruck des der europäischen Gesellschaft innewohnenden Gewaltpotentials.
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III. Militärwirtschaftliche Grundlagen
Zeitalters der Europäischen Expansion, verfügte Europa über ein grundlegend erneuertes militärisches Potential von komplexer Überlegenheit,78 dessen technisches Niveau im 16. und 17. Jahrhundert zwar perfektioniert, bis ins 19. Jahrhundert substantiell aber kaum gesteigert wurde.79 Die Fortschritte in der Waffenproduktion führten seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts dazu, daß die neuen Techniken mit der Entwicklung einer effizienten Schiffsartillerie, einer ausgebildeten Feldartillerie und einem schon beachtlichen Handfeuerwaffenarsenal ihren massiven Eingang in das europäische Kriegsszenario fanden. Die frühneuzeitliche Rüstungsspirale befand sich auf ihrem (ersten) Höhepunkt. Für den zunehmenden Einsatz der Explosivtechnologie auf den europäischen Kriegsschauplätzen wurden nicht nur große Mengen von Metallprodukten des militärischen Bedarfes wie Geschütze, Handfeuerwaffen und Kanonenkugeln neben den traditionellen Warengruppen Lanzen, Piken, Rüstungen u.ä. gebraucht. Immer wichtiger wurde die ausreichende Versorgung mit dem notwendigen Explosivstoff, nämlich dem Schießpulver. In jüngster Zeit ist die Behandlung protochemischer Thematiken in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt.80 Sowohl die alkalischen Universalchemikalien,
78
Siehe: C. Rahn Phillips, "The Growth and Composition of Trade in the Iberian Empires 1450-1750", in: J.D. Tracy, Rise of Merchant Empires, S.34-101, S.49 und Ν. Steensgaard, Violence and the Rise of Capitalism, S.247 ff. 79 Mit der Einführung des Bajonetts (ca. 1690) wurde der Innovationsschub in der Feuerwaffentechnologie beendet. Siehe: W.H. McNeill, Krieg und Macht, S.129 und V. Schmidtchen, Bombarden, S.7. Lediglich die Standardisierung der Waffensysteme im 17. Jahrhundert führte zur stark erhöhten Produktivität und drastisch gesunkenen Stückkosten in der Rüstungsproduktion. Standardisierung und Schabionisierung wurden im 18. Jahrhundert auch auf die industriellen Produktionsvorgänge angewandt. Siehe: J.A.A. Doom, The Soldier and Social Change: Comparative Studies in the History and Sociology of the Military, Beverly Hills 1973, S. 17-33 und L. Mumford, Technics and Civilization, New York 1934, S.81-106. 80 Siehe: J. Mittelstrass/G. Stock (Hrsg.), Chemie und Geisteswissenschaften. Versuch einer Annäherung, Berlin 1992 und G. Schwedt (Hrsg.), Chemie zwischen Magie und Wissenschaft. Ex Bibliotheca Chymica, Berlin 1991. Vgl. auch: J.A. Mendelsohn, "Alchemie and Politics in England, 1649-1655", in: PP 135 (1992), S.30-78. Zu den naturwissenschaftlichen Problemen der Schießpulvermaterie in historischer Perspektive siehe: S.H. Mauskopf, "Gunpowder and the Chemical Revolution", in: Osiris 4(1988), S.93-118 und ders., "Chemistry and Cannon: J.-L. Proust and Gunpowder Analysis", in: TC 31(1990), S.398-426.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
81
Pottasche und Waidasche,81 als auch der Einsatz von Explosivstoffen im frühneuzeitlichen Bergbau82 fanden in diesem Zusammenhang eine nähere wirtschaftshistorische Behandlung. Umfassende Detailstudien über die Marktbedingungen und Preisbewegungen für den militärstrategisch unverzichtbaren Rohstoff Salpeter fehlen allerdings noch.83 81
J.V.T. Knoppers/R.V.V. Nicholls, "Der Ostseeraum und der Welthandel mit Pottasche im Rahmen der chemischen Technologie 1650-1825", in: K. Friedländer/F. Irsigler (Hrsg.), Seehandel und Wirtschaftswege Nordeuropas im 17. und 18. Jahrhundert, Ostfildern 1981, S.59-83; M. Bogucka, "Der Pottaschehandel in Danzig in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", in: Hansische Studien, Bd.IV, Weimar 1984, S. 147-152; R. Gelius, "Der europäische Seehandel mit Waidasche und Pottasche von 1500-1650", in: Jhb.WG 111(1985), S.59-72; ders., "Waidasche und Pottasche als Universalalkali für die chemischen Gewerbe des Ostseeraumes im 16./17. Jahrhundert", in: Hansische Studien, Bd.VII, Weimar 1986, S.91-108. 82 R. Burt, "The International Diffusion of Technology in the Early Modern Period: The Case of the British Non-ferrous Mining Industry", in: EHR 44 (1991), S.249-271; G.J. Hollister-Short, "Gunpowder and Mining in Sixteenth and Seventeenth Century Europe", in: History of Technology 10 (1985), S.31-66; R. Vergani, "Gli inizi dell'uso della polvere da sparo nell'attività mineraria: il caso veneziano", in: Studi Veneziani 3(1979), S.97-140; J. Vozar, "Der erste Gebrauch von Schießpulver im Bergbau. Die Legende von Freiberg - die Wirklichkeit von Banska Stiavnica", in: Studia Historica Slovaca 10(1978), S.97-140. 83 Als Standardwerk gilt das bereits mehrfach zitierte Buch von J.R. Partington. Es handelt sich hierbei jedoch um keine Handelsgeschichte. Herstellung und Vertrieb von Explosivstoffen werden nicht ausführlich behandelt. Siehe auch: H.W. Prinzler, Pyrobolia. Von griechischem Feuer, Schießpulver und Salpeter, Leipzig 1981. Vgl. für die Zeit nach 1700: O. Guttmann, The Manufacture of Explosives, 2 Bde., London 1985; G. Crocker, The Gunpowder Industry, Aylesbury 1986; R.P. Multhauf, "The French Crash Program for Salpeter Production, 1776-1794", in: TC 12 (1971), S.163-181. Mit der Lösung der Salpeterfrage war die Behandlung dieses Problemkomplexes seit der Jahrhundertwende für lange Zeit in Vergessenheit geraten. Vgl. die älteren Studien von: O. Thiele, Salpeterwirtschaft; H.W.L. Hime, Gunpowder und Ammunition. Their Origin and Progress, London/New York/Bombay 1904; J. Romocki, Geschichte der Explosivstoffe, 2 Bde., Berlin 1895/96; R. Wagner, Handbuch der chemischen Technologie, Leipzig 1886; A. Stettbach, Die Schieß- und Sprengstoffe, Leipzig 1933; V. Muthesius, Zur Geschichte der Sprengstoffe und des Pulvers, Berlin 1941. Ein (handelshistorischer) Neuansatz findet sich bei: M. Bogucka, "Salpeter Production and Salpeter Trade Between Gdansk and Amsterdam in the First Half of the Seventeenth Century", in: W.G. Heeres, From Dunkirk to Danzig, S.167-170. 6 Zunckel
. Militärwirtschaftliche Grundlagen
82
Schwarzpulver bestand aus einem Gemenge von Kaliumnitrat (Kalisalpeter KNO3 oder Natronsalpeter NaN0 3 ) als Hauptbestandteil, Kohlenstoff (Holzkohle) und Schwefel im optimalen Mischungsverhältnis von 75:13:12. 84 Diese Inhaltsstoffe wurden in Pulvermühlen fein gemahlen, gemischt, gepreßt, zerkleinert und gesiebt. Stellte die Versorgung mit Schwefel und Holzkohle 85 im frühneuzeitlichen Europa kein Problem dar, so war die Versorgungslage für Salpeter durch eine allgemeine, latente Mangelsituation gekennzeichnet. Bis zur Verwendung von salpetersaurem Natrium, dem sogenannten Chilesalpeter seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, 86 bzw. bis zur Einführung des Nitroglyzerins, der Schießbaumwolle und der gelatinierten Nitrozellulose in der zweiten Jahrhunderthälfte, war man bei der Herstellung militärischer Explosivstoffe ausschließlich auf den in Europa verfügbaren Kalisalpeter angewiesen oder mußte auf indischen Salpeter zurückgreifen, der erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts in großen Mengen nach Europa eingeführt wurde. 87 Die natürlichen Lagerstätten reinen Kaliumnitrats in Ungarn (Pußtagebiete des Alföld im oberen Theißgebiet), Polen, Galizien, Südspanien und Südfrankreich 84
Zu den stark variierenden Mischungsverhältnissen des Schießpulvers siehe: J.R. Partington, Greek Fire, S.324-329 und Β. Rathgen, Geschütz im Mittelalter, S.101 ff. Seit Tartaglia galt in der Frühen Neuzeit allgemein die Mischung von 6:1:1 als optimal. Dies änderte sich erst nach der Französischen Revolution. Von nun an wurde 75:12,5:12,5 als das beste Verhältnis angesehen. 85 Schwefel wurde in erster Linie aus Süditalien (Pozzuoli bei Neapel) bezogen, kam aber auch aus Schweden und Island. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.72. 86 J.V.Th. Knoppers/ R.V.V. Nicholls, Welthandel mit Pottasche, S.68; R. Wagner, Chemische Technologie, S.176 f; O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.213. Die breite Verwendung von Natronsalpeter wurde erst durch die Entdeckung des Konvertverfahrens (d.h. die Überführung des salpetersauren Natrions mit Hilfe billiger Kalistoffe in Kalisalpeter) möglich. 87 Salpetererde kann eigentlich überall durch die Oxidation verweslicher, stickstoffhaltiger Substanzen entstehen. Besonders in tropischen Klimata (große Temperaturunterschiede, starke Regengüsse und darauf folgende Trockenperioden) sind bei günstigen Bodenverhältnissen Idealbedingungen für die Bildung von Kalisalpeter gegeben. Die größten Lagerstätten waren demzufolge in Indien (Golf von Bengalen, Koromandelküste, Ceylon) lokalisiert. Daneben bildeten sich auch in Europa bei annähernd ähnlich günstigen Bedingungen größere und kleinere Lagerstätten von Salpeter. Allerdings handelte es sich hierbei in erster Linie um Kalksalpeter. Gegenüber den europäischen Beständen war der indische Salpeter wegen des größeren Anteils an Kaliumnitrat generell von höherer Qualität. Siehe: R. Wagner, Chemische Technologie, S.170; B. Rathgen, Geschütz im Mittelalter, S.95; R. Gelius, Waidasche und Pottasche, S.103; O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.8 f.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
83
konnten den ständig ansteigenden Bedarf der europäischen Militärapparate nicht decken. Demzufolge war die Salpeterfrage bis zur Erfindung der synthetischen Schieß- und Sprengstoffe für die kriegführenden europäischen Nationen von zentraler strategischer Bedeutung.88 Bis Ende des 14. Jahrhunderts war man fast ausschließlich auf den aus Indien über Venedig eingeführten Kalisalpeter angewiesen, der Europa allerdings nur in geringen Mengen erreichte. Venedig hatte für dieses Produkt offenbar bis zu diesem Zeitpunkt eine monopolartige Stellung inne und verlangte demzufolge Monopolpreise. 89 Auf der Basis rudimentärer chemikalischer Kenntnisse - treffender als praktische Erfahrungswerte zu charakterisieren 90 - verbreiteten sich die Grundla88
1846 entwickelte Christian Friedirch Schönbein die Schießbaumwolle, indem er die Wirkung von Salpeter- und Schwefelsäure auf Pflanzenfasern untersuchte und somit Salpetereester der Zellulose (=Nitrozellulose) gewann. Bis in die 60er Jahre kam der neue Explosivstoff wegen der hohen Herstellungsrisiken jedoch kaum zur Anwendung. 1846 erfand Ascanio Sobrero das Nitroglyzerin, das jedoch erst seit 1861 mit der durch Alfred Nobel verbesserten Herstellungsmethode Eingang in die Explosivtechnik fand. Die Mischung von Nitrozellulose und Nitroglyzerin unter Zusatz von Kampfer bildete seit 1888 die Basis des synthetischen (langsam abbrennenden und rauchlosen) Pulvers der modernen Generation. 89 Siehe: 0. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.44 f und B. Rathgen, Geschütz im Mittelalter, S.95. Trotz der geringen Mengen ist dieser Bereich ein wichtiger (aber bislang unerforschter) Bestandteil der venezianischen Handelsgeschichte. Zeugnisse, die den Salpeterhandel mit dem oberdeutschen Raum belegen, finden sich nur vereinzelt. So beispielsweise der Bezug venezianischen Salpeters durch die Nürnberger Stromer in den Jahren 1381/82. Ebenda S.99 f. Zu den umfangreichen Salpeterkäufen der Handelsgesellschaft Rummel-Hirsvogel (1444) im Auftrag der Stadt Nürnberg siehe: H. Simonsfeld, Fondaco dei tedeschi, Nr.450. (Siehe auch: Nr.594, Nr.388, Nr. 373382, Nr.561 zum näheren Umfeld der den Munitionshandel betreffenden Transaktionen). Zum schwer verfolgbaren Warenverkehr auf dem Rüstungssektor zwischen Nürnberg und Italien siehe: P. Braunstein, Wirtschaftliche Beziehungen, S.393. 90 Bis weit hinein in die Frühe Neuzeit war man sich nicht genau darüber im klaren, welchen chemischen Stoff man vor sich hatte. Erst mit der "chemischen Revolution" konnten die Reaktionsvorgänge, die der Feuerwaffentechnologie zu Grunde lagen, erklärt werden. Bis zu dieser Zeit wies die empirische Basis der Salpetergewinnung große Ähnlichkeiten mit der Goldalchemie auf. Allerdings führten die wissenschaftlichen Erkenntnisse im späten 18. Jahrhunderts kaum zu direkten praktischen Veränderungen und Innovationen auf dem Gebiet der Salpetergewinnung und Schießpulverbereitung. Siehe: J.R. Partington, Greek Fire, S.98-114. 0. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.58-63 und S.H. Mauskopf, Chemistry and Cannon, S.404 ff, S.412 ff. *
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gen der eigenständigen lokalen Gewinnung von Kaliumnitrat mit der Entdekkung einer neuen Verfahrenstechnik, der sogenannten Salpeterplantage, dann schlagartig über Europa.91 Nach 1400 war die Methode der künstlichen Salpetergewinnung bei den Büchsenmachern und Feuerwerkern in Europa einschlägig bekannt. Seit langer Zeit wußte man, daß weiße Mauerausblühungen und Jauchestein ungereinigten Salpeter bzw. salpeterhaltige Substanzen enthalten. Das überall gebräuchliche Abkratzen und Sammeln solcher chemischen Rückstände war jedoch nicht einmal annähernd ausreichend, dem grundsätzlichen Mangel an Salpeter abzuhelfen. Mit der Einführung der Salpeterplantage wurde Salpetererde analog den natürlichen Entstehungsprozessen hergestellt.92 Zunächst gewann man Kalksalpeter aus der Übereinanderschichtung kalziumkarbonatreicher Erde und stickstoffliefernder Stoffe (tierische und menschliche Exkremente) im Fäulnis- und nachfolgenden Trocknungsprozeß. Nach dem Abstechen mußte die Salpetererde in der zweiten Phase ausgelaugt, gebrochen und gesotten werden, um so den begehrten Rohsalpeter zu erhalten.93 Zur Gewinnung handelsfähiger Ware reinen Kalisalpeters von Schießpulverqualität mußte dieses Rohprodukt noch einige Male umkristallisiert, d.h. raffiniert werden. Das Gewinnungsverfahren der Salpeterplantage und die Herstellungsmethoden um die Salpetersiederei erfuhren im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche und regional unterschiedliche Modifizie91
Die erste sichere Erwähung der Salpeterplantage findet sich in Keysers "Bellifortis" von 1405. Der Prozeß der künstlichen Salpetergewinnung wird in fast allen proto wissenschaftlichen Schriften des späten Mittelalters beschrieben. Zur Behandlung des Themas unmittelbar vor Beginn der ersten rüstungskonjunkturellen Hochphase, 1574 im Rahmen der breiten Abhandlung Lazarus Erkners (Superintendent der Mineral- und Bergwerkstätten Rudolfs Π. in Ungarn, Transylvanien und Tirol) und in der 1617 entstandenen bergbaulichen Schrift Georg Engelhards von Löhney ss (Leiter der Mineralminen im Auftrag des Fürsten von Braunschweig und Lüneburg) sowie in den Werken Johann Rudolph Glaubers, Thomas Henshaws und Joseph Boillots, siehe: J.R. Partington, Greek Fire, S.617-619. 92 Siehe: R. Wagner, Chemische Technologie, S. 171 if und Ο. Thiele, Salpeterwirtschaft, S. 10-38. 93 Der Rohsalpeter des ersten Sudes war von brauner Farbe und konnte je nach Qualität der Salpetererde bis zu 88% Kalisalpeter enthalten. In der Raffination des zweiten Sudes wurde der Salpeter unter Schwefelzusatz hauptsächlich von Kochsalzverunreinigungen befreit. Die so entstehende handelsfähige Ware des zweiten Sudes (weißer Farbe), die auf den internationalen Märkten als Exportsalpeter zum Angebot kam, war zur Bereitung von Schießpulver aber noch nicht geeignet. Erst nach dem dritten und vierten Sud, der in der Regel von den Schießpulverproduzenten selbst bereitet wurde, war der Salpeter in die Stufe des Halbfabrikates übergegangen. Ebenda, S.38-41.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
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rungen, blieben in ihren Grundprinzipien bis ins 19. Jahrhundert jedoch unverändert. Da es sich beim europäischen Kunstsalpeter überwiegend um Kalksalpeter handelte, wurde zur Optimierung des Gewinnungsprozesses dem Dung Pottasche zugefügt, um die Umwandlung von atmosphärischem Stickstoff in salpetersaures Salz durch Mikroorganismen zu verbessern. 94 Mit der Einführung des Plantagensystems und der meist in der Umgebung der Städte lokalisierten Salpeterproduktion ließ die Salpeterknappheit Anfang des 15. Jahrhunderts zunächst merklich nach. B. Ratghen setzt den am Beispiel mehrerer Städte verifizierten Preisverfall für Salpeter in direkten Zusammenhang mit dem Aufkommen der Salpeterplantage.95 Die neuen Gewinnungsverfahren konnten die mit dem Feuerwaffenboom schlagartig ansteigende Nachfrage nach Salpeter Ende des 16. Jahrhunderts aber nicht mehr dekken. Inzwischen war das System der Salpeterherstellung zur Reife gelangt. In fast allen Ländern Europas wurde spätestens seit Mitte des 16. Jahrhunderts 94
Zum Einsatz von Pottasche (unreinem Kaliumkarbonat K 2 C0 3 ) siehe: J.V.T. Knoppers/R.V.V. Nicholls, Welthandel mit Pottasche, S.68; O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.32; R. Gelius, Waid- und Pottasche, S.103. In Hinsicht auf die Qualität des Rohproduktes waren erhebliche Qualitätsunterschiede zu beobachten. So war der in der Touraine auf Basis von Tuffstein gewönne Salpeter mit Sicherheit reicher an Kalibestandteilen als die deutschen Produkte. Für die Verbesserung der Ausbeute von Kalisalpeter wurde es entscheidend, inwieweit die (Kalk-)Salpeterlauge durch Kalistoffe (Ascheprodukte, also kohlensaures Kali, Abfalle der Seifensiederei oder in späterer Zeit schwefelsaures Kali) gebrochen wurde. In diesem Konvertierungsprozeß ging der Kalisalpeter in die Lauge über. Das unlösliche kohlensaure Kalzium blieb in der Erde zurück. Die Salpetersiedereien waren damit das einzige alkaliverbrauchende Gewerbe, das im Prinzip mit unveredelter Holzasche auskam. Aber erst im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde in Frankreich und in Deutschland der Einsatz von Waid- oder Pottasche zur Salpeterherstellung allgemein üblich. Pottasche wurde wegen seines Kaliumanteils bei der Verwendung von Chilesalpeter für den Umwandlungsprozeß des salpetersauren Natriums in Kaliumnitrat unverzichtbar. 95
In den Frankfurter Rechnungen betrug der Durchschnittspreis für einen Ztr. Salpeter bis zum Jahre 1383 ca. 41 fl (rh); 1399-1416 durchschnittlich nur 16 fl und im Jahr 1440 lediglich 10 fl. 1381 bezahlten die Stromer für venezianischen Importsalpeter 44-52 fl, danach fiel der Preis abrupt auf 14 fl pro Ztr. Auch in Basel sank das Preisniveau von 32-45 fl in den Jahren 1388/89 auf 15-22 fl. 1415 lag der Preis für venezianischen Salpeter bei 15 fl. Der Schluß liegt nahe, daß Venedig durch das Aufkommen des Kunstsalpeters zum Herabsetzen seiner Preise gezwungen wurde, denn die Eigenproduktion von Salpeter konnte die teureren indischen Importe teilweise verdrängen. 1483 wurde deutscher Kunstsalpeter durch den Kaufmann Michael Renhase sogar nach Mailand exportiert. Siehe: B. Rathgen, Geschütz im Mittelalter, S.96 ff, S. 107 ff.
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künstliche Salpetergewinnung betrieben. Frankreich war dank der Salpeterlagerstätten in der Touraine und Burgund sowie durch die Salpetergrabungen im gesamten Reichsgebiet theoretisch nahezu autark. Die französische Salpeterwirtschaft entwickelte sich zum ausgebildetsten und effizientesten System dieser Art in Europa. Mit den französischen Fördermengen konnte sich kein europäischer Staat auch nur annährend messen.96 Obwohl Frankreich bis in die 20er Jahre des 17. Jahrhunderts zu den führenden salpeterexportierenden Ländern gehörte, sah sich auch die französische Krone dazu gezwungen, kostspielige Ankäufe im Ausland zu tätigen. 97 Spanien war trotz reicher Salpetervorkommen um Granada, Murcia, in La Mancha, Aragon und Katalonien we96
0. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.75-86 und S. 125-166. Die Salpeterherstellung wurde in Frankreich seit 1540 staatlich geregelt. Seit 1601 stand auch die Pulverproduktion unter staatlichem Monopol und wurde nur noch in sechs Hauptarsenalen betrieben. Unter Franz I. arbeiteten auf Reichsgebiet ca. 300 Salpetersieder, die den Rohstoff an 14 neu eingerichtete Stapelplätze ablieferten. 1633 arbeiteten 500 Salpetersieder für 20 zentrale Magazine und 200 Pulvermacher. 1628-1636 wurde die gesamte Salpeterproduktion Frankreichs in die Hände eines Privatpächters gegeben, der sich 1628 verpflichtete, jährlich 200.000 Pfund zum Preis von insgesamt 80.000 Livre zu liefern. 1634 sollte er der Krone mindestens 250.000 Pfund zu einem Festpreis verkaufen. Diese jährliche Summe hätte für den ordentlichen militärischen Verbrauch dieser Zeit ausgereicht, war den Kriegserfordernissen jedoch unangemessen. Auslandskäufe wurden notwendig. Um diese Engpässe zu beseitigen, wurde 1636 auf Grund der Kriegsumstände die Privatinitiative auf diesem Sektor wieder zugelassen. Dies führte dazu, daß der Staat Schwierigkeiten hatte, seinen Eigenbedarf zu decken, während private Verkäufe ins Ausland Überhand nahmen. Erst unter Ludwig XIV. wurde das Salpeterwesen mit Hilfe des Generalpachtsystems und einer strengen zollpolitischen Maßnahme geregelt. 1663 wurde dem Pächter bereits eine Mindestlieferverpflichtung von 600.000 Pfund auferlegt, die Ende des 17. Jahrhunderts auf mehr als 1.000.000 Pfund angehoben wurde. Nach Schätzungen von J.R. Partington, Greek Fire, S.320, stieg diese Menge im Laufe des 18. Jahrhunderts weiter an, bis die französische Eigenproduktion seit 1775 auf Grund der massiven Importe aus Indien auf 1,8 Millionen Livre fiel. 1789 stieg die Produktion wieder auf ca. 3 Millionen Livre. 97 Besonders in die Niederlande wurde burgundischer Salpeter geliefert. So ging 1603 eine Lieferung von 800.000 Pfund Salpeter an Elias Trip und seinen aus Aachen stammenden Geschäftspartner, Dirk Heuft. Er kaufte 1626 die gesamte Salpeterproduktion des Herzogs von Lothringen für drei Jahre auf. 1616 erwarb Trip vom englischen Kaufmann Thomas Ellis 40.000 Pfund lothringischen Salpeters zu einem Preis von 40 fl pro Ztr., den er kurz danach für 53 fl an die Generalstaaten verkaufte. Siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.232 ff. Zu den französischen Pulverexporten aus Amsterdam (1649) siehe: E. Baasch, Holländische Wirtschaftsgeschichte, S.319.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
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gen organisatorischer Schwierigkeiten in zunehmendem Maße von der ausländischen Zufuhr abhängig.98 Im Erzbistum Lüttich wurden seit Mitte des 16. Jahrhunderts große Mengen Salpeter gewonnen und Schießpulver produziert, denn im Zusammenhang mit den spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen wurde Salpeter verstärkt zum Objekt kommerzieller Transaktionen.99
98
I.A.A. Thompson, War and Government, S.236 f, S.241, S.247 f, S.250, Appendix, Tab.B (S.289), Tab.F (S.296) sowie S.307. Vor 1572 wurden im Auftrag der spanischen Krone jährlich nicht mehr als 100 Quintal Pulver produziert. 1570 mußten 3000 Quintal aus Flandern, Neapel und Mailand importiert werden. Trotz der Monopolpolitik Spaniens wiesen die Produktionszahlen in den 80er Jahren deutlich fallende Tendenz auf. In Malaga wurden 1558 pro Tag 10 Quintal Pulver produziert. 1587 waren es weniger als 7 Quintal. 1580 stellten die Mühlen Kastiliens täglich 20 Quintal her, 1587 lediglich 12 Quintal. Laut Überlegungen der Rechnungskammer von 1589 kostete ein Quintal spanischen Pulvers 30 Duk. (330 Realen), während der Preis bei höchstens 50 Realen hätte liegen dürfen. Die spanischen Ausgaben für Pulvereinkäufe lagen 1581-1595 jährlich bei 24.000 Duk., 1598 bei 54.000 Duk. und 1600 bei 63.000 Duk. Die spanischen Werke (in Cartagena, Malaga, Pamplona und Granada) stellten in beiden Jahren Pulver im Wert von 21.000 bzw. 24.000 Duk. her. Die Herstellungszentren (Tembleque, Almeria, Lerida und Aragon) produzierten 1598 Salpeter im Wert von 25.000 Duk., 1600 für 31.000 Duk. 1581 wurden für militärische Explosivstoffe insgesamt 55.290 Duk. aufgewandt. 1600 verdoppelte sich diese Summe auf 118.000 Duk. (1598 bereits 99.000 Duk.). Die für den ausländischen und einheimischen Explosivstoff aufgewandten Geldmittel hielten sich die Waage. 99
J. Lejeune, Formation du capitalisme, S. 190-195. Er gibt einige Beispiele, die die Entwicklungstendenzen punktuell beleuchten: 1544/45 wurden innerhalb von 6 Monaten insgesamt 4323 Pfund Salpeter über die Kaufleute Jenico/de Huy/Pisset für Brüssel in Lüttich bestellt. Pro 100 Pfund belief sich der Preis der Ware auf 16-18 Carolusgulden (= Pfund fläm. zu 40 Grooten). 1554 exportierten die Schetz insgesamt 51.915 Pfund Schießpulver zu einem Preis von 19-23 Gulden nach Brüssel. 1568 führte Jacques le Roy 1000 Pfund Pulver zum Preis von 19 Carolusgulden nach Antwerpen aus. 1572 und 1574 kaufte derselbe Kaufmann u.a. 11.555 Pfund Pulver auf Rechnung Antoine van den Berghes. 1570 führte Andrieu Byddart aus Dinant 17.824 Pftind Salpeter zum Preis von 21 Carolusgulden in die südlichen Niederlande aus. 1572 exportierte er 26.963 Pftind Salpeter, der auf Grund der günstigen Kriegskonjunktur auf 30/31 Gulden gestiegen war. 1588 bewilligte Lüttich die Ausfuhr von 20.000 Pfund Kanonenpulver für die Belagerung von Bonn. 1591 verkauften drei Lütticher Kaufleute (A. Romarin, A. Liverlooz und H. de Mauny) 50.000 Pfund Schießpulver an den Herzog von Loraine. 1614 orderten die Niederlande 1.000 Faß Pulver in Namur. Zur Zeit des 12-jährigen Waffenstillstandes sammelten sich im Vorrat von Jean Curtius Munitionsmengen im Werte von 300.000 Goldgulden an.
III. Militärwirtschaftliche Grundlagen
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Schweden hatte seine eigenen Salpetersiedereien in Ostgotland aufgebaut. 100 Auch auf deutschem Reichsgebiet existierten zahlreiche Zentren der Salpetergewinnung. Schon lange vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wurde um Nürnberg sowie in Schlesien und in Braunschweig Schießpulver produziert. 101 Jedoch erwiesen sich diese lokalen Produktionskapazitäten für Salpe100
Siehe: F. Bredvelt van Veen, Louis de Geer, S.93 und E.W. Dahlgreen, Louis de Geer, S.167. In den Stockholmer Direktimporten aus Danzig resultieren 1643 nur geringe Mengen an Blei, Schwefel, Salpeter und Aschen. Siehe: M. Bogucka, "Die Handelsbeziehungen im Ostseeraum: Der Handel zwischen Danzig/Gdansk und Stockholm in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", in: K. Friedländer/F. Irsigler, Seehandel und Wirtschaftswege, S.38-47, S.45. 101 In Nürnberg waren hauptsächlich die Stromer, Behaim und Hentz, die Pulvermühlen an der Pegnitz betrieben, im Salpetergeschäft aktiv. 1614 traten Philipp Scherl, Hans Heer und Sebald Heinz als Pulverhändler in Erscheinung (Verkauf von 200 Ztr. zum Preis von 22 1/2 fl pro Ztr. an die Steiermark). Siehe: B. Rathgen, Geschütz im Mittelalter, S. 101 ; L. Sporhan-Krempel, "Papiererzeugung und Papierhandel in der Reichsstadt Nürnberg und ihrem Territorium", in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd.II, S.726-750, S.731; H. Valentinisch, Nürnberger Waffenhändler, S.177. Zur staatlichen Salpeterwirtschaft in Württemberg und Brandenburg siehe: 0. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.93-124, S. 166-192. In Württemberg wurde das Salpeterhandwerk um 1600 zur Landeszunft erklärt. Ende des 17. Jahrhunderts waren lediglich 20 Salpetersieder tätig, deren Minimalablieferquoten 1735 auf nur 15 Ztr. pro Jahr festgelegt wurden. Wie auch in Preußen zeigten die Produktionszahlen insgesamt fallende Tendenz, so daß diese Menge 1747 auf 10 Ztr. reduziert werden mußte. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurde in Brandenburg Salpeterwirtschaft betrieben und 1583 das Salpeterregal eingeführt, In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts existierten bereits 13 Salpeterhütten. Durch den Dreißigjährige Krieg brach die eigenständige Salpeterproduktion offenbar zusammen. Erst unter dem Großen Kurfürsten wurde das Regal 1685 bestätigt. 1712 führte Friedrich Wilhelm I. das Generalpachtsystem ein, das von Friedrich II. 1746 grundlegend reformiert wurde. 1786 existierten in Brandenburg 34 Salpeterhütten, die jährlich 50-70 Ztr. abliefern sollten. Das normale jährliche Konsumbedürfnis der Heere wurde 1786 mit 3000 Ztr. veranschlagt. Erhebliche Mengen mußten über den internationalen Handel bezogen werden. Entscheidend für die Steigerung der preußischen Eigenproduktion war die Angliederung der schlesischen Gebiete an Brandenburg-Preußen. Um Breslau befanden sich ansehnliche Salpeterlagerstätten. Die Erforschung dieser Produktionskapazitäten steht bislang jedoch aus. Ebenda, S.52 ff, S.186 f. Zu den Salpetersiedereien der Herzöge Johann Albrecht I. und Ulrich von Mecklenburg-Schwerin in Parchim, siehe: C. Millies, "Die Anfänge einer staatlichen Wirtschaftspolitik in Mecklenburg im 15./16. Jahrhundert", in: Mecklenburgische Jahrbücher 101(1937), S.l-84, S.32.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
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ter den Anforderungen der großen militärischen Konfrontationen seit Ende des 16. Jahrhunderts als inadäquat.102 Schließlich erreichte die allgemeine Knappheit an Salpeter im Dreißigjährigen Krieg ihren Höhepunkt, als sich der Munitionsbedarf überall vervielfachte. 103 Vor allem die 20er und die 30er Jahre waren durch einen großen Engpaß in der Schießpulverversorgung gekennzeichnet, so daß alle europäischen Staaten in dieser Zeit die eigenständige Salpetergewinnung besonders förderten und gleichzeitig strenge handelspolitische Verbote für den Export militärischer Explosivstoffe erließen. 104 In Anknüpfung an die städtischen Kontrollversuche über verteidigungsrelevante Versorgungsgüter seit dem späten Mittelalter bemühten sich die frühneuzeitlichen Landesherren um die Gewährleistung der Salpeterzufuhr und die 102
Laut 0. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.23, S.26, gewann man in Europa unter den günstigsten Bedingungen (in der Touraine mit Hilfe des Plantagensystems) aus 100 Pfund salpeterhaltiger Erde in einem Zeitraum von drei Jahren höchstens 1 Pfund Salpeter. Unter ungünstigsten Bedingungen (in Norddeutschland mit Hilfe des Salpetermauersystems) konnte aus derselben Menge höchstens 1/4 bis 1/2 Pftind Salpeter gewonnen werden. 103 Im Deutschen Reich schnellten die benötigten Schießpulvermengen mit dem Einsetzen des Dreißigjährigen Krieges enorm in die Höhe. A. Ernstberger, Hans de Witte, S.257, spricht von einer Verdreißig- bis Verfünfzigfachung des Bedarfes. Zu den friedländischen Pulverlieferungen (4000-5000 Ztr. wurden jährlich von Wallenstein gefordert) an die kaiserliche Partei und die in derselben Größenordnung liegenden Lieferungen der süddeutschen Städte (allen voran Nürnbergs), der Rheingegend, Schlesiens (in erster Linie über Breslau) und Polens (über Hamburg) siehe: Ebenda S.261 ff und ders., Wallenstein, S.73 f, S.84 f, Beilage 17 (S.141 ff). 104 In England erging 1627 eine Ordonanz Karls I., den Urin der Haushalte und Stallung für die Salpeterherstellung zu sammeln und den Salpetergräbern und Salpetersiedern zur Verfügung zu stellen. 1625 hatten Sir John Brooke und Thomas Rüssel ein neues Patent zur erheblich verbesserten Herstellung von Salpeter im Plantagensystem angemeldet. 1634 wurden die Befugnisse (der allseits unbeliebten) Salpetergräber erheblich ausgeweitet, indem ihnen weitreichende Ermächtigungen zum Graben unter Ställen und Häusern gegeben wurden. 1656 gebot eine Parlamentsakte, vorher die Erlaubnis beim Eigentümer einzuholen. Siehe: J.R. Partington, Greek Fire, S.319. Selbst ein salpeterausführendes Land wie Frankreich erließ in den 20er Jahren den englischen Ordonanzen vergleichbare Bestimmungen. Siehe P.W. Klein, De Trippen, S.235. In Holland wurden die Pulverproduzenten "in natura" mit Salpeter bezahlt, um somit den Salpeter direkt an die Produktionsstätten zu binden und der illegalen Ausfuhr von Salpeter durch diese handelsstrukturelle Maßnahme vorzubeugen. Außerdem bemühten sich die Generalstaaten, den Handel mit Salpeter strenger zu kontrollieren als etwa den Export anderer Kriegsgüter. Siehe: Ebenda S.235, S.238 f.
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. Militärwirtschaftliche Grundlagen
geregelte Schießpulverproduktion.105 Mit der zentralen politischen Bedeutung der neuen Kriegführung wurde die staatliche Einflußnahme auf diesem Sektor zur Regel. Die Kontrollversuche gipfelten schließlich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in der Einführung des Salpeterregals.106 Dieses landesherrliche Verfügungsrecht über militärische Explosivstoffe wurde ursprünglich aus dem Bergregal abgeleitet, seit dieser Zeit aber zunehmend als "Landesdefensions105
Zur Entwicklung des Zeugwesens in den deutschen Reichsstädten am Beispiel Augsburgs siehe: J. Kraus, Militärwesen Augsburgs, S.326 ff. Zur preußischen Entwicklung siehe: O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.166 ff. In Frankreich bestanden bis Anfang des 17. Jahrhunderts große Herstellungszentren und kleinere Betriebe nebeneinander, die die Krone seit Ende des 15. Jahrhunderts zu kontrollieren trachtete. Vgl.: Ebenda, S.125 ff und J.U. Nef, War and Government, S.22 f, S.66. 106 Zur Einführung des Salpeterregals in den europäischen Territorialstaaten siehe: 0. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.3, S.46 ff, S.71 f, S.211. Zur französischen Entwicklung seit Franz I. siehe: Ebenda, S.127 ff. Zur württembergischen Salpeterordnung von 1603 siehe: Ebenda, S.93 ff. Zum preußischen Salpeterregal von 1583 siehe: Ebenda, S . l l l . In England brachte die Krone die Produktionsstrukturen für militärische Explosivstoffe erst später (auf Grund administrativer Schwierigkeiten) effektiv unter Kontrolle. Siehe: J.U. Nef, Industry and Government, S.89, S.95. 1635 verbot die englische Krone die private Herstellung von Schießpulver und erklärte die Schießpulvermanufaktur gleichzeitig zum königlichen Monopol. Siehe auch: K.N. Chaudhuri, The English East India Company. The Study of an Early Joint-Stock Company, 1600-1640, London 1965, S.189. Aber erst im 18. Jahrhundert kam es zur Etablierung großer Salpetermanufakturen in England. Siehe: G. Crocker, Gunpowder Industry, S.8. Zur spanischen Entwicklung der Salpeter- und Schießpulverproduktion im Rahmen der Rüstungspolitik der Krone siehe: I.A.A. Thompson, War and Government, S.234-255. Spätestens seit 1556 hatte der spanische König seinen Monopolanspruch über die Rüstungsproduktion und die Schießpulverherstellung formuliert. Wegen mangelnden Erfolges wurde die Monopolpolitik in den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts mit dem Ziel der Autarkie stark forciert, aber ohne Erfolg. Die Produktionszahlen sanken, die Kosten stiegen, der illegale Handel mit Explosivstoffen blühte. 1587 wurden 20% des an die Krone gelieferten Pulvers von Privatunternehmern hergestellt. 1592 und 1598 wurden die Schießpulverbestimmungen erneuert und verschärft. 1606-1619 fielen die Aufwendungen der spanischen Krone für die Rüstungsherstellung aus Kapitalmangel von 166.229 Duk. auf 50.000 Duk. 1612 kam die staatlich kontrollierte spanische Rüstungsproduktion praktisch zum Stillstand. Lediglich 1631 war wiederum ein Anstieg auf 70.000 Duk. zu verzeichnen, der den real gegebenen Anforderungen des Krieges jedoch nicht entsprach. In den 30er Jahren übernahmen Privatleute und ausländisches Kapital faktisch die Rüstungsindustrie Spaniens. Die Monopolpolitik der Krone war völlig fehlgeschlagen.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
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regal" begriffen. 107 Die staatliche Monopolisierung der Salpeterproduktion war damit politisch und rechtlich sanktioniert. Zur besseren Kontrolle und größeren Rentabilität trennte man die landeseigene Salpeterproduktion allgemein von der Schießpulverherstellung. 108 Überall verfügten die Großproduzenten von Pulver seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert über ausgedehnte Lieferprivilegien. Über die staatlich kontrollierte Rohstoffzufuhr und Nachfrage wurden angestrebt, möglichst feste Bindungsstrukturen der meist privaten Hersteller (Pächter) an den Bedarf des jeweiligen Landes zu schaffen. 109 Salpetergewinnung und Schießpulverproduktion waren durch hohe Kapitalintensivität gekennzeichnet, so daß seit Ende des 16. Jahrhunderts große Handelskapitalien Eingang in diese staatlich kontrollierten Branchen fanden. 110 Die Schießpulverherstellung war in technologischer Hinsicht in erster Linie von Wasser- oder Windenergie abhängig. 111 In Pulver107
Zur Herleitung und argumentativen Rechtfertigung des Salpeterregals siehe: O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S. 193-210. 108 Ebenda, S.46 f, S.66 ff, S.128 f. 1601 wurde die Pulverproduktion in Frankreich von der Salpeterherstellung getrennt und monopolisiert. Seitdem wurde Pulver nur noch in den Hauptarsenalen hergestellt. 109 Siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.189 f, S.235. Die Generalstaaten verliehen Monopole zur Schießpulverfabrikation an Privatleute. So 1625 an Boudewijn de Maan und die Gebrüder Van Linschoten aus Delft, die sich im Konflikt mit dem seit 1618 bestehenden Dordrechter Monopol befanden. 1627 gingen diese Kaufleute gegenüber den Generalstaaten eine jährliche Lieferverpflichtung von 200.000 Pftind Salpter ein. Zu den Entwicklungen in Frankreich und England siehe: J.U. Nef, Industry and Government, S. 59-68, S.88-98. 110 So betrieben der Rotterdamer Großkaufmann Syvert Meynerts van Duynen und die Amsterdamer Großunternehmer Jan van Hoorn, Cornells Martenszen, Pieter Trip, Samuel Sautijn sowie Adam und Jan Raye Pulvermühlen. Sie gehörten (wie Joost Brasser, Jan Küsten, Hans Boor, Cornells Prunck, Abraham Pietersz Crook, Claes Jansz Clopper und Gabriel Marseiis) zum Kreis der großen niederländischen Schießpulverhändler. Siehe: P. W. Klein, De Trippen, S.194; S.236 ff. Zu den Strukturen des französischen Generalpachtsystem für die Salpetergewinnung siehe: O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.130 ff. 111 Siehe: O. Mußmann, Papier, Pulver und sanfte Energie. Alltag und Technik im vorindustriellen Mühlengewerbe, Münster/Hamburg 1993. Schon bei Leonardo da Vinci finden sich technisch ausgereifte Entwürfe für den Pulvermühlenbetrieb. Zu den technologischen Veränderungen im Zuge des steigenden Schießpulverbedarfes am Beispiel der Elbinger Pulvermühle (im Dienst des Deutschen Ordens) siehe: B. Ratghen, Geschütz im Mittelalter, S.101 ff, S.304. Zu den von den Hamburger Marselis in Rußland betriebenen Pulvermühlen siehe: E. Amburger, Familie Marseiis, S. 113 ff, S.202 f.
III. Militärwirtschaftliche Grundlagen
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mühlen wurde der auskristallisierte Salpeter gemahlen und mit den anderen Bestandteilen gemischt. Große Zentren der Schießpulverproduktion und des Exportes waren zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges in erster Linie Lüttich 1 1 2 und die Vereinigten Niederlande. 113 Im deutschen Raum fungierten Nürnberg 114 und vor allem die Hansestadt Hamburg 115 als Hauptherstellungszentren und Exporteure von Schießpulver. Die Voraussetzungen für eine ausgedehnte Schießpulverherstellung waren auch in Friedland und in Breslau gegeben. 116 112
In Lüttich kam es erst relativ spät zur Einführung der Schießpulverproduktion. Insbesondere Jean Curtius war auf diesem Gebiet um die Wende zum 17. Jahrhundert aktiv. Er errichtete Pulvermühlen, die pro Tag 30-35 Ztr. herstellen konnten. Curtius erlangte für die Belieferung der spanischen Truppen eine Monopolposition, als das südniederländische Hauptarsenal Mechelen den Anforderungen der Kriegführung wegen organisatorischer Unzulänglichkeiten nicht mehr nachkommen konnte. Siehe: J. Lejeune, Formation du capitalisme, S. 167 ff, S. 192 ff. 113 Siehe: J.G. van Dillen, Rijkdom, S.411 f und G. de Bruin, Buscruitmaekers. Ervaringen en lotgevallen van een merkwaardig bedrijf in Holland, Amsterdam 1952, S.18. 114 Die Pegnitz lieferte die benötigte Wasserenergie. Kurz nach 1400 ist die Anlage einer Pulvermühle durch die Behaim bezeugt. 1507 ist der Betrieb einer städtischen Pulvermühle dokumentiert. Siehe: B. Rathgen, Geschütz im Mittelalter, S.101. Im Dreißigjährigen Krieg gaben die Nürnberger Pulvermacher eine wöchentliche Lieferkapazität von 25 Ztr. an. Siehe: A. Ernstberger, Hans de Witte, S.260 f. Die Pulverhändler Ulmar Stromer und Lorenz Hentz traten im 15. Jahrhundert auch auf dem Sektor der Papierherstellung auf. Siehe: L. Sporhan-Krempel/W. von Stromer, "Das Handelshaus Stromer und die Geschichte der ersten deutschen Papiermühle", in: VSWG 47(1960), S.81-104. 115 Das Gebiet Stormarn verfügte über günstige Standortbedingungen für Gewerbeansiedlungen, vor allem für Mühlenbetriebe. Besonders die holsteinische Adelsfamilie Rantzau wurde hier seit dem 16. Jahrhundert unternehmerisch tätig. Auf ihrem Gebiet befanden sich um 1590 Mühlenbetriebe und Fertigungsanlagen zur Herstellung von Metallprodukten, Pulver und Papier. Außerdem befand sich im Harburgischen eine Pulvermühle im Besitz von Abraham Marx, später von Jürgen Quest und Konsorten. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.278 ff. Trotzdem führte Hamburg beträchtliche Mengen Schießpulver aus Amsterdam ein. Siehe: E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.405. 1622 wurden 20 Faß Pulver bezogen. 1623 sogar 230 Faß, 300 Tonnen und 20.000 Pfund; 1624 102 Faß, 153 Tonnen und 20 Viertel aus Amsterdam und 9 Tonnen aus Enkhuizen. 1625 135 Faß; 1628 135 Faß; 1629 und 1632 nichts und 1632 lediglich 3 Fäßchen. 116 A. Ernstberger, Wallenstein, S.141 ff, S.261. Über die Breslauer Bezugsquelle liegen leider keine verläßlichen Daten vor.
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Die Kombination von staatlicher Kontrolle und Privatwirtschaft blieb auf dem Verteidigungssektor für die gesamte Frühe Neuzeit insbesondere in Hinblick auf die Salpeterversorgung charakteristisch. War das internationale Geschäft mit Exportsalpeter von vornherein die Domäne der großen Fernhandelskaufleute, so stützte sich die absolutistische Wirtschafts- und Militärpolitik im 18. Jahrhundert auch in Bezug auf die militärrelevante Inlandsproduktion auf die staatlich konzessionierte Unternehmerinitiative.117 Als Folge der veränderten internationalen Handelssituation von Exportsalpeter und der dadurch abnehmenden volkswirtschaftlichen Bedeutung der Salpeterwirtschaft wurde das Salpeterregal Anfang des 19. Jahrhunderts abgeschafft. 118 Der erhöhte Schießpulverbedarf in Gesamteuropa hatte seit Ende des 16. Jahrhunderts die Erschließung zusätzlicher Salpeterquellen, die die regionalen Produktionskapazitäten ergänzten, über die internationalen Fernhandelswege notwendig und rentabel gemacht. Zunächst trat in dieser Zeit Danzig als wichtigster internationaler Handels- und Umschlagplatz für Salpeter in Erscheinung. Obwohl die Vorrangstellung Danzigs als Hauptbezugsquelle für innereuropäischen Exportsalpeter in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts außer Zweifel steht, sind die dort herrschenden Marktbedingungen und Handelsstrukturen in Bezug auf das internationale Salptergeschäft leider noch nicht systematisch untersucht.119 Danzig war nicht nur der europäische 117
Siehe: O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S. 130-160, S. 170-186. Dieses System nahm in Frankreich unter Ludwig XVI. sogar Züge einer "Nationalindustrie" an. Im 18. Jahrhundert waren die darin eingebundenen Unternehmer (Alexis Demoni) auf der Höhe ihres Einflusses angelangt. In Friedenszeiten benötigte Frankreich zur selben Zeit 1 Million Pfund Pulver (750.000 Pfund für die Land- und 250.000 Pftind für die Seestreitkräfte). 118 1792 verzichtete Frankreich auf Importbeschränkungen für Salpeter. 1819 wurde das Salpeterregal endgültig abgeschaft. Begünstigt durch das rapide Fallen der ostindischen Preise stiegen die ausländischen Salpeterbestellungen Frankreichs 18141817 schlagartig auf 1.600.000 Pftind. Die Pulverfabrikation blieb jedoch weiterhin staatliches Monopol. Ebenda, S.161 ff. 119
Siehe: M. Bogucka, Salpeter Production, S. 166, S. 169. Anmerkungen zur Danziger Bezugsquelle finden sich in: P.W. Klein, De Trippen, S.236 ff; M. Hroch, Handel und Politik, S.21 f; M. Bogucka, Handel zagraniczny Gdanska w pierwszej polonie XVII wieku, Breslau/Warschau/Krakau 1976, S.42 f; ders., Commerce de Gdansk, S.294 ff; S. Dalgard, Salpetertolden af 1638-39 og den privatespekulationshandel, Kopenhagen 1954; P. Dollinger, Die Hanse, Stuttgart 1981 (4. erw. Aufl.), S.449; H. Bauer/W. Millack (Hrsg.), Danzigs Handel in Vergangenheit und Gegenwart, Danzig 1925, S.26, S.36, S.81, S.93. Zur polnischen Salpeterversorgung im 18. Jahrhundert siehe auch: A. Zahorski, Uzbrojenie i Przemysl Zbrojeniowy w Powstaniu kosciuszkowskim, Warschau 1957, S.15.
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Hauptexporthafen für Getreide und Schiffbaumaterialien 120 sowie die wichtigste Rohstoffquelle für Pottasche und Waidasche.121 Darüber hinaus gelangte galizischer und (vermutlich auch) ungarischer Exportsalpeter über den Danziger Umschlagplatz nach Nordwesteuropa.122 Höchstwahrscheinlich brachte man diese Rohstoffe über die Weichsel nach Danzig.123
120
M. Bogucka, "The Role of Baltic Trade in Europen Development from the XVIth to the XVHth Centuries", in: JEEH 9(1980), S.5-20; M. Malowist, "Les produits des pays de la Baltique dans le commerce international au XVI e siècle", in: RdN 42(1960), S. 175-206; A. Attmann, The Russian and Polish Markets in International Trade, 1500-1650, Göteborg 1973; P. De Buck, "Russland en Polen als markten voor het Westen omstreeks 1600", in: TvG 90(1977), S.211-230. 121 J.V.Th. Knoppers/ R.V.V. Nicholls, Welthandel mit Pottasche, S.67 ff.; R. Gelius, Waidasche und Pottasche, S.99 ff, S.105 ff.; M. Bogucka, Pottaschehandel, S.150 f. Die auf diesem Sektor tätigen Unternehmer scheinen bis auf den Großhändler Arndt Pilgrim nicht mit dem Salpeterhandel in Verbindung gestanden zu haben. Vgl.: Ebenda, S.149 und ders., Salpeter Production, S. 168. 122 Zur kleinpolnischen Bezugsquelle der Sulfurminen um Krakau siehe: Ebenda, S.166. Dieser Salpeter wurde meist auf Initiative jüdischer Kaufleute nach Danzig transportiert und dort weiterverarbeitet. Zur ungarischen Bezugsquelle, die bislang noch unerforscht ist, siehe: R. Gelius, Waid- und Pottasche, S.103 (Leider sind die diesbezüglichen Ausführungen ohne Quellenangabe). Über den genauen Zeitpunkt des Einsetzens der Salpeterlieferungen aus Ungarn und Polen sowie die Entwicklung der Salpetergewinnung in diesen Gebieten existieren in der Forschung keine Angaben. In Bezug auf diese Salpeterquellen stellt sich demnach die prinzipielle Frage, inwieweit die europäische Schießpulverproduktion schon frühzeitig auf diese Rohstoffe zurückgriff. Bezog Nürnberg Salpeter von den galizischen und ungarischen Lagerstätten? Es erscheint unwahrscheinlich, daß die Nürnberger Produktionskapazitäten für Schießpulver lediglich auf der lokalen Gewinnung von Salpeter im Plantagensystem basierten. Der Anfang des 15. Jahrhunderts zu verzeichnende Preisverfall könnte also auch auf die Zulieferung von osteuropäischen Salpeter zurückzuführen sein. 123 Siehe: H. Obuchowska-Pysiowa, Handel wislany w pierwzej potowie XVII wieku, Breslau 1964, Kap. IV und V; J. Wyrozumski, "Les communications fluviales en Pologne du XII e au XVIII e siècles (Aspects économiques et techniques)", in: A. Vannini Marx, Trasporto e sviluppo, S. 165-180. Vgl. auch: J.M. Malecki, "The Vistualia and Poland's Trade in the XVIth and XVIIth Centuries", in: JEEH 6(1977), S. 193-198; P. Jeannin, "The Seaborne and the Overland Trade Routes of Northern Europe in the XVIth and XVIIth Centuries", in: JEEH 11(1982), S.5-59; M. Hroch, "Die Rolle des zentraleuropäischen Handels im Ausgleich der Handelsbilanz zwischen Ost- und Westeuropa 1550-1650", in: I. Bog, Außenhandel Ostmitteleuropas, S.l-27.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
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Da eine handelshistorische Untersuchung der Danziger Salpeterexporte in Richtung Nordwesteuropa bislang aussteht, soll an dieser Stelle eine (annähernde) Konjunkturkurve des osteuropäischen Salpetergeschäftes in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gezeichnet werden. Die quantitative Erfassung der Danziger Exporte belegt einerseits die sprunghaft ansteigende Nachfrage nach Salpeter im Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg und trägt andererseits entscheidend zum Verständnis der zentralen Marktposition Hamburgs und Amsterdams auf diesem Sektor bei. Der Umfang des Danziger Salpeterhandels soll dabei als Maßstab dienen, um die Größenordnung des internationalen Geschäftes mit militärischen Explosivstoffen in etwa erahnen zu können. Zu diesem Zweck wurden die Sundzollregister herangezogen. 124 Neben den allgemeinen quellenkritischen Einschränkungen, die für die Benutzung der Oresundregister gelten, 125 ist allerdings darauf hinzuweisen, daß
124
Basierend auf der Edition von N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten. Diese Quellengruppe wurde bislang unter diesem Gesichtspunkt nicht systematisch ausgewertet. Die Angaben der in den Tabellen Π A und II Β aufgeführten Salpetergesamtmengen, die im Sund verzollt wurden, sind bis auf einige geringfügige Abweichungen nahezu identisch. Tabelle Π A weist im Durchschnitt etwas höhere Angaben aus. Als Herkunftshafen für Salpeter und Schießpulver (die in der Statistik nicht voneinander getrennt aufgeführt werden) resultiert vornehmlich Danzig. Der Anteil des in Danzig verschifften Salpeters machte im gesamten Untersuchungszeitraum ca. 90 % der baltischen Salpetermengen, die durch den Sund gingen, aus. Vgl.: Tab Π B, S. 103-120. Lediglich in den Jahren 1603, 1618 und 1624 sind Salpeterexporte aus Königsberg den Danziger Ausfuhren gleichwertig. Vgl. hierzu die unter den verschiedenen Jahreszahlen aufgeführten Angaben in: Tab. 4 (Varer fort vestpaa, fordelt efter skibenes afganshaven) der Aufschlüsselung nach N.E. Bang, S.210 f, S.318 f, S.342 f, S.454 f. In den Jahren 1616, 1617, 1624, 1626, 1627, 1629 und 1635 war der Danziger Anteil am im Sund verzollten Salpeter nur sehr gering. Allerdings lagen die in jenen Jahren im Sund verzollten Salpetermengen erheblich unter dem Durchschnittsniveau der jeweils vorangegangenen bzw. nachfolgenden Vergleichsjahre. Der Danziger Exportsalpeter determinierte also die baltische Marktsituation. 125
A.E. Christensen, "Der handelsgeschichtliche Wert der Sundzollregister. Ein Beitrag zu seiner Beurteilung",in: HGbl. 59(1934), S.28-142; ders., Dutch Trade to the Baltic about 1600, Kopenhagen/Den Haag 1941, S.53 ff, S.335 ff; P. Jeannin, "Les comptes du Sund comme source pour la construction d'indices généraux de l'activité économique en Europe (XVI e -XVII e siècles)", in: Revue historique 231(1964), S.55-102 und S.340-370; R. Gelius, Waid- und Pottasche, S.67; J. Dow, "A Compa-
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diese Datenbasis diejenigen Handelsströme, die den Sund umgingen, nicht berücksichtigt. In Bezug auf die Salpeterexporte fehlt deshalb neben den Lieferungen an Dänemark und Schweden der keineswegs zu vernachlässigende Anteil Lübecks und Hamburgs, der über die schleswig-holsteinische Landverbindung an die Nordseeküste gelangte. Da es sich hierbei in Analogie zu den Waffenhandelsströmen um ein dem niederländischen Rüstungsstrang vermutlich gleichwertiges Bezugs- und Vertriebssystem handelte, trat demnach ein beachtlicher Anteil dieser militärrelevanten Exporte Danzigs in den dänischen Zollregistern nicht in Erscheinung.126 Weiterhin ist zu betonen, daß der Salpeterhandel oft illegal, als Schmuggel, betrieben wurde. Sicherlich entging ein Teil der Danziger Exporte der Registrierung im Sund. Leider ist dieser Prozentsatz nicht einmal anähernd schätzbar. Obwohl den Zollregistern nur ein begrenzter Quellenwert zukommt, demonstrieren diese Daten dennoch die hohe Bedeutung des Danziger Salpeterhandels in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
rative Note on the Sound Toll Registers. Stockholm Customs Accounts and Dundee Shipping Lists 1589, 1613-1622", in: SEHR 12(1964), S.79-85; J. Schildhauer, "Hafenzollregister des Ostseebereiches als Quelle zur hansischen Geschichte", in: HGbl. 86(1968), S.63-76. 126 Zur schlechten Quellenlage siehe: A. v. Brandt, Hamburg und Lübeck, S.44. So besitzen die Sundzollregister für die Erforschung der Hamburger Handelsgeschichte generell nur geringen Quellenwert. Siehe: W. Vogel, Handelskonjunkturen, S.57. Auch die Hamburger Schifferbücher geben aus demselben Grund keine quantitativen Aufschlüsse über die effektiv nach Hamburg gelangten Salpetermengen. 1622 erreichten 8 Faß Salpeter aus Stettin und immerhin 94 Faß aus Danzig auf dem Seeweg Hamburg. 1623/1624 gelangten auf diesem Weg insgesamt nur 39 Faß in die Hansestadt. 1628 bezog Hamburg kein Salpeter aus dem Baltikum. 1629 waren es 16 1/2 Faß aus Königsberg, 1630/31 16 Faß aus Danzig, 1631 und 1632 jeweils 12 Faß aus England (!) und 1633 4 Tonnen aus Amsterdam. Siehe: E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.406 f. Auf Grund der annähernden Gleichwertigkeit der Hamburger und Amsterdamer Marktstrukturen in Bezug auf den Export dieser Ware könnte eine Verdoppelung der Danziger Exportsalpetermengen, die durch den Sund liefen, angenommen werden.
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Zentner
Basierend auf der Edition der Sundzollregister von: N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten A und B. Zusatzwert für 1629 ( + ) aus: M. Bogucka, Salpeter Production. S. 168 (dänische Ausfuhrlizenen). Zusatzwerte für 1634 und 1641 ( + ) aus: Ders., Handel, S.42 (Quelle: Pfahlgelder). Ergänzungswert von 1639 ( + ) aus: S. Dalgard, Salptertolden, S.333 ff (Schätzung der auf 19 niederländische Schiffe verteilten Warenmenge, die im April 1639 im Sund blockiert wurde.
Abb. 2: Baltischer Exportsalpeter und Schießpulver im Oresund (1563-1657) 7 Zunckel
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Seit 1563 wurden osteuropäische Salpeterexporte von den Sundzollregistern erfaßt. 127 Bis 1598 fielen die jährlichen Ausfuhrmengen, die zumeist deutlich unter 500 Zentnern lagen, jedoch nur sehr gering aus. 1 2 8 Englische Schiffe waren in dieser Zeit vorherrschend. 129 Aber auch Lübecker und niederländische Frachtfahrer waren an den Salpeterexporten direkt oder über die Vermittlung der Hansetadt beteiligt. 130 Zwischen 1599 und 1610 erfuhr der Salpeter- und Schießpulverhandel durch den Sund einen ersten Aufschwung. Obwohl die jährlichen Werte in dieser Periode noch stark schwankten, sind doch etliche Jahre mit 1000 bis 2500 Zentnern verzollten Gutes zu verzeichnen, 131 wobei niederländische
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Zu geringen Salpeterexporten in Richtung Schweden (1535) siehe: M. Biskup, "Gdansk's Trade with Stockholm at the Turn of the Middle Ages and Modern Times", in: Studia Maritima 6(1987), S.7-27, Tab. I (S.18) und S.23. 128 N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten: 1563 (S.8 f); 1569 (S.40 f); 1574 (S.44 f); 1579 (S.74 f); 1580 (S.78 f); 1581 (S.82 f); 1582 (S.86 f); 1583 (S.90 0; 1584 (S.94 f); 1585 (S.104 f); 1586 (S.120 f); 1587 (S.124 f); 1588 (S.128 f); 1589 (S.132 f); 1590 (S.136 f); 1591 (S.140 f); 1592 (S.144); 1593 (S.148 f); 1594 (S.152); 1596 (S.182 f); 1597 (S.186 f); 1598 (S.190 f). Lediglich die Jahre 1584 (285 Ztr.), 1588 (402 Ztr.), 1589 (325 Tdr.), 1592 (413 Ztr.) und 1598 (268 Ztr.) verzeichnen Salpeterlieferungen, die erheblich über dem noch geringen Durchschnitt dieser Periode liegen. 129 Von einem englischen Übergewicht kann auf Basis der Sundregister lediglich bis 1590 gesprochen werden. Siehe hierzu die Angaben in Tab. 3 (Varer fort vestpaa, fordelt efter Skibeners rejansted) der Aufschlüsselung nach N.E. Bang. Vgl. auch: H. Zins, England and the Baltic in the Elizabethan Era, Manchester 1972, S.237 ff; J.K. Fedorowicz, England's Baltic Trade in Early Seventeenth Century, Cambridge 1980, S.130; ders., "Anglo-Polish Commercial Relations in the First Half of the Seventeenth Century", in: JEEH 5(1976), S.359-378. 1622 erging eine Ordinanz des englischen Königs, Salpeter aus dem Baltikum nur auf englischen Schiffen oder Schiffen des Ursprungslandes der Ware zu transportieren. Siehe: B.E. Supple, Commercial Crisis, S.88. 130 Zur Vermittlunsftinktion Lübecks in den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts siehe die unter den jeweiligen Jahreszahlen vermerkten Aufschlüsselungen in: N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, Tab. 4. 131 Ebenda: 1599: 1140 Ztr. (S.194 f) 1603: 1642 Ztr. (S.210 f) 1604: 839 Ztr. (S.214) 1605: 800 Ztr. (S.230) 1606: 759 Ztr. (S.246 f) 1607: 2557 Ztr. (S.250 f) 1608: 2014 Ztr. (S.254 f) 1609: 1785 Ztr. (S.258 f) 1610: 880 Ztr. (S.262 f) Die Jahre 1600-1602 hatten nur Salpetermengen von respektive 683 Ztrn. (S.198 f), 203 Ztrn. (S.202 f) und 537 Ztrn. (S.206 f) aufzuweisen.
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Schiffe, wahrscheinlich bedingt durch die spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen, nun eindeutig in der Überzahl waren. Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges blieb die holländische Frachtfahrt für die Verschiffung von Salpeter durch den Sund vorherrschend. 132 In der Zeit zwischen 1610 und 1617 ging die Zahl der Sunddurchfahrten von mit Schießpulver beladenen Schiffen, vermutlich im Zusammenhang mit dem spanisch-niederländischen Waffenstillstand und den Kriegsereignissen im Baltikum, wieder deutlich unter die jährliche 500-Zentner-Marke zurück. 133 Die erste Hochkonjunktur im baltischen Salpetergeschäft ist in der Anfangsphase des Dreißigjährigen Krieges, zwischen 1618 und 1626, zu verzeichnen. 1618/19 betrugen die jährlichen Ausfuhrquoten 1157 bzw. 1302 Zentner, um in den Jahren 1620-23, mit 5386, 3966, 5235 und 3601 Zentnern in die erste hochkonjunkturelle Phase einzutreten. 1624 und 1625 lagen die Werte noch bei 2258 bzw. 2028 Zentnern.134 Vergleicht man die aus den Sundzollregistern gewonnenen Daten mit dem durchschnittlichen Salpeterverbrauch einiger europäischer Staaten, so ergibt sich, daß im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts die 2000-Zentner-Marke beim damaligen Stand der Kriegstechnik ein erhebliches Exportniveau darstellte.135 Insbesondere der niederländische Unabhängigkeitskrieg sorgte in 132
Siehe die Aufschlüsselung in: Ebenda, Tab. 3. Ebenda: 1611: 206 Ztr. (S.266 f) 1612: 77 Ztr. (S.270 f) 1613: 158 Ztr. (S.274 f) 1614: 460 Ztr. (S.278 f) 1616: 213 Ztr. (S.310 f) 1617: 109 Ztr. (S.314 f) Zu den Kriegsereignissen im Baltikum siehe: E. Wiese, Die Politik der Niederländer während des Kalmarkrieges (1611-1613), ihr Bündnis mit Schweden (1614) und den Hansestädten, Heidelberg 1903 und A. Attmann, The Struggel for Baltic Markets. Powers in Conflict, 1558-1618, Göteborg 1979. 134 N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, S.318 f, S.322 f, S.326 f, S.330 f, S.334 f, S.338 f, S.342 f, S.360 f, S.375 f. Als zusätzliche Quellen zu den Sundregistern sind die Korrespondenzen des Stadtrates von Danzig für wenige Jahre erhalten. Darin finden sich eine Vielzahl von Belegen über die Salpeterlieferungen der Stadt an eine Reihe von Interessenten. Siehe: M. Hroch, Handel und Politik, S.21 f. Vgl. auch das von P.W. Klein, De Trippen, S.239, im Zusammenhang mit dieser Fragestellung benutzte niederländische Quellenmaterial. Zu Englands Salpeterkäufen in den 20er Jahren siehe die von J.K. Fedorowicz, Baltic Trade, S.130, aufgeführten Quellen (in erster Linie: Calender of State Papers. Domestic Series für die Jahre 1625/26 und 1627/28). 135 Geht man von einem durchschnitlichen Zentnerpreis von ca. 50 fl oder 25 Rtl. aus, so betrug der kommerzielle Gegenwert von 2000 Ztrn. Salpeter 100.000 fl oder 50.000 Rtl. 133
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dieser Zeit für das Ansteigen der Ausfuhrzahlen. 136 Während des Dreißigjährigen Krieges erhöhte sich die allgemeine Nachfrage nach Salpeter in Folge des allgemein gestiegenen Bedarfes der europäischen Kriegsmaschinerien schlagartig. 137 Danziger Exportwerte von über 4000 Zentner jährlich können im Zusammenhang mit der Kriegskonjunktur als Mindestumschlagniveau angesehen werden. 138 1626 sank der Wert des im Sund verzollten Danziger Salpeters auf 1008 Zentner. 139 Das Exportverbot des polnischen Königs von Salpeter und Schießpulver (1627-28) im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen im Baltikum und der schwedischen Blockade Danzigs (1626-1629) machte sich deutlich bemerkbar. 140 Mit Ausnahme von 1630 fielen die vom Sundzoll erfaßten Salpeter- und Schießpulvermengen bis 1633 wieder unter die 1000-Zentner136
Zu den Größenordnungen der niederländischen Einzelbestellungen in Danzig siehe die Käufe durch Salomon Vorknecht im Jahre 1620 (150.000 Pfund) und Jost Willelmsz Niekerck im Jahre 1626 (200.00 Pftind), abgedruckt bei: G.W. Kernkamp, Baltische Archivalia. Onderzoek naar Archivalia, Den Haag 1909, S.227. 137 Quantitative Angaben über die Schießpulverbrauchsmengen der europäischen Kriegsmaschinerien finden sich nur vereinzelt. Laut Berechnungen von I.A.A. Thompson, War and Government, S.241 ff, benötigte Spanien im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts jährlich mindestens 3000-4000 Ztr. Salpeter. Die jährliche Lieferverpflichtung der französischen Salpeterpächter betrug 1628 2000 Ztr., 1634 2500 Ztr., 1663 6000 Ztr. und Ende des 17. Jahrhunderts bereits 10.000 Ztr. Diese Mengen wurden für den "normalen" Verbrauch als ausreichend angesehen. Die Zahlen machen deutlich, in welchem Ausmaß der Salpeterbedarf im Laufe des 17. Jahrhunderts anstieg. Siehe: O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.128 ff. Nach Angaben von A. Ernstberger, Hans de Witte, S.261 ff., bezog Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg aus Friedland jährlich 4000-5000 Ztr. Pulver. Die Lieferungen der süddeutschen Städte lagen in derselben Größenordnung. Nürnberg erklärte, pro Woche nicht mehr als 25 Ztr. (d.h. jährlich ca. 1250 Ztr.) produzieren zu können. 138 Bei den Danziger Exporten handelte es sich lediglich um Zusatzlieferungen, die die jeweilige Inlandsproduktion von Salpeter ergänzten. 139 N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, S.378 f. Nur 639 Ztr. waren davon Danziger Provenienz. 140 P. Simson, Danzig und Gustav Adolf (1626-1628), 1924; K.R. Böhme, Die schwedische Besetzung des Weichseldeltas 1626-1636, Würzburg 1963; A. Attman, Stranglehold, S.545 ff. Die Blockade Danzigs wird vorrangig in Zusammenhang mit dem Getreidehandel gesehen, hatte aber natürlich auch erhebliche Auswirkungen auf das internationale Salpetergeschäft. Zur großen Nachfrage nach Salpeter auch in der Zeit des Ausfuhrverbotes siehe: G.W. Kernkamp, Handel op den vijand, S.239 ff und M. Hroch, Handel und Politik, S.21 f. Vor allem Dänemark erhielt 1628 Ausfuhrgenehmigungen für Salpeter, die in den Sundzollregistern nicht erschienen.
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Marke. Für diese Angebotsverknappung waren politisch-militärische Motive verantwortlich. 141 Die Nachfrage nach dem militärstrategisch unverzichtbaren Rohstoff blieb aber unverändert groß. Der Danziger Engpaß führte deshalb dazu, daß die im (Getreide- und) Salpetergeschäft engagierte Kaufmannschaft, allen voran die Holländer und Hamburger, auf Ausweichstrategien sannen. Eine Folge davon war die Belebung der Handelsbeziehungen zu Rußland über die Weißmeerroute nach Archangelsk. Von hier aus wurden seit Mitte der 20er Jahre insbesondere Getreide und Salpeter nach Nordwesteuropa exportiert. 1 4 2 Die Angebotsverknappung auf dem internationalen Salpetermarkt in Danzig führte zu aggressiven Marktstrategien. Die Konkurrenz zwischen Hamburg und Amsterdam, den beiden maßgeblichen nordwesteuropäischen Verteilerzentren von Salpeter, akzentuierte sich gerade in dieser Zeit. Gleichzeitig begannen die Holländer, Salpeter aus Indien einzuführen und somit die Danziger Bezugsquelle schrittweise durch die Ressourcen aus Übersee zu ersetzen.
141
So wurden nach N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, 1627 lediglich 376 Ztr. aus Stettin (S.382 f), 1628 nur 3 Ztr. von Dänemark aus (S.38 f) und 1629 nur 602 Ztr., davon lediglich 383 Ztr. aus Danzig (S.390 f), durch den Sund verschifft. 1630 wurden 2765 Ztr. (davon 1925 Ztr. Danziger Salpeter) im Sund verzollt (S.294 f). 1631 fiel die Durchfuhrmenge auf 928 Ztr., davon 659 Ztr. Danziger Provenienz (S.398 f). 1633 wurden lediglich 459 Ztr. vorrangig Danziger Pulvers verzollt (S.402 f). Den nur begrenzten Quellenwert der Sundregister für die hier behandelte Fragestellung veranschaulicht auch ein einzelner Quellenbeleg bei: M. Bogucka, Salpeter Production, S. 168. 1629 beantragte der Danziger Kaufmann Christian Horstmann bei der Stadt zwei Ausfuhrlizenzen für Salpeter. Insgesamt wollte er 607.000 Pfund Salpeter nach Dänemark ausführen. Lieferungen an Dänemark erschienen aber nicht in den Sundzollregistern. Die Abnahme der polnischen Salpeterausfuhren nach Westeuropa Anfang der 30er Jahre kann auch im Zusammenhang mit den Moskowitischen Kriegen (1632-34) stehen. Zu den Kriegsereignissen im Baltikum vgl. auch: R.C. Anderson, Naval Wars in the Baltic, London 1969, S.29-46. 142 H. Kellenbenz, "The Economic Significance of the Archangel Route (From the Late 16th to the Late 18th Century)", in: JEEH 2(1980), S.541-581; I.P. Saskolskij, "Hauptrichtungen und -wege in den Handelsbeziehungen Rußlands mit Westeuropa im 16. und 17. Jahrhundert", in: Hansische Studien, Bd.m, Weimar 1975, S.46-57; W. Kirchner, "Deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen im 17. Jahrhundert. Ein Vorbericht", in: VSWG 76 (1989), S.152-184; S. Hart, Amsterdam Shipping and Trade to Northern Russia in the Seventeenth Century, Den Haag 1973. Zum Anteil des Salpetergeschäftes an dieser Handelsverbindung siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.239 ff und E. Amburger, Familie Marseiis, S.33, S.37, S.76 ff, S.95 ff.
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In der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges, von 1635 bis 1648, ist die absolute Hochkonjunktur der Danziger Pulver- und Salpeterexporte durch den Sund mit Spitzenwerten zwischen 4000 und 11.000 Zentnern zu konstatieren. 143 Einzig das Jahr 1639 lag im Zusammenhang mit der Zoll- und Militärpolitik Christians IV. mit nur 2230 Zentnern deutlich unter den Werten der Boomphase.144 Die Jahre 1644/45 zeigen (mit 3051 und 2371 Zentnern) das zeitweise Abflauen der Kriegskonjunktur, um dann wiederum für drei Jahre auf 6843, 8694 und 4518 Zentner anzusteigen. Für die Jahre 1649-1651 sind nur vernachlässigbar geringe Werte zu verzeichnen. Von 1652-1657 wurden 143
N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, gibt folgende Werte an: 1635: 2445 Ztr. (S.423 f) 1636: 5849 Ztr. (S.446 f) 1637: 8533 Ztr. (S.450 f) 1638: 11.229 Ztr., davon 8584 Ztr. Danziger Provenienz (S.454 f) 1640: 4063 Ztr. (S.462 f) 1641: 3195 Ztr. (S.466 f) 1642: 9312 Ztr. (S.470 f) 1643: 5976 Ztr. (S.274 f) 1644: 2371 Ztr. (S.482 f) 1646: 6843 Ztr. Salpeter, 125 Ztr. Pulver (S.508 f, S.527) 1647: 8694 Ztr. (S.530 f) 1648: 4518 Ztr. (S.534 f) Dieses Zahlenmaterial kann mit den Angaben von M. Bogucka, Handel, S.42, ergänzt und konfrontiert werden. Ihre Werte beruhen auf den im Danziger Hafen erhobenen Abgaben der Pfahlgelder, die jedoch nur die offizielle Salpeterausfuhr widerspiegeln. Leider macht sie nur Angaben für drei Jahre: Im Jahr 1634, für das in den Sundzollregistern keine Werte verfügbar sind, gibt sie einen Wert von 2045 Ztrn. an. Eine Größenordnung, die in etwa von den Sunddurchfuhren des folgenden Jahres bestätigt wird. 1641 verließen laut M. Bogucka trotz bestehenden Ausfuhrverbotes 12.360 Ztr. Salpeter Danzig. Im Sund wurden aber lediglich 3195 Ztr. registriert. Für 1649 erhält sie einen Wert von nur 20 Ztrn., eine Angabe, die in der Größenordung der Sundregister lag. Gerade die enorm differierenden Angaben von 1641 zeigen, mit welch großem Vorbehalt die Sundregister benutzt werden müssen. Natürlich kann auf Grund einer einzigen Angabe nicht darauf geschlossen werden, daß die effektiven Jahresausfuhren Danzigs an Schießpulver und Salpeter generell viermal so hoch lagen, wie im Sund ausgewiesen. Der Vergleich beider Werte macht aber deutlich, daß es sich bei den Sundangaben lediglich um einen Indikator der allgemeinen Konjunkturbewegung für Salpeter handeln kann. 144 N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, S.458 f. Zu den Vorgängen um die Sundsperre Christians IV., der 1638/39 über die Heraufsetzung des Zolls von 3/4 Rtl. auf 14 Rtl. (also ungefähr die Hälfte des kommerziellen Wertes) für Salpeter beabsichtigte, diesen Rohstoff der eigenen Kriegsversorgung zuzuführen, siehe: S. Dalgard, Salpetertolden, S.333 ff und E. Amburger, Familie Marseiis, S.38 f. Auf Grund des allgemeinen Unmutes senkte Christian IV. den Zoll auf 6 Rtl. pro Ztr. Im April 1639 lagen insgesamt 9000 Ztr. Salpeter (auf 19 niederländische Schiffe verteilt) im Sund fest und anscheinend nur ein geringer Teil gelangte an den ursprünglichen Bestimmungsort.
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in den Sundzollregistern keine Salpeterdurchfuhren registriert. 145 In den 60er Jahren war die Hochkonjunktur des Danziger Exportsalpeters beendet. Indischer Exportsalpeter dominierte nun auf den europäischen Märkten. 1 4 6 Gleichzeitig mit der europäischen Kriegshochkonjunktur hatte seit 1621 die Salpeterausfuhr der "Vereinigten Ostindischen Compagnie" (VOC) von der Koromandelküste eingesetzt.147 Indischer Salpeter erreichte seit 1626 auch England. 148 Amsterdam hatte sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zur zentralen europäischen Hauptbezugsquelle für Salpeter entwickelt und konnte nach 1650 Hamburg auf diesem Sektor überflügeln. Ausschlaggebend war hierbei ohne Zweifel die Zufuhr von indischem Salpeter. Die latente Salpeterknappheit in Europa ließ erst nach 1660 mit den massiv einsetzenden Importen durch die VOC merklich nach. Deswegen stabilisierten sich schließlich die Preise, nicht zuletzt wegen der englischen Salpeterausfuhren aus dem Golf 145
N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, für die Jahre: 1644 (S.278 f); 1645 (S.482 f); 1646 (S.508 fund S.527); 1647 (S.530 f); 1648 (S.534 f). 1649 wurden nur noch 33 Ztr. Pulver durch den Sund befördert (S.538 f), 1650 lediglich 68 Ztr. (S.542 f) und 1651 nur noch 21 Ztr. (S.546 f). Seit 1642 wurde der Salpeter im Sund konfisziert, so daß Exporte erschwert wurden. Nach 1648 und zwischen 1655-1660 kam die (offizielle) Salpeterausfuhr aus Danzig im Zusammenhang mit dem Kosakenaufstand, dem zweiten schwedisch-polnischen Krieg sowie dem russisch-polnischen Krieg zum Stillstand. Siehe: M. Bogucka, Salpeter Production, S. 168 f. 146 Hatte der kommerzielle Wert des Danziger Exportsalpeters 1639 ca. 25 Rtl. pro Ztr. betragen, so notierte der Hamburger Preiscourant von 1672 für polnische Ware nur noch 15 Rtl. Siehe: E. Amburger, Familie Marselis, S.38 und M. Pohl, Hamburger Bankengeschichte, Mainz 1986, Abb.l (S.17). Der polnische Salpeter folgte demnach der Preiskurve des indischen Exportsalpeters. 147 Siehe: K. Glamann, Dutch-Asiatic Trade 1620-1740, Kopenhagen/Den Haag, 1958, S.19. Im November 1621 wurden auf der "Hollandia" knapp 39.000 Pfund, auf der "Middleburgh" über 39.000 Pfund Salpeter nach Amsterdam transportiert. Der indische Salpeter kam in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus der Salpetermanufaktur von Aimer unweit Agers, die der deutsche Reisende Johann Albert von Mandelslo in den Jahren 1636-40 besuchte und eingehend beschrieb. Siehe: J.R. Partington, Greek Fire, S.322. 148 1624 schmiedete England Pläne für umfangreiche Salpeterimporte. In den 30er Jahren lag der jährliche Durchschnitt des importierten Salpeter bei ca. 200 Tonnen. 1630 forderte die englische Ostindien Compagnie (EIC) pro Schiff einen Mindestbeladeanteil von 25 Tonnen. Siehe: K.N. Chaudhuri, East India Company, S. 189. Zwecks Vorfinanzierung der anvisierten Einfuhren wurde von der Krone im August 1627 eigens ein groß angelegtes Projekt privater Anleihen ins Leben gerufen. Siehe: R. Asthon, The Crown and the Money Market, 1609-1640, London 1960, S.75.
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von Bengalen,149 die dem Amsterdamer Markt seit 1670 kräftig Konkurrenz machten.150 Das auf Amsterdam, Hamburg und Danzig konzentrierte Beschaffungsmonopol für Salpeter verlagerte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach Amsterdam und London dank der Anbindung beider Städte an ihre überseeischen Besitzungen. Salpeter nahm nach den Indigofrachten den zweiten Platz der aus Indien exportierten Massengüter ein. 151 Der indi149
Erst mit der kommerziellen Erschließung des Golfes von Bengalen setzten umfangreiche Salpeterlieferungen ein. In Bihar in der Nähe Patnas waren die ertragreichsten Lagerstätten des indischen Subkontinentes lokalisiert. Der dort gewonnene Salpeter war von besserer Qualität und billiger als der Salpeter der Koromandelküste. Siehe: K.N. Chaudhuri, The Trading World of Asia and the English East India Company, 1660-1760, London 1978, S.337 ff. 150 Seit 1589 lag der Salpeterpreis in Amsterdam bei ca. 50 fl. Im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sanken die Preise (1672: 35,5 fl; 1674: 27,75 fl; 1682: 25 fl; 1683: 21 fl; 1701: 19,5 fl pro Ztr.). In der ersten Dekade des 18. Jahrhunderts wurde Salpeter für 28 fl gehandelt. Siehe: N.W. Posthumus, Nederlandsche Prijsgeschiedenis, Bd.I: Goederenprijsen op de Boers van Amsterdam, 1585-1914, Leiden 1943, Tab.209 (S.462-465). Zur Preisentwicklung für Salpeter in England siehe: K.N. Chaudhuri, Trading World, S.336 ff, S.104 fund Appendix, Tab.C 15. Seit dem Preissprung zu Beginn des 18. Jahrhunderts blieb der Preis für indische Exportware relativ stabil. Ausnahmen von den eher geringen kriegskonjunkturellen und importbedingten Schwankungen stellten lediglich die Jahre 1715 und 1740-1745 dar. Erst in den späten 90er Jahren verdoppelten und verdreifachten sich die Salpeterpreise mit dem Kriegsgeschehen in Europa, um dann Anfang des 19. Jahrhunderts rapide zu fallen. Siehe: O. Thiele, Salpeterwirtschaft, S.186 f. 151 Als relativ unempfindliches Massengut bot sich Salpeter auf Grund seines hohen kommerziellen Wertes als Schiffsballast an. Die Profitrate für Salpeter lag in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei 1:4. Textilien brachten 1:2. Siehe: Ebenda S.336. Pfeffer und Salpeter waren die indischen Hauptexportgütern, wobei dem Salpeter in Korrelation zu seinem Gewicht im Vergleich zum Pfeffer nur ein Bruchteil des kommerziellen Gesamtwertes zukam. Siehe auch: R. Davies, Shipping Industry, S.257. Mit den Umstrukturierungen im indisch-europäischen Güterverkehr rangierte seit der zweiten Jahrhunderthälfte der Indigo an erster Stelle der beförderten Massengüter. Siehe: K.N. Chaudhuri, Trading World, S.329-335. Bezogen auf den (Ankaufs-)Rechnungswert der Ware betrug der Anteil des Salpeter sowohl im Fall der VOC (1648-1740) als auch im Fall der EIC (1664-1740) ca. 2% bis 5% des Gesamtexportwertes. In Bezug auf den Verkaufs wert schwankte der Salpeteranteil im Falle der VOC zwischen 3,5% und 7,5%, im Falle der EIC zwischen 4,5% und 9%. Siehe: N. Steensgaard, "The Growth and Composition of Long-distance Trade of England and the Dutch Republic Before 1750", in: J.D. Tracy, Rise of Merchant Empires, S.102-152, Tab. 3.5 (S.114-117). Vgl. auch: R. Davies, Shipping Industry, S.262.
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sehe Salpeter bildete in der gesamten Frühen Neuzeit die Hauptbasis der europäischen Schießpulverfabrikation, bis die ostindische Ware im 19. Jahrhundert vom Chilesalpeter verdrängt wurde und die synthetischen Explosivstoffe den Rohstoff Salpeter dann schließlich völlig ersetzten.152 Durch die latente und akute Mangelsituation sowie die unregelmäßige Zufuhr des militärwirtschaftlichen Grundstoffes waren im Dreißigjährigen Krieg die Bedingungen für große Spekulationsgeschäfte und monopolistische Praktiken auf dem Salpetersektor gegeben. Insbesondere die Amsterdamer und die Danziger Kaufmannschaft waren hierbei maßgeblich beteiligt. In Amsterdam versuchten vorrangig die Unternehmerkreise um den Waffengroßhändler Elias Trip ein Handelsmonopol für Salpeter zu errichten. Im Zentrum dieser Kontrollstrategien standen sowohl der Danziger Rohstoff, der die europäische Nachfrage jener Zeit maßgeblich ergänzte, als auch der indische Exportsalpeter. Monopolbestrebungen dieser Kaufleute sind erstmals in den 20er und dann wiederum in den späten 30er Jahren des 17. Jahrhunderts, also in der ersten und zweiten rüstungskonjunkturellen Hochphase des Dreißigjährigen Krieges, nachweisbar.153 Die Monopolversuche erfolgten dabei stets unmittelbar vor den politisch-militärisch bedingten Angebotsverknappungen für baltischen Salpeter.
152
Siehe: K.N. Chaudhuri, Trading World, S.337 f. Die Einfuhrziffern aus Indien standen in engem Zusammenhang mit der politischen Lage bzw. den Kriegszuständen in Europa. Zeitweise unterbrach der Krieg in Indien die Lieferungen nach Europa. In Korrelation mit dem Frieden in Europa sank die Nachfrage nach Salpeter seit 1698. Nach 1704 wurden Salpetereinfuhren aus Indien wieder profitabel. 1669/70 führte die EIC über 20.000 Ztr., 1682 über 1500 Tonnen Salpeter nach England aus. Die EIC verpflichtete sich seit 1703 zu jährlichen Lieferungen an die Krone von mindestens 5000 Tonnen Salpeter. Von 1717 bis Mitte der 30er Jahre lagen die durchschnittlichen Jahresausfuhrziffern zwischen 10.000 und 15.000 Tonnen, 1727 und 1732 bei 20.000 Tonnen. 1741 wurden 33.000 Ztr., 1743 53.162 Ztr. aus Indien ausgeführt. 1728 bildete sich auf Grund der starken europäischen Nachfrage in Patna für die Belieferung der holländischen und englischen Kundschaft eine zentrale Vertriebsgesellschaft. 1735 begann auch Frankreich mit den Direktimporten aus Indien. 153 Die aktuelle Forschungslage auf diesem Gebiet läßt nur einen kleinen Einblick in diese Handelstrukturen zu. Neben den einschlägig bekannten holländischen Experten auf diesem Sektor (wie Salomon Vorknecht, Jost Willemsz Niekerck und Arndt Pilgrim) konnte bislang nur ein kleiner Kreis von Danziger Verbindungsleuten vor Ort identifiziert werden. Am Salpeterexportgeschäft in Danzig waren auch die Kaufleute Christian Horstmann, Michael Probst, Thomas Wilpole, Hans Schmidt, Tewes Sievert und Peter Cornelius Möller maßgeblich beteiligt. Siehe: M. Bogucka, Salpeter Production, S. 168.
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. Militärwirtschaftliche Grundlagen
Am 18. April 1626 schlossen Elias Trip, Guillelmo Bartolotti, Joost Willemsz Niekerck, Louis de Geer, Geriti Hudde und Cornells Martensz beim Amsterdamer Notar J. Warnaertsz einen Gesellschaftsvertrag zum Verkauf des von Elias Trip erworbenen VOC-Salpeters unter 1/6 Anteilsaufteilung ab. Am selben Tag kam außerdem ein nahezu identischer Gesellschaftsvertrag derselben Gruppe von Großkaufleuten (mit Ausnahme von Cornells Martensz) zu Stande, der den in Kooperation erworbenen Danziger Salpeter zum Gegenstand hatte. Die von dieser Kapitalgesellschaft kontrollierten Salpeterbestände wurden in Amsterdam zentral verkauft, so daß die Kombination beider Transaktionen eindeutig als Monopolversuch zu werten ist. 154 Flankiert wurden diese Bemühungen von den Versuchen derselben Unternehmerkreise, die Archangelskroute zu monopolisieren 1 5 5 sowie von der engen handelsstrukturellen Anbindung der schwedischen Kupfer- und Kriegsgüterexporte über Louis de Geer an das Waffenhandelsimperium Elias Trips. 156 Ein weiterer Faktor begünstigte den Erfolg des holländischen Monopolversuches in erheblichem Maße: Durch die Handelsblockade der alliierten Mächte (England, Dänemark, Niederlande) wurden die Militärgüterexporte der Hansestadt Hamburg seit 1626 erheblich erschwert. Der Hauptkonkurrent Amsterdams war somit zeitweise ausgeschaltet. Noch günstiger als in den 20er Jahren waren die Bedingungen für groß angelegte Spekulationen mit Salpeter in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts. Ausschlaggebend für die extremen Schwankungen im Salpetergeschäft dieser Periode, die sowohl durch überdurchschnittliche Profite als auch durch hohe 154
Den monopolartigen Charakter dieser Zusammenschlüsse beweisen die Zeugnisse französischer und englischer Aquirenten, die sich über das Preisdiktat der holländischen Kaufmannschaft 1626 und 1649 beschwerten. Zu einem formellen Preisdiktat der holländischen Pulverproduzenten kam es jedoch erst 1660. Siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.236 ff. 155 Zum Versuch eines Getreidehandelsmonopols durch die Handelskompagnie für den Rußlandhandel durch Elias und Pieter Trip, Guillelmo Bartolotti, Thijmen Jacobsz Hinlopen, Jost Willemsz Niekerck, Leenaert van Sorghen, Adrian Jacobsz van Leeuwarden, Isaac Massa und Thomas de Swaen vom 15. Dezember 1628 sowie die Salpeterausfuhren Elias Trips aus Moskowien über die Verbindungsleute Gommer Spranger und Henrick van Ringen desselben Jahres siehe: Ebenda, S.153 ff, S.239 ff; E. Amburger, Familie Marseiis, S.77 f; H. Kellenbenz, Archangelsk, S.552. 156 Zum Gesellschaftsvertrages der Trippschen Unternehmergruppe im Jahre 1628 siehe: P.W. Klein, De Trippen,, S.225. Zur engen Zusammenarbeit zwischen den verschwägerten Louis de Geer und Steven Gerards seit 1609, in die seit 1617 Elias Trip einbezogen wurde, sowie zur vertraglichen Besiegelung dieser Geschäftsbeziehungen im Jahre 1624 siehe: Breedvelt van Veen, Louis de Geer, S.21, S.39 ff und V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.36 ff.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
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Verluste gekennzeichnet wurde, waren neben der großen Nachfrage in Westeuropa nach Einschätzung M. Boguckas vor allem die fallenden Produktionszahlen in Klein-Polen, die dänische Zollpolitik im Sund (1638/39 und dann seit 1642) sowie die Danziger Ausfuhrverbote, die den internationalen Salpeterhandel oft zum illegalen Schmuggelgeschäft machten.157 Typisch für die Handelsgesellschaften, die in den 30er Jahren im Salpeterimportgeschäft nach Danzig und im Verarbeitungsprozeß vor Ort aktiv waren, ist die gemeinsame Unternehmung des Danziger Kaufmanns Peter Cornelius Möller und seines Amsterdamer Geschäftspartners Arndt Pilgrim, die im Jahre 1636 zunächst für drei und dann für drei weitere Jahre abgeschlossen wurde. 1 5 8 Der erwirtschaftete Reingewinn der Gemeinschaftsunternehmung war 1636/37 nicht sonderlich hoch. Allerdings demonstriert die Aufschlüsselung der einzelnen Transaktionen, daß insbesondere der Verarbeitungsprozeß in Danzig überdurchschnittliche Gewinne (220%) einbringen konnte, während im klassischen Ankauf-Verkauf nur 14% zu erzielen waren. Eine weiteres Geschäft, das beide Vorgänge einschloß, brachte hingegen 32,8% Profit. 159 Im Deutschen Reich existierten im gleichen Zeitraum anscheinend keine den holländischen Versuchen vergleichbaren Monopolstrukturen im Salpeter-
157
M. Bogucka, Salpeter Production, S. 168 f. Leider spezifiziert sie ihre Angaben über die Entwicklung der polnischen Salpeterproduktion in den 30er Jahren nicht und gibt auch keine weiterführenden Literaturhinweise. Nach 1642 wurde der internationale Salpeterhandel durch die Konfiszierungen im Sund dermaßen behindert, daß ein großer Teil der beteiligten Kaufleute das nun stark zunehmende Risiko scheute und sich aus dem Salpetergeschäft zurückzog. 158 Ebenda. Der Einblick in die Strukturen dieser Produktions- und Handelsgesellschaft kam dadurch zu Stande, daß die Geschäftspartner 1641 gegeneinander prozessierten. Die Angaben von M. Bogucka basieren demnach auf Gerichtsakten. 159 Ebenda. Diese Angaben sind insofern von Bedeutung, da über die Verbindungsleute der westeuropäischen Kaufmannschaft in Danzig bislang nur wenig Informationen greifbar sind. Auch über die Verarbeitungskapazitäten in Danzig ist nur sehr wenig bekannt. Allerdings nehmen die Ausführungen von M. Bogucka keinen Bezug darauf, an wen und zu welchem Preis der Salpeter weiterverkauft wurde und wie groß gegebenenfalls die Gewinnmarge des potentiellen Verkäufers in Westeuropa war. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Familien Bartolotti und Pilgrim in engen Geschäftskontakten standen. Siehe: R. Hildebrandt, "Interkontinentale Wirtschaftsbeziehungen und ihre Finanzierung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", in: H. Kellenbenz, Weltwirtschaftliche und währungspolitische Probleme, S.61-76, S.67 und J.G van Dillen, Het oudeste aandeelhoudersregister van de kamer Amsterdam der Oost-indische Compagnie, Den Haag 1958, S.64, S.214.
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. Militärwirtschaftliche Grundlagen
handel. 160 Obwohl die Lübecker und Hamburger Kaufmannschaft in großem Umfang am Danziger Salpetergeschäft teilnahm, liegen die diesbezüglichen Handelsstrukturen allerdings bis jetzt nicht offen. 161 Darüber hinaus hatte sich mit dem Handelshaus Marseiis in Hamburg ein den Holländern vergleichbar starker Pol im internationalen Kriegsgüterhandel gebildet. 162 Die Marseiis waren spätestens seit 1625 vorrangig nach Dänemark und Rußland orientiert. Durch ihre Tätigkeit als Kriegslieferanten Christians IV. stand diese Familie generell im Konflikt mit dem sie umgebenden lokalen und reichs160
Der Salpeter- und Schießpulverbedarf der kaiserlichen Partei wurde seit 1625 von Hans de Witte zentral gesteuert. Von einer Monopolftmktion de Wittes kann jedoch nicht gesprochen werden, weil er keinen direkten Zugang zu den Rohstoffquellen oder den Verarbeitungszentren besaß. Bis 1625 basierte der Nachschub der kaiserlichen Partei in erster Linie auf dem vom Wiener Großhändler Lorenz Hartlieb gelieferten Schießpulver (direkt an den Hofsekretär Gerhard von Questenberg). Nach dessen Tod bezog de Witte große Mengen Schwarzpulver durch den Pulverhändler Atavanti über Wien. Die Nürnberger Zufuhr lief über die Bloemaert. Polnischer Salpeter kam über Walter de Hertoghe aus Hamburg und Antoni Flandrinis Erben bzw. Bartholomeus Mudrach aus Breslau. Wallenstein kontrollierte die Schießpulverproduktion in Friedland. Siehe: A. Ernstberger, Hans de Witte, S.255 ff. Zur Monopolproblematik im Deutschen Reich vgl.: J. Strieder, Studien zur Geschichte kapitalistischer Organisationsformen. Monopole, Kartelle, Aktiengesellschaften, München 1914 und F. Blaich, Die Reichsmonopolgesetzgebung im Zeitalter Karls V. Ihre ordnungspolitische Problematik, Stuttgart 1966. 161 Da der Danziger Salpeter die Hansestadt meist über Lübeck erreichte, müßten sich diesbezügliche Nachforschungen in Zukunft vorrangig auf die personellen Beziehungen zwischen den drei Hansestädten richten. Siehe: A. v. Brandt, Hamburg und Lübeck, S.44. Zu Monopolbestrebungen Domenicus van Uffelns in Hamburg auf diesem Gebiet im Jahre 1611 siehe: R. Ehrenberg, "Berichte eines hamburgischen Faktors der Welser 1611", in: ZVHG 10(1890), S.l-16, S.6. 162 Zu den Marseiis, ihrer Betätigung als Hauptkriegslieferanten der dänischen Krone, ihren Verbindungen nach Amsterdam und ihren Aktivitäten auf dem russischen Militärsektor, siehe: E. Amburger, Familie Marseiis, insbesondere S.25, S.32 ff, S.36 ff, S.76 ff, S.95 ff. Allerdings geht Amburger in seiner Darstellung auf die Beziehungen der Hamburger Marseiis zu den sie in Hamburg umgebenden Unternehmerkräften und auf die politischen Verhältnisse in der Hansestadt, die die Aktivitäten der Marseiis in gewisser Weise kontrastierten, nicht ein. Zur Verschwägerung der Marseiis mit den Trip über die Familien Sautijn und van der Straaten siehe: Ebenda, S.35. Zu den Handelsbeziehungen der hansischen Kaufmannschaft mit Dänemark vgl. auch: J. Jorgensen, "Denmark's Relations with Lübeck and Hamburg in the Seventeenth Century", in: SEHR 11(1963), S.73-116. Er behandelt vorrangig die zweite Jahrhunderthälfte.
2. Produktions- und Handelsgeschichte von Salpeter
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politischen Umfeld. Die Hamburger Marseiis behielten deshalb stets Rückhalt in ihrem Amsterdamer Kontor. 1634/35 knüpften sie enge verwandtschaftliche Verbindungen zu den Trip und beteiligten sich schließlich am Waffenhandelsimperium der holländischen Unternehmensgruppe. An die führenden Amsterdamer und Hamburger Handelshäuser, die die internationale Vermittlung von Salpeter und Schießpulver zentralisierten, wandte sich in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts auch die Republik Genua, um umfangreiche Munitionsbestellungen für den Krieg mit Savoyen aufzugeben. Diese Rüstungsgeschäfte Amsterdamer und Hamburger Handelshäuser mit Genua werden in den folgenden Kapiteln analysiert. Angesichts der generell schlechten Quellenlage auf dem Gebiet des Militärgüterhandels liefern diese Ausführungen eine Reihe von interessanten Untersuchungsergebnissen, die die handelsstrukturellen Gegebenheiten in der ersten rüstungskonjunkturellen Hochphase des Dreißigjährigen Krieges näher beleuchten.
IV· Die Genueser Munitionsbestellungen nördlich der Alpen: Anlaß, Bedeutung und politisch-ökonomisches Umfeld für die großen Rüstungsaufträge der Republik in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts 1. Das politische Umfeld des Konfliktes mit Savoyen Seit Anfang des 17. Jahrhunderts verschlechterte sich die politische Stabilität des norditalienischen Mächtegleichgewichtes, weil die kleinen Territorialstaaten und Stadtrepubliken von den spanisch-französischen Auseinandersetzungen im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges, insbesondere durch die beiden Montferrat-Kriege (1612-1617 und 1627-1631) sowie den Veltlinkonflikt (1620-1631), betroffen wurden.1 Die Verschärfung der internationalen politischen Lage mahnte mit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges, der erneuten Offensive Spaniens an verschiedenen Fronten seit dem Regierungsantritt Philipps IV. (1621) und dem aktiveren Auftreten Frankreichs auf der internationalen politischen Bühne mit der Berufung Richelieus (1616 zum Staatssekretär und 1624 zum Minister) zur Vorsicht. Vor allem Savoyen-Piemont2 verstand diese Situation durch geschicktes Taktieren zwischen den Fronten unter wiederholtem Wechsel der politisch1
R. Bolzern, Spanien, Mailand und die katholischen Eidgenossenschaften. Militärische, wirtschaftliche und politische Beziehungen zur Zeit des Gesandten Alfonso Casati (1594-1621), Stuttgart 1982; V. De Capriatiis, "L'Italia nell'età della Controriforma (1559-1700)", in: V. Valeri (Hrsg.), Storia d'Italia, Bd.n, Turin 1965, S.385778, insbesondere S.607-709; R. Quazza, Mantova e Montferrato nella politica europea alla vigilia della guerra per la successione (1624-27), Mantua 1922. Siehe auch: J.H. Elliott, Richelieu and Olivares, Cambridge 1984. 2 P. Anderson, Lineages of the Absolutist State, London 1977, S. 166-171; J.S. Woolf, "Sviluppo economico e struttura sociale da Emanuele Filiberto a Carlo Emanuele IH", in: NRS 46(1962), S.l-57; E. Stumpo, "Finanza e stato moderno. Due modelli diversi: Piemonte e Toscana, Savoia e Medici", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Finanze e ragion di Stato, S. 181-232; L. Bulferetti, Assolutismo e mercantilismo nel Piemonte di Carlo Emanuele Π (1663-1675), Turin 1953; G. Quazza, "Assolutismo e società: lo stato sabaudo", in: Ders., Decadenza italiana, S.22-34.
1. Politisches Umfeld des Konfliktes mit Savoyen
111
militärischen Allianzen für seine Zwecke auszunutzen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelte die Dynastie Savoyen ihr kleines und ökonomisch vergleichsweise schwaches Herzogtum zum modernen Finanz- und Militärstaat. Als einziges italienisches Territorium war Savoyen seit dieser Zeit auf der internationalen Ebene von Belang. Die Verträge von Lyon (1601) und Bruzolo (1610) schufen die Grundlage für ein Bündnis zwischen Frankreich und Savoyen. Die territorialen Expansionsbestrebungen des Hauses Savoyen richteten sich in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts neben den Ansprüchen auf das Herzogtum Mantua gezielt gegen die Republik Genua.3 Unter Vernachlässigung der mannigfaltigen diplomatischen Hinweise auf bevorstehende militärische Vorhaben Frankreichs/Piemonts, kam die Invasion des Genueser Staatsgebietes durch die Truppen Karl Emanuels I. über Acqui und Carpiate im Februar/März 1625 für die politische Führungsschicht der Republik Genua völlig überraschend. Allein die Intervention spanischer und deutscher Truppen aus Mailand unter Alvaro de Bazan, Markgraf von Santa Cruz, und Gómez Suârez de Figueroa y Cordoba, Herzog von Feria, verhinderten im Krieg gegen Savoyen das militärische Debakel. Bereits im Juli 1625 konnte das piemontesische Vorgehen gestoppt und zum Gegenangriff geschritten werden.4
3
Zur Vorgeschichte dieses Konfliktes siehe: G. Giachero, Il Seicento e le compere di San Giorgio, Genua 1979, S.97 f, S.102 f, S.281. 4 Siehe die Genueser Quellenbestände: G. Costa, Historia della guerra che han fatto alla Republica di Genova il Re di Francia, Duca di Savoia et altri Collegati l'anno 1625 (A.S.C.G./B.S., 109.E.9), in der Transkribierung von M. Serafini, Giovanni Costa. (Magisterarbeit an der Universität Genua 1975/76); Raffaele Della Torre, "Commentario dell'impressione ostile fatta dall'armi francesi e piemontesi nella Liguria l'anno 1625", enthalten in: Vero e distinto ragionamento fatto da Giulio Pallavicino ... per lo quale con ogni curiosità si nara la scellerata guerra mossa l'anno 1625 dal duca di Savoia alla Republica di Genova (A.S.C.G. ms. Nr.341), in der Transkribierung von E. Cosentino. (Magisterarbeit an der Universität Genua 1975/76); R. della Torre, Historie delli avvenimeti de suoi tempi (B.U.G. ms. C.V.6-7), Bd.I, S.366 ff; G.B. Cicala, "Relazione dell'origine della guerra del 1625" (A.C.G. ms. Nr. 140); P.G. Capriata, Historia ... dal 1613 al 1634, Genua 1938, S.578 ff. Vgl. auch die Beschreibung der Kriegsereignisse: C. Bruzzo, "Note sulla guerra del 1625", in: ASLSP 67(1938); G. Giaccherò, Il Seicento, S.281-287; C. Costantini, La Repubblica di Genova nell'età moderna, Turin 1978, S.245-265; C. Donati, "Genova, Piemonte, Stato della chiesa e Toscana nel Seicento", in: G. Cherubini, Storia della società italiana, Bd.ll, S.359-398, S.363 f ; J. Humbert, "Le Maréchal de Crèquy. La campagna de Gênes, Paris 1962.
112
IV. Genueser Munitionsbestellungen nördlich der Alpen
Im März 1626 kam es zur überraschenden Einigung zwischen Frankreich und Spanien in Monçon, die ihren jeweiligen Piemonteser und Genueser Alliierten eine vorläufige Beilegung der Streitigkeiten nahelegten. Karl Emanuel I. war mit dem französischen Rückzug nicht einverstanden, so daß er eine erneute diplomatische Annäherung an Spanien in zunehmendem Maße erwog und insgeheim vorantrieb, während die Auseinandersetzungen zwischen Savoy en und Genua auf Guerilla-, Scharmützel- und Grenzverletzungsebene weiterschwelten. Weihnachten 1627 kam es zur formellen Sanktionierung einer (zunächst geheimgehaltenen) spanisch-piemontesischen Allianz, die die Basis zur Invasion des Herzogtums Mantua im März 1628 lieferte. 5 Die Feindseligkeiten zwischen dem Hause Savoyen und der Republik Genua wurden erst im Jahre 1631 formell beendet. Die kriegerischen Parteien fanden sich somit an der Seite des gemeinsamen Bündnispartners Spanien. Die Umstände um die Verschwörung des Giulio Cesare Vacherò, die im April 1628 in Genua aufgedeckt wurde, zeigten daß den friedfertigen Bekundungen und taktischen Waffenstillstandserklärungen Karl Emanuels nicht zu trauen war.6 Unter maßgeblicher Unterstützung Savoyens hatte eine Gruppe "demokratisch gesinnter Kreise" aus dem "popolo grasso" von Turin aus einen Umsturzversuch vorbereitet. Diese Verschwörung nutzte die seit geraumer Zeit in der Adelsrepublik Genua manifeste und massiv ansteigende Unzufriedenheit mit den streng aristokratisch ausgerichteten und sich oligarchisch verfestigenden politischen Führungsgremien sowie deren offen zutage tretendes Unvermögen einer effizienten Regierung.7 Die politische Einflußnahme Karl Emanuels, der durch das Eingreifen in die inneren Angelegenheiten Genuas versuchte, die Republik politisch zu destabilisieren, lag dabei klar auf der Hand. Genua wandte sich deshalb an Spanien, das jedoch zum Einlenken riet. Die taktierende und zwiespältige Haltung gegenüber dem Bündnispartner Genua währte nicht nur bis zum Tod Karl Emanuels (1630), sondern setzte 5
Zu den spanisch-französischen Vereinbarungen in Monçon über die Graubünden- und Veltlinfrage siehe: V. de Caprariis, Italia, S.682-687 und G. Giachero, Il Seicento, S.285. 6 R. della Torre, "Congiura di Giulio Cesare Vacherò", ca. 1634 entstanden und abgedruckt in: Archivio Storico Italiano 3(1846), Appendix, S.545-640. Vgl. dazu die Sekundärliteratur: G. Arrias, La congiura di Giulio Cesare Vacherò, Florenz 1897; G. Doria/R. Savelli, Cittadini di governo, S.309 ff; E. Cassina, "La libellistica contro le congiure genovesi del primo Seicento", in: Genova, la Liguria e l'Oltremare tra Medioevo ed Età moderna, Bd.I, Genua 1975, S.261-265. 7 R. Savelli, La Repubblica oligarchica. Legislazione, istituzioni e ceti a Genova nel Cinquecento, Mailand 1981; G. Forcheri, Doge, governatori, procuratori, consigli e magistrati della Repubblica di Genova, Genua 1968; Dibattito politico e problemi di governo a Genova nella prima metà del Seicento, Genua 1976 (MSL Bd.VE).
1. Politisches Umfeld des Konfliktes mit Savoyen
113
sich nach 1635 mit dem offenen Ausbruch der spanisch-französischen Auseinandersetzungen vor den Toren Genuas weiter fort. 8 Seit der endgültigen politischen Abwendung Andrea Dorias von Frankreich und seiner Option für die stabile Einbeziehung der Republik Genua in das Bündnissystem Habsburgs fungierte Spanien seit 1528 faktisch als Garant für die formelle Neutralität Genuas und die Integrität seines Territoriums. Die enge ökonomisch-finanzielle Bindung zwischen den politisch tonangebenden Teilen der Genueser Aristokratie und der spanischen Monarchie durch das Asiento-Geschäft war einer der Hauptgründe für die institutionelle und militärische Schwäche der Republik.9 Lange Zeit wurde diese Situation von der politischen Führungsschicht Genuas bewußt in Kauf genommen. Die starke Anlehnung an die Diplomatie der spanischen Krone und der Rückgriff auf spanische Kriegsdienste machten den Verzicht auf die militärische Eigenständigkeit der Republik erst möglich. Die Folge war ein darniederliegendes, völlig unzureichendes Verteidigungswesen zu Land und zu See sowie eine akzentuierte militärisch-diplomatische Abhängigkeit von Spanien. Während Genua einzig und allein am friedlichen Bestand des norditalienischen Mächtegleichgewichts interessiert sein konnte und seine formelle Unabhängigkeit betonte,10 inter8
C. Costantini, Repubblica di Genova, S.217 ff, S.222 ff, S.239 ff, S.254 ff, S.267 ff, S.335 ff; R. Ciasca, "La Repubblica di Genova Testa Coronata'", in: Studi in onore di A. Fanfani, Bd.IV, S.287-320; R. Quazza, Storia politica d'Italia dalle origini ai giorni nostri. Preponderanza Spagnola (1555-1700), Mailand 1951. Mit dem Vertrag von Rivoli (1635) bildete sich erneut eine starke antispanische Koalition um Frankreich und Savoyen. Schwere militärische Auseinandersetzungen im Ligurischen Meer waren die Folge. Siehe: V. de Capriariis, Italia, S.695 ff. 9 Zur starken Anlehung an Spanien siehe: C. Costantini, Repubblica di Genova, S. 19 ff, S.37 ff, S.49 ff und G. Giachero, Il Seicento, S. 15 ff. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die institutionelle Schwäche der Republik von der zeitgenössischen Publizistik mit den machtpolitischen und wirtschaftlichen Verhaltensstrategien der spanientreuen Führungsschicht begründet. Siehe: R. Savelli, "Tra Machiavelli e S. Giorgio. Cultura giuspolitica e dibattito istituzionale a Genova nel Cinque-Seicento", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Finanze e ragion di Stato, S.249-322, S.255 ff, S.280 ff. Zu Andrea Doria, der die institutionelle Schwäche der Republik nahezu beispielhaft personifizierte, siehe: E. Grendi, "Andrea Doria, uomo del Rinascimento", in: Ders., La repubblica aristocratica dei genovesi. Politica, carità e commercio fra Cinque e Seicento, Bologna 1987, S. 139-172. 10 Die seit 1559 offiziell gebräuchliche Formulierung zur Umschreibung des Status der Republik gegenüber der spanischen Supermacht lautete: "Republica libera adhérente e confederata con Sua Maestà" (Übersetzung: "Freie Republik eng mit Seiner Majestät verbunden"). Siehe: R. Ciasca (Hrsg.), Istruzioni e relazioni degli ambasciatori genovesi, Bd.I (1494-1617), Rom 1951, S.163. 8 Zunckel
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IV. Genueser Munitionsbestellungen nördlich der Alpen
pretierte Spanien die Beziehungen zur Republik in zunehmendem Maße in die Richtung eines Vasallenverhältnisses und dies verstärkt mit den Vorkommnissen des Dreißigjährigen Krieges. Insbesondere im Zusammenhang mit der Hoheitsfrage des Gebietes von Finale,11 wurde die Integrität des Genueser Staatsgebietes seit Ende des 16. Jahrhunderts wiederholt verletzt. Zählte für Spanien letztlich nur die politisch-strategische "Sprungbrettfunktion" Genuas, so sah sich Genua mehr und mehr durch die Großmachtpläne der spanischen Krone und das Kriegsgeschehen in Norditalien in seiner politischen und kommerziellen Interessensphäre bedroht. Die Wiederaufnahme der holländisch-spanischen Auseinandersetzungen nach 1621 implizierte eine erhebliche Störung des Genueser Handelslebens, weil nordniederländischen Seglern der freie Zugang zum ligurischen Hauptumschlagplatz erschwert wurde. Neben den direkten Verboten der spanischen Krone an ihre italienischen Besitzungen, mit holländischen Kaufleuten Handelsbeziehungen zu unterhalten, wurde seit 1622 auch auf Genua politischer Druck ausgeübt, der dazu beitrug, den holländischen Anteil am Handelsverkehr der Republik drastisch zu senken. Allerdings verfolgte die Genueser Seite diesbezüglich keine einheitliche Linie.12 Einerseits liefen die Holland-Kontakte über in der Stadt ansässige niederländische Kaufleute teilweise unter Tarnung weiter. Angesichts der sich verringernden Präsenz nordniederländischer Schiffe im Genueser Hafen wurde 1628 sogar ein Dekret erlassen, das den Holländern ausdrücklich Handelsfreiheit und einige Vergünstigungen zusicherte. Andererseits wurde die nach Genua gerichtete holländische Fracht11
Zur schrittweisen Inbesitznahme Finales seit 1571, die 1602 mit der endgültigen militärischen Besetzung durch Spanien abgesichert wurde, siehe: G. Giachero, II Seicento, S.97-101; G. Signorotto, "Milano e la Lombardia sotto gli spagnoli", in: G. Cherubini, Storia della società italiana, Bd.ll, S.189-224, S.193; C. Donati, Genova, S.362. Vgl. auch: R. della Torre, Delle materie del Finale (A.S.G. Membranacei di S. Giorgio Nr.66). Ähnliche Streitigkeiten ergaben sich 1611 durch die spanische Besetzung von Sassello. 12 Zum zwiespältigen Verhalten Genuas siehe: J.I. Israel, Dutch Republic, S. 142 f; ders., Dutch Primacy, S. 150; Ε.O.G. Haitsma Mulier, "Genova e l'Olanda nel Seicento: contatti mercantili e ispirazione politica", in: R. Belvederi, Rapporti Genova, S.429-444, S.435 f. Zu den Klagen der holländischen Kaufleute siehe die Quellenbelege in: K. Heeringa, Bronnen, S.118 ff, S.970 sowie die Dokumente in: A.S.G. Archivio Segreto Nr.2788 (Lettere Principi Olanda) und Nr. 1666 (Marittimarum). Zum starken Rückgang der nordischen Frachtfahrt im Genueser Hafen seit 1621, zunächst auf den Mittelmeerrouten und dann verstärkt auf den atlantischen Fernhandelsverbindungen, siehe: E. Grendi, "Traffico e navi nel porto di Genova fra 1500 e 1700", in: Ders., Repubblica aristocratica, S.309-364, S.324, S.348 f, Tab. A 1 (S.356) und ders., Nordici, S.55 und Tab.m (S.67 f).
1. Politisches Umfeld des Konfliktes mit Savoyen
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fahrt in dieser Zeit nicht etwa durch spanische Einheiten, sondern gerade durch die Beschlagnahme von Seiten der Genueser Flotte (bzw. durch die Initiative ihrer spanientreuen Befehlshaber) empfindlich gestört. Außerdem hatten die Niederländer von Seiten der Genueser Hafenbehörden regelmäßig mit einer Reihe von Unannehmlichkeiten zu rechnen. Seit 1635 verursachte der französisch-spanische Kaperkrieg im Tyrrhenischen Meer erhebliche Behinderungen der nach Genua und Livorno gerichteten Handelsströme. Insbesondere waren hiervon die holländischen Frachtfahrer betroffen. 13 Die militärischen Ereignisse vor den Toren Genuas zogen gleichzeitig eine der wohl wichtigsten Umverlagerungen der europäischen Handelsströme nach sich. Die traditionelle "spanish road" der europäischen Silberströme über Genua wurde nun zunehmend von der "english road" über den Atlantik ersetzt.14 Darüber hinaus versuchte sich die spanische Krone nach dem Staatsbankrott von 1627 möglichst schadlos der Dienste der Genueser Hochfinanz zu entledigen. Die einschneidenden negativen Folgen der spanischen "Tilgungspolitik" für das gesamte Genueser Wirtschaftsleben 15 schürten den Unmut eines Teils der Aristokratie gegen die Monarchie und ihren Verwaltungsapparat besonders: Auf allen Ebenen verschlechterte sich das Verhältnis zu Spanien 13
Siehe: C. Costantini, Repubblica di Genova, S.272 ff; C. Donati, Genova, S.365; M.F. Levratto, Corsa francese e spagnola nel Mar Ligure nella prima metà del Seicento (Magisterarbeit an der Universität Genua 1968/69). Trotzdem stieg der Anteil der nordischen Schiffahrt am Genueser Handel in den 30er Jahren (im Vergleich zur Krise der 20er Jahre) wieder an. Siehe: E. Grendi, Nordici, S.55 und Tab.III (S.67 f). Die Behinderung des Genueser Handels wurde nun stärker als Belastung empfunden, da in dieser Zeit die politisch-militärische Schwäche der Republik zunehmend problematisiert wurde. 14 Zur "spanish road" vgl.: G. Parker, Army of Flanders, Karte 6 (S.51), Karte 8 (S.71), Karte 9 (S.75) und Karte 10 (S.84). Zur "english road", über die seit 1632/1634 im Vergleich zur "spanish road" bereits ca. ein Drittel der nach Norden gerichteten Silberströme lief, und die seit der Eroberung von Breisach (1638) endgültig den Silbertransport über den Landweg ablöste, siehe: H. Taylor, English Road, insbesondere S.242 ff und G. Signorotto, Milano, S. 194 ff. Allerdings gelangte spanisches Silber weiterhin nach nach Genua. Siehe: J.-G. Da Silva, Banque et crédit, S. 171 und F. Braudel, Jahrhundert der Genuesen, S.462 ff. 15 C. Costantini, Repubblica di Genova, S.248 ff; G. Giachero, Il Seicento, S.297 ff, S.310 ff; C. Donati, Genova, S.363. Laut R. della Torre, Historie I, S.497 ff, weigerte sich der spanische König, 9 Millionen Goldscudi an die Genueser Bankiers zurückzuzahlen. Dadurch wurde ein großer Teil der 16 Millionen Goldscudi, die sich vor 1625 in den internationalen Wechselkreisläufen befanden, der Genueser Verfügungsgewalt entzogen (ca. der durchschnittliche Gesamtumsatz einer Wechselmesse, von der in Piacenza jährlich vier Veranstaltungen durchgeführt wurden). 8*
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IV. Genueser Munitionsbestellungen nördlich der Alpen
zusehends, ohne daß die Allianz allerdings grundlegend in Frage gestellt worden wäre. Formell hatte die Verbindung weiterhin Bestand. Die finanziellen Interessen der Genueser Oligarchie waren zu stark mit der Krone verbunden.16 Ein Bündnis mit Frankreich stellte keine echte Alternative dar, und schließlich benötigte man die teuer bezahlte spanische Waffenhilfe gegen Savoyen dringend.17 Der Konflikt mit Piémont führte jedoch zu einem langsamen Generationswechsel in der Führungsschicht der Adelsrepublik. Unter zunehmender Distanzierung von Spanien und in der Überzeugung, daß nur das Vertrauen auf die eigenen Kapazitäten der Republik aus ihrer desolaten Lage helfen könne, wurden neue Kräfte seit den 30er und 40er Jahren des 17. Jahrhunderts zum Träger eines politischen Orientierungswechseis Genuas.18 Die Neuorientierung läßt sich am besten mit dem Schlagwort der "bewaffneten, aktiven Neutralität" kennzeichnen.19 Dieses Konzept beinhaltete die Rückbesinnung auf die politisch-militärische Eigenständigkeit unter gleichzeitiger Distanzierung von Spanien. Darüber hinaus plante man die Wiederbelebung des Genueser Hafens durch eine eigenständige Handelspolitik und Seeschiffahrt nach holländischem Modell unter merkantilistischen Prämissen. Diese Versuche kul16
Zur Spaltung der Genueser Aristokratie in eine spanische und eine antispanische Fraktion siehe: C. Bitossi, "Famiglie e fazioni a Genova 1576-1657", in: MSL 12(1980), S.59-135, S.113ff. 17 Siehe: C. Costantini, Repubblica di Genova, S.249 und G. Giachero, Il Seicento, S.293 f. In Monçon hatte sich die Republik Genua dazu verpflichtet, die spanischen Truppen weiterhin mit Geld und Lebensmitteln zu versorgen und die Ausbezahlung der diesbezüglichen Schuld bis Kriegsende auszusetzen. Die Weigerung Philipps IV., 9 Millionen Goldscudi an Genua zurück zu zahlen, wurde von Olivares u.a. mit der von Spanien geleisteten Waffenhilfe gegen Savoyen legitimiert. An Kriegskosten hatte die Republik nach eigenen Angaben insgesamt 748.081 Scudi zu 4 Genueser Liren für die spanischen Truppen aufgewandt. Hinzu kamen noch die Kosten für die neapolitanischen Galeeren Genueser Reeder von 34.000 Scudi sowie 57.500 Scudi für die sizilianischen Einheiten: Insgesamt also 839.581 Scudi. 18 C. Donati, Genova, S.362, S.364 ff. 19 Das Konzept einer "bewaffneten, aktiven Neutralität" tauchte erstmals im Jahre 1623 in der Schrift "Dialoghi sopra la Republica di Genova" (A.S.G. ms. 859) auf. Der unbekannte Autor griff die seit dem 16. Jahrhundert angestellten Überlegungen zur aktiveren Verteidigungspolitik der Republik und zur Wiederbelebung des Genueser Eigenhandels auf. Beide Gedankenstränge waren gegen die "nobili vecchi", in denen die Partei der Spaniengänger (bzw. der Hochfinanz) identifiziert wurde, gerichtet. Nach 1635 wurde das Konzept der "bewaffneten Neutralität" besonders aktuell. Siehe: Savelli, Machiavelli, S.274 ff und C. Costantini, Repubblica di Genova, S.253 f, S.271 ff.
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minierten in der Gründung einer Genueser Fernhandelsgesellschaft, die Indien zum Ziel hatte.20 Abgesehen von den geringen innenpolitischen und lokalwirtschaftlichen Erfolgsaussichten für die Realisierung dieser Projekte war der Vorsprung Nordwesteuropas zu diesem Zeitpunkt bereits zu groß. Die militär- und handelspolitischen Überlegungen zogen keine konkreten positiven Ergebnisse nach sich. Die 20er Jahre des 17. Jahrhunderts markierten deshalb sowohl unter innen- und außenpolitischen als auch unter globalwirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Geschichte Genuas sicherlich das Ende einer Epoche.21
2. Die Grundzüge des Genueser Militärwesens Die permanent von Savoyen ausgehende, konkret gegen Genua gerichtete, militärische Bedrohung in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts sowie die kriegerischen Auseinandersetzungen der Großmächte Spanien und Frankreich in Norditalien und im Ligurischen Meer nach 1635 machten die Notwendigkeit eigenständiger, aktiver und systematischer Verteidigungsanstrengungen deutlich. Der "privatistische" Charakter des Genueser Staatswesens mit relativ geringem Steueraufkommen, hoher, hauptsächlich über die "Casa di San Giorgio" verwalteter, Staatsverschuldung und der überragenden Bedeutung des "privaten Managements" staatlicher Vorhaben durch die großen Bankiers und Kaufleute, auf deren Dienste die Republik im Bedarfsfall immer wieder kurzfristig zurückgriff, 22 wirkten sich auch auf dem Verteidigungssektor aus. Schon die Zeitgenossen verwunderte die im Kontrast zum Reichtum seiner
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Zum holländischen Modell siehe: Ebenda, S.170 und R. Belvederi, "Genova e le Fiandre nella storiografia fra Cinque e Seicento", in: Rapporti Genova, S.503-550. Zur Genueser Indienkompagnie siehe: D. Presotto, "Da Genova alle Indie alla metà del Seicento. Un singolare contratto di arrulamento marittimo", in: ASLSP 9 (1969), S.69-91; S. Subrahmanyam, "On the Significance of Gadflies: the Genoese Est India Company of the 1640s", in: JEEH 17(1988), S.559-581. Zum Levantehandel siehe: Ο. Pastine, Genova e l'Impero Ottomano nel secolo XVII, Genua 1952. 21 Vgl. die Sichtweisen von: C. Costantino, Repubblica di Genova, in Kap.XIV: "La fine di un'epoca", S.245 ff und F. Braudel, Jahrhundert der Genuesen, S.455 ff. 22 H. Sieveking, Das Genueser Finanzwesen mit besonderer Berücksichtigung der Casa di San Giorgio, Freiburg 1898; J. Heers, Gênes au XV e sieclè. Activité économique et problèmes sociaux, Paris 1961; G. Felloni, "Distribuzione territoriale della richezza e dei carichi fiscali nella repubblica di Genova", in: A. Guarducci, Prodotto lordo, S.653-676.
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Bürger stehende ausgesprochene Armut des Genueser Gemeinwesens sowie der ausgeprägt nicht-militärische Charakter der Republik. 23 Seit dem 14. Jahrhundert entwickelte sich im reichen Norditalien das System der modernen Militärorganisation: Die Kommerzialisierung der Kriegsführung durch die Condottieri. 24 Auch die Republik Genua bediente sich - allerdings in stark reduziertem Maße - privater, seit Mitte des 16. Jahrhunderts meist ausländischer, Söldnerdienste.25 Als besonders lukratives Betätigungsfeld der Genueser Aristokratie erwies sich die Ausrüstung und Bereitstellung von Kriegsschiffen. 26 Andererseits traten im 16. Jahrhundert Ge-
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Siehe: R. Savelli, Machiavelli, S.287, S.301 ff und E. Grendi, Introduzione alla storia moderna, S.96. 24 Nach den italienischen Kriegen des 16. Jahrhunderts, die insbesondere im Zusammenhang mit der "trace italienne" als Treibhaus für die weitere waffentechnologische und strategische Entwicklung Europas gedient hatten, geriet Italien gegenüber Nordeuropa unter militärtechnologischen und militärorganisatorischen Aspekten ins Hintertreffen. Siehe: W. McNeill, Krieg und Macht, S.78 ff, S.90 ff. 25 Laut der "Relatione di Genova" von 1607/08 (F. Braudel, Gênes, S.464), verfügte die Stadt über 500 deutsche und 400 italienische (darunter 100 korsische) Söldner, der Meinung des Autors nach: "... presidio ben piccolo et debole per haver a guardar tanti luoghi et persone si inermi..." (Übersetzung: "... eine äußerst kleine und schwache Truppe, um so viele Ortschaften und wehrlose Personen zu beschützen ...") Bei dieser Quelle handelt es sich um die Transkribierung einer Beschreibung der Republik Genua durch einen unbekannten Autor, die F. Braudel in der Nationalbibliothek Paris entdeckte. Zum völlig unzureichenden Verteidigungswesen siehe: Ebenda S.464 ff, S.473, S.478 f. Zur desolaten Finanzlage: Ebenda S.463 f, S.478 f. Im Genueser Staatsarchiv finden sich unter der Signatur: Senato, Oberto Foglietta, Appendix (militarium), Nr.1098-1113, die Unterlagen über die Söldnertruppen. U.a. tauchen im Fundus Nr. 1110 (Militiae Germanicae) für das Jahr 1555 die Anwerbungsunterlagen und Rechnungen für die Aushebung einer 500 Mann starken Söldnertruppe aus Süddeutschland über die Vermittlung der Fugger auf. Außerdem finden sich Unterlagen zur Schweizer Garde (1609), zur Bewerbung von fünf Kandidaten in Prag um die Obristenstelle in Genua 1604 (Informationen eines Serra) sowie über die Verfügungstellung von 2000 deutschen Soldaten über Mailand für den Savoyenkrieg 1625. Genua unterhielt eine aus deutschen Soldaten bestehende Garde für die Bewachung des Dogenpalastes. 26 G. Doria, Conoscenza del mercato, S.65 ff; I.A.A. Thompson, War and Government, S.174, S.290-294, S.300 f; R. Savelli, Machiavelli, S.280. 1547-1552 kontrollierte allein Andrea Doria 20 Galeeren. 1567 waren 23 Galeeren aus Privatbesitz der Genueser Aristokratie in spanischen Diensten. Anfang des 17. Jahrhunderts waren es noch 18.
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nueser Condottieri, allen voran Mitglieder der Familien Doria 27 und dann besonders Angehörige der Familie Spinola,28 in spanische Dienste. Durch vielfältige personelle Verflechtung auf militärischem Gebiet,29 die Anwesenheit der Genueser Bankiers am spanischen Hof sowie die Tätigkeit der Genueser 27
Mit dem Eintreten von Andrea Doria (als Admiral seiner Majestät) in die Dienste Karls V. begann 1528 die lange Reihe Genueser Befehlshaber der spanischen Mittelmeerflotte. Siehe: J.F. Guilmartin, Gunpowder and Galleys, S.25-34 sowie speziell zu Andrea Doria: E. Grendi, Andrea Doria, S.139 ff. Zu Gian Andrea Doria siehe: C. Costantini, Repubblica di Genova, S.227 und F. Braudel, Il Mediterraneo, S.524 ff, S. 1078 ff. Zur Beteiligung der Familie Doria an den spanischen Asientos sowie zu ihrer Vermögenssituation siehe: G. Giachero, Il Seicento, S. 168, S. 191, S.216. 28 Zu Ambrogio Spinola (seit 1603 Generalfeldmeister und seit 1605 Kommandant des spanischen Militärapparates in Flandern) siehe: F. Braudel, Il Mediterraneo, S.52, S.539, S.550; S.552; H. Pohl, Portugiesen, S. 17 ff; R. Belvederi, Genova, S.511, S.532; A. Rodriguez Villa, Ambrosio Spinola. Primer marqués de los Balbases, Madrid 1905; J. Lefevre, Spinola et la Belgique (1601-1627), Brüssel 1947. Zu Federigo Spinolas Flottenverbänden siehe: R. Gray, "Spinola's Galleys in the Narrow Seas 1599-1603", in: Mariner's Mirror 64(1978), S.71-83. Zur Beteiligung der Spinola an den Asientos sowie zu ihrer Vermögenssituation vgl.: G. Giachero, Il Seicento, S. 191, S.216. Zu ihren Verwandten in Antwerpen und London siehe: V. Vâzquez de Prada, Lettres marchandes, Bd.I, S.189 f; R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.140, S.215 ff; G.D. Ramsay, "The Undoing of the Italian Mercantile Colony in Sixteenth Century London", in: Textile History and Economic History. Essays in Honour of J. de Lacy Man, Manchester 1973, S.22-49, S.41. Die gemeinsame Handelskompanie des Giovanni Battista Spinola, Aurelio Cattaneo und Gerolamo Lomellino war im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts das größte Handelshaus Antwerpens. 1620-1640 zählte die Unternehmung des Jan Stefano Spinola (mit über 100.000 Pfiind fläm. Vermögen) zu den vier größten Firmen der Scheidestadt. Jan Stefano Spinola gehörte neben Louis Malo, Jan Paolo Dorchi, Francisco Grimaldi, Adam Diaz Soliz und Franciscus Lopes Franco im Jahre 1646/47 zum Bankierskonsortium, das die Finanzierung der spanischen Besatzungstruppen in der Hand hielt. 29 Die direkte Verbindung zu den obersten militärischen Befehlsstrukturen in Flandern bestand seit 1578, als Alessandro Farnese zum Gouverneur der Niederlande ernannt wurde. Sofort traten die Genueser Bankiers mit den Farnese in Verbindung und wählten als Ort für die berühmten Wechselmessen keine andere Stadt als Piacenza! Seit 1603 wurde das nordwesteuropäische Ende der "spanish road" dann durch Ambrogio Spinola kontrolliert. Siehe: G. Doria, "Un quadriennio critico: 1575-1578. Contrasti e nuovi orientamenti nella società genovese nel quadro della crisi finanziaria spagnola", in: Fatti ed idee di storia economica nei secoli ΧΠ-ΧΧ. Studi dedicati a F. Borlandi, Bologna 1976, S.377-394, S.393 und G. Parker, Army of Flanders, S.3 f, S. 119, S.249 ff; S.278 f.
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Handelshäuser in Antwerpen hatten die Genueser "Asientistas" ständig Tuchfühlung zu den spanischen Kriegszügen und den damit zusammenhängenden finanziellen Bedürfnissen. Außerdem kümmerten sich die Genuesen um die Versorgung der spanischen Kriegsmaschinerie mit Militärgütern, vor allem in Flandern. 30 Hauptsitze der Genueser Finanziers und Rüstungshändler in den spanischen Niederlanden waren natürlich Brüssel und Antwerpen. Auf diesem Gebiet operierten unter Karl V. die Genueser Handelshäuser Cattaneo, Gentile, Spinola, Grimaldi, Imperiale und Salvago. Unter Philipp III. traten die Familien Centurione und Serra als Rüstungshändler und Bankiers in Erscheinung. 31 Die Verpflichtung der aristokratischen Genueser Condottieri, privaten Schiffseigner, Bankiers und Militärgüterhändler in spanischen Diensten stellten aus Genueser Sicht eine, wenn auch nur indirekte, Sicherheitsgarantie dar. 3 2 Darüber hinaus versprach die massive militärische Präsenz Spaniens in Mailand, die aus der fundamentalen strategischen Rolle der Lombardei für die 30
V. Vazquez de Prada, Uomini d'affari, S.257, S.260. Die Geschäftsabschlüsse der in Antwerpen ansässigen "Asientistas" der Krone wiesen demnach folgende Strukturen auf: Beispielsweise übernahmen die aus Lucca stammenden Bankiers Cristoforo und Camillo Balbani 1585-1587 zehn Asientos im Gesamtwert von 522.000 Scudi. Das Handelshaus Maluenda war im selben Zeitraum mit 140.000 Scudi, der Portugiese Felipe Jorge mit 90.000 Scudi vertreten. Die Genuesen Battista Spinola und Cosimo de Marini übernahmen Verpflichtungen im Werte von 300.000 bzw. 90.000 Scudi. Zwischen drei Viertel und fünf Sechstel dieser Summen waren in Goldscudi zahlbar, der Rest wurde in Sachwerten, die für die Ausrüstung der Truppen notwendig waren, ausbedungen. Im Gegenzug erhielten diese Kaufleute Zahlungsverpflichtungen des "Pagador General", die in Mailand oder Genua in Silberrealen oder in den "Scudi der fünf Währungen" auszahlbar waren. 1589 wurde ein analoger Vertrag mit den Genuesen Spinola & Companie, Niccolò Sivori und Cosimo de Marini sowie den Balbani und Bonvisi über insgesamt 700.000 Scudi abgeschlossen, wobei wiederum ein Drittel des Wertes in Militärgütern zu entrichten war. Bei der Erfüllung dieser Sachwertklausel konnten die betreffenden Kaufleute anscheinend einen Gewinn von 2530% realisieren. Siehe: Ders., Lettres marchands, Bd.I, S. 148 (Briefe Pérez de Varróns an Simon Ruiz vom 30. Mai und 10. Juli 1591). 31 Siehe: G. Doria, Conoscenza del mercato, S.95 f und J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.90. Auch wenn die Betonung dieser Aspekte der Genueser Handelstätigkeit zunehmend in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses rückt, sind keine systematischen Einzelstudien auf diesem Sektor verfügbar. 32 So vertraute man Ende des 16. Jahrhunderts in erster Linie auf die spanische Flotte unter Gian Andrea Doria, der seinen Basisstützpunkt in Genua hatte, aber nur selten im heimatlichen Gefilden operierte. Siehe: C. Costantino, Repubblica di Genova, S.227.
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europäische Machtposition der Krone herrührte, 33 einen gewissen Schutz des Genueser Territoriums zu gewährleisten - angesichts der Umstände des Savoyenkrieges und der in der Republik herrschenden Machtstrukturen eine zweischneidige Überzeugung.34 Die Verteidigung des außerstädtischen Territoriums um Genua basierte seit Mitte des 16. Jahrhunderts grundsätzlich auf einem System von Verteidigungstürmen, in denen Soldaten stationiert waren, 33
Zur strategischen Bedeutung der Lombardei siehe: M. Rizzo, "Centro spagnolo e periferia lombarda nell'Impero Asburgico tra Cinque e Seicento", in: RSI 104 (1992), S.315-448; L. Ribot Garcia, "Milano, piazza d'armi della monarchia spagnola", in: "Milan the Great". Milano nelle brume del Seicento, Mailand 1989, S.361 ff; G. Signorotto, Milano, S. 189 ff. Die Lombardei war das Transit- und Hauptrekrutierungsgebiet für alle europäischen Kriegsschauplätze, auf denen die spanische Krone aktiv wurde, insbesondere für die Auseinandersetzungen in Flandern. Im Dreißigjährigen Krieg diente Mailand vornehmlich als Hauptstützpunkt deutscher Heeresverbände. Waren im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts ca. 5000-10.000 Mann in Mailand stationiert, so erreichte die spanische Präsenz in Norditalien nach 1635 mit dem Kriegseintritt Frankreichs ihren Höhepunkt. 20.000-35.000 Soldaten warteten in der Lombardei auf ihre Einsätze. Nach 1642 reduzierte sich die spanischen Verbände stark, sanken aber niemals unter 15.000 Mann. Siehe: M. Rizzo, Centro spagnolo, S.328. 34 Eine Grundlage für die Machtbasis der "nobili vecchi" bildete die Ausrüstung der Galeeren. In seinen Ausführungen zum Genueser Bürgerkrieg des Jahres 1575 notierte Gioffredo Lomellini in der "Relatione della Republica di Genova" (B.U.G. ms C.II.7): "... molti d'essi con le galee, con compagnie d'huomini d'arme et con sudditi e seguaci erano più potenti de magistrati et anco per mantenersi in questa loro grandezza hanno cercato li più che la Republica non diventasse potente, non armasse galee et non pigliasse gran forza, onde ne sono la maggior parte de nobili vecchi di non voler che la Republica non faccia galee, acciò armandosi ella, non manchino le forze et la grandezza loro; al contrario gli altri cittadini, et massime tutti i nuovi a voler che se ne faccino, per far il publico potente et privar delle forze i particolari ..." (Übersetzung: "... Viele von diesen waren mit Galeeren, bewaffneten Verbänden, Untergebenen und Gefolgsleuten mächtiger als die Magistrate und darüber hinaus haben die meisten versucht, sich in dieser Machtposition zu behaupten, damit die Republik nicht mächtig werde, keine Galeeren ausrüste und nicht erstärke; so sind es hauptsächlich die "nobili vecchi", die nicht wollen, daß die Republik Schiffe baue, damit, falls sie sich rüste, es ihnen nicht der Kraft und Stärke mangele; im Gegensatz dazu wollen die anderen Bürger und besonders der Neuadel, daß man welche baue, um den Staat stark zu machen und den Einzelnen ihre Macht zu nehmen ... ") Zitiert nach: R. Savelli, Machiavelli, S.281 f.
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"... die nach den Zählungen die Summe von ... Kompanien und ... Soldaten ausmachen. Eine beachtliche Menge, um jede Militäroperation oder Verteidigung durchzuführen, wenn der Quantität die entsprechende Qualität gegenüberstehen würde. Aber in dieser Beziehung sind sie von nur geringster Bedeutung, da alle schlecht gekleidet und noch schlechter bewaffnet sind, ohne Piken, ohne Musketen und ohne Sturmhauben, nur wenige mit Schwert und Dolch und die Arkebusen, fast alle kaputt: wo man sie in der Schlacht sieht, sie eher hungrigen Banditen denn regulären Soldaten gleichen ..." 3 5
Im Kriegsfalle operierten diese Verbände in Kombination mit Bauernmilizen. Eventuellen größeren militärischen Erfordernissen war diese Organisation keineswegs angemessen, wie bereits die Piratengefahr, der die ligurische Küstenbevölkerung permanent ausgesetzt war, deutlich machte.36 Der Seerepublik Genua mangelte es vor allem an einer schlagkräftigen Flotte. 1559 richtete die Republik zur Verwaltung ihrer Staatsschiffe eigens den "magistrato delle galee" ein, der zu diesem Zeitpunkt lediglich über vier Schiffe verfügen konnte. 1588 waren sechs Schiffe in staatlichem Besitz. Anfang des 17. Jahrhunderts umfaßte die Genueser Kriegsflotte acht militärische Einheiten. Angesichts der andauernden Korsarengefahr und der spanischen Übergriffe wurde die Reorganisierung des Genueser Arsenals gefordert, das seit 1599 einem eigenen Magistrat unterstand, denn der Ausbau einer Genueser Flotte wurde als unbedingt notwendig erachtet. Aus Geldmangel blieben diese Projekte jedoch ohne Erfolg. So konnte die Republik den seit 1635 im Tyrrhenischen Meer wütenden französisch-spanischen Kaperkrieg, der in erster Linie die Genueser Handelsinteressen empfindlich beeinträchtigte, auf Grund der fehlenden Machtbasis nicht unterbinden. Für die effektive Durchsetzung der angestrebten Neutralität Genuas mangelte es schlicht am erforderlichen militärischen Nachdruck. Gegenüber den großen, sich konsolidierenden europäischen Territorialstaaten und den nordwesteuropäischen Mächten war die einstmalige Seerepublik spätestens im 17. Jahrhundert endgültig ins Hin35
F. Braudel, Gênes, ("Relatione di Genova" 1607/08), S.464 (Ausführungen zur Landmiliz): "... che secondo il raccolto fanno la somma di ... compagnie et di ... soldati. Quantità considerabile per fare ogni passata non che difesa, se la qualità loro vi corrispondesse. Ma per questo rispetto ella rimane di pocchissima considerazione, sendo tutti mal vestiti e peggio armati, senza picche, senza moschetti et senza celata et pochi con la spada et pugnale et li archibusi quasi tutti a ruota: onde a vederli in battaglia paion più tosto banditi affamati che soldati d'ordinanza ..." (Im Text sind an dieser Stelle keine Zahlenangaben enthalten.) 36 C. Costantini, Repubblica di Genova, S.227 f; G. Giachero, Il Seicento, S. 121; M. Martini, "Esclavage et piraterie en Corse aux XVI e et XVII e siècles", in: Bulletin de la Société des sciences historiques et naturelles de Corse 82(1962), S.7-20.
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tertreffen geraten. 37 Genua verfügte weder über eine den militärischen Erfordernissen angemessene Kriegs- noch über eine Handelsflotte und war deshalb völlig auf ausländische Dienste angewiesen.38 Zudem war seit Ende des 16. Jahrhunderts der mediterrane Stil maritimer Kriegsführung infolge der rapiden Entwicklung des Geschützwesens total veraltet. Die Seeherrschaft war mit der Anpassung der atlantischen Schiffe an die Artillerierevolution auf Nordwesteuropa übergegangen. Außerdem verfügten die neuen Seemächte über verbesserte Schiffbau- und Navigationstechniken. Deshalb konnten die Nordwesteuropäer militärisch besser abgesicherte und konkurrenzlos billige Frachtdienste anbieten.39 Im akuten Kriegsfall war Genua auf die Anwerbung von zusätzlichen Söldnertruppen angewiesen und mußte die teuren spanischen Kriegsdienste in An37
Reguläre staatliche Kriegsflotten kamen erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf. Ein wichtiges Kennzeichen der maritimen Macht Europas war (trotz gradueller Unterschiede) gerade die Kombination aus staatlichen, quasi-staatlichen und privaten Elementen. Siehe: W. McNeill, Krieg und Macht, S.96 ff. Zur Genueser Flotte und zum Arsenal siehe: C. Costantino, La Repubblica di Genova, S.226 ff; ders., "Aspetti della politica navale genovese nel Seicento", in: Centro per la storia della tecnica in Italia (Hrsg.), Guerra e commercio nell'evoluzione della marina genovese tra XV e XVII secolo, Bd.I, Genua 1970, S.207-235; V. Borghesi, "Il Magistrato delle galee (1559-1607)", in: MSL 3(1971), S.188-223; M. Vincenzi, Attività delle galee della Repubblica nella prima metà del Seicento. (Magisterarbeit an der Universität Genua 1970/71); G. Giachero, Il Seicento, S. 114 ff, S.371; G. Doria, "La gestione del porto di Genova dal 1550 al 1797", in: S. Cavaciocchi (Hrsg.), I porti come impresa economica, Florenz 1988, S.215-270, S.234 f; G.C. Calcagno, "Rotte e tempi di percorrenza nel Mediterraneo occidentale nel secolo XVII", in: A. Vannini Marx, Trasporti e sviluppo, S.251-256. Vgl. auch die Testimonianz eines anonymen Autors Anfang des 17. Jahrhunderts: "Trattato delle armi marittime genovesi" (A.S.G. ms 709). 38 Zum rapiden Niedergang der Genueser Handelsflotte (1606-1610) sowie zu den Frachtdiensten der nordeuropäischen Schiffe auf den Mittelmeerrouten (seit 1602) siehe: E. Grendi, Nordici, S.30 ff, S.36, S.55 und ders., Traffico e navi, S.331 ff. 39 Siehe: W.H. McNeill, Krieg und Macht, S.93 ff; J.F.jr. Guilmartin, Gunpowder and Galleys, S.253 ff; R.W. Unger, Ship in Medieval Economy, S.251 ff. Vgl. auch die differierende Auffassung von: F. Braudel, "Note sull'economia del Mediterraneo nel secolo XVn", in: ES 2(1955), S.117-142, insbesondere S.123. Zum Frachtsektor siehe: J.R. Bruijn, Dutch Ship Owning, S. 174 ff; V. Barbour, Dutch and English Merchant Shipping, S.261 ff; C. Wilson, Transport, S.313 ff; F.C. Lane, Technology and Productivity, S.233 ff; F. Snapper, "Commerce, Ships, and War in the Baltic from the Rise of the Hanseatic League till the French Revolution", in: W.G. Heeres, From Dunkirk to Danzig, S.405-428.
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spruch nehmen. Darüber hinaus hatte sich die Republik im Rahmen der politisch-militärischen Allianz zur finanziellen Unterstützung der spanischen Unternehmungen verpflichtet. Wie bereits die spanische Besetzung des Genua zukommenden Gebietes um Finale sowie die politischen Entwicklungen im Krieg gegen Savoyen zeigten, konnte diese Verbindung auf militärischem Gebiet - trotz der zahlreichen Genueser Befehlshaber im spanischen Heer - nur so lange funktionieren, wie totale Interessenidentität zwischen beiden Partnern herrschte. Anderenfalls mußte Genua gezwungenermaßen auf eigenständige Verteidigungsanstrengungen setzten.
3. Die Rüstungsanstrengungen anläßlich des Savoyenkrieges Für den Kriegsfall sammelten die frühmodernen Staaten in der Regel in Friedenszeiten militärische Ausrüstungsgegenstände in ihren Arsenalen an. Alle über diese Vorräte hinaus benötigten Rüstungsartikel mußten dann anderweitig, d.h. auf den regionalen oder den internationalen Waffenumschlagplätzen, beschafft werden.40 Auch Genua war hier keine Ausnahme. Die vorhergehenden Ausführungen lassen darauf schließen, daß die Republik sogar einen Extremfall darstellte, da auf ein eigenständiges und schlagkräftiges Militärwesen im Vertrauen auf Spanien fast völlig verzichtet worden war. Der anonyme Autor der "Relatione di Genova" bemerkte hierzu im Jahre 1607/08: "... Die Waffen des Staates zu Lande sind dermaßen wenige und in schlechtem Zustande, daß man besser sagen könnte, sie hätten überhaupt keine ... In Privatbesitz im Hause einiger Adligen kommt man nicht einmal auf die Summe von 2000 Arkebusen. In den Geschäften sind (Waffen) für 1500 Mann, aber diese können innerhalb von zwei Stunden aufgekauft und weggeschafft werden. An Artillerie ... sind heute in der Stadt Genua selbst 80 Stück vorhanden, ... Außerhalb Genuas sind in den Türmen und Fortifikationen längs der Küstenlinie 160 Stück vorhanden, darunter höchstens 40 große Geschütze. An Munition gab es zu dieser Zeit 1000 Faß Schießpulver, 3000 Cantara Salpeter, eine große Menge an Schwefel und gute Apparate zur Herstellung..." "... Die Hauptinstrumente sind die Artillerie, an denen, wenn man die moderne Kriegstechnik beachtet..., ihnen sicher mehr als 300 Stück fehlen. An Waffen für den gemeinen Soldaten, wenn außerhalb der Stadt Milizen für mehr als 30.000 Soldaten sind, so gibt es keinen Zweifel darüber, daß für dasjenige, was Genua machen kann, 40
Zur Vorratshaltung von militärrelevanten Gütern in Arsenalen siehe die allgemeinen Ausführungen von: C. Cipolla, Guns, Sails, and Empires, S. 146 und M.C. van Creveld, Supplying War, S. 17-26.
3. Rüstungsanstrengungen anläßlich des Savoyenkrieges
125
sie wenigstens für 50.000 haben müßten. Und wenn man Waffen sagt, um sich derer zu bedienen, braucht es natürlich Perfektion und Zubehör, Pulver, Salpeter und anderes ..." 4 1
Die in der "Relatione di Genova" geforderte Aufstockung der Genueser Artilleriebestände hätte in etwa dem Nievau des Mailänder Geschützwesens im Jahre 1587 entsprochen.42 Ein Bestandsverzeichnis über die SchießpulverVorräte der Republik im Jahre 1615 bestätigte ungefähr die Größenordnung der pyrotechnischen Lagerbestände.43
41
F. Braudel, Gênes, S.465, S.473: "... Le (armi) terrestri publiche son tanto poche e cattive che sarebbe meglio poter dir che non ne hanno ... Le private in casa di qualche gentilhuomo non arrivano alla somma di 2000 archibusi. Alle botteghe ne sono per 1500 persone, ma queste in due ore posson esser comprate e portate via. Delle artiglierie ... oggi nella città di Genova ne sono 80 pezzi, ... Fuor di Genova ne sono alle torri e forti lungo la marina 160 pezzi et non ve ne sono se non 40 de grossi. Di munizione vi era in quel tempo mille bariglioni di polvere, tre milla cantara di salnitro et gran quantità di zolfo et buon apparecchio di quel che di più occorra per farne ..." "... GÌ'instrumenti maggiori son l'artiglerie, delle quali, havuto riguardo al guerreggiar moderno ..., al sicuro ne manca loro più di 300 pezzi. Dell'altr'arme di dosso, se vi son milizie fuor della città per più di 30.000 soldati, non è dubio che per quei che possa far Genova ne dovranno haver almeno per 50.000. Et dicendo armi da servirsene s'intende bene che ci voglion le sue perfezioni et accompagnature et di polvere et salnitro et altre loro circostanze ..." 42 Während Mailand zu diesem Zeitpunkt über eine ca. 5000 Mann umfaßende spanische Truppe sowie über 655 Mann leichte und 424 Mann schwere Reiterei verfügen konnte, zählten die professionellen Einheiten Genuas 20 Jahre später lediglich 1000 Mann. Vgl. den Bericht Bonifacio Antelmis über Mailand von 1587 in: A. Segarizzi (Hrsg.), Relazioni degli ambasciatori veneti al Senato, Bd.n, Bari 1913, S.7581. 43 Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr.709 (Pratiche Diverse): - feines Pulver im Lager S.Giorgio 142 Faß - feines Pulver im Lager S. Caterina 287 Faß - Kanonenpulver im Lager Castelletto 318 Faß - mittelfeines Pulver im Lager Piertaminuta 193 Faß - Kanonenpulver im Lager Gregaria 241 Faß - mittelfeines Pulver im großen Lager 160 Faß - (über Ponte Spinola) Musketenpulver 140 Faß insgesamt: 1682 Faß
126
IV. Genueser Munitionsbestellungen nördlich der Alpen
Bereits im Jahre 1604 hatte die Republik Genua die gesetzlichen Bestimmungen in Sachen Schießpulver grundsätzlich neu geordnet. Die Herstellung, Bevorratung und der Transport von Pulver wurde aus Sicherheitsgründen der öffentlichen Hand unterstellt. 1607 wurden diese Bestimmungen auf das gesamte außerstädtische Territorium ausgeweitet, da sich der anscheinend lukrative Handel mit Schießpulver auf Grund der Bestimmungen von 1604 auf das Umland verlagert hatte. Weiterhin wurde die Einfuhr von Salpeter und Schießpulver ausländischer Provenienz gestattet und dieser Handel ausdrücklich der öffentlichen Hand vorbehalten. Für die Herstellung von Schießpulver benötigte man eine staatliche Lizenz. Der öffentliche Verkauf von Pulver war auf einen Ort begrenzt. Bis zu 15 Pfund durften Privatpersonen lagern. Analog der gesamteuropäischen Entwicklung suchte sich die Republik Genua aus politisch-strategischen Erwägungen die Kontrolle über den Salpeterhandel, die Schießpulverherstellung und die Vorratshaltung zu sichern.44 Zum Zeitpunkt der Invasion Karl Emanuels auf Genueser Staatsgebiet im Jahre 1625 fehlte es an wichtigen Kriegsgeräten, an Truppen, an effizienten Befehlsstrukturen, vor allem aber an Munition.45 Und da sich der Krieg aller Wahrscheinlichkeit nach länger hinziehen würde, beschloß die Republik, sich den nötigen Nachschub an Kriegsgerät und Salpeter zu beschaffen. In aller Eile wurde in diesem Zusammenhang 1626 auch mit dem Ausbau des städ44
Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr.997 (Polvere). Dokumentensammlung 16041799. Die Bestimmungen zur Schießpulvermaterie galten mindestens bis zum Jahre 1693. Sie erfuhren in diesem Zeitraum kaum nennenswerte Modifizierungen. Ihre Gültigkeit wurde regelmäßig verlängert. Alle Schießpulver- und Salpetereingänge wurden zur Zeit des Savoyenkrieges über die zentrale Registrierstelle des von der Republik beauftragten Nicolò Pino abgewikkelt, der die Lieferungen an die Lagerstätten, die Salpetersiedereien und Schießpulvermühlen weiterleitete. Über ihn liefen ebenfalls die Waffen- und Munitionsausgänge an das Militär. 4 5 Zum desolaten Zustand des Genueser Verteidigungswesens Anfang des 17. Jahrhunderts siehe: C. Costantino, Repubblica di Genova, S.246; R. Delle Piane, Mura e fortificazioni di Genova, Genua 1984; D. Zanetti, "Le artiglierie genovesi all'inizio del secolo XVII", in: Nuova Rivista storica V-VI (1966); C. Montù, Storia dell'artiglieria italiana, Rom 1934; G. Costa, Historia, S.45; R. della Torre, Historie, Bd.I, S.366 f.; A.S.G. Senato Oberto Foglietta, Militarium Nr.1115, Nr.1117, Nr. 1118, Nr. 1120, Nr. 1125, Nr. 1140, Nr. 1144; A.S.G. m.s. Nr. 966 ("Discorsi sopra le fortificazioni di Genova nell'anno 1598, fatti da Giacomo Mancini per Agostino Spinola"). Nach Berechnungen von R. Delle Piane, Mura e fortificazioni, S.141, beliefen sich die Militärausgaben der Republik Genua im Zeitraum 1616-1626 auf durchschnittlich 443.000 Lire (ca. 88.600 Goldscudi) pro Jahr.
3. Rüstungsanstrengungen anläßlich des Savoyenkrieges
127
tischen Verteidigungssystems durch den neu zu errichtenden Mauerring begonnen.46 Da die Genueser Regierungskammer bereits im Frühsommer 1625 zwecks Deckung der außerordentlichen Verteidigungskosten für den Savoyenkrieg 450.000 Goldscudi, die dem internationalen Wechselkreislauf entstammten, bei den großen Genueser Privatbankiers aufgenommen hatte und zur Bestreitung der Kriegskosten einen weiteren Betrag in derselben Größenordnung veranschlagte, richtete die Republik im Juli 1625 eine eigens zu diesem Zweck gegründete Kriegsanleihekasse ein, den "Monte di San Bernardo". Insgesamt wurde mit Hilfe dieser Institution bis April 1627 die enorme Summe von 1.550.000 Goldscudi über die Bereitstellung privater Kreditmittel aufgenommen. Diese finanziellen Mittel waren für den Unterhalt der Truppen aber längst nicht ausreichend. Im Herbst 1626 mußte eine weitere Anleihekasse, der "Monte di San Giovanni Battista", eingerichtet werden. Die in diesem Fond zusammengefaßte Staatsschuld betrug im November 1629 zusätzlich 1.250.000 Silberscudi.47 Die Militärausgaben Savoyens dürften im selben Zeitraum schätzungsweise in der Größenordnung von 4.000.000 piemontesischen Liren gelegen haben.48
46
Der neue Stadtmauerring (1626 beschlossen, 1633 großteils fertiggestellt und 1638 auch zum Meer hin geschlossen) kostete die Stadt 1.000.000 Goldscudi (ca. 5.100.000 Lira) und gehörte (mit den Arbeiten zur neuen Hafenmole und neben der "Via Balbi") zu den letzten städtebaulichen Großprojekten der Genueser Bürgerschaft in der Frühen Neuzeit. Siehe hierzu: G. Giachero, Il Seicento, S.294, S.323 ff; E. Poleggi/P. Cevini, Le città nella storia d'Italia: Genova, Bari 1981, S. 128-133; R. Delle Piane, Mura e fortificazioni, S. 129-192. Quellen zur Fortifikationsanlage finden sich auch im: A.S.G. Antica Finanza Nr.805 (Fortificazioni). 47 Zur kriegsbedingten Staatsverschuldung Genuas und zu den Auswirkungen dieser Finanzpolitik auf die Währungsverhältnisse Genuas siehe: G. Giachero, Il Seicento, S.290 ff. Der Hauptteil der Verschuldung hatte sich wahrscheinlich bereits bis Dezember 1627 angesammelt, da zu diesem Zeitpunkt die teilweise Demobilisierung der Truppenverbände, die auf 10.000 Mann reduziert wurden, angeordnet worden war. 48 Vgl.: W. Barberis, "Continuità aristocratica e tradizione militare nel Piemonte sabaudo", in: SS 3(1981), S.529-592; ders., Le armi del Principe. La tradizione militare sabauda, Turin 1988, besonders S.90-103; E. Stumpo, "Guerra e economia. Spese e guadagni militari nel Piemonte del Seicento", in: SS 27(1986), S.371-396. Während die Militärausgaben Savoyens 1581-1601 durchschnittlich 640.000 piemontesische Lire pro Jahr betragen hatten, waren die Kriegskosten 1618 bereits auf 4.398.000 angestiegen. 1627-1629 betrugen die Militärausgaben 12.654.000 Lire. Siehe: Ders., Finanza e stato moderno, S.23, S.149-155.
128
IV. Genueser Munitionsbestellungen nördlich der Alpen
Die im Genueser Staatsarchiv erhaltenen Akten der Finanzverwaltung und der Regierungskammer geben einen ungefähren Einblick in die von der Republik unternommenen Rüstungsanstrengungen sowohl im Frieden als auch in den Kriegsjahren. 49 Die genaue Rekonstruktion des Genueser Kriegswesens und seiner logistischen Strukturen, der nötigen finanziellen Aufwendungen für den Unterhalt und die Versorgung der Truppen mit Lebensmitteln, Kleidung, Waffen und Munition sowie die Rekonstruktion der Herstellungskapazitäten für Kriegsgüter auf Genueser Gebiet können nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Auf der Basis des examinierten Quellenmaterials sollen lediglich einige Grundstrukturen des Genueser Bezugssystems für Militärgüter skizziert werden. 50 Neben den rüstungsrelevanten Produktionsstrukturen der Republik auf eigenem Territorium, die die Fertigung von Schießpulver,51 die Herstellung von Metallwaren aller Art 5 2 und die Produktion von Kleidung 53 einschlossen, 49
Für den Munitionsbedarf der Jahre 1600, 1611, 1616, 1622, 1625-1631 und 1643 siehe: A.S.G. Camera del Governo Nr.761-772 (Munitioni). Für einen Teil der Soldkosten siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr.667-669 (Rolli Soldati 1617-1627). 50 Detaillierte Einzelstudien über die militärwirtschaftlichen Strukturen der europäischen Kriesgapparate fehlen für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Auch die Logistik der Genueser Streitkräfte ist bislang nicht untersucht worden. Speziell der Savoyenkrieg ist unter diesem Aspekt ein interessantes Forschungsfeld. Für die genaue Aufschlüsselung der für die Kriegführung notwendigen Einzelposten sowie die finanzielle Gewichtung der einzelnen kriegsrelevanten Faktoren wären umfassende Recherchen in den Genueser Archiven notwendig. Insbesondere die Aktivitäten der Genueser Militärunternehmer und der großen Genueser Handelshäuser wären ein lohnendes Untersuchungsgebiet. 51 Die Schießpulverherstellung wurde in Voltri (Pietraminuta), zunächst unter Giacomo Boccone und seit 1640 unter Gian Cristoforo Gandolfo betrieben. Außerdem war die Schießpulverproduktion in Carignano (unter Leitung von Francesco Martoxello), in Levanto (unter Marco Boccone) sowie in Finaro (Francesco Basso) angesiedelt. Herstellungskapazitäten wurden ebenfalls für Lerici gefordert. A.S.G. Camera del Governo Nr. 164, Nr. 169. 52 Kriegsrelevante Metallerzeugnisse wurden in Voltaggio, Masone und Voltri hergestellt. Voltaggio trat besonders in der Herstellung von Waffen hervor. Im Jahre 1627 verabschiedete die Republik ein Dekret, die die Kriesgproduktion in Voltaggio, Gavi, Ovada, Balodi und Torriglione ankurbeln sollte. Siehe: A.S.G. Camera del Governo Nr. 163, Nr.766, Nr.768, Nr.769. Siehe auch: E. Grendi, Introduzione, S. 124 f; L. Bulferetti/C. Costantini, Industria e commercio in Liguria nell'età del Risorgimento (1700-1851), Mailand 1966, S. 101 f; A. Pedemonte, Ferro e ferriere in Liguria nei secoli XVII e XVIII (Magisterarbeit an der Universität Genua 1958/59).
3. Rüstungsanstrengungen anläßlich des Savoyenkrieges
129
richtete sich die Genueser Nachfrage nach Waffen im spezifischen Kriegsfall in erster Linie nach Parma, wo der Waffenfabrikant Luca Scagliola mit umfangreichen Bestellungen betraut wurde. 54 Lunten kamen aus Pavia, aber auch aus Albenga, von wo auch Kanonenkugeln geschickt wurden. 55 Die akute Mangelsituation führte dazu, daß sich die Republik Genua auch an überregionale Verteilerzentren für Rüstungsgüter wenden mußte. Militärische Verbrauchsgüter (Pulver und Lunten) bezog man zunächst aus Neapel, denn Neapel fungierte innerhalb der spanischen Einflußzone als wichtiges Verteilerzentrum für Kriegsgüter. 56 Dort operierten die Konsulen der Genueser Nation, Giovanni Battista de Mari und Cornelio Spinola, im Auftrag der Republik Genua. Diese regionalen und überregionalen Bezugsquellen schienen insbesondere für den voraussichtlich enormen Schießpulver- und Munitionsverbrauch (Ku-
53
Als Bezugsquelle für Kleidung, Säcke, Decken und andere kriegsrelevante Textilien wird in den Quellen in erster Linie Filiberto Greni genannt. A.S.G. Camera del Governo Nr.768. 54 A.S.G. Camera del Governo Nr.766 und Nr.768. 55 Ebenda. Diese Güter wurden über Alessandro Massone bezogen. Die Provenienz der Waren bleibt jedoch unklar. 56 Die Gegebenheiten auf dem neapolitanischen Rüstungsmarkt sind bis jetzt noch nicht erforscht. Innerhalb des spanischen Imperiums zahlten die süditalienischen Besitzungen einen hohen finanziellen Tribut. Handelshäuser, die an den Finanztransaktionen für die Krone beteiligt waren, kommen auch für Rüstungsgeschäfte in Betracht. Im Gegensatz zu Süditalien kam Mailand keine finanzstützende Rolle zu. Ein Umstand, der sich aus den großen Ausgaben, die auf die militärische Präsenz zurückzuführen sind, erklärt. Siehe: D. Sella, Crisis and Continuity. The Economy of Spanish Lombardy in the Seventeenth Century, Cambridge (Mass.), 1979; F. Angiolini, "L'economia del Milanese nel sistema imperiale spagnuolo", in: SS 16(1982), S.395398; A. Calabria, "Finanzieri genovesi nel regno di Napoli nel Cinquecento", in: RSI 101(1989), S.578-613; ders., The Costs of Empire. The Finances of the Kingdom of Naples in the Time of Spanish Role, Cambridge 1991; L. De Rosa, "Crise financiers, crise économique et crise sociale: le royaume de Naples et la dernier phase de la Guerre de Trente Ans (1630-1644)", in: Miscellanea C. Verlinden, Gent 1975, S. 175199; ders., Il Mezzogiorno spagnolo tra crescita e decadenza, Mailand 1987; ders., "L'ultima fase della guerra di trent'anni ed il Regno di Napoli: inflazione, tassazione, speculazione, drenaggio di capitali", in: NRS 67(1983), S.367-386; G. Muto, "Il regno di Napoli sotto la dominazione spagnola", in: G. Cherubini, Storia della società italiana, Bd.ll, S.225-316; C. Trasseli, Genovesi, S.978 ff; M. Aymard, Crisi finanziaria, S.988 ff; G. Galasso, "Economia e finanze nel Mezzogiorno tra XVI e XVII secolo", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Finanze e ragion di Stato, S.45-88; 9 Zunckel
130
IV. Genueser Munitionsbestellungen nördlich der Alpen
geln und Lunten) kaum ausreichend.57 Der Aktionsradius für die Beschaffung dieser Waren mußte ausgedehnt werden. Zwecks Beschaffung der strategisch unverzichtbaren Rohstoffe und Güter wandte man sich über die Vermittlung von Genueser Handelshäusern an die internationalen Verteilerzentren für Militärgüter. Die für die (waffen-)industrielle Produktion benötigten Rohstoffe (wie Blei, Zinn und Kupfer) bezog man schon seit langer Zeit von den internationalen Umschlagplätzen Nordeuropas.58 Im Jahre 1625 wandte sich die Republik Genua zunächst nach Amsterdam, um Schießpulver und Salpeter zu erwerben. Dieser Geschäftsabschluß ist u.a. deshalb bemerkenswert, weil sich die Niederlande bekanntlich zu jener Zeit mit Spanien im Krieg befanden. 1626 wurde über die Vermittlung Antwerpener Handelshäuser ein zweiter Großauftrag an Hamburg vergeben, der neben Explosivstoffen auch Lunten und Kanonenkugeln umfaßte. Außerdem flöß zumindest während der Kriegsjahre ein recht beachtlicher und konstanter Versorgungsstrom von Schießpulver, Salpeter und Waffen aus Süddeutschland auf dem Landweg nach Genua. Der Amsterdamer Großauftrag sowie die süddeutschen Lieferungen funktionierten reibungslos, so daß die diesbezüglichen Dokumente unter den normalen Akten der Genueser Finanzbehörde aufbewahrt wurden.59 Die Hamburger Bestellung fand nicht den erwarteten positiven Abschluß, sondern wurde durch eine Serie von ungünstigen politischen Umständen, rechtlichen Verwicklungen und finanziellen Streitigkeiten verhindert. Die Republik sah sich deshalb zur Anlage einer gesonderten und umfangreichen Akte gezwungen, die die komplizierten Geschäftsvorgänge in allen Phasen ausführlich dokumentierte.60
57
So sind allein für das Jahr 1625 42 Cantara Lunten, eine nicht näher präzisierte Menge Schwefel und ca. 300 Cantara Schießpulver (zu einem Preis von 38 Duk. pro Cantara) neapolitanischer Provenienz belegbar. A.S.G. Camera del Governo Nr.766, Nr.767. Weitere 200 Cantara Salpeter kamen am 22. Mai 1626 aus Neapel. 496 Faß zu einem Gesamtgewicht von 55.635 # (ca. 370 Cantara) neapolitanischer Herkunft erreichten Genua auf Initiative Spinolas am 17. Juni 1626. Ebenda Nr.768. Die Briefe der Genueser Konsulen in Neapel finden sich (teilweise) in: A.S.G. Archivio Segreto Nr.2636 (Lettere Consoli). Größere Mengen Salpeter wurden auch aus Lucca bezogen. So 1625 ca. 207 Cantara Salpeter. A.S.G. Camera del Governo Nr.767. 58 A.S.G. Camera del Governo Nr.769. Siehe auch: E. Grendi, Nordici, S.31 und W. McNeill, Krieg und Macht, S.83. 59 Beide Geschäftsstränge finden sich in: A.S.G. Camera del Governo Nr.766-769 (Munitioni). Für den Furtenbachschen Anteil sind außerdem hinzuzuziehen: A.S.G. Camera del Governo Nr. 159-165 (Atti) und A.S.G. Antica Finanza Nr.710 (Pratiche Diverse). 60 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo/Munitioni).
V. Die Amsterdamer Schießpulverlieferungen an Genua in den Jahren 1625/26
1. Der Inhalt der Geschäftsabschlüsse Da die mit dem Geschäftsabschluß verbundenen finanziellen Transaktionen und der Transport des Pulvers von Amsterdam nach Livorno/Genua reibungslos verliefen und Qualität und Quantität der bestellten Ware keinen Grund zur Beanstandung lieferten, sind nur relativ wenige Dokumente zum Amsterdamer Schießpulvergeschäft vorhanden. Dennoch erwies sich die Aussagekraft dieser Quellen glücklicherweise als hoch.1
1
Bei den im: A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), erhaltenen Dokumenten zum Amsterdamer Schießpulvergeschäft der Jahre 1625/26 handelt es sich um folgende Quellengruppen: 1. Handelskorrespondenz und Abrechnungsunterlagen. Darunter die Kopie des in Genua angefertigten Auftragsschreibens (der Kaufleute Stefano, Antonio und Bartolomeo Balbi) für die Schießpulverlieferung vom 18. Oktober 1625 und acht Geschäftsbriefe des Amsterdamer Geschäftspartners (Gullielmo Bartolotti) über den konkreten Geschäftsverlauf und allgemeine Marktinformationen vom 18. November, Ende November, 2., 9., 15. und 23. Dezember 1625, Anfang Januar und 13. Januar 1626. Dem Brief vom 13. Januar waren außerdem die Kostenaufstellung und Abrechnung des Geschäftsvorganges sowie die Auflistung der Tratten beigefügt. Des weiteren findet sich die Kopie eines Briefausschnittes (vom 14. November 1625) der Handelsherren Maggioli und Lazagna aus Antwerpen, die im Zusammenhang mit dem Amsterdamer Schießpulverauftrag aufschlußreiche Informationen sowohl über den Amsterdamer als auch den Hamburger Schießpulver- und Munitionsmarkt liefert. Dieser Briefausschnitt ist deshalb für die behandelte Thematik von zentraler Bedeutung. 2. Frachtbescheinigungen über die drei Transportschiffe vom Dezember 1625 und Mai 1626 sowie zwei in Genua im Dezember 1625 ausgestellte Versicherungspolicen für einen Großteil des Schießpulvers. 3. Anordnungen und Eingangsbestätigungen der Republik über den Empfang der Ware in Livorno, die Bezahlung der Frachtgebühr, die Überführung der Ware nach Genua (Februar 1626) sowie die Einlagerung des Pulvers in der Stadt vom September und Oktober 1626. 9*
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Im Auftrag der Republik Genua wandte sich das Handelshaus "Stefano, Antonio und Bartolomeo Balbi" am 18. Oktober 1625 erstmals an Gullielmo Bartolotti und ersuchte diesen Amsterdamer Großkaufmann, so schnell wie möglich, d.h. noch innerhalb desselben Jahres, 1000 Faß Schießpulver fur Kanonen und Musketen zu besorgen und entweder nach Genua oder nach Livorno zu schicken.2 Um das Transportrisiko zu mindern, wies man ihn an, die Ware möglichst auf drei Schiffe zu verteilen und neutrale Hamburger Segler zu bevorzugen. Das Pulver sollte selbstverständlich von handelsüblicher Qualität und zum Ladezeitpunkt von guter Konsistenz, d.h. trocken, sein. In Bezug auf den Preis des Schießpulvers vertraute man auf die Loyalität und Marktkenntnis des Gullielmo Bartolotti. Allerdings verfügten die Balbi durch 2
Die Faß- oder Tonnengewichte variierten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit je nach Stadt und Warenkategorie stark. Zu Genua siehe: F.J. Lane, "Tonnage, Medieval and Modern", in: EHR 7(1964), S.213-233, S.219, S.221 f. Vgl. auch: P. Rocca, Pesi e Misure antiche di Genova e del Genovesato, Genua 1871, S.67-72, S. 108. Zu Hamburg siehe die Aufstellung bei: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.397 f, 415 f. Die Gewichtsbezugsgröße für Salpeter und Schießpulver war jedoch nicht das Faß, sondern der Zentner, dem auf den europäischen Handelsplätzen unterschiedliche Mengen entsprachen. Im Auftragsbrief wird das Gewichtsmaß Faß ausdrücklich präzisiert zu jeweils 6 Genueser Rubbi oder ca. 150 # (Genueser Libbre = Handelspftmd), also einem Genueser Cantara (Zentner) zu 47,65 kg. Nach den Einlagerungsund Gewichtszertifikaten entsprachen die von Bartolotti geschickten Fäßer exakt dem von den Balbi geforderten Maß. Der Nettoinhalt der 1000 Fäßer schwankte zwischen 147 # und 152 In den Abrechnungsunterlagen berechnete Bartolotti je Faß genau 100 Amsterdamer Pftind netto, d.h. einen Amsterdamer Zentner Schießpulver. (Der Preis für Schießpulver wurde pro Zentner oder 100 Amsterdamer Handelspfund angegeben.) 100 Amsterdamer Pfund entsprachen 49,4 kg. Schon allein die sich daraus ergebene Gewichtsdifferenz von etwas weniger als 2 kg auf den Zentner bedeutete in diesem Fall nicht etwa für die Republik, sondern für Bartolotti einen Vorteil von 3,5 Prozent. Zur generellen Umrechnungsproblematik zwischen den einzelnen europäischen Währungen und Gewichten siehe auch: H. Witthöft, "Sizilianische Tari - italienische Libbra - nordwesteuropäische Mark. Pegelottis 'Pratica della Mercatura' (1310-1340) in neueren Forschungen", in: J. Bestmann/F. Irsigler/J. Schneider, Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen, Bd.I, S.421-468. Ausgehend von den Silberfeingewichten ergibt sich laut Witthöft für das 14. Jahrhundert ein Genueser (Handels-) Pfundgewicht, das zwischen 353,454 g (12 Unzen a 29,454 g) und 320,465 g (12 Unzen a 26,705 g) schwankte. Ebenda S.424. Ansonsten wird für das Genueser Handelspfundgewicht in der Sekundärliteratur allgemein von einem Äquivalent von 317,664 g der "libbra grossa" ausgegangen, während die "libbra sottile" 316,75 g aufwies.
1. Inhalt der Geschäftsabschlüsse
133
die Genueser Handelsherren Moneglia in Antwerpen im voraus über die Information, daß das Preisniveau in Amsterdam zum Zeitpunkt der Bestellung bei 50 Gulden pro Zentner lag. Man hoffte, daß auch Bartolotti zu diesem Preis abschließen werde. Als gemeinsame Geschäftspartner, über die die Zahlungsmodalitäten abgewickelt werden sollten, hatten die Balbi in Antwerpen die Kaufleute Ambrosio Giovo & Davide Bustanzo und in Venedig die Handelsherren Cosmo dall'Hoste & Geronimo Flangini bestimmt. Nach dem erfolgreichen und für beide Seiten zufriedenstellenden Ausgang des ersten Rüstungsgeschäftes wurde im Frühjahr 1626 eine weitere Schießpulverlieferung von 500 Faß vereinbart.3 Die Tatsache, daß sich die Republik Genua bei der Ausführung derartiger Großaufträge auf die Vermittlung von Privatleuten stützte, war in Genua übliche Praxis, wie bereits die großen Getreidelieferungen seit Ende des 16. Jahrhunderts gezeigt hatten. Darüber hinaus war es für die Republik aus politischen Gründen in den unsicheren Kriegszeiten ratsam, nicht direkt in Erscheinung zu treten, um möglichen Handelsgefahren, z.B. der Beschlagnahme, zu entgehen. Der Kriegszustand in Europa legte es auch und gerade der formell neutralen Republik nahe, den Kauf und Versand kriegsrelevanten Gutes, noch dazu beim Feind des spanischen Verbündeten, nicht publik werden zu lassen. Der Umstand, daß es sich bei dem in dieser Angelegenheit federführenden Handelshaus um eine der politisch tonangebenden Familien Genuas handelte, die der spanischen Einflußsphäre in ökonomischer Hinsicht verpflichtet war, zeigt, in welch hohem Ausmaß der Amsterdamer Umschlagplatz in die traditionellen Handelsstrukturen integriert worden war. Die Dienste der Amsterdamer Kaufmannschaft wurden unverzichtbar. Sicherlich war es kein Zufall, daß sich die Balbi an einen der wichtigsten holländischen Rüstungshändler der Zeit wandten.
3
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni). Vom Juli 1626 datiert eine kurze briefliche Mitteilung über den zweiten Geschäftsabschluß, dem außerdem die Abrechnung über die Kosten für 500 Faß Schießpulver beilag. Die Genueser Finanzkammer fügte diesen beiden Dokumenten noch die Rechnungsunterlagen über die bezahlte Frachtrate hinzu.
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
AMSTERDAM GUILLELMO BARTOLOTTI Mittelmeerbefrachter Salpetermonopol 18.4.1626: Trip-De Geer-BartolottiNiekerck-Hudde-Martenszen Zusammenarbeit mit: Pilgram. Trip, Calandrini (Latfeur/van der Meulen) Rußlandhändler, WIC,VOC.
ANTWERPEN AMBROGIO GIOVO & DAVIDE BUSTANZO Genueser Handels- und Bankhäuser. / Zahlungsverkehr Habsburgs. / Korallengeschäft. / (LORENZO MAGGIOLI & JACOPO LAZAGNA) Geldtransfer Wechselmessen Rüstungsgeschäfte nach Spanien (Dorchi/Moneglia/Campomeno)
VENEDIG COSIMO DELL HOSTE & GERONIMO FLANGINI Vermittlung im Zahlungsverkehr nach Nord Westeuropa. Versicherungsgeschäfte. Nach 1646 Hauptgläubiger (Cerneschi, Durazzo, Spinola und Widman) der Balbi.
GENUA STEFANO. ANTONIO & BARTOLOMEO BALBI 2. Generation der Genueser Asientistas. Mailandgeschäft mit spanischer Krone. Getreideversorgung Genuas. Quecksilberappalt Idria.
Abb. 3: Internationale Handelsverbindungen im Rüstungsgeschäft zwischen Genua und Amsterdam (Oktober 1625-Frühjahr 1626)
2. Genueser Auftraggeber: Stefano, Antonio und Bartolomeo Balbi
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2. Die Genueser Auftraggeber: Stefano, Antonio und Bartolomeo Balbi. Ein führendes europäisches Handelsund Bankhaus des 17. Jahrhunderts Man bediente sich also in diesem Falle der Dienste der Balbi, die als Angehörige der Adelsfraktion der "nobili nuovi" im Laufe des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts zu einer der reichsten und mächtigsten Familien der Genueser Aristokratie aufgestiegen waren. Die weitverzweigte Familie Balbi gehörte zu dem durch familiäre Verbindungen vielfach verflochtenen Adelskreis der Balbi-Durazzo-Moneglia-Saluzzo, die die (ehemalige) Fraktion der "nobili nuovi" in den 20er und 30er Jahren des 17. Jahrhunderts in politischer und ökonomischer Hinsicht hegemonisierten.4 Das Handelsunternehmen der Balbi gehörte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu den Spitzenkräften der international operierenden Kaufmannschaft. Eine umfassende Einzeldarstellung dieses wichtigen europäischen Bank- und Handelshauses fehlt bis jetzt noch.5 Im spanischen Asiento-Geschäft sind die Balbi seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts zunächst mit nur relativ kleinen Summen und über die Anlagen anderer Bankiers nachweisbar.6 Der Reichtum dieser Familie stammte überwiegend aus Geschäften in Gesamteuropa, vor allem im traditionellen Handelsdreieck zwischen Spanien, Italien und den Niederlanden. In Spanien 4
Siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S.63, S.103, S.107 sowie Tafel 17 und 18 (S.110-112); E. Grendi, "Capitazioni e nobiltà genovese in età moderna", in: Ders., Repubblica aristocratica, S. 13-48, S.36; G. Doria/R. Savelli, Cittadini di governo, Appendix 1 und 2 (S.352 ff). 5 Dies beklagt: H. Valentinisch, Das landesfiirstliche Quecksilberwerk Idria 15751659. Produktion - technikrechtliche und soziale Verhältnisse - Betriebsbedarf Quecksilberhandel, Graz 1981, S.422. An einer Monographie über die Familie Balbi arbeitet in Genua zur Zeit E. Grendi. 6 Den Anschluß an die Antwerpener Asientos (zweiten Grades) erlangten die Balbi über den Lyoner Geschäftskontakt zu den Balbani, die wiederum mit Simon Ruiz in Verbindung standen. Außerdem operierten sie über Giovanni Durazzo, der als Strohmann diente. Siehe: H. Lapeyre, Simon Ruiz, S.62 S. 64, S.67, 72, S.82 ff, S.95, S.97 f. Es handelte sich um folgende (Mindest-)Beteiligungsanteile: 1.4.1588 über die Balbani (33.000 Duk. der Gesamtsumme von 240.000 Duk.); 19.5.1589 über N. Sivori (34.000 Duk. der Gesamtsumme von 950.000 Duk.); 17.11.1589 und 8.1.1590 über Gerolamo Scorza (39.000 Duk. der Gesamtsumme von 426.000 Duk.); 1.2.1591 über Scorza (31.875 Duk. der Gesamtsumme von 700.000 Duk.); 8.4.1593 über das Handelshaus Doria/Velluti/Amato (2.500 Duk. der Gesamtsumme von 630.000 Duk.); 3.3.1595 über F. Duarte 1.000 Duk.; 4.3.1596 über die Giudice/de Negrone (7.330 Duk. der Gesamtsumme von 203.810 Duk.).
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und Antwerpen arbeiteten die Balbi sowohl mit Gerolamo Scorza als auch mit den Genueser Handelshäusern der Maggioli, Moneglia und Raggio eng zusammen.7 Mit diesen Familien waren die Balbi auch verwandtschaftlich verbunden. In Spanien beteiligten sich die Balbi in erster Linie am Seiden- und Wollexport sowie an der Silberausfuhr. 8 Ein wichtiger Stützpunkt des Handels- und Bankimperiums der Familie war Venedig.9 Dort fungierte der Niederländer Georg Heidevier als Prokurator der Balbi. 10 Ein Familienzweig nahm 1590 maßgeblich an der Indienexpedition Guillelmo und Carlo Helmans teil. 1 1 Die Helman gewährleisteten in Venedig die Verbindung zu den rebellischen niederländischen Provinzen. Als Clearinghouse des internationalen Zahlungsverkehrs diente Venedig den Balbi neben Warengeschäften auch als zentraler Vermittlungsplatz für umfangreiche Finanztransaktionen. Diese Geschäfte betrafen in erster Linie 7
V. Vazquez de Prada, Lettres marchandes, Bd.I, S. 193 ff und R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.218 ff. Durch Scorza wurden die Geschäfte über Lyon abgewickelt. Die Moneglia waren vor allem in Lyon und Granada tätig. Die Raggio verfügten u.a. über eine Niederlassung in Madrid. Um die Jahrhundertwende kooperierten insbesondere Ambrogio und Agostino Raggio sowie Benedetto und Camillo Moneglia eng mit den Balbi. Siehe: H. Lapeyre, Simòn Ruiz, S.90. Die Maggioli waren seit 1593 in Alicante auf den Export von Wolle und Seide nach Italien spezialisiert und arbeiteten auf diesem Sektor eng mit ihren Verwandten, den Balbi, zusammen. Zu den Verbindungen der Maggioli nach Venedig über die (1607 Bankrott machenden) Thibante und über die Strozzi siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.61, S.67. 8 Zum Handel der Balbi mit spanischer Wolle, die üblicherweise auf dem Landweg von Genua über Cremona nach Venedig transportiert wurde, entweder dort verarbeitet oder (beispielsweise) nach Süddeutschland weiterverkauft wurde, siehe: W. Brûlez, Marchands flamands, S.XXIV, S.247, S.403 f und G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.546. 9 Zu den Aktivitäten des in Venedig ansässigen Almerigo Balbi, Sohn des Zuanne (Giovanni) Balbi, u.a. im Zypernhandel und im Versicherungsgeschäft (1605-1620), siehe: Ebenda, S.66, S.72, S.103, S.109, S.166, S.244 f, S.263, S.381, S.431, S.435, S.759, S.762, S.767 fund A. Tenenti, Naufrages, S.438 f, S.445, S.448 f, S.461, S.464 f, S.468, S.470, S.472, S.474, S.476. 10 Siehe: W. Brûlez, Marchands flamands, S. 285, S.295. Zu der (auch in Köln ansässigen) niederländischen Emigrantenfamilie Heidevier, die insbesondere im Textilhandel tätig war, siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.147, S.149 f und G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.212 ff. 11 Es handelte sich hierbei um Gasparo Balbi und seine Söhne Zuan Maria und Camillo. Siehe: W. Brûlez, Marchands flamands, S.89, Dok.266, 269, 696, 817 und W. Brulez/G. Devos, Marchands flamands, S.45. Zu den Helman siehe: H. Kellenbenz, Melchior Manlich, S.618 ff und R. Baetens, Nazomer, Bd.I S. 177 f.
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Nordwesteuropa, vor allem Antwerpen und dann auch Amsterdam, denn trotz der Spanientreue der Balbi wurden die nördlichen Niederlande für die kommerziellen Aktivitäten dieser Familie immer wichtiger. 12 Die diesbezüglichen Kontakte bestanden in Venedig um die Jahrhundertwende vorrangig über die flämischen Handelshäuser Vancastre & Cordes, denen im Zahlungsaustausch mit den Niederlanden offenbar eine Schlüsselstellung zukam. 13 Der Vermittlungsdienste dieser Firmen bedienten sich neben den Balbi auch andere große Genueser Handelshäuser mit wichtigen Interessen in Nordwesteuropa. 14 12
Zur Spanientreue der Balbi siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S. 120. Diesen Ausführungen liegen die 1633 nach Spanien gesandten Nachforschungen des Don Francisco de Melo, Marquis von Tor de Laguna, über die Genueser Aristokratie zu Grunde. Melo war zu dieser Zeit spanischer Gesandter in Genua. 1641-1647 war er Gouverneur der spanischen Niederlande und ging danach nochmals als spanischer Botschafter nach Genua. Später fiel er in Ungnade. Siehe: G. Parker, Army of Flanders, S.283; J.I. Israel, Dutch Republic, S.316 ff, 347 ff; H. Pohl, Portugiesen, S.19. 13 Siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.147, S.149 f; W. Brûlez, Marchands Flamands, S.XXV; G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.221 f, S.225 f, S.251. In Venedig operierte die Firma Tomaso und Giacomo (Jacobus) Vancastre, wobei Tomaso offiziell als Prokurator seines Bruders Giacomo fungierte, der in den Quellen als Kaufmann zu Mechelen bezeichnet wird. 1608 wurde Tomaso zum Konsul der flämischen Nation erklärt. Eine Funktion, die der außerordentlich hohen Bedeutung dieser Familie im Handelsbetrieb Venedigs entsprach. Auf die umfangreichen Geschäftsbeziehungen dieser Familie in der Lagunenstadt (dokumentiert in: G. De vos/ W. Brûlez, Marchands flamands) kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Hervorzuheben sind lediglich die kontinuierlich bestehenden Handelskontakte zu Hendrico Smits, den Gebrüdern La Maire, Christoph Furtenbach, den Van Uffeln, den Andrea und den Lernens. Seit 1615 arbeiteten die Vancastre mit den Vandenput in einem gemeinsamen Bankhaus zusammen. Weit bedeutender war aber die Unternehmung von Joannes Cordes und Giacomo Vancastre. Siehe eine kleine Dokumentauswahl in: Ebenda, S.15 f S.25 f, S.74, S.128 f, S.168, S.191, S.236 f, S.252, S.280, S.330, S.369, S.373, S.404, S.414, S.434, S.444, S.454, S.485, S.506, S.530. Zum Versicherungsgeschäft Cesare Cordes in Venedig (1592-1604) siehe auch die Vielzahl der Quellenbelege in: A. Tenenti, Naufrages. 14 Joannes Cordes und Giacomo Vancastre zogen Gewinn aus der Vermittlung im Wechselbriefverkehr zwischen Antwerpen/Amsterdam und Venedig. Dazu bedienten sie sich eines Verbindungsmannes in Piacenza (meistens war dies Jacobo Guadagni, erwähnt werden auch Petrus Labia, Francesco und Petrus Capponi sowie Laurentius und Alessandro Strozzi). Zu den die Balbi betreffenden Dokumenten (1568-1605) siehe: W. Brûlez, Marchands flamands, S.201 (1595 Transfer von 1.000 Scudi di Marco), S.319 (1599 Transfer von 7.230 Scudi), S.367 (1601 Transfer von 4.000 Scudi), S.378 f (1601 Transfer von insgesamt 9.000 Scudi für Geschäfte mit den Han-
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Die Handelsunternehmungen der Familie Balbi liefen Ende des 16. Jahrhunderts in Genua unter dem Namen "Giovanni Francesco, Bernardino und Gerolamo Balbi".15 Letztgenannter war 1592 angesichts der schlechten Gedelshäusern Vandergoes & Brüder sowie mit den Coyman). Unter der hochkarätigen Kundschaft der Cordes & Vancastre fanden sich mit beachtlichen Summen die Spinola, Grimaldi, Serra, Moneglia, Raggio, Sivori, Grillo, de Negrone, Marini, Cattaneo und Centurione. Ebenda, S.201, S.281, S.311, S.320, S.367, S.378 f. In der Quellenedition des Nachfolgezeitraums (1606-1621) finden sich nur wenige derartige Zeugnisse. Direkte Geschäftskontakte zu Genueser Handelshäusern unterhielten die Vancastre über Venedig demnach nur zu den Giustiniani, Moneglia und Serra. Siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.307, S.501, S.561, S.596, S.668, S.401, S.425, S.491. Die Balbi standen in Beziehung zu den Bono, Hureau, Duboys, Pellicorne, Lernens, Van Uffeln, Moens und Stayaert. Ebenda, S.66, S.109 S.263, S.381 f. Wahrscheinlich steht das Fehlen derartiger Quellenbelege im Zusammenhang mit der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Die zweite Quellenedition deckt ungefähr den Zeitraum des spanisch-niederländischen Waffenstillstandes ab. Vermutlich ging die Vermittlungsrolle Venedigs zugunsten direkter Handelsbeziehungen (zeitweise) zurück. Gleichzeitig nahm der Anteil von Geschäften, die zwischen den nordwesteuropäischen Handelshäusern in Venedig abgewickelt wurden, zu. Zur Klärung dieser Frage bleibt die (sicherlich folgende) Quellenediton für die 20er und 30er Jahre abzuwarten. 15 Auf Basis der erhaltenenen Handelskorrespondenz der Balbi mit den Ruiz rekonstruiert V. Vazquez de Prada, Lettres marchandes. Bd.I, S. 192, folgende Familien- und Geschäfts Verhältnisse: 1588 wird die Firma unter dem Namen "Gio Francesco und Brüder" geführt. Der Chef des Unternehmens, Gio Francesco, war in Genua ansässig. 1590 lief die Firma unter dem Namen "Gio Francesco, Bartolomeo und Gerolamo Balbi" (wahrscheinlich handelte es sich um die drei Brüder). Bartolomeo starb 1593 und hinterließ einen Sohn, Feiice, der in die Obhut seines Onkels, Gerolamo, gegeben wurde. Gerolamo Balbi war der Vater Bartolomeo Balbis, der später sowohl im hier behandelten Schießpulvergeschäft als auch beim idrianischen Quecksilbermonopol maßgeblich in Erscheinung trat. Auch Nicolò Balbi, Sohn des Gio Francesco, wurde 1591 seinem Onkel Gerolamo unterstellt. Er war ein Bruder Antonio und Stefano Balbis, die im Schießpulvergeschäft federführend hervortraten. Giovanni Francesco (gest. 1591)
Bartolomeo (gest. 1593)
Gerolamo
Nicolò (1575-1621) Antonio Stefano
Felice
Bartolomeo
(Brüder)
(Cousins)
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schäftslage aus Antwerpen nach Genua zurückgekehrt und besaß den Hauptanteil des Geschäftskapitals. Die Antwerpener Filiale der Balbi wurde zunächst von Nicolò und Giovan Battista Balbi weitergeführt. Auch sie zogen sich bald aus Antwerpen zurück und siedelten nach Madrid und Genua über. 16 Trotzdem blieb Antwerpen für die europäische Kaufmannschaft, insbesondere für die Genuesen, von zentraler Bedeutung, denn die Verbindung zu Spanien und der südniederländischen Besatzungsmacht stellte die Grundlage ihrer Finanzinteressen in Nordwesteuropa dar. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts rechtfertigten der internationale Geldmarkt, die Vermittlungsfunktion Antwerpens zu den aufsteigenden Handelsplätzen Amsterdam, Hamburg und London sowie der Markt für hochwertige südniederländische Luxusprodukte die Präsenz der großen italienischen Handelshäuser in der Scheidestadt.17 Die Interessen der Balbi in Antwerpen wurden seit Anfang des Jahrhunderts durch Lorenzo Maggioli, einem Neffen, vertreten. Zu diesem Zweck gründeten Maggioli und seine Genueser Geschäftspartner, Gio Francesco, Bartolomeo und Gerolamo Balbi, zunächst eine Kommanditgesellschaft, die unter paritätischer Kapitalbeteiligung bis ins Jahr 1608 bestand. Auch danach liefen die Geschäftsbeziehungen zwischen Lorenzo Maggioli und den Balbi mindestens bis 1632 weiter. Allerdings gestaltete sich ihre Zusammenarbeit vermutlich auf Grund der starken Verschuldung Maggiolis immer schwieriger. 18 In Bezug auf das hier zu behandelnde Schießpulvergeschäft ist festzustellen, daß lediglich der Briefkontakt zwischen den Balbi in Genua und Guillelmo Bartolotti in Amsterdam über Lorenzo Maggioli und dessen Kompagnon, Joannes Jacopo Lazagna, in Antwerpen vermittelt wurde. Ebenso wie die Moneglia19 spielte dieses Handelshaus für den Geschäftsablauf keine Rol16
Siehe: V. Vazquez de Prada, Lettres marchandes, Bd.I, S. 193 und R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.220 f. Die Aktivitäten der Antwerpener Filiale unter "Nicolò und Gian Battista Balbi" sind für das Jahr 1596 nachweisbar. In der zweiten Dekade des 17. Jahrhunderts befand sich Nicolò in Madrid, um seinen Handels- und Finanzgeschäften nachzugehen. Daneben existierte zum selben Zeitpunkt die Firma "Gerolamo, Bartolomeo und Gio Francesco Balbi". 17 Ebenda, S. 102-134, S.212 ff. 18 Ebenda, S.220 f (nachgewiesen durch Quellenbestände im Staatsarchiv Antwerpen). Der Kap itale insatz dieser Firma betrug insgesamt 80.000 fl. Baetens nennt (im Zusammenhang mit den Schuldnern Cipriano Campomenosos 1622) neben dem Handelshaus Maggioli & Lazagna auch eine Handelsgesellschaft von Jan Augustino und Stefano Balbi. Bei Stefano handelte es sich um einen der Balbi, die für das Schießpulvergeschäft von Belang waren. 19 A.S.G. Camera del Governo Nr.768/769 (Munitioni), Brief Bartolottis vom 2. Dezember 1625.
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le und dies, obwohl Maggioli & Lazagna nach eigenen Angaben über einschlägige Erfahrungen auf dem Rüstungssektor verfügten! 20 Auch in die Zahlungsmodalitäten sollten diese Kaufleute nach Weisung der Balbi vom 15. Dezember 1625 nicht involviert werden. Höchstwahrscheinlich waren die momentanen handelspolitischen Schwierigkeiten im Geschäftsverkehr zwischen den nördlichen und den südlichen Niederlanden sowie die kritische finanzielle Lage Maggiolis für diese Entscheidung von ausschlaggebender Bedeutung.21 Nach Ausräumung der handelspolitischen Schwierigkeiten wurde der Zahlungsverkehr schließlich über das Antwerpener Handelshaus der Genuesen Ambrosio Giovo & Davide Bustanzo22 und das Bankhaus Cosmo dell'Hoste & Geronimo Flangini 23 in Venedig abgewickelt. Die Firma Hoste & Flangini 20
Ebenda, Briefkopie Maggioli & Lazagnas vom 14. November 1625. Ebenda, Briefe Bartolottis vom 18. November und von Ende November 1625. Über die genauen Motive, die zum Ausschluß Maggioli & Lazagnas aus dem Zahlungsverkehr führten, sind in den Quellen keine Angaben enthalten. Vgl. auch: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.33-48 und J.I. Israel, Dutch Republic, S.217 ff. 22 Siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.217, 220 f. Er erwähnt lediglich die in Antwerpen ansässige Genueser Handelsunternehmung der Brüder Davide und Paolo Bustanzo, die 1622 zu den (nur kleinen) Schuldnern Cipriano Campomenosos gehörte. Laut H. Pohl, Portugiesen, S.208 f, S.279, waren die Bustanzo im Geschäft mit Korallen besonders aktiv (belegt für 1627). Eine wichtige Funktion hatten die Bustanzo außerdem in der Vermittlung zwischen den Habsburger Besitzungen. Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.293. Zu den Geschäftsbeziehungen zwischen den Bustanzo, Moneglia, Vancastre, Giustiniani und Rovelasca, siehe: G. Devos/W. Brulez, Marchands flamands, S.204, S.365, S.367, S.425, S.561. 23 Die Flangini waren besonders im Versicherungsgeschäft tätig. Siehe: W. Brulez, Marchands flamands, S.512, 567 und die zahlreichen Belege zur Tätigkeit Girolamo und Alvise Flanginis (1593-1609) in: A. Tenenti, Naufrages. Benedetto Flangini wird auch im Kupferhandel erwähnt. Ebenda, S.176. Der aus Pisa stammende Kaufmann Cosimo dell'Hoste war seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert im Wechsel- und Versicherunggeschäft Venedigs tätig. 1587-1589 sind Wechseltransaktionen dell' Höstes zwischen Wien und Venedig dokumentiert. Neben Giacomo Dolfin und Antonio Venier gehörte er 1603/04 zu den Créanciers der Nicolini. Siehe: Ebenda, S.141, 5.452, S.504 und A. Tenenti, Naufrages, S.395, S.418, S.437, S.440, S.446, S.448, 5.453, S.454, S.479. Außerdem gehörten Cosimo dell'Hoste und Geronimo Flangini zu den Kaufleuten, die den Geldtransfer für die Mission des Grafen Oiiate (1617-19) managten. Sie standen dabei in enger Verbindung zu den Ott. Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.282. Zu den Kontakten des Bankhauses nach Augsburg siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.153. Diese Kaufleute tauchen in der Liste der Großkaufleute auf, die Augsburg 1614 um Rat bei einer Handelsrechtssache ersuchte. Siehe: C. Dalhede, Augsburger Quellen, S.524. 21
2. Genueser Auftraggeber: Stefano, Antonio und Bartolomeo B a l b i 1 4 1 stand in engen kommerziellen Beziehungen zu den Balbi. 24 Wie die Zahlungsmodalitäten des Amsterdamer und des Hamburger Munitionsgeschäftes zeigen, spielten diese beide Unternehmen in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts für die handelstechnische Verbindung Nordwesteuropas nach Italien eine entscheidende Rolle. Cosmo dell'Hoste & Geronimo Flangini traten in Venedig anscheinend die Nachfolge der Cordes & Vancastre an. Leider ist der historischen Forschung über die Aktivitäten dieser Firmen bislang nur wenig bekannt.25 In den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts befand sich das Handels- und Bankimperium der Balbi auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Hauptstützpunkte des internationalen Geschäftsnetzes waren dabei nach wie vor Genua, Mailand, Madrid, Antwerpen und Venedig. Zu dieser Zeit sind drei Hauptlinien der Familie zu unterscheiden, die offenbar eng zusammenarbeiteten: Die drei Söhne des Gio Francesco Balbi, Nicolò, Antonio und Stefano, sowie der Sohn Gerolamo Balbis, Bartolomeo, ein Cousin der Gebrüder Balbi. Die dritte Hauptlinie der Familie, die auf Pantaleone Balbi zurückging, war ebenfalls im internationalen Austauschgeschäft tätig, aber anscheinend von geringerer Bedeutung.26 24
Zur Zusammenarbeit der Flangini und Balbi auf dem Versicherungssektor siehe: A. Tenenti, Naufrages, S.465, S.481, S.501. 1646 waren die Flangini (wie die Cerneschi, die Durazzo und die Spinola) neben den Widmann (Hauptgläubiger der Balbi in Venedig) maßgeblich an Übernahmeplänen des idrianischen Quecksilberappalts beteiligt. Siehe: H. Valentinisch, Idria, S.346. 25 Diese Hypothese stützt sich lediglich auf die Quellenbasis der hier behandelten Rüstungsbestellungen. Im Hamburger Fall trat außerdem das Handelshaus Ferrari in Erscheinung. Während sich zu den Ferrari (1606-1620) in der Quellenedition von G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, zahlreiche Dokumente finden, werden Hoste & Flangini lediglich zweimal erwähnt. Eine Frequenz, die der Bedeutung dieses Handels- und Bankhauses sicherlich nicht entspricht. Ebenda, S.284, S.612. 26 Die Firma Giacomo & Pantaleone Balbi war auch am Zahlungsverkehr des Hamburger Rüstungsgeschäftes beteiligt. Diese Firma zeichnete außerdem für Getreideprovisionen der Genueser Truppen im Jahre 1625 (neben Francesco Serra, Hendrick Muilman, Nicolaus Vanen, den Odescalchi und Christoph Furtenbach) verantwortlich. Siehe: A.S.G. Camera del Governo Nr. 159 (Atti). Zu den Venezianer Operationen Giacomo Balbis siehe: W. Brûlez, Marchands flamands, Dok. Nr. 1192, Nr. 1224, Nr. 1601. Die Firma Giacomo & Pantaleone Balbi stand außerdem in Livorno mit Bernhard ten Broeck in Geschäftsbeziehungen. Siehe: K. Heeringa, Bronnen, S.105. Zum Prozeß, den Francesco und Pantaleone Balbi (Vater des oben aufgeführten gleichnamigen Balbi) anläßlich Antwerpener Handelsgeschäfte über Filippo Cattaneo im Jahre 1586 gegen Bartolomeo und Geronimo Balbi geführt hatten, siehe: A.S.G. Lettere Consoli (Olanda) Nr.2657.
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Mit Nicolò Balbi trat das Familienunternehmen seit der Jahrhundertwende als großer Kreditgeber der spanischen Krone hervor. 27 Nach Nicolòs Tod im Jahre 1621 zeichnete sein Bruder Antonio für die Asiento-Geschäfte verantwortlich. Die Balbi gehörten zu den Hauptgeschädigten des Staatsbankrottes von 1627, kamen zu diesem Zeitpunkt aber keineswegs in Zahlungsschwierigkeiten. Noch im Jahre 1630 zählte die Familie zu den größten Einzelgläubigern Philipps I V . 2 8 Stefano Balbi engagierte sich stark in der Lombardei, wo er den finanziellen Rückhalt der Spanier gewährleistete. 1625/26 trat er in Mailand als großer Asientista der spanischen Krone in Erscheinung und gehörte somit zur zweiten Generation der Kreditgeber Habsburgs. 29 U.a. stellte er dem Herzog von 27
Zu den Asientos der Jahre 1605 und 1613 siehe: G. Giachero, Il Seicento, S.369 und H. Kellenbenz, Fremde Kaufleute, S.294 f. Nicolò Balbi wurde außerdem 1603 in Venedig im Candia-Handel erwähnt. Siehe: A. Tenenti, Naufrages, S.361 f. 28 Zu den Asientogeschäften Antonio Balbis 1623/24 und 1626 sowie zu den Auswirkungen des spanischen Staatsbankrottes von 1627 siehe: A. Dominguez-Ortiz, Politica y Hacienda, S. 14 ff, S.20 ff, S.28 f, S. 102 fund G. Giachero, Il Seicento, S.298 ff, S.306. Der Asiento von 1624 lief über Ottavio Centurione, der für die Bereitstellung von insgesamt 5 Millionen Duk. sorgte. 3.253.500 Duk. wurden über die Partizipation Genueser Bankhäuser gedeckt: 1.137.500 Duk. entfielen auf Centurione. 812.500 Duk. entrichtete Antonio Balbi, 487.500 Lelio Invrea. Jeweils 325.000 Duk. zahlten Stefano Spinola und Vincenzo Squarciafico, 162.000 Duk. Ottavio Giustiniani. Eine zusätzliche Summe von 1.210.000 Duk. wurde im selben Verhältnis zwischen diesen Bankhäusern aufgeteilt, so daß Antonio Balbi wiederum mit einem Viertel der Gesamtsumme (ca. 302.500 Duk.) beteiligt war. Bei dem großen Asiento von 1626 über 5.980.000 Duk. waren die Centurione und die Balbi mit jeweils einem Fünftel der Gesamtsumme (ca. 1.196.000 Duk.) beteiligt. Carlo Strata, Spinola, Squarciafico, Invrea und die Fugger zahlten jeweils 598.000 Duk. Ein Zwanzigstel übernahmen Gio Gerolamo Spinola und Paolo Giustiniani. Separat gingen nochmals 300.000 Duk. Centuriones sowie 200.000 Duk. der Balbi, Giustiniani, Squarciafico, Spinola und Centurione an die Krone. 1623-1626 entfielen auf diese Bankhäuser insgesamt 13.664.000 Duk. 1627 hatten sie noch 6.612.000 Dukaten offenstehen. Für die Begleichung der Schuld forderten sie zuzüglich der angefallenden Wechsel- und Kreditkosten 13 Millionen Duk. Vgl. auch: H. Valentinisch, Idria, S.340. 29 Zum Asiento Stefano Balbis über 500.000 Mark Scudi und zu den Verhandlungen über einen weiteren Kredit im Jahre 1630 siehe: J.-G. Da Silva, Banque et crédit, S.56, S.205 fund A. Dominguez-Ortiz, Politica y Hacienda, S.91-126. Zur zweiten Generation der Asientistas siehe: G. Muto, "'Decretos' e 'medios generates', la gestione delle crisi finanziarie nell'Italia spagnola", in: A. De Maddalena/H. Kellenbenz, Repubblica internazionale, S.275-332, S.326.
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Feria 1625 800.000 Scudi zur Verfügung, um ihn dazu zu bewegen, seine Truppen gegen Savoy en zu führen. Weitere 250.000 Scudi investierte er kurz darauf in die piemontesisch-spanischen Truppen für die Belagerung Casales.30 1638 waren Stefano und sein Cousin Bartolomeo für die Einrichtung des Mailänder Kreditfonds um den "Monte di San Carlo" verantwortlich.31 In Venedig beteiligten sich die Balbi auch am internationalen Warenhandelsgeschäft. Im Winter 1626 tauchte Stefano Balbi als Befrachter holländischer Schiffe in der Levante bzw. in Griechenland (und hier speziell im Kretahandel) auf. 32 Bereits in den 20er Jahren waren Stefano und Antonio Balbi für den idrianischen Quecksilberappalt des deutschen Kaufmanns Friedrich Overholz als Hauptkapitalgeber von zentraler Bedeutung. Der internationale Quecksilberhandel zählte dann zu den wichtigsten Geschäftsbereichen der Familie Balbi. In zunehmendem Maße schalteten sie sich in den Zwischenhandel der Ware von Venedig nach Spanien und Amerika ein. 33 Schließlich übernahm ihr Vetter, Bartolomeo Balbi, den Quecksilberappalt im Jahre 1631 in eigene Regie und kontrollierte dieses Monopol bis zum Jahre 1648 von Genua aus. Ein Umstand, der wiederum auf die guten Beziehungen der Balbi zum Hause Habsburg zurückzuführen ist und die immense Bedeutung dieser Familie im europäischen Handelssystem des 17. Jahrhunderts offenlegt. 34 Bartolomeo Balbi kann im Gegensatz zu seinen Vorgängern im Quecksilbergeschäft und im Vergleich zu den in Innerösterreich tätigen Italienerfirmen als "moderner Unternehmertyp" charakterisiert werden, denn am traditionel30
G. Giachero, Il Seicento, S.369. Stefano Balbi war zum Zeitpunkt des Schießpulvergeschäftes als Gesandter der Republik Genua in Mailand tätig. Er war mit Clelia Invrea, die ebenfalls aus einer großen Genueser Bankiersfamilie mit gewichtigen Interessen in Nordwesteuropa stammte, verheiratet. Siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S. 112. 31 G. Felloni, Investimenti, S.214; J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.56; Α. Dominguez-Ortiz, Politica y Hacienda, S.91-126. 32 Κ. Heeringa, Bronnen, S.584; A. Tenenti, Naufrages, S.448; G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.759 f, S.762, S.767 f. 33 H. Valentinisch, Idria, S.336. Bereits im September 1629 war Overholz bei Stefano Balbi mit 86.000 Scudi verschuldet. Auch Antonio Balbi hatte sich nach dem Staatsbankrott auf das Quecksilbergeschäft verlegt. Die Krone schuldete ihm für die Lieferungen nach Cadiz und Sevilla 1630 84 Millionen Maravedis. Ebenda, S.340. 34 Zur großen internationalen Bedeutung dieser Kommerzien siehe auch: H. Ritter von Srbik, Der Staatliche Exporthandel Österreichs von Leopold I. bis Maria Teresia. Untersuchungen zur Wirtschaftsgeschichte Österreichs im Zeitalter des Merkantilismus, Wien/Leipzig 1907. Zur Übernahme des Appaltes durch die Balbi siehe: H. Valentinisch, Idria, S.341 ff. Als Agent der Balbi in Graz fungierte Lorenzo Bottoni.
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len Handelsgeschäft in Österreich zeigte er sich völlig desinteressiert. Er konzentrierte sich ganz auf den Handel von Bergbauprodukten und das Geldgeschäft. 35 Daneben verfolgte er im Jahre 1636 den Plan eines groß angelegten Salzimportes von Neapel nach Österreich, der auf holländischen Schiffen erfolgen sollte. In Anbetracht des Kriegszustandes zwischen Spanien und den Generalstaaten fand dieses Vorhaben von Seiten der österreichischen Hofkammer jedoch keine Zustimmung.36 Bis zum Jahre 1646 durchlief der internationale Quecksilberhandel eine Phase der Hochkonjunktur, von der die Balbi maßgeblich profitieren konnten. Neben der schwankenden Quecksilberkonjunktur beinhaltete die enge strukturelle Verknüpfung dieses Geschäftes mit den spanischen Staatsfinanzen aber große Risiken. Die schlechte Zahlungsmoral der Krone führte zur zunehmenden Verschuldung der Balbi. Im Jahre 1635 erreichten die Balbi einzig über die Androhung von Quecksilberverkäufen an Holland die Auszahlung der ihnen zustehenden Gelder. Unmittelbar nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges gingen große Mengen Quecksilber über die Balbi nach Holland. Ein weiterer Beleg dafür, in welch großem Umfang die spanientreuen Balbi über Handelskontakte zu den Rebellen verfügten. 37 1646 war Bartolomeo Balbi stark bei venezianischen Bankhäusern verschuldet. Mangels ernsthafter Interessenten wurde der Appalt im Jahre 1648 für weitere zehn Jahre an Giovann Battista Balbi (vermutlich der Sohn Stefano Balbis) gegeben. Nach Giovann Battistas Tod im Jahre 1657 versuchte Bartolomeo Balbi vergeblich, sich erneut in das Geschäft einzuschalten.38 Das exklusive Verkaufsrecht für Quecksilber in Nordeuropa übernahmen 1659 die Deutz aus Amsterdam, die 1670 schließlich als offizielle kaiserliche Verkaufsagenten auftraten. 39 35
So die Charakterisierung von H. Valentinisch (Ebenda, S.422). Vgl. auch: Ders., Italienische Unternehmer, S.695 ff. 36 Ders., Idria, S.422 ff. 37 Ebenda, S.342 ff, S.347 ff. Seit 1615 tauchen Dokumente über eine Galeone mit dem Namen "Balbi" in Venezianer Quellen auf. Dieses Schiff verkehrte zwischen Amsterdam-Venedig-Syrien/Zypern. Als Eigner wird Zorzi Lefteri angegeben. Inwieweit dieses Schiff mit den Balbi in Verbindung stand, konnte nicht geklärt werden. Siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.485, S.489, S.495, S.513. 38 Siehe: H. Valentinisch, Idria, S.346 ff, S.423. Zu Giovan Battista Balbi, der 1648 vermutlich in eine Verschwörung verwickelt war, siehe: M. Nicora, "La nobiltà genovese dal 1528 al 1700", in: MSL 2(1961), S.217-310, S.265 ff. 39 Zunächst wurde der Quecksilberhandel unter Abbondio Inzaghi reorganisiert. Auf Grund der Umverlagerung nach Amsterdam wurde dieses Gut nun vornehmlich auf dem Landweg in die Niederlande geschafft. Siehe: H. Ritter v. Srbik, Exporthandel, S.17 ff, S.77 ff; E. Baasch, Holländische Wirtschaftsgeschichte, S.200 f; V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.109.
3. Amsterdamer Geschäftspartner: Guillelmo Bartolotti
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Obwohl das gemeinsame Familienunternehmen der Balbi, die Firma "Stefano, Antonio und Bartolomeo Balbi", im Jahre 1650 Bankrott machte und sich die Verhandlungen um die Auszahlung der spanischen Restschulden bis in das Jahr 1662 hinzogen, waren die Balbi keineswegs verarmt. 40 In den 20er Jahren zeichnete die Familie für das letzte städtebauliche Großprojekt Genuas, die "via Balbi" verantwortlich, um 1650 den prunkvollsten aller Paläste der Republik, den heutigen "Palazzo Reale", ausbauen zu lassen.41
3. Der Amsterdamer Geschäftspartner: Guillelmo Bartolotti und die Elite der niederländischen Kaufmannschaft Beim Amsterdamer Geschäftspartner der Balbi handelte es sich um Guillielmo Bartolotti, eine der Schlüsselfiguren des europäischen Handelsverkehrs in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Eine umfasssende Einzelstudie dieses wichtigen Amsterdamer Handelshauses, dessen Tätigkeit von der Forschung meist wenig beachtet wurde oder lediglich in Beziehung zu anderen Großkaufleuten Erwähnung fand, existiert leider nicht. Die umfangreichen und vielschichtigen Aktivitäten der Familie Bartolotti haben erst in jüngster Zeit das verstärkte Interesse der historischen Forschung geweckt.42 Guillelmo Bartolotti (1560-1634) hieß eigentlich Willelm van den Heuvel. Seine Eltern stammten ursprünglich aus der Nähe von Utrecht.43 Er selbst verbrachte seine Jugendzeit in Hamburg. Den italienischen Namen legte er 40
1658 waren die Erben Giovann Battista Balbis hoch bei der Hofkammer verschuldet. Die Forderungen konnten aber nicht eingetrieben werden, weil die Balbi in den habsburgischen Erblanden keine Güter besaßen! Siehe: H. Valentinisch, Idria, S.349. Zu den Verhandlungen der Balbi mit der spanischen Krone über die Begleichung ihrer Forderungen vgl. auch: G. Giachero, Il Seicento, S.369. 41 Zur Neuanlage der "Strada del Guastato", die zur Hälfte aus den Residenzbauten der Balbi (1618: Palazzo des Giacomo und Pantaleo Balbi, 1618-1620: Palazzo des Gio. Agostino Balbi) sowie der ebenfalls von dieser Familie errichteten Bauten des Jesuitenkollegiums (1636) und der Kirche der Hlg. Gerolamo und Francesco Saverio bestand, siehe: E. Poleggi/P. Cevini, Genova, S. 122 ff. Zum Ausbau des Palazzo Reale siehe: G. Benvenuti, Storia di Genova, Mailand 1977, S. 140 f. 42 Ν.H. Schneeloch, Aktionäre der Westindischen Compagnie von 1674. Die Verschmelzung der alten Kapitalgebergruppen zu einer neuen Aktiengesellschaft, Stuttgart 1982, S.284-301. 43 J.E. Elias, Vroedshap, S.386 f. Willelm van den Heuvel war der Sohn von Cornelia Willemsz und Christian van den Heuvel, der der Schwager Giovann Battista Bartolottis war. 10 Zunckel
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
sich auf Wunsch seines aus Bologna stammenden Erbonkels, Giovann Battista Bartolotti, zu. Dieser Onkel betrieb in Hamburg den Warenaustausch zwischen Nord- und Südeuropa. U.a. hielt man über Antonio Diodati in Nürnberg Verbindung zu den Welsern. Außerdem stand Giovann Battista Bartolotti in engem Kontakt zu den Kaufmannskreisen um die Merchant Adventurers. 44 In seiner Hamburger Zeit zog Guillelmo Bartolotti Nutzen aus der günstigen Getreidekonjunktur der 1590er Jahre. In Zusammenarbeit mit dem ebenfalls aus Bologna stammenden Giovann Battista Lucchini verschiffte er Lebensmittel nach Italien und war außerdem als Vorreiter im Hamburger Versicherungsgeschäft tätig. 45 Über anderweitige Handelsaktivitäten aus seiner Hamburger Zeit oder spätere Handelskontakte Bartolottis mit der Hansestadt können leider nur wenige Aussagen gemacht werden. Wahrscheinlich unterhielt Bartolotti über das Antwerpener Handelshaus Andrea die Verbindung zu Hamburg aufrecht. Als Hamburger Geschäftspartner fungierten die Van Uffeln und Lukas Beckmann.46 Zwischen 1602 und 1607 hielt sich Bartolotti zunächst in Emden auf. Emden konnte zu jener Zeit von den handelspolitischen Schwierigkeiten der Nie44
H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.157, S.258 f. Giovann Battista Bartolotti war Protestant und hielt sich vor seiner Hamburger Zeit zunächst in den Niederlanden auf, wo er Maria Labay aus Lenen bei Utrecht heiratete. 45 Ebenda S.258 f. Zum Getreidegeschäft Bartolottis siehe die Quellenbelege in: A.S.G. Lettere Principi Nr.2779 (Genua 1590); W. Brûlez, Marchands flamands, S. 107, S.596 f (Venedig 1591, 220 Last Roggen, wobei der Geschäftskontakt über die Strozzi und die Bartoli hergestellt wurde). Diese Aktivitäten Bartolottis flankierten die Geschäfte der Vertema, Barthold Beckmanns sowie Johann und Dietrich Tunemanns, deren Unternehmen 1591 für 90% aller diesbezüglichen Hamburger Geschäftsabschlüsse verantwortlich zeichnete. Siehe: P. Jeannin, Entreprises hanséates, S.269 und L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.3, S.7, S.10, S.25. Zu den Lucchini siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.149. Durch Bartolotti wurden 1588 erstmals Versicherungspolicen ausgestellt, die den Italiener Rocca betrafen. Alessandro Rocca war 1615 (u.a. über die Van Uffeln) am Venedighandel beteiligt. Geschäftspartner vor Ort waren die Melchiori. Battista Rocca stand in Kontakt mit den Balbi. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.282; G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.271, S.471, S.482, S.512. 46 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.301 f. Die Andrea machten kurz nach 1620 Bankrott. Bartolotti war in erster Ehe mit einer Pels aus einem bedeutenden Antwerpener Handelshaus verheiratet und ging 1593 mit Margaretha Thibeaut eine zweite Ehe ein, so daß auch über diese Familienbindungen Handelskontakte möglich waren. Zu den Handelsinteressen der Thibeaut in England und Venedig siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S. 197, S.480.
3. Amsterdamer Geschäftspartner: Guillelmo Bartolotti
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derlande profitieren und war deshalb ein wichtigter Stützpunkt im Baltik- und Mittelmeerhandel. 47 Spätestens im Jahre 1608 siedelte Guillelmo Bartolotti nach Amsterdam über, wo sich seine kommerziellen Unternehmungen erst richtig entfalten sollten. Das von Guillelmo Bartolotti begründete Handelsund Bankhaus wurde zunächst von seinem Sohn Guillelmo (1602-1658) und dann von seinem gleichnamigen Enkel (1638-1674) weitergeführt. Im Jahre 1689 zog sich sein Urenkel, Johann Baptista Bartolotti (1644-1703), aus dem aktiven Geschäftsleben zurück. Die Firma erlosch. 48 Die Bartolotti gehörten zu den reichsten Kaufmannsfamilien Amsterdams. Ihr Wohlstand basierte auf der Kombination von weltumspannenden Handelsaktivitäten und Finanztransaktionen großen Stils. 49 Das Bankhaus Bartolotti partizipierte anscheinend nur in bescheidendem Maße am Kapital der VOC. Das vorrangige Interesse richtete sich auf die Investirions- und Spekulationsmöglichkeiten um die Aktien der Westindischen Compagnie (WIC), deren Gründungsmitglied der alte Bartolotti war. Sein 47
L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.191 f (zum Anteil Emdener Schiffe an der Livorno-Fahrt); B. Hagedorn, Ostfrieslands Handel und Seeschiffahrt vom Ausgang des 16. Jahrhunderts bis zum Westfälischen Frieden (1580-1648), Berlin 1912, insbesondere S.230-233; H. de Buhr, "Konjunktur und beginnender Niedergang einer Hafenstadt. Emden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts", in: H. Stoob, See- und Flußhäfen, S. 161-174. Ende des 16. Jahrhunderts waren beispielsweise die Genuesen Nicolò Pallavicino und Paolo Battista Serra (!) in Emden tätig. Siehe: H. Kellenbenz, Germania e Genova, S.492 f und ders, "Gli operatori italiani nell'Europa centrale ed orientale", in: Aspetti della vita economica medievale. Atti del convegno di studi nel X. Anniversario della morte di F. Melis, Florenz/Pisa/Prato, 1984, S.278. Diese Genueser Unternehmer waren neben den Spinola und den de Mari auch im Venezianer Versicherungsgeschäft maßgeblich beteiligt. Siehe: A. Tenenti, Naufrages, S.62. 48 J.E. Elias, Vroedshap, S.386 ff; J.G. Van Dillen, Aandelhoudersregister, S.64 f; N. H. Schneeloch, Aktionäre der Westindischen Compagnie, insbesondere S.286. Die Bartolotti waren u.a. mit den van Εφ und den Pergens verschwägert. 49 Guillelmo Bartolotti (d.Ä.) gehörte zu den größten Kontoinhabern der Amsterdamer Wisselbank. 1631 wurde sein Vermögen zu Steuerzwecken auf 400.000 fl geschätzt. Er gehörte zur ca. 100 Personen umfassenden Elite der Amsterdamer Kaufleute, die über ein Vermögen von über 100.000 fl verfügten. Sein Sohn verrechnete 1645 2.500.000 fl über die Wisselbank und hinterließ bei seinem Tod ein Vermögen von 1.200.000 fl. Siehe: N.H. Schneeloch, "Das Kapitalengagement der Familie Bartolotti in der Westindischen Compagnie", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.II, S.171-192, S.172; J.G. Van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.63 f; ders., Rijkdom, S.311. Als äußerer Ausdruck des Wohlstandes der Bartolotti repräsentierte der prächtige Wohnsitz der Familie in Amsterdam, der bei den Zeitgenossen Bewunderung hervorrief. Siehe: P.J. Blok, Relazioni veneziane, S.231. io*
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Sohn verfügte über den mit Abstand größten Kapitaleinsatz bei der WIC und tätigte wie sein Vater erfolgreiche Spekulationen mit den Kapitalanteilen dieser Überseehandelsgesellschaft. Bekannt ist die Familie außerdem als Kreditgeber des Hauses Oranien. Mitte des 17. Jahrhunderts befand sich das Bankund Handelshaus Bartolotti auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung.50 In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zählte Guillelmo Bartolotti zum Kreis der wichtigsten Italienbefrachter und Levantekaufleute Amsterdams. Die Studie von S. Hart belegt die große Bedeutung Bartolottis für den Mittelmeerhandel. Nach Ausweitung von Notariatsarchiven (1590-1620) resultiert Bartolotti mit 66 Frachtaufträgen (wobei 42 Fahrten ohne Fremdbeteiligung gemacht wurden) als der drittgrößte Italienbefrachter Amsterdams. Für die Zeit nach 1620 fehlen Untersuchungen von annährend statistischem Wert. Sowohl die Teilnahme Bartolottis im 1624 gegründeten "Direktorium für den Levantehandel und die Mittelmeerfahrt" als auch die zahlreichen Erwähnungen Bartolottis in den Quelleneditionen zur niederländischen "straatvaart" lassen auf eine kontinuierliche Betätigung dieses Kaufmannes in der südlichen Interessensphäre schließen.51 Zu diesen führenden Mittelmeerhändlern gehörten Jan und Filippo Calandrini,52 Jasper Quingetti,53 Caspar van Ceulen, 54 Isaac la Maire, 55 Willem Willemzs56 und Salomon Vorknecht.57 50
N.H. Schneeloch, Kapitalengagement, S.174 ff. 1602 partizipierte Bartolotti an der Zeeländischen Kammer der VOC lediglich mit 12.000 fl, an der Amsterdamer Kammer 1612 mit 10.000 fl. In den 60er Jahren waren die Bartolotti nachweislich nur mit 4.460 fl beteiligt. Neben 6.000 fl Pflichtanteilen an der WIC erschienen unter dem Namen Bartolotti 1621 und 1623 insgesamt aber weitere 100.000 fl. 51 Siehe: S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.162 und K. Heeringa, Bronnen, zu sechs dokumentierten Frachtverträgen mit dem Ziel Genua/Livorno 1620-1622, wobei Bartolotti u.a. in Geschäftsverbindung zu Bernard ten Broeck stand (S.94), zu Getreidelieferungen von Nantes nach Genua 1622 (S. 117), zu nicht näher spezifizierten Warenlieferungen nach Genua 1626 in Zusammenarbeit mit Elias Trip (S.118, S.1007), zum Handel in Aleppo 1612, 1615 und 1625 (S.437, S.446, S.503 f), zum Seeräuberproblem vor Algier und der Mission Pijnackers nach Tunis, in den Jahren 1618, 1619, 1622 und 1624 (S.771, S.802, S.854, S.907 f), zu Eingaben der großen Mittelmeerhändler an den Bürgermeister von Amsterdam 1621 und 1650, wobei die Bartolotti zu den Zeichnern zählten (S.571 f, S.968). 52 S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.162 f: 91 Verträge (davon nur 25 in Eigenregie), zweite Stelle unter den Italienbefrachtern. Die Calandrini standen mit den Familien Latfeur und van der Meulen in Geschäftsbeziehungen. Filippo Calandrini, Charles Latfeur und Andries van der Meulen waren Schwager. Seit 1620 führten sie eine gemeinsame Firma. Davor nahmen die Handelshäuser Latfeur und van der Meulen mit jeweils 42 in Eigenregie abgeschlossenen Verträgen den achten Platz der Befrachterliste ein.
3. Amsterdamer Geschäftspartner: Guillelmo Bartolotti
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Die Anfangsphase der Mittelmeerfahrt stand vorrangig mit dem Getreidehandel in Verbindung.58 Auf Grund der allgemeinen Gegebenheiten kann davon ausgegangen werden, daß das Zentrum der nach Südeuropa gerichteten 53
Ebenda, S.163 ff: 201 Frachtverträge (davon nur vier in Gesellschaft mit anderen Kaufleuten), erste Stelle unter den Italienfahrern. Die Quingetti unterhielten enge Beziehungen zu ihren Verwandten in Köln, zu den Cordes und Bodeck in Frankfurt. Im Zusammenhang mit dem großen Venezianer Rüstungsgeschäft machte er wegen der Unterschlagung von Geldern durch seinen Geschäftspartner, Alexander van Berge (mit 28 abgeschlossenen Verträgen auf 17. Position unter den Italienbefrachtern), 1618 Bankrott. Siehe auch: P.H. Winkelman, Bronnen, Bd.V, S.167 ff, S.188 ff, S.192 ff, S.245 f, S.466; J.G. Van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.65 f; H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.147 ff; G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.222 ff. 54 S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.162: 63 Frachtverträge (davon 28 zusammen mit anderen Befrachtern), vierte Stelle unter den Italienkaufleuten. Die Van Ceulen waren mit den Hureau und den de Groote verbunden. Ihr gewaltiges Vermögen war überwiegend im Dreieck Amsterdam-Venedig-Antwerpen zusammengebracht worden. Siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.II, S.178 und ders., Van Colen. Die Hureau waren Anfang des 17. Jahrhunderts für Schießpulverlieferungen nach Venedig verantwortlich. Siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.274, S.452, S.590 f, S.688, S.702, S.719, S.756. 55 S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.162: 56 Frachtverträge, 42 davon in Eigenregie. Allein im Jahre 1607 rüstete er 28 nach Italien auslaufende Schiffe aus. Unstimmigkeiten mit der VOC zwangen la Maire schließlich dazu, Amsterdam zu verlassen. Siehe: J.G. Van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.110 ff. Zum Kölner Familienzweig siehe: G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.370 f. 56 Willem Willemzs war der bedeutenste Seifensieder Amsterdams und stand mit den Rodenburgh in familiärer Beziehung. Bis zu seinem Tode (1620) war Willemzs mit 49 Frachten, die bis auf eine Fahrt in Alleinregie durchgeführt wurden, im Italienhandel vertreten. Siehe: S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.165 f und J.G. Van Dillen, Aandeelshoudersregister, S.165 f. 57 S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.162: 48 Eigenbefrachtungen, siebte Stelle der Italienkaufleute. Siehe auch: P.H. Winkelman, Bronnen, Bd.V, S.203, S.246 ff, S.251, S.253, S.261 f, S.272 f, S.311, S.313, S.316 f, Bd.VI, S.80 f. und K. Heeringa, Bronnen, S.437. 58 F. Braudel, Il Mediterraneo, S.447-456, S.630-653; F. Braudel/R. Romano, Navires et marchandises à l'entrée du Port de Livourne (1547-1611), Paris 1959, S.51, S.55; S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.147 ff; J.I. Israel, Dutch Primacy, S. 100. Besonders 1591-1597, 1602-1609, 1612-1614 und 1618-1622 wurde nordisches Getreide wegen der schlechten Ernten nach Italien verschifft. Für Genua siehe: E. Grendi, Nordici, S.28, S.32 f. Vgl. auch: T. Damsholt, "Some Observations on Four Series of Tuscan Corn Prices 1520-1630", in: SEHR 12(1964), S.145-164.
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Handelsaktivität Bartolottis zunächst auf diesem klassischen Sektor holländischer Kaufmannstätigkeit lag. 5 9 Vordergründig scheint die Elite der niederländischen Unternehmer, wie z.B. Isaac la Maire, Dirk van Os und Guillelmo Bartolotti, nur wenig Interesse am direkten Baltikhandel in Eigenregie gehabt zu haben. 60 Erstaunlicherweise sind die personellen Strukturen, über die Amsterdam mit dem Danziger Rohstoffmarkt verbunden wurde, weitgehend unerforscht. Insbesondere über die vor Ort operierenden Verbindungsleute und die geschäftlichen Beziehungen der Amsterdamer Spitzenkräfte zu den maßgeblichen Danzigexporteuren ist wenig bekannt.61 Angesichts der großen Profite, die die Vermittlertätigkeit zwischen dem Baltikum, Amsterdam und dem Mit-
59
Vgl. S.146, Anmerkung 45. Umfangreiche Getreidegeschäfte Bartolottis mit Genua sind ebenfalls 1619/20 dokumentiert. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1401 (Corrispondenza Estera). Auch nach Livorno ließ er in dieser Zeit große Mengen Getreide verschiffen. Siehe: K. Heeringa, Bronnen, S.94. Bartolotti ging in den an die Balbi adressierten Geschäftsbriefen zum Schießpulvergeschäft genauestens auf die Amsterdamer Marktsituation ein. Inwieweit Bartolotti über einen Verbindungsmann in Danzig verfügte, mit anderen Handelshäusern kooperierte, oder ob er das Getreide in Amsterdam bezog, bleibt offen. Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, ob der Getreidehandel als eine der Hauptaktivitäten Bartolottis bezeichnet werden kann. In den von P.H. Winkelman herausgegebenen Quelleneditionen zum holländischen Ostseehandel findet Bartolotti keine Erwähnung. 60 Diese Auffassung vertritt J.I. Israel, Dutch Primacy, S.51-54, um die von Braudel aufgestellte These von der Schlüsselrolle des Getreidegeschäftes für den Aufstieg Amsterdams zu widerlegen. 61 Siehe M. Bogucka, Amsterdam, S.436 und ders., "Der niederländische Danziger Handel in den Jahren 1597-1651", in: Zapiski Historysczne 3(1968), S.171-191. Erwartungsgemäß findet Bartolotti (und mit ihm die Elite des Amsterdamer Handels) hierin keine Erwähnung. Verbindungsleute der großen niederländischen Handelshäuser in Danzig waren beispielsweise Salomon Vorknecht und Jost Willems Niekerck. Siehe: G.W. Kernkamp, Baltische Archivalia, S.239. Auch über Hamburg könnte Amsterdam Zugang zu Danzig gehabt haben. Als Danziger Unternehmerkräfte, die auf diesem Sektor besonders aktiv waren, werden Hans Schenk sowie die Handelsgesellschaft von Hans Kerschenberg, Caspar Klippel und Sigismund Kerschenstein genannt. Siehe: M. Bogucka, Commerce de Gdansk, S.305 f. Über ihre Handelspartner in West-, bzw. Südeuropa werden jedoch keine Aussagen gemacht. Zu den italienischen Agenten für Getreidegeschäfte in Danzig bis zum Jahr 1622 (als die Direktverbindung zwischen dem Baltikum und dem Mittelmeerraum unterbrochen wurde) siehe: H. Samsonowicz, Relations commerciales, S.539 ff und P. Jeannin, Entreprises hansèates, S.267. Weitere Recherchen auf diesem Gebiet sind unbedingt erforderlich.
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telmeerraum abwarf, 62 kann jedoch davon ausgegangen werden, daß auch und gerade die Elite der Amsterdamer Kaufmannschaft, über welche Kanäle auch immer, maßgeblich daran partizipierte. 63 Es stellt sich vor allem die Frage, in welcher Form die einzelnen Handelshäuser kooperierten. Wahrscheinlich verfügte Guillelmo Bartolotti über seine Hauptgeschäftspartner Zugang zum Getreide und zu den Rohstoffen des Baltikums, ohne direkt in Erscheinung zu treten. 64 Untermauert wird diese These von den erfolgreichen Versuchen des führenden holländischen Handelskapitals, die in den 20er Jahren ausfallenden Importe aus Danzig durch russische Pro Visionsquellen zu ersetzen. Zu diesen Kreisen gehörte auch Bartolotti. Darüber hinaus beteiligte sich Bartolotti wie nur wenige andere Spitzenkräfte der Amsterdamer Kaufmannschaft schon vor 1607 an der Versendung wertvoller und damit noch gewinnbringender Waren russischer Provenienz in die Mittelmeerhäfen. 65 62
M. Bogucka, "Zur Problematik der Profite im Handel zwischen Danzig und Westeuropa (1550-1650)", in: Hansische Studien, Bd.V, Weimar 1981, S.41-50 und P. Jeannin, "Preis-, Kosten und Gewinnunterschiede im Handel mit Ostseegetreide (1550-1650)", in: Wirtschaftliche und soziale Strukturen im säkulären Wandel. Festschrift W. Abel, Bd.II, Hanover 1974, S.497-499; M.C. Lamberti, Mercanti tedeschi, S.96 ff; E. Grendi, Nordici, S.26 f. Nordisches Getreide, das in Hamburg umgerechnet 8.12 Lire kostete, wurde 1591 in Genua für 26 Lire pro Genueser Mina (Getreidemaß zu ca. 2 Genueser Cantara) weiterverkauft. Der Ankaufspreis für schiffbares Getreide lag in den nordwesteuropäischen Häfen generell bei 8-15 Liren. Hinzu kamen noch die Fracht- und Versicherungskosten, so daß der effektive Endkostenpreis nur 10-17 Lire betrug. Sizilianisches Getreide kostete zur selben Zeit in Genua ca. 30 Lire, für lombardischen Weizen wurden 20 Lire berechnet. 63 Die Ost- und Westfahrt (Baltikum-Mittelmeerroute) kombinierten beispielsweise die großen Handelshäuser Calandrini, Quingetti, Vorknecht und Overlander. Siehe: P.H. Winkelman, Bronnen, Bd.V, S.50 ff, S.122 ff, S.138 ff, S.147 f, S.158 f, S.167 ff, S.182 f, S.188 ff, S.192 ff, S.246 ff, S.251 ff, S.258 ff, S.311-319, S.388, S.400 f, Bd.VI, S.32 f, S.76 f, S.80-85, S.177 ff, S.197 f. 64 Bartolotti könnte beispielsweise über die Calandrini oder über die Pilgram (Pelgrim) Zugang zum Danziger Umschlagplatz gehabt haben. Die Familie Pilgram stammte aus Nürnberg und war dann nach Amsterdam übergesiedelt. Siehe: R. Hildebrandt, Interkontinentale Wirtschaftsbeziehungen, S.67 ff, S.74; J.G. van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.214; M. Bogucka, Salpeter Production, S. 168. 65 S. Hart, "Amsterdamse scheepvaart en handel op Noord Rusland in de zeventiende eeuw", in: Ders., Geschrift en getal. Eeene keuze uit de demografisch-, economisch en sociaal-historische Studien op grond van Amsterdamse een Zaanse archivalia, 1600-1800, Dordrecht 1976, S.288-291. Aus Rußland wurden Leder, Pelze und vor allem Kaviar nach Livorno versandt. Außer Bartolotti traten hierbei Isaac la Maire und Caspar van Ceulen besonders in Erscheinung. Ähnliche Strukturen deuten sich
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Als eines der kapitalkräftigsten Handelshäuser Amsterdams stand Bartolotti in Verbindung zu den einflußreichsten und bekanntesten Großkaufmannskreisen Hollands. Hervorzuheben sind in erster Linie die enge Geschäftsverbindung zum Handelshaus Calandrini und vor allem die Zusammenarbeit mit der wichtigsten Unternehmergruppe des Amsterdamer Wirtschaftslebens um Elias Trip. Für jedes dieser drei Handelshäuser war die Kombination der Sektoren Mittelmeerfahrt, Kreditvergabe an Vertreter der politischen Gewalten und Rüstungshandel in jeweils unterschiedlicher Gewichtung charakteristisch. Der Erfolg dieser Unternehmer basierte zu einem erheblichen Teil auf den Bedürfnissen und Defiziten der frühmodernen Staatsgewalten - im hier behandelten Fall der norditalienischen Kleinstaaten. Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, war der Militärgüterhandel für die großen europäischen Handelshäuser zu Zeiten verschärfter internationaler Auseinandersetzungen ein zusätzliches und lohnendes Betätigungsfeld. Die Zentralstellung des Amsterdamer Warenmarktes und Informationszentrums 66 sowie die weitreichenden Verbindungen der holländischen Kaufmannschaft bildeten die Haupt Voraussetzungen für die konsortienartigen Familienzusammenschlüsse auf dem Rüstungssektor und für die damit in enger Verbindung stehenden Monopol versuche. Unter beiden Aspekten sind die 20er Jahre des 17. Jahrhunderts als erster Kulminationspunkt dieser Entwicklung anzusehen.
für die Handelshäuser della Faille, die Vogelaer, Schyut, Os, Bernardi und le Bruijn an. Diese Kaufleute zählten zu den großen Amsterdamer Handelshäusern und hatten gewichtigen Interessen sowohl im Moskowienhandel als auch im Mittelmeergeschäft. Vgl. H. Kellenbenz, Archangel Route, S.546-S.550 und J.I. Israel, Dutch Primacy, S.45 ff. Laut Israel war dieser Handelssektor (neben den holländischen Leinenexporten sowie den veränderten internationalen Verteilungsstrukturen der Gewürzimporte aus Übersee) für den enormen Aufschwung der Niederlande seit 1609 verantwortlich und nicht etwa der Getreidehandel. Ebenda S.100 f. Anhaltspunkte für derartige Aktivitäten Bartolottis finden sich in den Quellen zum Salpetergeschäft nicht. 6 6
Siehe: V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.21, S.29 ff und W.D. Smith, "The Function of Commercial Centers in the Modernization of European Capitalism: Amsterdam as an Information Exchange in the Seventeenth Century", in: JEH 44 (1984), S.985-1006. Vgl. auch: D. Grote/J. Hoock/W. Starke, "Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns 1470-1820. Bibliographie und Analyse des Wandels einer literarischen Gattung", in: TvG 103(1990), S.279-307; A. Smith, The Newspapers: An International History, London 1979, S. 17-45; W.P. van Stockum, The First Newspaper of England Printed in Holland 1620-1621, Den Haag 1914.
3. Amsterdamer Geschäftspartner: Guillelmo Bartolotti
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Zeitweise war Bartolotti mit dem Handelshaus Calandrini assoziiert. 67 Neben Elias Trip gehörte Filippo Calandrini als großer Mittelmeerbefrachter dem "Direktorium für den Levantehandel und die Mittelmeerschiffahrt" an, das 1624 gegründet wurde. 68 Als wichtigstes nordniederländisches Handelshaus in Venedig waren die Calandrini seit 1619 maßgeblich an der Vermittlung von Subsidienzahlungen im Rahmen der holländisch-venezianischen Allianz beteiligt. 69 Auch die Soldatenwerbungen und Rüstungsgeschäfte Louis 67
J.G. Van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.64, S.84. Wie Bartolotti waren die Calandrini und ihre Luccheser Landsleute Burlamachi und Diodati protestantischer Konfession und deshalb dazu gezwungen, ihre Heimatstädte zu verlassen. Es bestehen Hinweise darauf, daß sich die Calandrini und Bartolotti bereits aus Hamburg näher kannten. Jan Calandrini hielt sich 1593 in Hamburg auf. Van Dillen geht von einer nur kurzen Geschäftsverbindung beider Familien aus und bezieht sich dabei auf das Bestehen einer gemeinsamen Firma, die seit der Ankunft beider Geschäftsleute in Amsterdam (1607/08) bis 1612 Bestand hatte. Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, arbeiteten die Calandrini und die Bartolotti weit über diesen Zeitpunkt hinaus bei verschiedenen Gelegenheiten eng zusammen. 68 Zum "Direktorium des Levantehandels und der Mittelmeerschiffahrt", das sicherlich in ursächlichem Zusammenhang mit den zunehmenden Handelsschwierigkeiten der Holländer durch die spanischen Sanktionen und die Gefahren der Seeräuberei ins Leben gerufenen wurde und dem neben Elias Trip und Filippo Calandrini, Hildebrandt den Ottern, Albert Schuyt, Geriti Hudde, Marcus de Vogelaer und Jan Blicker angehörten, siehe: H. Wätjen, Niederländer, S.174 ff; K. Heeringa, Bronnen, S.505 f, S.837 ff; P.W. Klein, De Trippen, S.314 ff; A.H. de Groot, "The Organisation of Western European Trade in the Levant, 1500-1800", in: L. Blussé/F. Gaastra (Hrsg.), Companies and Trade. Essays on Trading Companies during the Ancien Régime, Leiden 1981, S.231-244, S.234 f. 69 Das Konsortium der drei Familien Calandrini/Latfeur/Van der Meulen war laut Berichten des holländischen Gesandten im Haag, Christoffero van Suriano, nach dem Bankrott Quingettis das wichtigste holländische Handelshaus in Venedig. Siehe: J.G. Van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.84 ff; K. Heeringa, Bronnen, S.76, S. 117, S.503, S.803, S.969, S.987; G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.468, S.517, S.535, S.585, S.615, S.617, S.650 f, S.716, S.764, S.793; P.H. Winkelman, Bronnen, Bd.V, S.318 f, S.388, Bd.VI, S.197 f, S.246, S.181 f, S.284 f, S.289 f, S.301 f, S.342 f, S.389, S.402, S.410. Die Calandrini waren ebenfalls in Genfund in Nürnberg ansässig. Siehe: G. Seibold, Italienische Kaufleute, S.189 und L. Bauer, Italienische Kaufleute, S.10. Die van der Meulen waren auch mit den della Faille und den Bremer de Velaer (25 Frachtverträge in der Italienfahrt) verschwägert. Siehe: J.G. Van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.69. Zu den Geschäftskontakten der van der Meulen siehe: J.-G. Da Silva, Trafics du Nord, S. 133-137 und die graphische Darstellung in: Ders., Capitaux et marchandises, S.288.
154
V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
de Geers, Elias Trips und Jasper Quingettis im Auftrage Venedigs anläßlich des Uskokenkrieges (1616/1617) standen im Zusammenhang mit den freundschaftlichen Beziehungen beider Staaten seit 1609. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war Venedig nicht nur als Getreidemarkt und Ausgangspunkt für den Levantehandel interessant, sondern kam - wie die anderen norditalienischen Kleinstaaten - zunehmend als Großabnehmer für Kriegsgüter in Betracht. 70 Das Handelshaus Hureau lieferte bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts Rüstungsgüter, vor allem Schießpulver, nach Venedig. 71 Für das Jahr 1630 ist ein weiteres großes Rüstungsgeschäft im Auftrag Venedigs dokumentiert. Wie 1616/17 handelte es sich um die Verschiffung von deutschen Söldnern samt Ausrüstung. Für den finanziellen Teil übernahmen Filippo Calandrini und Guillelmo Bartolotti die Verantwortung. Samuel Sautijn sorgte für die Schiffe. 72 70
Zum Zustandekommen der niederländisch-venezianischen Union siehe: H. Wätjen, Niederländer, S.92 ff. Zur Vermittlungstätigkeit Calandrinis siehe: J.G. Van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.85 f. Zum Krieg Venedigs gegen die Uskoken (dalmatische Seeräuber) und deren "Beschützer", Ferdinand von der Steiermark, siehe: A. Tenenti, Venezia e i corsari, 1580-1615, Bari 1961 und G.E. Rothenberg, "Venice and the Uskoks of Senj: 15171618", in: JMH 33(1961), S. 148-156. Zum Rüstungsgeschäft von 1616/1617, bei dem Louis de Geer und Elias Trip noch vor dem Zustandekommen ihrer offiziellen Geschäftsverbindung maßgeblich beteiligt waren, siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.283 ff. Vgl. zu diesem (der Forschung bestens bekannten) Rüstungsgeschäft auch: H. Wätjen, Niederländer, S.94 ff, S.121 (zur detaillierten Kenntnis der niederländischen Kaufleute über die bestehende große Nachfrage nach Kriegsmaterial auf dem Venezianer Markt neben Zerealien und Fischen) sowie J.G. van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.65 f. Bartolotti schienen die konkreten Einzelheiten dieses Geschäftes bestens bekannt gewesen zu sein, falls er nicht sogar in irgendeiner Weise (denkbar wären Verbindungen über die Trip oder die Calandrini) an den Lieferungen beteiligt war. 71 Siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.VIII f, S.274, S.452, S.590 f, S.688, S.702, S.719, S.756 f. Für diese dokumentierten Rüstungslieferungen (1610-1620) zeichneten in Venedig Martin Hureau, Alvise Duboys, die Brüder Vandenput und Pietro Vooght verantwortlich. Elias Trip und Louis de Geer partizipierten an den Transaktionen. Zu den Beziehungen der Hureau/Duboys zu den Calandrini/Latfeur/van der Meulen siehe: Ebenda S.650 f. Außerdem erhielt Venedig in den 20er Jahren Schießpulver durch die (aus Deutschland stammenden) Amsterdamer Kaufleute Jost und Abraham van Beck sowie Caspar van Collen. Siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.197. 72 P.J. Blok, Relazioni veneziane, S.258 (Informationen enthalten im Bericht des Vincenzo Gussoni aus dem Jahre 1635).
3. Amsterdamer Geschäftspartner: Guillelmo Bartolotti
155
Die Geschäftskontakte der Firma Calandrini erstreckten sich nicht nur nach Venedig. Ein zweiter Schwerpunkt ihrer Handelsaktivitäten lag in England. Filippo Calandrini war mit Filippo Burlamachi verschwägert, der 1613-1633 als Schatzmeister und Bankier der englischen Krone fungierte. 73 Calandrini verfügte somit über exzellente Verbindungen, die er 1627/28 zu nutzen versuchte, um die monopolartige Position Elias Trips auf dem englischen Geschützmarkt zu umgehen und die Ausfuhr englischer Ware in Eigenregie zu managen. Der Versuch schlug fehl, so daß Calandrini dazu gezwungen war, sich in Amsterdam einen Geschäftspartner zu suchen, den er im jungen Guillelmo Bartolotti fand. Am Ende des verwickelten Geschäftsverlaufes gelangten die englischen Geschütze über Pieter Trip und die mit ihm verschwägerten Jan van der Straaten und Samuel Sautijn schließlich doch unter Tripsche Verfügungsgewalt.74 Die Verbindung des Handelshauses Bartolotti zu den Kaufmannskreisen, die in das Rüstungsimperium des Elias Trip und Louis de Geer eingebunden waren, trat hierbei offen zu Tage. Der Betätigung Bartolottis im Militärgüterhandel wurde von der Forschung bislang nicht der Stellenwert beigemessen, den sie effektiv besaß.75 P.W. Klein vermutet angesichts der Vorgänge um das englische Kanonengeschäft des jungen Bartolotti eine gewisse Unerfahrenheit dieses Kaufmanns auf dem Rüstungssektor. Sowohl die von P.W. Klein nachgewiesene Beteiligung der Bartolotti am Handelsimperium der Trip als auch die eigenständigen Aktivitäten Bartolottis auf dem Militärgüter- und Schiffsausrüstungsmarkt in den 20er Jahren sprechen eigentlich gegen eine solche Interpretation.76 73
Zum Handelshaus Burlamachi siehe: J.G. van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.87 ff; V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.106 f; A.V. Judges, "Philip Burlamachi: A Financier of the Thirty Years' War", in: Economica 6(1926), S.285-300. 74 Zum englischen Geschützexport in die Niederlande siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.215 ff. Filippo Calandrini war 1619 neben Louis de Geer, Jacob Blicker und Lambert van Tweenhuizen an den Rüstungslieferungen für Friedrich von der Pfalz maßgeblich beteiligt. Ebenda S.197 f. Zu den Van der Straaten und Samuel Sautijn siehe: J. Elias, Vroedshap, S.549 ff, S.573 ff. 75 N.H. Schneeloch, Kapitalengagement, S.171, spricht u.a. von der Einschaltung der Bartolotti in den Kanonenhandel, ohne dieser Tatsache jedoch großes Gewicht beizumessen oder gar eine Quelle anzugeben. Er bezieht sich wahrscheinlich auf das englische Geschützgeschäft von 1627/28. 76 Vgl. die Ausführungen von P.W. Klein, De Trippen, S.197, S.216, S.236 f. In Zusammenarbeit mit Jan Küsten rüstete Bartolotti die französische Flotte aus und verschiffte Waffen in die Toskana, nach Savoy en und Venedig. Die diesbezügliche Erwähnung ist leider ohne genaue Quellen- und Jahresangabe, bezieht sich aber eindeutig auf die 20er Jahre.
156
V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Die früheste Erwähnung geschäftlicher Beziehungen zwischen Guillelmo Bartolotti und Elias Trip datiert auf das Jahr 1625, als eines ihrer Schiffe, "De groote Orangienboom", von der Republik Genua zum Kriegsdienst gezwungen wurde. Reeder waren Elias Trip und Guillelmo Bartolotti. 77 Die bei weitem wichtigste Zusammenarbeit zwischen Bartolotti und Trip bestand auf dem Gebiet des internationalen Salpeterhandels. Wie bereits ausgeführt wurde, partizipierte Bartolotti neben Louis de Geer, Jost Willelmsz Niekerck, 78 Geritt Hudde und Cornells Martensz am 18. April 1626 an dem von Elias Trip aufgekauften VOC-Salpeter. Auch am Gesellschaftsvertrag, der die Danziger Salpeterlieferungen zum Gegenstand hatte, war Bartolotti beteiligt. Beide Handelsabschlüsse betrafen zwei maßgebliche Hauptzufuhrquel77
K. Heeringa, Bronnen, S.118 f. Vgl. hierzu auch: P.W. Klein, De Trippen, S.308. Es ist ungewiß, ob es sich bei der Ladung dieses Schiffes um diejenigen Kriegsgüter handelte, die Bartolotti just zu dieser Zeit in die Toskana und nach Savoyen(!) verschickte. Siehe auch den Brief Hendrick Muilmans (holländischer Konsul zu Genua) an die Stadt vom 3. Januar 1626, in dem er die Interessen Bartolottis und Trips vertrat, in: A.S.G. Archivio Segreto Nr. 2788 (Lettere Principi Olanda). Inwieweit Trip und Bartolotti darüber hinaus im Mittelmeerhandel zusammenarbeiteten, ist leider nicht bekannt. Im Mittelmeerhandel sind die Trip seit 1619 nachweisbar. Wie nicht zuletzt das Engagement Elias Trips im "Direktorium der Mittelmeerfahrt und des Levantehandels" nahelegt, handelte es sich dabei um einen nicht zu vernachlässigenden Teil seiner unternehmerischen Tätigkeit. Siehe hierzu: P.W. Klein, De Trippen, S.283 ff, S.304 ff und K. Heeringa, Bronnen, S.504, S.802 f, S.986. 78 Niekerck gehörte zu den versiertesten Experten für den Osteuropahandel. Ebenso wie Isaac Massa war er (insbesondere im Zusammenhang mit der kritischen Situation im Danzighandel) seit den 20er Jahren mit holländischen Monopolplänen für den Rußlandhandel über Archangelsk befaßt. 1630 verfaßte Niekerck zu diesem Problemkomplex eine Flugschrift, die in der historischen Forschung allgemein Beachtung fand. Siehe: E. Amburger, Familie Marseiis, S.71 ff; H. Kellenbenz, Archangel Route, S.552 ff; M. Hroch, Handelskrise, S.90 ff; M. Bogucka, Baltic Trade, S.9, S.15. Im Rußlandgeschäft hielten die Trip enge Beziehungen zu Niekerck, Gommer Spranger und Hendrick van Ringen. Niekerck war darüber hinaus in den Mittelmeerhandel eingeschaltet. Siehe: K. Heeringa, Bronnen, S.504 (zum Aleppohandel). Gommer Spranger war (wie Bartolotti und die Coyman) im Brasilienhandel besonders engagiert. Siehe: H. Kellenbenz, "Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Amsterdam und Brasilien in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", in: VSWG 55(1969), S.449463, S.459. Zu den Coyman, die mit den Balbi in Geschäftsverbindungen standen und 1645 mit 4.000.000 fl das höchste Umsatzkonto bei der Amsterdamer Wisselbank aufzuweisen hatten, siehe: J.E. Elias, Vroedschap, S.762 und V. Barbour, Capitalism in Amsterdam, S.46, S.110, S.133, S.136.
3. Amsterdamer Geschäftspartner: Guillelmo Bartolotti
157
len für Salpeter, so daß das zu diesem Zweck gegründete Handelskonsortium über die totale Kontrolle des internationalen Schießpulvermarktes Amsterdam verfügen konnte. Es handelte sich hierbei um einen regelrechten Monopolversuch, der angesichts der angespannten internationalen Lage, des großen Schießpulverbedarfs und der voraussichtlichen Sperrung des Danziger Rohstoffmarktes von überaus hoher Bedeutung war und nicht ohne Auswirkung auf die Preisentwicklung für Salpeter blieb.79 Bartolotti kam dabei anscheinend die Funktion des internationalen Hauptanbieters für Explosivstoffe zu. 80 Die Tatsache, daß 1629 ein ähnlicher Monopolversuch für Danziger Salpeter unternommen wurde, zeigt, daß Bartolotti bei diesen einträglichen Spekulationen über längere Zeit maßgeblich beteiligt war. 81 Die Monopolversuche der kapitalkräftigen Unternehmerkreise um Elias Trip beschränkten sich nicht nur auf den Militärgüterhandel im engeren Sinne. Parallele Versuche wurden u.a. auf dem Kupfermarkt unternommen, der sich auf Grund ähnlicher Angebots- und Nachfragestrukturen ebenfalls für Spekulationen eignete. Analog der Entwicklung auf dem Salpetermarkt sollten die Lieferungen aus Übersee als Marktkorrektiv zeitweise eine gewisse Rolle spielen.82 Eine größere Beteiligung des Handelshauses Bartolotti auf dem Kupfersektor ist trotz der engen Beziehungen zu den Trip bis jetzt nicht eindeutig zu belegen, obwohl Hinweise auf eine derartige Betätigung durchaus vorhanden sind.83 79
P.W. Klein führt für den Erfolg dieses Monopolversuches die Klagen des französischen Gesandten vom Herbst 1626 an, der berichtete, daß der Salpeterpreis ohne ersichtlichen Grund um 10% gestiegen sei. Noch aussagekräftiger ist in diesem Zusammenhang die Information Hans de Hertoghes aus Hamburg, der im Frühjahr 1626 nach Genua schrieb, daß Explosivstoffe in Amsterdam einzig und allein bei Bartolotti verfügbar seien und die mit ihm zusammenarbeitenden Kräfte den Salpeterpreis (künstlich) auf 60-69 fl zu halten trachteten. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 24. Mai 1626. 80 P.W. Klein, De Trippen, S.236. Der Verkauf sollte angeblich über Elias Trip und Jost Wilemsz Niekerck laufen. Wie aus den Genueser Quellen hervorging, fungierte in den 20er Jahren Guillelmo Bartolotti als der zentrale Salpeteranbieter. 81 Siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.237. Der Vertrag lief zwischen Elias Trip, Jost Willems Niekerck und Guillelmo Bartolotti, wobei Trip diesmal über 2/5 der Kapitalanteile verfügte. 82 Siehe: H. Kellenbenz, Kupferproduktion, S.343 ff und K. Glamann, "Japanese Copper on European Market in the 17th Century", in: Ebenda, S.280-289. 83 Zu den Monopolversuchen im Amsterdamer Kupferhandel siehe: K. Kumlien, Kupfererzeugung, S.253 ff und J. Kretzschmar, Schwedische Handelskompagnien, S.235 f. Aus Tripscher Perspektive siehe: J.G. Van Dillen, Aandeelhoudersregister, S.65 und P.W. Klein, De Trippen, S.327-417.
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Im Jahre 1628 nahm Bartolotti an der von Trip gegründeten Gesellschaft zum Handel mit russischem Getreide über Archangelsk teil. 84 Dieser Monopolversuch stand in engem Zusammenhang mit den bereits dargestellten militärischen Auseinandersetzungen im Baltikum und den daraus resultierenden handelspolitischen Schwierigkeiten, die wiederum die Versuche der internationalen Kaufmannschaft zur Substitution des Danziger Rohstoffmarktes nach sich zogen. Die Intensivierung des holländischen und Hamburger Rußlandhandels seit 1627 war die Folge.85 Die Teilnahme Bartolottis an der Tripschen Handelsgesellschaft für russisches Getreide, die mit den Handelsinteressen dieses Kaufmannes in Rußland seit Anfang des 17. Jahrhunderts im Einklang stand und darüber hinaus als deutliche Paralelle zum Monopolversuch auf dem Salpetersektor zu werten ist, verweist wiederum auf die hauptsächlichen Geschäftsinteressen Bartolottis, deren Kernstück offenbar die osteuropäischen Märkte darstellten. Bartolottis Kundschaft für Produkte dieser Provenienz saß vorrangig in Italien. Bedenkt man allein den gemeinsamen Herkunftsort dieser Waren, so ist die auf den ersten Blick befremdlich anmutende Kombination aus internationalem Getreide- und Salpeterhandel, die offenbar auch die Geschäftsaktivitäten Bartolottis charakterisierte, nicht verwunderlich. Getreide und Salpeter standen nicht nur hinsichtlich der gemeinsamen Hauptbezugsquelle Danzig in enger Beziehung. Darüber hinaus handelte es sich sowohl beim Getreide- als auch beim Munitionsmarkt um Bereiche, die eng an die Bedürfnisse und Kompetenzen des frühmodernen Staates geknüpft waren. Neben den Ursachen im Konsumbedürfnis der Zivilbevölkerung war die Lebensmittelversorgung der Armeen in Kriegszeiten eines der Zentralprobleme des militärischen Nachschubsystems. Die enge strukturelle Verknüpfung zwischen Getreide- und Rüstungshandel ist gerade für diese Zeit durchaus als typisch anzusehen.86
84
Ebenda, S. 153 ff. Zur Zunahme der Rüstungsexporte nach Rußland und zum Export von Getreide und Salpeter aus Archangelsk siehe die Auflistungen verschiedener Geschäfte in: E. Amburger, Familie Marselis, S.95 fund P.W. Klein, De Trippen S.229 f. 86 Vgl.: B.R. Kroener, Rechtsstellung und Profite, S.457 ff; F.C. Spooner, Mantuan Succession, S. 193; C. Tilly, "Food Supply and Public Order in Modern Europe", in: Ders., Formation of National State, S.380-455. Zu einer (allerdings anders gearteten) indirekten Verknüpfung der äußerst günstigen Getreidekonjunktur der 90er Jahre des 16. Jahrhunderts mit dem Finanzbedarf des spanischen Militärs in Flandern (über die Spekulationen und die Konjunkturbewegung auf dem Antwerpener Geldmarkt) siehe: V. Vazquez de Prada, Uomini d'affari, S.264 f. 85
4. Amsterdamer Kriegsgtrmarkt
159
4. Der Amsterdamer Kriegsgütermarkt in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts und die Handelsusancen im Rüstungsgeschäft anhand der Korrespondenz Bartolottis Auf der Basis von Einzelinformationen, die sich in der Sekundärliteratur zum Handelshaus Bartolotti finden, läßt sich ein ungefähres Bild der Geschäftsaktivitäten dieses holländischen Großunternehmens zeichnen. Die Quellen zum Schießpulvergeschäft Bartolottis mit der Republik Genua haben dieses Bild voll und ganz bestätigt und darüber hinaus um wertvolle Angaben bereichert, die sich vor allem auf die Marktsituation für Salpeter im Zusammenhang mit dem Monopol versuch vom April 1626 beziehen. Am konkreten Einzelbeispiel kann außerdem das kaufmännische Know-how, das für die erfolgreiche Durchführung eines Militärgütergeschäftes notwendig war, beleuchtet und die strukturellen Beziehungen zu anderen Handelsbereichen aufgezeigt werden. Der Zugang zum Genueser Salpetergeschäft ergab sich für Guillelmo Bartolotti in mehrfacher Hinsicht aus seinen Aktivitäten im Getreidehandel. Wie aus der Geschäftskorrespondenz hervorgeht, stand Bartolotti mit den Balbi bis zur Schießpulverbestellung im Oktober 1625 lediglich über umfangreiche Zerealienlieferungen in Kontakt. Die Balbi hatten vermutlich im Zusammenhang mit den schlechten Ernten des Jahres 1621 Getreide bei Bartolotti geordert und operierten offensichtlich im Auftrag der Republik Genua. Auch im Herzogtum Toskana war Bartolotti nach eigenen Angaben als Getreidehändler in Erscheinung getreten. Wie Bartolotti weiterhin an die Balbi schrieb, hatte er wenige Monate vor dem Genueser Geschäftsabschluß im Auftrag des Großherzogs beträchtliche Schießpulvermengen, die die Genueser Bestellmengen übertrafen, gekauft und verschifft. 87 Um auch die Republik Genua zu ihrer 87
A.S.G. Camera del Governo Nr. 768 (Munitioni). Auftragsschreiben der Balbi an Bartolotti vom 18. Oktober 1625. Der Zeitpunkt der Geschäftskontakte kann aus dem Brief nicht ermittelt werden. Die Balbi sprechen lediglich von "in den vergangenen Jahren". Im Kopialbuch der "offiziellen" Genueser Außenhandelsbeziehungen über das Handelshaus Raynoldt, das leider nur für die Jahre 1619/1620 erhalten ist, tauchen Guillelmo Bartolotti und die Balbi zweimal in Bezug auf Getreidegeschäfte auf. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1401 (Corrispondenza Estera). Zu Getreidelieferungen Bartolottis an Genua im Jahre 1622 siehe: K. Heeringa, Bronnen, S. 117. Zu den schlechten Ernten des Jahres 1621, die die holländischen Lieferungen erforderlich machten, siehe: G. Giachero, Il Seicento, S.287. Ein Protestschreiben der Generalstaaten an die Republik Genua im Jahre 1623, das die Geschäftsinteressen anderer Amsterdamer Getreidehändler zum Gegenstand hatte, erwähnt die momentan schlechte Marktlage für Zerealien in Genua. K. Heeringa, Bronnen, S.117 f.
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
vollsten Zufriedenheit zu bedienen, zog Bartolotti seine einflußreichen Amsterdamer Geschäftsfreunde hinzu, die er allerdings diskret nicht beim Namen nannte: "... indem ich mich Personen bedienen werde, die mit diesem Geschäft vertraut sind ... und dann werde ich diese Freunde und Mittel hierzu heranziehen, die mir nützlich scheinen können ..." 8 8 Die genauen Beweggründe der Balbi, sich an Bartolotti zu wenden, gehen aus den Quellen leider nicht hervor. War allein die Tatsache, daß man sowieso mit Bartolotti in Geschäftskontakt stand und es sich darüber hinaus um einen der erfahrensten und größten Mittelmeerbefrachter mit potentiellem Zugang zum umfangreichen Amsterdamer Warenkaufhaus handelte, für das Genueser Ersuchen ausschlaggebend? Wandte man sich deshalb an ihn, weil man Kenntnis vom erfolgreichen Geschäftsabschluß mit den Medici hatte, oder war Bartolotti darüber hinaus auf dem Rüstungssektor zu diesem Zeitpunkt sogar einschlägig bekannt?89 Die aus seinen Briefen hervorgehende Kenntnis des Amsterdamer Salpetermarktes in Bezug auf die Preisbewegungen und die geltenden Zollbestimmungen (einschließlich ihrer Umgehungsmöglichkeiten) sowie sein Sachverstand um die bestmögliche Verschiffungsart dieser besonders gefährdeten Warenkategorie zeigen, daß Bartolotti mit den Gepflogenheiten auf dem Salpetermarkt bestens vertraut war. Die Teilnahme Bartolottis am 88
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief vom 18. November 1625: "... con addoperarmi persone intendente di tal professione ... et puoi vi addoperaro questi amici et mezzi, che mi pareranno puoter giovare ..." Zur Erwähnung des toskanischen Geschäftsabschlusses, ebenda. Es stellt sich die Frage, ob beide Geschäftsabschlüsse mit den von P.W. Klein, De Trippen, S.197, erwähnten, aber nicht näher identifizierten Schießpulverlieferungen Bartolottis in den 20er Jahren identisch sind. Logischerweise wurden die Lieferungen nach Savoyen von Bartolotti nicht erwähnt. 89 Man bedenke, daß bereits seit 1610 Militärgütergeschäfte zwischen den Niederlanden und Venedig getätigt wurden. Die ersten (belegbaren) Kontakte zwischen Trip und Bartolotti im mediterranen Rüstungshandel datieren auf die Mitte der 20er Jahre. Die Ausfuhr von Kriegsgütern durch Trip und Bartolotti in die Toskana und nach Savoyen fällt zeitlich in das Frühjahr 1625. Eine diesbezügliche schriftliche Eingabe Hendrick Muilmans, Konsul der holländischen Kaufleute in Genua, datiert auf den 3. Januar 1626. Siehe hierzu: K. Heeringa, Bronnen, S.118 sowie den Quellenbeleg in: A.S.G. Archivio Segreto Nr.2788 (Lettere Principi Olanda). Alle bisher verfügbaren Dokumente weisen auf einen ersten Kulminationspunkt des holländischen Rüstungshandels nach Italien um die Mitte der 20er Jahre hin. Zur Vorlaufphase des italienischen Rüstungsbooms 1610-1620 (am Beispiel Venedigs) siehe: G. Devos/W. Brulez, Marchands flamands, S.274, S.452, S.590 f, S.688, S.702, S.719, S.756 f.
4. Amsterdamer Kriegsgtrmarkt
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ersten Monopol versuch für Amsterdamer Salpeter im April 1626, also sechs Monate nach Abschluß des Genueser Geschäftes, läßt vermuten, daß Bartolotti nicht erst seit diesem Zeitpunkt maßgeblich in den internationalen Rüstungshandel involviert war. Aus Hamburg unterrichtete Hans de Hertoghe seinen Genueser Geschäftspartner im Zusammenhang mit der allgemeinen Salpeterknappheit auf den internationalen Märkten im Frühjahr 1626 über die Tatsache, daß militärische Explosivstoffe in Amsterdam einzig und allein über Guillelmo Bartolotti verfügbar seien!90 Außerdem machte Bartolotti den Balbi bereits im Oktober 1625 in Eigeninitiative ein umfangreiches Angebot zur Beschaffung weiterer Rüstungsgüter, an dem die Republik Genua jedoch kein Interesse zeigte. 91 Vielleicht stieg er angesichts der hohen Nachfrage lediglich 90
Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 24. Mai 1626. Die Teilnahme Bartolottis an den Monopolbestrebungen der Trip muß im Licht dieser Quelle eine erheblich größere Gewichtung erfahren. 91 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni). Das am 18. November 1625 von Bartolotti nach Genua gesandte Angebot bestand aus einer Liste von Kriegsgütern, über deren Herkunft Bartolotti leider keine Auskunft gab. Anzubieten hatte er im einzelnen: - Musketen von mittlerer Qualität, von derselben Sorte, wie sie Venedig vor Jahren in Holland bestellt hatte (!), das Stück zu: (Musketen kosten in Holland zur Zeit 7-10 fl. Das holländische Heer wird mit der besseren Qualität zu 9-10 fl ausgerüstet.) - Arkebusen für die Reiterei, das Stück zu: - Pistolen für die Reiterei, das Stück zu: - Einfache Piken, das Stück zu: - Piken von gehobener Qualität zu: - Brustpanzer mit Schoß und Haube für Pikonieri pro Stück zu: - Ähnlicher Brustpanzer, ohne Schoß und Haube, einfache Ausführung zu: - Polierter Harnisch von gehobener Qualität pro Stück: - Eine Rüstung in Luxusanfertigung mit allem Zubehör zu: - Harnisch für die leichte Reiterei mit Helm nach ungarischer Art zu: - Halbrüstung für Arkebusier mit Helm und Nasenschutz, poliert, gute Qualität zu: - Lunten für Musketen von bester Qualität, der Zentner zu: - Lunten von niedrigerer Qualität, der Zentner zu:
8 fl
13-14 fl 20-22 fl 1 fl 5 pn 2 fl 2 pn 8 fl 5 fl 10 fl 10 pn 45 fl 12 fl 20 fl 7 fl 5 st 6 fl 5 st
Bartolotti fügte noch hinzu, daß die aufgeführten Preise natürlich nur mit Vorbehalt Gültigkeit besaßen. Falls man eine eilige Bestellung aufzugeben hätte oder sich 11 Zunckel
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
1625 groß ins Militärgütergeschäft ein. Sowohl die Verfügungsmöglichkeit Bartolottis über konsistente Schießpulvermengen im Jahre 1625 als auch die Disponibilität einer großen Spanne von Gütern des militärischen Bedarfes zeigen jedenfalls, in welch großem Ausmaß Bartolotti die günstige Rüstungskonjunktur seines Hauptabsatzmarktes, der italienischen Kleinstaaten, Mitte der 20er Jahre zu nutzen verstand. 92 Wie seine Geschäftskorrespondenz mit den Balbi zeigt, blieb der Getreidehandel daneben offenbar ein zentraler Geschäftszweig der nach Genua gerichteten Aktivität dieses Handelshauses.93 Bemerkenswert ist die Tatsache, daß sich die Republik Genua über die Balbi direkt an die Amsterdamer Bezugsquelle wandte und sich nicht der Vermittlung von holländischen Handelshäusern, die in Genua ansässig waren, bedie Nachfrage verstärken sollte, wäre mit einem Aufpreis von 20-25% zu rechnen. Mit spezieller Ausfuhrlizenz betrug der Zoll für diese Waren um 8%, ohne Ausfuhrlizenz (!) müßte man mit einem Aufpreis von 10% rechnen. Wie die dem Brief beiliegenden Berechungen auf einem gesonderten Blatt zeigen, wurde das Angebot Bartolottis durchaus in Betracht gezogen. Besonders war man in Genua an Lunten interessiert. Diese Ware wurde dann aber in Hamburg bestellt. Angesichts der Tatsache, daß über den Amsterdamer Rüstungshandel in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bislang nur spärliche numerische Angaben in Bezug auf Mengen und Preise zu machen sind, geben die Informationen Bartolottis einen kleinen Einblick über das verfügbare Sortiment. 92 Eine ähnliche Situation ergab sich möglicherweise für Geritt Hudde, der ebenfalls am Amsterdamer Monopolversuch beteiligt war und gleichzeitig in den 20er Jahren als großer Getreidehändler im Italiengeschäft hervortrat. Allerdings lassen sich Schießpulvergeschäfte Huddes mit Italien nicht dokumentieren. Zu seiner Handelstätigkeit im Mittelmeerraum siehe: K. Heeringa, Bronnen, S.93 ff. 93 Der Korrespondenz zum Rüstungsgeschäft fügte Bartolotti stets genaue Informationen über die Preisbewegung auf dem Markt für schiffbares Getreide bei. Damit entsprach Bartolotti sicherlich dem Informationsbedürfnis seiner Genueser Kundschaft. Hieraus ist jedoch nicht automatisch abzuleiten, daß es sich beim Getreidehandel um die Hauptaktivität Bartolottis handelte. Nach Angaben Bartolottis von Ende November 1625 kostete Weizen 140-150 fl pro Last, Roggen 118-125 fl und Bohnen um die 19.20 Pfund fläm. Das Preisniveau wurde von Bartolotti als mittelmäßig eingeschätzt, da wenig Nachfrage bestand und Lieferungen aus Frankreich und Polen erwartet wurden. Die Frachtgebühr belief sich auf 10 Duk. pro Last. Von Dezember 1625 bis Januar 1626 blieb das Preisniveau für Bohnen und Weizen relativ stabil, die besten Weizensorten kosteten allerdings um die 170 fl pro Last. Da am 27. November Schiffe aus Danzig eingetroffen waren, fiel der Roggenpreis im Dezember auf 1 ΙΟΙ 00 fl, so daß Bartolotti den Zeitpunkt für etwaige Bestellungen der Balbi als günstig erachtete. Die Frachtpreise zogen seit Januar 1626 etwas an. Für den Transport nach Livorno mußten durchschnittlich 10-12 Duk. (pro Last) veranschlagt werden.
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diente. 94 Für das internationale Geschäftsnetz Bartolottis impliziert dies gleichzeitig, daß er in den 20er Jahren weder über stabile Handelskontakte zu Landsleuten in der Mittelmeerstadt verfügte, noch derer bedurfte. Im Gegensatz zu den deutschen Handelshäusern wiesen die in der Mittelmeerstadt präsenten niederländischen Handelshäuser Anfang des 17. Jahrhunderts nur geringe Handelsvolumen und stark eingeschränkte Aktionsradien auf. Erst nach 1616 waren mit der Etablierung einer eigenen konsularischen Vertretung durch Niclas Van Ryn und Hendrick Muilman 95 Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die kommerziellen Aktivitäten der holländischen Kolonie in Genua 94
Zu den in Genua tätigen niederländischen Handelshäusern, deren Hauptaktivitäten im Getreidehandel und auf dem Frachtdienstesektor lagen, gehörten seit den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts Johann Buchentorp, Johann de Man, Hendrick Muilman, Wilhelm Staes, Pieter Overlander, Niclas Hudde, Willem Willemzsen, Pieter Lyntgens, Abraham Tongerlo (alle aus Amsterdam) sowie A. Lancelotto, M. Stalyart und Tomaso Van der Straaten, die alle ursprünglich aus Antwerpen stammten. Buchentorp fungierte als Agent des Handelshauses della Faille. Die van der Straaten zählten zu den großen Getreidehändlern und standen mit dem Genueser Handelshaus der Sedevolpe in Geschäftsbeziehungen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren die van der Straaten die bedeutensten holländischen Kaufleute Livornos. Siehe: E. Grendi, Nordici, S.45 ff und E.O. G. Haitsma Mulier, Genova, S.434 f. Zur (überwiegend von Danzig) nach Genua/Livorno gerichteten Frachtfahrt holländischer Kaufleute (1609-1615) siehe die Dokumente (38 Quellenbelege) in: P.H. Winkelman, Bronnen, Bd.V, S.55 f, S.74 f, S.96, S.128-131, S.167 ff, S.188 ff, S.192 ff, S.201-208, S.220 f, S.245 ff, S.251-253, S.258 f, S.261 f, S.272 f, S.281, S.313, S.314-317, S.319 f, S.327 f, S.335 f, S.341 f, S.348, S.466. Beteiligt waren vor allem Salomon Vorknecht (12 Frachtverträge), die Quingetti (9 Verträge), Wessel Schenk (5 Verträge), die Calandrini (2 Verträge), die Baernaerts, die Schuyt, Gerrit Geritsen, J.J. Corver, Jonas Witsen, Johan Kuysten und Bartolomeo Munter. 95
Bereits seit 1492 bestand eine Vertretung der deutschen Handelshäuser in Genua. Um 1600 war Sebastian Koch Vertreter der deutschen, englischen und niederländischen Nation. 1604 übernahm diese Funktion sein Sohn Christoph. 1616 etablierten die Niederländer ihr eigenes Konsulat, das bis 1622 von Van Ryn geführt wurde und bis 1648 von Muilman übernommen wurde, während die Engländer weiterhin von Koch vertreten wurden. Zum deutschen und holländischen Konsulat in Genua sowie den damit in Verbindung stehenden Rückschlüssen auf die Handelskonjunktur dieser Nationen siehe: E. Grendi, Nordici, S.45; E.O.G. Haitsma Mulier, Genova, S.434; H. Wätjen, Niederländer, S.112; L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.188 ff. Vgl. auch: Ders., "Zur Entstehung des deutschen Konsulatswesen im 16. und 17. Jahrhundert", in: VSWG 21(1928), S.438-448 und G. Pagano de Divitiis, "Il Mediterraneo nel XVII secolo: L'espansione commerciale inglese e l'Italia", in: Studi storici 1 (1986), S.109-148; 11*
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
deutliche Aufschwungtendenzen aufwiesen und kontinuierlichere Züge annahmen. 9 6 Lediglich in den 30er Jahren wurde Genua zur stabilen Operationsbasis der großen niederländischen Handelshäuser.97 Bis zu diesem Zeitpunkt waren in erster Linie süddeutsche Handelshäuser in Genua tätig und neben Genueser Kaufleuten für die kommerzielle Anbindung der Gebiete nördlich der Alpen zuständig.98 In Analogie zu den Getreidegeschäften vertraute man in Hinsicht auf den Rüstungsauftrag also noch ganz auf die Nordwesteuropakontakte der Genueser Handels- und Bankhäuser.99 Und dies um so mehr, da 96
1617-1625 weisen die Quellen zum niederländischen Baltikhandel 104 Frachtverträge mit dem Ziel Genua/Livorno aus. Siehe: P.H. Winkelman, Bronnen, Bd.VI. Beteiligt waren: Andries Hendricxen de Beyser (18 Frachtverträge), Daniel Colpijn und Jan Benoyt (18 Verträge), die Latfeur/Calandrini/van der Meulen (13 Verträge), Jan Gerritsen Hooft (13 Verträge), Willem Muilman (7 Verträge), Bartolomeus Munter (5 Verträge), Jan Jansen Corver (4 Verträge), Van der Putte/Pouiellie (4 Verträge), Van Surck (4 Verträge), Gerrit Hudde (3 Verträge), Overlander/Vorknecht (3), Jaques Niquet (2 Verträge), Jonas Witsen (2 Verträge), Reynier Cool/Willem Geritsen Floor, Pieter Bas, P. van Leyden, Adrian Jansen Rijser, F. Boudewijns, Steenwinkel/Velaer. Nach 1621 wurden keine derartigen Frachtverträge abgeschlossen. 97 J.I. Israel, "Dutch Merchant Colonies in the Mediterranean during the Seventeenth Century", in: Renaissance and Modern Studies 30(1986), S.87-108; A. Bicci, "Gli olandesi nel Mediterraneo: Amsterdam e l'Italia (sec.XVII)", in: Centre de recherches neohelleniques. Actes du Ile colloque international d'histoire, Athen 1985, S.39-76. 98 H. Kellenbenz, Germania e Genova, S.480 ff und E. Grendi, Nordici, S.40 ff. Im Jahre 1600 nennt eine Quelle alle in Genua vertretenen deutschen Kaufleute (Furtenbach, Hoser, Hartproner, Croglialanza, Milech, Bruch, Schwab, Papa, Nazal, Feizer, Sidelman, Österreicher). Zu den eng assozierten Handelshäusern der Furtenbach und Raynoldt, die sich vornehmlich holländischer Frachtdienste bedienten und in den 20er Jahren die wichtigsten deutschen Unternehmer in Genua waren, siehe: M.C. Lamberti, Mercanti tedeschi, S.71 ff. 99 Siehe: E. Grendi, Nordici, S.26, S.29 f, S.43. Die Getreidebestellungen durch das "Ufficio d'Abbondanza" liefen hauptsächlich über Handelshäuser, die in Antwerpen über Geschäftsbeziehungen verfügten: 1591 über die Balbi, die Doria/Veluti/ Amati, die Spinola/Cattaneo, die Lomellino und Gerolamo Scorza sowie die Moneglia. Der Transport erfolgte meist auf holländischen Schiffen. Daneben erreichten Getreidekonvois Genua auf Privatinitiative. Seit 1593 wurden Aufträge verstärkt an die (oben zitierten) Niederländer in Kommission gegeben. Seit 1622 fungierten die Maggioli & Lazagna in Antwerpen als offizielle Agenten Genuas. Die Bestellungen in Hamburg wurden in erster Linie von den Vertema sowie den Perez/Calandrini übernommen. Weiterhin verfugte Genua mit Ambrogio Lerici und dann mit Philipp Furtenbach (!) bis in die 20er Jahre des 17. Jahrhunderts über Agenten in Danzig.
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Amsterdam keineswegs zu den traditionellen und bereits konsolidierten Geschäftspartnern Genuas gehörte. Bei der Genueser Schießpulverbestellung von 1000 Zentnern handelte es sich formell um ein reines Kommissionsgeschäft. 100 Trotz des großen Geschäftsrisikos und der hohen Diskretion, die Transaktionen auf dem Rüstungssektor erforderten, verlangte Bartolotti nur 3% des Warenwertes (inklusive der Nebenkosten) als Vergütung seiner Vermittlertätigkeit. Wie er betonte, begab er sich in eine stark exponierte Stellung. Er trat als Militärgüterhändler in Erscheinung, was seiner Geschäftstätigkeit angesichts der Kriegssituation potentiell schaden konnte: "... Für dieses Geschäft von hohem Stellenwert und großen Neides und da man seine Reputation aufs Spiel setzt, hätte man doppelte Provision erheben müssen, man hat sich aber auf drei Prozent beschränkt, so daß Ihr noch mehr Gefallen und Befriedigung haben werdet . . . " 1 0 1 Wie die nach Genua gesandte Generalabrechnung zeigt, erwarb Bartolotti den Salpeter am 6. und 15. Dezember 1625 in zwei Raten von einem der bekanntesten Schießpulverfabrikanten Hollands, Giovanni Janssen van Horn. 1 0 2 100
Ob es sich bei dem in der Rechung angegebenen Einkaufspreis des Schießpulvers wirklich um den effektiven Ankaufpreis handelte, oder inwieweit sich hinter dieser Angabe über die Kommission hinaus eine weitere Gewinnmarge verbarg, ist nicht nachprüfbar. Denn ein Beleg dieses Geschäftsvorganges wurde beim Provisionsgeschäft nicht beigefügt. Außerdem kann gemutmaßt werden, daß Bartolotti bereits an dem nach Amsterdam gelieferten Salpeter Kapitalanteile besessen haben könnte, die seinen Gewinn potentiell vergrößerten. Allerdings ist die Teilnahme Bartolottis an den Monopolstrukturen erst für das folgende Jahr belegt. 101 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief Bartolottis vom 13. Januar 1626: "... Si doveva levare doppia proviggione di questo negotio di maggior soggetto, et gelosia, et doversi esporre alquanto della reputatione, però si è moderato in 3 percento acciò habbino tanto maggior gusto et soddisfatione ..." 102 Giovanni Janssen van Horn (identisch mit Jan van Hoorn) gehörte neben Joost Brasser, Jost Willelmsz Niekerck, Jan Küsten, Adam und Jan Raye, Cornells Martensz und Hans Boor zu den bekanntesten Schießpulverfabrikanten und -exporteuren Hollands. Er stand in enger Verbindung zu den Trip. Siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.197, S.235. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Mitglied der aus Bremen stammenden Familie von Horn. Ein Familienzweig war über Hamburg nach Amsterdam gelangt. Johann von Horn (Sohn des Diderick Horn) lebte zum fraglichen Zeitpunkt in Amsterdam und siedelte 1631 nach Schweden über, wo er die Eisenwerke seines Onkels, Paridom Horns, verwaltete. Paridom Horn war vor 1607 Stockholmer Korrespondent der führenden Hamburger Kupferhändlerfamilie Rodenburg. Siehe: H. Kellenbenz, Spanien, S.318.
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Abgeschlossen wurde zu dem von Genua anvisierten Preis von 50 Gulden pro Zentner, was einer Gesamtsumme von 50.000 Gulden (bzw. 8333.6.8 Pfund fläm.) entsprach. 103 Die in Holland anfallenden Nebenkosten schlugen mit insgesamt 7049 Gulden (1174.18.10 Pfund fläm.), zu ungefähr 14% des Warenwertes zu Buche, wobei ca. 10,5% allein auf den Ausfuhrzoll und die Steuerabgabe entfielen. 104 An Provision errechnete Bartolotti 1711 Gulden (285.4.9 Pfund fläm.). Der Bartolotti zustehende Gesamtbetrag belief sich somit auf 58.758 Gulden (9793.10.3 Pfund fläm.). 1 0 5 Trotz anfänglicher Schwierigkeiten handelspolitischer Art, die durch Intervention bei der Infantin Isabella beseitigt werden konnten, 106 wurde die Hälfte der Tratten, wie geplant, über die Antwerpener Geschäftspartner der Balbi und Bartolotti, die Genuesen Ambrosio Giovo & David Bustanzo, verrechnet. 1 0 7 Die andere Hälfte der Tratten übernahmen die Handelsherren Cosmo dell'Hoste & Geronimo Flangini in Venedig. Die Antwerpener und Venezianer Kaufleute berechneten für ihre Dienste im internationalen Zahlungsver-
103
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni). Die am 13. Januar 1626 nach Genua geschickte Gesamtabrechnung wurde in Pfund fläm. geführt. Auf ein Pfund fläm. (zu 20 Schilling oder 240 Groschen) kamen sechs Gulden. Zur flämischen Rechnungseinheit siehe: J.J. McCusker, Money and Exchange in Europe and America, 1600-1775. A Handbock, London 1978. S.41 ff. 104 Die Nebenkosten setzten sich aus dem Ausfuhrzoll (805.10 Pfund fläm.), der Steuerabgabe (69.8.10 Pfund fläm.), den Verlade- und Wiegegebühren (158.6.8 Pfund fläm.), den Kosten für die Faßbehältnisse (133.6.8 Pfund fläm.), den Beurkundungsgebühren für die (englischen) Pässe (3.6.8 Pfund fläm.) und einem üblichen Handgelt für die Seeleute (insgesamt 5 Pfund fläm.) zusammen. 105 Hinzu kamen noch 1/1000 der Wechselsteuer ("Senzaria") auf die Trattenbewegung "a Venezia", so daß die exakte Summe 9803.6.1 Pfund fläm. betrug. 106 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni). Noch am 18. November 1625 schrieb Bartolotti, daß jeglicher Handelsverkehr zwischen den Niederlanden und den Territorien seiner Majestät verboten sei, weswegen die Tratten ausschließlich über Venedig laufen könnten. Schon im folgenden Brief von Ende November berichtete Bartolotti über die Ausräumung dieser Handelsbarrieren, so daß er auch über Maggioli & Lazagna und über Giovo & Bustanzo in Antwerpen Tratten abwickeln könne. Die ursprünglich geplante Einbeziehung der Maggioli & Lazagna wurde jedoch im folgenden Brief Bartolottis vom 2. Dezember 1625 widerrufen. 107 Ebenda. Laut der Trattenaufstellung, die Bartolotti der Generalabrechnung vom 13. Januar beigelegt hatte, entfielen auf das Handelshaus Giovo & Bustanzo insgesamt ca. 5073 Pfund fläm., die durch die günstigen Wechselrelationen auf insgesamt 5349 Pfund fläm. anstiegen. Demnach wurde über diese Kaufleute etwas mehr als die Hälfte der Zahlungen beglichen.
4. Amsterdamer Kriegsgtrmarkt
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kehr 3% Gebühr. 108 Die Verrechnungsmodalitäten wurde so geschickt gemanagt, daß der Republik Genua am Ende der Operationen unter Ausnutzung der günstigsten Kursbewegungen nach Aussage Bartolottis ein Wechselvorteil von 10% auf den Gulden erwuchs.109 Als weitere Kosten für die Schießpulverlieferung mußten die Provision der Balbi, über die sich in den Unterlagen leider keine Angaben finden, sowie die an die Schiffskapitäne im Zielhafen zu entrichtenden Frachtgebühren von einem Dukaten pro Faß (für 1000 Faß also 1000 Dukaten oder 1375 Piaster, d.h. der Gegenwert von ca. 3000 Gulden) berücksichtigt werden. Die Frachtkosten betrugen demnach lediglich 6% des Einkaufspreises und fielen mit höchstens 5% des Gesamtwertes ins Gewicht.110 Ausgehend vom Ankaufspreis von 50 Gulden auf dem Amsterdamer Schießpulvermarkt kostete die Munition beim Verlassen Hollands ca. 59 Gulden pro Zentner. Inklusive der Frachtkosten kam man in Livorno auf einen nominellen Endpreis von ca. 62 Gulden, der sich aber durch die Wechselvorteile verringerte. Zuzüglich der Provision für die Balbi plus der Verlade- und Versandkosten nach Genua sowie der Einlagerungsaufwendungen wird der effektive Schießpulverpreis bei mindestens 60 Gulden gelegen haben.111 108
Ebenda. 10.430 venezianische Duk. wurden über die Hoste & Flangini entrichtet, die ca. 4553 Pfund fläm. entsprachen. Die Provisionen von 3% sind den Trattenabrechnungen zu entnehmen, die der Generalabrechnung beigelegt waren. 109 Ebenda, Brief Bartolottis vom 23. Dezember 1625. 110 Ebenda, Brief Bartolottis von Ende November 1625. Als weiterer Anreiz wurde den Kapitänen außerdem jeweils ein Mantel versprochen. Die Frachtgebühr wurde wie allgemein üblich in Dukaten (zu 11 spanischen Realen) berechnet und in spanischen Silberrealen (zu Acht), d.h. Piastern, ausgezahlt. Nimmt man den von S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.156, angegebenen Durchschnittskurs von drei Gulden auf einen Dukaten als Rechenbasis, so kommt man für den Piaster auf einen Gegenwert von knapp 44 holländischen Stüvern. Im Vergleich dazu gehen H. Wätjen, Niederländer, S.XVI f und R. Boxer, The Dutch Seaborne Empire, 1600-1800, New York 1966, S.304 f, von einem durchschnittlichen Gegenwert des Realen zu 48 Stüvern aus. (3 fl 6 st) Die oben gemachten Angaben über den Frachtpreis würden sich dementsprechend um 6 st pro Ztr. (insgesamt um 300 fl) erhöhen. 111 Berücksichtigt man den von Bartolotti angegebenen Wechselvorteil auf den Gulden wären von dieser Summe 10% abzurechnen. Allerdings gingen nochmals 3% an die Venezianer und Antwerpener Vermittler. Es ergäbe sich demnach ein effektiver Zentnerpreis von nur 54,5 fl, der zuzüglich der Transportkosten bei ca. 58 Gulden liegen würde. Unter Einbeziehung der (sicherlich zwischen 1% und 3% liegenden) Provision der Balbi sowie der Versicherungsaufwendungen kommt man leicht auf einen (geschätzten) effektiven Endpreis, der mindestens 60 fl betrug.
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Angesichts der geringen Salpetervorräte Amsterdams wurde die Realisierung des Geschäftsabschlusses im November 1625 von Bartolotti als außerordentlich glückliche Fügung bezeichnet112 und unter Kostenaspekten als extrem günstig eingeschätzt. Zum Preisvergleich führte er seine Munitionsgeschäfte mit den Medici an, die im Herbst desselben Jahres zu höheren Kosten durchgeführt wurden. Der Ankaufspreis des Schießpulvers betrug dabei 52 Gulden pro Zentner. Die Frachtrate war mit 1,5 Dukaten pro Faß sogar um 50% teurer. Bei vergleichbaren Nebenkosten käme man auf einen Endpreis der in Livorno gelieferten Ware von ca. 65,5 Gulden. Angesichts der Kriegsgeschehnisse und des sich abzeichnenden Versorgungsengpasses für Salpeter kündigte Bartolotti im November 1625 bevorstehende Preissteigerungen auf dem Amsterdamer Markt a n . 1 1 3 Zwei Hauptgründe waren seiner Auffassung nach hierfür verantwortlich, die ausfallenden Salpeterlieferungen aus Indien und Danzig. Am 18. November 1625 schrieb Bartolotti an die Balbi: "... Man hoffte, daß endlich drei Schiffe aus Ostindien hier angelangt wären, die mit großen Mengen Salpeter beladen waren, was den Preis für Pulver herabgesetzt hätte, aber eines dieser Schiffe ist in Irland angekommen (und) berichtet, die anderen vor dem Kap der Guten Hoffung in starkem Unwetter zurückgelassen zu haben, so 112
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Briefe Bartolottis vom 18. November und von Ende November 1625. Das termingemäße Zustandekommen des Geschäfts wurde von Bartolotti deshalb als glücklicher Umstand bezeichnet, weil nach seinen Angaben die Amsterdamer Admiralität in der Woche zuvor alles verfügbare Pulver für die Ausrüstung ihrer Schiffe aufgekauft hatte. Die in zwei Raten erfolgende Lieferung an Genua erklärte sich ebenfalls aus diesem momentanen Engpaß. Die holländischen Vorräte an Salpeter wurden von Bartolotti zu diesem Zeitpunkt auf nur 150.000 Pfund veranschlagt. Auf Grund der schlechten Quellenlage kann der ungefähre durchschnittliche Warenumschlag (d.h. die Ein- und Ausgänge an Schießpulver und Salpeter) in Amsterdam in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht ermittelt werden. Eine genaue Marktanalyse ist auf diesem Sektor dadurch nicht möglich. Eine Ein- und Ausftihr"Statistik" für Kriegsgerät ist in Holland lediglich für die Jahre 1667/68 erhalten. Die Schießpulverausgänge beliefen sich demnach auf 575.000 Pfund, während an Salpeter 916.000 Pfund exportiert wurden. An Salpetereingängen wurden für dieses Jahr lediglich 59.000 Pfund verzeichnet. Es ist mehr als fraglich, inwieweit diese Daten ein (auch nur ungefähres) Bild der umgeschlagenen Schießpulver- und Salpetermengen in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts entwerfen können. Siehe: P.W. Klein, De Trippen, S.206. 113 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief Bartolottis von Ende November 1625.
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daß man befürchtet, alles Salpeter könnte vom Wasser geschädigt worden sein, und keines dieser Schiffe kann vor dem Frühjahr hier ankommen . . . " 1 1 4 Die große Bedeutung, die Bartolotti dieser Tatsache beimaß, zeigt den hohen Stellenwert, der den indischen Salpeterlieferungen bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, nur wenige Jahre nach der ersten Indienlieferung 1621, als Korrektiv des Amsterdamer Rohstoffmarktes in der ersten rüstungskonjunkturellen Hochphase zukam. 115 . Auch der Ausfall der Danziger Lieferungen mußte sich negativ bemerkbar machen. Am 2. Dezember 1625 schrieb Bartolotti nach Genua: "... und im Geschäft hat man Glück gehabt, da Mangel an Salpeter aufgetreten ist, weil jenes aus Ostindien zurückgeblieben ist, und weil aus Polen nur wenig kommt, wird man jetzt zu jenen Konditionen, zu solchem Preis nichts mehr bekommen, und falls die Kriege überall weitergehen, so daß kein Salpeter mehr ankommt, zweifelt man deshalb, daß diese Preise im Frühjahr günstiger sein werden . . . " 1 1 6 Bereits zu diesem Zeitpunkt war also absehbar, daß auf Grund der angespannten Situation im Baltikum die polnischen Lieferungen für längere Zeit völlig versiegen würden. Als logische Folge dieser Entwicklungen sagte Bartolotti den Balbi für das nächste Jahr konsistente Preissteigerungen voraus. Und schon im Dezember 1625 informierte Guillelmo Bartolotti die Balbi über das aktuelle Preisniveau für Schießpulver, das nun bei 55 Gulden pro Zentner 114
Ebenda: "... si sperava che hormay saranno giunte qua le navi dalle Indie orientali che portavano buona somma di salnitro che haveva redotto a prezzo più grato la polvere ma l'una di esse è arrivata in Irlanda referisce di aver lasciato le altre di la dal capo buone spreranze in tanta tempesta che si dubita tutti salnitrii puotranno essere consumati dall'acqua et nessuna di esse navi puotra essere qua che al primavera ..." 115 Wie bereits dargestellt, überwiegt in der Forschung allgemein die Auffassung, daß die indischen Salpeterlieferungen den Amsterdamer Markt bis Mitte des 17. Jahrhunderts nur in geringem Maße beeinflußten. Für den examinierten Einzelfall trifft diese Bewertung keineswegs zu. Angesichts der unregelmäßigen Versorgungslage und der damit in Verbindung stehenden Spekulationen kamen den Indienlieferungen von Anfang an großes Gewicht zu. 116 Ebenda, Brief Bartolottis vom 2. Dezember 1625: "... et nella compera si è goduto buona sorta, poiché scuoprendosi scarsità di salnitri per restar indietro quelli venivano dalle Indie orientali, et che di Polonia ne vengono puochi hora non si hariano con quelle conditioni, a tal prezzo, et se le guerre continueranno dapertutto che non venghino più salnitri di quello si dubita potriano a primavera valere d Svantaggio ..." Vgl. hierzu die Daten in: N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, S.360 f, S.375 f, 378 f, S.382 f, S.390 f.
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
lag. Die Angabe der 10%igen Erhöhung bezog er auf die Schießpulverpreise von Ende September 1625. 117 Die Verlagerung der schwedisch-polnischen Auseinandersetzungen von Livland nach Preußen (Frühjahr 1626) sowie die folgende Blockade Danzigs (seit August 1626), die sich bis zum Frühjahr 1630 fortsetzten sollte, trafen die Amsterdamer Großkaufmannskreise demnach durchaus nicht unvorbereitet. In Kenntnis der politisch-militärischen Umstände war man in der Lage, spezifische Marktstrategien zu entwickeln, mit denen den kommenden Ereignissen adäquat begegnet werden konnte. Zeitweise konnte man sogar Gewinn aus der potentiellen Mangelsituation schlagen. Auf längere Sicht mußte die Sperrung des Danziger Rohstoffmarktes jedoch durchweg negative Auswirkungen nach sich ziehen, die nur durch das Ausweichen auf andere Bezugsquellen etwas gemindert wurden. Die in der zweiten Hälfte des Jahres 1627 einsetzenden holländischen Vermittlungsversuche im schwedisch-polnischen Konflikt standen in deutlichem Zusammenhang mit den Schwierigkeiten der niederländischen Kaufmannschaft, in ausreichendem Maße auf anderen Wegen - maßgeblich über Archangelsk - an die benötigten Handelsgüter Danziger Provenienz zu gelangen.118 Die von Bartolotti vorgenommene Analyse wirft somit ein bezeichnendes Licht auf die den internationalen Salpeterhandel determinierenden Marktbedingungen im Vorfeld des bereits mehrfach angesprochenen Monopolversuchs kapitalkräftiger Kaufmannskreise um den Rüstungsunternehmer Elias Trip vom 18. April 1626. Die Geschäftskorrespondenz Bartolottis ergänzt die diesbezüglichen Ausführungen P.W. Kleins in wichtigen Punkten.119 Bereits im Herbst 1625 waren die Voraussetzungen für spekulative Transaktionen auf dem Salpeter- und Schießpulvermarkt gegeben. Bartolotti selbst mußte am Tripschen Monopolprojekt großes Interesse haben, da es ihm an Kundschaft für Schießpulver zu diesem Zeitpunkt nicht mangelte. 117
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief Bartolottis vom 23. Dezember 1625. Ob sich der Salpeter zu diesem Zeitpunkt tatsächlich in Amsterdam befand, ist angesichts des Schicksals der Indienlieferungen (falls sich der Monopolzusammenschluß auf diesen aktuellen Konvoi beziehen sollte) und für den Danziger Anteil fraglich. Vgl. auch: G.W. Kernkamp, Baltische Archivalia, S.289 (Brief der Generalstaaten an Danzig vom 24. August 1626, Salpeter Jost Willemsz Niekercks). 118 Zu den (allerdings erfolglosen) Schlichtungsversuchen der niederländischen Diplomatie im polnisch-schwedischen Konflikt seit Jahresende 1627 siehe: A. Attman, Stranglehold, S.547. Lediglich im August 1629 kam es durch Vermittlungsversuche Frankreichs, Brandenburgs und Englands zu Verhandlungen, die dann zum Abschluß des sechsjährigen Waffenstillstandes führten. 119 P.W. Klein, De Trippen, S.235 ff.
4. Amsterdamer Kriegsgtrmarkt
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Im Frühjahr 1626 bestellten die Balbi bei Bartolotti weitere 500 Faß Pulver, wobei der Zentner nun bereits 56,5 Gulden kostete. Sowohl die allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch die Frachtgebühren waren mit dem Geschäftsauftrag vom Oktober 1625 identisch. Die Nebenkosten waren mit ca. 13% etwas niedriger. Allerdings kam die Ladung direkt in Genua an. Für den Zentner Schießpulver mußte die Republik diesmal ca. 69 Gulden veranschlagen. 1 2 0 Leider ist es nicht möglich, das genaue Datum des Geschäftsabschlusses zu ermitteln, was angesichts der Monopolabschlüsse vom 18. April 1626 von Interesse wäre. 1 2 1 Die Generalabrechnung dieses Vorganges weist vier verschiedene Amsterdamer Bezugsquellen aus. 1 2 2 Ein Umstand, der auf einen gewissen Engpaß in der Schießpulverfabrikation schließen läßt. In seinem Begleitschreiben informierte Bartolotti die Balbi außerdem über den aktuellen Schießpulverpreis, der im Juni 1626 auf 62 Gulden gestiegen war. Wegen der anhaltenden Kriegssituation und des in Amsterdam bestehenden Mangels würde sich dieses Preisniveau für längere Zeit konstant halten. 123 120
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni). Laut Generalabrechnung vom Juni 1626 belief sich der Bartolotti zukommende Gesamtbetrag auf 5488.18.8 Pfund fläm. (plus "Senzaria" von 5.9.10 Pfund fläm.). Der Preis für das Schießpulver betrug 4708.6.8 Pfund fläm. Die Nebenkosten summierten sich auf 620.14.8 Pfund fläm. Als Provision errechnete Bartolotti 159.17.8 Pfund fläm. Die Tratten liefen diesmal nur über die Hoste & Flangini in Venedig. 121 Leider sind bis auf die Generalabrechnung, ein kurzes Begleitschreiben (Juni 1626), die (Mai 1626 datierende) Frachtbescheinigung und die Frachtkostenabrechnung (4. August 1626) keine Unterlagen über dieses Geschäft erhalten. In der Korrespondenz vom Januar 1625 tauchen noch keine Hinweise auf eine zweite Bestellung auf. Der Abschluß mußte also zwischen Februar und April 1626 erfolgt sein. Der Ankauf des Pulvers erfolgte kurz vor oder kurz nach den Monopolabschlüssen. 122 Die Bestellung von 500 Ztr. verteilte sich im Frühjahr 1626 auf die Schießpulverhersteller Pietro Bardesoutt (200 Ztr.), Jacob Andersen (100 Ztr.), Joris Adrianszen (100 Ztr.) und Jan van Hoorn (100 Ztr.), der mit dem ersten Anlieferer vom November 1625 identisch ist. Zu Joris Adrianszen (und Cornells Martenszen), Kaufleuten und Schießpulverhändlern, die mit Elias Trip in engem Kontakt standen, bzw. im Falle Martenszen sogar an den Salpeteraufkäufen beteiligt waren, vgl.: J.G. van Dillen, Bronnen tot de geschiedenis van het bedrijfsleben en het gildewezen van Amsterdam, Bd.II (1612-1632), Den Haag 1933, S.621. 123 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief Bartolottis vom Juni 1626. Aus Hamburg informierte Hans de Hertoghe seine Genueser Kundschaft im Mai 1626 über das aktuelle Preisniveau für Pulver in Amsterdam. Anfang des Monats kostete Schießpulver 57-60 fl, Ende Mai wurden 58 fl verlangt. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Briefe Hans de Hertoghes vom 6. und 24. Mai 1626.
172
V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Der von Bartolotti im Juni gegenüber den Balbi ausgewiesene Preis steht damit in einem gewissen Kontrast zu den Aussagen des französischen Gesandten, der den im November 1626 zu entrichtenden Amsterdamer Pulverpreis von 55,5 Gulden als ungerechtfertigt hoch empfand. 124 Zum einen war der im Juni mit 62 Gulden angegebene Gegenwert für Schießpulver Ausdruck der Preisspekulation Bartolottis, der durch die realen Gegebenheiten auf dem Amsterdamer Markt kaum zu rechtfertigen und lediglich auf das Monopol zurückzuführen war. Am 16. Februar 1627 gaben die Schießpulverfabrikanten Joris Adrianszen und Cornells Martenszen auf Veranlassung Elias Trips Zeugnis über das zwischen Mai und Ende August 1626 in Amsterdam bestehende Preisniveau für Schießpulver ab. Zwischen Mai und Juni betrug der Zentnerpreis demnach lediglich 57 Gulden, von Juni bis August waren 58 Gulden pro Zentner zu entrichten, und im Laufe desselben Monats stieg der Preis bis auf 60 Gulden. Inwieweit es sich hierbei um die wirklich geforderten Verkaufspreise handelte, kann leider nicht entschieden werden, da über die Motivation der Zeugnisabgabe keine Angaben vorhanden sind. Es könnte sich beispielsweise um einen Protest hinsichtlich überhöhter Preisforderungen gehandelt haben. In Bezug auf die Angabe Bartolottis ist demnach eine Diskrepanz von mindestens vier Gulden pro Zentner festzustellen. 125 Der im Herbst 1626 zu konstatierende Preissturz für Schießpulver mußte darüber hinaus auf inzwischen erfolgte Salpeterlieferungen zurückzuführen sein. Für den Monopol versuch der Amsterdamer Großhandelskreise bedeutete dies, daß bei (generell) unregelmäßiger Salpeterzufuhr und anhaltender Kriegskonjunktur das Pulverpreisniveau auch bei momentan guter Versorgungslage künstlich hoch gehalten werden konnte. Die Quellen des Genueser Rüstungsauftrages lassen darauf schließen, daß in einer akuten Mangelsituation, wie sie anscheinend im Frühjahr und Sommer 1626 gegeben war, die potentiell zu erzielenden Gewinne erheblich höher lagen, falls man über ausreichende Vorräte verfügen konnte. Als Beleg für den Erfolg des Amsterdamer Salpetermonopols sind die Preisinformationen Bartolottis demnach aussagekräftiger als die Klagen des französischen Gesandten, die P.W. Klein als Beweis anführt. Für den Erfolg von spekulativen Marktstrategien war es natürlich wichtig, unliebsame Konkurrenten, im speziellen Fall die Hamburger Anbieter, stark zu behindern oder zeitweise sogar auszuschließen. In diesem Zusammenhang 124
Dieser Quellenbeleg findet sich in: P.W. Klein, De Trippen, S.237. Der Zentnerpreis betrug demnach 22,15 écu (beim Kurs von 2,5 fl pro écu), also ca. 55,5 fl. Die erwähnte ungerechtfertigte Preissteigerung von 10% abgerechnet, hätte der normale Preis lediglich 50 fl betragen müssen. Die Gewinnmarge lag demnach bei mindestens 10% (Ankaufs- und Verkaufsdiskrepanz nicht mitberücksichtigt) und war nach Einschätzung des Franzosen lediglich auf das Monopol zurückzuführen. 125 J.G. Van Dillen, Bedrijfsleben, S.261.
4. Amsterdamer Kriegsgtrmarkt
173
ist die Blockade Hamburgs durch die Haager Allianz seit Ende 1625 in einer vom bisherigen Bild differierenden Wertung zu berücksichtigen. Von den handelspolitischen Schwierigkeiten der Hansestadt, die sich in erster Linie auf die Kriegsgüterlieferungen nach Spanien bezogen, konnten die Amsterdamer Monopolkreise profitieren. 126 Auf Basis der Informationen Bartolottis können die konjunkturbedingten Preisbewegungen auf dem Amsterdamer Schießpulvermarkt für die Jahre 1625/26 wie folgt zusammenfassend charakterisiert werden: Ein Zentnerpreis von 50 Gulden wurde von der internationalen Kundschaft allgemein als reguläres Preisniveau akzeptiert. Preissteigerungen von 10% (55 Gulden pro Zentner) lagen auf Grund künstlicher oder real gegebener Angebotsverknappung oder Nachfragesteigerung durchaus im Rahmen des Normalen. Erhöhungen von 25% (mindestens 62 Gulden pro Zentner) konnten wie beim Preispeak vom Frühjahr/Sommer 1626 auf Grund außergewöhnlicher Mangelsituationen und im Zusammenhang mit Monopolbestrebungen vorkommen. Aus Hamburg wurde sogar von 38%igen Preissteigerungen berichtet, die durch den Monopolversuch bedingt waren. Berücksichtigt man außerdem die auf dem Amsterdamer Markt für Exportsalpeter und -schießpulver anfallenden Nebenkosten (von durchschnittlich 13%) sowie eine etwaige Vermittlungsvergütung (von 3%), so erhält man für das in Amsterdam in dem hier untersuchten Zeitraum verkaufte Pulver eine Preisspanne von 58 bis 72 Gulden pro Zentner. Interessant ist natürlich auch die Frage nach den Profiten, die im Salpetergeschäft realisiert werden konnten. Auf Grund der generell schlechten Quellenlage steht die Forschung bei der Beantwortung dieser Frage erst am Anfang. Ein möglichst unbehinderter und direkter Zugang zu den Rohstoffquellen bildete die Hauptvoraussetzung dafür, Zwischenhändler auszuschalten und bereits vor Ort bei der Vermittlung des Salpeter zu verdienen. Eine weitere Profitmöglichkeit ergab sich aus den Verarbeitungsprozessen der Salpeteraufbereitung und der Pulverherstellung. Allerdings konnten die kommerziellen Strukturen, die den internationalen Salpeterhandel und die Schießpulverherstellung miteinander verbanden, noch nicht lückenlos offengelegt werden. Jedoch existieren eine Reihe von Anhaltspunkten dafür, daß insbesondere die Unternehmerkreise um Elias Trip an allen Phasen des Salpetergeschäftes beteiligt waren. Da Guillelmo Bartolotti am Monopolversuch dieser Amsterda126
Siehe: H.D. Loose, Hamburg und Christian IV., S.24 und G.D. Ramsay, Hamburg, S.424. Die Auswirkungen der alliierten Handelsblockade auf den internationalen Salpetermarkt werden im folgenden Kapitel näher behandelt. Von der Blokkade mußte auch die enge Kooperation zwischen Amsterdamer und Hamburger Handelshäusern betroffen werden.
V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
174
Salpetera 1585:b
Musketenpulvera
Luntena
50 fl (62,5 Ml)
Herbst 1625:c
52 fl (65 Ml)
Oktober 1625:d
50 fl (62,5 Ml)
Dezember 1625:e
55 fl (69 Ml)
Frühjahr 1626:f
56,5 fl (70,5 Ml)
Mai 1626:2
60-69 fl (75-86 Ml)
6,25-7,25 fl (= 8-9 Ml)
57-60 fl (71-75 Ml)
Mai-Juni 1626:h
57 fl (71 Ml)
Juni-August 1626:h
58 fl (72,5 Ml)
August 1626:h
60 fl (75 Ml)
Juni 1626:*
62 fl (77,5 Ml)
Herbst 1626:J
55,5 fl (69 Ml)
a
Pro 100 Amsterdamer Handelspfund (1 Ztr. = 49,4 kg). N.W. Posthumus, Prijsgeschiedenis, Tab.209 (S.462). c A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni). Marktinformationen Guillelmo Bartolottis an Genua zum Schießpulvergeschäft mit der Toskana. d Ebenda. Effektiver Verkaufspreis der ersten Genueser Bestellung und zusätzliches Rüstungsangebot Guillelmo Bartolottis. e Ebenda. Marktinformationen Guillelmo Bartolottis an Genua. f Ebenda. Verkaufspreis der zweiten Genueser Bestellung bei Guillelmo Bartolotti. δ A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni). Marktinformationen Hans de Hertoghes aus Hamburg über Gegebenheiten und Monopolbestrebungen auf dem Amsterdamer Kriegsgütermarkt. (Normalniveau 50-52 fl = 62,5-65 Ml). h J.G. Van Dillen, Bedrijfsleven, S.261. Aussage Jorisz Adrianszen und Cornells Martenszen vom 16. Februar 1627 über das Preisniveau Mai-Ende August 1626. 1 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458. Marktinformationen Bartolottis an Genua. J P.W. Klein, De Trippen, S.237. Klagen der französischen Gesandten vom Herbst b
1626. Abb. 4: Preisniveau für Militärgüter in Amsterdam (1625/1626)
4. Amsterdamer Kriegsgtrmarkt
175
mer Großkaufleute teilnahm, kann auch in seinem Fall davon ausgegangen werden, daß sich sein Verdienst nicht nur auf die Provisionsgebühr des Kommissionsgeschäftes beschränkte. Genaue Angaben über die Gewinnmargen, die sich aus der Kombination der Einzelsektoren ergaben, können bislang aber nicht gemacht werden. 127 Auf Grund der vorhandenen Datenbasis können lediglich einige Überlegungen zu den Profiten angestellt werden, die ausschließlich auf den nominellen Preisen des Amsterdamer Marktes beruhen. Nach P.W. Klein lag der Salpeterpreis in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts relativ stabil bei 40-50 Gulden. Eine 30%ige Gewinnspanne war im Salpetergeschäft aber durchaus keine Seltenheit, wie die von P.W. Klein für ein Vermittlungsgeschäft Elias Trips im Jahre 1616 ermittelte Differenz von 13 Gulden zwischen Ein- und Verkaufspreis (40 zu 53 Gulden) zeigte.128 In ursächlichem Zusammenhang mit dem Monopolversuch geben die Genueser Quellen zum Hamburger Geschäftsabschluß den Amsterdamer Grundstoffpreis im Mai 1626 sogar mit 60-69 Gulden an. 1 2 9 Erst seit 1660 fiel das Preisniveau mit den massiv einsetzenden Ostindienlieferungen. 1674 kostete ein Zentner Salpeter in Amsterdam knapp 28 Gulden.130 Der Salpeterpreis diente als Berechnungsgrundlage für den Schießpulverpreis. Allgemein wird für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Umsetzungsverhältnis von 100 Pfund Salpeter zu 140 Pfund Schießpulver als normal angenommen. In dieser Relation spiegelte sich der Stand der Herstellungstechnik und die Bezahlung der Arbeitsvorgänge wider. Im konkreten Einzelfall stieß P.W. Klein für das Jahr 1629 auf ein Verhältnis von 100 zu 128, d.h. 100 Pfund Salpeter wurden als Bezahlung für 128 Pfund Schießpulver aufgewendet. 131 Nimmt man 40 Gulden als Preis für den Salpeter und Rechenbasis, so käme man im ersten Fall auf einen Herstellungspreis für Schießpulver von ca. 28,5 Gulden, im zweiten Fall auf ca. 31,25 Gulden pro herge127
Siehe: M. Bogucka, Salpeter Production, S. 167 ff. P.W. Klein, De Trippen, S.232 ff, S.241. Genauere Angaben, die sich auf eine breite Quellenbasis stützen, existieren bislang nicht. In diesem Zusammenhang wären insbesondere Erkenntnisse über das Preisniveau in Danzig von großer Bedeutung. Auch die Preisreihe zum indischen Exportsalpeter von N.W. Posthumus, Nederlandsche Prijsgeschiedenis, Tab.209 (S.462 ff), setzt erst 1657 ein. Vor diesem Zeitpunkt gibt Posthumus nur einen Einzelwert an: 1589 betrug der Preis für indischen Salpeter 50 fl. Vgl. auch: E. Amburger, Familie Marseiis, S.38 f. 129 Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 24. Mai 1626. Allerdings handelte es sich hierbei um den Verkaufspreis. Der Pulverpreis betrug laut Angaben de Hertoghes zum selben Zeitpunkt 58 fl. 130 N.W. Posthumus, Nederlandsche Prijsgeschiedenis, Tabelle 209 (S.462 ff). 131 P.W. Klein, De Trippen, S.235 f. 128
176
V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
stelltem Zentner. Bei einem Salpeterpreis von 50 Gulden belief sich der Pulverpreis auf 35,75 bzw. 39 Gulden. Die Differenz zum "normalen" Verkaufspreis von 50 Gulden pro verkauftem Zentner (respektive 21,5, 18,75, 14,25 und 11 Gulden) wären dann als Gewinn zu verbuchen. Der Profit konnte demnach bei 22-53% des Einkaufswertes liegen. Pulverpreissteigerungen auf 55-62 Gulden vergrößerten die Gewinnmarge weiterhin. Legt man diesen Umsetzungsrelationen die Hamburger Angaben zugrunde, so kommt man bei einem Grundstoffpreis von 60-69 Gulden auf einen hypothetischen Pulverpreis von nur 47-53 Gulden, während die Quellen den Schießpulverpreis in Amsterdam zum selben Zeitpunkt mit 58 Gulden festlegen. Sicherlich war der Salpeterverkaufspreis von 60-69 Gulden monopolbedingt.132 Verfügte man zu diesem Zeitpunkt über billigeren Salpeter, so fiel die Profitmarge entsprechend höher aus. 133
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge des Munitionsgeschäftes mit der holländischen Mittelmeerfahrt Wie der Genueser Fall verdeutlicht, war ein möglichst billiger und sicherer Transport der außerordentlich gefährdeten, kriegsrelevanten Güter für erfolgreiche Geschäfte von ausschlaggebener Bedeutung. Und dies um so mehr, da es sich bei den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts keineswegs um eine generell ruhige, unproblematische Zeit der holländischen Handelsbeziehungen mit Italien handelte. Dieses Problem nahm in der Geschäftskorrespondenz Bartolottis großen Raum ein. Als Spezialisten für Transportfragen erwiesen sich die holländischen Kaufleute bekanntermaßen als unschlagbar.134 Eine gewisse Konkurrenz konnte 132
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoges vom 24. Mai 1626. 133 Die Überlegungen lassen etwaige Preissteigerungen in Danzig völlig außer acht, weil für diesen Markt keine Preisreihen vorhanden sind. Geht man davon aus, daß die Danziger Geschäfte als Schmuggelhandel weiterliefen und andere Bezugsquellen hinzukamen, so liegt die Schlußfolgerung nahe, daß sich der Einkaufspreis kaum erhöhte. Da es sich beim oben zitierten Preis um den Verkaufspreis für gesottenen Salpeter handelte, ist kaum anzunehmen, daß die großen Händler Amsterdams mehr als 55 fl bezahlten. Darüber hinaus warf der Verarbeitungprozeß zum Halbfabrikat die größten Gewinne ab. Siehe: M. Bogucka, Salpeter Production, S. 169. 134 Angesichts der starken englischen, französischen und Venezianer Konkurrenz waren die Niederländer im Mittelmeer weniger vorherrschend als in anderen Gebieten. Siehe: J.G. van Dillen, Rijkdom, S.71, S.87, S.502.
5. Handelsstrukturelle Zusammenhänge mit der Mittelmeerfahrt
177
ihnen gerade im Mittelmeerhandel zu Zeiten der spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen von neutralen (Hamburger) Schiffen erwachsen, die weniger Gefahr liefen, von spanischen oder spanientreuen Streitkräften gekapert zu werden, und darüber hinaus freien Zugang zu den Häfen der spanischen Einflußzone hatten. 135 Wie die neuesten Interpretations- und Gliederungsversuche zum holländischen Mittelmeerhandel überzeugend darlegen, erwies sich die Einflußnahme politisch-militärischer Faktoren für die konjunkturelle und strukturelle Entwicklung der "straatvaart" als determinierend. 136 In programmatischem und teilweise polemischem Gegensatz zur Auffassung F. Braudels präsentiert J.I. Israel eine Sichtweise der niederländischen Mittelmeerfahrt. 137 Seiner Auffassung nach handelte es sich um Entwicklungen, bei 135
Siehe: J.I. Israel, Dutch Republic, S.209 fund ders., Dutch Primacy, S.31 ff, S.57 f, S. 127 ff, S. 141 f. Zu den Tarnungsversuchen der Holländer, siehe: H. Kellenbenz, Spanien, S.315. Allein Ende 1623 beschlagnahmten die spanischen Behörden nicht weniger als 160 nordniederländische Schiffe, die sich als hansisch ausgaben. Zur generellen Unterbewertung der spanischen Embargomaßnahmen in der Forschung siehe: J.I. Israel, Straatvaart, S.6. 136 Ebenda, S.l-30. Sein Periodisierungsversuch basiert auf der Einteilung des holländischen Mittelmeerhandels von J.G. van Dillen, Rijkdom, S.77, S.87, S.357, S.502, S.569. Van Dillen und Israel befinden sich mit Braudel in grundsätzlichem Kontrast, da sie der Sichtweise der "longue durée" (die den "sekulären Trends" unter Vernachlässigung der politischen Fakten den absoluten Vorrang gibt) im konkreten Einzelfall nicht zustimmen können. Laut Braudel waren die Strukturen des Massengüterhandels bis 1650 entscheidend für die ungebrochene holländische Vormachtstellung im Mittelmeerraum. Eine Hypothese, die in dieser Form heute nicht mehr haltbar ist. Zum Kontrast der Grundauffassungen siehe: J.I. Israel, Straatvaart, S.3 f, S.30. 137 J.I. Israel bezweifelt ebenfalls die Grundannahme, daß es sich beim Getreidehandel um die zentrale Struktur handelte, die den Holländern nach 1590 automatisch die Vorherrschaft im Mittelmeer brachte. Die Getreidelieferungen, die meist in Kommission oder von italienischen Kaufleuten getätigt wurden, wären noch kein Indiz für eine Kontrolle der Handelsstrukturen. Luxuswaren und Textilien waren die wirklich einträglichen Warengruppen, die auch in der Levante eine wichtige Rolle spielten. Dieser überzogenen Wertung Israels muß jedoch widersprochen werden. Einerseits stellte der Getreidehandel das "Sprungbrett" dar, über das die holländischen Kaufleute Zugang zu den italienischen Märkten fanden. Andererseits sind die Gegebenheiten im Getreidehandelsgeschäft zwischen dem Baltikum und dem Mittelmeerhandel noch nicht ausreichend geklärt. Außerdem waren die niedrigen holländischen Frachtraten für die Übernahme kommerzieller Strukturen ausschlaggebend. Kann der handelspolitischen Phaseneinteilung Israels durchaus zugestimmt werden, so sind seine handelsstrukturellen Wertungen in diesem Punkt zu verwerfen und allein der polemischen Wertung der Braudelschen Ansätze zuzuschreiben. 12 Zunckel
178
V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
der die Einflußnahme der Staatsmacht auf den Markt immer das "primum mobile" für den Strukturwandel darstellte. Einer Anfangsphase (1590-1609), die maßgeblich durch den Getreidehandel gekennzeichnet war und in der die holländischen Aktivitäten ziemlich stark von den spanischen Maßnahmen gestört wurden, was zum massiven Auftauchen hansischer Konkurrenz führte, folgte mit dem spanisch-niederländischen Waffenstillstand (1609-1621) eine Phase der rapiden Ausdehnung und strukturellen Diversifizierung der "straatvaart". In dieser Zeit gelang es der holländischen Kaufmannschaft, sich in die kommerziellen Ströme des Mittelmeers einzuschalten und von diesen zu profitieren. 138 Durch die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen und den von Philipp IV. verhängten Bann über alle holländischen Schiffe in Spanien, Portugal und den italienischen Besitzungen wurden die Handelsbeziehungen zwischen den Vereinigten Niederlanden und dem Mittelmeerraum nachhaltig gestört. Bis zum Ende des 80-jährigen Unabhängigkeitskrieges und bis zur Aufhebung des spanischen Embargos (1645) dauerte die lange Kontraktionsphase der niederländischen "straatvaart" an. In dieser Zeit konnten die spanischen Maßnahmen die Stellung der Holländer in Italien und auf den Levantemärkten erfolgreich unterminieren, wie u.a. die vielzähligen Klagen der holländischen Kaufmannschaft über die äußerst kritische Lage dieser Kommerzien seit Mitte der 20er und besonders in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts veranschaulichen. Auch die Einrichtung des Levantehandelsdirektoriums steht in ursächlichem Zusammenhang mit diesen Schwierigkeiten. 1630 betrachteten die Amsterdamer Kaufleute den Mittelmeerhandel praktisch als verloren. 139 Erst nach 1645 setzte die erfolgreichste Phase des holländischen Mittelmeerhandels ein. Zu einem Zeitpunkt, als laut Braudel der Zenit dieser Entwicklung bereits überschritten war. Nach Auffassung Israels beruhte die starke Position der Holländer in den südlichen 138
Ebenda, S.7 ff. Ausschlaggebend für den Strukturwandel waren die Lieferungen aus Archangelsk, das Erringen der Schlüsselposition im Transportwesen des westlichen Mittelmeeres und der damit in direkter Verbindung stehende Zugang zum amerikanischen Silber. Außerdem belieferten die Holländer Italien (Livorno) seit 1609 regelmäßig mit indischen Gewürzen. Vgl. auch: R.T. Rapp, Unmaking of Trade Hegemony, S.499 ff. 139 Zur überzeugenden Darstellung der Kontraktionsphase des holländischen Mittelmeerhandels, die in krassem Gegensatz zur Auffassung Braudels steht, siehe: J.I. Israel, Dutch Straatvaart, S.12 ff. Die spanischen Embargomaßnahmen waren diesmal erfolgreicher (als nach 1591 und 1598), obwohl die Niederländer mit der verstärkten Bewaffnung ihrer Schiffe, dem (privaten) Konvoisystem sowie dem Levantehandelsdirektorium und den üblichen Tarnungsversuchen versuchten, gegen Spanien anzugehen. Entscheidend war in erster Linie das Abschneiden von den spanischen Edelmetallflüssen.
5. Handelsstrukturelle Zusammenhänge mit der Mittelmeerfahrt
179
Gefilden nach 1645 auf Strukturen, die große Parallelen zur Expansionsphase von 1609 bis 1621 aufwiesen. Als entscheidender Faktor kam nun jedoch hinzu, daß sich die Niederlande inzwischen zur führenden europäischen Industriemacht entwickelt hatten. Bis 1689 hielt die äußerst günstige Mittelmeerkonjunktur an. Ausdruck dieser Vormachtstellung war u.a. das faktische Handelsmonopol der holländischen Kaufmannschaft in Livorno, wohin Handelsgüter wie Getreide, Schiffsmaterialien, Kupfer, Produkte russischer Provenienz und nicht zuletzt auch Schießpulver in großen Mengen verkauft wurden. Erst nach diesem Zeitpunkt flauten die niederländischen Aktivitäten im Mittelmeerraum ab. 1 4 0 Die Auswirkungen der handelspolitischen Schwierigkeiten, mit denen sich die Holländer im Mittelmeergeschäft 1621-1645 konfrontiert sahen, zeigten sich auch und gerade in Bezug auf die kommerziellen Kontakte mit Genua. Wie die Analyse der Genueser Hafenkonjunktur durch E. Grendi dokumentiert, ging die Präsenz niederländischer Schiffe in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts deutlich zurück. Erst in den 30er Jahren befand sich die nach Genua gerichtete Handelstätigkeit der Holländer wieder in einer Aufschwungphase, die aber durch den französisch-spanischen Kaperkrieg vor der ligurischen Küste getrübt wurde. 141 140
Siehe: Ebenda S.17 ff. Für die von Israel postulierte Boomphase nach 1645 fehlt es noch an genaueren Einzelstudien. 141 Zur Konjunkturkurve der nordischen und niederländischen Handelsschiffahrt im Genueser Hafen siehe: E. Grendi, Nordici, besonders die graphischen Darstellungen auf S.64 und die Tabellen m und V (S.67 f, S.70 f) sowie ders., Traffico e navi, S.342, S.348 f. Die von Grendi auf Basis der Genueser Hafensteuern gewonnenen Datenreihen decken sich sowohl mit den einschlägigen narrativen Quellen als auch mit den Informationen Bartolottis. Leider kann bei den Angaben Grendis vor 1629 nicht exakt in flämische, hansische, englische und holländische Schiffe unterschieden werden, die im Genueser Hafen alle unter derselben summarischen Bezeichnung eingeordnet wurden. Lediglich seit 1629 unterschied man in flämisch/holländische, englische, hansische und französische Schiffe. Berücksichtigt man den Ausgangshafen der in Genua ankernden Schiffe und die allgemeinen Handelsstrukturen der Zeit, kann trotzdem eine (ungefähre) Zuordnung nach Nationalitäten vorgenommen werden, die zumindest die Grundtendenzen der holländischen "Genuakonjunktur" indiziert. Demnach waren die Jahre 1592, 1602, 1608, 1614 und 1620 Hochpunkte der niederländischen Präsenz in Genua, maßgeblich hervorgerufen durch die günstige Getreidekonjunktur. Das Jahr 1620 markierte den absoluten Peak in der ansteigenden Phase holländischer Handelstätigkeit. Die Jahre 1621-1627 markierten hingegen den tiefsten Punkt dieser Entwicklung, Ausdruck einer großen Krise. Nur wenige nordische Schiffe fuhren in dieser Zeit den Genueser Hafen an. Aus Amsterdam erreichten 1618-1620 51 Schiffe Genua, 1621/1622 waren 37 Eingänge zu verzeichnen. 162312*
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Der Geschäftsabschluß der Balbi mit Bartolotti lag also keineswegs i n einer für die "straatvaart" günstigen Zeit, sondern erfolgte i m Gegenteil i n einer bereits recht kritischen Situation, die sich in erster L i n i e auf die effektiven Realisierungschancen des Transportes bezog. Die große Gefährdung der nach Italien gerichteten holländischen Handelsschiffahrt durch den Kaperkrieg vor Dünkirchen, die spanischen Flottenverbände und die Beschlagnahmen vor der ligurischen Küste war den Genueser Kaufleuten durchaus bewußt. Kriegsrelevante Güter waren davon i n noch höherem Maße betroffen. I n einer wichtigen Klausel des Geschäftsauftrages betonten die Balbi deshalb: "... Ihr sollt das Pulver möglichst auf drei Schiffe verteilt laden, falls diese Zahl nicht verfügbar sei, auf zwei, und falls auch dies unmöglich sei, auf nur eins, daß es sich um Kapitäne oder Kapitän handle, denen man Eurem Urteil nach vertrauen könne, und Ihr sollt die Hamburger (Schiffe), falls sie von diesen Orten auslaufen, denen dieses Staates vorziehen . . . " 1 4 2
1629 verschlechterte sich die Situation. Für sieben Jahre sind lediglich 38 Schiffe aus Amsterdam registriert. Ihre Lastkapazität war generell niedriger als im Zeitraum davor und auch der Wert der geladenen Waren erwies sich durchschnittlich als erheblich geringer. Erst seit 1626 begann die Kurve langsam anzusteigen. In den Jahren 1632/33 war ein weiterer Höhepunkt zu verzeichnen. Danach sank die Kurve deutlich. Lediglich seit 1645 war erneut ein Plateau holländischer Präsenz in Genua zu verzeichnen. Auch die Eingänge aus Danzig verringerten sich von 22 Schiffen (16181620) auf drei Schiffe (1621/1622). Bis 1629 fuhr dann lediglich ein Schiff von Danzig nach Genua. Der direkte Warenversand von Norwegen/ Moskowien nach Genua, der inzwischen fast gänzlich aufgehört hatte, nahm seit 1623 wieder zu. 1623-1629 erreichten sechs Schiffe dieser Provenienz den Genueser Hafen, ebensoviele wie 1601-1607. Auch der nach Genua gerichtete Iberienhandel, der bis 1621 fest in holländischer Hand lag, war von den Schwierigkeiten betroffen. Während man 16011608 167 Schiffe (pro Jahr durchschnittlich 20 Schiffe), 1610-1614 101 Schiffe (ebenfalls ca. 20 Schiffe pro Jahr) und 1618-1620 112 Schiffe (37 Schiffe jährlich) aus iberischen Häfen registriert hatte, erreichten 1621/22 30 Schiffe dieser Provenienz Genua. 1623-1629 stieg ihre Zahl wieder auf durchschnittlich 31 Schiffe pro Jahr (insgesamt 222 Einheiten), wobei jedoch nicht auszumachen ist, inwieweit es sich um holländische Segler handelte. 142
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Auftragsschrieben der Balbi an Guillelmo Bartolotti vom 18. Oktober 1625: "... Carricarete questa polvere sopra tre navi repartitamente se sarà possibile, quando non vi sie questo numero lo farete sopra due, e non potendo riuscirvi di due sopra una sola, che sie capitani ò capitano de quali a Vostro giudizio si possa quietare, antiponendo le amborghese se in queste parti ne fusseron di partenza a quelle di questo stato ..."
5. Handelsstrukturelle Zusammenhänge mit der Mittelmeerfahrt
181
Nach Möglichkeit sollten also neutrale Hamburger Schiffe mit dem Salpeter beladen werden, falls diese in Holland zur Zeit verfügbar seien. Bartolotti antwortete daraufhin: "... Man findet hier zur Zeit weder Hamburger Schiffe noch Kapitäne, und weil diese weniger geschätzt werden, haben sie Schwierigkeiten, Fracht zu finden, und (sind) teurer, und jene mit dieser Ware zu beladen wäre, kein gut Ding, da jene, wenn sie von den Kriegsschiffen dieses Staates angetroffen werden, auf See durchsucht und von diesen nicht vorbeigelassen werden, da man annähme, sie fuhren nach Spanien , . . " 1 4 3
Neben den ungünstigen handelstechnischen Vorausetzungen für den Transport auf Hamburger Schiffen, wäre nach Einschätzung Bartolottis vor allem das Risiko der Konfiszierung zu groß. Er setzte auf holländische Schiffe, die zum einen im Verband segelten und zum zweiten gut bewaffnet waren. 1 4 4 Falls man wirklich auf spanische oder spanientreue Genueser Flottenverbände treffen sollte, würde ein Genueser Begleitschreiben angesichts der gegebenen Allianzen etwaige Schwierigkeiten, mit denen besonders vor Genueser Hoheitsgebiet zu rechnen wäre, beseitigen helfen. 1 4 5 Für alle Fälle bemühte sich Bartolotti außerdem "über Freunde, für wenig Geld" um eine englische Garantiezusicherung des Herzogs von Buckingham. 146 Angesichts der äußerst angespannten handelspolitischen Situation kann das Beharren Bartolottis auf dem Transport durch holländische Schiffe in die Richtung gewertet werden, gegenüber der aufstrebenden Hamburger Konkurrenz keinesfalls nachgeben zu wollen, um der Tendenz tieferer Einbrüche im niederländischen Mittelmeergeschäft gegenzusteuern. Wie die Ereignisse um das Hamburger Schießpulvergeschäft zeigen, erwies sich seine Einschätzung der militärischen Situation 143
Ebenda, Brief Bartolottis vom 18. November 1625. "... Non si trovano qui navi ne capitami Hamburghesi, perchè essendo meno stimati, stentarerano per trovare noliti, et più cari, et per caricarli questa Robba non saria ben fatto, perchè essendo incontrate dalle navi di Guerra di questo Stato, et visitate in mare non le lassariano passare, dubitando che andassero per Spagna ..." 144
Ebenda: "... Habbiamo la commodità di diverse buonissme Navi, ottimamente armate, et che in bellissima flotta andaranno per Livorno ..." (Übersetzung: "... Wir verfügen über verschiedene sehr gute Schiffe, optimal bewaffnet, und die in schöner Flotte nach Livorno segeln werden ...") Zur durchschnittlichen Bewaffnung der niederländischen "straatvaarer" siehe: S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.152. 145
A.S.G. Camera del Governo Nr.768, Brief Bartolottis vom 18. November
1625. 146
Ebenda, Brief Bartolottis vom 15. Dezember 1625. Die Garantieerklärung bezog sich in diesem Falle auf die "Cavai di Posta", die den Hauptanteil des Pulvers transportierte. Handelte es sich bei den Freunden Bartolottis um die Calandrini?
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
zudem als zutreffend. Die Informationen Bartolottis zur Frachtratenentwicklung bestätigen darüber hinaus die Tatsache, daß sich die holländischen Transportgebühren erst im Zusammenhang mit der zunehmenden Kapergefaihr vor Dünkirchen erhöhten und somit lediglich nach 1626 Chancen für die Hamburger bestanden, holländische Transportdienste zu übernehmen. 147 Als weitere Sicherheitsvorkehrung wurde das Schießpulver - wie bei solch gefährdeten Frachten allgemein üblich - unter Getreide versteckt geladen, ein Umstand, den Bartolotti ausdrücklich betonte: "... und bei dieser Gelegenheit können bis dahin auf demselben Schiff die 500 Faß Schießpulver mitgehen, die unter dem Getreide versteckt sein werden, was für diese in jedem Fall noch mehr Sicherheit gibt, . . . " 1 4 8
147
J.I. Israel, Dutch Straatvaart, S.13, S.16 und Dutch Primacy, S. 134 ff, gibt das holländische Frachtratenniveau für die Verschiffung baltischen Getreides nach Italien 1617-1619 mit durchschnittlich 9-11 Duk. an. 1620 betrug die Gebühr bereits 12-16 Duk. 1621 wurden durchschnittlich 19-20 Duk. pro Last auf dieser Route veranschlagt. Israel glaubt, diese Entwicklung bis zur Aufhebung der spanischen Embargomaßnahmen (1645) fortschreiben zu können. Danach sanken die Frachtraten schlagartig. Sie betrugen oft nur die Hälfte des in den 40er Jahren geforderten Preises. Laut S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.157 ff, betrugen die Frachtraten für Weizen in den 90er Jahre des 16. Jahrhunderts durchschnittlich 16,5-20 Duk. (50-60 fl). Bis 1620 wiesen die Frachtverträge teilweise recht schwankende Angaben aus. Für Weizen waren Frachtkosten von 6-22 Duk. (17-67 fl) zu konstatieren. 1612-1620 ist eine deutliche Vereinheitlichungstendenz zu erkennen. Weizen pendelte sich bei 10-11 Duk. (30 fl) pro Last ein. Diese Angaben decken sich mit den Informationen Bartolottis, der das Frachtratenniveau für Getreide 1625 mit durchschnittlich 10 Duk. pro Last angab und erst für 1626 ein leichtes Ansteigen der Kosten auf 10-12 Duk. konstatierte. Siehe: A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Briefe Bartolottis vom November 1625 und vom Januar 1626. Interessant ist die Parallele zum Handel mit Archangelsk. Auch hier zogen die Frachtraten erst seit 1626 an. Siehe: H. Kellenbenz, Archangel Route, S.547 f. Wie die neuesten Studien zum nordwesteuropäischen Kaperkrieg zeigen, waren für das Ansteigen der Frachtraten die starken holländischen Verluste nach 1626 sowie das Ausweichen auf die Nordenglandroute ausschlaggebend. Siehe: R.A. Stradling, Spanish Dunkirkers, S.553, S.556. 148
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief Bartolottis von Ende November 1625: "... et con tale occasione puoi puotranno con l'istessa nave andare sino costì li detti 500 barili, che staranno nascosti sotto il grano che per essi ancora in ogni caso da tanta più sigurezza, ..." Für die Hamburger Lieferungen wurden dieselben Sicherheitsmaßnahmen getroffen, so daß dieses Vorgehen durchaus als allgemein üblich angesehen werden kann.
5. Handelsstrukturelle Zusammenhänge mit der Mittelmeerfahrt
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Die Frachbescheinigungen schickte man auf dem Landweg separat nach Genua. Die Lieferungsunterlagen erhielt der Mittelsmann Bartolottis in Livorno, Fabio Orlandini, 149 gesondert, so daß das Pulver auch in den Schiffsunterlagen offenbar nicht in Erscheinung trat. 1 5 0 Alle Sicherheitsmaßnahmen wurden genauestens beachtet. Offiziell handeltete es sich bei den Livorno anlaufenden Schiffen um Getreidetransporte, die die Mittelmeerfahrt auf eigenes Risiko antraten. Getreidegeschäft und Kriegsgüterhandel wurden unter dem handelstechnischen Gesichtspunkt der möglichst perfekten Tarnung in enger Verbindung betrieben und sind deshalb für die historische Forschung nur selten auszumachen. Trotz des zur Schau gestellten Optimismus und aller Bemühungen war es Bartolotti in Amsterdam nicht gelungen, ohne Schwierigkeiten Schiffskapitäne ausfindig zu machen, die trotz der "gegebenen ungünstigen Konjunktur" dazu bereit gewesen wären, direkt den Genueser Hafen anzulaufen: "... Wie ihr wissen müßtet, werden die hiesigen Schilfe wegen der momentanen Konjunktur diesen Ort meiden wollen . . . " 1 5 1 Die Schießpulverlieferung ging deshalb auf drei Schiffe verteilt nach Livorno. Dank der fremdenfreundlichen Politik der Medici zeigte sich Livorno 149
Zu Fabio Orlandini siehe: W. Brulez/G. Devos, Marchands flamands S. 179, S.291, S.376 und K. Heeringa, Bronnen, S. 104. Laut dieser Quellenbelege stand Or-· landini über Venedig (1608-1612) mit den Erben Bernardino Benzios in Antwerpen, Domenicus Van Uffeln (d.J.) und Giovanni Lernens in Geschäftskontakt. Auch zu Bernard ten Broek unterhielt er Geschäftsbeziehungen. 150 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Briefe Bartolottis vom 18. November sowie vom 2. und 9. Dezember 1625. Bartolotti schickte zunächst die von den Schiffskapitänen unterzeichneten Frachtbescheinigungen nach Genua. Die Balbi mußten sich dann an Fabio Orlandini wenden, um die Empfangsperson in die Lieferunterlagen eintragen zu lassen. Es handelte sich um einen Kapitän der Genueser Flotte, dessen Name zum Zeitpunkt des Brieiverkehrs nicht ohne weiteres festgelegt werden konnte, weil man nicht wissen konnte, welches Staatsschiff die Lieferung in Empfang nehmen sollte. Zu diesem Zweck mußte man sich erst an Galeazzo Giustiniani, Oberbefehlshaber der Genueser Flotte, wenden. Siehe: Ebenda, Kopie der von Stefano, Antonio und Bartolomeo Balbi unterschriebenen Ordinanz vom 9. Februar 1626, der ebenfalls die Frachtbescheinigungen beilagen. 151 Ebenda, Brief Bartolottis vom 18. November 1625: "... Le navi di qua come dovreste sapere vorriano al quanto schivare cotesta piazza per la congiuntura presente ..." Bartolotti beabsichtigte, das Pulver auf die in Texel für die kurz bevorstehende Livornofahrt liegende Handelsflotte zu verladen. Ende November 1625 mußte er allerdings berichten, daß die überwiegend mißtrauischen Kapitäne wenig Bereitschaft zeigten, die gefährliche Ladung an Bord zu nehmen.
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
den holländischen Kaufleuten weit aufgeschlossener als der ligurische Umschlagplatz und hatte darüber hinaus mit der Etablierung des Freihafens erhebliche Kostenvorteile aufzuweisen, mit denen Genua zu keiner Zeit konkurrieren konnte. 152 Bei den von Bartolotti angeheuerten Schiffen handelte es sich um die "Stella mattutina" des Kapitäns Cornells Wiltschutt, 153 die "Cavai di Posta" unter Hercole Corneliszen 154 und die "Nassonia" des Kapitäns Pietro Fredericx. 155 Lediglich die zweite Schießpulverbestellung vom Frühjahr 1626, die auf dem Schiff "Speranza" des Kapitän Niclas Geritzsen Spagniart 152
Zur Handelspolitik der Medici, deren Kernstück die liberale Fremdenpolitik des Freihafens Livorno war siehe: F. Braudel/R. Romano, Navires et marchandises, S. 15 ff und E. Stumpo, Finanza e ragion di Stato, S. 181-232. Zur nur inkonsequenten Genueser Freihafenpolitik siehe: G. Giachero, Origini e sviluppi del portofranco genovese, Genua 1972 und C. Costantini, "L'istituzione del portofranco genovese delle merci", in: MSL 4(1966), S.95-108. Zum Vergleich beider Handelsplätze siehe: L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.ll, S.16 und E.O.G. Haitsma Mulier, Genova, S.434. Im Vergleich zu Livorno war Genua im 17. Jahrhundert ein nur zweitrangiger Anlaufplatz, was aber nicht hieß, daß die nordischen Schiffe nicht auch in Genua die Hafenkonjunktur determinierten. Siehe: E. Grendi, Traffico e navi, S.343 ff. 153 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief Bartolottis von Ende November 1625. 500 Ztr. sollten ursprünglich auf die "Stella mattutina" geladen werden, letzlich wurden aber nur 137 Faß transportiert. Dieses Schiff verfugte über 500 Tonnen (ca. 200 Last) Transportkapazität sowie 50 Mann Besatzung und war mit 22 Stück Artillerie sowie 10 "pedere" (= steenstukken) ausgezeichnet bewaffnet. Der Kapitän stammte aus Rotterdam und trat im Algierhandel in Erscheinung (1617-1625). Siehe: K. Heeringa, Bronnen, S.769, S.1024, S.1029. 154 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Briefe Bartolottis von Ende November 1625 und Januar 1926 sowie die auf den 28. Dezember 1625 ausgestellte Frachtbescheinigung. 500 Ztr. sollten auf dieses über nur 300 Tonnen (ca. 125 Last) Frachtkapazität verfügende Schiff aus Enkhuizen verladen werden, das mit 30 Mann Besatzung fuhr und mit 16 Kanonen sowie 6 "pedere" bestens bewaffnet war. Schließlich wurden sogar 600 Ztr. Salpeter auf der "Cavai di Posta" nach Livorno verschifft. 155 Ebenda, Brief Bartolottis vom 9. Dezember 1625 sowie die auf den 4. und 12. Dezember 1625 ausgestellten Frachtbescheinigungen. Die restlichen 263 Faß wurden in zwei Raten am 4. und 16. Dezember auf die "Nassonia" verladen, deren Zielhäfen Livorno und Venedig waren. Bartolotti gab die Kapazität dieses Schiffes am 9. Dezember 1625 mit 500 Tonnen (ca. 200 Last) an. Pierto Fredericx aus Enkhuizen, verfügte über 40 Mann Besatzung und 18 Geschütze. Dieser Kapitän findet in den Quellen zum Mittelmeerhandel in Bezug auf eine Neapelfahrt im Jahre 1622 Erwähnung. Siehe: K. Heeringa, Bronnen, S. 141. Ob er mit Pietro Federigo aus Melven identisch ist, der u.a. 1601 Roggen auf der "San Pietro" nach Italien verschiffte, konnte nicht geklärt werden. Ebenda S.15,S.110, S.141.
5. Handelsstrukturelle Zusammenhänge mit der Mittelmeerfahrt
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befördert wurde, ging nicht nach Livorno, sondern direkt nach Genua. 156 Und auch was die Fahrt zum Zielort Livorno betraf, mußte Bartolotti von der Skepsis der holländischen Kapitäne berichten. Allein das Versprechen einer Sonderprämie über den Frachtpreis hinaus, die nach Bartolottis Auffassung die bevorzugte Behandlung dieser Kapitäne symbolisieren sollte, konnte die Holländer dazu bewegen, das erhöhte Risiko auf sich zu nehmen: "... indem dem Kapitän ein Mantel oder eine andere größere Höflichkeit versprochen wurde, und damit er um so mehr Sorge und Anhänglichkeit habe, gut zu dienen, ... um der Hochdurchlauchten Republik besseren Dienst zu erweisen und um zu erreichen, diesen Kapitän zu beseelen ... der sich damit begnügen muß, als Vorbild für die anderen zu dienen, ihm gleichzeitig jede gute und optimale Behandlung versprechend, . . . " 1 5 7 Die "ungünstige Konjunktur", von der Bartolotti sprach, und die allgemeine Skepsis der Kapitäne gegenüber der Italienfahrt, die über das erhöhte Risiko der Kriegsgüterlieferung hinausging, lag sicherlich zu einem großen Teil in der Präsenz der spanischen Flotte im Ligurischen Meer begründet. Außerdem war die Genueser Führungsschicht in Bezug auf die spanische Allianz gespalten, so daß man sich zu keiner einheitlichen Linie durchringen konnte und der holländischen Kaufmannschaft offenbar alle erdenklichen Schwierigkeiten bereitete. 158 Die spanientreuen Befehlshaber der Genueser Flotte beteiligten 156
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Frachtbescheinigung vom 6. Mai 1626 sowie Brief Bartolottis vom Juli 1626. Claes Gerritszen Spagnaert, Schiffer aus Akerslot, gehörte zu den versiertesten Italienfahrern seiner Zeit. U.a. wird er im Lieferungsbuch des Bernhard ten Broeks (1620-1623) mit mehreren Eintragungen geführt (Pfeffer für Jonas Witsen, Pottasche für D. Tholincx, moskowitische Juchten für Cornelius Blicker, Diamanten für Jan van Weelen, Sazen, Leinwand, Pelze für Gio. Battista de Wale). Siehe: K. Heeringa, Bronnen, S.95, S.107 ff, S.876 f. 157 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief Bartolottis von Ende November 1625: "... promettendo al capitano una cappa, ó l'altra maggior cortesia, per facilitare, et che habbi tanto più cura et affetione a ben servire, ... per fare maggior servitio ad essa Serenissima Republica procurando di inanimare questo capitano ... che debba contentarsi di servire d'esempio per li altri assicurandoli d'ogni buono et ottimo trattamento, ..." Anstatt des versprochenen Mantels wurde jedem der Kapitäne in Livorno die zusätzliche Summe von 12 Piastern (ca. 29 fl) angeboten. Ebenda, Anweisung der Balbi vom 9. Februar 1626. 158 Zu den Klagen der holländischen Seefahrer über die schlechte Behandlung besonders durch die Genueser Administratoren und zum Schaden, der ihnen durch den Kaperkrieg in den 30er Jahren entstand, siehe die Quellen in: K. Heeringa, Bronnen, S.118 ff; A.S.G., Lettere principi Nr.2788 (Olanda); A.S.G. Archivio Segreto Nr. 1666 (Marittimarum). Vgl. auch: Ε.O.G. Haitsma Mulier, Genova, S.434 ff.
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sich aktiv an der Beschlagnahme von holländischen Seglern. Die Einbindung Genuas in die Interessensphäre der spanischen Monarchie war somit einer der wichtigsten Hinderungsgründe für die Konsolidierung direkter Handelsbeziehungen zwischen Holland und Genua. Bartolotti bestand außerdem auf der Zusicherung, daß die Bezahlung der Frachtgebühr wirklich in spanischen Piastern (also in Silberstücken zu acht Realen) zu erfolgen habe. 1 5 9 Die gleiche Bedingung erbat er sich ebenfalls für den Verkauf der Zerealien: "... wenn der Kapitän bei seiner Ankunft in Livorno hören wird, daß es keine Schwierigkeiten gibt, und das Getreide dort gut wert ist, was ich ihm zugesichert habe und was ein einfach Ding sein wird, ... daß er den Gegenwert für dieses sein Getreide und für das andere Zeug, was er mit sich führt, dort in vielen wirklichen Realen einlösen kann, glaube ich, daß die Republik sehr gut daran tun wird, dies zuzugestehen, um alles Mißtrauen in diesen Seeleuten zu zerstreuen . . . " 1 6 0 Die spanischen Piaster wurden bekanntlich für die Weiterfahrt der holländischen Schiffe in die Levante benötigt, wo sie als allgemeines Zahlungsmittel zum Einsatz kamen. Das Hauptinteresse der nordeuropäischen Kaufleute am Warenaustausch mit Italien lag somit in der Beschaffung von Edelmetall begründet. Bartolotti ließ durchblicken, daß sich ohne die Erfüllung dieser Grundbedingungen kein Schiff für den Transport der Genueser Schießpulverbestellung finden ließe und etwaige weitere Transporte in Zukunft wahrscheinlich auszuschließen seien. Er wies damit nachdrücklich auf die offenbar 159
Die Angabe der Frachtgebühr in Dukaten diente als Berechnungsgrundlage für den effektiv zu entrichtenden Gegenwert der Frachtkosten in spanischen Piastern zu acht Realen. Am Beipiel der erhaltenen Unterlagen zur Frachtkostenbegleichung des Schiffes "Speranza" vom 4. August 1626 (A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni)) hieß dies konkret: 500 Faß Pulver zu jeweils einem Duk. Fracht = 5500 Realen, in Stücken zu acht Realen = 687 1/2 Piaster (plus "avaria ordinaria" von 1/2 Realen pro Duk. von insgesamt 250 Realen = 32 Piaster). Zur "avaria" und zur Aussagekraft dieser Quellengruppe für die Erstellung statistischen Datenmaterials siehe: G. Felloni, "Una fonte inesplorata per la storia dell'economia marittima in età moderna: i calcoli di avaria" in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.Π, S.37-57 und V. Barbour, "Marine Risks and Insurance in the Seventeenth Century", in: Journal of Economic and Business History 1(1929), S.561-596. 160 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Brief Bartolottis von Ende November 1625: "... se il capitano capitando à Livorno sentira che non vi sia difficultà, et che li grani costi puotranno valere bene, si come gliene ho assicurato, et che sara facil cosa, ... , che il ritratto de detti sui grani et altre robbe che conducesse possa ricavare da costi in tanti Reali effetivi et cossi credo che fara benissimo la Serenissima Republica di concedere, per levare la diffidenza in tutti questi marinai..."
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vorhandenen Schwierigkeiten der holländischen Schiffer und Kaufleute hin, über die Genueser Geschäftspartner an die unbedingt erforderlichen Silberstücke zu gelangen.161 Mit Sicherheit standen diese Schwierigkeiten in kausalem Zusammenhang mit dem Abschneiden der Holländer von den spanischen Silberflüssen seit 1621. In der Zeit des Waffenstillstandes war es ihnen gelungen, sich über den Wollhandel und die Vermittlung der Warenpalette Sevillas und Lissabons in die Edelmetallströme zwischen Spanien und Italien einzuschalten. 162 Die Schlüsselstellung der Holländer auf diesem Gebiet bildete seit 1609 die Grundlage für die Handelsexpansion der niederländischen Kaufleute im gesamten Mittelmeergebiet. Der Ausfall dieser Silberzufuhr mußte automatisch ihre Stellung in der Levante in Frage stellen. Die Sorge Bartolottis war von daher also mehr als fundiert. 163
161
Über die Besitzverhältnisse der Schiffe, die die Genueser Schießpulverbestellungen transportierten, wird in den Quellen leider keine Mitteilung gemacht. Auch über den Absender des Getreides enthält die Korrespondenz keine Angaben. Bartolotti bezog sich in seinen Ausführungen stets auf die Kapitäne, so daß der Eindruck entstand, sie gingen quasi auf eigene Rechnung auf Fahrt. Sicherlich kam ihnen jedoch in Bezug auf die handelstechnischen Aspekte vor Ort ein großer Entscheidungsspielraum zu. Im Interesse einer erfolgreichen Handelsfahrt war es für die Reeder und Befrachter im Heimathafen deshalb von ausschlaggebender Bedeutung, über versierte und treu ergebene Kapitäne zu verfügen. Siehe hierzu auch: S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.153 ff und R. P. Jackson, "From Profit-Sailing to Wage-Sailing: Mediterranean Own-Capitains and their Crews During the Medieval Commercial Revolution", in: JEEH 18(1989), S.605-628. Dieser Aspekt des Fernhandels ist noch wenig untersucht. 162 Siehe: J.I. Isarel, Dutch Straatvaart, S.12 ff. Zu den Auswirkungen auf den spanischen Wollhandel siehe: Ders., "Spanish Wool Exports and the European Economy, 1610-1640", in: EHR 33(1980), S.193-211 und C. Rahn Philipps, "The Spanish Wool Trade 1500-1780", in: JEH 42(1982), S.775-797. Zu den anscheinend nutzlosen Tarnungsversuchen der holländischen Schiffer siehe: H. Kellenbenz, Spanien, S.315. Zu den Auswirkungen dieses Verbotes auf die Genuafahrt siehe: E. Grendi, Traffico e navi, Tab.8 (S.324). 163 Zum Hauptzahlungsmittel in der Levante und im Osmanischen Reich, den spanischen Silberrealen, siehe: H. Wätjen, Niederländer, S.118; A. Attman, "Precious Metals and the Balance of Payments in International Trade 1500-1800", in: W. Fischer/R.M. Mclnnis/J. Schneider, Emergence of World Economy, Bd.I, S. 113122; ders., The Bullion Flow between Europe and the East 1000-1750, Göteborg 1981, S.30-58; K.N. Chaudhuri, The Monetary and Currency Problems of European Trade with Asia during the 17th and 18th Centuries", in: V. Barbagagli Bagnoli (Hrsg.), La moneta nell'economia europea sec. Χ ΙΠ-Χ νίΠ, Prato 1981, S.699-732;
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Inwieweit diese Schwierigkeiten über die allgemeine handelspolitische Situation hinaus auch im konkreten Verhalten der Genueser Geschäftswelt begründet lagen, führte er leider nicht näher aus. Sein Beharren auf diesem Punkt läßt aber auf schlechte diesbezügliche Erfahrungen der Holländer schließen, die sich in den 20er Jahren vielleicht zeitweise mit den negativen Folgen eines konkreten Silbermangels in Genua, eventuell in Folge der Auflösung der Piacenzamessen in ihrer bisherigen Form und den dementsprechenden Vermeidungsstrategien Genueser Kaufleute, oder anderen negativen Entwicklungen auf diesem Sektor konfrontiert gesehen haben könnten. 164
F.C. Spooner, "Venice and the Levant: An Aspect of Monetary History (16101614)", in: Studi in onore di A. Fanfani, Bd.V, S.643-669. G. Giachero, Il Seicento, S.318 (Anmerkung 27), stellt die Hypothese auf, daß 1625 der Genueser Silberscudi zu 4 Lira mit dem spanischen Piaster gleichzustellen sei, obwohl der 38,394 gr schwere Scudi (mit einem Silbergewicht von ca. 36,78 gr) vom Edelmetallgehalt kaum dem leichteren Piaster zu 27,06 gr (24,81 gr Silbergehalt) entsprechen konnte. Seit 1631 ersetzte der Silberscudi den Scudo di Marco als Genueser Rechnungseinheit auf den Messen. Da es sich beim Silberscudo (seit 1595 "con la corona" geprägt) jedoch um eine reale Münze handelte, die den inflationären Entwicklungen in weit größerem Maße unterlag, komplizierten sich die Verhältnisse um diese "intermonetäre Einheit". Siehe: J. G. Da Silva, Banque et crédit, S.293 f. 164 Zur Auflösung der Genueser Wechselmessen siehe: F. Braudel, Jahrhundert der Genuesen, S.457 f; G. Mandich, Fiere cambiarie, S. 123-153; J.-G. Da Silva/R. Romano, Histoire des changes, S.715-721. Zu den konkreten (positiven) Auswirkungen der Messeaktivitäten auf das Genueser Wirtschaftsleben siehe: J.-G. Da Silva, Forza-lavoro, S.945-977. Zu den in den 20er Jahren vor allem im Zusammenhang mit den Kriesgeschehnissen auftretenden inflationären Tendenzen und monetären Wirren in Genua siehe: Ders., Banque et crédit, S.348 ff; G. Giachero, Il Seicento, S.292; G. Felloni, "Finanze statali, emissioni della moneta ed alterazioni della moneta di conto in Italia nei secoli XVI-XVIII", in: V. Barbagali Bagnoli, Moneta, S.197-222. Zu den spanischen Silber- und Goldeingängen in Genua vgl.: J.-G. Da Silva, Banque et crédit, S. 171 und G. Giachero, Il Seicento, S.284. Trotz der prekären Quellenlage kann angenommen werden, daß insbesondere die Jahre 1622-1625 durch niedrigere Gold- und Silberlieferungen charakterisiert wurden. Hinzu kam der größere Finanzbedarf wegen der Kriegsereignisse. Außer der Behandlung von monetären Einzelaspekten existieren leider keine weiteren spezifischen Untersuchungen zu diesem Themenkomplex. Auch über etwaige Maßnahmen, die einem Abfluß der Edelmetalle entgegenwirken sollten, existieren keine Informationen. Bei den oben gemachten Überlegungen handelt es sich deshalb um eine reine Hypothese, die sich einzig auf die aus den Briefen Bartolottis gezogenen Impressionen stützt.
6. Hamburger Konkurrenz
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6. Die Hamburger Konkurrenz. Marktinformationen der Maggioli & Lazagna aus Antwerpen Die von Bartolotti verschifften Schießpulvermengen scheinen laut der Genueser Einlagerungsunterlagen des Jahres 1626 im großen und ganzen unversehrt an den Bestimmungsort gelangt zu sein. 165 Komplikationen beim Transport des bestellten Gutes, die den positiven Ausgang dieses Geschäftes in Frage gestellt hätten, waren aber angesichts der Kriegssituation nicht von vornherein auszuschließen. Konkrete Zweifel am glücklichen Ausgang des Amsterdamer Geschäftsabschlusses meldeten im November 1625 die Genueser Handelsherren Maggioli und Lazagna aus Antwerpen an: "... wir sagen Euch lediglich, daß wir Zweifel hegen, ob Ihr bedient werden könnt, weil nach unserer Einschätzung die Schiffe Hollands nicht wagen, dorthin zu fahren, da sie die spanischen Galeeren fürchten, die in diesen Meeren holländische Schiffe aufgebracht haben und aufbringen, und deshalb wollen sie einzig nach Livorno fahren, und dies auch nur unter großen Schwierigkeiten, wir werden nun sehen, was Euch der Bertolotto zufügen wird, und sei es Euch von Nutzen, daß wir über sehr gute Möglichkeiten verfugen, jegliche Kriegsschiffe über Hamburg zu besorgen, wo man große Mengen dieses Pulvers fertigt, ... und wir betreiben damit andauernd Geschäfte nach Spanien, was Euch als Information diene . . . " 1 6 6
165
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Einlagerungsunterlagen vom 25. Februar 1626 (über 400 Faß), 21. April 1626 (über 600 Faß) und 4. August 1626 (über 500 Faß). Diese Pulverlieferungen waren vermutlich der Anfang einer Reihe von Salpeterbestellungen der Republik in den Niederlanden. Weitere Lieferungen aus "Flandern" sind für die Jahre 1638 und 1640 bezeugt. Da in den Quellen lediglich der Terminus "delle Fiandre" erscheint, der sowohl auf die südlichen als auch auf die nördlichen Niederlande bezogen wurde, kann nicht entschieden werden, ob die Lieferungen aus Antwerpen oder aus Amsterdam stammten. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 169 (Cartulario della Polvere). Vgl. auch: J.I. Israel, Dutch Straatvaart, S.25. 166 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Auszug des Briefes der Lorenzo Maggioli & Jacopo Lazagna vom 14. November 1625 (Kanzleikopie ohne Adressaten): "... solo vi diciamo che stiamo in dubbio se potrete restar serviti perchè secondo intendiamo le navi di Ollanda non osano venir costì temendo delle gallere di Spagna che sono in costì mari che han preso e van prendendo le navi di Ollanda, e però non vogliono andar che a Livorno, et anco con gran difficultà, staremo hora vedendo quello vi dolverà da Bertolotto e servavi che noi haveremo bonissima commodità di provedervi ogni bastimento di guerra per via di Amburgo, ove si fabrica gran qualità di essa polvere, ... e noi ne facciamo continue compere per Spagna che vi serva di aviso ..."
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V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
Laut dieser Einschätzung würden es die holländischen Schiffe momentan nicht wagen, nach Livorno, geschweige denn nach Genua, zu segeln. Maggioli und Lazagna boten deshalb ihre Dienste als Rüstungshändler an. Nach eigenen Angaben unterhielten sie in Antwerpen ständige Handelsbeziehungen zum Hamburger Militärgütermarkt und verkauften die dort erworbenen Waren nach Spanien. Auch den Transport der Kriegsgüter könnten sie problemlos gewährleisten, weil sie sich Hamburger Schiffe bedienten. Das Handelshaus Maggioli & Lazagna unterbreitete der Republik Genua also ein Rüstungsangebot. Um zu demonstrieren, daß der Hamburger Markt durchaus mit dem Amsterdamer Warenkaufhaus konkurrieren konnte, stellten sie einen Preis vergleich an. Nach letzten ihnen verfügbaren Informationen betrug der Preis für Geschützpulver in Hamburg 65 Mark lüb. pro Zentner. Für musketentaugliches Pulver mußten 70 Mark veranschlagt werden. Umgerechnet entsprach dies einem Gegenwert von 52 und 56 Gulden. 167 Sie betonten, daß die Nebenkosten in Hamburg erheblich geringer seien und daß die Gewichte im Vergleich zu Amsterdam einen Vorteil von 8% aufwiesen. 168 Dem167
Ebenda. Laut Umrechnung der Maggioli & Lazagna war eine Hamburger (Banko-)Mark 16 holländische Stüver wert. Diese Relation deckt sich mit den Ergebnissen der Forschung. Vgl.: J.J. McCusker, Money and Exchange, S.44, S.63. 168 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Briefkopie der Maggioli und Lazagna vom 14. November 1625. Das Amsterdamer Pfund wog 495 g, der Zentner (zu 100 Pfund) 49,5 kg. 8% Vorteil schlugen demnach mit 3,96 kg ins Gewicht, so daß dem Hamburger Zentner 53,46 kg entsprochen hätten. Das alte hamburgische Pfund wog 484,12 g. Der Zentner (zu 112 Pfund) konnte in Hamburg je nach Pfundbasis zwischen 51 und 54 kg variieren. Lediglich der zweite Wert kommt den Angaben der Maggioli & Lazagna nahe, so daß sie vom schweren Zentnergewicht ausgingen. Die Genueser Verwaltung rechnete mit einem Gewicht, das dem leichten Zentner (also 51 kg) entsprach. Der Gewichtsvorteil zu Amsterdam betrug in diesem Fall lediglich 3%. Gegenüber dem Genueser Cantara (47,65 kg) wies der leichte Zentner einen Vorteil von 7%, der schwere Zentner eine Differenz von 13% auf. Siehe auch: F. Wielandt, "Münzen, Gewichte und Maße bis 1800", in: G. Aubin/Zorn (Hrsg.) Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd.I, Stuttgart 1971, S.614; M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.408; H. Witthöft, Umriße einer historischen Meterologie zum Nutzen der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Forschung. Maß und Gewicht in Stadt und Land Lüneburg, im Hanseraum und im Kurfürstentum/Königreich Hanover vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, Göttingen 1979, S.77 ff, S.99 ff; H. Kellenbenz, "Quintal und Zentner. Die Begegnung zwischen Mittelmeer und Mitteleuropa im Bereich der Maße", in: H. Witthöft/J.C. Hoquet/I. Kiss (Hrsg.), Metrologische Strukturen und die Entwicklung der alten Maßsysteme. Handel und Transport - Landmaß und Landwirtschaften - Territorien, Staat und Politik der Maßvereinheitlichung, St. Katherinen 1988, S.49-61.
6. Hamburger Konkurrenz
191
nach lag der effektive Preis für Hamburger Schießpulver umgerechnet bei höchstens 48-51,5 Gulden: Ein Niveau, das in etwa den Amsterdamer Konditionen entsprach. 169 Wie Maggioli & Lazagna schrieben, war das Hamburger Pulver zudem von erheblich feinerer Konsistenz, d.h. von besserer Qualität. Das Preisniveau für Salpeter lag in Hamburg momentan bei 21-23 Reichstalern, umgerechnet 50,5-55 Gulden. 170 Unter Berücksichtigung des 8%igen Gewichtsvorteils kostete Salpeter auf dem Hamburger Markt höchstens 4651,5 Gulden. Auch diese Ware konnte mit dem Amsterdamer Warenangebot konkurrieren. Als weitere Marktinformation berichteten Maggioli und Lazagna von den außerordentlich großen Herstellungskapazitäten Hamburgs für eiserne Kanonenkugeln, die pro Hamburger Schiffspfund ca. 16 Mark lübisch (umgerechnet 12 Gulden 16 Stüver) kosteten.171 Als versierte Spanienhändler 169
Diese Angabe bezog sich lediglich auf den 8% igen Gewichtsvorteil und berücksichtigte keineswegs die niedrigeren Nebenkosten, über die Maggioli & Lazagna keine quantifizierbaren Angaben machten. Das Preisniveau in Amsterdam betrug im Oktober 1625 50 fl. 170 1 Rtl. entsprach laut ihren Angaben 8 fläm. Schillingen. Auch diese Information deckt sich mit den Ergebnissen der Forschung, die von einem Währungsverhältnis von 1 Pfund flämisch = 2,5 Reichstalern = 7,5 Mark lübisch ausgeht. Siehe: J.J. McCusker, Money and Exchange, S.63. Ein Reichstaler machte folglich den Gegenwert von 48 Stüvern (oder ca. 2,4 fl) aus und entsprach somit in etwa dem Wert eines spanischen Piaster. Bemerkenswert ist bei diesen Umrechnungsrelationen der Bezug zur Antwerpener Rechnungseinheit. Trotz der Handelskontakte zwischen Hamburg und Genua (im Zusammenhang mit den Geteidelieferungen seit den 90er Jähen des 16. Jahrhunderts) bestanden in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts offenbar keine direkten Wechselrelationen zwischen beiden Handelsplätzen. Ein weiterer Beleg dafür, daß Hamburgs Austauschbeziehungen mit dem Mittelmeerraum auch weiterhin vorrangig (neben Frankfurt und Nürnberg) über Antwerpen liefen. 171 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Briefkopie der Maggioli & Lazagna vom 14. November 1625: "... Li si fabrica grandissima quantità di balle di ferro assortiti di differenti pesi li vendono marchi 16 incirca il Schipont che sono fiorini 12.16 e detto Schipont è poco meno di tre cantari ..." (Übersetzung: "... Dort stellt man große Mengen Eisenkugeln her sortiert nach verschiedenem Gewicht verkaufen sie diese für ca. 16 Mark das Schiffspfund, was 12.16 fl sind und jenes Schiffspfund ist etwas weniger als drei Cantara ..."). Da das Hamburger Schiffspfund nach Angaben der Sekundärliteratur 135,6 kg wog, und der Genueser Cantara 47,65 kg entsprach, war ihre Umrechnung als korrekt anzusehen. Vgl.: Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.413 und H. Witthöft, Metrologie, S.106 ff. Allerdings ging man anläßlich des Hamburger Geschäftsabschlusses in Genua von einem Umrechnungsverhältnis aus, das einem Schiffspfund nur 400 Libbre (ca. 127 kg) zuordnete.
192
V. Amsterdamer Schießpulverlieferungen
waren Maggioli & Lazagna selbstverständlich auch über die Konditionen des Hamburger Getreidemarktes bestens informiert. Der Weizenpreis betrug ihres Wissens zur Zeit 86 Reichstaler (34.10 Pfund fläm.). Der Roggenpreis stand auf 80 Reichstaler (32 Pfund fläm.) pro Last. Auch für diese Warenkategorie mußten der Gewichtsvorteil von 8% sowie die geringeren Nebenkosten gegenüber Amsterdam unbedingt berücksichtigt werden. Trotzdem lag das Hamburger Preisniveau für Getreide erheblich über den holländischen Angeboten. 172 Wie die Handelsherren betonten, liefen die Waren auf Hamburger Schiffen keine Gefahr, von spanischen Flottenverbänden aufgebracht zu werden. Allerdings machten Maggioli & Lazagna über die Frachtkosten in der Hansestadt verständlicherweise keine Angaben.173 Neben der europazentralen Amsterdamer Bezugsquelle für militärrelevante Güter trat somit der zweite internationale Rüstungsmarkt in den Horizont der Genueser Administratoren, falls man zuvor von dieser Versorgungsmöglichkeit wirklich nicht informiert war. Angesichts der großen Beteiligung von Genueser Handelshäusern, wie den Maggioli, Campomenoso, Dorchi, Serra, Moneglia u.a., an Kriegsgütergeschäften zwischen Antwerpen, Hamburg und Spanien ist es erstaunlich, daß man die norddeutsche Bezugsquelle von vornherein ignoriert und sich stattdessen an die Balbi in Amsterdam gewandt hatte. 1 7 4 Anscheinend waren die Aktivitäten der Genueser Rüstungshändler in Antwerpen weitgehend vom Handel mit der Heimatstadt isoliert und allein auf den Austausch zwischen Hamburg, den südlichen Niederlanden und Spanien ausgerichtet. Auch politische Affinitäten zählten im Zusammenhang mit diesen Geschäften offenbar nur wenig. Schließlich stand Hamburg enger mit der 172
Umgerechnet auf Gulden käme man auf einen Hamburger Weizenpreis von 206 fl und einen Roggenpreis von 192 fl pro Last. Den ca 8%igen Gewichtsvorteil abgerechnet kostete der Weizen ca. 189 fl, Roggen ca. 176 fl. Im Vergleich dazu gab Bartolotti den Weizenpreis in Amsterdam mit höchstens 170 fl, den Roggenpreis mit maximal 110 fl pro Last an. Die Last Weizen wog ca. 2,5 t, die Last Roggen ungefähr 2,4 t, Gerste 2 t, Hafer 1,4 t, Bohnen 3,1 t. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.404. 173 Im Vergleich zum Amsterdamer Transportsektor lagen die Hamburger Frachtraten bekanntlich auf einem erheblich höheren Niveau. Der Warenpreisvorteil Hamburgs mußte also von diesem Kostennachteil aufgesogen werden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß Maggioli & Lazagna keine quantifizierbaren Angaben zu den Frachtraten machten und lediglich die größere Sicherheit der Hamburger Transporte betonten. 174 Zu den Genueser Rüstungshändlern in Antwerpen, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird, vgl. an dieser Stelle nur: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.215 ff; G. Doria, Conoscenza del mercato, S.96; V. Vazquez de Prada, Uomini d'affari, S.257 f.
6. Hamburger Konkurrenz
193
spanischen Einflußsphäre, zu der Genua gehörte, in Verbindung als das eindeutig spanienfeindliche Amsterdam. Jedenfalls bestand über das Handelshaus Maggioli & Lazagna ein konkreter Ansatzpunkt, sich an die Hamburger Konkurrenz zu wenden. Die Handelsherren Maggioli & Lazagna fungierten in Antwerpen seit 1622 als offizielle Korrespondenten des Genueser "Ufficio d'Abbondanza", kümmerten sich also um die Getreidelieferungen für die Mittelmeerstadt.175 Die Marktinformationen dieses Handelshauses vom 14. November 1625 sind in diesem Zusammenhang um so bemerkenswerter, da Lorenzo Maggioli bekanntlich ein Neffe der Balbi war und mit diesen in Geschäftsbeziehungen stand. Die Initiative der Maggioli & Lazagna könnte in direktem Zusammenhang mit den anscheinend getrübten Beziehungen zwischen Lorenzo Maggioli und den Balbi stehen, da die Antwerpener Rüstungshändler den Balbi gewissermaßen Konkurrenz machten. Auf das Rüstungsangebot der Maggioli & Lazagna wurde von Genueser Seite jedoch nicht eingegangen.176 Vermutlich spielten die politischen Machtverhältnisse in Genua hierbei eine Rolle. Angesichts der von diesem Antwerpener Handelshaus nach Genua geschickten Informationen war es aber sicherlich kein Zufall, daß sich die Republik Genua im Dezember 1625 über Tobia Negrone und Francesco Serra nach Hamburg wandte, um umfangreiche Rüstungsbestellungen aufzugeben.
175
Siehe: E. Grendi, Nordici, S.43. Die Maggioli werden außerdem in der Liste der Anfang des 17. Jahrhunderts führenden europäischen Handelshäuser genannt. Siehe: C. Dalhede, Augsburger Quellen, S.522. 176 Zu den Geschäftsbeziehungen zwischen Lorenzo Maggioli, Jacopo Lazagna und den Balbi, die eng mit den Maggioli verwandt waren, siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.218 ff und H. Pohl, Portugiesen, S.268 f. Außerdem war Maggioli durch die Heirat eines seiner Söhne mit einer Tochter Jan Paolo Dorchis mit dieser wichtigen Antwerpener Familie verschwägert. 1641 gehörte Maggioli zu den größten Schuldnern dieses Bankhauses. Zur Beteiligung der Maggioli an den spanischen Asientos siehe: H. Lapeyre, Simon Ruiz, S.98. Zu den Lazagna siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.222 und C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S.110 f. 13 Zunckel
VI. Die Munitionsbestellungen der Republik Genua in Hamburg 1625-1628 1. Der Inhalt des Rüstungsgroßauftrages und der Verlauf des Geschäftes Im Gegensatz zum Amsterdamer Geschäftsabschluß hatte der Hamburger Rüstungsauftrag nicht den erhofften positiven Ausgang aufzuweisen. Die Verknüpfung einer Reihe von Ereignissen und Umständen führte zu mannigfaltigen Verwicklungen und Schwierigkeiten, die den Geschäftsverlauf komplizierten und in die Länge zogen. Schließlich gelangten die bestellten Güter nie an ihren Bestimmungsort, sondern mußten in Hamburg wieder verkauft werden. Neben dem Ausfall der dringend benötigten Kriegsgüter und trotz des realisierten Reingewinns von 5%, der sich aus dem Verkauf der Waren ergab, erwies sich die Bestellung von Militärgütern in Hamburg für die Republik Genua als Verlustgeschäft. Die Vorkommnisse um den gescheiterten Großauftrag können durchaus als negativer Präzedenzfall gewertet werden, der dazu beitrug, die potentiellen Chancen der Hansestadt zur Anknüpfung stabiler Handelsbeziehungen mit Genua auf längere Zeit stark herabzusetzten. Sowohl die allgemeine politisch-militärische Situation zum Zeitpunkt des Munitionsgeschäftes als auch die Strukturen des Hamburger Handels ließen keine positive Einschätzung des Hamburger Marktes zu. Speziell die Gegebenheiten auf dem Transportsektor stellten sich den Genueser Beobachtern in einem überaus ungünstigen Licht dar. Außerdem schien die hansestädtische Kaufmannschaft an risikoreichen Beziehungen zu Italien nur wenig interessiert. Die Hamburger Handelshäuser orientierten sich in dieser Zeit eher nach Amsterdam, Antwerpen, Spanien und Portugal. Die Verkettung von Schwierigkeiten und Komplikationen, die die Mobilisierung aller der Republik zugänglichen Kontakte erforderlich machte, führte dazu, daß sich zur Klärung des Sachverhaltes eine Vielzahl von Dokumenten, wie Geschäftsbriefe, Gutachten, Gesandtschaftskorrespondenzen, eidesstattliche Erklärungen, Belege finanzieller Nachforschungen, Versicherungsunterlagen, Abrechnungen etc., in den Händen der Genueser Finanzverwaltung konzentrierten, die schließlich in einer Akte zusammengefaßt wurden. Diese Ak-
1. Inhalt des Rüstungsgroßauftrages
195
te, die als in sich geschlossener Quellenbestand bezeichnet werden kann, ist glücklicherweise im Staatsarchiv Genua erhalten.1 Im folgenden soll der Geschäftsverlauf in seinen einzelnen Phasen skizziert werden, um angesichts der komplexen Sachverhalte eine Orientierungslinie zu liefern und das Quellenmaterial in verschiedene Analyseuntergruppen aufzuteilen.2
1. Geschäftsphase (Dezember 1625 bis Sommer 1626)
Am 29. Dezember 1625 beauftragte die Genueser Finanzkammer den Kaufmann Thobia Negrone mit dem Einkauf einer großen Menge Kriegsgüter in Norddeutschland bzw. Hamburg. Zu diesem Zweck sollte er sich an europaweit operierende Geschäftsleute wenden, die er hierfür am meisten geeignet hielt. Angesichts des hohen Stellenwertes des militärrelevanten Großauftrages hatte er nach Weisung der Republik besonders darauf zu achten, daß es sich bei den ausgewählten Kaufleuten um achtbare und vertrauenswürdige Personen handelte, die einen geordneten und reibungslosen Ablauf des Geschäftes gewährleisten konnten, damit der Republik Genua keinesfalls Schaden entstünde. In Bezug auf die Zahlungsmodalitäten verpflichtete sich Genua, alle anfallenden Tratten über Thobia Negrone (oder seinen Beauftragten) zu begleichen. Falls dies mit Verspätung geschehen sollte, hatte die Republik für den Zins aufzukommen. Eventuelle Kreditmargen, die Thobia Negrone aus der Antizipation der Zahlungen entstehen konnten, sollten an die Republik weitergegeben werden. Die Trattenbewegungen waren über die Plätze Antwerpen, Nürnberg-Venedig und Piacenza vorgesehen. Beim Eintreffen der Ware in Genua stand Thobia Negrone eine Provision (1 % auf den Waren- und den Transportwert) zu.3 Die Rolle dieses Kaufmanns beschränkte sich offenbar auf eine reine Vermittlerfunktion. Im weiteren Geschäfts verlauf fand er keine Erwähnung mehr. Mit der Sache wurde Francesco Serra betraut, dem 1
Diese ca. 170 Einzeldokumente finden sich unter der Signatur: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni). 2 Die schematische Grobaufteilung des Quellenmaterials richtete sich nach den Geschäftsphasen. Bei der thematischen Behandlung des Rüstungsgeschäftes konnte diese Unterteilung aus strukturellen Erfordernissen nicht immer eingehalten werden. 3 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), "Convenium inter Cameram Illustrissimam ex una, et Magnificum Thobiam Nigronum ex altera partibus. Super quarundam bellicarum munitionum emptione. Cumfideiussionem Magnifici Francisci Serrae" (Kopie des Orginalvertrages vom 29. Dezember 1625). Verhandlungsbeauftragte für die Republik waren Domenico Centurione und Giovanni Ambrosio Casella. Notariell beglaubigt wurde das Dokument durch Andrea Dulmeta, Francesco Pontremoli und Franco Bagnasco. 13*
196
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
die volle Verantwortung und Haftung für die Realisierung dieses außerordentlich großen Staatsauftrages zugesprochen wurden. Francesco Serra knüpfte die Kontakte nach Norddeutschland. Er war der Korrespondent der Hamburger Kaufleute, zeichnete für die reibungslose Bezahlung der Güter verantwortlich und fungierte als Ansprechpartner für die Republik Genua. Wie im Geschäftsvertrag genauestens festgelegt wurde, sollte die Munition von handelsüblicher Qualität sein und möglichst auf drei Schiffe geladen werden. Sobald es die klimatischen Verhältnisse der nördlichen Gefilde zuließen, hatten die Schiffe die Fahrt nach Genua oder Livorno anzutreten. Dies müßte nach Information der Genuesen Ende März bis Mitte April der Fall sein, wenn die Gewässer eisfrei wären. Im einzelnen bestellte die Finanzkammer: 1. 1000 Faß feines Schießpulver, wovon die eine Hälfte musketentauglich, die andere Hälfte für Kanonen verwendbar sein mußte. Jedes Faß sollte ungefähr sechs Genueser Rubbi wiegen.4 2. 1500 Faß zweifach gesottener Salpeter, der möglichst rein, d.h. ohne salzige oder fetthaltige Rückstände zu sein hatte.5 3. Ca. 2000 Genueser Cantara eiserne Kanonenkugeln, aufgeteilt in verschiedene Qualitäten. Die Kugeln sollten nach den gängigen Regeln dieser Kunst gefertigt sein, eine schön gerundete Form aufweisen und ohne Grat oder Widerstände sein, um die Geschütze nicht zu beschädigen.6 4. 100 Packen Lunten (zu jeweils 9 Genueser Rubbi), die feuertauglich, möglichst dünn und trocken sein sollten.7 4
Ebenda. Einem Rubbo entsprachen 7,9416 kg. Es wurden also 1000 Genueser Cantara (47.650 kg) bestellt. Die Genueser Kammer wies für alle in der Bestelliste verwandten Maßeinheiten extra darauf hin, daß es sich um Genueser Gewichte handelte. Um Mißverständnisse zu vermeiden, hatte man Thobia Negrone Maßtabellen an die Hand gegeben, die mit den Hamburger Einheiten zu konfrontieren waren. 5 Ebenda. Jedes Faß sollte 6 Genueser Rubbi wiegen, so daß insgesamt 1500 Cantara Salpeter in Hamburg bestellt wurden. 6 Ebenda. Die Bestellung von insgesamt ca. 94.000 kg wurde unterteilt in: - 1000 Kugeln zu 12 #: 12.000 # - 1000 Kugeln zu 13 #: 13.000 # - 600 Kugeln zu 16 #: 9.600 # - 1400 Kugeln zu 18 #: 25.000 # - 5000 Kugeln zu 25 #: 75.000 # - 1500 Kugeln zu 30 #: 45.000 # - 500 Kugeln zu 40 #: 20.000 # - 2000 Kugeln zu 48 #: 96.000 # 7 Ebenda. 9 Rubbi entsprachen 1 1/2 Genueser Cantara oder ca. 71,5 kg. Es handelte sich insgesamt um die Bestellung von 7150 kg Lunten.
1. Inhalt des Rüstungsgroßauftrages
197
Preisrichtlinien waren bereits vorher ausgehandelt worden. Im übrigen vertraute man der Ehrlichkeit des Kaufmanns.8 In Bezug auf die Warenvielfalt und die Größenordnung der bestellten Mengen übertraf der Hamburger Rüstungsgroßauftrag den Amsterdamer Geschäftsabschluß um einiges.9 Den Kontakt nach Hamburg stellte Francesco Serra über Antwerpen her, ohne daß die Republik Genua über das konkrete Vorgehen und die Geschäftsbeziehungen ihres Beauftragten von vornherein informiert gewesen wäre. Durch die Vermittlung seines dortigen Genueser Geschäftsfreundes, Jan Paolo Dorchi, fiel die Wahl Serras auf den in Hamburg ansässigen Kaufmann niederländischer Abstammung, Hans de Hertoghe, der in engen Geschäftsbeziehungen zu Dorchi stand.10 Bereits am 25. Januar 1626 bestätigte Hans de Hertoghe den Eingang der Bestellung und informierte seinen neuen Geschäftspartner Serra in der sich anschließenden Korrespondenz über die pünktliche Erledigung des Munitionseinkaufes, der im großen und ganzen den Genueser Bedingungen und Wünschen entsprach. Im Mai 1626 kam es zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten, die das Auslaufen der Munitionsschiffe in Hamburg unmöglich machten: Holländische, englische und dänische Schiffe kontrollierten auf unabsehbare Zeit die Elbmündung, um die nach Spanien gerichteten Kriegsgüterkonvois der Hansestadt Hamburg zu unterbinden. Unter dieses Embargo fielen nach Ermessen der Alliierten auch die für Genua bestimmten Waren. Alle Interventions versuche fruchteten nichts. Im Frühsommer 1626 mußten die Rüstungsgüter ausgeladen werden. Im Juli 1626 wurde Hans de Hertoghe zur Bezahlung eines Drittels der Frachtrate verurteilt. Mit der Blockierung der für Genua bestimmten Güter kann die erste Geschäftsphase im Sommer 1626 als abgeschlossen angesehen werden. Als Hauptbeteiligte traten zunächst lediglich Francesco Serra und Hans de Hertoghe auf. Die Geschäftskorrespondenz beinhaltet wertvolle Informationen über den Hamburger Markt für Kriegsgüter. Auf Grund der Transporthindernisse und aller damit in Verbindung stehenden
8
Ebenda. Die vorher vereinbarten Preisrichtlinien wurden leider nicht angegeben. Es wurde lediglich auf die diesbezüglichen Akten der Kanzlei verwiesen, die sich vermutlich auf die aktuellen Marktinformationen der Maggioli & Lazagna vom November 1625 stützten. 9 Bei Bartolotti wurden lediglich 1500 Zentner Schießpulver bestellt. 10 Zur Vermittlung des Geschäftes über Dorchi, von der die Republik erst später durch Luzio Moneglia unterrichtet wurde, siehe: Ebenda, Brief Luzio Moneglias vom 5. März 1627 sowie Kompromiß vom 28. Februar 1627. Einen ersten diesbezüglichen Verdacht äußerte Lelio Levanto in seinem Schreiben vom 20. Februar 1627.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Schwierigkeiten kann darüber hinaus die handelspolitische Situation der Hansestadt Hamburg Mitte der 20er Jahre näher beleuchtet werden.11
2. Geschäftsphase (Sommer 1626 bis Juni 1627)
Die Vorkommnisse um die Handelsblockade riefen natürlich die privaten Genueser Versicherer auf den Plan, denen neben der Republik Genua die Entscheidungsgewalt in diesen Fällen oblag, denn die Versicherer hatten für alle etwaigen Schäden aufzukommen. Weit entfernt vom Ort des Geschehens, übten sie in Genua großen Druck auf Serra aus, die Kriegsgüter endlich einzuschiffen. Zweifel über die Vertrauenswürdigkeit de Hertoghes kamen auf, so daß Francesco Serra in großer Sorge an Jan Paolo Dorchi schrieb, um ihm offiziell die Entscheidungsgewalt über die festliegenden Bestellungen zu übertragen. Dorchi war seiner Meinung nach näher am Ort des Geschehens und konnte in Kenntnis der Sachlage schneller und angemessener entscheiden. Ein dementsprechendes Schreiben ging auch nach Hamburg an Hans de Hertoghe, der angewiesen wurde, alle Befehle Dorchis auszuführen und das zu Tarnungszwecken auf Eigeninitiative und auf Serras Rechnung erworbene Getreide möglichst schnell zu verkaufen, bevor die Zerealien wegen der Lagerzeit Schaden nähmen. Diese Anweisungen Serras, von denen man in Genua nicht unterrichtet war, sollten später die rechtliche Basis für die Beschlagnahme der 11
Die Korrespondenz umfaßt im einzelnen folgende Briefe: 1. Drei Briefe Francesco Serras an Hans de Hertoghe (24. Juni, 8. Oktober und 5. November 1626). 2. Acht Briefe de Hertoghes an Serra (25. Januar, 6., 17. und 24. Mai, 8., 9. und 19. Juli und 9. September 1626). Dem Brief vom 8. Juli lag die am 23. Juni 1626 notariell beglaubigte Gesamtabrechnung (plus Umrechnungstabellen) sowie eine Liste über die Tratten in Nürnberg, Antwerpen und Frankfurt bei. Außerdem war eine Aufstellung der Transaktionen zwischen Jan Paolo Dorchi und Francesco Serra angefügt. 3. Ferner sind folgende Dokumente für diese Geschäftsphase relevant: - Drei Frachtbescheinigungen (10. Juni und 2. Mai 1626) sowie die diesbezüglichen Versicherungspolicen (April 1626). - Drei öffentliche Kreditausschreibungen für die Bezahlung der Rüstungsgüter (16. Juni, 16. Juli und 29. August 1626). - Eine Erklärung (de jure) des Hamburger Senats über die Auslaufschwierigkeiten und der Urteilsspruch über die Bezahlung eines Teils der Frachtgebühr durch de Hertoghe (19. Juli 1626) sowie eine weitere Erklärung des Senats über dessen Schuldlosigkeit bei den Vorgängen um die Handelsblockade (19. August 1626). - Eine Anweisung der Versicherer, das Getreide zu verkaufen (5. September 1626), sowie die Ladebefehle (18. September, 9. und 31. Oktober 1626).
1. Inhalt des Rüstungsgroßauftrages
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Güter liefern und zu Mißverständnissen über den Verkauf eines Teils der Munition führen. 12 Trotz alledem lief die Bezahlung der Ware über die anvisierten Trattenbewegungen planmäßig weiter, so glaubte und hoffte man jedenfalls in Genua und Hamburg. Im Sommer 1626 kam es zum Eklat. Die auf Serras Weisung in Frankfurt gezogenen Tratten waren ungedeckt. Später wurde festgestellt, daß einer der Hauptgründe allen Übels in den Spekulationsgeschäften Serras auf den internationalen Geld- und Wechselmärkten lag. Diese mißgückten Transaktionen, bei denen Serra auch einen Teil der von der Genueser Finanzbehörde vorgestreckten Gelder eingesetzt hatte, führten letztlich zu den Zahlungsprotesten. Hans de Hertoghe wurde als erster geschädigt. Dann meldete sich der eigentliche Hauptgläubiger aus Antwerpen an: Jan Paolo Dorchi. 2ur Begleichung dieser Schuld und anderer ausstehender Zahlungen aus Versicherungsgeschäften Serras in Antwerpen wollte er die Munition heranziehen, die offiziell auf Serras Namen ging. Dorchi beauftragte seine Hamburger Geschäftsfreunde, die Brüder Rudolf und Arnold Amsinck, die Munitionsbestände vorläufig unter ihre Verfügungsgewalt zu nehmen, bis die Schuldfrage geklärt wäre. Weil Francesco Serra die Entscheidungsgewalt über die Kriegsgüter zuvor an Dorchi übertragen hatte, konnte Hans de Hertoghe gegen dieses Vorgehen nichts einwenden. Verständlicherweise leistete die Republik Genua erbitterten Widerstand gegen diese Maßnahmen. Als man im Herbst 1626 die Verladung der Kriegsgüter und den Abtransport nach Genua zu erwirken suchte, stellte sich im November 1626 heraus, daß die Verfügungsgewalt über die Rüstungswaren nicht mehr bei den de Hertoghe, sondern bei den Amsinck lag, die die Interessen Dorchis vertraten.13 Als weitere Komplikation kam hinzu, daß Hans de Hertoghe inzwischen gestorben war und nun seine beiden Söhne, der federführende Cornells de Hertoghe und Johannes Baptista, die Geschäfte übernommen hatten. Die Beteuerungen Genuas, man hätte alle Tratten pünktlich bezahlt 12
Ebenda, Briefkopien Francesco Serras an Jan Paolo Dorchi und Hans de Hertoghe (24. Juni 1626) und Briefe Dorchis an Serra (26. Juni, 3. und 10. Juli 1626). 13 Lediglich auf dezidierte Nachfrage (2. November) erfuhr man von der Übergabe. Siehe: Ebenda, Brief der Erben Hans de Hertoghes an Genua vom 22. November 1626. Hierin schilderten sie den Gang der Dinge im Sommer 1626, ohne das genaue Übergabedatum anzugeben. Als rechtliche Grundlage wurde ein Brief Serras vom 2. Juli 1626 zu Grunde gelegt, der de Hertoghe anwies, den Anordnungen Dorchis Folge zu leisten. Derselbe Sachverhalt wurde nochmals am 30. Juli 1627 unter Eid, notarieller Beglaubigung und Fürsprache der Kaufleute Johannes Schröttering, Heinrich Smits, Abbondio Somigliano und Johann Baptista Pestalozzi geschildert. Diese Kaufleute verfügten offensichtlich über gute Beziehungen zu Italien.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
und mit den übrigen Aktivitäten und etwaigen Geschäftsunregelmäßigkeiten des Francesco Serra sowie den Forderungen Dritter an diesen Kaufmann rein gar nichts zu tun, fruchteten nicht. Auch die Interventionen der Republik beim Hamburger Senat hatten keinen Erfolg. Die Verfügungsgewalt über die Kriegsgüter war der Republik entzogen worden und blieb vorläufig bei den Amsinck. Ohne von den Finanzspekulationen Serras zu wissen, wähnte sich Genua voll und ganz im Recht. Das Fehlen geregelter und kontinuierlicher Beziehungen zwischen der Seerepublik und der Hansestadt machte die Lösung der Probleme vom fernen Genua aus unmöglich, so daß man sich dazu entschloß, einen Gesandten nach Hamburg zu schicken. Die Wahl fiel auf Lelio Levanto, der sich schon bei anderer Gelegenheit als versierter Diplomat erwiesen hatte 14 und außerdem mit der deutschsprachigen Welt in Verbindung stand: "... Die Durchlauchten Kollegien haben Euch dazu erwählt, sofort in diese Stadt Hamburg zu fahren mit jenen Instruktionen und Weisungen, die uns im Zusammenhang mit den oben genannten Dingen richtig schien, Euch zu geben; Zuversichtlich, da ihr Euch - man kann sagen - bereits auf der Reise befindet, und da ihr darüber hinaus über die Gebräuche und die Sprache in Deutschland informiert seid und die lateinische Sprache gut beherrscht sowie vorsichtig und geschickt handelt, wird jede Angelegenheit einen guten Ausgang nehmen ..." 1 5 Er verfügte also über einschlägige Erfahrungen, die ihn für die Erfüllung der Mission in "terra incognita" prädestinierten. 16 Er sollte der Republik 14
Zur Familie Levanto siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S.74 und E. Grendi, Profilo storico, S.76. Sie gehörten zu den "nobili nuovi". Wie die Akten der Genueser Regierungskammer belegen, befand sich Lelio Levanto im Frühjahr 1625 als Gesandter der Republik in Wien, um u.a. die Verkaufsmodalitäten der Grafschaft Zuccarello zu managen. In diesen Unterlagen wurde auch von einer früheren Mission Levantos beim Vatikan gesprochen. Siehe: A.S.G. Camera del Governo Nr. 159 (Atti). 15 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Instruktionen für Lelio Levanto vom 5. November 1626: "... li Serenissimi Colleggi han eletto Voi per andar subito nella sudetta città di Amburgo con quell'istruzione et ordini, che intorno le sudette cose, parevanno a Noi di darvi; Certi, che per esser già Voi, si può dire, in viaggio, e per esser anco informato delli usi, e lingue di Alemagna, e possedendo bene la lingua latina, et essendo prudente e destro ogni cosa si agirà con felice esito ..." 16 Die Republik bemühte sich um Empfehlungsschreiben für ihren Gesandten, die mit einer Reihe von Dokumenten nach Hamburg geschickt wurden. Siehe: Ebenda, Instruktionen für Lelio Levanto vom 5. Dezember 1626. Demnach stellte der niederländische Konsul in Genua, Hendrick Muilman, (!) eine an Pieter Juncker adressierte Empfehlung aus. Referenzen besorgte man sich auch bei Horatio Iridi, die an Abbondio Somigliano, Friedrich Coaner und Johannes Schröttering gerichtet waren.
1. Inhalt des Rüstungsgroßauftrages
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Genua zu ihrem Recht verhelfen und die Munition auslösen, denn Francesco Serra war, wie die Republik Genua immer wieder betonte, lediglich der Strohmann der Rüstungsbestellung und nur dem Namen nach am Geschäft beteiligt: "... und daß diese seine Magnifizenz Francesco an dieser Munition lediglich dem reinen Namen nach beteiligt ist, und daß diese in Wirklichkeit der Republik zukommt, "17
Am 18. Dezember 1626 war Lelio Levanto in Hamburg eingetroffen und machte sich an die Sondierung der Lage. Zunächst konnte er nicht viel zur Klärung des Sachverhaltes beitragen, weil sich die Beteiligten in Hamburg anscheinend auf Ratschlag des von ihnen hinzugezogenen bekannten Juristen aus Hamburger Kupferhandelskreisen, Rutger Ruland, mehr als verschlossen zeigten:18 "... indem sie den ganzen Tag Rat halten mit ihrem Anwalt Rutger Ruland, einer wirklich zentralen Figur, bekannt auf Grund seiner gedruckten Bücher, außer eben diesem sehe ich hier wenig Positives , . . " 1 9 Deshalb bat die Republik Genua im Februar 1627 Luzio Moneglia um Hilfe, der sich zu diesem Zeitpunkt in Antwerpen befand. Die Moneglia gehörten in Genua zur Fraktion der "nobili nuovi" und führten eines der größten Handelsunternehmen. Sie standen mit den Balbi in engen verwandtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen.20 Weil diese Familie mit den Verhält17
Ebenda: "... e che detto Magnifico Francesco non ha in dette munitioni solamente il nudo nome, e, che veramente spettano alla Repubblica, ..." 18 Rutger Ruland stammte aus einer der größten Aachener Kupfermeisterfamilien und kam im Anschluß an seine Betätigung am Reichskammergericht (Speyer) nach Hamburg. 1625 vertrat er Hamburg im bekannten Rechtsstreit gegen Lübeck. Kurz vor seinem Tod (1630) verfaßte er eine allseits beachtete Schrift, die sich für die Etablierung des Seeversicherungswesen in der Hansestadt einsetzte. Siehe: H. Kellenbenz, "Aachener Kupfermeister", in: Ders., Kleine Schriften, Bd.n, S.609-636 und ders., Unternehmerkräfte, S.84, S.201 ff, S.282 ff. 19 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Lelio Levantos vom 18. Dezember 1626: "... facendo tutto il giorno consulto con detto loro avvocato Rutgerio Rulando, soggetto veramente principale noto per libri stampati, fuor del quale poco vi vedo di buono ..." 20 Die Moneglia wurden im 16. Jahrhundert verschiedenen "alberghi" zugerechnet und bekleideten bis 1627 hohe Ämter. Siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S. 104, S. 108, S. 110 f. Enge Beziehungen bestanden zu den Invrea und Giustiniani. Luzio war der dritte Sohn Bartolomeo Moneglias und ein Neffe der Balbi. 1624 verfügten die Witwe Bartolomeo Moneglias und ihre Söhne über 1.230.000 Lire Vermögen.
202
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
nissen in Nordwesteuropa bestens vertraut war, 2 1 wollte man über Luzio Moneglia Informationen über Jan Paolo Dorchi und seine Ansprüche gegenüber Francesco Serra einholen sowie die Geschäftsbeziehungen und Strukturen zwischen Antwerpen und Hamburg klären, die sich aus Genueser Perspektive höchst undurchsichtig darstellten. Luzio Moneglia konnte Licht in die Angelegenheit bringen, indem er leider von den Finanzspekulationen Serras und den prinzipiell begründeten Ansprüchen der de Hertoghe und Dorchis berichten mußte. Angesichts der recherchierten Sachlage riet er der Republik Genua, zu einer gütlichen Einigung zu kommen: "... wegen des Risikos, das man eingeht, indem man den Gegenwert von 62.500 Mark Scudi an jenem Ort Hamburg in den Händen einer unbekannten Person läßt; angesichts der Kosten für den Unterhalt in jenem Ort für den Herrn Levanto, anSpätestens seit 1605 führten Luzio Moneglia und Paolo Giustiniani in Venedig eine gemeinsame Handelsunternehmung, die mit Köln (Joannes Vandenhoevel, Joannes und Guillelmo Vandenput, Isaac und David la Maier), Nürnberg (Bartolomeo Castello) und Antwerpen (über Vincenzo Centurione, Francesco Serra (!), die Vancastre, Bustanzo, Robbiano und über Damiano Bastarozzi mit Giacomo und Giovanni Vanlemens) Geschäfte betrieb. Siehe: W. Brûlez, Marchands flamands, S.384, S.564, S.567, S.572 und G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.6 f, S.61 f, S.78 ff, S. 117 f, S.204, S.425, S.469, S.561. Besonders aktiv war diese Firma im Versicherungsgeschäft. Siehe: A. Tenenti, Naufrages, S.26, S.442 f, S.449, S.451, S.453, S.455, S.460, S.468, S.470, S.473, S.476, S.480-483, S.495 f, S.503, S.514. Außerdem waren die Moneglia in Lyon und Florenz aktiv. Siehe: G. Doria, Conoscenza del mercato, S.91 f. Am Asientogeschäft war die Familie bis 1627 beteiligt. Allerdings fallierten Luzio, Benedetto und Paolo Moneglia 1628 mit der Summe von 800.000 Mark Scudi in Folge des spanischen Staatsbankrotts. Siehe: H. Lapeyre, Simón Ruiz, S.84, S.96; S.98 und G. Giachero, Il Seicento, S. 191, S.304 ff. 1639 machten die Moneglia noch einmal den Versuch, sich in dieses Geschäft einzuschalten, konnten die anvisierte Kreditsumme jedoch nicht aufbringen. Siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S. 105 und J.-G. Da Silva, Banque et crédit, S.207. 21 Die Brüder Luzio Moneglias, Camillo und Benedetto, ließen sich 1598 in Antwerpen nieder und standen dort in engen Geschäftsbeziehungen zu den Balbi. Auch Pier Antonio Moneglia kam 1599 nach Antwerpen, nachdem er zunächst in Granada gewirkt hatte. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war außerdem Jan Andrea Moneglia in Antwerpen ansässig. Insbesondere sind Aktivitäten im Seide-, Woll- und Korallengeschäft belegt. Die Firma in Genua lief unter dem Namen "Bartolomeo Moneglia & Brüder". Benedetto regelte die Geschäfte in Madrid. Siehe: V. Vâzquez de Prada, Lettres marchandes, S. 193 ff; J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.402; R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.222; H. Pohl, Portugiesen, S.184, S.209; H. Kellenbenz, Fremde Kaufleute, S.294; C. Dalhede, Augsburger Quellen, S.52, S.59. Zur Präsenz der Moneglia in Köln siehe: H. Kellenbenz, Germania e Genova, S.42 f.
1. Inhalt des Rüstungsgroßauftrages
203
gesichts der Ungelegenheiten und der Kosten, die das Austragen von Streitigkeiten an einem Ort mit sich bringen, an dem - jedenfalls nach dem, was ich weiß - die Justiz von käuflichen Personen verwaltet wird, die leicht zu bestechen sind, angesichts der Unsicherheit des Ausganges, den der Streit haben könnte und der Länge der Zeit, angesichts des Umstandes, daß die Sentenzen gewöhnlich dadurch gekennzeichnet sind, den dort ansässigen Personen Sicherheit zu geben, für die es günstig ist, die versprochene reichliche Summe in unbeweglichen Gütern zu haben; da man ohne dies die Vollstreckung nicht erwirken kann; das Recht in Berufung zu gehen verlockt, wo man es ersehnt, aber nie atmet derjenige auf, der an jenem Ort streitet; und auf Grund vieler anderer Überlegungen, die mit den obigen in Verbindung stehen, wäre ich der Auffassung, daß Eure Durchlauchten Herrschaften nicht irren können, wenn Ihr einen Kompromiß mit Dorchi abschließt, indem man ihm jene wahrscheinlich kleine Kreditsumme auszahlen läßt, und auf diese Weise mit Wenig das Viele absichert wird ... " 2 2 Nachdem Lelio Levanto in Hamburg von diesen Umständen unterrichtet worden war und nach Prüfung der Hamburger Forderungen kam es am 28. Februar 1627 unter maßgeblicher Vermittlung Rutger Rulands zur gütlichen Einigung zwischen Genua (Lelio Levanto) und der Hamburger Seite (de Hertoghe, Amsinck, Giovanni Pestalozzi). Der Streitwert von 42.000 Mark lüb., der sich aus den Trattenprotesten ergab, sollte aus dem Verkauf eines Teils der Waren gedeckt und bis dahin von Dorchi vorgestreckt werden. 23 Die Klärung der Forderungen Dorchis nahm erheblich mehr Zeit in Anspruch. In Antwerpen mußte Luzio Moneglia in langwierigen Konsultationen und Verhandlungen die effektive Schuldsumme Serras recherchieren und von den übrigen Ansprüchen Dorchis, die sich aus den umfangreichen Privatgeschäften mit Serra ergaben, abgrenzen. Da diese Transaktionen, in erster Li22
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Luzio Moneglias vom 19. Februar 1627: "... il risico che si corre in lasciare in detto luogo d'Amburgo il valsente die 62.500 scudi di marchi in mano di persona icognita; la spesa eh'è per causare Insistenza in questo luogo del Signor Levanto, il fastidio et spesa che conducono le liti da farsi in luogo dove per quell' che io intendo la giustizia è aministrata da persone venali, che possono facilmente esser corrotte, da incertitudine dell'exito che possa haver la lite, la longhezza del tempo, l'essere la sentenze sugette a dar sicortà di persone del paese stesso, le quali conviene habbino in beni stabili la somma abbondantemente che promettono; che senza questo non si può ottenere l'esecutione; il dovere andare in appelatione aspira, dove sospira, ne mai respira chi litiga in quella corte; et molte altre considerationi che vanno appresso a queste; sarei pur di parere che Vostri Signori Illustrissimi non potessero errare in prendere qualche aggiustamento col D'Orco facendole pagare il suo credito per quella manco somma che possibil fosse, che a questa maniera con poco verrebbero ad assicurar il molto ..." 23 Ebenda, Kompromiß vom 28. Februar 1627.
204
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
nie zwei Versicherungsgeschäfte im Iberienhandel und im Fuggerschen Kupferhandel, mit den Zahlungsmodalitäten für das Munitionsgeschäft verwoben waren, und die allgemeine Stimmung an der Antwerpener Börse darüber hinaus dazu tendierte, Dorchi in diesem Präzedenzfall Recht zu geben, handelte es sich um keine leichte Aufgabe. Schließlich gelang es Moneglia, die anfänglich exorbitante Schuldforderung Dorchis erheblich zu reduzieren. Der Gesamtkompromiß vom Juni 1627, in den auch die Hamburger Einigung übernommen wurde, sah die Kompensierung der Gesamtforderung Dorchis im Wert von 7200 Pfund fläm. aus dem Verkauf eines Teiles der Munition vor. 24 Der Zeitraum zwischen der Übergabe der Kriegsgüter an die Amsinck (Sommer 1626) und dem Zustandekommen des Kompromisses (Juni 1627) stellt die zweite Geschäftsphase dar, in der substantiell keine konkreten Transaktionen getätigt wurden. Die Korrespondenz Lelio Levantos aus Hamburg und die Informationen Luzio Moneglias aus Antwerpen bilden die Grundlage für diesen Untersuchungsabschnitt.25 Die Quellenanalyse liefert wertvolle Informationen in Bezug auf die personellen Strukturverflechtungen des interna24
li
Ebenda, Vergleich vom Juni 1627. 25 Neben den Kompromißdokumenten sind folgende Dokumente relevant: 1. Korrespondenz Levantos. Briefe vom: 18. und 26. Dezember 1626, 2., 10. und 30. Januar, 6., 13. 20., 27. und 29. Februar, 5., 19., 21., 22. und 27. März, 3., 9., 19. und 23. April, 1., 7., 12., 22. und 29. Mai, 13. und 27. Juni 1627. 2. Für die Genueser Seite sind erhalten: Briefe an den Hamburger Senat vom 4. November 1626 (in dem die Mission Levantos angekündigt wird) und vom 9. November 1626, die Instruktionen für Levanto (5. November und 5. Dezember 1626) sowie die Briefe an den Gesandten vom: 23. und 30. Januar, 23. Februar, 26. März, 10. und 16. April, 7., 11., 15. und 29. Mai, 16. und 26. Juni, 3. und 31. Juli 1627. Außerdem ist der juristische Ratschlag, den die Republik bei Stefano Lazagna in Genua einholte und am 26. Januar nach Hamburg schickte, erhalten. Darüber hinaus schrieb Genua an Lorenzo Maggioli in Antwerpen (28. Mai 1627), um Meinungsverschiedenheiten mit Dorchi zu klären. Maggioli antwortete am 30. April 1627. 3. Korrespondenz Luzio Moneglias mit den Briefen vom: 8., 19., 22. und 28. Februar, 12., 15., 19. und 26. März, 2., 18. und 21. April 1627 sowie die Antwortschreiben der Republik vom 23. und 30. Januar, 22. und 26. März, 10. und 17. April 1627. Weiterhin sind Kopien der Briefe erhalten, die Moneglia an Levanto in Hamburg schickte (19. Februar und 15. März 1627). 4. Zusatzdokumente, d.h. Unterlagen, die über den Grund der Streitigkeiten (die Wechselproteste) informierten. So der Briefauszug Serras an Dorchi (23. Mai und 23. Juni 1626) sowie die Briefe Dorchis an Serra (4. März und 26. Juni 1626). 5. Von Seiten des Hamburger Senates sind folgende Dokumente erhalten: Die Sentenz in der Streitsache Lelio Levanto - Herman Beckman (21. März 1627), die Sentenz im Streit Serra - Dorchi (5. Juni 1627), die Confessio Amsincks (19. Juli 1627).
1. Inhalt des Rüstungsgroßauftrages
205
tionalen Handelslebens, insbesondere im nordwesteuropäischen Raum zwischen Antwerpen und Hamburg. Die allerdings erfolglosen Bemühungen Lelio Levantos, die Munition nach Genua zu schicken, beleuchten speziell die strukturellen Gegebenheiten auf dem Transportsektor der Hansestadt sowie die Einflußnahme der politisch-militärischen Vorkommnisse auf die konjunkturelle Lage des Hamburger Handels Mitte der 20er Jahre.
3. Geschäftsphase (Juni 1627 bis Frühjahr 1628)
Nachdem sich der Abtransport der Waren als unmöglich erwiesen hatte, beschloß die Republik Genua den Verkauf der Munition und gab dieses Geschäft auf Anraten Lelio Levantos und Luzio Moneglias im offiziellen Auftragsschreiben vom 26. Juni 1627 in die Hände von Jan Paolo Dorchi, der wiederum die Amsinck in Hamburg mit dieser Aufgabe betraute. Weil der Verkaufswert der Munition die finanziellen Forderungen Dorchis überstieg, wurde er automatisch zum Schuldner der Republik Genua und trat somit in ihre Dienste. In der sich nun anschließenden Geschäftskorrespondenz unterrichtete Jan Paolo Dorchi die Genueser Finanzkammer regelmäßig über den Stand des Verkaufsgeschäftes. 26 Der Verkauf erfolgte in mehreren Raten und wurde mit einer Endabrechnung abgeschlossen, die am 7. Juli 1628 nach Genua geschickt wurde. Auch der Verkauf des Getreides (auf Rechnung Francesco Serras) wurde über Jan Paolo Dorchi gemanagt. Am 2. Juni 1628 informierte er seinen Genueser Geschäftspartner, der zwecks Regelung seiner Angelegenheiten vorläufig aus Genueser Haft entlassenen worden war, über den Abschluß der Transaktion und die Bezahlung der de Hertoghe.27
26
Die Korrespondenz Dorchis mit der Finanzkammer setzte erst im Juli 1627 nach erfolgter Einigung ein. Direkte Kontakte bestanden zuvor nicht. Dorchi unterrichtete die Genuesen vom Verlauf des Verkaufsgeschäftes in den Schreiben vom: 16. und 23. Juli, 6., 13., 23., 27. und 30. August, 17. September, 8. und 22. Oktober, 19. November, 3. und 31. Dezember 1627, 22. Januar, 4. und 25. Februar, 31. März, 7. April und 26. Mai 1628. Am 16. Juni 1628 informierte er die Kammer über den Abschluß der Verkaufsmodalitäten und schickte eine erste Abrechnung nach Genua. Die Finanzkammer korrespondierte mit Dorchi in den Schreiben vom: 26. Juni, 27. August, 15. und 20. September, 12. Oktober, 5. November und 16. Dezember 1627, 25. und 29. Februar, 22. März, 7. und 29. April und 10. Juni 1628. 27 Ebenda. Brief Dorchis vom 2. Juni 1628 sowie die vom 30. Mai 1628 datierende Rechnung. Weiterhin gehört die Schadensabrechnung der Getreideversicherer in Genua vom 31. Juli und 5. September 1628 zu dieser Quellengruppe.
206
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Lelio Levanto war bereits im November 1627 aus der Hansestadt zurückgekehrt, nachdem er der Genueser Finanzkammer von Juli bis Oktober 1627 wertvolle Zusatzinformationen über die aktuelle Situation auf dem Hamburger Kriegsgütermarkt geliefert hatte. Darüber hinaus berichtete er ständig über die aktuellen Kriegsgeschehnisse in Norddeutschland.28 Auf den Berichten des Genueser Gesandten in Hamburg und den Geschäftsbriefen Jan Paolo Dorchis basiert die Analyse des Hamburger Rüstungsmarktes in den Jahren 1627/1628. Hierbei wird selbstverständlich an die aus der Korrespondenz Hans de Hertoghes resultierenden Ergebnisse angeknüpft. Interessant ist der Umstand, daß sich die Republik Genua direkt nach Abschluß der Hamburger Verkaufstransaktionen an Jan Paolo Dorchi wandte, um in Antwerpen Schießpulver einzukaufen. Leider sind in Bezug auf dieses Anliegen lediglich vier Briefe erhalten. Die darin enthaltenen Informationen sind den Resultaten zu den Schießpulvermärkten gegenüberzustellen.29 Nach Begleichung der Schuldforderungen und dem Abschluß der Verkaufsmodalitäten für die Munition und das Getreide ging die Republik Genua dazu über, ihre eigenen Forderungen an Francesco Serra zu errechnen. Neben der Prüfung der Geschäftsbücher dieses Kaufmanns waren hierbei die Schuldforderungen Serras an verschiedene Geschäftspartner, die Verpflichtungen der Versicherer des Munitions- und Getreidegeschäftes und der entstandene Schaden zu berücksichtigen. Nach Gegenüberstellung aller Aktiva und Passiva belief sich die Restschuld Serras gegenüber der Genueser Finanzkammer auf 185.110 Lira (moneta corrente). In dieser, vorrangig die Genueser Handelsstrukturen betreffenden, Schlußphase des Hamburger Rüstungsgroßauftrages standen die Geschäftsbeziehungen Francesco Serras im Vordergrund. 30
28
Korrespondenz Levantos vom: 3., 17., 21. und 29. Juli, 14., 21. und 27. August, 4., 10., 16. und 28. September 1627. Daneben sind zwei Schreiben der Republik an Levanto vom 15. August und 22. Oktober 1627 zu berücksichtigen. Im Oktober 1627 reiste Levanto über Antwerpen (wo er sich bei Dorchi aufhielt) nach Genua. 29 Briefe Dorchis vom 26. Juni, 7. Juli, 24. August und 10. November 1628. 30 Die meist undatierten Dokumente (mehr als 20 Abrechnungen) sollen nicht aufgeführt werden. Serra war Gläubiger von Antonio und Nicolò Pallavicino, Francesco Maxema und der Erben Ansaldo Grimaldis. Er hatte Verpflichtungen gegenüber einem Konvent ("le monache turchine") und Schulden, die sich aus einer (sizilianischen) Steuerpacht ergaben. Nachdem seine Beziehung zu Thobia Negrone geklärt war, wurden seine Geschäftsunterlagen den Büchern der "Casa di San Giorgio" gegenübergestellt. Schließlich errechnete man die Ansprüche und Leistungen aus dem Munitionsgeschäft. Für die Begleichung der Restschuld reichte Serras einen detaillierten Vorschlag ein. Zuvor hatte die Republik seinen Immobilienbesitz prüfen lassen.
1. Inhalt des Rüstungsgroßauftrages
HAMBURG HANS DE HERTOGHE Arnold Amsinck, Johannes Pestalozzi, Rutger Ruland. Spanien-Nürnberg-Handel: Le Maire, de Voss, Mahys, Bernouille, Amsinck, Berenberg, Vossenholen, van Haesdonk, de Greve. Rodenburg, Ruland. (Hauptfaktor de Wittes: Walter de Hertoghe)
ANTWERPEN JAN PAOLO DORCHI Vermittlungsposition im Hamburg-Spaniengeschäft: MAGGIOLI & LAZANGA (Spinola/Grimaldi/Jorge/Sivori/ Dorchi/Maggioli/Moneglia/Balbi) CAMPOMENOSO/INVREA. Bankierskonsortium der spanischen Besatzungsmacht. Finanztransaktionen zwischen I Habsburger Besitzungen.
3?
Ml
2
£
207
i VERKAUF L. van Sorghen Pietro Haes Salomon Jueden Johannes Altering FRANKFURT Amman & Pestalozzi Ruland, Amsink, Van Spreckelsen, Sivarte, Overbeck & Friedrich, Engelbrecht
GENUA FRANCESCO SERRA Rüstungsunternehmer: (Genua: Muilman. Odescalchi.-*Furtenbach. Flandern: Centurione). Asientos: Paolo & Battista Serra, Nicolò Pallavicino.
Λ
NÜRNBERG HASENBART & SAVIOLI
Zahlungsverkehr
VENEDIG Odescalchi Balbi Hoste & Flangini
SPANIEN Abb. 5: Internationale Handelsverbindungen im Rüstungsgeschäft zwischen Genua und Hamburg (Oktober 1625-Frühjahr 1628)
208
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler: Francesco Serra und Jan Paolo Dorchi. Genueser Handelshäuser in Nordwesteuropa Der mit dem Hamburger Schießpulvergeschäft betraute Francesco Serra gehörte einem zwar nur kleinen, aber traditionsreichen "albergo" der Genueser Aristokratie an. Im 15. und 16. Jahrhundert war diese äußerst wohlhabende Familie, die der Adelsfraktion der "nobili vecchi" angehörte, mit den ebenfalls kleinen, aber einflußreichen Geschlechtern der de Mari 3 1 und Negrone 32 zusammengeschlossen.33 Bis weit hinein ins 17. Jahrhundert gehörten die Serra dem zahlenmäßig eng eingeschränkten und nach außen streng abgeschlosse-
31
Das Handelshaus der de Mari war seit dem 16. Jahrhundert vor allem auf dem Getreidehandelssektor und auf den Gebieten der Reederei, Schiffsausrüstung und des Kriegsgüterhandels im Königreich Neapel aktiv und stand als Finanzier Spaniens in guten Beziehungen zur Krone. Vermutlich stiegen die Serra über die de Mari in diese Art von Geschäften ein. Siehe: A. Calabria, Finanzieri genovesi, S.585, S.587 f, S.590, S.594, S.598 f, S.605, S.613 und G. Doria, Conoscenza del mercato, S.85. 32 Über die kommerziellen Aktivitäten der Negrone ist weniger bekannt. Sie gehörten zu den großen maritimen Kriegsunternehmern Genuas, die den politischen Gewalten Galeeren zur Verfügung stellten. Siehe: Ebenda, S.66. Bemerkenswert sind ihre große Beteiligung am amerikanischen Sklavenhandel in Sevilla und die Bereitstellung eines Asientos im Jahre 1596. Siehe: H. Lapeyre, Simon Ruiz, S.98; R. Pike, Enterprise and Adventure, S.64 f; E. Otte, Il ruolo dei Genovesi, S.45 ff; ders., "Die Negersklavenlizenzen des Laurent de Gorevod. Kastilisch-genuesische Wirtschaftsund Finanzinteressen bei der Einführung der Negersklaverei in Amerika", in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft. Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 22(1965), S.283-320. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist die Anwesenheit der Negrone in Antwerpen bezeugt. Siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.222. Zum Venediggeschäft der Negrone siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.242 f, S.322, S.406 f, S.422. 33 Zur Klassifizierung dieser Familienclans und ihrer Zusammenschlüsse im 15. und 16. Jahrhundert (in Genua übliche Praxis) siehe: E. Grendi, "Profilo storico degli Alberghi genovesi", in: Ders., Repubblica aristocratica, S.49-102, S.71, S.77 f, S.90 und ders., Capitazioni, S.36. Die de Mari gehörten 1575-1762 durchgehend zur obersten Schicht des Adels, die über 500.000 Lire Vermögen verfügen konnte. Die Negrone und Serra zählten erst seit 1624 zu diesen Kreisen. Jedoch zeichneten sich diese "alberghi" dadurch aus, daß Einzelmitglieder sogar über Vermögen von 1 Million Lire verfügen konnten. Damit gehörten die Negrone und Serra im 17. und 18. Jahrhundert zur obersten Adelselite Genuas.
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler
209
nen Kreis der Aristokratie an, der das politische Leben Genuas majorisierte. 34 Ihre verwandtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen zu den reichsten und einflußreichsten Familien der "nobili vecchi", insbesondere zu den Pallavicino, Grimaldi, Centurione, Spinola, Cattaneo und Grillo, 35 sowie ihre kommerzielle Zusammenarbeit mit der Elite der "nobili nuovi", vor allem mit den Sivori, Giustiniani, Sauli, de Franchi und Invrea, 36 demonstrierten die politische und finanzielle Stellung der Familie Serra im sozioökonomischen Kontext der Genueser Adelsrepublik. Gleichwohl existiert über die konkreten wirtschaftlich-finanziellen Aktivitäten dieses Familienclans keine systematische Darstellung, in der die Detailausschnitte ihrer bedeutenden geschäftlichen Tätigkeit strukturell zusammenfugt und genealogisch den einzelnen Personen zugeordnet werden. 37 Als reiche Familie der "nobili vecchi" waren die Serra in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht eindeutig spanienorientiert und blieben dies auch im 17. Jahrhundert, als die feste Verbindung der Genueser Aristokratie mit der 34
Zur Partizipation der Serra an der politischen Führung Genuas und ihrer Präsenz in den Rechtssprechungsgremien siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S.64, S.74, S.81 f, S.87, S.92 f, S.96 und G. Doria/R. Savelli, Cittadini di governo, Anhang I und Π (S.352 ff). 35 Die absolute Spitzenposition unter den "nobili vecchi" nahmen die Spinola ein. 1575-1682 verfügten sie über 20% des Gesamtvermögens des Genueser Adels. Die Vermögen der Spinola, Grimaldi, Centurione, Cattaneo, Imperiale, Pallavicino und de Mari, die die Elite der "nobili vecchi" darstellten, machten stets 75-85% des Reichtums ihrer Fraktion aus. Siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S. 102 f. 36 Ebenda. Die Elite der "nobili nuovi" verfügte im 17. Jahrhundert über 20% des Adelsreichtums. In Bezug auf ihre eigene Fraktion wiesen die Giustiniani, Sauli und de Franchi (später auch die Durazzo, Balbi, Saluzzo und Brignole) einen Vermögensanteil von ca. 50% auf. 37 Insbesondere vier Familienmitglieder treten in den Darstellungen zum europäischen Handelsleben hervor: Nicolò, Paolo, Battista und Francesco Serra. Nicolò Serra (Sohn Paolo Serras) stand von Genua aus in Antwerpen mit Ottavio Serra und Dario Grimaldi über die Piacenzamessen in regem Austausch. Bis zu seinem Bankrott (1604) fungierte er als Verbindungsmann des in Madrid und Sevilla ansässigen Familienzweiges um Paolo und Battista Serra. Spätestens seit den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts gehörte Battista Serra zu den großen Asientistas. Seit 1596 trat Francesco Serra (Sohn des Antonio Serra, der der spanischen Krone Mitte des 16. Jahrhunderts über Neapel Geldmittel vorschoß) als Kreditgeber und Militärunternehmer Spaniens in Antwerpen und Brüssel in Erscheinung. Francesco stand mit Nicolò, Paolo und Battista Serra in engen Geschäftsbeziehungen, so daß eine Kooperation vorausgesetzt werden kann. Zur frühmerkantilistischen Schrift Antonio Serras (1580 in Cosenza geboren) vgl.: F. Blaich, Merkantilismus, S.76 ff. 14 Zunckel
210
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
spanischen Krone längst nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden konnte. 38 Bereits seit Mitte des 16. Jahrhunderts war diese Familie in das Asientogeschäft involviert. Nach 1627 gehörten sie zu den Hauptbetroffenen des spanischen Staatsbankrottes. Offenbar zogen sich die Serra danach aus diesen Finanzgeschäften weitgehend zurück. 39 Wie alle führenden Genueser Handels- und Bankhäuser operierten die Serra in erster Linie im traditionellen Handels- und Finanzdreieck zwischen der Iberischen Halbinsel, Genua und Antwerpen. Daneben waren sie insbesondere in Süditalien kommerziell tätig und außerdem in die Finanzverwaltung der Kurie eingeschaltet.40 In Spanien und Portugal konzentrierten sich die kommerziellen Unternehmungen der Serra auf die wichtigsten Handelszentren Madrid, Sevilla und Lissabon.41 Battista Serra war in Madrid ansässig und trat als großer Finanzier der Krone in Erscheinung. Gleichzeitig fungierte er bis 1627 als offizieller Gesandter Genuas am Habsburger Hof. Er war die zentrale Schaltstelle der Familie in Spanien und auf den kastilischen Messen. Über die Verbindungsleute der Serra in Genua und auf den Piacenzamessen liefen die
38
Die ungebrochene Spanientreue der Serra konstatierte Francisco de Melo im Jahre 1633. Alle acht Mitglieder der Familie, von denen er fünf als reich und drei als wohlhabend klassifizierte, waren in dieser Beziehung über alle Zweifel erhaben. Siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S. 122. 39 1553 gehörte Giacomo Serra zu den großen Finanziers Karls V. 1598 zählte Battista Serra mit der Gesamtsumme von 305.000 Scudi ebenfalls zum Kreis der Genueser Asientistas. Siehe: G. Giachero, Il Seicento, S. 168, S. 191. Mitte des 16. Jahrhunderts war Antonio Serra in Neapel an Finanzgeschäften mit der Krone beteiligt. Siehe: A. Calabria, Finanzieri genovesi, S.590. Zu den seit der Jahrhundertwende in den südlichen Niederlanden abgeschlossenen "Asientos zweiten Grades", an denen die Serra in großem Umfang (dokumentiert für die Jahre 1596-98 und 1604-08) partizipierten, siehe: J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.52, S.55 ff, S.90 und H. Pohl, Portugiesen, S.234. Zum Anteil der Serra an den 1627 ausstehenden Zahlungen siehe: G. Giachero, Il Seicento, S.306 und A. Dominguez-Ortiz, Politica y Hacienda, S. 102 f. Allerdings sind über ihre direkte Beteiligung in diesem Zeitraum nur wenige Angaben vorhanden. Ein Umstand, der insbesondere auf die fehlende Dokumentation der Asientos zweiten Grades zurückzuführen ist. Außerdem konnten die Serra über die Partizipation anderer Bankhäuser (zu denken wäre in erster Linie an die Centurione, Spinola und Invrea) an den spanischen Asientos beteiligt gewesen sein. 40 Siehe: A. Calabria, Finanzieri Genovesi, S.590, S.599 fund G. Doria, Conoscenza del mercato, S.85 ff. Zur Funktion der italienischen Besitzungen Spaniens im Kompensationssystem der Asientos siehe: G. Muto, Decretos, S.275 ff. 41 G. Doria, Conoscenza del mercato, S. 104 (Anmerkung Nr. 177).
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler
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nach Antwerpen gerichteten Handelsbeziehungen und Finanztransaktionen dieser Familie. 42 Wie für alle großen Genueser Handelshäuser dieser Zeit blieb Antwerpen auch für die Serra in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert der zentrale Ort ihres kommerziellen Strukturgefüges in Nordwesteuropa. Trotz ihrer vermutlich großen Bedeutung ist über die konkreten Aktivitäten dieser Familie in der Scheidestadt bislang nur sehr wenig bekannt. Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert waren in Antwerpen die Handelsunternehmung "Nicolò und Ottavio Serra & Dario Grimaldi" sowie Francesco Serra tätig. 43 Als strategisch unverzichtbarer Finanzplatz und wichtige Station im Austauschgefüge mit den Gebieten nördlich der Alpen durfte das internationale 42
Siehe: H. Kellenbenz, Fremde Kaufleute, S.294 f. Zu den dokumentierten Kreditabschlüssen Battista Serras mit der Krone (beispielsweise 400.000 in Antwerpen auszahlbare Dukaten im Jahre 1597) siehe: J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.55, S.57, S.59 und G. Giachero, Il Seicento, S.191. Zur maßgeblichen Beteiligung Battista Serras an der Espinosa-Bank, der unter Philipp Π. das Monopol aller zentralen Finanztransaktionen in Sevilla übertragen worden war und die in den Jahren 1600/01 unter dem Namen "Mortedo, Castellanos & Co." geführt wurde, dann aber sofort Bankrott machte, siehe: R. Pike, Enterprise and Adventure, S.96 f und J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.212. Zu den Verbindungsleuten Battista Serras auf den Messen von Medina und Piacenza siehe: Ebenda, S.85. Zu Serras Funktion als offizieller Gesandter der Republik Genua in Madrid siehe: G. Giachero, Il Seicento, S.304 und die diesbezüglichen Quellen im: A.S.G., Archivio Segreto Nr.2712 (Istruzioni Ministri Spagna 1529-1659) und Nr.2432 (Lettere Ministri Spagna 1625-1627). 1627 wurde Serra durch Gio Battista Saluzzo abgelöst, der mit der Sondermission Luca Pallavicinos in Spanien eingetroffen war. 43
Die Genueser Serra sind nicht mit der portugiesischen Familie Rodriguez-Serra, die über die Jorge mit den Sivori verschwägert war, zu verwechseln. Siehe: H. Pohl, Portugiesen, S.360 ff. Zu den nur spärlichen Informationen über die Tätigkeiten der Serra in Antwerpen siehe: V. Vazquez de Prada, Lettres marchands, S. 193. R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.220 f, erwähnt für das 17. Jahrhundert keine Mitglieder der Familie Serra in Antwerpen. Sie konnten ihre Interessen jedoch über Geschäftsfreunde vertreten lassen. Außer mit den Centurione, Cattaneo, Marini und Pallavicino standen die Serra vor allem mit den Grimaldi, Spinola, Dorchi, Campomenoso und Invrea in Kontakt. Die Tätigkeit dieser Handelshäuser in Antwerpen ist weit über den behandelten Zeitraum hinaus belegt. Insbesondere kooperierten diese Kräfte im Iberienhandel, bei Kredittransaktionen für die Krone und im Rüstungs- und Getreidegeschäft. Vgl. auch die Einzelbelege zum Handel der Serra zwischen Antwerpen und Spanien in: J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.322, S.364. 14*
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Clearingzentrum Venedig auch im Geschäftsnetz der Serra nicht fehlen. Ebenso wie die Balbi und die anderen Spitzenkräfte der Genueser Kaufmannschaft unterhielten die Serra über Venedig weitgefächerte Kontakte zu niederländischen Kaufleuten und den in Antwerpen ansässigen Italienern. Die Geschäfte liefen entweder direkt oder über Zwischenschaltung der Wechselmessen.44 Auf den Piacenzamessen hatten die Brüder Paolo und Battista Serra und ihr Kompagnon, Nicolò Pallavicino,45 um die Jahrhundertwende den ersten Platz inne. Das Gemeinschaftsunternehmen stellte im Jahre 1600 das absolut größte Bankkonsortium in Piacenza dar, dessen Kompensationszahlungen sich auf
44
Laut dem von W. Brûlez, Marchands flamands, erschlossenen Quellenmaterial zeichnen sich folgende Strukturverbindungen über Venedig ab: Juli 1598 datiert die Prokura der Handelsherren Donato und Camillo Baglioni aus Venedig an ihre Antwerpener Geschäftsfreunde Gerolamo Serra und Francesco Marini zur Auslösung von insgesamt 8330 Dukaten (zu 96 Denari) verschiedener Wechselbriefe (Robiano/de Vinter, Nichetti/Cachiopin, Heldewier/Elemans, Richetti/de Vinter, Ferrari/de Lazaro, Francioti & Bertolini/Burlamachi, Tornaquinci & Fioravanti/Doria, Charles/ Dingehere). Ebenda, S.281. Aus Venedig schrieben die Capponi 1603 an Gerolamo Serra, er solle dem in Venedig operierenden Kaufmann Nicolò Perez (oder seinem Genueser Beauftragten Gerolamo Conestagius) innerhalb von drei Monaten unbedingt die Schuldsumme von 3000 spanischen Realen zurückzuzahlen, die für den Amsterdamer Kaufmann Voleardo Operverilander bestimmt waren. Ebenda, S.474, S.627. 45 Die Pallavicino stammten ursprünglich aus Cremona. Besonders aktiv waren sie im Antwerpener Alaunhandel, der im 16. Jahrhundert von Genueser Handelshäusern dominiert wurde. Siehe: V. Vazquez de Prada, Lettres marchands, S. 191; J. Denuncé, Italiaansche koopmansgeschlachten te Antwerpen in de XVIe-XVille eeuw, Mechelen/Amsterdam 1934, S. 140-146; J. Delumeau, L'Alun de Rome, XV-XIX e siècles, Paris 1962, S.92-100, 106-118, S.169, S.208-241, ders., "L'Alun de Rome moyen de denomination économique du Midi sur le Nord jusque vers 1620", in: Studi in onore di A. Fanfani, Bd.IV, S.571-574. Zur Funktion der Pallavicino für die spanischen Staatsfinanzen nach 1627 siehe: G. Giachero, Il Seicento, S.368. Über Antwerpen stand Horatio Pallavicino, bekannter Großfinanzier der Königin Elisabeth, sowohl mit seinen Verwandten als auch mit seinem Antwerpener Geschäftspartner, Giovanni Battista Spinola, in Kontakt. Spinola zeichnete im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts mit seinen Kompagnons, Aurelio Cattaneo und Girolamo Lomellino, für die wichtigste Unternehmung Antwerpens verantwortlich. Siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.215 und L. Stone, An Elizabethan: Sir Horatio Pallavicino, Oxford 1956, insbesondere S.2 ff, S. 19-30, S.44-50, S.71-81. Horatio Pallavicino fungierte auch als Agent der Republik Genua und des Herzoges der Toskana. Siehe hierzu die Quellen im: A.S.G. Archivio Segreto Nr.2273 (Lettere Consoli).
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler
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fast 550.000 Mark Scudi beliefen. 46 Francesco Serra fungierte für lange Zeit als Verbindungsmann des Unternehmens in Antwerpen. 47 Der große Umfang ihrer Geschäfte über Venedig und die Piacenzamessen demonstriert den hohen Stellenwert, der dem Bank- und Handelshaus Serra Anfang des 17. Jahrhunderts im europäischen Austauschgefüge zukam. 48 Obwohl Francesco Serra überwiegend in Genua ansässig war, 4 9 scheint Antwerpen der zentrale Geschäftsplatz gewesen zu sein, an dem seine persön46
Siehe: G. Felloni, "All'apogeo delle fiere genovesi. Bancheri ed affari di cambio a Piacenza nel 600", in: Studi in onore di G. Barbieri, Genua 1983, Bd.II, S.883895, S.894 und J.-G. Da Silva, Banque et crédit, Bd.I, S.88. Die Pallavicino, Saluzzo und Serra gehörten zu den führenden Genueser Banken auf diesen Messen. Außerdem zählten sechs Banken aus der Toskana (unter ihnen die Strozzi) und die zwei Antwerpener Großbanken der Genuesen Giano und Giovanni Battista Grillo sowie Nicolò und Antoniotto Sivori zu den Spitzenkräften dieser Zeit. 47 W. Brûlez, Marchands flamandes, S.482. Im Zusammenhang mit einem auf Prokura Nicolò Pallavicinos (Sohn Stefanos) gezogenen Wechselbrief von 2000 Mark Scudi wird Francesco Serra im Jahre 1604 erwähnt. Bei den Wechseltransaktionen des Bankhauses Pallavicino & Serra wird Francesco Serra 1606-1608 als Antwerpener Geschäftspartner angegeben. 48 Die das Venezianer Handelsleben betreffenden Quelleneditionen weisen folgende Aktivitäten des Bankhauses auf: Im Juli 1599 erhielten Pallavicino & Serra von Jacobus Vanlemens die Vollmacht, die Schulden Ferdinando Spinolas einzutreiben. Ebenda, S.310. Im Juli 1606 transferierten sie insgesamt 12.800 Mark Scudi zwischen Nord- und Südeuropa. Beteiligt waren Giovanni Moens, Michel Stayaert, die Capponi, die Franciotti, Bartolomeo Bertolini, Nicolaus Respagna, die Strozzi und die Firma Schoemacher & Vanderpit. Siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.34 ff. Im Oktober 1606 wurden wiederum 600 Mark Scudi zwischen den Schoemacher & Vanderpit, Strozzi und Palavicino & Serra bewegt. Ebenda, S.61 f. Im Juli 1607 waren 460 Mark Scudi an die Prokuratoren der Firma Vandenput & Hoens in Piacenza (die Baglioni) zahlbar. Ebenda, S.101. Am 28. Januar und 16. April 1608 versuchten die Brüder la Maire über Angelus Requisenz einen Wechselbrief des Bankhauses Pallavicino & Serra über 1000 Mark Scudi einzulösen. Ebenda, S.129, S.148. Im Jahre 1615 fungierten die Furtenbach bei Wechseltransaktionen des Bankhauses Serra und der Vancastre als Schaltstelle. (Pallavicino wurde nicht mehr aufgeführt.) Ebenda, S.491. 49 Siehe: V. Vazquez de Prada, Lettres marchandes, S. 193 und W. Brûlez, Marchands flamands, S.564. 1596-1608 ist die Anwesenheit Francesco Serras in Antwerpen belegt. Die Briefe Hans de Hertoghes wurden nach Genua geschickt, so daß mindestens seit 1625 von einem relativ stabilen Aufenthalt Serras in Genua ausgegangen werden kann. Zur großen Mobilität der Genueser Aristokratie vgl.: G. Doria, Conoscenza del mercato, S.78 ff.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
liehen Handelsaktivitäten zusammenliefen. 50 Die Beteiligung Serras am Antwerpener Getreide- und Militärgüterhandel mit Spanien könnte den Ausschlag dafür gegeben haben, daß gerade er mit dem Hamburger Rüstungsgeschäft beauftragt worden war. Über seinen Geschäftspartner, Ansaldo Grimaldi (und speziell über die Filiale "Grimaldi & Spinola" in Sevilla), sowie durch seinen Antwerpener Prokurator, Jan Paolo Dorchi, war Serra über die generellen Verhältnisse im Hamburger und Antwerpener Iberienhandel bestens informiert und sogar maßgeblich daran beteiligt. 51 Es stellt sich trotzdem die Frage, weshalb gerade er mit dem Großauftrag betraut worden war und warum 50
Erstmals trat er 1599 in Erscheinung, als die Cordes & Vancaster in Venedig über die Piacenzamessen Wechselbriefe (der Moneglia, de Negrone, Spinola, Grillo, Giudice, Masi, Marini, Sivori, Cattaneo, Centurione und Grimaldi) einlösen ließen. Francesco Serra erschien mit einem Wechselbrief über 1716 Mark Scudi (auf Prokura Andrea Spinolas). Siehe: W. Brûlez, Marchands flamands, S.320. 1601 wurde Serra viermal genannt: mit einem auf Nicolò Serra (Rechnung Vandergoes) gezogenen Wechselbrief über 1000 Mark Scudi; mit 4000 auf Agostino de Franchi, Giovanni Battista Grillo, Marc'Antonio Giudice, Cosimo Masi sowie auf Giano und Giovanni Battista Grillo gezogen Mark Scudi; mit 1000 Mark Scudi, die er fîir Filippo Cattaneo und Adam Centurione (Rechnung Leonard Coy mans) transferierte; mit 2000 Mark Scudi (Zahlung de Cordes-Marino), die er auf Giano und Giovanni Battista Grillo zog. Ebenda, S.378 f. Im Jahre 1605 erteilte die Handelsgesellschaft Luzio Moneglia & Paolo Giustiniani Vincenzo Centurione in Antwerpen die Vollmacht, von den Vanlemens 2000 Dukaten zurückzufordern. Prokuren waren auf Francesco Serra und Damiano Bastarozzi ausgestellt. Ebenda, S.564. Nicht immer sind die Aktivitäten Francesco Serras von den Transaktionen des Bank- und Handelshauses Pallavicino & Serra deutlich zu trennen. So im Falle einer Schuldüberschreibung Octavio Thibantes in der Höhe von 1000 Duk., die auf Weisung der Franciotti & Bertolini an Serra überging. Thibante arbeitete anscheinend eng mit Serra zusammen, machte aber 1606 Bankrott, so daß u.a. die Forderungen der Guadagni über 3750 Mark Scudi auf Francesco Serra übergingen. Siehe: G. Devos/ W. Brûlez, Marchands flamands, S.52, S.64 f, S.75 f. Zu einem ähnlich gearteten Fall in Bezug auf Handelsbeziehungen zwischen Serra und den la Maire siehe: Ebenda, S.123. Vermutlich stand Serra 1614 auf eigene Rechnung über die Strozzi in Geschäftsbeziehungen zu den Hureau & Duboys in Venedig, sowie zu den Ximenes. 1618 wickelte er mit den Vancaster Geschäfte ab. Ebenda, S.433 f, S.668. 51 Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Abrechnungsunterlagen Serra vom Frühjahr/Sommer 1628. Bei den Krediten und Versicherungsvorgängen zweier nach Iberien fahrender Hamburger Schiffe ("Cigno bianco" des Kapitäns Heinrich Lets und "Il cacciatore" des Kapitäns Jakob Segman), die von Holländern aufgebracht und nach Amsterdam überführt wurden, waren Francesco Serra und Ansaldo Grimaldi über die Filiale "Grimaldi & Spinola" maßgeblich beteiligt.
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler
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die Republik nicht auf das Rüstungsangebot des Handelshauses Maggioli & Lazagna einging. Die engen verwandtschaftlichen und geschäftlichen Verbindungen der Genueser Handelshäuser im Antwerpener Rüstungsgeschäft legen die Schlußfolgerung nahe, daß man sich lediglich an denjenigen Kaufmann wandte, der zum fraglichen Zeitpunkt die beste Garantie für einen reibungslosen Geschäftsablauf bieten konnte. Darüber hinaus verfügte Serra vermutlich über Kontakte zu den politischen Führungskräften der Republik, die ihn protegierten. 52 Auch direkte Kontakte Genueser Geschäftsleute zur Hansestadt hätten im Rahmen des Möglichen gelegen.53 Beispielsweise unterhielt das Genueser Handels- und Bankhaus der Sivori 54 über die Geschäftskontakte 52
In Bezug auf die engen strukturellen Verknüpfungen der Genueser Rüstungshändler in Antwerpen sei an dieser Stelle nur auf die enge Zusammenarbeit zwischen den Grimaldi, Spinola, Serra und Sivori im Iberiengeschäft und auf die verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen den Spinola, Jorge und Sivori, die Verschwägerung zwischen den Dorchi und Maggioli sowie zwischen den Maggioli, Moneglia und Balbi hingewiesen. Für die Vergabe des Genueser Auftrages an Serra war vermutlich seine verwandtschaftliche Beziehung zu den Negrone ausschlaggebend, die über Kontakte zu den politischen Führungskräften der Republik Genua verfügten. 53 Direkte Kontakte nach Hamburg bestanden zu Abbondio Somigliano oder Silvio Tensino (den einzigen, zum fraglichen Zeitpunkt in Hamburg tätigen Italienern), zu Johannes Schröttering und Pieter Junker (führende Italienhändler der Hansestadt) oder über Johann Baptista Pestalozzi (Verbindungsmann der Odescalchi und Cerneschi). Weiterhin hätte man sich an die in Genua ansässigen süddeutschen Unternehmerkräfte (beispielsweise die Furtenbach) wenden können. 54 Die Familie Sivori gehörte in Genua den "nobili nuovi" an und war vermutlich durch ihre Betätigung auf dem Seidensektor zu einigem Wohlstand gelangt. Die Geschäftskontakte nach Spanien liefen Ende des 16. Jahrhunderts über die Madrider Filiale "Francesco, Giovanni & Antonietto Sivori". In Antwerpen trat Nicolò Sivori als Faktor der in Madrid ansässigen "Spinola & Grimaldi" auf. Die Geschäftsverbindungen nach Lissabon bestanden über die Firma "Manoel da Veiga & Brüder", die Spinola und die Serra. Das Bankhaus Sivori gehörte 1600 zu den größten Unternehmungen auf den Piacenzamessen. Der 1545 geborene Nicolò Sivori war an den "Asientos" für die spanische Krone beteiligt. 1579 kam er nach Antwerpen, wo die Geschäftszentrale seiner europa weiten Unternehmungen lag. Sein gleichnamiger Sohn war im 17. Jahrhundert in Antwerpen ansässig, wo er mit Clara Spinola verheiratet war. Sein Bruder Antonio wurde sogar Bürgermeister Antwerpens und war mit einer Jorge verheiratet. Siehe: V. Vazquez de Prada, Lettres marchands, S. 193 f; J. Denuncé, Italiaansche koopmansgeslachten, S. 119, S. 132; R. Baetens, Nazomer, Bd.I S.222; G. Felloni, All'apogeo, S.894 f; H. Lapeyre, Simon Ruiz, S.82; H. Pohl, Portugiesen, S.79, S.88, S.300; J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.364.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
mit der Familie Vertema hervorragende Beziehungen zu Danzig und Hamburg. 55 Neben Kontakten zu Antwerpener Geschäftskreisen war es für das politisch-ökonomische Umfeld, in dem Francesco Serra sowohl in Italien als auch in Nordwesteuropa operierte, 56 bezeichnend, daß die Familie Serra seit dem 16. Jahrhundert als Rüstungsunternehmer in Erscheinung trat. 57 Ebenso wie ihre ungleich bekannteren Landsleute, Spinola, Grimaldi und Doria, verfügten die Serra über einschlägige Erfahrungen auf dem Militärsektor, die sich in den Niederlanden eng an das Asientogeschäft anlehnten. Zusammen mit Vincenzo Centurione war Francesco Serra Anfang des 17. Jahrhunderts einer der wichtigsten und einflußreichsten Kreditgeber und Heereslieferanten
55
Die Kontake, die mindestens bis Anfang des 17. Jahrhunderts bestanden, wurden über Gio van Battista und Carlo Vertema, der sich zeitweise in der Hansestadt aufhielt, geknüpft. Diese ursprünglich aus Plurs stammende Familie hatte ihre Hauptgeschäftssitze in Nürnberg und Genua. In den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts traten die Vertema als offizielle Getreideagenten Genuas auf. Der große Umfang ihrer Zerealienlieferungen läßt sich anhand der Genueser Quellenbestände (teilweise) rekonstruieren: 1591 wurden über dieses Handelshaus sieben Schiffe in Norddeutschland mit Getreide beladen und nach Genua geschickt. Drei Schiffe wurden jedoch in Spanien blockiert. 1593 schickten die Vertema 15 Schiffe nach Genua, die insgesamt 1132 Last Getreide an Bord hatten. 1597 fuhren auf Order der Vertema zwölf Schiffe aus Danzig und Norddeutschland ab, von denen nur sieben in Genua einliefen. Anscheinend geriet diese Familie nach 1607 in Zahlungsschwierigkeiten, so daß sie als Vermittler im Getreidegeschäft (zeitweise?) ausfiel. Giovan Battista Vertema war später aber als Hauptfaktor Hans de Wittes in Prag tätig. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.262 ff; ders., Kaufmannskorrespondenz, S.245; ders., Geldtransfer, S.288; E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.18, S.47 ff; L. Bauer, Italienische Kaufleute, S.10, S.13; L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.7, S.10, S.14; ders., Deutscher Leinenhandel, S.160 f; E. Grendi, Nordici, S.26 ff; A. Ernstberger, Hans de Witte, S.222. 56 Zu den Geschäftsbeziehungen Francesco Serras mit Antonio Spinola und Ottavio Serra in Neapel (wie beispielsweise ein Wechselbrief Simeon de Dechers über die Prokura Antonius Houtapels 1610 offenlegt) siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.291. Zu den Verbindungen Serras über das Handelshaus Moneglia & Giustiniani in Venedig nach Köln, wo Giovanni Vandenhoevel als Prokurator fungierte sowie über die Heidevier (die Giustiniani vertraten) siehe: Ebenda, S.117 f. Zu Geschäftsverbindungen Serras nach Frankfurt (1617) siehe: Ebenda, S.668. 57 Zu Rüstungsgeschäften Geronimo Serras in Neapel (1572-1583) siehe: A. Calabria, Finanzieri genovesi, S.599 f.
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler
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in Brüssel.58 Neben seinen intensiven Geschäftskontakten nach Antwerpen verfügte Francesco Serra über Erfahrungen auf dem Genueser Militärsektor, die ihn direkt mit dem Savoyenkrieg in Verbindung brachten und für die Abwicklung eines militärrelevanten Großauftrages anscheinend besonders qualifizierten. 59 Schaltzentrale der einträglichen, wenn auch risikoreichen Rüstungsgeschäfte mit Spanien war eindeutig Antwerpen. Der Anteil von Genueser Handels58
J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.90; G. Doria, Conoscenza del mercato, S.96; H. Pohl, Portugiesen, S. 219, S.234 f; A. Dominguez-Ortiz, Politica y Hacienda, S.93 ff. Die Tätigkeit Francesco Serras als Heereslieferant und Kreditgeber der spanischen Krone in den südlichen Niederlanden ist bis 1608 dokumentiert. Inwieweit er über diesen Zeitpunkt hinaus als Heereslieferant fungierte, ist leider nicht zu klären. In den Quellen finden sich keine Anhaltspunkte über diesbezügliche Transaktionen, obwohl die Serra bis 1627 am Asientogeschäft beteiligt waren. Die anläßlich des Hamburger Streitfalles von Luzio Moneglia im Frühjahr 1627 anvisierte Intervention des Marquis Spinola in Brüssel (zu Gunsten der Republik Genua bei Jan Paolo Dorchi) zeigt darüber hinaus, in welch starken Maß die nordwesteuropäische Interessensphäre noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von den Aktivitäten des Genueser Handelskapitals dominiert wurde. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Luzio Moneglias vom 28. Februar 1627. Serra wurde nach dem spanischen Staatsbankrott völlig ausbezahlt, was ihn in Konflikt mit den ebenfalls beteiligten portugiesischen Unternehmerkräften, insbesondere mit Diego Lopez Sueyro brachte, dessen Schuldforderungen zunächst zurückgestellt wurden. Sueyro mußte sich deshalb bei Battista Serra, Giulio Spinola und anderen Genuesen verschulden. Ein Umstand, der ihn zu einem der exponiertesten Gegner der Genueser Geschäftspraktiken werden ließ. Eigentümlicherweise waren die Sueyro (später) über die Dorchi mit diesen Genueser Geschäftskreisen verschwägert. Zwei Töchter Dorchis hatten Ferdinand Sueyro und Francesco Maggioli geheiratet. Siehe: H. Pohl, Portugiesen, S.92 f und R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.218. 59 A.S.G. Camera del Governo Nr.766 (Munitioni). Im Januar/Februar 1625 sind auf Serra und Spinola ausgestellte Lieferungs- und Zahlungsunterlagen über Pulver und Musketen, die sie an ihre Verbände schickten, in den Unterlagen erwähnt. Siehe auch: Ebenda Nr. 159, Nr. 161 und Nr. 162 (Atti). Hierbei handelt es sich um verschiedene Vorgänge, die Getreide- und Kriegsgüterlieferungen Francesco Serras in Genueser Diensten belegen. Zu Getreidelieferungen Serras (schon vor dem Savoyenkonflikt) siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.580 ff. In Prag stand Gino Serra im Dienst der Republik Genua. Im Jahre 1604 sondierte er die Bewerber für die in Genua zu besetzende Stelle eines Oberst. Vgl.: A.S.G. Senato, Oberto Foglietta Nr. 1110 (Militiae Germanicae). Vgl. auch: H. Ernst, Madrid und Wien, S.272. Vielleicht handelte es sich bei dem in kaiserlichen Diensten stehenden Bankhaus "Serta" in Wien ebenfalls um die Familie Serra.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
häusern war dabei nicht zu vernachlässigen. Allein das spanische Asientogeschäft, an dem Francesco Serra über seine Kompagnons, Francesco Marini und Vincenzo Centurione, maßgeblich partizipierte,60 sicherte den Genueser Unternehmungen in Antwerpen bis 1627 über die Börsenbewegungen eine nicht zu verkennende Vormachtstellung. Aber auch nach 1627, als der Höhepunkt dieser Entwicklung überschritten war, blieben die Genueser Unternehmungen von erheblicher Bedeutung für den Zahlungsverkehr, den Warenaustausch und alle erdenklichen Geschäfte, die an die Präsenz der spanischen Besatzungstruppen sowie die Nachfrage nach (Militär-)Gütern, Rohstoffen und Getreide in Spanien geknüpft waren.61 Sowohl der Zahlungsverkehr als auch die Versicherungsabschlüsse im hamburgischen, holländischen und südniederländischen Iberienhandel wurden zu einem großen Teil auf dem Dispositionsplatz Antwerpen abgewickelt.62 Die Geschäftskontakte und den nötigen finanziellen Hintergrund stellten dabei auch die in Antwerpen ansässigen Genueser Bankhäuser, mit denen sich die historische Forschung bislang noch nicht eingehend beschäftigt hat. Zu diesen finanzkräftigen Unternehmen zählte das Bankhaus der Campomenoso, das nach dem Tode Cipriano Campomenosos (1622) von seinem Sohn Barto60
1596 begaben sich Francesco Marini und Francesco Serra in die Niederlande, um dort einen Asiento im Wert von 3.000.000 Maravedis abzuschließen. 1598 kam ein weiterer Abschluß über 200.000 Mark Scudi zustande. Siehe die Quellenbelege in: J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.52 und V. Vâzquez de Prada, Lettres marchandes, S.364. Unter Philipp ΙΠ. arbeitete Serra mit Vincenzo Centurione, dessen Familie in Bezug auf die spanischen Asientos die absolute Führungsposition einnahm, im Antwerpener und Brüsseler Asientogeschäft eng zusammen. 1606 beliefen sich die Zahlungsverpflichtungen dieser Geschäftsleute (für die spanischen Armee) auf über 1.000.000 Scudi. Die noch ausstehende Summe von 357.000 Scudi (für den Zeitraum von August bis Dezember) konnten die beiden Genuesen zeitweise nicht auszahlen, da ihr Geschäftspartner in Piacenza (Nicolò Serra) in diesem Jahr Bankrott gemacht hatte. Siehe die Quellenbelege in: J.-G. Da Silva, Stratégie des affaires, S.90; A. Stolp, De eerste Couranten in Holland, Haarlem 1938, S.73; H. Pohl, Portugiesen, S.234 f. 61 Zur Dominanz der Genueser Handelshäuser in Antwerpen siehe: R. Baetens, Nazomer, S.212 ff und V. Vâzquez de Prada, Uomini d'affari, S.243 ff. Die personelle und strukturelle Erfassung der Genueser Nation in Antwerpen steht erst am Anfang. Siehe: G. Doria, Conoscenza del mercato, S.93 ff und C. Beck, "La nation génoise a Anvers dans la premier moitié du 16e siècle", in: R. Belvederi, Rapporti Genova, S.445-476. Auch für den Folgezeitraum wären analoge Untersuchungen wünschenswert. 62 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.300 ff und W. Brûlez, Anvers, S.90 f, S.94 ff.
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lomeo weitergeführt wurde. 63 Diese Familie war verwandtschaftlich eng mit den Invrea (zunächst unter Führung Lorenzo Invreas, dann unter seinem Sohn Tomaso) verbunden, die ebenfalls auf diesem Sektor aktiv waren. 64 Anscheinend wurden die Aktivitäten beider Bankhäuser später von der Familie Dorchi übertroffen. Den europaweiten Finanztransaktionen und Geschäften der Dorchi konnten bis 1648 offensichtlich nur wenige Handelshäuser Konkurrenz machen. Obwohl die Aktivitäten dieses Bankhauses trotz der augenscheinlich guten Quellenlage bislang kaum untersucht wurden, ist davon auszugehen, daß den Antwerpener Dorchi im System der europäischen Handels- und Finanzbeziehungen eine Schlüsselposition zukam. Ähnlich wie das Handelshaus der Familie Andrea, die bis zu ihrem Bankrott im Jahre 1620 als Verbindungs- und Schaltstelle zwischen Antwerpen, Hamburg und Amster-
63
Zur großen Bedeutung des Bankhauses Campomenoso siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.217 f. Cipriano Campomenoso war mit Constantina Invrea verheiratet. Durch die Heirat seiner Töchter waren die Campomenoso mit den Vandergoes und den Van Varicx verschwägert. Im Jahre 1622 gehörten die Firmen Maggioli & Lazagna, Jan Augustino & Stefano Balbi, Paolo & David Bustanzo und Benedetto & Piquinetti zu den Hauptschuldnern Campomenosos. Bei seinem Tod betrug das Vermögen 90.000 Pfund fläm. Ebenda, S.140. Zu weiteren Wechseloperationen des Bankhauses siehe auch: W. Brulez, Deila Faille, S.533. Zum Prozeß, den Bartolomeo Campomenoso mit anderen Genueser Kaufleuten (1624-1626) gegen die Stadt Antwerpen führte, siehe: F. Prims, Geschiedenis van Antwerpen, Bd. V m (1555-1715), Antwerpen 1942, S.204. 64 Die Invrea gehörten zur Adelsfraktion der "nobili nuovi". Zu ihrer verwandtschaftlichen Einbindung in die Clanstrukturen der politisch einflußreichen Genueser Familien siehe: C. Bitossi, Famiglie e fazioni, S.69, S.73, S.81, S.96, S. 108, S. 112. Dem spanischen Gesandten Francisco de Melo erschien die Mehrzahl der Familienmitglieder, deren Vermögenssituation als recht unterschiedlich eingeschätzt wurde (drei wurden als reich, sieben als wohlhabend und zehn als arm bezeichnet), 1633 als eindeutig antispanisch eingestellt. Ebenda, S.120 f. Bereits im 16. Jahrhundert war diese Familie in Antwerpen ansässig. 1592/93 traten die Invrea als Vermittler beim Finanztransfer für Getreidelieferungen in die Toskana auf. Im Spanienhandel waren sie eng mit dem Bank- und Handelshaus der Grillo verbunden. Warenbezugsquelle war hauptsächlich Hamburg. Leider sind ihre Geschäftspartner in der Hansestadt nicht identifizierbar. Von weitaus größerer Bedeutung waren ihre Bankgeschäfte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als sie ebenfalls zu den Asientistas der spanischen Krone zählten. Siehe: V. Vâzquez de Prada, Lettres marchandes, S. 194; J. Denuncé, Italiaansche koopmansgeslachten, S. 147-150; G. Giachero, Il Seicento, S.300, S.368; E. Grendi, Nordici, S.29; G. Felloni, All'Apogeo, S.894 f.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
dam fungierte, 65 vermittelten die Dorchi über alle Grenzen und handelspolitischen Schwierigkeiten hinweg.66 Neben den weitgefächerten Kontakten dieser vielleicht aus Genua stammenden und seit 1573 in Antwerpen nachweisbaren Familie67 zur internationalen Geschäftswelt, spielten ihre überaus guten Beziehungen zum Hause Habsburg eine wichtige Rolle. Jan Paolo Dorchi beteiligte sich am Asientogeschäft68 und gehörte in den Jahren 1646-47 mit Jan 65
Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.300 ff und J.-G. Da Silva, Traffics du Nord, S.139, S.144. Kellenbenz führt Beispiele der Zusammenarbeit an, die sich vornehmlich um die Firmen der Boussemart und Rodriguez d'Evora ranken. Diese standen (wie die Rodriguez-Serra) in Hamburg mit Lukas Beckmann, den Van Uffeln und den Anselmo in Verbindung und unterhielten gleichzeitig Beziehungen zu den Calandrini und den Bartolotti in Amsterdam. Zu den Verbindungen der Andrea nach Venedig siehe: W. Brulez/G. Devos, Marchands flamands, S. 140, S. 168, S.309. 66 Das Bankhaus Dorchi findet in den einschlägigen Darstellungen zur Wirtschafts- und Finanzgeschichte des späten 16. und 17. Jahrhunderts kaum Erwähnung. Die in 104 Briefkopialbüchern zusammgefaßte Geschäftsaktivität der Dorchi in Spanien, Italien, Frankreich, England und Deutschland (1600-1648) harrt der Auswertung. Siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.218 f. Bislang ist lediglich eine Geschäftstransaktion Dorchis in Venedig dokumentiert: Im Zusammenhang mit dem Bankrott Octavio Thibantes autorisierten Giovanni Battista Amigoni und Giovanni Antonio Bordonali Jan Paolo Dorchi, ihre Schulden bei Thibante einzutreiben. Siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.52. Das Vermögen Jan Paolo Dorchis betrug 1648 über 50.000 Pfund fläm. Er gehörte damit zur Elite der Antwerpener Großkaufleute. Allerdings konnte sich Dorchi nicht mit den Spitzenkräften der Antwerpener Kaufmannschaft messen. 1635 verfügten Balthasar und Ferdinand de Groote über ein Vermögen von 265.506 Pfund fläm. Margaretha de Groote wies 1670 118.615 Pfund fläm. Vermögen auf. Doppelt so reich wie Dorchi waren 1640 Arthus Aynscombe und 1669 Jan Stefano Spinola, die beide über ca. 100.000 Pfund fläm. verfügten. Siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.140. 67 Ebenda, S.218. Die genealogische Zuordnung bleibt ungewiß, zumal sich in der italienischen Sekundärliteratur keine Hinweise auf die Dorchi finden. Die Quellen zum Hamburger Rüstungsauftrag vermitteln den Eindruck, daß jener "Handelsherr zu Antwerpen" den Genueser Autoritäten nahezu unbekannt war. Jan Paolo Dorchi war mit Cornelia Cocx verheiratet. Die soziale Stellung der Familie offenbart sich in den Heiraten der Töchter Dorchis mit Baron Robert de Catrice und Ferdinand Sueyro (Asientistas und Befehlshabern im spanischen Heer) sowie mit Francisco Maria Maggioli (Ratsherr und "ontvangergeneraal van zijne majesteits domeinen te Valencijn"). 68 H. Lonchay/J. Cuvelier/J. Lefèvre (Hrsg.), Correspondance de la Cour d'Espagne sur les affaires de Pays-Bas au XVII e siècle, 3 Bde., Brüssel 1923-37, Bd.n, S.697. 1633 ließ er über die Summe von 200.000 Duk. protestieren.
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler
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Stefano Spinola, Louis Malo, Francesco Grimaldi, Adam Diaz Solis und Francisco Lopes Franco dem Bankierskonsortium an, das die Finanzierung der spanischen Besatzungsmacht in den südlichen Niederlanden in den Händen hielt.69 Daneben sind gelegentliche Finanztransaktionen in staatlichen Diensten zwischen Brüssel und Wien über das Handelshaus Pestalozzi nachweisbar.70 Bekanntlich waren die Pestalozzi im Dreißigjährigen Krieg maßgeblich für die kaiserliche Partei tätig.71 Sicherlich war es kein Zufall, daß im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit um die Genueser Munitionsbestellung die Präsenz Giovanni Baptista Pestalozzis in der Hansestadt belegt ist. Offiziell fungierte er als Interessenvertreter der Odeschalchi und Cerneschi aus Venedig, die sich zu den geschädigten Serras zählten. Pestalozzi trat dann an die Seite der Amsinck, mit denen ihn über den konkreten Anlaß hinaus offenbar konsistente Geschäftsinteressen verbanden.72 Wie die bearbeiteten Quellen offenlegen, stand Dorchi in der Hansestadt in engen Geschäftsbeziehungen zu mindestens zwei der finanzkräftigsten und einflußreichsten niederländischen Emigrantenfamilien, den de Hertoghe und den Amsinck, die über seine Vermittlung den Genueser Auftrag übernommen hatten bzw. als seine Interessenvertreter vor Ort fungierten. Jan Paolo Dorchi war mit Lorenzo 69
Zum Bankierskonsortium, das die finanzielle Basis der spanischen Truppen sicherte, siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.207, S.215. Jan Paolo Dorchi war 1646 (mit beinahe 40.000 Pfund fläm.) Hauptkreditgeber der spanischen Heeresverwaltung. Jan Stefano Spinola hatte im selben Jahr 30.620 Pfund fläm. offen zu stehen. Die Franco waren mit 30.000 Pfund fläm. beteiligt. 70 Zu diesen Finanztransaktionen siehe: Ebenda, S.219. 71 In Wien waren Antonio, Giovanni Baptista und Stefano Pestalozzi Hauptfaktoren. In Augsburg operierten Giulio Cesare Pestalozzi & Georg Amman im Auftrag de Wittes. U. a. wurden die Subsidienzahlungen der Kurie über die Verbindungsleute der Pestalozzi in Venedig (die Capponi) nach Deutschland geleitet. In Genua waren die Pestalozzi wahrscheinlich über die Sepossi für de Witte tätig. Siehe: G. Seibold, Italienische Kaufleute, S.189; H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.134, S.152; ders., "Christoph Furtenbach a Genova e il suo testamento", in: RSI 84(1972), S. 1102-113; A. Ernstberger, Hans de Witte, S.217, S. 219, S.224; H. Ernst, Madrid und Wien, S.269 ff. Zum Handelshaus der Pestalozzi und ihren internationalen Geschäftsbeziehungen vgl. auch die ausführlichere Darstellung in Kapitel VII der vorliegenden Arbeit. 72 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Kompromiß vom 28. Februar 1627, die eidesstattliche Erklärung Cornells de Hertoghes vom 30. Juli 1627 und die Mitteilungen Levantos vom 5. März und 5. Juni 1627. Vgl. auch: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.280, S.287 ff. Kontakte Pestalozzis zu Dorchi wären im Zusammenhang mit Transferdiensten zwischen den Habsburger Besitzungen möglich (beispielsweise über die Bustanzo und Odescalchi).
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Maggioli verschwägert. Über Lorenzo Maggioli partizipierte er am Hamburger Militärgüterhandel. 73 Sowohl mit Jan Paolo Dorchi als auch mit den Campomenoso und den Invrea - mit beiden letzteren besonders in Bezug auf den nicht näher spezifizierten Iberienhandel - stand Francesco Serra in geschäftlichen Verbindungen. 74 Aus den wenigen Briefen der Geschäftskorrespondenz zwischen Serra und Dorchi ergibt sich, daß Jan Paolo Dorchi in Antwerpen sogar als ständiger Prokurator seines Freundes fungierte und dabei ein nicht unerhebliches Risiko einging. U.a. deckte er die Zahlungen der Campomenoso und Invrea, die über Serra im Auftrage der Firma Grimaldi & Spinola zu leisten waren. Weiterhin beglich Dorchi für Serra die Rechnungen, die im Zusammenhang mit den Kupferverkäufen der Fugger nach Amsterdam ausstanden. Barrieren handelspolitischer Art zwischen den südlichen und den nördlichen Niederlanden führten dazu, daß der gemeinsame Geschäftsfreund Dorchis und Serras in Amsterdam, Guillelmo Muilman, von Antwerpen aus für längere Zeit nicht mehr erreichbar war. 7 5 Muilman hatte im Finanztransfersystem dieser Kauf73
Maggioli & Lazagna gehörten 1641 zu den Hauptschuldnern Dorchis. Siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.219. Zu ihrer Zusammenarbeit im Hamburger Militärgüterhandel siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Luzio Moneglias vom 28. Februar 1627. Anläßlich seiner bevorstehenden Abreise nach Brüssel hatte Moneglia Genua empfohen, sich im Rechtsstreit gegen Dorchi von Maggioli vertreten zu lassen. Da ihm zu Ohren gekommen war, daß Maggioli über Freunde an den in Hamburg festliegenden Waren interessiert war (oder sogar die Beschlagnahme im Auftrage Dorchis angeordnet haben konnte), riet er von Maggioli ab und empfahl die in Antwerpen tätigen Genuesen Vincenzo Viale, Gionnesino di Negro, Giovanni Francesco Strata oder Marc'Aurelio Gentile. Zu weiteren Hamburger Rüstungsgeschäften Dorchis siehe: Ebenda, Brief Dorchis an Serra vom 3. Juli 1626. Außer mit den Amsinck und den de Hertoghe stand Dorchi mit Somigliano in Geschäftsbeziehungen. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.265. 74 Zur Beteiligung dieser Bankhäuser am Spaniengeschäft der Grimaldi, Spinola und Serra siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Abrechnungsunterlagen Serras, Frühjahr/Sommer 1628. 75 Zu den Muilman siehe: E.O.G. Haitsma Mulier, Genova, S.435; E. Grendi, Nordici, S.45 ff; S. Subrahmanyan, Gadflies, S.566 ff. Vgl. auch: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1401 (Corrispondenza Estera). Hierin wird der Amsterdamer Kaufmann Muilman zweimal im direkten Zusammenhang mit Filippo Furtenbach, der im Januar 1619 offenbar die Getreidegeschäfte Genuas in Danzig überwachte, erwähnt. Weitere fünf Frachtverträge für die Verschiffung von Danziger Getreide nach Genua (1619/ 20) finden sich in: P.H. Winkelman, Bronnen, Bd.VI, S.286, S.293, S.300, S.328, S.331. Zum Genueser Konsulat Hendrick Muilmans (1622-1648), siehe: H. Wätjen, Niederländer, S.112.
2. Genueser Auftraggeber und Antwerpener Vermittler
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leute höchstwahrscheinlich eine wichtige Funktion inne und verfugte über exzellente Direktverbindungen nach Genua. Der Zahlungsmechanismus kam ausgerechnet dann zum Stillstand, als die von Serra anvisierten Extraeinnahmen aus den Spekulationen um die Wechseltransaktionen des Genueser Rüstungsauftrag ausfielen. Dorchi sah sich nun gezwungen, alle Zahlungen einzustellen und seine Schulden einzuklagen.76 Anhand des untersuchten Einzelfalls und des daraus resultierenden personellen Beziehungsgeflechtes, bestätigen sich die Grundstrukturen des nach Spanien gerichteten Militärgüterhandels nordwesteuropäischer Provenienz in der Form, wie sie schon von H. Kellenbenz in Umrissen entworfen wurden.77 Die zu einem großen Teil zunächst nach Antwerpen gerichteten Rüstungslieferungen - nicht selten auch Amsterdamer Herkunft - hansischer Kaufleute waren mit Sicherheit einerseits für die spanischen Truppen in den südlichen Niederlanden bestimmt, zu denen beispielsweise die Genueser Familien Dorchi, Spinola und Grimaldi bekanntlich die besten Beziehungen unterhielten. Anderseits wurden die Lieferungen über die Antwerpener Vermittlung, beispielsweise über die Maggioli & Lazagna oder die Grimaldi, nach Spanien weitergeleitet. Die stabile Einbeziehung Antwerpens in die internationalen Zahlungskreisläufe über Venedig, Nürnberg und Frankfurt flankierten hierbei die Geschäfte mit Hamburg, Amsterdam und Spanien. Neben der ebenfalls bedeutenden Vermittlung der portugiesischen Unternehmerkräfte im Hamburger und Amsterdamer (Iberien-)Handel kam insbesondere den in Antwerpen an-
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A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Briefe Dorchis an Serra vom 26. Juni, 3. Juli und 10. Juli 1626. Am 26. Juni schrieb Dorchi: "... Havete prima di ora inteso che resta più diffeso il commercio con li Stati d'Olanda in modo che non si puole ne anco scrivere ne ricevere loro lettere sotto grandissima pena ... Li potrete dar l'ordine che Muilman provedi in altre parti non potendo come dettovi scriverli di qua cosa alcuna per valermi di quello mi veniva a mancare per li tre conti di Bartolomeo Campomenoso di noi cioè certe segurtà..." (Übersetzung: "... Habt Ihr bislang vorausgesetzt, daß der Handel mit Holland weiterhin verteidigt bleibt, in der Weise, daß man nicht einmal Briefe schreiben oder empfangen kann ohne höchste Strafen ... Von dort könnt Ihr Anweisung an Muilman geben, daß er andernorts bereitstelle, da ich ihm ja von hier aus, wie ich sagte, nicht schreiben konnte, um dasjenige einzufordern, daß mir aus unseren drei Konten des Bartolomeo Campomenoso in Bezug auf gewisse Versicherungen zu fehlen kam ..."). 77 Wie H. Kellenbenz feststellte, waren die strukturellen Verbindungen zwischen Hamburg und Antwerpen viel bedeutender als man lange Zeit vermutet hatte. Die schlechte Quellenlage legt aber nur wenige Verbindungslinien offen. Außerdem wurde die Antwerpener Konjunkturlage oft fehl eingeschätzt. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.50, S.300 ff und ders., Spanien, S.305 ff.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
sässigen Genueser Handelshäusern eine große Bedeutung zu. 78 Wie wichtig diese personellen Verbindungen im Handelsdreieck Antwerpen-AmsterdamHamburg waren, und welch ausschlaggebende Bedeutung den äußerst flexiblen Unternehmerstrategien dieser diskret über alle politischen Grenzen hinweg operierenden Elite zukam, stellte sich 1626-1628 heraus, als der nach Spanien gerichtete Hamburger Exportstrang gewaltsam unterbunden wurde. Nur diejenigen Geschäftskreise, die über eine stabile Position in Amsterdam verfügten, konnten zu jener Zeit ungehindert Außenhandel betreiben.79
3. Der Hamburger Geschäftspartner und seine Einbindung in die Handelsstrukturen der Hansestadt: Hans de Hertoghe (der Ältere) Mit der Ausführung des Genueser Großauftrages wurde in Hamburg Hans de Hertoghe der Ältere betraut. Das Handelshaus dieses Kaufmannes zählte in der Hansestadt nur zu den Unternehmungen mittlerer Größe. Ein Umstand, der den Abschluß eines so großen und wichtigen Geschäftes zunächst erstaunlich erscheinen läßt. Eine genauere Analyse des weiteren familiären und geschäftlichen Umfeldes Hans de Hertoghes (d.Ä.) zeigt aber, daß die Beauftragung dieses Kaufmannes durchaus kein Zufall war. Bei der Hamburger Familie de Hertoghe handelte es sich um niederländische Emigranten. Die Vorfahren der de Hertoghe stammten ursprünglich aus 78
In erster Linie betätigten sich die weitverzweigten niederländischen Handelshäuser auf diesem Sektor. Aber auch die Portugiesen nahmen an der Vermittlung zwischen Nord Westeuropa und Iberien teil. Im Gegensatz zu den Genuesen, deren Position an den eher traditionellen Austauschstrukturen des 16. Jahrhunderts anknüpfte, ist die portugiesische Vermittlerrolle von der historischen Forschung bereits besser untersucht. Anscheinend verfügten die Portugiesen über stabilere handelstechnische und strukturelle Bindungen nach Amsterdam. Ein Umstand, der ihnen im Vergleich zu den italienischen Handelshäusern einige Vorteile brachte. Allerdings ist daraufhinzuweisen, daß auch die Genuesen über derartige Verbindungen verfügten, wie die Unternehmungen der Balbi und der Serra belegen. Darüber hinaus arbeiteten einige portugiesische und Genueser Handelshäuser (die öfters auch verwandtschaftlich verbunden waren) eng zusammen. Siehe: Ebenda; A. Castillo Pintado, Monarchie espagnole, S.311; W. Brûlez, Anvers, S.82 ff, S.95 ff; R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.222 ff; H. Pohl, Potugiesen, S.79, S.92, S. 107, S. 145, S.209 ff, S.232 ff. 79 Wie später ausgeführt wird, galt dies insbesondere für den Hamburger Mittelmeerhandel. A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Briefe Lelio Levantos vom 9. März, 1. und 7. Mai 1627.
3. Der Hamburger Geschäftspartner
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Brabant und waren wahrscheinlich Befehlshaber von Hertoghenbusch, bis sich der Stammvater des Hamburger Familienzweiges, Wouter de Hertoghe, in Antwerpen niederließ, wo er Handelsgeschäfte betrieb.80 Der 1589 verstorbene Wouter hatte vier Kinder. Sein ältester Sohn Abraham blieb katholisch und bis zu seinem Tod (1607) in der Scheidestadt ansässig. Der Zweitgeborene, Cornells de Hertoghe, zog in Folge der niederländischen Unruhen nach Hamburg, wo er zunächst mit Sabine van Achelen und dann mit Maria de Meyer (vermutlich einer Schwester der Brüder la Maire) verheiratet war. 81 In Hamburg baute er sich eine neue Existenz auf und gehörte bis zu seinem Tod im Januar 1612 zu den führenden Großkaufleuten in der Hansestadt. Die Schwester Cornells de Hertoghes, Maria, heiratete in die Familie de Voss ein und ging nach Rouen.82 Der jüngste Sohn Wouter de Hertoghes, Hans, war bis zu seinem frühen Tod (1576) in Antwerpen als Seidenhändler tätig. Er hatte drei Kinder. Bei seinem Sohn, dem 1567 geborenen und gleichnamigen Hans de Hertoghe, handelte es sich um eben jenen Kaufmann, der 1626/27 für das Genueser Rüstungsgeschäft verantwortlich zeichnete. Nach dem Tod des Vaters kam er zunächst in die Obhut seiner Tante Maria und seines Großvaters Wouter. Dann ging er in Antwerpen bei Jean Thibeaut, der mit Nagelund Eisenwaren handelte,83 in die Lehre. Danach war er für kurze Zeit im Geschäft seines (damals noch in Antwerpen ansässigen) Onkels Cornells tätig. Nach der Einnahme Antwerpens begab sich Hans de Hertoghe auf Wanderschaft. Bevor er wie sein Onkel Cornells nach Hamburg kam, hielt er sich geraume Zeit in den südlichen Niederlanden und Nordfrankreich auf, u.a. in Brüssel, Arras und in Rouen bei seinem Onkel, Jaques de Voss. Auch hier war er im Eisengeschäft bei Nicolas Boulle tätig.84 1599 heiratete er in Ham80
M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.221, S.273; W. Sillem, "Zur Geschichte der Niederländer in Hamburg", in: ZVHG 7(1883), S.503 ff; H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.207 ff. 81 Zur Amsterdamer Familie la Maire, bedeutenden Spanien-, Italien- und Moskowienhändler, die auch bei Spekulationen mit VOC-Aktien besonders aktiv waren, siehe: S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.162; H. Kellenbenz, Archangel Route, S.549; J.G. Van Dillen, Aandeelshoudersregister, S.110 ff. Zum Kölner Familienzweig, der mit Guido la Maire (1615-1630) zu den wichtigsten Spanienhändlern der Stadt gehörte, siehe: G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.370 f. 82 Die Firma Jaques de Voss handelte in Rouen vornehmlich mit Augsburger Barchent. Siehe: E.E.. Unger, Nürnberger Handel, S.33. 83 Zu Jean Thibeaut und seiner Familie, die u.a. in England präsent war und Handelsbeziehungen zu Venedig unterhielt, siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.208 und G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S. 197, S.480. 84 Siehe: H.H. Unger, Nürnberger Handel, S.34 und H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.208 f. 15 Zunckel
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
bürg Johanna Mahuys. Auch seine Schwester Elisabeth hatte in die Familie Mahuys eingeheiratet.85 Die zweite Schwester Anna war die Ehe mit Nikolaus Bernouilli eingegangen, der in Amsterdam und Frankfurt Handelsgeschäfte betrieb. 86 Anfang des 17. Jahrhunderts waren also zwei Familien de Hertoghe in Hamburg ansässig: die Familie von Cornells de Hertoghe und die Familie seines Neffen, Hans de Hertoghe (d.Ä.). Als Lutheraner hatten die de Hertoghe - ebenso wie die Amsinck, de Greve und Juncker - in Hamburg optimale Ausgangsbedingungen, die sowohl ihre soziale Eingliederung als auch den Gang ihrer Handelsgeschäfte begünstigten.87 Das von Cornells de Hertoghe bis 1612 geleitete Handelshaus war weitaus bedeutender als die Unternehmung Hans de Hertoghes (d.Ä.). 1591 übernahm Cornells de Hertoghe die Verwaltung des portugiesischen Gewürzmonopols für Giovanni Battista Rovelasca.88 Neben Martin Enzensperger war er an den 85
Ebenda, S.209. Ebenda. 87 M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.219 f. 88 Diese Aktivitäten brachten ihn u.a. in Verbindung zu den Welsern, Philipp Hensler und den Fuggern. Siehe: H. Kellenbenz, Pfeffermarkt, S.39, S.43; ders., Unternehmerkräfte, S.157 ff; ders., Hamburger Kaufmannsbriefe, S.71 ff; R. Hildebrandt, Die "Georg Fuggerischen Erben". Kaufmännische Tätigkeit und sozialer Status 1535-1600, Berlin 1966, insbesonders S.168 f; E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.48 ff und S.155. Die von Enzensperger in Bewegung gesetzten Gelder liefen auch über Battista Bartolotti (jenen Erbonkel Guillelmo Bartolottis) und dessen Augsburger Partner Diodati. Neben den Manlich, Hans Eberlein, Joseph Hartlieb, den Endres und Jacob Imhof fungierten auch die Krel als Fuggersche Verbindungsleute. Die Krel waren mit den Ott verwandt, die sich in Venedig auch um die Interessen der Fugger bemühten und kleinere Umsätze (unter 30.000 Mark Scudi) auf den Piacenzamessen aufzuweisen hatten. Die Ott waren mit den Venezianer Widmann und den Augsburger Renz verschwägert, die im Iberienhandel besonders aktiv waren und ihrerseits mit den de Hertoghe in engem Kontakt standen. Die Informationen der Ott über die Preiskonjunktur Venedigs waren für die gesamteuropäischen Marktstrategien des Pfeffermonopols von großer Bedeutung. Zu den Verwandtschaftsverhältnissen und Geschäftsverbindungen dieser Handelshäuser siehe den kurzen Überblick von: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.138 und ders., Geldtransfer, S.279 ff, S.287 ff. Zur Präsenz der Ott auf den Piacenzamessen siehe: G. Felloni, All'apogeo, S.893. (Diesbezügliche Quellen befinden auch im Staatsarchiv Genua im Fundus: Notai giudiziari, Gio. Maria Pinceti, Nr.713-715.) Ein Mitglied der Familie Ott bekleidete im Jahre 1622 sogar den der venezianischen Geschäftswelt zukommenden Konsulposten im Verwaltungsgremium der Piacenzamessen. Siehe: G. Mandich, Fiere cambiarie, S. 128. Vgl. auch die Quellenbelege bei: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.310 f, S.358, S.410 f, S.516, S.657, S.674, S.720, S.744, S.764, S.773, S.787 f. 86
3. Der Hamburger Geschäftspartner
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Hamburger Vertriebsstrukturen des europäischen Pfefferkontraktes maßgeblich beteiligt. Dadurch stand er im Geschäftskontakt zu den Spitzenkräften des internationalen Handelslebens. Besonders aktiv war de Hertoghe im Iberienhandel, wo er bereits im Jahre 1585 nachweisbar war. 8 9 Ein wichtiger Geschäftsstrang lief nach Oberdeutschland, d.h. Nürnberg 90 und Augsburg. Über seinen Hamburger Geschäftsfreund, Hinrich de Orth, ließ sich Cornelius de Hertoghe aus Augsburg von Jeremias Seitz (auf Rechnung der Antwerpener Firma Matthäus & David Lang) Barchent besorgen, der an die Firma Matthäus Renz & Brüder nach London weitergeleitet wurde. Von dort konnte die Ware ohne Schwierigkeiten nach Spanien geschickt werden. Cornells de Hertoghe war außerdem am Verkauf von Alaun nach England beteiligt. 91 Auch im Venedighandel (über Augsburg) sind Aktivitäten dokumentiert. 92 Die Hamburger Firma war also bestens in die europäischen Handelsströme eingeschaltet. 1605 führte Cornells de Hertoghe 120 Mark als Fremdenabgabe an die Hansestadt ab. Unter den 130 im ersten Niederländerkontrakt erfaßten Personen rangierte er an 5. Position.93 89
Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.208, S.293 ff, S.296. Neben den mit Amerika und Indien verbundenen Umschlagplätzen sowie den spanischen Mittelmeerhäfen waren auch Bilbao und San Sebastian, wo die Schwerpunkte der Flottenrüstung lagen, wichtig. Aktiv waren hier Lukas Beckmann, Daniel Krel und die Familie Scheie. Präsent war auch ein gewisser Paolo de Hertoghe aus Brüssel. 90 E.E.. Unger, Nürnberger Handel, S.33. 91 Zum Export schwäbischer Leinenerzeugnisse siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.208, S.303, S.309 f. Auf diesem Sektor waren in Hamburg auch Gillis de Greve (für Georg Sulzer), Martin Enzensperger (für Daniel Krel), Eleasar Jenisch (für "Johann Oesterreicher Erben") und Philipp Hensler (für die Welser) tätig. Zum Augsburger Handelshaus Renz, die in ihrer Heimatstadt durch Willem Renz, in Madrid durch dessen Bruder Peter und in London durch Matthäus Renz und Brüder vertreten waren, siehe: Ders., Die Fugger in Spanien und Portugal bis 1560, 2 Bde., München 1990. Zum Alaunhandel siehe: E.E. Ungher, Nürnberger Handel, S.34. Über dieses Geschäft könnten Kontakte mit italienischen Kaufleuten bestanden haben. 92 W. Brûlez, Marchandsflamands, S.557. Am 4. August 1605 erklärte die Firma "Tito Livio und Nicolò Burattini & Matteo Ainech", auf Rechnung der Antwerpener Firma "Matthäus & David Lang" vier Ballen feine Camelotstoffe erworben zu haben, die am 5. April im Auftrag der Lang über die Erben "Isaya & Giovanni Adt" in Nürnberg zu Cornells de Hertoghe nach Hamburg geschickt worden waren. 93 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.208. Die große Bedeutung und sein guter Ruf als international tätiger Großkaufmann ist auch daraus ersichtlich, daß de Hertoghe sich unter denjenigen Handelsherren (u.a. Gillis de Greve und Alessandro Rocca) befand, die die Stadt Augsburg bezüglich des Cuchetto-Falliments 1599 um Rat bat. Siehe: C. Dahlede, Augsburger Quellen, S.522 f. 15*
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Der soziale Stellenwert der de Hertoghe und ihre weitreichenden Geschäftsbeziehungen sind an ihren Verwandtschaftsverhältnissen abzulesen. Cornells de Hertoghe hatte drei Kinder: Hans, der zur besseren Unterscheidung von seinem gleichnamigen Cousin als Hans der Jüngere bezeichnet wurde, Isabeau und Walter de Hertoghe. Isabeau heiratete 1601 Rudolf Amsinck. Hans de Hertoghe (d.J.) ging 1616 mit Sarah Amsinck die Ehe ein. Über die konkreten Handelsaktivitäten der Brüder Rudolf und Arnold Amsinck sind nur wenige Informationen greifbar. Die Amsinck gehörten zu den Spitzenkräften der Hamburger Kaufmannschaft. Nach dem Tode ihres Vaters Willem verfügten sie 1619 über die größten Umsatzkonten der Hamburger Bank. 94 Arnold Amsick war seit 1609 mit einer Berenberg verheiratet. Die Berenberg gehörten zu den führenden Handelshäusern Hamburgs. Im Niederländerkontrakt von 1605 standen die Berenberg mit einer Abgabe von 150 Mark an vorderster Stelle. 95 Verwandtschaftliche Beziehungen bestanden von 94
Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.182 ff und M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.81. 1619, 1620/1621 wiesen die Brüder Amsinck mit 641.846 bzw. 882.275 Mark die höchsten Bankumsätze in der Hansestadt auf. Diese Beträge fielen dermaßen aus dem Rahmen, daß sie nach Einschätzung M. Reißmanns als Ausnahmen angesehen werden müssen, die für das normale Geschäftsvolumen der Amsinck nicht repräsentativ waren. 95 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.189 ff. 1615 leistete Hans Berenberg 110 Mark Fremdenabgabe. Sein Bruder Paul führte 60 Mark an die Stadt Hamburg ab. Nach 1616 übernahm Hans Berenberg (d. J.) die Geschäfte seines gleichnamigen Vaters. Er rangierte 1619 auf Platz 15 der Kontoinhaber bei der Hamburger Bank (1622 auf Rang 19). Seine Generation war mit den Amsinck, de Hertoghe, van Haesdonck und den van Uffeln verschwägert. Andreas Berenberg war seit 1622 mit Sarah de Hertoghe (Schwester Cornelius de Hertoghes) verheiratet. Andreas Berenberg und Hans de Hertoghe kannten sich von ihrem gemeinsamen Studienaufenthalt in Siena 1621. Siehe: R. Hildebrandt, Georg Fuggerischen Erben, S.28. Hans und Paul Berenberg gehörten in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts zu den großen Hamburger Iberienhändlern. Hans Berenberg wies 1633 31.000 Mark admiralitätszollpflichtigen Umsatz auf. 1634 waren es 17.000 Mark und 1637 41.000 Mark. Sein Onkel Paul verzollte 1632 und 1633 jeweils 33.000 Mark im Iberienhandel, 1634 47.000 Mark und 1637 19.000 Mark. 1637 kam Andreas Berenberg hinzu, der 33.000 Mark mit Spanien und Portugal verzollte. 1645 gehörten Andreas (mit 35.420 Mark Gesamtumsatz) und Paul Berenberg (mit 27.140 Mark Umsatz) zum Mittelfeld der im Spanienhandel engagierten Handelhäuser Hamburgs. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.373, S.380. Zum Venedighandel der Berenberg Anfang des 17. Jahrhunderts siehe: W.G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.49, S.54, S.374. Zu Augustin Vossenholen siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.190.
3. Der Hamburger Geschäftspartner
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dieser Seite zu Augustin Vossenholen, der als Kupferhändler bekannt war. Zu erinnern sei an die Einschaltung der Brüder Amsick in das Genueser Munitionsgeschäft. Jan Paolo Dorchi, mit dem die Amsinck und die de Hertoghe in engen Geschäftsbeziehungen standen, hatte bei Hans de Hertoghe (d.Ä.) erwirkt, die Munitionslieferung an die Amsinck zu übergeben. Das Bestehen familiärer Bande erleichterte dieses Vorgehen außerordentlich. 96 Das Auftreten Giovann Baptista Pestalozzis an der Seite der Amsinck läßt auch auf geregelte Geschäftsbeziehungen zu diesem Handelshaus schließen.97 Das Vermögen der Amsinck stammte überwiegend aus dem Iberienhandel. 98 Außerdem war diese Familie im Warenaustausch mit Nürnberg besonders aktiv. 99 Der jüngste Sohn Cornells de Hertoghes, Walter, war mit Maria van Haesdonck, die vermutlich dem Amsterdamer Familienzweig dieser Familie zuzurechnen ist, verheiratet. Die van Haesdonck stammten ursprünglich aus Ant96
Die Beziehungen zwischen den Amsinck, Dorchi und de Hertoghe stellten sich dem Genueser Gesandten äußerst undurchsichtig dar. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Lelio Levantos vom 18. Dezember 1626. 97 Ebenda, Trattenaufstellung Hans de Hertoghes vom 1. September 1626. Das Handelshaus Pestalozzi & Amman war an den Zahlungsmodalitäten für das Hamburger Rüstungsgeschäft beteiligt. Hierbei handelte es sich um einen nach Venedig gerichteten Zahlungsstrang, für den die Cerneschi und die Odescalchi verantwortlich zeichneten. Nach eigenen Angaben schuldete Serra diesen Handelsherren die Summe von 3.500 Duk. Siehe: Ebenda, Brief Serras an die Hertoghe vom 5. November 1626. Lelio Levanto versuchte deshalb über die Odescalchi auf Pestalozzi einzuwirken, einem Kompromiß zuzustimmen. Siehe: Ebenda, Briefe Levantos vom 5. März und 5.Juni 1627. Zum Geschäftsfeld dieser Handelshäuser siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.134, S.146, S.151 f; ders., Geldtransfer, S.280 ff, S.287 ff; G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.27, S.38 f, S.246, S.358, S.434, S.711. Die Pestalozzi arbeiteten in Bergamo eng mit den de Groote zusammen. Siehe: G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.261. 98 Als Indizien für die mutmaßliche Hauptbetätigung der Amsinck im Iberienhandel werden die Verschwägerung mit den führenden Hamburger Iberienhändlern, ihr Auftreten als Reeder in der Spanienfahrt und die Tätigkeit Rudolf Amsincks in der 1623 gegründete Admiralität, deren hauptsächliche Aufgabe in der Sicherung der Westfahrt lag, angeführt. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.183. Geschäftsbeziehungen bestanden zu Bernard ten Broek in Livorno. Siehe: L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.183. Rudolf Amsinck gehörte in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts zu den großen Iberienhändlern. Im Jahre 1632 wies er 3.000 Mark Umsatz auf, 1633 35.000 Mark, 1634 26.000 Mark und 1637 8.000 Mark. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.373. 99 E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.33.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
werpen. Im Zuge der niederländischen Unruhen war diese Familie nach Amsterdam und Hamburg gelangt, wo sie mit den de Greve in verwandtschaftlichen Beziehungen stand. 100 Wie die de Greve, die mit den führenden Hamburger Kupferhändlern Rodenburg und Ruland verschwägert waren, betätigten sich die van Haesdonk im Metallhandel. 101 Hinzuweisen sei an dieser Stelle auf die erfolgreiche Vermittlungsfunktion, die Rutger Ruland im Streitfall um den Genueser Rüstungsauftrag innehatte, ein wichtiges Indiz für die direkte Einbeziehung der de Hertoghe und Amsinck in den Geschäftskreis der führenden Hamburger Militärgüterhändler. Über exzellente Beziehungen verfügten die Hamburger van Haesdonk zum Handelshaus de Groote in Köln. In Hamburg fungierten sie als Interessenvertreter der de Groote. 102 Im Auftrag dieses Handelshauses betrieben die van Haesdonck auch den Iberienhandel. 103 100
Über die van Haesdonck könnten die de Hertoghe Zugang zum Amsterdamer Markt gehabt haben. Zu Arnold van Haesdonk, siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.204 f. Er führte bei den Niederländerkontrakten (1605 und 1615) 100 Mark ab. Nach seinem Tod (noch vor 1619) wurde das Geschäft von seinem Sohn weitergeführt, der 1639 ebenfalls 100 Mark Fremdenabgabe entrichtete. Die van Haesdonk verfügten mit der Firma Gewandschneider über wichtige Geschäftspartner im oberdeutschen Leinenhandel. Die Hamburger Zertifikate belegen Nürnberger Rollmessinglieferungen, die an Peter Scheie in Spanien geschickt wurden. Arnold van Haesdonck stand mit dem Saigerunternehmen Thomas Lebzelters in Verbindung. 101 Hans van Haesdonck war mit Anna de Greve verheiratet, Agnete van Haesdonck mit Willem de Greve, Marie van Haesdonk mit Gillis de Greve, der im ungarischen Kupferhandel eine wichtige Rolle spielte. Handelsbeziehungen bestanden nach Nürnberg, England und zur Iberischen Halbinsel. Siehe: E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.32 f. Mit Hermann Rodenburg und Rutger Ruland verfügte Gillis de Greve über einflußreiche Schwiegersöhne, die zu den wichtigsten Kupferhändlern Hamburgs gehörten. Hermann Rodenburg trat auch im Tuchhandel in Erscheinung. Rutger Ruland kam aus einer angesehenen Aachener Kupfermeisterfamilie, über die er niederrheinische Metallprodukte empfing. Eine Tochter Rulands war mit Hans Berenberg verheiratet. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.127 ff, S.201 ff und ders., Aachener Kupfermeister, S.609 ff. 102 Siehe: R. Baetens, De Nazomer, Bd.II und G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.120, S.257, S.380 ff. 103 Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.204. Arnold van Haesdonck gehörte zu den Spitzenkräften im Hamburger Südeuropahandel. 1632 und 1633 verzollte er Waren im Werte von jeweils 74.000 Mark. 1634 kam er auf 44.000 Mark Umsatz, 1637 sogar auf 176.000 Mark. Diese gute Position konnte er auch 1645 behaupten, als er über einen Umsatz von fast 100.000 Mark im Überseegeschäft verfügte. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.60, S.372, S.380. Zum Italienhandel der van Haesdonck/de Groote siehe: G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.309.
3. Der Hamburger Geschäftspartner
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Diese Familienbande und die daran anknüpfende Kombination verschiedenster Handelssektoren lassen den Rückschluß zu, daß es sich bei den de Hertoghe um diejenigen Kräfte handelte, die besonders in den spanischen Militärgüterhandel involviert waren. Direkte Zeugnisse über diese einträglichen Aktivitäten Hamburger Kaufleute sind bekanntlich nur sehr selten aufzufinden, so daß man bei Nachforschungen auf diesem Gebiet hauptsächlich auf Rückschlüsse, die sich aus den vielschichtigen Verwandtschaftsverhältnissen ergeben, angewiesen ist. 1 0 4 Zu den Hamburger Rüstungskreisen zählte auch das Handelshaus Van Uffeln, das zumindest bis 1623 wohl die glanzvollste Unternehmung der Hansestadt darstellte. 105 Mitglieder der Familie Van Uffeln waren auch in Amsterdam aktiv. 1 0 6 Außerdem betrieben sie in enger Kooperation mit der Antwerpener Familie Lernens den Italienhandel.107 104
Die Hamburger Zertifikate zum Spanienhandel geben nur schlecht Auskunft, weil diese Güter wegen der Beschlagnahmegefahr geschickt getarnt und überwiegend geschmuggelt wurden. Auch die mengenmäßige Erfassung des Hamburger Iberienhandels ist bis zum Einsetzten der Admiralszolllisten höchst problematisch. Wenige Erkenntnisse existieren über die Verbindungsleute in Antwerpen, Lübeck und Danzig. Bei den Nachforschungen auf diesem Gebiet ist man überwiegend auf Zufallsfunde angewiesen. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.71 f, S.90; G. Köhn, Neue Quellen, S.103 ff; K. Richter, Hamburgs Iberienschiffahrt, S.91 ff. 105 Domenicus van Uffeln stand bis 1623 an der Spitze des Handelshauses. Seine Söhne führten die Firma weiter, hatten aber mit den in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts verstärkt auftretenden Handelsschwierigkeiten zu kämpfen. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.224 ff. Domenicus van Uffeln (d. J.) verzollte 1632 Waren im Werte von 63.000 Mark, 1634 im Wert von 18.000 Mark und 1637 im Wert von 69.000 Mark. Domenicus und Johann van Uffeln gehörten 1645 mit 113.980 Mark Umsatz zu den Spitzenkräften des Hamburger Überseehandels. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.374., S.379. 106 Sie waren mit den Bodeck, Beckmann, de Greve, Juncker und Overbeck sowie den Schonck verschwägert. Leider ist der Name ihres Amsterdamer Faktors, der mit dem Militärgüterhandel betraut war, nicht bekannt. Wahrscheinlich handelte es sich um Hans oder um Giacomo und Marco van Uffeln. Auch in Messina (David van Uffeln) und Neapel waren Mitglieder der Familie ansässig. Siehe: H. Kellenbenz, Hansestädtisches Unternehmertum, S.959, S.965; K. Heeringa, Bronnen, S.100, S.105; S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.163. 107 G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S. 199, S.234, S.243, S.253, S.263, S.252, S.291, S.309, S.311, S.322f S.339 f, S.373, S.404, S.412, S.416, S.425, S.433, S.438 f, S.444, S.471, S.500 f, S.583, S.610, S.709 f. In Venedig war 1620 Lukas van Uffeln ansässig. Kontakte bestanden u.a. zu den Vancastre, la Maire, de Decher, Latfeur, Orlandini, Giustiniani, Furtenbach, Balbi, Rocca und Melchiori, in Livorno zu Bernard ten Broeck. Siehe: K. Heeringa, Bronnen, S.100, S.105.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Ähnliche Geschäftsstrukturen wiesen ebenfalls die Firmen der Familie Beckmann108 und das Handelshaus Juncker auf. 109 Seit 1625 zählten auch die Schröttering zu jenen Kreisen. Neben dem Spanienhandel waren diese Han108
Zur Hamburger Familie Beckmann, ihren Verwandtschaftsbeziehungen und ihrem Handelsimperium siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S . l l l ff. Im Jahre 1620 wiesen die fünf Handelsunternehmungen der Beckmann bei der Hamburg Bank Umsatzkonten auf, die sich auf 655.716 Mark beliefen. Diese Familie war seit den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts für die Getreidelieferungen nach Italien verantwortlich. Siehe: P. Jeannin, Entreprises hanséates, S.269. Lukas und Barthold Beckmann lieferten Anfang des 17. Jahrhunderts in Zusammenarbeit mit einer Antwerpener Firma vor allem kriegsrelevante Güter nach Bilbao und San Sebastian. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.206 f. Lukas Beckmanns Hauptverbindungsleute in Antwerpen waren Jeronimo und Balthasar Andrea (bis zu ihrem Bankrott 1620) und die Boussemart. Neben den Beckmann standen die Andrea auch mit den van Uffeln in Kontakt. In Amsterdam arbeiteten sie hauptsächlich mit Guillelmo Bartolotti und Jan Calandrini zusammen. Ebenda, S.301 f. In Amsterdam operierte Hendrick Beckmann. Siehe: H. Kellenbenz, Spanien, S.309. Harm Beckmann tauchte erst im Jahre 1637 mit einem Umsatz von 28.000 Mark unter den Iberienhändlern auf. Die Firma Harm Beckmanns gehörte 1645 mit 82.180 Mark Umsatz zu den großen Überseehandelsfirmen Hamburgs. Heinrich Beckmann war 1637 mit nur 7.340 Mark am Überseegeschäft beteiligt. Auch in den 30er Jahren zählte er nur zu den kleinen Firmen im Iberienhandel. Weitaus bedeutender war Peter Beckmann, der 1632 15.000 Mark, 1633 43.000 Mark, 1634 72.000 Mark und 1637 17.000 Mark im Iberiengeschäft verzollte. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.373 ff. 109 Pieter Juncker war mit der Familie van der Straaten verwandtschaftlich verbunden, die um 1610 Hamburg verlassen hatte, um sich in Amsterdam niederzulassen. 1628/29 traten sie in Geschäfts- und Verwandtschaftsbeziehungen zu den Trip. Nach 1635 knüpften sie Verbindung zu den Hamburger und den Amsterdamer MarseIis. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.213 f, S.225. In den 30er Jahren des 17. Jahrhundert gehörte Johann Baptista Juncker mit 17.000 Mark (1632), 40.000 Mark (1633), 29.000 Mark (1634) und 58.000 Mark (1637) zu den großen Hamburger Iberienhändler. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.373. Der Sohn Pieter Junckers, Adrian, tauchte erst 1637 mit 9.000 Mark Umsatz in den Admiralszolllisten auf. Ebenda, S.376. Adrian und Johann Baptista Juncker gehörten 1645 mit 191.180 bzw. 109.100 Mark Umsatz zu den größten Überseehandelsfirmen der Hansestadt. Sie bekleideten zum selben Zeitpunkt Ehrenämter. Ebenda, S.379. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das für Lelio Levanto ausgestellte Empfehlungsschreiben Hendrick Muilmans an Pieter Juncker. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Instruktionen vom 5. November 1626.
3. Der Hamburger Geschäftspartner
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delshäuser maßgeblich am Italiengeschäft beteiligt.110 Darüber hinaus betätigten sich die Spitzenkräfte der Hamburger Kaufmannschaft, wie auch die Unternehmung der Groendaal & Verpoorten, im internationalen Rüstungsgeschäft. 111 110
Jürgen Schröttering stieg im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts vom armen Bauernwaisen zu einem der erfolgreichsten und politisch einflußreichsten Unternehmern Hamburgs auf. 1595 heiratete er in die Familie vom Holte ein. Die vom Holte wurden in den 90er Jahren im Genueser Getreidegeschäft genannt, hatten in Hamburg wichtige politische Funktionen inne und verfügten außerdem über die besten Beziehungen zum Kaiserhof. Zunächst engagierte sich Schröttering im Salzhandel, hatte aber bald Möglichkeit, an die ungarischen Kupferquellen zu gelangen. Nach 1625 (als der Salzhandel nicht mehr lukrativ erschien) exportierte er in enger Zusammenarbeit mit den Wewitzern schwedisches Kupfer nach Spanien. 1620 verfügten er und sein Sohn Johann über Umsatzkonten der Hamburger Wechselbank, die sich auf 122.301 Mark beliefen. Jürgen Schröttering soll über 1.000.000 Mark Vermögen hinterlassen haben. Dieser Reichtum stammte in erster Linie aus dem Spaniengeschäft, aber auch aus der Italienfahrt. Nach 1646 lag der Schwerpunkt der Handelsgeschäfte dieser Familie (im Gegensatz zu den meisten Hamburger Unternehmerkräften) eindeutig in Italien. Später beteiligten sie sich auch am Versicherungsgeschäft. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wanderte Heinrich Schröttering nach Livorno aus. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.134 f und M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.35, S.54, S.79, S.85 ff, S.144, S.247, S.372, S.379, S.381, S.383. 111
Die Verpoorten gehörten zu den wichtigsten Niederländerfamilien in Hamburg. Durch Einheirat in die Familie Amya verfugten sie auch über eine einflußreiche Aachener Verwandtschaft. Diese Linie wurde nach 1616 verstärkt, indem sich die Verpoorten mit den Ruland verschwägerten und mit den (ebenfalls aus Aachen stammenden) Groenedael eng zusammenarbeiteten. Die Verpoorten waren zunächst im Textilhandel aktiv, stiegen in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts aber auch in den internationalen Kupferhandel ein. Hauptabsatzmarkt war Spanien. In diesem Zusammenhang war es wichtig, daß die Hamburger Jaques und Jan Verpoorten Rückhalt im Amsterdamer Familienzweig hatten und in engen Geschäftsbeziehungen zum Handelsimperium Louis de Geers und Elias Trips standen. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.233 ff. Jakob Adrian Verpoorten zählte in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts zum Mittelfeld der Hamburger Iberienhändler. 1632 verzollte er 13.000 Mark, 1633 24.000 Mark, 1634 10.000 Mark und 1637 37.000 Mark. 1643 machte er Bankrott. Hans Adrian und Johann Verpoorten hatten in den 30er Jahren niedrigere Umsätze aufzuweisen (insgesamt 42.000 bzw. 56.000 Mark). Im Jahre 1645 gehörte Hans Adrian Verpoorten mit insgesamt 25.720 Mark Umsatz lediglich zur unteren Mittelklasse der Hamburger Überseehändler. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.373 ff.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Interessant wäre die Frage, inwieweit diese Kreise mit dem Handelshaus Marseiis, das in Hamburg, Amsterdam und Rußland auf den Militärgüterhandel spezialisiert war, in Verbindung standen oder inwiefern sich sogar direkte Kontakte zum Amsterdamer Rüstungsimperium der Trip nachweisen lassen. 1 1 2 1622-1634 ist ein konsistenter Strom von Militärgütern aus Amsterdam in Richtung Hamburg dokumentiert. 113 In Hinblick auf den Rüstungssektor aber auch in Bezug auf den internationalen Frachtmarkt bildeten solide Geschäftsbeziehungen nach Antwerpen und Amsterdam die Basis für mög112
Die Hamburger Marseiis waren nicht im Iberienhandel aktiv. Sie waren aber mit den L'Hermite verschwägert, die auf diesem Gebiet tätig waren. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.214 ff. Diese Familie stand seit den 30er Jahren über ihre Amsterdamer Familienmitglieder und die van der Straaten/Sautijn in verwandtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen zu den Trip und den de Geer. Siehe: E. Amburger, Familie Marselis, S.37. Direkte Beziehungen zum Handelsimperium der Trip unterbieten die Verpoorten. Über verwandtschaftliche Verbindungen könnten auch die Ruland Kontakt zu den Trip gehabt haben. Über die van der Straaten stand Pieter Juncker sicherlich mit ihnen in Beziehung. Über Juncker könnten die van Uffeln Kontakte geknüpft haben. Korrespondent der Trip in Hamburg war Steffen Wouters. Außerdem bestanden über Liebert Wouters verwandtschaftliche Beziehungen zu Louis de Geer (Onkel Steffen Wouters) Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.235 f und ders., Hansestädtisches Unternehmertum, S.959 f. Zur Betätigung der Wouters im Nürnberghandel, wo sie u.a. in Zusammenarbeit mit den Amsinck und van der Straaten nachweisbar sind, siehe: E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.31 f. Die van der Straaten standen mit den van Sorghen in Verbindung. Über diese Familie hatte Hamburg Zugang zum schwedischen Kupfermarkt. Siehe: Kellenbenz, Unternehmerkräfte S.224 ff. Mit Leenaert van Sorghen standen die de Hertoghe, die später als Agenten des dänischen Königshauses auftraten, in Kontakt, so daß eine Verbindung zwischen den de Hertoghe und den Trip nicht auszuschließen ist. Ebenda, S.59. Die Geschäftskontakte der Beckmann über die Antwerpener Andrea zu Bartolotti können ebenfalls zu Mutmaßungen über Geschäftsbeziehungen zu Amsterdamer Rüstungskreisen Anlaß geben. Siehe: H. Kellenbenz, Spanien, S.310 f, 327 ff. 113
Siehe: E. Bäsch, Kriegsmaterialien, S.541 und ders., Hamburgs Seeschiffahrt, S.404-409. Insbesondere gelangten über Amsterdam Blei, Salpeter, Schwefel, Lunten, Munition, Geschütze, Spießen und Musketen in die Hansestadt. Leider macht Baasch keine Angaben zu den beteiligten Unternehmerkräften. Diese Waren konnten in Hamburg u.a. an die kaiserliche Partei, nach Schweden aber auch nach Spanien vermittelt werden. Ein Umstand, der den politisch-militärischen Interessen der Niederlande zuwiderlief. Angesichts der strukturellen Verbindungen zwischen Hamburg und Amsterdam sind auch Handelsströme militärrelevanter Güter in die Gegenrichtung nicht auszuschließen. Ein Drittel des Hamburger Exporthandels lief 1625 nach Amsterdam. Siehe: E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.45.
3. Der Hamburger Geschäftspartner
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liehst flexible, d.h. den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten adäquate, Unternehmensstrategien. Nach dem Tod Cornelius de Hertoghes (1612) übernahmen seine beiden Söhne, Hans (d.J.) und Walter, die Unternehmung des Vaters, gingen aber getrennte Wege. Beide Firmen wiesen in den ersten Jahren des Bestehens der Hamburger Bank hohe Kontoumsätze auf. Die Unternehmung ihres Cousins, Hans de Hertoghe (d.Ä.), gehörte in dieser Zeit nur zum Mittelfeld der Hamburger Handelshäuser.114 Der ökonomische Stellenwert der de Hertoghe, ihre weitgefächerten Handelsbeziehungen und ihre familiären Verbindungen lassen es nicht weiter verwunderlich erscheinen, daß Walter de Hertoghe in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts als Hauptfaktor Hans de Wittes in Hamburg fungierte. 115 Sein Unternehmen zeichnete in der Hansestadt sowohl für die Beschaffung und den Transfer von Geldern als auch für die Versorgung der kaiserlichen Truppen mit Kriegsmaterialien verantwortlich. Bis zum Tod Walter de Hertoghes (1630) konnte Habsburg über seine Vermittlung sogar auf die Lieferung von Militärgütern Amsterdamer Provenienz rechnen. Die privilegierte Position Walter de Hertoghes, die sich aus seiner Zentralstellung als Rüstungshändler 114
Im Niederländerkontrakt von 1615 sind Hans de Hertoghe (d.J.) mit 50 Mark Fremdenabgabe, Walter de Hertoghe mit 45 Mark und Hans de Hertoghe (d.Ä.) mit 20 Mark Abgabe erfaßt. Die drei Firmen der Familie de Hertoghe sind mit folgenden Beträgen in den Kontobüchern der Hamburger Bank vertreten: 1619 1620 189.048 Mark 270.884 Mark Hans d.J.: 154.583 Mark 247.840 Mark Walter: 60.638 Mark Hans d.Ä. Die Brüder Hans (d.J.) und Walter lagen 1619-1623 auf Platz 6 und 20 der Kontoinhaber bei der Hamburger Bank. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.209. 115 A. Ernstberger, Hans de Witte, S.216, S.218 f. Als Nebenfaktoren de Wittes traten in Hamburg Heinrich Kreutz, Augustin Meschmann, Jakob Moers und Cornelius Rosenthal auf. Neben Handelskontakten der de Hertoghe in Amsterdam (über die van Haesdonck) konnten auch Beziehungen nach England nutzbar gemacht werden. Außerdem wären Verbindungen (über Leenaert van Sorghen) nach Schweden und (ebenfalls über van Sorgen und die van der Straaten) zu den Trip in Erwägung zu ziehen. Siehe H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.224 ff und ders., Hansestädtisches Unternehmertum, S.59. Mit Oberdeutschland standen die Hertoghe über den Textilhandel in besten Geschäftsverbindungen. Ein Umstand, der für die Tätigkeit als Hauptfaktor de Wittes unbedingt erforderlich war. Angesichts der Beteiligung der Pestalozzi am Genueser Munitionsgeschäft sind Kontakte zu dieser ebenfalls in kaiserlichen Diensten stehenden Familie zu vermuten.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
ergab, wird in der Haltung Wallensteins gegenüber diesem Großkaufmann deutlich. Als die kaiserlichen und ligistischen Heerscharen anläßlich des Dänisch-Niedersächsischen Krieges (1625-1629) bis nach Norddeutschland vordrangen, war Walter de Hertoghe anscheinend der einzige, oder zumindest einer der wenigen Kaufleute, dem von Wallenstein zugestanden wurde, Salpeterlieferungen in der Hansestadt in Empfang zu nehmen. In der Person Walter de Hertoghes läßt sich einer der Salpeterimporteure Hamburgs identifizieren, die im Dreißigjährigen Krieges vom Rüstungsboom profitierten. 116 Die einschlägigen Erfahrungen Walter de Hertoghes in Kriegsgeschäften werfen ein bezeichnendes Licht auf die Aktivitäten der gesamten Familie de Hertoghe und auf die mit ihnen verbundenen Handelshäuser. Es war durchaus kein Zufall, daß sich Genua über Francesco Serra bei der Vergabe des militärrelevanten Großauftrages im Jahre 1626 ausgerechnet an Hans de Hertoghe (d.Ä.) wandte. Obwohl sein Handelshaus nicht zu den absoluten Spitzenkräften der Hamburger Wirtschaft zählte, wies diese Firma doch die nötigen Grundvoraussetzungen auf, die für die erfolgreiche Abwicklung eines großen Rüstungsgeschäftes erforderlich waren. Die nach Genua adressierten Geschäftsbriefe Hans de Hertoghes, die übrigens in gut verständlichem Italienisch abgefaßt waren, zeigen die große Vertrautheit des Geschäftsmannes mit dieser militärspezifischen Materie. In Florenz stand Hans de Hertoghe mit Giorgio Everts (d.Ä.) in Geschäftskontakt.117 116
Wallenstein bewilligte Walter de Hertoghe am 1. Juli 1628 und am 30. Juni 1629, Salpeter aus Danzig nach Hamburg zu transportieren (unter der Maßgabe, das daraus herzustellende Pulver an die kaiserliche Armee zu liefern). Siehe: M. Hroch, Wallensteins Beziehungen, S.139, S.152. Über die Verbindungen der de Hertoghe nach Danzig ist in der Forschung nichts bekannt. 117 Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 6. Mai 1626. Über weitere Italienkontakte konnten keine Informationen gefunden werden. Sicherlich standen die de Hertoghe über Nürnberg mit italienischen Kaufleuten in Verbindung. Siehe: L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.154, S.194, S.236, S.351, S.356, S.390, S.488. Die Everts standen in Geschäftskontakt zu Bernard ten Broeck in Livorno. Siehe: L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.183 und K. Heeringa, Bronnen, S.101, S.103, S.105 ff. Seit Mitte der 30er Jahre war Giorgio Everts (d.J.) als Faktor für die de Groote tätig. Siehe: G.S. Gramulla, Fremde Kauflèute, S.245 f, S.265, S.309. Es konnte nicht geklärt werden, ob es sich bei den Everts um die schwäbische Familie Eberz handelte, die mit den Furtenbach verbunden waren. Siehe: J. Kammerer/G. Nebinger, Die schwäbischen Patriziergeschlechter Eberz und Furtenbach, Neustadt a.d. Aisch 1966. Zur Handelskrise in Florenz siehe auch: C.M. Cipolla, "Crise à Florence, 1629-1630", in: Histoire économique, Bd.I, S.151-158.
3. Der Hamburger Geschäftspartner
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Die Handelsaktivitäten Hans de Hertoghes (d.Ä.) wiesen Strukturen auf, die den Unternehmungen seines ungleich vermögenderen Onkels Cornells durchaus vergleichbar waren. Diese europaweiten Handelsbeziehungen können besonders für die Hamburger Kaufmannschaft niederländischer Abstammung als typisch angesehen werden. Allerdings liegen über den Funktionsmechanimus und die personellen Schaltstellen dieser Austauschbeziehungen man denke nur an die vielschichtigen Funktionen Antwerpens und Amsterdams, aber auch Kölns, Frankfurts und Nürnbergs - noch keine erschöpfenden Untersuchungen vor. In Bezug auf den Aktionsradius Hans de Hertoghes (d.Ä.) sind zunächst die Kontakte nach Oberdeutschland, speziell nach Nürnberg, zu nennen. Hier stand Hans de Hertoghe mit Georg Goesswein in engen Geschäftsbeziehungen. Man betrieb vorrangig das Kommissionsgeschäft auf Gegenseitigkeit. Bezeugt sind Transaktionen auf dem Textilsektor, denn Goesswein hatte Anna Viatis, eine Tochter des bekannten Tuch- und Leinwandhändlers, zur Frau. 118 Die seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts florierenden Geschäfte Hamburgs mit dem Handels- und Produktionszentrum Nürnberg basierten auch auf den guten Beziehungen zu den Merchant Adventurers, die Hamburg seit 1611 zum Hauptstapelplatz auf dem Kontinent gewählt hatten.119 Die Vermittlungsfunktion Hamburgs machte sich für die Kaufleute niederländischer Herkunft bezahlt, denn sie unterhielten besonders 118
Die Geschäfte beziehen sich auf das Jahr 1619. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.209, S.326 und E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.34, S.39. Außerdem ist ein Golddrahtgeschäft zwischen Gösswein und de Hertoghe nachweisbar. Ebenda S.58. Goesswein machte 1620 Bankrott. Als Hauptgläubiger trat sein Schwiegervater, Bartholomäus Viatis, auf. Zu den Viatis siehe: G. Aubin, "Bartholomäus Viatis. Ein Nürnberger Großkaufmann vor dem Dreißigjährigen Krieg", in: VSWG 33(1940), S. 145-157; G. Seibold, Die Viatis und Peller. Beiträge zur Geschichte ihrer Handelsgesellschaft, Köln/Wien 1977; H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.144 f. Weitere Handelsgeschäfte betrieb de Hertoghe mit Adam Redehose in Jauer. H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.209. Die über Nürnberg laufenden Tratten für das Genueser Rüstungsgeschäft zog de Hertoghe auf die Hasenbart & Savioli. 119 Die Nürnberger Blütezeit im aktiven Nord-Südhandel ist von 1567 bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges anzusetzen. Die äußerst günstige Konjunkturlage wird in ursächlichem Zusammenhang mit dem Auftauchen der Merchant Adventurers in Hamburg (seit 1567) und mit der stabilen Übersiedlung der "Court" in die Hansestadt (1611) gestellt. Lübeck verlor seine Vormachtstellung auf diesem Gebiet an Hamburg. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.153 und E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.19 ff. Neben Textilgeschäften mußte auch der Waffenhandel eine wichtige Rolle gespielt haben. Leider verhindert die schlechte Quellenlage weiterführende Einblicke. Ebenda, S.21, S.55 ff. Zur englischen Nachfrage nach Hamburger Schießpulver (seit 1626 nachweisbar) siehe: G.D. Ramsay, Hamburg, S.424.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
gute Beziehungen zur Britschen Insel. Zu diesen Kaufleuten gehörten auch die de Hertoghe. Die in Nürnberg erworbenen Textilien leitete Hans de Hertoghe entweder nach Schottland (bzw. England) oder nach Spanien (bzw. Portugal) weiter. Im Gegenzug importierte er Gewürze sowohl iberischer als auch Amsterdamer Provenienz.120 Nicht zu vergessen ist ebenfalls die überragende Bedeutung der Nürnberger Waffenindustrie, die als potentieller Zulieferer für den internationalen Hamburger Militärgütermarkt von Relevanz war. Die Branchenkenntnis Hans de Hertoghes auf dem Metallsektor läßt Handelsaktivitäten auf diesem Sektor als nicht unwahrscheinlich erscheinen. Seine Geschäftskorrespondenz weist ihn außerdem als versierten Getreidehändler aus. Ein Umstand, der auf beste Beziehungen zu Danzig schließen läßt, wo eine der Hauptbezugsquellen für europäischen Exportsalpeter lag. 121 Nach dem Tod Hans de Hertoghes (d.Ä.) im Herbst 1626 übernahmen seine Söhne, Cornells und Johann Baptista, das Geschäft. Bis zum Jahre 1639 konnte der nun federführende Cornells de Hertoghe den Iberienhandel seiner Firma steigern, ohne aber an die ökonomische Stellung seiner Verwandten, "Hans de Hertoghe sehl.", auch nur annähernd heranreichen zu können.122 Insbesondere in den 30er und 40er Jahren des 17. Jahrhunderts konnten die Brüder de Hertoghe ihr Unternehmen stetig ausbauen, indem sie als Neutrale von den holländisch-spanischen Auseinandersetzungen profitierten. Im Jahre 1645 gehörte die Firma "Cornells und Johann Baptista de Hertoghe" zu den größten Übersee- bzw. Iberienhändlern Hamburgs, während sich der vormals
120
H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.208 f. Als Geschäftspartner in Schottland wird der Edinburger Kaufmann Jacob Frucht genannt. 121 Darauf lassen jedenfalls die Angaben de Hertoghes über die Getreidepreiskonjunktur auf dem Hamburger Markt schließen, die der Geschäftskorrespondenz stets beilagen. Zu den strukturellen Verbindungen zwischen Danzig und Hamburg siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.54 f, S.91 f. Laut seiner Einschätzung bot in den 40er Jahren lediglich der Getreidehandel Aussicht auf größere Umsatzspannen im Ostseehandel. (Vor dieser Zeit muß allerdings auch das Salpeterexportgeschäft mit in Betracht gezogen werden.) Die Zahl der Getreidegroßhändler Hamburgs war aber sehr gering. Der Export von Getreide aus Danzig war die Domäne der kleineren Hamburger Handelshäuser. Auf jeden Fall war insbesondere das auf den Mittelmeerraum ausgerichtete Getreidegeschäft ein günstiger Einstieg in den Überseehandel und seine gewinnbringenderen Sektoren. 122 Im Niederländerkontrakt (1639) sind Cornells und Jan Baptista de Hertoghe mit 100 Mark, die Witwe Walter de Hertoghes mit 48 Mark und Hans de Hertoghes (d.J.) Erben mit 380 Mark veranschlagt. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.209.
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
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führende zweite Familienzweig nicht mehr unter den Spitzenkräften des Hamburger Handelsbetriebes befand. 123
4. Der Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts anhand der Korrespondenzen Hans de Hertoghes, Lelio Levantos und Jan Paolo Dorchis Im Gegensatz zum Amsterdamer Geschäftsabschluß wurde beim Hamburger Großauftrag nicht auf schon bestehende Handelskontakte zurückgegriffen, die sich im Zusammenhang mit Getreidegeschäften aus der Präsenz deutscher Handelsniederlassungen in Genua oder aus direkten Verbindungen italienischer Kaufleute nach Nordwesteuropa ergeben hätten. 124 Über die Antwerpener Vermittlungszentrale für Militärgüter schaltete man sich gezielt in einen der wichtigsten internationalen Rüstungskanäle ein. Zunächst wandte man sich an die einschlägigen Unternehmerkreise, zu denen u.a. die Genuesen Lorenzo Maggioli, Stefano Lazagna und Jan Paolo Dorchi zählten. Über die Vermittlung Jan Paolo Dorchis, der auf seine Dienste zunächst nur 1/3%, dann aber 2% Provision auf den Warenwert berechnete, 125 trat die Republik 123
Cornells de Hertoghe verzollte 1632 47.000 Mark, 1633 85.000 Mark, 1634 75.000 Mark und 1637 123.000 Mark im Iberienhandel. Im Admiralitätszollbuch von 1645 rangierte die Firma Cornells und Jan Baptista de Hertoghes (mit 116.620 Mark Umsatz) unter den Spitzenkräften des Hamburger Überseehandels. 104.370 Mark entfielen allein auf das Iberiengeschäft, auf das sich dieser Familienzweig eindeutig spezialisiert hatte. Cornells de Hertoghe war mit Johann Baptista Juncker, Johann Schröttering, den Henkel und den Moll stark im Indigohandel engagiert. Unter den kleineren Firmen finden sich im Admiralszollbuch des Jahres 1645 ebenfalls die Firma der Erben Walter (mit 15.400 Mark Umsatz) und die Unternehmung Wilhelm de Hertoghes mit lediglich 6.9000 Mark. Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.40, S.79, S.96, S.372, S.379, S.382. 124 Kontakte bestanden zweifellos über Horatio Iridi zu Abbondio Somigliano, Friedrich Coaner und Johannes Schröttering, über Hendrick Muilman zu Pieter Juncker sowie über die Odescalchi. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Instruktionen Lelio Levantos vom 5. November 1627. 125 Ebenda, Brief Dorchis an Serra vom 26. Juni 1626 und Abrechnungsunterlagen der Finnanzkammer vom Sommer 1628. Wie die erste Quelle auswies, hatte Dorchi 1/3% des Warenwertes auf das Management des Zahlungsverkehrs berechnet (108 Pfund fläm.). 97 Pftind fläm. behielt er konkret ein. Die zweite Quelle berichtete von der höheren Forderung im Werte von 652 Pfund fläm., deren Rechtmäßigkeit von Serra zwar geleugnet wurde, die aber trotzdem zur Auszahlung kam.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Genua in der Person Francesco Serras im Januar 1626 in Kontakt zu den maßgeblichen Hamburger Rüstungskreisen, zu denen auch die Familie de Hertoghe gehörte. In Hinblick auf den Genueser Rüstungsauftrag war Hans de Hertoghe nach eigenen Angaben der zur Zeit einzig disponible Geschäftspartner in der Hansestadt: "... Wohl sehend, daß dieses Vorgehen aus Sympathie Eurer Herrschaften mir gegenüber resultiert, indem ich bevorzugt werde, die Provision zu verdienen, danke ich aus vollem Herzen. Ich bedenke nur, daß es auch wirklich in meiner Macht stehe, diesem Vertrauen entsprechen zu können. Aber da Ihr außer mir keine anderen Dienste gefunden habt, versichere ich sowohl Eurer Herrschaft als auch der Erlauchten Kammer, daß Ihr meine Dienste immer treu und redlich empfangen werdet, damit Ihr in allem zufrieden bleibt, indem ich nicht den Verdienst meiner Provision, sondern den Anspruch, Euch gut zu dienen, in den Mittelpunkt stelle . . . " 1 2 6
Er hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten, die großen Munitionsmengen innerhalb kürzester Zeit zu besorgen.127 In Bezug auf die Preisrichtlinien, die die Handelsherren Maggioli & Lazagna als Stammkunden des Hamburger Marktes der Republik Genua im November 1625 übermittelt hatten, ergaben sich im Januar 1626 einige moderate Differenzen, die entweder auf die außerordentlich günstige Rüstungskonjunktur oder auf die Verknappung des Angebotes durch die Kriegsereignisse zurückzuführen waren. Lediglich die Schießpulverpreise deckten sich im Januar 1626 voll und ganz mit den Genueser Erwartungen. Der Zentner feines Musketenpulver kostete nach übereinstimmenden Angaben der Maggioli & Lazagna und Hans de Hertoghes 70 Mark lüb. Für gröberes Kanonenpulver war innerhalb von zwei Monaten ein 3%iger Preisanstieg von 2 Mark lüb. (pro Zentner) zu verzeichnen: Kanonenpulver kostete 67 Mark lüb. Im großen und ganzen wurde dieses 126
Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 25. Januar 1626: "... Principalmente vedendo, che questo procedere per la affetione buona di Vostra Signoria verso di me, in volermi favorire di guadagnar la provigione di buon cuore Le ringrazio assai, Le ramando solo che fosse in poter mio poterla ugualiare, ma non trovando altro che solo il mio servizio, assicurerò la Signoria Vostra come anche la Illustrissima Camera che sempre lo riceveranno a grado, et con ogni realtà che si conviene, acciò in tutto restino contenti, con non prendere riguardo al guadagno della provigione mia, ma al interesse loro di servirli bene ..." 127 Der Einkauf der Munition erfolgte zwischen dem 25. Januar 1626 (Datum der Auftragsbestätigung) und dem 6. Mai 1626, als de Hertoghe über die abfahrbereiten Schiffe berichtete. Leider sind für diesen Zeitraum keine weiteren Briefe vorhanden, die Auskunft über die Modalitäten des Munitionsankaufes und die Geschäftsverbindungen de Hertoghes geben könnten.
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
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Preisniveau von de Hertoghe noch als günstig eingeschätzt.128 In Bezug auf Lunten und Kanonenkugeln war genauere Rücksprache notwendig, da sich die Hamburger Preise für diese Güter momentan nicht mit den Genueser Informationen deckten. Kanonenkugeln wurden in Hamburg im Januar 1626 für Π Ι 8 Mark lüb. pro Schiffspfund gehandelt, während Maggioli & Lazanga im November 1625 nur von 16 Mark gesprochen hatten.129 Lunten kosteten im Januar 1626 11-12 Mark lüb. (pro 100 Hamburger Handelspfund): Preise, die anscheinend erheblich über dem von Genua vorgegebenen Rahmen lagen.130 Eine gewisse Entspannung des Marktes wurde von Hans de Hertoghe als wahrscheinlich angesehen. Er riet deshalb, den Einkauf dieser Waren aufzuschieben, zumal die Verschiffung der Rüstungsgüter auf Grund der ungünstigen meteorologischen Bedingungen Zeit hatte. Auch die von Maggioli & Lazagna übermittelten Preise für Salpeter, die sie je nach Qualität der Ware auf 21-23 Reichstaler angesetzt hatten, entsprachen letztlich nicht dem aktuellen Marktstand dieses militärrelevanten Gutes in der Hansestadt. Die sich andeutende Abschottung des Danziger Rohstoffmarktes durch die Kriegsereignisse im Baltikum rechtfertigte das zunächst langsame und dann rapide Anziehen des Salpeterpreises im Frühjahr 1626. Im Januar 1626 veranschlagte Hans de Hertoghe für den Zentner Salpeter 68-73 Mark lüb. (umgerechnet 22,5-24,5 Reichstaler). Trotz der Preissteigerung von 7-15 % sprach de Hertoghe noch von einem guten Angebot.131 128
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Briefauszug der Maggioli & Lazagna vom 14. November 1625 und A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 25. Januar 1626. Dem in beiden Quellen Übereinstimmmenden Musketenpulverpreis entsprachen in holländischer Währung 56 fl. Der Kanonenpulverpreis hätte 52 fl bzw. 53 fl 12 st betragen. 129 Ebenda. Die Preisdifferenz von 1-2 Mark war nominell zwar gering, bedeutete aber eine Preissteigerung von 6-12,5%. 130 Ebenda. Maggioli & Lazagna gaben über die Luntenpreise keine Auskunft. Die Information, daß der Preis das anvisierte Niveau überstieg, stammte von Hans de Hertoghe selbst. Umgerechnet hätten die Lunten 8,7-9,6 fl gekostet. Vergleichsmöglichkeiten mit Amsterdam bieten sich über die Korrespondenz Bartolottis, der im Herbst 1625 Lunten zu 6 fl 5 st bzw. 7 fl 5 st pro Zentner anzubieten hatte. Allerdings hatte er Preissteigerungen von 20% ankündigt. A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Rüstungsangebot vom 18. November 1625. 131 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 25. Januar 1626 und A.S.G. Camera del Governo Nr. 768 (Munitioni), Briefauszug Maggioli & Lazagnas vom 14. November 1625. Laut der Antwerpener Quelle hätte Hamburger Salpeter umgerechnet zwischen 50 fl 8 st und 55 fl 4 st gekostet. Nach Hamburger Aussage käme man bereits auf 54,4 fl - 58,4 fl. Für Amsterdamer Salpeter hatte Genua im Frühjahr 1626 56 fl pro Ztr. an Bartolotti bezahlt. 16 Zunckel
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Die Endabrechnung Hans de Hertoghes vom 12. Juni 1626 enthielt eine genaue Aufstellung der auf Kommission erworbenen Militärgüter, der exakten Mengen (in Hamburger Gewicht), der Einkaufspreise der einzelnen Posten (in Hamburger Währung) und der in der Hansestadt entstandenen Nebenkosten. 132 Im Auftrag der Republik erwarb Hans de Hertoghe demnach insgesamt 941 Hamburger Zentner feines Musketenpulver zu 70 Mark lüb. und 193 Zentner gröberes Kanonenpulver zu 66 Mark (pro Gewichtseinheit). Abgepackt in 814 Faß sollten also 1134 Zentner Schießpulver im Gesamtwert von 78.618 Mark lüb. nach Genua verschickt werden. 133 Weiterhin kaufte er in mehreren Raten 1670 Zentner Salpeter im Gesamtwert von 124.047 Mark lüb., die in 1154 Faß gefüllt wurden. Auch hier lag die erworbene Menge etwas über dem Genueser Auftrag. Der Zentnerpreis für diese Ware betrug 7475 Mark lüb. (24,5 Reichstaler) pro Gewichtseinheit und lag somit bereits auf 132
Ebenda. Die Originalabrechnung wurde von de Hertoghe mit einem erläuternden Brief am 8. Juli 1626 an Francesco Serra gesandt. Hierin waren zunächst lediglich die Einkaufs- und die normalen Nebenkosten sowie seine Provision, aber nur ein Teil der außerordentlichen Kosten erfaßt. Insgesamt berechnete er 258.769 Mark lüb. Auch die aufgelisteten Tratten (über 121.875 Taler) deckten diese Summe noch nicht. In Ergänzung der ersten Abrechnung schickte Hans de Hertoghe am 9. September 1626 die Aufstellung aller von ihm vorgenommener Zahlungen nach Genua. Die Nebenkosten umfaßten auch die Begleichung von einem Drittel der Frachtkosten sowie weitere Kosten, die sich aus der Blockade der Schiffe ergaben. Die komplette Abrechnung datierte auf den 1. September 1626. Die Gesamtsumme betrug 135.577 Taler (271.154 Mark lüb.) Auf diese Dokumente beziehen sich alle Genueser Berechnungen, die diesem Schreiben de Hertoghes beigelegt wurden. Die Rechnungen wurden in Mark lüb. geführt, während die Trattenabrechnung in Talern aufgeschlüsselt wurde. Im folgenden werden die (bis auf den letzten Pfennig genauen) Preis- sowie einige Mengenangaben aus Gründen der Übersicht auf- bzw. abgerundet. 133 Ebenda. In Addition der insgesamt 20 Einzelposten kommt man für das in 653 Fässer abgefüllte Musketenpulver auf die Gesamtsumme von 65.883 Mark lüb. und 12.735 Mark lüb. für das in 161 Fässer gefüllte Kanonenpulver. Lediglich das Kanonenpulver wurde im vereinbarten Gewichtsmaß verpackt (1 Faß zu 150 # oder 6 Rubbi). Musketenpulver und Salpeter sollten in Behältnissen von jeweils 1 1/2 Ztrn. transportiert werden. Laut den Genueser Berechnungen entsprach der effektiven Einkaufsmenge von 1134 Hamburger Ztr. in Genua ein Gegenwert von 1202 Cantara (1.803.000 #), so daß der Hamburger Ztr. (zu ca. 51 kg) im Vergleich zur Genueser Einheit (47,65 kg) einen Vorteil von ca. 6% aufwies. Vgl.: H. Witthöft, Umriße, S.99 ff. Die in Hamburg erworbene Schießpulvermenge lag demnach ca. 200 Cantara über der Bestellung. Die anvisierte Aufteilung (in 50% Musketen- und 50% Kanonenpulver) verschob sich zugunsten des musketentauglichen Pulvers.
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
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einem recht hohen Niveau.134 Außerdem erwarb der Kaufmann 51 Hamburger Schiffspfund Kanonenkugeln zu 16 Mark lüb. und 16 Schiffspfund zu 20 Mark lüb. (pro Gewichtseinheit). Die Menge der eingekauften Kanonenkugeln lag beträchtlich unter der Genueser Bestellung. Lediglich 10% der ursprünglich georderten Ware sollte nach Genua transportiert werden. Der Preis für die Kanonenkugeln belief sich auf 1144 Mark lüb. 135 Schließlich kaufte 134
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Gesamtabrechnungen vom 12. Juni und 1. September 1626: - 863 Zentner 10 # zu 76 Mark (effektiver Preis 74 Mark) 63.869 Mark lüb. - 176 Zentner 1 # zu 74 Mark 13.024 Mark lüb. - 142 Zentner 80 # zu 76 Mark (effektiver Preis 74,5 Mark) 10.561 Mark lüb. - 45 Zentner zu 76 Mark (effektiver Preis 74 Mark) 3.325 Mark lüb. - 43 Zentner zu 76 Mark (effektiver Preis 75 Mark) 3.219 Mark lüb. - 400 Zentner zu 75,5 Mark 30.049 Mark lüb. Die Einzelposten stimmten aber nur in den seltensten Fällen mit dem angegebenen Zentnerpreis überein. Meist indizieren die Angaben einen niedrigeren als den angegebenen Preis. Vermutlich waren die effektiv erworbenen Mengen geringer als ausgewiesen. Die Transportfässer wiesen ca. 1 1/2 Hamburger Ztr. Fassungsvermögen auf. Laut Umrechnung der Genueser Behörde war wiederum ein Gewichtsvorteil von 6% zu berücksichtigen. Der erworbenen Menge entsprachen in Genua also 1770 Cantara (2.655.000 #). Die Warenmenge lag 270 Cantara über der Bestellung. 135 Ebenda. Bei den Kanonenkugeln (zu 16 Mark) handelte es sich um 1460 Stück (je Kugel zu 10 Hamburger Pfund). Dieser Einzelposten belief sich auf 824 Mark lüb. Die 383 Kanonenkugeln (zu 20 Mark lüb.) wogen jeweils 111/2 Hamburger Handelspfund und kosteten 320 Mark lüb. Insgesamt sollten also 1843 Stück (18.760 Hamburger Handelspfund oder 9.000 kg) nach Genua verschickt werden, während ursprünglich 13.000 Stück (300.000 # oder 95.000 kg) vorgesehen waren. Laut Umrechnung der Genueser Behörde entsprachen einem Hamburger Schiffspfund in Genua 400 # (127 kg), so daß von einer Menge von insgesamt ca. 180 Cantara ausgegangen wurde. Vgl.: H. Witthöft, Umriße, S.107 ff. Die Gründe für die Reduktion auf 10% der geplanten Menge gehen aus den Quellen nicht hervor. Handelte es sich lediglich um ein Mißverständnis? Waren die Preisvorstellungen der Hamburger Anbieter zu hoch oder gerade keine ausreichenden Mengen dieses Gutes in Hamburg verfügbar, d.h. die Produktionskapazitäten inadäquat? Wahrscheinlich hing die Reduktion jedoch mit dem Transport der Ware zusammen. Der Rüstungsauftrag war ursprünglich als reiner Militärgüterkonvoi geplant. Den Platz für die Kanonenkugeln nahm schließlich das Getreide ein. Vorstellbar wäre auch ein ungünstiges Lastenausnutzungsverhältnis der vorgesehenen drei Schiffe, deren Kapazität für den Transport dieser Mengen nicht ausreichend gewesen wäre. Ein weiteres Schiff hätte gechartert werden müssen. Angesichts der hohen Frachtraten hätten sich die Gesamtkosten für dieses schwere Gut sicherlich nicht rentiert. 16*
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Hans de Hertoghe die von Genua bestellten Lunten: insgesamt 20.624 Hamburger Handelspfund zu 10 Mark lüb. (pro 100 Pfund), die 2062 Mark lüb. kosteten und in 23 Faß verpackt wurden. Die erworbene Menge lag erheblich über der Genueser Auftragsmenge. 136 Der reine Munitionseinkaufspreis betrug in Hamburg insgesamt 205.872 Mark l ü b . 1 3 7 Der außerordentliche Stellenwert dieses Geschäftes ist relativ gut aus einem Vergleich ersichtlich: Die Umsatzkonten der Brüder Walter und Hans de Hertoghe (d.J.) beliefen sich 1620 auf 247.840 bzw. 270.884 Mark. Hans de Hertoghe (d.Ä.) hatte lediglich 60.638 Mark Umsatz aufzuweisen. 1 3 8 Zum Munitionseinkaufspreis kamen weitere 38.524 Mark lüb., die für den Einkauf von 178 Last Getreide aufgewandt werden mußten. 139 Der Gesamtwert der in Hamburg erworbenen Güter belief sich somit auf 244.395 Mark 136
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Gesamtabrechnungen vom 12. Juni und 1. September 1626. 20.624 Hamburger Handelspftind entsprachen ca. 10.000 kg, während Genua lediglich 900 Rubbi (7150 kg) bestellt hatte. Laut Umrechnung der Genueser Behörde wogen die eingekauften Lunten in Genua 195 Cantara (9292 kg). Diese Menge lag ca. 30% über der Bestellung. Das Hamburger Handelsgewicht hätte demnach nur 450 g gewogen. Vgl.: H. Witthöft, Umriße, S.104 f. 137 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Abrechnung vom 12. Juni 1626. 138 Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.209. Geschäfte dieser Dimension waren zur Zeit der günstigen Rüstungskonjunktur (vor allem in der ersten Hälfte der 20er Jahre im Spaniengeschäft) durchaus keine Seltenheit. Ein Umstand, der die große Bedeutung der Militärgüterexporte für die Hamburger Handelskonjunktur bestätigt. Besonders ist darauf hinzuweisen, daß der Geschäftsabschluß keine (sonst mit dem Hamburger Rüstungshandel maßgeblich in Verbindung gebrachten) Kupferprodukte beinhaltete. 139 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Abrechnung vom 12. Juni 1626. Das Getreide wurde erst nachträglich erworben und die Schiffe bis unter Deck beladen, so daß jeder Kubikzentimeter Stauraum optimal ausgenutzt wurde. Weizen: 40 Last zu 76 Rtl.: 9.120 Mark lüb. 16 Last zu 78 Rtl.: 3.744 Mark lüb. 10 Last zu 76 Rtl.: 2.280 Mark lüb. 31 1/2 Last zu 80 Rtl.: 7.541 Mark lüb. Roggen: 41 Last zu 64 Rtl.: 7.931 Mark lüb. 13 Last zu 64 Rtl.: 2.496 Mark lüb. 26,5 Last zu 68 Rtl.: 5.412 Mark lub.
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
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lüb. Ca. 84% entfielen auf die Munitionsbestellung. Lediglich 16% machte der Getreideanteil aus. 140 Das Getreide hatte Hans de Hertoghe in Eigeninitiative auf Rechnung Francesco Serras erworben, um die Militärgüter aus den bekannten Sicherheitserwägungen als Zerealientransport zu tarnen: "... Die gegenwärtige gefahrliche Zeit macht es notwendig, bei einem derartigen Geschäft mit großer Diskretion vorzugehen, ... Falls es dieser Erlauchten Kammer bzw. der Erlauchten Republik, nötig wäre, hier Lebensmittel einzukaufen, so daß drei oder vier Schiffe zusammen angeheuert werden könnten, so würde dies unser Munitionsgeschäft vereinfachen, da ein mit Getreide befrachtetes Schiff nur wenig bedeutet, so könnte man auf diese die Munition verteilen, und um so einfacher könnte man für die Sicherheiten sorgen, und die Schiffe würden zusammen williger und sicherer fahren , . . " 1 4 1
Im Frühjahr 1626 kam es in Folge der Verknappung der Rohstoffzufuhr nach Informationen de Hertoghes zu massiven Preissteigerungen in Hamburg und in Amsterdam: 140
Ebenda, Gesamtabrechnung vom 12. Juni und vom 1. September 1626. In der zweiten Aufstellung waren die Gesamtkosten des Munitionsgeschäftes auf Grund der Extrakosten (durch das Festliegen der Schiffe) natürlich höher. Insgesamt berechnete Hans de Hertoghe 135.577 Taler (271.154 Mark lüb). Diese Summe nahm die Genueser Finanzbehörde zur Basis, um die in Hamburg anfallenden Kosten in Genueser Währung umzurechnen. Da der Talerkurs in Genua auf 2 Lire 13 Soldi und 4 Denari stand, betrugen die Gesamtkosten 361.668 Lire. Aufgeschlüsselt nach Einzelposten ergab sich folgendes Verhältnis: 305.600 Lire (114.550 Taler oder 229.100 Mark lüb.) entfielen auf die Munition. 56.068 Lire (21.026 Taler oder 42.052 Mark) machte der Getreideanteil aus. Auch bei dieser Aufschlüsselung entfielen ca. 84% der Gesamtkosten auf den Munitionsanteil und 16% auf den Getreideanteil. Diese Aufstellung war für die Genueser Verwaltung von Belang, um das Eigengeschäft Francesco Serras vom Munitionsanteil zu trennen. Außerdem wurde deutlich, daß die Schuldforderungen de Hertoghes ungefähr dem Wert des erworbenen Getreides entsprachen. Zumindest ein Aspekt der verwickelten Schuldlage konnte damit gelöst werden. 141 Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 25. Januar 1626: "... Il presente tempo pericoloso richiede di andare avanti con assai discretione con simil negotii, ... Se a cotesta Illustrissima Camera ο vero alla Illustrissima Republica occoresse di lasciar far compra qua di vettovagli in modo, che tre ο quattro navi insieme potessero essere noleggiate, apporterà più facilità a questo nostro negotio di munitione, perché un carico d'una nave di grano non importa molto, cosi in esse si potrà ripartire le munitioni, et tanto più facilmente potrà essere provisto alla sicurtà, et le navi insieme anderanno più volontieri et con più sicurezza ..."
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
"... Momentan findet man hier kein Salpeter zu kaufen, und dasjenige, was man erwartet, wird für nicht weniger als 80 Mark lüb. zu kaufen sein, Musketenpulver für 75, und alles scheint vorteilhaft zu sein, da in Amsterdam Salpeter 60 bis 65 fl wert ist, Musketenpulver 57 bis 60 fl, was vor wenigen Monaten noch 50 Gulden kostete wie auch der Salpeter, und die wenige Menge, die man überall an ähnlicher Ware findet, läßt es vorteilhaft erscheinen ..." "... Die Munition steigt hier täglich im Preis, Schießpulver ist 75 Mark lüb. wert, Salpeter 78 bis 80 Mark lüb. ..." "... Die Munition bleibt auf dem Preis, da sich sehr wenig davon findet, Salpeter ist 78 Mark lüb. wert. Musketenpulver 75 Mark lüb. und dasjenige, was sich an ähnlicher Ware in Amsterdam befindet, ist in der Hand Bartolottis und derjenigen, welche das Salpeter auf 60 bis 69 fl halten wollen. Musketenpulver 58 Gulden, was wenig zuvor noch zwischen 50 und 52 fl wert war , . . " 1 4 2 Demnach kostete Salpeter Ende Mai 1626 in Hamburg 78-80 Mark lüb. (umgerechnet 62,5-64 Gulden), in Amsterdam 60-69 Gulden (75-86 Mark lüb.). Deshalb stiegen auch die Pulverpreise auf 75 Mark lüb. (58 Gulden) in Hamburg und 60 Gulden (72,5 Mark lüb.) in Amsterdam. Im Laufe der ersten Jahreshälfte 1626 kam es in Hamburg laut der Angaben de Hertoghes zu maximal 27% igen Preissteigerungen und in Amsterdam sogar zu Erhöhungen von 38%. Die Amsterdamer Preissteigerungen setzte Hans de Hertoghe in direkten Zusammenhang mit den Monopolbestrebungen der T r i p . 1 4 3 Angesichts dieser internationalen Tendenzen konnte Francesco Serra noch zu 142
Ebenda: "... a quest'ora qua non si trova a comprar alcun salnitro, et quello che s'aspetta non sarà venduto a manco di 80 mi, polvere di muschetto di 75, et tutto è con apparenza di valere di vantaggio, poiché in Amsterdam valevano li salnitri da fl 60 a 65 polvere di muschetto, fl 57 in 60 il che pochi mesi fa valeva fl 50 come anche li salnitri, et la pochissima somma che dapertutto si ritrova di simil mercantia la farà valere di vantaggio ..." (Brief vom 6. Mai 1626). "... Le munitioni qua si vanno giornalmente augmentando di più, polvere di muschetto valer a MI 75, salnitri 78 in 80..." (Brief vom 17. Mai 1626). "... Le munitioni resteranno in prezzo poiché pochissima somma se ne ritrova, salnitri vagliono mi 78. Polvere di muschetto mi 75 et quello che simil mercantia è in Amsterdam si ritrova in mano solo di Bartolotti. Et questi quali li salnitri vogliono sustentare a fl 60 in 69. Polvere di muschetto fl 58 quali poco fa valevano fl 50 in 52 ..." (Brief vom 24. Mai 1626). 143 Die Prozentzahlen beziehen sich auf die Angaben Hans de Hertoghes. Im Hamburger Fall wurde als Bezugsbasis die untere Preisangabe der Maggioli und Lazagna (21 Rtl.) gewählt, als obere Angabe der höchste Wert de Hertoghes (80 Mark lüb.). Im Amsterdamer Fall wurde der Preis für Salpeter (50 fl), den Genua 1625 bezahlt hatte, mit dem höchsten bei de Hertoghe angegeben Wert (69 fl) konfrontiert.
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relativ moderaten Preisen abschließen. Bereits Anfang Mai 1626 lagen drei von Hans de Hertoghe zur Italienfahrt gecharterte Schiffe ausfuhrbereit im Hamburger Hafen. 144 Wie sich aus den Informationen Bartolottis, Maggioli & Lazagnas und de Hertoghes ergab, lag das nominelle Hamburger Preisniveau generell nur geringfügig über dem Amsterdamer Level. Dabei machten sich die günstigeren Frachtkosten der niederländischen Handelsfahrt bis Mitte der 20er Jahre anscheinend kaum bemerkbar. Hamburg konnte also durchaus mit dem Amsterdamer Militärgütermarkt konkurrieren. Beide Märkte hatten in Bezug auf diese Warenkategorie (insbesondere in Hinsicht auf Salpeter und Schießpulver) unter normalen Voraussetzungen in etwa parallel laufende Konjunktur- und Preiskurven zu verzeichnen, die sich in erster Linie aus der Abhängigkeit vom internationalen Rohstoffmarkt Danzig ergaben.145 Anders waren die Verhältnisse auf dem Getreidesektor. Die Hamburger Getreidepreise lagen meist erheblich über dem Amsterdamer Niveau.146 Unter Berücksichtigung der Gewichtsunterschiede erwuchs Hamburg sogar ein gewisser Vorteil gegenüber dem niederländischen Militärgütermarkt. 147 Und auch die Qualität der Hamburger Rüstungswaren sollte die Güte der Amsterdamer Produkte angeblich übertreffen. 148 144
Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 6. Mai 1626. Vgl. auch die Ausführungen zum Verkauf der Militärgüter sowie die Abb.7 (Preisniveau für Militärgüter in Hamburg) auf S. 269 der vorliegenden Arbeit. 146 Nach Angaben Bartolottis bezahlte man in Amsterdam im Januar 1626 für Weizen 140-150 fl. Die besten (für. die Verschiffung geeigneten Qualitäten) kosteten ca. 170 fl pro Last. Roggen kostete je nach Marktlage 100-125 fl. Maggioli & Lazagna gaben das Hamburger Preisniveau für Weizen im November 1625 mit 86 Rtl. (umgerechnet 206 fl) und für Roggen mit 32 Pfund fläm. (192 fl) pro Last an. Im Januar 1626 bezahlte man laut de Hertoghe in Hamburg für Roggen 70-72 Rtl. (168173 fl), für Weizen 80-83 Rtl. (192-199 fl) pro Last, ein (laut seiner Einschätzung) moderates Level. Die in der Generalabrechnung aufgeführten Einkaufspreise in Hamburg lagen mit 64-68 Rtln. (153-163 fl) für Roggen und 76-80 Rtln. (184-192 fl) für Weizen niedriger, waren aber erheblich höher als die Amsterdamer Preise. 147 Maggioli & Lazagna hatten den Gewichtsvorteil gegenüber Amsterdam auf ca. 8% ansetzt. Genua rechnete mit 6% Vorteil. In Amsterdam wurden Salpeter und Schießpulver zum Gewichtvon 100 Pfund gehandelt (49,4 kg). Hamburg verkaufte in Zentnern zu 112 Handelspfund (51-54 kg). Der Genueser Zentner entsprach 47,65 kg. Außerdem berechnete man den Salpeterpreis in Genua nach 100 # (31,66 kg). 148 Nach übereinstimmenden Aussagen Maggioli & Lazagnas (A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni)) und Hans de Hertoghes (A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni)), Brief vom 25. Januar 1626). 145
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
248 Amsterdam:
Januar 1626a Weizen: Roggen:
140-150 fl (= 58-62,5 Rtl.) beste, d.h. verschiffbare Sorten 170 fl (= 71 Rtl.), 100-125 fl (= 41,5-52 Rtl.), als mittelmäßig eingeschätzt
Hamburg: nominell:
Gewichtsvorteil (8%):
November 1625b Weizen: Roggen:
86 Rtl. (= 206 fl) 80 Rtl. (= 192 fl)
Januar 1626c Weizen: Roggen:
80-83 Rtl. (= 192-199 fl) 70-72 Rtl. (= 168-173 fl)
73,5-76 Rtl. (= 176-182 fl) 64-66 Rtl. (= 154-188 fl)
Frühjahr 1626d Weizen: Roggen:
76-80 Rtl. (= 182-192 fl) 64-68 Rtl. (= 153-163 fl)
70-73,5 Rtl. ( = 168-176 fl) 59-63 Rtl. ( = 141-151 fl)
Juli 1626e Weizen/Roggen:
56-58 Rtl. (= 134-139 fl)
52-53 Rtl. ( = 125-127 fl)
58-79 Rtl. (= 139-189 fl) 52 Rtl. (= 124 fl)
53-73 Rtl. (= 127-175 fl) 48 Rtl. (= 115 fl)
79 Rtl. (= 189 fl) 73,5 Rtl. (= 176 fl)
f
Mai 1628 Weizen: Roggen:
a
Marktinformation Guillelmo Bartolottis aus Amsterdam an Genua. A.S.G. Camera del Governo Nr.768. b Marktinformationen der Maggioli & Lasagna aus Antwerpen an Genua. Ebenda. c Marktinformationen Hans de Hertoghes aus Hamburg an Genua. A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458. d Effektiver Einkaufspreis des von Hans de Hertoghes auf Serras Rechnung erworbenen Getreides. Ebenda. e Marktinformationen Hans de Hertoghes. Ebenda. f Effektiver Wiederverkaufspreis des Getreides. Rechnung Dorchis an Serra. Ebenda. Abb. 6: Getreidepreise in Amsterdam und Hamburg (1625-1628)
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
249
Besonders interessant ist ein Vergleich der in Hamburg und Amsterdam anfallenden Nebenkosten. Die Antwerpener Handelsherren Maggioli & Lazagna hatten die Republik Genua darauf hingewiesen, daß die Nebenkosten in Hamburg erheblich geringer waren. Sie hatten aber keine genau quantifizierbaren Angaben gemacht. Die erste Nebenkostenaufstellung Hans de Hertoghes vom Juni 1626 (über die Gesamtsumme von 14.374 Mark lüb.) bestätigte diese Auskunft voll und ganz. Zu Vergleichszwecken war dieser Betrag um die außerordentlichen Nebenkosten und alle Kosten, die in Amsterdam anderweitig verrechnet wurden, zu vermindern. Bei diesen Posten handelte es sich im einzelnen um: 1. 450 Mark lüb. für die in Hamburg anfallenden Aufwendungen des außerplanmäßigen Botendienstes.149 2. 4888 Mark lüb. für die Provision de Hertoghes. 150
149
Ebenda, Abrechnung Hans de Hertoghes vom 12. Juni 1626. Im Botendienst zwischen Hamburg und Genua wurde neben den üblichen Zustellungskanälen (über Nürnberg oder Antwerpen) der Genuese Manfredino Zenoglio eingesetzt. Aus den Quellen wird leider nicht ersichtlich, wie oft und zu welchem Anlaß er die Reise nach Hamburg antrat. Die Aufwendungen für die Rückkehr des Boten, die in Köln bereitgestellt wurden, führte Hans de Hertoghe sowohl in der Originalrechnung als auch im Rechnungszusatz der Frachtkosten. Weiterhin ist in den Akten der Genueser Finanzverwaltung eine Zeugenaussage eben jenes Manfredinos vom 21. November 1629 enthalten. Er sagte aus, daß man für die Hin- und Rückreise nach Hamburg ca. 26 Tage benötigte und daß diese Reise länger wäre als die Hin- und Rückfahrt nach Madrid (via Lyon). Der Anlaß für diese Aussage geht aus den Quellen leider nicht hervor. Zum Hamburger Botenwesen und zum Nürnberger Nachrichtenzentrum siehe auch: R. Postel, "Zur Entwicklung der hansestädtischen Hafen- und Schiffahrtsverwaltung", in: H. Stoob, See- und Flußhäfen, S.211-228, S.220 und L. Sporhan-Krempel, Nürnberg als Nachrichtenzentrum zwischen 1400 und 1700, Nürnberg 1968. 150 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Abrechnung Hans de Hertoghes vom 12. Juni 1626. Bartolotti hatte die Vermittlungsgebühr auf den Warenwert und die Nebenkosten berechnet und als Extraposten aufgeführt, während de Hertoghe die Provision lediglich auf den Warenwert kalkulierte und den Nebenkosten zurechnete. Auch die Trattensteuer wurde von Bartolotti unter den Gesamtkosten geführt, während die vergleichbaren Kosten in Hamburg unter den Nebenkosten erschienen. Dadurch entstand der Republik in Hamburg ein Kostenvorteil, der sich aus den unterschiedlichen handelstechnischen Gepflogenheiten beider Städte ergab. Angesichts der niedrigen Nebenkosten in Hamburg (die in Bezug auf die nachträgliche Berechnung der Vermittlungsvergütung nur wenig ins Gewicht fallen würden) und der hohen Nebenkosten in Amsterdam (die die Kommissionsgebühr zusätzlich erhöhten) wies die niederländischen Metropole eindeutig Kostennachteile auf.
250
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
3. 250 Mark lüb. für die Trattensteuer. 151 4. 3230 Mark lüb. für die außerordentlichen Nebenkosten, die sich aus der Verhinderung der Abfahrt der Schiffe und aus den damit in Verbindung stehenden Entladungskosten ergaben. 152 An im Normalfall zu entrichtenden Nebenkosten blieben 5556 Mark lüb. übrig, also ca. 2,27 % des Warenwertes. Auf die spezifischen Nebenkosten für den Munitionsversand entfielen dabei 1623 Mark lüb., also nicht einmal 1% des Warenankaufswertes. 153 An spezifischen Nebenkosten für die Getreideeinschiffung ergaben sich 2508 Mark lüb., 6,5% des Ankaufspreises. 154 151
Ebenda. Die Trattensteuer wurde in Amsterdam nicht unter den normalen Nebenkosten, sondern extra geführt. 152 Ebenda, Abrechnung Hans de Hertoghes vom 12. Juni 1626. Diese außerordentlichen Nebenkosten setzten sich aus 265 Mark (für die Aufwendungen, die aus den wiederholten Interventionen de Hertoghes bei den Kapitänen der Blockadeschiffe entstanden waren), 2250 Mark (an die Kapitäne der Munitionsschiffe als Vergütung der ausfallenden Reise) und 715 Mark für die Entladungskosten zusammen. Diese Aufstellung deckte sich nicht mit dem Rechnungszusatz über die Fracht- und Entladungskosten, den Hans de Hertoghe am 1. September 1626 nach Genua schickte. Demnach waren an Entladungs- und Transportkosten (bis in Lagerräume) für die Munition 241 Taler (482 Mark lüb.) und für das Getreide 177 Taler (354 Mark lüb.), angefallen. Nachdem de Hertoghe von der Admiralität im Juli 1626 zur Bezahlung von einem Drittel der Frachtrate verurteilt worden war, kamen zu den bereits entrichteten 1125 Talern (2250 Mark lüb.) weitere 5929 Taler (11.859 Mark) hinzu. Nach Berechnungen der Genueser Verwaltung (auf Basis der zweiten Kostenaufstellung) beliefen sich alle Nebenkosten (normale und außerordentliche) auf 26.758 Mark lüb. (bezogen auf den Einkaufswert der Waren knapp 11%, bezogen auf die Gesamtkosten des Rüstungsauftrages 9,8%). 153 Ebenda. Die munitionsspezifischen Nebenkosten setzten sich aus den Wiegeund Zählgebühren (194 Mark lüb.), den Kosten für die Faßbehältnisse (947 Mark lüb.) sowie den Transportkosten bis zu den Schiffen (482 Mark lüb.) zusammen. Inklusive der außerordentlichen Nebenkosten kam die Genueser Verwaltung im Herbst 1626 auf einen Munitionsgesamtpreis von 305.600 Lire (=229.100 Mark lüb.). Die Nebenkosten beliefen sich auf 23.228 Mark, (ca.11% des Einkaufspreises). 154 Ebenda. Die getreidespezifische Nebenkosten bestanden in den Wiegegebühren (22 Mark lüb.), den Kosten für die Sackbehältnisse (2063 Mark lüb.) und den Verpackungskosten (89 Mark lüb.), den Transportaufwendungen bis zu den Schiffen (289 Mark) sowie der Getreideausfuhrsteuer, die mit 4 ß pro Last (insgesamt 45 Mark lüb.) zu Buche schlug. Inklusive der außerordentlichen Nebenkosten kam die Genueser Verwaltung im Herbst 1626 auf einen Getreidegesamtpreis von 56.068 Lire (42.052 Mark lüb.). Die Nebenkosten beliefen sich damit auf 3.528 Mark (ca. 9% des Einkaufspreises).
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
251
Die allgemeinen Beladungskosten für drei Schiffe betrugen 1425 Mark lüb. (ca. 0,6% des Gesamtwarenwertes), worin bereits Zollkosten und eine Sonderprämie für die Schiffskapitäne enthalten waren. 155 Die vergleichbaren Aufwendungen für Faßbehältnisse, Verlade-, Wiege- und Beurkundungsgebühren sowie das Handgeld für die Mannschaften hatten in Amsterdam mit 3,5 % zu Buche geschlagen. Weitere 11,5% Nebenkosten ergaben sich in den Niederlanden aus den Zollgebühren. 156 Über in Hamburg anfallende Zollgebühren, insbesondere wäre hier an den Schaumburger Zoll, den Werkzoll und den Pfundzoll zu denken, 157 werden in den Quellen zum Genueser Rüstungsauftrag keine detaillierten Aussagen gemacht. Als Zollabgaben sind in der Generalabrechnung Hans de Hertoghes lediglich zwei Einzelposten zu identifizieren, die bereits unter den normalen Nebenkosten aufgeführt waren: Die Getreideausfuhrsteuer mit 4 Schilling pro Last (insgesamt 45 Mark) sowie das "Primigelt" und das
155
Ebenda. Unter die allgemeinen Frachtaufwendungen fielen laut de Hertoghe die Zollabgaben des "Primigelt" und des "Mattengelt" für die drei Schiffe (411 Mark lüb.) sowie jeweils 1 Paar Handschuhe für die Schiffskapitäne im Wert von jeweils 100 Rtl. (insgesamt 900 Mark lüb.) sowie 114 Mark lüb. an Befrachtungsaufwendungen ("per Jabole di Norvegia et balconi"). Im Gegensatz zu de Hertoghe ließ Bartolotti die Sonderprämie für die Schiffskapitäne am Bestimmungshafen auszahlen. Zur Hafenorganisation und zu den Lademodalitäten in Hamburg vgl.: R. Sprandel, "Der Hafen von Hamburg", in: H. Stoob, See- und Flußhäfen, S.193-210, S.196 ff, S.209. 156 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Gesamtabrechnungen Bartolottis vom 13. Januar 1626 und Juni 1626. Siehe auch: P.W. Klein, De Trippen, S.203. Auf die Ausfuhr von 100 Pfund Salpeter wurden in den Niederlanden beispielsweise 1584 2 fl, 1609 1 fl und 1655 0,11 fl erhoben. Leider sind diese Angaben für den Zeitraum nach 1621 nicht aussagekräftig, als sich die Republik im Krieg mit Spanien befand und deshalb sicherlich höhere Abgaben verlangte. 157 Zur Entwicklung des Hamburger Zollwesens und den einzelnen Zollkategorien siehe: E. Pitz, Die Zolltarife der Stadt Hamburg, Wiesbaden 1961, S.XI-ΧΧΧΠ. Zum Werkzoll und Tonnengeld, die alle Schiffe betrafen, die die Unterelbe mit Hamburger Waren passierten, siehe: W. Vogel, Handelskonjunkturen, S.57 ff. Bis 1647 wurde laut M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.30 ff, S.58 ff, kein Admiralszoll (für die Spanienfahrt seit 1623 eingeführt) auf die Italienfahrt erhoben. Zu den Zollkonflikten auf der Unterelbe in den 20er und 30er Jahren des 17. Jahrhunderts siehe: H.D. Loose, Hamburg und Christian IV., S.ll ff, S.36 ff; E. Baasch, Der Kampf des Hauses Braunschweig-Lüneburg mit Hamburg um die Elbe vom 16. bis 18. Jahrhundert, Hannover/Leipzig 1905; U. Römer-Johannsen/C. Römer, "Die Niederländer und die Freiheit der Frisen bei der Schiffahrt auf der Elbe zu Beginn des 17. Jahrhunderts", in: ZVHG 60(1974), S.ll 1-124.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
"Mattengelt" für die drei Schiffe in Höhe von 411 Mark l ü b . 1 5 8 Leider wurde hierbei nicht genau in getreide- und munitionsspezifische Zölle unterschieden. 1 5 9 Außerdem war nicht ersichtlich, ob es sich bei dieser vernachläßigbar geringen Summe, die nicht einmal 0,2% des Einkaufswertes ausmachte, wirklich um alle in Hamburg zu entrichtetenden Abgaben handelte, die bei der Ausfuhr von Kriegsmaterialien generell anfielen. 160 Legt man für die 2804 Zentner erworbene Explosivstoffe einen hypothetischen Zolltarif von 2-10 Schilling pro Gewichtseinheit zugrunde, so hätten die Zollkosten in Hamburg aber lediglich 0,35-1,5% des Einkaufswertes betragen. 161 Mit Sicherheit la158
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Generalabrechnung vom 12. Juni 1626. 159 Beim Mattengeld handelte es sich mit Sicherheit um einen Kornzoll. Siehe: E. Pitz, Zolltarife, S.511. Eine exakte Zuordnung des "Primigelt" in eine der Hamburger Zollkategorien konnte leider nicht vorgenommen werden. 160 Diese Vermutung beruht auf der Tatsache, daß die Schiffe auf Grund der Elbblockade nie den Hamburger Einflußbereich verließen. Trotzdem bleibt die Frage nach den Zahlungsmodalitäten (im Fall des Auslaufens der Schiffe) ungeklärt. Weil Zollabgaben nicht im voraus geleistet worden waren (und somit nicht in der Originalrechnung auftauchten), hätte nur der Schiffskapitän für die Steuer aufkommen können (und diese nur im nachhinein aus der Frachtrate decken können). Weitere Zollabgaben waren sicherlich bereits im Einkaufspreis für Rüstungsgüter enthalten. 161 Hypothetischer Zolltarif orientiert an den Daten von E. Pitz, Zolltarife. So wiesen die Zolltarife des Schaumburgischen Zolls für 1606 und 1647 eine Abgabe von 6 ρ pro Ztr. Pulver und 6 Pf-1 ß pro Ztr. Salpeter aus. Siehe: Ebenda, Dok.246 (S.202 ff, §290, §312). 1611 mußten die Merchant Adventurers für die Ausfuhr von Büchsenpulver 2-4 ß pro Ztr. bezahlen. Ebenda, Dok.250 (S.281 ff, §122, §154); Dok.295, (S.377, §55). Zu den englischen Kriegsgüterexporten vgl. auch: Ebenda, Dok.299, (S.430, §41). Die Tarife des Baken- und Bürgerzolls lagen in der Fassung von 1673 pro Ztr. Schießpulver ebenfalls bei 2 ß, für Salpeter bei 2-8 ß. Ebenda, Dok.266 (S.305 ff, §§: 43, 279, 301, 325). Die Tarife des Werk- oder Herrenzolles (basierend auf der Redaktion von 1548) betrugen nach erlangter Erlaubnis des Artillerieherren laut Abschrift des Jahres 1647 2 ß (einkommend und ausgehend zu See) bzw. 4 ß (ausgehend zu Lande) pro Ztr. Ebenda, Dok.295 (S.372 ff, §§: 37, 38, 68,461,472,475,481,557,584). Im Spanienhandel (Admiralitätszoll für den Handel mit Spanien, dem Mittelmeer und Westindien = spanische Taxa. Tarife 1646-1791, zurückgehend auf 1623) lag die Zollquote für den Pulverexport pro Ztr. bei 10 ß 8 Pf. Ebenda, Dok.273 (S.339 ff), §83 (S.345). 1681 lagen die Aus- und Einfuhrzölle für Salpeter in Richtung Niederlande bei 10 ß pro 100 Pfund. Ebenda, Dok. 313 (S.449 ff, insbesondere S.451, S.455). 100 Pfund Salpeter hatten dabei den Wert von 30 und 40 Mark, so daß diese Taxe ca. 2% des Warenwertes ausmachte.
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
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gen die Hamburger Abgaben unter den diesbezüglichen Amsterdamer Aufwendungen.162 Auch die Vermittlungskosten, die sich in Hamburg aus dem Kommissionsgeschäft ergaben, lagen deutlich unter den Forderungen, die in Amsterdam erhoben wurden. Hans de Hertoghe berechnete lediglich 2% auf den Warenwert, während Bartolotti 3% der Gesamtkosten als Provision gefordert hatt e . 1 6 3 Angesichts der großen Bedeutung des Kommissionsgeschäftes in dieser Zeit werfen die Differenzen ein Schlaglicht auf die unterschiedlichen Handelsusancen bzw. Gewinnmargen in Amsterdam und Hamburg. Da die Aushandlung der Vermittlungsgebühren weitgehend vom Ermessen des jeweiligen Handelsherren abhing, kann daraus geschlossen werden, daß die Verhandlungsposition der Kaufleute des aufstrebenden Hamburger Umschlagplatzes eindeutig unter den Möglichkeiten des zentralen Amsterdamer Marktes lag. Allerdings artikulierte Hans de Hertoghe seine Unzufriedenheit mit der niedrigen Provision, die in keiner Relation zum Aufwand stünde. In Zukunft würde er für eine ähnliche Vergütung keine Geschäfte mehr abschließen: "... in dieser Stadt sind noch nie solche Turbulenzen aufgetreten, wie sie nun vorkommen, und wenn man wüßte, daß es so weiterginge, wünschte ich, keine Geschäfte mehr zu tätigen, und sei Eure Hoheit gewiß, daß ich in Bezug auf dieses Geschäft für eine derartige Provisionssumme keine ähnliche Verpflichtung mehr auf mich nähme . . . " 1 6 4 162
Bezeichnend ist auch die Feststellung Lelio Levantos, der im Frühjahr 1627 den Umweg der Waren über Amsterdam in Erwägung zog. Als eines der Haupthindernisse sah er die hohen niederländischen Zollkosten an. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Levantos vom 7. Mai 1627. "... Mandare così per via di barche sino Amsterdam oltre le gabelle ci sarebbe risico grande di retensione da questi stati ..." (Übersetzung: "... Wenn man die Ware mit kleinen Schiffen bis nach Amsterdam schicken würde, wäre neben den Zollkosten das Risiko der Beschlagnahme bei diesen Staaten groß ..."). 163 Hätte Hans de Hertoghe die Provison analog der Gepflogenheiten Bartolottis berechnet, hätten ihm statt der eingeforderten 4888 Mark lüb. 7609 Mark zugestanden! Im umgekehrten Fall hätte Bartolotti lediglich 166,5 Pfund fläm. (1000 fl) anstatt der berechneten 285 Pfund fläm. (1710 fl) erhalten. Zum Kommissionsgeschäft vgl.: J.M. Price, "Transaction Costs: A Note on Merchant Credit and the Organization of Private Trade", in: J.D. Tracy, Political Economy, S.276-297, S.279. 164 Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458, Brief Hans de Hertoghes vom 8. Juli 1626: "... a presso questa città non vi sono intervenuti tanti trubeli quanto per hora accadesse et si sapesse havessero continuare così, non desiderarla havere più negotii, et s'assicuri Vostra Signoria che io tanto di questo negotio, che per altretanta somma di provigione non pigleria più simil carico sopra di me ..."
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Leider enthalten die Quellen keine genauen Angaben darüber, woher Hans de Hertoghe die bestellten Militärgüter bezogen hatte. Wahrscheinlich kamen die Waren aus dem unmittelbaren Umland Hamburgs. 165 Trotz Rohstoffarmut konnten sich dank der günstigen verkehrsgeographischen Lage Norddeutschlands durch die Anbindung an die internationalen Fernhandelsströme über Lübeck und Hamburg sowie auf Grund ausreichender Energiequellen in Holstein im Laufe des 16. Jahrhunderts gut strukturierte Gewerbegebiete entwickeln. Diese Gewerbetätigkeit flankierte die Agrarproduktion, die der holsteinische Adel auf den Herzogtümern in Gutswirtschaft betrieb und die seit Ende des 16. Jahrhunderts auch für den Export bestimmt w a r . 1 6 6 Vorrangig im Transitgebiet zwischen Lübeck und Hamburg, in Stormarn, insbesondere im Amtsbezirk Trittau und Gottorf, aber auch südlich der Unterelbe im Harburgischen wurden Mühlenbetriebe angesiedelt.167 Initiator dieser Entwicklung war seit 165
Da es sich beim Genueser Rüstungsauftrag nicht um Waffenbestellungen handelte, können die Hamburger Bezugsquellen am Niederrhein (über Köln) oder in Nürnberg ausgeschlossen werden. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.71. 166 Zum Kornexport (speziell Heinrich Rantzaus) nach Genua, der bereits seit 1581 nachweisbar ist, siehe: A. Jürgens, Schleswig-Holsteinische Handelsgeschichte, S.14 ff, S.30, S.195, S.82 ff. Auch Bartolotti bezog Getreide (das er 1590 nach Genua exportierte) aus Holstein. In diesem Zusammenhang könnte auch der Schiffsbesitz des holsteinischen Adels (hier wiederum der Rantzau) von einigem Belang gewesen sein. Zur schleswig-holsteinischen Gutswirtschaft, der günstigen Preiskonjunktur für Agrarprodukte in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts sowie dem Ochsenhandel siehe: Ebenda, S.184, S.191; H. Kellenbenz, "Die wirtschaftliche Rolle des schleswigholsteinischen Adels im 16. und 17. Jahrhundert", in: Arte und Marte. Studien zur Adelskultur des Barockzeitalters in Schweden, Dänemark und Schleswig-Holstein, Neumünster 1978, S. 15-32; R. Hansen, "Der Kieler Umschlag. Entstehung, Konjunktur und Funktionswandel eines internationalen Geldmarktes vom Ausgang des Mittelalters bis zum Anbruch der Moderne", in: ZGSHG 117(1992), S. 101-133. 167 A. Jürgens, Schleswig-Holsteinische Handelsgeschichte, S.30 f (Anmerkung 6). Der Autor gibt eine Aufstellung der (heute noch in den Quellen nachweisbaren) Mühlenbetriebe (Schleswig-)Holsteins. Pulvermühlen befanden sich beispielsweise in Domhorst, Kirchsteinbeck, Ostersteinbeck, Niendorf, Schleems, Schiffbeck, Rausdorf, Arfrade, Hinschenfelde, Gottorf und Wandsbeck. Kupfermühlen befanden sich in Hollenbeck, Hornsmühlen, Kupferdamm, Fresenburg, Reinbeck, Havighorst, Lüttgensee, Hölzernklingen und Wulfhagen. Sechs Kupfermühlen befanden sich allein im Amt Trittau, wo ebenfalls eine Papiermühle angesiedelt war. Die Papierherstellung wurde außerdem in Hohenhof, Borstel und Umgebung, Hölzernklingen, Hamerau und Bordesholm betrieben. Walk- und Ölmühlen befanden sich in Oldeslohe, eine Ölmühle in Bordesholm.
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
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dem ausgehenden Mittelalter das Lübecker Bürgertum. Im Laufe des 16. Jahrhunderts folgte der holsteinische Adel, dessen unternehmerische Tätigkeit um 1600 auf dem Höhepunkt angelangt w a r . 1 6 8 Da sich die Rohstoffversorgung und der Absatz der Gewerbeprodukte über die Hansestädte für den Adel problematisch gestalteten, wurden die Mühlenbetriebe zunächst an Lübecker und dann verstärkt an Hamburger Bürger verpachtet. 169 Teile der Produktion managte der Adel jedoch nach wie vor in Eigenregie, wie vor allem die unternehmerische Tätigkeit der holsteinischen Familie Rantzau zeigte. 170 In den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts war beispielsweise das Gut Hölzernklingen in der Grafschaft Trittau unter der Leitung von Frau Barbara Rantzau für die Produktion von Metall- und Rüstungsgütern, speziell für die Gewinnung und Veredelung von Salpeter, die Pulveraufbereitung und die Kupferverarbeitung, aber auch für die Papierherstellung über den regionalen Rahmen hinaus von Zur Pulvermühle im Harburgischen, die zunächst vom Altonaer Juden Abraham Marx betrieben wurde und dann vom Hamburger Kaufmann Jürgen Quest und Konsorten übernommen wurde, siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.280. In Schleswig waren nur wenige Mühlen- und Hammerbetriebe vorhanden. Erwähnt sei der in Flensburg angesiedelte rüstungsrelevante Produktionskomplex (Pulvermühlen, Geschützgießereien), der vorrangig den dänischen König belieferte. Siehe: A. Jürgens, Schleswig-Holsteinische Handelsgeschichte, S.31, S.45, S.230. 168 Zur politischen und wirtschaftlichen (Sonder-)Stellung des schleswig-holsteinischen Adels siehe: U. Lange, "Zur politischen Lage des schleswig-holsteinischen Adels um 1600", in: Arte et Marte, S.33-42; H. Kellenbenz, Wirtschaftliche Rolle, S.15 ff und S.17 (Karte zur feudal-administrativen Gliederung Schleswig-Holsteins); R. Hansen, "Die Anfänge des frühmodernen Staates in Schleswig-Holstein-Gottorf", in: Kieler Historische Studien (aus Reichsgeschichte und nordischer Geschichte), Kiel 1972, S.302-320; A. Simsch, "Der Adel als landwirtschaftlicher Unternehmer im 16. Jahrhundert", in: Studia Historiae Oeconomicae 16(1981), S.95-115, S.112. 169 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.178 ff. Als Pächter von Mühlenbetrieben traten beispielsweise Adrian Vossenholen (mit den Berenberg verschwägert), Cornelius de Weert, Hieronimus de Schmidt und Jacob Leems in Erscheinung. Die personellen und strukturellen Verbindungen dieser Produktionskapazitäten mit dem Hamburger und Lübecker Umschlagplätzen müssen noch untersucht werden. 170 Zur überaus großen politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Rantzau, die Ende des 16. Jahrhunderts auf dem Höhepunkt ihrer Machtstellung angelangt waren, siehe: H. Kellenbenz, Wirtschaftliche Rolle, S.19 ff; U. Lange, Politische Lage, S.37 ff; R. Hansen, "Heinrich Rantzau als Politiker", in: ZGSHG 97(1972), S.15-38; A. Jürgens, Schleswig-Holsteinische Handelsgeschichte, S.56, S.84 ff, S.102 f, S. 115, S.175, S.185; S.195. So rühmte Heinrich Rantzau in seiner Landesbeschreibung den außerordentlichen Gewerbereichtum seiner Besitzungen, auf denen er allein 39 Mühlenbetriebe anlegen ließ. Ebenda, S.30.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
internationaler Bedeutung.171 Die kommerzielle Anbindung bestand auch für Hölzernklingen über die Hansestädte Lübeck (vorrangig für die Rohstoffanlieferung) und Hamburg (in Bezug auf den Absatz der Produkte). 172 Offenbar genossen die hergestellten Waren in beiden Hansestädten bei der Ein- und Ausfuhr Zollfreiheit! 173 Derartige Gewerbebezirke kamen also als potentielle Bezugsquelle für den Hamburger Rüstungsexport in Betracht. Die augenscheinlich weit verbreitete Verpachtung dieser Produktionsstrukturen an Kreise des hansestädtischen Unternehmertums lassen auf relativ gut organisierte und eng verflochtene Herstellungs- und Vertriebsstrukturen, sicherlich in Form des Verlagsmodells, 171
In die Produktions- und Handelsstrukturen Hölzernklingens (der 80er und 90er Jahre des 16. Jahrhunderts) konnte die historische Forschung über das (zufällig) erhaltene Rechnungsbuch des Gutsschreibers der Frau Barabara Rantzau, Jürgen Poorter, Einsicht nehmen. Dort wurden Kupfer verarbeitet, Messingartikel gefertigt, Eisen geschmiedet, Salpeter gesotten, Schießpulver hergestellt und Papier produziert. Diese Gewerbeprodukte waren vornehmlich für den Export bestimmt. Direkte kommerzielle Kontakte bestanden u.a. nach Bremen (zu Dirk Heller), nach Middelburg (zu Karl Walrauen) und Amsterdam (über den Erfurter Kaufmann Rudolf Gebhart und Domenicus Van Uffeln). Allerdings entsprachen die Güter (Papier, Eisen, Harnische, Schloßbleche und Pulver) anscheinend nicht völlig den Anforderungen des Amsterdamer Marktes (wegen Größenunterschieden und teilweise auf Grund von Qualitätsmängeln), so daß der Ausgang dieses Geschäftes ungewiß blieb. Siehe: Ebenda S.31 ff. Speziell zu den Handelskontakten mit den Van Uffeln siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.328. 172 In erster Linie über den Lübecker Kaufmann Markus Mews, der zeitweise den schwedischen Kupferexport monopolisierte, bezog Hölzernklingen Rohmaterialien. Auch pommerscher Rohsalpeter wurde über Lübeck angeliefert. Der Absatz der Produkte lief teilweise über Lübeck. (Kontakte bestanden in dieser Hinsicht zu Hans Kropp, der ebenfalls Rohstoffe lieferte.) Normalerweise gingen die Waren über Hamburg in den Export (beispielsweise Kupfererzeugnisse, die über Adrian Vossenholen abgesetzt wurden). Auch Rohstoffe konnten natürlich über Hamburg bezogen werden (beispielsweise Galmei, das über Joseph Konningk geliefert wurde). Siehe: A. Jürgens, Schleswig-Holsteinische Handelsgeschichte, S.32 ff. 173 Ebenda, S.33. Dieser Sachverhalt wird durch die Aussagen Heinrich Rantzaus vor dem Hamburger Rat bestätigt und galt zumindest für die 90er Jahre des 16. Jahrhunderts. Allerdings erwuchsen den in Hölzernklingen hergestellten Produkten aus den Gewichtsunterschieden zwischen Hamburg und Lübeck einige Schwierigkeiten und Einbußen. Zur Zollpolitik Hamburgs im 16. und 17. Jahrhunderts in Bezug auf die Rüstungsproduktion des Umlandes siehe auch: E. Pitz, Zolltarife, S.85 (§4), S.89, S.103 (§16/18), S.106 (§54/57), S.109 (§177), S.169, S.215 (§79/302), S.222 (§109), S.368, S.344 (§366), S.400 (§352/359), S.433 (§14).
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schließen. Über die beteiligten Unternehmerkräfte ist der historischen Forschung nur wenig bekannt. Die detaillierte Erforschung des norddeutschen Gewerbepotentials steht bislang aus. Dieses Forschungsdefizit steht in engem Zusammenhang mit der schlechten Quellensituation.174 Auch die Dokumente zum Genueser Rüstungsgroßauftrag enthalten für die Erhellung dieser Sachverhalte keine Informationen. Besonders aufschlußreich wären konkrete Hinweise auf die Hamburger Kanonenkugelgußbetriebe, von denen die Handelsherren Maggioli & Lazagna gesprochen hatten, 175 und die Provenienz der 174
Die historische Forschung konzentrierte sich auf die Untersuchung des Hamburger Spanienhandels und die Erforschung Hamburgs als Kupferumschlagplatz. Auch hier steht die Forschung am Anfang. Im Hinblick auf die Herkunft der im Hamburger Hafen versandten Kriegsgüter, die entweder direkt in der Stadt oder im näheren Umland hergestellt wurden, sowie über die Vermittlungsstrukturen sind noch keine konkreten Einzelstudien greifbar. Am Beispiel Hölzernklingens können nur einige allgemeingültige Grundstrukturen aufgezeigt werden, die durch weitere Untersuchungen in personeller und quantitativer Hinsicht zu konkretisieren wären. Auch die Importe Hamburgs aus dem näheren und weiteren deutschen Hinterland sind noch zu recherchieren. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.91, S.336 f. 175 Wo waren diese Produktionsstrukturen für Kanonenkugeln angesiedelt? Wer betrieb diese Unternehmungen und wie gestalteten sich die Gewinnverhältnisse auf diesem Sektor, der sogar dieses schwere Massengut auf den internationalen Märkten konkurrenzfähig anbieten konnte? Bislang wurde davon ausgegangen, daß Hamburg Kugeln importierte, die dann in den Export gingen. Laut E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.406, führte Hamburg 1622 und 1625 jeweils 1000 Stück aus Bremen ein. 1623 bezog man 1400 Stück und 150 Tonnen aus Amsterdam. 1629 weitere 10 Schiffspfund aus Amsterdam. 1631 kamen 4 Faß Kugeln aus Norwegen, 1633 150 Schiffspfund aus Schweden. Für die Jahre 1624, 1628 und 1632 sind keine Einfuhren belegt. Bis zur Jahrhundertwende beförderten hauptsächlich Lübeck und die Niederlande Kugeln baltischer Herkunft. Nach 1600 sind in den Sundzollregistern nur für wenige Jahre Kugelexporte (meist aus Schweden) dokumentiert. Seit dieser Zeit wurden Kugeln fast ausschließlich von den Niederlanden durch den Sund transportiert. Bereits für den Zeitraum vor 1600 ist bemerkenswert, daß als Ausgangshafen dieses Gutes Lübeck angegeben wurde. Allerdings ist nicht zu entscheiden, inwiefern es sich hierbei um Eigenproduktion oder um den Reexport schwedischer Erzeugnisse handelte. Siehe: N.E. Bang, Tabeller over Varetransporten, S.66 f (1577), S.90 f (1583), S.94 f (1584), S.120 f (1586), S.128 f (1588), S.140 f (1591), S.148 f (1593), S.166 (1595), S.182 f (1596), S.190 f (1598). Lediglich zwei Jahre weisen eine Hamburger Beteiligung aus. 1589 transportierten die Schiffe der Hansestadt 95 Schiffspfund Kugeln baltischer Provenienz durch den Sund. 1610 waren fast ausschließlich Hamburger Segler für den Kugelexport aus Schweden verantwortlich. 156 Schiffspfund gelangten so durch die baltische Meerenge. Ebenda, S.132f, S.262 f. 17 Zunckel
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Lunten, 176 die im Genueser Auftrag eingekauft worden waren. In Bezug auf das Schießpulver und den Salpeter traten für die Hamburger Marktsituation, insbesondere für die Handelsstrukturen und die Gewinnspannen auf diesem Sektor, generell dieselben Schwierigkeiten auf, die bereits für den Amsterdamer Markt konstatiert werden mußten: Zu wenig ist über die hauptsächliche europäische Bezugsquelle für Exportsalpeter in Danzig bekannt, um auf diesem Gebiet ohne zusätzliches Quellenstudium präzise Aussagen treffen zu können. 177 Über die Grundelemente dieser Aktivität besteht durchaus Klarheit. Es mangelt jedoch an konkreten Einzelinformationen. Angesichts der hohen Bedeutung Hamburgs für die Vermarktung militärischer Explosivstoffe und in Anbetracht der augenscheinlich großen Dimension der norddeutschen Herstellungskapazitäten für Rüstungsgüter macht sich das Forschungsdefizit besonders negativ bemerkbar. 178 Wie der Genueser Großauftrag im Gesamtwert von 271.465 Mark lüb. belegt, 179 gehörten die de Hertoghe und die mit ihnen assoziierten Kaufmannskreise sicherlich zu jenen Rüstungshändlern, die über gute Verbindungen zur regionalen Militärgüterproduktion sowie zum Danziger Rohstoffmarkt verfügten. 176
Stammten auch die Lunten aus norddeutscher Produktion oder handelte es sich um polnische oder Amsterdamer Exportware? Zum Luntenexport Amsterdams nach Hamburg siehe: E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.407. 1622 und 1629 waren in Hamburg keine Luntenimporte zu verzeichnen. 1623 exportierte Amsterdam 3 Partien, 19 Faß und 37.000 Pfund in die Hansestadt, 1624 1 Partie, 1625 2 Partien, 1628 1 Last, 1630 17 Last, 13 Partien, 20.000 Pfund, 503 1/2 Bund und 40 Busch, 1632 44.000 Pfund, 7 Faß und 15 Partien und 1633 16 Partien, 16 Last, 12 Faß, 200 Busch, 100 Bund und 600 Pfund. 177 In Anbetracht der Tatsache, daß die Sundregister für Hamburg wenig aussagekräftig sind, und in Hinblick auf die Lübecker Vermittlung müßten auch die personellen Verbindungen zur Travestadt näher untersucht und vor allem die Aktivitäten der Lübecker Kaufmannschaft auf dem Rüstungssektor genauer recherchiert werden. 178 Wie groß war der Anteil der Rüstungsproduktion im Verhältnis zum Gesamtexport Hamburgs? Welche Auswirkungen hatte die Ausfuhr dieser Waren für die Gewerbestrukturen der Hansestadt und ihres näheren Umlandes? Die Lieferungen von polnischem Exportsalpeter waren für die Konkurrenzfähigkeit Hamburgs auf den internationalen Märkten grundlegend. Entweder wurde der Grundstoff weitervermittelt oder er wurde in Holstein zu Schießpulver veredelt und dann verkauft. Den zur Schießpulverherstellung benötigten Schwefel bezogen die Hamburger Kaufleute entweder aus Island oder aus Süditalien (teilweise über Amsterdamer Vermittlung). Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.71 f; A. Jürgens, Schleswig-Holsteinische Handelsgeschichte, S.243 f; E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.407. 179 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Generalabrechnung und Trattenaufstellung Hans de Hertoghes vom 1. September 1626.
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Da zwischen Genua und Hamburg keine direkten und kontinuierlichen Austauschbeziehungen bestanden, die für den Transfer von großen Geldsummen in Betracht kamen, bediente sich Hans de Hertoghe der ihm zugänglichen Strukturen des internationalen Zahlungsverkehrs. Zwecks Bezahlung der Genueser Bestellung zog er zwischen Februar und August 1626 Tratten im Gesamtwert von insgesamt 135.577 Talern 180 auf diejenigen seiner Geschäftsfreunde, die an den Schaltstellen des internationalen Rechnungs- und Zahlungsverkehres saßen und über Kontakte zum italienischen Handelsnetz verfügten. Vier Hauptkanäle wurden zur Transferierung der Gelder benutzt: 1. Der weitaus größte Teil der Zahlung (über die Hälfte des Gesamtbetrages) wurde reibungslos über das Handelshaus Hasenbart & Savioli in Nürnberg remittiert. 181 Diese Gelder liefen vermutlich über den klassischen Strang deutsch-italienischer Austauschbeziehungen in Venedig. 182
180
Ebenda sowie Schuldaufrechnung Serra gegenüber der Genueser Finanzkammer vom Sommer 1628. Für die Abrechnungen im internationalen Zahlungsverkehr wurde der Hamburger Taler zu 32 ß zu Grunde gelegt. Der in beiden Quellen übereinstimmende Betrag von 135.577 Talern ergab umgerechnet 271.154 Mark lüb. Laut Angabe der Finanzverwaltung wurden über Serra unbeanstandet 114.550 Taler transferiert. Die verbleibenden 21.026 Taler (42.000 Mark lüb. oder 56.000 Lire) waren die Restschuld, die gegenüber den de Hertoghe auf Grund der Zahlungsproteste in Frankfurt bestand. Die Forderungen Dorchis in Höhe von 7.200 Pfund fläm. (73.506 Lire) rechtfertigten sich also nicht direkt aus dem Hamburger Rüstungsgeschäft. 181 Ebenda. Die Zahlungen erfolgten zwischen dem 5. Februar und 19. Juli 1626. Da der Taler in Nürnberg 33 Schilling wert war, steigerte sich der Wert der Tratten von 74.496 auf 76.824 Taler. Die Hasenbarth & Savioli wurden bislang nicht zu den Handelspartnern de Hertoghes gezählt. Über den Zusammenschluß Peter Paul Hasenbarths und Benedikt Saviolis, bei dem es sich um eine Nachfolgegesellschaft der Firma Benevieni/Sini handelte, ist wenig bekannt. Verbindungen bestanden nach Florenz und Augsburg. Siehe: L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.90, S.97, S.482-491. 182 Über den Transfer der Gelder aus Italien finden sich keine Angaben. Es fehlt eine Trattenaufstellung, die die Zahlungen vom Ursprungsort aus belegen würde. Wie sich in den Quellen andeutet, bestanden Genuakontakte der Cerneschi über die Odescalchi und Pestalozzi. Auch Horatio Iridi verfügte in Genua über Beziehungen zu Hamburg (über die Nürnbergkontakte Abbondio Somiglianos). Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Briefe Levantos vom 13. Februar, 5. März, 23. April 1627 sowie das Schreiben Genuas vom 5. Juni 1627 (Transfer von 300 Zecchinen für den Unterhalt Levantos sowie Recherchen zur Beteiligung Pestalozzis an der Beschlagnahme). Sowohl Somigliano als auch die Odescalchi tauchen im Kopialbuch der Raynoldt in Bezug auf die Außenhandelskontakte Genuas (1619/20) auf. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1401 (Corrispondenza estera). 1
260
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
2. Ein weiterer Betrag (ca. 15% der Gesamtsumme) wurde über Jan Paolo Dorchi in Antwerpen beglichen. 183 Dieser remittierte über die internationalen Verbindungen seiner Genueser Geschäftspartner (Francesco Serra, Maggioli & Lazagna, Invrea, di Negro & Gentile, Spinola & Grimaldi), wobei auch über Piacenza verrechnet wurde. Weitere Zahlungen sollte Dorchi über das Handelshaus Ferrari, das hauptsächlich in Venedig und Genua operierte, sowie über die Hoste & Flangini, die schon beim Geldtransfer des Amsterdamer Rüstungsauftrages in Erscheinung getreten waren, erhalten. 184 Wie Luzio Moneglia in Antwerpen klären konnte, handelte es sich bei diesen Tratten wahrscheinlich um den Anteil, der zu den Zahlungsprotesten geführt hatte. 185 3. Auch Amsterdam wurde bei der Bezahlung der Rüstungsgüter in vergleichbarer Größenordnung (11% des Gesamtbetrages) einbezogen. Als Kontaktperson fungierte Willem Muilman, der ein enger Geschäftsfreund Jan Paolo Dorchis und Francesco Serras war. Er verfügte über gute Verbindungen
183
Ebenda, Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Trattenaufstellung Hans de Hertoghes vom 1. September 1626. Zwischen dem 22. Februar und 17. Mai 1626 wurden in 9 Einzelvorgängen insgesamt 21.000 Taler über Jan Paolo Dorchi gezogen. 184 Ebenda, Originaltrattenaufstellung Jan Paolo Dorchis (zu den Geschäftsbeziehungen mit Francesco Serra) vom 19. April 1627, Briefe Dorchis an Serra vom 26. Juni, 3. und 10. Juli 1626 und Brief Lelio Levantos vom 6. Februar 1627. Die Rimessen Dorchis beliefen sich im April 1626 auf 11.000 Pfund fläm. (114.000 Lire oder 41.250 Taler). Eine Summe, die ca. das Doppelte der Trattenbewegungen mit Hans de Hertoghe betrug. Dorchi meldete im Februar 1627 die exorbitante Schuldsumme von 47.000 Rtl. an, während Levanto den Dorchi zukommenden Betrag auf höchstens 25.000 Rtl. schätzte. Schließlich wurden die Forderungen Dorchis auf 7.200 Pfund fläm. (ca. 27.000 Taler oder 18.000 Rtl.) reduziert. Die Geschäftsbriefe Dorchis wiesen aus, daß ein Teil der Trattenproteste (in Seviglia und den Genueser Messen in Massa) vermutlich auf Hamburger Getreidegeschäfte Serras (Bezugsquelle Hans de Conincq unter Beteiligung der Fugger und der Invrea, anscheinend im Auftrage der Spinola und Grimaldi am 21. Oktober 1626) und ein Versicherungsgeschäft im holländischen Kupferhandel der Fugger (vermutlich unter Involvierung Muilmans) bei Beteiligung der Campomenoso, zurückzuführen war. Deshalb standen die Tratten sicherlich nicht in direktem Zusammenhang mit dem Munitionsgeschäft. 185 Auf Grund der komplexen Geschäftstransaktionen ließ sich der Zahlungsverkehr zwischen Dorchi und Serra nicht in eng abgegrenzte Einzelgeschäfte trennen. Von Genueser Seite wurden sowohl die für das Munitionsgeschäft anfallenden Tratten (12.000 Duk. davon wurden protestiert) als auch konsistente Zahlungen in Bar (im Gegenwert von 62.500 Mark Scudi) anscheinend lediglich an die Hoste & Flangini und die Ferrari gerichtet. Siehe: Ebenda, Instruktionen Lelio Levantos vom 5. November 1626 und Brief Luzio Moneglias vom 19. Februar 1627.
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nach Hamburg. Die Muilman unterhielten direkte Kontakte nach Genua, wo Hendrick Muilman Konsul der niederländischen Nation w a r . 1 8 6 4. Kleinere und mittlere Einzelbeträge (insgesamt 17% des Gesamtbetrages), die den Antwerpener und Amsterdamer Beträgen vergleichbar waren, sollte Hans de Hertoghe über die Frankfurter Messen erhalten. 187 Hierbei trat in erster Linie das Hamburger Unternehmertum in Erscheinung: Arnold Ruland, 1 8 8 die Amsinck, 189 Lukas und Antonio Van Spreckelsen sowie die Engelbrecht, 190 das Handelshaus Overbeck & Friedrich 191 und Zimpero Jenisch. 192 Außerdem waren Giovanni Sivarte 193 und die Firma Amman & Pestalozzi beteiligt, die ihre Geschäftszentrale in Süddeutschland hatte. 194 Die bei der Abwicklung der Zahlungsmodalitäten beteiligten Handelshäuser demonstrieren, welch weit gefächerte internationale Kontakte Hans de Hertoghe und Francesco Serra mobilisieren konnten. Zahlungsproteste in Frankfurt und Antwerpen, die sich aus den mißglückten Spekulationen Francesco Serras ergaben, führten im Herbst 1626 allerdings zur Beschlagnahme 186
Laut Trattenaufstellung Hans de Hertoghes vom 1. September 1626 wurden über Willem (Guillelmo) Muilman in Amsterdam zwischen dem 2. Februar und 29. März 1626 in 13 Einzelposten insgesamt 15.004 Taler transferiert. 187 Ebenda. Zwischen dem 14. März und 1. August 1626 sollten über 10 Einzelposten insgesamt 23.744 Taler auf den Frankfurter Messen remittiert werden. Bis auf 5.000 Taler blieben diese Zahlungen durch die Spekulationen Serras ungedeckt. 188 Ebenda. Arnold Ruland war lediglich mit 1092 Talern beteiligt. 189 Ebenda. Die Amsinck waren mit 1500 Talern beteiligt. 190 Ebenda. Auf Lukas und Antonio Van Spreckelsen entfiel ein Einzelbetrag von 1115 Talern. Die Gemeinschaftsunternehmung mit den Engelbrecht kam für weitere 2000 Taler auf. Zu den Spreckelsen und Engelbrecht, die auch in Amsterdam eine wichtige Rolle spielten, sowie zur Präsenz dieser Familie in Emden und Köln siehe: M. Reiß mann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.68, S.380; H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.124, S.197 f, S.239; G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.61, S.244. 191 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Trattenaufstellung vom 1. September 1626. Die Overbeck & Friedrich übernahmen 2000 Taler. Siehe auch: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.121, S.124, S.140; H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.239; ders., Hansestädtisches Unternehmertum, S.960. 192 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Trattenaufstellung. Über Jenisch liefen 998 Taler. Siehe auch: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.132f, S.146, S.222 und H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.156 ff. 193 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Trattenaufstellung vom 1. September 1626. Giovanni Sivarte remittierte 1500 Taler. 194 Ebenda. Auf die Amman & Pestalozzi entfielen die größten (Frankfurter) Einzelbeträge im Gesamtwert von 11.542 Talern (8% des Munitionsgeschäfts wertes).
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
der Genueser Bestellung im Hamburger Hafen. 195 Erst im Februar bzw. Juni 1627 war die Klärung aller hieraus entstehenden Ansprüche erfolgt und die Beschlagnahme der Güter aufgehoben, so daß dem weiteren Ablauf des Geschäftes von daher keine Schwierigkeiten mehr entstanden.196 Die Zahlungsproteste hätten jedoch keine einschneidenden Konsequenzen für den positiven Ausgang des Genueser Munitionsgeschäftes nach sich gezogen, wenn der Rüstungskonvoi die Hansestadt im Frühjahr 1626 planmäßig verlassen hätte. In diesem Falle hätten die geschädigten Kaufleute keine Handhabe gehabt, die Waren als "Faustpfand" zu beschlagnahmen und hätten über andere Wege ihre Ansprüche anmelden müssen. Aber bereits im Mai 1626 mußte Hans de Hertoghe von der Elbblockade dänischer, holländischer und englischer Kriegsschiffe berichten, deren Absicht es war, den Export militärrelevanter Güter durch die neutrale Hansestadt in Richtung Flandern und Spanien zu unterbinden. Auf längere Zeit lagen die für Genua bestimmten Waren im Hamburger Hafen fest und wurden dort im Juli 1626 eingelagert. Francesco Serra drängte noch vor der Beschlagnahme auf den Verkauf des Getreides. Hans de Hertoghe riet jedoch vorläufig davon ab, da die Zerealienpreise als direkte Folge des Embargos fallende Tendenz aufwiesen, die er mit dem Ausfallen der Absatzmärkte in Spanien und Flandern begründete. Waren für das erworbene Getreide 64-80 Reichstaler bezahlt worden, so lag das Preisniveau nun bei 56-58 Reichstalern. Wegen der Blockade Danzigs, die zu Preissteigerungen führen mußte, wollte de Hertoghe noch abwarten: 195
Für die Beschlagnahme zeichnete primär Jan Paolo Dorchi verantwortlich. Seine Hamburger Prokuratoren nahmen gleichzeitig die Interessen der de Hertoghe wahr. Auch diejenigen Kaufleute, die an den Frankfurter Transaktionen beteiligt waren, meldeten Ansprüche an, die überwiegend über Dorchi und die Amsinck gedeckt wurden. Letztlich wurde lediglich Gio Baptista Pestalozzi in die Verhandlungen einbezogen. Dorchi setzte ihn gleichzeitig als Prokurator ein. Offiziell vertrat er die Cerneschi aus Venedig. Über die Intervention der Odescalchi wurde er dann dazu bewogen, sich jeglicher Extraforderungen zu enthalten und dem Kompromiß zuzustimmen. Ebenda, Briefe Levantos vom 5. März und 5. Juni 1627. Zu den Geschäftsinteressen der Odescalchi und Pestalozzi in Venedig vgl.: G. Devos/W. Brûlez, Marchandsflamands, S.27, S.38 f, S.246, S.358, S.434, S.711. 196 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Kompromiß vom Juni 1627. Man einigte sich auf 7200 Pfund fläm. (54.000 Mark lüb.), die Dorchi zustanden, und 48.000 Mark lüb.(6400 Pfund, fläm.), die an die Hertoghe zu bezahlen waren. Diese Forderungen wurden aus dem Munitionsverkauf gedeckt. Der Getreideverkauf, der laut Abrechnung Dorchis vom 30. Mai 1628 27.188 Mark lüb. eingebracht hatte, ging dann zu Gunsten Serras, der diese Summe mit dazu verwandte, seine Schulden bei der Genueser Finanzkammer zu begleichen.
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"... Und da Eure Herrschaft ausdrücklich anordnet, den Weizen und den Roggen zu verkaufen, ist der Preis mit 56 bis 58 Reichstalern zu niedrig, aber täglich fürchtet man, daß die Preise ansteigen werden, da von Danzig aus nichts mehr geschickt werden wird wegen der Kriegsereignisse, die in diesem Land zunehmen, hat ja der König von Schweden, der mit 160 Schiffen vor jener Stadt liegt und der dort in der Nähe mit 25.000 Mann an Land gegangen ist, schon einige Orte belagert, und 10 königliche Schiffe sind nach Danzig geschickt worden, so daß kein Getreide mehr ausgeführt werden kann, und hier wird es folglich im Preis steigen ..." "... und in Bezug auf den Verkauf der Lebensmittel - wie ich schon in anderen (Briefen) berichtete - ist keine Menge mehr verkauft worden wegen der wenigen Nachfrage, die zur Zeit hier besteht, und da ja die Waren zu keinem Hafen in Spanien oder Flandern verschifft werden können und da ja das neue Getreide eintrifft, bleibt das alte um so mehr , . . " 1 9 7
Die Munitionsgüterpreise hielten sich mit 75 Mark lüb. für Musketenpulver und 78-80 Mark lüb. für Salpeter in etwa auf dem hohen Niveau vom Mai desselben Jahres. Preissteigerungen für diese Warenkategorie, die auf die Kriegsgeschehnisse zurückzuführen wären, wurden in Aussicht gestellt: "... Wegen der Kriegsgeräusche, die in diesen Gegenden von Tag zu Tag größer werden, bleibt alle Munition in guter Nachfrage. Musketenpulver zu 75 Mark lüb., Salpeter zwischen 78 und 80 Mark lüb. mit dem Anschein, daß der Krieg nicht so schnell enden wird, da der König von Dänemark von neuem viel Volk aushebt , . . " 1 9 8
197
Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 19. Juli 1626: "... Et poiché Vostra Signoria expressamente ordina di fare venduta delle grani et segale è introppo basso il prezzo de 56.58 Reixtalleri, ma si teme giornalmente debba andare crescendo di prezzo, poiché di Danzica non sarà mandato niente per li rumori di guerra che in quella terra vanno ingrossar che del Re di Svetia chi con navi 160 appresso sudetta città et ivi vicino arrivò con 25.000 uomini quali andati a terra hanno assediati già qualche luogho et 10 navi regii mandati avanti Danzica in modo che alcun grano potrà uscire, et qua consequentemente alzar di prezzo ..." Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 9. September 1626: "... et toccante la venduta delle vettovaglie dopo il avisatovi per altre non si è fatto vendita di più somma stante la pocha rechiesta che hora qua viene e poiché la mercantia non può essere navigato per alcun porto di Spagna ovvero Fiandra et sopravenendo il grano nuovo, il vecchio resta tanto più ... " 198 Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 19. Juli 1626: "... Per li rumori di guerra che in queste parti di giorno in giorno divengono maggiori tutte le munitioni restano in buona richiesta. Polvere di muschetto marchi 75 salnitri 78.80 con aparenza, che la guerra così presto non anche sara finita poiché di nuovo dal Re di Danimarca vien allevato molta gente ..."
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Dies war der Stand der Dinge im Herbst 1626, als die Erben de Hertoghes von der Beschlagnahme und Übergabe der Güter an die Amsinck berichteten. Nachdem Lelio Levanto in Hamburg (mit Unterstützung Luzio Moneglias in Antwerpen) eine Einigung in der Streitsache herbeigeführt und gleichzeitig im Frühjahr 1627 vergeblich Einschiffungmöglichkeiten für die Waren sondiert hatte, entschloß man sich in Genua im Juni 1627 dazu, die Kriegsgüter in Hamburg wieder zu verkaufen. 199 Der Augenblick schien günstig, zumal Levanto bereits im Februar 1627 angesichts der militärischen Auseinandersetzungen im Rahmen des Niedersächsisch-Dänischen Krieges und der Blockade Danzigs von 15-20% igen Preissteigerungen für Waren des militärischen Bedarfes berichtet hatte.200 Wie Levanto im Juni und Juli 1627 schrieb, drängte die Zeit allerdings, weil er einerseits Kenntnis von Hamburger Salpetereinkäufen in Danzig erhalten habe und andererseits die eventuelle Einstellung der kriegerischen Auseinandersetzungen unweigerlich zum rapiden Abflauen der günstigen Militärgüterkonjunktur führen würde: "... Aus Danzig wird geschrieben, daß fünf polnische Schiffe mit Munition und Kriegsvolk beladen worden waren, die zunächst mit den Freunden Schwedens gekämpft haben und nun auf normaler Route in jenem Meer segeln ..." "... Wenn der Krieg aufhören wird, besteht kein Zweifel, daß damit zusammen auf einmal auch der Wert der Waren brüsk fallen wird, von diesen Gütern habe ich erfahren, daß einige Kaufleute dieses Ortes bereits daran gedacht haben, davon große Mengen in Polen einzukaufen, wo sie zu einem sehr guten Preis zu finden sind, um sie zu halten und bis nach Danzig zu überführen, wenn nur der Krieg in Preußen aufhörte, so berechnen sie, guten Gewinn machen zu können, auch wenn dies erst in einem Jahr sein sollte und die Salpeterpreise um 15 bis 20% fallen werden . . . " 2 0 1
Schon am 21. Dezember 1626 hatten die Amsinck auf Anordnung Dorchis widerrechtlich einen Teil des Musketenpulvers mit der Absicht verkauft, die ausstehenden Zahlungen Serras aus dem Erlös des Explosivstoffes zu beglei199
Ebenda, Anordnung zum Verkauf der Munition vom 26. Juni 1627. Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 20. Februar 1627. 201 Ebenda, Brief Levantos vom 13. Juni 1627: "... Di Danzica scrivono vi erano caricate 5 navi polacche con munitioni e gente havendo prima combatuto con li amici di Svezia veleggino ordinariamente per quel mare ..." Ebenda, Brief Levantos vom 3. Juli 1627: "... Quando cadrà la guerra, non è dubbio caderà insieme di gran tratto il valore della mercantia, della quale intendo, che qualche mercante di questa piazza ha pensato di comprarne grossa somma in Polonia, ove sia a buonissimo prezzo per tenerla sino a condurre in Danzica, che solo sarebbe cessata la guerra nella Prussia, calculando poterli fare buon guadagno quando ancho ciò non segui fra un'anno, et il salnitro abbassi 15 in 20 % ..." 200
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chen. 2 0 2 Diese 166 Zentner Pulver wurden an Pietro Haes verkauft und hatten einen Marktwert von 78 Mark lüb. (pro Zentner). Der erzielte Gewinn betrug somit 8 Mark lüb. (oder ca. 11,5 %) zum ursprünglichen Einkaufspreis. Korrekterweise wurde dieser Einzelposten dann in die Endabrechnung Dorchis (vom 16. Juni 1628 über die Verkaufstransaktionen und die damit in Verbindung stehenden Nebenkosten) übernommen. 203 Die Verhandlungen über den Verkauf des übrigen Pulvers waren äußerst schwierig und zogen sich bis zum 2. Oktober 1627 hin. Bei dem Interessenenten der Pulverpartie handelte es sich um Leenaert Van Sorghen, der zunächst diskret nicht beim Namen genannt wurde. Stets wurden bei den Verhandlungen die allgemeine Marktsituation für militärrelevante Güter im Auge behalten: "... In Bezug auf den Käufer des Pulvers besteht kein Zweifel darüber, daß man dazu genötigt ist, ihm entgegenzukommen, wie er selbst allein verlangt, man hat erwogen, ihn gut anzubinden, bis er selbst das Geld von seinem Auftraggeber in der Hand habe, wie auch er zu seiner Sicherheit wünscht, falls man ihn stärker zu drängen suche, könnte jede Attacke ausreichen, ihn völlig zu verlieren, um dann vielleicht auf große Schwierigkeiten zu treffen, anderweitig jemanden aufzutun, nicht daß diese Waren nicht in Ordnung wären, aber wie ich bereits sagte, weil man heutzutage nichts ausführen kann, . . . " 2 0 4 "... Der Käufer des Pulvers hat bis jetzt den Wert der Ware nicht bezahlt, aber auch die Übergabe der Waren ist nicht ausgeführt. Falls er weiterhin zögern sollte,
202
Dieser widerrechtliche Verkauf wurde mit der Weisung Francesco Serras begründet, die erworbenen Waren in Hamburg zu verkaufen. Er hatte sich jedoch lediglich auf den Getreideanteil bezogen. Siehe: Ebenda, Brief der Genueser Prokuratoren an Lelio Levanto vom 30. Januar 1627. 203 Ebenda, Generalabrechnung Jan Paolo Dorchis über den Verkauf aller Munitionsgüter vom 16. Juni 1628 (einschließlich einer Übersetzung der Originalaufstellung der Amsinck in Hamburg) Diese Abrechnung wurde parallel sowohl in Pfund fläm. als auch in Mark lüb. geführt. Der auf Pietro Haes entfallende Posten betrug demnach insgesamt 1733 Pfund fläm. (13.000 Mark lüb.). Spezifische Nebenkosten entstanden hierbei offenbar nicht. 204 Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 3. Juli 1627: "... Toccante il compratore della polvere non è dubbio sia obbligato venire in contrario pretendendo lui stesso solo si è stimato bene di ancorarlo comportando sino habbi in mano, come anche egli desidera per sua cautela il denaro dal suo principale, che volendo astringere con rigori, ogni attacco potrebbe bastare a farcelo scappare del tutto, per poi haver da stentare forse assai, a farne fuora altrove, non che detta mercantia non sia in somma ma come dissi perchè non si potendo hoggidi estrarre, ..."
266
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
wird es besser sein, sich seiner zu entledigen und Abschluß mit anderen anzustreben, zumal diese Ware heutzutage groß in Nachfrage steht... " 2 0 5 Am 14. Juli 1627 wurde mit Van Sorghen eine vom Notar Van Dort beglaubigte Verkaufsvereinbahrung über 800 Zentner Musketenpulver und 200 Zentner Kanonenpulver geschlossen.206 Die Schwierigkeiten hatten aber noch kein Ende, weil Van Sorghen die Qualität des Pulvers beanstandete: "... Man muß zu einer Einigung mit dem Käufer gelangen wegen seines Anspruches, daß jenes Pulver nicht alles von derselben Güte sei. In Bezug auf den Preis muß man Geduld haben in der Hoffnung, daß die Blockade Danzigs nicht aufgehoben wird, denn sonst kämen von dieser Seite Mengen an Salpeter, die für jene Waren einen sehr großen Preisverfall hervorrufen würden ... " 2 0 7 Schließlich wurden 720 Zentner Musketenpulver zu 78 Mark lüb. und 190 Zentner Kanonenpulver zu 70 Mark lüb. (pro Zentner) mit einem Gewinn von 11,5% bzw. 6% verkauft. 208 Die Pulvermengen, die durch Wassereinbruch Schaden genommen hatten, wurden an Salomon Jueden, vermutlich Pächter 205
Ebenda, Brief Dorchis an die Republik vom 16. Juli 1627: "... Il compratore delle polveri non ha sin qui pagato il valore di essa ma neanche nessuna consegna è stata effetuata. Se dovesse anco ritardare sarà meglio liberarsi di lui et procurane esito con altri, sendo questa mercanzia alli giorni d'hoggi in molta richiesta ..." 206 Zu Leenaert Van Sorghen und seiner Zugehörigkeit zu den Hamburger Rüstungskreisen, siehe: S.M. Schröder, Hamburg und Schweden, S.316 und H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.224f. 207 Ebenda, Brief Dorchis an die Republik vom 27. August 1627: "... Bisogna arrivare a qualche aggiustamento con il compratore per cauza della pretentione d'essi che essa polvere non fusse tutta di una bontà. Per il prezzo bisogna aver pazienza sperando che non levino il blocco di Danzica verra da quella banda quantità di essi salnitri che cauzeranno in quelle mercanzie grandissimo abbassamento ..." 208 Ebenda, Generalabrechnung Dorchis vom 16. Juni 1628. Laut Originalabrechnung der Amsinck wurde das Pulver am 2. Oktober an Van Sorghen für 9.268 Pfund fläm. (ca. 69.510 Mark lüb.) verkauft. Dieser Betrag deckte sich nicht mit der Aufstellung Dorchis, der diesen Geschäftsabschluß zusammen mit dem Posten verdorbenen Pulvers (das an Salomon Jueden verkauft worden war) führte und mit insgesamt nur 9203 Pftind fläm. berechnete. Sicherlich waren auf Grund der Qualitätsbeanstandungen Extrakosten angefallen, die sich aus der Aufbereitung des Pulvers ergeben hatten und die die Amsinck unter einem gesondert aufgeführten Nebenkostenpunkt, der insgesamt 1267 Mark lüb. betrug, subsumierten. Siehe auch: Ebenda, Briefe Lelio Levantos vom 2. Juni und 17. Juli 1627. Zunächst war er davon ausgegangen, daß lediglich 65 Tonnen Schießpulver durch Wassereinbruch verdorben seien, dann korrigierte er in 140 Faß, von denen 70 nur leicht geschädigt wären. Die Kosten für die Aufbereitung setzte er ungefähr mit 4-5 Talern (8-10 Mark lüb.) pro Faß an.
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
267
einer Pulvermühle, zur Wiederaufbereitung unter Preis verkauft. Es handelte sich um 35 Zentner zu 45 Mark lüb. und 30 Zentner zu 30 Mark l ü b . 2 0 9 Die noch verbleibende Salpetermenge von 1638 Zentnern 210 wurde an einen einzigen Einkäufer zum Preis von nur 78 Mark lüb. weitergegeben. Leider enthalten die Quellen keinen einzigen Anhaltspunkt, an wen diese Partie verkauft worden war. Aber gerade der Umstand, daß der Interessent im Gegensatz zu allen anderen Aquirenten nicht ein einziges Mal genannt wurde, läßt darauf schließen, daß es sich entweder um einen Agenten der kriegführenden Parteien, wahrscheinlich des protestantischen Lagers, wenn nicht sogar der Dänen, handelte, oder, daß die Lieferung an einen Kaufmann ging, der nicht an Publizität interessiert war, weil er den Salpeter auf illegalem Weg ausführen wollte. Dieser recht übereilte Geschäftsabschluß datierte vom 24. Oktober 1627 und erklärte sich hauptsächlich aus der Notwendigkeit, den Gegenwert der Ware in kurzer Zeit innerhalb von drei Monaten nach Genua transferieren zu wollen. Nach Abzug der spezifischen Nebenkosten konnte die Republik hierbei nicht einmal 2 % Gewinn erzielen. 211
209
Ebenda, Generalabrechnung Jan Paolo Dorchis vom 14. Juli 1628. Der Verkaufswert belief sich auf insgesamt 330 Pfund fläm. (2475 Mark lüb.). 210 Ursprünglich handelte es sich um 1154 Faß (1669 Ztr.) Salpeter. Aber nur 1150 Faß (1637 Ztr.) wurden laut Generalabrechnung der Amsinck im Oktober 1627 verkauft. In seinem Schreiben vom 4. Februar 1628 rechtfertigte Dorchi den Gewichtsverlust mit dem Eindringen von Meerwasser in die Lagerräume. 211 Bereits am 21. August 1627 hatte Levanto nach Genua geschrieben, daß sich ein Interessent für die gesamte Salpeterpartie gefunden hatte, der allerdings nur bereit war, 76 Mark lüb. pro Ztr. zu bezahlen. Vom Abschluß eines derartigen Geschäftes riet Levanto energisch ab. Einerseits würde der Salpeter momentan für 78-80 Mark lüb. pro Ztr. gehandelt, andererseits sei bei 76 Mark die Gewinnmarge viel zu gering. Allerdings sei ihm zu Kenntnis gekommen, daß in Amsterdam vier Schiffe eingetroffen wären, die u.a. Salpeter an Bord hätten. Noch im September 1627 hatte Levanto Einspruch gegen ein Angebot von 78 Mark lüb. eingelegt, mußte aber (wie Dorchi am 22. Oktober und 19. November 1627 schrieb) schließlich seine Zustimmung geben und anerkennen, daß der Abschluß den Marktbedingungen entsprach. Laut Generalabrechnung der Amsinck wurde der Salpeter für 17.029 Pfund fläm. (127.721 Mark lüb.) verkauft. Von diesem Betrag mußten 544 Pfund, fläm. (4084 Mark lüb.) an Nebenkosten (darin enthalten ein Provisionsanteil von 2%) abgezogen werden, so daß letztlich 16.484 Pfund fläm.(123.630 Mark lüb.) erzielt wurden. Abzüglich der Provision der Amsinck kam man auf 126.184 Mark lüb. Ursprünglich hatte man 124.047 Mark lüb. für den Salpeter bezahlt. Über die Motivation für den dringenden Geldbedarf der Republik wurden keine Informationen geliefert.
268
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Am 27. Februar 1628 konnten die Kanonenkugeln zu 20 Mark lüb. pro Schiffspfund an die Hamburger Admiralität verkauft werden, wobei formell zwar 17% Gewinn auf den ursprünglich bezahlten Preis erzielt werden konnte, dieser jedoch von den anfallenden Nebenkosten aufgesogen wurde. 2 1 2 Schließlich wurden die Lunten am 27. April 1628 unter erheblichem Gewichtsverlust vermutlich an den Agenten der kaiserlichen Partei, Johannes Altering, für 11 Mark lüb. (pro 100 Hamburger Pfund) verkauft, so daß der Verkauf dieser Güter von vornherein unter Einbußen zu Stande kam. 2 1 3 Interpretiert man das Preisniveau des Munitionsverkaufes 1627, das dem Level vom Frühjahr 1626 in etwa entsprach, als - vorläufigen oder absoluten (?) - Höchststand des Hamburger Munitionsgütermarktes, und vergleicht man diese Situation mit den "normalen" Preisen, die die Handelsherren Maggioli & Lazagna im November 1625 nach Genua übermittelt hatten, so war für Salpeter und für Kanonenkugeln ein 25%iger Anstieg zu verzeichnen. Musketenpulver stieg um etwa 11,5%. Geschützpulver erhöhte sich lediglich um 7%. Der Preis für Lunten stieg anscheinend nur geringfügig.
212
Zunächst war man in Verhandlungen mit der Hansestadt getreten, die nach Informationen Dorchis (vom 19. November und 3. Dezember 1627) für diese Güter aber keine Verwendung hatte. Am 4. und 25. Februar 1628 schrieb Dorchi an Genua, daß die Amsinck in Verhandlungen mit dem Befehlshaber der kaiserlichen Truppen standen, der primär nur an den Lunten interessiert sei, aber auch die Kugeln zu 9 Mark pro Ztr. abnehmen würde, um den Amsinck einen Gefallen zu erweisen! Die Endabrechnung weist als Käufer der Kugeln eindeutig die Hamburger Admiralität aus, die insgesamt 1340 Mark lüb. (178,5 Pfund fläm.) bezahlte. Hiervon gingen 242 Mark lüb. (darin enthalten 2% Provision) an nicht näher spezifizierten Nebenkosten ab, so daß effektiv 146 Pfund fläm. (1095 Mark lüb.) übrig blieben. Auf welche Umstände die Nebenkosten zurückzuführen waren, geht aus den Quellen nicht hervor. Unter Abzug der Vermittlungsgebühr (zu Vergleichszwecken) erhält man 1154 Mark lüb. gegenüber einem ursprünglichen Einkaufspreis von 1143 Mark lüb. 213 Zu den Verhandlungen der Amsinck und den Gewichtsverlust auf Grund des Wassereinbruches siehe: Ebenda, Briefe Dorchis vom 4. und 25. Februar 1628. Der effektive Verkaufspreis betrug demnach nur 10 Mark (pro 100 Pfund). In der Generalabrechnung der Amsinck wurde Johannes Altering als Käufer angegeben. Der Verkaufspreis betrug 11 Mark und wurde in der Abrechnung Dorchis übernommen. Es könnte sein, daß Altering nicht als Agent der kaiserlichen Truppen fungierte, sondern den Luntenkauf in Alleinregie vornahm. Die verkaufte Menge wird in der Abrechnung mit 14.555 Hamburger Pfund angegeben, während Hans de Hertoghe der Republik 20.624 Pfund Lunten verkauft hatte. 1601 Mark lüb. (213 Pfund fläm.) betrug der Verkaufspreis (gegenüber einem Einkaufspreis von 2062 Mark lüb.).
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren Salpetera Nov. 1625:d 63-69 Ml (=50,5-55 fl) (=21-23 Rtl.) Jan. 1626:e
Frühjahr 1626:f
Mai 1626:ß
Pulvera Pulvera (Musketen) (Kanonen) 70 Ml (=56 fl)
70 Ml 68-73 Ml (=56 fl) (=54,5-58,5 fl) (=22,5-24,5 Rtl.)
Luntenc
65 Ml (=52 fl)
16 Ml (=13 fl)
67 Ml (=53,5 fl)
17-18 Ml 11-12 Ml (=13,5-14,5 fl) (=8,8 fl)
16-20 Ml (=13-16 fl)
74-75 Ml (=59-60 fl) (=24,5 Rtl.)
70 Ml (=56 fl)
66 Ml (=53 fl)
78-80 Ml (=62,5-64 fl) (=26-26,5 Rtl.)
78 Ml (=62,5 fl)
75 Ml (=60 fl)
78 M li ( = 62,5 fl)
70 M l k (=56 fl)
1626-1628 : h 78 MF (=62,5 fl)
Kugelnb
269
20 Ml 1 (=16 fl)
a
10 Ml (=8 fl)
11 M l m ( = 8,8 fl)
Pro Hamburger Zentner zu 112 Pfund (zwischen 51 und 54 kg). Pro Hamburger Schiffspfund (135,6 kg). c Pro 100 Hamburger Pfund (= 48,49 kg). d Marktinformationen der Maggioli & Lazagna aus Antwerpen. A.S.G. Camera del Governo Nr.768. e Marktinformationen Hans de Hertoghes. A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458. f Effektiver Einkaufspreis der Genueser Munitionsbestellung in Hamburg. Ebenda. S Marktinformationen Hans de Hertoghes aus Hamburg an Genua. Ebenda. h Nomineller Wiederverkaufspreis der Rüstungsgüter in Hamburg. 1 Preisstand Oktober 1627. Ebenda. j Preisstand Dezember 1626 und Juni bis Oktober 1627. Ebenda. k Preisstand Juni bis Oktober 1627. Ebenda. 1 Preisstand Februar 1628. Ebenda. m Preisstand April 1628. Ebenda. b
Abb. 7: Preisniveau für Militärgüter in Hamburg (1626-1628)
270
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Insgesamt belief sich der Wert der verkauften Kriegsgüter auf 215.625 Mark lüb. und lag 5% über dem Einkaufspreis. 214 Davon mußten noch 4017 Mark lüb. für die in Hamburg anfallenden Nebenkosten215 sowie die Vermittlungsvergütungen der Amsinck und Dorchis (jeweils 2% des Gesamtwertes) mit insgesamt 8.625 Mark l ü b . 2 1 6 abgezogen werden. Hinzu kamen die Unterhaltskosten Lelio Levantos in Hamburg, für die die Amsinck mit 3345 Mark lüb. aufgekommen waren, 217 so daß als Reinerlös letztlich 199.638 Mark lüb. übrig blieben. Bezogen auf die 229.100 Mark Gesamtkosten, die die Genueser Rechnungskammer für den Munitionsanteil zugrunde gelegt hatte, ergab sich ein Verlust von mindestens 29.462 Mark l ü b . 2 1 8 Weiterhin gingen die Altschuld gegenüber den de Hertoghe (42.535 Mark lüb.) und die daraus entstehenden Kapitalkosten (3.217 Mark lüb.) an die Amsinck a b , 2 1 9 so daß Jan Paolo Dorchi der Republik Genua in Antwerpen lediglich den Gegenwert von 153.892 Mark lüb. (20.519 Pfund fläm.) gut214
Der Gesamtwert ergab sich aus der Endabrechnung der Amsinck über 28.750 Pfund fläm. Der Einkaufspreis der Kriegsgüter (ebenfalls exklusive Nebenkosten) hatte 205.872 Mark lüb. betragen. 215 An Wiegegebühren, Wiederaufbereitungskosten u.ä. fielen laut Aufstellung der Amsinck insgesamt 2983 Mark lüb. an. Für die Lagermiete wurden 997 Mark lüb. aufgewandt. Briefzustellungskosten betrugen 37 Mark lüb. In Relation zum Verkaufspreis fielen diese spezifischen Nebenkosten mit knapp 2% ins Gewicht. 216 Die Provision Dorchis und der Amsinck war ursprünglich mit jeweils 1% des Verkaufswertes angesetzt. Die doppelte Aufwandsentschädigung schien Genua eine deutlich überzogene Forderung. Ebenda, Briefe der Prokuratoren an Dorchi vom 12. Oktober und 5. November 1627. Trotzdem wurde der von beiden Beteiligten geforderte Anteil von respektive 575 Pfund fläm. und 4308 Mark lüb. ausgezahlt. 217 Hierbei handelte es sich lediglich um einen Teil der Unterhaltskosten Levantos, der in Hamburg auch über Abbondio Somigliano mit Geld (300 Goldscudi) versehen wurde. Weiterhin mußte man die Reisekosten Levantos berücksichtigen. Außerdem stand ihm eine Entlohnung für seine Mission zu, über die die Quellen leider keine Auskunft geben. Schon allein die Aufwendungen, die in diesem Zusammenhang anfielen, standen in keinem Verhältnis zu potentiellen Gewinnen, die aus einem noch so vorteilhaften Wiederverkauf entstehen konnten. 218 Der (vorläufige) "Reinerlös" aus dem Verkauf der Güter lag bereits 14,3% unter dem Einkaufspreis oder knapp 13% unter den Gesamtkosten des Munitionsgeschäftes. Allerdings hatten für diejenigen Einbußen, die mit den Frachtkostenentschädigungen im Zusammenhang standen, die Versicherer aufzukommen. 219 Die Schuld Serras bei den de Hertoghe in Höhe von 42.535 Mark (5.671 Pfund fläm.) war von den Amsinck im Dezember 1627 beglichen worden. An Zinsen wurden insgesamt 429 Pfund fläm. (3217 Mark lüb.) berechnet, also 7,5 % der Kreditsumme. Ein Betrag, der 1,5% des Verkaufswertes ausmachte.
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
271
schrieb. Ungünstige Wechselrelationen zum Zeitpunkt der Transferierung führten zu weiteren Einbußen. Der Kontostand Genuas in Antwerpen betrug somit nur 19.965 Pfund fläm. 2 2 0 Davon zog Dorchi seinerseits 7.488 Pfund fläm. für die Altschulden und die anfallenden Kapitalkosten sowie die Rückreisekosten Lelio Levantos (188 Pfund, fläm.) a b . 2 2 1 Verblieben noch 12.289 Pfund fläm., die in vier Raten über die Genueser Messen in Novi unter Dekkung der Handelshäuser Balbi (sowohl Giacomo & Pantaleo Balbis als auch Stefano, Antonio & Bartolomeo Balbis) zurück nach Italien transferiert wurden. 2 2 2 Allerdings gingen die Altschulden zu Lasten Francesco Serras. Seine Schuld gegenüber der Genueser Rechnungskammer betrug insgesamt 30.200 Goldscudi, umgerechnet 185.110 Lire (moneta corrente). 223
220
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Generalaufrechnung der Soll- und Habenseite des Genueser Kontos bei Jan Paolo Dorchi vom 14. Juli 1628. Der Rechnungswert der Hamburger Zahlungen (in Höhe von 76.947 Talern) belief sich auf 20.519 Pfund fläm. Hierbei wurde einem Hamburger Taler der (fiktive) Gegenwert von 64 fläm. Groschen zugeordnet. Die effektiven Wechselkurse zwischen Hamburg und Antwerpen lagen mit Werten, die 61-62,75 Groschen pro Taler betrugen, deutlich unter diesem Niveau. Für die in sechs Tratten übermittelte Summe wurde pro Taler ein durchschnittlicher Gegenwert von 62,25 Groschen erzielt. 221 Ebenda. Die Höhe der Altschulden Serras bei Dorchi war mit 7200 Pfund fläm. festgesetzt worden. Dazu kamen die Zinsen in Höhe von 288 Pfund fläm. (4% der Kreditsumme). Die Reisekosten Levantos setzten sich aus der Bereitsstellung von Paßpapieren (7 Pfund fläm.), 80 Pfund fläm. in Bar und 101 Pfund fläm. in Wechselbriefen (über die Lumaga in Paris) zusammen. 222 Der Transfer der Restsumme (umgerechnet 46.084 Taler oder 21.000 Mark Scudi) über die Balbi war zwischen Dezember 1627 und Mai 1628 in vier Raten und einem Kompensationsbrief erfolgt. Der Kurswert der Messerechnungswährung Mark Scudi lag durchschnittlich bei 140 Groschen fläm. Seinerzeit hatte Francesco Serra 114.550 Taler transferiert. Blieben als Differenz 68.466 Taler. 223 Es handelte sich um die beiden Altschuldenposten von 7200 Pfund fläm. und 21.000 Taler (73.506 und 56.000 Lire). Verblieben noch 20.466 Taler (56.000 Lire) an Kosten, die aus dem mißglückten Munitionsgeschäft entstanden waren, und die Serra angelastet wurden. Auf drei kleinere Einzelbeträge, die er einem Konvent, Francesco Maxema und Filippo Castagnola schuldete, entfielen 12.192 Lire. Erstaunlicherweise wurden auf keinen der Schuldbeträge Zinssätze berechnet. Neben den 114.550 von Serra effektiv transferierten Talern, die sich glücklicherweise in etwa mit den Einkaufskosten für die Munition in Hamburg deckten (umgerechnet 305.600 Lire), wurde Serra auf der Habenseite 6.654 Lire (Provisionskosten für Dorchi), 3.056 Lire (der ihm zustehenden Vermittlungsgebühr von 1%) sowie 2.947 Lire (aus Versicherungszahlungen) angerechnet (insgesamt 318.258 Lire).
272
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Erstaunlicherweise wandte sich die Republik Genua direkt im Anschluß an die Verkaufsmodalitäten im Juni 1628 mit der Absicht an Jan Paolo Dorchi, größere Mengen Salpeter in Antwerpen zu erwerben. Angesichts der Schwierigkeiten, die das Hamburger Munitionsgeschäft zum Scheitern gebracht hatten, wollte man diesmal kein noch so kleines Risiko eingehen. Die Kommission für die Salpeterorder sollte an Dorchi gehen. Allerdings wollte man den Salpeter zu einem Festpreis (in Genueser Währung und Gewicht), der auch die Transportkosten miteinschließen sollte, formell erst bei Ankunft der Ware im Genueser Hafen erwerben. Eventuelle Risiken, die sich aus den unsicheren Verhältnissen zu See ergeben konnten, hatte demnach nicht der Auftraggeber, sondern derjenige Kaufmann, der die Bestellung übernahm (bzw. dessen Versicherer) zu tragen. Angesichts dieser unüblichen Geschäftsbedingungen schätzte Dorchi die Realisierungschancen eines derartigen Abschlusses als äußerst gering ein. Er versprach dennoch, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um den Wünschen der Republik Genua entsprechen zu können: "... Ich habe gesehen, daß Eure Durchlauchten Herrschaften einige Mengen an Salpeter zu haben wünschen, jedoch schätze ich es als sehr schwierig ein, eine Person zu finden, die sich dazu verpflichten wolle, diesen in Genua zu einem Festpreis in dortiger Währung und Gewicht abzuliefern, angesichts des großen Risikos auf den Meeren, so daß man keine Berechnung über die genaue Zeit machen kann, außerdem werden viele Schwierigkeiten auftreten, die ich als sicher voraussehe. Trotz alledem habe ich nicht versäumt, einige meiner Freunde außerhalb anzuschreiben, wenn Ihr dazu neigt, diese abzuwarten, werde ich Euch im folgenden informieren. Wenn sich Eure Durchlauchten Herrschaften in Zwischenzeit dazu entschlössen, mir die Kommission sogar auf Eure Rechnung zu übertragen, so werde ich mich umgehend daran machen, Euch in allem, was Ihr anordnet, zu bedienen, indem ich Euch versichere, alle Eure Geschäfte wie üblich den meinen gleichwertig zu behandeln . . . " 2 2 4 Bis zum 10. November 1628 bestand zwischen Dorchi und der Republik Genua kein Briefkontakt mehr. Dann schrieb Dorchi, daß für die Realisierung 224
Ebenda, Brief Jan Paolo Dorchis vom 7. Juli 1628. (Leider ist das Auftragsschreiben in den Akten der Finanzverwaltung nicht enthalten.): "... Ho visto che le Signorie Vostre Illustrissime desideriano havere qualche quantità di salnitro, però di trovare persona che si vogli obligare di consegnarlo costì a Genova a un prezzo certo di cotesta moneta et peso lo stimo difficilissimo, atteso il risico grande del mare, che non si potria fare calculo al tempo preciso che potesse esser costì oltre molte difficultà che prevedo ci sariano. Con tutto ciò non ho mancato di scriverne a qualche amici miei di fuori, che se inclineranno de attenderli le avviserò in appresso. In mentre se le Signorie Vostre Illustrissime si decidessero di darne a me la commissione a dirittura per conto loro, meli affarò prontissimo a servirli in tutto quello commanderanno assicurandoli che tratterò al solito ogni loro affare al pari proprii ..."
4. Hamburger Militärgütermarkt in den 20er Jahren
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des beabsichtigten Salpeterkaufes angesichts der stark gesunkenen Preise für Explosivstoffe in Hamburg sowie der Aufhebung der Handelsblockade günstige Ausgangsbedingungen vorhanden seien: "... Obwohl ich Euch inzwischen nicht weiter über das von Euch vorgeschlagene Salpetergeschäft geschrieben habe, habe ich dennoch nicht versäumt, verschiedenerorts jede Anstrengung zu unternehmen, um zu sehen, ob Personen vorhanden wären, die die Partie in der Weise hätten übernehmen wollen, wie Eure Durchlauchten Herrschaften wünschten, aber niemanden hatte ich gefunden, der unter diesen Bedingungen in das Geschäft eintreten wollte. Da der Preis für jene Ware weiterhin sehr teuer blieb, habe ich deshalb davon abgesehen, Eure Durchlauchten Herrschaften näher zu unterrichten, und wie momentan der Salpeter im Preis sehr gefallen ist, und da die Schiffahrt Hamburgs unbehindert bleibt, erschien es mir, Euren Durchlauchten Herrschaften zu zeigen, daß nun die Zeit sei, sich mit solchen Gütern zu versehen in der Hoffnung, daß wie beim Verkauf Eurer Waren im vergangenen Jahr, Ihr mir die Kommission auf Eure Rechnung übertragt, so habe ich nicht unterlassen wollen mich anzubieten, wie ich nun tue ... " 2 2 5 Der Entwurf eines positiven Antwortschreibens, der dem Brief Dorchis in Genua beigelegt worden war, zeigt, daß man nach wie vor an einem derartigen Geschäft äußerst interessiert war. Leider fehlen in den Akten der Genueser Finanzverwaltung Dokumente, die den Verlauf dieser Angelegenheit weiter verfolgen würden. Genueser Kontakte in Bezug auf Rüstungsgeschäfte mit der Antwerpener Kaufmannschaft scheinen aber auch danach bestanden zu haben. 2 2 6
225
Ebenda, Brief Jan Paolo Dorchis vom 10. November 1628. "... Sebbene non ho continuato a scriverli sopra il negotio mi proposero de salnitri, non ho però mancato di fare ogni diligenza in diverse parti per vedere se ci fossero persone, che havessero voluto fare il partito in modo Vostre Signorie Illustrissime desideravano, ma non havendo trovato nessuno, che volesse entrarli con quelle condizioni. Come anche perche questa mercanzia continuava ad essere molto cara, ho perciò dilatato a trattarne più oltre alle Signorie Vostre Illustrissime, et come di presente siano detti salnitri abbassati assai di prezzo, et che la navigazione d'Amburgo resti libera, mi è parso di dimostrare alle Vostre Signorie Illustrissime che hora saria il tempo di provedersi di questa mercanzia sperando che come vendessero li loro in Amburgo l'anno passato, di dare a me la commissione perche li compio a conto loro, non ho voluto lassare come faccio ad offrirmi ..." 226 A.S.G. Antica Finanza Nr. 169 (Cartulario della Polvere). Hierin tauchen drei Dokumente auf, die für die Jahre 1638 und 1640 von Salpeterlieferungen aus Flandern berichten. Allerdings ist aus diesen Quellen nicht ersichtlich, ob der Salpeter aus Antwerpen oder Amsterdam geschickt wurde. 18 Zunckel
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
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5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge mit der Hamburger Handelskonjunktur, speziell der Spanien- und Mittelmeerfahrt Hinsichtlich des Preisniveaus für militärische Explosivstoffe konnten die Hamburger also durchaus mit den Amsterdamer Anbietern konkurrieren. Laut allgemeiner Forschungsmeinung resultierte die generelle Überlegenheit Amsterdams in erster Linie aus der größeren Elastizität des Transportsektors. Lediglich die Behinderung der niederländischen Seefahrt durch Spanien führte zeitweise zum Eindringen von Frachtfahrern anderer Nationalitäten in die holländischen Interessensphären. Indem die Niederländer durch militärische und handelspolitische Maßnahmen an der Befahrung ihrer Märkte gehindert wurden, und weil die höheren Aufwendungen, die für die militärische Sicherung der holländischen Schiffe anfielen, zur Anhebung der niederländischen Frachtraten führten, wurden teurere Anbieter konkurrenzfähig. Insbesondere Hamburg konnte in den 20er und 30er Jahren des 17. Jahrhunderts aus diesen Umständen Vorteil ziehen.227 Obwohl die politisch-militärische Situation die Holländer seit 1621 vor allem bei der Mittelmeerfahrt erheblich behinderte, neigten die Hamburger Schiffseigner nach Informationen Hans de Hertoghes generell wenig dazu, von den Schwierigkeiten der Niederländer zu profitieren und mit Ausnahme des Spaniengeschäfts in die sich auftuenden Marktlücken vorzudringen. Zu groß erschienen die generellen Risiken der Mittelmeerfahrt, u.a. durch die Barbareskengefahr, und zu konsolidiert war die fast schon als Monopolstellung beschriebene Position der Hamburger in der Iberienfahrt, die den Hanseaten außerordentlich hohe Frachtraten bei ungleich niedrigerem Gefahrenpotential sicherte. Beispielsweise erzielte ein Schiff von 80-100 Last Frachtkapazität nach Angaben Hans de Hertoghes allein für die Hinfahrt nach Lissabon mindestens 2000 Dukaten (umgerechnet 27-34 Reichstaler), d.h. 20-25 Dukaten pro Last. Ohne konsistenten Aufipreis und Extraaufwendungen würde sich seiner Auffassung nach kein Schiff finden, das dazu bereit wäre, die Mittelmeerfahrt anzutreten: "... Bei der Hauptschwierigkeit, auf die ich stoße, handelt es sich um diese, daß die hiesigen Schiffe nicht gerne nach Italien segeln werden ohne außerordentliche Frachtgebühr, da sie von hier aus die Reise nach Spanien mit sehr viel mehr Gewinn machen können, und ein Schiff von 80 bis 100 Last Tragfähigkeit wird die Fahrt nach Lissabon für 2000 und mehr Dukaten machen, und die Reise nach Li.rne mit gleich227
J.I. Israel, Dutch Straatvaart, S.12 ff; ders., Dutch Republic, S.136 ff, S.209 ff; ders., Dutch Primacy, S.31 ff, S.57, S.87 ff, S.127 ff, S.134 ff; H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S. 15 ff.
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge
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falls weniger Gefahr: Ich gehe davon aus, daß die Holländer nicht frei in diesen Euren Hafen kommen können, anderenfalls würde man hier leicht die Gelegenheit ähnlicher Schiffe auftun, und ohne dies, da sie ebenfalls großes Risiko eingehen durch die momentan auf den Meeren mächtigen spanischen Schiffe, habe ich Schwierigkeiten, derartige holländische Schiffe ohne Euren ausdrücklichen Befehl anzuheuern ... " 2 2 8
Die im Vergleich zu Amsterdam teureren Frachtraten würden seiner Meinung nach durch die günstigeren Preise der erworbenen Güter wettgemacht: "... und wegen der wenigen Menge, die sich überall an ähnlicher Ware findet, wird er (der Preisvorteil) vorteilhaft sein für die Frachtgebühr dieser Hamburger Schiffe. In Warheit gibt es keinen Anlaß zu Klagen, da diese mit mehr Treue und Sorgsamkeit als die Holländer fahren, und da die Holländer keinen Ort oder besser Hafen des spanischen Reiches anlaufen können, müssen sie, um ihre Schiffe nicht gänzlich ohne Verdienst im Hafen zu lassen, alles verdienen, was sie können , . . " 2 2 9
228
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 25. Januar 1626: "... La più difficulté che trovo è questa, che le navi di qua non volontieri anderanno per Italia, senza nolo straordinario, perchè di qui per Spagna possino fare viaggio con moloto più utile, e una nave de 80 in 100 lasti portata farà nolo per Lixbona de 2000 in più ducati, et il viaggo per Li.rne con poco pericolo alsì: Immagimandomi che li olandesi non possono venire liberi nel cotesto Vostro porto, altrimenti si troveria commodità qua di simil navi, et senza quello, che corrono alsi gran risico delle navi spagnoli hora potenti nel mare, faccio difficultà di noleggiare simil nave senza expresso vostro ordine ..." Im Brief wurden für beide Städtenamen Abkürzungen (Lixab. und Li.rne) benutzt. Während Lissabon eindeutig identifiziert werden kann, könnte es sich bei Li.rne entweder um Livorno oder um Libourne, den französischen Umschlagplatz in unmittelbarer Nähe Bordeaux gehandelt haben! Zu den Handelsbeziehungen von Libourne/ Bordeaux vgl.: F. Braudel, Aufbruch zur Weltwirtschaft, S.280 ff; T. Malvezin, Histoire du commerce de Bordeaux, 2 Bde., Bordeaux 1892; R. Boutruche, Bordeaux de 1453 à 1715, Bordeaux 1966, S.91-139 und S.455-507; J. Bernard, Navires et gens de mer à Bordeaux vers 1400 - vers 1500, Paris 1968; P. Butel, Les Négociants bordelais, l'Europe et les Iles au XVIII e siècle, Paris 1974, S.47-67; ders., "France, the Antilles, and Europe in the Seventeenth and Eighteenth Centuries: Renewals of Foreign Trade", in: J.D. Tracy, Rise of Merchant Empires, S. 153-173. 229 Ebenda, Brief de Hans Hertoghes vom 6. Mai 1626: "... et la pocchissima somma che dappertutto si ritrova di simil mercantia la fara valer di vantaggio per il nolo da pagar a questi navi Hamburghesi in verità non si ha da lamentele poiché vanno con più fidelta et diligenza che non olandesi, et poiché li olandese non possino venire in alcun luogho ο vero porto del regno di Spagna convien per non lasciar di tutto loro navi restar in porto senza frutto, che guadagnano quello che possino ..." 1*
276
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Die Zugehörigkeit Genuas zur habsburgischen Einflußsphäre und die Funktion Hamburgs als Rohstoffmarkt des spanischen Imperiums hätten eine gewisse Affinität zwischen beiden Städten vermuten lassen. Direkte Austauschbeziehungen zwischen Genua und Hamburg bestanden seit den Getreidefahrten der 90er Jahre des 16. Jahrhunderts. 230 Indirekte Kontakte zwischen beiden Handelsplätzen waren über die Vermittlung Antwerpens vorhanden und konnten, wie das hier untersuchte Beispiel deutlich machte, gegebenenfalls aktiviert werden. In Bezug auf die handelstechnischen Verbindungskanäle bestanden ebenfalls keine größeren Schwierigkeiten, wie die reibungslose Organisation des Zahlungsverkehrs zwischen beiden Orten anläßlich des Militärgütergeschäftes belegte. 231 Trotzdem waren sowohl italienische Unternehmerelemente seit den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts in Hamburg unterrepräsentiert als auch der norddeutsche Anteil an den ausländischen Handelsniederlassungen in Genua gering. 232 Die Quellen vermitteln den Eindruck, 230
Zu den Genueser Agenten in Nordwesteuropa siehe: L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.l-33; P. Jeannin, Entreprises hanséates, S.263 ff; H. Samsonowicz, Relations Commerciales, S.537; E. Grendi, Nordici, S.26 f, S.30. 231 Die Schwierigkeiten traten ja auf Grund der Spekulationen Serras auf und waren nicht auf ungenügende oder mangelhafte Transfermöglichkeiten zurückzuführen. 232 Die Italienerniederlassungen in Hamburg hatten mit dem Ende des großen Getreidegeschäftes der 90er Jahre ihren Höhepunkt bereits überschritten. Um 1620 waren nur noch zwei größere Italienerfirmen in der Hansestadt ansässig: Abbondio Somigliano und Silvio Tensino. Insbesondere Somigliano gehörte bis Ende des Dreißigjährigen Krieges zu den wichtigsten Kaufleuten der Hansestadt. Er stand in guten Beziehungen zu Habsburg, wie die Verleihung der Hamburger Postverwalterstelle durch den Kaiser (1640) verdeutlichte. Handelspartner in Antwerpen war Jan Paolo Dorchi. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.258 ff und C. Prange, Die Zeitungen und Zeitschriften des 17. Jahrhunderts in Hamburg und Altona. Ein Beitrag zur Publizistik der Frühaufklärung, Hamburg 1978, S.81. Auch aus Nürnberg hatten sich die Italiener seit den 20er Jahre des 17. Jahrhunderts vermutlich weitgehend zurückgezogen. Vgl: G. Seibold, Italienische Kaufleute, S.191 und die Hypothesen von: L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.96. In Genua war das süddeutsche Unternehmertum, über dessen potentielle Verbindungen nach Norddeutschland nur wenige Anhaltspunkte gegeben sind, vorherrschend. Siehe: H. Kellenbenz, Germania e Genova, S.492 ff; ders., Gens de mer nordiques, S.811-830; M.C. Lamberti, Mercanti tedeschi, S.71 ff; L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S. 157 ff; E. Grendi, Nordici, S.40 ff. 1607-1646 vertrat Christoph Ulrich Koch als Konsul die Interessen der Hanseaten in Genua. Die bei L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.188 ff, abgedruckten Dokumente weisen darauf hin, daß Koch in erster Linie englische Kaufleute vertrat! Die Kontakte zur Hamburger Geschäftswelt bestanden bezeichnenderweise über den holländischen Konsul in Genua.
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge
277
daß für den fast völligen Stillstand der hansischen Mittelmeerfahrt in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts nicht das Fehlen von potentiellen Handelsverbindungen verantwortlich w a r . 2 3 3 In dieser Zeit konzentrierte man sich in Hamburg offenbar in erster Linie auf die einträglichen Gewinnmöglichkeiten, die sich aus dem Spanienhandel ergaben. 234 An risikoreicheren und weniger profitablen Unternehmungen (in Italien) war man offenbar wenig interessiert. Die generelle Abneigung der Hanseaten, Risiken einzugehen und neue Märkte zu erschließen, wurde von Lelio Levanto als gewisse Trägheit der Hamburger interpretiert: "... Wegen des Umstandes, daß diese Hamburger, wie alle sagen, sich nicht von ihren Frauen trennen wollen, und diese endlich aus dem Hafen ausgelaufen sich hier endlang der Ufer zum Meer begeben wollen, das ca. 80 Meilen entfernt ist, sie dort nie angelangen . . . " 2 3 5 Anders als Amsterdam bemühte sich Hamburg nicht konsequent darum, die Risiken der Mittelmeerfahrt durch die Seeräuberei der Barbareskenstaaten zu 233
Zur Hypothese vom fast völligen Stillstand der hanseatischen Mittelmeerfahrt siehe: L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.44. 234 Zur überaus großen Bedeutung des Iberienhandels für die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte (für 1590-1625); M. Reißmann, Hamburgische Kaufleute, (für die späten 30er und die Mitte der 40er Jahre des 17. Jahrhunderts); E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.310, S.316 ff, S.331. In der ersten Hälfte der 20er Jahre war der Höhepunkt des Spanienhandels erreicht. Der Anteil dieser Geschäfte am Hamburger Handelsaustausch betrug ca. 20% und wurde lediglich vom Hollandgeschäft (1625 ca. 25% des Handelsvolumens) übertroffen. Seit 1625 machten sich die handelspolitischen Schwierigkeiten der Hansestadt bemerkbar. 1623 kamen 156 Hamburger Schiffe aus Iberien, 1624 138 Schiffe. 1625 erreichten lediglich 51 Schiffe aus Iberien Hamburg, 1628 waren es 91 und 1629 99 Schiffe. 1632 kamen nur noch 59 Schiffe aus Spanien und Portugal, 1633 lediglich 43 Segler. 235 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Lelio Levantos vom 9. März 1627: "... Stante che questi Hamburgesi per quanto tutti dicono mai si vogliono staccare dalle moglie quali finalmente usciti dal porto vogliono condursi qui per la riviera sino al mare ottanta miglia incirca che maifiniscono a fare ..." Interessant sind auch seine Beobachtungen über die Hamburger Handwerker. Ebenda, Brief Levantos vom 18. Dezember 1626: "... Io non ho ancora potuto provedermi tanto vestito da comparire cosa terribile di questi artefici lenti a non credere, ne meno potuto se non un poco di notte, uscire a tomo ..." (Übersetzung: "... Ich habe mir noch kein Gewandt besorgen können, um öffentlich auftreten zu können wegen der unglaublich schrecklichen Langsamkeit dieser Handwerker, habe mich nur nachts etwas in der direkten Umgebung umsehen können ...").
278
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
vermindern. Hierzu fehlte es auch am politisch-militärischen Rückhalt, den die Hansestadt, auf sich allein gestellt, kaum gewährleisten konnte.236 Von ausschlaggebender Bedeutung für das fehlende Interesse an der Italienfahrt waren sicherlich die Gegebenheiten auf dem Hamburger Transportsektor. Vor allem die äußerst hohen Frachraten, die im Spaniengeschäft erzielt werden konnten, standen letztlich hinter diesem Verhalten. Anläßlich seiner Sondierung des Hamburger Frachtmarktes übermittelte Lelio Levanto im Frühjahr 1627 folgende Informationen nach Genua: Normalerweise würden die in Hamburg geforderten Frachtpreise bei 15-20 Reichstalern (pro Last) liegen. Konjunkturelle Schwankungen, d.h. die größere Nachfrage, hätten zum Zeitpunkt des Genueser Munitionsgeschäftes dazu geführt, daß Hans de Hertoghe gewöhnlich 22-28 Reichstaler an Transportkosten veranschlagt hatte. Momentan würden sogar 40-45 Reichstaler gefordert werden. 237 Umgerechnet entsprach das Normalniveau der Hamburger Frachtraten bis 1621 1114,5 Dukaten. Bis Mitte der 20er Jahre stiegen die Frachtraten mit der günstigen Spanienkonjunktur und auf Grund des höheren Risikos auf 16-20 Dukaten pro beförderte Last. Nach Angaben de Hertoghes erzielte man in der Iberienfahrt Mitte der 20er Jahre für rüstungsrelevante Transporte sogar 20-25 Dukaten. Die handelspolitischen Schwierigkeiten durch die Blockade der Alliierten führten 1626/27 zum enormen Ansteigen der Hamburger Frachtraten, die um236
Diese Umstände wurden von L. Beutin als Hauptgründe für die Schwierigkeiten der deutschen Mittelmeerfahrt angeführt. Allein 1615-1629 kaperten die Barbareskenstaaten 20 lübische Schiffe. Der Situation konnte auch mit Hilfe der Hamburger Admiralität (1623 gegründet) nicht begegnet werden, weil diese Institution über keine eigenen Kriegsschiffe verfügte. Bis zur Einrichtung des Convoywesens (1662) ging der Schutz der Hamburger Schiffahrt kaum über die Elbmündung hinaus. Siehe: P. Dollinger, Hanse, S.447; E. Baasch, Hamburgs Convoyschiffahrt und Convoywesen. Ein Beitrag zur Geschichte der Schiffahrt und Schiffahrtseinrichtungen im 17. und 18. Jahrhundert, Hamburg 1896; ders., Die Hansestädte und die Barbaresken, Kassel 1897; F. Braudel, Note sull'economia, S.118 ff, S.126 ff; R. Goutalier, Privateering, S. 199 ff. Allerdings taucht das Barbareskenproblem in den examinierten Quellen nicht unter den die Mittelmeerfahrt erschwerenden Aspekten auf. 237 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Lelio Levantos vom 9. März 1627: "... 45 Reixtalleri domanda il padrone hamburghese della scritta nave per ciascun lasto di nolo per conti, dove di solito è di 15 in circa, sebbene alle volte si è dovuto dar più conforme alle congiunture. Il Hertoghe ne dava credito 22 ο sia 28 ...." (Übersetzung: "... 45 Reichstaler fordert der Hamburger Eigner des erwähnten Schiffes pro Last als Frachtpreis, wobei dieser üblicher Weise bei ca. 15 liegt, obwohl man zeitweise der Konjunktur Rechnung tragen mußte. Hertoghe berechnete 22 bzw. 28 ...").
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge
279
gerechnet bei 29-33 Dukaten pro Gewichtseinheit lagen und damit außerhalb der Iberischen Märkte kaum konkurrenzfähig waren. 238 Zwei Feststellungen resultieren hieraus: Erstens schien das Hamburger Normalniveau bis 1626/27 durchaus mit dem Amsterdamer Level konkurrieren zu können, auch wenn die Frachtpreise zunächst etwas über dem holländischen Niveau lagen. Durch die Verdoppelung der holländischen Frachtpreise nach 1621 (bzw. nach 1626) kam es zeitweise zu einer Angleichung der Verhältnisse. Jedenfalls erschienen in den examinierten Quellen nicht die großen Preisunterschiede, die man erwartet hätte.239 Zweitens bestätigen die Genueser Dokumente die Verdoppelung der internationalen Frachtpreise auch für Hamburg. Durch die Anhebung des Hamburger Frachtpreisniveaus 1626/ 1627, die in erster Linie durch die regionalen Kriegsereignisse sowie die Handelsblockade der Alliierten verursacht wurde, war der Hamburger Transportsektor, jedenfalls zumindest bis 1628, nur eingeschränkt konkurrenzfähig. Lediglich spanische und südniederländische Interessenten waren trotz aller Schwierigkeiten aus politisch-militärischen Motiven dazu gezwungen, die hohen Frachtraten der Hansestadt, die insbesondere für die Iberienfahrt galten,
238 a u s ^en Informationen Levantos vom 7. Mai 1627 zu schließen ist, lag das Normalniveau der Hamburger Frachtpreise sicherlich bei 20 Rtl., seit 1627 auf dem doppelten Satz von 40 Rtl. pro Last. Die angegebenen Werte de Hertoghe beziehen sich auf seine (bereits zitierte) Auskunft im Brief vom 25. Januar 1626. 239 Das Amsterdamer Transportkostenniveau für Getreide hatte sich um 1620 auf 30 fl (10 Duk.) eingependelt. Die Soldatenverschiffung nach Vendig hatte 1616/17 ca. 24,5 fl (8 Duk.) pro Schiffslast (Pauschalpreis von 14.800 fl für vier Schiffe zu jeweils 150 Last) bzw. 20 fl (6,5 Duk.) pro Soldat eingebracht. Die Frachtkosten für Blei und Teer betrugen 1620 (auf der Venedigroute) 40 fl (13 Duk) pro Last. Siehe: S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.159, S.161. Laut J.I. Israel, Dutch Straatvaart, S.13, S.16, verdoppelten sich die holländischen Frachtraten auf der Danzig-ItalienRoute von durchschnittlich 9-11 Duk. (in den Jahren 1618/19) auf 19-20 Duk. (nach 1621). Nach Auswertung der Quellenbelege von P.H. Winkelman, Bronnen, lagen die Frachtpreise auf der Danzig-Italien-Route 1617/18 bei 9-10 Duk., 1620 bei 12-16 Duk. und 1621 bei 19-20 Duk. Diese Ergebnisse konnten am examinierten Fall für die Amsterdamer Italienfahrt nicht bestätigt werden. Bartolotti sprach noch Ende des Jahres 1625 von Getreidefrachtpreisen, die 10-12 Duk. betrugen. Vgl. auch die zusammenfassende Wertung bei: H. Kellenbenz, Archangel Route, S.547 f. Er datiert den Zeitpunkt für die allgemeine Erhöhung der Amsterdamer Transportkosten am Beispiel der Rußlandfahrt (von 19 auf 27 1/2 fl) erst auf das Jahr 1626. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Hinweis Lelio Levantos, der die englischen Behinderungen des Hamburger Rußlandhandels erwähnte. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Levantos vom 13. Juni 1627.
280
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
zu akzeptieren. 240 Angesichts der Schwierigkeiten, die Marktbedingungen auf dem internationalen Transportsektor in quantitativer und komparativer Hinsicht genauer zu erfassen, liefern diese Daten einen zwar nur stichprobenhaften, aber durchaus wertvollen Einblick in die Verhältnisse auf dem Hamburger Frachtmarkt. 241 Als weitere Hypothese ergibt sich aus den Quellen, daß für die größere Konkurrenzfähigkeit des Amsterdamer Transportsektors nicht allein die absolute Höhe der Frachtkosten ausschlaggebend war, sondern auch der größere Umfang der niederländischen Handelsflotte, 242 und vor allem die höheren Durchschnittsgrößen der einzelnen Schiffe sowie die größere Sicherheit der holländischen Transporte ins Gewicht fielen. 243 Bei seinen Sondierungen des Hamburger Frachtmarktes mußte auch Lelio Levanto feststellen, daß die Hansestadt nicht über geeignete, d.h. genügend große und militärisch abgesicherte, Schiffe für die Mittelmeerfahrt verfügte: 240
Die Genueser Quellen wiesen nach 1626 eine Verdoppelung der Hamburger Frachtraten von durchschnittlich 20 auf 40 Rtl. auf. Am 7. Mai 1627 unterbreitete Johannes Schröttering Lelio Levanto ein Transportangebot. Für die Befrachtung eines seiner holländischen Schiffe verlangte er 25 Duk. (34 Rtl.) pro Last. 241 Dezidierte Untersuchungen zum Hamburger Frachtpreisniveau fehlen völlig. Auch die von S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S. 156 ff, ausgewerteten Quellen liefern keine genauen Durchschnittswerte. Außerdem variierten die Bezugsgrößen stark (pro Last, pro Warenkategorie, Pauschalpreise). 242 P. Jeannin, Entreprises hanséates, S. 149 ff; K.F. Olchenowitz, Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, Weimar 1960, S.37; H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.56 ff; P. Dollinger, Hanse, S.444 ff; W. Vogel, "Zur Größe der europäischen Handelsflotten im 15., 16. und 17. Jahrhundert", Festschrift D. Schäfer, Jena 1915. Die holländischen Frachtkapazitäten wurden Ende des 16. Jahrhunderts auf ca. 120.000 Last geschätzt und Mitte des 17. Jahrhunderts mit 250.000 Last angegeben. Auf Platz zwei lag die Hanse, dicht gefolgt von Frankreich mit 40.000 Last. Dann erst kam England mit 21.000 Last. Ende des 16. Jahrhunderts verfügte die Hanse schätzungsweise über 1000 Schiffe mit einer Frachtkapazität von ca. 45.000 Last. Jeweils ein Drittel (ca. 300 Schiffe zu 15.000 Last) entfielen auf Hamburg und Lübeck. Um 1572 verfugte Emden über 572 Schiffe (insgesamt 21.000 Last Frachtkapazität), die Anfang des 17. Jahrhunderts um drei Viertel zusammengeschmolzen waren. H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.63, schätzt die Hamburger Iberienflotte 1625 auf 90 Schiffe. Exakte Zahlen über die Hamburger Heimatflotte liegen erst nach 1665 vor, als man über 219 Schiffe verfügte (ca. die Hälfte unter 50 Last Frachtkapazität). 1674 war die Zahl der Schiffe auf 309 angestiegen, wobei nur noch 29% weniger als 50 Last aufwiesen. Siehe: P. Jeannin, "Zur Geschichte der Hamburger Handelsflotte am Ende des 17. Jahrhunderts. Eine Schiffsliste von 1674", in: ZVHG 57(1971), S.67-82. 243
J.I. Israel, Dutch Straatvaart, S.14, S.22 f.
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge
281
Hamburg: Normalniveau 1621 : a
15-20 Rtl. b
(= 11-14,5 Duk.)
gute Konjunktur 1626:
22-28 Rtl.
(= 16-20 Duk.)
Iberienfahrt bis 1626:c
27,5-34,3 Rtl.
(= 20-25 Duk.)
Italienfahrt, Rüstungsgüter Frühjahr 1626:d
41 Rtl.
Blockade 1626/27 : e
40-45 Rtl.
(= 30 Duk.) (= 29-33 Duk.)
Amsterdam: Amsterdam-Italien bis 1620:f
10-11 Duk.
Darizig-Italien 1617/18 ß Danzig- Italien \620ß Danzig- Italien 1621 ß
9-10 Duk. 12-16 Duk. 19-20 Duk.
Amsterdam-Genua, Getreide 1625:h Anfang 1626:'
10 Duk. 10-12 Duk.
Amsterdam-Genua, Rüstungsgüter Herbst/Winter 1625/26 :J
40-60 Duk.
Amsterdam-Genua, Rüstungsgüter Frühjahr 1627:k
25 Duk.
a
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Briefe Lelio Levantos vom 9. März und 7. Mai 1627. b Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 9. März 1627. c Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 25. Januar 1626. d Pauschalpreis für die drei Munitionsschiffe. e Ebenda, Briefe Lelio Levantos vom 9. März und 7. Mai 1627. f A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Marktinformation Guillelmo Bartolottis vom November 1625. S Ebenda, Informationen Bartolottis über das Toskaner Rüstungsgeschäft. h A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munizioni), Angebot im Brief Lelio Levantos vom 7. Mai 1627. i S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S. 157 ff. j A.S.G. Camera del Governo Nr.768 Brief Bartolottis vom Januar 1626. Frachtpreis für die Genueser Schießpulverlieferung. k J.I. Israel, Dutch Straatvaart, S.13 und ders., Dutch Primacy, S. 134 ff. Abb. 8: Frachtkosten in Amsterdam und Hamburg (1621-1627)
282
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
"... Diese kleinen und völlig unbewaffneten Schilfe Hamburgs sind darüber hinaus nicht dazu geeignet... " "... Überall, wo ich mich der Einschiffung der Munition wegen hinwende, überall Schwierigkeiten. Hamburger Schiffe, die auch groß genug und gut geeignet für eine solche Reise wären, werden wohl kaum vorhanden sein . . . " 2 4 4
Seine Beobachtungen decken sich mit den Ergebnissen der Forschung, die als Hauptcharakteristikum der Hamburger Handelsflotte Anfang des 17. Jahrhunderts die unterdurchschnittlichen Schiffsgrößen der Elbmetropole hervorhebt. 245 Da sich Hamburg gerade bei der Italienfahrt stark an die holländi244
A.S.G. Antica Finanza, Brief Lelio Levantos vom 1. Mai 1627 (in Bezug auf die Einschiffung der Waren nach Italien): "... questi navi d'Amburgo piccole e disarmate in tutto, oltre non sono al proposito ..." Ebenda, Brief Levantos vom 7. Mai 1627: "... dovunque io mi rivolgo per l'imbarco di queste munitioni dappertutto difficoltà. Navi amburghesi che anco grosse e ben all'ordine per un tal viaggio malamente ci saranno ..." 245 Der Rückgang der Hamburger Schiffsgrößen wird allgemein als bewußte Strategie gewertet, die darauf abzielte, die zunehmenden Risiken zu vermindern. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.57-61 und E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.305, S.332. Kellenbenz berechnet für 23 Hamburger Schiffe, die 1595 und 1597 in iberischen Häfen ankerten, eine durchschnittliche Frachtkapazität von 104 und 76 Last. 1611 fiel dieser Durchschnitt (für 59 Schiffe) auf 54 Last. Im Jahre 1611 gibt er die Größen von Hamburger Schiffen für Genua mit nur 50 Last, für Venedig mit 90 Last, für eine Frachtfahrt nach Italien mit 80 Last und für drei nach Marseille fahrende Schiffe mit 50 und 90 Last an. Für die Südfahrt waren 30-40 Last die Minimalgröße, 50-100 Last die gebräuchliste Einheit. Schiffe über 125 Last waren selten. Die von E. Baasch dokumentierte Venedigfahrt eines Hamburger Schiffes von 200 Last (im Jahre 1625) war die Ausnahme. Laut seinen Berechnungen wies die Iberienflotte (98 Schiffe) 1625 eine durchschnittliche Kapazität von 62 Last pro Schiff auf. Die Größe der im Spanien- und Rüstungshandel zum Einsatz kommenden Schiffe betrug nach Angaben Hans de Hertoghes ca. 80-100 Last. Relativ kleinen Vliebooten und Bojern mit niedrigem Tiefgang wurden in Hamburg seit Mitte des 16. Jahrhunderts der Vorzug gegeben. 1550 waren unter den 80 in Antwerpen liegenden Schiffen 67 Bojer mit einer durchschnittlichen Ladekapazität von 45 Last. Auch die Schiffe auf der Danzigroute wiesen 1625 vergleichbare Kapazitäten auf. Die Bevorzugung dieser Schiffstypen (bis 1665) spiegelt das Übergewicht der Kleinschiffahrt und des Handelsaustausches mittlerer Radien wider. (Der Durchschnitt der den Hamburger Hafen anlaufenden Schiffe lag 1625 bei 18 Last.) Vermutlich legten die Gegebenheiten auf der Elbe eine derartige Bevorzugung nahe, weil der Hafen bei Normal wasserstand kaum von Schiffen über 100 Last zu erreichen war. Siehe: J. Bracker, Wrackfund, S.234 und R. Sprandel, Hamburg, S.203, S.205.
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge283 sehen Frachtkapazitäten im Hamburger Hafen oder in Amsterdam anlehnt e , 2 4 6 bestand zunächst keine Notwendigkeit, den Ausbau und die Modernisierung der eigenen Handelsflotte zu forcieren. 247 Beim Ausfall der niederländischen Frachtfahrer entledigte man sich zwar der Konkurrenz und verfugte über eine Reihe von Vorteilen, konnte sich bietende größere Gelegenheiten aus Mangel an geeignetem Schiffsraum aber nicht nutzen. 248 Trotzdem war es Hans de Hertoghe noch im Frühjahr 1626 gelungen, drei für die Italienfahrt geeignete Großsegler anzuheuern, die auch zum Transport besonders gefährdeter Kriegsmaterialien bereit waren. 2 4 9 Die Frachtgebühren 246
In den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts betrug die Durchschnittsgröße der holländischen Schiffe auf der Mittelmeerroute lediglich 81 Last, bis 1620 ca. 115 Last. Siehe: S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.149 ff. Auch für Genua stellt E. Grendi (Nordici, S.37ff, S.51, Tab.ffl (S.67) und ders., Traffico e navi, S.344) nach 1611 eine erhebliche Vergrößerung der Lastkapazitäten nordischer Segler fest, deren durchschnittliche Größe nun bei über 116 Last lag. 1646/47 betrug die Durchschnittskapazität flämischer Schiffe im Genueser Hafen 1530 Salme (122 Last), die hansischer Segler nur 1380 Salme (110 Last). Die Auswertung des durch P.H. Winkelman, Bronnen, edierten Quellenmaterials ergab auf der holländischen Danzig-Genua-Route 1615-1621 eine duchschnittliche Größe von 130 Last pro Schiff. Vgl. auch: A.E. Christensen, Dutch Trade, S.91-104. Die Schiffe des Amsterdamer Munitionstransportes hatten eine Frachtkapazität von 125 bzw. 200 Last aufzuweisen. 247 Mit der Spezialisierung auf den Schiffstyp der Fleute war die holländische Handelsflotte vor allem den Hamburger Verbänden kurz nach Wiederausbruch der kriegerischen Auseinandersetzungen (seit 1621) eindeutig überlegen. Allein Lübeck forcierte den Ausbau seiner Handelsflotte. 1595 verfügte Lübeck über 253 Schiffe, von denen 50 über 120 Last aufwiesen. 1608-1620 wurden 270 Schiffe von 40-50 Last neu gebaut. 1621-1641 liefen 457 Schiffe vom Stapel, davon sechs mit mehr als 200 Last und 73 mit mehr als 120 Last. In Hamburg unterlag der Schiffbau strengen Bestimmungen, die erst 1618 außer Kraft gesetzt wurden, und Innovationen auf diesem Sektor behinderten. Lediglich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vergrößerten sich mit dem Ausbau der Hamburger Handelsflotte auch die Schiffsgrößen. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.62, S.312 ff; P. Dollinger, Hanse, S.445; R. Sprandel, Hamburg, S.207 ff; E. Baasch, Beiträge zur Geschichte des deutschen Seeschiffbaues und der Schiffbaupolitik, Hamburg 1899, insbesondere S.9 ff; P. Jeannin, Hamburger Handelsflotte, S.69 ff. Vgl. auch: E. Baasch, "Zur Statistik des Schiffspartenwesens", in: VSWG 15 (1921), S.211-234. 248 F. Snapper, Commerce, S.405 ff. 249 Da die Original-Frachtbescheinigungen fehlen, ist man lediglich auf die Genueser Angaben angewiesen (Aufteilung der bestellten Güter auf die drei Schiffe, summarische Kopien der Frachtbescheinigungen ohne Datum).
284
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
für diese Schiffe, im einzelnen die "Angelo Raffaele" des Kapitäns Stefano Dose, 2 5 0 die "San Pietro" Pietro Stotes 251 und die "Rosa Dorata" des Kapitäns Hans Schröder, 252 betrugen für die Genuafahrt pauschal jeweils 3000 Dukaten, umgerechnet ca. 4100 Reichstaler pro Schiff. 253 Legt man die durchschnittliche Frachtkapazität der drei Schiffe auf jeweils 100 Last fest, so hätte der Pauschalpreis in Last umgerechnet ca. 30 Dukaten (41 Reichstaler) betragen. 254 Außerdem erhielten die drei Kapitäne eine Extraprämie im Wert von jeweils 100 Reichstalern. 255 Insgesamt hätten die Frachtkosten bei erfolgreicher Durchführung des Transportes mit ca. 15% auf den Warenwert zu Buche geschlagen.256 Durch die Elbblockade der dänischen, englischen und holländischen Kriegsschiffe wurde die planmäßige Verschiffung der Güter ver250
Demnach beförderte Stefano Dose auf der "Angelo Raffaele" insgesamt 315 Faß Schießpulver (ca. 477 Ztr. Nettogesamtgewicht), 367 Faß Salpeter zu einem (hypothetischen) Gesamtgewicht von 543 Ztrn. und 16 Schiffspfund Kanonenkugeln. Außerdem beförderte er ca. 57 Last Getreide. Umgerechnet kommt man auf eine Frachtkapazität dieses Schiffes von ca. 200 Tonnen oder 100 Last. 251 Ebenda. Die "San Pietro" Pietro Stotes hatte 457 Faß Schießpulver (ca. 625 Ztr.), 436 Faß Salpeter mit einem (hypothetischen) Gesamtgewicht von 638 Ztrn., 51 Schiffspfund Kanonenkugeln sowie vermutlich 50 Last Getreide an Bord. Die Frachtkapazität dieses Schiffes betrug demnach ebenfalls 200 Tonnen oder 100 Last. 252 Ebenda. Hans Schröder hatte auf der "Rosa dorata" insgesamt 25 Faß Schießpulver zu 32 Ztrn., 351 Faß Salpeter mit insgesamt 488 Ztrn., die Lunten mit einem Gesamtgewicht von ca. 206 Ztrn. sowie 71 Last Getreide geladen. Die Frachtkapazität seines Schiffes lag demnach bei ca. 216 Tonnen oder 100 Last. 253 Ebenda, Frachtkostenaufstellung und Entschädigungsaufwendungen für den Munitions- und Getreidetransport vom 1. September 1626. Dem Dukaten zu 11 spanischen Realen entsprachen in Hamburg laut der Aufstellung de Hertoghes 63,2 lüb. Schillinge (ca. 1,25 Reichstaler, etwas mehr als 2 Taler oder fast 4 Mark lüb.). 254 Umgerechnet hätte die Frachtgebühr der Genueser Schießpulverbestellung bei Bartolotti (1 Faß zu 1 Ztr.= 1 Duk.) mindestens ca. 40 Duk. pro Last, also ca. 100120 fl. ergeben. Die Pulverlieferungen desselben Kaufmannes nach Livorno erzielten umgerechnet sogar 60 Duk pro Last (1 Faß zu 1 Ztr.= 1,5 Duk.), also 150-180 fl. Allerdings berechnete Bartolotti diese hohe Frachtgebühr nur auf den Munitionsanteil, während sich die Angaben de Hertoghes auch auf das Getreide bezogen. 255 Die Extraprämie bezog sich auf den Gegenwert von 3 Paar Handschuhen. Ebenda, Generalabrechnung Hans de Hertoghes vom 24. Juni 1626. 256 Die Transportkosten von umgerechnet 38.700 Mark lüb. sind auf den Gesamtwarenwert zuzüglich der spezifischen Nebenkosten (exklusive der außerordentlichen Aufwendungen) in der Höhe von ca. 255.539 Mark lüb. zu berechnen. Die munitionsspezifischen Frachtkosten schlugen im Amsterdamer Fall mit lediglich 5% auf den Warenwert ins Gewicht.
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge285 hindert. Die Kapitäne wurden auf Anweisung der Hamburger Admiralität mit einem Drittel des ursprünglich ausgehandelten Frachtpreises entschädigt.257 Angesichts des Vordringens der ligistischen Verbände nach Norddeutschland, wo Ernst von Mansfeld und Christian von Braunschweig seit 1622 neue Heerscharen für den Gegenangriff auf die katholisch-kaiserliche Partei zusammenzogen, verpflichtete sich Hans de Hertoghe bereits im Januar 1626 gegenüber Francesco Serra, vom Munitionseinkauf abzusehen, falls der Transport durch die Verlagerung des internationalen Kriegsschauplatzes in Gefahr kommen sollte: "... und die Kriegsgeräusche hier im Umland nehmen von Tag zu Tag zu, möge es dem König doch gefallen, diese zum allgemeinen Wohlergehen aufhören zu lassen, andererseits haben wir hier Gott sei dank noch keine Hindernisse, die die Einschiffung der oben erwähnten bestellten Munition verhindern würden. Falls diese auftauchen werden, werde ich mit dem Kauf nicht voran gehen ... " 2 5 8 Anscheinend wurde das Risiko einer Handelsblockade nicht zuletzt angesichts der guten Beziehungen, die Hamburg sowohl zu den Niederlanden als auch zu England unterhielt, von Hans de Hertoghe als dermaßen gering eingeschätzt, daß er trotz der geschilderten Lage das Munitionsgeschäft voran257
Zu den Verhandlungen de Hertoghes mit der Admiralität über die ursprünglich geforderte Entschädigungssumme von der Hälfte des Frachtpreises, die dann auf ein Drittel reduziert wurde, siehe: Ebenda, Briefe Hans de Hertoghes vom 8. und 19. Juli 1626. Die sich hieraus ergebenen Extrakosten (Frachtentschädigung, Kosten für die Entladung der Schiffe und Einlagerungsaufwendungen) hatten die Versicherer zu tragen. Die Zahlungen an die Kapitäne beliefen sich auf insgesamt 5929 Taler (11.859 Mark lüb.). Hinzu kamen noch die Aufwandsentschädigungen für die zwei Schiffe, die bereits die Fahrt auf der Unterelbe angetreten hatten (mit jeweils 700 Rtl. oder insgesamt 2100 Mark lüb.), sowie die Wartekosten des dritten Schiffes im Hamburger Hafen mit 150 Mark lüb.: insgesamt also 14.109 Mark lüb. (ca. 5,5 % des Warenwertes). Weitere 1552 Mark lüb. ergaben sich aus den Auslade- und Einlagerungsaufwendungen, so daß die Gesamtsumme, für die die Versicherer aufzukommen hatten, mindestens 15.661 Mark lüb. (6% des Warenwertes) betrug. Siehe hierzu auch: K. Wolter, "Die rechtliche Behandlung von Reisenotlagen und Schiffskollisionen in den älteren Seeschiffsrechten Lübecks und Hamburgs im hansischen Seerecht", in: H. Stoob, See- und Flußhäfen, S.67-88 und G.A. Kiesselbach, Die wirtschaftliche und rechtsgeschichtliche Entwicklung der Seeversicherung in Hamburg, Hamburg 1901. 258 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief H. de Hertoghes vom 25. 1. 1626: "... et li rumori di guerra qua intorno giornalmente divengono maggiore che piacia al re farle cessare per benificio generale altrimenti per gratia di Dio non habbiamo anche qua impedimento alcuno che impedirà la navigatione di sudette commesse munitioni. Le quali presentandosi non anderò avanti con la compara ..."
286
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
trieb. 2 5 9 Als die Blockade in Kraft trat, wurde schließlich die gesamte Hamburger Frühjahrsflotte auf nicht absehbare Zeit am Auslaufen gehindert. Die Dimension dieser Flotte und die große Bedeutung der Iberienfahrt für das Hamburger Handelsleben jener Zeit tritt deutlich in der Korrespondenz Hans de Hertoghes hervor: "... Für die 20 oder mehr großen Schiffe, die hier beladen und abfahrbereit nach verschiedenen Orten in Spanien, fast alle mit Lebensmitteln, Munition, Kupfer sowie wenig an anderen Handelswaren, ist es vorteilhaft, daß alle wieder ausladen, da wir zu schwach sind, um so vielen Kräften zu widerstehen, wenn es sich nur um die wenigen Holländer am Fluß handeln würde, wären keine Schwierigkeiten aufgetreten, aber die Engländer sind von zu großer Stärke . . . " 2 6 0 Aus der Geschäftskorrespondenz Jan Paolo Dorchis geht hervor, daß er mit drei kupferbeladenen Schiffen an diesem Konvoi beteiligt war und somit ebenfalls zu den maßgeblich betroffenen Kaufleuten zählte. 261 259
Letztlich waren die Güter ja für Italien und nicht für Spanien bestimmt. Vielleicht wollte er sich wegen potentieller Einbußen des Vorjahres (verursacht durch die dänische Handelsbarriere) diesen Großauftrag nicht entgehen lassen. 260 Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 17. Mai 1626: "... Di 20 navi grandi ο più che stavano qua caricati e di partenza per diversi luoghi di Spagna ma quasi tutti con vettovaglie, munitioni, rame et qualche altre mercantie convien che tutti scarichano poiché ci troviamo troppo deboli per resistere a tante forze, se solo li olandesi soli fossero sula Riviera, non saria difficulta alcuna, ma li Inglesi sono di troppa forza ..." Sicherlich gehörten auch die Schiffe "Il Cacciatore" des Kapitäns Jakob Segman und der "Cigno bianco" Henrico Lets, die auf Rechnung der Grimaldi & Spinola sowie Francesco Serras nach der Biskaja fahren sollten und von holländischen Schiffen gekapert wurden, zu diesen Transporten. 261 Ebenda, Brief Jan Paolo Dorchis an Francesco Serra vom 3. Juli 1626. Gleichzeitig versuchte Dorchi in diesem Schreiben seinen Genueser Geschäftsfreund, zu beruhigen: "... Hertoghe non ha mancato di ogni diligenza possibile. Per la spedizione di esse navi, et quello non è riuscito a lui non è neanche riuscito a nessun altro. Circa alla persona di detto Hertoghe quanto a me stimo che ne possiate stare con ogni quiete d'animo sendo uomo di ogni honorata conditione et per tale li ho sempre conosciuto ..." (Übersetzung: "... Hertoghe hat es nicht an aller nötigen Sorgfalt fehlen lassen. In Bezug auf die Verschickung dieser Schiffe ist das, was auch ihm nicht gelungen ist, auch nicht irgendeinem anderen gelungen. In Bezug auf die Person jenes Hertoghe könnt Ihr meiner Meinung nach beruhigt sein, da es sich bei ihm um einen Mann von Ehre, für den ich ihn stets kennengelernt habe, handelt..."). Jene drei Munitionsschiffe Dorchis sollten im Frühjahr 1627 erneut nach Spanien fahren. Wiederum wurde dies durch die Handelsbarriere verhindert. Siehe: Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 29. Mai 1627.
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge
287
In Zusammenhang mit dem Eintritt König Christians IV., als gewählter Oberst des niedersächsischen Reichskreises, in den Dreißigjährigen Krieg war es bereits im Sommer 1625 durch dänische Barriereversuche an der Nordseemündung zu Behinderungen der Elbschiffahrt gekommen.262 Diese Kontrollmaßnahmen wurden vom dänischen König damit begründet, daß Hamburg trotz Verbotes weiterhin Spanienhandel betrieb. Die Auseinandersetzungen standen prinzipiell im Zusammenhang mit dem generell kritischen Verhältnis zwischen Dänemark und der Hansestadt Hamburg. Im Zentrum des Konfliktes, der sich in erster Linie aus kontrastierenden Hoheitsansprüchen ergab, standen die Elbzollstreitigkeiten, die nach Abschluß des Steinburger Vertrages (8. Juli 1621) vorerst beigelegt worden waren. 263 Nach Zustandekommen der Haager Allianz (Abschluß des englisch-niederländisch-dänischen Bündnisses im November 1625) kam es zu weiteren Unstimmigkeiten zwischen Christian IV. und den Hansestädten. Die Stände des Niedersächsischen Reichskreises, Hamburg, Lübeck, Bremen und Braunschweig, verweigerten dem Dänenkönig die geforderten Kriegskontributionen (sowie andere Dienste) und zogen vor, neutral zu bleiben.264 Trotz der Vermittlungsversuche und wiederholten Aufforderungen, insbesondere der Niederlande, diesen Verpflichtungen nachzukommen und sowohl den Spanienhandel als auch die mutmaßliche Belieferung der kaiserlichen Truppen zu unterbinden, beharrte Hamburg auf seiner neutralen Position und versuchte, weiterhin in alle Richtungen Handel zu treiben. Die Elbblockade der koalierten Mächte war die Folge. 265
262
Zur dänischen Handelsbarriere vom Sommer 1625, siehe: H.D. Loose, Hamburg und Christian IV., S.24. Zur Depression des Hamburger Wirtschaftslebens, die in engem Zusammenhang mit den Handelsblockaden von 1625-27 und 1630 stand, siehe: W. Vogel, Handelskonjunkturen, S.59, S.63. Trotzdem blieb die Durchschnittserträge des Werkzolles, (die den Ausführungen Vogels zu Grunde liegen), auch in den Krisenzeiten hoch. Das Spitzen-Niveau von 1621, das mit 100.000 Mark lüb. das 2,5- bis 3-fache der Aufschwungphase von 1586/90 ausmachte, wurde aber erst 1633 wieder erreicht. 263 Zum generell kritischen Verhältnis zwischen Hamburg und Dänemark sowie den damit eng in Verbindung stehenden Elbzollstreitigkeiten siehe: H.D. Loose, Hamburg und Christian IV., S.7-21, S.36-57. 264 F. Magen, "Die Reichskreise in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges. Ein Überblick", in: ZHF 9(1982), S.409-460, S.434 ff. 265 Zum Zustandekommen des Bündnisses und zur Elbblockade siehe: H.D. Loose, Hamburg und Christian IV., S.22 ff. Außerdem ließ Christian IV. die Kontrollen im Sund verschärfen und den Belt überwachen.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Das Verhalten Dänemarks gegenüber Hamburg war von den macht- und handelspolitischen Absichten Christians IV. diktiert, der den Handelskrieg gegen die Hansestadt 1630/31 von Glückstadt aus weiterführte. Obwohl der Dänenkönig mit den Berens und den Marseiis in Hamburg über eine eigenständige Operationsbasis für Rüstungsgeschäfte verfügte, 266 brachte Hans de Hertoghe die dänische Elbblockade mit konkreten militärischen Versorgungsproblemen in Zusammenhang: "... Auch die für Frankreich bestimmten Getreideschiffe können nicht auslaufen, denn da dem König von Dänemark in seiner Stadt Kopenhagen das Arsenal für Lebensmittel und Munition abgebrannt ist, verhindern seine Kriegsschiffe das Auslaufen von Schiffen, die mit ähnlichen Handelsgütern beladen sind, für welchen Ort auch immer diese bestimmt seien, aber wenn ich nur bei den Engländern und Holländern die Abfahrt erwirkt hätte, hätte sich der Rest schon gefunden . . . " 2 6 7 Anfangs wollte niemand in Hamburg den Ernst der Lage eingestehen. Die Aufhebung der Handelsbarriere wurde von Tag zu Tag erwartet. Hans de Hertoghe bemühte sich, auf allen erdenklichen Wegen das Auslaufen der Genueser Munitionsschiffe bei den zuständigen Autoritäten zu erwirken. Zunächst gab er Garantieerklärungen an die Vertreter der antihabsburgischen Koalition in der Hansestadt, daß die Schiffe nicht nach Spanien, sondern nach Italien fuhren: "... Was nun die drei im Auftrag der Erlauchten Kammer beladenen Schiffe angeht, von denen zwei bereits den Fluß einige Meilen hinabgefahren sind und sich, wie ich glaube, sogar schon im offenen Meer befanden, so haben die englischen, däni266
Zu Glückstadt siehe: Ebenda, S.36-57. Vgl. auch: G. Köhn, "Ostfriesen und Niederländer in der Neugründung Glückstadt von 1620 bis 1652", in: HGbl. 90 (1972), S.81-83; ders., Glückstadt im Wandel der Zei-ten, 2 Bde., Glückstadt 1966; H. Sieveking, "Die Glückstädter Guineafahrt im 17. Jahrhundert", in: VSWG 30 (1937), S. 19-71. Zu den Lieferungen der Marseiis und Berens seit 1625 (seit 1628 zunehmend über Glückstadt) siehe: E. Amburger, Familie Marseiis, S.32 ff. Lelio Levanto berichtete anläßlich des Krieges in Norddeutschland davon, daß sich die Dänen über eigene Schiffe mit Rüstungsmaterial versorgen ließen. Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Levantos vom 13. Juni 1627. 267 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 24. Mai 1626: "... Li navi destinati per Francia con grano alsi non possino partirsi, poi che al re di Dennemarch nella sua città di Copenhagen è abbruciato la casa di proviandi, sia vettovaglie et munitioni alsi le sue navi di guerra impediscono la partenza alli navi carichi di simil mercantie vadino per qualsivoglia luoco ma se solamente a presso li Inglesi et Hollandesi havessi ottenuto la partenza, il resto s'accomoderia bene ..."
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge
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sehen und holländischen Kriegsschiffe, die sich hier auf dem Fluß befinden, keine Munition und keine Lebensmittel, die für das spanische Reich bestimmt wären, vorbeilassen wollen, so daß von Seiten der hiesigen Republik bei diesen Botschaftern, die sich hier befinden, verhandelt wird, um für dieses Mal die freie Fahrt der Schiffe zu erwirken, obwohl für die unsrigen über Eure Herrschaft kein Problem bestehen würde, bleibt die Abfahrt nichtsdestotrotz verhindert, da die Kapitäne der Kriegsschiffe ohne Respekt alle Munition und Lebensmittel, die sie auf den Schiffen auf dem Fluß finden, beschlagnahmen, so können die unsrigen nicht abfahren, ohne daß ich mich hier verpflichte, daß sie nicht nach Spanien, sondern nach Livorno fahren, was ich auch tun werde . . . " 2 6 8 "... Habe ich zu meinem allergrößten Bedauern zu berichten, daß wegen der englischen und holländischen Kriegsschiffe ... die Abfahrt der drei Schiffe ... verhindert wird und trotz der großen Bemühungen, mit denen diese bis jetzt zu erwirken versucht wurde bei den Botschaftern Englands und Hollands sowie ebenfalls bei den Kapitänen der königlichen Schiffe, ist eine zu lange Geschichte, um hier erzählt und geschrieben zu werden, obwohl ich selbst bei ihnen gewesen bin und mich mit der Absicht präsentiert habe, daß diese für keinen Hafen des spanischen Reiches sondern für Livorno bestimmt seien, hat nichts helfen können . . . " 2 6 9
Darüber hinaus bemühte er sich unter Mobilisierung seiner Italienkontakte zu dem in Florenz ansässigen deutschen Handelshaus "Giorgio Everts & 268
Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 6. Mai 1626: "... Hora quanto alle 3 navi caricati per cotesta Illustrissima Camera, li due d'essi sono già andati abasso la riviera qualche miglia et credo che già fossino andati in mare, ma qualche rumori di navi inglesi, danesi et olandesi di guerra che si trovano su la riviera non vogliono lassar passar alcune munitioni et vettuvaglie per il regno di Spagna così che da questa Republica apressi sudetti ambasciatori che sono qua vien trattato, che per questa volta li navi vadino liberalmente se bene per li nostri non sarà mediante il Vostro Signore difficulté alcuna non di meno vien impedito la partenza poiché li capitani delli navi da guerra senza rispetto alcuno pigliano tutte le munitioni et vettuvaglie che nelli navi partendosi della riviera trovano cosi i nostri sudetti non portanno partirsi, senza che qua mi obligherò che non anderanno per il regno di Spagna ma per Livorno il che alsì farò ..." 269 Ebenda, Brief Hertoghes vom 17. Mai 1626: "... Havendoli a dire con grandissimo mio dispiacere, che per li navi di guerra inglesi et hollandesi... vien impedito alle 3 navi ... la loro partenza et con quanto diligenza la sua sin hora sollicitata, apresso li ambasciatori di Inghilterra et Hollanda medesimamente apresso li capitani delli navi regij, sarà troppo lunga a raccontare e scrivere, poiché io medesimo con loro sono stato, havendomi presentato di volermi obligare che sudette 3 navi non andassero per alcun porto del regno di Spagna ma per Livorno, niente ha potuto giovare ..." 19 Zunckel
290
VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Kompanie", 270 die Rüstungslieferungen mit falschen Frachtpapieren, die auf Livorno ausgestellt waren, zu versehen: "... und es sind falsche Bescheinigungen für Livorno angefertigt worden, die dem Erlauchten Herren Giorgio Everts dem Alten und Kompagnie an diesem Ort auszuhändigen sind, diese befinden sich in Florenz und sind Deutsche von gutem Geschäft und stehen ebenfalls in der hohen Gunst des Erzherzogs, diese werden leicht bei ihm erwirken, daß diese Muntion Seiner Exzellenz zustünde, ich schreibe mit dieser Post an jene, so daß, falls Bedürfnis bestünde und der englische Botschafter und der holländische Agent hier sich mit der einfachen Verpflichtung begnügten, daß diese Schiffe nicht nach Spanien fahren werden , . . " 2 7 1 Weil das Herzogtum Toskana nicht zum spanischen Machtbereich zählte, hätten die Alliierten gegen diesen Zielort nach Auffassung de Hertoghes nichts einwenden können. Der von ihm gemachte Vorschlag eines Gegenarrestes holländischer und englischer Schiffe in Genua oder Livorno, der als extremes Druckmittel in Erwägung gezogen wurde, wurde nicht aufgegriffen, da sich beide Städte angesichts der angespannten internationalen Lage nicht exponieren wollten: "... aber falls man so nicht weiterkommt, wird es der Erlauchten Kammer nicht an Möglichkeiten fehlen, diesen Schaden durch den Arrest einiger englischer oder holländischer Schiffe in ihrem Hafen oder in Livorno über den Erzherzog auszugleichen, und ich glaube, daß Seine Durchlauchte Exzellenz keine Schwierigkeiten machen wird, jene Erlauchte Republik zu unterstützen . . . " 2 7 2
270
Siehe: G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.254 f, S.265, S.309. A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief de Hertoghes vom 6. Mai 1626: "... et si sono fatti cognoscimenti per Livorno a consignare all'Illustrissimo Signor Giorgio Everts il Vecchio et Compagni in esso luoco li quali stanno in Fiorenza et sono tedeschi di buon negotio et alsi apresso il Gran Duca in buon rispetto li quali facilmente da lui obteneranno che sudetti munitioni siano per l'Excellenza Sua, scrivo con quest'ordinario d'essi accio se fusse di bisogno, et che li ambasciatori di Inghelterra et l'agente di Hollanda qua si contenteranno con l'obligo simplicemente, che li sudetti navi non anderanno per il regno di Spagna ..." Für Herbst 1626 erwartete man ein holländisches Schiff (200 Last), das die Güter unter Deckung der Everts nach Genua bringen sollte. Ebenda, Brief de Hertoghes vom 19. Juli 1626. 272 Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 17. Mai 1626: "... ma se non portà seguire, a cotesta Illustrissima Camera non potrà mancare comodità di ristorare questo danno con arrestare qualche navi inglesi e olandesi in loro porto, ovvero in Livorno per mezzo del Granduca, et credo che Sua Excellenza Illustrissima in ciò non farà difficultà a favorire cotesta Illustrissima Republica ..." 271
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge
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Schließlich zog de Hertoghe sogar die Bereitstellung einer Bestechungssumme für den holländischen und den englischen Konsul in Erwägung: "... auf diese Weise bleibt nur ein letztes Mittel, das in einigen Geschenken besteht, um die Abfahrt der Schiffe zu erwirken, womit schon begonnen wurde ..." "... und obwohl ich gehofft hatte, die Abfahrt der drei gemieteten Schiffe erwirken zu können, hat alles bisher nicht nutzen wollen, da sich der holländische Botschafter außerhalb der Stadt befand und erst gestern abend zurückgekehrt ist. Mit allem Eifer werde ich weiter handeln, so daß die Schiffe abfahren können, und da dies nicht ohne anderes Mittel, als einige Geschenke an die Botschafter zu erwirken sein wird, wird dies um 2000 Taler kosten. Ich hoffe, daß dies Eurer Herrschaft nicht anders als genehm sein wird, da ich mich mit einflußreichen Freunden dieser Stadt beraten habe und es kein anderes Mittel als dieses gibt, obwohl ich gegen die Kapitäne der englischen und holländischen Kriegsschiffe protestiert habe, daß der Schaden, der unseren Schiffen aus der Behinderung entstehen könne an ihren Schiffen und Handelswaren, die sich in Italien, d.h. in Genua und Livorno befanden, gerächt werde, so wäre es trotzdem viel vorteilhafter, wenn die Angelegenheit mit 2000 Talern zu regeln wäre ••273
Alle Interventionsversuche nützten nichts. Die für Genua bestimmte Ladung lag in Hamburg fest und wurde im Juli 1626 im Hafendepot eingelagert. "... Wegen dieser Schwierigkeiten, die die englischen und holländischen Kriegsschiffe hier auf dem Fluß bereiten, die täglich größer werden, gibt es keine Anzeichen 273
Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 17. Mai 1626: "... in modo che ora resta solo l'ultimo rimedio, il che è, che con qualche presente, la partenza potria essere sollecitata a che alsì si è dato principio ..." Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 24. Mai 1626: "... et sebbene havevo sperato di voler obtenere la partenza delli 3 navi noleggaite per cotesta Illustrissima Camera, sin a quest'hora non ha voluto sortir effetto per esser stato fuor della città l'ambasciatore Hollandese, ma ritornato hieri sera. Con ogni diligenza operero, accio possino partire le navi et poiché non potrà seguire per altro mezzo, se non per qualche presente alli ambasciatori che costerà un 2000 Taleri. Spero che a Vostra Signoria non sara che di grado, poiché havendomi consigliato con amici principali di questa città non ci è altro rimedio che questo, essebene ho protestato contra li capitani delli navi di guerra inglesi et ollandesi di rivengiarsi del danno che per questo impedimento potesse avvenire a nostre 3 navi, sopra loro navi et mercantie che in Italia, s'intenda costi e Livorno si ritroveranno, non di meno sara molto meglio, se la cosa potrà esser accomodata con un 2000 Taleri ..." Der Vorschlag Hans de Hertoghes zum Gegenarrest englischer und holländischer Schiffe in italienischen Häfen wurde von Francesco Serra in seinem Brief vom 24. Juni 1626 verworfen. 19*
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
dafür, daß die Blockade so schnell aufgehoben werden wird, hinsichtlich der Entscheidung, die man für dieses Geschäftes zu treffen hat, weiß ich keinen anderen Rat, als die Sachen auszuladen, und jeder ehrliche Kaufmann, der sich in ähnlicher Lage befände, würde nichts anderes tun, aber alles zum Wohlergehen der Versicherer, die für alle Kosten aufkommen müssen ... hier ist alles Getreide, alle Munition und alles Kupfer, das für Bayonne in Frankreich auf Kosten der Versicherer (so weit versichert) entladen worden... Nun werde ich abwarten, was mir angeordnet wird und ein besseres Schicksal als alle anderen, die das für Bayonne bestimmte Kupfer sowie die für Spanien bestimmte Munition und Getreide ausgeladen haben und alle die Hälfte der Frachtgebühr an die Schiffseigner bezahlt haben, wird auch mir nicht zuteil werden , . . " 2 7 4 Wie aus den Briefen Hans de Hertoghes und Lelio Levantos hervorging, war für den Erfolg der Elbblockade in erster Linie das entschiedene Vorgehen der englischen Kriegsschiffe ausschlaggebend. Die Beziehungen zwischen Hamburg und England waren seit 1611 (bzw. 1618) insgesamt als positiv zu bezeichnen. Hamburg fungierte für die Merchant Adventurers einerseits als wichtiger Stapelplatz auf dem Kontinent, andererseits bezog England nach dem erneuten Ausbruch der anglo-spanischen Auseinandersetungen (16251631) in der Hansestadt Schiffbaumaterialien und andere baltische Rohstoffe, vor allem Salpeter. 275 England wollte jedoch seine Feinde daran hindern, sich
274
Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 8. Juli 1626: "... Per questi troubeli che li fanno li navi Inglesi et Hollandesi di guerra qua su la riviera li quali poiché giornalmente divengono maggiori non vi è apparanza così presto della essere rimediata, la risolutione che si ha da prendere in questo negotio io non so altro se non scaricare la robba et ogni mercante honesto che in similo carico si troveria non potria fare altro, però tutto in beneficio delli assicuratori li quali sono tenuti alle spese et tutto che sopra ciò potesse andare ... qua li è scaricato tutto il grano, munitione et rame, il quale era destinato per Baiona di Francia et tutto a carico dell'assicuratore ... ma per le necessità così lo costringe non vi è altro rimedio, ο convien perdere la robba di tutto ... al hora vedero quello m'ordineranno et meglio sorte non potrò godere senon tutti li altri che discaricano li rami destinati per Baiona et munitioni et vettovaglie destinati per Spagna, quali tutti hanno pagati mezzo nolo alli padroni delli navi ..." 275 Siehe: G.D. Ramsay, Hamburg, S.423 f. Die Salpeterzufuhr über Hamburg wurde angesichts der Blockade Danzigs und der Handelskrise Englands im Baltikum in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts besonders wichtig. Zur Handelskrise siehe auch: J.K. Fedorowicz, England's Baltic Trade, S. 130, S. 158-187 und M. North, "Bullion Transfer from Western Europe to the Baltic and the Problem of Trade Balances: 1550-1750", in: E.H.G. Van Cauwenberghe (Hrsg.), Precious Metalls, Coinage, and the Change of Monetary Structures in Latin America, Europe and Asia, Leuven 1989, S.57-64.
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ebenfalls über den Hamburger Markt mit Kriegsmaterialien zu versorgen. 276 Bereits Mitte Januar 1626 erging Order an die englischen Kriegsschiffe, sich an die Elbmündung zu begeben und die für den spanischen Machtbereich bestimmten Lieferungen abzufangen, die als Konterbande anzusehen waren. 277 Die Behinderung der Hamburger Schiffahrt durch England in diesen Jahren führte dazu, das Verhältnis der Hansestadt zur Britischen Insel zumindest bis 1631 stark zu trüben. 278
276
Zum Kaperkrieg im Rahmen des anglo-spanischen Krieges (1585-1603) siehe: K.R. Andrews, Elizabethan Privateering. English Privateering during the Spanish War, 1585-1603, Cambridge 1964. 1598 kaperten die Engländer neun Hamburger Schiffe. Betroffen waren ungefähr 50% der Hamburger Spanienhändler. Die beschlagnahmten Güter bestanden zu 90% aus Getreide und zu 10% aus Rüstungswaren. Darunter befanden sich 29 Ztr. Schießpulver, das 1,5% des Gesamtwertes ausmachte. (Der Preis für 1 Ztr. wurde mit ca. 14,2 engl. Pfund angegeben.) Siehe: K. Richter, Hamburgs Iberienschiffahrt, S.91 ff, S.98, S.103 ff. 277 G.D. Ramsay, Hamburg, S.424. Die Auslegung der Konterbandebestimmungen war dabei äußerst weit gefaßt. Vgl. auch: A. von Brandt, Hansestädte, S.80-96. 278 Zu den erfolglosen Verhandlungen über die Aufhebung der Handelssanktionen siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Hans de Hertoghes vom 8. Juli 1626: "... Il grano già è scaricato ma le munitioni restano anche nelle navi per vedere se forse anche per qualche mezzo potria essere ottenuto la partenza delle navi il che potrà seguire per altro senon per commandamento del re di Inghelterra, per dove sono andati ambasciatori ..." (Übersetzung: "... Das Getreide ist bereits ausgeladen worden, aber die Munition bleibt auch deshalb noch auf den Schiffen, um abzuwarten, ob nicht vielleicht über andere Mittel die Abfahrt der Schiffe erwirkt werden kann, dies kann nur auf Anordnung des Königs von England geschehen, wohin Gesandte geschickt worden sind ..."). Ebenda, Brief Hans de Hertoghes vom 19. Juli 1626: "... questo Senato haveva mandato un expresso al Re di Inghelterra per domandare se non a loro fosse lecito di negotiare liberalmente per Italie con mercantie quello si voglia, ma riceverò questa settimana per risposta che in nessun modo per esso luoco potessero esser mandate alcune sorte di munitioni senza esser confiscate, caso in sue mani venissero in modo che in così manifesto periculo qua su la riviera delli sui navi regij le nostre navi non potevano fare partenza ..." (Übersetzung: "... Dieser Senat hatte ein Expreßschreiben an den König von England geschickt, um anzufragen, ob es ihnen nicht gestattet sei, freien Handel nach Italien zu betreiben mit beliebigen Handelswaren, erhielt aber diese Woche zur Antwort, daß an diesen Ort keinesfalls Kriegsgüter irgendwelcher Art geschickt werden könnten, ohne konfisziert zu werden, falls sie in seine Hände fielen, so daß angesichts der so gegebenen großen Gefahr durch die königlichen Kriegsschiffe auf dem Fluß unsere Schiffe nicht ausfahren konnten ...").
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Anläßlich der Elbblockade offenbarte sich die zwiespältige Haltung der Niederlande gegenüber Hamburg erstmals in vollem Umfang. 279 Seit dem Schutz- und Handelsbündnis zwischen Holland und den Hansestädten (1616) bestanden freundschaftliche Beziehungen zwischen beiden Polen.280 Über die allgemeinen Affinitäten hinaus mußte angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Spanien die Existenz eines neutralen Handelsplatzes, der im Falle von Handelssanktionen zu mannigfaltigen Ausweichstrategien genutzt werden konnte, im Interesse der niederländischen Kaufmannschaft liegen. Allerdings expandierte der spanische Rüstungsexport Hamburgs nach 1621 in einem Umfang, der sowohl den politischen Interessen der Vereinigten Provinzen zuwiderlaufen mußte, als auch die kommerzielle Machtstellung Amsterdams auf einigen Sektoren potentiell unterminieren konnte.281 Keinesfalls waren die Niederlande an einer zu starken Konkurrenz Hamburgs interessiert. Paradoxerweise waren aber gerade die niederländischen Emigranten in den Hamburger Rüstungshandel involviert. Trotz der handelsstrukturellen Verbindungen war es den Niederlanden also durchaus recht, daß die Hamburger im Handelskrieg einen gewissen Schaden nahmen. Noch deutlicher wurde diese Haltung anläßlich der Glückstädter Zollblockade Christians IV. (1630/31), als sich die holländische Diplomatie zu keinen Interventionsversuchen zugunsten Hamburg durchringen konnte. Auch bei dieser Gelegenheit wurde der Spanienhandel der Hansestadt als Hauptmotivation angeführt. 282 Sicherlich stand die zwiespältige Position der Vereinigten Niederlande in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts in direktem Zusammenhang mit den Plänen der spanischen Monarchie, die Hansestadt in einen umfassenden Neuentwurf ihrer Außenhandelsbeziehungen einzubeziehen. Mit maßgeblicher Unterstützung Hamburgs, Lübecks und Bremens beabsichtigte man, die rebellischen Niederlande von ihrem Hauptinteressengebiet, dem Baltikum, abzuschneiden. Logischerweise versuchte man im Haag, diesen Plänen entgegenzuarbeiten, indem man einerseits die Hamburger fest an die holländische Seite zu bringen versuchte und gleichzeitig die hansestädtische Position zu schwächen gedachte, solange die kaiserlichen und spanischen Annäherungsversuche gewisse Erfolge aufweisen konnten. Letztlich waren die Hamburger trotz der 279
Siehe: E. Baasch, Hamburg und Holland, S.45 ff und L. Beutin, Nordwestdeutschland, S.217 ff. 280 Siehe: E. Wiese, Politik der Niederländer und L. Beutin, Nordwestdeutschland, S.219. 281 E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.331. 282 Zur erfolglosen Mission Foppius Aitzemas, der im Januar 1627 gegen das niederländische Verhalten protestierte sowie zur hinhaltenden Position der Vereingten Provinzen anläßlich der Elbzollstreitigkeiten im Jahre 1630/31 siehe: H.D. Loose, Hamburg und Christian IV., S.24, S.60 ff.
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge295
starken Ausrichtung nach Spanien aber nicht an einer festen politischen Bindung interessiert.283 Nicht zu vernachlässigen ist die potentielle Konkurrenzsituation zwischen Amsterdam und Hamburg, speziell in Hinblick auf die internationalen Salpetermärkte. Angesichts der angespannten Versorgungslage durch die schwedische Blockade Danzigs (seit Frühsommer 1626) konnte die Elbblockade den Monopolversuchen der einflußreichen Amsterdamer Rüstungskreise im Frühjahr 1626 nur zugute kommen, da der Hamburger Exportsalpeter festlag und den Amsterdamer Anbietern, die außerdem über die indischen Salpeterquellen verfügten, bis auf weiteres keine Konkurrenz machen konnte.284 Nachdem Lelio Levanto in Hamburg eingetroffen war, schien sich die handelspolitische Lage der Hansestadt zunächst entspannt zu haben. Im Dezember 1626 berichtete er, daß nur noch zwei kleine Schiffe die Elbmündung mehr schlecht als recht kontrollierten. 285 Im März 1627 ging er deshalb dazu über, die Transportmöglichkeiten für die Überführung der Genua zustehenden Kriegsgüter zu sondieren, da man in Genua nach wie vor beabsichtigte, die Waren nach erfolgter Einigung über die Schuldenfrage wenigstens teilweise in den heimatlichen Hafen zu leiten. Zunächst wandte sich Lelio Levanto an Pieter Juncker, der den exorbitanten Preis von 45 Reichstalern pro Last forderte und dessen Schiffe noch dazu in Amsterdam lagen: "... 45 Reichstaler fordert der Hamburger Eigner des erwähnten Schiffes für jede beförderte Last an Frachtgeld, ... dieser ist Pieter Junker, dem ich empfohlen wurde, jener hat sich verpflichtet zwei weitere Schiffe aus Amsterdam kommen zu lassen, hat, wie er sagt, bereits Anordnung dazu gegeben und die Schiffe werden täglich er283
H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.20-29; ders., Pfeffermarkt, S.30, S.46; ders., Spanien, S.300, S.324; M. Hroch, Wallensteins Beziehungen, S.135, S.149, S.158; H.C. Messow, Hansestädte; H.D. Loose, Hamburg und Christian IV., S.30 ff. 1605 begab sich eine hamburgische Gesandtschaft nach Spanien, um die Privilegierung der Hamburger Handelsfahrt zu erwirken. 1611 unterbreitete der hansische Konsul Kampferbeck den Spaniern den Vorschlag, die gesamte portugiesische Pfeffereinfuhr im Austausch gegen Schiffbau- und Kriegsmaterialien in die Hansestädte zu leiten und dadurch der Konkurrenz der Niederländer entgegenzutreten. Das "Almirantazgo-Projekt" sah 1624 die Schaffung eines gemeinsamen Schiffahrtsunternehmens vor. Gleichzeitig versuchte man eine kaiserliche (Baltikum)Flotte aufzubauen. 284 Vgl. die Aussagen Hans de Hertoghes zum Amsterdamer Monopolversuch in: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Geschäftsbriefe Mai 1626. 285 Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 18. Dezember 1626: "... Vero è che dove prima erano dieci ο dodeci navi, hora pare siano solamente due piccoli assai ..." (Übersetzung: "... Es ist wahr, daß, wo vorher 10 oder 12 Schiffe lagen, nun scheinbar lediglich zwei sehr kleine Schiffe anzutreffen sind ...").
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
wartet ... Für die Verschiffung ist wirklich keine Möglichkeit abzusehen, ... diese Hamburger Schiffe bestehen darauf, die doppelte Frachtgebühr auch für die Rückfahrt erhalten zu wollen..." 286 "... Er bestätigte, daß sie nicht weniger als 40 Dukaten pro Last haben wollen, ... ich kann nicht glauben, daß ich von Euren Durchlauchten Herrschaften dafür belobigt würde, wenn ich eine Person von derart exorbitanten Forderungen suchte . . . " 2 8 7 Verschiedene Ausweichstrategien der Hamburger Kaufmannschaft, die angesichts der unsicheren handelspolitischen Lage auf der Elbe in Erwägung gezogen wurden, beispielsweise die Überführung der Güter auf kleinen Schiffen nach Amsterdam oder Frankreich, kamen aber nicht in Frage: "... so konveniert es, demselben Dorchi die Überführung der Munition von hier aus nach Frankreich zu bezahlen, da sich seine Versicherer in sehr deutlicher Gefahr befinden ..." "... Das meiste schicken sie mit Kähnen bis nach Amsterdam, von wo aus dann auf Schiffe zu den üblichen Frachtpreisen umgeladen wird . . . " 2 8 8 Schließlich wandte sich Levanto an Johannes Schröttering, der ihm zunächst zusagte, die Güter auf zwei Schiffen, die sich über Amsterdam auf der Rückreise von der Mittelmeerfahrt befanden, für 25 Dukaten pro Last nach Italien zu bringen. Diese Schiffe trafen aber nicht in Hamburg ein, so daß sich auch diese Hoffnung zerschlug:
286
Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 9. März 1627: "... 45 Reixtalleri domanda il padrone amburghese della scritta nave per ciascun lasto di nolo, ... questo è Pietro Juncker a cui vieni raccomandato, il quale si è assunto di far venire doi altri navi d'Amsterdam, e già dato ordine dice si possono aspettare giorno in giorno ... Per l'imbarco non vi è propriamente commodità alcuna, ... queste navi d'Amburgo ... persistono in volere doppio nolo anco per il ritorno ..." 287 Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 7. Mai 1626: "... conferma dissi, non vogliono meno di 40 ducati il lasto, ... non posso credere mi venissi lodato dai Vostri Signori Illustrissimi che cerco mai persona tali esorbitanze ..." 288 Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 1. Mai 1626: "... così converrà pagare a esso Dorchi apporto per munitioni fa andare in Francia di qua che per essere in evidentiatissimo pericolo questi suoi assicuratori..." Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 7. Mai 1627: "... Il più mandano con barche sino Amsterdam quindi caricando poi su navi a prezzo soliti..." Zur Ausweichmöglichkeit über Frankreich, von der insbesondere die holländische Kaufmannschaft regen Gebrauch machte, siehe: J.B. Collins, "The Role of Atlantic France in the Baltic Trade: Dutch Traders and Polish Grain at Nantes, 1625-1675", in: JEEH 13(1984), S.239-286.
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge297 "... Johannes Schröttering, dem ich die Empfehlungsschreiben übergab, ist derjenige, der von den zwei Schiffen sprach, die er täglich hier erwartete und auf die er auf meinen Wunsch beladen hätte, und jedenfalls sagt eben dieser, sich sehr zu wundern, daß diese nicht eintreffen, nicht von Amsterdam aus, wie ich fälschlich verstand, sondern Amsterdamer Schiffe aus Italien, von wo aus sie schon vor zwei Monaten abgefahren waren, ich zweifele daran, auf diese noch länger zu warten, da sie sich zu sehr verspäten ... Deshalb bin ich beinahe davon überzeugt, nicht irren zu können, wenn ich nur auf ein einziges Schiff setze. Zur Lösung dieses Problems sagt eben dieser Schröttering, ein hierfür sehr geeignetes Schiff von 100 Last zu besitzen, das sich zwar noch in Amsterdam befände, er es aber sofort kommen ließe und mir zu 25 Dukaten pro Last befrachte . . . " 2 8 9 Mit der Kontaktaufnahme zu Johannes Schröttering und Pieter Junker traten diejenigen Hamburger Großhandelskreise in Erscheinung, die sich vor allem im Italienhandel engagierten. 290 Bezeichnenderweise richtete die Republik gerade an diese Kaufleute Empfehlungschreiben für ihren Gesandten. Diese Kontakte liefen anscheinend über den holländischen Konsul in Genua, Hendrick Muilman, und seine Amsterdamer Verwandtschaft und nicht etwa über den Konsul der deutschen Nation, Christoph Ulrich Koch. 2 9 1 Wie die Quellen auswiesen, lief der Hamburger Italienhandel insbesondere in handelspolitisch ungünstigen Zeiten über Amsterdam, wo die Waren entweder auf hamburgische oder holländische Schiffe geladen und zu günstigeren Frachtraten transportiert wurden. 292 Der Mittelmeerhandel des Hamburger Unternehmertums erscheint durch diese Handelsstrategien in einem neuen Licht. Der Südeuropa289
A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni, Brief Lelio Levantos vom 7.Mai 1627: "... Giovanni Schröttering per cui portai lettere di raccomandazione, è quello che disse delle due navi, aspettava giornalmente sopra quali havrà caricato a mio piacere e tuttavia dice l'istesso, meravigliandosi assai non gionghino, non da Amsterdam che fu mio malo intendere, e solo disse navi di Amsterdam ma da Italia, di dove partite già sono doi mesi, queste aspettarle io più lungamente, tardando troppo dubiterei ... ciò stante io sia quasi persuaso di non poter errare, contando anzi ad una nave sola. A questo mi risolva il medesimo Schröttering dice, haverne una molto ad proposito di 100 lasti pur anco in Amsterdam che subito farebbe venire, e mi caricherebbe a Ducati 25 il lasto ..." 290 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.98, S. 134 f, S. 163, S.213 ff und M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.35, S.38, S.54, S. 141 f, S. 144, S.247 f. 291 Siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Instruktionen für Lelio Levanto vom 5. November 1626. 292 In Friedenszeiten kam auch Hamburg als Ausgangspunkt dieser Handelsfahrten in Betracht. Die große Beteiligung der holländischen Frachtfahrer und das Ausweichen auf Amsterdam machen die Erforschung der Hamburger Mittelmeerfahrt äußerst schwierig.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
handel der Hamburger Geschäftselite wurde durch eine Art "Arbeits-" und Funktionsteilung gekennzeichnet, die in Zukunft näher zu recherchieren wäre. Allein der Iberienhandel wurde auf Grund der allgemeinen politischen Lage und der monopolartigen Anbieterfunktion Hamburgs in der norddeutschen Geschäftszentrale gemanagt. Für den Italienhandel bediente man sich vorrangig des niederländischen Umschlagzentrums, zumindest jedoch holländischer Schiffe. Der reale Anteil des Hamburger Unternehmertums an der Italienfahrt ist demnach nur schwer schätzbar. Sicherlich erklärt sich der vermeintliche Stillstand der Hamburger Italienfahrt in den 20er Jahren teilweise aus diesen Strategien. Speziell in Hinsicht auf die Handelsbeziehungen zwischen Genua und Hamburg ist an dieser Stelle nur zu vermuten, daß die im Genueser Hafen registrierten Schiffe Amsterdamer Provenienz auch einen Hamburger Anteil einschlossen. Wie die Analyse der Genueser Hafenkonjunktur durch E. Grendi zeigt, kam nordischen Schiffen seit den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts der Hauptanteil am Transportvolumen des ligurischen Umschlagplatzes zu. Die schwere Handelskrise Genuas (1620-1625) stand demzufolge in ursächlichem Zusammenhang mit dem Rückgang der nordischen Konvois nicht nur aus Nordwesteuropa, sondern auch aus Spanien und Sizilien. Gleichzeitig kam es zu einem deutlichen Rückgang der durchschnittlichen Lastkapazitäten dieser Schiffe, die generell ca. 30% weniger Waren an Bord beförderten. 293 Hauptsächlich handelte es sich um holländische Frachtfahrer. Das hansische Element war generell in der Minderheit. 294 Offenbar kam die hansische Genuafahrt nach 1620 zum fast völligen Stillstand. Die von Grendi angeführten Daten unterstützen für Genua die Hypothese, daß die norddeutschen Hafenstädte von den holländischen Schwierigkeiten im Mittelmeerraum nicht profitier293
E. Grendi, Nordici, S.53, S.55; C. Trasselli, Naviglio 'nordico', S.70 ff. E. Grendi, Traffico portuale, S.342 f. Leider unterscheiden die Genueser Quellen vor 1629 nicht zwischen hansischen und flämischen bzw. holländischen Schiffen, so daß nicht entschieden werden kann, welchen Heimathäfen die auf den Mittelmeerrouten verkehrenden Transportschiffe zuzuordnen waren. Bezeichnend ist aber trotzdem die Anteilsverteilung der aus Amsterdam und Hamburg/Bremen eingelaufenen Schiffe. 1601-08 kamen 18 Schiffe aus Amsterdam, aber nur neun Schiffe aus Hamburg/Bremen in Genua an. 1610-14 waren es 23 Schiffe aus Amsterdam und lediglich zwei Schiffe aus Hamburg/Bremen. 1618-20 standen 51 Schiffseingängen aus Amsterdam fünf Eingängen aus hansischen Häfen gegenüber. E. Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt, S.318, S.331, liefert für die Genuafahrt Anfang des 17. Jahrhunderts folgende Daten: 1606 kam ein Schiff aus Genua im Hamburger Hafen an. 1611 und 1615 fuhr jeweils ein Hamburger Schiff nach Genua. 1619 waren es zwei Schiffe, 1620 vier Schiffe und 1622 zwei Frachtfahrer. 1630 fuhren drei Schiffe von Hamburg nach Genua und 1647 vier Segler. 294
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge
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ten. 2 9 5 Lediglich seit 1629 bzw. 1632 kam es mit dem Aufschwung der Genueser Hafenkonjunktur auch zur langsamen Wiederaufnahme des hansischen Mittelmeerhandels, der in der Rückkehr der deutschen Frachtfahrt (16351650) kulminierte. Es war kein Zufall, daß die direkte Genuafahrt Hamburgs ausgerechnet zu einem Zeitpunkt wieder einsetzte, als die handelspolitischen Schwierigkeiten der Hansestadt mit der Aufhebung der Blockaden beendet wurden. 296 Vor allem nach 1648 stand das wiedererwachte Interesse Hamburgs in engem Zusammenhang mit umfangreichen Getreidelieferungen an Genua und Livorno. 297 Allerdings waren die Niederländer 1629-1665 die kommerziell führende Nation Genuas. 298 Ende Mai 1627 vertraute Levanto immer noch auf potentielle Transportmöglichkeiten und bemühte sich sogar im Juni 1627, als die Handelsblockade Hamburgs durch englische und dänische Schiffe nach der Winterpause wieder in Kraft getreten war, um englische Garantiezusicherungen. Obwohl die An295
Dies galt zumindest für die direkten Austauschbeziehungen zwischen Nordwesteuropa und Genua. Inwieweit dies auch für die Route Spanien-Genua zutrifft, ist auf Basis dieser Daten nicht zu entscheiden. Die Ausführungen von L. Beutin zur Mittelmeerfahrt lassen aber darauf schließen, daß sich die Hanseaten in dieser Zeit vorwiegend auf die Iberienfahrt beschränkten. Laut E. Grendi, Traffico e navi, S.342, fuhren 1621-29 immerhin 75 Schiffe von Amsterdam nach Genua, während aus Hamburg und Bremen lediglich ein Schiff in Genua registriert wurde. 296 Ders., Nordici, S.55 und ders., Traffico e navi, S.343. Im Genueser Hafen wurden folgende Schiffseingänge registriert (Angaben für Niederländer seit 1650 aufschlüsselbar in Flamen und Holländer): Flamen/Holländer Hanseaten 1629-32 178 6 1633-36 169 81 1646-49 207 61 1650-53 201/9 27 1654-57 142/66 38 1658-61 107/19 11 297 Siehe: M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft, S.58 ff, S.91 und L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.44 ff. 298 E. Grendi, Nordici, S.45 ff und Tab. 10 (S.56). 1629-34 ankerten 47 Schiffe niederländischer Eigner und nur acht Schiffe deutscher Besitzer im Genueser Hafen. 1635-40 betrug das Verhältnis 52 zu 26. 1646-1650 waren es 61 niederländische und 14 deutsche Schiffe. 1661-1665 37 niederländische und nur vier deutsche Schiffe. Es ist stets darauf hinzuweisen, daß Genua im Vergleich zu Livorno ungünstigere Verhältnisse aufwies, so daß sich das kommerzielle Interesse der Holländer eindeutig auf Livorno konzentrierte. Die Präsenz hansischer Kaufleute in Livorno ist insbesondere für die erste Hälfte des 17. Jahrhundert näher zu recherchieren.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Weisungen des englischen Botschafters jeglichen Handelsverkehr Hamburgs mit Italien und speziell mit Genua und Livorno strengstens verboten, sagte dieser dem Genueser Gesandten im Falle eines Rüstungstransportes freies Geleit z u . 2 9 9 Dazu sollte es aber nicht mehr kommen, weil Genua vor den Schwierigkeiten kapitulierte und den Verkauf der Waren in Hamburg beschloß. Levanto informierte die Republik weiterhin über die aktuelle handelspolitische Lage in der Hansestadt. Zunächst kam es Ende Juni zu Komplikationen, da nun auch die englische Schiffe wegen Streitigkeiten mit dem dänischen Verbündeten am Auslaufen gehindert wurden: "... Ich bin nicht nach London gefahren, weil von der dänischen Wache auf der Elbe sieben englische Schiffe mit Handelswaren unter dem Vorwand festgehalten wurden, daß der englische König als Anfuhrer der Koalition bei den finanziellen Lasten teilnehmen muß, und der Schaden aus jenen bezahlt werden sollte . . . " 3 0 ° Zwischen Ende Juni und Mitte August konnte sowieso kein Schiff Hamburg verlassen, da die Winde ungünstig standen. Die Spanienflotte, die am 14. August 1627 abfahrbereit im Hafen lag, sollte nach Lelio Levantos Informationen erneut von den Engländern blockiert werden: "... Da seit drei Monaten wegen der ständigen Gegenwinde kein Schiff auslaufen konnte, sind heute 73 große Schiffe zur Abfahrt nach Spanien bereit, die aussagten, daß es nicht nötig sei, daß die Flußwache sie visitiere, dazu sagte der englische Admiral, der mich, als ich bei ihm vorbeiging, hierüber befragte, daß sie nur fröhlich kommen sollten, falls sie gewisse Artillerie, die notwendig sei, an Bord hätten, so daß sicherlich noch einige Unruhe folgen wird , . . " 3 0 1
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A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Brief Levantos vom 13. Juni 1627: "... Mediante l'ambasciatore inglese ad Amburgo lassa passare le munitioni, nonostante nella sua istruzione prohibiva in genere ogni navigatione per Γ Italia et in specie per Genova et Livorno ..." (Übersetzung: "... Durch den englischen Gesandten in Hamburg läßt die Munition passieren, obwohl seine Anweisung generell jede Schiffahrt nach Italien und speziell nach Genua und Livorno verbietet..."). 300 Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 27. Juni 1627: "... Non sono andato a Londra stante che dalla guardia dannese del'Albis sono state tratenute sette navi inglesi con mercantia sotto pretesto che guida il re d'Inglesi detribuire del convento nella lega, nota il danno pagarsi in quelle ..." 301 Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 14. August 1627: "... Non essendo da ben tre mesi in qua potuto partire alcun vascello per causa de venti continuamente contrarli, si trovano hoggidi in partenza per Spagna 73 grosse navi, quali dicessi non occorrono che la guardia del fiume le visiti, di che interrogandomi l'amiraglio inglese quando passai da lui mi disse, che venissero pur allegramente e portassero certa l'artigleria che ne faria bisogno si che certo seguirà anco quindi qualche rumore ..."
5. Transportbedingungen und handelsstrukturelle Zusammenhänge301 Die Schwierigkeiten des neutralen Handelsplatzes Hamburg wollten also kein Ende nehmen. Angesichts der unsicheren handelspolitischen Situation sowie der hohen Frachtraten verlegte sich die internationale Kaufmannschaft (neben Amsterdam) auf andere Handelsplätze. So berichtete Lorenzo Maggioli aus Antwerpen im Frühjahr 1627 über die Strategie der dortigen Rüstungshändler, sich verstärkt nach Lübeck zu wenden. 302 Allerdings wurde auf das Angebot Maggiolis, das dieser in diesem Zusammenhang unterbreitete, wiederum nicht eingegangen: "... Falls Ihr neue Kriegsschiffe benötigt, so fehlen mir nicht die Möglichkeiten, diese zu besorgen ... und falls Verbindungskanäle nach Lübeck beständen, das nicht so unruhig für diese Schiffe ist, so steht der Salpeter dort auf 75 bis 80 Mark lübischen Gewichtes zu 112 Handelspfund ... falls Eure Durchlauchten Herrschaften benötigen, Kommission zu geben, so könnte Ihr es bei mir tun, der Euch zum bestmöglichen Vorteil bedienen wird . . . " 3 0 3 Ähnliche Anstrengungen, die auf die ungestörte Iberienfahrt abzielten, wurden mit der Gründung der Friedrichstadt unternommen, die Ende 1627 durch die südniederländische Infantin Isabella das Recht auf den unbehinderten Spanienhandel erhielt. 304 302
Ebenda, Brief der Genueser Prokuratoren an Maggioli vom 28. Mai 1627 und Brief Maggiolis vom 30. April 1627. Obwohl Luzio Moneglia die Genueser Verwaltung von der Zusammenarbeit zwischen Maggioli und Dorchi auf dem Rüstungssektor informiert hatte, wollte man über Maggioli die nach Genueser Auffassung überzogenen Forderungen Dorchis überprüfen. Bei dieser Gelegenheit erinnerte die Republik Maggioli an Steuerschulden, die er angesichts des Savoyenkrieges bezahlen möge. Zur Funktion Lübecks als Versorgungsbasis der Kaiserlichen siehe: Ebenda, Brief Lelio Levantos vom 21. August 1627: "... Tilly ha dai Lubechesi tutte le provigioni ... I Lubechesi sono scopertamente imperiali ..." (Übersetzung: "... Tilly erhält von den Lübeckern alle Versorgungsgüter ... Die Lübecker sind offen kaiserlich ..."). 303 Gleichzeitig übermittelte Lorenzo Maggioli Informationen über die Gewichtsrelationen und Wechselverhältnisse. Ebenda, Brief Lorenzo Maggiolis vom 30. April 1627: "... E se hanno bisogno de novi bastimenti da guerra a me non mancano le comodità de proverdervi ... La polvere valeva ultimamente in Amburgo marchi 70 in 80 secondo finezza il centanara de # 112 ... e quando lo fussi vie di comodità in Lübeck, che non è tanto inquieto a dette navi il salpetre vale marchi 75 in 80 in detto peso, se ai Vostri Signori Illustrissimi occorirà dar comissione lo potrann fare a me che procurerò servirle con tutto l'avantaggio possibile ..." 304 Die Gründung der Friedrichstadt, in der in erster Linie spanientreue Niederländer angesiedelt wurden, stand in engem Zusammenhang mit den Bestrebungen der Krone, die abtrünnigen Niederländer aus dem Iberienhandel zu verdrängen. Siehe: A. Jürgens, Schleswig-Holsteinische Handelsgeschichte, S.198 ff.
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VI. Munitionsbestellungen in Hamburg
Der Zeitpunkt für die Abwicklung des Genueser Rüstungsauftrages war aus militärischen und handelspolitisch-konjunkturellen Gründen denkbar ungünstig. Die Hauptmotivation für die Anfeindung des Hamburger Handels lieferten die intensiven Geschäftskontakte der Hamburger Kaufmannschaft zur habsburgischen Einflußzone und insbesondere die Lieferungen von Kriegsmaterialien an die spanische Krone. 1625-1631 hatte der neutrale Handelsplatz Hamburg mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, die die geregelte Aufrechterhaltung von Fernhandelsverbindungen beeinträchtigten. Der Mittelmeerhandel wurde zu keinem Zeitpunkt völlig eingestellt. Die unsichere handelspolitische Lage führte jedoch dazu, die potentiellen Expansionsmöglichkeiten der Hamburger Interessensphäre ausgerechnet zu einem Zeitpunkt erheblich einzuschränken, als Holland relativ schwach war. Nicht zuletzt die hohen Frachtraten, die lediglich die spanische Kundschaft akzeptieren mußte, trugen entschieden dazu bei. Handelskontakte außerhalb des Spaniengeschäftes unterhielt die internationale Kaufmannschaft Hamburgs offenbar über Amsterdam. Offensichtlich wurden besonders die italienischen Märkte über die holländische Metropole befrachtet. Die starke Anlehnung an den Amsterdamer Frachtmarkt, die sich in den Blockadejahren verstärkte, sowie die Monopolstellung des Hamburger Transportsektors für die Iberienfahrt, würden ein gewisses Desinteresse der Hansestadt an direkten Italienverbindungen teiweise erklären. Außerdem verzögerte der Rückgriff auf niederländische Transportkapaziäten den Ausbau der Handelsflotte vermutlich für längere Zeit. Die Genueser Seite zeigte sich durch die enormen Schwierigkeiten, die sich auf dem "unsicheren Terrain" der Hansestadt 1626/27 ergaben, dermaßen abgeschreckt, daß direkte Austauschbeziehungen trotz der günstigen Hamburger Warenmarktlage nicht mehr in Erwägung gezogen wurden. Die ungünstige Konjunktur (1625-1633) führte dazu, daß eine entscheidende Chance für die Stabilisierung und Belebung traditioneller Austauschbeziehungen und für die Anknüpfung neuer Handelskontakte zunächst verpaßt wurde.
VII. Die oberdeutschen Salpeter- und Schießpulverlieferungen an Genua in den Jahren 1626, 1627 und 1628 1. Süddeutsche Explosivstoffe im Rahmen der "Mailandkonjunktur" Die süddeutschen Salpeter- und Schießpulverlieferungen (1626-1628) sind im Genueser Staatsarchiv nur unsystematisch mit wenigen Belegen heterogenen Charakters dokumentiert.1 Diese Quellen legen den Schluß nahe, daß süddeutsche Explosivstoffe die Mittelmeerstadt in kleineren Mengen, und wenn sich dazu die Gelegenheit bot, erreichten. Trotzdem wurde Genua offensichtlich während des gesamten Savoyenkrieges konstant mit oberdeutschen Explosivstoffen versorgt. Diese Lieferungen, die vermutlich über Augsburg und Nürnberg erfolgten, hatten somit für Genua den Stellenwert einer überregionalen Versorgungsquelle.2 Beteiligt waren in erster Linie die in Genua ansässigen oberdeutschen Handelshäuser der Furtenbach, Angerer und Amman sowie die wichtigsten Kaufleute graubündischer und lombardischer Herkunft, die Pestalozzi, Vertema und Volpi. Diese Kreise waren teilweise verwandtschaftlich miteinander verbunden und verfügten über einflußreiche Geschäftspartner, wie die Fugger, Zobel, Oesterreicher, Rehlinger, de Groote, van Uffeln, Raynoldt, Odescalchi, Ott, Buroner und Sivori. Fast ausnahmslos standen alle Handelshäuser, die für die Salpeter- und Schießpulverlieferungen verantwortlich zeichneten, in Habsburger Diensten. Die Amman, Pestalozzi und Vertema fungierten sogar als Faktoren im Finanzierungs- und Versorgungs1
A.S.G. Camera del Governo Nr.768, Nr.769, Nr.770 (Munitioni). Insgesamt wurden nur 14 diesbezügliche Dokumente gefunden, die unter keiner Sonderabteilung, sondern verstreut im Quellenbestand aufbewahrt wurden. In Bezug auf die einzelnen Geschäftsabschlüsse ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß diese nur fragmentarisch erhalten sind. Für keine der Lieferungen konnten komplette "Verwaltungsvorgänge die zumindest Geschäftsvertrag, Abrechnungsunterlagen und Einlagerungsbestätigungen umfassen müßten, gefunden werden. Die Überlieferungsmodalitäten lassen deshalb darauf schießen, daß es sich bei diesen Abschlüssen nur um einen (zufällig erhaltenen) Teil der Salpeterimporte handelt. 2 Dieser Versorgungsstrang war den neapolitanischen Lieferungen vergleichbar.
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VII. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
system Hans de Wittes. Die internationalen Geschäftsstrukturen dieser bedeutenden Unternehmerkräfte sind bislang nicht hinreichend und systematisch untersucht. Über die deutsche Kolonie in Genua ist der Forschung ebenfalls nur sehr wenig bekannt. Die Quellen zu den süddeutschen Salpeter- und Schießpulverlieferungen an Genua wiesen aus, daß diese Transporte auf dem Landweg erfolgten. Zugang zu Italien oder zum Überseehandel erlangten die großen oberdeutschen Handelshäuser auch über die nordwesteuropäischen Hafenstädte. Insbesondere nach 1590 exportierten die deutschen Gewerbezentren ihre Produkte über nordische Häfen auf dem Seeweg nach Südeuropa, d.h. in erster Linie nach Spanien und auch in die Habsburger Besitzungen in Übersee. Mit der günstigen Getreidekonjunktur konnten süddeutsche Waren über den Atlantik teilweise kostengünstiger nach Italien verschifft werden als über die transalpinen Handelsverbindungen . 3 Seit Ende des 16. Jahrhunderts gelangten oberdeutsche Produkte also grundsätzlich auf zwei Wegen nach Südeuropa.4 Die kapitalkräftigsten und einflußreichsten süddeutschen Unternehmerkräfte in Genua, wie die Furtenbach, Raynoldt und Vertema, waren an der atlantischen Seeverbindung zwischen Nord- und Südeuropa maßgeblich beteiligt. Insbesondere Getreidegeschäfte im Dienste der Republik Genua, aber auch Aktivitäten im Seiden- und Wollgeschäft sowie im Salzhandel und natürlich auf dem Versicherungssektor 3
H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.75 ff, S. 153-178; ders., "Das Verkehrswesen zwischen den deutschen Nord- und Ostseehäfen und dem Mittelmeer im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", in: A. Vannini Marx, Trasporto e sviluppo, S.99-122; J.A. van Houtte, "Les grandes itinéraires du commerce XHI e -XVIII e siècles", in: Ebenda, S.87-98; E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.l ff. 4 Beispielsweise exportierte ein so bedeutendes Augsburger Handelshaus wie die Oesterreicher sowohl über Hamburg als auch über Genua. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.337; ders., Geldtransfer, S.291; ders., Niedergang Venedigs, S.139; F. Blendinger, Augsburgs Handel, S.299; A. Mayr, Die großen Augsburger Vermögen in der Zeit von 1618-1717, Augsburg 1931, S.57-61, S.115 ff; R. Poppe, Die Augsburger Handelsgesellschaft Oesterreicher 1590-1618, Augsburg 1928, S.31 ff, S.37 ff. Auch über Venedig (bzw. Bozen) wurde viel exportiert. Allerdings verfügte die Firma in Vendig über keine eigene Vertretung. Ein Umstand, der später zu handelsrechtlichen Verwicklungen führte, als die Öesterreicher im Burattini-Konkurs dazu gezwungen waren, einen langwierigen Prozeß zu führen. Siehe: C. Dalhede, Augsburger Quellen, S.514 ff. Der wirtschaftliche Höhepunkt der Firma war 1623/24 bereits überschritten. Eine den Oestereichern vergleichbare Exportsituation hatten sicherlich viele süddeutsche Handelshäuser aufzuweisen. Siehe für die Nürnberger Viatis: G. Seibold, Viatis und Peller und G. Aubin, Bartolomeo Viatis, S. 145 ff.
1. Süddeutsche Explosivstoffe
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sind für diese Kreise nachweisbar.5 Trotzdem blieben die Verbindungen nach Norddeutschland zu jeder Zeit nur locker. Erstaunlicherweise wurden hansische und süddeutsche Initiativen anscheinend nicht dauerhaft strukturell miteinander verbunden.6 Auf Grund der schlechten Quellenlage ist weder das Volumen der beiden Einzelstränge noch das Verhältnis beider Ausfuhrmöglichkeiten zueinander auch nur annähernd quantifizierbar. 7 Weil es sich bei militärischen Explosivstoffen um schwere Massengüter handelte, ist davon auszugehen, daß die süddeutschen Lieferungen an Genua lediglich dank der "Mailandkonjunktur" durchführbar und profitabel waren. Anders als für lange Zeit angenommen, wurde vom transalpinen Handelsweg auch nach Ende des klassischen oberdeutschen Italiengeschäftes lebhafter Gebrauch gemacht. Trotz der großen Konkurrenz der nordwesteuropäischen Häfen hielt die günstige Exportkonjunktur über Norditalien noch bis weit ins 17. Jahrhundert an. 8 Bis 1600 war ein Übergewicht Venedigs zu konstatieren.9 Spätestens seit Einsetzen des Dreißigjährigen Krieges kann von einer regel5
Siehe: E. Grendi, Nordici, S.42 ff und M.C. Lamberti, Mercanti tedeschi, S.73 ff. Bis 1622 dominierten diese süddeutschen Handelhäuser neben Alessandro Sedevolpe und Giovanni Mandechens im Getreidegeschäft mit dem "Ufficio dell'Abbondanza". Erst danach wurden Maggioli & Lazagna als offizielle Getreideagenten der Republik in Antwerpen eingesetzt. 6 Allein die Vertema verfügten über eine Hamburger Vertretung und kamen über den traditionellen Handelsknotenpunkt Antwerpen hinaus. Siehe hierzu die Einschätzung von: L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.15 und ders., Deutscher Leinenhandel, S.160. 7 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S. 337 f. Natürlich konnten schon lange vor diesem Zeitpunkt süddeutsche Waren (beispielsweise) über das Welthandelszentrum Antwerpen nach Süden verschifft werden. Allerdings dominierten im 16. Jahrhundert eindeutig die kommerziellen Verbindungen auf dem Landweg. Siehe: W. Brulez, "Les routes commerciales d'Angleterre en Italie au X V P e siècle", in: Studi in onore di A. Fanfani, Bd.IV, S. 121-184; ders., "L'exportation des Pays Bas vers l'Italie par voie de terre au milieu du X V P e siècle", in: AESC 14(1959), S.461-491; ders., "Les transports routiers entre les Pays-Bas et l'Italie aux XVI e et XVII e siècles", in: A. Vannini Marx, Trasporti e sviluppo, S.257-264; E. Stols, "Les transports dans le commerce des Pays-Bas Méridionaux avec la Péninsule Ibérique (Xin e -XVIÏÏ e siècles)", in: Ebenda, S.151-158. 8 Für den Kölner Italienhandel belegt von: G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.151 ff. Vgl. auch: B. Kuske, "Die Handelsbeziehungen zwischen Köln und Italien im späteren Mittelalter", in: Köln, der Rhein und das Reich, Köln/Graz 1956, S.l-47 und L. Beutin, "Italien und Köln", S.30 ff. 9 Siehe: G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.173 ff und H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S. 138-148. 20 Zunckel
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rechten "Mailandkonjunktur" gesprochen werden, die erst um 1642 abflaute. Vielleicht wurde auf Grund ungünstiger Entwicklungen auf dem Seetransportsektor wieder verstärkt auf den Landweg zurückgegriffen. 10 Leider ist der deutsche Italienhandel im 17. Jahrhundert und speziell zur Zeit der "Mailandkonjunktur" noch nicht monographisch bearbeitet. Dieses Forschungsdefizit erklärt sich überwiegend aus der heterogenen und lückenhaften Quellenlage für die außenwirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands in der Frühen Neuzeit.11 Die "Mailandkonjunktur" implizierte, daß besonders die deutschen Handelshäuser, aber auch graubündische und lombardische Kaufleute, in Genua von dieser günstigen Wirtschaftslage profitieren konnten. Die wenigen verfügbaren Angaben in einigen kleineren Einzelstudien geben glücklicherweise einen Einblick in die Geschäftsstrukturen und die konjunkturelle Entwicklung der deutschen Kolonie Anfang des 17. Jahrhunderts.12 Angesichts der strukturellen Einbindung der süddeutschen Salpeterlieferungen in die "Mailandkonjunktur" sollen kurz die wichtigsten Aspekte dieser günstigen Exportlage skizziert werden. Seit dem Mittelalter fungierten Venedig und Genua als wichtige Exporthäfen der oberdeutschen Handelszentren.13 Augsburg und Nürnberg waren über den Brenner und die östlichen Alpenpässe verkehrsgeographisch gut mit der Lagunenstadt verbunden. Über Lindau, Chur und den Sankt Bernhard konnte 10
G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.261 f; F. Blendinger, Augsburgs Handel, S.287 ff, S.308; H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.152 ff, S.163. Danach lag Venedig wieder im Zentrum des nach Italien gerichteten kommerziellen Interesses deutscher Kaufleute. Gegen Kriegsende nahm der Transithandel niederländischer Waren nach Italien zu. Im Gegenzug ging italienische Seide nach Nordwesteuropa. 11 Zur Quellenlage und zum weiten Problemfeld der außenwirtschaftlichen Beziehungen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, siehe: R. Hildebrandt, Handel und Kapitalverkehr, S.136 f, S.149 f. 12 Zur schlechten Forschungslage siehe: H. Kellenbenz, Christoph Furtenbach, S.1102 und E. Grendi, Nordici, S.40. Ebenso wie Grendi wies bereits L. Beutin in der älteren Einzelstudie zum deutschen Leinenhandel darauf hin, daß die reichen Genueser Archive in dieser Beziehung noch auszuwerten sind. Außer den Forschungen von H. Kellenbenz, Gedtransfer, (zu den Furtenbach und ihrer Involvierung in Transfergeschäfte zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges) sowie der Arbeit von M.A. Lamberti zu den Raynoldt Anfang der 20er Jahre des 17. Jahrhunderts existieren keine neueren Einzelstudien. In Hinblick auf Genua unbedingt zu beachten: F. Blendinger, Augsburgs Handel, S.297 ff. 13 In Bezug auf den klassischen süddeutschen Italienhandel im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit ist Venedig generell etwas besser untersucht als Genua. Siehe die Standardwerke von A. Schulte und H. Simonsfeld.
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Genua günstig erreicht werden. 14 Über beide italienische Metropolen fand Deutschland schon frühzeitig Anschluß an die zentralen Fernhandelsstrukturen, noch bevor Nordwesteuropa (mit Brügge, Lübeck, dann Antwerpen und später Amsterdam sowie Hamburg) als zweiter wichtiger Pol der europäischen Weltwirtschaft in Erscheinung trat. Der Handelsspielraum deutscher Kaufleute über den "Fondaco dei Tedeschi" war durch den restriktiven Protektionismus Venedigs eng bemessen. Trotzdem gelangte man an die Warenpalette des klassischen Levantehandels sowie an Baumwolle, die als Rohstoff für das Barchentgewerbe von zentraler Bedeutung war. 1 5 Im Gegenzug exportierten die großen oberdeutschen Handelshäuser ihre eigene Produktpalette. Selbständiger Überseehandel war über Venedig nicht möglich. Die Handelsbilanz blieb für Deutschland stets negativ.16 Genua zeigte sich den deutschen Kaufleuten gegenüber viel aufgeschlossener. 17 Im Gegensatz zu Venedig existierten, von einigen zollpolitischen Maßnahmen abgesehen, offenbar keine nennenswerten handelspolitischen Be14
H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S. 127-134; ders., "Lindau und die Alpenpässe", in: Erzeugung, Verkehr und Handel in der Geschichte der Alpenländer. Festschrift H. Hassinger, Innsbruck 1977, S. 199-219, (insbesondere die graphische Darstellung der Alpenübergänge, S.207); H. Hassinger, "Die Alpenübergänge von Mont Cenis bis zum Simplon im Spätmittelalter", in: J. Schneider, Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd.I, Stuttgart 1978, S.313-372; F. Glauser, "Der Gotthardtransit von 1500-1660", in: A. Vannini Marx, Trasporti e sviluppi, S.323-352; Ο. Stolz, Quellen zur Geschichte des Zollwesens und Handelsverkehrs in Tirol und Vorarlberg vom 13. bis 18. Jahrhundert, Wiesbaden 1953, S.159 ff; H. Hassinger, Geschichte des Zollwesens, Handels und Verkehrs an den östlichen Alpenländern vom Spätmittelalter bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1987. 15 Zur Warenpalette des Levantehandels siehe: H. Simonsfeld, Fondaco dei tedeschi, Bd.II, S. 103 ff und H. Kellenbenz, Handelsbräuche des 16. Jahrhunderts. Das Meder'sche Handelsbuch und die Welser Nachträge, Wiesbaden 1974. Zur großen Bedeutung der Venezianer Baumwollexporte nach Augsburg um 1600 und den daran beteiligten Handelshäusern siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.123, S.139 f; J. Müller, Augsburgs Warenhandel, S.326 ff; W. von Stromer, Die Gründung der Baumwollindustrie in Mitteleuropa. Wirtschaftspolitik im Spätmittelalter, Stuttgart 1978. Siehe auch: M. F. Mazzaoui, The Italian Cotton Industry in the Later Middle Ages, 1100-1600, Cambridge 1981, S.28-55. 16 Siehe: H. Kellenbenz, Melchior Manlich, S.611 ff und ders., Niedergang Venedigs, S.128, S. 134 ff. 17 Siehe: L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.158 und A. Schulte, Mittelalterlicher Handel, Bd.I, S.536. 20*
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schränkungen im Überseegeschäft. Insbesondere Kupfer 18 und die Erzeugnisse der deutschen Textilproduktion, schwäbischer Barchent 19 und vor allem süd- und mitteldeutsches Leinen, gelangten auf dem Landweg nach Genua und von dort aus in den Seehandel. Die Mittelmeermetropole diente auch als strategische Basis bei der Vermittlung von Geldgeschäften und Finanztransaktionen. Die frühzeitige Westorientierung der Stadt führte dazu, daß Genua zum idealen Ausgangspunkt des deutschen Iberiengeschäftes wurde. 20 Waren seit dem Mittelalter süddeutsche Unternehmerkräfte, beispielsweise Vertreter der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, präsent, 21 so stellte im 16. Jahrhundert die deutsche Handelskolonie neben den Lombarden eindeutig das wichtigste ausländische Element in Genua dar. Seit 1492 bestand ein deutsches Konsulat.22 Kapitalkräftige Firmen, wie die Fugger und die Oester18
Im 16. Jahrhundert lag der Kupferhandel hauptsächlich in den Händen deutscher Kaufleute. 1577 traten Hieronimus Clafeter, Christoph Nauzer, Georg und Johann Hartproner, Augustin Stalburger und Jacob Scaler in Erscheinung. Für Kupferexporte auf dem Landweg zeichneten um 1600 in erster Linie die Fugger verantwortlich. Siehe: L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.159 ff; H. Kellenbenz, Christoph Furtenbach, S.1103; L. Scheuermann, Die Fugger als Montanindustrielle in Tirol und Kärnten, München/Leipzig 1929, S.318 ff. 19 Zu den Produktionsstrukturen und den deutsch-italienischen Beziehungen siehe: M.F. Mazzauoi, Cotton Industry, S.129-153. 20 Zur schlecht abschätzbaren Dimension des deutschen Iberiengeschäftes über Genua siehe: L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.14 und H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.337 f. Zur Funktion Genuas als Schaltstelle für (Geld-)Geschäfte mit Spanien siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.278 ff, S.287 ff; F. Blendinger, Augsburgs Handel, S.290; R. Hildebrandt, Georg Fuggerischen Erben, S.92 f; H. Ernst, Madrid und Wien, S.262 ff. Bis Ende des Dreißigjährigen Krieges waren die Fugger an derartigen Transferverbindungen interessiert. Verbindungsstelle in Genua waren die Furtenbach. In Vendig und auf den Wechselmessen agierten die Fugger vor allem über die Ott. 21 Siehe: A. Schulte, Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380-1530, 3 Bde., Stuttgart/Berlin 1923, Bd.I, S.259 und ders., Mittelalterlicher Handel, Bd.I, S.529 ff. 22 L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.15; A. Schulte, Mittelalterlicher Handel, S.536; E. Grendi, Nordici, S.44 f. Bereits seit 1393 sammelten sich die deutschen Kaufleute in Genua um die Sankt Barbara Kongregation, die allerdings 1607 aufgelöst wurde. Höchstwahrscheinlich kümmerte sich die deutsche Vertetung vornehmlich um die Interessen der oberdeutschen Handelshäuser, während die norddeutschen Anliegen vielleicht eher über das niederländische Konsulat vertreten wurden, das seit 1616 bestand. Der Konsul der deutschen Nation, Sebastian (bzw. Hans Ulrich) Koch, stammte vermutlich aus Augsburg.
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reicher, unterhielten im ligurischen Handelszentrum Vertretungen. Um 1600 waren als wichtigste Kaufleute ihrer Nation Christoph Furtenbach, die Hoser, Johannes Hartpronner, die Corolanza, Milech, Schwab, die Fetzer & Sidelmann, die Oesterreicher, Buroner, Cristiano Papa und Stefano Nasale in Genua ansässig.23 Leinen war seit der Jahrhundertwende eindeutig das Hauptexportgut, über das sich die deutschen Handelshäuser in Genua eine feste Marktposition verschafften. 24 Deutsches Leinen kam traditionell über den Landweg nach Italien. Die Auswertung der die Landimporte betreffenden Zollregister Genuas ("Venute di Terra") durch L. Beutin zeigte, welch hoher Anteil den Deutschen Anfang des 17. Jahrhunderts an diesem speziellen Handelssektor zukam. Die Hochkonjunktur transalpiner Leinenimporte nach Genua dauerte mindestens bis 1631 an. Der Anteil deutscher Handelshäuser an diesen Kommerzien lag in dieser Zeit bei 51-75%. Erst nach 1640 sanken die Importzahlen für Leinen, um nach 1686 wieder stark anzusteigen. War der deutsche Anteil schon im dritten Viertel des Jahrhunderts auf ca. 25% zurückgegangen, so waren süddeutsche Unternehmen Ende des 17. Jahrhunderts kaum noch beteiligt. 25 23
Siehe die Analyse von: E. Grendi, Nordici, S.40 ff. G. Aubin/A. Kuntze, Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland zur Zeit der Zunftkäufe, Stuttgart 1940; L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.160 ff; E. Grendi, Nordici, S.41 ff. So wiesen die wichtigsten Mitglieder der deutschen Handelskolonie in Genua 1590-1611 folgende Gesamtumsatzzahlen im Leinenhandel auf: - Christoph Furtenbach: 500.000 Lire (Gesamtwarenumsatz 1.291.000 Lire). - Oesterreicher: 500.000 Lire ( Gesamtumsatz 801.000 Lire). - Hoser: 450.000 Lire (Gesamtumsatz 723.000 Lire). - Schwab 300.000 Lire (Gesamtumsatz 481.000 Lire). Auf dem Landweg verzollte Furtenbach Leinen im Wert von 25.696 Liren (1593), 12.669 Liren (1603), 23.632 Liren (1611) und 44.637 Liren (1627). Die Oesterreicher verzollten in den selben Jahren Leinen im Wert von 50.868, 24.094, 54.604 und 80.162 Liren. Die Hoser waren 1603 mit 59.516 und 1611 mit 89.982 Liren beteiligt. 25 L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.167 f (tabellarische Zusammenstellung des Zahlenmaterials). Beutin konnte die Handelskonjunktur für Leinenimporte nur überblicksartig anhand der in Genua eingegangen Packen ("Colli") bewerten, deren jährliche Gesamtmenge nie über 1000 Stück lag. Exakte Wert- und Mengenangaben lieferte er nur für 1603, 1611 und 1627. Auch die Abstände der verfügbaren Daten (Intervalle zwischen 7 und 13 Jahren) sind zu groß, um den Konjunkturgang dieser Ware in Korrelation zu den politischen Ereignissen und zur gesamtwirtschaftlichen Lage bewerten zu können. Lediglich die Grundtendenz kommt zum Ausdruck. 24
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VII. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
E. Grendi berücksichtigte die Zollregister der "Venuta Terrae" lediglich für das erste Viertel des 17. Jahrhunderts. Nach seinen Berechnungen betrug der deutsche Anteil am kontinentalen Leinenhandel lediglich 20-40%. Anhand der absoluten Importzahlen glaubt Grendi im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts einen tendenziellen Rückgang dieser Einfuhrware auf dem Landweg erkennen zu können,26 der seiner Auffassung nach durch den verstärkten Import von Leinen auf dem Seeweg bedingt war. Über die Zollangaben des "Drictus Armamenti", die leider nur bis 1611 verfügbar sind, versucht er die Geschäftslage der deutschen Handelskolonie in Hinblick auf die konjunkturelle Gesamtentwicklung des Seehandels zu erfassen. Demnach lag der Anteil der deutschen Unternehmer am Warenumschlag des Genueser Hafens 15901611 bei 5,5-9,2%. 27 1600-1605 wiesen die Umsätze der deutschen Häuser in der Mittelmeerstadt Beträge auf, die durchschnittlich mindestens über 60% des Vergleichszeitraumes davor und danach lagen.28 Die Jahre unmittelbar nach der Jahrhundertwende stellten nach Grendi eindeutig den Höhepunkt der süddeutschen Kommerzien in Genua dar, wobei dem Leinenhandel zweifellos der Hauptanteil zukam. Beim Landtransport dieses Gutes handelte es sich seiner Auffassung nach um eine überholte Struktur aus alten Zeiten, die zunehmend durch die atlantische Seeverbindung ersetzt wurde. Allerdings ist anzumerken, daß Grendis Überlegungen an einem viel zu frühen Zeitpunkt, nämlich 1611, enden. Obwohl seine knappen Ausführungen 26
Siehe: E. Grendi, Nordici, S.40. Die Einfuhrzahlen auf dem Landweg fielen laut Grendi von 13.525 Packen (1604) auf 4099 Packen (1609) und blieben dann auf diesem deutlich niedrigerem Niveau. 1610 waren es nur 6.146 Packen. 1614 5731 Packen. Der Anteil der Deutschen an diesen Warensendungen betrug in diesem Zeitraum 3666, 1437, 2453 und 1200 Packen (pro Jahr). Weder die absolute Höhe der Werte noch die Grundtendenzen stimmen also mit der Studie von Beutin überein, so daß Zweifel aufkommen, ob wirklich dieselbe Quelle (A.S.G. San Giorgio Saal 15, Venuta Terrae) benutzt wurde. (Beutin gibt für seine Arbeit keine genaue Signatur an, sondern beschränkt sich auf den Titel des Bestandes.) 27 Ebenda, Tabelle 7 (S.42). Wies der Leinenimport auf dem Seeweg ("da occidente") 1590-1592 einen Wert von 103.509 Lire auf, so stieg dieser Wert 1600-1602 auf 736.134 Lire. Allerdings fielen die Importe 1608, 1609 und 1611 wieder auf 219.868 Lire. Der Umstand, daß die Leinenexportzahlen auf dem Landweg im ersten Zeitabschnitt mit 376.895 Lire mehr als dreimal so hoch lagen wie die Einfuhren über See, indizierte seiner Auffassung nach die anhaltende Dominanz der Landimporte, die dann seit 1604 aber stetig zurückging. 28 Ebenda, S.40, 45 (zum "Drictus Armamenti"), Tab. 6 (S.41) Aufschlüsselung der jährlichen Gesamtwarenwerte (1590-1611) der 15 großen und mittleren deutschen Handelshäuser in Genua im Ex- und Importgeschäft über See.
1. Süddeutsche Explosivstoffe
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in die Richtung gehen, der auch zukünftige Forschungsansätze folgen müssen, sind die Daten für die Bewertung der "Mailandkonjunktur" unzureichend. Weder wird die Gesamtentwicklung der deutschen Handelskolonie über einen längeren Zeitraum verfolgt, noch werden etwaige Beeinträchtigungen des atlantischen Seehandels durch die spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen nach 1621 in den Gedankengang miteinbezogen. Auch handelsstrukturelle Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf die deutschen Fernhandelsverbindungen, beispielsweise kriegsbedingte Beeinträchtigungen der Handelswege über Norddeutschland seit Mitte der 20er Jahre sowie ähnliche Störungen durch das schwedische Vordringen nach Süddeutschland seit 1630, bleiben unberücksichtigt. 29 Die stichprobenhaften Daten von L. Beutin wiesen bis 1627 ständig anwachsende Werte im transalpinen Leinenhandel auf. 3 0 Eine Vielzahl von Einzelbelegen zur günstigen Exportsituation deutscher Handelsgüter über Italien lieferte auf Basis neu erschlossenen Quellenmaterials auch F. Blendinger. Seine Studie beweist die ungebrochene Kraft des Augsburger Textilhandwerkes in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges. 31 Kriegsbedingte Produktions- oder Absatzeinbußen waren für das Barchent- und Leinengewerbe der Stadt nicht festzustellen 32 und gleichzeitig boomte der Italienhandel mit 2 9
Es ist ausdrücklich daraufhinzuweisen, daß Grendi nicht beabsichtigte, die Fra-
ge nach der wirtschaftlichen Situation der deutschen Kaufleute in Genua nach 1611 zu beantworten. Bei den hier zitierten Daten und Gedankengängen Grendis handelte es sich lediglich um Stichproben und grunsätzliche Überlegungen, die die Entwicklung nach 1619 nicht miteinbeziehen. Außerdem erschien die Arbeit von G.S. Gramulla, die die "Mailandkonjunktur" erstmals in dieser spezifischen Form postulierte, ein Jahr nach dem Artikel Grendis. Strukturen und Konjunkturgang der deutschen Leinenexporte über Genua und über den atlantischen Seeweg sind in Zukunft genauer zu erforschen. 3 0
L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.160 ff. Für 1593 gibt er lediglich die
kommerziellen Werte der Leinenlieferungen für die Furtenbach und die Oesterreicher an. Beide Handelshäuser verzollten in diesem Jahr Leinen im Wert von 76.564 Lire. 1603 führten deutsche Firmen Leinen im Wert von 151.499 Lire nach Genua ein. 1611 betrug der Wert des Leinen bereits 241.944 Lire und 1627 259.663 Lire. Für die Zeit danach liefert Beutin keine Zahlenangaben. 31
F. Blendinger, Augsburgs Handel, S.302; C.-P. Clasen, Die Augsburger We-
ber. Leistungen und Krisen des Textilgewerbes um 1600, Augsburg 1981; W. Zorn, "Ein neues Bild der Struktur der ostschwäbischen Gewerbelandschaft", in: VSWG 75 (1988), S.153-187. 3 2
Vgl. auch: R. Hildebrandt, Handel und Kapitalverkehr, S.139 f. Verluste in Be-
zug auf die Produktionskapazitäten sind schon vor 1631/32 zu konstatieren und stehen mit dem schwedischen Vordringen offenbar in keiner Beziehung.
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VII. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
diesen Produkten. Gerade während des Krieges wurde Genua zur bevorzugten Exportbasis des oberdeutschen Spanienhandels. 3 3 Auch die punktuelle Untersuchung der deutschen und italienischen Geldmärkte und Finanzbeziehungen 1629/30 durch R. Hildebrandt vermittelt den Eindruck ungestörter internationaler Geschäfte. Die italienischen und deutschen Geldmärkte ergänzten sich gerade zu diesem Zeitpunkt auf ideale Weise. Die italienischen Bankplätze waren seit Sommer 1629 durch einen L i q u i ditätsüberhang gekennzeichnet. Dieser "Larghezza" stand i n Deutschland "Strettezza" gegenüber: Geld wurde knapp. Hans de Witte kam seit diesem Jahr in zunehmende Zahlungsschwierigkeiten, während der Krieg gleichzeitig nach weiteren materiellen M i t t e l n verlangte. Potentielle Kreditgeber konnten in Deutschland einträglichere Gewinne als in Italien e r w a r t e n . 3 4 Ein weiterer Punkt, der die außenwirtschaftlichen Beziehungen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges nicht unwesentlich beeinflußte, waren die Subsidienzahlungen. Neben den Capponi waren i n den Transfer der päpstlichen Zahlungen an Habsburg insbesondere die Pestalozzi und die Brocho maßgeblich in33
F. Blendinger, Augsburgs Handel, S.307 f. Neben Unternehmern, die schon vor dem Krieg in Erscheinung traten (Oesterreicher, Hoser) konnte Blendinger auch neue Handelshäuser im Genuageschäft identifizieren. Die Ehefrauen dieser Kaufleute stammten häufig aus den alten Gesellschaften. Die Firma Leser nahm im Mailandund Genuahandel Augsburgs spätestens seit 1637 die Führungsrolle ein. Weiterhin trat die Familie Brocho insbesondere im Barchenthandel in Erscheinung. Ebenda, S.290, S.297. Ortensio Brocho (seit 1618 in Augsburg ansässig) stammte aus Plurs bei Chiavenna und gehörte zu jenen Unternehmern, die die päpstlichen Subsidienzahlungen nach Bayern managten sowie bei den spanischen Zahlungen an Wien beteiligt waren. 1632 gehörte er zu den vermögenden Kreisen Augsburgs. In Genua stand er in Geschäftskontakt zu seinen Verwandten Ortensio und Caspar Brocho, die am Getreidehandel beteiligt waren. Auch in Nürnberg hatten sie eine Filiale. Siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Vendigs, S.146, S.153; ders., Italienische Kaufmannskorrespondenz, S.247 ff; A. Mayr, Augsburger Vermögen, S.118; M.C. Lamberti, Mercantili te-deschi, S.97; H. Ernst, Madrid und Wien, S.271; L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.90, S.97, S.157 ff. 34
Siehe: R. Hildebrandt, Handel und Kapitalverkehr, S.146 ff. Die Quellenbasis dieses Forschungsbeitrages bilden Finanztransaktionen, die für die Kapitalflucht des Bankiers Marx Konrad Rehlingers ins Ausland nötig waren. Der Liquiditätsüberhang Italiens stand vielleicht mit den Zahlungseinstellungen der spanischen Krone, der rückläufigen Edelmetallzufuhr und dem Abzug Genueser Kapitalien von der Iberischen Halbinsel in Verbindung. Diese Zusämmenhänge sind bislang ungenügend erforscht. Ungeklärt ist auch, ob es sich bei dem Ungleichgewicht zwischen beiden Geldmärkten in dieser Zeit nur um eine Episode handelte.
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vol viert. 3 5 Vor allem der Umfang, die Modalitäten und Transferstrukturen der Zahlungen, die wahrscheinlich in Millionenhöhe von Madrid nach Wien flössen, sind trotz der Studie von H. Ernst noch nicht hinreichend untersucht. 36 Eine Beteiligung deutscher Handelshäuser über Genua und Vendig ist für diese spanischen Zahlungen nicht auszuschließen und sogar wahrscheinlich. Großen Anteil am Handelsaustausch und Finanztransfer zwischen Spanien, Genua und Deutschland hatten bekanntlich die Furtenbach, die bis Ende des Dreißigjährigen Krieges als Faktoren der Fugger in Genua agierten. Bereits im direkten Vorfeld des Krieges war dieses Handelshaus neben den Odescalchi, Lumaga, Ott, Zobel, Oestereicher, Amman und Viatis an Finanztransaktionen im Dienste Habsburgs beteiligt. 37 Finanzgeschäfte und Kapitaltransfer lehnten sich überwiegend an die materielle Basis, d.h. die Strukturen des Handelsaustausches, an. Trotzdem ist nach den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des frühmodernen "tertiären Sektors" zu fragen. Diese Problemstellung ist generell um so wichtiger, da bei Forschungen über die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges gerade den außenwirtschaftlichen Beziehungen eine große Bedeutung zukommt. Diese Themen müssen hier weitgehend unberücksichtigt bleiben, weil die nötigen Vorarbeiten zur Klärung aller aufgelisteten Fragestellungen von der For-
35
Die finanziellen Hilfen der Kurie an die katholische Partei sind in ihren Grundzügen bereits umrissen und auch die daran beteiligten Unternehmerkräfte zumindest teilweise identifiziert. Siehe: D. Albrecht, Finanzierung, S.534 ff; W. Reinhard, Finanza pontifica, S.353 ff; E. Stumpo, Il Capitale finanziario a Roma tra Cinque e Seicento. Contributo alla storia della fiscalità pontifica in età moderna (1570-1660), Mailand 1985. Zur Beteiligung der Capponi, Pestalozzi und Brocho siehe: D. Albrecht, Finanzierung, S.536, S.540, S.544, S.555 und H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.134, S.146. Allerdings sind die Geschäftsstrukturen noch näher zu untersuchen. 3 6
Darauf verweist nachdrücklich: R. Hildebrandt, Handel und Kapitalverkehr, S. 150. Siehe auch: E. Hildegard, "Spanische Subsidien für den Kaiser 1632-1642", in: K. Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1648, München 1988 und besonders H. Ernst, Madrid und Wien, S.260 ff. 37
Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.277 ff und H. Ernst, Madrid und Wien, S.13 ff, S.224 ff, S.254 ff. Wichtige Schaltstellen für die Transferierung spanischer Subsidienzahlungen nach Wien waren zweifellos Augsburg, Genua und wahrscheinlich auch Venedig. Ebenda, S.267 ff. Die Zahlungen liefen in den 30er Jahren u.a. über die Handelshäuser Giulini, Pestalozzi und Vertema in Augsburg. Zur zentralen Bedeutung der Lumaga (und der mit ihnen verbunden Geschäftskreise) für das Versorgungssystem Hans de Wittes siehe: L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S. 130-145. Vgl. zum Geschäftsnetz dieser Handelshäuser auch: M.C. Lamberti, Mercanti tedeschi, S.83 und S.104.
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VII. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
schung bislang nicht geleistet worden sind.38 Das generelle Problemfeld interessiert für die folgenden Ausführungen nur insoweit, als die bei den süddeutschen Salpeterlieferungen beteiligten Handelshäuser in Diensten der Republik Genua standen oder sogar für Habsburg tätig waren. Vor diesem Hintergrund wären detaillierte Einzelforschungen zur "Mailandkonjunktur" in Zukunft besonders für Genua sinnvoll und wünschenswert. In Anbetracht der handelsstrukturellen und finanzwirtschaftlichen Vorüberlegungen kann die "Mailandkonjunktur" in der Grundtendenz als kriegsbedingte Spanienkonjunktur gewertet werden. Die Frage nach den negativen Folgen der politschen Ereignisse von 1630 auf die wirtschaftliche Entwicklung Europas kann bei der folgenden Untersuchung außer acht gelassen werden, weil die Salpeter- und Schießpulverlieferungen bereits vor der fraglichen Zäsur erfolgten. 39 Die Untersuchung legt die Hypothese von "normalen" internationalen Austauschbeziehungen zugrunde. Es wird sogar von einem kriegsbedingten Boom der "Mailandkonjunktur" ausgegangen, der auch für die Salpeter- und Schießpulverlieferungen von ausschlaggebender Bedeutung war. Beeinträchtigungen durch das Kriegsgeschehen gab es offenbar nicht.40
2. Die Pulver- und Salpeterlieferungen Georg Ammans und Giulio Cesare Pestalozzis aus Augsburg an Gio Maria Vertema in Genua Die erste süddeutsche Schießpulver- und Salpeterlieferung erreichte Genua im Frühjahr 1626. Als offizieller Auftraggeber fungierte Gio Maria Vertema, der sich an die Augsburger Firma "Georg Amman & Giulio Cesare Pestaloz38
Siehe: R. Hildebrandt, Handel und Kapitalverkehr, S.149 f. In diesem Jahr weitete sich der Konflikt mit dem Kriegseintritt Schwedens endgültig zum europäischen Konflikt aus. Gleichzeitig zeichneten sich mit dem Regensburger Kurfürstentag und der Entlassung Wallensteins sowie den offen zu Tage tretenden finanziellen Grenzen Hans de Wittes wirtschaftliche Erschöpfungserscheinungen Deutschlands deutlich ab. Unbeantwortet blieb bislang jedoch die Frage, inwieweit der europäische Krieg auch das internationale Netz der außenwirtschaftlichen Beziehungen beeinträchtigte. 40 In Bezug auf die Mailandkonjunktur ist insbesondere an den Veltlinkonflikt zu denken. In Bezug auf die Salpeterlieferungen kommen speziell die Auseinandersetzungen im Vorfeld der Mantuanischen Erbfolgekriege als Störfaktor in Betracht. Wegen der Kriegsereignisse im Norden und auf dem Atlantik blieb der Landweg in den 20er und 30er Jahren trotz der Kriegsereignisse in Italien und des schwedischen Vordringens nach Süddeutschland offensichtlich die sicherere Verbindung. 39
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zi" wandte, 41 mit der er offensichtlich in Geschäftsbeziehungen stand.42 Die Ware wurden durch dieses Handelshaus bis nach Mailand versandt. Den weiteren Transport übernahm die bekannte internationale Speditionsfirma "Giulio Volpi".
Die Vertema Die Vertema stammten ursprünglich aus dem traditionsreichen Seidenhändlerort Plurs im Bergell, der 1618 verschüttet wurde. 43 Sie gehörten zu der Gruppe von international operierenden Kaufmannsfamilien aus Graubünden und der Lombardei, die am Verkehrsknotenpunkt der großen westlichen Alpenübergänge zunächst an der Vermittlung zwischen Süddeutschland und Norditalien beteiligt waren. Zu diesen Handelshäusern zählten so bekannte Firmen wie die Pestalozzi, Brocho, Lumaga, Corolanza und Beccaria sowie die Odescalchi, della Porta und Castello.44 Im Laufe des 16. Jahrhundert ließen sich diese Kaufleute sowohl in den großen süddeutschen als auch in den norditalienischen Handelsmetropolen nieder. Über Nürnberg 45 und Augs41
A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni). Gesamtabrechnung der Amman & Pestalozzi vom 6. Februar 1626, Abrechnung der Speditionsfirma Giulio Volpi vom 10. Juli 1626, undatierte Gesamtaufstellung der Genueser Verwaltung über die Transportkosten von Mailand nach Genua. 42 Leider fanden sich in den Quellen keine erläuternden Hinweise, die die Genueser Geschäftsstrukturen erhellt hätten. Die Vertema standen seit den 90er Jahren des 16. Jahrhundert in guten Beziehungen zur Republik, an die sie nordeuropäisches Getreide in großen Mengen lieferten. Schon von daher ist die Beteiligung dieser Familie an Salpeterlieferungen nicht verwunderlich. Weiterhin traten die Vertema Anfang des 17. Jahrhunderts auch als Rüstungshändler Habsburgs in Erscheinung. Siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.264. 43 Ebenda, S.262 ff und ders., Italienische Kaufmannskorrespondenz, S.145 ff. 44 Zur günstigen verkehrgeographischen und politischen Lage der Gegend um Lindau, Chur, Chiavenna, Plurs und Como und den von dort aus operierenden Handelshäusern siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.131 f; ders., Lindau und die Alpenpässe, S.209 ff; ders., Geldtransfer, S.288 f. 45 Zur Präsenz italienischer Kaufleute in Nürnberg, siehe: B. Freund, Italienische Kaufleute; L. Bauer, "Die italienischen Kaufleute und ihre Stellung im protestantischen Nürnberg Ende des 16. Jahrhunderts", in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 22(1962), S.l-18; H. Kellenbenz, Venedig, S.146; L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.89 ff. Die in Nürnberg nachweisbaren Familien Beccaria, Corolanza, Lumaga und Vertema stammten aus Plurs. Die ebenfalls dort ansässigen Odescalchi und della Porta waren aus Como.
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VII. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
b ü r g 4 6 nahmen diese Familien mindestens bis i n die 20er Jahre des 17. Jahrhunderts am internationalen Handelsleben in großem Umfang t e i l . 4 7 V o r allem die rätoromanisch sprechenden Graubündener ließen sich seit 1580 an den Höfen Prags und Wiens nieder, wo sie als Bankiers und Handelshäuser Habsburgs fungierten. 4 8 Der protestantische Teil der Familie Vertema siedelte sich i n Basel a n . 4 9 Der katholische Z w e i g ging nach Genua, w o i n den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts Gio Battista Vertema als Seiden- und Kupferhändler, i m Atlantikhandel und als wichtigster Getreidehändler i n Genueser Diensten i n Erscheinung t r a t . 5 0 Hierbei arbeitete Vertema mit dem Genueser Handels- und Bankhaus der Sivori zusammen. 5 1 I n Genua existierten Anfang des 17. Jahrhunderts unter dem Namen Vertema vier große Handelsunternehmungen: Gio Battista & Carlo Vertema, Pompeo Vertema, die Erben Gio und L . Vertemas sowie Gio Maria V e r t e m a . 5 2 Die Vertema waren i n Genua anscheinend das Handelshaus mit den besten Beziehungen nach Nordeuropa. Als Agent i n 4 6
Neben den aus Plurs stammenden Brocho waren die Handelshäuser Zorzi und
Sini in Augsburg ansässig. Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.288. 4 7
Zum Rückzug der italienischen Unternehmerkräfte aus den süddeutschen Handelszentren siehe: G. Seibold, Italienische Kaufleute, S.186 ff. Vgl. auch die Hypothesen von: L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.95 f. 4 8
Sie verdrängten dabei in erster Linie Nürnberger Geschäftsleute. Siehe: H. Kellenbenz, Venedig, S.151 f; ders., Geldtransfer, S.289; J. Bukacek, Le realzioni cecoitaliane dalle origini all'epoca presente, Triest 1930; E. J. Görlich, "Graubündener in Wien", in: Wiener Geschichtsblätter 26(1971), S.211-213; F. Tremel, "Graubündener Kaufleute in Wien", in: Ebenda, S.243-245; ders., Venezianer Handel, S.621 ff; H. Valentinisch, Italienische Unternehmer, S.695 ff; J. Bérenger, "Finanzplatz Wien. Die innerstaatliche und internationale Stellung in historischer Perspektive", in: Quartalshefte 15(1980), S. 11-63. 4 9
H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.288. Wie die Furtenbach verfügten die Vertema über eigene Schiffe. Zum umfangreichen Überseegeschäft und Seidenhandel der Vertema über Genua siehe: E. Grendi, Nordici, S.44. Zu ihrer Beteiligung im Kupfer- und Leinenhandel siehe: L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.160 f. 5 0
51
Siehe: E. Grendi, Nordici, S.26 f, S.30 f, S.44 und L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.7, S.14, S.31. 52
1590-1608 machte das Gemeinschaftsunternehmen von Gio Battista und Carlo Vertema insgesamt 639.000 Lire Umsatz im Import/Export. Pompeo Vertema wies 1592-1611 95.000 Lire auf. Die Erben Giovanni und L. Vertemas verzollten 15901605 Waren im Gesamtwert von 75.000 Liren. Der im Zusammenhang mit der süddeutschen Schießpulverlieferung in Erscheinung tretende Gio Maria Vertema verzollte in den Jahren 1608/09 Waren fiir 31.000 Lire. Ebenda, Tabelle 6 (S.41).
. Pulver- und Salpeterlieferungen
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Norddeutschland fungierte zweitweise Carlo Vertema, der aber bald nach Nürnberg übersiedelte, wo eine Geschäftszentrale der Firma liegen sollte. Die Vertema arbeiteten eng mit Oratio della Porta und den Corolanza zusammen.53 Darüber hinaus verfügten die Vertema seit Ende des 16. Jahrhunderts über ein weitgespanntes Geschäftsnetz in der habsburgischen Einflußsphäre. Große Finanz- und Rüstungsgeschäfte mit der Hofkammer sind seit 1595 bezeugt. Um 1607 kamen die Vertema in Zahlungsschwierigkeiten, die dazu führten, daß diese Familie offenbar für längere Zeit aus den internationalen Austauschbeziehungen ausschied. Allerdings trat Giovan Battista Vertema dann als Faktor Hans de Wittes in Prag wieder in Erscheinung.54
Die Pestalozzi
Auch das Handelshaus der Pestalozzi wies ähnliche Geschäftsstrukturen und Entwicklungen auf. Anscheinend stammte die Familie ursprünglich aus dem graubündischen Cuoira. Schon frühzeitig verfügten sie über Stützpunkte in Como, Lugano und Bergamo. Wie viele ihrer Landsleute waren sie in erster Linie am Transportgeschäft auf den Alpentransitstraßen beteiligt, bauten ihren eigenständigen Handel im Laufe der Zeit aber systematisch aus.55 Besonders zu betonen ist ihre Einbeziehung in die Fuggerschen Geschäfte mit Jenbacher Kupfer im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts. Das Metall kam über den Inn bis nach Hall und wurde auf Maultieren durch das Engadin bis nach Chiavenna gebracht. Hier wurde die Ware von Antonio Pestalozzi über53
Zu Carlo Vertema (Bruder Giovann Battistas) sowie zu Virginio Vertema, der gegen Ende des 16. Jahrhunderts die norwesteuropäischen Geschäfte abwickelte, siehe: H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.262 ff. Es bleibt fraglich, ob der Hauptsitz der Firma in Nürnberg oder Genua lag. Zur Nürnberg Filiale und weiteren, in Nürnberg ansässigen Familienmitgliedern siehe: L. Bauer, Italienische Kaufleute, S.13; E.E. Unger, Nürnberger Handel, S.47 f; L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.90. Zur Zusammenarbeit mit den della Porta, die 1618 Bankrott machten, siehe: Ebenda und H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.263. Die Vertema fungierten in Nordeuropa als Spediteure der della Porta im Überseegeschäft. Zur Zusammenarbeit mit den Crollalanza, die in Genua den Versicherungsteil der Geschäfte übernahmen, siehe: E. Grendi, S.44. Vgl. auch: L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.135 ff. 54 H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S.262 f; H. Ernst, Madrid und Wien, S.271 f; A. Ernstberger, Hans de Witte, S.222. 55 Über die Aktivitäten dieses wichtigen europäischen Handelshauses sind bislang nur wenige Einzelinformationen verfügbar. Siehe: H. Kellenbenz, Italienische Kaufmannskorrespondenz, S.248 ff, G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.183, S.255, S.261, L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.90, S.179-185.
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VII. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
nommen, der für die Versendung bis an den Comer See verantwortlich zeichnete. Dort besorgte die Speditionsfirma "Raimondi & Volpi" den weiteren Transport der Ware, die den Furtenbach in Genua übergeben wurde.56 Nürnberg und Augsburg waren wichtige kommerzielle Stützpunkte der Pestalozzi.57 Außerdem unterhielten sie in Bergamo ständige Geschäftsbeziehungen zu den Kölner de Groote, die bei ihnen im Jahre 1651 beträchtliche Außenstände zu verzeichnen hatten.58 Sogar bis nach Krakau reichte der Aktionsradius dieses Handelshauses.59 Finanzgeschäfte im Dienste der politischen Gewalten wurden mit der Zeit immer bedeutender. Paolo Pestalozzi war über Venedig an den päpstlichen Subsidienzahlungen für Wien maßgeblich beteiligt. Wahrscheinlich gewährte er dem Kurfürsten Maximilian von Bayern auch nach 1632 Kredit, als dessen Subsidiensystem durch die schwedische Besetzung zeitweise nicht mehr funktionierte.60 Außerdem fungierte die gemeinsame Handelsunternehmung von Giulio Cesare Pestalozzi und Georg Amman als Hauptfaktor Hans de Wittes. Über Nürnberg und Augsburg waren die Pestalozzi & Amman an der Kriegsfinanzierung Wallensteins beteiligt. Während des Dreißigjährigen Krieges waren in Wien Antonio, Giovann Battista und Stefano Pestalozzi in kaiserlichen Diensten tätig.61 Giovann Battista Pestalozzi war im Genueser Munitionsgeschäft mit Hamburg als Interessenvertreter der Cerneschi aus Venedig in Erscheinung getreten, weil die Firma Amman & Pestalozzi am Zahlungsverkehr für die Genueser Bestellungen in Frankfurt direkt beteiligt war. Wie die bearbeiteten Quellen auswiesen, befand er sich vordergründig nur wegen der Zahlungsproteste in Hamburg.62 Vermutlich verbanden ihn mit dem Geschäftskreis der Am56
L. Scheuermann, Fugger, S.318. H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.146; G. Seibold, Italienische Kaufleute, S.189; L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.179 ff. 58 G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.261, S.309. 59 F. Tremel, Graubündener Kaufleute, S.244. 60 Siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.134, S.152 und D. Albrecht, Finanzierung, S.536, S.540, S.544, S.555. Zu weiteren Geschäften der Pestalozzi über Venedig siehe auch: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.27, S.38 f, S.246. 61 Siehe: A. Ernstberger, Hans de Witte, S.217, S.219, S.221, S.224, S.287; H. Ernst, Madrid und Wien, S.271; E.J. Görlich, Graubündener, S.211 ff; F. Tremel, Graubündener Kaufleute, S.243 f. 62 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Trattenaufstellung vom 1. September 1626, Kompromiß vom 28. Februar 1627 sowie die eidesstattliche Erklärung Cornells de Hertoghes vom 30. Juli 1627 und die Mitteilungen Lelio Levantos vom 5. März und 5. Juni 1627. 57
. Pulver- und Salpeterlieferungen
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sinck weitere Interessen. In Antwerpen stand Giovann Battista Pestalozzi mit Jan Paolo Dorchi in Kontakt, um den Zahlungstransfer zwischen den einzelnen Habsburger Besitzungen zu managen.63 Feste Geschäftsverbindungen bestanden offenbar auch zu den Odescalchi und den Lumaga. 64 Damit gehören die Pestalozzi und ihre Partner eindeutig zu jenen Unternehmerkräften, deren geschäftliche Tätigkeit im Dreißigjährigen Krieg eng mit dem Haus Habsburg verbunden war. 6 5 Ihre Geschäftsbeziehungen mit Hamburg und Antwerpen lassen auf Aktivtitäten im Rüstungsbereich schließen.
Die Amman Georg Amman entstammte einer Nürnberger Patrizierfamilie, hatte seinen Hauptgeschäftssitz jedoch in Augsburg. Er war mit Giulio Cesare Pestalozzi assoziiert, der für die Nürnberger Filiale ihres gemeinsamen Handelsunternehmens verantwortlich zeichnete.66 Verschwägert waren die Amman u.a. mit den Gienger und den Linck. 67 Die Amman gehörten zum Kreis um die Familien von Stetten, Cronen und Dreitel, die wiederum mit den Handelshäusern der Oesterreicher und Christeil in engen Verbindungen standen.68 63
Siehe: R. Baetens, Nazomer, Bd.I, S.219. Beteiligt waren auch die Bustanzo. Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.293. Die Bustanzo waren ebenfalls am Zahlungsverkehr des Amsterdamer Schießpulvergeschäftes beteiligt. 64 Zu den Geschäftsbeziehungen zwischen den Pestalozzi und den Odescalchi siehe: A.S.G. Antica Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni), Briefe Lelio Levantos vom 5. März und 5. Juni 1627. Zu den Geschäftsinteressen der Odescalchi und Pestalozzi in Venedig siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.38 f, S.246, S.358, S.434, S.711. Vgl. auch: L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S. 130-145 S.468-480. 65 Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.277 ff, S.289. Allerdings traten die Pestalozzi bei den von Kellenbenz analysierten Transfergeschäften nicht in Erscheinung. 66 Siehe: L.F. Peters, Handel Nürnbergs, S.182. Zu diesem wichtigen Handelshaus existieren nur Informationen fragmentarischen Charakters. Amman wird oft fälschlich als Augsburger bezeichnet. Zur verwandtschaftlichen Bindung an die große Ravensburger Handelsgesellschaft über die Familie Humpis siehe: A. Schulte, Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd.II, S.172. 67 Ebenda. Hans Amman (gest. 1627) war seit 1602 mit Judith Gienger verheiratet. Jörg Amman (gest. 1618) war seit 1593 mit Sabina Linck verheiratet. 68 C. Dalhede, Augsburger Quellen, S.514 ff. Seit 1614 führten beide Seiten (Oestereicher/Christell gegen Amman/von Stetten/Cronen/Dreitel) anläßlich des Burattini-Konkurses jenen berühmten Prozeß, der in Appellation schließlich bis zum Jahre 1642 dauern sollte. Mit den Oestereichern waren die Amman auch verwandtschaftlich verbunden. Siehe: A. Mayr, Augsburger Vermögen, S.58.
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VII. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
Weiterhin existierten verwandtschaftliche Beziehungen zu den Furtenbach und zur Familie Buroner. 69 Seit 1632 zählte Georg Amman zur vermögenden Elite Augsburgs. 1632 und 1646 zahlte er 225 bzw. 200 Gulden Steuer. Sein Vermögen belief sich demnach schätzungsweise auf 40.000-90.000 Gulden. Nach seinem Tod (1654) zahlten seine Kinder 213 Gulden Steuer. Die Vermögenshöhe der Familie bewegte sich demnach konstant zwischen 42.000 und 85.000 Gulden. 70 Besonders aktiv waren die Amman im Venediggeschäft, wo sie noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts nachweisbar waren. 71
Die Volpi Die Speditionsfirma "Hironimus Volpi & Giovanni Antonio Raimundi" wurde vor 1579 in Mailand gegründet und war seit 1585 im Transportgeschäft zwischen den Niederlanden und Italien nachweisbar.72 In Italien waren die Volpi maßgeblich am Kupfertransport der Fugger nach Genua beteiligt. 73 Seit 1595 unterhielt die Firma in Köln eine eigene Filiale, die von Hieroni69
Zur Vermögens- und Familiensituation der Familie Buroner, die ebenfalls mit den Oesterreichern verwandt war, siehe: Ebenda, S.103 f, S. 115, S.118. Jeremias Buroner (gest. 1637) zahlte 1618 672,5 Gulden Steuer. Sein Bruder Hans Christoph (gest. 1636) 337,5 Gulden. Marx Buroner (gest. 1624) zahlte 153 Gulden. Die Buroner betrieben regen Italien- (insbesondere Venedig-)Handel vor allem mit den Guadagni. Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.290. Martin Furtenbach (1582-1634), Bürgermeistersohn aus Lindau, war 1616 die Ehe mit einer geborenen von Stetten und verwitweten Christel eingegangen. 1623 heiratete er Regina Amman. Er zahlte 1632 267 Gulden Steuer und verfugte schätzungsweise über ein Vermögen von 53.400-106.800 fl. Er zählte somit zu den reichsten Personen Augsburgs. Seine Witwe (vermutlich Regina Amman) zahlte 1646 159,5 Gulden Steuer. Ihr Vermögen belief sich demnach auf 31.900-63.000 fl. Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.291 und A. Mayr, Augsburger Vermögen, S.118, S.120. 70 Ebenda. 1632 rangierte Georg Amman auf Platz 19 der Augsburger Steuerzahler. 1646 und 1660 fanden sich die Amman auf Rang 7. 1632 wurden außerdem Philipp Ammans Erben aufgeführt, die 100 Gulden Steuern zahlten und somit über ein Vermögen von 20.000-40.000 Gulden verfügten. 71 Siehe: H. Kellenbenz, Niedergang Venedigs, S.162 und F. Blendinger, Augsburger Handel, S.290. So verschickten die Brüder Hans und Jörg Amman 1592 Zinn, Leinwand und Wolldecken nach Bozen. 72 Siehe: G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.180 f, S.193 f, S.299 ff und E. von Ranke, Wirtschaftliche Beziehungen, S.75, S.81. 73 H. Kellenbenz, Christoph Furtenbach, S.1102 f.
2. Pulver- und Salpeterlieferungen Georg Ammans
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mus Volpi geführt wurde. Die Leitung des Unternehmens in Mailand hatte sein Bruder Julius, der mit Leonora Vertema verheiratet war. 74 Ihr Sohn Cesare folgte seinem Onkel Hieronimus 1597 von Antwerpen nach Köln und übernahm nach dessen Tod die nordwesteuropäischen Geschäfte. Die Raimondi waren bereits um 1600 aus der Firma ausgeschieden. Unter Cesare Volpi wurde das Eigengeschäft des Handelshauses beträchtlich ausgebaut. Insbesondere in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts betrieben die Volpi über Köln umfangreiche Italiengeschäfte. Vor allem befaßte man sich in dieser Zeit mit der Versendung von niederländischem Leinen.75 Aber auch in den Export über Sevilla konnten sich die Volpi dank ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen einschalten.76 Cesare Volpi war seit 1605 mit Anna de Groote verheiratet, die dem Antwerpener Familienzweig angehörte. Über die de Groote waren die Volpi wiederum mit den Hureau, Van Colen, Furment und Hennin verschwägert.77 Für den Transport des süddeutschen Schießpulvers von Mailand nach Genua zeichnete Giulio Volpi (Vater des Cesare Volpi) in Mailand verantwortlich.
Salpeterlieferung
Laut Gesamtabrechung der Firma Amman & Pestalozzi vom 6. Februar 1626 wurden 61 Faß Schießpulver zu einem Gesamtgewicht von 10.720 Pfund und 5 Faß Salpeter mit einem Inhalt von 850 Pfund in Augsburg erworben.78 Das Schießpulver kostete pro Zentner 26 Rechnungsgulden (umge74
G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.299. Ebenda, S.262, S.270. Zu den Venediggeschäften der Volpi siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchandsflamands, S.74, S.118, S.122, S.139, S.408, S.645. 76 G.S. Gramulla, Kölner Kaufleute, S.372 f. 77 Ebenda, S.300 f, S.380. Cesare Volpi gründete mit den Brüdern seiner Frau in Antwerpen eine Handelsgesellschaft. Nach seinem Tod (1630) führten die Söhne Hieronimus (gest. 1642) und Nikolaus (gest. 1645) die Geschäfte des Vaters weiter. 78 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni). Die Faßinhalte schwankten. Salpeter befand sich in Fässern mit einem Nettoinhalt von je 170 Pfund. In 26 Pulverfässern befanden sich jeweils 132 Pfund. In 12 Fässer waren jeweils 141 Pfund Pulver gefüllt. Die restlichen 23 Fässer wiesen ein Fassungsvermögen von 175 Pfund auf. Zum Augsburger Pfundgewicht vgl.: M.J. Elsas, Umriß einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland, Bd.I, Leiden 1936, S.154. Bis 1810 gebrauchte man in der Reichsstadt zwei unterschiedliche Handelspfundgewichte: Das Großgewicht wog 490,82 gr, das Leichtgewicht wies nur 472,38 gr auf. Vermutlich bezog sich die Angabe "Zentner" auf 100 Augsburger Handelspfund, so daß als Bezugsgröße 49 kg zugrunde gelegt wurden. 75
21 Zunckel
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VII. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
rechnet 17,5 Reichstaler). Für den Salpeter wurden 24,5 Rechnungsgulden (16,5 Reichstaler) bezahlt.79 Angesichts des Kriegszustandes im Deutschen Reich ist dieses Preisniveau erstaunlich niedrig. 1609 kostete Schießpulver in Augsburg bereits 20 Gulden. 1611 wurden 24 Gulden veranschlagt.80 Das Hamburger "Normalpreisniveau" für militärische Explosivstoffe wurde im November 1625 mit 21-24 Reichstalern (umgerechnet 31,5-36 Rechnungsgulden) angegeben.81 Der Einkaufspreis der für Genua bestimmten Ware betrug 2787 Gulden für das Schießpulver und 207 Gulden für den Salpeter. Die Nebenkostenaufstellung der Amman & Pestalozzi Schloß darüber hinaus alle anfallenden Posten ein, die für die Verpackung der Güter in Augsburg sowie für die Spedition bis nach Mailand anfielen. Die Nebenkosten für das Pulver betrugen demnach 1135 Gulden. Den Hauptanteil machten natürlich die Transportkosten bis nach Mailand aus, die mit 939 Gulden ins Gewicht schlugen.82 Analog zum Pulver wuren auch für den Salpeter 90 Gulden für Verpackung und Transport berechnet.83 Der Preis der Ware hatte sich in Mailand also bereits um 4143% erhöht: Salpeter stieg von 24,5 auf 35 Gulden, Schießpulver von 26 auf 37 Gulden.
79
Zu den Augsburger Währungsverhältnissen siehe: Ebenda, S. 118-122 und R. Hildebrandt, Handel und Kapitalverkehr, S.143, S.145. Auf einen Rechnungsgulden kamen 60 Kreuzer, auf einen Rtl. gingen 90 Kreuzer. 1 Rtl. entsprach demnach 1,5 Rechnungsgulden. Das Silberäquivalent des Rechnungsgulden betrug ca. 17,32 gr. 80 Zu den Vergleichszahlen siehe: J. Kraus, Militärwesen Augsburgs, S.335 f. Trotz günstiger Kriegskonjunktur wäre der Schießpulverpreis demnach lediglich um 2 Rechnungsgulden pro Zentner gestiegen. 81 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni), Marktinformationen der Handelsherren Maggioli & Lazagna aus Antwerpen vom 14. November 1625 (pro Hamburger Ztr. zu ca. 54 kg). 82 A.S.G. Camera del Governo Nr.768 (Munitioni) Die restlichen 196 Gulden entfielen auf die Wiegekosten und die Umverpackung der Ware, weil der Transport über die Alpen nicht in den Faßbehältnissen, sondern in Säcken erfolgte. Obwohl an einer Stelle ein Hinweis gegeben ist, daß es sich um fränkische Ware handelte, wird in der Nebenkostenaufstellung angegeben, daß 12 Gulden an den Zeug wart des Augsburger Arsenals gezahlt wurden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Zahlung geleistet wurde. Die an Verpackung und Wiegekosten anfallenden Nebenkosten beliefen sich auf ca. 7% des Warenwertes. Der Transport bis nach Mailand verteuerte die Bestellung um weitere 34%. 83 Ebenda. Die Transportkosten schlugen beim Salpeter mit 79 Gulden (38% des Warenwertes) ins Gewicht. Die übrigen Nebenkosten beliefen sich auf 11 Gulden (5 % des Ankaufspreises).
3. Pulver- und Salpeterlieferungen Christoph Furtenbachs
323
Weitere 289 Lire berechneten die Volpi zusätzlich für die Formalitäten in Mailand. 84 Einschließlich der Zollkosten schlug der Transport nach Genua mit 965 Lire zu Buche. Bei Ankunft in der Mittelmeerstadt kostete das Schießpulver pro Zentner 108 Genueser Lire (27 Reichstaler oder 40,5 Augsburger Rechengulden). Der Salpeter kostete Genua im Endeffekt 105 Lire (26 Reichstaler oder 39 Gulden). 85 Durch den Landtransport verteuerten sich die Waren also um 56-59%.
3. Die Pulver- und Salpeterlieferungen Christoph Furtenbachs Christoph Furtenbach Die Furtenbach stammten aus dem Raum Oberschwaben und Vorarlberg. Zweige der Familie waren in Feldkirch, Lindau, Leutkirch, Memmingen, Ulm, Augsburg und Nürnberg ansässig.86 Neben der günstigen verkehrsgeographischen Lage dieser Gebiete an den westlichen Alpenübergängen stand insbesondere die Entfaltung des süddeutschen Leinengewerbes in engem Zu84
Ebenda, Abrechnung der Volpi vom 10. Juli 1626. Sie berechneten 329 Mailänder Lire für ihre Dienste, wobei allein 207 Lire an Durchfuhrzoll in Mailand zu entrichten waren. 66 Lire (20% der von ihnen berechneten Summe) betrug ihre Provision. In einer gesonderten (undatierten) Aufstellung rechnete die Genueser Rechnungskammer die Forderungen der Volpi in 289 Genueser Lire um. Weitere 954 Lire kamen für den Transport der Ware nach Genua (einschließlich Zollkosten) hinzu. 11,5 Lire fielen in Genua für die Einlagerungskosten an. Zur Mailänder Rechnungseinheit siehe: G. Felloni, Finanze statali, S. 197 ff. 85 Der Gesamtpreis setzt sich aus den Forderungen der Amman & Pestalozzi in Höhe von 4.219,5 Gulden (2.813 Rtl.) plus 1255 Lire Transportkosten von Mailand nach Genua zusammen. Bei den Transportkosten wurde nicht in Salpeter- und Schießpulveranteil getrennt. Analog des Mengenverhältnisses zwischen beiden Waren und in Anbetracht des Umstandes, daß die Nebenkosten der Augsburger Aufstellung für beide Güter in etwa parallele Werte aufweisen, sollen auch die italienischen Transportund Nebenkosten im Verhältnis 92:8 aufgeteilt werden. Auf das Pulver entfielen demnach 1155 Lire. Der Anteil des Salpeter lag bei 100 Liren. Legt man ein (ungefähres) Umrechnungsverhältnis der Genueser zur Augsburger Rechnungseinheit über den Reichstaler zu Grunde (d.h. 1 Rtl. = 4 Lire), so kommt man zu den angeführten Werten, die sich auch mit den Silberäquivalenten der Rechnungseinheiten decken. 86 Siehe: R. Ehrenberg, Zeitalter der Fugger, S.246; J. Kammerer/G. Nebinger, Eberz, S.333 ff, S.388 ff; L. Welti, "Geschichte des Geschlechts Furtenbach", in: Montfort. Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwartskunde Vorarlbergs 22 (1970), S.68-76. 21
324
. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
sammenhang mit den kommerziellen Aktivitäten dieses großen Handelshauses.87 Noch bis ins 18. Jahrhundert waren die Furtenbach neben den Eberz im Leinenexportgewerbe des Bodenseeraumes führend. Zwischen beiden Familien bestanden enge verwandtschaftliche und geschäftliche Beziehungen.88 Wie die Münzer, mit denen die Feldkirchener Furtenbach verschwägert waren, kam das Handelshaus schon frühzeitig nach Nürnberg. Hier trat Mitte des 16. Jahrhunderts insbesondere Bonaventura Furtenbach mit großen Geldgeschäften in Erscheinung.89 Handelskontakte unterhielten die Furtenbach vor allem zur Nürnberger Familie Schäufelin, die im ostmitteldeutschen Leinengeschäft hervortrat, sowie zu den Gewandschneidern.90 In Augsburg war im 17. Jahrhundert Martin Furtenbach ansässig. Er stammte aus dem Lindauer Familienzweig und war mit einer Amman verheiratet. U.a. stand er mit den Rehlingern und der Schaffhausener Firma Payer in Kontakt.91 Der Mathematiker Joseph Furtenbach (gest. 1667) aus dem Leutkirchener Familienzweig war Anfang des 17. Jahrhunderts in Ulm als Rats- und Bauherr tätig. Als Autor von Büchern zum frühneuzeitlichen Ingenieurswesen gelangte er zu einiger Berühmtheit. Insbesondere sein 1629 in Ulm (!) erschienenes Werk zum Schiffbau sowie die 1627 herausgegebene Schrift zur 87
Zur günstigen Lage der Grenzgebiete des Bodensees zwischen Oberschwaben, Vorarlberg und der Grafschaft Montfort (Lichtenstein) siehe: H. Kellenbenz, Lindau und die Alpenpässe, S.199 ff, S.206 ff. 88 H. Kellenbenz, "Isny im Allgäu. Von den wirtschaftlichen Möglichkeiten einer Reichsstadt zwischen Mittelalter und Neuzeit", in: Jahrbuch für die Geschichte der oberdeutschen Reichsstädte 12/13 (1966/67), S.100-123; ders., "Die Wirtschaft der schwäbischen Reichsstädte zwischen 1648 und 1740", in: Ebenda 11(1965), S.128165; W. Zorn, Handels- und Industriegeschichte Bayerisch-Schwabens 1648-1870, Augsburg 1961, insbesondere S.75 ff, S.265 f, S.277. Zu den Handelsbeziehungen der Eberz nach Breslau siehe auch: A. Manikowski, Il commercio italiano di tessuti di seta in Polonia nella seconda metà del XVII secolo, Warschau 1983, S.80 ff. 89 Siehe: Α. Schulte, Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd.n, S.16, S.19. und W. Schultheiß, Geld- und Finanzgeschäfte, 106 f, S.147. Zur Einbindung der Furtenbach in die führende Nürnberger Geschäftselite vgl. auch: A. Simsch, Die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und Posen im europäischen Wirtschaftsverkehr des 15. und 16. Jahrhunderts, Wiesbaden 1970, S.42. 90 G. Aubin/ A. Kuntze, Leinenerzeugung, S.151, S.258. 91 Zu den familiären Bindungen an die Große Ravensburger Handelsgesellschaft siehe: A. Schulte, Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd.n, S. 182. Zu Martin Furtenbach siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.291; A. Mayr, Augsburger Vermögen, S.118, S.120; R. Hildebrandt, Handel und Kapitalverkehr, S.143 f. Vgl. auch die Anmerkung 69 auf S.320 der vorliegenden Arbeit.
3. Pulver- und Salpeterlieferungen Christoph Furtenbachs
325
modernen Büchsenmacherei, verbesserten Salpetergewinnung und Schießpulverherstellung, sind neben anderen kriegstechnischen Schriften von Bedeutung. Außerdem gab er im Jahre 1627 eine Schilderung des wöchentlichen Botendienstes zwischen Lindau und Mailand.92 Bedeutendster Vertreter der Familie war seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts Christoph Furtenbach (1522-1643).93 Er war der älteste Sohn des Ratsherren Paul Furtenbach (1523-1589) zu Feldkirch.94 Im Jahre 1577 92
J.R. Partington, Greek Fire, S. 167 f, S.325. Die protochemische Schrift trägt den Titel: "Halinitro-Pyrobolia./Schreibung Einer newen Büchsenmeisterey/nemlichen: Gründlicher Bericht wie die Salpeter/Schwefel/Kohlen/vnnd das Pulver zu praepariren/zu probieren/auch langwirzig gut zu behalten: Das Fewerwerck zu Kurtzweil vnd Ernst zu laboriren ... Aller aufz eygener Experientza", Ulm 1627. Zur Schrift "Architectura Navalis. Das ist: Von dem Schiff Bebäw", Ulm 1629, siehe auch: L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.46 f und H. Kellenbenz, Lindau und die Alpenpässe, S.211, S.216. 93 Siehe: H. Kellenbenz, Christoph Furtenbach, S.1102 ff. Christoph Furtenbach (seit 1600 Herr von Amberg bei Feldkirch) blieb unverheiratet und machte bereits im Jahre 1637 sein Testament. Furtenbach war sehr vermögend. Er hinterließ eine Summe von 50.000 Fiorin. Das in Genua abgefaßte und notariell beglaubigte Nachlaßdokument befindet sich im Staatsarchiv Feldkirch. Quellenbelege zu diesem Handelsherren finden sich in österreichischen Archiven nur selten, weil Furtenbach die meiste Zeit seines Lebens in Genua tätig war. Nähere Aufschlüsse können nur systematische Nachforschungen in den umfangreichen Archivbeständen der Mittelmeerstadt liefern, die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht gemacht werden konnten. Da die unternehmerische Tätigkeit Furtenbachs eng mit den Bedürfhissen der Republik verknüpft war, dürften diesbezügliche Recherchen zu erstaunlichen Resultaten fuhren. 94 H. Kellenbenz, Christoph Furtenbach, S. 1104-1108. Paul Furtenbach war zweimal verheiratet. Aus der ersten Ehe mit Susanna Gräntzing stammten Katherina (die in die Familie Metzler einheiratete) und Christoph Furtenbach. Aus der zweiten Ehe mit der Ulmer Kaufmannstochter Magdalena Gienger stammten acht Kinder (Erasmus, Zacharias, David, Johannes Baptista, Paul, Dorothea, Barbara und Martha). Mit seinen Stiefbrüdern Erasmus (1556-1619) und Paul (gest. 1634) arbeitete Christoph Furtenbach in Italien zusammen. Sein (Halb-)Bruder David (gest. 1601) wurde erster Kammerherr des Kaisers und war gleichzeitig als fähiger Pyrotechniker und Feuerwerker hoch geschätzt. Dorothea Furtenbach war mit Sigmund Raynoldt verheiratet. Zwei ihrer Söhne, Zacharias und Paul (Neffen Christoph Furtenbachs), zeichneten später für die gleichnamige Genueser Firma verantwortlich. Weil Christoph Furtenbach nicht verheiratet war und bis auf seine Schwester Barbara alle Geschwister vor ihm gestorben waren, bedachte er in seinem Testament Nichten und Neffen: In erster Linie Anna Maria Raynodt sowie Damian und Zacharias Furtenbach (Söhne seines Stiefbruders Paul), die er zu seinen Universalerben einsetzte.
326
. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
kam er nach Genua, wo er auch als Faktor großer Augsburger Handelshäuser, wie der Zobel und Oesterreicher, tätig wurde. 95 Neben seinen Aktivitäten auf dem Leinen- und Seidenhandelssektor fungierte er ebenfalls als Interessenvertreter der "Georg Fuggerschen Erben" im Handelsdreieck Genua-PiacenzaSpanien. 1588-1600 kümmerte er sich vor allem um die Kupferverkäufe der Fugger in Genua. 96 Nach 1600 operierte Furtenbach in erster Linie als Kontaktperson zwischen Süddeutschland und Spanien. Insbesondere trat er in diesem Zusammenhang mit verschiedenen Finanztransfergeschäften über die Wechselmessen in Erscheinung. Von ausschlaggebender Bedeutung war hierbei offenbar, daß die Furtenbach spanisches Silber über Genua und Mailand in die Prägestätten von Hall und nach Venedig leiteten.97 Aber auch seinen Eigenhandel baute Furtenbach nach 1590 beständig aus, so daß er als die wichtigste Persönlichkeit der deutschen Kolonie in Genua bezeichnet werden kann. 98 Seit 1615 arbeitete er mit seinen Stiefbrüdern Erasmus und Paul Furtenbach zusammen, mit denen er in Genua und Mailand eine gemeinsame Firma führte. 99 Die Furtenbach kooperierten eng mit der ebenfalls in Genua tätigen Familie Raynoldt. 100 Seit 1606 sind umfangreiche Akti95
Ebenda, S.1102, S.1104; ders., Geldtransfer, S.290; L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.14; ders., Deutscher Leinenhandel, S.160. 96 Siehe: L. Scheuermann, Fugger, S.318 f, S.321 fund R. Hildebrandt, Georg Fuggerischen Erben, S.92 f, S.138 f. 97 Siehe: H. Kellenbenz, Geldtransfer, S.278, S.280, S.287, S.294 und F. Blendinger, Augsburger Handel, S.290. 98 H. Kellenbenz, Christoph Furtenbach, S.1102. Er war Ältester der deutschen Nation und Senator der Republik Genua. Vgl. auch: C. Dalhede, Augsburger Quellen, S.526. 99 Siehe: H. Kellenbenz, Christoph Furtenbach, S.1104 ff. Bis 1615 lief die Firma in Mailand unter dem Namen "Erasmus und Christoph Furtenbach". Erasmus (15561619) war vermutlich überwiegend in Feldkirch ansässig, wo er seit 1586 mit der Witwe von Anton Frey (einer gebürtigen Kleinhans aus Reutte) verheiratet war. Dadurch bestanden Verbindungen nach Antwerpen, Stade und Hamburg. Nach 1615 wurde die Firma unter dem Namen "Paul und Christoph Furtenbach" geführt. Paul (gest. 1634), der die Mailänder Geschäfte wahrscheinlich schon lange vor 1615 führte, war mit Katharina Gienger, Tochter des Damian Gienger aus Wolffsegg, verheiratet, dem die Herrschaften von Amberg, Schregenberg, Sulz und Hochstraß gehörten. Herr dieser Territorien wurde später Damian Furtenbach (gest. 1662). 100 Seit der Hochzeit Dorothea Furtenbachs mit Sigmund Raynoldt (gest. 1620) waren beide Familien verwandtschaftlich verbunden. Die Firma "Paolo & Zacharia Raynoldt" gehörte nach 1610 zu den größten Getreidelieferanten der Republik Genua. Siehe: H. Kellenbenz, Christoph Furtenbach, S.1105; ders., Geldtransfer, S.280; E. Grendi, Nordici, S.43 f; M.C. Lamberti, Mercanti tedeschi, S. 74 f, S.79, S.88 ff.
3. Pulver- und Salpeterlieferungen Christoph Furtenbachs
327
vitäten und Verbindungen Furtenbachs über Venedig nachweisbar. Geschäftskontakte bestanden auch nach Livorno zu Bernard ten Broeck. 101 Er verfügte über eigene Schiffe und trat besonders auf dem Gebiet des Getreidehandels und im Salzgeschäft hervor. Tätigkeiten, die ihn in enge Beziehungen zur Genueser Obrigkeit stellten. 102 In Genua war Christoph Furtenbach derjenige deutsche Kaufmann, der wohl im höchsten Maße und am beständigsten am Überseehandel partizipierte. 103 Im Nordwesteuropageschäft arbeitete er insbesondere mit den Lernens und den Van Uffeln zusammen.104 Wie Quellen im Genueser Staatsarchiv beweisen, verfügten die Furtenbach in Danzig über einen Verbindungsmann aus eigener Familie: Philipp Furtenbach. 105 Getreidelieferungen Christoph Furtenbachs an die Republik und ähnliche Dienste, die 101
L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.183; K. Heeringa, Bronnen, S.89 ff. Siehe: E. Grendi, Nordici, S.43 f; L. Beutin, Deutscher Seehandel, S.46; S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.162; G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.26 f, S. 125, S.263, S.268. 103 Siehe: E. Grendi, Nordici S.41, S.44. Laut "Drictus Armamenti" schlug Furtenbach 1590-1611 Waren im Gesamtwert von 1.291.000 Liren um. Er lag damit deutlich über den Werten der Oesterreicher (801.000 Lire), Hoser (723.000 Lire), der Erben Fetzer/Siedelmann (510.000 Lire) und der Schwab (481.000 Lire). Großen Anteil hatte das Leinengeschäft, dem Furtenbach 500.000 Lire Umsatz verdankte. Siehe auch: L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.160 ff. Demnach verzollte er im Jahre 1593 Safran (46.960 Lire), Kupfer (18.133 Lire) und Leinwand (25.696 Lire); 1603 Leinwand (12.669 Lire), Porzelan (1000 Lire) und Blei (1634 Lire). Zusammen mit Jacob Mendechen verzollte er zusätzlich Blei, Masten, Holz, Fische, Pech und Reis (56.703 Lire). 1611 verzollte er Leinwand (23.632 Lire), Wachs, Hering und Wolle (42.425 Lire); 1627 Leinwand (44.637 Liren). 104 Siehe: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.205, S.236, S.262, S.280, S.309, S.416, S.425, S.433 f, S.444, S.451, S.467, S.475f., S.491, S.500, S.610, S.691, S.709. 105 A.S.G. Antica Finanza Nr. 1401 (Corrispondenza Estera) für 1619/20. In Bezug auf die Außenhandelsbeziehungen der Raynoldt im Dienste Genuas finden die Furtenbach insgesamt sechsmal Erwähnung: Drei Eintragungen betreffen die Korrespondenz des Filippo Furtenbach aus Danzig, der mit Andrea de Geyser und der Familie Nichetti aus Amsterdam in direkte Verbindung gesetzt wurde. Eine weitere Eintragung nennt ihn im Zusammenhang mit Guillelmo Muilman in Amsterdam. Außerdem tauchen noch Paolo Furtenbach sowie ein Wiener Familienmitglied in diesem Quellenbestand auf. Es ist aber nicht ersichtlich, in welchem Verhältnis Filippo Furtenbach zur Republik Genua stand und welche Verwandtschaftsbeziehung ihn mit Christoph Furtenbach verbanden. Vielleicht agierte Filippo Furtenbach in Danzig nicht nur als Vertreter der Raynoldt, sondern als offizieller Getreideagent Genuas. Vgl.: G. Devos/W. Brûlez, Marchands flamands, S.796. 102
328
. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
mit dem Krieg verbunden waren, sind gerade im Zusammenhang mit dem Savoyenkonflikt dokumentierbar. Es ist deshalb nicht erstaunlich, daß Christoph Furtenbach ebenfalls für Salpeter- und Schießpulverlieferungen aus Süddeutschland verantwortlich zeichnete.106
Salpeter- und Schießpulverlieferungen
Zwischen September 1626 und November 1628 sind insgesamt elf Salpeterund Schießpulverlieferungen Christoph Furtenbachs an die Republik belegbar. Leider sind im Staatsarchiv Genua nur die Eingangsquittungen erhalten.107 Diese Quellen geben lediglich Auskunft über die Menge und die Qualität der eingelagerten, oder zu Pulver verarbeiteten, Explosivstoffe. Lieferverträge oder Abrechnungsunterlagen, die Einblick in die Konditionen dieser Geschäfte geben würden, befinden sich leider nicht unter den Unterlagen. Auch fanden sich keine Angaben über die süddeutschen Geschäftspartner Furtenbachs. Hinweise in den Geschäftsunterlagen zu Salpeterlieferungen der Handelshäuser Angerer und Lione legen jedoch den Schluß nahe, daß die allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Preisrichtlinien in allen Fällen identisch waren: Auf die Verträge mit Furtenbach wurde an mehreren Stellen dezidiert Bezug genommen.108 Als Grundlage der Mengenbemessung für die Furtenbachschen Salpeterlieferungen benutzte die Verwaltung nicht etwa den Genueser Zentner (Cantara), sondern 100 Genueser Libbre (Handelspfund zu ca. 31,76 kg). 1 0 9 Insgesamt wurden über Christoph Furtenbach mindestens 26.200 Pfund (umgerechnet ca. 175 Cantara) Salpeter des zweiten Sudes in sechs eher kleinen Einzelliefe-
106
A.S.G. Camera del Governo Nr. 159 (Atti 1624) und Nr. 165 (Atti 1625). Ähnlich geartete Geschäftsbeziehungen zur Republik Genua unterhielten anscheinend die Muilman, Balbi, Odeschalchi und Serra. Die typische Verbindung zwischen Getreidegeschäft und anderen Diensten für die Republik war auch schon vor dieser Zeit für einige große ausländische Handelshäuser (beispielsweise für die Vertema und Sedevolpe) charakteristisch. Vgl.: E. Grendi, Nordici, S.43. So war Alessandro Sedevolpe bis 1612 einer der wichtigsten Getreidelieferanten und versorgte die Republik mit größeren Mengen Salpeter. Siehe: A.S.G., Finanza Nr. 105 (Atti 1609). 107 A.S.G. Camera del Governo Nr.768, Nr.769 und Nr.770 (Munitioni). 108 Die Lieferverträge mit Furtenbach dienten wahrscheinlich als Vertragsmuster. In Analogie zu den Salpeterlieferungen der Angerer un Filippo di Liones kann geschlossen werden, daß Furtenbach für 100 Libbre Salpeter 60 Lire erhielt. 109 Siehe: G. Giachero, Il Seicento, Appendix Nr.XIV und P. Rocca, Pesi e misure, S.67 ff.
3. Pulver- und Salpeterlieferungen Christoph Furtenbachs
329
rungen nach Genua befördert. 110 Fünf weitere Eingänge über insgesamt 48.680 Libbre (ca. 325 Cantara) bestanden aus Kanonenpulver. 111 Darüber hinaus zeichnete Furtenbach im Oktober 1628 und im Juni 1629 für nicht näher spezifizierte Waffenlieferungen verantwortlich. 112 In zehn der elf Quittungen wurde lediglich Christoph Furtenbach als Verantwortlicher für die Salpetereingänge genannt. Nur ein Dokument erwähnte seinen in Mailand ansässigen Bruder Paul. Im selben Zusammenhang wurde auch vermerkt, daß die eingegangene Ware deutscher Herkunft war. Insbesondere die Koppelung eines der Geschäfte an die Mailänder Filiale weist darauf hin, daß diese kleineren Salpeter- und Schießpulverlieferungen Genua auf dem Landweg erreichten. Angesichts der Beteiligung Christoph Furtenbachs am nach Nordwesteuropa gerichteten Überseegeschäft hätten diese Explosivstoffe die Mittelmeerstadt prinzipiell auch auf dem Seeweg erreichen können. Die geringen Mengen der gelieferten Ware sowie die im Nordwesteuropageschäft ungebräuchliche Bemessungsgrundlage in 100 Genueser Handelspfund sprechen aber eigentlich gegen eine solchen Transportweg. 113
110
A.S.G. Camera del Governo Nr.768, Nr.769 und Nr.770 (Munitioni): Am 10.
September 1626 waren es 312 Libbre, am 23. September 1626 fast 5200 Libbre, am 15. Oktober 1626 2247 Handelspfund, am 9. März 1627 8535 Libbre und am 26. Juli 1627 1680 Libbre. Am 29. November 1628 lieferte Furtenbach weitere 82 Faß Salpeter. Da die Faßbehältnisse im allgemeinen mehr als 100 Genueser Libbre enthielten, kamen nochmals mindestens 8200 Pfund hinzu. 111
Ebenda. Am 20. Oktober 1626 lieferte Furtenbach 74 große Faß Schießpulver
(insgesamt 19.427 Libbre) in Genua ab. Am 18. Juni 1627 wurden weitere zwei Faß Kanonenpulver, die 293 Handelspfund enthielten, von Furtenbach der Genueser Republik übergeben. Am 6. April 1627 wurden durch Christoph und Paul Furtenbach 3 Faß und einige Säcke Pulver deutscher Provenienz zu einem Gesamtgewicht von 862 Pfund geliefert. Weitere 207 Faß (ohne Libbreangabe) erreichten Genua über Furtenbach am 29. November 1628 und 74 Faß am 16./17. Februar 1628. Diese Lieferungen betrugen nochmals mindestens 28.100 Pfund. 112
Ebenda Nr.770 (Munitioni).
113
Für die Lieferungen nordwesteuropäischer Provenienz wurde stets der Zentner
zu 150 Genueser Handelspfund als Vergleichsgröße zu Grunde gelegt und nicht die Bezugsgröße von 100 Libbre. Die kleine Dimension der jeweils gelieferten Warenmenge weist darauf hin, daß Furtenbach angesichts des hohen Genueser Schießpulverbedarfes bei seinen aus Süddeutschland kommenden Warenlieferungen bei Gelegenheit auch Pulver und Salpeter mitführen ließ. Darüber hinaus beziehen sich zwei im folgenden zu behandelnden Lieferverträge mit anderen Kaufleuten eindeutig auf die Salpeterverkäufe Furtenbachs. In diesem Zusammenhang wird explizit daraufhingewiesen, daß diese Lieferungen Genua über Mailand erreichten.
330
. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
4. Die Salpeterlieferverpflichtungen des Handelshauses Angerer und Filippo di Liones im Frühjahr 1627 Zwei in den Akten der Genueser Verwaltung erhaltene Lieferverträge vom März und April 1627 zeigen deutlich, daß man von offizieller Seite bemüht war, die Salpeter- und Schießpulvereingänge aus Süddeutschland unter dem Preisaspekt einheitlich zu regeln, etwaige Komplikationen für die Republik von vornherein auszuschließen und eine geregelte Salpeterversorgung in jedem Falle kontinuierlich zu gewährleisten. Die zumindest von handelsrechtlich-formeller Seite sehr unvorteilhaften Konditionen für die beteiligten Kaufleute, die sowohl durch eine Festpreis Vereinbarung als auch durch die Regreßpflichtklauseln ein beträchtliches Risiko eingingen, machten deutlich, daß derartige Geschäfte für die Handelshäuser trotzdem von erheblichen Vorteil gewesen sein müssen.114 Am 16. März 1627 verpflichtete sich ein gewisser Filippo di Lione innerhalb von vier Monaten 100 Faß Salpeter des zweiten Sudes aus Deutschland zu liefern und dem zentralen Genueser Magazinverwalter, Nicolò Pino, auszuhändigen. Der dem Mailänder Verbindungsmann Liones zustehende Gegenwert für 100 Libbre gelieferte Ware sollte 60 Lire betragen, wobei der Kurs des Silberscudo auf 5 Lire und 1 Soldo stand. Nebenkosten sollten dabei nicht mehr entstehen. Falls die bestellten 100 Faß innerhalb des vereinbarten Zeitraumes ohne trifftigen Hinderungsgrund nicht eingetroffen wären, hatte die Republik das Recht, die fehlende Menge anderweitig und auf Kosten Filippo di Liones zu erwerben. 115 Wie in der Eingangsquittung erwähnt wurde, hatte jener Kaufmann, über den keine weiteren Nachrichten verfügbar waren, der Republik Genua bereits am 25. Februar 1627 2.082 Libbre Salpeter geliefert. Die Ware wurde auch in diesem Fall nach denselben Preisrichtlinien mit 1249 Lire und 4 Soldi bezahlt.116 114
Eine Festpreislieferung, die jegliches Risiko ausschließen sollte, versuchte die Republik im Sommer 1628 auch Jan Paolo Dorchi gegenüber durchzusetzen. 115 A.S.G. Camera del Governo Nr.769 (Munitioni). Die Menge, die jedes Faß enthalten sollte, wurde nicht präzise festgelegt. In Analogie zu den anderen Lieferungen mußte es sich mindestens um eine Größenordnung von ca. 100 Cantara handeln. Leider sind keine Unterlagen darüber vorhanden, ob die Lieferung wirklich in Genua eintraf. Es konnte ebenfalls nicht geklärt werden, um welche Persönlichkeit es sich bei diesem Geschäftsmann handelte und wohin seine kommerziellen Verbindungen gingen. Auch die Kontaktperson in Mailand konnte nicht identifiziert werden. Eine weitere Salpeterlieferung über 144.136 Libre ging über das Handelshaus Sanguinetti am 30. August 1628 in Genua ein. Siehe: Ebenda Nr.770 (Munitioni). 116 Ebenda Nr.769 (Munitioni).
4. Salpeterlieferverpflichtungen der Angerer und Filippo di Liones
331
Im April 1627 verpflichteten sich Michael und Georg Angerer, innerhalb von drei Monaten 110 Faß Salpeter des zweiten Sudes aus Deutschland kommen zu lassen, wobei die Ware der Qualität der Furtenbachschen Lieferungen entsprechen sollte. Auch hier sollten 60 Lire als Preis für die Ware bezahlt werden. Im Falle des ungerechtfertigten Ausfalles der Lieferung war die Republik wiederum dazu berechtigt, Salpeter zu jedem Preis auf Rechnung der Angerer zu erwerben. 117 Die aus Augsburg stammenden Angerer waren neben ihren Eigenhandelsgeschäften für mehrere namhafte süddeutsche Unternehmen in Italien als Faktoren tätig. So fungierte Matheus Angerer zwischen 1599 und 1608 als Vertreter der Oesterreicher in Florenz. 118 Seit 1612 führte der in Genua ansässige Michael Angerer die Geschäfte des Handelshauses Fetzer & Siedelmann. Bereits 1611 importierte er in Zusammenarbeit mit diesem Nürnberger Handelshaus Leinen im Wert von 14.181 Lire nach Genua. 1627 verzollte er Leinen im Wert von 77.954 Lire. 119 Im März 1621 gründeten Michael Angerer, Paolo Raynoldt und Giobatta Marchese in Genua eine Handelsgesellschaft, deren Geschäftskapital 180.000 Lire betrug. Diese gemeinsame Unternehmung bestand bis Juli 1625. 120
117
Ebenda. Auch in diesem Fall blieb ungeklärt, ob die Lieferungen in Genua ankamen. Eine weitere Salpeterbestellung erreichte Genua über die Angerer am 31. August 1629. Ebenda Nr.770 (Munitioni). Die fragmentarische Überlieferung jener Geschäftsabschlüsse macht die prekäre Quellenlage besonders deutlich und ruft in Erinnerung, daß die Akten des Genueser Staatsarchives lediglich einen kleinen und unsystematischen Einblick in die regionalen und überregionalen militärischen Versorgungsstrukturen des Savoyenkrieges gewährleisten. 118 L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.162 und H. Kellenbenz, "Mercanti tedeschi in Toscana nel Cinquecento", in: Studi di Storia economica toscana nel Medioevo e nel Rinascimento in memoria di F. Melis, Pisa 1987, S.203-230, S.222. 119 E. Grendi, Nordici, S.44 und L. Beutin, Deutscher Leinenhandel, S.162 f. 1631 stand Matheus Angerer in den Genueser Zollbüchern. Nach 1640 war Sebastian Angerer in Genua tätig. 120 C.M. Lamberti, Mercanti tedeschi, S.75 f. Angerer war gleichzeitig der Geschäftsführer dieser gemeinsamen Unternehmung. Für seine Dienste erhielt er jährlich 3000 Lire.
332
. Oberdeutsche Salpeter- und Schießpulverlieferungen
Sowohl beim Geschäftsabschluß Liones als auch beim Liefervertrag der Firma Angerer fungierte Stefano Nazale als Vermittler. 121 Beide Dokumente wiesen große Ähnlichkeiten in der Formulierung auf, und auch die Geschäftsbedingungen waren in beiden Fällen identisch. Der eindeutige Bezug auf die Lieferungen Furtenbachs legt den Schluß nahe, daß diese Abschlüsse nach dem Vorbild der Furtenbachschen Verträge getätigt wurden. Anders als im Fall der Schießpulver- und Salpeterlieferungen durch das Handelshaus Amman & Pestalozzi bestand die Republik Genua nun auf einer Festpreisregelung, durch die der Kostenfaktor von vornherein voraussehbar war. Umgerechnet auf Zentnerbasis hätte der von der Republik festgelegte Preis (von 60 Lire für 100 Genueser Handelspfund) ca. 92 Lire betragen. Dieses Kostenniveau mußte also in etwa mit der in Genua real gegebenen Marktsituation für Salpeter korrespondieren. 122 92 Lire entsprachen ca. 23 Reichstalern. Wie die Zusammenstellung in der folgenden Tabelle deutlich macht, orientierte sich dieses Preisniveau an den Verhältnissen auf den internationalen Salpeter- und Schießpulvermärkten.
121
Zu Stefano Nazale, der zu den süddeutschen Unternehmerkräften gezählt wurde, siehe: E. Grendi, Nordici, S.40, S.44. 122 Als Gegenwert wurde ein durchschnittliches (nordwesteuropäischer) Zentnergewicht von ca. 49 kg. zu Grunde gelegt. Der Zenterpreis für die Augsburger Ware über die Amman & Pestalozzi hatte (allerdings unter Zwischenschaltung von den Volpi als Speditionsfirma) zwischen 105 und 108 Lire betragen. Vielleicht ging man in Genua in Folge der Kosten dieses Geschäftsabschlusses dazu über, den Festpreis von 60 Lire offiziell festzulegen.
4. Salpeterlieferverpflichtungen der Angerer und Filippo di Liones
Amsterdam:
333
Preise in Genua: a
Schießpulver 1625:
50 fl (=21 Rtl.) (84 Lire)
(60 fl=25 Rtl.) 100 Lire b
Schießpulver 1626:a
55 fl (=23 Rtl.) (92 Lire)
(65,5 fl=27 Rtl) 108 Lire b
Hamburg: Salpeter 1625:c
21 Rtl. c
(= 84-92 Lire)
Schießpulver 1625:
21,5-23,3 Rtl. ( = 86-94 Lire)
Salpeter Frühjahr 1626:d
24-25 Rtl. (96-100 Lire)
Schießpulver Frühjahr 1626:d
22-23,3 Rtl. (88-93 Lire)
101,5-105,5 Lire 93,5-98,5 Lire e
Süddeutschland: Salpeter Frühjahr 1626:f
17,5 Rtl. (70 Lire)
(26 Rtl.) 108 Lire
Schießpulver Frühjahr 1626:f
16,5 Rtl. (66 Lire)
(27 Rtl.) 105 Lireß
Salpeter 1626-1627:h
(23 Rtl.) =92 Lire 1
a
Lieferungen Bartolottis, Frühjahr 1626 (pro Amsterdamer Zentner à 49,4 kg). Endpreis der Ware bei Ankunft in Genua (pro Genueser Cantara à 47,65 kg). c Marktinformationen der Handelsherren Maggioli & Lazagna aus Antwerpen vom November 1625 (pro Hamburger Zentner zu ca. 54 kg). d Schießpulver- und Salpetereinkäufe de Hertoghes (pro Hamburger Zentner). e hypothetischer Endpreis der Ware bei Ankunft in Genua (einschließlich der mutmaßlichen Frachtgebühr von 1 Duk. pro Zentner). f Salpetereinkäufe der Amman & Pestalozzi für die Vertema in Genua) S Endpreis der Ware in Genua (unter Berücksichtigung aller Neben- und Transportkosten) umgerechnet in Genueser Cantara. h Salpeterlieferungen von Furtenbach, Angerer und Lione zu einem Festpreis von 60 Liren pro 100 Genueser Libbre. 1 Preis der Ware umgerechnet in Genueser Cantara. b
Abb. 9: Preise für Salpeter und Schießpulver in Genua (1625-1628)
VIII. Ergebnisse und Perspektiven Die vorliegende Arbeit verfolgte in erster Linie den Ansatz von A. Ernstberger und versuchte vor allem, die internationale Perspektive seines Standardwerkes auszubauen. Auf der Grundlage von Dokumenten des Staatsarchives Genuas konnten die großen europäischen Verteilerzentren für Militärgüter und die wichtigsten internationalen Rüstungskanäle im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges analysiert werden. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Salpeterhandel, der Marktsituation für militärische Explosivstoffe in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts und der Identifizierung der internationalen Rüstungshändlerkreise gewidmet. Somit konnte ein Beitrag dazu geleistet werden, das Forschungsdefizit für militärrelevante Fragestellungen aufzuarbeiten. Eine erschöpfende Untersuchung der nordwesteuropäischen Verteilerzentren für Militärgüter muß in Zukunft auf systematischen und zeitaufwendigen Recherchen in den europäischen Archiven aufbauen, die im Rahmen der vorliegenden Einzelstudie nicht geleistet werden konnten. Die Komplexität der Materie und die schwer erschließbare Quellenbasis für frühneuzeitliche Rüstungsgeschäfte würden wahrscheinlich ein groß angelegtes internationales Forschungsprojekt erfordern. Über die rüstungsspezifischen Ergebnisse hinaus lieferte die Untersuchung eine Reihe von Erkenntnissen zu zentralen wirtschaftshistorischen Fragestellungen, die dem Themenkomplex der "Krise des 17. Jahrhunderts" zuzurechnen sind. Vor dem Hintergrund der internationalen Austauschbeziehungen konnte insbesondere die Entwicklung des wichtigsten deutschen Außenhandelszentrums, Hamburg, beleuchtet werden. Im Vergleich mit Amsterdam wurden neben dem Rüstungsbereich vor allem das Mittelmeergeschäft, der Frachtsektor, der Getreidehandel und handelstechnische Faktoren, wie z.B. Nebenkosten, Provisionsgebühren und Zölle, näher untersucht. Allerdings konnte keines der angesprochenen Probleme erschöpfend behandelt werden. Einerseits erwiesen sich die angeschnittenen Untersuchungsfelder als zu komplex und umfangreich. Andererseits waren die zur Verfügung stehenden Dokumente sehr von der militärwirtschaftlichen. Thematik geprägt. Die Erschließung zusätzlichen Materials wäre notwendig. Trotz der generell schlechten Quellenlage und der bisher spärlichen Forschungsergebnisse zu diesen handelstechnischen und wirtschaftsstrukturellen Fragestellungen lieferten die Dokumente zu den Genueser Rüstungsgeschäften jedoch wertvolle Informatio-
V . Ergebnisse und Perspektiven
nen, die diese Themen schlaglichtartig beleuchten. Daraus ergab sich eine Fülle von Anregungen, auf diesem Sektor weiterzuforsehen. Die starke Anlehnung des internationalen Militärgüterhandels an die bestehenden europäischen Austauschstrukturen bestätigte sich bei den Nachforschungen über die internationalen Rüstungshändler. Keines der bei den Genueser Geschäftsabschlüssen beteiligten Handelshäuser hatte sich auf den Militärgüterhandel spezialisiert. Stets waren Rüstungsgeschäfte mit anderen Bereichen strukturell verwoben. Das Hauptcharakteristikum der frühneuzeitlichen Kaufmannselite bestand in ihrer Vielseitigkeit. Deshalb war die Kombination unterschiedlichster Aktivitäten mit einem gewissen Geschäftsniveau durchaus nicht erstaunlich. Dennoch konnte die vorliegende Arbeit einige Strukturmerkmale herausarbeiten, die die Rüstungsunternehmer zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges kennzeichneten. Für internationale Geschäfte mit Militärgütern waren die führenden europäischen Handelshäuser verantwortlich, die einerseits gute Verbindungen zu den politischen Gewalten aufwiesen und andererseits über den nötigen Handelsspielraum für risikoträchtige Unternehmungen verfügten. Über die Aktivitäten dieser Kreise auf dem Gebiet des Militärgüterhandels war der Forschung bislang nichts oder nur sehr wenig bekannt. Die Gründe hierfür sind u.a. in der hohen Diskretion zu suchen, mit der derartige Geschäfte in unsicheren Zeiten durchgeführt wurden. In Genua und auf den Piacenzamessen zählten die Balbi und die Serra zu den größten und bedeutendsten Handels- und Bankhäusern. Beide Familien waren in die politischen Machtstrukturen der Mittelmeerstadt integriert und am spanischen Asientogeschäft beteiligt. Die Balbi waren stark in Venedig engagiert, in den internationalen Quecksilberhandel eingeschaltet und kümmerten sich um die Versorgung Genuas mit nordeuropäischem Getreide. Neben ihren langjährigen Verbindungen zu Habsburg unterhielten sie auch gute Handelsbeziehungen nach Amsterdam. Die Serra waren sicherlich von etwas geringerer Bedeutung. In Genua betätigten sie sich anscheinend als Militärunternehmer. Ein Schwerpunkt ihrer Handelstätigkeit lag in den südlichen Niederlanden, wo sie u.a. als Rüstungshändler für die spanischen Besatzungstruppen in Erscheinung traten. Derartige Geschäfte brachten sie in Kontakt mit den einschlägigen Rüstungskreisen Antwerpens. Die Aktivitäten beider Handelshäuser zeigen, in welch großem Umfang die Genueser Geschäftselite unmittelbar vor dem Ende des "Zeitalters der Genuesen" von den finanziellen und militärwirtschaftlichen Bedürfnissen der spanischen Krone profitieren konnte. Allerdings beschränkte man sich nicht nur auf Geschäfte in der spanischen Einflußsphäre, sondern verfügte auch über Kontakte in den nördlichen Niederlanden. Wie die vorliegende Arbeit nachweisen konnte, spielten Genueser Handelshäuser bei der Vermittlung von Militärgütern zwischen Hamburg und Spanien
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VIII. Ergebnisse und Perspektiven
eine zentrale Rolle. Die Identifizierung dieser Unternehmerkräfte ist um so bedeutender, da der historischen Forschung über die personellen Schaltstellen im Handelsdreieck Amsterdam - Antwerpen - Hamburg bislang nur sehr wenig bekannt ist. Am internationalen Rüstungshandel Antwerpens waren die Dorchi, Maggioli & Lazagana, Spinola, Grimaldi, Centurione, Campomenoso, Invrea und Moneglia maßgeblich beteiligt. Insbesondere Nachforschungen zum Handelshaus der Dorchi könnten in Zukunft interessante Aufschlüsse über die europäischen Handelsstrukturen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts liefern. Die Maggioli waren außerdem mit den Balbi verwandt, so daß auch von dieser Seite Kontakte möglich waren. Die Balbi wandten sich aber nicht an Antwerpen, sondern vergaben den Rüstungsauftrag an ihren Amsterdamer Geschäftspartner Guillelmo Bartolotti, der zu den größten Italienbefrachtern Amsterdams zählte. Zwar verbanden Bartolotti und die Balbi zunächst nur Getreidegeschäfte, aber spätestens seit dem Genueser Rüstungsauftrag gehörte Bartolotti auch dem wichtigsten Rüstungskonsortium Europas an: den Amsterdamer Monopolkreisen um Elias Trip und Louis de Geer. Die zentrale Bedeutung von Guillelmo Bartolotti, der laut Angaben der Genueser Quellen im Zusammenhang mit dem Amsterdamer Monopolversuch als einziger Salpeteranbieter fungierte, wurde bislang unterschätzt. Wie bereits H. Kellenbenz vermutet hatte, bestanden Verbindungen zwischen den Militärgüterhändlern Antwerpens und Hamburgs, die vor allem im Spaniengeschäft eng zusammenarbeiteten. Die Analyse der Genueser Rüstungsaufträge konnte einige Geschäftsstrukturen dieses wichtigen Bestandteils des Hamburger Iberienhandels offenlegen. Beteiligt waren zweifellos die de Hertoghe und Amsinck. Beide niederländischen Emigrantenfamilien gehörten zu den Spitzenkräften des hansestädtischen Unternehmertums. Neben dem Spanienhandel, Pfeffergeschäften, Nürnbergkontakten und Geschäften mit den "merchant adventurers" bestanden gute Beziehungen zum Hause Habsburg: Walter de Hetoghe fungierte als Faktor Hans de Wittes in Hamburg. Sicherlich war es kein Zufall, daß auch das Handelshaus Pestalozzi im Zusammenhang mit dem Hamburger Rüstungsauftrag in Erscheinung trat. Die Pestalozzi & Amman arbeiteten in Augsburg und Nürnberg für die kaiserliche Partei, standen mit den Dorchi und Bustanzo in Anwerpen und Brüssel in Verbindung und lieferten Schießpulver und Salpeter auf dem Landweg nach Genua. Sie gehörten zu der Gruppe der oberdeutschen und graubündischen Kaufleute, die wie die Vertema, Odescalchi und Furtenbach in Genua ansässig geworden waren, dort zu den wichtigsten ausländischen Kaufleuten gehörten und zwischen Süddeutschland, Österreich und Spanien, u.a. im Rahmen der "Mailandkonjunktur", vermittelten. Diese Handelshäuser verfügten über gute Beziehungen zum Hause Habsburg und waren in das Versorgungssystem der
Vili. Ergebnisse und Perspektiven
337
kaiserlichen Kriegsmaschinerie eingebunden. Trotz der hohen internationalen Bedeutung dieser Geschäftsleute, existiert über ihre Tätigkeit bislang keine Monographie. Neben der bekannten Einbindung des internationalen Rüstungsgeschäftes in den Iberienhandel und der Einbettung der transalpinen Salpeterlieferungen in die "Mailandkonjunktur" war vor allem ein Zusammenhang besonders bemerkenswert: die enge strukturelle Verknüpfung zwischen Getreide- und Salpeterhandel. Bei der Beschaffung beider Warengruppen handelte es sich um Zentralprobleme des militärischen Nachschubwesens und um Bereiche, die eng mit den Bedürfnisse und Kompetenzen des frühmodernen Staates verknüpft waren. Die examinierten Quellen machten darüber hinaus deutlich, daß Getreide- und Salpeter- bzw. Schießpulvergeschäfte schon auf Grund der handelstechnisch notwendigen Tarnung kombiniert wurden. Deshalb werden Rüstungstransaktionen für die historische Forschung nur selten sichtbar. Getreide und Salpeter standen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch in Bezug auf die gemeinsame Hauptbezugsquelle Danzig in engem Zusammenhang. Personelle und handelsstrukturelle Verknüpfungen zwischen beiden Exportsektoren konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Zu wenig ist in dieser Beziehung über den Ostseehandel bekannt. Lediglich einige Grundüberlegungen und Hypothesen wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit angestellt. Ein wichtiges Untersuchungsfeld wäre in Zukunft die umfassende Erforschung der osteuropäischen Salpeterhandelsströme seit dem späten Mittelalter. Bislang existieren über die Herkunft der in Danzig umgeschlagenen Salpetermengen lediglich Mutmaßungen. Der Rohstoff stammte wahrscheinlich aus Kleinpolen oder aus Ungarn. Über die Gewinnungsgebiete, Handelsstrukturen und den Konjunkturgang dieser besonderen Warenkategorie ist fast nichts bekannt. Umfassende Einzelstudien wären nötig. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit der Preissturz für Salpeter auf den europäischen Märkten Anfang des 15. Jahrhunderts lediglich auf die Ausbreitung der Salpeterplantage zurückzuführen war. Vielleicht war das Einsetzen mittel- und südosteuropäischer Lieferungen hierfür mit verantwortlich. Vermutlich beruhte sogar die Zentralstellung der Nürnberger Schießpulverproduktion auf der Zufuhr dieser Rohstoffe. Es erscheint jedenfalls unwahrscheinlich, daß die süddeutschen Herstellungskapazitäten lediglich auf dem Plantagensystem basierten. Ähnliche Überlegungen können in Bezug auf die Position Krakaus, Breslaus und Friedlands im Versorgungssystem Hans de Wittes angestellt werden. Die Gegenüberstellung der oberdeutschen und nordwesteuropäischen Salpeter- und Schießpulverpreise in Genua zeigte, daß das süddeutsche Preisniveau vor Ort erheblich unter den nordwesteuopäischen Angeboten lag. Erst die Transportkosten im Rahmen der "Mailandkonjunk22 Zunckel
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V . Ergebnisse und Perspektiven
tur" führten zu einer Angleichung der Preise. Auch hierbei stellt sich die Frage, auf welche Rohstoffquellen Nürnberg zurückgriff, um umfangreichen Schießpulverhandel betreiben zu können. Mit Hilfe der Sundzollregister wurde die Zentralität der Danziger Bezugsquelle für die Deckung des ansteigenden europäischen Bedarfes nach militärischen Explosivstoffen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachgewiesen. Obwohl die Sundzollregister nur einen Teil der Danziger Exporte offenlegen, konnte eine Konjunkturkurve der baltischen Salpeter- und Schießpulverexporte entworfen werden. Es wurde deutlich, daß die günstige Konjunkturlage für militärrelevante Explosivstoffe eindeutig mit den spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen und dem Dreißigjährigen Krieg in Verbindung stand. Hochkonjunktur für Danziger Salpeter bestand 1618-1625 und 1635-48. In den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts war die Boomphase europäischen Exportsalpeters beendet. Billigere und vor allem qualitativ bessere indische Ware dominierte nun auf den europäischen Märkten. Gleichzeitig stieg der Salpeterverbrauch der europäischen Militärapparate ständig an. 1626-1633 führten politisch-militärische Motive im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen im Baltikum zu einer Angebotsverknappung für Danziger Salpeter. Die Nachfrage nach diesem militärstrategisch unverzichtbaren Rohstoff blieb aber unverändert groß. Ausweichstrategien, wie die Erschließung der Archangelsk-Route und die verstärkte Zufuhr von indischem Salpeter, sowie aggressive Marktstrategien, wie der Monopolversuch des holländischen Rüstungskonsortiums um Elias Trip, waren die Folge. Die vorliegende Untersuchung konnte die Marktstrategien der maßgeblichen nordwesteuropäischen Rüstungskreise gerade zum Zeitpunkt dieser Angebotsverknappung nachzeichnen. Die Konkurrenz zwischen Amsterdam und Hamburg akzentuierte sich in dieser Zeit besonders stark. Wie nachgewiesen werden konnte, waren beide Märkte unter normalen Verhältnissen in Hinsicht auf diese Produkte durchaus konkurrenzfähig. Anders als für Getreide verlief die Preisentwicklung für Salpeter in Amsterdam und Hamburg parallel. Allerdings stiegen die Preise für militärische Explosivstoffe in Amsterdam durch den Monopolversuch erheblich mehr als in Hamburg: Verzeichnete Hamburg eine Erhöhung des nominalen Preisniveaus von ca. 27%, so kam es in Amsterdam zu einer 38%igen Steigerung. Darüber hinaus führte die Quellenanalyse zu dem Ergebnis, daß Amsterdam bereits zu diesem frühen Zeitpunkt durch die indischen Salpeterlieferungen ein gewisser Kalkulationsvorteil entstand. Bislang wurde in der Forschung davon ausgegangen, daß die Zufuhr indischer Ware erst seit den 60er Jahren Einfluß auf die europäische Marktsituation nahm. Weiterhin konnte gezeigt werden, daß den Amsterdamer Monopolversuchen eine genaue Kenntnis aller ökonomischen und außerökonomischen Faktoren, die das Salpeterangebot bestimmen konnten, zugrunde lag. Die Monopolver-
ΥΠ!. Ergebnisse und Perspektiven
339
suche erfolgten stets unmittelbar vor politisch-militärisch bedingten Angebotsverknappungen für baltischen Salpeter. Die Preisinformationen, die sich aus den Genueser Dokumenten gewinnen ließen, belegten anschaulich den Erfolg der holländischen Kontrollbestrebungen und ergänzten die diesbezüglichen Ausführen von P.W. Klein in entscheidenden Punkten, die sowohl das Vorfeld als auch die Auswirkungen des Monopolversuches betrafen. Gleichzeitig wurde deutlich, daß die Elbblockade der alliierten anti-habsburgischen Mächte für den Erfolg der Amsterdamer Monopolversuche ausschlaggebend war. Die Blockade behinderte den Fernhandel Hamburgs erheblich. Dadurch wurde die Hauptkonkurrenz der Amsterdamer Rüstungskreise um Elias Trip zeitweise ausgeschaltet. Das Verhältnis zwischen Amsterdam und Hamburg gestaltete sich generell äußerst zwiespältig. Einerseits handelte es sich um potentielle Konkurrenten, andererseits waren beide Handelszentren über die südniederländische Emigration eng miteinander verbunden. Sicherlich ist die Zusammenarbeit Hamburger und Amsterdamer Handelshäuser auf dem Rüstungssektor noch schwerer zu recherchieren als die Konkurrenzsituation. Zukünftige Forschungen müßten in die Richtung gehen, die bereits von E. Baasch vorgezeichnet wurde. Ein zentrales Forschungsziel dieser Studie war die nähere Untersuchung des holländisch-hamburgischen Verhältnisses in Bezug auf den Mittelmeerhandel. Hierbei wurde berücksichtigt, daß das Bild der holländischen "straatvaart" von der internationalen Forschung in jüngster Zeit erheblich modifiziert wurde. Am Beispiel der Genuafahrt wurde zunächst nachgewiesen, daß sich das niederländische Mittelmeergeschäft seit 1621 mit dem Wiederausbruch des Krieges gegen Spanien durchaus in keiner positiven Phase befand, sondern eine tiefe Krise durchlief. Die sich daran anschließende Fragestellung lautete, weshalb Hamburg gerade in dieser Zeit nicht weitgehend von den holländischen Schwierigkeiten profitieren konnte oder wollte. Die faktische Integration Genuas in den Habsburger Machtbereich und die Funktion Hamburgs als Rohstoffmarkt des spanischen Imperiums hätten eine gewisse Affinität zwischen beiden Städten vermuten lassen. Die große Bedeutung süddeutscher Handelshäuser in der Mittelmeerstadt, die dem eher geringen Handelsspielraum holländischer Unternehmen in Genua bis in die 30er Jahre gegenüberstand, hätte ebenfalls auf gute Verbindungen zwischen dem deutschen und italienischen Wirtschaftsraum schließen lassen. Im Gegensatz zu Amsterdam bestanden zwischen Hamburg und Genua aber keine direkten Kontakte. Die Vermittlung des Rüstungsgeschäftes erfolgte über die traditionellen Kanäle Genueser Handelshäuser in Antwerpen. Als Komplikationen auftraten, war Genua gezwungen, einen Gesandten nach Hamburg zu schicken. Trotz der guten Handelsbeziehungen zur Hansestadt, die in den 90er Jahren große Getrei-
22*
340
V . Ergebnisse und Perspektiven
demengen nach Genua geschickt hatte, verfügten die Italiener über niemanden, der sie vor Ort vertreten konnte. Seit der Studie von L. Beutin wurde allgemein angenommen, daß die hansische Mittelmeerfahrt in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts fast vollständig unterbrochen war. Der Rückgang der Hamburger Handelstätigkeit scheint sich anhand der Genueser Hafenzollisten zu bestätigen. Die Quellen zum Rüstungsgeschäft führten das Hamburger Desinteresse an der Italienfahrt hauptsächlich auf zwei Gründe zurück: 1. Die Hamburger Handelshäuser scheuten die relativ risokoreiche Italienfahrt, weil man sich anderweitig engagierte und vor allem auf den Iberienhandel konzentrierte. Auf Grund der handelspolitischen Situation besaßen die Hamburger für die Spanienfahrt fast schon eine Monopolstellung, die ihnen hohe Frachtraten garantierte. 2. Die Hamburger Italienfahrt wurde insbesondere in Krisenzeiten hauptsächlich über Amsterdam abgewickelt. Handelshäuser wie die Schröttering und Juncker machten schon frühzeitig von dieser Ausweichmöglichkeit Gebrauch. Sicherlich kam es in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts zu einem Rückgang der hansischen Mittelmeerfahrt, aber lange nicht in dem Ausmaß, wie bislang angenommen. Der konkrete Hamburger Anteil an der Italienfahrt ist wegen der starken Anlehung an Amsterdam aber nur schwer zu quantifizieren. Die komparative Analyse der Transportsektoren führte zu dem Ergebnis, daß die Hamburger Frachtraten bis 1626 insbesondere in der Iberienfahrt zwar hoch waren, die holländischen Frachtraten aber nicht in dem Ausmaß übertrafen, wie bislang vermutet. Nach 1626 kam es kurzzeitig sogar zu einer gewissen Angleichung. Erst die Elbblockade führte zu einem enormen Anstieg der Hamburger Transportkosten, die außerhalb der Iberienmärkte kaum konkurrenzfähig waren. Außerdem verfügte Hamburg zu dieser Zeit anscheinend nicht über ausreichende Frachtkapazitäten. Bedingt durch die starke Anlehnung an den holländischen Transportsektor verzögerte sich die Modernisierung der Hamburger Handelsflotte erheblich. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich die Niederlande in großen Schwierigkeiten befanden, konnte Hamburg die sich bietenden Expansionsmöglichkeiten im Mittelmeerraum nicht nutzen. Die Vorkommnisse um den gescheiterten Genueser Großauftrag waren derartig negativ, daß die Anknüpfung stabiler Handelsbeziehungen von italienischer Seite auf längere Zeit nicht erwogen wurde. Angesichts der Funktion Amsterdams für die Hamburger Italienfahrt war es sicherlich günstiger, sich direkt an die Niederlande zu wenden. In dieser Weise verfuhr man anscheinend schon vor dem Rüstungsgroßauftrag. Die Genueser Quellen bele-
. Ergebnisse und Perspektiven
gen, daß Kontakte zwischen der Mittelmeerstadt und Hamburg über das niederländische Konsulat vermittelt wurden und nicht etwa über die deutsche Vertretung, die eher für die oberdeutschen Interessen zuständig war. Gerade dieses Detail verdeutlicht, welch zentrale Rolle Amsterdam für die Ausweichstrategien der Hamburger Kaufmannschaft spielte. Die komparative Analyse beider Handelsplätze führte zu dem Ergebnis, daß Hamburg als "Newcomer" der europäischen Weltwirtschaft in Bezug auf handelstechnische Faktoren eindeutig die günstigeren Bedingungen aufzuweisen hatte. Sowohl die Provisionen im Kommissionsgeschäft als auch alle anderen Nebenkosten, wie Verlade-, Steuer- und Zollkosten, lagen erheblich unter dem Amsterdamer Niveau. Hinzu kam der Vorteil, den die Hamburger Gewichtseinheiten im Vergleich zu den niederländischen aufzuweisen hatten. Die Hamburger Kaufmannschaft verfügte nicht über die starke Verhandlungsposition, die dem zentralen Warenkaufhaus Amsterdam zukam. Allerdings vermitteln die Quellen den Eindruck, daß der Amsterdamer Handelsplatz von der internationalen Kaufmannschaft als sicherer und kalkulierbarer eingeschätzt wurde. Um die Handelsplätze Nordwesteuropas, Süddeutschlands und des Mittelmeerraumes miteinander vergleichen zu können und um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, waren umfangreiche Recherchen zu den Maß-, Gewichts- und Währungsrelationen unverzichtbar. Diese Nachforschungen erwiesen sich als besonders schwierig und langwierig, weil bislang keine diesbezüglichen Nachschlagewerke oder Studien existieren, die die internationalen Handelsbeziehungen von dieser Warte aus untersuchen. Die Analyse der Genueser Rüstungsaufträge anläßlich des Savoyenkrieges fiel in eine Zeit, in der sich die Strukturen des europäischen Austauschgefüges grundlegend veränderten. Die Dynamik dieser Vorgänge wirkte sich vor allem auf die internationalen Zahlungssysteme aus. Die vorliegende Studie konnte einige Ansätze dazu liefern, die Übergangsstrukturen vom mediterranspanischen zum nordwesteuropäischen Finanzkreislauf besser herauszuarbeiten. Bekanntlich steht die Forschung bei der Behandlung dieses komplexen Problemfeldes erst am Anfang. Vor dem Hintergrund der schwindenden internationalen Bedeutung der Piacenzamessen wurde vor allem die Funktion Venedigs als internationales Clearingzentrum betont. Die Untersuchung der Zahlungsmodalitäten für die Genueser Rüstungsbestellungen belegte die große Rolle, die die italienischen Handelshäuser Hoste & Flangini bei der Vermittlung zwischen Nord- und Südeuropa übernommen hatten. Als Hypothese resultiert daraus, daß diese Bankiers die Nachfolge der niederländischen Kaufleute Cordes & Vancaster antraten, die um die Jahrhundertwende über alle politischen Grenzen hinweg den internationalen Zahlungsverkehr managten. Die Zahlungsmodalitäten im Hamburger Rüstungsgeschäft zeigten, über welch
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. Ergebnisse und Perspektiven
weitgefächerte Geschäftskontakte die Hamburger Kaufmannschaft verfugte. Ohne die Existenz einer direkten Finanzverbindung nach Genua konnten große Summen über Amsterdam, Antwerpen, Frankfurt und Nürnberg transferiert werden. Die in diesem Zusammenhang auftretenden Handelshäuser, wie beispielsweise die Dorchi, Muilman, Hasenbart & Savioli, sind für die Wirtschaftsgeschichte durchaus keine Unbekannten. Ihre Rolle im Handelsund Finanztransfer zwischen Nord- und Südeuropa müßte systematisch erforscht werden. Wie die Auflistung der Forschungergebnisse verdeutlicht, existieren in Bezug auf die wirtschaftsgeschichtliche Erforschung des 17. Jahrhunderts eine Fülle von Defizitbereichen, die durch Einzelstudien aufzuarbeiten wären. Die vorliegende Untersuchung konnte auf der Grundlage einer aus dem Rahmen fallenden Quellenbasis und einer ungewöhnlichen Perspektive eine Vielzahl von Problemkomplexen untersuchen. Dabei ging die Studie von einem "interdisziplinären" Forschungsansatz aus, der die Verbindung von militärgeschichtlichen und wirtschaftshistorischen Fragestellungen anstrebte. Demzufolge beruht die Untersuchung auf zwei allgemeinen Grundthesen, die der Arbeit gleichzeitig als Prämissen vorangestellt werden konnten: 1. In der Konsolidierungsphase des europäischen Mächtegleichgewichtes, die mit der Entwicklung der frühmodernen Territorialstaaten im 17. Jahrhundert einherging, beeinflußten politisch-militärische Faktoren die konjunkturelle und strukturelle Entwicklung des internationalen Austauschgefüges entscheidend. 2. Im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges wurde das militärische Versorgungswesen für die internationale Kaufmannschaft zu einem einträglichen Geschäft. Gestützt wurde diese Einschätzung durch die Tatsache, daß die ökonomische Entwicklung Amsterdams und Hamburgs in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in ähnlichem Maße vom expandierenden Militärgüterhandel getragen wurde. Beide Handelszentren profitierten von der Polarisierung der internationalen Beziehungen im Rahmen des spanisch-niederländischen Konfliktes und des Dreißigjährigen Krieges. Auch die Überlebenskraft der oberdeutschen Handelszentren war in dieser kritischen Epoche in erheblichem Umfang vom Rüstungssektor und von politisch-militärisch bedingten Handelsstrukturen, beispielsweise der "Mailandkonjunktur", abhängig. Genua stieg nicht zuletzt wegen seiner politisch-finanziellen Koppelung an das im 17. Jahrhundert untergehende spanische Weltreich vom Zentrum der europäischen Weltwirtschaft zur Peripherie ab.
V . Ergebnisse und Perspektiven
Die Quellenanalyse der Rüstungsgeschäfte zwischen Genua, Amsterdam, Hamburg und Süddeutschland anläßlich des Savoyenkrieges bestätigte beide Grundhypothesen. Der frühneuzeitliche Militärgüterhandel war integrativer Bestandteil der internationalen Handelsströme und wurde nicht als isoliertes militärgeschichtliches Einzelproblem behandelt. Dieser "ganzheitliche" Ansatz war der Sachproblematik frühneuzeitlicher Rüstungsgeschäfte angemessen. Gleichzeitig erweiterte sich dadurch der Untersuchungshorizont der Arbeit erheblich. Im Vergleich mit der generell schlechten Quellenlage für militär- und außenwirtschaftliche Probleme des deutschen Wirtschaftsraumes in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erwies sich die neu erschlossenen Dokumente des Staatsarchives Genua als erstaunlich aussagekräftig. Diese ungewöhnliche Perspektive lieferte interessante Aufschlüsse speziell zur Hamburger Wirtschaftsgeschichte. Ähnliche, bislang unbeachtete Quellenbestände, z.B. in Dänemark, England oder Polen, müßten in Zukunft zur Klärung militärwirtschaftlicher Fragestellungen herangezogen werden. Auch die reichen ausländischen Archive, insbesondere Südeuropas, könnten sich für die deutsche Handelsgeschichte als äußerst ertragreich erweisen. Erste Quellenrecherchen dieser Art führten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts zu beachtlichen Ergebnissen, wie die Arbeiten Beutins, Simonsfelds und Häpkes zeigen. Sie wurden aber nicht systematisch weiterverfolgt. Die moderne Forschung zur frühneuzeitlichen Wirtschafts- und Sozialgeschichte des deutschen Raumes steht prinzipiell vor dem Dilemma, die Untersuchungsmethoden erheblich perfektioniert zu haben, aber nicht über eine aussagekräftige und neue Quellenbasis zu verfügen. Der Rückgriff auf auswärtige Bestände erscheint daher um so notwendiger und ist für viele Bereiche, beispielsweise Hamburg, sogar unverzichtbar. Gerade die umfangreichen Genueser Archive sind für zukünftige Forschungen viel versprechend. Die hohe Aussagekraft der Genueser Dokumente ermöglichte eine Reihe von Ergebnissen auf den unterschiedlichsten Sektoren. Alle Themen wurden jedoch durch die gemeinsame Klammer des ansteigenden Rüstungsbedarfes der frühmodernen Staaten, bzw. durch die Frage nach den Auswirkungen der Kriegsereignisse auf das europäische Handelsleben, zusammengehalten. Die Verknüpfung von militär- und wirtschaftshistorischen Fragestellungen stellt von daher besonders für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges einen fruchtbaren Forschungsansatz dar.
Handelstechnische Angaben 1. Gewichtsrelationen GENUA:1 1 Cantara (Ztr.) 1 Rubbo 1 Rottolo 1 Libbra grossa (Handelspfund) 1 Libbra fine (Silberfeingewicht)
6 Rubbo = 150 # (Libbra grossa) 100 Rottolo = 47,65 kg 25 # = 7,9416 kg 475,5 g 12 Unzen zu je 8 Drammen 317,664 g 12 Unzen zu je 24 denari 6912 grani (zu jeweils 24 grani) 316,75 g
AMSTERDAM:2 1 Zentner 1 Handelspfund
100 Handelspfund 494,48 g
= 49,4 kg
HAMBURG:3 1 Pfund 1 Zentner
1
485, 499 g 112 Pfund 112 lüb. Pfund 112 Markpfund 112 gemeine Pfund 112 "Viktualievit"
54,286 kg 54,432 kg 54,528 kg 51,030 kg
Zusammengestellt nach Angaben von: P. Rocca, Pesi e misure, S.60 ff; G. Giachero, Il Seicento, Appendix Χ ΙΠ; H. Witthöft, Sizilianische Tari, S.421 ff; F.C. Lane, Tonnage, S.213 ff. 2 R. Boxer, Dutch Seaborne Empire, Appendix III. 3 M. Reißmann, Hamburgische Kaufmannschaft; H. Witthöft, Umriße, S.65 ff.
1. Gewichtsrelationen 1 Schiffspfund 1 englisches Pfund 5 1 kastilisches Pfund larroba 6 1 Augsburger Pftind 7
1 hansische Schiffslast 8
345
135,6 kg 4 454 g = 460 g =11,5 kg
= 1/25 arroba
490,82 g (Schwergewicht) 472,38 g (Leichtgewicht)
= 4000 Pftind
1 Genueser Salma (= Last) = 4 Cantara
= ca. 2000 kg = ca. 191 kg
FRACHTKAPAZITÄTEN NORDEUROPÄISCHER SCHIFFE IN GENUA BERECHNET NACH:9 1 Genueser Mina
= 190 Rottoli (Getreidemaß zu ca. 2 Cantara)
In Genua geschätzte Größe: 1 Danziger Last = 25 Mine 1 Hamburger Last = 27 Mine 1 Amsterdamer Last = 25 1/2 Mine
= ca. 90-95 kg
= ca. 2250-2375 kg = ca. 2430-2565 kg = ca. 2300-2422 kg
Deshalb: 1 Schiffslast 10
4
= 50 Cantara
= ca. 2380 kg
Laut differierender Angabe aus den bearbeiteten Genueser Quellen nur 127 kg. K.N. Chaudhuri, Trading World, Appendix I, S.471 f. 6 I.A.A. Thompson, War and Government; C. Rahn Philipps, Trade in Iberian Empire, S.34 ff. 7 H.Elsas, Umriß, Bd.I, S. 154. 8 F.C. Lane, Tonnage, S.213 ff. Schätzung des nordeuropäischen Raumes nach durchschnittlicher Roggenlast von 2-2,4 t. 9 E. Grendi, Nordici, S.23 ff. 10 Während ansonsten von nur 40 Cantara ausgegangen wurde. Siehe: F.C. Lane, Tonnage, S.213 ff und H. Kellenbenz, Quintal und Zentner, S.49 ff. 5
346
Handelstechnische Angaben
2. Rechnungseinheiten, Währungsrelationen und Quotierungen 11 ANTWERPEN:12 1 Pfund (fläm.) 1 Schilling
= 20 Schilling (fläm.) = 12 Grooten
= 240 Grooten (fläm.)
= 20 Stuiver (holl.) = 16 Penningen
= 320 Penningen (holl.)
= = = = =
= 192 Pfenning
AMSTERDAM:13 1 Gulden (holl.) 1 Stuiver
HAMBURG:14 1 Mark lüb. 1 Schilling lüb 1 Hamburger Taler 1 Reichstaler
16 Schilling 12 Pfenning 2 Mark lüb. 3 Mark lüb. 48 Schilling
= 32 Schilling = 11/2 Taler
AUGSBURG:15 1 Rechnungsgulden 1 Reichstaler 11
= 60 Kreuzer = 1 1 / 2 Rechengulden
= 17,32 g Silber = 90 Kreuzer
Zur Umrechnungsproblematik siehe die grundsätzlichen Ausführungen von: R. Metzler, Geld, Währung und Preisentwicklung. Der Niederrhein im europäischen Vergleich: 1350-1800, Frankfurt a.M. 1990. Zu den europäischen Rechnungswährungen siehe: J.J. McCusker, Money and Exchange. 12 H. Pohl, Portugiesen, S.372. 13 H. Wätjen, Niederländer, S.XVI. 14 E. Waschinski, Währungen, Preisentwicklung und Kaufkraft des Geldes in Schleswig-Holstein von 1226-1864, Hamburg 1952; K. Schneider, Banco, Species, Courant. Untersuchungen zur hamburgischen Währung im 17. und 18. Jahrhundert, Koblenz 1986; ders., "Hamburg während der Kipper- und Wipperzeit", in: ZVHG 67 (1981), S.47-74; H. Rittmann, Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, Battenberg 1975, S.425 ff. 15 J.Elsas, Umriß, S.118 ff.
.
hrelationen
347
GENUA:16 1 Lira
20 Soldi = 240 Denari 7,10 g Silber (Quotierung 1621) 6,38 g Silber (Quotierung 1631)17
1 Mark Scudi 18
6 Lire 1 Soldi zum Titel von 65 Stück pro Mark
1 Silberscudi
5 Lira 11 Soldi =111 Soldi 1332 Denari (Quotierung 1627)19 (Normalgewicht: 38,394 g zum Silberfeingehalt von 958 Tausendstel) 36,781 g Silber
1 Goldscudi
20
100 Goldscudi
16
6 Lire 2 Soldi 6 Denari 122 1/2 Soldi (Quotierung 1627) Equivalenz der Goldscudi der 5 Prägungen Genuas, Mailands, Neapels, Venedigs, Florenz und Spaniens seit Karl V., in Bezug auf Mark Scudi verrechnet. (Normalgewicht: 3,30 g Gold zum Titel von 22 Karat) = 101 Mark Scudi
= 121 Soldi
= 1470 Denari
= 110 Silberscudi
G. Pesce/G. Felloni, Le monete genovesi - Storia, arte ed economia delle monete di Genova dal 1139 al 1814, Genua 1975; G. Mandich, "Formule monetarie veneziane del periodo 1619-1650", in: Studi in onore di A. Sapori, Bd. Π, Mailand 1957, S.1143-1183. 17 G. Felloni, Finanze statali, S.211. Im Zeitraum von zehn Jahren kam es demnach zu einer Entwertung der Genueser Rechnungseinheit von 10,1%. 18 Rechnungseinheit auf den Piacenzamessen. Siehe: J.-G. Da Silva, Banque et crédit, insbesondere S.290 ff und S.339-356. 19 Gegenüber einem legalen Emissionswert von 1080 Denari = 4,5 Lira, d.h. ca.23,3% Agio. Siehe: G. Felloni, Finanze statali, S.201 ff und G. Giachero, Il Seicento, Appendix Χ ΙΠ. 20 Ebenda.
348
Handelstechnische Angaben
SPANIEN:21 1 Dukaten 1 Real 1 Krone (Scudo) 1 Piaster zu 8 Realen
= = = =
11 Realen 1 Maravedi 34 Maravedis 400 Maravedis 272 Maravedis (Normalgewicht: 27,06 g zu 916 2/3 Tausendstel Silberfeingewicht) = 24,81 g Silber 22
= 375 Maravedis
INTERNATIONALE WECHSELRELATIONEN: 1 Pfund fläm. 23
= = = =
6 fl holl. 2 1/2 Rtl. 7 1/2 Mark lüb. ca. 6 Lire
1 Gulden holl. 2 4
= = = =
40 Grooten fläm. = 1/6 Pfund fläm. 20 Schilling lüb. = 1 1/4 Mark lüb. 0,4 Rtl. zwischen 1 Lira 12 Soldi 4 Denari und 2 Lira 3 Soldi 2 Denari 25
1 Mark lüb. 2 6
= 32 Grooten = 16 Stuiver
= 1/7 Pfund fläm. = 0,8 fl
1 Hamburger Taler
= 2 Lire 13 Soldi 4 Denari
= 640 Denari 27
21
= 120 Stuiver = 120 Schilling
G. Parker, Army of Flanders; I.A.A. Thompson, War and Government; H. Pohl, Portugiesen, S.372. 22 H. Wätjen, Niederländer, S.XVI. 23 J.J. McCusker, Money and Exchnage, S.42 ff und S.61 ff. 24 Ebenda. 25 Angaben nach den Genueser Quellenangaben (Umrechnungsangaben Guillemo Bartolottis). Die Diskrepanz zwischen 388 und 518 Denari führte zu einer Diffenrenz von 33,5%. 26 J.J. McCusker, Money and Exchange, S.61 ff. 27 Umrechnungsverhältnis im konkret recherchierten Einzelfall anläßlich des Genueser Rüstungsgeschäftes 1627.
. 1 Reichstaler28
1 spanischer Dukaten 1 spanischer Piaster
349
hrelationen
Normalgewicht: 25,97 g Silber 96-100 Grooten fläm. 48-50 Stuiver (holl.) 1 spanischer Piaster 29 ca. 4 Lire
= 1/3 Pftind fläm. = 2,4-2,5 fl
= 3 fl = zwischen 44 und 55 Stuiver (holl.) 30
1 Mark Scudo:31 Antwerpen
136-155 Grooten fläm, 140 Grooten fläm. 32
Amsterdam
= 147-155 Grooten fläm.
= ca.0,5-0,6 Pfund fläm.
= 3,6-3,8 fl
60 1/2-69 Soldi. 66 Soldi 6 Denari (Goldbasis)32
Genua
28
H. Rittmann, Deutsche Geldgeschichte, S. 185 ff; H. Witthöft, "Die Münzordnungen und das Grundgewicht im Deutschen Reich vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart 1993 (VSWG-Beiheft 106), S.85-104; F.C. Spooner, Venice and the Levant, S.643 ff. 29 R. Boxer, Dutch Seaborne Empire, S.304 f und H. Wätjen, Niederländer,
s.xvn. 30
Ebenda; S. Hart, Amsterdamer Italienfahrt, S.145 ff; H. Pohl, Portugiesen,
S.372. 31
Internationale Quotierungen 1621-1630 bei: J.-G. Da Silva, Banque et crédit, S.296 f, S.320 f. 32 Im konkret recherchierten Einzelfall anläßlich der Munitionsbestellungen 1627.
Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Unveröffentlichte Quellen im Staatsarchiv Genua (A.S.G.) Antica Antica Antica Antica Antica Antica Antica
Finanza Nr. 168/169 (Cartulario della Polvere). Finanza Nr.453 und Nr.997 (Polvere). Finanza Nr.667-679 (Rolli Soldati). Finanza Nr.709/710 (Pratiche Diverse). Finanza Nr.805 (Fortificazioni). Finanza Nr. 1401 (Corrispondenza Estera). Finanza Nr. 1458 (Amburgo Munitioni).
Archivio Archivio Archivio Archivio Archivio Archivio Archivio Archivio
Segreto Segreto Segreto Segreto Segreto Segreto Segreto Segreto
Nr. 1666 (Marittimarum). Nr.2273 (Lettere Consoli). Nr.2432 (Lettere Ministri Spagna 1625-27). Nr.2636 (Lettere Consoli). Nr.2712 (Istruzioni Ministri Spagna 1529-1659). Nr.2779 (Lettere Principi Alemagna). Nr.2783 (Lettere Consoli). Nr.2788 (Lettere Principi Olanda).
Camera del Governo Nr. 159-192 (Atti). Camera del Governo Nr.761-772 (Munitioni). Senato Oberto Foglietta Appendix (Militarum) Nr. 1098-1113 (Militiae Germanicae). Senato Oberto Foglietta, Militarium, Nr. 1115. Senato Oberto Foglietta, Militarium, Nr. 1117, Nr. 1118, Nr. 1120, Nr. 1125 (Savoy enkrieg). Senato Oberto Foglietta, Militarium, Nr. 1140 (Militarium occidentalis). Senato Oberto Foglietta, Militarium Nr. 1144. m.s. Nr.859: "Dialoghi sopra la Republica di Genova" (zwischen 1621 und 1623 entstanden). m.s. Nr.709: "Trattato delle armi genovesi" (Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden). m.s. Nr. 966: "Discorsi sopra le fortificazioni di Genova nell'anno 1598, fatti da Giacomo Mancini per Agostino Spinola".
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