Römische Literatur der Augusteischen Zeit [Reprint 2021 ed.] 9783112582503, 9783112582497


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Römische Literatur der Augusteischen Zeit [Reprint 2021 ed.]
 9783112582503, 9783112582497

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DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU B E R L I N

S C H R I F T E N D E R S E K T I O N F Ü R A L T E R T U M S WI S S E N S C H A F T 22

RÖMISCHE L I T E R A T U R DER A U G U S T E I S C H E N ZEIT E I N E AUFSATZSAMMLUNG

B E S O R G T VON

JOHANNES I R M S C H E R UND K A Z I M I E R Z K U M A N I E C K I

AKADEMIE-VERLAG - BERLIN 1960

Johannes Irmscher ist Mitglied der Sektion für Altertumswissenschaft

Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktor dieses Bandes: Kurt Treu

Alle Rechte vorbehalten insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen Copyright 1959 by Akademie -Verlag GmbH, Berlin Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 1, Leipziger Str. 3—4 Lizenz-Nr. 202. 100/76/60 Satz, Druck und Einband: Druckhaus „Maxim Gorki", Altenburg Bestellnummer: 2067/22 Printed in Germany ES 7 M

Vorwort Im Dezember 1958 trat das Komitee zur Förderung der klassischen Studien in den sozialistischen Staaten mit einer in der alten Humanistenstadt Erfurt durchgeführten wissenschaftlichen Tagung zum ersten Male vor die weitere Öffentlichkeit. Eines der Leitthemen der Konferenz behandelte Probleme der römischen Literatur in der Augusteischen Periode. Die neun Vorträge, welche zu diesem Thema von Fachvertretern aus Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und der Deutschen Demokratischen Republik gehalten wurden, erfaßt das vorliegende Protokoll zu einem Teil im vollen Wortlaut, zum anderen Teil — soweit für die Veröffentlichung von vornherein ein anderer Ort ins Auge gefaßt war — in ausführlichem Resümee. Um die sprachliche Glättung sowie um die redaktionelle Bearbeitung ist Dr. Kurt Treu in bewährter Weise bemüht gewesen. 22. 5.1959

Die Herausgeber

Inhalt Ladislav Varel, Praha Horatiana

1

Borivoj Borecky, Praha Some Occupations in the Poetry of Horace (The Influence of the Craftsman's Manual Work on the Imagination of Horace)

9

Kazimierz Kumaniecki, Warszawa Martiis caelebs quid agam Kalendis (Zu Horaz Od. I I I 8)

15

Wiktor Steffen, Poznan Kritische Bemerkungen zu Suetons Vita Horati

18

Lidia Winniczuk, Warszawa Cornelius Gallus und Ovid

26

Werner Krenkel, Rostock Zu Vergil, Ecl. 3,104—105, und seinem Erklärer Asconius Pedianus

. . 36

Samuel Szädeczky-Kardoss, Szeged Zur Frage der griechischen Vorbilder der römischen Elegie

39

Franz Dornseiff, Leipzig Die sibyllinischen Orakel in der Augusteischen Dichtung

43

Helmut Wilsdorf, Freiberg/Sa. Der Bergbau als literarisches Motiv bei den römischen Dichtern

. . . .

52

Horatiana LADISLAV VARCL,

Praha

Da ich in diesem Beitrage nicht allzuweit ausholen darf, muß ich mich damit begnügen, daß ich ein Problem der Horazforschung lediglich andeute, das mir wichtig scheint, wenngleich nicht ohne den Versuch, eine Lösung, wenn auch tastend, vorzubringen. Als Ausgangspunkt wähle ich die Behauptungen über die Poetik Horazens, mit welchen einer ihrer besten Kenner, nämlich Friedrich K L I N G N E B , vor einem Vierteljähr hundert hervortrat. Es ist ein wenig mein eigenes, persönliches Problem. Als ich nämlich vor etwa einem Jahrzehnt meine Vorlesungen über die römische Literatur des Augusteischen Zeitalters vorbereitete, mußte ich mich selbstverständlich auch mit den Artikeln über die Horazische Dichtkunst bekanntmachen, die K L I N G N E R in der „Antike" 1 ) abgedruckt hatte. Diese Artikel haben auf mich — ich gestehe es ganz offen — einen großen Eindruck gemacht. Seitdem quäle ich mich mit den darin enthaltenen Ideen ab, ringe mit ihrem Autor sozusagen wie Jakob mit dem Engel. Worum handelt es sich bei diesem Ringen? Ich ziele dabei nicht so sehr darauf hin, die Thesen K L I N G N E R S einfach zu widerlegen. Nein, ich möchte vielmehr seine Ausführungen, das Wertvolle in ihnen, mit dem Begriffssystem des historischen Materialismus womöglich in Einklang bringen. Es ist keineswegs eine vergebliche Mühe, wie es jemandem vielleicht scheinen dürfte. Aber, urteilen Sie selbst! Wir können mit einer Frage beginnen: Woraus ergab sich die Stärke des Einwirkens von K L I N G N E R S Thesen? Die Antwort auf diese Frage könnte lauten: Aus dem gelehrten Nachdruck, mit welchem dem seit langem gebräuchlichen Urteile, daß Horazens Gedichte in zwei verschieden zu bewertende Hälften zu trennen sind, (um mit K L I N G N E R ZU sprechen) „die Einheit in allem Wandel des horazischen Lebenswerkes entgegengehalten wurde" 2 ) — schon dieser Hang zu Monismus (monistischem Begreifen der Gedichte) kann jedem marxistischen 1

) Gedanken über Horaz, Die Antike 5, 1929, 23—44. — Horaziache und moderne Lyrik, Die Antike 6, 1930, 6 5 - 8 4 . — Horaz, Die Antike 12, 1936, 65—83. 2 ) Die Antike 6, 1930, 65. 1

Köm. Lit.

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LADISLAV VARCL

Forscher munden! Sie ergab sich aber auch aus der Art und Weise, wie diese These von K L I N G N E B begründet wurde (wenn auch diese Begründung nicht theoretisch gehalten war). Wir wissen ja, daß wir uns vor jedem solchen Vorgehen hüten müssen, welches als „Vignettenankleben" bezeichnet werden könnte, d. h. vor einem formalistisch klassifizierenden Dogmatismus im Beurteilen fremder Anschauungen. Wir fühlen uns jedoch berechtigt, jede wissenschaftliche Methode nach ihrem Ausgangspunkt und der Art, wie der Autor sie handhabt, zu bewerten. K L I N G N E R S Argumentation können wir nun im ganzen mit gutem Gewissen als eine recht materialistische bezeichnen — wenn man auch am passendsten von einem elementaren Materialismus sprechen würde. Ich bezeichne die Argumentation K U N G N E E S deshalb als materialistisch, weil er sowohl den anfänglichen Antrieb zum Dichten bei Horaz als auch die Faktoren, welche sich in weiterem Fortentwickeln Horazischer Dichtung geltend machten, aus realen, konkreten historischen Bedingungen herleitet. Gestatten Sie mir, bitte, an dieser Stelle ein wenig abzuschweifen, um einem üblichen Einwand zu begegnen. Fast alle wissenschaftlichen Arbeiter, die in ihrem Forschen ähnlich wie K L I N G N E B verfahren, nehmen am Terminus .materialistisch' Anstoß. Sie meinen, es wäre angemessener, anstatt ,materialistisch' z. B. .realistisch' zu sagen oder schreiben. Diesem Einwand pflegen die Marxisten folgendermaßen zu entgegnen: Es scheint vielleicht, daß es sich in diesem terminologischen Streite nur um geringfügige Feinheiten handelt. In der Tat aber verfallen die Gegner des Terminus .materialistisch' in einen weitverbreiteten Irrtum. Sie legen nämlich jedem Materialismus die Züge bei, welche nur von einem groben, vulgären Materialismus gelten können; sie stellen sich einfach den Materialismus zu stofflich vor. Da aber .Materie' im philosophischen Sinne für die Marxisten nur .objektive Realität' bedeutet, ist es augenscheinlich nicht notwendig, als Gegensatz zum Terminus .idealistisch' einen anderen Terminus zu suchen (z. B. eben .realistisch'). Im Gegenteil: es bedeutete, den wahren Sachverhalt zu verschleiern, daß es nämlich in der Frage vom Verhältnis des Seins und des Bewußtseins nur zwei Möglichkeiten gibt, entweder die .materialistische' (Sein primär, Bewußtsein sekundär, vom Sein bedingt) oder die .idealistische' (Bewußtsein primär, Sein sekundär, vom Bewußtsein bedingt; oder aber es kann diese Alternative .kryptoidealistisch' auftreten: Sein und Bewußtsein zugleich primär). Somit können wir die Frage nach dem materialistischen Charakter der Argumentation K L I N G N E E S als gelöst ansehen. Denn man kann nach K U N G N E E S Meinung die Anfänge des Dichtens bei Horaz nur dann richtig begreifen, wenn man sein Anlehnen an Archilochos und Lucilius als einen Protest gegen die gleichzeitige gesellschaftliche Situation nimmt, und zwar

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gegen ihren Ausdruck in der neoterischen, damals modernen Dichtkunst. Das bedeutet aber zugleich eine negative Beurteilung der moralischen Haltung der Neoteriker seitens des Horaz, weil sie in seinen Augen mit ihrem Dichten den zeitgenössischen moralischen Verfall der römischen Gesellschaft eher zu vertiefen als zu hemmen verhalfen. Damit polemisiert K L I N G N E R sichtlich, wenn auch nicht ausdrücklich, gegen mechanisches Hinnehmen des Horazischen Selbstzeugnisses (Epist. II 2, 51 f.: paupertas impulit audax, ut versus facerem). Ausdrücklich dagegen protestiert K L I N G N E R gegen die (ich möchte hinzufügen : mechanistische) Auslegung des Beweggrundes, der den Dichter dazu brachte, später eine andere Form des Ausdrucks seiner Gedanken zu wählen. Es ist die Frage seines Weges von Archilochos zu Alkaios (und der archaischen Lyrik überhaupt). K L I N G N E R gibt zwar zu, daß Horaz manches Gedicht unter der Einwirkung seiner literarischen Vorbilder schrieb, weist aber jene Annahme als unannehmbar ab, daß die epodische Form durch die lyrischen Formen der Oden bei Horaz infolge einer inneren Logik der literarischen Entwicklung abgelöst wurde. Es darf also nicht als natürlich („logisch") gelten, daß die archaische griechische Lyrik als Muster für die Horazische Poesie dem Archilochos folgte — daß sozusagen in Horazens Ontogenese als Dichter die Phylogenese der Lyrik wiederholt wurde. Nach K L I N G N E R S Meinung ist dieser Übergang von einem Stadium der Horazischen Dichtkunst zum anderen auf eine ganz andere Weise zu motivieren und zu erklären; er wurde eben durch die Änderungen in den materiellen Verhältnissen des Dichters, aber auch in denjenigen der damaligen politischen Situation bedingt. So konnten wir also materialistische Elemente, eine echt materialistische Erklärungsweise bei K L I N G N E R feststellen. Dies sei unterdessen genug. Jetzt wollen wir uns dem Probleme von einer anderen Seite nähern. Man darf sagen, und zwar ganz mit Recht sagen, daß Horaz in K L I N G N E R einen kongenialen Interpreten gefunden hat. K L I N G N E R hat nämlich die subjektiven Antriebe moralischer Ordnung klar erfaßt und ausgedrückt, welche den spezifischen Charakter der Horazischen Dichtkunst in allen ihren Wandlungen ausmachen. Kongenial! Was verstehen wir unter diesem Ausdruck, der sehr leicht eine idealistische Erklärung zuläßt, ja sogar sozusagen zu erheischen scheint? Kongenialität ist sicherlich nicht eine Realität (Entität) bloß psychischen — oder sogar geistigen — Ranges, die durch nichts bedingt wäre; von einer Geistesverwandtschaft dürfen wir nur in dem Sinne reden, wenn zwei Künstler (oder der Künstler und sein Interpret) unter analogen geschichtlichen Bedingungen zu demselben oder doch sehr ähnlichem Bewerten der auf sie einwirkenden Dinge gelangen. 1*

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Prüfen wir von diesem Gesichtspunkte aus das Verhältnis zwischen Horaz und K L I N G N E E , ihre Geistesähnlichkeit, so kommen wir zu folgendem Ergebnis : Es ist kein Wunder, daß gerade am Ende der zwanziger und am Anfang der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts und gerade in Deutschland die Horazischen Gedichte solch eine durchdringende Beleuchtung erreichten — daß man in die Versuchung gerät, von einer Röntgendurchleuchtung zu sprechen. Denn dies war eine Zeit, in der K L I N G N E R S Vaterland unter den Wirkungen der Niederlage im ersten Weltkriege und der darauf folgenden Krise nicht nur materiell, sondern auch moralisch litt. Dieses von ihm beobachtete Leiden hat K L I N G N E R S geistige Sehkraft geschärft und ihm erlaubt, alle die Töne abzulauschen, die in die Gedichte Horazens von seiner Verzweiflung und seinen schüchtern aufwachenden Hoffnungen eingezaubert worden sind. Denn — das dürfen wir sagen — K L I N G N E E S Horaz ist in mancher Hinsicht niemand anderer als K L I N G N E R selbst, mit all seinen bangen Fragen und seiner Angst um die Zukunft Deutschlands, mit seinen Ratschlägen, wie dem hart geprüften Vaterland zu helfen, wie es zu retten sei. Denn nicht nur der Poet selbst, sondern auch sein Interpret (d. h. ihr Bewußtsein) ist zeitbedingt. Das bedeutet aber, daß dasselbe, was K L I N G N E E S Stärke vorstellt, auch eine Begrenztheit seiner Sicht mit sich bringt. Die psychologische Vertiefung von K L I N G N E E S Interpretation führt zu einseitigem, übertriebenem Bewerten der subjektiven Faktoren nicht nur im Horazischen dichterischen Schaffen, sondern auch im historischen Verlauf der Anfänge der augusteischen Zeit. Zuviel Gewicht ist auf die Willensakte als Beweggründe gelegt, welche den römischen Dichter bei seiner Entscheidung leiteten. Es steckt darin ein gewisser Hang zum Voluntarismus, der bei einem Mitgliede der um die Revue „Die Antike" gesammelten Gruppe der Gelehrten nicht überrascht. Bei allem anerkennenswerten Idealismus ihrer humanistischen Bestrebungen darf man nicht die Augen vor der Beschränktheit ihres Gesichtskreises schließen, welche ihnen verwehrte, in materiellen Bedingungen nicht nur (im besten Falle) gleichwertige, sondern gerade die entscheidenden Ursachen des historischen Prozesses zu sehen, der sowohl das objektive (ökonomische, politische) als auch das subjektive (psychische, kulturelle) Geschehen einbezieht. Es ist bekannt, daß die Konzentration der Intellektuellen auf das Erforschen der subjektiven Seiten des geschichtlichen Werdens daran Schuld trägt, denn das führt dazu, daß die Intellektuellen gerne dem Subjektiven autonome Entwicklungsgesetze) zuschreiben. Was ebenso von K L I N G N E E wie von Horaz gilt. Wir können also K L I N G N E E einer Inkonsequenz zeihen, da er auf eine im Grunde materialistische Argumentation einige subjektivistische (idealistische) Elemente einpfropfte. Das wurde eben durch die unrichtige Bewertung des Verhältnisses der subjektiven und objektiven Elemente bewirkt.

Horatiana

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Wir dürfen uns aber nicht mit einer solchen kritischen Analyse zufriedengeben. So wollen wir neben diesen ersten, kritischen Teil noch einen anderen Teil stellen, der positiv zeigen würde, wie wir uns den richtigen Zutritt zum Erforschen der Beweggründe des Horazischen Kunstwerkes vorstellen. Wir dürfen uns dieser Pflicht nicht entziehen, obwohl wir uns klar bewußt sind, daß wir im engen Rahmen dieses Beitrages nur andeuten können, was eine gründlichere Untersuchung verdient. Es ist unmöglich, das Problem in seiner ganzen Breite zu umspannen. Deshalb wollen wir die Beobachtung eines Teilproblemes unternehmen, in dem sich das vielseitige Ganze wie in einer Facette eines Brillanten abspiegeln würde. Material, welches als Grundlage für diese Beobachtung dienen soll, entnehme ich einer unter meiner Leitung ausgearbeiteten Diplomthese, mit welcher die heutige Assistentin unseres klassischen Seminars, Bohumila MOUCHOVÄ, im Jahre 1 9 5 7 absolvierte. In dieser Arbeit beobachtete die damalige Diplomandin die von Horaz gebrauchten Ausdrücke für die menschlichen Kollektive, unter anderen auch das Wort populus. Das Endresultat, zu dem sie in diesem Falle kam, war vielleicht wenig scharf; denn es zeigte sich, daß dieses Wort in allen Perioden des Horazischen Schaffens mindestens drei Bedeutungen aufweist (die politische — das Volk —, die verallgemeinerte — das Publikum — und die philosophische — die Masse), so daß man nicht ganz genau von einer Entwicklung dieses Begriffes innerhalb des Horazischen Dichtwerkes reden kann. Mir scheint es aber, daß wir trotzdem Einiges davon gewinnen können. Für unsern Zweck ist es nützlich, die Fälle zu prüfen, wo das Wort populus die politische Bedeutung aufweist. — Der unerfreuliche Zustand des römischen Reiches, der eines der ältesten datierbaren Gedichte Horazens, nämlich die 16. Epode, entstehen ließ, begann sich am Anfang der zwanziger Jahren erkennbar zu verbessern. Trotzdem war er immer noch nicht so heiter geworden, daß er keine Befürchtungen mehr hervorgerufen hätte. In dieser Lage, etwa im Jahre 28 v. u. Z., entstand die 2. Ode des 1. Buches (Iam satis terris . . .), wo Horaz seine Angst um das zusammenbrechende römische Reich ausdrückte (V. 25 f.: quem vocet divom populus ruentis / imperi rebus?). Populus, der im V. 46 als populus Quirini, also mit einem poetisierten offiziellen Titel benannt wird, ist hier in eine unzertrennliche Einheit mit dem Reiche verflochten (das also noch immer als imperium populi Romani aufgefaßt wird!). Neben diesem Volke wird aber auch schon (im V. 50) pater et princeps erwähnt. Also alte und neue Begriffe stehen dicht nebeneinander. Man kann von Überbleibseln des alten Zustandes sowie von Andeutungen der neuen Entwicklungstendenz sprechen, die Möglichkeit einer Übergangsperiode der Horazischen Anschauungen erwägen. Das alles wäre nicht falsch, aber doch ein wenig zu matt. Wichtiger ist es, daß sich beim Vergleichen dieses Gedichtes mit der 16. Epode die Horazisehe

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Auffassung der gesellschaftlichen Lage schon ganz verändert zeigt. Beiden Gedichten ist es gemeinsam, daß der Dichter sich kein reales Mittel zur Rettung des Reiches vorstellen kann. Aber die illusorischen Vorstellungen, d. h. die Vorstellungen über die nur in der Illusion bestehenden Mittel zur Rettung mindestens der melior pars, bewegen sich in einem jeden der zwei Gedichte in ganz verschiedenen Gedankenebenen. In der 16. Epode wendet sich Horaz an die Bürger Versammlung, ein Kollektiv von gleichberechtigten Menschen (man muß unterstreichen: M e n s c h e n ) , welche sich m e n s c h l i c h entscheiden können, mit m e n s c h l i c h e n Mitteln Maßnahmen zu ihrer eigenen Rettung zu ergreifen, wogegen in Carm. 12 das bürgerliche Kollektiv sich nicht mehr auf seinen eigenen Willensakt verlassen kann, sondern nur die übernatürliche Welt anbeten muß. Sogar der erhoffte Retter ist deifiziert (und zwar in einer in der antiken Gedankenwelt üblichen Form). Das zeugt von einem Zusammenstürzen der alten, wir mögen sagen, republikanischen Vorstellungswelt, die zugleich als humanistische Vorstellungswelt bezeichnet werden kann, wenn wir humanistisch als Gegensatz von supranaturalistisch auffassen. Daß dies für Horaz nicht eine vergängliche Angelegenheit war, von momentanen Erwägungen diktiert, das wird durch andere Beispiele bezeugt, welche in dieselbe Richtung weisen. Nur ein wenig jünger als das Carm. I 2 ist der Hymnus auf Diana und Apollo (Carm. I 21). Kein Wunder, wenn auch hier die Gunst beider Gottheiten für populus et princeps Caesar (V. 14) erbeten wird! Es erscheint hier also nicht mehr die altehrwürdige republikanische Formel populus senatusque Romanus (oder umgekehrt senatus populusque Romanus), sondern wir sehen hier schon ein festes Zusammenfügen beider staatsrechtlicher Begriffe, welche am Anfang der neuen Epoche des Prinzipats noch als gleichberechtigte Konstitutionsfaktoren vorgestellt werden konnten. (Es ist eine Sache des Geschmackes, ob wir von einem subjektiven Republikanismus bei Horaz sprechen wollen.) Horaz befand sich also in der Zeit, als er diese Gedichte schrieb, schon mit beiden Füßen im Bereich der (zuerst verhüllten) Monarchie, seine in den Oden ausgedrückten Gedanken reflektieren, mag er wollen oder nicht (d. h. ohne daß er mit einem Willensakt dem zugestimmt hätte), die neue gesellschaftliche Realität (Zusammenbruch des Republikanismus, Inthronisierung der Monarchie). In den nachfolgenden Jahren vermehren sich noch die Beispiele. So Epist. 116, 27 fF.: Tene magis populus velit an populum tu / servet in ambiguo qui consulit et tibi et urbi / Iuppiter. Auch hier bleibt das Gleichgewicht von populus und princeps noch unbehelligt; in anderen Worten: Republikanismus und Monarchismus halten sich im Bewußtsein von Horaz noch immer die Waage. Zugleich aber zeigt sich hier derselbe Verweis zur religiösen, fideistischen Erklärung der neuesten Geschichte wie in Carm. 12.

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Noch weiter scheint es zu verweisen, wenn wir Epist. I I 1, 18 tuus populus lesen. Der monarchistische Gedanke scheint um die Zeit der Entstehung dieses Gedichtes schon weiter um sich gegriffen zu haben, so daß auch im Bewußtsein der Zeitgenossen nicht mehr populus und princeps als gleichberechtigt gefühlt wurden, sondern die faktische Unterordnung des populus unter den princeps schon zugestandenermaßen auch wörtlich ausgedrückt wurde. Wir müssen freilich zugeben, daß dieses Beispiel bei Horaz zu vereinzelt steht, so daß wir nicht zu weite Ausführungen daraus herleiten dürfen. Nichtsdestoweniger dürfen wir behaupten, daß es ganz der Entwicklungstendenz jener Zeit entspricht, wenn wir in den jüngeren Gedichten solche rein .monarchistische' Gedanken auffinden. So erscheint Horaz nicht als ein subjektiv gänzlich frei sich entscheidender Denker, der unter den objektiven Möglichkeiten nach seinem Willen wählte, sondern als typischer Vertreter (Sprecher) der Schichten der Einwohnerschaft von Rom und ganz Italien, welche der Verbreitung des monarchischen Prinzips keinen festen Widerstand leisteten, sondern mehr den Prinzipat als Mittel zur Rettung der Existenz des geordneten römischen Reiches ansahen. Dies zugestanden, mögen wir fragen, zu welcher Zeit annähernd dieser Frontwechsel — wenn wir es so nennen wollen — bei Horaz zustandegekommen ist. Wir suchen also einen terminus post quem. Da können wir z. B. auf folgende Weise vorgehen: Wenn wir die älteren Horazischen Satiren (des ersten Buches) ansehen, dann sehen wir, daß in Sat. I 6 (Non quia, Maecenas, . . .) immer noch (in V. 15ff.) das Bild des traditionellen republikanischen Lebens mit seinen Volksversammlungen als maßgebendem Faktor von Horaz gezeichnet wird. Es ist von keinem Wert zu fragen, ob damals noch die Volksversammlungen wirklich als solcher Faktor fungierten. Für uns ist es entscheidend, daß im Bewußtsein Horazens der Republikanismus im Prinzip immer noch lebendig war. Auch eine der ältesten Oden (Carm. I 37: Nunc est bibendum . . .) weist immer noch nur ,menschliche' Töne bei der Schilderung des Schicksals der Kleopatra auf, und auch Caesar, obwohl er darin erwähnt wird, ist immer noch nicht deifiziert, supranaturalisiert. So dürfen wir als die wahrscheinlichste Zeitspanne für den erwähnten .Frontwechsel', für den Übergang vom traditionellen zum gemäßigten Republikanismus die Jahre 30—29 v. u. Z. ansehen. Wir geben freilich zu, daß diese Frage noch tiefer untersucht zu werden verdient. Ein verlockender Einfall ist es, solch ein Gedicht wie Carm. I 34 (Parcus deorum cultor et infrequens . .'.) in diesen Zusammenhang zu bringen, und zwar auf die Weise, daß Horaz damit seinen Übergang von humanistischem zu supranaturalistischem Auslegen der zeitgenössischen Geschichte erklären und rechtfertigen wollte. Es ist aber eben nur ein bloßer Einfall, der kaum je bewiesen werden kann.

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LADISLAV VARCL

Daß Horaz sich um Klärung dieser Probleme für sich selbst und damit auch für andere ernst und aufrichtig bemühte, das können wir uns klar vorstellen und zugeben. Damit kann auch ein möglicher Einwand in Einklang gebracht werden, daß es sich nämlich im Falle des Horaz um eine bewußte monarchistische Propaganda handele. Es meint nur, daß Horaz solche Propaganda fest überzeugt machte, daß er die richtige Sache vertritt. Wie er dazu gekommen ist, das versuchten wir eben in unserem Beitrag zu beweisen. Wir können aber noch eine weitere Frage stellen. Wie kommt es, daß Horaz seinen Lesern nicht nur die Werke vorlegte, welche das Endresultat seiner politischen und menschlichen Entwicklung vorstellten, sondern auch die ältesten Gedichte, die er je geschrieben hatte, obwohl sie von einem anderen Standpunkt her geschaffen wurden? Von mehreren Möglichkeiten, die ich hier nicht alle aufzählen will, scheint mir diese am wahrscheinlichsten zu sein: Horaz war subjektiv von der objektiven Einheit seiner Gedichte — ganz wie K L I N G N E B — fest überzeugt; d.h., er spürte keinen Frontwechsel in seinem Benehmen, sondern nur eine (logische) Entwicklung (er sah also seine Entwicklung ganz ,materialistisch' an!). Und wir können hinzufügen, daß es unserer Meinung nach auch objektiv wahr gewesen ist. Denn als Horaz im republikanischen Heere kämpfte, so war es aus keinem anderen Grunde, als daß er die traditionellen römischen Werte beschützen wollte, zu denen er auch die moralische Unversehrtheit des idealisierten alten Römertums — und die privilegierte Stellung Italiens unter den besiegten Ländern — rechnete. Als er sah, daß dieses sein Ideal sich, wie es ihm schien, im Prinzipat zu verkörpern begann, war es für ihn nur natürlich, die neue Ordnung scheu anzuerkennen und nach seinen Kräften zu unterstützen. — Daß diese Entwicklung auch klassenbedingt war, ist nur selbstverständlich, aber davon müssen wir hier nicht ausführlich handeln.

Some Occupations in the Poetry of Horace (The Influence of the Craftsman's Manual Work on the Imagination of Horace) BORIVOJ BORECKY,

Praha

In the large picture of Roman society drawn for us in the poetry of Horace we meet people of various professions and occupations such as farmers, merchants, tradesmen, actors, craftsmen etc. Horace not only quite often mentions such people and their activity, but in his metaphors, similes, epithets, symbols and other tropes he sometimes reflects the everyday work of the common people. This is a part of poetic creation which has not yet been sufficiently examined. In my contribution I want to deal only with a part of this problem, namely with the question of the importance of manual work for the imagination of Horace. I want to limit this contribution only to the manual work of craftsmen 1 ) and to leave out all the rest which involves some other kinds of work, especially the large sphere of agriculture. Such tropes based on manual work with the mentioned limitation are not scarce in the poetry of Horace. If we examine these tropes a little more thoroughly we find out very soon that many of them belong to the traditional means of poetry and prose and even of painting, some others were taken over from Horace's philosophical sources, others from proverbial phrases and colloquial language. If we have therefore to examine the importance of manual work itself for Horace's imagination, we have to separate that part of his imagery where the tropes are based on literary tradition or on other sources, from those where the manual work itself serves as inspiration for a new and original imagery. Our task is easy when we find out a close parallel to the picture used by Horace, that means in such a case, where Horace simply takes over without changing too much. Thus we read in his Epistle Ad Pisones: ergo fungar vice cotis, acutum reddere quae ferrum valet, exsors ipsa secandi (304sq.). A close parallel to this simile can be found in the words.of Isocrates quoted by Plutarch: Claoxoarrji;) noòg ròv ÈQÓ/LISVOV òión ovx ÙJV avròg ixavòg (Xéyeiv) uXXovq noiel, elnev ori xal ai àxóvai /lèv refiEÌv ov òvvavrai, ròv Se (xidrjgov r/irjnxòv notovaiv (Mor. 838e). 1

) In addition the spinning process is involved.

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B o ü r v o j BORECKY

T h e philosophical sources of Horace g a v e rise t o s o m e others of t h e poet's images, b u t similar cases are p r e t t y scarce 1 ). The greatest part of Horace's imagery of t h e k i n d e x a m i n e d in this contribution belongs t o t h e t y p e s of imagery traditional in. p o e t r y a n d prose. T o this sphere belongs e . g . t h e use of s o m e words in a metaphorical sense, as t h e use of t h e verb deducere in the connection deducere carmen (Carm. I l l 30, 1 3 s q . ; Epist. I I 3, 129) or deducere p o e m a t a (Epist. I I 1 , 2 2 5 : tenui d e d u c t a p o e m a t a filo)2) or deducere versus (Sat. I I 1 , 4). I t is based o n t h e comparison of t h e work o f a p o e t w i t h t h e spinning process, which w a s quite usual in t h e poetry of t h a t t i m e (Prop. 1 1 6 , 4 1 ; Ovid. Trist. I 1, 3 9 ; V 1, 7 ; P o n t . I 5, 13; I V 1, 1; Colum. 10, 4 0 etc.) a n d used also in Greek (cf. Plato, Men. 8 0 e : Xoyov xaxayeig). W e can t a k e as another e x a m p l e t h e use of t h e adjective limatus in t h e figurative m e a n i n g (Sat. 1 1 0 , 6 5 : f u e r i t limatior idem), w h i c h can be found already in t h e writings of Cicero 3 ). B u t this m e t a p h o r is d e v e l o p e d in t h e s a m e satire b y Horace, where some verses later he uses e v e n t h e verb deterere (Sat. 1 1 0 , 6 9 s q . ) in a figurative sense w h e n speaking a b o u t the poet's w o r k 4 ) . *) (Horace mostly modifies these tropes or introduces new details). So the shoemaker as a symbol of craftsman's skill (Sat. I 3, 124sq.; 130sqq.; I I 3, 106sq.) has its origin in Greek philosophy (A. KIESSLING and R. HEINZE, Commentary to the poems of Horace); sim. the metaphor in Epist. I I 2, 8 (cf. Diogenes apud Stob. IV p. 200 M); here we can mention also Epist. 11, 100 (diruit, aedificat; Hippocr. Ep. 17; cf. Sail. Catil. 20, 12) and Epist. I I 1 , 1 1 6 (various craftsmen as representatives of special knowledge and skill contrasting to dilettantism usual e. g. in Plato); A. KIESSLING and R . HEINZE interpret the metaphorical sense of the verb concutere (Sat. 13, 34sq.): „xwöwviCeiv, vom Prüfen der Topfwaren auf etwaige verborgene Schäden"; if they are right (the use of xcoö(ovi£(o in the sense of testing pottery was evidently very scarce: Schol. in Aristoph. Ran. 78. 79; Hesych. s. v. xaidcuviaai, xcoöcoviaca (cf. xcodcovoipoQwv), instead of it the verb xgovco was usual, which was used also in the sense of testing (Plat. Hipp. Ma. 301b; Plut. Mor. 64 d; Schol. Pind Pyth I I 127; cf. also Verg. Aen. VII 338), this metaphor has its origin also in Horace's philosophical sources. 2 ) Here the metaphor was developed owing to a proverb, v. A. OTTO, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, Leipzig 1890, 224. 3 ) Comparative: Cic. De fin. 5, 12: alterum (genus librorum) limatius; Cicero uses very often the verb limare in this metaphoric sense: e. g. Ac. 1, 2; De fin. 3, 40; Orat. 1, 25; 3, 49; in Greek D. Hal. Th. 24 (QIVCIW) ; the figurative sense of the substantive lima (Epist. I I 3, 290sq.) can be found in Horace for the first time, but it is usual in the poetry of Ovid (Trist. I 7, 30; Pont. I 5, 19; I I 4 , 17) and in the later authors (e. g. Veil. 2, 9, 3; Mart. 5, 80; 10, 12; Quint. 10, 4, 4). 4 ) The use of the verb limare in another metaphoric sense (Epist. I 14, 37 sq.) can be found also in Cicero already (e. g. Ad fam. ILL 8, 8). — The use of the verb texere in figurative meaning can be found in older authors (Plaut. Trin. 797; Cic. Ad fam. I X 21, 1; in Greek Pind. N. 4, 41); it was developed by Horace in scriptorum quaeque retexens (Sat. I I 3, 2). — The metaphoric use of the verb inaurare (Epist. I 12, 8sq.) also already in Cicero (Ad fam. V I I 1 3 , 1) v. A. OTTO, op. cit., p. 145: „die Wendung könnte proverbiell sein". Sim. officina (Epod. 17, 35) cf. Cic. De leg. 1, 36; De fin. 5, 7.

Some Occupations in the Poetry of Horace

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There are many examples where Horace takes over an idea on which a traditional trope is based, but he expresses it in a new way. Here the originality of the poet does not lie in the invention of a new poetic idea, but in the manner in which the idea is expressed, or in the development of this idea. To this sphere belongs e. g. the comparison of a refined poem to a filigree piece of art (Epist. I I 2 , 92) 1 ), the description of the hammering of arms as a symbol of the preparation for a fight (Carm. I 35, 38sqq.; IV 15, 19; sim. Sat. 1 3 , 1 0 1 sq.)2) etc. 3 ) Also the composite epithets for fine materials purple in colour belong to the traditional poetic means. Creating these epithets Horace sometimes takes advantage of his knowledge of different sorts of purple dye and their quality 4 ) and we can even see in Horace a better knowledge of one technical detail of the dying process than in other Roman poets 5 ). But the epithets of this type are also quite usual in the poetry of the Sim. norma (Carm. I I 1 5 , 12; Epist. I I 3, 72) cf. Cic. Lael. 18; De leg. I I 61; De nat. deor. I 39. ') A. Kiessling-R. Heinze, Comm. 2 ) Verg. Georg. I I 540; Aen. V I I 629; cf. Verg. Aen. I I 4 6 ; Ovid. Met. I 259; Horace's tropes audiet civia acuisse ferrum (Carm. I 2, 21) and Cupido semper ardentis acuens sagittas cote cruenta (Carm. I I 8, 14sqq.) are not based on craftsman's manual work, b u t on the preparation of soldiers for fighting (cf. e. g. Xen. H . G. V I I 5, 20; Liv. 44, 34, 8); after all these tropes belong also to the traditional images of poetry (e. g. Aristoph. frg. 684; Ovid. Met. XV 776; A P V 180); sim. the metaphor seu linguam causis acuis (Epist. I 3, 23) in Cicero already (Brut. 331; De orat. I l l 121; cf. Pind. P y t h . 1, 165). 3 ) Epist. 117, 30sq. (Mileti t e x t a m . . . chlamidem): the origin of the epithets of this type can be found in Homerus (Od. 13, 136; 13, 218; 16, 231; also e. g. Aesch. Ag. 1580; Tib. I I 6, 35). — Epist. I 10, 48 (tortum . . . funem): intortus is usual in similar cases as an epitheton constans (Catull. 64, 235; Ovid. Met. I l l 679; also Tib. I 9,22). — Carm. I l l 11, 51sq. (et nostri memorem sepulcro scalpe querelam), v. Commentary of Kiessl i n g - H e i n z e , ad hoc etiam Ovid. Epist. 12, 128. — Two traditional tropes are combined in Epist. II 3, 440sq. (delere iubebat et male tornatos incudi reddere versus): versus tornati: e. g. Aristoph. Thesm. 54; Prop. II 25, 43 and later; incudi reddere versus: e. g. AP V I I 4 9 (Antipater Thessalonicensis); Ovid. Trist. I 7, 29sq. and later. — Carm. I I 1 8 , 4sq. (columnas ultima recisas Africa), epithets of the same type are in Prop. II 31, 3; III 2, 9; cf. Musonius Philosophus p. 108 H ; Sen. Epist. 115, 8; Iuv. 7, 182 etc. 4 ) Sat. I I 6, 102sq.; Epist. I I 1, 207; Epist. I I 2, 181; Carm. I I 1 6 , 35sq. (bis Afro murice tinctae . . . lanae); Epod. 12, 21 (muricibus Tyriis iteratae vellera lanae): about these dibapha v. Plin. 9, 135. 137; 21, 65; they were well known in antiquity, v. Cic. Att. I I 9, 2. 6 ) The term fucus is used by Roman poets inaccurately instead of purple: Catull. 64, 49; Lucan. 10, 123; Val. PI. 1, 427; Avien. Arat. 346; Horace on the contrary uses it exactly only to indicate a special sort of dye (in the epithet Epist. 110, 27; cf. etiam Sat. I 2, 83) which was sometimes used to improve the quality of the purple (in t h e simile neque amissos colores lana refert medicata fuco, Carm. I l l 5, 27sqq.; ad hoc v. Plin. 13, 136; 26, 103; especially 32, 66).

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Bofiivoj B O R E C K ^

Augustan age and earlier 1 ). After all they are based on epithets usual in Greek poetry (noQcpvQo^ajirog, (poivixofiajiTog, aAovgyrfg etc.) and Horace only develops this poetic flower in his own way 2 ). Thus we come to the group of traditional imagery taken over but developed by introducing new details from every day life or even from the working process itself. Here we can mention also the traditional picture of women spinning wool. We find it also in the poetry of Horace (Carm. I l l 12, 2; 27, 63sqq.) 3 ). The picture of women spinning purple wool is used by Horace as a symbol of a rich house in the eighteenth ode of the second book (Carm. I I 18, 7sq.). But women slaves or servants, who are generally to be found in such a picture, are replaced by women clients, which was typical for the conditions in some great Roman houses known to Horace 4 ). The last group of imagery which is not inspired by manual work itself but rather by tradition are the tropes taken over from people's language or from proverbs. To the tropes of this type belongs the metaphorical use of the term ad unguem, taken from the language of sculptors which can be found twice in Horace's poetry (Sat. 15,32sq.; Epist. I I 3 , 294). This expression is common not only in the technical writings of Columella (11, 2, 13), Vitruvius (4, 6, 12) and Celsus (8, l p . 321, 23D), but we find it also in the figurative sense in Vergilius (Georg. I I 277). I t is identical with the Greek elg ow%a, en ovv%og, di ovv%og or ev ovv%i used by many authors (Polycleit. ap. Plut. 2, 636c; Plut. often; D. Hal. Dem. 13; Galenus 2, 737; Philo Mechanicus Bel. 66,37; Philodemus Philosophus Rh. 1, 115).5) A. O T T O (op. cit., p. 150) takes also the phrase ne currente retro funis eat rota (Carm. I l l 10, 10) for a proverb which has its origin in the work on a building site, and H E I N Z E in his commentary may rightly say that the allegorical phrase amphora coepit institui: currente rota cur urceus exit (Epist. I I 3, 21 sq.) resembles a proverb. Symbols of the Destiny which cannot be changed (te semper anteit saeva Necessitas clavos trabalis et cuneos manu gestans aena nec severus uncus abest liquidumque plumbum, Carm. I 35, 17sqq.) are also derived from a popular idea 6 ). To the symbol J) Lucr. II 501; Catull. 64, 49; Verg. Aen. V 111; Ov. Met. X 2 6 7 ; cf. etiam Cic. Rep. 6, 2. 2 ) The metaphor nec tinctus viola pallor amantium (Carm. I l l 10, 14) is based also on such traditional epithets. 3 ) Cf. Commentary of KIESSLING-HETNZE ad Hor. Carm. ILL 12, 2; also e. g. Varro Sat. 190; Verg. Georg. I 390; IV 335; Prop. I l l 6, 16; Ovid. Met. II 411; IV 34sq. — We can mention here also the spinning Fates (Carm. II 3, 15sq.; Epod. 13, 15sq.) which are to be found very often in ancient literature. 4 ) A mercenary work is in Carm. I l l 15, 13sq.; cf. Tib. I 6, 77sqq. 5 ) Further evidence in A. OTTO, op. cit., p. 357. 6 ) Sim. Carm. I l l 24, 5sqq. (si figit adamantinos summis verticibus dira Necessitas clavos): cf. KIESSLING-HEINZE ; A. OTTO, op. cit., p. 85; in addition to the evidence there cf. Pind. Pyth. 4, 125.

Some Occupations in the Poetry of Horace

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which was alive among the people (clavos trabalis) new symbols were added suggested by work on a building site. Types of tropes we have just dealt with represent the majority in the imagery of Horace reflecting manual work. Generally we can say that they were partly taken over from the poet's sources, proverbs etc. But for the most part they belong to the customary tropes and rhetorical flowers. The poet however does not simply copy, but he gives a new and original expression to these poetical ideas. The introduction of new features into imagery of these types shows sometimes that Horace had a concrete idea regarding the respective working processes and even a knowledge of some technical terms. But the work itself did not serve as the first impulse for the imagery of these types. 1 ) Tropes which cannot be included in the previous groups are a minority. And now it seems interesting to me to ascertain which spheres of manual work they are taken from. In fact, there are at most three spheres of manual work involved 2 ). Once it is the work of a blacksmith 3 ). I t seems also that the simile in Epist. 113, 32sqq. was inspired directly by the work of a faber aerarius 4 ) which Horace had the opportunity to watch while walking about the town (cf. Sat. I 6, l l l s q q . ) . In all other cases, which are altogether seven, work on building sites stimulated the poet's imagination 5 ). Here the poet's imagination was inspired directly by manual work and everyday life in the city. This is evident not only from the originality of this imagery, but also from its variety and sometimes also from the details which were involved. This refers especially to the images inspired by construction work. Reading some of them we cannot doubt that the poet 1 ) The observation of the working process itself did not inspiré the poet's images, where a craftsman is only mentioned, e. g. Sat. I 8, 2sq.; Epist. 119, 13; II 1, 96. 2 ) If we exclude barber's work as a special case. Of the small number of craftsmen which appear in Horace's poems we meet the barber most often (Sat. I 7, 3; II 3, 16 sq.; Epist. I 1, 91 sqq.; I 7, 49sqq.; II 3, 300sq.). 3 ) At tu conclusas hircinis follibus auras usque laborantis, dum ferrum molliat ignis, ut mavis, imitare (Sat. 1 4 , 19sqq.) ; a remote parallel in Plaut. Bacc. frg. VIII 9sqq. 4 ) In the simile Aemilium circa ludum faber imus et ungis exprimet et mollis imitabitur aere capillos, infelix operis summa, quia ponere totum nesciet (he was a well known character in Rome). — Technical terms concerning the artistic craft in Epist. I I 1 , 240 (duceret aera) and in Sat. II 3, 22 (quid scalptum infabre, quid fusum durius esset) do not take the origin from the work itself: in the first case it was a term commonly used (Varro Men. 201; Lucr. V 1265; Verg. Aen. VI 848; VII 634), in the second one an expert on art is speaking. 5 ) Carm. II 15, 14sqq.; 18, 17sqq.; III 1, 33sqq.; 24, 3sqq.; Sat. I 6, 42sqq.; Epist. 1 1 , 85 sqq. ; II 2, 72 sqq. The metaphor aurum vestibus inlitum (KIESSLING-HEINZE: „t. t. von der Vergoldung, z. B. der Zimmerdecke oder des Marmors") for the first time in Horace (Carm. IV 9, 14), but also in Seneca (Phaedr. 387; Epist. 119, 11), cf. etiam Mart. Cap. 6, 551.

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Borivoj Borecky

had in mind the well known picture of construction work. Thus the manual work of building workers in addition to that of the blacksmith and of the faber aerarius was of the greatest importance for Horace's imagery of the type mentioned. This conclusion seems to be quite natural. The philosophically educated poet of the Augustan period, who preferred t o lead a solitary life in the circle of his friends, realised the distance between himself and the common people and their work. He came in touch with the manual work of the craftsman undoubtedly occasionally and seldom. The knowledge which he acquired on these occasions he used only for developing some tropes of traditional types. But on the whole the importance of the manual work of craftsmen for Horace's imagination is a limited one. I t does not exceed the traditional limits with the exceptions mentioned above, especially with the exception of construction work. I t was just this work he could observe almost daily during his stay in Rome and also during the time of his travelling out of Rome 1 ). No wonder therefore that he knew it better than any other kind of craftsman's manual work, and that it was just this work which inspired his imagination mostly in a quite new and original way. The busy building activity of the Augustan period is reflected on a large scale in the literature of this time. It did not only inspire the imagination of the poets, but gave also rise to criticism, the traces of which can be found in Horace (e. g. Carm. II15, 1 sqq.; 17sqq.; III 1, 45sqq.)

Martiis caelebs quid agam Kalendis 1 ) (Zu Horaz Od. III 8) KAZIMIERZ KUMANIECKI,

Warszawa

Im Gegensatz zu R. HEINZE, der in seiner Einleitung zum Gedicht die Ansicht äußert, daß die Ode I I I 8 am ersten März des Jahres 28 entstanden sei, bin ich der Meinung, daß den einzigen sicheren Anhaltspunkt zur Datierung des Gedichtes die inneren Kämpfe im Partherreich bilden, die in V. 19/20 der Ode in den Worten „Medus infestus sibi luctuosis dissidet armis" ihren Ausdruck finden. Wir erfahren von den Kämpfen zwischen dem Partherkönige Phrahates IV. und dem Gegenkönig Tiridates II. zuerst in den Jahren 31/30 und alsdann in den Jahren 26/25. Soweit es sich um den ersten Krieg handelt, so begann dieser im Frühjahr des Jahres 31, als Arsakides Tiridates, an der Spitze der Opposition stehend, zum Gegenkönig erhoben wurde 2 ). Im Spätherbst des Jahres 30 gewann endlich Phrahates die Oberhand. Tiridates war gezwungen, nach der römischen Provinz Syrien zu fliehen. Dieser Stand der Dinge dauerte bis zum Jahre 26 an. Im Frühjahr des Jahres 26 3 ) trat Tiridates wiederum zu Angriffshandlungen gegen Phrahates an — es ist möglich, daß es mit freundlicher Unterstützung Roms geschah — und überschritt den Euphrat. Die dramatischen und wechselnden Schicksale des nahezu zwei Jahre lang geführten Krieges werden uns durch die Inschriften der Tetradrachmen überliefert, die aus dem Gebiet von Mesopotamien stammen. So prägte man beispielsweise noch im April des Jahres 26 in diesem Gebiet Münzen des Phrahates, doch im Mai desselben Jahres schon solche des Tiridates. Die Münzen aus den Monaten August, September und November des Jahres 26 tragen wiederum die Inschrift mit dem Namen des Phrahates, während im März des Jahres 25 zum letztenmal eine von Tiridates geprägte Münze erscheint. Im Mai haben wir wieder Münzen mit dem Namen Phrahates 4 ). Daraus kann man schließen, Der volle Text erschien in der polnischen Zeitschrift Eos 50, 1959/60, 147—153. ) Vgl. W. SCHUB RE 18, 2, 1949, Sp. 1997 s. v. Parthia. s ) Ein solches Datum, gestützt auf die Münzen von Seleukia, nehmen sowohl Nelson C. DEBEVOISE, A political history of Parthia, Chicago, III. 1 9 3 8 , als auch SCHUB, a. a. O . , Sp. 1 9 9 8 an. 4 ) Vgl. die Zusammenstellung bei DEBEVOISE, a. a. O . , 1 3 7 , gestützt auf Robert Mc. DOWELL, Coins from Seleucia on the Tigris, Ann Arbor 1 9 3 5 (UniverBity of Michigan Studies, Humanistic Series 37), S. 185. 2

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KAZIMIERZ KUMANIECKI

daß Tiridates im April des Jahres 25 endgültig besiegt und aus dem Partherreich verdrängt wurde. Justinus 42,5,6 gibt an, daß Tiridates dazumal nach Spanien flüchtete und sich unter Augustus' Schutz begab. Aus dem, was wir gesagt haben, geht hervor, daß der innere Krieg im Partherreich in den Jahren 31/30 und 26/25 geführt wurde. Phrahates herrschte in den Jahren 29—27 unangefochten im ganzen Gebiet seines Reiches. Das Horazsche Gedicht konnte also entweder in den Jahren 31 /30 oder in den Jahren 26/25 entstanden sein. Die Datierung des Gedichtes in die Jahre 31/30 ist jedoch vollkommen abwegig, und zwar im Hinblick auf die Erwähnung der Unterjochung der Kantabrer in demselben Gedichte (V. 21/22), da die erste, nicht langdauernde Unterjochung durch Taurus Statilius erst im Jahre 29 stattfand 1 ). Auch die Erwähnung der Skythen, „die sich von den Feldern zurückzuziehen beabsichtigten", (V. 23/24) konnte nicht in den Jahren 31/30 erfolgt sein. Es verbleiben also zwei für die Annahme zulässige Daten: Der 1. März des Jahres 26 oder der l . M ä r z des Jahres 25. Wenn wir eine Wahl zwischen diesen Daten treffen wollen, so gebietet uns die Analyse der numismatischen Funde, daß wir uns für das Jahr 25 entscheiden, und zwar aus folgenden Erwägungen: Die Tatsache, daß im April des Jahres 26 Phrahates in dem Gebiet von Mesopotamien Münzen prägt, Tiridates dagegen im Mai, läßt darauf schließen, daß das unerwartet 2 ) schnelle Zuschlagen des Tiridates im April des Jahres 26 stattgefunden hat, während dagegen die Horazsche Ode am 1. März entstanden ist; wenn man ferner bedenkt, daß man bis zu dem Eintreffen der Nachrichten in Rom über diese Ereignisse ungefähr mit einer Zeit von 6 Wochen rechnen mußte, so scheint eine Datierung des Gedichtes auf den 1. März 26 ausgeschlossen. Viel wahrscheinlicher ist dagegen die Datierung auf den 1. März 25, als nämlich Tiridates und nicht Phrahates Mesopotamien in Besitz hatte, was Horaz mit Optimismus erfüllte. Für die Annahme, daß die Ode am 1. März des Jahres 25 geschaffen wurde, spricht auch die Erwähnung der Unterjochung Kantabriens „durch die späte Kette". R. H E I N Z E bezog diese Erwähnung auf die Besiegung der Kantabrer durch Statilius Taurus im Jahre 29. Jedoch angesichts des Umstandes, daß den einzig sicheren Anhaltspunkt für die Datierung des Gedichtes die Kämpfe innerhalb des Partherreiches bilden und ihre Erwähnung uns in die Zeit der Jahre 26/25 führt, ist es für mich klar, daß die Erwähnung der Kantabrerunterjochung sich auf die von Augustus mit diesem Gebirgsstamm in den Jahren 26—25 geführten Kämpfe bezieht und nicht auf den Taurussieg vom Jahre 29. Dank dem Bericht Dios wissen wir, daß nach dem Vgl. Cassius Dio 51, 20, 5. ) Der Angriff erfolgte so schnell und unerwartet, daß Phrahates sich gezwungen sah, seinen Harem auf der kleinen Insel unweit von Belesi Biblida zu töten, vgl. Isidoras Characenus, Mansiones Parthicae I, zitiert bei DEBEVOISE, a. a. O., 137. 2

Martiis caelebs quid agam Kalendis (Zu Horaz Od. III 8)

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Sieg des Taurus die Kämpfe mit den Kantabrern im Jahre 29 fortdauerten (Cass. Dio 51, 20,5). Es kann sein, daß sie noch im Jahre 28 währten; jedenfalls fand am 1. Juni des Jahres 28 der Triumph ex Hispania des C. Calvisius Sabinus statt 1 ). Im Jahre 27 weilt Augustus in Spanien2), um die dortigen Angelegenheiten zu ordnen. Im Jahre 26 bricht ein gefährlicher Aufstand der Kantabrer und Asturer aus, der Augustus von dem geplanten Feldzug gegen Britannien abhält 3 ). Dieser Aufstand wurde erst im Jahre 25 niedergeschlagen4)..Zum Zeichen des endgültigen Sieges über die Kantabrer und dafür, daß der Frieden gesichert sei, beschloß damals der Senat auch die Schließung des Janustempels 8 ). Aus den angeführten Tatsachen geht also hervor, daß die Worte über die späte Unterjochung nicht im März 26, dem Zeitpunkt des Ausbruchs des großen kantabrischen Aufstandes, geschrieben sein konnten, sondern am 1. März 25, als der Aufstand erlosch oder gänzlich niedergeschlagen wurde. Es ist klar, daß der Ausdruck von der den Kantabrern „spät" angelegten Kette eher auf das Jahr 25 bezogen werden kann als auf das Jahr 29, wie es H E I N Z E tun wollte. Es verbleibt uns noch die Erwähnung zu klären, die sich auf die Skythen bezieht, welche, wie es heisst, „sich von den Feldern zurückzuziehen beabsichtigten". H E I N Z E , der das Gedicht auf das Jahr 28 datierte, hatte offensichtlich mit der Auslegung dieser Erwähnung viele Schwierigkeiten. Er gab zu, daß von Siegen über die Skythen aus diesem Jahr nichts bekannt sei, und er stellte folgende vorsichtige und nicht überzeugende Hypothese auf: „Es mögen an den Kämpfen der Daker gegen die Römer auch die skythischen Scharen beteiligt gewesen sein, oder Horaz erwartet von den Siegen des Crassus eine Wirkung auch auf die Nachbarstämme". Im Gegensatz zu diesen nicht überzeugenden Hypothesen läßt sich die Zitierung der Skythen, die sich von den Feldern zurückzuziehen beabsichtigten, verhältnismäßig leicht erklären, wenn wir das Gedicht auf das Jahr 25 datieren. Schon allein die vorsichtige Formulierung von den Skythen, „die sich aus den Feldern zurückzuziehen beabsichtigen", weist darauf hin, daß es sich nicht um das Ergebnis eines römischen Sieges über die Skythen handelt. Ich bin überzeugt, daß das eine Anspielung auf die skythische Gesandtschaft ist, die eben im Jahre 25 zu Augustus kam, der damals in Tarraco weilte, und ihm ihre Freundschaft anbot. 6 ) So also paßt sowohl die Erwähnung der Kämpfe innerhalb des Partherreichs als auch der Unterjochung der Kantabrer als auch endlich der mit friedlichen Absichten umgehenden Skythen auf den 1. März des Jahres 25. !) Vgl. CIL I2, S. 77. 2 ) Vgl. Cassius Dio 53, 22, 5. 3 ) Cassius Dio 53, 25, 2. 4 6 ) Cassius Dio 53, 25, 2 - 8 . ) Cassius Dio 53, 27, 1. 6 ) Vgl. Orosius 6, 21, 19 undMon. Ancyranum5,51: Nostrana amicitiam petierunt per legatos Bastarnae Scythaeque et Sarmatum qui sunt citra flumen Tanaim et ultra reges. 2 R8m. Lit.

Kritische Bemerkungen zu Suetons Vita Horati WIKTOR STEFFEN,

Poznan

Die Anregung zu diesem Vortrag fand ich in dem sehr nützlichen Büchlein „Horaz II. Nachwort und bibliographische Nachträge" von E. B U B C K (Berlin 1957), das mir der Verfasser kurz nach meinem Besuch in Kiel freundlichst überreicht hat. In diesem Büchlein ist dem Nachwort und den bibliographischen Nachträgen Suetons Lebensbeschreibung des Horaz unter dem Titel „ E Suetoni vita Horati" in einer auf den neusten Forschungsergebnissen basierenden Fassung vorausgeschickt. Die Überschrift „ E Suetoni vita Horati" scheint darauf hinzudeuten, daß auch der neuste Herausgeber der Vita sich der allgemeinen Ansicht anschließt, daß uns die Vita in einer gekürzten oder verstümmelten Form vorliege. Man vermißt z. B. eine Angabe über die Erziehung des Dichters vor seiner Reise nach Athen sowie ein Werkverzeichnis, das vor der Erwähnung der unechten Schriften des Dichters gestanden hätte, wo schon 0 . J A H N eine Lücke festzustellen glaubte. Aber auch im überlieferten Text bleiben trotz mehrerer überzeugender Verbesserungen einige Stellen, die noch immer einer zufriedenstellenden Emendation harren. Die Vita ist in knapper Form und in sehr gedrängtem Stil abgefaßt. Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, daß es dem Verfasser nur um eine Darstellung der wichtigsten Ereignisse im Leben des Dichters ging, und zwar am meisten um seine Beziehungen zu Maecenas und Augustus. Gerade diese Beziehungen werden sozusagen dokumentarisch unter Heranziehung von schriftlichen und mündlichen Aussagen der beiden großen Gönner des Dichters in den Vordergrund der Betrachtung gerückt. Alle übrigen Tatsachen werden nur knapp und nüchtern notiert. Die Verknüpfung der einzelnen Teile der Vita ist so straff, daß man außer an einer Stelle, auf die wir noch zu sprechen kommen, an größere Auslassungen kaum denken darf. Der Anfang der Vita ist formelhaft und entspricht etwa den Eingangsformeln in den Biographien der Viri illustres bei Cornelius Nepos. Diese Tatsache bietet uns ein hinreichendes Zeugnis dafür, daß der Anfang der Biographie unversehrt ist. In einem einzigen Satz wird uns hier über die Herkunft und die Laufbahn des Dichters bis zu seinem Schreiberdienst beim

Kritische Bemerkungen zu Suetons Vita Horati

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Quaestor berichtet. Der gut aufgebaute Satz ist so zusammengefügt, daß ein Wegfall eventueller Angaben über die Erziehung des Dichters überhaupt nicht erwogen werden darf. Als weiteres Ereignis im Leben des Dichters wird folgerichtig sein Freundschaftsverhältnis zu Maecenas und Augustus geschildert, und zwar in der tatsächlichen und allgemein anerkannten Aufeinanderfolge der Aufnahme der freundlichen Beziehungen. Es wird besonders darauf hingewiesen, wie sehr die beiden großen Männer sich um die Freundschaft des Dichters bemühten und wie hoch sie ihn zu schätzen wußten. Ihre schriftlichen und mündlichen Aussagen über ihr Verhältnis zum Dichter sind ganz klar und eindeutig. Als Beweis für Maecenas' Zuneigung gegenüber dem Dichter wird ein Epigramm des ersteren in folgendem Wortlaut angeführt: ni te visceribus meis, Horati, plus iam diligo, tu tu(u)m sodalem nimio videas strigosiorem. Die Lesart der Handschriften am Anfang des dritten Verses nimio ist metrisch falsch. Alle Versuche, diese Stelle zu heilen, sind ergebnislos gescheitert. Es bietet sich m. E. nur eine Möglichkeit, den Überlieferungsfehler zu beseitigen, wenn man nämlich omnino statt des überlieferten nimio schreibt. Die Ausdrucksweise omnino strigosior, im bildlichen Sinne 'überhaupt zurückhaltender', dürfte bei Cicero, Brutus 64, eine Stütze finden, wo von Lysias gesagt wird, daß er trotz mancher Ausdruckskraft genere toto strigosior sei. Die Parallele dieser Ausdrucksform ist schlagend und, wie es mir scheint, für das Maecenas-Epigramm entscheidend. Nach der Erwähnung der Beziehungen zwischen Maecenas und Horaz geht der Verfasser der Vita zur Darstellung des Verhältnisses des Augustus zum Dichter über. Er zitiert einige Stellen aus den Briefen des Augustus an Maecenas und Horaz, aus denen ganz deutlich hervorgeht, wie sehr der Herrscher um die Freundschaft und Zuneigung des Dichters bemüht war. Als er einige Sermones des Dichters gelesen hatte, soll er sich beim Dichter beklagt haben, daß dieser ihn in den Sermones nicht angeredet habe: irasci me tibi scito, quod non in plerisque eiusmodi scriptis mecum potissimum loquaris. an vereris, ne apud posteros infame tibi sit, quod videaris familiaris nobis esse? Nach diesem Zitat folgt der Anfang einer Ekloge, der Epist. I I 1, welche die Zurückhaltung des Dichters folgendermaßen rechtfertigen sollte: cum tot sustineas et tanta negotia solus, res Italas armis tuteris, moribus ornes, legibus emendes: in publica commoda peccem, si longo sermone morer tua tempora, Caesar. 2*

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WIKTOB STEFFEN

Die Art, in welcher diese Verse in der Vita angeführt werden, deutet offensichtlich auf eine Entstellung des Textes an dieser Stelle hin. Nach einem einleitenden Hauptsatz folgt eine Reihe parataktisch angeordneter, abhängiger Nebensätze, die mit der wörtlich angeführten Aussage des Augustus abgeschlossen werden. Ich zitiere diese Stelle: scripta quidem eius usque adeo probavit mansuraque perpetua opinatus est, u t non modo saeculare Carmen conponendum i n i u n x e r i t , sed et Vindelicam victoriam Tiberii Drusique privignorum suorum eumque c o e g e r i t propter hoc tribus carminum libris ex longo intervallo quartum addere, post sermones vero quosdam lectos nullam sui mentionem habitam ita s i t q u e s t u s : irasci me tibi scito, quod non in plerisque eiusmodi scriptis mecum potissimum loquaris. an vereris, ne apud posteros infame tibi sit, quod videaris familiaris nobis esse ? Man möchte hier gerne den Schluß des ziemlich langen Satzes oder einen weiteren Konsekutivsatz sehen wollen, der die Konstruktion des Satzgefüges aufrechterhalten könnte. Aber es folgt darauf ganz unerwartet ein eng angeschlossener Hauptsatz expressitque eclogam ad se, der syntaktisch an den einleitenden Hauptsatz anknüpft. Die Verbindung der Sätze scripta quidem eius usque adeo probavit mansuraque perpetua opinatus est und expressitque eclogam ad se gibt keinen logischen Zusammenhang. Das ist besonders auffallend, da im übrigen der Aufbau und Gedankengang der Vita niemals gegen die Logik verstößt. Wenn wir nicht wüßten, daß die zitierten Verse aus Horazens Epist. I I 1 stammen, könnten wir den Sinn des Satzes expressitque eclogam ad se so auffassen, als ob Augustus eine ecloga ad se verfaßt hätte, in der er sich mit der Zurückhaltung des Dichters befaßte. Alle Schwierigkeiten, die bei der Interpretation dieser Stelle auftauchen, werden am besten behoben, wenn man statt expressitque eclogam mit Lachmann und Reifferscheid expresseritque eclogam liest — eine Verbesserung, die leider von den neuesten Herausgebern in den Text nicht aufgenommen wurde. Durch diese Verbesserung wird der Anfang der Ekloge in das Satzgefüge richtig eingereiht, und wir erhalten dann einen klaren und eindeutigen Sinn des Berichtes über das Verhältnis des Augustus zu Horaz. Wir erfahren nämlich, daß Augustus die Gedichte des Horaz so hoch schätzte und von ihrer ewigen Dauer so überzeugt war, daß er den Dichter nicht nur zur Abfassung des Carmen saeculare und der Beschreibung des Sieges seiner Stiefsöhne, Tiberius und Drusus, anregte, sondern auch auf ihn einen Druck ausübte, den drei Büchern der carmina nach einer langen Zeitspanne ein viertes hinzuzufügen, und darüber hinaus durch seinen Vorwurf wegen seiner Nichtberücksichtigung in den Sermones den Dichter zum Verfassen eines Gedichtes an ihn nötigte, in dem der Dichter seine Zurückhaltung mit den staatlichen Pflichten des Augustus rechtfertigte, in denen er ihn mit seinen Gedichten nicht stören wollte. Der nächste Absatz der Vita handelt über die äußere Gestalt des Dichters.

Kritische Bemerkungen zu Suetons Vita Horati

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Er war habitu corporis brevis atque obesus, qualis et a semet ipso in saturis describitur. An diese Gestalt spielte auch Augustus in einem Briefe an Horaz an, nachdem ihm ein Büchlein mit seinen Gedichten durch Onysius überbracht worden war. Die darauf sich beziehende Bemerkung des Augustus lautet: vereri autem mihi videris, ne maiores libelli tui sint quam ipse es. sed tibi statura deest, corpusculum non deest. itaque licebit in sextariolo scribas, quo circuitus voluminis tui sit oyxcodeararog, sicut est ventriculi tui. In diesem Satz ist schon von F. L E O und neuerdings auch von E. F R A E N K E L der Superlativ oyxcoöeararog beanstandet worden. Man glaubt, nach quo einen Komparativ dyxmöeaxeQog setzen zu müssen. Aber das widerspricht offensichtlich dem lateinischen Sprachgefühl. Der Komparativ oyxmdearsQog wäre nur dann erwünscht, wenn im Satz der Vergleich sicut est ventriculi tui ausbliebe. In diesem Falle könnte man das quo als ein finales ut eo auffassen, dem dann ein Komparativ folgen müßte. Aber in dem hier besprochenen Satz kann das quo nur in der Bedeutung „wodurch" verstanden werden. Denn es geht Augustus darum, daß die Bücher des Dichters möglichst großen Umfang erhalten. Und bei dieser Interpretation ist der Superlativ unerläßlich. B U R C K behält ihn auch in seinem Texte der Vita. Größere Schwierigkeiten melden sich bei der Betrachtung der Angaben über Horazens geschlechtliches Verhältnis zu den Frauen. Darüber lesen wir bei Sueton: Ad res venereas intemperantior traditur; nam speculato cubiculo scorta dicitur habuisse disposita, ut quocumque respexisset, ibi ei imago coitus referretur. Den Anfang des Satzes hat G L A E S E R verständlicher gemacht, indem er statt des überlieferten speculato cubiculo — specula to(to) cubiculo schrieb. Den dadurch als überflüssig erscheinenden Ausdruck scorta tilgte dann S U D H A U S . Seitdem ließt man den Satz folgendermaßen: nam specula to(to) cubiculo dicitur habuisse disposita. Man könnte diese Gestaltung des Textes wohl in Kauf nehmen, wenn man nur erklären könnte, wie das überflüssige Wort scorta in den Text eingedrungen sei. Ich glaube, man muß hier einen anderen Weg einschlagen, um den ursprünglichen Text herauszuheben. Ich sehe in scorta ein ursprüngliches serta. Dieses von vornherein nicht ganz verständliche serta wurde offensichtlich von einem Kommentator durch den Ausdruck disposita erklärt, der dann in den originalen Text eingedrungen ist. Der Satz lautete also ursprünglich: nam specula toto cubiculo serta dicitur habuisse, d. h.: „Es wird berichtet, er hätte im ganzen Zimmer aneinandergereihte Spiegel gehabt." Serere ist ein bildlicher Ausdruck für das kettenartige Zusammenfügen oder Nebeneinanderstellen von Dingen, die dann ein zusammenhängendes Gefüge bilden. Man kann sich leicht vorstellen, daß die an allen Wänden dicht nebeneinander aufgestellten Spiegel einem Spiegelkranz ähnlich waren. Das hat der Kommentator gut verstanden, wenn er specula serta als specula disposita auffaßte.

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WIKTOR STEFFEN

Weitere Änderungen hat in dem abhängigen Satz ut quocumque respexisset ibi ei imago coitus referretur O U D E N D O R P vorgenommen, indem er ibi zu sibi ergänzte und das darauf folgende ei tilgte. Seine Verbesserung des Textes fand allgemeine Anerkennung. Trotzdem möchte ich feststellen, daß der ursprünglich konsekutive Nebensatz ut quocumque respexisset ibi ei imago coitus referretur ohne jeglichen Grund in einen Finalsatz umgebildet worden ist. Der Verfasser der Vita dachte offensichtlich nicht an den Wunsch des Dichters, die imago coitus sehen zu können, sondern er stellte nur fest, daß Horaz durch die Aufstellung der Spiegel in seinem Zimmer die Möglichkeit hatte, die imago coitus von allen Seiten zu betrachten. Wir werden also den Satz über Horazens geschlechtliches Verhältnis zu den Frauen in dem uns überlieferten Wortlaut wieder in den Text aufnehmen: Ad res venereas intemperantior traditur; nam specula to(to) cübiculo serta dicitur habuisse, ut quocumque respexisset, ibi ei imago coitus referretur. Nach einer kurzen Bemerkung, daß Horaz den größten Teil seines Lebens in Einsamkeit auf seinem Landsitz in Sabinum oder Tibur verbracht hätte, wo sich noch sein Landhaus erhalten habe, erwähnt der Verfasser der Vita zwei unter Horazens Namen laufende Schriften, eine Elegiensammlung und eine Prosaschrift, in denen sich der Dichter um die Gunst des Maecenas beworben hätte. Aber Sueton erklärt diese Schriften aus sprachlichen Gründen für unecht. 0. J A H N hat nun vermutet, daß der Erwähnung der unechten Schriften ein Verzeichnis der echten Werke des Dichters vorangegangen sei, das sich aber im Laufe der Tradition verloren hätte. Diese Vermutung ist zwar verlockend; wenn wir aber die Tatsache in Erwägung ziehen, daß Sueton schon gelegentlich bei der Darstellung der Verhältnisse zwischen Augustus und Horaz die vier Odenbücher und die Sermones genannt hat, dann werden wir kaum glauben, daß er das ganze Verzeichnis von Horazens Werken wiederholen sollte, um auch die nicht genannten Briefe einzubeziehen. Es hat den Anschein, als ob der Verfasser der Vita die Kenntnis aller Gedichte des Horaz voraussetzt. Er widmet ihnen daher keine besondere Beachtung und beschränkt sich nur auf eine Stellungnahme zu den apokryphen Schriften, die er als unecht zurückweist. Diese Schriften hat er vielleicht nur deswegen erwähnt, um zu zeigen, daß Horaz keine Unterkunft bei Maecenas suchte, weil ihm die Einsamkeit auf dem Lande mehr gefiel als das unruhige Leben in der Großstadt. Es folgen dann genaue Angaben des Geburts- und Sterbetages des Dichters, über sein Vermächtnis und seine Ruhestätte. Jeder Abschnitt der Vita, außer dem Abschnitt über die Beziehungen des Dichters zu Maecenas und Augustus, ist möglichst kurz abgefaßt. Tatsachen, die uns aus den Werken des Dichters wohl bekannt sind, werden überhaupt nicht erwähnt. Es ist eben keine ausführliche, ins Einzelne ein-

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dringende Lebensbeschreibung. Es ist vielmehr eine Skizze, die nur die wichtigsten Ereignisse im Leben des Dichters notieren soll, ohne dabei die Gegebenheiten ausführlicher zu erläutern. Die Aufeinanderfolge der einzelnen Abschnitte ist logisch und auf durchsichtigem Plan des Verfassers gegründet. Man könnte höchsten mit einem Wegfall eines ganz kurzen Werkverzeichnisses rechnen, das unmittelbar vor der Erwähnung der unechten Schriften gestanden hätte. Aber auch das ist sehr zweifelhaft, wie ich es zu zeigen versuchte. Wir sind gezwungen, den Text der Vita als ein im Ganzen unversehrtes und nur durch geringfügige Schreibfehler und Auslassungen etwas entstelltes Elaborat Suetons zu betrachten. Es gibt keine wirklichen Anhaltspunkte, um an den Verlust einer Angabe über die Erziehung des Dichters vor seiner Reise nach Athen sowie an den Verlust eines Werkverzeichnisses zu glauben. Dagegen spricht die straffe Komposition der Vita und die Tendenz des Verfassers, nur die wichtigsten Ereignisse in der Lebensbahn des Dichters zu notieren mit besonderer Berücksichtigung seiner Beziehungen zu Maecenas und Augustus. Ich gebe nun die Vita in der Fassung, die ich als verbindlich betrachte: Suetoni vita Horati Q. Horatius Flaccus Venusinus, patre, ut ipse tradit, libertino et exactionum coactore, ut vero creditum est, salsamentario, cum illi quidam in altercatione exprob(r)asset 'quotiens ego vidi patrem tuum bracchio se emungentem', bello Philippensi excitus a M. Bruto imperatore tribunus militum meruit victisque partibus venia inpetrata scriptum quaestorium conparavit. Ac primo Maecenati, mox Augusto insinuatus non mediocrem in amborum amicitia locum tenuit. Maecenas quantopere eum dilex(er)it, satis testatur illo epigrammate: ni te visceribus meis, Horati, plus iam diligo, tu tuiu/m1) sodalem omnino2) videas strigosiorem; sed multo magis extremis iudiciis tali ad Augustum elogio: Horati Flacci ut mei esto memor. Augustus epistularum quoque ei officium obtulit, (ut) 3 ) hoc ad Maecenatem scripto significat: ante ipse sufficiebam scribendis4) epistulis amicorum: nunc occupatissimus et infirmus Horatium nostrum (a)5) te cupio abducere. 1

) tu tu(u)m Muretus. ) omnino Steffen, nimio codd., Ninnio Pithous, hinnulo Oudend., hinno me Lambinus, simio Sudhaus, mimulo Lenchantin de Gubernatis, Tithono W. Nötzel et E. Biokel. 3 ) ut add. Lambinus. 4 6 ) scribendis: rescribendis O. Jahn. ) a add. Nannius. 2

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WlKTOR S t e f f e h

veniet ergo ab ista parasitica mensa ad hanc regiam et nos in epistulis scribendis adiuvahit. ac ne refusanti quidem aut succensuit quicquam aut amicitiam suam ingerere desiit. exstant epistulae, e quibus argumenti gratia pauca subieci: sume tibi aliquid iuris apud me, tamquam si convidor mihi jueris; recte enim et non temere feceris, quoniam id usus mihi tecum esse volui, si per valetudinem tuarn fieri possit1). et rusus: tui qualem habeam memoriam, poteris ex Septimio quoque nostro audire; nam incidit, vi ilio coram fieret a me tui mentio. neque enim si tu superbus amicitiam nostram sprevisti, ideo nos quoque àvdv7isQrj rdXXq>, xar¿ßaivEV vnrjQÉrag Èxcov òvo fi£&' avrov.

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Augustus, wie seine Vorgänger es gemacht hatten. Er hatte Sinn für Humor und Spaß und wagte es, darüber zu scherzen, was den Plänen des Augustus gemäß bei den Römern für heilig gelten sollte. Der Dichter spielte mit dem Feuer, bewußt oder ohne sich darüber klar zu sein, was für Folgen seine Dichtung herbeiziehen konnte. An Hand des Obigen sehen wir die Unterschiede zwischen Gallus und Ovid. Ähnlichkeiten treten erst hervor, als den einen wie den anderen der Zorn des Kaisers ereilt. Dem einen und dem anderen wird das Recht auf Aufenthalt in Rom entzogen; dem einen wird das Exilium zuteil, dem anderen die Relegatio. Was die beiden verbrochen haben, ist uns auch nicht genau bekannt. Das Verbrechen des Gallus ist politischer Natur; was es aber genau war, Ehrgeiz, Herrschsucht, Selbstvergötterung oder lediglich schimpfliche, im Rauschzustand an Oktavian gerichtete Worte: linguam nimio non tenuisse mero1). Der polnische Gelehrte Mieczyslaw POPLAWSKI erblickt die Schuld des Dichters im Mißbrauch der Macht und Autorität des Prinzeps.2) Vielleicht jedoch wollte Gallus die Autorität Roms durch sein Verhalten aufrecht erhalten: vielleicht hielt er es als guter Diplomat und auf Grund seiner Kenntnis der ägyptischen Bräuche und Bedürfnisse für zweckdienlich, eher seine eigene Autorität in Ägypten zu festigen als die des im entlegenen Rom herrschenden Oktavian, alles nur um das Land im Zustande der Unterwürfigkeit halten zu können. Und man darf vermuten, daß Oktavian nicht beunruhigt gewesen wäre durch das Vorgehen des Gallus, dem er Vertrauen schenkte, hätten dem Dichter seine Gegner nicht einen schlimmen Dienst erwiesen. Die Politik des Gallus konnte weder den Strebern in Rom noch seinen Gegnern gefallen. Diese Leute werden ihm wohl einen schlimmen Dienst erwiesen haben, indem sie Oktavian auf Gefahr von seiten des Gallus aufmerksam machten. Valerius Largus, sein ehemaliger Freund, der zusammen mit ihm beim Militär gedient hatte, war, wie bekannt, sein Hauptankläger. Auch Ovid spricht von der Angelegenheit Gallus mißtrauisch: si falsumst crimen temerati amici (Amores III 9, 63). So tritt uns hier ein für die damaligen Zustände charakteristischer Zug entgegen, und zwar die Anfänge der Angeberei; dies bestätigt auch der Fall Ovid. Hier kennen wir wieder nicht die eigentliche Schuld des Dichters; wir wissen nicht, was der Ausdruck „error" in sich birgt. Jedenfalls fand sich jemand in Rom, der Augustus aufmerksam machte auf das Unangebrachte und Unsittliche der Ars amatoria: 1

) Non fuit opprobrio celebrasse Lycorida Gallo, sed linguam nimio non tenuisse mero. (Ovid. Tristia I I 4 4 5 - 6 . ) 2 ) Mieczyslaw POPLAWSKI, Polityczna publicystyka w dobie Cezara i Augusta, Lublin 1935, S. 232.

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A, ferus et nobis crudelior omnibus hostis, delicias legit qui tibi cumque meas, carmina ne nostris quae te venerantia libris indicio possint candidiore legi. (Tristia I I 77 sqq.) Gegen Gallus wurde ein gerichtliches Verfahren angestrengt; der Prozeß gegen Ovid wurde von Oktavian geführt, aus dessen Mund der Dichter die Begründung des Urteils hörte: nec mea decreto damnasti facta senatus, nec mea selecto iudice iussa fuga est: tristibus invectus verbis — ita principe dignum — ultus es offensas, ut decet, ipse tuas. (Tristia I I 131 sqq.) Ähnlich auch: quis non horruerit tacitam quoque Caesaris iram: addita sunt poenis aspera verba meis. (Ex Ponto I I 7, 5 5 - 5 6 . ) Meiner Ansicht nach bestätigen die angeführten Stellen die Hypothese, wonach Ovid in einen Skandal der Familie des Augustus verwickelt war, den der Kaiser selbst nicht ans öffentliche Licht bringen wollte, so daß er den formellen Prozeß vermeiden ließ. Allerdings handelte es sich in den beiden Fällen nicht um ein einzelnes Verbrechen und Schuld, sondern das Urteil, das die beiden Dichter des crimen maiestatis beschuldigte, war Resultat einer dauernden Aktion der Gegner, die die Zugrunderichtung der Dichter bezweckte. Zur endgültigen Verurteilung trug die Angeberei in den beiden Fällen bei. Ovid verteidigt sich gegen die Vorwürfe, er habe gegen den Kaiser gehandelt: causa meast melior, qui nec contraria dicor arma nec hostiles esse secutus opes. (Tristia I I 51—52.) Auf eine absichtliche Handlung, die zum Ziele hatte, den einen Dichter so wie den anderen ins Verderben zu stürzen, weist meiner Meinung nach auch der Umstand hin, daß bei der Anstrengung des Prozesses die vor Jahren begangenen Verfehlungen mit hervorgezogen wurden. I n der Sache gegen Gallus wird ihm zur Last gelegt, er habe zu Leuten Beziehungen unterhalten, die in Oktavians und seiner Umgebung Augen keine Gunst fanden. Ich will hier kurz die Sache des Caecilius Epirota erwähnen, die dabei berührt wurde. Der Grammatiker Epirota war Lehrer der Caecilia, der Tochter des Atticus und Gattin des Agrippa. Epirota fing an, ihr den Hof zu machen; sein Betragen hatte Verdacht erweckt, und der Mann mußte den Hof ver-

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lassen. 1 ) Da leistet ihm Gallus Beistand, indem er ihn bei sich aufnahm. Damals machte man ihm daraus keinen Vorwurf; es waren ja die Jahre 36—32, eine Zeit, in der sich der Dichter großer Gunst des Kaisers erfreute; jedoch während des Prozesses erinnerte man an jene Zeit und jene Gelegenheit und wollte in dem Betragen des Dichters Mangel an Gehorsam sowie Geringschätzung des Willens des Kaisers sehen. Ähnlich in der Sache gegen Ovid: hier bildete die Ars amatoria das verjährte Verbrechen. Oktavian sah den jungen, seinem Willen sich nicht fügenden Dichter nie mit warmen Augen an, griff aber lange zu keinen strengeren Maßnahmen. Dagegen wollte er jetzt mehrere Verbrechen finden, und so wurde die Sache der Ars amatoria nach Jahren hervorgezogen. Das gleiche Los traf auch die Bücher der beiden Poeten: genau wie die Dichter aus Rom scheiden mußten, so auch ihre Werke aus den öffentlichen Bibliotheken: interea quoniam statio mihi publica clausa est, privato liceat delituisse loco, sagt Ovidius, Tristia I I I 179—180. Es tritt noch ein anderer Charakterzug der römischen Gesellschaft der Kaiserzeit hervor: als den Gallus das Unglück ereilte, vermehrten sich die Reihen seiner Gegner; seine früheren Freunde sagten sich von ihm los. Genau so verhielten sich die Bekannten des Ovid: sie verließen ihn, da sie den Kontakt mit dem Verbannten und seine Briefe fürchteten: ut cecidi cunctique metu fugere ruinam versa amicitiae terga dedere meae. (Tristia I I I 5, 5 - 6 . cf. ibid. V 4, 35sqq.) Leute, auf die er rechnete, ließen ihn im Stich: sum deceptus ab illo, laturum misero quem mihi rebar opem. (ibid. I 8, 9 —10.) Desto höher schätzt er Kühnheit und Wagemut derer, die ihm treu blieben: alii nolint etiam me nosse videri, vix duo proiecto tresve tulistis opem. (Ex Ponto I I 3, 29—30.) Dieses Thema behandelt Naso am umfassendsten in den Tristia I 8 und in der Elegie Ad ingratum Ex Ponto IV 3. Diese Betrachtungen riefen den Gedanken hervor, der zum Sprichwort wurde: x ) Suet. De gramm. 16: Q. Caecilius Epirota, Tusculi natus, libertus Attici, . . . cum filiam patroni nuptam M. Agrippae doceret, suspectus in ea et ob hoc remotus, ad Cornelium Gallum se contulit vixitque una familiarissime, quod ipsi Gallo inter gravissima crimina ab Augusto obicitur.

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Donec eris sospes, multos numerabis amicos, Tempora si fuerint nubila, solus eris! (Tristia I 9, 5—6.) Doch am stärksten wird dieses Thema in dem Brief an Cotta entrollt ; die Worte dieser Elegie (Ex Ponto I I I 2) dürften sowohl für die Sache des Gallus wie für die des Ovid gelten und können als Vorzeichen betrachtet werden für den Terror und die Furcht, die sich der römischen Gesellschaft näherten und für die spätere Kaiserzeit kennzeichnend wurden: cumque labent alii iactataque vela relinquant, tu lacerae remanes ancora sola rati. Grata tua est igitur pietas, ignoscimus illis, qui cum Fortuna terga dedere fugae. Cum feriant unum, non unum fulmina terrent iunctaque percusso turba pavere solet, cumque dedit paries venturae summa ruinae, sollicitus vacuus fit locus ille metu. Quis non e timidis aegri contagia vitat vicinum metuens ne trahat inde malum? fragt der Dichter und übt Nachsicht mit ihnen, da sie den Zorn der Götter fürchten — adversos extimuere deos . . . Ich sehe also in den beiden Fällen, in dem des Gallus und in dem des Ovid, Anfänge des Terrors, der Angeberei, der Denunziation, der Erniedrigung, die später zu Kennzeichen des Kaisertums und auch zum Gegenstand der Satiren wurden. *

Das zweite Problem ist die Beziehung des Ovid zu Gallus. Wie bereits erwähnt, begann Ovid erst zu schaffen, als Gallus Selbstmord beging; vielleicht auf diese Zeit zu beziehen sind die Verse Ovids: carmina cum primum populo iuvenalia legi, barba resecta mihi bisve semelve fuit. (Tristia IV 10, 5 7 - 5 8 . ) Die öffentliche Meinung stand auf Seiten des Gallus, man wagte aber nicht, darüber zu sprechen. Ovidius, der junge Poet, durch die Dichtung des ersten Elegikers tief beeindruckt, muß dessen Tod schmerzlich empfunden haben, und mit dem ihm eigenen Mutwillen erwähnt er (ausschließlich er!) den Verstorbenen trotz der damnatio memoriae. 1 ) (Dies ist ein Beispiel für das Spielen mit dem Feuer, worauf oben hingewiesen wurde). Er muß doch gel

) Gallus et Hesperiis et Gallus notus Eois, et sua cum Gallo nota Lycoris erit. Amor. I 15,29, cf. ib. I l l 9,64; Arsam. I l l 334; Rem. am. 765; Trist. II 445; IV10,53; V 1,17.

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wüßt haben, daß Vergil infolge ausdrücklicher Forderung von Seiten des Oktavian gezwungen war, den dem Gallus gewidmeten Teil der Georgika zu streichen und durch andere Verse zu ersetzen. Ich vermute, dies sind keine Lobgesänge auf Gallus' Dichtung gewesen; die in den Eklogen enthaltenen Gedichte, die das dichterische Schaffen und das persönliche Leben des Gallus behandelten, sind ja geblieben; meines Erachtens hatten jene Verse den ägyptischen Krieg, den Krieg gegen Kleopatra zum Gegenstand; denn für das Lob auf Gallus als Präfekten in Ägypten war es zu früh; und anderseits sagten der Kriegszug und Sieg über Kleopatra Vergils epischer Begabung völlig zu. Das eben Gesagte ist nur eine Randbemerkung, ich komme auf Ovid zurück. — Ovid stand unzweifelhaft unter dem Einfluß der Dichtungen des Gallus, wie es auf Grund seiner dem Gallus geltenden Worte zu folgern ist. Er anerkennt in ihm den Vorläufer der Elegiker und schafft einen Kanon der Elegiker, als wenn er ahnte, daß er selbst diese Reihe schließen werde. Es ist leider unmöglich festzustellen, inwiefern er seinen Vorgänger nachahmte. War es aber möglich, an Hand der 10. Ekloge des Vergil schon so viel über die Dichtung des Gallus zu sagen, so will ich versuchen, auf demselbem Grund gemeinsame Motive und sogar gemeinsame Verse der beiden Dichter — Gallus und Ovid — zu finden. Gallus schuf das Muster für die Liebeselegie, das bei allen seinen Nachfolgern Nachahmung fand, also auch bei Ovid; bei Gallus als erstem begegnet das Motiv des Mädchens, das den Dichter wegen eines reichen Liebhabers und Offiziers verläßt; bei ihm zuerst liegt das Motiv der Suche nach einem Heilmittel gegen unglückliche Liebe vor, das Motiv der Suche nach medicina furoris, medicina insani amoris. Ich bin geneigt, noch die Hypothese hinzuzufügen, wonach von Gallus auch das Muster der Briefelegie stammt, die dann durch Properz nachgeahmt und von Ovid in den Heroiden voll ausgebaut wird. 1 ) Vielleicht wäre es auch keine allzu kühne Vermutung, die Elegie an Lykoris habe die Form des Propemptikons gehabt, da in den Versen der 10. Ekloge Motive vorkommen, die für derartige Dichtungen vorgesehen waren. 2 ) Die Amores Ovids, und zwar die 11. Elegie des 2. Buches, wäre dann eine Nachahmung davon. Die Gelehrten, z. B. R O T H S T E I N , haben bisher nur die Beeinflussung des Properz durch Gallus betont; meiner Meinung nach wird auch Ovid, der seine Anerkennung für Gallus so kühn ausspricht, dessen Nachwirkung nicht haben entgehen können. !) Lidia WINNICZUK, Ovid's Elegie und die epistolographische Theorie. Publius Ovidius Naso, Biblioteoa Antica, Studü II, Bucuresti 1957, 39—70. 2 ) Lidia WINNICZUK, Propemptikon — piesn pozegnania, Meander 13,1958,406—413.

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Folgende Reminiszenzen aus Gallus lägen meiner Ansicht nach in Ovids Gedichten vor: (ich ziehe die 10. Ekloge Vergils in Betracht): Ecl. X 53 ist die Rede von dem Einritzen des Namens der Geliebten in einen Baumstamm: . . . tenerisque meos incidere amores arboribus: crescent illae, crescetis amores. Dies ahmt Properz nach (118, 19), aber das Motiv kommt in Ovids Heroides V 21 wieder: incisae servant a te mea nomina fagi, et legor Oenone falce notata tua. Ovid verspottet, wie er es gewöhnlich gerne tut, auch das Motiv der Einsamkeit als Heilmittel gegen unglückliche Liebe: quisquis amas, loca sola nocent: loca sola caveto! quo fugis? in populo tutior esse potes . . . Tristis eris, si solus eris, dominaeque relictae ante oculos facies stabit, ut ipsa, tuos. (Rem. am. 579sqq.) Es klingt gleichsam als Mahnung für den die Einsamkeit suchenden Gallus (Verg. Ecl. X 52sqq.). Gallus entschließt sich, um Trost zu finden, zu einer Jagd: interea mixtis lustrabo Maenala nymphis aut acris venabor apros. Non me ulla vetabunt frigora Parthenios canibus circumdare saltus. Iam mihi per rupes videor lucosque sonantis ire, libet Partho torquere Cydonia cornu spicula. Tamquam haec sit nostri medicina furoris. (Verg. Ecl. X 55sqq.) Eine Nachahmung dieser Verse findet man bei Properz (II 19,17sqq.), aber auch Ovid führt dieses Motiv ein, sei es, daß er die Jagd als medicina furoris, insani amoris empfiehlt (Rem. am. 199sqq.): vel tu venandi Studium cole: saepe recessit turpiter a Phoebi victa sorore Venus; nunc leporem pronum catulo sectare sagaci nunc tua frondosis retia tende iugis; aut providos terre varia formidine cervos, aut cadat adversa cuspide fossus aper, oder in den Heroides (XVIII 9—10): vos modo venando, modo rus geniale colendo ponitis in varia tempora longa mora. 3

Köm. l i t .

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Ferner kann dem Gallus die Reise ein Vergessen bringen: Ovid rät dem Verliebten : i procul et longas carpere perge vias (Rem. am. 214.) so wie:

cum semel exieris, centum solacia curae et rus et comites et via longa dabunt.

(ibid. 241.)

Schließlich kommt bei Gallus die Resignation: omnia vincit Amor: et nos cedamus Amori! Ähnlich bei Ovid: Cedimus an subitum luctando accendimus ignem? Cedamus! leve fit, quod bene fertur onus. (Amor. 12, 9—10.) 1 ) Ovid, bei dem stets ein scherzhafter Ton mitklingt, sagt in der Ars amatoria I 21 triumphierend: et mihi cedet Amor! Neben diesen Motiven, die Gemeingut der Liebeselegie geworden sind, kann man auch in gewissen Fügungen und Wendungen Analogien sehen, und zwar: Verg. Eel. X 44: insanus Amor: Ovid. Ars am. I 372: et insano iuret amore mori. Her. X V 176: sit procul insano victus amore timor. Verg. Eel. X 47 sqq.: Alpinas, a, dura nives et frigora Rheni me sine sola vides; a, te ne frigora laedant! a, tibi ne teneras glacies secet aspera plantas! Diese Verse ahmt Properz nach (I 8, 3), bei Ovid kommen sie in den Versen der Ars amatoria I I 697—698 wieder: et laedunt nudos prata novella pedes. Verg. Eel. X 51: carmina pastoris Siculi modulabor avena: Ovid. Rem. 181: pastor inaequali modulatur harundine carmen. Met. X I 1 5 4 : et leve cerata modulatur harundine carmen. Eel. X 53:

malle pati : Ovid. Met. X 25: posse pati volui.

Eel. X 66:

Sithoniasque nives hiemis subeamus aquosae: Ovid. Amor. I I I 7, 8: bracchia Sithonia candidiora nive.

*) Cf. Ovid. Amor III 11, 2: vincit Amor; Her. I X 26: non potuit Iuno vincere, vincit Amor.

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Gefühlsausbrüche sind für Ovid nicht besonders kennzeichnend; wenn sie stattfinden, mögen sie Nachahmungen eines Musters sein, z. B. unter Wiederholung des sentimentalen a! a!: a, quotiens sani capitis mentita dolores cunctantem tardo iussit abire pedem, a, quotiens finxit culpam . . . (Amor. II 19, 11 sqq.) Soviel auf der Grundlage der 10. Ekloge des Vergil! Aber noch eine interessante Ähnlichkeit: der einzige Vers des Gallus findet auch eine Nachahmung in der Poesie des Naso; der enthaltene Vers des Gallus ist: uno tellures dividit amne duas (Fragm. Poet. Rom. p. 336); ähnlich ist die Grenze zwischen den beiden Erdteilen — Asien und Europa — bei Ovid: quique duas térras, Asiam Cadmique sororem, separat et cursus inter utramque facit. (Ex Ponto IV 1055-56.) Wie mir scheint, sind die angeführten Beispiele ein Beweis dafür, daß sich der Einfluß des Gallus nicht auf die Dichtung des Properz beschränkt. Mehr als Properz kommt dem Ovid der Name des Nachahmers von Gallus zu, da er den ersten Elegiker zu erwähnen nicht fürchtet, auch wenn über diesen die damnatio memoriae verhängt ist; hatte er Mut genug, dem Vorläufer der Elegiker durch Erwähnungen und anerkennende Worte seine Huldigung entgegenzubringen, so konnte er es desto leichter durch Nachahmung seiner Dichtungen tun. Sollte einem anderen Forscher gelingen, schwerwiegendere Argumente hinzuzufügen, so wäre es ein großer Beitrag zur Erkenntnis des Schaffens der beiden Dichter.

3*

Zu Vergil, Ed. 3, 104-105, und seinem Erklärer Asconius Pedianus 1 ) WEBNER KRENKEL, Rostock

I n dem Wettgesang der Hirten läßt Vergil den Damoetas ein Rätsel stellen, das die Ausleger bis heute angezogen hat: Die, quibus in terris, et eris mihi magnus Apollo, tris pateat caeli spatium non amplius ulnas. Servius nennt drei Deutungen; es sind 1. das Grab des Caelius, eines Lebemannes aus Mantua, 2. ein Brunnenschacht in Assuan in Ägypten, 3. — wofür er sich entscheidet — ein beliebiger Brunnen. Iunius Philargyrius führt folgende Möglichkeiten an: 1. ein sakraler Brunnenschacht, 2. der Schild des Ajax, 3. eine Höhle auf Sizilien, 4. das Grab des Caelius aus Mantua. Da die Scholien des Iunius Philargyrius fast nichts mit Servius gemein haben, stützen sich die unabhängigen Gemeinsamkeiten gegenseitig; als Gemeinsames in den antiken Deutungen ergibt sich das Grab des Mantuaners Caelius. Von den modernen Erklärern verwirft K. O H L E R T (Philol. 5 7 , 1 8 9 8 , 599) die antike Deutung auf Caelius als einen ,verkehrten und gelehrten Erklärungsversuch'; A. W R I G H T (Class. Review 1 5 , 1 9 0 1 , 2 5 8 ) vergleicht Herodot 4 , 1 5 8 und Aristophanes, Wolken 3 7 3 ; L A D E W I G - S C H A P E R D E U T I C K E bringen in ihrem Kommentar keine Vorschläge; W. SCHULTZ (RE s. v. Rätsel) gibt die Antwort ,Das Zeltdach'; K. B Ü C H N E R (RE S. V. Vergilius, 1194) deutet das Rätsel auf die Spiegelung des Himmels in einer Zisterne oder sonst einer glatten Fläche. Vielleicht kann man durch folgende Überlegung einer Lösung näher kommen: Drei Ellen entsprechen 111 cm; die werden gesehen, von etwas Der Beitrag erschien ungekürzt in der Wissenschaftlichen Zeitschrift der Universität Rostock, Gesellschafts- u. Sprachwissenschaftliche Reihe, 8,1959, 27—32.

Zu Vergil, Ecl. 3, 104—105, und seinem Erklärer Asconius Pedianus

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anderem ist nicht die Rede: also müssen die 111 cm = FB in den Gesichtswinkel des menschlichen Auges eingepaßt werden. Dieser ist bekannt und beträgt 64° = 2 a . Gesucht wird die Entfernung des Betrachters von der Lichtöffnung = AC. Es kann ein Dreieck ABC konstruiert werden, von dem folgende Dinge bekannt sind:

FB 2

= BC = 55,5 cm; a = 32°; y = 90°;

ß = 180° — (90 + 32)° = 58°. Die gesuchte Strecke ergibt sich aus dem Sinus-Satz: AB = c = — — = 55,5 cm : 0,5299 = 104,7 cm. Da AG sin a = Entfernung des Betrachters von der Lichtöffnung gesucht ist, ergibt sich AG = ]jA B2 - BC2 = j/l04,7 2 - 55,52 = 88,8 cm. Wenn aber der Abstand des Betrachters von der Lichtöffnung nur etwa 90 cm beträgt, scheiden alle Brunnen- und Höhlendeutungen aus; übrig bleibt eine Grube, über deren Verwendungszweck wenig Zweifel bestehen kann: Es ist ein Grab. Durch diese Überlegung scheint mir eine durch Asconius Pedianus bei Iunius Philargyrius tradierte Aussage Vergils, es sei das Grab des Mantuaners Caelius gemeint, wesentlich bestärkt zu werden. Dort heißt es zu Ecl. 3, 105: item Asconius Pedianus ait, se audisse Vergilium dicentem, in hoc loco se grammaticis crucem fixisse; quaesituros eos, si quid studiosius occuleretur. dicit autem propter Caelium Mantuanum. Asconius ist ein ungewöhnlich sorgfältiger und umsichtiger Forscher; es darf also seine Mitteilung als eine weitere Bestätigung der Antwort ,Grab des Caelius aus Mantua' gewertet werden. Sind die bisherigen Folgerungen richtig, würde der Schluß der Mitteilung des Asconius als stichhaltig erwiesen; gleiches hätte dann jedoch wohl auch von dem Anfang zu gelten: ait, se audisse Vergilium dicentem, in hoc loco se grammaticis crucem fixisse. Welche grammatici und pessimi poetae gemeint sind, geht aus dem wenige Zeilen vor dem Rätsel stehenden Vers 90 hervor: qui Bavium non odit, amet tua carmina, Maevi. Bavius und Maevius stehen als inimici tarn Horatio quam Vergilio (Serv. zu Verg. Ecl. 3, 90) gegenüber. Vergil greift beide um das Jahr 41 v. u. Z. an; Horaz in seiner 10. Epode hingegen wünscht nur dem Maevius alles Schlechte; das mag daran liegen, daß — wie Hieronymus zum Jahre 35 berichtet — M. Bavius poeta, quem Vergilius in Bucolicis notat, in Cappadocia moritur. In dieser Zeit veröffentlicht Horaz sein erstes Satirenbuch, in dem er sich zwar mit seinen literarischen Gegnern auseinandersetzt, den Maevius aber mit keiner Silbe erwähnt, obwohl er ihn dann in den Epoden für so wichtig hält, daß er ihm ein ganzes Gedicht widmet. Das läßt die Vermutung aufkommen, daß Horaz sich die Gegnerschaft zu Maevius erst durch die Zu-

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Werner Krenrel

gehörigkeit zum Kreis um Vergil-Maecenas erwarb, d. h., daß die Gegnerschaft keine ursprüngliche, sondern eine — wenn man so sagen darf — von Vergil ererbte war. Damit hätte Horaz in diesem P u n k t e ein ähnliches Schicksal gehabt wie sein großer Vorgänger Lucilius in seiner Stellung zu Terenz einerseits und zu der Gruppe u m Luscius Lanuvinus und Accius andererseits. Sollten diese Überlegungen richtig sein, wäre ein weiterer Einblick in die Verhältnisse in den Dichterkreisen und -biinden sowie ihre bisweilen fast traditionelle Gegnerschaft gewonnen.

Zur Frage der griechischen Vorbilder der römischen Elegie SAMUEL SZXDECZKY-KABDOSS,

Szeged

Zum Verständnis der römischen Liebeselegie ist die wichtigste Aufgabe, die Zusammenhänge dieser Gattung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und dem ganzen geistigen Leben des ciceronisch-augusteischen Roms zu erklären und die Eigenheiten der einzelnen römischen Dichterpersönlichkeiten zu erfassen. Um aber diese Ziele zu erreichen, kann die Literaturgeschichte auch diejenige Frage nicht außer acht lassen, was und wieviel die römischen Elegiendichter aus dem Nachlasse ihrer Dichter-Vorfahren übernommen haben. Die lange Diskussion über die Entstehung der römischen Elegie hat viele Komponenten erschlossen, die an dem Zustandekommen der Gattung unzweifelhaft mitgewirkt haben. Die erotische Erlebnisse schildernden und meistens im elegischen Maße geschriebenen hellenistischen Epigramme, die die typischen Motive des Hetärenlebens behandelnden neuattischen Komödien, die alexandrinischen Sagenelegien mit ihrer Vorliebe für erotische Mythen und psychologische Darstellung und die hellenistischen bukolischen Dichtungen mit ihrem die Kleinigkeiten des Privatlebens, auch diejenigen der Liebe, vergrößernden idyllischen Milieu, — alle diese Zweige der griechischen Poesie übten — bald mittelbar, bald unmittelbar — einen mehr oder weniger entscheidenden, jedenfalls aber augenscheinlichen Einfluß auf die römischen Elegiker aus. Außerdem kann die Frage — trotz der glänzenden philologischen Argumentation von N I S M E T H Y 1 ) und J A C O B Y 2 ) — nicht mit voller Sicherheit verneinend beantwortet werden, ob die Alexandrinerzeit die subjektive Liebeselegie als eine schon fertig ausgebildete Dichtungsart kannte oder nicht. 3 ) 1 ) G . NÖMETHY, A römai elegia viszonya a göröghöz, Magyar Tudomänyos Akademia, firtekez6aek a nyelv- es sz6ptudomdnyok köreböl XVIII 3, Budapest 1903; idem, A römai elegia, Budapest 1905, 5—80. A ) F . JACOBY, Zur Entstehung der römischen Elegie: Rheinisches Museum 6 0 , 1 9 0 5 ,

3 8 - 1 0 5 , 320. 3

) Vor dem Auftreten von NEMETHY und JACOBY fand die Annahme fast allgemeine Anerkennung, daß die subjektive erotische Elegie in der alexandrinischen griechischen Literatur als eine entwickelte Gattung vorhanden war. Es waren dieser Ansicht, um

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SAMUEL SZÂDECZKY-KARDOSS

Aber nicht nur die erwähnten spätgriechischen Gattungen des Hellenismus spielten eine Rolle unter den unverkennbaren Vorbildern der römischen Elegie, sondern auch die Schöpfungen der altgriechischen Lyrik wirkten unmittelbar mit. Das Maß des Einflusses der letzteren zu beurteilen, ist freilich außerordentlich schwierig; wir besitzen nämlich aus der althellenischen Lyrik nur einen kärglichen Trümmerhaufen, und selbst die Auswahl dieser Trümmer ist nicht so beschaffen, daß wir daraus ein proportional verkleinertes Bild von der Leistung der einzelnen Dichter entnehmen könnten: die Verzerrungen der Dichterporträts, die sich aus den Zitaten der nach sprachlichen Kuriositäten jagenden Grammatiker und einseitig nur das Sententiöse schätzenden Anthologisten und Doxographen ergeben, — die Verzerrungen dieser Porträts können selbst die wertvollen neuen Papyrusfunde nicht gänzlich r i c h t i g s t e l l e n . S o müssen wir außer dem Vergleichen der römischen Elegien und der erhaltenen Fragmente ihrer wahrscheinlichen altgriechischen Vorbilder noch andere Stützpunkte suchen, um bestimmen zu können, welche frühhellenischen Dichter und in welchem Maße die römischen Elegiker beeinflußten. Als solche Stützpunkte dienen die Stellen, wo entweder die römischen Elegiker selbst oder ihre Zeitgenossen oder die antiken Kommentatoren die griechischen Vorlagen benennen. — Von Mimnermos als einem Vorbilde der römischen Elegie wußten wir bisher aus zwei Quellenstellen. Die eine war das neunte Gedicht des ersten Buches des Properz 2 ); da gibt der Dichter seinem Freunde, der unerwartet sich verliebte, den (aus seiner langen diesbezüglichen Übung entspriessenden) R a t : der Liebende soll in der Dichtertätigkeit den Fußtapfen von Mimnermos (und nicht denen des Homer) folgen. Die andere Quellenstelle war der zweite Brief des zweiten Epistelbuches des Horaz 3 ); demnach war die höchste Ambition von Properz, der sich selbst nur einige repräsentative Namen zu erwähnen, O. RIBBECK (Gesch. d. röm. Dichtung II, Stuttgart 1889, 189: Euphorion), F. SUSEMIHL (Gesch. d. gr. Lit. in der Alexandrinerzeit I, Leipzig 1891, 363: Philetas), F. LEO (Plautinische Forschungen, Berlin 1895, 129, v g l . 1 2 6 - 1 4 1 , G G A 1898, 722FF., R h e i n . Mus. 55, 1900, 6 0 4 - 6 1 1 ) , CROISËT (Histoire

de la littérature grecque V, Paris 1899,159). Seit JACOB Ys Auftreten gehen die Meinungen der verschiedenen Forscher auseinander, vgl. M. SCHANZ-C. Hositrs, Gesch. d. röm. Lit. II 1 , München 1935, 167; A. A. DAY, The Origin of Latin Love-Elegy, Oxford 1938. Aber das einzige Argument, welches entscheidend für die Hypothese JACOBYS sprechen könnte, daß nämlich die Existenz einer subjektiv erotischen Elegie hellenistischer Zeit bisher durch keine Funde erwiesen wurde (E. NORDEN, Die röm. Lit. 4 , Leipzig 1952, 177), ist eine Art argumentum e silentio und so keineswegs unbedingt stichhaltig. ') Als charakteristisches Beispiel sei erwähnt: Von Mimnermos haben wir bisher ein einziges Papyrus-Fragment (fr. 12a DIEHL), aber auch dies stammt aus der Materialieneammlung eines Grammatikers, der zur Erklärung des altertümlichen Antimacheischen Wortes ivôéÇerai (— èmrdSr]i) Belege zusammentrug. 2 ) I 9,11. ") Epist. II 2, 101.

Zur Frage der griechischen Vorbilder der römischen Elegie

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einmal 1 ) den Romanus Callimachus nannte, noch mehr zu gelten: als der römische Mimnermos betrachtet zu werden. Die Cicero-Interpretation, die Richmond Y. H A T H O B N 1954 in „The Classical Journal" veröffentlichte 2 ), erschloß noch eine dritte Quellenstelle; diese aber wurde in Bezug auf das Problem der Vorbilder der römischen Liebesdichtung — soweit ich die Fachliteratur überblicken kann — bis heute nicht verwertet. Cicero, Ad Atticum 116 3 ) nennt „Calvum ex Nanneianis" den Mann, der im Frühling des Jahres 61 die Bestechung der meisten Geschworenen zuwege brachte und dadurch ClocLius, dessen Liebesabenteuer mit der Frau Caesars, des Pontifex maximus, das Fest der Bona Dea entheiligt hatte, von der Anklage des Sakrilegiums freisprechen Heß. Die Identifizierung dieser Person wurde bisher nur mit phantastischen und darum keineswegs annehmbaren Hypothesen versucht. Überzeugender als all diese Versuche ist HATHORNS Erklärung; demnach ist die fragliche Person C. Licinius Calvus, der Dichter, und der Ausdruck Nanneiani bedeutet „die Schwärmer der Nanno", das heißt jene jungen Dichter, welche die für seine geliebte Nanno geschriebenen Elegien des Mimnermos bewunderten und sicherlich auch nachahmten. Daß diese Interpretation des Wortes Nanneiani das richtige trifft, zeigt (außer HATHORNS schwerwiegenden, aber hier nicht zu wiederholenden Argumenten) eine merkwürdige Gewohnheit Ciceros: er charakterisiert mit Vorliebe die Dichter seiner Zeit als die Nachahmer ihrer griechischen Vorbilder. Zum Beispiel nennt er in den Tusculanae disputationes 4 ) „cantores Euphorionis", also Euphorion-Sänger, die junge Dichter-Generation, die die patinierte Ennianische Poesie der römischen Vorzeit geringschätzt und sich für den hellenistischen Euphorion begeistert; in einem Briefe 5 ) vergleicht Cicero eben den Calvus als Spottdichter mit dem altionischen Iambiker Hipponax. Cornelius Gallus mochte in Rom erstmals ganze Bücher herausgeben, die einer einzigen Geliebten gewidmet waren und ausschließlich in elegischem Versmaß verfaßte Gedichte enthielten. Dennoch ist es unzulässig, ihn als den allerersten Schöpfer, den Heuretes der römischen Liebeselegie zu betrachten. Denn das sechsundsiebzigste Carmen Catulls 6 ) zeigt schon zum Beispiel mehr x

) IV 1, 64. ) Richmond Y. HAXHORN, Calvum ex Nanneianis: Ad Atticum 116, 5, The Classical

2

J o u r n a l 50, 1954, 3 3 - 3 4 . 3

) Ad Atticum 116, 5. ) Tusc. disp. III 45. — Wir wissen besonders von Cornelius Gallus, daß er Übersetzer (und wahrscheinlich auch Nachahmer) des Euphorion war: Verg. Buc. X 50; Serv. ad Verg. Buc. VI 72, X I , 50; Ps.-Probus ad Verg. Buc. X 50; Philargyrius ad Verg. Buc. X 50; Diomedes: Gramm. Lat. I p. 464. 5 ) Ad familiares VII24, i. «) Vgl. noch Carm. 68 und auch 67, 99, 101. 4

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SAMUEL SZÀDECZKY-KAKDOSS

als ein Jahrzehnt vor dem Auftreten des Gallus alle wesentlichen gattungsartigen Merkmale der späteren Tibullischen und Properzischen Elegien; es kann weder auf Grund seiner Komposition und seines Stils noch auf Grund seines Umfangs als „Epigramm" (im Gegensätze zur „Elegie") bezeichnet werden. (Eine andere Frage ist, mit welchem Namen Catullus selbst diese Dichtungsart genannt hätte.) Die römische Elegie entwickelte sich also schon in dem Catullischen Dichterkreise — und eben diesen Kreis, zu welchem auch Calvus, der unzertrennliche Dichter-Freund Catulls gehörte1), charakterisierte der sachkundige Literat Cicero als Nanneiani. Nun müssen wir — auf Grund solcher Erscheinungen, wie Catulls Sappho-Übersetzung2) — glauben, daß dieser Dichterkreis nicht nur die Alexandriner (besonders den Prolog der Kallimacheischen Aitia) 3 ) nachäffte, als er mit altgriechischen Dichtervorfahren prahlte, sondern er las und studierte wirklich diese hellenischen Vorbilder. Sodann muß aus der Ciceronischen Benennung „Nanneiani" die wichtige Konsequenz gezogen werden, daß die Nanno-Elegien des Mimnermos zu den unmittelbaren Vorlagen und Quellen der in statu nascendi befindlichen römischen Liebeselegie zu zählen sind. 1 ) Calvus scheint wegen des Todes seiner Geliebten, Quintilia, Trauerlieder (oder wenigstens ein solches Gedicht) in elegischem Versmaße verfaßt zu haben (fr. 15,16 MOREL; Charisius: Gramm. Lat. I p. 101, cf. Non. 198, 14). Daß dieses Gedicht (oder dieser Liederkranz) auch die Beschreibungen persönlicher Liebeserlebnisse enthielt, bezeugen solche Testimonien wie Prop. I I 34, 89; Catull. 96; möglich (aber nicht sicher), daß auch Ovid. Trist. I I 431—2 hierher gehört. So ist die Vermutung nicht unbegründet, daß neben Catullus vielleicht auch Calvus ein Bahnbrecher der römischen subjektiven Liebeselegie gewesen ist. (NB. Das Zitat aus der Schrift „ad uxorem" [Diomed.: Gramm. Lat. I p. 376] ist prosaisch; die in Versen besungene Quintilia muß also nicht mit der Ehefrau des Dichters identifiziert werden. Den vornehmen Namen der gens Quintilia konnte auch eine libertina führen, wie die „Lycoris" des Cornelius Gallus Volumnia hieß, obwohl sie eine Schauspielerin und Hetäre war.) 2 ) Catull. 51; vgl. 61, 233. 62, 26. — Auch andere altgriechische Dichter wurden von Catullus studiert und konnten auf ihn eine Wirkung ausüben; beispielsweise seien erwähnt Archilochos (56, 1—2) und Simonides (38, 8). — Vgl. Cic., Ad fam. VII 24, 1: Hipponax und Calvus. — In diesem Zusammenhange ist die folgende Übereinstimmung besonders merkwürdig: Catull. 62, 47 nec pueris iucunda manet, nec cara puellia ~ Mimn. fr. 1, 9 aXX' ¿x&qoq ¡uev naialv, äri/iaaroQ d& yvvai^iv. 3 ) Callim. fr. 1 PTEHTER; vgl. M. PUELMA, Die Vorbilder der Elegiendichtung in Alexandrien und Rom, Museum Helveticum 11, 1954, 101 — 116.

Die sibyllinischen Orakel in der Augusteischen Dichtung FRANZ DORNSEIFF,

Leipzig

Lactantius, der christliche Cicero der Constantinuszeit, spricht div. instit. YII 24,11 darüber, daß auch schon Heiden das Christentum geahnt hätten, z. B. poeta, d. i. Vergilius laut Ekloge 4. Er führt dazu aus den uns erhaltenen Xgrjofiol Zißvkhaxoi, gewöhnlich genannt Oracula Sibyllina, die Verse III 787—91 und 619—23 an, die, wie in der Tat der Augenschein lehrt, Vergil die Substanz seines Gedichtes geliefert haben (der sich ekl. 4, 4 auf Cumaeum Carmen beruft): Gott wohnt in deiner Mitte, und so hast du unsterblich Licht. Und auf den Bergen fressen Wölfe mit Lämmern im Verein Gras. Und Panther weiden mit den Böcklein. Bären lagern mit den Kälbern auf der Weide. 790 Der Löwe, der Fleisch verzehrt, frißt Stroh aus einer Krippe Wiej ein Ochs, und kleine Knaben führen ihn An Stricken. Denn er macht die wilden Tiere auf der Erde zahm. Es schlafen Drachen, Ottern mit Säuglingen zusammen, Beschädigen sie nicht. Denn die Hand Gottes wird über ihnen sein. Und dann verleiht Gott auch den Menschen große Freude. 620 Der Boden und die Bäume und die vollen Schafherden Beliefern mit rechter Frucht die Menschen, Mit Wein und süßem Honig, weißer Milch Und mit Getreide, dem Allerschönsten für die Menschenkinder. Diese Xqrjafjiol SißvXhaxoi sind ein buntscheckiges großes Epos der Weissagungen, es gibt sich als uraltes Buch, das lange Zeiten hindurch verschollen gewesen ist. Schon Homer habe es benutzt, aber geheimgehalten. Als Verfasserin spricht eine Sibylla, eine Prophetin, die, des Gottes voll, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kündet. Die Sibylla erwähnt für uns zuerst der Philosoph Herakleitos von Ephesos um 480, man spricht aber vbn vielen Sibyllen. Sie sind nicht unsterblich, haben aber ein sehr langes Leben. Sibyllen sind als fingierte Prophetinnen auch von den Römern, den Juden und den Christen übernommen bzw. usurpiert worden.

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FRANZ DORNSF.HT

Die uns erhaltenen Oracula Sibyllina sind literarisch am nächsten verwandt dem iambischen Weissagungsgedicht Alexandra, das unter dem Namen des Lykophron von Chalkis geht, der um 280 vChr. in Alexandreia gedichtet hat. Aber die Partie V. 1446—50 über Rom und Flaminius ist so geschichtehaltig, daß man sie nur ex eventu nehmen kann: also nicht vor 150 vChr. Die Sprecherin der ganzen Weissagung über den troischen Krieg, Alexandra, ist die gewöhnlich Kassandra genannte Tochter des Priamos. Auch diese kündet des Gottes voll in einer Vorzeit Weltgeschichte als zukünftige Schrecken, und zwar in einer orakelhaft dunklen Sprache, die höchst belesene Anspielungen auf viele Dichtungen enthält. Um 150 vChr. hätte Lykophron eine bemerkenswerte Parallele in dem Buch Daniel. Auch da soll ein um Jahrhunderte älterer Sprecher Geschichte einer fernen Zukunft in dunklen Bildern gekündet haben. Das stattliche apokalyptische Konvolut der Oracula Sibyllina ist eine recht gebildete und belesene hexametrische Homerisierung alttestamentlicher Prophetien durch zweifellos jüdische und christliche Verfasser, deren Lebenszeiten zwischen 50 vChr. und 300 nChr. liegen. Das älteste Buch ist III, es ist allgemein angenommen, daß es um 50 vChr. vorhanden war. Vergil kann es ohne weiteres gekannt haben. Wenn er es in der 4. Ekloge im Jahr 40 vChr. so hingebend zitiert, so ist das für viele störend, also zu bestreiten oder zu ignorieren. Seitdem die Philologen klassizistische Christenfeinde sind, gute Heiden, wie Goethe es von sich gesagt hat, war der Gedanke, daß der junge Vergil ein halber Christ gewesen sein soll, unerträglich. Es ist ja leider nicht zu leugnen und nicht aus der Welt zu schaffen, daß die christliche Heidenmission die klassischen Völker, die Griechen und die Römer, in die Kirche geholt hat. Aber dann soll das Unglück wenigstens so spät wie möglich geschehen sein, und darf nicht schon der Hofdichter von Kaiser Augustus jüdisch-messianisch beeinflußt sein. NORDEN, der ursprünglich auch an die Abhängigkeit der Ekloge 4 von Sibyll. I I I und damit auch von Jesaia 7—11 geglaubt hatte, war in seinem eindrucksvollen Buch „Die Geburt des Kindes" von 1924 ganz davon abgerückt 1 ) und hatte Parallelen zu dem Motiv des Heilbringerknaben gehäuft, die diesen absolut außermenschlich, übermenschlich, göttlich zeigen. Aber das verfängt nicht so recht. Der erwartete Knabe wird in dem Gedicht als ein Mensch wie alle 1

) Mit höchst fragwürdiger Begründung S. 52: Vergil habe anstelle des Motivs vom Tierfrieden ein anderes: das Aussterben der wilden Tiere. Aber nur ein Tier stirbt aus V. 24: die Schlange. Nun, um Frieden und Liebe mit dieser reißt sich wohl kein Tier. Daß Or. Sib. III den Tierfrieden aus Jesaia unverändert festgehalten hat, beweise, daß Vergil Sib. III nicht gekannt haben kann. Die genannte minimale Änderung betr. der Schlange darf also Vergil keinesfalls selber gedichtet haben. Niemand werde sich zur Annahme einer judaeischen Vorlage verstehen, denn „die judaeischen Sibyllinen strotzen von pöbelhaften" (sie!) „Ausfällen gegen Rom".

Die sibyllinischen Orakel in der Augusteischen Dichtung

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anderen geschildert, der von seinen beiden Eltern umsorgt geboren wird. Wer ist der Vater? Wenn es Y. 17 heißt: pacatumque reget patriis virtutibus orbem, so kann der pater niemals Pollio, sondern nur Augustus sein. Die Mutter wäre seine Gattin Scribonia, die 40 ein Kind erwartete. Dieses Kind kam 39 zur Welt, war aber eine Tochter und wurde Julia genannt. Sie hatte gar nichts Messianisches in ihrem Wesen, am bekanntesten wurde sie dadurch, daß der Dichter Ovidius ihretwegen in die Verbannung gehen mußte. 1 ) Daß Vergil das Gedicht trotzdem im Jahre 30 in seinem Buch Bukolika brachte, zeigt, daß weder er noch der Kaiser die Person des geweissagten Kindes als das Wichtigste ansahen, sondern den Gedanken V. 5 magnus ab integro saeclorum nascitur ordo. Dieser Gedanke beherrscht noch die Saecularfeier im Jahre 17. Vergil gehört mit Ekloge 4, einer Paraphrase von Jesaia 7—11, und zwar auf dem Weg über Orac. Sibyll. III, zum Weihnachtsevangelium, ist damit eine Art Vorläufer des Simeon bei Lukas 2,25—32. Kaiser Constantinus und Dante hatten recht. Aber wer in Vergils Buch nicht nur ekl. 4, sondern auch ekl. 1, 42: hic illum vidi iuvenem, gelesen hat, für den fällt ein Strahl von dem Licht der ekl. 4 auch auf Kaiser Augustus, wie später durch Lk 2, 1. Die ideologische Verbindung von Imperator und Messias seit Vergil läßt auch die Szene im Jahr 70 nChr., wo Josephus den ihm gnädigen Imperator Flavius Vespasianus als Messias begrüßte 2 ), nicht mehr als isolierte Groteske erscheinen. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß Lactantius mit dem erwähnten Hinweis auf das erhaltene Buch I I I der Oracula Sibyllina als die Quelle für Vergils Erlöserknaben + Tierfriede Recht hatte, so liegt er in Tibullus I I 5 vor. Auch über diesem Gedicht könnte stehen paulo maiora canamus. Es ist dieselbe Mischung von Schwelgen in frommem Erzählen und leiser Schelmerei. Auch im einzelnen nimmt Tibullus mit diesem Gedicht ständig Bezug auf jene auffallendste Ekloge Vergils. Auch bei Tibullus sind Apollon und die Sibyllen die Hauptfiguren. Sein Gedicht ist ein Gebet an Phoibos — vgl. ekl. 4, 10 tuus iam regnat Apollo — und zitiert, wie Vergil ebd. 4, 4 Cumaeum Carmen, die Sibyllen. Und zwar schließt sich Tibull genau an die Verse der Or. Sibyll. I I I 796—808 an, die unmittelbar auf Vergils Quelle für die ekl. 4, nämlich Or. Sibyll. I I I 787—795, folgen. Das kann nicht Zufall sein. Darüber ist N O R D E N vollends entsetzt, S. 1 2 : „Von dem Knaben (einem Sohn des Augustus), der dann leider nur ein Mädchen wurde, wollen wir lieber gar nicht reden, um so weniger, als dieses Mädchen erst im J. 39 geboren wurde und Julia hieß, die man ehrt, wenn man von ihr schweigt." V. 62 muß lauten cui non risere parentes, wie überliefert. Die Urkundenfälschung in qui non risere parenti ist eine leere Wiederholung von V. 60 risu cognoscere matrem und muß nachweisen, daß parens ,Mutter' heißt. 2 ) DORNSEIFF, Ztschr. f. d. neutestamentl. Wiss. 35, 1936, 143 ff.

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FRANZ DORNSEIFF

Tibull I I 5 V. 11 — 16 werden die ¿gerat des Phoibos aufgezählt: du siehst in ferne Zukunft, du verleihst dem Augur das Verständnis des Vogelflugs, du lenkst die Orakellose, du befähigst den Eingeweideschauer, du stehst hinter der Sibylla, die (griechische) Hexameter dichtet. Daraufhin wird 17 f. Phoibos gebeten, dem Messalinus günstig zu sein, der als XVvir in der nächsten Zeit mit den Sibyllenorakeln zu tun haben wird, und selbst mitzuteilen, was die Sibylle äußert. Es wird nicht gesagt, daß Phoibos nun dieser Bitte in der Epiphanie nachkommt und in diesem Augenblick den Tibullus inspiriert, sondern es folgen V. 19—64 die Weissagungen der Sibylle, die laut V. 15 die Römer nie betrogen hat. Damit ist ja gegeben, daß Phoibos die Bitte des Tibullus erfüllt hat. Es folgt dank dieser Geneigtheit des Gottes eine Inhaltsangabe der Vergilischen Aeneis, ab 39 in lykophronischer Vorhersage. Den Abschluß bilden die Worte 65 f. haec cecinit vates et te sibi, Phoebe, vocavit. iactavit fusas et caput ante comas. Dies natürlich nach Aeneis VI 48. Tibull V. 25—34 nach der idyllischen Schilderung des Urroms mit dem arkadischen König Evandros aus Aeneis 8. V. 67 geht es weiter: es gibt Orakel noch von anderen Sibyllen. „Was Amaltheia von Kyme gesagt, was Herophile von Marpessos oder Marmessos in der Troas, dem Phoibos lieb, gemahnt hat und was die Lose besagt haben, die Albunea von Tibur über den Fluß Anio in trocknem Gewände transferiert hat 1 ), quasque Aniena sacras Tiburs per flumina sortes 70 portarit sicco pertuleritque sinu" — 1

) In Tibulls Quelle für diesen kleinen Sibyllenkatalog (Varro bei Lactantius s. A. KURFESS, Würzb. Jbb. 3,1948,405) stand über die Albunea eine Translationslegende, die in anderer Version zum Tod dieser Sibylle geführt hat: quae Tiburi colatur ut dea iuxta ripas amnis Anienis, cuius in gurgite simulacrum eius inventum esse dicitur tenens in manu librum. Also ein Aition für eine Statue am Ufer eines Wassers, das sagt, der dargestellte Mensch sei dort im Wasser ertrunken, vgl. DORNSEIFF, Der Märtyrer, AfRelw. 22, 1924, 144. Bei Tibull lesen wir dazu eine rührende Einzelheit, laut der Albunea heldenhaft ihre sortes trocken über den Anio getragen habe. LACHMANNS Phoito = 0oitd) ,die Wandernde' (s. RZACH, Sibyllen, RE IIA, 1923, 2087), das LENZ im Apparat nicht bringt, steht der Überlieferung näher als HUSCHXES Phyto. Natürlich hat man damals 0oird> fütö ausgesprochen, aber wir haben keinen Beweis dafür, daß alle Römer die griechischen Namen so lautgerecht schrieben wie Catullus 66, 44 Oeta als Thia schreibt. Geia bei Pindar Isthm. 5,1, also auch bei Hesiod theog. 135, 371, wo sie Mutter von Sonne, Mond und Morgenröte ist, steht, wie das Pindarscholion weiß, für Gea, ist also metrische Dehnung wie die bei Hesiod danebenstehende 'Peta für 'Pia. Geia als ,die Göttliche' läßt sich nur sehr künstlich erklären trotz WILAMOWITZ, Pindaros, Berlin 1922, 201 ff. und Kasimir EDSCHMID. Gea ,Schau, Sehmöglichkeit, Licht' ist sonnenklar; vgl. DORNSEIFF, Die archaische Mythenerzählung, Berlin 1933, 78ff. und DLZ 79, 1958, 81 f. Das überlieferte Phoebo grata hat KURFESS gerechtfertigt. '

Die sibyllinischen Orakel in der Augusteischen Dichtung

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es folgt in Parenthesis eine Blütenlese ihrer Unglückswahrsagungen: hae fore dixerunt belli mala signa cometen multus ut in terras deplueretque lapis, atque tubas atque arma ferunt strepitantia caelo audita et lucos praecinuisse fugam. 75 ipsum etiam Solem defectum lumine vidit iungere pallentes nubilus annus equos, et simulacra deum lacrimas fudisse tepentes fataque vocales praemonuisse boves — Hier ist die Einschaltung zu Ende und der Nachsatz fällig. Er lautet sehr ähnlich wie V. 65, limitiert aber die Tragweite dieser drei Weissagerinnen auf die Vergangenheit: haec fuerant oüm. Sed tu iam mitis, Apollo, so prodigia indomitis merge sub aequoribus etc. Von den Sibyllen ist von da ab nicht mehr die Rede. Tibullus zählt gewesene Schreckprodigia des Sibyllenkollektivs auf, ich stelle gleich die entsprechenden Punkte aus Orac. Sibyll. I I I zur Seite, die das Weltende schildern: Tibull I I 5 V. 71 Kometen V. 72 Steinregen 73 Drommeten und WaSenklirren am Himmel 74 Beängstigende Stimmen in den Wäldern 75f. Sonnenfinsternis 77 Götterstatuen vergießen Tränen 78 Rinder sprechen

Orac. Sibyll. I I I 798 Schwerter am Himmel 800 Staubschwaden vom Himmel 805 In der Wolke Kampf zwischen Fußkämpfern und Reitern sichtbar 806 Wie eine Jagd auf Tiere 801 f. Sonnen-u. Mondfinsternis 804 Steine schwitzen Blutstropfen

Wenn Tibullus diese von den Sibyllen in Aussicht gestellten Schrecknisse nicht mehr in der Zukunft drohen sieht, sondern für bereits in der Vergangenheit stattgefunden erklärt, so dürfte er damit auch die Prodigia bei Caesars Ermordung gleichsetzen, und zwar wiederum angeregt von Vergil: georg. 1 4 6 9 - 9 0 : tempore quamquam illo tellus quoque et aequora ponti 470 obscenaeque canes importunaeque volucres signa dabant. quotiens Cyclopum effervere in agros vidimus undantem ruptis fornacibus Aetnam flammarumque globos liquefactaque volvere saxa! armorum sonitum toto Germania caelo 475 audiit, insolitis tremuerunt motibus Alpes, vox quoque per lucos volgo exaudita silentis

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FRANZ DORNSEIFF

ingens, et simulacra modis pallentia miris visa sub obscurum noctis, pecudesque locutae (infandum); sistunt amnes terraeque dehiscunt, 480 et maestum inlacrimat templis ebur aeraque sudant. proluit insano contorquens vertice silvas fluviorum rex Eridanus camposque per omnes cum stabulis armenta tulit. nec tempore eodem tristibus a u t extis fibrae apparere minaces 485 aut puteis manare cruor cessavit et altae per noctem resonare lupis ululantibus urbes. non alias caelo ceciderunt plura sereno fulgura nec diri totiens arsere cometae. ergo inter sese paribus concurrere telis 490 Romanas acies iterum videre Philippi; nec fuit indignum superis bis sanguine nostro Emathiam et latos Haemi pinguescere campos. I m einzelnen decken sich die Tibullverse und ihre Quelle, die Sibyllinenverse I I I nicht mit georg. I 469—90, sind aber doch sehr verwandt. Sehr nahe steht auch Ovid, Metam. XV 783—798. Jeder denkt natürlich auch an die Prodigia, die bei der gewaltsamen Tötung des Messias Jesus in den Evangelien stehen. Über das Zerreißen des Vorhangs im Tempel bei Mk 15, 38 und Finsternis bei Lukas 23, 44 hinaus h a t der 3. Synoptiker Matthäus 27, 51 eine Besonderheit: gespenstische Tote kommen aus ihren Gräbern und gehen um. Das stimmt so genau zu der entsprechenden Besonderheit Vergils V. 477 gelegentlich der Prodigia bei der gewaltsamen Tötung des Weltbeherrschers Julius Caesar, daß irgendein Zusammenhang angenommen werden muß. Die Sibyllinenomina sind Or. Sib. I I I 796ff. eingeführt als sichere Zeichen, daß das Weltende n a h t : afjfia de rot SQSOO ¡X6X agiygadeg, wäre vofjaai, rjvixa drj navTcov ro reXoQ yairjcpi yevrjTai. Dasselbe unterstreicht am Schluß dieser Verse Orac. Sib. I I I : 807

TOVTO

reXog

navrwv

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und fährt, ein wenig Hoffnung immerhin lassend, fort: 808

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Demgegenüber erklärt Tibullus mit haec fuerant olim diese Omina f ü r bereits abgegolten und erfüllt, jedenfalls als der Vergangenheit angehörend, zieht aber fortfahrend genau die gleiche Konsequenz, nämlich daß eine Kulthandlung fällig sei, V. 79 ff.:

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haec fuerant olim. Sed tu iam mitis Apollo prodigia indomitis merge sub aequoribus, et succensa sacris crepitet bene laurea flammis, omine quo felix et sacer annus erit,

damit man bei diesen apokalyptischen Aussichten noch einigermaßen glimpflich davonkomme. E s folgt dann eine Art Sonnwendfeier 89, ein Laubhüttenfest ähnlich wie bei den Ambarvalia Tib. I I 1. Man sieht, Tibullus setzt die Sibyllinenstelle etwas um, genau wie Vergilius es in seiner 4. Ekloge mit den unmittelbar vorhergehenden Versen Sib. I I I 785ff. gemacht hatte. Zu diesem Gedicht Vergils will j a Tibullus hier ein Seitenstück geben, auch er kündet einen jugendlichen Glücksgaranten, den Messalinus, der aus den sibyllinischen Wirren herausführt. Und wie Horatius mit epod. 16 auf das alarmierendste Stück in Vergils Eklogai, das Zukunftsbild vom Retterknaben, leicht parodierend ebenfalls unter Verwendung einer Stelle aus Orac. Sibyllina geantwortet hatte, so reagiert auch Tibull darauf, indem er eine Variation über Vergils Gewährsautor, nämlich Orac. Sibyll. I I I , gibt und die unmittelbar folgenden Verse 796—807 heraushebt und ebenso, wie Vergil einen hoffnungsvollen Nachwuchs glorifiziert hatte, so er nun einen hoffnungsvollen Sohn des Messalla als Glücksbringer feiert. Das ist Anschluß an Vergil, Anwendung, Neudeutung 1 ), Fortführung. K A L B F L E I S C H und schon vorher 1 9 3 1 R I G L E R wollte V. 8 5 f. hinter 77 f. stellen. E r gewinnt mit diesem Webermeisterstück, wo ein Tritt tausend Fäden regt, so einleuchtende syntaktische, stilistische und logische Verbesserungen, daß er über diese völlig schweigt, anscheinend um den Lesern des Hermes nicht mit Selbstverständlichkeiten zu nahe zu treten. In der T a t hängen die infinitivi perfecti audita (esse), praecinuisse, fudisse, praemonuisse dann hintereinander von ferunt ab, und ipsum etiam hebt nicht mehr etwas in der Mitte, sondern das letzte Glied in der Aufzählung hervor. Aber Tibullus ist bekannt dafür, daß seine Gedankenwege mitunter traumartig sind, und zumal Sibyllen, welche Unglücksomina raunen, mit einer syntaktischen Glättung über den Mund zu fahren, besteht bei Tibull kein Grund. Die Anordnung der Verse ist überdies auch in der überlieferten Form durchaus logisch: zuerst die großartigeren Erscheinungen am Himmel (über die Wälder V. 74 sofort), dann als vielleicht noch unheimlicher solche in unsrer leiblichen Nähe auf der Erde. Und unter den Himmelserscheinungen ist für uns Erdebewohner die Sonne so sehr die Hauptsache, daß auch ihr, selbst wenn sie nicht das letzte Aufzählungsglied ist, ein ipse etiam zuerkannt werden darf. Nun sahen wir noch eine zweite zeitlich und inhaltlich sehr nahestehende Parallele zu Tibulls Versen 71—78, nämlich außer den genannten Orac. K . KALBFLEISCH, Hermes 78, 1943, 112. 4

Röm. Lit.

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FRANZ DORNSEIFF

Sibyll. I I I 796—807 auch noch Vergil georg. 1474ff. Aber wie man die ausdrücklich von Lactantius bezeugte Zitierung der ebenda unmittelbar vorausgehenden Verse I I I 785—91 durch Vergilius in Ekloge 4 abwegig fand, so hat man auch dieses offenkundige Zitat nicht beachtet. Der wertvolle Hinweis von K U R F E S S darauf, daß auch Horaz Or. Sibyll. I I I 464ff. zitiert hat, wurde, wie von B Ü C H N E B , auch von Harald F U C H S 1) abgelehnt. Er sei unergiebig, ähnlicher sei Jerem. 50, 3. 8. 41. Aber dort steht über Babel, es werde durch einen äußeren Feind aus dem Norden vernichtet werden und veröden, es fehlt das Motiv des inneren Zwistes, der bei Horaz die Hauptsache ist. 2 K U R F E S S will neuerdings ) das Verhältnis zwischen Sibyll. I I I 464—8 und Horaz epod. 16 umkehren und glaubt, der Sibyllinendichter habe hier den Horaz zitiert. Aber dann muß Or. Sibyll. I I I gegen Lactantius auch später als Vergil gewesen sein, Sib. soll auch mit I I I 469 ovx äyaöäjv ¡j,rjxrjQ drjQÖtv de Ti&qvrj Vergils georg. I I 173f. Italia magna parens frugum, magna virum nachahmend zitiert haben. Aber da liegt wohl Pindar P y t h . I 20 über die Aetna näher ndvsreg %IOVOQ O£eiag Ri&rjva. Sibyll. Buch I I I könnte dann frühestens 30 vChr. verfaßt sein. Diese zeitliche Umkehrung scheitert daran, daß Vergil und Tibull sich auf die Sibyllen ausdrücklich und mit wörtlichen Zitaten beziehen. K U R F E S S rechnet mit Interpolation in den Sibyüinen. Bestechend ist zunächst auch ein Versuch von K U R F E S S , im X I . Buch der SibyIhnen eine Huldigung an Vergilius zu finden. Mit diesem Buch sind wir in einem späteren Jahrhundert. Es zitiert mehrfach Aeneisverse. Wiederum gibt sich die Sibylle als eine Prophetin der Urzeit und kommt beim Weissagen der troischen Geschehnisse in dem mehrfach erwähnten Buch I I I 419—24 auch auf Homer zu sprechen: der werde sie eines Tages literarisch bestehlen. Im Buch X I 122—157 spricht die Sibylle ebenfalls vom troischen Krieg und im Anschluß daran V. 163—72 von dem dafür zuständigen Dichter, sichtlich in Nachahmung von I I I 419—24. Aber zum Unterschied von diesem Vorbild lobt sie ihn. „Ein alter Mann wird wieder" (d.h. wie die Sibylle selbst alt ist) „Sänger sein, den alle den größten Dichter nennen werden, dessen edler Geist mit allem Schönen gebildet werden wird." I m Folgenden ist noch erkennbar: und er wird deutlich unsagbar Schönes schreiben, indem er sich meiner Worte Metren Verse 3 ) bemächtigt. Denn dieser wird als erster meine Bücher aufnehmen und zeitlebens geheimhalten" (das soll erklären, warum bei Homer nie von der Sibylle die Rede ist, die doch eine Vorgängerin von ihm gewesen sein will). I n diesem *) BÜCHNER, Horazbericht, Bursian 1939. H. FUCHS, Der geistige Widerstand gegen Rom, Berlin 1938, 38. 2

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) KURFESS, Ztschr. f. Rel. u. Geistesg. 3, 1951, 256.

) Ob das Asyndeton aus Aristoph. Frösche 862 stammt?

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Dichter über Troia möchte K U R F E S S Vergil erblicken. Es steht nichts im Wege, daß griechische Poesie der Kaiserzeit römische Dichter kennt und nennt. 1 ) Aber Vergil ist schon jung gestorben, und in dem, was vorhergeht, handelt nur V. 156—62 von Aineias und seinen Nachkommen, aber gar nicht vergilisch. Aineias werde 15 Jahre nach seiner Landung in Latium in den verfluchten Gewässern (vdaaiv oXXvfievoiq, vgl. Ilias 1, 2) des Meeres umkommen (eine rare Nachricht). Seine Nachkommen würden die Länder bis Mesopotamien einschließlich beherrschen. Das kann nicht vor Traianus geschrieben sein. Die wieder hervorgeholte Korruptel xw9k 'AaavQicov V. 161 statt y