Römer 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie 9783666532719, 3525532660, 9783525532713


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Römer 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie
 9783666532719, 3525532660, 9783525532713

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Peter von der Osten-Sacken Römer 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie

PETER VON DER OSTEN-SACKEN

Römer 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie

GÖTTINGEN · YANDENHOECK & RUPRECHT · 1975

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Ernst Käsemann und Ernst Würthwein 112. Band der ganzen Reihe

MEINEM L E H R E R D. EDUARD LOHSE

ISBN 3-525-53266-0 Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. - © Vandenhoeck Sc Ruprecht, Göttingen 1975. - Printed in Germany. - Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. - Satz und Druck: Guide-Druck, Tübingen. Bindearbeit: Hubert & Co., Göttingen

VORWORT Die vorliegende Untersuchung ist im Wintersemester 1972/73 von der Theologischen Fakultät Göttingen als Habilitationsschrift angenommen worden. Für den Druck habe ich sie an einigen wenigen Stellen gekürzt und um die Auseinandersetzung mit einigen teils zuvor übersehenen, teils inzwischen veröffentlichten Beiträgen zum Thema ergänzt, vor allem um die Diskussion der Ausführungen Ernst Käsemanns in seinem 1973 erschienenen Kommentar zum Römerbrief. Die 1972 der Theologischen Fakultät Mainz vorgelegte Dissertation „Überlieferung und Auslegung in Rom 8" von Henning Paulsen hingegen habe ich in Absprache mit dem Autor nicht mehr berücksichtigt. Zwar verfolgen beide Arbeiten zum Teil dasselbe Ziel, die Wege, die hier und da eingeschlagen werden, die unterschiedlichen Interessen, die beide Untersuchungen erkennen lassen, und die je anderen Akzente, die sie tragen, haben es jedoch Dr. Paulsen und mir als gerechtfertigt erscheinen lassen, beide Abhandlungen im wesentlichen in der Gestalt zu veröffentlichen, in der sie seinerzeit unabhängig voneinander den Fakultäten eingereicht wurden. Mein Lehrer D. Eduard Lohse hat die Entstehung der Untersuchung mit hilfreicher Kritik begleitet. Die Zueignung des Buches an ihn soll ein Zeichen herzlicher Dankbarkeit für die reiche Förderung sein, die ich in meiner wissenschaftlichen Ausbildung durch ihn erfahren habe. Wichtige Anregungen sind der Arbeit durch Gespräche mit Prof. Conzelmann, der das Korreferat erstattet hat, zugute gekommen. Prof. Käsemann und Prof. Würthwein haben die Untersuchung in die Reihe der „Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments" aufgenommen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat durch Gewährung eines Habilitandenstipendiums die Fertigstellung der Arbeit ermöglicht und einen erheblichen Zuschuß zu den Druckkosten geleistet. Die Drucklegung selbst ist vom Verlag in großzügiger Weise betreut worden. Herr Christian Bartsch hat die Mühe des Korrekturenlesens geteilt und das Autorenregister erstellt. Ihnen allen gilt herzlicher Dank. Auf die Akzentsetzung im Griechischen und auf die Beigabe weiterer Register wurde aus kostensparenden Gründen verzichtet. Das ausführliche Inhaltsverzeichnis gibt zudem Aufschluß darüber, welche paulinischen Texte außer Rom. 8 ausführlicher behandelt worden sind. Berlin, den 19. Oktober 1974 Peter von der Osten-Sacken

INHALT Vorwort

5

Einleitung . .

9

A) Tradition und Redaktion in Rom. 8.

14

I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1-39 1. Zur Forschungslage . . . 2. Vorpaulinisches Gut in Rom. 8,31—39: Abgrenzung einer Frage-Antwort-Reihe . 3. Die Frage der Geschlossenheit des Traditionsstückes . . 4. Gattung und Sitz im Leben . . . 5. Traditionsgeschichte a) Das Formelgut b) Das Verhältnis zu Jes. 50,7-9 . . . . c) Mündliche Tradierung und Herkunft . 6. Interpretation der Frage-Antwort-Reihe . 7. Die paulinische Bearbeitung a) Unmittelbare Eingriffe in die Frage-Antwort-Reihe und deren weitere Ausgestaltung b) Auswertung Zur Stellung von Rom. 8,31—59 innerhalb von Rom. 8 . Zur Stellung von Rom. 8,31—39 im weiteren Kontext .

51 53 53 57

II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30 1. Überlegungen zur Gliederung von Rom. 8,1—30 2. Überliefertes Gut in Rom. 8 , 2 8 - 3 0 . . a) Rom. 8,28: Die Sentenz b) Rom. 8,29 f.: Die Goldene Kette Der Kettenschluß (Rom. 8,29a.30) Die Gleichgestaltungsformel (Rom. 8,29b) . . . . c) Elemente und Fragen der paulinischen Redaktion . 3. Vorpaulinisches Traditionsgut in Rom. 8,18—27 . . a) Zur Forschungslage b) Die Rekonstruktion der Überlieferung Beobachtungen zur Begrifflichkeit Beobachtungen zum Stil Beobachtungen zur Frage des sachlichen Zusammenhangs

60 60 65 63 67 69 73 76 78 78 80 80 86 91

14 14 23 26 28 55 55 45 45 47 50

Inhalt

Abgrenzung der verarbeiteten Tradition c) Zum Charakter der Tradition d) Die paulinische Bearbeitung der Tradition. Erste Hinweise e) Die Parallele 2. Kor. 5,1-10 f) Zum Verhältnis von Rom. 8,18-27 zu Rom. 5,1-5(11) . 4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in Rom. 8, 14-17 a) Zur Fragestellung b) Rom. 8,14-17 und Gal. 4 , 1 - 7 c) Sinn und Funktion von Rom. 8,14—17 d) Rom. 8,18 im Verhältnis zu 8,14-17 und 8,19-30 . . . 5. Zur paulinischen Redaktion in Rom. 8,14—30 . . . .

7

95 97 102 104 124 128 128 129 134 139 143

6. Formelhaftes Gut in Rom. 8,1—13 u n d seine Bearbeitung 144 a) Die Sendungsaussage in Rom. 8,3b f 144 b) Der Kontext der Sendungsaussage (Rom. 8,1—13) . . . 146 7. Rückschau auf den Kontext von Rom. 8 157 B) Die Bedeutung von Rom. 5—7 f ü r die Interpretation von Rom. 8

160

I. Adam u n d Jesus Christus. Die E r ö f f n u n g des Lebens f ü r die Vielen durch den Einen (Rom. 5,12—21) 160 II. Die Taufe εις Χριστόν Ίησοΰν (Rom. 6,1—7,6) 175 1. Zur Funktion von Rom. 6,1—7,6 175 2. Der Sünde gestorben u n d frei von ihr (Rom. 6,1—23). . 177 3. D e m Gesetz gestorben u n d frei von ihm (Rom. 7,1—6) 188 III. Der Mensch in der Macht der Sarx (Rom. 7 , 7 - 2 4 ) . . . 194 1. Voraussetzungen u n d Aufgaben der Interpretation . . 194 2. Des Menschen Wille ist sein Tod 197 VI. Die paulinische Gesetzeslehre in Rom. 5—7 als Funktion der Soteriologie des Apostels 221 C) Der Sohn und die Söhne (Rom. 8 , 1 - 3 9 )

226

I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1-30) 226 1. Die Freiheit vom Tode als Macht über die Sarx (Rom. 8,1-13) 226 Exkurs (I): Rom. 8,1—13 im Spiegel paulinischer Aussagen über das Gesetz außerhalb von Rom. 5—8 . . . 245 a) Rom. 3,27.31 245 b) Rom. 10,4 250 c) Rom. 13,8-10 256

8

Inhalt

2. Die Freiheit vom Tode als Uberwindung im Leiden (Rom. 8,14-30) 260 a) Der Zusammenhang zwischen Rom. 8,1—13 und Rom. 8,14-30 (V. 14-17) 260 b) „Wir leiden mit, damit wir auch mitverherrlicht werden" 263 Die Schöpfung (V. 19-22) 263 Die Söhne (V. 23-25) 266 Der Geist (V. 26 f.) 271 Der Erste unter vielen Brüdern (V. 28-30) 277 Exkurs (II): Rom. 8,14—30 im Spiegel paulinischer Leidenstexte außerhalb des Römerbriefes 287 a) Die Leiden Christi 287 b) Mitleiden als Modus und Voraussetzung der Teilhabe am Heil 290 2. Kor. 4,7-18 290 2. Kor. 1,3-11 297 Phil. 3,2-14 300 c) Mitleiden als Geduld der Hoffnung 304 II. Καυχασ&αι έν τω θεφ δια κυρίου ήμών Ίησοϋ Χρίστου (Rom. 8,31-39) . Schluß Zusammenfassung Ausblick Literaturverzeichnis Autorenregister .

. .

309

319 . 319 . 321

· · · 323 . . . 337

EINLEITUNG „Was der Apostel in dem herrlichen Kapitel 8 — dem längsten des Briefes — ausführt, stellt den Höhepunkt seiner Mitteilungen an die Römer dar." 1 Zwar mag man geteilter Auffassung darüber sein, ob Rom. 8 tatsächlich diese zentrale Stellung im Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom zuzuerkennen ist2. Unbestreitbar scheint jedoch, daß „dem großen Kapitel von der Erlösung", wie Bousset3 es genannt hat, mindestens ein ebenbürtiger Platz neben den übrigen sachlichen Einheiten des lehrhaften Teils des Briefes (Rom. 1—11) zukommt. Die hohen Prädikate, die dem Kapitel als ganzem 4 , in jedem Fall aber seinem Schlußteil V. 31—39 immer wieder zuerteilt worden sind5, lassen keinen Zweifel darüber, daß nach allgemeiner Auffassung der Exegeten der Brief ohne das 8. Kapitel Fragment wäre. In auffälligem Gegensatz zu dieser Wertschätzung steht der Eindruck, der sich ergibt, wenn man die Beiträge durchmustert, die in den letzten Jahrzehnten zur Auslegung der Epistel geleistet worden sind. Sieht man von der „pflichtgemäßen" Deutung des 8. Kapitels im Rahmen der Kommentierung des ganzen Briefes ab, so sind die Interpreten nur mehr von den Schwierigkeiten einzelner Verse oder kleinerer Abschnitte aus Rom. 8 angelockt worden. Dieser Tatbestand fällt gerade deshalb ins Auge, weil den übrigen Kapiteln bzw. sachlichen Einheiten in Rom. 1—11 während desselben Zeitraums eine eindrucksvolle Anzahl von ausführlicheren Aufsätzen und monographischen Abhandlungen gewidmet worden ist. Erst in jüngster Zeit beginnt sich ein Wandel zugunsten der Auslegung von Rom. 8 abzuzeichnen. Stalder hat im Rahmen seiner Arbeit „Das Werk des Geistes in der Heiligung bei Paulus" Rom. 8,1 bis 17 in einem längeren Abschnitt behandelt6, Schlier Rom. 8,18—30 in einem Aufsatz 7 , Luz Rom. 8,18—39 in seiner Untersuchung „Das Sickenberger, Rom. 234; ähnlich Schille, Liebe 230. Nygren (Rom. 22) ζ. B. spricht von Rom. 5,12—21 als dem Höhepunkt des Briefes. 3 Kyrios 195. 4 Vgl. etwa noch Althaus, Rom. 4 („das gewaltige 8. Kapitel"); Sanday-Headlam, Rom. X L VI; Prümm, Struktur 342. 5 Vgl. dazu unten, S. 14 mit A. 1—4. 8 S. 387-487. 7 Das, worauf 599-616. 1 2

10

Einleitung

Geschichtsverständnis des Paulus" befragt 8 , und Balz schließlich hat diesen zweiten Teil des Kapitels in Form einer Monographie („Heilsvertrauen und Welterfahrung") erörtert 9 . So dankenswert dieser Vorstoß der genannten Exegeten auf lange unbearbeitetes Terrain ist, werden ihre Beiträge in einem entscheidenden Punkt Rom. 8 nicht voll gerecht: Einer üblichen, aber höchst fragwürdigen Einteilung folgend, legen sie das Kapitel Rom. 8 nicht als ganzes aus, sondern setzen zwischen V. 1—17 und V. 18—30 bzw. 18—39 eine Zäsur 10 . Der Nachweis, daß damit Zusammengehöriges zerschnitten und der Gehalt nicht nur von Rom. 8 insgesamt, sondern gerade auch der behandelten Abschnitte nur verkürzt zur Geltung kommen kann, wird Bestandteil der folgenden Untersuchung sein 11 . Vorerst m a g es genügen, an die in älteren Kommentaren begegnende und durchaus nicht verlorengegangene Erkenntnis zu erinnern, daß Rom. 8 das Pendant zu Rom. 7,7—24 bildet, um die These von der Einheitlichkeit des 8. Kapitels zu begründen 12 . Mit dieser ersten näheren Bestimmung der Funktion von Rom. 8 ist bereits das theologische Interesse angedeutet, das dies Kapitel weckt und das als hinreichende Motivation für seine nähere Untersuchung gelten kann. Das Verständnis des Seins der erlösten Menschen, wie es in Rom. 8 von Paulus gedeutet wird, dürfte bei der Suche nach der neutestamentlichen Bestimmung des Menschen coram Deo von mindestens gleicher Relevanz sein wie die Einsicht in die paulinische S. 369-386. Auch an dieser Stelle möchte ich Herrn Balz dafür danken, daß ich seine Arbeit noch vor ihrer Drucklegung einsehen und mich so nicht nur davon überzeugen konnte, daß seine und die eigene Untersuchung weithin andere Wege gingen, sondern auch zu einem noch relativ frühen Zeitpunkt die Auseinandersetzung mit seiner Sicht von Rom. 8,18 ff. zu beginnen vermochte. 10 Demgegenüber ist schon zuvor — darin wegweisend — das Kapitel in den unter dem Titel „Geist und Leben" zusammengefaßten fünf Bibelarbeiten von J. Tibbe als Einheit ausgelegt. Die durch ihren aktuellen Anlaß geprägten Vorträge geben fast durchweg ein sicheres Gespür für den Duktus der paulinischen Argumentation zu erkennen und steuern auch im einzelnen manch treffende Beobachtung zur Auslegung des Kapitels bei. 11 Vgl. unten S. 53 ff., 134 ff. u. ö. Luz gibt an späterer Stelle (Aufbau 164) selbst zu bedenken, ob zwischen V. 17 und 18 doch keine Zäsur zu setzen sei, verbindet diese Überlegung allerdings mit der Alternative, dann zwischen V. 11 und V. 12 einen Einschnitt vorzunehmen. 12 Siehe Sickenberger, Rom. 234: „Deutlich stellt Paulus (sc. in Kap. 8) ,die in Christus Seienden' dem im vorausgehenden geschilderten ,Ich' entgegen." Vgl. B. Weiß, Rom. 329; Jülicher, Rom. 225. Als Beispiel aus der neueren Exegese s. Conzelmann, Theol. NT 253. Im übrigen müßte es oben statt „Rom. 8" strenggenommen stets „Rom. 7,25a; 8,1—39" heißen, da der Dankesruf 7,25a sachlich eher zu Kap. 8 als zu Kap. 7 gehört. (V. 25b ist nachpaulinische Glosse; s. Bultmann, Glossen 278 f. und unten, S. 207 f.) Um der Einfachheit halber wird im folg. die verkürzende Bezeichnung „Rom. 8" beibehalten. 8

β

Einleitung

11

Auslegung des Seins des Unerlösten, die in dem vielverhandelten Text Rom. 7,7—24 dargeboten wird. Der Versuch, den paulinischen Intentionen in Rom. 8 auf die Spur zu kommen und das Kapitel als geschlossenes Ganzes zu würdigen, soll methodisch von zwei Erkenntnissen bestimmt sein. Erstens: Paulus hat im 8. Kapitel des Römerbriefes unverhältnismäßig viel überliefertes Gut aufgenommen und verarbeitet. Die Bestimmung von Art, Umfang und Funktion dieser traditionellen Aussagen dürfte nicht wenig zur Profilierung der paulinischen Darlegung in Rom. 8 beitragen können. Deshalb soll der erste Teil der Arbeit der Scheidung von Tradition und Redaktion gewidmet sein. Als Einstieg bietet sich dabei der letzte Teil des Kapitels (V. 31—39) an. Denn die Trennung von Überlieferung und paulinischer Überarbeitung läßt sich hier besonders eindrücklich vornehmen und vermag damit die Legitimität der gewählten Fragestellung zu bekräftigen. Die Einsicht in die paulmische Redaktion in V. 31—39 gibt sodann wesentlichen Aufschluß über das umstrittene Verhältnis des Schlußabschnittes zu V. 1—30, über die nähere Thematik des Kapitels und über seine Stellung im weiteren Kontext. Zweitens: Die Bedeutung des Kontextes für die Interpretation von Rom. 8 ist bereits mit dem Hinweis auf das Verhältnis von Rom. 7 zu Rom. 8 bezeichnet. Die Bezüge des Kapitels reichen jedoch weiter zurück, wie gerade die mittels der traditionsgeschichtlichen Fragestellung mögliche Konturierung von Rom. 8 zeigt. Nicht nur schließt sich am Ende des 8. Kapitels der Kreis hin zu Rom. 5,1—11, sondern wie Rom. 7,7—24 den theologisch-anthropologischen Kontext zu Rom. 8 bilden, so Rom. 5,12—21 den christologischen, Rom. 6,1—7,6 den ekklesiologischen. Deshalb wird im zweiten Teil der Arbeit die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang Rom. 5,12—7,24 zu richten und nach der hermeneutischen Relevanz dieser Ausführungen für die Interpretation des 8. Kapitels zu fragen sein. Auf dem Hintergrund dieser beiden Arbeitsgänge gilt es im dritten Teil, Rom. 8 als Ganzes zu deuten. Das Woraufhin dieser Interpretation ist durch die vorangehenden Teile bestimmt: Es ist das Problem, wie es durch die Scheidung von Tradition und Redaktion und die Sichtung des Kontextes ansichtig wird. Wenn Rom. 8 als „Beispiel" paulinischer Soteriologie verstanden wird, so geschieht dies zunächst aufgrund jener Erkenntnis, daß dies Kapitel das Gegenüber zu der exemplarischen Deutung vorchristlicher Existenz in Rom. 7 bildet. Dem damit für Rom. 8 erhobenen Anspruch soll in der Weise Rechnung zu tragen versucht werden, daß im Rahmen des dritten Teils der Arbeit weitere paulinische Texte in Form von Exkursen in die Auslegung einbezogen werden.

12

Einleitung

Der Begriff „Soteriologie" schließlich wird in von seinem traditionellen Gebrauch differenziertem Sinn verwendet. Mit Recht hat Tillich gegenüber der alten Unterscheidung von Christologie als Lehre von der Person und Soteriologie als Lehre vom Werk Jesu Christi die Einheit von Person und Werk geltend gemacht: „das Sein des Christus (ist) sein Werk und sein Werk sein Sein" 13 umschreibt angemessen die vielzitierte Definition Melanchthons: „hoc est Christum cognoscere, beneficia eius cognoscere."14 Tillich selbst möchte das traditionelle Schema durch „die Lehre vom Neuen Sein in Jesus als dem Christus in seiner universalen Bedeutung" 15 ersetzen. Er verzichtet allerdings de facto nicht auf den Gebrauch der Begriffe Christologie und Soteriologie. Wenn er an anderer Stelle die Christologie als „eine Funktion der Soteriologie" 16 bestimmt, so scheint sich darin anzudeuten, daß der Begriff Soteriologie gerade aufgrund der Erkenntnis der Identität von Sein und Werk Jesu Christi freigesetzt wird zu neuem Gebrauch. Denn läßt sich die Christologie jetzt bestimmen als jene „Lehre vom Neuen Sein . . . " , dann vermag der Begriff „Soteriologie" in dem Sinn zur Geltung zu kommen, den ihm zuzuschreiben ohnehin das Nächstliegende ist, sofern Soteriologie „Lehre von der Erlösung·" ist: als Begriff für die Einheit von Christologie, Pneumatologie und Eschatologie. Denn welche „Lehre von der Erlösung" wäre — zumindest auf paulinischem Boden — denkbar, die außer der Christologie nicht zugleich Lehre vom Geist als der erlösenden Gegenwart Jesu Christi und Lehre von der Vollendung als dem die Erlösung sichtbar her aufführenden Sieg Gottes in Jesus Christus wäre 17 ? Gerade in Rom. 8 lehrt Paulus bei der Entfaltung des Seins der in Jesus Christus Erlösten auf Schritt und Tritt die unlösliche Einheit von ChristoTheologie II, 179. Loci (ed. Kolde) 63. 15 A.a.O. 178. 19 Ebd. 163. Tillich erläutert die Definition mit den Worten: „Das Problem der Soteriologie schafft die christologische F r a g e und weist in die Richtung, in der die christologische Antwort gegeben werden muß. Denn es ist die Funktion des Christus, das Neue Sein zu bringen und damit die Erlösung vom alten Sein." D a dies die einzige Stelle ist, an der Tillich in seiner „Systematischen Theologie" auf das Verhältnis von Christologie und Soteriologie in diesen Begriffen zu sprechen kommt, muß es offenbleiben, ob die folgenden Überlegungen immanente Weiterf ü h r u n g seines Ansatzes sind oder diesen transzendieren. 17 Bereits Kahler (Wissenschaft 343 ff. 381 ff.) ist auf dem W e g zu solch umfassenderem Gebrauch des Begriffs, wenn er den Begriff Soteriologie über die traditionelle Verwendung hinaus in der Überschrift „Die Versöhnung der Sünder mit Gott durch den Geist. Soteriologie, gratia applicatrix" auch auf die Pneumatologie bezieht (ebd. 381) und weiter die Christologie durch die Bestimmung, sie müsse „Soterologie" sein (ebd. 343), enger mit der Soteriologie verflicht. Vgl. Trillhaas, Dogmatik 324. Z u m Sachverhalt im N T vgl. auch Käsemann, Sackgassen 65. 13

"

Einleitung

13

logie, Pneumatologie und Eschatologie. Diese Einheit bestärkt darin, das Kapitel — obwohl hier wie „kaum irgendwo sonst in der Bibel . . . in so gedrängter Kürze so gewichtige Aussagen über den Geist gemacht" werden 18 — nicht als Exempel der Pneumatologie des Apostels, sondern als Beispiel paulinischer „Lehre von der Erlösimg" aufzufassen.

18

Tibbe, Geist 7.

A) T R A D I T I O N U N D R E D A K T I O N IN ROM. 8

I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31-39 1. Zur

Forschungslage

Immer wieder findet sich in der exegetischen Literatur die Bezeichnung von Rom. 8,31—39 als „Hymnus" 1 , „Lobgesang" 2 , „Siegeslied" 3 , „Triumphlied" 4 . Der Nachweis für die Sachgemäßheit dieser Bestimmung steht jedoch aus. Sie ist vermutlich deshalb vernachlässigt, weil Einigkeit in der Auffassung besteht, daß die Aussagen in Rom. 8,31—39 nicht wie ζ. B. Phil. 2,6—11 als im ganzen vorpaulinisches, von Paulus nur mehr redigiertes Traditionsstück anzusprechen sind, sondern einen insgesamt paulinischen, allerdings mit traditionellem Formelgut durchsetzten Passus darstellen. Entsprechend beschränkt sich die formgeschichtliche Diskussion im wesentlichen auf die Abgrenzung und traditionsgeschichtliche Einordnung dieser isolierten Traditionselemente. Die Frage nach der Struktur des Abschnittes, die ja selbst bei der Annahme eines „paulinischen Hymnus" ihre Bedeutung behält, wird zumeist auf das alte Problem des Verhältnisses der kurzen Sätze in V. 33 f. untereinander konzentriert bzw. beschränkt: Sind V. 33b und V. 34b als Fragen oder als Aussagen zu 1 Krüger, Rom. 241 („hymne de la victoire finale"); Kühl, Rom. 1; Gaugier, Rom. 342 („Jubelhymnus"); Prümm, Struktur 339 („Schlußhymnus"); Huby, Rom. 314 („hymne final"); Tibbe, Geist 42 („Hymnus der Glaubensgewißheit"); Münderlein, Interpretation 137; Ralz, Heilsvertrauen 36. Vgl. auch Bultmann, Diatribe 73: „in dieser Weise redete Paulus in der Gemeindeversammlung; so etwa war seine Ausdrucksweise, wenn . . . sein Gefühl zum Lobpreis Gottes überströmte, oder wenn er im ψαλμός oder ύμνος in gewaltigen Paradoxien die Herrlichkeit des Christenstandes pries". Siehe zu Bultmann auch unten, S. 28 f. 2 Haering, Rom. 82; Kroeker, Rom. 347; Nygren, Rom. 252 („jubelnder Lobgesang") ; Kuß, Rom. II, 487 („hymnischer Preisgesang"). 3 Krüger, Rom. 241 („chant de victoire"); Gaugier, Rom. 343; Schmidt, Rom. 152 („Siegeslied der Heilsgewißheit"). 4 Kühl, Rom. 306; Kuß, Rom. I, 78; Lagrange, Rom. 217 („une sorte de chant de triomphe anticipe"); Spicq, Agape I, 251 („chant de triomphe"); Schille, Liebe 244 (S. 232 vorsichtiger: „beinahe hymnischer Lobgesang").

1. Zur Forschungslage

15

bestimmen, und in welchem Verhältnis stehen die Sätze in V. 33 f. zueinander? Das heißt: Handelt es sich in V. 33b und V. 34b a) u m rhetorische Fragen, die auf die in V. 33a und V. 3 4 a jeweils vorangehenden Frage-Sätze „antworten" 5 , b) u m Aussagen bzw. Beteuerungen, die die in V. 34a und V. 3 5 a jeweils folgenden Fragen als gegenstandslos erweisen sollen 6 , c) u m Aussage bzw. Beteuerung (V. 33b) und auf V. 3 4 a rückbezogene rhetorische Frage (V. 34b) 7 , d) sowohl u m Antworten auf die (überzuordnende) Frage V. 33a als auch u m Aussagen im Sinne der zweiten Möglichkeit (b) 8 , oder e) u m Aussagesätze, die auf die jeweils in V. 33a und V. 34a vorangehende Frage antworten 9 , wie die Mehrheit der Exegeten mit Recht 1 0 a n n i m m t ? Nur sofern dem durch Fragen geprägten engeren Kontext einiges Gewicht f ü r die Entscheidung dieses Problems beigemessen wird, wird er in die Erörterung des A u f b a u s einbezogen. Da die letzte Frage in V. 3 5 begegnet, werden somit von den Überlegungen zum A u f b a u im allgemeinen nur V. 31—35 erfaßt. 5 J. Weiß, Rhetorik 33; Barth, Rom. 312; Lietzmann, Rom. 87; Sickenberger, Rom. 245 f.; Romaniuk, L'amour 5 f.; Barrett, Rom. 172; Blaß-Debrunner § 496,2; Schille, Liebe 232. 6 Gaugier, Rom. 347 f.; Luz, Geschichtsverständnis 371 f. Zu den wesentlichen Unterschieden zwischen Gaugier und Luz s. unten, A. 10. 7 Zahn, Rom. 423f.; Dodd, Rom. 142; Lagrange, Rom. 219. 8 Sanday-Headlam, Rom. 220. 9 Luther, WA 45, 403-405; Lange-Fay, Rom. 178; Lipsius, Rom. 142; B. Weiß, Rom. 382f.; Godet, Rom. II, 124f.; Krüger, Rom. 241; Kühl, Rom. 309; Jülicher, Rom. 286; Haering, Rom. 81; Schlatter, Rom. 287; Kuß, Rom. I, 77; Althaus, Rom. 96; Fuchs, Freiheit 119; Kroeker, Rom. 351; Nygren, Rom. 252; Huby, Rom. 315 f.; Leenhardt, Rom. 135; Schmidt, Rom. 153 f.; Müller, Gerechtigkeit 54 A. 29; Tibbe, Geist 42; Michel, Rom. 213; Mattern, Gericht 94; Balz, Heilsvertrauen 116 f.; Käsemann, Rom. 237. 10 Vgl. vor allem Schlatter, Rom. 287: „die positive Aussage ,Gott ist der, der gerechtspricht' macht der Umschau nach dem, der verklagen werde, wuchtig ein Ende, und der fragende Ton läßt sich beim parallelen Satz (sc. V. 34b) nicht beibehalten, da er alles aufzählt, wodurch Christus zum Retter der Gemeinde geworden ist". Obwohl Schlatter als andere Verständnismöglichkeit nur die Bestimmung von V. 33b. 34b als Fragen vor Augen hat (= a und bezüglich V. 34 = b), die ja zu dem von ihm vertretenen Verständnis ohnehin insofern die größte Nähe hat, als die Fragen für rhetorische und damit sachlich für Antworten gehalten werden, lassen sich von seiner Begründung aus auch die übrigen Auffassungen widerlegen (b, d und — bezüglich V. 33 — c). Sie scheitern sämtlich daran, daß sie letztlich der Frage nach dem Verkläger (V. 33a) nicht gerecht werden: Gaugier und Luz (= b, s. A. 6) verstehen V. 33a parallel zu V. 34a. 35a (Gaugier) bzw. V. 35a als abschließende rhetorische Frage der vorausgehenden Beteuerung (Luz). Beide übersehen erstens, daß die angebliche Parallelität zwischen V. 31b—33a, V. 33b—34a

16

I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

Seltene Ausnahmen bilden der Kommentar von Michel und die Monographie von Balz 11 , die beide die Struktur des ganzen Abschnittes zu bestimmen suchen. Michel erkennt Rom. 8,31—39 als „ein in sich kunstvoll gegliedertes hymnisches Ganzes..., bei dem die Frage und Antwort auf einander eingestellt sind" 12 und grenzt dieser Erkenntnis gemäß vier Strophen aus: V. 3 1 b - 3 2 ; Y. 33 f.; V. 3 5 - 3 7 ; V. 38 f. 13 . Freilich, selbst wenn m a n auf das Postulat völliger Ebenmäßigkeit der Strophen eines Liedes verzichtet, erweist sich die strophische Gliederung Michels bei näherem Hinsehen als fragwürdig: Die vierte Strophe (V. 38 f.) entbehrt der Frage-Antwort-Struktur und wird (wohl deshalb) von Michel selbst als „hymnischer Abschluß" bezeichnet. Sie ist darüber hinaus Begründung von V. 37 und gehörte somit zur vorangehenden Strophe, die dann allerdings genauso lang würde wie die ersten zwei zusammen. Die erste Strophe (V 31b—32) enthält sodann in der vorliegenden Form nur Fragen, in der zweiten (V. 33 f.) folgen zweimal Frage und Antwort aufeinander, so daß m a n nach Michels eigenem Prinzip geneigt wäre, nochmals zu unterteilen. D a n n ließe sich jedoch angesichts der Kürze kaum mehr von „Strophen" sprechen. In der dritten Strophe (V. 35—37) schließlich sind Frage und Antwort durch ein Schriftzitat unterbrochen. Strenggenommen entsprechen sich damit nicht zwei der vier Strophen so weit, daß m a n sie als solche ansprechen könnte. Vor allem aber: Welcher Hymnus oder welches „hymnische Ganze" entbietet mit Rezitationsformeln eingeleitete Schriftbeweise 14 , in welchem Hymnus — es sei denn, es handle sich anders als hier um einen Klagepsalm — ist die Frage, mehr noch die Verbindung von Frage und Antwort beherrschendes Formelement 1 5 ? und V. 34b—35a (Gaugier) bzw. zwischen V. 31b—33a und V. 33b—35a (Luz) insofern nicht besteht, als die christologische Aussage V. 32a bereits in V. 32b durch eine Frage ausgewertet wird, zweitens, daß die Frage V. 35a keinen rhetorischen Abschluß bildet, vielmehr eine echte, in V. 35b—39 überhaupt erst noch zu beantwortende Frage darstellt. W e n n aber V. 35a nicht Abschluß, sondern Auftakt ist, ergibt sich die Notwendigkeit, die (auch von Gaugier und Luz) als Aussagesätze verstandenen Versteile 33b und 34b als Antworten auf die vorangehenden Fragen zu beziehen. Damit gerät zugleich die Auffassung von Sanday-Headlam ins Wanken ( = d, s. A. 8), da der einzige Anhaltspunkt f ü r die Uberordnung der Frage V. 33a, nämlich die angebliche Parallelität der Folge Antwort — rhetorische Frage in V. 33b. 34a und V. 34b. 35a, hinfällig ist. Die Schwäche der bereits mit dem Zitat Schlatters angegriffenen Position von Zahn, Dodd und Lagrange ( = c, s. A. 7) schließlich wird von den Autoren selbst dokumentiert: Alle drei sehen sich versucht, V. 33b parallel zu V. 31b in einen Konditionalsatz zu verwandeln und wissen mit V. 33a so wenig anzufangen, daß Lagrange (Rom. 220) vorschlägt, ihn mit τι ουν ερουμεν; V. 31a zu parallelisieren. Zur Begründung des Verständnisses von V. 33b als Vorspann f ü r die Frage von V. 34a ( = b, c, d) mit Hilfe von Jes. 5 0 , 7 - 9 vgl. unten, S. 43 ff. 11

Heilsvertrauen 116 ff. Rom. 213. 13 Ebd. Die Gliederung in „vier strophenartige Gruppen" bzw. „Strophen" ist zuerst von J. Weiß (Rhetorik 33 f.) unternommen worden, der allerdings im Unterschied zu Michel V. 33b. 34b als Fragen a u f f a ß t und auch nicht von einem Hymnus spricht. 14 Vgl. Deichgräber, Gotteshymnus 174. 15 Echte Fragen, und zwar jeweils im vorwurfsvollen Sinne, begegnen in den Liedern des Psalters — sei es als Form der Bitte, sei es als Form der Klage — im Klagelied des Einzelnen oder des Volkes (vgl. Gunkel, Einleitung 217. 229 f. 257; als Beispiele vgl. bes. Ps. 42,3.4.6.10.11; 88,11—13). Für die H y m n e n sind dagegen 12

1. Zur Forschungslage

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Auch Balz wendet sich gegen die vierstrophige Untergliederung von Rom. 8,31 bis 39, und zwar aufgrund der Erkenntnis der Ungleichartigkeit in Aufbau und Inhalt nicht aller, sondern der vermeintlichen Strophen 1—2 (V. 31b—34) und 3—4 (V. 35—39): Die Frage V. 35a werde nicht wie die vorausgehenden in einer Heilsaussage direkt beantwortet, ferner gehe es in V. 31—34 „um die Widerstände und Anschuldigungen gegen die Glaubenden als solche, die Gott schon recht sind", in V. 35—39 dagegen um das „Bleiben im Heil Gottes"1®. Balz macht die Beobachtung dieser Unterschiede zwischen V. 31—34 und V. 35—39 zur Grundlage seiner thematischen Gliederung des von ihm als „Doxologie"17 bzw. „Hymnus" 18 bezeichneten, aber nicht gewürdigten Abschnittes in zwei Teile: Teil 1 behandle — das Glied εδικαιωσεν des Kettenschlusses Rom. 8,29 f. aufnehmend — die „Vollgültige Rechtfertigung (31b—34)", Teil 2 — εδοξασεν aus Rom. 8,29 f. interpretierend — die „Vollgültige Verherrlichung (35—39)". Das Thema des ersten Teils sei im Text selbst in V. 31 genannt: „Wenn Gott für uns ist . . . " (V. 31b) und werde in zwei Unterpunkten entfaltet: ,,a) Das Für-Uns Gottes" (V. 32), ,,b) Wer kann gegen uns sein?" (V. 33 f.). Als Thema des zweiten Teils sieht Balz im Text die rhetorische Fragen charakteristisch, an die sich oft „hymnische Partizipien" anschließen (Gunkel, ebd. 45. 54 f.). Die noch nicht erwogene Möglichkeit, von dieser Beobachtung her Rom. 8,31—39 als Hymnus zu klassifizieren, ist jedoch versperrt: Zwar sind V. 33b und V. 34b durch Partizipialstil geprägt, doch handelt es sich bei den vorangehenden Fragen nicht um rhetorische (s. oben, S. 15 A. 10). In V. 31 f. wiederum sind zwar die Fragen anders als in V. 33 f. als rhetorische anzusehen — ein Phänomen, das noch zu erörtern sein wird (vgl. unten, S. 23 f.) —, es fehlt jedoch der Partizipialstil. Von entscheidendem Gewicht aber ist die folgende Beobachtung: In sämtlichen Belegen, die Gunkel (ebd. 45, vgl. 54) für das Nacheinander von rhetorischer Frage und hymnischen Partizipien anführt (Ps. 18, 32.33-35; 35,10; 89,7.8; 113,5-9; Ex. 15,11; Jes. 40,18.21.22 f.; Mi 7,18; ähnlich Dt. 33,26), hat die Frage die Unvergleichlichkeit Gottes zum Gegenstand (vgl. ζ. B. Ps. 35,10: „Herr, wer ist deinesgleichen? Der du den Elenden errettest ..."), während in Rom. 8,31.33 f.35 nach einem Gegner der Glaubenden gefragt wird. Genausowenig wie die nichtrhetorische Frage ist die Zusammenstellung von Frage und Antwort für den Hymnus bezeichnend. Sie findet sich nach Gunkel (ebd. 392 A. 6) in Ps. 25,12 f.; 34,13 ff.; 107,43; 119,9 f., damit in einem Klagelied, Danklied, Hymnus und „Mischgedicht" (zur Gattungsbestimmung s. je Gunkel, Psalmen z. St.), und zwar jeweils als Element aus der Weisheitsdichtung. Vgl. hierzu unten, S. 29. Zu den von Gunkel in diesem Zusammenhang nicht genannten Ps. 15; 24 s. unten, S. 30 A. 10. Ähnliches wie von den Psalmen gilt von den Hodajoth der Qumrantexte. Zu der Gebundenheit der erhebbaren Stilform (rhetorische) Frage und Antwort an das Thema der Unvergleichlichkeit Gottes (teils im Spiegel der menschlichen Niedrigkeit) kommt hinzu, daß von einer mehr oder weniger regelmäßigen Abfolge von Fragen und Antworten nicht die Rede sein kann. Wie ein Hymnus aussieht, in dem gefragt wird, zeigt im Römerbrief nicht der Abschnitt 8,31—39, wohl aber der Passus 11,33—36. Und zu diesem Text finden sich entsprechend betreffs Inhalt und Verwendung der Frageform eine Fülle von Parallelen in Qumran und darüber hinaus. Vgl. Deichgräber, Gotteshymnus 61 ff.; ebd. 61 A. 4 auch weitere Belege für rhetorische Fragen und ihre — gleichbleibenden — Inhalte in antiken jüdischen Hymnen außerhalb von Qumran. 18 Heilsvertrauen 117. 17 Ebd. 116 u. ö. 18 Ebd. 36. 2

Osten-Sacken, Römer 8

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—59

Frage V. 35a an, die er dreifach beantwortet findet: a) durch V. 35b—36, b) durch V. 37, c) durch V. 38 f. w . Allerdings scheint Balz selbst diesem Aufriß nicht voll zu trauen, wenn er wenig später warnt, aus der aufgewiesenen „wohlüberlegte(n) Grundstruktur" dürfe „kein Schema gemacht werden" 20 . Die Warnung kommt insofern zu spät, als Balz selbst bereits der Gefahr der Schematisierung erlegen ist. Denn zwar ist mit Recht verschiedentlich darauf hingewiesen worden, daß in Rom. 8,31—34 und 8,35—39 anders gefragt und inhaltlich akzentuiert wird 21 . Die Gliederung von Balz verdeckt jedoch, daß der „vollgültige Sieg der göttlichen Herrlichkeit über die Zuständlichkeit dieser Zeit" 22 nicht erst in V. 35—39, sondern bereits mit der folgernden Frage V. 32b in den Blick genommen wird. Nicht haltbar ist sodann auch die Untergliederung beider Teile. Die Feststellung des „FürUns Gottes" (a) und die Frage nach dem Gegner (b) lassen sich nicht einseitig auf V. 32 und V. 33 f. aufteilen, sondern begegnen beide in V. 31 (und dem dazugehörigen Vers 32) und finden sich beide in V. 33 und V. 34 wieder. Die für V. 35b—39 vorgelegte Gliederung aber scheitert daran, daß V. 35b—36 entgegen der Auffassung von Balz keine Antwort darstellen, sondern die Frage von V. 35a aufnehmen und weiterführen 23 . Die erste Antwort ist vielmehr in V. 37 enthalten, und zwar ist sie Antwort auf die Frage von V. 35a in der Form, wie sie in V. 35b—36 präzisiert ist (vgl. αλλ' εν τούτοις πασιν) — anders als die folgende Vergewisserung V. 38 f., die mit der Aufnahme der Stichwortes χωριζειν in direktem Bezug zur Frage V. 35a steht. Bezüglich beider angeblichen Teile des Abschnittes Rom. 8,31 bis 39 geht damit die von Balz unternommene Gliederung auf Kosten der mannigfachen Beziehungen der Aussagen des Textes untereinander.

So wird man davon Abstand nehmen müssen, Rom. 8,31—39 in das Gerüst eines mehrstrophigen Hymnus (Michel) bzw. eines thematisch gegliederten zweiteiligen Abschnittes (Balz) einzupassen oder auch ganz ohne weitere Nachfrage den Gattungsbegriff „Hymnus, Lied" usw. auf diesen Abschnitt zu projizieren24. »· Ebd. 118. Ebd. 21 Vgl. J. Weiß, Rhetorik 34; Krüger, Rom. 112 (ohne strophische Gliederung) ; Lagrange, Rom. 218 (im Anschluß an Weiß). Romaniuk (L'amour 5 f.) sieht in V. 31b—33 und V. 34—37 zwei parallele Abschnitte. Doch läßt sich einmal am ehesten zwischen V. 34 und V. 35 ein Einschnitt erkennen, zum anderen gewinnt Romaniuk die vermeintliche Parallelität nur dadurch, daß er V. 38 f. völlig außer acht läßt. Zur Zusammengehörigkeit von V. 35—37 und V. 38 f. vgl. im folg. und unten, S. 22 f. 22 Balz, Heilsvertrauen 118. 23 Vgl. z. B. Michel (Rom. 213), der dann allerdings unverständlicherweise (dies auch noch aus anderen Gründen, vgl. unten, S. 22) fortfährt: „Es folgt in V. 37 die endgültige Antwort auf V. 35." (Hervorhebung von mir.) 24 Zur Kritik der Kennzeichnung des Abschnittes als „Doxologie" oder „Hymnus" s. jetzt auch Käsemann, Rom. 235. Sein Gliederungsvorschlag freilich scheitert an dem Kriterium, von dem er selbst bestimmt ist. Denn wenn man sich an der „steigernden Gedankenführung" (ebd. 235 f.) orientiert, kann man gerade V. 33 und V. 34 (anklagen — verurteilen!) nicht neben V. 31—32 und V. 35—39 als einen von insgesamt drei „Gesprächsgängen" zusammenfassen (ebd.), sondern muß sie als zwei eigenständige Einheiten voneinander unterscheiden. Zur damit gegebenen Vierteilung vgl. unten, S. 20 ff. 10

1. Zur Forschungslage

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Wie aber ist die Eigenart des Abschnittes dann zu bestimmen? Oder genauer gefragt: Worin ist es begründet, daß dieser Text ohne weiteres der Gattung „Hymnus" subsumiert wird, obwohl er sich formgeschichtlich gesehen dagegen sperrt? Man könnte es als unbewußten Ausdruck dessen ansehen, daß nach heutigem Verständnis Aussagen über die Glaubensgewißheit (nur noch) als Bestandteil der Gattung Hymnus denkbar sind.Aber dagegen spricht einmal, daß die Bestimmung des Abschnittes als Hymnus älter ist25, und zum anderen, daß andere Passagen, in denen Paulus seine Glaubensgewißheit zum Ausdruck bringt, durchaus nicht das Prädikat „hymnisch" an sich gezogen haben 26 . Oder man könnte wie Schille auf das Bekenntnisgut (V. 34) verweisen und folgern: „Weil Bekenntnis . . . für die ersten Christen stets hymnisch ist, gerät er (sc. Paulus) formal in die Nähe hymnischen Bedens." 27 Doch käme niemand auf den Gedanken, Texte wie Rom. 10,9 als hymnisch zu bezeichnen, und selbst wenn man das Votum um den Hinweis erweiterte, daß in Rom. 8,31—39 gehäuft Bekenntnisgut vorliegt (vgl. noch Rom. 8,32a), wird die Argumentation durch Bekenntnisgutsammlungen wie etwa das Apostolicum widerlegt, das wohl niemand als Hymnus ansprechen dürfte. So wird der Eindruck, Rom. 8,31—39 sei ein „hymnisches Ganzes", offenbar von Quellen gespeist, die erst noch freizulegen sind. Dies Ergebnis ermutigt, die Frage nach Rom. 8,31—39 möglicherweise zugrundeliegenden zusammenhängenden Traditionsstücken trotz jüngster Warnungen 28 in gewissem Sinne erneut29 in Angriff zu nehmen. Nach dem Gesagten bieten sich dafür zwei Anknüpfungspunkte an: 25 So spricht ζ. B. schon Philippi in der 2. Auflage seines Kommentars von 1856 (S. 337) von einem „heiligen Hymnus". 2β Ζ. B. Böm. 5,6-11. 17 Liebe 235. 28 Vgl. Schille, ebd. 241 mit Verweis auf Fuchs (s. A. 29): „Vor allem wäre es falsch zu behaupten, V. 38 f. hätte ursprünglich V. 32, V. 34 oder irgendeine andere Formel fortgesetzt. Soweit ich sehe, sind bisher fast (sie!) alle Vermutungen gescheitert, die eine ursprüngliche Beziehung verschiedener Zitate eines Briefes untereinander betrafen." " Einen ersten Vorstoß in diese Bichtung hat Fuchs (Freiheit 116 ff.) mit seinem Versuch unternommen, aus Rom. 4,24f.; 8,34; 5,1 f. ein „Glaubensbekenntnis judenchristlicher Prägung" (ebd. 8) zu rekonstruieren. Wie die Textstellen zeigen, fragt Fuchs allerdings nicht nach einem möglichen vorpaulinischen Zusammenhang der in Rom. 8, 31—39 enthaltenen Traditionsstücke, sondern findet nur an einer Stelle dieses Textes Spuren des Bekenntnisses, dessen Hauptbruchstücke seiner Auffassung nach in 4,24f.; 5,1 f. enthalten sind. Dieser Rekonstruktionsversuch ist mit Recht durchweg abgelehnt worden. Er scheitert, was Rom. 8,34 betrifft, allein schon daran, daß der ganze Zusammenhang christologischer Aussagen und nicht nur die beiden Relativsätze (so Fuchs) vorpaulinisch ist (s. unten, S. 37 f.). Zur Kritik vgl. weiter etwa Luz, Geschichtsverständnis 371 A. 49. Damit ist frei-



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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

zum einen die bisher in Rom. 8,31—39 festgestellten Traditionsstücke, zum anderen die Beobachtung Michels, daß in Rom. 8,31—39 als Stilelement Frage und Antwort von Bedeutung sind.

2. Vorpaulinisches Gut in Rom. 8,31—39: Abgrenzung Frage-Antwort-Reihe

einer

Folgende Aussagen und Aufzählungen sind in der vorliegenden oder wenig abgeänderter Form bisher als Formelgut bestimmt worden, das von Paulus übernommen worden ist: a) Die relativisch angeschlossene Dahingabeformel in Y. 32a 1 . b) Die bekenntnishaften christologischen Formeln in Y. 34 2 . c) Der Peristasenkatalog in V. 35b3. d) Der Mächtekatalog in V. 38 f.4. Gegen diese Ausgrenzung ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn auch die Frage der Herkunft des Gutes und möglicher redaktioneller Eingriffe seitens des Apostels noch an späterer Stelle wird aufgegriffen werden müssen5. Eine wortstatistische Prüfung der nach Aussonderung dieses Gutes verbleibenden Aussagen zeigt freilich, daß sich auch in ihnen Begriffe finden, die sonst überhaupt nicht oder nicht mehr in der vorliegenden Bedeutung bei Paulus begegnen, so εγκαλειν6, εκλεκτός7 (V. 33) und lieh nicht die Frage nach dem sachlichen Zusammenhang zwischen Rom. 4,24 f.; 5,1 ff. innerhalb des Römerbriefes erledigt. Vgl. dazu unten, S. 160 ff. 1 Vgl. Norden, Theos 383 („formelhafter Relativstil"); Kramer, Christos 112; Michel, Rom. 214; Deichgräber, Gotteshymnus 112; Wengst, Formeln 55 f. Zur Frage der genauen Abgrenzung des vorpaulinischen Gutes in V. 32a s. unten, S. 36 f. 2 Vgl. Fuchs, Freiheit 117; Michel, Rom. 216 (jedoch je nur im Hinblick auf die letzten beiden Relativsätze in V. 34; zu Fuchs vgl. oben, S. 19 A. 29); Barrett, Rom. 173; Schille, Liebe 234 f.; Luz, Geschichtsverständnis 371. Zur Frage möglicher Überarbeitung durch Paulus s. unten, S. 38 f. 9 Vgl. J. Weiß, Rhetorik 34; Münderlein, Interpretation 138 ff.; Schille, Liebe 239. Zur Frage von Tradition und Redaktion in V. 35b vgl. unten, S. 314 A. 20. Eine „Tradition" wird in gewissem Sinne auch mit dem Schriftzitat V. 36 aufgenommen (s. Münderlein, Interpretation 137 f.). Freilich handelt es sich nicht wie bei den oben genannten Aussagen um formelhafte Wendungen, sondern eher um ein bereits in der vorchristlichen Überlieferung verwendetes Motiv. Vgl. zu V. 36 ferner unten, S. 314 A. 22. 4 Schille, Liebe 238 ff.; Luz, Geschichtsverständnis 373 A. 60. Zur Frage nach möglichen paulinischen Eingriffen vgl. im folg. und unten, S. 40 ff. 5 Vgl. unten, S. 35 ff. « Im NT nur noch sechsmal in Apg. 19,38.40; 23,28.29; 26,2.7. 7 In den paulinischen Homologoumena nur noch in Rom. 16,13, dort jedoch im Singular und nicht zur Bezeichnung des eschatologischen Gottesvolkes (vgl. zu

2. Vorpaulinisches Gut: Abgrenzung einer Frage-Antwort-Reihe

21

χωριζειν8 (V. 35.39). Dieser Tatbestand ließe sich durchaus als zufällig erklären. Bemerkenswert ist allerdings, daß sich die ersten beiden Begriffe in ein und demselben Satz finden, hervorzuheben bleibt sodann, daß es sich in Y. 33 und V. 35 jeweils um Fragen handelt. Besonderer Beachtung wert und im vorliegenden Zusammenhang von ausschlaggebender Bedeutung sind jedoch Stil und Aufbau des Abschnittes Rom. 8,31—39. Schon seit langem ist erkannt, daß der Text von vier durch τις eingeleiteten Fragen durchzogen ist, die untereinander zusammenhängen: V. 31: τις καθ' ημων; V. 33: τις εγκαλεσει...; V. 34: τις ο κατακρίνω ν; V. 35: τις ημας χωρίσει.. . 9 ; Die Schwierigkeiten, die dem Versuch entgegenstehen, den Abschnitt mittels dieser vier Fragen in vier parallele Abschnitte zu gliedern, lassen es verständlich erscheinen, daß die verschiedenen Vorschläge zur Gliederung von Rom. 8,31—39 sich nur sehr locker an diese Frage-Reihe anlehnen 10 : Anders als die übrigen ist die erste Frage V. 31 von einem Konditionalsatz abhängig, rhetorischer Art und wird durch eine rhetorische Frage fortgeführt. V. 33 und V. 34, wo der Frage jeweils eine Antwort folgt11, heben sich durch ihre Kürze ab. In V. 35 ff. wiederum wird die Frage zunächst durch eine weitere und ein Schriftzitat präzisiert und dann zweifach beantwortet12. Diese Spannung zwischen der beherrschenden Stellung der vier τις-Fragen und ihrer unterschiedlichen Behandlung bzw. Beantwortung im Text und die damit gegebenen Schwierigkeiten einer Gliederung beginnen durchsichtig zu werden, wenn man mit der Verarbeitung einer umfangreicheren, nach dem Modell von V. 33 und V. 34 durch Frage diesem Sinn in Rom. 8,33 unten, S. 48 mit A. 2; für εκλεκτός in Rom. 16,12 erwägt Bauer, W b 481 die Bedeutung „ausgezeichnet"); in den Antilegomena Kol. 3,12 und l.Tim. 5,21; 2.Tim. 2,10; Tit. 1,1. 8 Vgl. Schille, Liebe 240 und dazu ergänzend unten, S. 42 A. 24. Auch υπερνικαν V. 37 begegnet bei Paulus (und im NT insgesamt) nur hier. Mit V. 35b—37 hat es jedoch seine besondere Bewandtnis. Siehe unten, S. 22 f. 9 Vgl. bereits Lange-Fay, Rom. 188 (allerdings ohne nähere Abgrenzung): „Vier glaubensfreudige Fragen des Apostels mit ebensovielen siegesgewissen Antworten (V. 31-39)." Genauer B. Weiß, Rom. 382 f. zu V. 33 ff.: „so zerlegt Paulus nun die Frage τις καθ' ημων; V. 31 in mehrere Einzelfragen, deren triumphirende Beantwortung zeigt, wie wenig die Berufenen irgendeine Gegnerschaft zu fürchten haben". Ebenso Godet, Rom. II, 123 f.; Nygren, Rom. 252. Vgl. auch Schweitzer, Mystik 65. 10 Vgl. oben, S. 15 A. 10 und S. 16 ff. 1 1 Siehe oben, S. 15 mit A. 10. 12 Siehe oben, S. 18.

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

und Antwort geprägten Tradition durch Paulus rechnet. Zu dieser Annahme ermutigt erstens, daß sich drei der oben herausgehobenen Traditionselemente je in einer Antwort auf eine τις-Frage finden (V. 32a.34.38 f.), zweitens, daß zwei Fragen unpaulinisches Vokabular aufweisen (V. 33a.35a), drittens die Gestalt und die Art der Beantwortung der ersten und vierten τις-Frage selbst. Die deutlichsten Hinweise bietet der Zusammenhang V. 35—39. Zwischen der Frage V. 35a und ihrer Weiterführung in V. 35b durch den Peristasenkatalog besteht eine unverkennbare Spannung. Denn nach den in V. 35b aufgezählten Phänomenen geurteilt, würde man in V. 35a keine τις-, sondern eine τι-Frage erwarten bzw. umgekehrt nach der τις-Frage eine Aufzählung von personalen Mächten. Eine solche Aufzählung ist — und dies verleiht der Beobachtung das entscheidende Gewicht — in der Tat noch im Text erhalten, nämlich in dem Y. 38.39a folgenden Mächtekatalog, der ausdrücklich durch die Wiederaufnahme des Verbs χωριζειν und der anschließenden Bestimmung απο της αγαπης aus V. 35a (vgl. V. 39) als Antwort auf die Frage V. 35a markiert wird. Diese Beobachtung ist zwar nicht neu 13 ; doch hat der bezeichnete Sachverhalt bisher keine überzeugende Erklärung gefunden. Er drängt zu der Vermutung, daß die τις-Frage V. 35a und der Katalog in V. 38 f. als Antwort ursprünglich zusammengehörten, durch Paulus aber getrennt wurden. Diese Annahme wird durch Beobachtungen zum Charakter der Verse 35b—37 gestützt. Zwar besteht auch der mit V. 38 f. in gewissem Sinne konkurrierende Katalog V. 35b mit seiner Aufzählung der das Leiden der Glaubenden beschreibenden Nöte aus traditionellen Zusammenstellungen 14 . Er begegnet jedoch in verwandter Form so häufig bei Paulus und bezeichnet dazu inhaltlich in so eindeutigem Maße die nach Paulus den Christen vornehmlich bedrohenden Ereignisse 15 , daß er als Präzisierung der Frage V. 35a auf den Apostel zurückzuführen ist. Ebenso deutlich drückt das Zitat V. 36 ein für Paulus charakteristisches Theologoumenon aus 16 und gibt schließlich V. 37 eine grund-

15

Gaugier, Rom. 350: „Der Apostel fragt genau genommen: Wer? Er beantwortet aber diese Frage erst in den Schlußversen 38 und 39." Vgl. ferner Michel, Rom. 217; Schille, Liebe 237. Die Spannung in V. 35 ff. tritt deutlich in der Auslegung von Michel zutage, wenn er einerseits erst die Aufzählung in V. 38 f. dem τις (allerdings aller vorangehenden Fragen) gerecht werden läßt, andererseits im Hinblick auf V. 37 von der „endgültigen Antwort" auf V. 35 spricht. Vgl. oben, S. 18 A. 23. 14 Siehe oben, S. 20 mit A. 3. 15 Rom. 2,9; 2. Kor. 6,4 f.; 11,26 f.; 12,10. Vgl. auch l.Kor. 4,10-13; 2.Kor. 4,8 f. und ferner unten, S. 315 mit A. 24. 11 Vgl. l.Kor. 15,31; 2.Kor. 4,11; ferner 2.Kor. 1,8-10.

2. Vorpaulinisches Gut: Abgrenzung einer Frage-Antwort-Reihe

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legende Gewißheit des Apostels wieder 17 . So schließen nicht nur V. 38 f. glatt an die Frage V. 35a an, sondern das dazwischenliegende Gut läßt sich auch leicht als paulinischer Einschub bestimmen. Die Frage nach dem Sinn dieses Einschubs wird an späterer Stelle zu erörtern sein. Hier bleibt die Frage-Antwort-Einheit V. 35a/38 f. als vorpaulinisches Traditionselement festzuhalten. Der Tatbestand, daß die Antworten in V. 33 und V. 34 sehr knapp und formelhaft gehalten sind, spricht dabei für die Annahme, daß die Antwort in V. 38 f. ursprünglich nur den Mächtekatalog umfaßte (V. 38.39a) und erst von Paulus sekundär durch πεπεισμαι γαρ οτι und δυνησεται κτλ. eingerahmt worden ist18. Zu erörtern bleibt die einleitende τις-Frage (V. 31b) 19 . Anders als in V. 33.34.35a/38 f. läßt sich ihr Verhältnis zum folgenden Satz, wie V. 31b selbst ebenfalls eine rhetorische Frage, nicht eindeutig im Sinne von Frage und Antwort bestimmen 20 , und zwar sowohl aufgrund der Eigenart von V. 31b und V. 32 als rhetorischer Fragen als auch aufgrund des Inhalts. Denn in V. 31b wird wie in den übrigen Fragen nach einem Gegner gefragt, in V. 32 jedoch im Anschluß an eine relativische Umschreibung der Tat Gottes in Jesus Christus in Frageform die Schlußfolgerung gezogen, Gott werde den Glaubenden seiner Tat gemäß alles schenken. So wird man V. 31b und V. 32 weniger als Frage und Antwort, denn als drei parallele Fragen bestimmen müssen, von denen die zweite die erste weiterführt 21 . Und doch läßt sich nicht von der Hand weisen, daß sowohl mit dem Vordersatz V. 32a als auch mit dem Nachsatz V. 32b die Frage nach einem Gegner berührt und in gewissem Sinne auch beantwortet wird: Der Hinweis auf die Tat Gottes in Jesus Christus in V. 32a erinnert an die bekenntnishafte Antwort V. 34b auf die Frage V. 34a, die folgende Frage V. 32b aber entzieht auf ihre Weise die Glaubenden aller ernsthaften Gegnerschaft 22 . Auch diese mangelnde Eindeutigkeit in dem Verhältnis von V. 31b zu V. 32 erklärt sich aus der Überarbeitung einer Frage-Antwort-Einheit durch Paulus. Wie zu V. 35—39 läßt " Vgl. l.Kor. 10,12 f.; 15,54 f.57; 2.Kor. 5,14 f.; 12,10; Gal. 2,20 und bes. Phil. 4,13. 18 πεπεισμαι γαρ und οτι trennt auch Schille (Liebe 236 f.) als „Ausdruck apostolischer Überzeugung" bzw. οτι rezitativum ab, rechnet jedoch V. 39b (außer der Wendung τω κυριω ημων) mit zur Tradition (ebd. 238). Zu χωριζειν in V. 39 s. unten, S. 42 A. 24; zur Frage der paulinischen Überarbeitung des Katalogs selbst s. unten, S. 40 ff. 19 Zu V. 31a vgl. unten, S. 28.51. 20 Gegen Michel, Rom. 213. Vgl. oben, S. 16. 21 Vgl. B. Weiß, Rom. 381 und unten, S. 36. 22 Insofern wird die nicht näher begründete Feststellung Godets (Rom. II, 123) verständlich, Paulus habe in V. 32 auf die Frage V. 31b „implicite" geantwortet.

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

sie sich mühelos erweisen. Denn eine Antwort genau jener Art, wie sie in V. 33b und V. 34b auf die τις-Fragen gegeben wird, ist bereits in dem Konditionalsatz V. 31b enthalten: (ει) ο θεός υπέρ ημων. Die Stellung des Relativsatzes V. 32a, der als traditionell erkannt worden ist, unmittelbar im Anschluß an die τις-Frage aber kann als Hinweis darauf angesehen werden, daß auch jene Antwort ο θεός υπέρ ημων ursprünglich auf die Frage τις καθ' ημων folgte und durch den Relativsatz näher begründet wurde, so daß sich folgende Einheit ergibt: τις καθ' ημων; — ο θεος υπερ ημων, ος γε του ίδιου υιου ουκ εφεισατο, αλλα υπερ ημων πάντων παρεδωκεν αυτόν23. Im vorliegenden Text sind lediglich Haupt- und Nebensatz der Antwort zugunsten des engeren Anschlusses an die den ganzen Abschnitt einleitende und den Bezug zum Vorangehenden herstellende Frage V. 31a getrennt. Die jetzige Frageform von V. 32 aber ist durch die paulinische Auswertung der traditionellen Formel in dem Nachsatz V. 32b bedingt, der inhaltlich auf die in Kap. 8 vorangegangenen Ausführungen zurück-24 und auf die Vergewisserungen in Rom. 8,35 ff. vorausweist25. Doch wird die Frage nach der paulinischen Redaktion später noch ausführlicher darzulegen sein. Zunächst ist abschließend hervorzuheben, daß die vorgenommene Umstellung durch die übrigen Frage-Antwort-Einheiten gedeckt wird, und zwar durch V. 35a/38.39a formal, durch V. 33 und V. 34 formal und inhaltlich. Wie in diesen Versen fragt die Frage nach einem Feind, einem Gegner, in der Antwort wird auf Gottes

23 Als Indiz für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit dieser Teile von V. 31 und Y. 32 als Antwort kann nicht nur der glatte relativische Anschluß gewertet werden, sondern auch der Tatbestand, daß die Partikel γε sich dieser Zusammenstellung bestens einfügt, γε hat in Verbindung mit Relativen „eine kausale Bedeutung, indem es anzeigt, daß der Nebensatz eine Begründung, nähere Bestimmimg, Erklärung oder Ergänzung des Hauptsatzes enthalte" (Kühner-Gerth II, 175; ος γε also = „der ja", ebd. 176). In diesem Sinne ist die Partikel im Rahmen der jetzigen Funktion von V. 32a als Begründung für die Folgerung V. 32b durchaus gerechtfertigt. Es fällt allerdings auf, daß γε mit Relativpronomen bei Paulus wie im NT überhaupt nur hier begegnet, obwohl ει γε bei Paulus mehrfach vorkommt (Zahn, Rom. 422 A. 54). Allem Anschein nach gehört ος γε damit zum vorpaulinischen Traditionsgut in V. 32a. Wenn nun der so eingeleitete Satz V. 32a nicht nur sachgemäße Begründung der paulinischen Folgerung V. 32b ist, sondern sich zugleich ohne die Feststellung V. 32b trefflich als nähere Erklärung des Hauptsatzes ο θεος υπερ ημων verstehen läßt, legt sich die Annahme nahe, daß eben diese Aussage bereits in der Tradition die These war, für die der ος γε-Satz die Begründung bot. Die Zusammengehörigkeit beider Sätze bezeugen schließlich auch die Kommentatoren, die das kausale γε implizit auch auf den Bedingungssatz V. 31b beziehen, obwohl dies im jetzigen Zusammenhang syntaktisch nicht möglich ist. Vgl. ζ. B. Kühl, Rom. 307; Nygren, Rom. 252. 24 25

Vgl. Rom. 8,11.17.23 f.28-30 und unten, S. 311 f. Siehe oben, S. 18 und unten, S. 310 f.

2. Vorpaulinisches Gut: Abgrenzung einer Frage-Antwort-Reihe

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bzw. Jesu Christi Tat hingewiesen, um die Gegenstandslosigkeit der Frage aufzuzeigen 26 . Werden die bisher als redaktionell bzw. spezifisch paulinisch bestimmten Aussagen ausgeschieden und wird die vorgenommene Umstellung berücksichtigt, so kommt damit als Gerüst von Rom. 8,31—39 eine Folge von vier Frage-Antwort-Einheiten zu Gesicht, die parallel gestaltet sind: a) τις καθ' ημων;

ο θεος υπέρ ημων, ος γε του ίδιου υιου ουκ εφεισατο, αλλα υπερ ημων πάντων παρεδωκεν αυτόν.

b) τις εγκαλεσει κατα εκλεκτών θεου;

θεος ο δίκαιων.

c) τις ο κατακρίνω ν;

Χρίστος Ιησούς ο αποθανών, μάλλον δε εγερθείς, ος εστίν εν δεξιά του θεου, ος και εντυγχανει υπερ ημων.

d) τις ημας χωρίσει απο της αγαπης του Χρίστου;

ουτε θανατος ουτε ζωη ουτε άγγελοι ουτε αρχαι ουτε ενεστώτα ουτε μέλλοντα ουτε δυνάμεις ουτε ύψωμα ουτε βάθος ουτε τις κτισις ετερα.

Die aufgeführten Beobachtungen zur Umstellung und auswertenden Deutung in V. 31 f. durch den Apostel, zur nichtpaulinischen Terminologie in V. 33 und zur paulinischen, Frage und Antwort trennenden Bearbeitung in Y. 35—39 rechtfertigen die Annahme, daß Paulus in Rom. 8,31—39 die zuvor skizzierte Tradition übernommen und nicht etwa selbst jenen Grundriß formuliert hat. Diese Annahme erklärt ebenfalls, warum in Rom. 8,31—39 in solch konzentriertem Maße formelhaftes vorpaulinisches Gut begegnet (Y. 32a. 34. 38 f.) 27 . Als nächstes stellen sich die Fragen: Bildet das bearbeitete Gut inhaltlich ein Ganzes, oder ist es selbst in der aufgezeigten vorpaulinischen Zusammengehörigkeit noch Fragment eines größeren Zusammenhangs? Läßt es sich einer bestimmten Gattung zuordnen und gegebenenfalls damit zugleich der Sitz im Leben des Stückes bestimmen? 26

Die Frage und der Hauptsatz der Antwort in V. 31 f. stimmen mit der Frage V. 34a und den Antworten V. 33b und V. 34b auch darin überein, daß die Kopula εστίν ausgelassen ist. 27 Zu Rom. 8,35b vgl. oben, S. 20 A. 3 und unten, S. 314 f.

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

Und läßt sich schließlich seine Traditionsgeschichte aufhellen, mit der zu rechnen ja bereits der Tatbestand gebietet, daß in der Exegese schon seit längerer Zeit einzelne Wendungen als traditionelle Formeln erkannt worden sind? 3. Die Frage der Geschlossenheit des Traditionsstückes Man wird dem ausgegrenzten vorpaulinischen Gut eine gewisse innere Geschlossenheit kaum absprechen dürfen. In der ersten Frage wird generell nach einem möglichen Gegner gefragt. Mit dem antwortenden Hinweis auf die Heilstat Gottes in Jesus Christus wird die Frage als gegenstandslos erwiesen. Die zweite Frage wiederholt und präzisiert die erste, indem sie das feindliche Handeln eines möglichen Gegners wie auch das Objekt des Handelns näher bestimmt, und zwar als Anklage der Auserwählten Gottes im eschatologischen Gericht1. Die Antwort vergewissert der Irrelevanz der Frage durch die Zusage, daß Gott es ist, der bereits jetzt für gerecht erklärt2. Die 1 Das Futur ist also im effektiven, nicht im logischen Sinne auszulegen. Entsprechend ist κατακρινων nicht als Präsens, sondern als Futur (-cöv) zu lesen. Mit Godet, Rom. II, 124f.; Zahn, Rom. 422; Kühl, Rom. 307; Michel, Rom. 216; Luz, Geschichtsverständnis 372 A. 58; gegen B. Weiß, Rom. 383; Sanday-Headlam, Rom. 221; Lagrange, Rom. 219f.; Nygren, Rom. 2 5 2 u . a . Zur anderen Gewichtung im paulinischen Zusammenhang s. unten, S. 313 A. 17. 2 Anders als die Frage bezieht sich also die Antwort V. 33b nicht erst auf das eschatologische Gericht. Mit Godet, Rom. II, 124f.; Kühl, Rom. 307; Luz, Geschichtsverständnis 372; gegen Zahn, Rom. 422; Michel, Rom. 216. Außer durch das Präsens des Partizips wird diese Deutung durch die Antwort in der ersten Einheit V. 31 f. gestützt: Das „Für-uns" der Hingabe Jesu Christi ist der Grund der Rechtfertigung. Vgl. auch den Zusammenhang, der in der ebenfalls traditionellen Formel Rom. 4,25 zwischen Hingabe Jesu Christi und Rechtfertigung hergestellt ist. Mit der vorgetragenen Interpretation von V. 33 ist auch das Argument der Exegeten abgewehrt, die V. 33b und V. 34a zusammenziehen wollen, weil „gerechtsprechen" und „verurteilen" den sachgemäßen Gegensatz bildeten, nicht aber „anklagen" und „gerechtsprechen" (s. Sanday-Headlam, Rom. 220; Zahn, Rom. 423; Lagrange, Rom. 220). Wenn die Gerechtsprechung als gegenwärtiges Geschehen verstanden wird, dann ist der Hinweis auf dies Handeln Gottes insofern sachgemäße Antwort auf V. 33a, als jedes Anklagemanöver durch die Gerechtsprechung in der Tat überholt ist. Außerdem entspricht die Frage-Antwort-Einheit gerade mit dem Hinweis auf den gerechtsprechenden Gott der vorausgehenden und der folgenden Einheit. Denn hier wie da wird mit der Antwort verdeutlicht, daß es gar nicht mehr zu dem in den Fragen bezeichneten Geschehen kommt. Würde in V. 33b statt „für gerecht erklären" der Gegensatz von „anklagen", also „verteidigen" stehen, dann wäre anders als in V. 31 f. und V. 34 vorausgesetzt, daß das Erfragte, in diesem Fall die Anklage, durchaus noch auf die Auserwählten Gottes wartet. Zur Kritik der Gliederung von V. 33 f. durch Zusammenziehung von V. 33b und V. 34a vgl. bereits oben, S. 15 A. 10.

3. Die Frage der Geschlossenheit des Traditionsstückes

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dritte Frage steigert das mögliche Handeln des erfragten Gegners, indem sie die bereits in der Antwort auf die zweite Frage angesprochene Situation der Urteilsverkündung aufgreift und die Möglichkeit der Verurteilung ins Auge faßt. Die christologisch orientierte Antwort zeigt auf, warum diese Möglichkeit aufgehoben ist: Die Glaubenden stehen unter dem Schutz des Christus, der bereits gegenwärtig für sie eintritt. Die vierte Frage knüpft analog zur dritten an die vorangehende Antwort an, indem sie nach einem Feinde forscht, der die Glaubenden von der Liebe des zuvor seinem Rang und Handeln nach beschriebenen Christus trennen könnte. Die Antwort zielt — anders als die vorangehenden — nicht darauf ab, die Unzeitgemäßheit der Frage durch einen Hinweis auf das Handeln Gottes oder Christi herauszustellen, sondern nennt abschließend und umfassend die möglichen, jedoch für den Christen unerheblichen, weil in ihrem Wirken erfolglosen Feinde 3 . Damit bildet das Zentrum der vier Fr age-Antwort-Einheiten die Situation des eschatologischen Gerichts, in dem nach traditioneller Auffassung über die Gerechtigkeit der Menschen entschieden wird (2. und 3. Einheit). In der vorliegenden Tradition hat das Endgericht allerdings fast den Charakter einer irrealen Größe. Denn es wird gerade aufgezeigt, daß der Christ dies Gerichtsverfahren nicht zu fürchten hat, weil es angesichts des gegenwärtigen Handelns von Richter und Interzessor schon zu seinen Gunsten entschieden ist4. Einleitend wird in der ersten Einheit allgemein festgestellt, daß der Christ aufgrund des mit der Hingabe Jesu Christi erzeigten Für-uns-Seins Gottes keinen Gegner zu fürchten braucht. Die vierte Einheit vergewissert, daß alle Furcht deshalb überholt ist, weil die Glaubenden nichts von der Liebe des Interzessors zu trennen vermag. Das Traditionsstück ist damit durchgängig an der Frage nach den Feinden oder der Feindschaft ausgerichtet, denen die Christen ausgesetzt sind. Die Antworten des Textes erweisen diese Frage überwiegend als gegenstandslos, indem sie die Ohnmacht des möglichen Feindes angesichts des Heilshandelns Gottes in Jesus Christus aufzeigen. Das 3 Im Gegensatz zu V. 35 und V. 34 läßt sich das Futur in der Frage V. 35a zumindest angesichts der Katalogglieder „Leben" und „Gegenwärtiges" in der Antwort V. 38. 39a nicht ausschließlich auf das Endgericht beziehen. Vgl. jedoch dazu ferner unten, S. 40 ff. und S. 313 mit A. 17. 4 Der Sachverhalt ist richtig von Luz (Geschichtsverständnis 372) erfaßt: „dem zukünftigen Gericht (ist) seine verdammende Kraft genommen . . . Die Rechtfertigung entscheidet auch über das letzte Gericht. Diese Entscheidung ist bereits gefallen, obwohl das Gericht selbst zukünftig bleibt." Im Hinblick auf die paulinische Fassung, auf die Luz seine Deutung bezieht, gilt es allerdings noch einmal zu modifizieren. Vgl. unten, S. 313 A. 17.

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

Traditionsstück ist also durchaus als geschlossene Einheit verständlich, wenn sich auch die Annahme einer ursprünglichen Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen kaum ausschließen läßt.

4. Gattung und Sitz im Leben Die gängige Charakteristik von Rom. 8,31—39 als „Hymnus" o. ä. läßt sich, wie eingangs dargetan, formgeschichtlich nicht begründen. Mehr noch als für die paulinische Gestalt des Textes gilt dies für das erarbeitete Traditionsstück mit seinen vier Frage-Antwort-Einheiten. Denn hier wird nicht gepriesen, sondern es werden auf bestimmte Fragen mehr oder weniger knappe Antworten erteilt. Erwägenswerter ist schon die von Bultmann 1 vorgenommene Zuordnung von Rom. 8,31—39 zu den Beispielen für den Stil der kynisch-stoischen Diatribe in den paulinischen Briefen. Doch gilt es auch hier zu unterscheiden. Denn zwar läßt sich nicht bestreiten, daß die Diatribe ausgeprägt dialogischen Charakter hat 2 und daß die einleitende Frage Rom. 8,31a „Was sollen wir nun dazu sagen?" typischer Diatribenstil ist 3 ; und ebenso eindeutig ist die Parallele zu Rom. 8, 35—39, insbesondere zu V. 35b—37, die Bultmann aus Epiktet anführt 4 . Doch gehören V. 31a und V. 35b—37 der paulinischen Redaktion an, und was den dialogischen Charakter betrifft, so kommt der Unterschied zwischen dem rekonstruierten Traditionsstück und der Diatribe zur Geltung, wenn man die Frage-Antwort-Reihe mit einem Abschnitt wie Rom. 3,27—31 vergleicht, der unbestreitbar im Stil der Diatribe gehalten ist. Auch dieser Text läßt sich in vier kleine Einheiten aufteilen, in denen jeweils gefragt und geantwortet wird5. GegenDiatribe 71.73. Vgl. oben, S. 14 Α. 1. Bultmann, ebd. 10 ff. » Ebd. 101. 4 Ebd. 71. Die entscheidenden Parallelen liegen in V. 35b und V. 37. Epiktet I 18,22 schließt eine Aufzählung von Peristasen mit dem Satz δύναται ταύτα παντα νικησαι ab, Paulus in Rom. 8,37 mit αλλ' εν τούτοις πασιν υπερνικωμεν. Bultmann rechnet als Beispiel für Diatribenstil auch noch den Katalog V. 38 f. hinzu, und zwar aufgrund der Gegensatzpaare Φανατος — ζωη und ενεστώτα — μέλλοντα. Vgl. dazu unten, S. 40 ff. 5 V. 27a: Wo bleibt nun der Ruhm? E r ist ausgeschlossen. V. 27b. 28: Durch welches Gesetz? Durch das der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. Denn wir urteilen, daß der Mensch aus Glauben gerechtgesprochen werde ohne Werke des Gesetzes. V. 29. 30: Oder ist Gott nur der Juden Gott? Nicht auch der Heiden? Ja auch der Heiden, da Gott ja einer ist, der die Beschnittenen aus Glauben und die Unbeschnittenen durch den Glauben gerechtsprechen wird. V. 31: Setzen wir also das Gesetz durch den Glauben außer Kraft? Das sei ferne! Vielmehr richten wir das Gesetz auf. 1

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4. Gattung und Sitz im Leben

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über der Ebenmäßigkeit, wenn nicht Starrheit in der Abfolge von Frage und Antwort in der Reihe Rom. 8,31—39 erweckt der Abschnitt Rom. 3,27—31 jedoch den Eindruck lebendiger Rede: Eine erste Frage wird durch eine unmittelbar folgende zweite präzisiert (V. 27.29), die Antwort in einer Schlußfolgerung ausgewertet (V. 28) und die eigene Uberzeugung durch „ja" (V. 29) und „nein" (V. 27. 29) kräftig unterstrichen. Dazu finden sich in Rom. 3,27—31 eben jene kleinen Fragen und Ausrufe, die für den Diatribenstil kennzeichnend sind6, und weiter geht die Formulierung der Sätze auf Paulus zurück, stellt also kein traditionelles Formelgut dar. Der Charakter der Reihe in Rom. 8,31—39 als isoliert tradiertes, knappes und relativ geschlossenes Überlieferungsstück aber dürfte ein letzter Grund sein, warum sich diese Tradition der Zuordnung zu den Reispielen für Diatribenstil entzieht. Denn dieser Stil kommt überhaupt erst in längeren Argumentationszusammenhängen zur Anwendung. Stilistisch konstitutiv sind für jene Tradition Frage und Antwort. Die Erörterung des Problems von Gattung und Sitz im Leben wird sich deshalb auf dies Stilelement zu konzentrieren haben. Die Frage, für welche typische Situation es bezeichnend ist, hat bereits Gunkel beantwortet. Er bestimmt die „Zusammenstellung von Frage und Antwort" als „Form, die sich aus dem Unterricht erklärt" 7 und sieht in ihr ein Charakteristikum der Weisheit8. Daß Frage und Antwort in der Tat ihren bevorzugten Ort in Unterweisung und Belehrung haben, spiegelt sich darin wider, daß — um noch einmal zurückzugreifen — die Diatribe als lehrhafte Ermahnung sich eben jener Stilform häufig bedient. Es wird von anderer Seite ζ. B. durch Luthers Kleinen Katechismus belegt, der durchweg vom Wechsel von Frage und Antwort bestimmt ist. Und es wird im Alten Testament selbst durch einen anderen Komplex von Aussagen bekräftigt, den durch sog. „Kinderfragen" eingeleiteten Überlieferungsstücken9, die Sog6 Vgl. πως ουν (V. 27) und μη γένοιτο (V. 31) und dazu Bultmann, Diatribe 14.33. 7 Einleitung 392. 8 Ebd. 388(Hervorhebung von G.). Vgl. Bultmann, Tradition 47. Bultmann vermutet, daß eine nähere Untersuchung der „Geschichte des Rabbinengesprächs" zeigen würde, daß der „literarische Stil des Gesprächs" aus dieser weisheitlichen Form von Frage und Antwort entstanden sein könnte. Sofern man geneigt ist, diese Annahme für wahrscheinlich zu halten, ließe sich weiterfragen, ob sich damit nicht die unbefriedigende, weil wenig besagende Bestimmung des Sitzes im Leben der synoptischen Streitgespräche (Bultmann, ebd. 41: „Apologetik und Polemik der palästinensischen Gemeinde") erweitern (oder präzisieren?) und eine Definition des Sitzes im Leben der Schulgespräche überhaupt erst vornehmen ließe (sie fehlt bei Bultmann), und zwar eben im Sinne der Unterweisung. » Ex. 12,26 f.; 13,14 ff.; Dtn. 6,20 ff.; Jos. 4,6 f. 21 ff.

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

gin 1 0 überzeugend als „Fragmente einer alten .Katechese'" erklärt hat, „worin Frage und A n t w o r t eher als ,liturgisch' gestellt und gegeben, als aus der normalen kindlichen Neugierde entstammend zu verstehen sind". Die dominierende Funktion des Frage-Antwort-Stils in der Weisheit kommt bündig ζ. B. in Hiob 38,3 zum Ausdruck: „Ich will dich f r a g e n — und du lehre mich." In Hiob 38,4 ff. fehlt zwar in den dort folgenden Fragereihen das Element der Antwort, und die Fragenreihen selbst sind getragen von der Form der ironischen Frage, die „zweifellos eine rein literarische Erscheinung" darstellt 1 1 . Unter Heranzieh u n g von profanen ägyptischen Zeugnissen hat v. Rad jedoch gezeigt, daß diese literarische Stilform der „rhetorischen Frage — oder sagen w i r genauer der katechetischen Frage" aller Wahrscheinlichkeit nach auf einen tatsächlich ausgeübten Brauch der Unterweisung und Prüf u n g junger Beamter zurückgeht 1 2 . Die kanonischen und apokryphen weisheitlichen Zeugnisse bieten eine Fülle von Belegen, in denen die A n t w o r t nicht entfällt, sondern ausdrücklich gegeben wird. W e n i g e Beispiele f ü r viele 1 3 : Hiob 4 , 1 7 - 2 1 : „Ist wohl gerecht ein Mensch vor Gott, vor seinem Schöpfer rein ein Mann? Sieh, seinen Dienern traut er n i c h t . . . " 10 Katechese 345. Vgl. ebd. 346: Die „Kinderfragen" „setzen nicht eine gewöhnliche, spontane, sondern eine Katechismusähnliche Frage voraus, auf die dann vom Vater oder Lehrer nach altüberkommener und im Kultus erlernter Tradition die Antwort gegeben wird". Vgl. auch Smend, Elemente 17. In diesem Zusammenhang sind ebenfalls Ps. 15 und Ps. 24 mit ihren „Thora-Liturgien" (Ps. 15; 24, 5—6) zu nennen, die in auffälliger Weise von Frage und Antwort bestimmt sind. Deren beherrschende Stellung in diesen Liturgien erklärt sich aus ihrem Sitz im Leben, dem am Eingang des Tempels geübten Zeremoniell der „Thora-Erfragung" und „Thora-Antwort" (Kraus, Psalmen I, 111), durch welches die Kultteilnehmer gleichsam examiniert werden. Geht bereits — sofem denn Prüfung nur eine Sonderform des Unterrichts ist — daraus der katechetische Zug des Zeremoniells hervor, so kommt er weiter treffend in der Überlegung Gunkels (Psalmen 47) zum Ausdruck, daß diese Thora-Lieder von Priestern gedichtet wurden, „um so Gottes Satzungen in eindrucksvoller Aufführung einzuschärfen" (eine „prophetische Nachahmung" sieht Gunkel in Mi. 6,6 f.8). Wenn die in Ps. 24,7—10 folgende Tor-Liturgie ebenfalls durch Frage und Antwort geprägt ist, so ist dies in ihrem verwandten Sitz im Leben begründet, als der wiederum eine Begehung am Tempeleingang mit Prüfung der Kultteilnehmer anzusehen ist, in diesem Fall der Einzug der Lade (vgl. Gunkel, a.a.O. 103 und bes. Kraus, a.a.O. 195). 11 v. Rad, Hiob 269. 12 Ebd. 15 Die Übersetzung der biblischen Texte wird nach der Zürcher Bibel gegeben, die der Texte aus Jes. Sir. und äth. Hen. nach Kautzsch, die der übrigen, soweit nicht anders vermerkt, nach Rießler.

4. Gattung und Sitz im Leben

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Hiob 28,12-19: „Doch die Weisheit, wo ist sie zu finden? Wo ist die Stätte der Erkenntnis? Der Mensch kennt nicht den Weg zu ihr . . . "

Prov. 23,29—3514: „Bei wem ist Wehe, bei wem ist Ach? . . . Die bis spät beim Weine sitzen . . . "

Qoh. 2,22-24: „Denn was hat der Mensch von all dem Mühen und Streben . . . ? Sein Leben lang hat er nur . . . "

Jes. Sir. 10,19: „Welches Geschlecht steht in Ehren? Das Geschlecht des Menschen. Welches Geschlecht steht in Ehren? Die, die den Herrn fürchten. Welches Geschlecht steht nicht in Ehren? Das Geschlecht des Menschen. Welches Geschlecht steht nicht in Ehren? Die, die die Gebote übertreten. Im Kreise der Brüder steht ihr Oberhaupt in Ehren, und wer den Herrn fürchtet, ist mehr geehrt als er." 15

Äth. Hen. 102,6—81β: „Wenn ihr sterbt, so sprechen die Sünder über euch: Wie wir sterben, so sterben die Gerechten. Was haben sie für Nutzen von ihren [guten] Taten gehabt? Siehe, wie wir so sterben sie in Kummer und Finsternis. Was ist ihr Vorzug vor uns? Von jetzt an sind wir gleich. Was werden sie empfangen und schauen in Ewigkeit? Denn siehe, auch sie sind tot, und von jetzt an schauen sie nicht [mehr] das Licht bis in Ewigkeit!"

Apok. Sedr. 3,2-7: „Und Sedrach sprach zu ihm (sc. Gott): Darf, bitte, Herr, ein Sohn den Vater fragen? 14

Prov. 23,29 f. und Jes. Sir. 10,19 nennt auch Gunkel (Einleitung 392 A. 6) unter den weisheitlichen Beispielen für die Zusammenstellung von Frage und Antwort. Zu den von Gunkel (ebd.) genannten und auf weisheitlichen Einfluß zurückgeführten Psalmstellen s. oben, S. 16 A. 15. " Vgl. außerdem Jes. Sir. 17,27; 18,1 ff. 19 Frage und Antwort bestimmen mit der zunehmenden weisheitlichen Ausprägung der Apokalyptik nicht nur einzelne Stücke in deren Zeugnissen, sondern schließlich die gesamte Gestalt der Apokalypsen, so in 4.Esr. und syr. Bar. Zur Herleitung der Stilform in diesen beiden Apokalypsen aus der „Weisheitsbelehrung" s. v. Rad, Theol. AT II, 325 f.; zu ihrer Funktion insbesondere in 4.Esr. s. Harnisch, Verhängnis 64 f.

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

Warum, mein Herr, schufst du die Erde? Es sprach zu ihm der Herr: Des Menschen wegen. Dann fragte Sedrach: Weshalb schufst du das Meer? Weswegen streutest du so vieles Gute auf die Erde? Es sprach der Herr: Des Menschen wegen. Und Sedrach fragte ihn: Weswegen überließest du ihn dann dem Untergang? Da sprach der Herr: Es ist der Mensch mein Werk und das Gebilde meiner Hände und ich erziehe ihn, wie ich's mir denke."

Eine Anzahl besonders eindrücklicher Beispiele für ausgeführte Frage-Antwort-Reihen ist sodann in der rabbinischen Überlieferung enthalten: Pirke Aboth 3,1: „Akabja, Mahalaleels Sohn, sagte: Merke auf drei Dinge, und du fällst nicht in Sünde! Beherzige, woher du kommst, wohin du gehst und wem du Rechenschaft geben mußt! Woher kommst du? Von einer übelriechenden Flüssigkeit. Wohin gehst du? An den Ort des Staubes und Gewürmes. Wem mußt du Rechenschaft ablegen? Dem König, dem König der Könige. Gelobt sei er!"

Pirke Aboth 4,1: „Zomas Sohn sagte: Wer ist ein Weiser? Der von allen Menschen lernt; denn es heißt (Ps 119,99): ,Durch alle meine Lehrer ward ich klug.' Wer ist ein Held? Der seine Leidenschaften besiegt; denn es heißt (Spr 16,32): ,Der Langmütige ist tapferer als der Held, und der Sieger über seine Leidenschaft stärker als der Städteeroberer.' Wer ist reich? Der sich mit seinem Teil begnügt; denn es heißt (Ps 128,2): ,Issest du von deiner Hände Arbeit, heil dir! Dir geht es gut.' Glücklich bist du in dieser Welt, und wohl ist dir in der künftigen. Wer ist geehrt? Der die Menschheit ehrt, denn es heißt (1 Sam 2,30): ,Die mich ehren, ehre ich, und die mich verachten, werden verachtet.'"

4. Gattung und Sitz im Leben

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Pirke Aboth 4,25: „Elischa, des Abuja Sohn, sagte: Wem gleicht, wer in der Jugend lernt? Der Tinte, auf frisches Papier geschrieben. Wem gleicht, wer erst im Alter lernt? Der Tinte, auf radiertes Papier geschrieben."

Pirke Aboth 4,26: „Rabbi Jose, Judas Sohn, aus Kephar Habbabli, sagte: Wem gleicht, wer von Jungen lernt? Dem, der unreife Trauben ißt und davon Wein aus der Kelter trinkt. Wem gleicht, wer von Alten lernt? Dem, der reife Trauben ißt und alten Wein trinkt."

Pirke Aboth 5,19: „Jede Liebe, die von einem sinnlichen Gegenstand abhängt, hört mit ihm auf. Hängt sie aber nicht davon ab, dann hört sie niemals auf. Welche Liebe ist an einen sinnlichen Gegenstand geknüpft? Die Liebe Ammons und Tamars. Welche Liebe klebte an keinem sinnlichen Gegenstand? Die Liebe Davids und Jonatans." 17

Pirke Aboth 5,20: „Jeder Streit, der in des Himmels Namen geführt wird, hat Berechtigung; der aber nicht im Namen des Himmels geführt wird, hat sie nicht. Welcher Streit ward in des Himmels Namen geführt? Der Streit des Hillel und des Schammai. Welcher ward nicht so geführt? Der Streit der Rotte Korachs und seines Anhangs."

Genesis Rabba 11 (8b) zu Gen. 2,3 18 :

„R· Jischma'el b. Jose (um 180) fragte Rabbi: In welchem Verdienst leben die Kinder Babels (die babylonische Judenschaft)? Er antwortete ihm: Im Verdienst der Tora (d. h. des Torastudiums). Und in welchem Verdienst die Kinder des Landes Israel? Er antwortete: Im Verdienst der (ordnungsmäßigen) Zehntabsonderung. Und die Leute im Ausland? Weil sie die Sabbate und Feiertage ehren (nämlich mit kostbaren Mahlzeiten)."

17 Vgl. ferner Pirke Aboth 6,11 sowie an weiteren Beispielen allein aus dem ersten Seder der Mischna: Berakhoth 1, 1.2; 2, 2; 4, 2; 6, 1; 7, 3; Pea 4, 10; 7, 3.5.8; 8, 1; Kilajim 6, 1.5; Schebiith 1, 1.2; 2, 1; 4, 4.7.10; 9, 3; Massroth 1, 2.5; 3, 5; Maaser Scheni 5, 4; Orla 2, 6.7; Bikkurim 1, 2.9; 2, 9.10.11; 3, 1.2.11.12. 18 Text nach Bill. I, 613.

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Osten-Sacken, Römer 8

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—59

Leviticus Rabba 32,1 zu 24,10 19 : „Warum mußt du hinausgehen, um enthauptet zu werden? Weil ich meinen Sohn beschnitten habe. Warum mußt du hinausgehen, um verbrannt zu werden? Weil ich im Gesetz gelesen habe. Warum mußt du hinausgehen, um gekreuzigt zu werden? Weil ich das ungesäuerte Brot aß. Warum wirst du gegeißelt? Weil ich den Feststrauß trug."

Die aufgeführten Belege verdeutlichen hinreichend, daß FrageAntwort-Reihen ein beliebtes Stilmittel der alttestamentlichen und antiken jüdischen Weisheits- und Lehrliteratur sind. Die Beispiele aus der rabbinischen Literatur stellen durchweg in sich verständliche, geschlossene kleine Einheiten dar, in denen präzise bestimmte Fragen beantwortet werden. Man wird sie kaum als literarische Kunstprodukte ansehen dürfen, sondern als Sammelgut aus der mündlichen Überlieferung bezeichnen müssen. Dies berechtigt zu der weitergehenden Annahme, daß solche Frage-Antwort-Reihen nicht nur als literarisches Kunstmittel verwendet wurden, sondern daß sie als eine Gattung mit festem Sitz im Leben anzusprechen sind. Die oben angeführten Überlegungen Gunkels und v. Rads, ferner die Beobachtung zu Luthers Kleinem Katechismus, schließlich das überall in den Sprüchen der Väter wie in der Mischna überhaupt vorausgesetzte Lehrer-Schüler-Verhältnis als Hintergrund der Ausführungen legen den Schluß nahe, daß diese Gattung der kurzen Frage-Antwort-Reihe ihren Sitz im Leben in der Unterweisung gehabt hat und damit als katechetisches Formular zu bezeichnen ist20. Die rekonstruierte Frage-Antwort-Reihe in Rom. 8,31—39 steht in gewisser Nähe zu den Beispielen, die als literarische Produkte einzuschätzen, in denen also Frage und Antwort literarisches Stilmittel sind. Text nach Leipoldt-Grundmann, Umwelt I, 171. Vgl. die Beschreibung des rabbinischen Unterrichts durch Schürer, Geschichte II, 384 f.: „Der Unterricht bestand in einem unermüdlich fortgesetzten gedächtnismäßigen Einüben . . . Dieses Wiederholen geschah aber nicht in der Weise, daß nur der Lehrer vortrug. Das ganze Verfahren war vielmehr disputatorisch. Der Lehrer legte den Schülern die einzelnen gesetzlichen Fragen zur Entscheidung vor und ließ sie antworten oder antwortete selbst. Auch stand es den Schülern frei, selbst Fragen an den Lehrer zu richten. Diese Form des Lehrvortrags prägt sich auch noch im Stile der Mischna aus, indem hier häufig die Frage aufgeworfen wird, wie es mit diesem oder jenem Gegenstand zu halten sei, um darauf dann die Entscheidung folgen zu lassen." (Hervorhebung von Sch.) Ob die „dialektische Form des Unterrichts . . . vom Vorbild der griechischen Rhetorenschule beeinflußt" worden ist, wie Hengel (Judentum 149) in Anlehnung an andere vermutet (Lit. ebd. A. 172), mag dahingestellt sein. Zwingend notwendig ist die Annahme eines solchen Zusammenhangs angesichts der aufgezeigten Verbindung zur Weisheit wohl nicht. 19

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5. Traditionsgeschichte

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Denn die gestellten Fragen — zumindest die Fragen 1—3 — werden nicht direkt beantwortet wie in den Beispielen aus der rabbinischen Literatur, sondern die Antworten erfolgen in Form von Gegenbehauptungen, die die Fragen als irrelevant erweisen bzw. als verschwiegene erste Antwort ein „niemand" voraussetzen, das mit der dann folgenden Antwort begründet wird. Trotzdem wird m a n die Reihe in Rom. 8,31—59 nicht als Beispiel f ü r die Verwendung von Frage u n d Antwort als literarisches Stilmittel ansehen dürfen, sondern als ein in der mündlichen Uberlieferung geprägtes Traditionsstück betrachten müssen, das entsprechend gattungsmäßig als katechetisches Formular zu bestimmen ist. Diese Forderung ergibt sich daraus, daß die FrageAntwort-Reihe von Paulus, wie aufgezeigt, vorgefunden und sekundär bearbeitet worden ist. Sie wird durch den Tatbestand bekräftigt, daß die rekonstruierte Reihe in Rom. 8,31—39 inhaltlich überwiegend urchristliches, vorpaulinisches Formelgut enthält, das als solches im Neuen Testament an zahlreichen Stellen in Gestalt von Bekenntnisformeln begegnet. So läßt sich vorerst abschließend festhalten: Die erarbeitete Frage-Antwort-Reihe ist als vorpaulinisches katechetisches Formular zu bezeichnen, in welchem die wesentlichen Inhalte urchristlichen Glaubens in einprägsamer Form und unter der bestimmten Frage nach der Situation der Glaubenden angesichts der ihnen als feindlich bekannten Mächte zusammengefaßt sind.

5.

Traditionsgeschichte

Traditionsgeschichtlich läßt sich die Frage-Antwort-Reihe in dreifacher Hinsicht befragen. Einmal auf das verarbeitete traditionelle Formelgut, zum andern auf das Verhältnis der Reihe zu Jes. 50,7—9 hin, auf welchen Text in Rom. 8,31—39 nach allgemeiner Auffassung angespielt wird, und schließlich drittens hinsichtlich möglicher Ergänzungen oder Umwandlungen des rekonstruierten Stückes im Vollzug der mündlichen Tradierung. a) Das Formelgut Es ist weithin anerkannt, daß in Rom. 8,32a, 8,34b und 8,38 f. traditionelles Formelgut vorliegt 1 . Umstritten ist jedoch die Frage nach der ursprünglichen Gestalt des Gutes und möglichen paulinischen Zusätzen. 1

3*

Vgl. oben, S. 20 mit A. 1.2.4.

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Zu V. 32a ist mit Recht vermerkt worden, daß ψειδεσθαι ein gut paulinischer Begriff ist2. Sodann fällt der doppelte Genitiv ημων πάντων nach υπερ auf. Die Vermutung, daß die Bestimmung πάντων auf Paulus zurückgeht, wird dadurch nahegelegt, daß der Begriff τα παντα den zentralen Terminus der nachweislich paulinischen Auswertung des Satzes in V. 32b bildet3 und auch im Kontext eine herausragende Rolle spielt (V. 28.37). Erwägen läßt sich schließlich die Rückführung des Adjektivs ίδιος, das in den paulinischen Briefen häufig begegnet, auf den Apostel4. Doch ist hier ebenso die Auffassung vertretbar, daß das Adjektiv zur Überlieferung gehört5. So wird die Annahme wahrscheinlich, daß hinter V. 31b.32a eine Aussage liegt, die ursprünglich wie folgt gelautet hat: ο θεός υπερ ημων, ος γε τον ίδιον υιον παρεδωκεν υπερ ημων. Der Relativsatz deutet den Tod6 Jesu Christi als Heilswerk Gottes für die Glaubenden. Sein formelhafter Charakter läßt vermuten, daß er als Credo-Formel7 älter ist als die Frage-Antwort-Reihe. Doch erscheint es denkbar, daß er bereits vor der Aufnahme in diese Reihe mit demselben Hauptsatz ο θεός υπερ ημων verbunden war. Im Kontext der Frage-Antwort-Reihe hat die gesamte Aussage die Funktion, gegenüber der allgemeinen Frage nach 2 Schille, Liebe 233: Das Wort begegnet bei Paulus neunmal, im übrigen NT nur noch Apg. 20,29 und 2.Petr. 2,4.5. 3 Vgl. bereits Kramer (Christos 112), der zwar V. 32a in der jetzigen Form für vorpaulinisch hält, jedoch — ohne nähere Begründimg — einräumt: „immerhin scheint mindestens πάντων fraglich zu sein". Auch Wengst (Formeln 56 mit A. 5) hält für möglich, daß das Wort paulinischer Zusatz ist. 4 Vgl. Wengst, ebd. s Vgl. Schille, Liebe 233: ίδιος findet sich sonst nicht mehr neben υιο; bei Paulus, ist aber — wenn auch hier nicht neben diesem Titel — „in urchristlichen Hymnen und Bekenntnisfragmenten gebräuchlich". A. 13 verweist Schille auf Joh. 1,11 (vgl. 10,3.4.12; 13,1); 2.Tim. 1,9; Hebr. 9,12 = 13,12; 2.Petr. 1,3. Popkes (Christus 196) hält in V. 32a „kaum mehr als das παραδιδοναι-Motiv" für traditionell. Doch ist hervorzuheben, daß die υπερ-Wendung dazugehört, außerdem läßt sich angesichts Gal. 2,20 und Joh. 3,16 auch der υιος-Titel der Uberlieferung zurechnen (als Möglichkeit auch von Popkes, ebd. 201 eingeräumt), und nicht zuletzt ist das zum relativischen Anschluß mit ος γε Gesagte zu bedenken (s. oben, S. 24 A. 23). Die Annahme, daß Paulus nicht nur ein Motiv, sondern eine geprägte Wendung aufgegriffen hat, wird sodann durch den Nachweis erhärtet, daß seinen Ausführungen in Rom. 8,31—39 die umfangreichere Überlieferung der FrageAntwort-Reihe zugrunde liegt. • Mit Luz (Geschichtsverständnis 371 A. 52), Popkes (Christus 195 f. 202. 275 f.) und Wengst (Formeln 60) ist gegen Kramer (Christos 114) bei der Dahingabe nicht „an das Kommen des Gottessohnes in die irdische Existenz" (den Tod eingeschlossen), sondern an seine Hingabe am Kreuz zu denken. 7 Vgl. zu dieser Bezeichnung Conzelmann, Theol. NT 82 f. Es ließe sich mit Deichgräber (Gotteshymnus 112, vgl. 107 f.) auch von einer „Verkündigungsformel" sprechen. Beide Bestimmungen sind nicht alternativ zu verstehen, sofern jede der Bezeichnungen an einem der Sitze im Leben orientiert ist, die dies for-

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einem Gegner das Für-Sein Gottes für die Glaubenden durch den Verweis auf sein grundlegendes Handeln an seinem Sohn zu veranschaulichen bzw. zu begründen und damit jene Frage außer Kraft zu setzen. Die traditionellen Wendungen in Rom. 8,34b enthalten mit den einleitenden partizipialen Aussagen über Tod und Auferweckung Jesu Christi ein Grundgerüst, das in ähnlicher Form auch an anderen Stellen in den Paulusbriefen begegnet und dort als überliefertes Formelgut bestimmt ist8. Die vorpaulinische Abkunft dieser ersten beiden Glieder von V. 34b wird darüber hinaus durch die Wortfolge Χρίστος Ιησούς angezeigt, da Paulus in der Regel „im Nominativ von ,Jesus Christos' spricht, während er in den casus obliqui ,Christos' voranstellt"9. Auffällig ist in diesen Partizipialsätzen die Abhebung der melhafte christologische Traditionsgut nebeneinander gehabt bat, nämlich (Missions-)Predigt und Bekenntnissituation, zu denen Vielhauer (Christologie 179) mit Recht als weiteren Sitz im Leben für die Formeln noch die Katechese hinzuzählt. Vgl. ferner Kramer, Christos 59 f.: Er sieht zutreffend, daß die von ihm als Pistisformel bezeichnete formelhafte Zusammenfassung von (Heils-)Tod und Auferwekkung des Christus Verkündigung und Tauffeier als Sitze im Leben gehabt hat. Kramer ist jedoch so sehr auf diese eine Formel als die Pistisformel schlechthin fixiert, daß er anderes christologisches Formelgut wie etwa das über den Gottessohn, also u. a. auch Rom. 8,32a, formgeschichtlich nicht (mehr) zu erfassen vermag, sofern denn die pauschale Auskunft, die Gottessohnformeln hätten „im Dienst der im engern Sinn theologischen Aufarbeitung der Bedeutung Jesu gestanden" (ebd. 119), nicht als formgeschichtliche Definition gelten kann. β Vgl. ζ. B. Rom. 4,25; 14,9; l.Kor. 13,3-5; 2.Kor. 5,15; l.Th. 4,14. 9 Kramer, Christos 205 (bei ihm gesperrt). Ebd. 25 A. 40 rechnet er die Doppelbezeichnung in Rom. 8,34 allerdings Paulus zu — ohne ersichtlichen Grund; ebenso Fuchs (Freiheit 118), obwohl er selbst von „liturgische(m) Partizipialstil" spricht. Zum vorpaulinischen Charakter des Satzanfangs vgl. auch Schille, Liebe 234. Dessen Hinweis, daß in l.Kor. 15,3; Gal. 3,13 in geprägten christologischen Formeln, in Hebr. 5,5; l.Petr. 2,21; 3,18 in „Christushymnen" einfaches Χρίστος am Satzanfang steht (vgl. ferner Rom. 14,9), läßt die Partizipialsätze in Rom. 8, 34b selbst dann als vorpaulinische Prägung erscheinen, wenn man gegen ζ G L pm vg und mit Β β D al sy nur Χρίστος liest. Eine sichere textkritische Entscheidung dieser Frage ist weder von der im ganzen etwa gleichwertigen äußeren Bezeugung her noch aufgrund inhaltlicher Überlegungen möglich. Während für einfaches Χρίστος die eben genannten Beispiele der urchristlichen Überlieferung sprechen, läßt sich für die längere Lesart einmal anführen, daß Ιησούς zum Zwecke der Angleichung an einfaches Χρίστος in Rom. 8,35 gestrichen sein könnte. Die Annahme sekundärer Ergänzung hat zum anderen gegen sich, daß man im Laufe der Textüberlieferung zwar an dem isolierten Χρίστος in Rom. 8,34, nicht aber in Rom. 5,6.8; 6,4.8.9; 14,9.15 Anstoß genommen hätte, wo es jeweils ohne Varianten überliefert ist (vgl. Zahn, Rom. 424 A. 61; s. ferner l.Kor. 15,3; Hebr. 5,5; 1. Petr. 2,21; 3,18). So wird man ein leichtes Übergewicht eher zugunsten der Lesart Χρίστος Ιησούς feststellen können. Da jedoch einfaches Χρίστος für die Todesund Auferweckungsformel als solche typisch ist, läßt sich vermuten, daß Ιησούς erst bei Übernahme der Überlieferung in die Frage-Antwort-Reihe ergänzt worden ist.

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Auferstehungsaussage durch μάλλον δε. Sie erinnert an die paulinischen Qal-Wachomer-Schlüsse und ist deshalb auch zum Anlaß genommen worden, Todes- und Auferstehungsaussage in Y. 34b als paulinische Formulierung zu bezeichnen10. Jene paulinischen Folgerungen sind jedoch nirgends sonst christologischen Inhalts11. Sodann ist in der vorpaulinischen Frage-Antwort-Reihe durchaus ein Motiv für die Steigerung gegeben, insofern nämlich vom Tode Jesu Christi bereits in der ersten Antwort die Rede war. So besteht kein Grund, sie der paulinischen Bearbeitung zuzuweisen12. Die beiden Partizipialsätze sind in Rom. 8,34 um zwei je relativisch angeschlossene Glieder erweitert, die Sessio ad dexteram und die Intercessio Christi beinhaltend. Die Annahme, diese beiden Glieder seien von Paulus „ad hoc" angefügt worden13, wird durch zwei Beobachtungen als unwahrscheinlich erwiesen: Einmal spielen die Vorstellungen der Sessio ad dexteram und der Intercessio Christi bei Paulus sonst überhaupt keine Rolle. Zum anderen ist zumindest der Hinweis auf die Intercessio an dieser Stelle in der vorgegebenen FrageAntwort-Reihe motiviert. Er zeigt an, warum die Frage τις ο κατακρινων gegenstandslos ist. Weil Christus υπέρ ημων eintritt, darum gibt es — mit Paulus zu sprechen — „keine Verurteilung (κατακριμα) Die Frage, ob Χρίστος in dieser Verbindung Χρίστος Ιησούς innerhalb der vorpaulinischen Frage-Antwort-Reihe titularen Sinn hat oder Eigenname ist, läßt sich kaum hinreichend sicher beantworten. Mit der Möglichkeit des Verständnisses als Titel wird m a n insofern rechnen müssen, als „es die ursprünglich titulare Redeutung war, welche die Voranstellung von ,Christos' vor den Jesusnamen überhaupt erst ermöglichte" (Kramer, a.a.O 203). Für sie spricht im Rahmen der Frage-Antwort-Reihe auch die Rede von der „Liebe des Christus" in der vierten Frage und die Reobachtung, daß die Gemeinde von Jesus als „Christus" spricht, „wenn er als der Vollbringer des Heilswerkes bezeichnet werden soll" (Conzelmann, Theol. N T 92). Das Fehlen des Artikels vor Χρίστος in V. 34 besagt angesichts des Gebrauchs ζ. B. des Appellativums Καίσαρ nichts gegen einen möglichen titularen Sinn (Lk. 2,1 δόγμα παρα Καίσαρος Αυγουστου). Die Frage, ob Χρίστος in „Christus Jesus" als paulinischer Doppelbezeichnung titular zu verstehen ist, kann hier auf sich beruhen bleiben. Es erscheint jedoch der Hinweis angebracht, daß die Mehrzahl der Argumente, die Kramer (a.a.O. 205 f.) gegen diese Möglichkeit angeführt hat, bereits 1946 in einem (von Kramer nicht berücksichtigten) Aufsatz von McCasland („Christ Jesus" 377 f.) widerlegt worden sind. Das Ergebnis der Untersuchung Kramers bedürfte deshalb einer neuerlichen Uberprüfung. 10 Fuchs, Freiheit 117 mit Verweis auf das „steigernde πολλω μάλλον" Rom. 5,9 f. Auch Schille (Liebe 235) sieht μάλλον als paulinische Zutat, die Partizipialsätze im übrigen als traditionell an. Wengst (Formeln 47) beurteilt aufgrund des Adverbs gleich alle christologischen Aussagen in Rom. 8,34 als „paulinische Formulierung". 11 Vgl. Rom. 5,9.10.15.17; 11,12.24. 12 Auch Schweizer (Erniedrigung 110) vermutet μάλλον als vorgegeben. 13 Kramer, Christos 186.

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für die, die in Christus Jesus sind" (Rom. 8,1)14· Die Frage, ob dies zu der Folgerung zwingt, daß die Formelreihe Rom. 8,34b als ganze erst mit der Ausbildung der Frage-Antwort-Reihe entstanden ist, wird sich kaum sicher beantworten lassen. Doch deuten gewisse Anzeichen auf höheres Alter hin. Denn wäre die Intercessio-Aussage erst im Vollzug der Ausbildung der Frage-Antwort-Reihe hinzugefügt worden, so wäre schlecht erklärbar, warum überhaupt nach Anführung der Dahingabeformel V. 32 noch einmal vom Tode Christi gesprochen wird. Ähnliches gilt von der Aussage über die Sessio ad dexteram. Wie bereits Seeberg15 gesehen hat, können die Worte „nur die Stellung Christi bezeichnen wollen, in der er für uns eintritt. Diesem Tatbestand aber entspricht nicht die koordinierte Stellung, in die sie zu den drei anderen Gliedern treten. Letztere muß durch etwas anderes, als den Zusammenhang der Rede motiviert sein". Sowohl die Beobachtung zur Todesaussage als auch die Seebergs zur Sessio-Formel würden sich gut erklären, wenn Rom. 8,34b als geschlossenes Stück zur Beantwortung der vorangehenden Frage übernommen worden wäre16. So spricht viel dafür, daß Rom. 8,34b als ganzes bereits vor Ausbildung des katechetischen Formulars bestand17. Diese An14 Vgl. dazu unten, S. 226 ff. 312 f. Zur Begründung der Annahme, daß auch die beiden Relativsätze vorgegeben sind, vgl. außerdem Fuchs, Freiheit 118 und Schille, Liebe 235. Beachtenswert ist insbesondere der Hinweis von Fuchs, daß die Aussage über die Intercessio Christi mit der über das Eintreten des Geistes Rom. 8,27 in Spannung steht. Damit entfällt auch die von Luz (Geschichtsverständnis 371 A. 50) erwogene Möglichkeit, lediglich das „wohl ebenfalls traditionelle intercessio-Motiv" sei von Paulus an die im übrigen vorpaulinische Überlieferung „angehängt" worden. Zu seinem Verweis auf das „nachklappende ος και" vgl. unten, S. 39 A. 17. 15 Katechismus 77. 16 Seeberg folgert in der Fortsetzung seines Zitats (a.a.O. 77): „und dieses andere kann nur darin bestehen, daß die Worte einer Formel angehörten, deren Heranziehung sich durch die Erwähnung von Tod und Auferweckung Christi nahe legte." Doch vermag diese Erklärung schon allein deshalb nicht zu überzeugen, weil Paulus sich sonst nirgends dazu veranlaßt gesehen hat, in diesem Sinne traditionelle Formeln zu häufen. 17 Freilich ohne das steigernde μάλλον δε (vgl. oben, S. 37 f.), an dessen Stelle einfach και gestanden haben könnte. Ebenso wird das και in dem zweiten Relativsatz erst bei Übernahme der Überlieferung in die Frage-Antwort-Reihe hineingekommen sein. Es hebt, an μάλλον anknüpfend, die Aussage hervor, auf die es, wie gezeigt, im Hinblick auf die Frage V. 34a entscheidend ankommt: „der ,denn auch wirklich' für uns eintritt". Vgl. zu dieser „bestätigenden, versichernden Bedeutung" von και in Relativsätzen Mayser II 3,144; sie bringt den Zusammenhang der vorpaulinischen Eingriffe in die Formel und den Charakter von V. 34b als Antwort besser zum Ausdruck als das Verständnis von και im steigernden Sinne = „auch, sogar". Die Lesart ος και statt einfachem ος im ersten Relativsatz ist zwar gut bezeugt, aber leicht als Angleichung an den folgenden Satz durchschaubar.

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nähme scheint auch dem Tatbestand eher gerecht zu werden, daß die Topoi Auferstehung bzw. Leben, Eintreten für die Glaubenden, Sühnetod und Sitzen zur Rechten in einem Text wie Hebr. 7,25—8,2 ebenfalls in mehr oder weniger engem Zusammenhang begegnen. Formgeschichtlich ließe sich der kleine Katalog geprägter christologischer Aussagen in V. 34b wiederum als „Credo" bezeichnen 18 . Wie Rom. 8,32a und 8,34b sind Rom. 8,38.39a zunächst daraufhin zu befragen, ob der Mächtekatalog möglicherweise Glieder enthält, die von Paulus hinzugefügt und darum von der traditionsgeschichtlichen Rückfrage auszunehmen sind. Folgende zwei Kriterien stehen zur Klärung dieser Frage zur Verfügung: einmal das Verhältnis von κτισις ετερα zu den einzelnen Gliedern des Katalogs, also die Frage, inwiefern sich die einzelnen Glieder sachlich je als κτισις bezeichnen lassen, zum anderen der verwandte Katalog l.Kor. 3,22, der eine paulinische Rildung darstellt. Wird das erste Kriterium in Anwendung gebracht, so ergeben sich an der ursprünglichen Zugehörigkeit folgender Regriffe Zweifel: ζωη, ενεστώτα, μέλλοντα19. Im Vergleich mit l.Kor. 3,22 fällt sodann auf, daß diese Regriffe zu denen gehören, die Paulus auch dort verwendet. Die Zusammenstellungen ζωη — θανατος, ενεστώτα — μέλλοντα sind ihm anscheinend vertraut. Reide Reobachtungen ermöglichen die Vermutung, daß Paulus einen vorgegebenen Katalog um eben diese Glieder erweitert hat. Für diese Annahme lassen sich weitere Gründe anführen. Im Hinblick auf das erste Paar der Aufzählung in Rom. 8,38.39a ist bemerkenswert, daß die zu erwartende und l.Kor. 3,22 auch belegte Reihenfolge ζωη — Φανατος umgekehrt ist. Diese Umkehrung läßt sich nicht aus der ursprünglichen Form der Frage-Antwort-Reihe erklären, wohl aber aus dem paulinischen Kontext, in dem es um das Phänomen „Tod" geht (vgl. Rom. 8,36: ενεκεν σου θανατουμεθα ολην την ημεραν)20. Die Voran18

Oder auch als „Verkündigungsformel", vgl. oben, S. 36 mit A. 7. Dies zeigen sehr deutlich die Ausführungen von Dibelius (Geisterwelt 111 f.), der zwar bemerkt, daß sich „die einzelnen Begriffe . . . unter den der κτισις unterordnen lassen (müssen)" (ebd. 111), bei diesem Versuch aber den der ζωη völlig außer Betracht läßt und sich im Blick auf ενεστώτα — μέλλοντα — obwohl er sie sachgemäß von V. 35b her interpretiert (vgl. unten, S. 311) - zu der Verlegenheitsauskunft genötigt sieht, Paulus sähe hinter den Leiden „wie immer die Geister als treibende Faktoren" (ebd. 112). Sachgemäß urteilt dagegen Conzelmann (1. Kor. 322), wenn er unter Verweis auf Rom. 8,38 feststellt, Paulus kombiniere „dämonologische Machtbegriffe mit Existenzbegriffen". Zu υψωμα/βαϋος vgl. unten, S. 41 A. 23. 20 Als Motiv für die Eröffnung des Katalogs mit „Tod" ist V. 36 (oder auch V. 35 f.) bereits — freilich ohne Zusammenhang mit traditionsgeschichtlichen Erwägungen — von folgenden Auslegern angesehen worden: Philippi, Rom. 398; B. Weiß, Rom. 388; Godet, Rom. II, 128; Gaugier, Rom. 356; Kroeker, Rom. 358; Michel, Rom. 218. Abwegig ist dagegen die Überlegung Schilies (Liebe 237), das 19

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Stellung dieses hier für Paulus entscheidenden Begriffes entspricht seiner Gewohnheit, Kataloge mit dem für ihn — vor allem jeweils im Kontext — zentralen Terminus einzuleiten21. An dieser Stelle ist also eine paulinische Bearbeitung des Katalogs mit Händen zu greifen. Sieht man sodann auch das Paar ενεστώτα — μέλλοντα als paulinischen Einschub an, so wird ein Sachverhalt transparent, der in der langen Geschichte der Textüberlieferung und -auslegung immer wieder Anstoß erregt hat, daß nämlich die zusammengehörigen Begriffe άγγελοι, αρχαι, δυνάμεις getrennt sind und δυνάμεις nachklappt22. Dann nämlich hat der Katalog ursprünglich tatsächlich aus den drei Begriffen άγγελοι, αρχαι, δυνάμεις einerseits, ύψωμα, βάθος23, τις κτισις ετερα AT-Zitat V. 36 könnte umgekehrt im Hinblick auf die Erwähnung des Todes im Katalog gewählt worden sein. Denn V. 36 will V. 35b interpretieren. Vgl. unten, S. 52. 21 Vgl. z.B. Rom. 1,29 (αδικία als Pendant von δικαιοσύνη, s. Rom. 1,18 nach 1,16 f., ferner 2,8); Gal. 5,22 (αγαπη, s. 5,13 f.); 2.Kor. 6,4b.5a (s. dazu auch unten, S. 305); vgl. auch Rom. 8,35b mit Rom. 2,9 (θλιψις/στενοχώρια) und Rom. 9,4 mit Rom. 8,14 ff. (υιοθεσία; s. dazu unten, S. 54). 22 Auch Schille (Liebe 238) sieht das Gegensatzpaar ενεστώτα — μέλλοντα aufgrund der durch es bewirkten Abtrennung von δυνάμεις als paulinischen Einschub an, hält die übrigen Glieder jedoch für vorpaulinisch, ebenso die Fortsetzung des Satzes, die Wendung τω κυριω ημων ausgenommen. Vgl. dazu unten S. 42 A. 24. — Pallis (Rom. 109) glaubt nicht etwa, „ein altes Schema aus 3 Paaren zusammensetzen zu können: ουτε άγγελος ουτε αρχη, ουτε εξουσία ουτε δυναμις, ουτε ενεστώτα ουτε μέλλοντα (so nach Michel, Rom. 218 Α. 3), sondern rekonstruiert diese Reihe als ursprüngliche Fortsetzung von ουτε θανατος ουτε ζωη in Rom. 8,38 f. („original reading")! Sein Versuch ist damit ein Beispiel für die textkritischen Operationen, zu denen die auffällige Stellung von δυνάμεις von früh an verleitet hat. Zur Textkritik vgl. weiter unten, S. 42 A. 25. 23 ύψωμα und βάθος sind ursprünglich astrologische Termini, ersteres für die größte Annäherung eines Sternes an den Zenith, letzteres für den Himmelsraum unter dem Horizont, aus dem die Sterne aufsteigen (Lietzmann, Rom. 88 f.). Doch ist sehr fraglich, ob in dem Katalog auf diese spezielle Bedeutung abgehoben wird (vgl. Dibelius, Geisterwelt 112). Wenn man auch nicht sagen können wird, daß „wohl die siderischen Mächte gemeint (sind), die in Höhe und Tiefe herrschen" (Lietzmann, Rom. 89; vgl. ähnlich bereits B. Weiß, Rom. 389; ferner Michel, Rom. 219), so ergeben „Höhe" und „Tiefe" an dieser Stelle doch einen guten Sinn, wenn man sie in Abwandlung der Deutung Lietzmanns als Bezeichnungen der Räume oder Sphären versteht, in denen die „siderischen Mächte" — genauer: die zuvor genannten „Engel, Mächte und Gewalten" — herrschen. (Vgl. zu diesem Verständnis von ύψωμα Bertram, ThWb VIII, 612; die Nähe dieser Deutung von βάθος zu dessen ursprünglichem Sinn liegt auf der Hand.) Ktiseis sind diese Sphären, insofern sie Teile der Schöpfung sind. Im Hintergrund von Frage und Antwort der 4. Einheit steht damit eine Vorstellung von der Bedrohung des Menschen durch kosmische Mächte, wie sie stärker im Kolosserbrief zur Geltung kommt. (Vgl. dazu Lohse, Kol. 186 ff., bes. 190 und unten, S. 50 mit A. 8.) Während jedoch bezüglich Kol. offen ist, ob die dort bekämpften Gegner die Mächte als gut oder böse ansahen (vgl. Lohse, ebd. 187), sind die Mächte in Rom. 8,38 f., nach der Frage V. 35a geurteilt, eindeutig als Feinde vorgestellt.

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andererseits bestanden24. Paulus hätte das Begriffspaar ενεστώτα — μέλλοντα gerade so eingesetzt, daß dadurch die zusammengehörigen ersten drei Begriffe getrennt wurden, was sich aus dem Bestreben erklären ließe, einen zweigliedrig gestalteten Katalog herzustellen. Dies wäre allerdings nur bis hin zu μέλλοντα gelungen, da anschließend die zusammengehörigen Begriffe ύψωμα und βάθος auseinandergerissen wären. Es bleibt also eine gewisse Schwierigkeit auf der redaktionellen Stufe. Doch scheinen es die zuvor aufgeführten Beobachtungen hinreichend zu rechtfertigen, als vorpaulinische Form des Katalogs zu vermuten: „Weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe noch irgendein anderes Geschöpf."25 Die Aufzählung ist in dieser Gestalt sehr viel einprägsamer und entspricht einem mündlich überlieferten katechetischen Formular mehr als die jetzt Rom. 8, 38.39a begegnende. Dies vermag in der vorgetragenen Analyse nur zu bestärken. 24 Gegen Schille (Liebe 238 ff.) liegt keine Veranlassung vor, auch V. 39b Paulus abzusprechen. Darauf, daß eine einfache Begriffsreihe dem Stil der FrageAntwort-Reihe mehr entspricht, wurde bereits hingewiesen (s. oben, S. 42). Das Argument Schilles (ebd. 240), die „spezifisch theologische Bedeutung von χωριζειν" finde sich n u r in Rom. 8,35.39, unterstreicht zwar die Zugehörigkeit von V. 35a zur vorpaulinischen Frage-Antwort-Reihe, besagt jedoch f ü r V. 39 insofern nicht viel, als Paulus auch an anderen Stellen ihm fremde Begriffe oder Formen nicht nur im Rahmen der Zitierung von fremdem Material anführt, sondern sie im Anschluß daran in eigenen Formulierungen wiederholt (vgl. z.B. l.Kor. 15, 4.12 ff. Perf. Pass, εγηγερται und dazu J. Jeremias, Abendmahlsworte 96). Sodann begegnet zwar (bezeichnenderweise) die Verbindung η αγαπη του Χρίστου V. 35a nur noch einmal bei Paulus (2.Kor. 5,14), das Bemühen Schilles (a.a.O.), den Begriff „Liebe Gottes" in V. 39 als „unpaulinisches Moment" nachzuweisen, vermag jedoch angesichts Rom. 5,5.8 nicht zu überzeugen. Auch der Hinweis (eb. 241), daß sich die „relative Fortsetzung ,die in Christus Jesus' . . . bei Paulus nur in dem Fragment R m 324" findet, besagt nichts, da ihm solcher relativischer Anschluß präpositionaler Wendungen geläufig ist (vgl. Rom. 4,11: της πίστεως της εν τη ακροβυστια; 9,30: δικαιοσυνην δε την εκ πίστεως; 10,5: την δικαιοσυνην την εκ νομού; Phil. 1,11: καρπον δικαιοσύνης τον δια Ιησού Χρίστου; ferner Rom. 5,15; 7,5.10; 15,31; l.Th. 1,8). Darüber hinaus erweckt gerade die U m f o r m u n g der Wendung απο της αγάπης του Χρίστου in απο της αγαπης του θεου εν Χριστώ Ιησού τω κυριιο ημων den Anschein einer Bereicherung, wenn nicht Präzisierung. (Vgl. Sanday-Headlam, Rom. 224: Die W e n d u n g V. 35b „is the full Christian idea".) Auf ihre paulinische H e r k u n f t deutet nicht zuletzt der Tatbestand, daß Paulus in Rom. 5—8 regelmäßig gedankliche Einschnitte durch Anfügung der plerophorischen Wendung εν (bzw. δια c. gen.) Χριστώ Ιησού τω κυριω ημων an den Schluß der vorangehenden Ausführungen markiert (Rom. 5,21; 6,23; s. Kramer, Christos 21 mit A. 33. Rom. 7,25 wird m a n gegen Kramer nur bedingt diesen Beispielen zuzählen dürfen. Vgl. oben, S. 10 A. 12.) 25

Die zusätzliche Lesart ουτε εξουσιαι vor (D) oder nach ουτε αρχαι (C 1 pm vg Tert Or) ist nicht nur schwach bezeugt, sondern auch deshalb als sekundär anzusehen, weil kein Grund f ü r eine eventuelle Streichung ersichtlich ist. Dagegen wird das Fehlen von τις vor κτισις in p 4e D G pc als Haplographie zu deuten sein.

5. Traditionsgeschichte

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Ist der Katalog in seiner rekonstruierten ursprünglichen Form erst zusammen mit dem kateclietischen Formular ausgebildet worden, oder bestand er bereits f ü r sich? Mit der Möglichkeit, daß zumindest ein Teil der Glieder des Katalogs in einer formelhaften Aufzählung zusammengeschlossen war, läßt der Tatbestand rechnen, daß verwandte Aufzählungen an anderen Stellen, und zwar vornehmlich in geprägten bzw. hymnischen Zusammenhängen anzutreffen sind wie Kol. 1, 16: ειτε θρονοι ειτε κυριότητες ειτε αρχαι ειτε εξουσιαι oder l.Petr. 3,22: άγγελοι και εξουσιαι και δυνάμεις26. So scheint sich der Katalog an formelhaften, vor allem in Hymnen belegten Sprachgebrauch anzulehnen. b) Das Verhältnis zu Jes. SO,7—9 Die Frage-Antwort-Reihe in Rom. 8,31—39 enthält in V. 33 Anspielungen auf Jes. 50,7—9, die sich auf Form u n d Inhalt dieses Textes erstrecken. Dies hat viele Exegeten bewogen, Rom. 8,33 f. von dieser Deutero-Jesajastelle her zu interpretieren 27 . Die Beziehungen sind jedoch weniger eng, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Jes. 50, 7—9 sind Bestandteil des Gottesknechtsliedes Jes. 50,4—11, das gattungsmäßig einen Vertrauenspsalm darstellt 28 . „Die V. 7—9 bringen das eigentliche Vertrauensmotiv: In der Gewißheit der bevorstehenden Gotteshilfe trotzt er (sc der Beter) seinen Feinden, die dem Verderben anheim fallen werden." 2 9 Der Text Jes. 50,7—9 ist wie folgt aufgebaut: (7) και κύριος βοηθος μου εγενηθη . . . (8) οτι εγγίζει ο δικαιωσας με· τις ο κρινομενος μοι; αντιστητω μοι αμα· και τις ο κρινομενος μοι; εγγισατω μοι. (9) ιδου κύριος βοηθει μοι· τις κακωσει με; ιδου πάντες υμεις ως ιματιον παλαιωθησεσθε, και ως σης καταφαγεται υμας. Inhaltlich stimmen Jes. 50,7—9 und die Reihe in Rom. 8,31—39 darin überein, daß beide Texte die Heilsgewißheit an der Prozeßsitua28 Vgl. ferner Phil. 2,10 f. u. ö. Zum Sitz solcher Aufzählungen in hymnischen Stücken s. Schniewind, Auferstehung 125 A. 3; Schille, Liebe 239 f. Bei Paulus begegnet eine ähnliche Aufzählung nur noch l.Kor. 15,24 (αρχη, εξουσία, δυναμις, je im Sgl.). 27 Vgl. oben, S. 15 mit A. 6 und bes. Romaniuk, L'amour 229 ff. 28 Elliger, Deuterojesaja 34; Kaiser, Knecht 68. 29 Kaiser, ebd.

44

I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

tion veranschaulichen. Weil Gott es ist, der das Urteil δίκαιος spricht, darum brauchen die auf ihn Vertrauenden keine Anklage oder Vernichtung30 zu fürchten. Terminologisch gehen jedoch beide Texte nur in der Bezeichnung des Gotteshandelns (δικαιουν) zusammen. Die Begriffe für Anklage bzw. Eröffnung des Prozesses und Verurteilung bzw. Vernichtung sind hier und da je andere (Jes. 50,8.9: κρινεσθαι, κακουν; Rom. 8,33: εγκαλειν, κατακρινειν). Eine formale Ubereinstimmung besteht sodann darin, daß die Motive des Anklagens und des Verurteilens bzw. Vernichtens in Form von Fragen nach dem Prozeßgegner bzw. Richter vorgebracht werden. Die Stellung dieser Fragen ist jedoch wiederum hier und da eine andere. In Jes. 50,7—9 schließen die (ζ. T. wiederholten, vgl. V. 8) Fragen jeweils an Vergewisserungen der göttlichen Hilfe an, die die Fragen als rhetorische konstituieren (V. 8: εγγίζει ο δικαιωσας με — V. 9: κύριος βοηθει μοι), und es folgen fiktive Aufrufe an den Gegner, den Prozeß zu eröffnen (V. 8)31. In Rom. 8,31—39 dagegen stehen die Fragen voran32. Außerdem sind die nachfolgenden Antworten, die die Fragen als gegenstandslos erweisen, anders als die (vorausgehenden!) Beteuerungen in Jes. 50,7—9 formelhaften Charakters, und zwar auch dort, wo eine Anlehnung an den Jesajatext zu erwägen ist (vgl. Jes. 50,8: εγγίζει ο 30

In diesem Sinne wird m a n κακουν (LXX) aufzufassen haben. Es ist — und zwar nur hier in LXX (s. Hatch-Redpath II, 711) — Übersetzung von yen Hif. = „für schuldig erklären". 31 Die Folge in Jes. 50,7—9 ist genau: „Heilsbehauptung — Frage/Herausforderung — Frage/Herausforderung — Heilsbehauptung/Frage" (Ralz, Heilsvertrauen 117). Der letzten Frage (V. 9) schließt sich eine den Herausforderungen entsprechende Unheilsankündigung an. 32 Das umgekehrte Verfahren, nämlich aufgrund der Folge Heteuerung — Frage (— Aufruf an den Gegner) in Jes. 50,7—9 den Text Rom. 8,31—39 — ausgehend von 8,33b.34a: ΰεος ο δίκαιων· τις ο κατακρινων; — überhaupt erst zu gliedern, scheitert einmal an der Struktur des Abschnittes im Römerbrief (s. oben, S. 14 ff.). Die Ausleger, die dies Verfahren anwenden, übersehen zum anderen, daß die beiden Sätze nicht n u r dem Wortlaut nach kein wörtliches Zitat aus Jes. 50, 7—9 darstellen, sondern auch gerade die Folge „gerechtsprechen" — „verurteilen" keinen Anhalt am Jesaja-Text hat, da dort auf die Reteuerung der N ä h e des gerechtsprechenden Gottes die Frage nach dem — nicht Verurteilenden, sondern den Prozeß Retreibenden folgt! I n dieser Weise läßt sich der Jesaja-Text im Gegenteil geradezu als weiteres Argument f ü r die Zusammenstellung von εγκαλειν Rom. 8,33a und δικαιουν Rom. 8,33b anführen. — Ralz (Heilsvertrauen 117) räumt die Möglichkeit ein, daß das Nacheinander von Frage und Herausforderung die Aussagen in Rom. 8,31—39 bestimmt haben könnte, „so daß V. 33 f. zu gliedern ist: Frage/Rehauptung — Frage/Rehauptung". Doch folgt in Rom. 8,33 f. der Frage keine Herausforderung, sondern eben eine Rehauptung, und der Jesaja-Text ist hinsichtlich des Aufbaus nur im Rlick auf das Verhältnis von Frage und Rehauptung von Interesse. Die Überlegung von Ralz erübrigt sich sodann durch die Erklärung des Frage-Antwort-Stils aus dem Sitz im Leben der Rom. 8,31—39 zugrundeliegenden Reihe.

5. Traditionsgeschichte

45

δικαιωσας με — Rom. 8,33: θεός ο δίκαιων). Sofern hier die Antwort aus Jes. 50,8 entlehnt ist, ist sie jedenfalls dem Stil der übrigen Antworten in Rom. 8,31—39 angeglichen (vgl. V. 34: Χρίστος Ιησούς ο αποθανών 33 — V. 31: ο θεός υπερ ημων). Der mögliche weitere Einfluß von Jes. 50,7—9 beschränkt sich darauf, daß das gegenüber den verba finita in V. 33a. 35a auffallende Partizip der Frage V. 34a „als Erinnerung an Jes 50,8 formuliert sein" könnte 34 . Der Rückgriff auf diesen alttestamentlichen Text in dem katechetischen Formular könnte auf zweifache Weise motiviert sein: Einmal dadurch, daß dort eine Prozeßsituation anvisiert ist, wie sie von dem Formular in Rom. 8, 31—39 als Situation des Menschen entfaltet wird, zum anderen dadurch, daß der Jesaja-Text zugleich von Fragen geprägt ist, diese aber f ü r ein katechetisches Formular konstitutiv sind. In der Abfolge der vier Frage-Antwort-Einheiten, in der Terminologie der Fragen u n d schließlich in der Gestalt der Antworten weicht das Traditionsstück in Rom. 8,31—39 jedoch insgesamt so bezeichnend von Jes. 50,7—9 ab, daß es sich bei dem katechetischen Formular auf jeden Fall u m einen eigenständigen, an den alttestamentlichen Text nur mehr sekundär anknüpfenden Zusammenhang handelt 3 5 . Der alttestamentliche Hintergrund wird so vor allem dazu nützlich sein, im Vollzug der Interpretation des katechetischen Formulars das christliche Verständnis der Gewißheit θεός ο δίκαιων von dem alttestamentlichen, hier dem im Gottesknechtslied Jes. 50,4—11 ausgesprochenen, abzuheben. c) Mündliche Tradierung und

Herkunft

Bisher wurde die traditionsgeschichtliche Frage im Blick auf die rekonstruierte Reihe in Rom. 8,31—39 als Rückfrage nach den einzelnen verarbeiteten Traditionselementen verfolgt. Nunmehr wird zu erörtern sein, ob das katechetische Formular, nachdem es einmal ausgebildet war, möglicherweise im Vollzug der mündlichen Uberlieferung geändert, d. h. korrigiert oder erweitert worden ist, wobei von vornherein damit gerechnet werden muß, daß gegebenenfalls kaum 33 Auf die Parallelität der Antworten in V. 33b und V. 34b macht B. Weiß (Rom. 384) aufmerksam. 34 Balz, Heilsvertrauen 117. Freilich handelt es sich dabei nicht um dieselben Wörter. Der Schriftgebrauch in Form lockerer Anspielungen ist im übrigen „für die gesamte apokalyptische Literatur des Spätjudentums" bezeichnend und findet sich auch sonst im NT (Deichgräber, Gotteshymnus 174 mit A. 5). 35 Gegen Romaniuk (L'amour 229), der meint: „En Rm 8,31—38 le chant d'Isaüe est presque cite ,ad litteram'." Allein schon die in seiner Synopse (ebd.) notwendigen Umstellungen zeigen die Differenz zwischen beiden Texten an.

46

I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

mehr als eine Möglichkeit aufgezeigt werden kann. Sodann wird die Frage nach dem Herkunftsbereich des Formulars zu berühren sein. Besonders die vierte Frage-Antwort-Einheit fordert zur Prüfimg der Möglichkeit einer Änderung des Formulars im Verlauf seiner mündlichen Tradierimg heraus. Denn einmal läßt die Beobachtung, daß knappe Abrisse wie der vorliegende gerne dem Dreiergesetz folgen 36 , fragen, ob das katechetische Formular ursprünglich vielleicht nur drei Frage-Antwort-Einheiten enthielt. Vor allem aber gibt die Gestalt von Frage und Antwort der vierten Einheit Anlaß zu solcher Prüfung. In der Frage wird nicht mehr wie zuvor auf die Situation des Prozesses Bezug genommen, sondern allgemeiner nach kosmischen Mächten gefragt, die die Menschen von der Liebe des Christus zu trennen vermöchten, indem sie den Zugang zur himmlischen Welt versperren 37 . Und ebenso verweist die Antwort nicht mehr auf ein Tun Gottes oder Christi — dieser Hinweis ist vielmehr anders als sonst bereits in der Frage enthalten (vgl. η αγαπη του Χρίστου) —, sondern es werden die Mächte aufgezählt, die als trennende Faktoren in Frage kommen könnten, aber gegenüber der Liebe Christi machtlos sind. Aufgrund dieser Unterschiede der vierten gegenüber den drei anderen Einheiten ist es denkbar, daß die vierte Frage-Antwort-Einheit im Verlauf der mündlichen Uberlieferung des katechetischen Formulars hinzugefügt worden ist. Freilich läßt sich, will man die mündliche Uberlieferung nicht zu starren Gesetzen unterwerfen, in dieser Frage ein sicheres Urteil nicht herbeiführen 38 . Was mit hinreichender Sicherheit gesagt werden kann, ist allein dies, daß Paulus auch die vierte Einheit bereits vorgefunden hat. Was die Frage der Herkunft betrifft, so möchte zweifelsfrei sein, daß angesichts der Rechtfertigungsthematik und der apokalyptischen Terminologie 39 von vornherein an eine judenchristliche Gemeinde als Ursprungsort des Formulars zu denken ist. Falls die vierte FrageAntwort-Einheit als ursprünglich dazugehörig gelten könnte, wäre sodann die Annahme gesichert, daß es sich um eine Gemeinde außerhalb Palästinas handelte 40 . Aber auch der Charakter von Rom. 8,34b

s

« Vgl. ζ. B. Pirke Aboth 1,1.2.6.7.10.18. Vgl. oben, S. 41 A. 23. 38 Zugunsten der ursprünglichen Zugehörigkeit der vierten Einheit könnte man eventuell geltend machen, daß die Deutung von Tod und Auferweckung Christi als Ausdruck der αγαπη του Χρίστου ebenfalls 2.Kor. 5,14 f. begegnet, also vermutlich traditionell ist. 39 Vgl. ζ. B. die Bezeichnung εκλεκτοί θεου und dazu unten, S. 48 mit A. 2. 40 Das hymnische Gut, in dem solche Aufzählungen begegnen (s. oben, S. 43), stammt durchweg aus dem außerpalästinensischen Raum. w

6. Interpretation der Frage-Antwort-Reihe

47

als eines christologischen Summars läßt eher an eine judenchristliche Gemeinde in der Diaspora denken 41 . Bevor als nächstes die Fragen der Bedeutung des katechetischen Formulars in seiner ursprünglichen Gestalt und seiner Bearbeitung durch Paulus in Angriff genommen werden, erscheint es angemessen, das Formular in seiner vermutlich ältesten Gestalt — die vierte Einheit eingeschlossen — am Schluß der traditionsgeschichtlichen Erörterung noch einmal zu fixieren: ο θεος υπερ ημων, ος γε τον ίδιον υιον παρεδωκεν υπερ ημων. θεος ο δίκαιων.

τις καθ' ημων;

τις εγκαλεσει κατα εκλεκτών θεου; τις ο κατακρινων;

Χρίστος Ιησούς ο αποθανών, μάλλον δε εγερθείς, ος εστίν εν δεξιά του θεου, ος και εντυγχανει υπερ ημων.

τις ημας χωρίσει απο της αγαπης του Χρίστου;

ουτε άγγελοι ουτε αρχαι ουτε δυνάμεις ουτε ύψωμα ουτε βάθος ουτε τις κτισις ετερα.

Wer ist gegen uns?

Gott ist für uns, der ja den eigenen Sohn für uns dahingegeben hat!

Wer wird die Auserwählten Gottes anklagen?

Gott ist's, der gerechtspricht!

Wer ist es, der verurteilen wird?

Christus Jesus ist es, der gestorben ist, mehr noch — der auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist, der denn auch wirklich für uns eintritt!

Wer wird uns trennen von der Liebe des Christus?

Weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe noch irgendein anderes Geschöpf.

6. Interpretation

der

Frage-Antwort-Reihe

Der Frage-Antwort-Reihe in Rom. 8,31—39 geht es um das Problem der δικαιωσις der Glaubenden. Vorausgesetzt ist, daß über das Schicksal des Menschen in einem Gerichtsverfahren entschieden wird, 41 Nach Kramer (Christos 33) ist bereits die Zusammenfassung von Sterbensund Auferweckungsaussage zu einer Formel Werk der griechisch-sprachigen judenchristlichen Gemeinde.

48

I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

in dem Gegner gegen ihn auftreten, ihn anklagen und der Verurteilung zuzuführen suchen1. Doch dieser Situation sind die Auserwählten Gottes als Gottesvolk der Endzeit 2 entnommen. Sie leben in der Gewißheit, daß Gott durch die Dahingabe seines eigenen Sohnes bezeugt hat, daß er auf die Gerechtsprechung seines Volkes, nicht auf seine Verurteilung aus ist. Weil Gott in Jesus Christus zugunsten seiner Erwählten gehandelt hat, darum vermag der Frage nach dem Ankläger der Christen die Zuversicht entgegengesetzt zu werden: θεός ο δίκαιων. Die Erwählten werden vor einen Richter gestellt, der bereits an Jesus Christus gezeigt hat, daß er für Freispruch plädiert. Bildet die Dahingabe Jesu Christi den Erkenntnisgrund des Fürseins Gottes, so stellt das gegenwärtige himmlische Eintreten des zur Herrschaft erhöhten Jesus Christus die aktuelle Wahrnehmung seines Todes zugunsten des erwählten Gottesvolkes dar (V. 34). Indem in Fortführung der Prozeßsituation auf die Frage nach einem möglichen Subjekt der Verurteilung mit dem Bekenntnis der Intercessio des gestorbenen, auferweckten und inthronisierten Christus geantwortet wird, wird festgehalten, daß der Freispruch im Gericht, das Urteil δίκαιος, Werk des Messias3 Jesus ist, der für das Gottesvolk eintritt, und als solches Werk Gottes. In der Dahingabe aber wie in der sie gegenwärtig wahrnehmenden Intercessio Jesu Christi kommt die Liebe des Messias4 zum Ausdruck. Weil diese Agape Werk Gottes selbst ist, das auf die Rechtfertigung des Endzeitvolkes zielt, darum wissen die Glieder dieses Volkes, daß keine Macht der Welt sie von dieser Agape und das heißt vom Heil zu trennen vermag. Die christliche Gemeinde, die diese Frage-Antwort-Reihe ausgebildet hat, hat die Frage nach der Gerechtigkeit in so hohem Maße als 1 Die vierte Frage-Antwort-Einheit fixiert als Gegner der Christen überirdische Mächte. Ob aber in den vorangehenden Fragen an sie als mögliche Ankläger gedacht und damit von einem „Prozeß kosmischer Dimension" zu sprechen ist (so Müller, Gerechtigkeit Gottes 54 im Hinblick auf Rom. 8,31—39 in der jetzigen Gestalt; vgl. dazu auch unten, S. 45 f.), erscheint angesichts des (unjuridischen) Charakters der hinter der vierten Einheit liegenden Vorstellung fraglich (vgl. dazu oben, S. 41 A. 23). Vielmehr dürfte bei den Mächten eher an kosmische Feinde gedacht sein, die nicht anklagen, sondern eigenmächtig dem Menschen den Weg in die himmlische Welt zu verlegen trachten. Die letzte Frage-Antwort-Einheit hält demgegenüber fest, daß das Heilswerk Christi die Überwindung dieser Mächte umfaßt, ohne über das Wie dieses Sieges nähere Auskunft zu geben wie etwa im Kolosserbrief. 2 εκλεκτοί θεου ist im antiken Judentum und in der synoptischen Tradition (Mk. 13,20.22.27; Lk. 18,7) apokalyptischer terminus technicus für die Frommen, die Gott für die Teilhabe an der kommenden Welt bestimmt hat. Vgl. Kümmel, Kirchenbegriff 18 f. 3 Vgl. oben, S. 37 A. 9. 4 Vgl. ebd.

6. Interpretation der Frage-Antwort-Reihe

49

Grundproblem menschlicher Existenz angesehen, daß sie sie ins Zentrum der christlichen Unterweisung gestellt hat. Aus der Gewißheit heraus, zu den allem Vernichtenden entnommenen Auserwählten Gottes zu gehören, wird den für den Glauben Gewonnenen die Lösung des Problems eingeprägt. Es geschieht in Form von Antworten, die ihren Sitz in der Verkündigung haben und im Bekenntnis zu eigen gemacht werden5. Auf diese Weise übt das Formular in die Gewißheit ein, daß mit Jesus Christus das Ende der Furcht gekommen ist, weil Gott selbst für den Menschen Partei genommen hat. Das Formular bereitet damit nicht nur auf das rechte Bekenntnis vor, sondern es weist den Unterrichteten in die Dimension seines künftigen Lebens in der Welt ein. Er ist weiterhin dem Wirken seiner Verfügung entnommener Mächte ausgesetzt, aber nicht ausgeliefert. Vielmehr lebt er im Schutz des Erhöhten, dessen dauernder Liebe er gewiß ist. Vergleicht man den Aussagezusammenhang der Frage-AntwortReihe mit dem erörterten Text Jes. 50,7—9, so werden die entscheidenden Unterschiede mit den christologischen Formeln greifbar. Gehen beide Texte in der Uberzeugung zusammen, daß das Heil im Vollzug des δικαιουν durch Gott besteht, so wissen die christlich Glaubenden als Grund für die Gewißheit, daß Gott die Rechtfertigung vornimmt, auf zweierlei zu verweisen: auf die vollzogene Dahingabe des Gottessohnes zu ihren Gunsten und auf die aktuelle Wahrnehmung der die δικαιωσις erwirkenden Dahingabe durch die Intercessio Jesu Christi. Mit den Aussagen der Frage-Antwort-Reihe in Rom. 8,31—39 ist allem Anschein nach ein zentraler Inhalt urchristlicher Theologie formuliert. Dies zeigt ein Blick auf so verschiedene Schriften wie ζ. B. die Johannesapokalypse und den deuteropaulinischen Kolosserbrief. Der Seher Johannes schildert Apok. Joh. 12,6 ff. als erwartetes Endzeitgeschehen den Sturz des Satans aus dem Himmel durch Michael und seine Engel. Der folgende im Himmel angestimmte Hymnus (12,10 bis 12) betont jedoch, daß der Satan als Verkläger der Christen bereits gestürzt ist. Die Glaubenden haben ihn durch das Blut des Lammes und ihr Zeugenwort besiegt, sein auf Anklage und Verurteilung des Menschen gerichtetes Wirken ist erledigt6. Analoge Konsequenzen zieht der Kolosserbrief in einer anderen Situation. Durch seinen Kreuzestod hat Jesus Christus die gottwidrigen Mächte in der Welt entmachtet, den Kosmos befriedet. Indem der Glaubende mit der Vergebung der Sünden Anteil am Kreuzestod 5 β

4

Vgl. oben, S. 36 mit A. 7; S. 39 f. Siehe dazu y. d. Osten-Sacken, Belial 210 ff. Vgl. auch Bornkamm, Antike 45.

Osten-Sacken, Römer 8

50

I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

Jesu gewinnt, ist er jenen Mächten abgestorben. Sie haben ihren Anspruch auf ihn verloren, weil er Glied an dem Leibe des σωμα ist, dessen κεφαλή Jesus Christus wie das Haupt der Kirche so der Herrscher über πασα αρχη και εξουσία ist. Im Heil wirkenden Kreuzestod Christi ist der Schutz vor den den Glauben bedrängenden und beanspruchenden Mächten eingeschlossen. In der Christusherrschaft ist der Christ der Herrschaft aller anderen Gewalten entnommen 7 . Es läßt sich nicht von der Hand weisen, daß hier jeweils das Kerygma vom Heilstod Jesu Christi in derselben Grundrichtung entfaltet wird. Die Frage, ob das Formular in Rom. 8,31—39 mehr den Aussagen von Apok. Joh. 12 oder denen des Kolosserbriefes entspricht, kann in der Schwebe bleiben. Das Motiv der Anklage läßt eher an eine Situation wie die in Apok. Joh. 12 vorausgesetzte denken, der Mächtekatalog dagegen eher an die Engelvorstellungen des Kolosserbriefes, ohne daß damit der ganze Hintergrund dieses Schreibens für Rom. 8,31—39 postuliert werden müßte 8 .

7. Die paulinische

Bearbeitung

Mit der Diskussion und Rekonstruktion des vorpaulinischen Gutes in Rom. 8,31—39 ist ζ. T. bereits ausdrücklich, ζ. T. implizit kenntlich gemacht, in welcher Weise der Apostel das von ihm übernommene Traditionsgut bearbeitet hat. Im folgenden gilt es nun, die redaktionellen Eingriffe des Paulus in Kürze zusammenzustellen und, sofern sie nicht bereits explizit genannt sind, zu verdeutlichen. So sollen zunächst (a) die Punkte hervorgehoben werden, an denen Paulus das katechetische Formular direkt modifiziert, sodann soll die Redaktion vor Augen geführt werden, durch die Paulus das vorgegebene Gut im immittelbaren Kontext, in den dies Gut eingebettet ist, interpretiert. Im Anschluß daran (b) wird eine der Fragen erörtert werden können, die dazu bewogen, den Fragenkomplex nach Tradition und Redaktion an den Anfang zu stellen: ob nämlich und in welcher Weise die paulinische Redaktion Aufschluß über die Bedeutung und Stellung von Rom. 8,31—39 innerhalb von Rom. 8 wie des Römerbriefes überhaupt gibt. 7

Vgl. Lohse, Kol. 191. Gegen Schniewind, Auferstehung 125 A. 4. Immerhin trägt der Tatbestand, daß bereits in vorpaulinischer Zeit der Bereich der Mächte als Problem angesehen wurde, auf das man, wenn auch vorerst noch in Kürze, zu antworten sich genötigt sah, dazu bei, Entwicklungen verständlich zu machen, wie sie in der im Kolosserbrief bekämpften Häresie sichtbar werden. Vgl. zum Verhältnis von Rom. 8,38 f. zu Kol. 1,15 ff. auch Gabathuler, Haupt 173 f.; Schille, Liebe 241. 8

51

7. Die paulinische Bearbeitung

α) Unmittelbare Eingriffe in die Frage-Antwort-Reihe weitere Ausgestaltung

und deren

Um den Anschluß an die einleitende Frage herzustellen („Was sollen wir nun dazu sagen?"), stellt Paulus Frage und Antwort der ersten Einheit des Formulars um und formuliert die Antwort als Bedingungssatz (V. 31). Dadurch erhält der Satz V. 31b den Charakter eines Resümees aus den vorangehenden Ausführungen, die damit als Aufweis des Fürseins Gottes für die Glaubenden interpretiert werden. Der durch die Umstellung von Frage und Antwort von deren erstem Teil getrennte zweite, in dem Relativsatz V. 32a erhaltene Teil der Antwort wird von Paulus in der Form modifiziert, daß er durch die Ergänzung von ουκ εφεισατο, αλλα und von πάντων nach υπερ ημων die Größe und Weite des Handelns Gottes unterstreicht und damit die Basis für die in V. 32b angeschlossene Folgerung verstärkt. Ähnlich umfassend ist der Eingriff des Apostels in die vierte Antwort. Hier ist der vorgegebene Mächtekatalog von Paulus einmal in einen vollständigen Satz eingefügt (πεπεισμαι γαρ οτι . . . δυνησεται κτλ.), sodann ist der Katalog selbst von ihm erweitert worden, und zwar um das Gegensatzpaar ενεστώτα — μέλλοντα sowie um das Begriffspaar θανάτος — ζωη, bei dem die Voranstellung von -θανατος bemerkenswert ist. Paulus verdeutlicht dadurch, daß nach seiner Auffassung die Macht, die den größten Feind des Christen darstellt, der Tod ist. Der ganze Abschnitt Rom. 8,31—39, dessen Basis die vorgegebene Frage-Antwort-Reihe bildet, wird von Paulus an das Vorangehende durch eine formelhafte, dem Stil der kynisch-stoischen Diatribe entlehnte Frage angeschlossen, die das Folgende als Auswertung der bisherigen Darlegungen charakterisiert. Die erste Folgerung wurde bereits in der umgestellten ersten Frage-Antwort-Einheit sichtbar. Noch mehr Gewicht trägt jedoch für Paulus die Frage, mit der er den Relativsatz der Antwort deutet: Wie sollte der Gott, der seinen eigenen Sohn dahingab für die Glaubenden, ihnen nicht mit ihm τα παντα schenken? Mit diesem Satz hält der Apostel fest, daß in dem Heilstod Jesu Christi das ganze Heil — auch das noch ausstehende — für das Gottesvolk beschlossen ist. Die Dahingabe Christi als Dokument der Liebe Gottes ist die Gewähr für den Empfang des ganzen Erbes1. Einen interpretatorisch ähnlich schwerwiegenden Eingriff hat Paulus im Anschluß an die vierte Frage vorgenommen. Die ursprüngliche Antwort wird von der Frage getrennt, indem Paulus im Fragestil Phänomene aufzählt, die den Christen in der Gegenwart bedrängen 1



Zur weiteren Auslegung von τα παντα s. unten, S. 311.

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

und als von Christus trennende Faktoren denkbar wären. Es handelt sich durchweg um Phänomene, die der Christ als Leiden erfährt. Sie werden nicht in ihrem Wirklichkeitscharakter negiert, sondern im Gegenteil durch ein angeschlossenes Schriftzitat bekräftigt, in dem das Leiden als Tod ausgelegt wird, der ενεκεν σου erlitten wird (V. 36). Dem Zitat läßt Paulus eine erste Antwort auf die V. 35a gestellte und V. 35b mit dem Peristasenkatalog ausgeweitete Frage folgen. In all den aufgezählten Widerfahrnissen überwinden die Glaubenden weit „durch den, der uns geliebt hat". Die genannten Leidensphänomene vermögen deshalb nicht von der Liebe Christi zu trennen, weil er selbst die Überwindung dieses Leidens wirkt; denn daß mit der Wendung δια του αγαπησαντος ημας Jesus Christus gemeint ist, geht einmal aus dem Zusammenhang mit V. 35, zum anderen aus dem sonstigen Gebrauch dieser Formel bei Paulus hervor 2 . Die in V. 37 ausgesprochene Gewißheit wird in V. 38.39a von Paulus, durch γαρ angeschlossen, bekräftigt, indem er mit Hilfe der vorgegebenen Antwort der vierten Frage-Antwort-Einheit zugleich die V. 35a gestellte Frage direkt beantwortet. Die sachliche Einheit zwischen dieser Antwort und dem vorangehenden Einschub wird von Paulus dadurch hergestellt, daß er den Begriff θανατος an den Anfang des Mächtekatalogs setzt. Weil die Christen das Leiden und mit dem Leiden den Tod überwinden (Y. 35b—37), darum vermag der Tod sie nicht von der Liebe Gottes in Jesus Christus zu trennen. Der Wechsel von der „Liebe Christi" zur „Liebe Gottes in Jesus Christus", den Paulus in dem den Katalog umrahmenden, abschließenden vollen Satz vornimmt, hält die Einheit von Christi und Gottes Handeln fest. Paulus kehrt damit gleichsam an den Anfang von Rom. 8,31—39 zurück: Die Liebe Gottes in Jesus Christus ist Umschreibung der Zuwendung Gottes, die in der Dahingabe Christi zum Ausdruck gekommen ist. Zugleich deutet der Apostel mit Hilfe der vollen Wendimg „in Jesus Christus unserem Herrn" an, daß jetzt eine größere sachliche Einheit seiner Ausführungen abgeschlossen ist3.

2

Siehe Philippi, Rom. 397: „Der Aorist bezeichnet den historischen Act seines (sc. Christi) Todes, in welchem eben seine Liebe sich in höchster Form manifestirt hat, vgl. Gal. 2,20. Eph. 5,25. Apok. 1,5." Vgl. ferner Romaniuk, L'amour 15 u. a. Zum formelhaften Charakter der Wendung ο αγαπησας ημας s. v. d. Osten-Sacken, Beitrag 256 ff. Auf den Zusammenhang mit der V. 35a genannten Liebe des Christus (die Lesarten του θεου Β al und του θεου της εν Χριστώ Ιησού Β Ν Or führt Lietzmann, Rom. 88 zutreffend auf Eiöfluß seitens V. 39 zurück) verweisen mit Recht Sanday-Headlam, Rom. 222. 8 Siehe oben, S. 42 A. 24.

7. Die paulinische Bearbeitung

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b) Auswertung Zur Stellung von Rom. 8,31—39 innerhalb von Rom. 8 Was läßt sich aus der aufgewiesenen paulinischen Bearbeitung des katechetischen Formulars in Rom. 8,31—39 für die Frage nach der Stellung des Abschnitts im Römerbrief entnehmen? Zweierlei vor allem will beachtet sein. Erstens: Paulus hat seinen das Kapitel beschließenden Ausführungen eine Tradition zugrunde gelegt, die die Rechtfertigung des eschatologischen Gottesvolkes zum Inhalt hat. Zweitens: Paulus bezieht diese Überlieferung auf die Frage nach der Gegenwart und Zukunft der Christen, nach der Wirklichkeit des zugesagten Heils im Angesicht von Leiden und Tod. Er überarbeitet diese Tradition, indem er seine Leser vergewissert, daß das rechtfertigende Handeln Gottes in Jesus Christus das volle Heil verbürgt (V. 32), d. h. den Sieg der Christen über Leiden und Tod einschließt (V. 35—39). Das Problem, das Paulus in Rom. 8,31—39 verhandelt, ist damit das Verhältnis der Rechtfertigungsgewißheit zur Wirklichkeit des im Leiden gegenwärtigen Todes. Freilich ist nicht zu verkennen, daß Paulus mit Rom. 8,31—39 kein im Ablauf seines Briefes gänzlich neues Thema zur Sprache bringen will, sondern daß die Ausführungen eher resümierenden Charakter haben. Darauf deuten die überleitende Frage V. 31a, die einen Einschnitt markierende volle Wendung V. 39b sowie der Charakter der Sätze in Rom. 8,31—39 hin. Denn zwar hat Paulus das katechetische Formular in der Art des Diatribenstils überarbeitet (V. 31a.35b bis 37). Aber dadurch hat der Abschnitt durchaus nicht den Charakter einer argumentierenden Darlegung gewonnen. Vielmehr hat der Apostel im Zuge seiner redaktionellen Eingriffe den auf „Glaubensgewißheit" gestimmten Ton des katechetischen Formulars in solchem Maße verstärkt (s. bes. V. 32b. 37. 38a), daß seine Ausführungen den Eindruck hymnischer Rede erwecken4. Kommt die Eigenart von Rom. 8,31—39 als Resümee dadurch vollends zur Geltung, so gilt es zu fragen, welche Gedankengänge Rom. 8,31—39 zusammenfassen. Die Uberleitungsformel V. 31a und der Inhalt der vorangehenden Ausführungen, die spätestens ab V. 18 unter dem Stichwort der παθήματα του νυν καιρού stehen, zeigen, daß Rom. 8,31—39 zuallererst auf den unmittelbaren Kontext zu beziehen sind. In diesem Sinne ist der Abschnitt Rom. 8,18—39 denn auch nach älteren Vorbildern in den neuesten Untersuchungen zu Rom. 8 als Einheit angesehen und ausgelegt worden 5 . Doch ergeben sich von zwei Seiten her Zweifel, 4

Vgl. dazu auch unten, S. 318 A. 37. Vgl. Luz, Geschichtsverständnis 369 ff. („Heil und Heillosigkeit in R. 8,18 bis 39"); Balz, Heilsvertrauen (Untertitel: „Strukturen der paulinischen Eschatologie 5

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—39

ob der Passus Rom. 8,31—39 damit sachgemäß dem Vorangehenden zugeordnet ist. Erstens erscheint es aufgrund des Duktus des Textes selbst als problematisch, zwischen Rom. 8,17 und 8,18 einen Einschnitt der Art vorzunehmen, wie er mit jener Zuordnung von 8,18—30 zu 8,31—39 gegeben ist. Denn das Thema „Leiden" ist bereits mit den letzten Satzgliedern von Rom. 8,17 (ειπερ συμπασχομεν ινα και συνδοξασθωμεν) angeschnitten. Diese beiden Sätze aber legen die zuvor gegebene Restimmung der Christen als συγκληρονομοι δε Χρίστου aus, die ihrerseits nach κληρονομοι μεν θεού zweite Interpretation des Gliedes κληρονομοι aus dem kurzen Kettenschluß V. 17a ist. Die Kette wiederum schließt mittels des Titels τέκνα aufs engste an V. 14—16 an; denn diese drei Verse sind vom Thema der Sohn- bzw. Kindschaft der Glaubenden bestimmt®. Genau dies Thema aber wird dann in V. 18 ff. weiter zur Sprache gebracht, und zwar mittels derselben Regriffe 7 . So wird aufs neue die Untrennbarkeit der Ausführungen in Rom. 8,18 ff. vom Vorangehenden dokumentiert. Es könnte zweitens nach den angeführten Beobachtungen naheliegen, einen Einschnitt entsprechend nicht nach V. 17, sondern bereits nach V. 13 vorzunehmen. Denn Rom. 8,14—30 werden ja durch das Thema der Sohnschaft der Glaubenden zusammengehalten. Doch sind auch V. 14 ff. so eng mit dem vorangehenden Text verknüpft, daß sich von einer Zäsur im strengen Sinne nicht reden läßt. V. 14 schließt begründend (γαρ) an V. 13 an und will die darin ausgesprochene Zusage weiterführen, daß die, die ihr Leben vom Geist bestimmen lassen, an der eschatologischen ζωη teilhaben werden. Diese Verheißung von V. 13 selbst ist mit V. 12 Folgerung aus den Ausführungen in Rom. 8,1 ff. und dadurch mit ihnen aufs engste verbunden. Sie bezieht ausdrücklich auf das Handeln der angeredeten Christen, was in Rom. 8,10 f., deren Zusammenhang mit Rom. 8,1 ff. außer Frage steht, bereits in allgemeinerer Form gesagt bzw. den Lesern zugesprochen ist: Der Geist ist Leben um der Gerechtigkeit willen (V. 10); wenn der Geist Gottes in den Angeredeten wohnt, dann wird Gott auch ihre sterblichen Leiber lebendig machen (V. 11). So wenig sich V. 13 und V. 14 auseinanderreißen lassen, so wenig lassen sich — entgegen einer weiteren beliebten Unterteilung dieses Textzusammennach Römer 8,18—39"). So bereits früher: Gaugier, Rom. 292 f.; Dupont, Structure 391; Leenhardt, Rom. 15 f. u. a. Bultmann (Anthropologie 204) sieht Rom. 8, 12—39 als zusammengehörig an. Vgl. dazu unten, S. 261 Α. 1. • V. 14: die Geistträger sind υιοι θεού; V. 15: die Angeredeten haben den Geist der υιοθεσία; V. 16: der Geist vergewissert sie, τέκνα θεου zu sein. 7 V. 19: υιοι του θεου; V. 21: τέκνα του θεου; V. 23: υιοθεσία. Vgl. ferner V. 29: der υιος (vgl. V. 3.32) und die πολλοί αδελφοί.

7. Die paulinische Bearbeitung

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hangs8 — Rom. 8,12 f. von Rom. 8,1 ff. abtrennen. Positiv gewendet: Wie die Abschnitte Rom. 8,14 ff. und 8,18 ff. durch das Stichwort der Sohnschaft zusammengehalten werden, so Rom. 8,1 ff. und Rom. 8, 12f.14ff.18ff. ihrerseits durch den Begriff des Pneuma, der Rom. 8,1 bis 30 in herausragender Weise beherrscht9. Sprechen bereits diese Beobachtungen dafür, daß Rom. 8,31—39 nicht erst auf Rom. 8,18 ff. zu beziehen sind, sondern bereits auf Rom. 8,1 ff., so gibt der Schlußabschnitt selbst völlige Gewißheit. Paulus hat darin eben nicht nur die Frage nach dem Leiden eingearbeitet (Y. 35b—37), sondern sie seinem Verständnis des Leidens gemäß als Frage nach dem Tod ins Spiel gebracht (V. 36.38). Dieser Zusammenhang macht deutlich, daß von dem Phänomen, das mit dem Stichwort „Leiden" bezeichnet wird, nicht erst da die Rede ist, wo ausdrücklich von παθήματα (Y. 18) bzw. συμπασχειν (V. 17) gesprochen wird, sondern daß die damit angeschnittene Frage nach dem, was der Heilsgewißheit entgegensteht, bereits den Gedankengang des ersten Teils von Rom. 8 bestimmt. Denn dem häufigen Vorkommen des Begriffes Pneuma in Rom. 8,1—30 steht — wiederum von den ersten Versen des Kapitels an — eine relativ hohe Zahl von Begriffen zur Seite, die Tod und Sterben bezeichnen10. Darüber hinaus ist das Problem gleich mit dem ersten Satz des Kapitels angezeigt: „So gibt es

8

Vgl. ζ. B. Weiß, Rom. 329; Fuchs, Freiheit 101; Barrett, Rom. 160. Er begegnet im Sinne von „heiliger Geist, Geist Gottes, Geist Christi" im Römerbrief insgesamt 30mal, davon in Rom. 8,1—30 allein 19mal, und zwar: 8, 2.4.5(2x).6.9(3x).10.11(2x).13.14.16.23.26(2x).27. Von der Erkenntnis der Bedeutung des Pneuma her begreifen Kap. 8 als Einheit: B. Weiß, Rom. 329; Sanday-Headlam, Rom. XLVI; Sickenberger, Rom. 234; Prümm, Struktur 342; Leenhardt, Rom. 115; Schmidt, Rom. 134; Tibbe, Geist 7; Käsemann, Rom. 176. Ist Rom. 8 erst einmal als Einheit begriffen, dann zeigt sich, daß auch das in V. 14 ff. aufgenommene Thema „Sohnschaft" bereits in V. 1 ff. vorbereitet ist: „Gott sandte seinen Sohn . . . " (V. 3). 10 θανατος (V. 2,6); νεκρός (V. 10.11); θνητός (V. 11); αποθνησκειν (V. 13); θανατουν (V. 13); ματαιοτης (V. 20); φθορά (V. 21). Vgl. in Entsprechung dazu auch die häufige Rede vom „Leben": ζωη (V. 2.6.10); ζωοποιειν (V. 11); ζην (V. 13). Sie wird — dem Wechsel vom „Tod (Sterben)" (V. 1 ff.) zum „Leiden" (V. 14 ff.) entsprechend — in V. 14 ff. durch die Rede von der „Herrlichkeit" bzw. vom „Verherrlichtwerden" abgelöst: συνδοξαζεσθαι (V. 17); δοξα (V. 18.21); δοξαζειν (V. 30). Siehe auch Nygren, Rom. 222 ff.: Er überschreibt seine Auslegung von Rom. 8,1—39 mit „Frei vom Tode" und korrigiert damit sachgemäß die Exegeten, die dies Thema erst in Rom. 8,12 ff. erkennen (z. B. Bultmann, Anthropologie 204; Fuchs, Freiheit 101). In dieselbe Richtung stößt Lagrange (Rom. 221) vor, wenn er — sich an der theologischen Bedeutung des Todes orientierend — resümiert: „Toute l'argumentation de Paul dans ce chapitre consiste pr£cis£ment ä itablir que la vie chr£tienne ne comporte plus de condemnation." Vgl. dazu auch im folg. 9

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,51—39

jetzt keine Verurteilung für die, die in Christus Jesus sind." 11 „Keine Verurteilung" bedeutet keine Verurteilung zum Tode12 und setzt positiv die Rechtfertigung voraus. Sofern aber damit behauptet wird, daß die Christen dem Tode entnommen sind, steht die Wahrheit der Rom. 8,1 ausgesprochenen Gewißheit mit Tod und Leiden auf dem Spiel, denen die Christen ausgesetzt sind und die zur theologischen Auseinandersetzung herausfordern. In Rom. 8,31—39 kommt Paulus auf Leiden und Tod unter Rückgriff auf die Rechtfertigungsaussagen des katechetischen Formulars zu sprechen. Genau der gleiche Vorgang läßt sich im Hinblick auf den ganzen Abschnitt Rom. 8,1—30 beobachten. Denn über den zitierten Vers Rom. 8,1 hinaus bewegt sich Paulus bis V. 13 begrifflich eindeutig im Rahmen der Rechtfertigungslehre 13 und entfaltet, den Implikationen von Rom. 8,1 gemäß, das durch Christus heraufgeführte Geschehen der Rechtfertigung. Und wenn sich der Apostel auch nach V. 13 terminologisch von diesem Komplex entfernt, so zeigt doch V. 30 mit den letzten Kettenschlußgliedern ους δε εδικαιωσεν, τουτους και εδοξασεν, daß er das Thema der Rechtfertigung auch über V. 13 hinaus durchhält. Damit möchte erwiesen sein, daß Rom. 8,31—39 sich als Resümee auf das ganze Kapitel beziehen und daß entsprechend das Thema dieses Kapitels die Frage nach dem Verhältnis der Gerechtfertigten zum Tode ist bzw. die Frage nach der Wirklichkeit des mit der δικακοσις behaupteten eschatologischen Heils im Angesicht des durch Tod und Leiden gekennzeichneten Lebens in der Zeit14. Diese Bestimmung wird nicht zuletzt durch einen Blick auf den Schluß des 7. Kapitels bestätigt, mit dem Paulus zum folgenden überleitet. Der Elendsruf des unerlösten Menschen: „Wer wird mich erretten aus diesem Todesleib?" wird von Paulus mit dem Heilsruf: „Dank aber sei Gott durch Jesus Christus unseren Herrn!" beantwortet. Der Ruf setzt voraus, daß Gott in Jesus Christus die Befreiung von diesem Todesleib bewirkt 1 1 Daß Rom. 8,1 keine nachpaulinische Glosse ist (so Ruitmann, Glossen 279), sondern ursprünglich, hat zuletzt Mattern (Gericht 91 f.) überzeugend nachgewiesen. Vgl. dazu auch unten, S. 175.226.229. Die Wiederaufnahme von κατακριμα durch κατακρινειν in Rom. 8,34 ist übrigens ein weiteres Indiz dafür, daß Rom. 8,31—39 sich auf das ganze 8. Kapitel beziehen. Lagrange (Rom. 189) weist außerdem mit Recht auf die Entsprechung der christologischen Formeln Rom. 8,3 und 8,32 hin. 12 Vgl. Rom. 1,32; 6,21.23. Rom. 5,18 stellt Paulus entsprechend κατακριμα und δικαιοσύνη ζωης, 2.Kor. 3,9 η διακονία της κατακρισεως und η διακονία της δικαιοσύνης gegenüber. Vgl. zur Sache ferner Lipsius, Rom. 143; Leenhardt, Rom. 115 und unten, S. 226 ff. 13 Vgl. Schniewind, Seufzen 93. 14 Auf den ganzen vorangehenden Teil des Kapitels beziehen Rom. 8,31—39 ebenfalls Lipsius, Rom. 142; Lagrange, Rom. 217; Nygren, Rom. 225 f.

7. Die paulinische Bearbeitung

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hat. Diese Voraussetzung läßt sich zwar aus den bisherigen Ausführungen des Römerbriefes erschließen, ihre Entfaltung aber steht aus und wird mit eben jener Zusicherung Rom. 8,1 begonnen15. Zur Stellung von Rom. 8,31—39 im weiteren

Kontext

Doch selbst wenn Rom. 8,31—39 das 8. Kapitel resümieren und so zum Postulat der Interpretation von Kap. 8 als eines geschlossenen Ganzen führen, ist nicht auszuschließen, daß der Abschnitt zugleich in näherer Beziehung zu anderen Passagen des Römerbriefes steht. So bilden Rom. 8,31—39 nach einigen Auslegern den Abschluß aller bisherigen Darlegungen in Rom. 1—816, nach anderen den von Rom. 5—817. Die sachgemäße exegetische Zuordnung des Abschnittes über Kap. 8 hinaus ist durch Dahl18 vorbereitet. Er hat Rom. 5,1—11 und Rom. 8 einem Vergleich unterzogen und als Ergebnis festgestellt, „that chapter 8 contains a fuller development of the themes which are briefly stated in 5:1—II"19. Zwar bekommt Dahl die Eigenstruktur von Rom. 8 zu wenig in den Blick, indem er das Kapitel gleichsam als Kommentar zu einzelnen Versen aus Rom. 5,1—11 betrachtet und sich außerdem den Exegeten anschließt, die Rom. 8,1—17 und 8,18—30.31—39 als zusammengehörige Abschnitte verstehen20. Doch enthalten seine Ausführungen einen Ansatz für die Überwindung dieser Verhältnisbestimmung von Rom. 5,1—11 und Rom. 8. Er findet sich in der Ergänzung, daß Rom. 8,10 f. und 8,13—17 „is a restatement of 5:5 in a fuller form, enriched by the thoughts of the digressions"'21, als die Dahl die Ausführungen in Rom. 6,1—7,25 ihrer äußeren Stellung nach bestimmt22. Hier wäre nur das Verhältnis von Rom. 8 zum vorangehenden Text dahingehend zu präzisieren, daß die paulinischen Darlegungen in Rom. 6 f. nicht nur der Abwehr von Mißverständnissen der Gesetzeslehre dienen und Reservoir zur Anreicherung der Ausführungen in Rom. 8 sind, sondern — insbesondere der Abschnitt Rom. 7,7—24 — notwendige hermeneutische VorausVgl. Sanday-Headlam, Rom. 190; Johansson, Parakletoi 271. Kühl, Rom. 306; Haering, Rom. 82; Sickenberger, Rom. 247 (je 1,17-8,30); Lagrange, Rom. 217 (3,21-8,30). 17 Krüger, Rom. 241 (5,12-8,30); Dodd, Rom. 146; Nygren, Rom. 251 (je 5,1 bis 8,30). 18 Notes 3 7 - 4 2 . » Ebd. 39. 20 Ebd. 42 f. 21 Ebd. 42. 22 Ebd. 41. Sie sollen nach Dahl auf Einwände antworten, die gegen die paulinische Lehre von der Glaubensgerechtigkeit ohne Gesetzeswerke hätten vorgebracht werden können bzw. auch vorgebracht worden sind. 15

16

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I. Form- und traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,31—59

setzung für die Beschreibung und das Verständnis der Erlösung in Jesus Christus23. Und weiter wäre den oben explizierten Erkenntnissen gemäß als „positive counterpart of 7:7—25" nicht „the section 8:1 to 11 (or, rather 8:1—17)" zu bestimmen24, sondern der gesamte Abschnitt Rom. 8,1—30 bzw. 8,1—3925. Dies gilt nicht nur, wenn man das Problem von Rom. 8 in Rom. 7,(24)25a angegeben findet, sondern auch, wenn man wie Dahl positiv in Rom. 8,1 ff. eine Entfaltung des in Rom. 7,6 angesprochenen Dienstes in der καινοτης πνεύματος sieht. Denn die Aussagen über die Bedeutung des Geistes für die christliche Existenz brechen nicht mit Rom. 8,17 ab, sondern kennzeichnen den ganzen Zusammenhang Rom. 8,1—3026. Diese Präzisierungen sind notwendig, wenn Stellung und Eigenart von Rom. 8 sachgemäß erfaßt werden sollen. Sie schränken jedoch in keiner Weise das Verdienst Dahls ein, nachgewiesen zu haben, daß Rom. 5,1—11 nicht erst in Rom. 8,18 ff.27 oder 8,31 ff.28, sondern bereits in 8,1 ff. aufgenommen werden. Der Nachweis läßt sich durch weitere Beobachtungen stützen. Dies erscheint u m so notwendiger, als die von Dahl aufgewiesenen Parallelen in Rom. 5,1—11 und Rom. 8 vor allem Rom. 8,18 ff. betreffen 29 . In Rom. 8,1—17 erkennt er folgende Bezüge auf Rom. 5,1—11: 8,1 entspreche 5,1 (wohl weil hier und dort Konsequenzen aus der geschehenen Rechtfertigung gezogen werden), Rom. 8,2—11 (bes. V. 9) und vor allem Rom. 8,11.13.14—17 seien 5,5 parallel, da beide Male der Geist als „the guarantee of hope" ausgelegt werde 30 . Es lassen sich folgende Beobachtungen hinzufügen: I n Rom. 8,3 erinnert die Aussage, daß das Gesetz aufgrund der Sarx „schwach" war, an das Bekenntnis Rom. 5,6, daß Christus gestorben sei, „als wir schwach waren", in Rom. 8,7 die entsprechende Feststellung, daß das Trachten des Fleisches „feindlich gegen Gott" sei, an das zu Rom. 5,6 parallele Bekenntnis Rom. 5,10, daß „wir" durch den Tod des Gottessohnes versöhnt wurden, „als wir Feinde waren". In Rom. 8,3 ist sodann zum erstenmal nach Rom. 5,10 wieder von Jesus Christus als „Sohn (Gottes)" die Rede, in Rom. 8,6 zum erstenmal nach Rom. 5,1 von „Frieden" als eschatologischem Heilsgut. Schließlich wird m a n nicht fehlgehen, wenn m a n auch in den Qal-Wachomer-Schlüssen Rom. 23

Vgl. dazu unten, S. 157 f. 218. So Dahl, a.a.O. 41. 25 Vgl. oben, S. 10 mit A. 12. 26 Siehe oben, S. 55 mit A. 9. 27 So ζ. B. Dupont (Structure 391) m i t der Behauptung, die von Dahl aufgezeigten Parallelen bezögen sich nur auf den zweiten Teil von Kap. 8. Vgl. dazu im folg. 28 So Fuchs (Freiheit 118), der meint, daß der Passus Rom. 8,31—39 nicht zum unmittelbar vorangehenden Text gehöre, „sondern dem einleitenden Abschnitt 5,1 bis 11 entspricht" — wie aufgezeigt, eine falsche Alternative. 28 Notes 37 f. Die Bezüge zwischen 5,1 ff. und 8,17 ff. sind so eklatant, daß sie an dieser Stelle nicht im einzelnen aufgeführt zu werden brauchen. M a n vergleiche nur beide Abschnitte im Hinblick auf die Begriffe δόξα, ελπις und θλίψεις bzw. παθήματα. Vgl. ferner unten, S. 124 ff. 80 A.a.O. 42. u

7. Die paulinische Bearbeitung

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5,8—10 und der folgernden Vergewisserung Rom. 8,11 parallele Züge erkennt. Hinter dem aufgewiesenen terminologischen Zusammenhang verbirgt sich ein sachlicher. Während Paulus in Rom. 5,6—11 auf der Basis der Christologie vergewissert, daß die als Schwache (Gottlose, Sünder) Gerechtfertigten bzw. die als Feinde Versöhnten um so mehr der eschatologischen Rettung teilhaftig sein werden, expliziert er in Rom. 8,1 ff. anthropologisch-soteriologisch, worin Schwachheit und Feindschaft der Nichtglaubenden begründet und inwiefern die Glaubenden beidem entnommen sind, so daß sie den Tod nicht zu fürchten brauchen. Das heißt, Paulus entfaltet in Rom. 8,1 ff., wie sich das Leben der Gerechtfertigten im Angesicht des Todes vollzieht, während er in Rom. 5,6—11 aus der geschehenen Rechtfertigung bzw. Versöhnung folgert, daß sie der Zukunft gewiß sein können. Rom. 8,1 ff. sind insofern notwendige Füllung des Rahmens, der mit den Aussagen in Rom. 5,6—11 abgesteckt ist. Beide Male geht es um dieselbe Frage nach der Wirklichkeit des Heils der Gerechtfertigten angesichts des Todes®1, eine Feststellung, die für Rom. 8,1 ff. durch die Folgerung V. 11 ausdrücklich bekräftigt wird. Der im vorangehenden erweiterte Nachweis Dahls, daß Paulus bereits in Rom. 8,1 ff. die A u s f ü h r u n g e n von Rom. 5,1—H a u f n i m m t , ermöglicht zusammen mit den Feststellungen zum Verhältnis von Rom. 8,31—39 zu Rom. 8,1—30 als erste Näherbestimmung, daß der Schlußabschnitt von Kap. 8 als Restandteil des ganzen Kapitels, also indirekt, den Abschluß auch des in Rom. 5,1—11 Angedeuteten bildet. Doch läßt die Rom. 5,1—11 und Rom. 8 vergleichende Tabelle Dahls erkennen, daß sich Rom. 5,1—11 und Rom. 8,31—39 in einer zentralen theologischen Aussage über Rom. 8,1—30 hinaus berühren, und zwar in der Deutung des göttlichen Handelns als Ausdruck der Agape Gottes 32 . Deshalb wird m a n präzisieren müssen, daß Paulus Rom. 8,31—39 nicht n u r als Resümee von Rom. 8,1—30 verstanden und indirekt auf Rom. 5,1—11 Bezug genommen hat, sondern daß er ausdrücklich auf den A n f a n g seiner Darlegung in Rom. 5—8 zurückkommt. Dahl h a t sodann auf einen weiteren sachlichen Zusammenhang zwischen Rom. 5,1—11 und 8,31—39 aufmerksam gemacht. Er stellt in seiner Synopse von Rom. 5,1—11 und Rom. 8 die W e n d u n g

31 Daß auch in Rom. 5,1—11 der Tod als Problem im Hintergrund steht, geht nicht nur daraus hervor, daß Paulus in 5,3 von den Trübsalen, d. h. Leiden spricht, sondern zeigt sich auch daran, daß er in 5,1 nicht die — wie Rom. 8,6 zeigt — zusammengehörigen eschatologischen Gaben Frieden und Leben für die aus Glauben Gerechtfertigten in Anspruch nehmen kann, sondern „nur" den Frieden. Und es kommt weiter darin zum Ausdruck, daß der Apostel das σωζεσθαι der Gerechtfertigten und Versöhnten in 5,6—11 als zukünftiges Geschehen anspricht, insofern nämlich die damit ausgesagte Heilsdifferenz darin begründet ist, daß die Glaubenden noch dem Tod und damit der Zeit ausgesetzt sind. Zu Rom. 5,1—11 vgl. im übrigen auch unten, S. 124 ff. 160 ff. 92 Notes 38. Vgl. schon Sanday-Headlam, Rom. 224; s. ferner Conzelmann, Theol. NT 314.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

καυχωμενοι εν τω θεω (Rom. 5,11) neben Rom. 8,„31—39 passim"33. Es darf dies als die treffendste Bezeichnung des Stückes gelten. Es ist nicht hymnisches Lob Gottes, sondern Sichrühmen der Glaubenden angesichts ihrer von Gott durch Jesus Christus heraufgeführten heilvollen Situation. So hat der Abschnitt Rom. 8,31—39 eine doppelte Funktion: Er faßt die Ausführungen von Rom. 8,1—30 zusammen und bildet, bewußt Elemente aus Rom. 5,1—11 aufnehmend und damit an den Ausgangspunkt zurückführend, zugleich den Abschluß des ganzen Zusammenhangs Rom. 5—834. Im Hinblick auf ihre literarische Gestaltung lassen sich diese vier Kapitel des Römerbriefes damit in der Tat als umfangreiche Ringkomposition bezeichnen35.

Π. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30 1. Überlegungen zur Gliederung von Rom. 8,1—30 Als nächstes stellt sich, ohne daß damit die These von der Geschlossenheit von Rom. 8 angetastet wird, die Frage nach einer sinnvollen Abgrenzung einzelner Abschnitte des Kapitels, die dann auf verarbeitete Traditionen hin zu befragen sind. Ihre Lösung ist bereits durch 33 A.a.O. Vgl. auch Sanday-Headlam, Rom. 221 zu V. 35: „We have here a splendid example of καυχησις εν #λιψεσιν of which Paul wrote in ch. V.3 ff." Die Kennzeichnung von Rom. 8,31—39 als „erneuerte(s) Bekenntnis des Glaubens" (Fuchs, Freiheit 115) erscheint deshalb nicht geeignet, die Eigenart des Abschnittes zu kennzeichnen. Im wesentlichen sachgemäß dagegen Althaus, Rom. 96: „Preis der Freiheit eines Christenmenschen." 34 So auch Nygren, Rom. 225 f. 35 Conzelmann, Weisheit 232; Theol. N T 314 und l.Kor. 53 Α. 1. Vgl. zur Bedeutung dieses Stilmittels im N T Schmid, Komposition. Schmid untersucht allerdings Evangelien und Apostelgeschichte und h a t es dort fast durchweg mit kleinen Einheiten zu tun, selten mit sog. Großringen (ebd. 136 ff.) im U m f a n g von 10 oder mehr Versen, geschweige denn mit umfassenden Komplexen wie Rom. 5—8. Der Zusammenhang Piaton, Politeia 451e—456b, an dessen Ende sich der locus classicus f ü r die Definition der Ringkomposition findet (ηκομεν αρα εις τα πρότερα περιφερόμενοι = „wir kommen also im Kreis zu unserem Ausgangspunkt zurück"; Übers. Honeffer, s. Schmid, ebd. 12), zeigt jedoch, daß sich durchaus auch größere Gebilde als Ringkompositionen geltend machen lassen.

1. Überlegungen zur Gliederung von 8,1—30

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die vorangegangenen Beobachtungen angebahnt. Wie dargetan, schließt Rom. 8,14 zwar aufs engste an Rom. 8,13 an, so daß eine Abtrennung des Folgenden untersagt ist, weil etwa ein völlig neues Thema zur Sprache gebracht würde. Doch wurde zugleich festgestellt, daß der Abschnitt Rom. 8,14—30 ungeachtet dessen terminologisch durch die Prävalenz des Begriffs der Gottessohnschaft der Christen zusammengeschlossen wird und sich vom Kontext abhebt. Eine weitere Beobachtimg terminologischer Art tritt hinzu. In Rom. 8,1—13 wird die Frage nach der Wahrheit des als gegenwärtig behaupteten eschatologischen Heils im Angesicht der Wirklichkeit mittels der antithetischen Nomina Tod und Leben bzw. der entsprechenden Verben sterben und leben entfaltet 1 . In Rom. 8,14—30 tritt an ihre Stelle die Antithese Leiden—Herrlichkeit bzw. mitleiden—mitverherrlicht werden2. Deutet die Korrespondenz der Begriffe auf die Kontinuität des Themas in 8,1—13 und 8,14—30 hin, so unterstützt der Tatbestand des Begriffswechsels den Schritt, die beiden Abschnitte zwar nicht zu trennen, aber doch zu unterscheiden. Die erst im folgenden weiter auszuführende Feststellung, daß Paulus in Rom. 8,1—13 wenig, in Rom. 8,14 bis 30 dagegen in verhältnismäßig großem Umfang geprägtes Traditionsgut verarbeitet, kann in diesem Zusammenhang kaum als Zufall gelten. Sie bekräftigt in der Annahme, daß der Zusammenhang Rom. 8,1—30 in der angegebenen Weise zu untergliedern ist3. Den dargelegten Beobachtungen gemäß betrifft das Postulat der Untrennbarkeit der Ausführungen bei der Interpretation den abgehobenen Abschnitt Rom. 8,14—30 in noch höherem Maße als den umfassenden Zusammenhang Rom. 8,1—30. Im Rahmen der Rückfrage nach verarbeitetem Traditionsgut (und auch der Übersichtlichkeit halber) empfiehlt sich jedoch auch hier eine Untergliederung in kleinere Abschnitte. Rom. 8,14—17 werfen das Thema „Geist und Sohnschaft" auf und qualifizieren es christologisch. Wie immer das Verhältnis von V. (14 bis) 17 und V. 18 (ff.) zu beurteilen ist, mutet V. 18 auf den ersten Blick wie ein Neueinsatz an. Ein weiterer Einschnitt läßt sich sodann nach Rom. 8,27 vornehmen. In diesem Vers begegnet die letzte Geist-Aussage innerhalb des ganzen Kapitels. Darüber hinaus werden Rom. 8,28—30 durch den Be1 Vgl. V. 2. 6: ζωη — θανατος; V. 10: νεκρός — ζωη; V. 13: ζην — αποθνησκειν (vgl. ferner V. 11: ζωοποιειν und V. 13: θανατουν). Siehe bereits oben, S. 55 Α. 10. 2 Vgl. V. 18: παθήματα — δόξα (vgl. V. 20 f.: ματαιοτης/φθορα — δόξα); V. 17: συμπασχειν — συνδοξαζεσθαι (vgl. Υ. 29 f.!). Siehe bereits oben, a.a.O. 3 Vgl. dazu auch Lipsius, Rom. 130.136; Gaugier, Rom. 285.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

griff der Vorhersehung bzw. Vorherbestimmung thematisch zusammengehalten 4 . Der mittlere, umfangreichste Teil Rom. 8,18—27 verbleibt nicht nur als „Restbestand", sondern entzieht sich aufgrund seiner eigenen Struktur einer weiteren Untergliederung, wie bei seiner näheren Erörterung deutlich werden wird. Rom. 8,14-30 sollen in Teil Α der Arbeit vor Rom. 8 , 1 - 1 3 behandelt werden. Diesem Ansatz folgend soll auch die Diskussion der einzelnen ausgegliederten Abschnitte in Rom. 8,14—30 eröffnet werden. Das heißt, es wird bei der traditionsgeschichtlichen Rückfrage von Rom. 8,28—30 her auf den Anfang des Abschnittes Rom. 8,14 bis 30 zugegangen, von dort weiter auf den Beginn des ganzen Kapitels. Dies auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnliche Vorgehen empfiehlt sich aus mehreren Gründen. Die Gliederung der Deutung von Rom. 8 in einen Tradition und Redaktion scheidenden (A) und einen der zusammenhängenden theologischen Auslegung des Kapitels gewidmeten Teil (C) sucht dem Tatbestand zu entsprechen, daß der erstgenannte Arbeitsgang zwar für die Interpretation von hoher Bedeutung, aber letztlich eben doch Vorarbeit für die zu leistende theologische Durchdringung ist. Die denkbare Integration von Teil Α in Teil C erübrigte vielleicht diese oder jene Rückerinnerung an früher Auf gewiesenes, ginge jedoch aufgrund der notwendigen Intensität der traditionsgeschichtlichen Erörterungen zu Lasten des im letzten Teil (C) angestrebten Versuchs, Rom. 8 sowohl in seinem eigenen inneren Zusammenhang als auch in dem mit Rom. 5—7 gegebenen transparent zu machen. Mit dem für Teil Α gewählten „modus recedendi" nun soll zum einen vermieden werden, daß Rom. 8 zweimal in derselben Folge durchgegangen wird, zum anderen — und dieser Grund wiegt schwerer — vermag auf diese Weise die unerläßliche Interpretation von Rom. 5—7 literarisch und theologisch integriert zu werden. In dem Augenblick, da im Rahmen von Teil Α Rom. 8,1 ff. in ihrem unlöslichen Zusammenhang mit Rom. 5—7 erkennbar werden, werden diese Kapitel in die Untersuchung einbezogen (Teil B), und zwar als zweite Voraussetzung der dann erst möglichen und sich unmittelbar anschließenden theologischen Interpretation von Rom. 8 (Teil C).

4 Damit soll in keiner Zusammenhang zwischen άγιοι (V. 27), αγαπωντες αγαπητοί, κλητοι άγιοι im

Weise bestritten werden, daß nicht auch ein sachlicher V. 27 und V. 28 besteht. Vgl. allein schon die Titelfolge τον θεον, κλητοι (V. 28) mit der Anrede der Römer als Präskript (Rom. 1,7). Siehe auch unten, S. 282 f.

2. Überliefertes Gut in 8,28-30

2. Überliefertes Gut in Rom.

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8,28-30

a) Rom. 8,28: Die Sentenz Der Abschnitt Rom. 8,28—30 beginnt mit der Feststellung: οιδαμεν δε οτι τοις αγαπωσιν τον θεον παντα συνεργεί1 εις αγαθόν, τοις κατα προθεσιν κλητοις ουσιν. Der mittlere Teil des Satzes ist unschwer als für sich verständliche Sentenz zu erkennen und entsprechend bereits als traditionelles Gut bestimmt worden2. Die Frage der Herkunft ist jedoch umstritten. Teils begnügt man sich mit der neutralen Feststellung, es handle sich um einen „überlieferten Lehrsatz"3, teils spricht man von einem „Lehrsatz aus der jüdischen Tradition"4, teils von einem „christlichen Lehrsatz"5. Religionsgeschichtliche Parallelen liegen aus verschiedenen Bereichen der Umwelt des Neuen Testaments vor: Sprüche Achikars 167®: „Der Gerechte unter den Menschen — alle (sc. Menschen oder: Ereignisse), die ihn treffen, kommen ihm zu Hilfe." 7

Berakhoth 60b8: „Immer gewöhne sich ein Mensch zu sagen: Alles, was der Allbarmherzige tut, tut er zum Guten."

1

Die Lesart ο θεος nach συνεργεί ist zwar von wertvollen Handschriften (p4e Β Α), doch insgesamt einseitig bezeugt und wird mit Recht von der Mehrzahl der Ausleger als nicht ursprünglich angesehen. Vgl. zur Begründung weiter Zahn, Rom. 414 A. 38. 2 Vgl. J. Weiß, l.Kor. 58: οιδαμεν kennzeichne den Satz „als nicht von ihm (sc. Paulus) selber geprägten", die abschließende Apposition sei paulinische Erläuterung. 5 Michel, Rom. 210. 4 Fuchs, Freiheit 113; vgl. Schille, Liebe 231. 5 Luz, Geschichtsverständnis 250. ®pin 'Π1Π1Μ bD fnij/3 n[b>:]k p n [ x ] . Zum Text und zur Auslegung dieser Parallele s. J. B. Bauer, Rom. 8,28, S. 106 ff. Bauer macht wahrscheinlich, daß „alle" eher auf Ereignisse als auf Menschen zu beziehen ist. 7 Philippi (Rom. 382 f.) verweist auf Jes. Sir. 39,27 als mit Rom. 8,28 verwandtes Zeugnis aus dem weisheitlichen Raum: „Alles dies (sc. die genannten Schöpfungsgaben) dient den Guten zum Guten, ebenso wandelt es sich für die Bösen in Böses." (LXX: ταύτα παντα τοις ευσεβεσιν εις αγαθα ούτως τοις αμαρτωλοις τραπησεται εις κακα.) Aber hier fehlt gerade der entscheidende Gedanke, daß sich auch Widrigkeiten den Frommen zum Guten wenden. 8 Bill. III, 256. Aramäischer Text: .T3JT ata'? «Jörn T 3 j n "ID11? DI Κ ΚΓΡ D^iy"?

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

Corpus Hermeticum 9,4 9 : „Der wahrhaft Fromme, der über die Gnosis verfügt, wird alles ertragen. Denn für einen so Beschaffenen ist alles gut, auch wenn es nach Auffassung der anderen schlecht ist."

Plotin, Enneades IV 3,16 10 : „Und ist der Leidende gut, so läuft das Unrecht am Ende auf ein Gutes hinaus."

Wie bereits ein flüchtiger Vergleich dieser Aussagen zeigt, entspricht der in Rom. 8,28 zugrundeliegende Satz am wenigsten dem Spruch, der am häufigsten als Parallele zitiert und als Begründung für den jüdischen Charakter der Sentenz angeführt wird 11 , dem u. a. Rabbi Akiba zugeschriebenen Wort (Berakhoth 60b). Denn anders als in den übrigen Parallelen und in Rom. 8,28 selbst ist hier erstens Gott Subjekt 12 der Aussage und geht es zweitens nicht unmittelbar um die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu den ihn betreffenden Geschehnissen, insbesondere zum Leiden und Schlechten; sondern es handelt sich zunächst ganz allgemein u m eine grundsätzliche qualitative Definition des göttlichen Handelns, die sich dann freilich, wie der Kontext mit dem Paradigma Rabbi Akibas lehrt, auf jenes Problem der Stellung des Menschen zu bedrohlichen Phänomenen beziehen läßt. Die breite Streuung und die inhaltliche Eigengestalt der Parallelen verdeutlichen sodann, daß die in dem traditionellen Satz Rom. 8,28 ausgesprochene Überzeugung eine theologische Folgerimg darstellt, die keiner bestimmten Religion allein eigen ist, sondern unabhängig voneinander überall dort hervorgetrieben wird, wo man das Theodizee-Problem anthropologisch zu bewältigen sucht. Wenn trotz dieser einschränkenden Beobachtungen für jüdische Herkunft des vorpaulinischen Satzes in Rom. 8,28 plädiert wird, so vor allem aufgrund der Bezeichnung der Frommen als οι αγαπωντες tov θεον. Sie ist im Alten Testament 13 und im antiken Judentum 1 4 geläufig und begegnet im Neuen Testament vorwiegend in Aussagen, die nachweislich jüdisches Uberlieferungsgut sind oder auf jüdischen • ο μεντοι θεοσεβης παντα υποστησει αισθομενος της γνωσεως· παντα γαρ τω τοιούτα», καν τοις άλλοις τα κακα, αγαθα εστίν. Auf diese und die folgende Stelle hat Bauer (Wb 1559) aufmerksam gemacht. 10 ει δ' αγαθός ο παθών, εις αγαθόν η τελευτη τούτων. Übers, nach Harder. 11 Vgl. z.B. Lietzmann, Rom. 87; Gaugier, Rom. 330; Leenhardt, Rom. 132 A. 2; Michel, Rom. 210; Schille, Liebe 231 A. 7; Käsemann, Rom. 232. 12 Vgl. oben, Α. 1 und im folg. 13 Vgl. Ex. 20,6; Dtn. 5,10; 7,9; Ps. 96 (97),10; 121 (122),6; 14+ (145),20; Neh. 1,5; Dan. 9,4. 14 Vgl. Tob. 13,14; 14,7; Jes. Sir. 1,10; 2,15.16; 31,19; Bei. 38; 1QH XVI, 13; T. Sym. 3,6; T. Benj. 3,1.

2. Überliefertes Gut in 8,28-50

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Sprachgebrauch zurückgehen 15 . Freilich ist die Möglichkeit einzuräumen, daß der Spruch Rom. 8,28 bereits vor seiner A u f n a h m e durch Paulus von christlichen Kreisen rezipiert war. Die Interpretation der Sentenz in ihrer vorpaulinischen Gestalt stößt auf nicht geringe Schwierigkeiten. Zwar ist die Frage nach dem Subjekt des Satzes anders als im paulinischen Zusammenhang kein Problem; denn es wäre gewaltsam, παντα als Akkusativ der Beziehung und ο θεος auch ohne ausdrückliche N e n n u n g als Subjekt anzusehen 16 . Doch welchen Sinn h a t die Bezeichnung οι αγαπωντες τον θεον, wie ist es zu verstehen, daß ihnen „alles zum Guten συνεργεί = mitwirkt bzw. ,verhilft' 1 7 "? Einige Exegeten haben das Verständnis nicht von Gott, sondern von παντα als Subjekt des Satzes mit der Begründung abgelehnt, Paulus sei kein Vertreter der Devise „it will all come right in the end" 1 8 . Doch selbst wenn m a n von Paulus absieht, wäre dieser Einwand n u r stichhaltig, wenn die Sentenz allgemein mit τοις άνθρωπο ις begänne. Entsprechend liegt genau in der eingrenzenden Bestimm u n g τοις αγαπωσιν τον θεον der Schlüssel zum Verständnis des Satzes. Sie nennt den Kreis derer, f ü r die das Folgende zutrifft. Unter dieser Bedingung 1 9 der Liebe zu Gott wirkt alles zum Guten zusammen. Es wird also keinem Bewahrungsmechanismus das Wort geredet, sondern ein Geschehen benannt, in dem die Angesprochenen tätig sind. Es geht u m die Stellung der Gott Liebenden zu „allem", was sie treffen kann. Beachtet m a n diese Relation, so gewinnt auch der Sinn des Verbs συνεργειν deutlichere Konturen. Zwar bezeichnet es als transitives Verb ein Agieren des παντα; da diese Wirkung „aller Dinge" aber abhängig ist von denen, die sie betreffen, sind die Dinge selbst nur scheinbare Akteure zum Guten hin. In Wirklichkeit werden sie bzw. sollen sie nach Auffassung der Sentenz von den Gott Liebenden in den Dienst zum Guten gestellt werden. Deshalb erscheint Luthers Übersetzung von συνεργειν als sachgemäß: Denen, die Gott lieben, dienen alle Dinge zum Besten 20 . Wer aber sind die, die Gott lieben? Die Frage stellt sich u m so mehr, als der partizipiale Ausdruck formelhaft klingt 21 . Eine eindeutige Bestimmung erscheint unmöglich. Immerhin läßt sich feststellen, daß die Liebe zu Gott nach einer großen Anzahl von Stellen im Alten 15 Vgl. l.Kor. 2,9; 8,3; Jak. 1,12; 2,5. In Eph. 6,24 ist Objekt des αγαπαν der Kyrios Jesus Christus. 18 So — allerdings im Zusammenhang bei Paulus — ζ. B. Lipsius, Rom. 141. 17 So Bauer, Wb 1559. 18 Dodd, Rom. 138; vgl. auch Black, Interpretation 168. 19 So bereits Philippi, Rom. 383; vgl. auch Dinkier, Prädestination 248. 20 WA Bibel 7, 55. Luther (Epistel-Auslegung I, 154) interpretiert allerdings, daß der Geist alles zum Besten dienen lasse. Vgl. dazu unten, S. 279 mit A. 82. 21 Michel, Rom. 210.

5 Osten-Sacken, Römer 8

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Testament und in der Literatur des antiken Judentums sich im Halten der Gebote manifestiert, sei es, daß der Forderung der Gottesliebe die des Gesetzesgehorsams an die Seite gestellt22, sei es, daß die Bezeichnung οι αγαπωντες τον ·θεον um die Bestimmimg και φυλασσοντες τας εντολας (ο. ä.) ergänzt wird23. Dies deutet darauf hin, daß die Sentenz im jüdischen Raum auf die Gesetzestreuen bezogen wurde. Freilich gilt es, um einem vorschnellen synergistischen Mißverständnis vorzubeugen, ebenfalls im Auge zu behalten, daß „denen, die Gott Heben" nach alttestamentlich-jüdischer Auffassimg der Zuspruch der göttlichen Barmherzigkeit und Fürsorge gilt24. Wenn deshalb die Rom. 8,28 aufgenommene Sentenz als jüdische Aussage in dem Sinne verstanden wird, daß denen, die als Gott Liebende die Gebote halten, alles zum Guten förderlich ist25, so ist dabei mitzuhören, daß sie dazu in der Lage sind, weil sie der Bewahrung durch Gott gewiß sein dürfen 26 . Und noch ein weiteres will beachtet sein. Es besteht zu Recht Einhelligkeit in der Auffassung, daß die nachklappende Dativapposition in Rom. 8,28b auf Paulus zurückgeht. Der Grund für die Ergänzung wird durchweg darin gesehen, daß der Apostel das Verständnis der Liebe zu Gott als menschliche Leistung abwehren und sicherstellen wolle, daß die Möglichkeit der Liebe im vorgängigen erwählenden Handeln Gottes begründet sei. Gegen diese Interpretation ist grundVgl. ζ. B. Dtn. 11,1; 30,16; T. Benj. 3,1. Μ Vgl. z.B. Dtn. 5,10; 7,9; Dan. 9,4; 1QH XVI, 13. Quell (ThWb I, 28) verweist außerdem auf die verwandten Zusammenstellungen „ihn lieben und ihm dienen" (Dtn. 10,12; 11,13; Jes. 56,6) und „ihn lieben und auf seinen Wegen gehen" (Dtn. 10,12; 11,22; 19,9; 30,16; Jos. 22,5; 23,11). Davon freilich, daß hier „etwas gewaltsam . . . die Liebe mit dem kultischen und ethischen Verhalten" verkoppelt würde (Quell, ebd.), kann nur die Rede sein, sofern man Liebe zu Gott zunächst von allen konkreten Bezügen löst, als an Vertrauensseligkeit grenzendes „Grundgefühl der Frommen" bestimmt und jede kultische und ethische Konkretion als „Abgleiten" versteht (Quell, ebd. 27 f.; sachgemäßer ebd. 28 A. 50). Vgl. dazu auch zutreffend Grayston, Election 579 zu Rom. 8,28: ,„'Those who love God' is a corporate expression, a way of referring in traditional language to the People of God. And the love referred to does not mean in the first place a deep emotional attachment to God, but a total devotion and obedience." 24 Vgl. z.B. Dtn. 7,9: ο φυλασσων . . . ελεος τοις αγαπωσιν αυτόν; ferner Ex. 20,6; Dtn. 5,10; Ps. 144(145),20; Tob. 13,12.14; Jes. Sir. 31,19; Bel 38. 25 So übersetzt zutreffend Zahn, Rom. 414; ebenso Michel, Rom. 210 mit Belegen aus den T. Patr. 28 Es fällt im übrigen auf, daß die Wendung „Gott lieben" besonders häufig in weisheitlichen und solchen Texten begegnet, die wie Dtn. ein ausgeprägtes pädagogisches Interesse haben. Von daher und angesichts der genannten Parallele zu Rom. 8,28 in den Achikarsprüchen legt sich die Vermutung nahe, daß es sich bei dem in Rom. 8,28 erhaltenen traditionellen Satz um einen jüdischen Lehrsatz weisheitlicher Herkunft handelt.

2. Überliefertes Gut in 8,28-30

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sätzlich nichts einzuwenden. Sie ist jedoch unzutreffend, sofern darin der Gedanke enthalten ist, diese Präzisierung Rom. 8,28b sei spezifisch paulinisch und überschreite den Rahmen möglicher jüdischer Aussagen. Denn der Zusammenhang zwischen Liebe zu Gott und Erwählung durch Gott ist bereits in der jüdischen Tradition hergestellt27. So ist die Frage nach spezifisch paulinischen Interpretamenten in Rom. 8,28—30 nach Erörterung von V. 28 durchaus noch offen. Die Dativapposition in Rom. 8,28b hat zunächst einmal literarische Funktion: Sie bereitet die Anknüpfung des Kettenschlusses Rom. 8,29 f. vor, der die Feststellung Rom. 8,28 begründen soll. Dies läßt erwarten, daß die paulinischen Intentionen in Rom. 8,28—30 am ehesten in den Aussagen des Kettenschlusses aufzufinden sind. b) Rom. 8,29 f.: Die Goldene Kette Diese Erwartung, daß der Kettenschluß Aufschluß über das paulinische Verständnis von Rom. 8,28 gibt, wird freilich zunächst dadurch gedämpft, daß seit geraumer Zeit auch die von den Kirchenvätern sog. catena aurea Rom. 8,29 f. als traditionelles Element gilt. Für die Einschätzimg der beiden Verse als vorpaulinisches Überlieferungsfragment konnten Reobachtungen terminologischer28, sachlicher29 17 Sap. Sal. 3,9; 1QH XVI, 13. Vgl. weiter Conzelmann, l.Kor. 168 zu l.Kor. 8,3 („Wer Gott liebt, der ist von ihm erkannt."): Paulus denkt „an den konkreten Akt der Erwählung. Es liegt eine feste Wendung jüdischer Tradition zugrunde." 28 Schille (Hymnen 89 A. 7), der als erster Beobachtungen zum Charakter von Rom. 8,29 f. als vorpaulinischer Überlieferung zusammengestellt hat, verweist auf προγινωσκειν (nur noch Rom. 11,2), πρωτοτοκος (nur hier in den zweifelsfrei echten Paulinen) und δοξαζειν „in diesem Sinne (sonst nur für Gott oder stark eingeschränkt)" als seltene Vokabeln bei Paulus. Zu προοριζειν vgl. Luz, Geschichtsverständnis 251; ebd. das Resümee: „Von den verwendeten Verben ist nur

καλεω und δικαιοω paulinisch."

29 Schille (Hymnen 90 A. 9) führt ins Feld, daß sich die Gleichgestaltung bei Paulus „nur auf das Mitsterben (Rom. 6)" beziehe, während hier vom Tode nicht die Rede sei. Doch trifft die erste Beobachtung nicht zu, wie ein Blick auf Rom. 6,5 zeigt. Auch die Begründimg von Luz (Geschichtsverständnis 251 A. 86), daß Paulus die Gleichgestaltung erst für die Zukunft erwartet habe, „während die Tradition, wie die Aoriste zeigen, vermutlich an die Gegenwart dachte", erscheint nicht überzeugend. Denn die Behauptung über das paulinische Verständnis ist durchaus diskussionswürdig (vgl. unten, S. 279 ff.), und die Vermutung zum ursprünglichen Verständnis der Tradition wird durch die Beobachtung erschüttert, daß die Aussage über die Gleichgestaltung ursprünglich wahrscheinlich nicht zum Kettenschluß gehörte (vgl. im folg.). Als sachliches Argument für die Annahme eines Überlieferungsfragmentes in V. 29 f. ist jedoch der Hinweis von Schille (a.a.O.) und Luz (a.a.O. 251) auf den Aorist εδοξασεν in V. 30 zu respektieren, der den Paulus-Interpreten seit eh Schwierigkeiten bereitet hat. Allerdings erwartet Paulus gegen Schille und Luz die Verherrlichung sonst nicht erst von der Zukunft, sons'

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

und stilistischer80 Art geltend gemacht werden. Formgeschichtlich wurde die Uberlieferung der Gattung Hymnus zugewiesen („hymnisches Fragment" 31 ), als Sitz im Leben die Taufe vermutet 32 . Mit Recht ist jedoch diese Sicht, der gemäß Rom. 8,29 f. zwar als fragmentarische, aber in sich geschlossene und zusammengehörige Tradition zu verstehen sind, noch einmal modifiziert worden. Denn die Klassifikation der Überlieferung als hymnisches Fragment, für die bisher keine hinreichende Begründung vorgebracht worden ist, dahingestellt, handelt es sich in Rom. 8,29 f. der Form nach zunächst um einen Kettenschluß. Dieser Kettenschluß aber wird in V. 29 durchbrochen, indem das zweite Glied (προωρισεν) durch eine längere Wendung näher bestimmt wird, eine Stilwidrigkeit, die die Stringenz und Einprägsamkeit der Kette und damit deren wesentliche Merkmale antastet. Es ist schwer vorstellbar, daß diese Verletzung der Form des Kettenschlusses bereits im Vollzug der mündlichen Überlieferung bzw. bei der Entstehung der Kette selbst stattgehabt hat, da sich nach den Erkenntnissen der Formgeschichte die mündliche Tradition gerade durch ihre Formgebundenheit zu erkennen gibt. Deshalb ist Grayston im Recht, wenn er aus der einfachen Beobachtung, „that the two clauses of 29bc break into the sorites", folgert, diese Näherbestimmung gehöre vermutlich nicht zur von Paulus zitierten Tradition, sondern zeige deren paulinische Interpretation an33. Freilich ist dem kann von ihr — wenn auch in Anlehnung an eine vermutlich traditionelle Aussage (s. unten, S. 73 f. mit A. 49) — durchaus auch als von einem bereits gegenwärtigen Geschehen sprechen (2.Kor. 3,18; vgl. außerdem unten, a.a.O. und S. 285 A. 106). 30 Schille (Hymnen 89 A. 8) will „zwei Trikola im Schema Bestimmung/Erfüllung" erkennen, verkennt dabei jedoch V. 29b. Überzeugender verweist Luz (Geschichtsverständnis 251) auf die Herkunft von προγινωσκει/ν und προοριζειν aus der liturgischen Sprache. Doch bedürfte seine Feststellung (ebd.), daß der Kettenschluß „stark hymnisch" wirke, ebenfalls näherer Ausführung, um mehr als eine reine Vermutung zu sein. Die mit der Behauptung von Luz gestellte Gattimgsfrage ist vielmehr an der Erkenntnis zu orientieren, daß es sich um einen Kettenschluß handelt. Vgl. im folg. 81 Käsemann, RGG3 II, 994; ebenso Stuhlmacher, Erwägungen 28, jeweils ohne nähere Begründung. In seinem Kommentar (Rom. 233) spricht Käsemann von einem „liturgischen Traditionsstück". Vgl. hierzu auch A. 33. 32 Vgl. Schille (Hymnen 89 f.), der die Tradition unter den „taufliturgischen Formeln" aufführt und in Anlehnung an Reitzenstein (Mysterienreligionen 252 ff.) darauf hinweist, daß Berufung, Rechtfertigung und Verherrlichung die Taufakte meinen (a.a.O. 89 A. 8). Die Taufe als Sitz im Leben vermuten auch Stuhlmacher (Gerechtigkeit 186 f. und Erwägungen 28) und Käsemann (Rom. 233). 33 Election 578. Auch Käsemann (Rom. 233) erwägt jetzt: „Die Konjunktionen und der Finalsatz 29c könnten paulinisch sein." Grayston (a.a.O. 577 f.) geht davon aus, daß V. 28 bereits vor Paulus mit V. 29 f. verbunden war. Doch ist das Element, das V. 28 und V. 29 f. verknüpft, die Dativapposition, deutlich paulinisches Interpretament.

2. Überliefertes Gut in 8,28-30

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mit den Exegeten, die Rom. 8,29 f. insgesamt f ü r traditionell halten, u n d gegen Grayston festzuhalten, daß die W e n d u n g συμμορφους . . . αδελφοις, im folgenden kurz „Gleichgestaltungsformel" genannt, allem Anschein nach selbst keine eigenständige paulinische Formulierung, sondern einen Traditionssplitter anderer H e r k u n f t darstellt 34 . Allerdings kommt dieser traditionellen W e n d u n g f ü r Paulus erhebliches Gewicht zu. Denn sie bildet jetzt nicht nur den Kristallisationskern des Kettenschlusses u n d mit der Funktion von V. 29 f. als Begründung von V. 28 den Schlüssel zum Verständnis auch dieses Satzes, sondern steht per se und als beherrschendes Element der Aussageneinheit Rom. 8,28—30 in engstem Bezug zum Kontext. Doch wird davon an späterer Stelle ausführlich zu sprechen sein. Vorerst gilt es, der Nachfrage nach überkommener Tradition in Rom. 8 gem ä ß die Eigenart von Goldener Kette u n d Gleichgestaltungsformel etwas genauer in den Griff zu bekommen. U m mehr als einen Versuch kann es sich dabei allein schon deshalb nicht handeln, weil es jeweils u m ein Überlieferungsfragment geht. Dieser Tatbestand findet in der exegetischen Literatur darin seinen Niederschlag, daß sich die Überlegungen zum Sinn der Aussagen als solcher auf einige glossenhafte Bemerkungen beschränken u n d im übrigen auf die Frage nach dem paulinischen Verständnis konzentrieren 35 . Der Kettenschluß (Rom.

8,29aJ0)

Als einziger Zugang zur Katene, der diese vor einer willkürlichen, den Überlieferungsort außer acht lassenden Interpretation bewahrt, kommt die formgeschichtliche Analyse in Betracht. Dibelius hat seinem formgeschichtlichen Ansatz gemäß nach den Zwecken solcher (klimaktischen) Reihen gefragt u n d gezeigt, daß eine große Anzahl von ihnen paränetische, andere „mehr oder zum mindesten auch" kognitive Ziele verfolgen 36 . Zu letzteren zählt er ausdrücklich Rom. 34 Zwar wurden die oben (S. 67 A. 29) genannten Feststellungen von Schille und Luz zur Aussage über die Gleichgestaltung, die deren vorpaulinische Herkunft begründen sollten, in Frage gestellt. Mit Recht führt Luz (Geschichtsverständnis 252) jedoch darüber hinaus Kol. 1,13—20 als Argument dafür an, daß Paulus Rom. 8,29b „aus der traditionellen christlichen Sprache übernahm" (Kol. 1,13: ο υιος της αγαπης αυτου; 1,15: εικων; πρωτοτοκος πάσης κτίσεως; 1,18: πρωτοτοκος εκ των νεκρών, ινα γενηται εν πασιν πρωτεύων; vgl. auch die Entfaltung des Themas „der Sohn und die Söhne" im Hebräerbrief und dazu Käsemann, Gottesvolt 58 ff. sowie zum vorpaulinischen Charakter von 8,29b Michel, Rom. 212). Luz (a.a.O. 252) möchte jedoch die Frage, ob V. 29a. 30 und V. 29b bereits vor Paulus zusammengehörten oder von ihm zusammengefügt wurden, offenlassen. 85

Vgl. ζ. B. Jervell, Imago 271 ff.; Luz, Geschichtsverständnis 251 ff. « Jak. 95.

3

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

8,29 f. als Kette, die den „Heilsweg . . . beschreiben" wolle37. Zwar erscheint diese Auslegung von Rom. 8,29 f. deshalb als fraglich, weil der Kettenschluß durch das Stichwort „Heilsweg" — wenn überhaupt — erst vom dritten Glied an (καλειν) erfaßt wird. Trotzdem hat Dibelius mit der Bestimmung, daß diese und verwandte andere Ketten „der Erkenntnis dienen" 38 , grundsätzlich die Richtung sachgemäßer formgeschichtlicher Erfassung der Katene angezeigt. Der in der Definition von Dibelius noch wenig faßbare Sitz im Leben zeichnet sich ab, wenn man beachtet, daß die Kette ihrem Inhalt nach weniger auf ein Suchen von Erkenntnis, als vielmehr auf deren Vermittlung abzielt und zugleich Elemente des Überzeugens und Vergewisserns enthält. Fragt man, an welchem typischen Ort urchristlichen Lebens solche Vermittlung von Erkenntnis stattgehabt hat, so bietet sich als erstes der Katechumenat an. Dies gilt im Hinblick auf Rom. 8,29a.30 um so mehr, als die Kettenglieder καλειν, δικαιουν und δοξαζειν wahrscheinlich die Taufe im Blick haben 39 . So legt sich die Annahme nahe, daß der Kettenschluß kein hymnisches Fragment, sondern eine fragmentarische katechetische Reihe darstellt. Freilich impliziert auch diese formgeschichtliche Definition nicht mehr als den Aufweis von Möglichkeiten der Auslegung von Rom. 8,29a.30. Denn es ist eine offene Frage, ob Katechumenat und Taufe aufgrund ihrer engen Zusammengehörigkeit als ein Sitz im Leben zu betrachten oder ob sie entsprechend zu unterscheiden sind. Geht man von der ersten Möglichkeit aus, so wird man die Kette von ihrem Ende her aufzuschlüsseln haben, d. h. dann sind die Aoriste εδικαιωσεν und εδοξασεν als echte Aoriste einzustufen und als Deutung der vollzogenen Taufe anzusehen. Unterscheidet man dagegen Taufe und Katechumenat als verschiedene Sitze im Leben, so wird das Kettenglied εκαλεσεν zum Schlüsselwort der Auslegung, da die Reihe dann ihrem Sitz in der Katechese gemäß die Situation der Berufenen und noch nicht Getauften theologisch bedenkt. Welchen Sinn gewinnt die Katene in diesem und jenem Fall? Vor der Beantwortung dieser Frage sind einige Überlegungen zur Bedeutung der verwendeten Terminologie notwendig. Sie ist in erster Linie aus dem Gefälle des Kettenschlusses selbst zu erheben. Diese Prämisse ist insbesondere für die Interpretation der ersten beiden Glieder von Gewicht. Wird die Reihe Rom. 8,29a.30 als isoliertes Überlieferungsfragment gesehen, so entfällt schon von daher die Möglichkeit, προγινωσκειν als „Vorhererkennen" zu verstehen — als Vor37

Ebd. »e Ebd. 3 · Siehe oben, S. 68 A. 32. Zu καλειν s. jedoch auch im folg.

2. Überliefertes Gut in 8,28-30

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auskennen der in Rom. 8,28 genannten αγαπωντες τον θεον, die von Gott aufgrund ihres Verhaltens dann der Vorherbestimmung gewürdigt wären 40 . Vielmehr wird das Objekt des in Rom. 8,29a.30 beschriebenen göttlichen Handelns erst durch dies Handeln selbst konstituiert: Diejenigen, von denen die Rede ist, sind die προγνωσθεντες. Insofern sie erst durch das göttliche Handeln des προγινωσκειν hervortreten, ist „erwählen" die sachgemäße Ubersetzung dieses Verbs41. Sie ist es auch deshalb, weil die Kette nur so gleich vom ersten Glied an dem Bestreben nach Folgerichtigkeit, einem hervorstechenden Merkmal solcher Reihen, entspricht. Denn nicht eine eventuelle Feststellung der göttlichen Vorherkenntnis, wohl aber die der göttlichen Erwählung setzt die Frage nach dem Wozu, nach dem Ziel der Erwählung aus sich heraus. Genau diese Frage aber wird in den folgenden Gliedern Zug um Zug beantwortet. Die Folgerung der Vorherbestimmung (τουτους και προωρισεν) hebt die angedeutete Zielgerichtetheit der Erwählurig ausdrücklich hervor 42 und bestätigt zugleich die Interpretation von προγινωσκειν als „erwählen". Nach der Gestalt, die der Kettenschluß in Rom. 8,29 f. gewonnen hat, ist der Inhalt der Vorherbestimmung die Gleichgestaltung mit der Eikon des Gottessohnes. Die Ausklammerung der Gleichgestaltungsformel hinterläßt eine Lücke. Es besteht jedoch keinerlei Veranlassung, diese Lücke durch die — vermutlich aus der Bedeutung der Vorherbestimmung in der apokalyptischen Literatur des antiken Judentums gewonnene — allgemeine Annahme zu schließen, προοριζειν meine „die Vorausbestimmung zu einer bestimmten geschichtlichen Aufgabe im Heilsplan Gottes" 43 . Denn welches der Inhalt der Vorherbestimmung ist, gibt der Kettenschluß selbst mit den folgenden Gliedern aufs deutlichste zu erkennen: Rechtfertigung und — mit besonderem Gewicht am Schluß genannt — Verherrlichung. Die Berufung, die das Mittelglied zwischen den ersten und den letzten beiden Gliedern bildet, steht zwar mit Rechtfertigung und Verherrlichung insofern auf einer Stufe, als sich alle drei Handlungen Gottes auf bestimmte Geschehnisse im Leben der christlichen Gemeinde beziehen, also im Fall der Berufung auf die missionarische Verkündigung des Evangeliums. Das göttliche καλειν unterscheidet sich jedoch vom δικαιουν und δοξαζειν Gottes darin, daß ersteres die Form bezeichnet, in der die göttliche Erwählung 40

Vgl. z. Β. B. Weiß, Rom. 227 f.; Godet, Rom. II, 116 ff. Vgl. z. B. Michel (Rom. 211), Luz (Geschichtsverständnis 253 mit A. 91) u. a., die προγινωσκειν vom alttestamentlich-jüdischen VT her verstehen und so zur Bedeutung „erwählen" kommen. Ein paulinisches Beispiel für den Gebrauch des Verbs in diesem Sinn ist Rom. 11,2. 42 Vgl. Feine, Theol. NT 286. 43 So Luz, Geschichtsverständnis 253. 41

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und Bestimmung zugesprochen werden, während letztere deren Inhalt nennen. Anders als bei den Verben προγινωσκειν und προοριζειν läßt sich die Bedeutung von δικαιουν und δοξαζειν nicht ohne traditions- und religionsgeschichtlichen Rückgriff erhellen. Nachdem die Gleichgestaltungsformel als paulinischer Einschub festgestellt ist, wird man mit der sich wesentlich auf den Eikon-Begriff Rom. 8,29b stützenden Annahme zurückhaltend sein müssen, der Kettenschluß verwerte „die jüdische Tradition von der durch Adams Fall den Menschen verloren gegangenen, als δοξα ( = δικαιοσύνη) vorgestellten Gottebenbildlichkeit" 44 . Vielmehr reicht zur traditionsgeschichtlichen Erklärung der Verweis auf die apokalyptische Erwartung aus, daß die Gerechten an der als Lichtglanz vorgestellten Herrlichkeit Gottes Anteil haben werden45. Im Unterschied zur jüdischen Tradition wird die Erwartung im Kettenschluß Rom. 8,29a.30 als erfüllt angesehen. Die Frage, inwieweit mit dem Begriff der Verherrlichung dessen jüdische metaphorische Ausdeutung übernommen ist, läßt sich kaum beantworten. Sofern Rechtfertigung und Verherrlichung auf die Taufe bezogen sind, wird man Einwirkungen der hellenistischen Mysterien auf das Verständnis des beschriebenen Vorganges nicht ausschließen dürfen, vielmehr damit rechnen müssen, daß die Verherrlichung als „Geburt des neuen, göttlichen Menschen" 46 gedeutet worden ist. Damit kann die zuvor formulierte Frage nach dem Sinn des Kettenschlusses aufgegriffen werden. Die Überlegungen zur Terminologie haben deutlich gemacht, daß die Reihe Rom. 8,29a.30 Rechtfertigung und Verherrlichung als mit der Berufung proklamierte Bestimmung Gottes für die von ihm Erwählten auslegt. Welche Funktion hat die so strukturierte Kette den aufgewiesenen möglichen Sitzen im Leben gemäß? Unterscheidet man Katechese und Taufe als zwei verschiedene Sitze im Leben, so ist der Kettenschluß als katechetische Gattung in ersterer anzusiedeln. Die Reihe bezieht sich dann auf die Situation der noch nicht Getauften, aber schon Berufenen. Die Kette wäre in diesem Fall als Deutung von Herkunft und Zukunft der Katechumenen zu ver44 Stuhlmacher, Gerechtigkeit 187. Er beruft sich dabei auf Jervell, Imago 180 ff. Doch argumentiert Jervell mit paulinischen Zusammenhängen. 45 Syr. Bar. 51,10.11; äth. Hen. 38,4; 50,1; 62,15.16. Vgl. H. Kittel, Herrlichkeit 170; G. Kittel, ThWb II, 250. 4 6 Reitzenstein, Mysterienreligionen 257. Stuhlmacher (Erwägungen 28) spricht deshalb mit Recht von einem „Seinswandel". Die Auslegung, daß dem Kettenschluß gemäß „die Taufe . . . als seinswandelnder Berufungsvorgang gegolten" habe (ebd.; Hervorhebung von mir), setzt freilich voraus, daß die Reihe die Taufe zum Sitz im Leben gehabt hat. Wie in den formgeschichtlichen Überlegungen aufgezeigt, ist dies jedoch nur eine Möglichkeit.

2. Überliefertes Gut in 8 , 2 8 - 3 0

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stehen. Ihr Status als Berufene ist in Gottes Erwählung begründete Wirklichkeit und Element des Vollzugs der mit dieser Erwählung gesetzten Bestimmung. Weil aber das Berufensein Ausdruck des zielgerichteten göttlichen Erwählungshandelns ist, darum dürfen die Berufenen der Zukunft gewiß sein. Sie dürfen in der Gewißheit leben, daß sich (in der bevorstehenden Taufe) an ihnen der göttliche Erwählungswille rechtfertigend und verherrlichend durchsetzt. Die Aoriste εδικαιωσεν und εδοξασεν wären also antizipatorisch als Ausdruck der Gewißheit der Treue Gottes zu deuten. Betrachtet man dagegen Katechese und Taufe als einen einzigen Sitz im Leben, so entfällt der Zukunftsaspekt, und die Reihe gewinnt den Charakter einer reinen Deutung von bereits Geschehenem. Berufung, Rechtfertigung und Verherrlichung rücken als Auslegung des Taufgeschehens zusammen. Der Täufling wird vergewissert, daß das so beschriebene Ereignis seiner Taufe göttliche Setzung ist, in der sich die Erwählung Geltung verschafft. Eine Entscheidung für eine dieser beiden Möglichkeiten erscheint nicht durchführbar. Lediglich vermag das beiden Deutungen Gemeinsame hervorgehoben zu werden: In jedem Fall wird eine (lehrhafte oder sakramentale) Heilserfahrung als Verwirklichung des der Heilserfahrung selbst vorgängigen göttlichen Willens interpretiert. Die Gleichgestaltungsformel (Rom. 8,29b) Auf vielleicht noch größere Schwierigkeiten stößt der Versuch, den Traditionssplitter Rom. 8,29b zu deuten. Anders als der Kettenschluß läßt er sich keiner Gattung oder Redefigur zuordnen. Damit entfällt die Möglichkeit einer formgeschichtlichen Erfassung 47 . Doch stehen dem Fragment einige ζ. T. ebenfalls traditionelle Äußerungen in den paulinischen Briefen zur Seite. Sie ermöglichen es, zusammen mit einer Analyse des Gefälles von Rom. 8,29b selbst, der Uberlieferung einige Auskünfte abzugewinnen. Das Fragment nennt, zunächst allgemein gesagt, ein zurückliegendes, gegenwärtiges oder zukünftiges Geschehen, das einem bestimmten Ziel dienen soll. Dies Geschehen wird durch das Adjektiv συμμορφος angezeigt. Es begegnet bei Paulus sonst noch in dem ebenfalls bereits als traditionell erwiesenen Passus Phil. 3,20 f. 48 . Dort wird Zum Verständnis des Satzes als Taufinterpretament vgl. unten, S. 75 f. Siehe den Nachweis von Güttgemanns, Apostel 240 ff. Vgl. auch Strecker, Christushymiius 75 ff.; Becker, Erwägungen 16 ff. Wengst (Formeln 150 A. 26) bleibt in seiner Kritik der These von Güttgemanns die Erklärung zu vieler Auffälligkeiten schuldig, als daß sein Votum für die paulinische Herkunft des Stückes zu überzeugen vermöchte. 47

48

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

im Hinblick auf den bei der Parusie erscheinenden Jesus Christus gesagt: ος μετασχηματίσει το σωμα της ταπεινωσεως ημων συμμορφον τω σώματι της δόξης αυτου (V. 21). Das Verb μετασχηματιζειν könnte also das Fragment Rom. 8,29b in seinem früheren Zusammenhang eingeleitet haben. In unmittelbare Nähe dieser Aussage gehört sodann 2.Kor. 3,18. Auch diese Stelle ist vermutlich wiederum traditionell 49 . Zwar kommt hier nicht das Adjektiv συμμορφος vor, wohl aber das von demselben Stamm gebildete Verb μεταμορφουσθαι, das zudem durch das dazugehörige Akkusativobjekt την αυτήν εικόνα den Sinn von συμμορφιζεσ&αι gewinnt: ημείς δε πάντες ανακεκαλυμμενω προσωπω την δοξαν κυρίου κατοπτριζομενοι την αυτήν εικόνα μεταμορφουμεθα απο δόξης εις δοξαν50. Wie es in Phil. 3,21 durch die Gegenüberstellung von το σωμα της ταπεινωσεως und το σωμα της δόξης angedeutet und insbesondere durch die Verwendung der Begriffe μορφή, σχήμα und ihrer Derivate in der hellenistischen Religiosität, vor allem in der Mysterienfrömmigkeit, belegt ist, bezeichnet die Gleichgestaltung, von der in diesen Stellen die Rede ist, die Wandlung des Wesens, der Substanz 51 . Der Bezugspunkt, das Modell dieser Gleichgestaltung bzw. Wesensverwandlung, das entsprechend über das Kennzeichen des neuen Wesens allererst Auskunft zu geben vermag, ist nach Rom. 8,29b die εικων des Gottessohnes. Vielfach wird der Genitiv του υιου αυτου stillschweigend als gen. epexeg. verstanden (die Eikon sc. Gottes, die sein Sohn ist) und die gesamte Aussage als Umschreibung der Wiedergewinnung der verlorenen Gottebenbildlichkeit interpretiert 52 . Diese Auslegung kann sich sowohl auf urchristliche als auch auf außerchristliche Tradition berufen. So begegnet η εικων του θεου in der neutestamentlichen Literatur nicht nur f ü sich als christologischer Hoheitstitel (2.Kor. 4,4), sondern an einer Stelle (Kol. 1,12—20) in engem Zusammenhang mit eben jenen anderen Titeln, die auch Rom. 8,29b erscheinen: υιος (του θεού) und πρωτοτοκος53. Und die außerpalästinische jüdisch-hellenistische Literatur, allem voran das philonische Schrifttum, lehrt, daß sich das frühe Christentum damit einer Nomenklatur bedient, die bereits in der von der hellenistischen Eikon-Lehre beeinflußten Sophia-Logos-Spekula-

» Vgl. Schulz, Decke 18 ff. 50 Vgl. ferner l.Kor. 15,49 (και καθώς εφορεσαμεν την εικόνα του χοικου, φορεσομεν και την εικόνα του επουράνιου) sowie Gal. 4,19; Phil. 3,10 und Rom. 6,5. 51 Vgl. Reitzenstein, Mysterienreligionen 357; Käsemann, Analyse 65 ff. 52 Vgl. z. B. Jervell, Imago 276 ff.; Stuhlmacher, Gerechtigkeit 186 f. 53 Vgl. oben, S. 69 A. 34. Allerdings sind Kol. 1,12-14 und 1,15-20 wahrscheinlich sekundär zusammengewachsen, d. h. vom Verfasser des Kolosserbriefes· vereinigt worden (s. Lohse, Kol. 77 Α. 1).

2. Überliefertes Gut in 8,28-30

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54

tion ausgeprägt war . Trotzdem erscheint das Verständnis des Genitive als epexegetischen nicht sachgemäß. Läßt sich auch ein Zusammenhang zwischen Rom. 8,29b und der angedeuteten Tradition nicht leugnen, so sind doch die genannten Parallelen 2.Kor. 3,18; l.Kor. 15,49 und auch Phil. 3,20 f. (obwohl εικων hier nicht verwendet ist) mit der Aussage in Rom. 8,29b durch das Motiv der Gleichgestaltung bzw. Wesensverwandlung enger verbunden. Diese Parallelen aber zielen eindeutig nicht auf die Gottebenbildlichkeit ab, sondern auf die Gleichgestaltung mit der Eikon, die für den Kyrios bzw. den himmlischen Anthropos bezeichnend ist. So betreffen die Aussagen in erster Linie nicht das Verhältnis des Menschen zu Gott, sondern zu Jesus Christus. Mit Recht fordert F.-W. Eltester deshalb, „vorläufig solche Spekulationen (sc. über die wiedergewonnene Gottebenbildlichkeit) zurückzustellen" 55 . Das, was vom Begriff μορφή und seinen Äquivalenten und Derivaten gesagt wurde, trifft nun auch auf εικων zu: Der Terminus bezeichnet nicht die Gestalt, sondern das Wesen 56 . Worin dies Wesen des Gottessohnes besteht, wird in Rom. 8,29b nicht ausgesprochen. Die Parallelen 2.Kor. 3,18 und Phil. 3,20 f. machen jedoch die Annahme wahrscheinlich, daß im Hintergrund auch von Rom. 8,29b die Vorstellung von dem Doxa-Dasein des erhöhten Herrn steht 57 . Trifft diese Substitution von εικων durch δοξα zu, so ist dies ein erster Hinweis darauf, daß es sich bei dem Prozeß der Wesensverwandlung um ein eschatologisches Geschehen handelt (vgl. Phil. 3,20 f.). Darauf deutet auch der an die Aussage über die Gleichgestaltung angeschlossene Infinitivsatz. Er nennt als Ziel der Wesensverwandlung, daß der Sohn der Erste, d. h. der „an Rang und Würde" 5 8 Überlegene, unter vielen Brüdern sei. Die Erreichung dieses Ziels ist nach Auskunft der Formel von der Gleichgestaltung der künftigen Brüder abhängig. Dies setzt deren Erlösungsbedürftigkeit voraus und schließt aus, daß mit πρωτοτοκος etwa an den Sohn als πρωτοτοκος πάσης κτίσεως im Sinne von Kol. 1,15 gedacht ist. Vielmehr wird die Gestalt des Erstgeborenen dadurch eindeutig als eschatologische qualifiziert, deren Status selbst gleichsam grundsätzlich unter eschatologischem Vorbehalt steht 59 . 54

Vgl. Käsemann, Gottesvolk 61 ff.; H.-F. Weiß, Kosmologie 265 ff. Eikon 165. » Conzelmann, Theol. NT 100. " Vgl. bereits Philippi, Rom. 386f.; ferner F.-W. Eltester, Eikon 165; Jervell, Imago 280 f.; Michel, Rom. 212 u. a. 58 Michaelis, ThWb VI, 878. 59 Wenn im Unterschied dazu in der Parallele Kol. 1,18 das πρωτος-Sein Christi als bereits eingetretener Zustand besungen wird, so ist dies darin begründet, 55

76

II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

Inwieweit dieser Vorbehalt theoretisch oder real ist, hängt von dem Kontext ab, in den man das Überlieferungsfragment hineinstellt. Das vorherrschende Verständnis dieser Tradition als Taufinterpretament stützt sich auf den Aorist εδοξασεν in Rom. 8,30, ist also von der im vorangehenden als unwahrscheinlich dargelegten Auffassung abhängig, Kettenschluß und Gleichgestaltungsformel hätten bereits vor Paulus eine Einheit gebildet60. So wird man vorerst nur mit der Möglichkeit rechnen dürfen, daß sich das Fragment ursprünglich auf das Taufgeschehen bezogen hat. In diesem Fall wäre der eschatologische Vorbehalt theoretischer Natur, da die Gleichgestaltung dann bereits stattgefunden hätte. Ein — ebenfalls traditioneller — Text wie Phil. 3,20 f. zeigt jedoch, daß die Vorstellung der Wesensverwandlung in Rom. 8,29b ursprünglich auch rein zukünftig gemeint gewesen sein könnte. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Gleichgestaltung, von der das Überlieferungsfragment spricht, muß also offenbleiben. Als Ziel des angedeuteten Geschehens nennt der Traditionssplitter die Durchsetzung des Gottessohnes als Erstgeborenen. Die Verwirklichimg dieses Ziels ist an die Verwandlung der künftigen Brüder in sein — wahrscheinlich als δοξα vorgestelltes — Wesen gebunden, also soteriologisch bedingt. Mehr als vor allem diese Struktur des Verhältnisses von Christus und Christen wird man dem kurzen Sätzchen, sofern man es isoliert betrachtet, kaum entnehmen können. Bestimmtere Aussagen werden erst wieder möglich sein, wenn nach der paulinischen Verwendung der in Rom. 8,29 f. aufgegriffenen Traditionen gefragt wird. Zur Vorbereitung dieser Erörterung in Teil C sollen im folgenden die Punkte hervorgehoben und zusammengefaßt werden, die sich im Zusammenhang der vorangegangenen Analyse von Rom. 8,28—30 als redaktionsgeschichtlich relevant herausgestellt haben. c) Elemente und Fragen der paulinischen Redaktion Durch den Anschluß der Sentenz Rom. 8,28a an die Aussagen über das Pneuma in Rom. 8,26 f. ist die Frage nach dem jetzigen Subjekt daß der Titel πρωτοτοκος durch die Näherbestimmung εκ των νεκρών eingegrenzt wird und die Aussage außerdem Bestandteil eines Hymnus ist, der auf Verherrlichung abzielt. Obwohl Jesus Christus auch in Rom. 8,29 als Auferweckter oder Erhöhter πρωτοτοκος ist, liegt das Gewicht auf der Bestimmung εν πολλοίς αδελφοις. 60 Die Folgerung von Fuchs (Freiheit 113), daß angesichts von Kol. 1,12 ff. auch „in den Begriffen πρωτοτοκος und εικων . . . wohl Taufsprache" anklinge, ist von der unwahrscheinlichen Voraussetzung abhängig, die Tauftradition Kol. 1,12 bis 14 und der Hymnus Kol. 1,15—20 hätten bereits vor der Abfassung des Kolosserbriefes eine Einheit gebildet. Vgl. dazu oben, S. 74 A. 53.

2. Überliefertes Gut in 8,28-30

77

des Satzes neu gestellt, zumal der Spruch auch inhaltlich in deutlichem Bezug zu den vorangehenden Ausführungen steht (Rom. 8,17 ff.). Die Fortsetzung in Rom. 8,29 f. steht — und das kommt angemessen nur in den älteren Kommentaren zur Geltung 61 — ganz im Dienst von V. 28. Sie ist Begründung dieses Satzes und deshalb bei Paulus als solche zu interpretieren. Diese enge Zusammengehörigkeit der Aussagen V. 28 und V. 29 f. ist bereits in V. 28b durch die von Paulus ergänzte Dativapposition angelegt, die sich terminologisch mit dem Kettenschluß berührt. So wird insbesondere das Verhältnis der präzisierenden Apposition zur folgenden Kette zu klären sein. Bei der Erörterung dieser Frage ist als wichtiger Faktor zu berücksichtigen, daß die Kette selbst noch einmal durch die Gleichgestaltungsformel genauer ausgeführt ist. Diese Modifikation ist für die Auslegung von Bedeutimg sowohl im Hinblick auf die Beziehung der Kette zur Ergänzimg in V. 28b als auch bezüglich der letzten drei Glieder καλειν, δικαιουν, δοξαζειν. In welchem Verhältnis steht das damit angesprochene Geschehen zu dem in der Wendung V. 29b genannten? Wie die Sentenz so weist auch die in Rom. 8,29 f. folgende Begründung Verbindungen zum Kontext auf. δικαιουν rekapituliert stichwortartig die Ausführungen von Rom. 8,1—13, δοξαζειν setzt den Schlußpunkt hinter das den anschließenden Abschnitt Rom. 8,14—30 beherrschende und Rom. 8,17 ausdrücklich formulierte Thema „Mitleiden und Mitverherrlichtwerden". Auf die damit angesprochene Christusgemeinschaft der Glaubenden nimmt unverkennbar auch der Satz über die Gleichgestaltung in Rom. 8,29b Bezug. Die Beobachtung, daß auf das Motiv „der Erstgeborene unter vielen Brüdern" (V. 29b) bereits in Rom. 8,14—17 angespielt wird 62 , bekräftigt nicht nur die Behauptung eines Zusammenhangs zwischen Rom. 8,29b und Kontext, sondern auch die vorgenommene Bestimmung von Rom. 8,14—30 als zusammengehörigen Abschnittes. Sie bestärkt nicht zuletzt in der bereits ausgesprochenen Auffassung, dem Satz Rom. 8,29b komme eine Schlüsselfunktion bei der Interpretation von Rom. 8 auf der Ebene der paulinischen Redaktion zu 63 . Daß darüber hinaus auch Beziehungen zwischen Rom. 8,28—30 und dem Schlußabschnitt Rom. 8,31 bis 39 bestehen, bedarf nach der Erörterung der Struktur dieses Passus, vor allem seines Verhältnisses zu Rom. 8,1—30, keines erneuten Nachweises. Gerade die mannigfachen Bezüge, die die Überlieferungselemente in Rom. 8,28—30 mit ihrer Aufnahme in das Ganze des 8. Kapitels 61

Vgl. etwa Philippi, Rom. 385; B. Weiß, Rom. 381; Godet, Rom. II, 118. Vgl. Conzelmann, Theol. NT 224. 63 Dies unterstützt wiederum die Annahme, daß der Einschub Rom. 8,29b von Paulus eingebracht worden ist. e2

78

II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

eingegangen sind, verdeutlichen, warum an dieser Stelle nur mehr Fragen und Schwerpunkte der paulinischen Redaktion hervorzuheben waren: Ihre sachgemäße Interpretation läßt sich erst in Angriff nehmen, wenn auch der übrige Teil des Kapitels näher untersucht, d. h. durch die Frage nach Tradition und Redaktion profiliert ist64.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut a) Zur

in Rom. 8,18—27

Forschungslage

Die Sachgemäßheit der traditionsgeschichtlichen Fragestellung gegenüber dem Abschnitt Rom. 8,18—27 dürfte von kaum einer Seite bezweifelt werden. Die exegetischen Bemühungen um den Text haben mehrfach zu dem Nachweis geführt, daß Paulus in Rom. 8,19—22 aus dem Vollen der apokalyptischen Überlieferung schöpft1. Insofern wird mit der Frage nach Tradition und Redaktion an diesen Text durchaus nicht Neuland betreten. Gleichwohl ist es einer Überlegung wert, ob die Faszination, die die Verse 19—22 ausgeübt haben und unverändert bewirken, nicht den Blick für die Eigenart, genauer die traditionsgeschichtliche Ergiebigkeit des ganzen Abschnittes Rom. 8, 18—27 getrübt hat und somit eine Möglichkeit außer acht geblieben ist, über das umstrittene Verständnis dieses Textes hinauszukommen. Denn — und dies läßt einen neuen Zugang zu den Ausführungen des Paulus in diesem Teil von Rom. 8 um so wünschenswerter erscheinen — die Divergenzen in der Auslegung betreffen nicht nur Randfragen, die bei der Interpretation des Textes nicht entscheidend ins Gewicht fallen, sondern die hinter den Einzelaussagen liegende Intention des Abschnittes Rom. 8,18—27 als ganzen wird ζ. T. extrem gegensätzlich bestimmt. So sieht Käsemann in seiner Auslegung der Verse 26 f., die er als „Höhepunkt der ganzen Argumentation des Apostels" in Rom. 8 insgesamt2 und insbesondere in Rom. 8,18—273 versteht, Paulus an dieser Stelle einen unüberbietbar scharfen Angriff gegen die Pneumatiker führen, der sie ihrer enthusiastisch begründeten geistlichen Selbste4 Ein Teil der genannten Bezüge von Rom. 8,28—30 zum Kontext ist bereits in der Sekundärliteratur gesehen. Inwieweit sie jedoch richtig interpretiert sind, gilt es noch zu fragen. Siehe dazu unten, S. 277 ff. 1 Vgl. etwa Sanday-Headlam, Rom. 210 ff.; Davies, Judaism 38 f.; Bill. III, 2 4 7 f f . ; Schwantes, Endzeit 4 4 f f . ; Michel, Rom. 201 ff.; Luz, Geschichtsverständnis 378. 1 Schrei 219. » Ebd. 227: „Gipfel" der parallelen Aussagen V. 21 f. 23 ff. 26 f.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

79

Zufriedenheit entreißen und in die Solidarität mit der leidenden Welt einweisen soll4. Gerade die, die Käsemann von der Polemik des Apostels ausnimmt, „die Bekümmerten und Ratlosen"5, sind dagegen nach Vögtle, der hier als Repräsentant der Mehrzahl der Interpreten gelten kann, die Adressaten der paulinischen Darlegung. Denn, so folgert er aus einer Analyse von V. 19—23, die er durch den Kontext Y. 18.24—30 bestätigt sieht, der Apostel habe „wohl überhaupt nur die Situation der noch leidensbedrängten Christen im Auge" 6 und suche mit seiner Argumentation „nach einem Mittel und Weg, um die Gläubigen in der Bereitschaft zu stärken, die sie bedrückenden Leiden und Drangsale aus der Erwartung der nahen Erlösung zu meistern, ja diese Leiden zu bagatellisieren"7. Nicht „unerhört radikale Kritik"8, sondern „tröstliche Auskunft"9 ist darum nach Vögtle das Kennzeichen des Abschnittes. Der Grund dieser Diskrepanz in der Definition des paulinischen Bestrebens ist unschwer zu benennen. Während Vögtle V. 19—30 als Begründung für den als Überschrift des Ganzen betrachteten tröstlichen V. 18 ansieht10, erkennt Käsemann in V. 19—27 gerade eine „Gegenbewegung zu diesem Obersatz"11. Da beide Exegeten beachtEbd. 236 u. ö. Siehe jetzt auch Käsemann, Rom. 220 f. Ebd. • Kosmos 207. 7 Ebd. 208. 8 Käsemann, Schrei 236. » Vögtle, Kosmos 191. " Ebd. 11 Schrei 233. (Vgl. jetzt Käsemann, Rom. 221.) Käsemanns Deutung von Rom. 8,18 ff., insbesondere von V. 26 f., als antienthusiastischer Darlegung ist von Balz (Heilsvertrauen 81 ff. 91 f.) aufgenommen und teils modifiziert, teils zugespitzt worden. Vgl. dazu unten, S. 273 f. Eine Mittelstellung nimmt Luz (Geschichtsverständnis 377 ff.) mit seinen Ausführungen zu V. 18 ff. ein. Wie Vögtle bestimmt er V. 18 als im folgenden ausgeführtes Thema von Rom. 8,18—27 (ebd. 377) und betont, Paulus gehe es „um die Gewißheit des künftigen Heils" (ebd. 384; Hervorhebung von L.). Auch lehnt er Käsemanns Deutung ab, der Apostel polemisiere direkt gegen enthusiastische Anschauungen. Er räumt jedoch ein, Paulus stelle mit seinen Darlegungen „grundsätzlich die Position eines proleptischen Enthusiasmus, der das Endheil vorwegnimmt, in Frage" (ebd.; vgl. 387). Die Überlegungen von Luz helfen insofern wenig weiter, als seine Gliederung des Textes aufgrund erheblicher Unstimmigkeiten eher erneut die Schwierigkeit des Abschnittes anzeigt, als eine überzeugende Lösung darbietet. So geht Luz, wie angedeutet, davon aus, daß V. 18 „das Thema des ganzen folgenden Abschnittes (V. 19—27)" nenne, bestimmt dann aber als Ausführung des Themas die „zwei parallelen Gedankengänge" V. 19—21 und V. 22—30 (sie), in denen Paulus zuerst für die Schöpfung, dann für die Christen zeige, „daß die Leiden der Gegenwart nicht zählen im Vergleich zur zukünftigen Herrlichkeit". Des Näheren bezeichne Paulus die Zukunft Gottes für die Christen in V. 28—30 (ebd. 377). Luz gewinnt diese Gliederung in 4

5

80

II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

liehe Gründe für ihre Auffassimg zu nennen vermögen, drängt sich die Frage auf: Wie ist es zu erklären, daß sich demselben Text jeweils als Dominante parakletische und antienthusiastische Intentionen entnehmen lassen? Es wurde angedeutet, daß die auf den ganzen Text Rom. 8,18—27 ausgeweitete Frage nach Tradition und Redaktion möglicherweise an dieser Stelle weiterhelfen könnte. Die damit verbundene Annahme, daß Paulus in Rom. 8,18—27 in stärkerem Maße als bisher erkannt Tradition aufgenommen und überarbeitet hat, stützt sich auf Beobachtungen zur darin verwendeten Begrifflichkeit, zum Stil und zur Frage des sachlichen Zusammenhangs des Abschnittes. Diesen Beobachtungen gilt es im folgenden nachzugehen, um dann zu prüfen, ob die Vermutung umfassenderer Traditionsaufnahme durch Paulus neue Perspektiven für eine weniger widerspruchsvolle Deutung des Textes eröffnet, die seine offenbar spannungsreichen Aussagen trotzdem zu ihrem Recht kommen läßt. b) Die Rekonstruktion Beobachtungen zur

der

Überlieferung

Begrifflichkeit

Einen ersten Hinweis darauf, daß in Rom. 8,18—27 in stärkerem Maße Tradition verarbeitet sein könnte, gibt der Tatbestand, daß in diesem Text eine größere Anzahl von Begriffen erscheint, die in den echten Paulusbriefen (und zum Teil im ganzen Neuen Testament) nur an dieser Stelle begegnen. Dazu gehören: ματαιοτης (V. 20), συστεναζειν, συνωδινειν (Υ. 22), συναντιλαμβανεσ-θαι, στεναγμός, αλαλητος (V. 26). Hapaxlegomenon ist ferner die Wendung καθο δει (V. 26). Sodann finden sich in dem Abschnitt Rom. 8,18—27 mehrere Begriffe und Partikeln, die zwar an anderen Stellen in den paulinischen Abwehr der geläufigen, vom Motiv des Seufzens der Schöpfung, der Christen und des Geistes bestimmten Dreiteilung von V. 19—27 in V. 19—22. 23—25 und 26 f.; sie scheitere daran, daß „das Seufzen des Geistes einen anderen Sinn zu haben" scheine und deshalb mit den anderen Arten des Seufzens „nicht einfach formal . . . parallelisiert werden" dürfe (ebd.). Wenig später aber heißt es dann überraschend, „daß auch V. 26 f. als Ausdruck der Schwachheit zu verstehen ist. Auch die ,unaussprechlichen Seufzer' sind also zunächst, wie das Vorangehende (sie), ein Hinweis auf die Unerlöstheit der Christen" (ebd. 380). Luz stellt damit seine eigenen Prämissen in Frage. Ähnlich steht es mit der Zuordnung von V. 28—30. Sollten sie zunächst die Zukunft Gottes für die Christen beschreiben, so wird am Ende der Auslegung als Merkmal dieser Verse hervorgehoben, daß Gott „seine Erwählten bereits begnadet hat" und die Gewißheit der Zukunft in V. 31—39 ausgesprochen gesehen (ebd. 382; Hervorhebung von L.). So bleibt Luz den Nachweis für die Behauptung, daß V. 1 9 - 2 2 und V. 2 3 - 3 0 (ab S. 379 überwiegt diese Abgrenzung) die These V. 18 explizieren, schuldig. Vgl. zu dieser Frage auch unten, S. 134 ff. 139 ff.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

81

Homologoumena wiederkehren, dort aber von Paulus übernommenen Traditionsfragmenten zugehören. So ist das Wort απολυτρωσις (V. 23) noch zweimal bei Paulus belegt, beide Male jedoch in Formeln, die bereits als traditionell erwiesen sind (Rom. 3,24; l.Kor. 1,30)12. Das Verb εντυγχανειν zusammen mit der Präposition υπερ ist noch einmal wenig später in Rom. 8,34 verwendet, jedoch auch hier innerhalb von traditionellem Formelgut 13 . Ebenso begegnet der einzige weitere Beleg für die Konjunktion ωσαύτως in den Paulusbriefen in überliefertem, fest geprägtem Material, der Abendmahlsparadosis l.Kor. 11, 23—25 (V. 25). Auch απεκδεχεσθαι, das mit dreimaligem Vorkommen in Rom. 8,18—27 zu den thematischen Begriffen dieses Abschnittes gehört (V. 19.23.25), ist diesen Wörtern zuzurechnen. Es wird von Paulus außerhalb von Rom. 8 noch l.Kor. 1,7; Gal. 5,5 und Phil. 3,20 gebraucht. Die letzte Stelle ist als Teil eines vorpaulinischen Traditionsfragments nachgewiesen 14 . Aber auch in l.Kor. 1,7—9 bedient sich Paulus überkommener Formulierungen, wie an anderem Ort gezeigt werden soll15. Der Satz Gal. 5,5 schließlich: ημείς γαρ πνευματι εκ πίστεως ελπίδα δικαιοσύνης απεκδεχομεθα klingt zwar seiner Begrifflichkeit nach gut paulinisch. Er erscheint jedoch einmal angesichts der H ä u f u n g der Zentralbegriffe Pneuma-Pistis-Elpis-Dikaiosyne etwas überladen. Vor allem aber läßt das Verständnis von ελπις als Hoffnungsgut in der Wendung ελπίδα απεκδεχεσθαι ein eschatologisches Denken erkennen, das zwar für die Deuteropaulinen, nicht aber für Paulus charakteristisch ist. Denn Elpis bezeichnet bei ihm sonst nie das Erhoffte, sondern stets die Hoffnung als Struktur gottgemäßen Lebens bzw. die „spes qua speratur" 16 . So legt sich die Vermutung nahe, daß der Apostel sich auch in Gal. 5,5 einer geprägten Wendung bedient, sie freilich zumindest durch die Verbindung πνευματι εκ πίστεως interpretiert. Der letzte an dieser Stelle zu erörternde Begriff, αποκαλυψις (V. 19), weist bereits voraus auf eine weitere in diesem Zusammenhang zu erörternde Gruppe von Wörtern. Der Terminus wird bei Paulus verschieden verwendet. Er bezeichnet einmal Einzeloffenbarungen, die bestimmten Empfängern zuteil werden und besondere Auskünfte beinhalten (l.Kor. 14,6.26; 2. Kor. 12,1.7; Gal. 1,12; 2,2). Zum anderen umschreibt er wie in Rom. 8,19 das Ereignis der 12 Siehe Käsemann, Römer 3,24—26, S. 96. Vgl. auch Kertelge, „Rechtfertigung" 52 mit A. 160. 13 Vgl. oben, S. 38 f. 14 Vgl. Güttgemanns, Apostel 240 ff. und dazu bereits oben, S. 73 mit A. 48. 15 Ich hoffe, diesen Nachweis in absehbarer Zeit in der ZNW führen zu können. 16 Vgl. Bornkamm, Hoffnung 206 ff.; Lohse, Kol. 47 f. „Erwarten" mit Elpis als Objekt begegnet bei Paulus sonst nicht mehr, vgl. jedoch Apg. 24,15; Tit. 2,13 (προσδεχεσθαι).

6

Osten-Sacken, Römer 8

82

II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

zukünftig-eschatologischen Offenbarung (Rom. 2,5; l.Kor. 1,7)17. Es scheint, daß dieser zweite Gebrauch des Begriffes nicht f ü r Paulus charakteristisch, sondern zusammen mit geprägten Traditionselementen von ihm übernommen ist. So wurde bereits angedeutet, daß l.Kor. 1,7—9 vorpaulinisches Überlieferungsgut enthält 18 . Aber auch Rom. 2,5 läßt die Annahme zu, daß der Apostel hier mit einer traditionellen Wendung argumentiert 19 . Liegen die Dinge bei den Begriffen απεκδεχεσθαι und αποκαλυψις auch nicht so eindeutig wie bei den unmittelbar zuvor diskutierten, so darf doch insgesamt geschlossen werden, daß die aufgeführten Wörter nicht zum aktiven Wortschatz des Paulus gehören und damit ebenfalls darauf hindeuten, daß Paulus in Rom. 8,18—27 Traditionsgut verwertet 20 . Im Hinblick auf die Frage nach dem Wortschatz wird diese Annahme durch eine dritte Gruppe von Termini gestützt, nämlich solchen, die Paulus zwar an anderen Stellen in eigenen Formulierungen verwendet, dort jedoch mit anderer Bedeutung als in Rom. 8,18—27. Strenggenommen gehörte bereits αποκαλυψις in diese Rubrik. Als weiterer Begriff ist κτισις zu nennen. Paulus gebraucht ihn einmal eschatologisch qualifiziert in der Verbindung καινή κτισις (2.Kor. 5,17; Gal. 6,15) zur Bezeichnung der neuen Existenz der Glaubenden. In dem — Paulus vorgegebenen 21 — Katalog Rom. 8,38 f. hat er sodann die Bedeutung „(Einzel)geschöpf", wobei insbesondere an Engelmächte gedacht zu sein scheint. In Rom. 1,20 meint er die „Erschaffung" der Welt als Zeitpunkt. Rom. 1,25 — der letzte Beleg außerhalb von Riftn. 8 — schließlich ist κτισις umfassend mit „Schöpfung" im Sinne von „Menschen- und Tierwelt" zu übersetzen 22 . Der Begriff Ktisis wird damit von Paulus in großer Bedeutungsbreite verwendet. Als spezifisch paulinisch wird man allein die Verbindung καινή κτισις be-

17

Vgl. Bauer, Wb 182 f. Vgl. S. 81 mit A. 15. 18 Der Satz enthält ungewöhnlich viele Wörter, die bei Paulus wie im NT überhaupt Hapaxlegomena sind: σκληροτης, αμετανοητος, ήμερα οργής, δικαιοκρισια του θεου. Das Verb θησαυριζειν findet sich zwar noch zweimal bei Paulus (l.Kor. 16,2; 2.Kor. 12,14), jedoch nicht mehr mit Reflexivpronomen und Bezug auf das Eschaton (vgl. dazu noch Mt. 6,19 f.). Hinzu kommt, daß der Satz in jeder Weise von jüdisch-apokalyptischen Voraussetzungen her verständlich, also weder spezifisch paulinisch noch spezifisch christlich ist. 20 Der besprochenen Gruppe von Begriffen ist auch στεναζειν (V. 23) zuzurechnen. Der Terminus begegnet bei Paulus noch 2.Kor. 5,2.4 und ist dort in V. 2 vom Apostel im Rahmen überlieferter Aussagen aufgenommen, dann in V . 4 im Anschluß daran noch einmal eigenständig von ihm gebraucht. Siehe dazu unten, S. 104 ff. 21 Vgl. dazu oben, S. 22 f. 40 ff. 22 Diese Bedeutung ergibt sich aus der Parallelität von V. 25 und V. 23. 18

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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trachten können 23 . Über diese Verwendung hinaus und abgesehen von Rom. 8,18—27 nimmt der Begriff keine bedeutende Stellung in der paulinischen Theologie ein. Dem entspricht der Befund, daß das Verb κτίζεiv nur zweimal vorkommt (Rom. 1,25; l.Kor. 11,9) und weitere Derivate vom Stamm κη- (wie κτίσμα, κτίστης) bei Paulus fehlen. U m so mehr fällt auf, daß κτισις in Rom. 8,18—27 gehäuft gleich viermal erscheint (V. 19.20.21.22) und im Unterschied zu Rom. 1,20.25; 8,39 positiv zur Geltung gebracht wird. Die Bedeutung des Begriffs weicht dabei insofern noch einmal ab, als hier aller Wahrscheinlichkeit nach die Schöpfung unter Ausschluß der Menschen ( = τα αψυχα bzw. die „Natur") gemeint ist 24 . Aber selbst wenn man dies nicht berücksichtigt und die Nähe zur umfassenden Bedeutung „Schöpfung" in Rom. 1,25 betont, also angesichts dieser Stelle einräumt, daß die Verwendung von κτισις im Sinne von „Schöpfung" Paulus nicht fremd ist, so kommt die Ktisis-Reflexion in Rom. 8,18—27 in Anbetracht der zu beobachtenden sonstigen Irrelevanz des Begriffs bei Paulus — καινή κτισις ausgenommen — doch überraschend. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang Sinn und Verwendung der Begrifflichkeit, wie sie innerhalb der Ktisis-Aussage in Rom. 8,21 begegnet: και αυτη η κτισις ελευθερωθησεται απο της δουλείας της φθοράς εις την ελενθεριαν της δόξης των τέκνων του θεου. Rom. 8, 21 ist die einzige Stelle in den Paulusbriefen, an der ελευθερουν im Futur gebraucht und die Befreiung als eine Gabe der Zukunft betrachtet wird. Doch läßt sich diese Ausnahme damit begründen, daß hier 23 Vgl. Stuhlmacher, Erwägungen 4: Das Stichwort καινή κτισις wird „von Paulus selbst in die urchristliche Begriffssprache eingeführt". 24 Wichtigstes Indiz dafür ist die Bestimmung in V. 20, daß die Schöpfung ουχ εκουσα der Nichtigkeit unterworfen wurde. Von den Menschen sagt Paulus demgegenüber, daß sie selbst „in ihren Gedanken auf N. ( = Nichtigkeit) verfallen Rö 1,21" sind (εματαιωθησαν; Übers, mit Bauer, Wb 980). Vgl. überhaupt den ganzen Zusammenhang Rom. 1,18—30 sowie zur Deutung von κτισις im Sinne von τα αψυχα Philippi, Rom. 364 f.; Lipsius, Rom. 138; B. Weiß, Rom. 361; Sanday-Headlam, Rom. 207; Lietzmann, Rom. 84. Abwegig ist die Deutung von Fuchs (Freiheit 109), daß die Ktisis „die Engelmächte mitumfassen, ja wesentlich meinen" dürfte; denn die Aussage, daß die Engel der Knechtschaft durch die Vergänglichkeit unterworfen seien, dürfte nicht nur bei Paulus (Schlatter, Rom. 273), sondern auch im antiken Judentum und Christentum insgesamt kaum zu belegen sein. Dagegen ist die Vorstellung belegt, daß der Fall Adams eine Wesensveränderung bei den Tieren verursacht hat. Vgl. z. B. Apok. Mos. 10 ff.24. Unter Verweis auf Vögtle (Kosmos 184 ff.) behauptet Käsemann (Rom. 222): „Daß die Nichtchristen einbezogen sind, ist unzweifelhaft." Nach Vögtle gilt dies freilich nur im Hinblick auf die Aussage über die Schöpfung in V. 22 (a.a.O. 199: „höchstwahrscheinlich"), nicht für die in V. 19 f. (ebd. 195). Käsemann (a.a.O. 225) urteilt im übrigen selber, ουχ εκουσα deute an, „daß die Schöpfung anders als der Mensch sich nicht schuldig machte", zieht jedoch daraus keine Konsequenzen für die Interpretation der Ktisis.

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eben nicht von den Glaubenden, sondern von der Ktisis gesprochen wird, und darüber hinaus erklärend auf andere Aussagen des Paulus verweisen, nach denen eine Gabe einerseits als gegenwärtig wirksam, andererseits als zukünftiges Geschenk bezeichnet wird 25 . Etwas anders steht es bereits mit der Wendung εις την ελευθερίαν της δόξης των τέκνων του θεου. Solche an semitischen Sprachgebrauch erinnernden Konstruktionen sind bei Paulus selten, jedoch bezeichnend etwa für die deuteropaulinischen Briefe an die Kolosser und Epheser 26 . Vor allem aber läßt der erörterte Satz ein Verständnis von Doxa erkennen, das bei Paulus sonst keine Parallele hat. Die Wendung εις την ελευθερίαν . . . wird gemeinhin übersetzt: „zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes" bzw. in Auflockerung der schwerfälligen Wortfolge: „zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes". Nun trifft es zwar zu, daß Doxa bei Paulus im allgemeinen den Sinn hat „(göttlicher) Glanz, Herrlichkeit". In Rom. 8,21 verschleiert diese Ubersetzung den Sinn des Satzes jedoch mehr, als daß sie ihn erhellt. Die Korrespondenz von απο und εις in V. 21 zeigt, daß die fragliche Wendung im Gegenüber zum „Wovon" der Befreiung zu verstehen ist. Gegenüber stehen sich als einander ablösende Wirklichkeiten δουλεία und ελευθερία, φθορά und δοξα. Die Schöpfung soll befreit werden von der Knechtschaft, die die Vergänglichkeit ausübt 27 , und zu der Freiheit, die mit der Doxa gegeben ist, von ihr ausgeht. Als Gegensatz zu φθορά hat δοξα hier den präzisen und einzig möglichen Sinn von „Unvergänglichkeit" 28 . Diese spezielle Verwendung von Doxa ist bei Paulus sonst nicht mehr belegt. Die Vermutung, daß an dieser Stelle nichtpaulinischer Sprachgebrauch vorliegt, wird dadurch bestätigt, daß der Apostel den Begriff φθορά zwar noch häufiger antithetisch verwendet, nie jedoch als Gegensatz zu δοξα. Gegenbegriff zu φθορά ist vielmehr αφθαρσία (l.Kor. 15,42.50) bzw. ζωη αιωνιον (Gal. 6,8)29. Auch seinem Inhalt nach steht der Satz Rom. 8,21 in Spannung zu verwandten Aussagen in den Paulusbriefen, vor allem wenn man das Wovon der Befreiung näher in Augenschein nimmt. Der Begriff δου25

Vgl. z. B. Rom. 5,1 mit 5,9 f. Vgl. Percy, Probleme 26 f. Es fällt dazu auf, daß sich bei einem Teil dieser Genitivkonstruktionen, die bei Paulus begegnen, aus anderen Gründen der Verdacht vorpaulinischer Herkunft ergibt, und zwar gerade bei den längsten Konstruktionen wie Rom. 2,5; 2.Kor. 4,4.6 (zu Rom. 2,5 s. oben, S. 82 mit A. 19; zu 2.Kor. 4,4.6 vgl. Schwantes, Endzeit 36.41). 27 Vgl. Bauer, Wb 1696. 28 Gegen Bauer (Wb 403 f.), der das Wort auch hier im Sinne von „Lichtglanz" versteht. Richtig dagegen Schweitzer, Mystik 65. 29 Umgekehrt bildet δοξα bei Paulus die Antithese entweder zu Φλιψις (2.Kor. 4,17; Rom. 5,2 f.) bzw. παθήματα (Rom. 8,18) oder zu ατιμία (l.Kor. 15,43; 2.Kor. 6,8) bzw. αισχύνη (Phil. 3,19). 28

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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λεια spielt zwar in den Paulusbriefen eine bedeutende Rolle. Die Bestimmung, daß die Knechtschaft des Menschen bzw. Rom. 8,21 der Ktisis in deren Vergänglichkeit begründet sei, steht jedoch einzelnen Aussagen in nichtpaulinischen Briefen wie ζ. B. 2.Petr. 2,19 (αυτοί δούλοι υπάρχοντες της φθοράς) und Hebr. 2,15 (οσοι φοβω θανατου . . . ένοχοι ησαν δουλείας) näher als die Definition von δουλεία bei Paulus. Pointiert formuliert, ist nach Auffassung des Apostels im strengen Sinne nicht die φθορά bzw. der θανατος Grund der Knechtschaft, sondern jenes, was den Tod hervorruft: die αμαρτία, die den sarkischen Menschen versklavt. Das Wovon der Befreiung ist entsprechend die Sünde (Rom. 6,18.22) bzw. das Gesetz der Sünde und des Todes (Rom. 8,2; vgl. Gal. 5,1 ff.). Der mögliche Einwand, die Rede von der δουλεία της φθοράς sei von Paulus deshalb gewählt, weil er eben von der Schöpfung spreche, hält nicht stand. Denn in Rom. 8,21 werden Schöpfung und Menschenwelt unter gleichen Voraussetzungen betrachtet, insofern es heißt: διότι και αυτή η κτισις. Die damit angedeutete Disparatheit der Aussage Rom. 8,21 läßt sich noch profilieren. Nach Rom. 8,22 wird der Tatbestand, daß die Schöpfung der Knechtschaft durch die Vergänglichkeit unterworfen ist und sich aus diesem Zustand heraussehnt, durch ihr Seufzen angezeigt, in V. 23 behauptet, daß wie die Schöpfung so auch die Pneumatiker stöhnen. Das aber impliziert strenggenommen die Auffassung, daß auch sie noch der δουλεία της φθοράς unterworfen sind. Nun ist zwar die Anschauung durchaus paulinisch, daß die Pneumatiker erst bei der Parusie die αφθαρσία erben werden, ihre Existenz also noch durch die φθορά gekennzeichnet ist. Die Behauptung jedoch, daß sie noch durch die Vergänglichkeit geknechtet werden, wird man schwerlich dem Apostel zuschreiben wollen, und zwar um so weniger, als Paulus selbst wenige Sätze zuvor mit allem Nachdruck hervorgehoben hat: ου γαρ ελαβετε πνεύμα δουλείας πάλιν εις φοβον (V. 15). Denn wenn diese Aussage auch unmittelbar das Gottesverhältnis der Christen auslegen will, so dürfte doch die hier angesprochene Freiheit von der Furcht gerade auch die Freiheit von der Furcht vor dem Tode meinen, wenn anders gerade dies das Thema des Kontextes ist30. Eine Sonderstellung im Rahmen der paulinischen Briefe nimmt auch der Begriff πνεύμα ein, wie er in Rom. 8,26 f. begegnet. Nur an dieser Stelle in den echten Paulusbriefen ist Pneuma nach Art des engelhaften Fürsprechers gesehen, wie er ζ. B. in der apokalyptischen Literatur des antiken Judentums, aber mit bestimmten Differenzen

30

Vgl. oben, S. 55 ff. u. ö. sowie die bezeichnende Überschrift Bultmanns (Anthropologie 204) über Rom. 8,12-39: „Die Freiheit vom Tode".

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

auch unter dem Namen „Paraklet" im Johannesevangelium erscheint 31 . Die Aussage, daß „der Geist gemäß Gott f ü r Heilige eintritt", die durchaus noch auf ihren Sinn im Zusammenhang von Rom. 8 zu befragen sein wird, wirkt jedenfalls angesichts der sonstigen Verwendung von Pneuma bei Paulus befremdlich 32 . Unpaulinischer Gebrauch eines auch sonst von Paulus verwendeten Wortes liegt schließlich mit der W e n d u n g δια τον υποταξαντα Rom. 8,20 vor. Die Partikel δια c. acc. steht nur an dieser Stelle in den paulinischen Briefen „statt δια c. gen. zur Angabe d. wirksamen Ursache" 33 . Die Untersuchung der Begrifflichkeit von Rom. 8,18—27 hat damit eine ansehnliche Reihe von Hinweisen darauf ergeben, daß der Apostel hier in stärkerem Maße mit traditionellem Gut argumentiert bzw. in seiner Argumentation verarbeitet hat. Die Erörterung des Wortschatzes ist jedoch nur ein erster Schritt zur Klärung dieser Frage. Es wird im folgenden zunächst weiter zu prüfen sein, ob die Ann a h m e von Traditionsverwertung durch bestimmte stilistische Merkmale gestützt wird. Beobachtungen zum Stil Stilistisch fielen bereits die ελευθερία-Wendung Rom. 8,21 mit ihrem dreifachen Genitiv sowie der Gebrauch von δια c. acc. Rom. 8,20 auf. Zu notieren ist ferner, daß die Verbindungen υιοι θεού und τέκνα •θεού in Rom. 8,14—17 (V. 14.16) und auch sonst mit einer Ausnahme bei Paulus stets ohne Artikel, in Rom. 8,18—27 (V. 19.21) jedoch mit Artikel gebraucht werden 34 . Noch eigentümlicher berührt die W e n d u n g υπέρ άγιων Rom. 8,27. Nur an dieser Stelle steht das substantivierte Adjektiv άγιος absolut und ohne Artikel in den Paulusbriefen. Sonst hat es bis auf l.Kor. 1,2 stets den Artikel. In l.Kor. 1,2 fehlt er zwar, der Begriff ist jedoch durch das Adjektiv κλητοι näher bestimmt.

31 Zur Vorstellung vom Geist als Fürsprecher im antiken Judentum s. Johansson, Parakletoi 84ff.; Betz, Paraklet 36 ff. 32 Vgl. zur Besonderheit von V. 26 f. auch Niederwimmer, Gebet 252. 33 Bauer, Wb 360. Vgl. ferner Kümmel, Paresis 268 und ebd. A. 38: „Mit dem υποταξας kann nur Gott gemeint sein, da dieser Ausdruck für Adam unmöglich wäre, und dann kann Gott nur als Urheber der Unterwerfung unter die Vergänglichkeit gemeint sein." Kümmel vermutet allerdings denselben Gebrauch von δια c. acc. auch für Rom. 8,10. Vgl. jedoch dazu unten, S. 154 A. 41. Für die Deutung des Hypotaxas auf Gott tritt im übrigen auch die Mehrzahl der Kommentatoren ein, wenn auch nicht alle von ihnen δια konsequent mit „durch" übersetzen. 34 Vgl. Rom. 9,26 (Zitat); Gal. 3,26; 4,6 (υιοι θεου); Phil. 2,15 (τέκνα θεου). Die Ausnahme: Rom. 9,8 (τέκνα του θεου).

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H e r v o r z u h e b e n ist schließlich die W e n d u n g αυτο το πνεύμα, also vorangestelltes αυτός m i t artikuliertem Substantiv. I m Z u s a m m e n h a n g m i t P n e u m a erscheint es bei P a u l u s n u r in R o m . 8 , 2 6 u n d 8 , 1 6 . A b e r auch sonst ist vorangestelltes αυτός m i t f o l g e n d e m Artikel bei P a u l u s selten. E s b e g e g n e t w e n i g e M a l e in betonten, feierlich klingenden Sätzen, die traditionelle M o t i v e bzw. vorpaulinisches Traditionsg u t e n t h a l t e n u n d als g a n z e z w a r a u f P a u l u s zurückgehen können, aber auch als vorpaulinische F o r m u l i e r u n g e n d e n k b a r sind. So i n : 1.Kor. 1 5 , 2 8 : τοτε και αυτός ο υιος υ π ο τ α γ η σ ε τ α ι . . . 2.Kor. 1 1 , 1 4 : αυτός γαρ ο σατανας μετασχηματίζεται.. · 3 5 D a r ü b e r h i n a u s b e g e g n e t diese Stellung von αυτός in prophetischen W o r t e n u n d in Segenssprüchen, f ü r die vorpaulinische H e r k u n f t erwiesen oder m i t g u t e n G r ü n d e n A n l e h n u n g a n g e p r ä g t e n Sprachgeb r a u c h a n z u n e h m e n ist, die also bereits formgeschichtlich

bestimmt

oder aber formgeschichtlich b e s t i m m b a r sind. So i n : l.Thess. 4 , 1 6 : αυτός ο κύριος εν κελευσματι. . , 3 6 l.Thess. 3 , 1 1 : αυτός δε ο θεος και πατήρ ημων . . . l.Thess. 5 , 2 3 : αυτός δε ο θεος της ειρηνης . . , 3 7 35 Während sich über 2.Kor. 11,14 so viel sagen läßt, daß das Motiv in jedem Fall traditionell ist (vgl. Vita Adae 9; Apot. Mos. 17 und dazu Windisch, 2.Kor. 342 f.), ein entsprechender Nachweis für die Formulierung jedoch nicht möglich ist, scheint es im Hinblick auf l.Kor. 15,28 wahrscheinlicher, daß der ganze αυτοςSatz (V. 28b) vorpaulinisch ist, als daß er der Feder des Apostels entstammt. Luz (Geschichtsverständnis 344 ff.) hat gezeigt, daß Paulus in V. 24a. 28 „eine christlich-apokalyptische Tradition von der Übergabe des Reiches Christi an den V a t e r . . . aufgenommen" hat (ebd. 346). Wenn auch gilt, daß diese Tradition „nicht näher bestimmt werden" kann (ebd.), so ist doch zu beachten, daß der absolute Gebrauch von υιος in V. 28 bei Paulus nur hier begegnet und der „Gedanke einer Befristung der Herrschaft Christi . . . bei Paulus singulär" ist (ebd. 346 mit A. 109). Übrigens ist im Hinblick auf den Begriff υποτασσειν in V. 28 gegen Luz (ebd. 346) zu erwägen, ob die Verbindung des Motivs der Übergabe mit der ebenfalls traditionellen, in V. 25—27 enthaltenen Zusammenstellung von Ps. 110,1 und Ps. 8,7 nicht bereits dem Apostel vorgegeben war, also nicht auf ihn zurückgeht. Hieran scheint auch Becker (Erwägungen) zu denken, wenn er — allerdings überraschenderweise unter Berufung auf Luz! (ebd. 23) — V. 27 und V. 28 „als nicht selbständige Formulierung des Paulus" bezeichnet (ebd. 24). 3β Die zitierten Worte sind die Einleitung der von Paulus als λογος κυρίου bezeichneten, in V. 16 f. wiedergegebenen (redigierten) Überlieferung. Siehe hierzu Luz, Geschichtsverständnis 326 ff. 37 l.Thess. 3,11 ist in der vorliegenden Form gewiß paulinisch. Es ist jedoch gut vorstellbar, daß Paulus in V. 11—13 einen überlieferten Gebetswunsch ausgearbeitet hat. Und zwar hätte dieser außer der oben zitierten Einleitung den jetzigen Schluß V. 13 (στηριξαι κτλ.) umfaßt, über den Dibelius (Thes. Phil. 19) bezeichnenderweise bemerkt, er bringe „einen Gedanken allgemeiner Art in fast liturgisch zu nennenden Ton: Paulus gebraucht hier wohl wie I9.10 Ausdrücke, die in der kultischen Sprache des Urchristentums bereits fixiert sind." l.Thess. 5,23 ist unschwer als Variante des Gebetswunsches oder Segensspruches V. 11—13* zu er-

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Läßt sich auch aufgrund der Belege der erstgenannten Gruppe, insbesondere im Hinblick auf 2.Kor. 11,14, nicht ausschließen, daß Paulus vorangestelltes αυτός eigenständig verwendet hat, so bleibt doch auffällig, daß Rom. 8 die einzigen Beispiele für betontes αυτός vor Pneuma bietet und daß in Rom. 8,18—27 diese Stellung von αυτός gleich zweimal begegnet: neben αυτο το πνεύμα in αυτη η κτισις (Υ. 21). Der Hinweis, daß die erste αυτο το πνευμα-Wendung außerhalb von V. 18—27 erscheint, nämlich V. 16, vermag die Beobachtung nicht abzuschwächen. Sollte der Apostel den αυτο το πνευμα-Satz V. 26 aus der Tradition übernommen haben, so könnte die Wendimg V. 16 Anlehnung an den Sprachgebrauch der von ihm wenig später zitierten Überlieferung sein38. In Rom. 8,18—27 findet sich des weiteren stilistisch Auffälliges nicht nur in einzelnen Wendungen, sondern ganze Sätze weisen aufgrund ihrer Konstruktion auf eine Redaktion traditioneller Aussagen hin. Zunächst ist der Satz V. 20 f. zu nennen, dessen Aufbau sich wie folgt verdeutlichen läßt: τη γαρ ματαιοτητι η κτισις υπεταγη, ουχ εκουσα, αλλα δια τον υποταξαντα, εφ ελπιδι διότι και αυτη η κτισις ελευθερωθησεται απο της . . . Der Leser dieses Satzes gerät bei dem Mittelstück mit seiner mehrfachen Erklärung für die Unterordnung der Schöpfung unter die Vergänglichkeit (ουχ εκουσα, δια τον υποταξαντα, εφ ελπιδι) unwillkürlich ins Stocken. Insbesondere das zusätzliche εφ ελπιδι hemmt den Fluß des Satzes. Die Uberladenheit des zitierten Satzteils würde sich gut erklären, wenn Paulus an dieser Stelle eine fest geprägte Aussage übernommen und jenes εφ ελπιδι (zusammen mit der folgenden Konjunktion διότι) in den Satz eingefügt hätte. Darf vorausgesetzt werden, daß Paulus sich in Rom. 8,18—27 und insbesondere in V. 19—22 überkommenen Gutes bedient — und bisher haben nicht wenige Indizien in diese Richtung gewiesen —, so findet die Annahme, daß paulinische Redaktion gerade in dieser Wendung faßbar wird, zunächst am Kontext weiteren Anhalt: Wie V. 24 f., die ein zentrales paulinisches Theologoumenon beinhalten, zeigen, ist Paulus das Motiv der Elpis in diesem Zusammenhang entscheidend wichtig 39 . In V. 24 f. ist kennen. Als Konstante zeigt sich dabei außer der Einleitung αυτός δε ο θεος das Motiv αμεμπτως . . . εν τη παρουσία του κυρίου ημων Ιησού (3,13; 5,23). 38 Ein anderes Beispiel dafür bietet l.Thess. 4,14, wo Paulus im Vorgriff auf die Tradition 4,16 f. (die Toten αναστησονται, V. 16) von Jesus statt des üblichen ηγερθη sagt: ανέστη (Luz, Geschichtsverständnis 325 A. 30). Vgl. bereits oben, S. 42 A. 24. 39 Vgl. Gibbs, Creation 34 f.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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von den Pneumatikern die Rede, indem ihre Existenz als Hoffnungsleben charakterisiert wird. Bringt Paulus den Begriff Elpis in V. 20 zur Geltung, so will er festhalten, daß auch die Schöpfung in der Hoffnungsstruktur lebt. Sie ist auf Hoffnung hin der Nichtigkeit unterworfen. Der Auffassung, daß εφ ελπιδι διότι tatsächlich ein paulinisches Interpretament in einer vorgegebenen Aussage ist, fügt sich sodann die Beobachtung ein, daß die Wendung, was die Funktion von V. 20 f. als Begründung von V. 19 betrifft, durchaus entbehrlich ist. Die „sehnsüchtige Erwartung" 4 0 der Schöpfung ist mit dem Hinweis, daß sie unfreiwillig in den Zustand der Nichtigkeit geraten ist, ebenso hinreichend erklärt wie die Bezeichnung des von ihr Erwarteten als „Offenbarung der Söhne Gottes" durch die in V. 21 ausgesprochene Verheißung: Die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf die eschatologische Offenbarung der Gottessöhne, weil sie selbst der Knechtschaft durch die Vergänglichkeit unterworfen ist, aber zur Doxa-Freiheit der Gotteskinder befreit werden wird. Die paulinische Ergänzung „auf Hoffnung hin, denn" 41 scheint auf den ersten Blick nicht mehr in den Text einzutragen, als ohnehin schon darin enthalten ist. Angesichts der Bedeutung der durch die Wendung εφ' ελπιδι angezeigten Kategorie in der paulinischen Theologie unternimmt der Apostel hier jedoch nichts weniger, als das christologisch erschlossene Verständnis des göttlichen Handelns auf die Stellung der Schöpfung coram Deo zu übertragen. Doch wird davon später ausführlicher zu handeln sein, wenn sowohl die zugehörige Aussage V. 2242 als auch die mit dem Abschnitt Rom. 8,18—27 von Paulus verfolgten Intentionen deutlicher hervorgetreten sind. Stilistisch zu prüfen ist ferner der Satz Rom. 8,23, der in seiner wahrscheinlich ursprünglichen, vom Codex Vaticanus bezeugten Form lautet: ου μονον δε, αλλα και αυτοί την απαρχην του πνεύματος εχοντες και αυτοί εν εαυτοις στεναζομεν υιοθεσιαν απεκδεχομενοι, την απολυτρωσιν του σώματος ημων43. 40

Bauer, Wb 183. διότι läßt sich kausal und explikativ verstehen. Beide Deutungen ergehen keinen gravierenden Unterschied. Godet (Rom. II, 103) und Kühl (Rom. 293) haben jedoch darauf hingewiesen, daß die Wiederholung von αυτή η κτισις als Subjekt das kausale Verständnis erfordert. 42 Vgl. dazu unten, S. 98. 43 Zur Begründung der Ursprünglichkeit dieser Version vgl. ausführlich Philippi (Rom. 374), B. Weiß (Rom. 368 A.) und Kühl (Rom. 295), die zeigen, daß sich alle übrigen Lesarten aus der angegebenen erklären. 41

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Einen deutlichen Hinweis auf die stilistische Härte dieses Satzes gibt die Textüberlieferang. Das doppelte και αυτοί sowie die relativ späte Festlegung der Aussage auf die 1. Pers. PI. (στεναζομεν) haben Anlaß zu mannigfachen Konjekturen gegeben. Sie reichen von der einfachen Streichung des ersten και αυτοί (ρ4β) und der Ergänzung von ημείς am Anfang (DG lat sy sa nach και, 104 nach αυτοί) bis zur Streichung des zweiten και (DG) bzw. seiner Ersetzung durch ημείς (Ψ arm Ambst) und zur Ergänzung des zweiten και αυτοί durch ημείς (ρ4β f j vor και, & nach και). Die Beobachtungen zur Begrifflichkeit des Satzes, vor allem zu απεκδεχεσθαι und απολυτρωσις44, ermutigen zu der Überlegung, ob die stilistische Härte des Satzes und damit die Konjekturfreudigkeit, die er ausgelöst hat, nicht daraus zu erklären sind, daß der Apostel auch an dieser Stelle eine überlieferte Aussage überarbeitet hat. Welcher Teil von V. 23a dann, wenn diese Möglichkeit eingeräumt wird, dem Apostel zuzuschreiben wäre, ergibt sich aus den Beobachtungen zur Textüberlieferung: Die Schwierigkeiten, die die Konjekturen veranlaßt haben, wären behoben, wenn man den Partizipalsatz και αυτοί την απαρχην του πνεύματος εχοντες auf das Konto des Apostels setzte. Zugunsten dieser Annahme läßt sich einmal anführen, daß der Begriff des Geistes für Paulus im Zusammenhang von Rom. 8 von grundlegender Bedeutung ist, und zum anderen, daß der Begriff απαρχή bei ihm häufig begegnet 45 . Er kommt zwar nicht mehr in der Verbindung mit πνεύμα vor, aber gerade daß Paulus hier απαρχή του πνεύματος sagt, läßt sich als Hinweis auf seine Handschrift verstehen: Das Äquivalent αρραβων του πνεύματος — bei Paulus zweimal belegt — gehört in 2.Kor. 1,22 mit Sicherheit vorpaulinischem Uberlieferungsgut an 46 und ist in 2.Kor. 5,5 deutlich in Anlehnung an diese Uberlieferung wiederholt 47 . Festzuhalten bleibt, daß die Überleitung ου μονον δε, αλλα V. 23 eine von Paulus so häufig benutzte konjunktionale Formel darstellt, daß auch sie — zumindest die erste Hälfte — vermutlich auf den Apostel zurückgeht. Stellt man die Möglichkeit redaktioneller Eingriffe des Paulus in vorliegende Aussagen in Rechnung, so läßt auch die durch das doppelte Akkusativobjekt auffällige partizipiale Wendung am Schluß von V. 23 eine schlüssige Überlegung zu. Der Begriff υιοθεσία begegnet fast nur in den echten Paulusbriefen 48 und wird von Paulus we44

Vgl. oben, S. 81 f. Rom. 11,16; 16,5; l.Kor. 15,20.23; 16,15. 4 ' Vgl. Dinkier, Taufterminologie 99 ff. 47 Vgl. jeweils die partizipiale Form des Satzes: και δους τον αρραβώνα του πνεύματος εν ταις καρδιαις ημων (l.Kor. 1,22); και δους ημιν τον αρραβώνα του πνεύματος (2.Kor. 5,5). 48 Rom. 8,15; 9,4; Gal. 4,5; außerdem deuteropaulinisch Eph. 1,5. 45

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nige Verse zuvor verwendet (Rom. 8,15), so daß man ihn dem Apostel wird zuschreiben müssen. Aber auch der Genitiv του σώματος in der dann als Akkusativobjekt verbleibenden Verbindimg stimmt zu sehr mit dem etwa Rom. 7,24; 8,10 f. im Kontext bekundeten paulinischen Interesse überein, als daß man ihn Paulus absprechen dürfte. Dies und die Beobachtungen zu den Begriffen απεκδεχεσθαι und απολυτρωσις deuten darauf hin, daß die partizipiale Wendung ursprünglich απεκδεχομενοι την απολυτρωσιν ημων lautete. Der ganze Satz V. 23 hätte dann vor seiner Redaktion durch den Apostel die Form gehabt: (αλλα) και αυτοί εν εαυτοις στεναζομεν απεκδεχομενοι την απολυτρωσιν ημων. Der Apostel hätte die Aussage entsprechend wie folgt präzisiert: Die Seufzenden sind die Pneumatiker, die den Geist als Erstlingsgabe empfangen haben und die Sohnschaft in Form der Erlösung des Leibes, d. h. ihre totale somatische Manifestation, erwarten. Beobachtungen zur Frage des sachlichen

Zusammenhangs

Auch bezeichnende Spannungen in der Gedankenfolge des Abschnitts und in seinem Verhältnis zum Kontext weisen darauf hin, daß Paulus an dieser Stelle vorformuliertes Gut aufgenommen hat. Als problematisch hat sich bereits — im Spiegel der Sekundärliteratur — das Verhältnis von V. 18 und V. 19 ff. gezeigt49. Da V. 18 Begründung für V. 17 ist, wird jener Satz erst voll gewürdigt werden können, wenn auch Rom. 8,14—17 in die Erörterung einbezogen sind. So viel läßt sich jedoch vorweg sagen: Geht man von der gängigen Definition von V. 18 als einer Uberschrift für die Darlegung in Rom. 8,19—27 aus, dann erwartet man in diesem Abschnitt eine Abhandlung bzw. Auskunft darüber, inwiefern die gegenwärtigen Leiden in keinem Verhältnis zur künftigen Herrlichkeit stehen, die „an uns", den Söhnen Gottes, offenbart werden soll. Und in der Tat lassen sich die Ausführungen über das Seufzen der Schöpfung durchaus als Begründung des als These verstandenen Verses 18 interpretieren: Wie groß muß die Herrlichkeit sein, wenn selbst die Schöpfung sich ihr seufzend entgegenstreckt! Nicht mehr ganz so schlüssig erscheint die zweite Begründung, der Hinweis auf das Seufzen der Pneumatiker und dessen Auslegung: Sie zielen weniger auf den Beweis der Größe der kommenden Herrlichkeit als vielmehr auf den Nachweis ab, daß auch die Pneumatiker noch warten, dies aber in Geduld tun können. Immerhin ist in diesen Aussagen V. 23—25 noch der Zusam49

Vgl. oben, S. 78 f.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

menhang zwischen Seufzen und Zukunftserwartung gewahrt. Demgegenüber scheint sich die vermeintlich dritte Begründung fast ganz; verselbständigt zu haben. Ein sachlicher Bezug besteht nur noch zu einem der beiden Leitbegriffe von Y. 18, nämlich dem der παθήματα του νυν καιρού (vgl. στεναγμοί αλαλητοι, Υ. 26). Nur sofern man den Ton der „Beweisführung" auf die Stärkung der Gewißheit des Heils legt, läßt sich V. 26 f. als Glied in die vorangehende Darlegung einreihen. Und bezeichnenderweise nimmt in der Interpretation von Rom. 8,18—27 das Wort „Gewißheit" auch sehr bald eine Schlüsselstellung ein50. Dies aber zeigt gerade die Spannung zwischen dem als These verstandenen V. 18 und dem als Begründung ausgelegten nachfolgenden Zusammenhang an. Denn in V. 18 wird eben nicht ganz allgemein gesagt, daß die Gewißheit des Heils die Zukunft umschließt und durch die Leiden nicht in Frage gestellt wird, sondern es heißt pointiert, daß die Leiden der zukünftigen Herrlichkeit „an Gewicht oder Wert" 51 nicht gleichkommen. Wie angedeutet, muß eine Stellungnahme zu der Frage, ob der Zusammenhang Rom. 8,18—27 mit der Aufgliederung in These und Begründung sachgemäß erfaßt ist, späteren Überlegungen vorbehalten bleiben. Nimmt man den Abschnitt Rom. 8,18—27 für sich, so ist jene Auffassung die nächstliegende. Die Vermutung, daß die mangelnde Kongruenz von V. 18 und V. 19—27 ihren Grund in der Redaktion überkommener Tradition durch Paulus hat, gewinnt durch eine weitere Beobachtung an Gewicht. Bisher haben sich zwar eine Reihe von Indizien dafür ergeben, daß V. 19—22.23 und 26 f. weithin vorpaulinisch sind, nicht jedoch für V. 18. Im Gegenteil, prüft man diesen Vers auf Begrifflichkeit und Stil hin, so erweist er sich als gut paulinisch52. 50 Vgl. z.B. B. Weiß, Rom. 359: V. 19ff. zeige Paulus, „wiefern wir trotz derselben (sc. der Leiden) der endlichen Heilsvollendung gewiß sind und bleiben", Zahn, Rom. 400.413: V. 19—27 begründeten das auf die Größe der Herrlichkeit abzielende Urteil von V. 18; von V. 27 aber heißt es dann de facto, es werde darin angedeutet, daß die Kinder Gottes der Herrlichkeit „völlig gewiß sein können". Haering, Rom. 78: In V. 19 ff. sei in erster Linie von der Gewißheit der künftigen Herrlichkeit die Rede; der Zusatz „so jedoch, daß dabei zugleich nun auch ihre Größe in neues Licht tritt", wird im folgenden nicht verifiziert. Eine ähnliche Kombination findet sich bei Schlatter, Rom. 267: Paulus halte den Glaubenden in V. 18 ff. „die Größe und die Sicherheit ihrer Hoffnung" vor. Vgl. ferner Gaugier, Rom. 297 f.; Schmidt, Rom. 145; Viard, Expectatio 344. Nur Schlier (Das, worauf 611) versucht V. 26 f. konsequent von V. 18 her zu deuten: Das „wortlose Flehen des Geistes für uns" verrate „doch noch mehr als der Christen Verlangen und der Kreatur Warten das Unerhörte der zukünftigen Herrlichkeit". Inwiefern aber? Die Behauptung ist nicht mehr als eine unwillkürliche Veranschaulichung der Unvereinbarkeit von V. 18 als Thema und V. 26 f. als dessen Explikation. 51 Michel, Rom. 201. 52 Vgl. zu λογιξεσ&αι Rom. 3,28; 2.Kor. 11,5; Phil. 3,13; zu παθήματα 2. Kor. 1,5.6.7; Phil. 3,10; zu ο νυν καιρός Rom. 3,26; 11,5; 2.Kor. 8,14; zu δόξα Rom.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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Deutlicher noch läßt sich in der zweiten Hälfte von Rom. 8,18—27 ein Bruch in der Argumentation erkennen, dem nur die Annahme redaktioneller Überarbeitung vorgegebener Tradition gerecht zu werden scheint. V. 23 zeigt auf, daß selbst die, die den Geist empfangen haben, noch seufzen und die Sohnschaft erwarten. In V. 24 f. folgt eine kurze Charakteristik der Situation der Pneumatiker als Leben in Hoffnung und Warten mit Geduld. V. 26 schließt an: „Auf ebendieselbe Art53 hilft auch der Geist unserer Schwachheit auf." Nach dem jetzigen Zusammenhang ist ωσαύτως auf V. 24 f. bezogen. Man versteht die Aussage Y. 26a deshalb zunächst in dem Sinne, daß der Geist ebenfalls δι' υπομονής der Schwachheit zur Seite steht54. Die Fortsetzung Y. 26b sperrt sich jedoch gegen diese Auslegung. Die Schwachheit — so begründet V. 26b — zeigt sich daran, daß die Pneumatiker nicht zu beten wissen, wie es nötig ist, d. h. gottgemäß55. In dieser Situation tritt der Geist selbst für sie ein — mit sprachlosen Seufzern. Das ωσαύτως wird also im folgenden durch στεναγμοί αλαλητοι interpretiert. Jedoch nur scheinbar allein durch die Fortsetzung. Denn bedenkt man, daß das Motiv des στεναζειν in V. 22 bereits im Zusammenhang mit der Schöpfung, in V. 23 in der Aussage über die Geistbesitzer begegnete, so kann kein Zweifel bestehen, daß sich das Adverb auf jene Aussagen in Y. 22.23 zurückbezieht. Allem Anschein nach gehören V. 23 und V. 26 f. deshalb enger zusammen, als 1,23; 2,7.10; 3,7.23; 4,20; 5,2; 6,4; 9,4.23 u. ö.; zu αποκαλυπτεσθαι Rom. 1,17.18; l.Kor. 3,13; 14,30; Gal. 3,23 (vgl. hierzu jedoch auch unten, S. 140); zu μέλλων im Sinne von „zukünftig", ja fast „eschatologisch", Rom. 5,14; Gal. 3,23. Ein wichtiges Indiz ist sodann die durch die Trennung von Partizip und Infinitiv ungewöhnliche Konstruktion προς την μελλουσαν δοξαν αποκαλυφθηναι εις ημας. Sie begegnet im NT nur noch Gal. 3,23 (vgl. die reguläre Konstruktion l.Petr. 5,1). Inhaltlich ist sodann 2.Kor. 4,17 zu vergleichen. Daß Paulus mit der Gegenüberstellung von Leiden und Herrlichkeit ein geläufiges apokalyptisches Motiv aufnimmt, steht auf einem anderen Blatt, da es im vorliegenden Zusammenhang um den Nachweis geht, daß der Satz Rom. 8,18 seiner Formulierung nach paulinisch ist. 53 Bauer, Wb 1777. 54 Vgl. Philippi, Rom. 376: „eben so aber auch., nämlich wie schon von unserer Seite ein δι' υπομονής απεκδεχεσϋαι statt findet." (Hervorhebung von Ph.) Weitere Vertreter dieses Bezugs von V. 26 auf V. 25 in der älteren Exegese sind bei Sanday-Headlam, Rom. 213 aufgeführt.) In den nachfolgenden Kommentaren ist ωσαύτως wie selbstverständlich auf das Seufzen von Schöpfung und Pneumatikern zurückbezogen worden (vgl. z.B. Lipsius, Rom. 140; B. Weiß, Rom. 371; Zahn, Rom. 411). Gewiß ist dieser Bezug zutreffend. Aber dem damit gegebenen Problem der Stellung der Verse 24 f. ist nicht hinreichend Rechnung getragen worden, da die bezeichnende Beobachtung, daß „V 26 und 27 . . . eigentlich an V 23 angeschlossen werden (müßten)" (Michel, Rom. 207), das Problem zwar anzeigt, aber nicht löst. 55 Zur Interpretation von καΦο δει V. 26 durch κατα θεον V. 27 s. Lietzmann, Rom. 87; Harder, Gebet 161.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

es die jetzige Textgestalt zu erkennen gibt. Die Gegenprobe auf die Annahme, daß V. 23 und Y. 26 f. durch Y. 24 f. sekundär auseinandergerissen sind, ergibt, daß V. 24 f. terminologisch und inhaltlich paulinisch sind 56 und sich stilistisch von ihrer Umgebung abheben: Die Sätze in V. 24 f. sind sehr viel kürzer und abrupter, als einzige in Rom. 8,18—27 enthalten sie eine Frage. Sie erklären sich nicht zuletzt auch sachlich gut als Einschub. Sie wollen den Tatbestand deuten, daß selbst die, die den Geist empfangen haben, noch την απολυτρωσιν απεκδεχομενοι sind. Nicht zufällig endet der Einschub mit der Präzisierung, wenn nicht Korrektur: δι υπομονής απεκδεχομεθα. Ein letztes Indiz für die vorgetragene These umfassender Traditionsaufnahme durch den Apostel sind Spannungen, die sich im Verhältnis von Rom. 8,18—27 zum vorangehenden und nachfolgenden Kontext beobachten lassen. Sie beziehen sich in Rom. 8,18—27 auf die zuletzt berührten Verse 26 f. Zu den Rätseln, die sie aufgeben, gehört der Ausdruck στεναγμοί αλαλητοι bzw. die Aussage, daß der Geist mit στεναγμοί αλαλητοι Fürsprache einlege (V. 26)57. Es ist — allerdings im Hinblick auf Rom. 8,26 f. als vermutlich vorpaulinischer Aussage — Luz 58 beizupflichten, wenn er angesichts der Singularität der Aussage sowohl in der Schwebe läßt, ob αλαλητος den Sinn „unaussprechlich" oder „wortlos" habe, als auch davon Abstand nimmt, die möglichen Konkretionen der στεναγμοί — Zungenrede, unartikulierte Gebetsrufe und liturgische Gebetsrufe wie ζ. Β. μαραναθα (1. Kor. 16,22) und αββα ο πατήρ (Rom. 8,15) — als Alternativen zu verstehen. Aber wie immer man auch die Seufzer auslegt, ob man also auf der vorpaulinischen Ebene den Abba-Ruf in sie einbezieht oder nicht, es läßt sich nicht bestreiten, daß die ausgeführten Geistaussagen, in die der Abba-Ruf in Rom. 8,15 f. eingebettet ist, und die Geistaussagen in Rom. 8,26 f. als paulinische Sätze nur schwer miteinander in Einklang zu bringen sind. Denn während in Rom. 8,15 f. der Abba-Ruf den Pneumatikern bezeugt, daß sie Kinder Gottes sind, sie also mit dem Hinweis auf den Abba-Ruf ihrer Gotteskindschaft vergewissert werden, ist ihnen das Seufzen des Geistes nach Rom. 8, 26 f. gerade verschlossen, weil in seiner Bedeutimg nur dem bekannt, „der die Herzen erforscht". Wie wenig sich die Aussagen Rom. 8,15 f. 26 f. miteinander vereinbaren lassen, wenn man V. 26 f. als Wieder5e

απεκδεχεσθαι V. 26 ist deutlich Wiederaufnahme aus V. 23, besagt also nichts gegen die paulinische Herkunft des Satzes. Vgl. zur Frage der Verwendung traditioneller Begriffe im Kontext der zitierten Tradition durch Paulus bereits oben, S. 42 A. 24 und S. 88 A. 38. 57 Zu dieser Ubersetzung von υπερεντυγχανειν s. Bauer, Wb 1663. 68 Geschichtsverständnis 380 f. Luz argumentiert allerdings auf der paulinischen Ebene. Vgl. dazu im folg.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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a u f n ä h m e von V. 15, also den Abba-Ruf bei Paulus als στεναγμός αλαλητος verstehen will, zeigt die entsprechende Deutung des AbbaRufes als „inniger aus der anima christiana aufsteigender Seufzer" 59 . Das „innig" verdirbt die hier eingebrachte Aussage von V. 26 ebenso wie der „Seufzer" die von V. 15, so daß der Versuch der harmonisierenden Auslegung beider Verse gerade zum Zeugnis ihrer Disparatheit wird. Deshalb erscheint es angemessener, die Spannung aufrechtzuerhalten u n d mit der Möglichkeit zu rechnen, daß eine der beiden Aussagen als Gegengewicht gegen die andere gedacht ist. Daß in diesem Fall V. 15 f. eher als Korrektur von V. 26 f. denn umgekehrt anzusehen sind, wird einmal durch das paulmische Interpretament δι' υπομονής απεκδεχομεθα nahegelegt. Aber auch der nachfolgende Kontext deutet darauf hin. Denn n u r dann, wenn der Apostel in den Versen 26 f. keine erschöpfende Umschreibung der Situation der Geistbegabten sieht, kommt der adversative Anschluß in V. 28 voll zur Geltung: „Wir wissen a b e r . . ." 60 . Der an V. 26 f. anschließende Satz weist damit die Pneumatiker ebenso auf die Möglichkeit, ja christliche Notwendigkeit der Überwindung hin, wie es unverkennbar bereits V. 24 f. (besonders V. 25b) gegenüber V. 23 getan hatten. Abgrenzung

der verarbeiteten

Tradition

Zieht m a n den Schlußstrich unter die vorangehend unternommenen terminologischen, stilistischen u n d sachlichen Analysen, so läßt sich die Folgerung kaum von der H a n d weisen, daß Paulus in Rom. 8,18—27 in größerem Maße Traditionsgut verwertet hat. Der U m f a n g dieses Gutes kann nach den vorangegangenen Erörterungen wie folgt bestimmt werden: Mit Sicherheit als paulinisch sind V. 24 f. anzusehen, sodann die W e n d u n g εφ' ελπιδι διότι V. 20 und die Einleitung V. 18. Als Elemente, die auf paulinische Überarbeitung zurückgehen, sind sodann Einleitung (ου μονον δε), die erste partizipiale Bestimmimg (και αυτοί την απαρχην του πνεύματος εχοντες) und Schluß (υιοθεσιαν, του σώματος) in V. 23 zu betrachten. Als vermutlich vorpaulinische Überlieferung werden damit sichtbar: V. 19—22*.23*.26 f. Allerdings könnte im Hinblick auf V. 19—22 u n d V. 26 f. eingewandt werden, daß sich jeweils an zwei Stellen Begriffe u n d Wen58

Johansson, Parakletoi 272. Unter den Kommentatoren wird dem δε nur Godet (Rom. II, 112 f.) gerecht: „Das δε ist stark adversativ: Dem allgemeinen Seufzen . . . stellt dieses aber die Gewißheit gegenüber, welche die Gläubigen haben." (Hervorhebung von G.) Freilich überspannt Godet den Bogen, wenn er in Anlehnung an den adversativen Anschluß in V. 28 allen in 8,18—27 vorangehenden Aussagen nur die Funktion einräumt, das ει συμπασχομεν (V. 17b) bzw. die „Leiden der gegenwärtigen Zeit" aufzuweisen (ebd. 99), ein Schematismus, der an V. 24 f. scheitert. 60

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

düngen finden, die Paulus abzusprechen willkürlich wäre: So begegnen αποκαραδοκια (V. 19) und αχρι του νυν (V. 22) beide im ganzen Neuen Testament nur noch je einmal bei Paulus (Phil. 1,20 bzw. 1,5)61. Sodann ist der Terminus ασθενεια (V. 26) gut paulinisch, und in der Wendung τι το φρόνημα του πνεύματος (V. 27) sticht φρόνημα als Begriff hervor, der im Neuen Testament nur noch zweimal vorkommt, und zwar in Rom. 8 (V. 6 f.). Doch scheint es, was zunächst V. 19—22 betrifft, bezeichnend, daß zum einen das Substantiv am Anfang des Zusammenhangs und die temporale Bestimmung an seinem Ende steht und daß sich zum anderen beide streichen lassen, ohne daß dadurch die Konstruktion oder der Sinn litte, sofern man lediglich statt η γαρ αποκαραδοκια της κτίσεως liest: η κτισις62. Und ebenso läßt sich in V. 26 f. der fragliche Nebensatz in V. 27 streichen, ohne das Satzgefüge zu erschüttern. Die einzige Änderung, die in Y. 26 f. vorgenommen werden müßte, betrifft die Bestimmung τη ασθενεια ημων in V. 26. Doch dürfte ihre hypothetische Ersetzung durch das Personalpronomen ημιν ebenfalls im Rahmen des Vertretbaren bleiben. Es spricht für die vorgetragene These, daß die Verse 19—22*.23*. 26 f.* unter Abzug der als paulinisch bestimmten Elemente einen deutlich erkennbaren Sachzusammenhang ergeben: [η κτισις] την αποκαλυψιν των υιων του θεού απεκδεχεται. τη γαρ ματαιοτητι η κτισις υπεταγη, ουχ εκουσα, αλλα δια τον υποταξαντα. και αυτη η κτισις ελευθερωθησεται απο της δουλείας της φθοράς εις την ελευθεριαν της δόξης των τέκνων του θεου. οιδαμεν γαρ οτι πασα η κτισις συστεναζει και συνωδινει. (αλλα) και αυτοί εν εαυτοις στεναζομεν απεκδεχομενοι την απολυτρωσιν ημων. ωσαύτως δε και το πνεύμα συναντιλαμβανεται [ημιν]· το γαρ τι προσευξωμεθα καθο δει ουκ οιδαμεν, αλλα αυτο το πνεύμα υπερεντυγχανει στεναγμοις αλαλητοις· ο γαρ ερευνών τας καρδίας οιδεν οτι κατα θεον εντυγχανει υπερ άγιων. Dieser innere Zusammenhang des Stückes — unterstützt durch die Beobachtungen zum Anschluß von V. 26 f. an V. 23 — empfiehlt die Annahme, daß Paulus an dieser Stelle nicht nur einzelne Uberlieferungselemente aufgenommen hat, die von ihm selbst dann sekundär 81 αχρι του νυν erinnert sodann unverkennbar an τα παθήματα του νυν καιρού (V. 18). Außerdem begegnet εκων (V. 20) im Neuen Testament nur noch l.Kor. 9,17. Es in Rom. 8,20 auf Paulus zurückzuführen, scheint jedoch angesichts des Zusammenhangs des Motivs mit der jüdischen Apokalyptik (s. oben, S. 83 A. 24) wohl weniger zwingend. M γαρ in Rom. 8,19 ist durch den jetzigen Anschluß von V. 19 an V. 18 bedingt.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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zusammengeschmolzen wären, sondern daß er seinen Ausführungen ein umfassenderes Traditionsstück zugrunde gelegt hat. Die weitere Frage, ob Paulus es schriftlich oder mündlich überkommen hat, läßt sich kaum beantworten. Da die Überlieferung über das dreimalige Vorkommen des Motivs des Seufzens hinaus keine Anhaltspunkte dafür liefert, daß sie in eine bestimmte Form mit entsprechendem Sitz im Leben gefaßt ist, wird man die Möglichkeit einer schriftlichen Vorlage nicht ausschließen dürfen 63 . c) Zum Charakter der Tradition Der Tenor des von Paulus verarbeiteten Überlieferungsstückes ist unschwer zu erfassen. Die Ausführungen kreisen um das Motiv des Seufzens. Mit seiner Hilfe wird die Situation der hinter dem „wir" sich verbergenden Gruppe gedeutet, die in V. 19 als künftige Söhne Gottes, in V. 27 als Heilige gekennzeichnet werden. Sie leben in einer Schöpfung, deren Merkmal das Seufzen ist. Sie selbst sind durch das στεναζειν bestimmt. Und ebenso wirkt der Geist, der ihnen beisteht, in Form von sprachlosen Seufzern. Läßt sich die gemeinsame Ausrichtung der Aussagen in V. 19—22*.23*.26 f.* so weit mühelos erheben, so beginnen die Schwierigkeiten mit der Frage, welchen Sinn die Vorlage vor ihrer Integration in Rom. 8 gehabt haben kann. Eine nähere Einordnung ist dadurch erschwert, daß die Uberlieferung keinen formgeschichtlichen Zugang darbietet und der Zusammenhang, in den sie einmal gehörte, verlorengegangen ist. Es bleibt zu prüfen, ob sich der ursprüngliche Sinn aus dem Überlieferungsstück in seiner rekonstruierten Form — wenn auch nur andeutungsweise — zurückgewinnen läßt. Es wurde hervorgehoben, daß Leitmotiv des Abschnittes das Seufzen ist. Es zeigt durchgängig die Vorläufigkeit, das Unabgeschlossene der Wirklichkeiten Ktisis, Hagioi und Pneuma an, indem es je als Hindeutung auf eine andere Wirklichkeit transparent gemacht wird. In V. 19—22*, den Sätzen über die Schöpfung, wird zunächst eine These aufgestellt: Die Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes (V. 19). Diese These wird in V. 20 f. begründet: Die Schöpfung ist so ausgerichtet, weil sie unfreiwillig der Vergänglichkeit unterworfen worden ist, aber zur Doxa-Freiheit der Kinder Gottes befreit werden wird. In V. 22 folgt eine weitere Begründung: „Denn wir wissen, daß die ganze Schöpfung zusammen seufzt und ächzt." M Die Annahme, daß Paulus überhaupt mit solchen Vorlagen gearbeitet hat, ist bereits an anderen Texten der Paulusbriefe wahrscheinlich gemacht. Vgl. Schulz, Decke 1 ff.; Conzelmann, Weisheit 231 ff. Zur Frage schriftlicher Vorlagen vgl. außerdem die Überlegungen unten, S. 122 A. 151.

7

Osten-Sacken, Römer 8

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

Der neuerliche Anschluß mit γαρ ist zum Anlaß genommen worden, Y. 21 als Begründung von V. 19 zu bestimmen und V. 20 f. als Glosse zu interpretieren64. Doch scheitert diese Deutung daran, daß V. 22 zwar zu erklären vermag, warum die Schöpfimg wartet, nicht aber, warum sie auf die Offenbarimg der Söhne Gottes wartet — im Gegensatz zu V. 20 f. mit der Verheißung in V. 21. Vielmehr gilt es zur sachgemäßen Erfassung von V. 22 zu beachten, daß die theologische Argumentation hier — deutlich markiert durch οιδαμεν — übergeht in einen indirekten Appell an die Erfahrung der Hörer, der die vorangegangene These und ihre Begründung durch Verweis auf das bereits Bekannte zu erhärten sucht65. V. 22 ist damit auf die gesamten Ausführungen in V. 19—21* zu beziehen und als „empirischer" Beleg für die Richtigkeit der in diesen Versen vorgelegten Interpretation der Schöpfung anzusehen. Das aber heißt: V. 19—21* wollen die Erfahrung theologisch deuten, die in V. 22 ausgesprochen ist. Sie zeigen auf, daß das Seufzen und Stöhnen der Schöpfung Signum für ihr Versklavtsein unter die Vergänglichkeit und für ihr Warten auf die für sie selbst heilbringende Offenbarung der Söhne Gottes ist66. Wie das Seufzen der Schöpfung, so bezeugt nach V. 23* das der Heiligen die Offenheit der Zeit, das Ausstehen des Heils. Die in dem Seufzen zum Ausdruck kommende Zukunftserwartung entspricht der der Schöpfung. Die άγιοι erwarten seufzend die Erlösimg — zu ergänzen ist dem Kontext gemäß: von der Vergänglichkeit — so wie die Schöpfung die Offenbarung der Söhne Gottes. 64 Schwantes, Endzeit 47.50; Vögtle, Kosmos 194 ff. Die Unterordnung von V. 20 als Glosse ist bei beiden Resultat ihrer These, Paulus ziele in V. 18 ff. nur auf anthropologisch-soteriologische, nicht auf kosmologisch-soteriologische Aussagen ab. Vgl. dazu unten, S. 265 f. 270. 65 Ob bei diesem Wissen an die Erfahrung im Umgang mit der Welt oder — wohl wahrscheinlicher — an ein Wissen gedacht ist, das in Form theologischer Weltdeutung vermittelt ist, mag dahingestellt bleiben. Als nicht zutreffend erscheint jedoch die zuletzt von Vögtle (Kosmos 197ff.; vgl. jetzt auch Käsemann, Rom. 226) mit Nachdruck vertretene These, συστεναζειν und συνωδινειν bezeichneten die messianischen Wehen. Denn wie bereits Philippi (Rom. 370) hervorgehoben hat, ist es deren Kennzeichen, daß sie unmittelbar vor Beginn des Eschaton eintreten, während der V. 19—22 beschriebene Zustand der Schöpfung nicht der gegenwärtigen Zeit entspringt, sondern auf die urzeitliche Unterwerfung zurückgeht (V. 20). Es wäre eine selbst für die Schöpfung etwas lange Zeit des messianischen Kreißens. Außerdem werden in Rom. 8,22.23 (ebenso wie in 2.Kor. 5, 2.4!) das Seufzen und In-Wehen-Liegen nicht genannt, um die Nähe des Heils bzw. der Parusie zu demonstrieren, sondern um zu verdeutlichen, daß die Betroffenen in der Erwartung leben. Zur Kritik der Auslegung auf die Messiaswehen hin vgl. auch Balz, Heilsvertrauen 52 ff. ·· Vgl. zur Gliederung von V. 19-22 auch Balz, ebd. 33f.36. Zur Kritik der Übertragung der in V. 19—22 erhobenen Gliederung auf V. 23—25 und V. 26 f. durch Balz s. unten, S. 142 A. 35.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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Die Aussage V. 23*, daß auch die, die als Heilige Glieder des eschatologischen Gottesvolkes sind67, seufzen, wird übertroffen von der Feststellung V. 26*, daß selbst der Geist nur seufzend in der jetzigen Zeit wirkt und den Heiligen beisteht. Zeigt sich deren Bedürftigkeit an der Unkenntnis rechten, gottgewollten Gebets, so besteht die Hilfe des Geistes in der Gebetsstellvertretung mit στεναγμοί αλαλητοι. Möglicherweise spielt diese Wendung auf glossalisches Reden an. Ihr Sinn ist in jedem Fall durch den unmittelbaren Kontext als „unverständliches", nicht erfaßbares Sprechen, in gewissem Sinn als Sprachlosigkeit bestimmt. Denn allein Gott, der die Herzen erforscht, d. h. alles weiß und versteht, erkennt, was sich hinter dem sprachlosen Seufzen des Geistes verbirgt, daß er nämlich gottgemäß für Heilige eintritt. Damit weist auch das Seufzen des Geistes wie das der Schöpfung und der Heiligen auf eine jenseits seiner selbst liegende Wirklichkeit hin. Wie sich in dem Seufzen der Schöpfung und der Heiligen positiv das Warten beider auf das Kommen des Heils ausdrückte, so ist mit dem Seufzen des Geistes die Gewißheit verbunden, daß die Hoffnung auf das Heil begründet ist, eben weil der Geist für das eschatologische Gottesvolk dem göttlichen Willen gemäß eintritt. Erst mit V. 27 begegnet in dem Traditionsstück Rom. 8,19—27* eine Aussage, die die Gegenwart ohne Einschränkung positiv als Zeit auslegt, in der zugunsten der Heiligen gehandelt wird. Bis dahin sind die Ausführungen so stark von dem Motiv des Seufzens und der es begründenden Wirklichkeit der Knechtschaft durch die Vergänglichkeit bestimmt, daß sich auch von hier aus zu bestätigen scheint, daß die erörterte Darlegung nicht auf Paulus selbst zurückgeht. Beherrschend ist in diesem Abschnitt nicht die Freude darüber, zum eschatologischen Gottesvolk zu gehören, nicht die siegreiche Zuversicht, die sonst aus fast allen Zeilen von Rom. 8 spricht, insbesondere auch aus dem unmittelbaren Kontext V. 14—17.18.28—30. Vielmehr zeigt die dreimalige Wiederkehr des Motivs des Seufzens, daß der Uberlieferung umgekehrt eher an dem Insistieren auf der Unabgeschlossenheit, ja Unerlöstheit liegt, und dieser Eindruck wird nur dadurch leicht gemildert, daß das Seufzen von Schöpfung, Heiligen und Geist im angegebenen Sinne theologisch transparent gemacht wird. So scheinen die Ausführungen den Sinn zu haben, die Situation der künftigen Gottessöhne als mit der Schöpfung gemeinsames Warten auf das Heil zu bestimmen. Obwohl ihnen thematisch nur ein Satz gewidmet ist (V. 23*), steht dabei das Interesse an dem Ergehen der Heiligen im Vordergrund: Das Warten der Schöpfung geht auf ihre Offenbarung als Söhne Gottes, bzw. ihre Freiheit wird die Doxa-Freiheit der Kin67



Vgl. dazu unten, S. 100 f.

100

II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

der Gottes sein. Und ebenso hat die Schöpfung in den Aussagen über das Wirken des Geistes V. 26 f.* keinen Platz, vielmehr zielen sie ganz auf „uns", die Heiligen, ab. Es wurde zuvor vermerkt, daß die fehlende Möglichkeit der Gattungsbestimmung und die Unkenntnis des Zusammenhangs des Fragments Rom. 8,19—27* es erheblich erschweren, das Ziel dieser Ausführungen zu bestimmen. Nach den vorgetragenen Überlegungen scheint jedoch die Folgerung möglich, daß die Darlegung sich mit einer Auffassung auseinandersetzt, nach der das Leben der Heiligen weniger zukunftsbezogen als vielmehr erfüllte Gegenwart ist, mithin einer enthusiastisch bestimmten Anschauung. Ob man das von Paulus übernommene Fragment begrifflich durch das Prädikat „antienthusiastisch" profiliert oder nicht, in jedem Fall läßt der Charakter der Vorlage es als verständlich erscheinen, daß in dem Abschnitt Rom. 8,18 ff. in neueren Interpretationen antienthusiastische Tendenzen erkannt worden sind 68 . Freilich ist festzuhalten, daß es sich hierbei um ein Stück „Vorgeschichte" von Rom. 8 handelt, nicht um den Zusammenhang bei Paulus, dessen Interesse an diesem Text noch zu erfragen sein wird. Zunächst gilt es jedoch den Versuch, das auf gewiesene Fragment religionsgeschichtlich zu lokalisieren. Diese Aufgabe wird nicht im Sinne einer traditionsgeschichtlichen Erörterung einzelner Motive und Aussagen von Rom. 8,19—27* verstanden. Zum einen ist diese Arbeit umfassend in der Untersuchung von Balz69 geleistet. Zum anderen ist sie im vorliegenden Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung; denn das hier bestimmende Ziel, die paulinischen Aussagen mittels der Frage nach Tradition und Redaktion schärfer zu erfassen, ist mit dem Aufweis des von Paulus übernommenen Fragments und seiner Deutung bereits in neuer Weise angebahnt. Vielmehr soll die religionsgeschichtliche Erörterung an der Frage ausgerichtet sein: Handelt es sich bei Rom. 8,19—27* um eine christliche oder um eine nichtchristliche Überlieferung? Zu den Begriffen, die in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung sind, gehört der Terminus άγιοι. Die apokalyptische Prägung der Ausführungen legt es nahe, den Begriff auch ohne den paulinischen Kontext als Bezeichnung für die Glieder des eschatologischen Gottesvolkes zu verstehen. In diesem Sinne erscheint er in einer Reihe von Stellen in der apokalyptischen Literatur des antiken Judentums,

«0 Vgl. oben, S. 78 f.; S. 79 A. 11. ·· Heilsvertrauen 36 ff. passim. 83 ff. Zu V. 26 f. vgl. auch Niederwimmer, Gebet 261.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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insbesondere im Schrifttum von Qumran 70 . Die Gemeinde vom Toten Meer spricht dabei nicht nur verschiedentlich von sich als den ΕΓ£>ΠΡ. Sie weiß auch in einer den ersten Christen vergleichbaren Weise von dem gegenwärtigen Wirken des heiligen Geistes zu reden, das Motiv der Hilfe des Geistes (Rom. 8,26) eingeschlossen: „Ich preise dich, Herr! Denn du hast mich durch deine Kraft gestützt, und deinen heiligen Geist hast du auf mich ausgegossen, so daß ich nicht wanke" (1QH VII,6 f.). Die Uberzeugung, daß gottgemäßes Reden nur von Gott selbst geschenkt werden kann, findet sich ebenso (vgl. 1QH XI,3 f. 33 f.; XII,33) wie die Gewißheit, daß Gott das Sinnen des Frommen kennt (1QH IX,12 u. ö.). Auch von dessen Seufzen legen die Schriften eindrücklich Zeugnis ab, sei es, daß es veranlaßt ist durch Angriffe der Gegner (1QH V,26 ff. u. ö.), sei es, daß es der Erkenntnis der Vergänglichkeit 71 und Schuldhaftigkeit des Menschen entspringt (1QH XI,19—22). Ja, selbst vom Leiden der Erde vermag der Beter zu singen: Wenn die feindliche Umwelt sich erhebt, „schreit die Erde auf wegen des Verderbens, das in der Welt geschieht, und alle ihre Tiefen brüllen" (1QH 111,32 f.). Freilich stellen alle diese Aussagen entweder nur mehr oder weniger weitläufige Parallelen dar, oder sie werden in ihrem jeweiligen Kontext anders als in Rom. 8,19—27* gewendet. Insbesondere gilt dies von der in Rom. 8,26 f.* wie in den Hodajoth begegnenden Vorstellung der oratio infusa. Den Schriften von Qumran ist nicht nur die in Rom. 8,26 f.* damit verbundene Anschauung vom Geist als Fürsprecher fremd. Es findet sich auch kein Anhaltspunkt dafür, daß die Hilfe des Geistes nach Auffassung der Gemeinde von Qumran die Form von sprachlosen Seufzern hätte haben können. In Rom. 8,19—27* hat diese Aussage die Funktion, den Ausstand des Heils anzuzeigen. Zwar hat sich dies Problem, ein gesteigertes eschatologisches Bewußtsein zu revidieren und eschatologische Vorbehalte aufzurichten, auch in Qumran gestellt 72 , jedoch nicht in der gleichen Schärfe wie im frühen Christentum. So scheint die Annahme näherliegend, daß die Überlieferung von Rom. 8,19—27* eine christliche Schöpfung ist, die am ehesten hervorgerufen ist durch enthusiastische Strömungen, wie sie sich nach dem Zeugnis der paulinischen Briefe im griechischsprachigen Christentum gebildet haben.

70

Vgl. die Aufzählung der Stellen bei H.-W. Kuhn, Enderwartung 92. In 1QH XI,20 ist[IBJ?]"7 tin;« m i t r m zu ergänzen. Vgl. K. G. Kuhn, Konkordanz s. v. mittTl und die dort genannten Parallelen 1QH X,4; XII,26 sowie femer 1QS XI,21 f.; 1QH X,12 u. a. 72 Vgl. v. d. Osten-Sacken, Belial 75 ff. 71

102

II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

d) Die paulinische Bearbeitung Erste

der

Tradition

Hinweise

Der verschiedentlich betonten Prämisse gemäß, daß Rom. 8 als Ganzes zu interpretieren ist,. wird die paulinische Bearbeitung der Tradition erst von der Gesamtinterpretation von Rom. 8,14—30 wie von Rom. 8 überhaupt her voll in den Blick kommen können. Insbesondere wird eine Antwort auf die Frage, warum Paulus das Überlieferungsstück aufgenommen hat, erst versucht werden können, wenn der vorangehende Abschnitt Rom. 8,14—17 und der begründend daran angeschlossene paulinische Vers Rom. 8,18 erörtert sind. Denn Rom. 8,14—17.18 lenken auf die folgenden Ausführungen hin und dürften so allererst Aufschluß über das paulinische Interesse an der übernommenen Uberlieferung vermitteln73. Möglich ist jedoch bereits an dieser Stelle eine erste Ubersicht über die Art der Verarbeitung der Tradition durch Paulus. Von dem den Abschnitt Rom. 8,18—27 einleitenden und in seiner Funktion noch zu bestimmenden V. 18 abgesehen, wurde paulinische Redaktion sichtbar vor allem in dem Zusatz εφ' ελπιδι διότι V. 20 f., in V. 24 f., die ebenfalls die Elpis zum Inhalt haben, sowie in einzelnen Näherbestirnmungen in V. 23. Der Begriff Elpis markiert damit das zentrale Anliegen der paulinischen Überarbeitung. Mit seiner Hilfe interpretiert Paulus zweimal die Bestimmung der Situation als „seufzendes Warten" seitens der Vorlage. Das sehnsüchtige Warten der Schöpfung auf die Offenbarung der Gottessöhne, begründet in ihrer Vergänglichkeit, ist Hoffnung, weil die Schöpfung auf Hoffnung hin der Nichtigkeit unterworfen wurde. Mit εφ ελπιδι διότι hebt Paulus zum einen hervor, daß wie die verheißene Befreiung so bereits das Warten der Schöpfung Gabe Gottes ist. Und er stellt zum anderen sicher, daß das sachgemäße Verhältnis auch der außermenschlichen Schöpfung zu Gott allein die Hoffnung sein kann. Die in Rom. 4,18 vorgelegte Definition, daß Abraham παρ' ελπίδα επ' ελπιδι επιστευσεν und deshalb als gerecht angesehen wurde, lehrt, daß Paulus damit in Rom. 8 das Verhältnis der Schöpfung zum Schöpfer mittels einer grundlegenden Kategorie seiner Rechtfertigungslehre auslegt. Nur insofern die Schöpfung im Sinne Abrahams hoffende ist, gilt ihr die Verheißung, daß sie zu der in der Unvergänglichkeit begründeten Freiheit der Gottessöhne befreit werden wird. Noch prägnanter ist die Bedeutung der Hoffnung in V. 24 f. herausgearbeitet. Wieder knüpft Paulus an eine vorgegebene Aussage über das seufzende Warten an. Er verschärft sie zunächst um die aus73

Vgl. unten, S. 134 ff.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

103

drückliche Notiz, daß die Gruppe, die mit dem „wir" gemeint ist, die sind, die den Geist als Erstlingsgabe empfangen haben, und präzisiert das Warten auf die Erlösung als Warten auf die Sohnschaft in Form der Erlösung des Leibes. Begnügte sich die Vorlage mit der einfachen Feststellung, daß auch die Heiligen seufzend warten, so führt Paulus in Y. 24 f. aus, warum dies so ist. Während die Schöpfung auf die Zukunft ausgerichtet ist, weil sie auf Hoffnung hin der Vergänglichkeit unterworfen wurde, leben die Pneumatiker in seufzendem Erwarten, weil sie auf Hoffnung hin gerettet wurden 74 . Paulus bestimmt die aufgewiesene Struktur christlicher Existenz als theologisch notwendig, weil Heil in der Zeit nur Heil ist als Hoffnung auf das Heil. Wäre das Heil sichtbar, so gäbe es keine Hoffnung, weil man, was man sieht, nicht hofft. Weil aber von den Christen im Unterschied zur Schöpfung nicht gilt „unterworfen auf Hoffnung hin", sondern — sofern sie denn den Geist als Erstlingsgabe haben — „gerettet auf Hoffnung hin" oder: weil es das Heil ist, das als empfangenes erhofft wird, darum ist die Situation der Pneumatiker in der Zeit durch die Bestimmung „seufzendes Warten" nicht zutreffend bestimmt, sondern allein durch δι' υπομονής απεκδεχεσθαι (V. 25)75. Es wird durchaus noch zu fragen sein, warum Paulus die Aussage über das Seufzen der Heiligen V. 23, wenn auch in modifizierter Form, überhaupt übernimmt. Unabweisbar drängt sich jedoch schon hier der Eindruck auf, daß das Resümee der Verse 24 f. den Charakter einer Korrektur hat, ohne die die Aussage V. 23 für Paulus nicht tragbar wäre. Zwar sind Schöpfung und Pneumatiker durch das Seufzen zusammengeschlossen und leben beide in der Hoffnung. Anders als die Schöpfung aber sind die Pneumatiker als in Hoffnung Gerettete nicht mehr der Knechtschaft unter die Vergänglichkeit unterworfen. Als hoffnungsweise Geretteten ist ihnen die Möglichkeit der Geduld in der Wirklichkeit des Seufzens eröffnet. In Übereinstimmung damit läßt Paulus das Motiv der Uberwindung unmittelbar im Anschluß an die nächste überkommene Aussage in V. 28 erneut anklingen und entfaltet es in dem Schluß Rom. 8,31—39 noch einmal ausführlicher (V. 32b. 35 ff.). Es darf somit vorerst in der Überarbeitung der Pau74 Gewiß sind εφ' ελπιδι V. 20 und τη ελπιδι Υ. 24 aufgrund des jeweiligen Kontextes dahingehend zu unterscheiden, daß ersteres stärker das Ziel des göttlichen Handelns ausdrückt, während letzteres den Modus bezeichnet, in dem sich die Rettung vollzogen hat. Um jedoch anzuzeigen, daß Paulus jeweils dieselbe theologische Intention verfolgt — Schöpfung und Christen leben aufgrund des göttlichen Handelns in der Hoffnung —, sind beide Bestimmungen oben mit „auf Hoffnung hin" wiedergegeben. Vgl. die Gleichsetzungen beider Wendungen bei Lietzmann, Rom. 85; Lagrange, Rom. 211; Michel, Rom. 206. 75 Entsprechend wird ζ. B. in Rom. 12,12 christliche Existenz nicht durch τη ελπιδι στεναζοντες, sondern durch τη ελπιδι χαίροντες gekennzeichnet.

104

II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

lus in Rom. 8,19—27* überkommenen Tradition mit Hilfe der Begriffe ελπις und υπομονή das entscheidende Interesse der redaktionellen Arbeit des Apostels gesehen werden. Ein nicht minder schwieriger Abschnitt eines anderen paulinischen Briefes, 2.Kor. 5,1—10, scheint die Sachgemäßheit sowohl der an Rom. 8,18—27 exemplifizierten Methodik als auch der inhaltlichen Definition des leitenden paulinischen Interesses in dem besprochenen Abschnitt zu bekräftigen. Deshalb soll zunächst eine exegetische Skizze von 2.Kor. 5,1—10 folgen. e) Die Parallele

2.Kor. J,l-10

Die Nähe von 2.Kor. 5,1-10 zu Rom. 8,18-27 ist augenfällig 76 : Nur noch in diesem Abschnitt wird in den paulinischen Briefen vom Seufzen der Glaubenden als Zeichen für ihre Sehnsucht nach der neuen eschatologischen Leiblichkeit gesprochen (2.Kor. 5,2.4), wie in Rom. 8,23 findet sich im Zusammenhang damit eine Aussage über das erhaltene Angeld des Geistes (2.Kor. 5,5) sowie über den Status der Glaubenden als nicht im Schauen Lebende (2.Kor. 5,7). Die Verwandtschaft wird noch deutlicher, wenn man — wofür allein schon der Anschluß mit οιδαμεν γαρ 2.Kor. 5,1 spricht — 2.Kor. 4,16—18 als Einleitung zu 2.Kor. 5,1—10 hinzurechnet: V. 18, der die zuletzt genannte Aussage 2.Kor. 5,7 vorbereitet, bringt die Nähe zu Rom. 8, 24 f. mit der Gegenüberstellung von τα βλεπομενα und τα μη βλεπομενα auch terminologisch unverkennbar zum Ausdruck, mit V. 17 aber wird gleich zu Beginn der Ausführungen eine Gewißheit bekundet, wie sie ebenfalls in Rom. 8,18 am Anfang des besprochenen Abschnittes geäußert ist77. 78 Auf die Parallelität einzelner Stellen ist so von den Exegeten immer wieder hingewiesen worden. Vgl. ζ. B. Mundle, Zwischenzustand 98 (2.Kor. 5,2 — Rom. 8,22 f.); Lietzmann-Kümmel, Kor. 121 (2.Kor. 5,7 - Rom. 8,24); Dupont, Syn Christo 1 3 0 f . (2.Kor. 4,17 - Rom. 8,18; 2.Kor. 4,18 - Rom. 8,24f.); Hoffmann, Toten 271 (2.Kor. 5 - Rom. 8 , 1 9 - 2 3 ; 2.Kor. 4,17 - Rom. 8,18). 77 Strenggenommen müßte man von 2.Kor. 4,16—18 als Überleitung sprechen. Die Verse bilden einerseits den Abschluß von 4,7 ff. (vgl. unten, S. 252 f.), andererseits sind sie Hinführung zu 5,1—10. Nicht gerecht werden dieser zweifachen Funktion der Verse Baumert (Sterben 36 ff. 142 ff.) und Lang (Forschung 193 ff.) in ihren kürzlich erschienenen Untersuchungen zu 2.Kor. 5,1—10. Nach ihrer Auffassung bilden 4,16—18 die These, die in 5,1 ff. veranschaulicht werde. Baumert legt das Schwergewicht auf den Gegensatz „innerer-äußerer Mensch" (V. 16), der durch die Opposition „irdisches-himmlisches Haus" aufgenommen und entfaltet werde, Lang auf die Gegensätze „sichtbar/zeitlich — unsichtbar/ewig" (V. 17 f.), die er in 5,1 ff. im Hinblick auf die christliche Existenz weiter expliziert sieht. Beide suchen die futurisch-eschatologische Ausrichtung von 5,1 ff. zugunsten einer Deutung von Auflösung und Überkleidung als gegenwärtiger Vorgänge möglichst abzuschwächen. Die Spitze der paulinischen Darlegung — die Herausarbeitung der Erwartung

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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Diese Hinweise mögen vorerst zur Kennzeichnung der engen sachlichen Berührungen zwischen den Texten genügen. Wichtiger ist im vorliegenden Zusammenhang die folgende Beobachtung: Der durch 2.Kor. 4,16—18 eingeleitete Abschnitt 5,1—10 rückt auch aufgrund seiner sprachlichen Gestalt an die Seite von Rom. 8,18—27. Wie dieser Text weist er eine Fülle von Hapaxlegomena auf, läßt er stilistische Härten und erhebliche Spannungen in seinem Aussagegefälle erkennen. Da, nicht zuletzt veranlaßt durch den mit οιδαμεν γαρ (2.Kor. 5,1) von Paulus selbst gegebenen Hinweis, bereits seit längerem damit gerechnet wird, daß der Apostel in 2.Kor. 5,1—10 vorgegebene Überlieferung verarbeitet78, sollen die terminologischen Auffälligkeiten nur nebenbei vermerkt werden und das Hauptaugenmerk der Frage nach stilistisch und sachlich Sperrigem gelten79. Ihre Erörterung ist dadurch erleichtert, daß die Mehrzahl dieser stilistischen und sachlichen Spannungen bereits kenntlich gemacht ist80, ohne daß sie freilich überzeugend erklärt worden wären. somatischer Verwandlung in der Vollendung (Überkleidung mit dem himmlischen Haus = Leib) — wird dabei abgebrochen, wenn „innerer Mensch" und „himmlisches Haus" identifiziert (Baumert, a.a.O. 38: „Synonyma") werden bzw. das himmlische Haus unter Ablehnung der Deutung auf den individuellen Leib konturenlos als „Symbol für die umfassende Lebenswirklichkeit" (Lang, a.a.O. 194) verstanden wird. Zu der diesem Ansatz korrespondierenden Auslegung von ενδυσαμενοι in 5,3 als Umschreibung bereits empfangenen Heils (Baumert, a.a.O. 167 ff.; Lang, a.a.O. 197 f.) s. unten, S. 114 A. 121. Diese Anmerkungen zur umfangreichen Arbeit von Baumert und zur forschungsgeschichtlich orientierten Untersuchung von Lang mögen genügen, um das Gefalle der beiden Auslegungen anzudeuten und die Anfragen zu kennzeichnen, die sich von der im folg. herausgearbeiteten Deutung von 2.Kor. 5,1—10 her an sie ergeben. 78 Windisch (2.Kor. 158.160) spricht von „einer allgemeinen, auch von den Kor. geteilten christlichen Lehrüberzeugung" bzw. „jüdisch-gemeinchristlicher Tradition", Georgi (Rez. Schmithals 95) „von der Gemeinsamkeit mit der Zukunftshoffnung der Gnostiker", von der Paulus ausgehe. 79 Hapaxlegomena begegnen in besonders großer Zahl in V. 1 f.: οικία, οικοδομή und οικητηριον als Metaphern für den Leib (bei Paulus und im NT nur hier); οκηνος (wiederaufgenommen in V. 4), καταλυειν, αχειροποιητος, επενδυεσθαι. Nur in diesem Abschnitt finden sich bei Paulus ferner εκδυεσθαι (V. 4), ενδημειν, εκδημειν (V. 6. 8. 9) und κομιζειν (V. 10). Im Hinblick auf V. 1 f. ist ferner zu bemerken, daß στεναζειν außer in V. 4 nur noch Rom. 8,23 in einer als vorpaulinisch bestimmten Aussage vorkommt und Paulus επιποθειν sonst durchweg gebraucht, um seiner oder der Brüder Sehnsucht nach der angesprochenen Gemeinde Ausdruck zu verleihen (Rom. 1,11; 2.Kor. 9,14; Phil. 1,8; 2,26; l.Th. 3,6). Vgl. ferner unten, S. 116 f. zu ουρανος. Wenn Luz (Geschichtsverständnis 366) erklärt, Paulus bediene sich hier wohl deshalb „in ausgesprochener Häufung griechischer termini und Gedanken . . . , um ,den Griechen ein Grieche' zu werden", so ist damit gewiß die apostolische Verantwortung des Paulus zutreffend umschrieben, jedoch die Auseinandersetzung mit der Eigenart der in 2.Kor. 5,1—10 vorliegenden Anschauungen zu schnell abgebrochen. 80

Vgl. bes. Windisch, 2.Kor. 158 ff. und im folg.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

Die Aussagen in 2.Kor. 5,1 f. sind weithin in sich geschlossen. Weithin — das heißt mit einer bezeichnenden Ausnahme: Wenn das Leben der Christen beendet wird81, steht für sie eine himmlische Behausung bereit. Mit dieser als bekannt vorausgesetzten Aussage begründet Paulus in 2.Kor. 5,1 die in 4,17 f. geäußerte Überzeugung, daß den Glaubenden als den auf das Unsichtbare Bedachten ein Übermaß an δόξα zuteil werden wird82. In 2.Kor. 5,2 wiederum wird das in 5,1 ausgesprochene Wissen begründet83. Der Tatbestand, daß die Christen in ihrer irdischen Leiblichkeit seufzen, zeigt, daß sie sich nach dem himmlischen Haus sehnen. Beherrschend ist in beiden Versen das Bild vom Bau als Umschreibung für das himmlische Sein der Christen. Der mit ihm angesprochene Vorstellungskreis wird allerdings an einer Stelle durchbrochen, mit dem Bild vom Überziehen der himmlischen Behausung in V. 2b. Zum Schaden für die Erklärung des Textes ist dieser Beobachtung, obwohl sie immer wieder angeführt worden ist84, nicht hinreichend Rechnung getragen worden, vielmehr wurde sie aufgrund von fragwürdigen religionsgeschichtlichen Auskünften stets alsbald wieder nivelliert. Der Kronzeuge für die religionsgeschichtliche Einordnung von 2.Kor. 5,1 f. ist Vielhauer 85 . Gegenüber den religionsgeschichtlichen Erklärungen von Windisch und Lietzmann, die sich auf die griechische Philosophie, das Judentum und die hellenistischen Mysterienreligionen berufen, stellt er zutreffend fest, daß unter allen genannten Parallelen keine sei, „die die Baubezeichnung für den irdischen und himmlischen Leib und die Verbindung von Bau und Gewand erklärte"8*. Er fährt fort: „Dagegen weist Reitzenstein HMR. S. 355 sowie IEM. S. 164, 167 auf 81

In der älteren Auslegung ist an diese Aussage sofort die Frage geknüpft worden, welchen Zeitpunkt Paulus im Auge habe, die Parusie oder die Zeit vor der Wiederkunft, und die weitere Interpretation ganz von dieser Fragestellung abhängig gemacht worden. Mit Recht hat sich jedoch seit Mundles Beitrag (Zwischenzustand 93 ff.) die Auffassung durchgesetzt, daß das Problem des Abschnittes nicht die Frage nach dem Zeitpunkt von Auflösung und Überkleidung und entsprechend — bei Deutung auf die Parusie — die Furcht vor einem Zwischenzustand in Nacktheit bei vorzeitigem Tod sei, sondern daß es unter Absehen von der Frage des Zeitpunktes um die Zukunft der Christen nach dem „Abschluß des Daseins in irdischer Leiblichkeit" (Mundle, ebd. 96 mit Bachmann) gehe. Vgl. dazu auch Hoffmann, Toten 254 ff.; Luz, Geschichtsverständnis 364 mit A. 25. Ungeachtet dessen ist die Vollendung nach Paulus in jedem Fall an die Parusie Jesu Christi gebunden. Bis dahin schlafen die Toten. Weiter ist Paulus an dieser Frage nicht interessiert. Vgl. l.Thess. 4,13-18; l.Kor. 15,51-55. 82 Damit rückt der Zukunftsaspekt der Aussage 4,17 f. in den Vordergrund. Vgl. zu 4,17 f. auch unten, S. 285 A. 106. 83 Zu και γαρ = „denn auch", „— ja auch" s. Blaß-Debrunner § 452,3. 84 Vgl. ζ. B. Windisch, 2.Kor. 161; Vielhauer, Oikodome 106. 85 A.a.O. 106 ff. Auf ihn berufen sich ζ. B. Bultmann, Probleme 6 A. 4; Michel, ThWb V, 150 A. 8; Hoffmann, Toten 268 A. 80; Luz, Geschichtsverständnis 365 A. 32; Schottroff, Welt 148 A. 2. M A.a.O. 107.

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

107

iranische Grundlagen, die wir vor allem bei den Mandäern kennengelernt haben. Und m. E. erklärt sich II.Kr 5,1 und 2 am besten aus den mandäischen Vorstellungen vom irdischen und himmlischen Leib als einem Haus oder Bau und Gewand; gerade in den mandäischen Schriften ist der Wechsel und das Ineinanderfließen der beiden Bilder ganz gang und gäbe, ja selbstverständlich und charakteristisch. Die mandäischen Vorstellungen sind zu II.Kr 5 natürlich nur Parallelen, allerdings sehr auffällige Parallelen, aber keine Quellen der paulinischen Begriffe. Aber die Parallelität verweist, da eine literarische Abhängigkeit der mandäischen Schriften von Pls nicht vorliegt, auf eine beiden gemeinsame Grundlage, eben die ,iranische'. So können die mandäischen Parr. indirekt die ,Vorgeschichte' der paulinischen Begriffe und ,Bilder' erhellen." 87 Nach diesen Ausführungen erwartet man eine wahre Flut von Belegen für jenes „Ineinanderfließen der beiden Bilder". De facto bringt Vielhauer einen einzigen: „Ein Mana bin ich des großen Lebens, wer hat mich im körperlichen Gewände wohnen lassen?" (Lidz. Ginza p. 471,10 f.)88. Dieser Beleg trägt jedoch — obwohl dieselbe Wendung noch verschiedentlich begegnet 89 — nicht die Beweislast, die ihm zugemutet wird. Die Verbindung von „Gewand" und „Wohnen" betrifft den Körper des irdischen Menschen, für den die mandäischen Schriften in der Tat wechselweise die Metaphern „Bau", „Wohnung" und „Gewand" verwenden. Diese Identität von „Bau" und „Gewand" findet sich jedoch gerade nicht in den Aussagen, die vom Ergehen des Menschen bzw. der Seele nach dem Ablegen des Körpers handeln. In ihnen ist vielmehr durchweg zwischen der Vorstellung vom Bau und der vom Gewand unterschieden: Die Seele wird mit einem Lichtgewand bekleidet und erhält dann eine Wohnung im Haus des Lebens, d. h. in der himmlischen Welt: „Die Seele fliegt und zieht hin, bis sie an das Tor des Hauses des Lebens kam. Als sie an das Tor des Hauses der Seele kam, kommt ihr der Geieiter entgegen. Einen prangenden Kranz trägt er in der Hand, auf beiden Armen ein Gewand: Rege dich, Seele, ziehe dein Gewand an und setze deinen prangenden Kranz auf. Steig empor, gehe zur Sldnä90, der Stätte, an der die Uthras sitzen und deine Brüder in ihren Slünäs untergebracht sind" (Lidz. Ginza p. 514,20—31)91. Das aber bedeutet: Weil die mandäischen Schriften in den Aussagen über das Jenseits durchweg zwischen dem Gewand als Bekleidung für die Seele und dem Haus bzw. der Wohnung als dem Ort des himmlischen Seins unterscheiden, ist die Aussage von 2.Kor. 5,1 f., daß die Christen sich nach der Überkleidung mit der Behausung von Gott sehnen, von mandäischen Voraussetzungen her gerade unmöglich. Verbleibt die Paulus und den Mandäem gemeinsame „iranische Grundlage". Sie ist ein Fundament, das in diesem Fall erst noch gelegt werden muß. Denn keine der Stellen in den Schriften Reitzensteins, die Vielhauer angibt, enthält mehr als die reine Behauptung, daß iranische Belege vorhanden seien. In HMR 92 355 folgt nach dem Zitat von 2.Kor. 5,1 f. der lapidare Satz: „Hier zeigt sich jenes Ineinanderfließen der beiden Bilder, 87

Ebd. 108. Ebd. 38. 89 Lidz. Ginza p. 467,19; 471,21.22; 484,29; 539,3; 575,10; 576,4. 90 Skinäs sind die himmlischen Wohnungen, „in denen die Lichtwesen hausen" (Rudolph, Mandäer II, 21). Vgl. ζ. B. Lidz. Ginza p. 7,7 f.; 13,17-19. 91 Zur Unterscheidung von Gewand und Wohnung s. femer Lidz. Ginza p. 102, 37 f.; 241,1-3.4-7; 246,10-15; 257,3-20; 324,27-38; 396,16-21.32-37; 487,9 f.; Lidz. Joh. II, p. 206, 6—8 sowie die von Vielhauer selbst genannte Stelle Lidz. Ginza p. 516,14 ff. Vgl. auch Brandt, Schicksal 35.38 f.: Die Auffahrt der frommen Seelen zum Haus des Lebens erfolgt in dem „neuen Anzug". 92 = Die hellenistischen Mysterienreligionen. 88

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

das uns aus dem Iranischen bekannt ist." In IEM M 164 findet sich eine Besprechung des von Apuleius geschilderten Isismysteriums mit dem Hinweis auf das Gewand, mit welchem bekleidet der Myste als Standbild des Sonnengottes vor die Göttin gestellt wird. IEM 167 bringt Reitzenstein das Gewand mit dem Himmelsgewand der mandäischen, manichäischen und spätjüdischen Eschatologie in Verbindung und schließt die Erwägung an: „Ja vielleicht ist der ganze Brauch einer Darstellung als Standbild des Gottes dem östlichen (syrischen?) Kulturkreis entnommen." Er verweist dazu auf einen Text aus diesem Raum, in dem ein Vergottungsmysterium vorausgesetzt wird, „dessen Schluß die Aufrichtung . . . des Vergöttlichten als Standbildes des Lichtgottes bildet", umschrieben mit den Worten: ετελειωθη το μυστηριον και εσφραγισθη ο οίκος και εσταθη ανδριας πληρης φωτός και θεοτητος. Und ebd. Anm. 4 und 5 erläutert er: „Ich verstehe ο οίκος hier von dem σωμα τελειον, das selbst als Bau oder als Tempel der Gottheit gefaßt wird. — Eine ähnliche Vorstellung mögen die Mandäer gehabt haben. Den Schluß der Himmelswanderung bildet fast immer die Angabe, daß der göttliche Führer den Emporgeführten in seiner Shkina aufrichtete". Selbst wenn man nicht sonderlich in Rechnung stellt, daß sich die Termini „Gewand" und „Haus" nicht in demselben Text finden und der Apuleius-Text keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß das Gewand in den Isismysterien als σωμα verstanden wurde, und wenn man weiter außer acht läßt, daß in den mandäischen Texten das himmlische Gewand für die Seele und ihr Haus nicht identisch sind — in jedem Fall bleibt völlig rätselhaft, wo hier die iranische Grundlage zu sehen ist. Die Berufung auf Reitzenstein wird auch dadurch nicht überzeugender, daß Hoffmann' 4 die Angaben Vielhauers um den Verweis auf IEM 147 bereichert. Dort findet sich lediglich der Hinweis, daß die „Neukleidung der Seele ursprünglich auch auf iranischem Gebiet kultlich an dem Toten dargestellt sein muß", was als iranischen Beleg für das Ineinanderfließen der beiden Bilder zu werten schon einer gewissen Kühnheit bedarf. Bezeichnend scheint vielmehr gerade an dieser Stelle zu sein, daß Reitzenstein nach dem Zitat von 2.Kor. 5,1—4 fortfährt (S. 148), daß jenes Ineinanderfließen der Bilder vom Bau und Gewand — „ja für Mandäer und Manichäer ganz besonders charakteristisch" sei. Reitzenstein selbst verweist dabei auf S. 51. 41 A. 2 seiner Untersuchung, wo er ohne nähere Stellenangaben referiert, daß die Seele nach den mandäischen Schriften „das körperliche Haus auszieht oder die himmlische Wohnung anlegt" (S. 51) bzw. daß der Erlöser das Lichtparadies anzieht (S. 41 A. 2). Aber dies ist freie, womöglich von 2.Kor. 5,1 angeregte Wiedergabe. Die Redewendung vom „Anziehen" der himmlischen Wohnung findet sich weder im Ginza noch im Johannesbuch noch in den Liturgien der Mandäer 95 .

Ist damit das Ungewöhnliche der Vorstellung vom Überziehen des himmlischen Hauses markiert, so vermag in den Blick zu kommen, was für das Verständnis des Abschnittes 2.Kor. 5,1—10 von erheblicher Bedeutung zu sein scheint: daß nämlich die Begriffe οικοδομή, οικία, οικητηριον als Metaphern für den himmlischen Leib eindeutig ,s

= Das iranische Erlösungsmysterium. Toten 268 A. 80. 85 Es ist darum nicht erstaunlich, daß Rudolph (Mandäer) an keiner Stelle seines zweibändigen Werkes auf 2.Kor. 5,1 f. und ebensowenig in seinen Ausführungen über die Bedeutung des Gewandes (ebd. II, 48 ff. 181 ff.) auf die Vorstellung vom Bau zu sprechen kommt, geschweige denn ein Ineinanderfließen der Bilder konstatiert. M

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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erst durch den Begriff επενδυεσθαι festgelegt werden. Ohne Verwendung des neuen Bildes vom Uberziehen sind die Aussagen in 2.Kor. 5,1 f. durchaus im Sinne der in der antiken Welt geläufigen Erwartimg zu verstehen, daß die Seele, wenn sie den Körper verlassen hat und in den Himmel gelangt ist, dort in die himmlischen Wohnungen bzw. in eine dieser Wohnungen einzieht. Das hohe Alter der Vorstellung, daß die Seele nach dem Tode des Menschen eine Wohnung bezieht, wird durch Piatons Dialog Phaidon (113d—114d) belegt. Dort ergeht sich Sokrates über das postmortale Geschick der Seelen gemäß ihrem Verhalten auf Erden. Er stellt den sittlich Fortgeschritteneren in Aussicht, daß sie „von allen diesen (sc. tartarischen) Orten im Inneren der Erde befreit und losgesprochen, hinauf in die reine Behausung (οικησις) gelangen und auf der Erde wohnhaft werden" (114b.c), und verheißt den durch Philosophie Gereinigten gar: „diese leben für alle künftigen Zeiten gänzlich ohne Leiber und kommen in noch schönere Wohnungen (οικήσεις) als diese" (114c)9e. Zwar relativiert er anschließend selbst seine Ausführungen, indem er den Anspruch abwehrt, alles müsse sich genauso verhalten, wie von ihm angekündigt. Wenn er dann aber fortfährt, „daß es jedoch, sei es nun diese oder eine ähnliche Bewandtnis haben muß mit unseren Seelen und ihren Wohnungen (περι τας ψυχας ημων και τας οικήσεις)" (114d), so legt der Tatbestand, daß er die Vorstellung der Wohnimg nicht antastet, die Annahme nahe, daß es sich hierbei um einen festen Topos handelt. Die Lokalisierung der Wohnungen auf der Erde dürfte insofern von sekundärer Bedeutung sein, als die Erde hier, dem Tartarus gegenübergestellt, als elysisches Gefilde bestimmt ist. In die himmlische Region transponiert und in die Abfolge der Ereignisse jüdischer Endzeiterwartung eingeordnet, begegnet die Vorstellung sodann in apokalyptischen Zeugnissen: Der Geist derer, die das Gesetz gehalten haben, kommt nach seiner Trennung vom Körper für die Zeit bis zum Gericht in die Ruhekammern als den Wohnungen der Seelen (4. Esr. 7,78—80.85)97. Mehrfach ist die Vorstellung auf griechischen Grabinschriften belegt: Während der vergängliche Leib in der Erde ruht, ist die unsterbliche Seele in ein unvergängliches Haus gekommen, indem sie in den himmlischen Häusern der Olympier Wohnung genommen hat 98 . Sodann dürfte, selbst wenn dort der Zusammenhang mit einer dualistischen M

Übers, hier und im folg. nach Schleiermacher. Vgl. ferner äth. Hen. 39,4ff.; slav. Hen. 61,2. Zur Rezeption der griechischen dualistischen Anthropologie, die hier vorausgesetzt ist, und ihrer Einarbeitung in die Eschatologie s. die Ausführungen von Schmidt (Gespräche 459) über die Eschatologie des griechischen Diasporajudentums. Vgl. auch Midr. Ruth 1,17 (129°) bei Bill. IV, 500. 98 Kaibel, Epigr. gr. 261,7-12 (2. Jh. n. Chr.): In der Erde (ruht) der geborene Leib (σωμα το συγγενες), die himmlische Seele jedoch ist in ein unzerstörbares Haus gekommen (δωμα κατ' ου φίΗμενον). Es liegt in der Erde der vergängliche Körper (φθιμενον δέμας), die mir gegebene Seele jedoch bewohnt himmlische Häuser (ναιει δωματ' επουρανια). Die unsterbliche Seele bewohnt die Häuser derer im Olymp (τα μεν οικία των εν Ολύμπιο ναιω [ = ναιει]), meinen vergänglichen Leib (σωμα δ'εμον . . . φθιμενον) jedoch trägt die Erde. 97

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—50

Anthropologie fehlt, auch die Verheißung Jesu im Johannesevangelium zu nennen sein: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen (μοναι)" (14,2). Eine größere Anzahl von Belegen für die diskutierte Erwartung findet sich schließlich in den Stromata des Clemens Alexandrinus. Unter ihnen sind die Darlegungen in Strom. IV,6 § 36,3—37,4 und IV,26 § 163,1—167,4 von besonderer Bedeutung, und zwar vor allem deshalb, weil sie in deutlichem Zusammenhang mit bereits angeführten traditionellen Aussagen stehen. An der erstgenannten Stelle expliziert Clemens die Behauptung, es gebe beim Herrn „mehrere Belohnungen und Wohnungen (μοναι), je nach den Lebensweisen" (§ 36,3)9>. Auf das begründende Zitat von Matth. 10,41 f. (§ 36,4) und die Deutung, daß in Matth. 20,1-16 die unterschiedliche Zahl der Arbeitsstunden die verschiedenen Belohnungen anzeige (§ 36,5), folgt das Resümee, daß die Belohnungen den Wohnungen entsprächen (§ 37,l)100. Nachdem er diesen Zusammenhang hergestellt hat, veranschaulicht Clemens die eingangs aufgestellte Behauptung (§ 36,3) dadurch, daß er genau jene bereits besprochenen Sätze aus Piatons Phaidon zitiert (§ 37,2—4). Indem er dabei aus der Befreiung „von allen diesen (sc. tartarischen) Orten im Innern der Erde" die Befreiung „von diesen Dingen der Erde" macht101 und die B e s t i m m u n g ausläßt, daß die Wohnungen sich auf der Erde befinden, paßt er die platonischen Aussagen in seine Eschatologie ein und gibt zu erkennen, daß er die Darlegungen des Sokrates als Beleg für die Auffassung versteht, die Seele werde nach der Befreiung vom Leibe in die ihr aufgrund ihrer Taten zukommende himmlische Wohnung einziehen. Ein direktes Zeugnis für diese Erwartung bildet der an zweiter Stelle genannte Zusammenhang Strom. IV,26 § 163,1—167,4. Clemens wendet sich hier gegen die, „welche die Schöpfung schmähen und den Leib schlecht nennen" (§ 163,1). Ungeachtet dieser Abwehr eines gnostischen Dualismus, der die Schöpfung Gott abspricht, hält Clemens daran fest, daß die Seele „gleichsam ein Fremdling im Leibe ist (οίον επιξενουμενη τω σώματι)". Sie „verfährt .. . zwar mit emster Strenge gegen ihn, aber ohne Leidenschaft, da sie sofort, wenn die Zeit ihrer Abwanderung sie ruft, die Leibeshülle verläßt (απολειπουσα το σκηvo ?)" (§ 165,2). Der Erwählte, der „wandelt... wie ein Fremdling in der Welt" (§ 165,4), „sorgt für das Weltliche und für den Ort, wo er einkehrt (sc. den Leib), verläßt aber die Wohnung (απολειπων δε την οικησιν) und den Besitz wie den Gebrauch, ohne affiziert zu werden, willig dem folgend, der ihn aus dem Lehen führt, ohne je aus irgendeinem Anlaß sich umzuwenden, dankbar für die Gastwohnung (παροικία), segnend den Ausgang und froh begrüßend die bleibende Stätte im Himmel (την μονην ασπαζομενος την εν ουρανω)" (§ 166,1). Als Begründung dieser Aussagen zitiert Clemens in § 166,2—167,1 den Text, der in Frage steht, Vgl. 288,2-5; 312,4.6 f.10 f., ferner 243,5 f.; 324,3 f.; 654,4 f. und Anthol. gr. VII, 64,4; 363,3 f.; IX, 207. Ein Teil dieser Belege bei Rohde, Psyche II, 384 f. M Vgl. Strom. VI, 16 § 114,1: „Dementsprechend sind auch die Wohnstätten (μοναι) der Gläubigen mannigfaltig, je nach dem Verdienst." Übers, hier und im folg. nach Overbeck. 100 Clemens sagt: εργασονται μεν ουν κατα τας μονάς τας αναλογους ων κατηξιωθησαν γέρων, συνεργοί της άρρητου οικονομίας και λειτουργίας. Overbeck übersetzt κατα τας μονάς mit „in den Wohnungen", wohl aufgrund des Aorists κατηξιωθησαν. Aber der Relativsatz bezieht sich auf die Arbeiter im Gleichnis zurück, und wie die Fortsetzung zeigt, sind die μοναι als zukünftig-eschatologische Gabe verstanden, κατα τας μονάς ist deshalb im Sinne der Angabe des Zwecks oder Ziels der Arbeit zu verstehen: „um der Wohnungen willen". 101 Und zwar dadurch, daß er aus dem Satz ούτοι εισιν οι των δε μεν των τόπων εν τη γη ελευθερουμενοι (Phaidon 114b) die Wörter των τόπων streicht.

3. Vorpaulinisch.es Traditionsgut in 8,18—27

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2.Kor. 5 (V. 1—3.7—9). Zwar wendet er auch hier eine dualistische Abwertung von Welt und Leib ab, indem er zu V. 9 sachgemäß ergänzt, es komme darauf an, dem einen Gott wohlgefällig zu sein, „dessen Werk und Schöpfung alles ist, die Welt und das Überweltliche" (§ 167,1). Daß er aber den Abschnitt 2.Kor. 5,1-10 gerade als Zeugnis für jene Auffassung gelesen wissen will, die Seele verlasse mit dem Tode den Leib und beziehe Wohnung im Himmel, wird noch einmal aus der Fortsetzung deutlich. Er zitiert zustimmend diesbezügliche Sätze Epicharms und Pindars (§ 167,2 f.) und faßt zusammen: „die Seele, welche das beste Leben gewählt hat, erhält von Gott und der Gerechtigkeit her den Himmel für die Erde in Tausch (γης ουρανον ανταλλασσεται)" (§ 167,4). Dieser zweite Text aus dem Stromata sticht zum einen deshalb hervor, weil Clemens in ihm mit Hilfe von 2.Kor. 5 genau jene Erwartung begründet, die als Hintergrund der paulinischen Ausführungen angenommen wurde. Er verdient sodann deshalb Beachtung, weil er erkennen lehrt, daß sich kaum eine scharfe Grenzlinie ziehen läßt zwischen der — für 2.Kor. 5,1 f. wahrscheinlich vorauszusetzenden — Erwartung, daß die Seele nach dem Tode ihre eigene Wohnung im Himmel erhält (eine Wohnung im Hause des Vaters), und der allgemeineren und weiter verbreiteten 102 Hoffnung, daß sie im Himmel als ihrem Haus oder Vaterland wohnen wird. Denn heißt es bei Clemens zunächst (IV,26 § 166,1), die Seele begrüße nach ihrem Exodus την μονην την εν ουρανω103, so ist zum Schluß allgemeiner davon die Rede, sie erhalte (als Wohnstätte) den Himmel für die Erde (IV, 26 § 167,4). Die Nähe dieser beiden Erwartungen geht sodann auch daraus hervor, daß Clemens die Anzahl der Wohnstätten mehrfach als drei bestimmt 104 . Denn darin scheint sich anzudeuten, daß die Wohnstätten mit den drei Himmeln gleichzusetzen sind, aus denen nach älterer Auffassung die himmlische Welt besteht105. Wie fließend die Übergänge sind, zeigt schließlich die von Irenaeus (Adv. haer. V 36,1) „als Tradition der Presbyter" weitergegebene Variante, auf die Bousset aufmerksam gemacht hat, daß es nämlich „bei der Welterneuerung drei verschiedene Wohnungen, je nach Würdigkeit (Matth. 13 8 f.) der Frommen geben werde: den Himmel, das Paradies und die Stadt Gottes"109. Wenn es hier auch offenbleiben muß, wie die religions- und traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Vorstellung von der einzelnen Wohnung im Himmel und der vom Himmel bzw. den Himmeln als Wohnung(en) genauer zu denken sind, so ist in jedem Fall diese wie jene Erwartung Antwort auf die Furcht vor der „Unbehaustheit", der Heimatlosigkeit der Seele. Und hier wie da zielt die Erwartung nicht auf eine neue Leiblichkeit der Seele ab, sondern auf eine Bleibe für sie in der himmlischen Welt.

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So erscheint ζ. B. Cicero (Tusc. Disp. I § 51) die Überlegung schwieriger, „qualis animus in corpore sit tamquam alienae domi, quam qualis, cum exierit et in liberum caeli quasi domum suam venerit". Vgl. die Fülle weiterer Belege aus der griechisch-hellenistischen Welt bei Cumont, Religionen 115 mit A. 91; 162. 189 f. mit A. 28 sowie die unten, S. 122 A. 150 genannten Stellen, ferner BoussetGreßmann, Religion 284. Jos Vgl. hiermit die Rede von mehreren Wohnungen in Strom. IV, 6 § 36,3, ferner Strom. V, 6 § 39,4 (η ιδια μονη); VI, 14 § 109,1 (η μονη η οικεία) sowie die Skinäs in der mandäischen Literatur (s. oben, S. 107 A. 90). 104 Strom. VI, 14 § 114,3; VII, 7 § 40,4 (η μακαρια των άγιων τριας μονών). 105 Siehe dazu Bousset, Himmelsreise 43 ff. 100 Ebd. 44 f.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

Wie angedeutet, geben gerade die einleitenden Verse von 2.Kor. 5, 1—10 allen Anlaß zur Vermutung, daß Paulus sich hier überkommener Aussagen bedient. Die vorgetragene Beobachtung zur Funktion des Begriffes επενδυεσθαι legt die Annahme nahe, daß Paulus jene Aussagen mittels dieses Begriffes entscheidend zugespitzt hat 1 0 7 . Auch die Fortführung der Darlegung in V. 3 f. bekundet ja das eminente Interesse des Apostels an eben diesem Motiv der Uberkleidung. Wird jene Annahme als Arbeitshypothese vorausgesetzt, so erklärt sich die vielumrätselte Fortsetzung in V. 3 aufs beste, und zwar gerade auch, wenn die allenthalben als schwieriger eingestufte Lesart ενδυσαμενοι beibehalten wird 108 . Die Aussage V. 3 lautet: Die Christen sehnen sich nach der Überkleidung mit der himmlischen Behausung, „,wenn wir wenigstens' 109 als Bekleidete werden nicht nackt aufgefunden werden". Bultmann 1 1 0 hat recht mit der Behauptung, daß der Satz „trivialen Sinn" habe, freilich nur unter der Voraussetzung, daß Paulus, wie Bultmann meint, in 2.Kor. 5,1 ff. gegen Gnostiker polemisiert, die sich vom Tode gerade den Zustand der Nacktheit erhoffen. Geht man dagegen davon aus, daß Paulus in 2.Kor. 5,1 f. die Anschauung korrigieren will, nach dem Ausziehen des Körpers gelange die Seele in die (nicht als Leib verstandene) himmlische Wohnung, dann wird V. 3 durchaus verständlich und sinnvoll. Er begründet 107 επενδυεσθαι kommt zwar bei Paulus nur in 2.Kor. 5,2.4 vor, und man könnte deshalb geneigt sein, den Begriff mit zur vorgegebenen Aussage zu rechnen. Es ist jedoch zu bedenken, daß ενδυεσθαι auch sonst bei Paulus begegnet und sich die Wahl von επενδυεσθαι gerade von der Intention, die Paulus an dieser Stelle verfolgt, erklärt. Vgl. dazu unten, S. 118 f. 108 Bultmanns (Probleme 11) Bevorzugung der Variante εκδυσαμενοι hat sich mit Recht nicht durchgesetzt. Die Lesart ist nicht nur einseitig bezeugt (D* [G] il Mcion), sondern vor allem von den paulinischen Voraussetzungen her, die der Abschnitt zu erkennen gibt (vgl. V. 4), unvertretbar. Vgl. überzeugend Schmithals, Gnosis 252; Schottroff, Welt 150. 109 Bultmann, Probleme 8. Vgl. zu Bultmann jedoch auch im folg. Die Lesart ειπερ statt ει γε ist gut bezeugt (p4e Β D [G]) und könnte auch deshalb ursprünglich sein, weil ει γε der Annahme „größere Bestimmtheit" verleiht (Blaß-Debrunner § 454,2), also in diesem Fall sekundär gewählt worden sein könnte, um der Selbstverständlichkeit der Aussage von V. 3 besser Rechnung zu tragen (vgl. Kühl, 2.Kor. 5, S. 15 f.). Die Entscheidung ist jedoch insofern nicht von Belang, als auch ειπερ in V. 3 durch die folgende Verstärkung και und eben den Inhalt des Satzes sich kaum anders als durch den möglicherweise ersten Interpretationsversuch ει γε umschreiben läßt. Da in den Auslegungen des Textes fast durchweg ει γε zugrunde gelegt wird und das darin bezeugte Verständnis der Konjunktion Anlaß zu Rückfragen gibt, wird im folg. ebenfalls ει γε eds Lesart vorausgesetzt. Zur Bedeutungsgleichheit von ειπερ und ει γε vgl. ferner die bei Kuß (Rom. II, 501) notierte Bemerkimg von Chrysostomus, bei Paulus zeige ειπερ oft die volle Gewißheit an, im Sinne von „da ja", und dazu die oben folgenden Überlegungen zum Sinn von ει γε και. 110

Probleme 11; vgl. bereits Windisch, 2.Kor. 162.

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dann, warum der Apostel die in V. 2 genannte Auffassung präzisiert hat: nicht schon der Einzug in das himmlische Haus, sondern die Überkleidung mit ihm ist das ersehnte Ziel, „wenn wenigstens" = „insofern j a " Bekleidetsein (und nicht schon das Wohnen in einem Haus) Nacktheit ausschließt. Die Gleichsetzung der Übertragungen von ει γε και durch „wenn wenigstens" und „insofern ja" bedarf freilich einer Erklärung, da die Mehrzahl der Exegeten zwar der ersten Übersetzung zustimmt, die zweite jedoch ablehnt. Diese Ablehnung der kausalen Deutung von V. 3 ist jedoch nichts weiter als ein schönes Beispiel für einen exegetischen Zopf. Sie geht auf Bultmann zurück111, der postuliert, ει γε και könne „schwerlich einfach kausal aufgefaßt werden, wie Lietzmann es tut, sondern heißt: ,wenn wenigstens' d. h. ,sofern es nämlich richtig ist' (Windisch)". Allerdings hat Bultmann übersehen, daß Lietzmann nicht einfach mit „da" übersetzt, sondern mit „da ja" 1 1 2 — und mit dieser Übersetzimg durchaus der von Bultmann selbst wenig später gegebenen Definition gerecht wird, V. 3 gebe „den Realgrund (!) der Sehnsucht an, eingeführt durch ει γε και . . . , d. h. mit der besonderen Wendung, daß dieser Grund (!) als ein solcher angeführt wird, der doch wohl Geltung haben dürfte" 113 . Bultmann erkennt die Scheinbarkeit der von ihm aufgestellten Alternative nur deshalb nicht, weil er V. 3 im folgenden lediglich als paulinischen Seitenhieb auf die Gegner auslegt und das Verhältnis des Satzes zu V. 2 nicht weiter ausführt. Diese Kritik wird implizit durch die bestätigt, die Bultmann meinten in diesem Punkt zustimmen zu müssen, so wenn Kümmel114 zunächst Bultmanns Kritik an Lietzmann ausdrücklich bekräftigt und dann als Begründung die — Lietzmannsche Deutung einführt: „Paulus seufzt in Hoffnung auf das Überkleidetwerden, weil (!) nur unter der Bedingung dieses Bekleidetwerdens ( = Uberkleidetwerdens) das Nacktsein vermieden werden kann." Unter Berufung auf Kümmel wiederum stellt Schmithals115 gar fest, daß die Übersetzung mit „da ja" „sprachlich unzulässig" sei. Nach seiner Auffassung drückt Paulus in V. 3 sein Unverständnis über die „doppelte Behauptung" der Korinther aus, daß sie sich nach Leiblichkeit sehnen (das müsse Paulus jedenfalls annehmen) und das Eschaton zugleich als Leiblosigkeit verstehen11®. Doch will die doppelte Behauptung aufgrund ihrer Konstruiertheit wenig überzeugen117. Diese Beispiele möProbleme 8. Lietzmann-Kümmel, Kor. 120; ebd. in der Erklärung: „,wenn anders' inhaltlich = ,sintemal'". 113 Probleme 11. 114 Lietzmann-Kümmel, Kor. 203. 115 Gnosis 250 Α. 2. " « Vgl. ebd. 251. 117 Ähnlich versteht den Satz V. 3 jetzt auch Schottroff (Welt 147 ff.). Im Unterschied zu Schmithals vermutet sie lediglich, daß Paulus sich jene doppelte Behauptung nicht nur habe einbilden müssen, sondern daß die gnostischen Gegner des Apostels tatsächlich zugleich von Nacktheit als Heilszustand und Bekleidung im Eschaton, nämlich mit dem Himmelsgewand ( = Himmelswelt) sprachen, der gnostischen Hoffnung auf dies Gewand gemäß, wie sie ζ. B. im Lied von der Perle ausgedrückt ist (ebd. 150 mit A. 2). Nacktsein und Bekleidetsein seien also für die Gegner identisch gewesen, und der paulinische Satz V. 3 stelle dieser Auffassung die These entgegen, daß die Christen trotz des „himmlischen Wesens" (sprich: Kleides) nicht nackt sein würden. Gegenüber dieser Auslegung sind folgende Ein111

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Osten-Sacken, Römer 8

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gen genügen 118 . Die Unsachgemäßheit der Ablehnung der kausalen Deutung tritt wohl am deutlichsten zutage, wenn m a n die Hauptzeugen Windischs selbst, auf den Bultmann sich ja beruft, zu Rate zieht, Kühner-Gerth: „In Verbindung mit Relativen und Konjunktionen hat γε eine kausale Bedeutung" 1 1 9 , und zwar ει γ ε den Sinn „unter der Bedingung gewiß, wenigstens, daß; wenn ja, insofern ja . . ." 120 . Es bleibt nur noch anzufügen, daß Bultmann selbst ein Jahr nach der Veröffentlichung seiner zitierten Ausführungen ει γε και in V. 3 genauso übersetzt hat, wie es bei Lietzmann zu lesen ist: „da ja" 1 2 1 ! wände zu erheben: 1. W e n n die Kontrahenten des Apostels tatsächlich die Hoffn u n g auf das Himmelsgewand geteilt hätten, würde m a n erwarten, daß Paulus in V. 1 f. (οιδαμεν γαρ!) eben mit dieser Vorstellung argumentiert, nicht aber mit der der himmlischen Behausung. 2. Die untergeordnete Stellung von V. 3 und die Selbstverständlichkeit, mit der der Satz vorgebracht wird, stehen in keinem Verhältnis zu dem, was er nach Schottroff sein soll: nämlich eine entscheidende Antithese zu den korinthischen Anschauungen. 3. Vor allem aber bleibt bei Schottroff das Problem des Verhältnisses von V. 3 zu V. 2 völlig unberührt, der Satz wird ausgelegt, ohne daß nach seiner Funktion im Satzgefüge gefragt und seine Deutung auf diese Weise kontrolliert wird. Jedenfalls erscheint die Argumentation des Apostels nach dieser Interpretation als absurd. Er hätte den Korinthern lediglich entgegengehalten: „ . . . wir sehnen uns nach der Überkleidung mit dem himmlischen Leib unter der (von euch allerdings bestrittenen) Voraussetzung, daß wir als Bekleidete nicht nackt sind" — obwohl er, wenn er hätte überzeugen wollen, von der Schottroffschen Interpretation her gesehen hätte argumentieren müssen: „Wir sehnen uns nach der Uberkleidung mit dem himmlischen Leib, darum werden wir als Bekleidete nicht nackt sein." Bei Schottroff bleibt also die gegnerische Aussage, die Paulus allererst hätte widerlegen müssen, unerschüttert, indem sie lediglich durch eine Gegenbehauptung beantwortet wird, die dann zur Voraussetzung der ganzen Argumentation gemacht wird. 118 Gegen die kausale Interpretation sprechen sich etwa noch H o f f m a n n (Toten 276 mit A. 11) und Luz (Geschichtsverständnis 362 A. 15) aus. 119 II, 175. 120 II, 177. Schränkt im übrigen schon die Partikel „ja" das restriktive Element in „insofern" ein, so wird es vollends durch den Inhalt des Satzes 2.Kor. 5,3 relativiert. Von diesem Inhalt her erweist sich nicht nur die Wahl der Ubersetzung „insofern ja" unter den von Kühner-Gerth angegebenen als angemessen, sondern es eröffnet sich auch die Möglichkeit, die zusammengesetzte Konjunktion wie Lietzm a n n mit „da ja" wiederzugeben. Lietzmanns interpretatorische Ergänzung („nur dann)" ist freilich nicht notwendig, vielmehr kommt der Sinn des Satzes bei Betonung von ενδυσαμενοι hinreichend zur Geltung: „insofern wir ja als Bekleidete nicht . . . " . Mit „insofern ja" übersetzt auch Bauer, W b 303. Vgl. auch Mundle, Zwischenzustand 100: „ει γε και . . . läuft zuletzt . . . auf eine Begründung hinaus (wenn wirklich = da ja)." Strenggenommen müßte es übrigens, der Verstärkimg durch και Rechnung tragend, heißen „insofern ja doch"; allerdings tritt dadurch keine Änderung des Sinnes ein. 121 Theol. N T 203. Vgl. zu ει γε και jetzt auch Baumert, Sterben 380 ff. Fuchs (Glaube 25) und Demke (Auslegung 596) deuten ενδυσαμενοι in V. 3 als Umschreibung bereits geschenkten Heils. Doch sprechen u. a. die übrigen aoristischen Aussagen in V. 1—4 dagegen, die jeweils von zukünftigem Geschehen handeln. Der Bezug dieser Aussagen zur Gegenwart des Heils wird erst in V. 5 („Angeld des Geistes") hergestellt. Demke (ebd.) nennt im übrigen deutlich den Preis, u m den jene Auslegung des Partizips angesichts der dann zwischen V. 3 und dem Kon-

δ. Vorpaulinisch.es Traditionsgut in 8,18—27

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Die vorgetragene Auslegung, daß V. 3 unter Berufung auf einen jedermann einsehbaren, ganz gewiß „selbstverständlichen" Zusammenhang die Aussage von V. 2 begründet, wird durch zwei Beobachtungen gestützt. Erstens behauptet Paulus in V. 1 die Teilhabe der Angesprochenen an den im folgenden vorgebrachten Ausführungen. Zweitens steht gerade die Selbstverständlichkeit der Aussage von Y. 3 der Auffassung entgegen, der Apostel wolle hier das Herzstück der gegnerischen Lehre ins Gegenteil verkehren, d. h. das angebliche Hoffnungsgut „Nacktheit" als Tremendum „Nacktheit" verstehen lehren. Der Satz wird jedoch zu einem überzeugenden Argument, wenn er in Form der Abwehr eine Konsequenz aufzeigt, die sich aus der behandelten Position ergibt, aber auch den Vertretern dieser Position nicht genehm sein kann122, γυμνός ist damit nicht als Schlagwort der Gegner anzusehen, sondern als paulinisches Interpretament, das die Unhaltbarkeit der korrigierten Auffassung und die Sachgemäßheit der von Paulus vorgetragenen unterstreichen soll123. text entstehenden Spannungen erkauft ist: „Welche Vorstellung Paulus bei diesem Wort (sc. επενδυεσθαι V. 2. 4) im Blick hat, ist nebensächlich." 122 Für die Deutung des Nacktseins kommen mehrere Möglichkeiten in Frage: Windisch vermutet (2.Kor. 162) unter Verweis auf Joh. 21,7; Ex. 20,26; Apok. 3, 18; 16,15, die Scheu vor der Nacktheit habe vor allem darin ihren Grund, „daß dieser Zustand gerade ein Zusammensein mit dem Herrn ausschließen würde". Der indirekte Hinweis des Apostels auf die Konsequenz der Nacktheit bei der gegnerischen Position wäre in diesem Fall u m so überzeugender, wenn die Aussagen in 2.Kor. 5,6b.8b, auf die Windisch hier anspielt, Bestandteil eben jener Position wären (vgl. dazu unten, S. 121 ff.). Schmithals (Gnosis 252) dagegen meint, daß Nacktheit „Nichtexistenz", also Tod sei (vgl. ähnlich Schottroff, Welt 147) und kann sich dafür mit Recht auf die paulinische Fortsetzung in V. 4 berufen: W e n n das Leben sich nur in Form der Verschlingung des Sterblichen, seiner Verwandlung einstellt, bedeutet Ausziehen des Leibes und die daraus zu erschließende Nacktheit Ausschluß vom Leben. Ob m a n sich f ü r diese oder jene Möglichkeit entscheidet — in jedem Fall wird die Annahme, daß Nacktheit selbst bei einer dualistischen Anthropologie nicht n u r Beschreibung des erwarteten Heils, sondern im Gegenteil das Unerwünschte sein kann, durch einen Text wie Ev. Phil. 22 f. = 104,25 ff. bestätigt (s. Luz, Geschichtsverständnis A. 36 auf S. 365 f.). Vgl. auch das bei Deißmann (Licht 249 mit Α. 1) zitierte, auf Hadrian zurückgeführte Gedicht: „Du rastloses reizendes Seelchen mein . . . M u ß t n u n fort . . . So blaß und so bloß (nudula) . . . " . 123 Überzeugend ist der Tenor der Ausführungen in 2. Kor. 5,1 ff. durch Georgi (Rez. Schmithals 95) bestimmt, wenn er sagt, der Abschnitt habe „keine eindeutig polemische Tendenz, sondern besitzt eher n u r einen korrigierenden Aspekt". Diese Definition ist auch dem Kompromiß von Luz (Geschichtsverständnis 365 f.) vorzuziehen, daß Paulus sich in V. 3 f. zwar „im Einklang mit der Gemeinde" gewußt, jedoch indirekt gegen die allenthalben verbreitete Erwartung der Nacktheit nach dem Tode polemisiert habe. Ohne jeden Anhalt am Text ist die Annahme, Paulus wolle mit dem Stichwort „nackt" den von den Christen zu erwartenden Zwischenzustand zwischen Tod und Überkleidung andeuten (gegen Kümmel, Theologie 214; Börse, Jenseitserwartung 132 f.). Borses Hinweis (ebd. 132) auf das



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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

Die Annahme, daß Paulus in 2.Kor. 5,1 f. eine vorgegebene Tradition durch die Ergänzung von επενδυεσθαι korrigiert hat, kann noch weitere Beobachtungen für sich in Anspruch nehmen. Die erste betrifft den Anfang der beiden Verse, und zwar wiederum eine Spannung in der verwendeten Bildersprache. Paulus nennt den Leib des Menschen in V. 1 η επίγειος ημών οικία του σκηνους. Mit der Bezeichnung σκηνος bedient er sich einer in der hellenistischen Welt geläufigen Metapher 124 , die allem Anschein nach die Flüchtigkeit der irdischen Existenz anzeigen soll125. Durch die Verbindung mit οικία, die — sofern damit der menschliche Leib gemeint ist — wiederum in der antiken Literatur nur an dieser Stelle belegt ist126, wird das semantische Element des Unbeständigen jedoch wieder eingegrenzt, obwohl Paulus vom Kontext her gesehen kein Interesse daran haben kann, da ihm dort gerade an der Betonung der Vergänglichkeit des Menschen liegt127. Der Sinn dieser Verbindung wird jedoch evident, wenn man davon ausgeht, daß ursprünglich in V. 1 nur σκηνος stand und mit diesem Wort zwar der Mensch als Leib, mit οικοδομή, οικία und οικητηριον in V. lb.2 jedoch nicht das himmlische Pendant des irdischen Leibes, sondern eine Wohnstätte im Himmel als Aufenthaltsort des vom Leibe befreiten Menschen gemeint war. Dann nämlich hat die Bezeichnung des Leibes als οικία του σκηνους die Funktion, die folgende, ungewöhnliche Redeweise vom Anziehen des himmlischen Hauses, also dessen Interpretation als Leib, vorzubereiten und ihr Verständnis zu erleichtern128. Ist es ein Zufall, daß sich von dieser Deutung her auch der auffällige Anschluß V. 2: και γαρ εν τούτω (sc. τω σκηνει!) erklärt 129 ? Eine Spannung läßt sich in dem gegenwärtigen Text von 2.Kor. 5,1 f. zweitens zwischen den mit dem jenseitigen Haus verbundenen näheren Bestimmungen erkennen. Nach V. l a haben die Christen bei ihrem Tode ein Haus „in den Himmeln", nach V. 2 sehnen sie sich nach dem Bau „aus dem Himmel". Die erste Bestimmung fügt sich glatt in die Vorstellung ein, daß der Mensch nach seinem Tode in den Himmel einzieht. Die zweite ist ebenso verständlich, wenn von der Annahme ausgegangen wird, daß nicht die Seele in den Himmel zieht, sondern die „nackte Samenkorn" in l.Kor. 15,37 überzeugt deshalb nicht, weil der Vergleichspunkt dort nicht die Nacktheit, sondern die Verwandlung ist. 124 Vgl. Dupont, Syn Christo 142ff.; Michaelis, ThWb VII, 383ff. Im NT vgl. 2.Petr. 1,13 f. 125 Vgl. Kühl (2.Kor. 5, S. 9): σκηνος charakterisiere „den irdischen Leib als ein προσκαιρον". Siehe auch Michaelis, ThWb VII, 384. 126 In LXX kann das Zelt der Begegnung οίκος της σκηνης genannt werden (l.Chron. 9,23). Dupont (Syn Christo 146 £f.) versucht von daher, die Erwägung Michels (ThWb V, 149 f.) zu untermauern, daß 2.Kor. 5,1 vom Tempelspruch Mk. 14,58 abhängig sei. Vgl. dazu die überzeugende Kritik von Hoffmann, Toten A. 80 auf S. 268 f. 127 Vgl. 2.Kor. 4,7.16.18. Auch die von Paulus übernommene Überlieferung teilt dies Interesse, wie sich aus der Bezeichnung des himmlischen Hauses als αχειροποιητος erschließen läßt. 128 Als ein Indiz für die Richtigkeit der vorgetragenen These kann vielleicht auch gewertet werden, daß die Abhängigkeit zweier Genitive von demselben Nomen, wie sie in der fraglichen Wendung vorliegt, im NT wie bei Paulus selten ist. Blaß-Debrunner (§ 168,1) führen außer 2.Kor. 5,1 nur noch Phil. 2,30 an. 129 Man erwartet nach V. 1 εν ταύτη (sc. οικία), da οικία in der Bezeichnung V. 1 Hauptbegriff ist. Vgl. hierzu Heinrici, 2.Kor. 175. Auch der Tatbestand, daß Paulus in V. 4 nur σκηνος sagt, unterstreicht das Ungewöhnliche dieser Verbindung.

3. Vorpaulinisch.es Traditionsgut in 8,18—27

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himmlische Behausung dem wiederkehrenden Kyrios entsprechend vom Himmel herabkommt. Dafür, daß mit dieser Abgrenzung der beiden Bestimmungen voneinander zugleich Tradition und Redaktion erhoben sind, spricht der jeweilige Numerus des Wortes „Himmel". Der in V. l a verwendete Plural begegnet bei Paulus nur noch zweimal, und zwar je in einem vorpaulinischen Traditionsstück130. Sonst steht in seinen Briefen stets der Singular 131 .

Wie verhält sich nun die Fortsetzung der Ausführungen in V. 4 ff. zu der vorgetragenen Interpretation von 2.Kor. 5,1—3? Die Wiederaufnahme der Aussage über das Seufzen und ihre neuerliche Hinführung auf das Stichwort επενδυεσθαι läßt von vornherein damit rechnen, daß auch V. 4 nicht zur von Paulus in V. 1 f. aufgenommenen Tradition gehört, sondern Fortführung der paulinischen Interpretation ist132. Sie richtet sich auf eine erneute Auslegung des Seufzens. Anders als in Y. 2 wird es nicht positiv als Ausdruck der Sehnsucht der der Vergänglichkeit ausgesetzten Christen nach der Überkleidung mit der himmlischen Behausung gedeutet. Vielmehr wird es negativ als Ausdruck der Bedrückung, der Sorge verstanden, daß die Christen entkleidet werden könnten, während doch ihr ganzes Verlangen darauf gerichtet ist, überkleidet zu werden, „damit das Sterbliche vom Leben verschlungen wird". Das Verhältnis des Verses zu den vorangegangenen läßt sich auf dreifache Weise bestimmen: Er ist einerseits reine Wiederholung von V. 3, insofern er als Ziel der christlichen Hoffnung επενδυεσθαι bestimmt. Er ist zweitens Präzisierung von V. 2, indem er im Gegensatz zu diesem Vers (ου γυμνοί ευρεθησομεθα) den Zweck der Uberkleidung positiv formuliert (ινα . . . ) . Und er bedeutet drittens in gewissem Sinne einen Rückschritt hinter V. 2, insofern das Seufzen dort bereits als Ausdruck der Sehnsucht nach der 130

Phil. 3,20 (s. oben, S. 73 A. 48) und l.Th. 1,10. Gerade dies Beispiel zeigt eindrücklich, daß Paulus in 2.Kor. 5,1 f. mit vorformulierten Aussagen gearbeitet haben muß. Zu εν τοις ουρανοις als vorpaulinischem Element s. jetzt auch Bekker, Erwägungen 19. 131 Vgl. Rom. 1,18; l.Kor. 8,5; Gal. 1,8; l.Th. 4,16 (traditionell). 2.Kor. 12,2 (εως τρίτου ουρανου) entfällt natürlich. Es wird offenbleiben müssen, ob Paulus in 2.Kor. 5,2 durch το εξ ουρανου ein το εν τοις ουρανοις oder το επουρανιον ersetzt oder die Näherbestimmung ganz neu eingefügt hat. Sie ist insofern entbehrlich, als ja durch die vorangehende Gegenüberstellung von σκηνος und οικοδομή, οικία deutlich ist, daß mit οικητηριον die himmlische Behausung gemeint ist. Paulinisches Interpretament scheint ebenfalls das Adjektiv αιώνιος V. 1 zu sein, das zu offenkundig an 2.Kor. 4,17.18 (zweimal αιώνιος) anknüpft und neben αχειροποιητος entbehrlich ist. 132 Für die Zugehörigkeit zur Tradition ließe sich lediglich εκδυεσθαι als Hapaxlegomenon geltend machen. Doch reicht dies als Basis nicht aus. So wird man die Wahl dieses Begriffes aus der Situation zu erklären haben — sei es, daß Paulus ein Stichwort aus dem Bereich der von ihm korrigierten Position aufgreift, sei es, daß er diese Position mittels εκδυεσθαι, diese Vorstellung zugleich abwehrend (ου θελομεν), interpretiert.

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Uberkleidung bestimmt ist, die V. 4 vorgetragene Deutung des Seufzens als Ausdruck der Sorge um eine mögliche Entkleidung also im Grunde bereits mit Y. 2 überholt ist. Wenn Paulus trotzdem diesen Aspekt vorbringt, so kann dies nur die Funktion einer erneuten Absicherung haben: ου θελομεν εκδυσασθαι. Die Wahl des nach επιποθουντες (V. 2) überraschenden Partizips βαρουμενοι entspricht der Künstlichkeit des ganzen Satzes 133 . Es ist gewählt, um zu verdeutlichen, daß die von Paulus abgelehnte mögliche Erwartung eines εκδυεσθαι nur ein von der Sorge bestimmtes Seufzen hervorrufen kann 134 . Das Schwergewicht des Satzes liegt deutlich am Schluß: αλλ' επενδυσασθαι, ινα καταποθη το Όνητον υπο της ζωης. Er gibt mit Nachdruck zu erkennen, nicht nur „was P.(aulus) mit dem Vorgang des ,Überziehens' meint" 135 , sondern vor allem warum er in 2.Kor. 5,1 ff. solches Interesse am Bild des Überkleidetwerdens hat. Das göttliche Handeln am Menschen ist nach 2.Kor. 4,7 ff. Handeln dessen, der den Herrn Jesus auferweckt hat (Y. 14) und der das Leben Jesu εν τω σώματι ημων (V. 10) bzw. εν τη θνητη σαρκι ημων (V. 11) offenbart, d. h. der gerade an dem Menschen als sterblichem Leib handelt. Darum kann das zukünftige Handeln Gottes nur Handeln am somatischen Menschen sein, nicht aber an einem Menschen, der εκδυσαμενος ist. Weil sich die eschatologische Erwartung des Einzugs in die himmlische Wohnung durchaus mit der Vorstellung vom Auszug aus dem Leibe verbinden ließ, darum greift Paulus zum Bild vom Überkleiden. Es hält fest, daß das Handeln Gottes stets den Menschen als Soma betrifft 136 . Die vorgetragene Deutung von 2.Kor. 5,1—4 läßt sich weiter durch einen Vergleich mit dem thematisch verwandten Text l.Kor. 15 erhärten187. Nach den Ver133 Sie läßt sich durch die Frage markieren: Wie kann man über etwas bedrückt seufzen — in diesem Fall das Entkleidetwerden —, von dem man in keiner Weise erwartet, daß es überhaupt eintreten könnte? Sinnvoll ist die Begründung εφ ω ου θελομεν nur, wenn es sich um eine theoretische Erwägung handelt. 134 Vgl. Teichmann, Vorstellungen 63: „Das Ganze ist vielleicht mehr im Sinne der Korinther gedacht als in dem des Apostels. Denn bei ihm war die Furcht vor der Nacktheit wol (sie) durch die Gewißheit des Überkleidetwerdens so ziemlich beseitigt, wenngleich auch bei ihm schon der einfache Gedanke daran ein Gefühl der Beklemmung hervorrufen mochte." 135 Windisch, 2;Kor. 163. 136 Dies ist im Ansatz zutreffend gesehen, wenn Luz (Geschichtsverständnis 366) für die Auslegung des Abschnittes die Gewißheit des Paulus für bedeutsam hält, „daß das Leben im Leib vor Gott wertvoll und unaufgebbar ist". Ellis (II Cor V, S. 218) deutet das Zelthaus V. l a und die übrigen Baubezeichnungen auf „the εν Αδαμ and εν Χριστώ corporeity". Doch versteht Paulus, wie die SomaAussagen V. 6. 8 und — mit letzter Deutlichkeit — V. 10 zeigen, die Metaphern als Bezeichnungen für den individuellen Leib. Zur Kritik an Ellis und verwandten Auslegungen vgl. Schweizer, ThWb VII, 1058 A. 381; Luz, a.a.O. 364 A. 30. 137 Vgl. dazu Kühl, 2.Kor. 5, S. 14; Hoffmann, Toten 273 f.

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sen 53 ff. dieses Kapitels ist die Vorstellung des „Anziehens" (ενδυεσθαι) für Paulus im Rahmen der Eschatologie von erheblicher Bedeutung. Ihre betonte Stellung in l.Kor. 15,53 ff. stimmt zu der Auffassung, daß paulinische Redaktion in 2.Kor. 5,1 ff. in den Sätzen faßbar wird, die dies Motiv zur Geltung bringen. Wenn Paulus in 2.Kor 5,2.4 im Unterschied zu l.Kor 15 zweimal επενδυεσθαι statt ενδυεσθαι sagt, so ist dies in der Position begründet, die er in seinen Ausführungen korrigiert. Da den Angesprochenen daran gelegen ist, entkleidet zu werden, vermag allein die Aussage, daß die Christen überkleidet werden, die Anschauung auszuschließen, die Christen existierten je ohne Soma138.

Nach der grundsätzlichen Bestimmung des eschatologischen Heilshandelns Gottes in V. 4b rückt Paulus die ganze Thematik SeufzenÜberkleidung noch einmal in ein völlig neues Licht: „Der aber, der uns dazu in die Lage versetzt hat, (ist) Gott, der uns das Angeld des Geistes gegeben hat" (2.Kor. 5,5). War nach Y. 2 und V. 4 jeweils das Seufzen Anzeichen für die ausgesprochene Erwartung, so überholt Paulus diese Argumentation in V. 5 durch Rekurs auf das den Christen bereits zuteil gewordene Heil. Die Bestimmung zur Überkleidung, und das heißt zum Sieg des Lebens über die Christen als sterbliche σώματα, ist für sie mit dem Empfang des Geistes gesetzt139. Die Anteilhabe an der eschatologischen Gabe des Geistes ist die Gewähr für die Gewißheit, daß die Christen das Leben erhalten werden, sei es in Form der Auferweckung, sei es in Form der Verwandlung. Daß hiermit in der Tat die Argumentation von 2.Kor. 5,1—4 zwar nicht aufgegeben wird, wohl aber als Hilfsgedanke zurückgestuft wird als Hilfsgedanke, der die Ausrichtung der christlichen Erwartung auf die Überkleidung sicherstellen soll —, verdeutlicht die Fortsetzung in 2.Kor. 5,6: θαρρουντες ουν πάντοτε folgert Paulus aus der Beteuerung V. 5 und zeigt damit, daß christliche Existenz weder durch στεναζο138 Auch nach l.Kor. 15,53 f. ist ενδυεσθαι als Uberkleidetwerden vorgestellt, insofern es eben heißt: „Dies Sterbliche muß Unsterblichkeit anziehen...". Dies ist jedoch nur aus dem Satz als ganzem zu erschließen, während in 2.Kor. 5,2.4 der Vorgang durch das Verb selbst als Überkleidung bezeichnet wird. Man kann also im Rahmen der paulinischen Aussagen ενδυεσ&αι und επενδυεσθαι im Sinne von „überkleidet werden/überziehen" identifizieren, nicht jedoch im Sinne von einfachem „anziehen/bekleidet werden". 139 εις αυτο τούτο ist also auf V. 4b (επενδυσασθαι κτλ.) zu beziehen, die Satzhälfte, die in diesem Vers den Ton trägt, und damit nicht auf den Wunsch, sondern auf das Gewünschte (vgl. Windisch, 2.Kor. 164). Bezieht man die Wendung wie Börse (Jenseitserwartung 133 mit A. 34) auf ,,στεναζομεν bzw. θελομεν" (gemeint ist: ου θελομεν εκδυσασΟαι, s. ebd.), so ergibt sich nicht der Sinn, daß der Geist das Seufzen überwinden hilft, sondern daß er es hervortreibt (gegen Börse, ebd. 133 f.). In diesem Sinne deutet Demke (Auslegung 596) unter Berufung auf Rom. 8,23; aber diese Stelle zeigt gerade, daß der Geist von Paulus in erster Linie als Kraft der Zuversicht (2.Kor. 5) bzw. Geduld (Rom. 8) genannt und ein direkter Zusammenhang zwischen Seufzen und Geist nicht hergestellt wird. Vgl. unten, S. 267 A. 25.

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μεν βαρουμενοι (V. 4) noch durch στεναζομεν επιποθουντες (V. 2) gültig erfaßt ist, sondern allein durch ein somatisches Sein, das von der Zuversicht bestimmt ist. Und mit diesem Gedanken hat Paulus bezeichnenderweise bereits in 2.Kor. 4,16 die vorangegangene Darlegung abgeschlossen und die folgende eröffnet (διο ουκ εγκακουμεν). Die Fortsetzung der Zuversichtsfolgerung in 2.Kor. 5,6 lenkt auf die zuletzt durch V. 1 f. geweckte Frage nach von Paulus verwertetem Überlieferungsgut zurück. Der Partizipialsatz V. 6 ist erstens anakolouth. Schwerer wiegt, daß die zweite Hälfte als „Erwägung . . . , die kleinmütig stimmen muß", inhaltlich wenig zu der unmittelbar vorher betonten Zuversichtlichkeit passen will140. Aufgrund der Beobachtung, daß V. 6b „also eigentlich das θαρρουντες ein(schränkt) und der neue Gedanke hätte konzessiv gefaßt werden müssen", vermutet Windisch 141 deshalb Textverderbnis. Zur Skepsis gegenüber dieser Lösung zwingt jedoch die Beobachtung, daß sich die Schwierigkeit von Y. 6 in dem thematisch parallelen V. 8 wiederholt. V. 6 entsprechend durch θαρρουμεν eingeleitet, „bringt και ευδοκουμεν μ.(αλλον) einen Wunsch, der aus der entgegengesetzten Stimmung hervorgeht", wie Windisch 142 selbst zutreffend notiert. Als auffallendes Element kommt hinzu, daß Paulus sich mit dem Wunsch εκδημησαι εκ του σώματος in V. 8 in erhebliche Nähe zu der Anschauung begibt, die er in V. 4 gerade abgewehrt hat (ου θελομεν εκδυσασθαι)143. Fragt man, wo für Paulus in den Aussagen V. 6 und V. 8 das Schwergewicht liegt, ob auf der Hervorhebung der Zuversichtlichkeit oder auf den je folgenden Einschränkungen, so möchte die Antwort mit der Feststellung der Wiederholung von θαρρειν, zumal je zu Beginn des Verses, gegeben sein. Sie wird dazu durch die Fortsetzung in V. 9 unterstützt. Die Folgerung (διο και) — sie wird als solche erst durch V. 10 einsichtig, wo Paulus die Relevanz des somatischen Handelns für das Eschaton aufweist 144 — relativiert die in V. 6b und 8b mittels der Begriffe εκδημειν und ενδημειν dargebotene Beschreibung der Situation der Christen (ειτε- ειτε). Wie bereits θαρρειν in V. 6. 8 verweist sie auf das (durch den Geist ermöglichte) Verhalten als das Entscheidende (ευαρεστοι είναι)145. Der Eindruck, daß in 2.Kor. 5,6 ff. die Verse 6b und 8b das Kommentierte und die übrigen Verse und Wen140

141 142 Windisch, 2.Kor. 166. Ebd. Ebd. 167. Diese Nähe kommt treffend in den folgenden Sätzen Duponts (Syn Christo 153) zum Ausdruck: „A partir du V. 6, le corps est appeli notre domicile terrestre; il est necessaire de la quitter pour pouvoir trouver domicile aupres du Seigneur." Vgl. auch Kühl, 2.Kor 5, S. 21; Georgi, Rez. Schmithals 95. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund der Aussagen V. 6b. 8b s. Dupont, a.a.O. 158 ff. 144 Vgl. dazu Demke, Auslegung 601. 145 Vgl. Conzelmann, Theol. NT 213: Mit ειτε — ειτε „sagt Paulus, daß meine anthropologische Befindlichkeit hinsichtlich des Heils irrelevant ist". 143

3. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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düngen Kommentar sind, wird schließlich durch den noch nicht berührten Vers 7 gefestigt. Er begründet (γαρ), warum sich die Situation der Christen so darstellt bzw. darstellen muß, wie in V. 6b beschrieben. Er hat damit, wie bereits angedeutet, dieselbe Funktion wie Y. 24 f. in Rom. 814e. Darüber hinaus hat V. 7 „die Konstruktion (sc. in V. 6 - 8 ) verwirrt"147. Die syntaktischen und inhaltlichen Schwierigkeiten, die 2.Kor. 5, 6b. 8b bereiten, und die Beobachtungen zum Charakter der sie umgebenden textlichen Elemente legen den Schritt nahe, die beiden Sätze V. 6b (ενδημούντες κτλ.) und V. 8b (και ευδοκουμεν κτλ.) als vermutlich traditionelle, zusammengehörige Aussagen auszuklammern148. Ja, die bereits genannte Beobachtung, daß der Wunsch εκδημησαι εκ του σώματος an die Position erinnert, die Paulus in 2.Kor. 5,1 ff. korrigiert, läßt erwägen, ob V. 6b. 8b nicht ursprünglich die Fortsetzung eben jener von Paulus in 2.Kor. 5,1 f. zitierten und korrigierten Uberlieferung bildeten. In diesem Fall hätten dem Apostel etwa folgende Aussagen vorgelegen: εαν το επιγειον ημων σκηνος καταλυθη, οικοδομην εκ θεού εχομεν, οικιαν αχειροποιητον εν τοις ουρανοις. και γαρ εν τούτω στεναζομεν το οικητηριον ημων επιποθουντες.

(V. 1 f.*)

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ενδημούντες [γαρ] εν τω σώματι εκδημουμεν απο του κυρίου. 14Θ Gegen Dupont, der zwar die Nahe von 2.Kor. 4,18 und Rom. 8,24 betont (Syn Christo 130 f.), jedoch die Konzeption von 2.Kor. 5,7 für „toute differente" von der in Rom. 8,24 f. bezeugten hält, weil das „Sehen" nach Rom. 8,24 f. bei der Parusie, nach 2.Kor. 5,7 jedoch gleich nach dem Tode geschehe (ebd. 155). Dupont hat mit dieser Fragestellung den Sinn der jeweiligen Begründungen verkannt. Denn es geht beide Male nicht um die Bestimmung von Terminen, sondern um den Aufweis der Struktur christlicher Existenz in der Welt, und dieser Aufweis geht beide Male in dieselbe Richtung: Die Christen sehen das Heil nicht, sondern haben Anteil an ihm im Modus des Glaubens (2.Kor. 5,7) bzw. der Hoffnung (Rom. 8,24 f.). Vgl. Conzelmann, Theol. NT 214. 147 So Mundle (Zwischenzustand 106), der grundsätzlich zutreffend die Zusammengehörigkeit der Sätze in V. 6 und V. 8 erkannt hat. 148 Es sei über die zuvor genannten Beobachtungen hinaus daran erinnert, daß ενδημειν und εκδημειν zu den Hapaxlegomena gehören. Außerdem ist das Partizip ειδοτες vor Beginn der für traditionell gehaltenen Aussagen zu beachten. Auf die Parallelität dieses Partizips mit οιδαμεν in 2.Kor. 5,1 macht Georgi (Rez. Schmithals 95) mit Recht aufmerksam. Nach seiner Auffassung geht Paulus auch hier „von der Gemeinsamkeit mit der Zukunftshoffnung der korinthischen Gnostiker aus" (ebd.). 148 Falls V. 1 f. und V. 6b. 8b ursprünglich zusammengehörten, wird man eine Konjunktion dieser Art zu ergänzen haben.

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και ευδοκουμεν μάλλον εκδημησαι εκ του σώματος και ενδημησαι προς τον κυριον.

(V. 6b. 8b)

Gewiß sind in 2.Kor. 5,1 f.* und 5,6b.8b verschiedene Vorstellungskreise verwendet. Doch sind sie in auffälliger Weise durch die Inhalte, die die Bilder bezeichnen, miteinander verbunden. In beiden Einheiten spricht sich das Verlangen aus, den Leib zu verlassen. Nach V. 6b. 8b ist dies Verlangen in dem Wissen begründet, daß Sein im Leibe Sein in der Fremde bedeutet, die Heimat des Menschen also außerhalb seines irdischen Leibes liegt. Es bleibt zu fragen, ob diese Uberzeugung tatsächlich erst m i t V. 6b. 8b in den Gesichtskreis tritt oder ob sie nicht bereits in den Sätzen V. l f . * enthalten ist, so daß V. 1 f.* und V. 6b. 8b auch von hier aus dichter zusammenrücken. Denn bezeichnenderweise sind in einer Reihe von Aussagen in der U m w e l t des Neuen Testaments die Motive Fremdheit/Heimat ausdrücklich mit jener Verheißung der himmlischen Behausung verbunden 1 5 0 . Die Entscheidung der Frage, ob 2.Kor. 5,1 f.* und 5,6b. 8b Paulus als zusammengehörige Überlieferung vorlagen oder ob es sich u m zwei ihm isoliert überkommene Fragmente handelt, kann dahingestellt bleiben 1 5 1 . In jedem Fall aber bewährt sich die Einordnung bei-

150 Äth. Hen. 39,8 bekennt der Seher beim Anblick der himmlischen Wohnungen der Gerechten: „Hier wünschte ich zu wohnen, und meine Seele trug nach jener Wohnstätte Verlangen. Hier ist mein Erbteil schon früher gewesen." (Obers. Rießler.) Philo, Somn. I, 256 heißt es von dem Mysten, der zum Lobgesang Gottes aufgerufen wird: „Denn so wirst du hinauf zurückkehren können in deines Vaters Haus, entflohen dem langen und unaufhörlichen Sturm in der Fremde." (Übers. Adler.) Vgl. ferner Hebr. 11,13.16: Die Erzväter haben sich als „Gäste und Fremdlinge auf Erden" bekannt und Verlangen nach der himmlischen Vaterstadt gehabt, die ihnen Gott bereitet hat. Vgl. zu Philo und Hebr. auch Braun, Vaterland 319 ff., bes. die weiteren Philo-Belege auf S. 319. 321 (Rer. Div. Her. 274; Agric. 65). Griechisch-hellenistische Belege, die die Herkunft dieser Vorstellungen im Judentum anzeigen, bei Brandenburger, Fleisch 175 A. 5. Vgl. auch bereits oben, S. 111 A. 102. 151 Eine eindeutige Antwort wird sich ebenfalls kaum auf die Frage nach der Herkunft dieser vorgegebenen Aussagen geben lassen. Denkbar ist, daß sie auf Kreise in der korinthischen Gemeinde zurückgehen und dann Paulus vielleicht brieflich überkommen sind, denkbar ist aber auch, daß Paulus sich eines „apokalyptischen Handbuchs" in der Art des syr. Bar. oder 4.Esr. bedient hat in der Meinung, mit den dann daraus übernommenen Aussagen sei die Auffassung der korinthischen Gemeinde in etwa umschrieben. Aber auch dies sind nur Erwägungen. Daß jedenfalls Paulus vorgeprägte Aussagen nicht nur in Form von Bekenntnissen und Hymnen übernommen hat, zeigt eindrücklich ein Text wie l.Th. 4,16 f. Und man wird sich darüber im klaren sein müssen, daß das Problem der Übermittlung nur verdeckt und nicht geringer ist, wenn man es zur Erklärung der Auffälligkeiten in 2.Kor. 5,1 f.6.8 bei dem allgemeinen Hinweis beläßt, Paulus fuße

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der als Umschreibungen der von Paulus korrigierten Position dadurch, daß sie die Eigenart der paulinischen Aussagen in 2.Kor. 5,1—10 erklären hilft. Der Tatbestand, daß die Ubersiedlung der Glaubenden in die himmlische Behausung als Auszug aus dem Leibe (V. 8b) und Einzug der Seele in die himmlische Wohnstatt (V. 1 f.*) verstanden worden ist, hat Paulus dazu bewogen, mit solchem Nachdruck auf dem Überkleidetwerden, also der somatischen Verwandlung als der sachgemäßen christlichen Erwartung zu bestehen. Die Ungeduld gegenüber der leiblichen Existenz aber, die jener Erwartung inhärent ist, hat ihn über diese Korrektur hinaus zu einer Relativierung der Intensität der Erwartung veranlaßt. Er arbeitet heraus, daß die gegenwärtig wie zukünftig somatisch existierenden Christen aufgrund der Heilstat Gottes das ungeduldige Seufzen zu überwinden, d. h. zuversichtlich zu leben vermögen und sich auf die damit eröffnete neue Möglichkeit konzentrieren können, dem Kyrios somatisch wohlgefällig zu sein. Die Überarbeitung der Tradition durch Paulus ist damit einheitlich: Sie dient durchweg der Einweisung in die pneumatisch ermöglichte leibliche Existenz. Es scheint an der Zeit, an den Ausgangspunkt zurückzukehren und die Frage nach dem Gewinn der Analyse von 2.Kor. 5,1—10 für die vorgelegte Interpretation von Rom. 8,18—27 in Angriff zu nehmen. Folgende Beobachtungen sprechen dafür, daß die Untersuchung von 2.Kor. 5,1—10 als geglückte Probe aufs Exempel für die anhand der Frage nach Tradition und Redaktion vorgenommene Auslegung des Textes aus Rom. 8 angesehen werden kann: Hier wie dort greift Paulus eine Überlieferung auf, in der das Seufzen als Zeichen für die Ausrichtung der Christen auf die Zukunft Gottes verstanden wird. Obwohl ihm dieser Gedanke — aus jeweils verschiedenen Gründen und entsprechend je anders nuanciert 152 — wichtig ist und bleibt, korrigiert er ihn durch den Hinweis auf den Geistempfang der Christen, indem er aus diesem Heilsgeschehen folgert, daß deren sachgemäßes Verhalten im Stande der Vergänglichkeit Geduld bzw. Zuversicht ist. Beide Male weist der Apostel auf, daß das durch den Ausstand der Vollendung gekennzeichnete Sein der Christen in der besonderen Art des Heilsempfangs begründet ist. In 2.Kor. 5,1—10 steuert Paulus in der zweiten Hälfte auf die Einschärfung der eschatologischen Bedeutung des sittlichen Handelns des Menschen als Soma zu. Eine entsprechende Zuspitzung fehlt in Rom. 8,18—27 im Anschluß an den Nachweis, daß rechte christliche Erwartung Warten mit Geduld ist. Vielmehr steht das Leidensthema im Vordergrund, das Paulus in 2. hier auf „jüdisch-allgemeinchristlicher Tradition" bzw. bediene sich der Sprache seiner Gegner (vgl. oben, S. 105 A. 78). 152 Zu Rom. 8 s. unten, S. 138. 143 f.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—50

Kor. bereits zuvor 4,7 ff. behandelt hat. Jener Aspekt fehlt jedoch weder im Römerbrief als ganzem noch speziell in Rom. 8, wie allein schon ein flüchtiger Blick auf die noch zu erörternden Aussagen Rom. 8,12 f. zeigt. Es bestätigt sich also auch von hier aus, daß Paulus das Thema „Sorna und Zukunft" in Rom. 8 und 2.Kor. 5 theologisch auf dieselbe Weise bearbeitet, nämlich indem er die Bedeutung des Empfangs der eschatologischen Gabe des Geistes für das Leben der Christen in der Welt entfaltet. Die vorgenommene Scheidung von Tradition und Redaktion in Rom. 8,18—27 und die auf diese Weise erarbeitete Akzentsetzung der paulinischen Argumentation können anhand eines weiteren Textes überprüft werden. Die oben 153 erfolgte Darlegung des Zusammenhangs zwischen Rom. 8 und Rom. 5,1—11 hat gezeigt, daß sich die Ausführungen zu Beginn des 5. Kapitels besonders eng mit Rom. 8, 18—27 berühren. Es scheint deshalb angebracht, den Abschnitt Rom. 5,1—11 vor der nachfolgenden Erörterung von Rom. 8,14—17.18 kurz prüfend heranzuziehen. f ) Zum Verhältnis von Rom. 8,18—27 zu Rom.

J,i—J(ll)

In Rom. 5,1 f. kennzeichnet Paulus durch zwei Bestimmungen die Situation derer, die aus Glauben gerechtfertigt sind. Sie haben durch Jesus Christus Frieden mit Gott und rühmen sich der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes 154 . Auffallend ist die Unterschiedlichkeit des Verhältnisses, in dem die Christen nach Paulus zu den, wie ζ. B. Rom. 2,10 zeigt, traditionell gleichgeordneten Heilsgütern „Frieden" und „Herrlichkeit" stehen — dort εχειν, hier καυχασθαι επ' ελπιδι. Die einschränkende Bestimmung des Verhältnisses der Gerechtfertigten zur Doxa Gottes ist freilich vom paulinischen Ansatz her folgerichtig, sofern es denn heißt: gerechtfertigt εκ πίστεως. Den negativen Grund 153

S. 57 ff. καυχασθαι mit επι c. dat. zur Angabe des Gegenstandes des Sichrühmens begegnet nur hier in den paulinischen Briefen. Im allgemeinen schließt der Apostel mit εν c. dat. an. Die Wahl der Präposition επι erklärt sich vermutlich von der Formelhaftigkeit der Wendung επ* ελπιδι her (vgl. Rom. 4,18; 8,20). Man könnte deshalb überlegen, ob der Satz nicht entgegen seiner grammatikalischen Struktur zu übersetzen ist: „und wir rühmen uns auf Hoffnung hin der Herrlichkeit Gottes". Mit seiner Verwendung von καυχασθαι steht Paulus in alttestamentlicher Tradition, wie Bultmann (ThWb III, 646 ff.) gezeigt hat. Zu diesem biblischen Begriff des Sichrühmens „gehören konstitutiv die Momente des Vertrauens, der Freude und des Dankes; und das Paradoxe liegt darin, daß der sich Rühmende von sich selbst absieht, so daß sein Rühmen ein sich zu Gott bekennen ist" (ebd. 647). Bei Paulus wie im AT dominiert dabei das Moment des Vertrauens (ebd. 649). θλίψεις sind bei Paulus die Bedrängnisse und Anfechtungen, denen die Christen in Form der Leiden ausgesetzt sind. 154

δ. Vorpaulinisches Traditionsgut in 8,18—27

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für die fehlende Möglichkeit, von einem „Haben" der Herrlichkeit Gottes seitens der Gerechtfertigten zu sprechen, kommt mit V. 3 in den Blick. Die Christen sind den θλίψεις ausgesetzt, also der Wirklichkeit, die den Gegensatz zur Doxa Gottes bildet (2.Kor. 4,17). Paulus führt die Bedrängnisse freilich nicht an, um den Ausstand des Heils zu kennzeichnen, sondern um das Verhältnis der Christen zum Leiden zu verdeutlichen: Die Glaubenden rühmen sich sogar der Trübsale155. Dies Verhalten der Gerechtfertigten hat nach Paulus seinen Grund156 in ihrem Wissen, daß die Trübsale über Geduld und Bewährung zur Hoffnung führen (V. 3b. 4). Mit diesem Verweis auf die Kenntnis des Zusammenhangs zwischen Trübsal und Hoffnung ist nicht nur erklärt, warum sich die Christen der Trübsale rühmen, sondern zugleich die Aussage in V. 2 in ein neues Licht gerückt. Denn wenn καυχασθαι εν θλιψεσιν aufgrund des Wissens geschieht, daß die Trübsal Hoffnung bewirkt, dann ist Sichrühmen επ' ελπιδι letztlich Resultat der Erfahrung von θλίψεις. In welchem Verhältnis steht diese Aussage zu den Versen 1 f., in denen Paulus die Möglichkeit, sich der Hoffnung zu rühmen, und damit die Hoffnung selbst als Folge der Rechtfertigung aus Glauben dargestellt hat? Nimmt man den Kettenschluß Rom. 5,3b.4 für sich, so erweckt er den Eindruck, als würde die Hoffnung als Ergebnis eines umfassen155

Zu καυχασθαι εν vgl. Α. 154. Bultmann (ThWb III, 649 A. 35) nennt die wenigen Fälle bei Paulus, in denen εν „die Sphäre an(gibt), in der sich, das Rühmen bewegt" (Rom. 15,17; l.Kor. 15,31; Phil. 1,26). Zwar ließe sich εν ταις θλιψεσιν auch als Angabe der Situation, in der das Sichrühmen geschieht, verstehen (Michel, Rom. 131 mit A. 2). Doch wird diese Deutung durch die Steigerung zu Beginn von V. 3 und vor edlem durch die engen Parallelen Gal. 6,14 und 2.Kor. 11,30; 12,9, an denen Kreuz bzw. Schwachheiten deutlich der Gegenstand des Sichrühmens sind, als unwahrscheinlich erwiesen. Abzulehnen ist von daher auch die Auslegung Conzelmanns (Theol. NT 267. 214): „angesichts der θλίψεις", „ihnen gegenüber". Sie wird im übrigen durch seine eigene Deutung von Rom. 5,3b.4 widerlegt (ebd. 214). Denn da er den Trübsalen hier die Funktion zumißt, menschliche Sicherung zu zerstören und auf die Hoffnung zu werfen, V. 3b. 4 aber Begründung für V. 3a sind, ist es widersprüchlich, die Trübsale in V. 3a als eine Art Gegner zu interpretieren, vor dem man sich rühmt. Festzuhalten bleibt, daß es sich dabei nur um die Wendung καυχασθαι εν handelt. Von „Hoffnung angesichts der Trübsale" läßt sich interpretatorisch im Hinblick auf Rom. 5,1—5 ohne weiteres reden. 156 Fischer (Leiden 134) postuliert, daß das Partizip ειδοτες nicht kausal zu deuten, sondern dem Hauptverb gleichzuordnen, also mit „und wir wissen, daß" zu übersetzen sei. Doch ist diese Operation nicht nur willkürlich, sondern läßt den Satz auch funktionslos werden. Denn zwar kann der sehr allgemeinen Bestimmung, Paulus wolle V. 3b. 4 sagen, daß Trübsal aufgrund der Rechtfertigung nicht mit Tod, sondern mit Leben zu tun habe, zugestimmt werden — aber warum will der Apostel dies im Anschluß an V. 5a hervorheben? Doch eben als Begründung von V. 3a! Auf diese Weise läßt sich der von Fischer deutlich gesehenen Problematik des Kettenschlusses kaum sachgemäß begegnen (vgl. dazu im folg.).

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

den psychagogischen Prozesses bestimmt, der durch die Trübsal ausgelöst wird: „In Drangsal lernt man Aushalten, durch Aushalten kommt Bewährung zustande, der in irdischer Bedrängnis Bewährte darf nun auch die Hoffnung hegen, daß er von Gott in Gnaden angenommen wird — so ungefähr ist es wohl gemeint." Dibelius, der den Kettenschluß auf diese Weise umschrieben hat 157 , läßt jedoch selbst berechtigte Zweifel erkennen, daß hiermit das paulinische Verständnis von Hoffnung erfaßt ist, wenn er fortfährt: „aber die Hauptsache ist der Hinweis auf Gottes Liebe (sc. in V. 5) . . . Der eigentliche Beweis der Kette liegt nicht im κατεργαζεσθαι, sondern in der Liebe Gottes, die alles begründet." Mit diesem Hinweis ist in der Tat sachgemäß der Ansatz umrissen, von dem her jene Frage nach dem Verhältnis der Aussagen in Rom. 5,1 f. und 5,3b.4 anzugehen ist. Paulus selbst hat sich nicht mit dem Nebeneinander der beiden Begründungen der Hoffnung begnügt. Wenn er in Rom. 5,5 anschließt: „Die Hoffnung aber läßt nicht zuschanden werden, denn die Liebe Gottes ist in unsere Herzen ausgegossen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist", so gilt die Begründung (οτι κτλ.) zwar unmittelbar der Beteuerung, daß die Hoffnung Bestand hat und bestehen läßt 158 . De facto bedeutet sie jedoch eine neuerliche Bestimmung des Grundes christlicher Hoffnung. Dies zeigen eindeutig die in Rom. 5,6—11 folgenden Ausführungen 159 . Sie interpretieren den Tod Jesu Christi als Erweis der Liebe Gottes und vergewissern, daß mit diesem Tod der Grund der christlichen Hoffnung gelegt ist. Rom. 5,5.6 ff. sind dabei im strengen Sinne keine völlig neue Begründung der Hoffnung, sondern Rückkehr zu der Basis, von der Paulus in Rom. 5,1 ausgegangen 157 Worte 4. Der Kettenschluß ist möglicherweise vorpaulinisch: Er ist durch das Partizip ειδοτες (οτι) angeschlossen, das bei Paulus wie οιδαμεν (οτι) häufig die Wiedergabe traditionellen Gutes einleitet (vgl. oben, S. 63 A. 2; S. 104). Als Kettenschluß sind die Aussagen in eine feste Form gefaßt. Mit Jak. 1,3 f. liegt ein inhaltlich verwandter Kettenschluß auch außerhalb der Paulusbriefe vor. Ferner gibt es eine Anzahl weiterer Belege für die in der Kette genannten sachlichen Zusammenhänge: Zur Folge Versuchung, Geduld, Bewährung, Vollendung vgl. die Seligpreisung Jak. 1,12 und l.Petr. 1,6 f. (s. dazu Nauck, Freude 68 ff.; dort auch weiteres Material im NT); zum Zusammenhang zwischen Leiden und Hoffnung vgl. syr. Bar. 78,6, zum Zusammenhang zwischen Versuchung, Geduld und Bewährung T. Jos. 2,7 (weiteres Material bei Nauck, ebd. 73 ff.). Andererseits ist die Begrifflichkeit von Rom. 5,3b.4 gut paulinisch, δοκιμή begegnet im NT sogar nur bei Paulus. Von daher ist es wohl doch wahrscheinlicher, daß die Reihe von Paulus selbst in Anlehnung an verwandte herkömmliche Aussagen formuliert ist. 158 Zum Bild vom Ausgießen vgl. Dibelius, Worte 6: ,,εκκεχυται ist gesagt von der Liebe, gedacht vom heiligen Geist." Hat Paulus möglicherweise einen traditionellen Satz, der allein vom Ausgießen des Geistes sprach (vgl. Act. 10,45), um den Begriff η αγαπη του ϋεου erweitert? Der Sinn ist sachgemäß von Lipsius bestimmt (Rom. 109): Der Geist verbürgt die Liebe Gottes. 158 Vgl. Dibelius, Worte 4.

3. Vorpaulinisch.es Traditionsgut in 8,18—27

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war160. Diese Umschlossenheit der Kette Rom. 5,3b.4 durch die Hoffnungsaussagen in Rom. 5,1 f.5 ist ein klares Indiz dafür, daß der Kettenschluß von Rom. 5,1 f.5 her zu interpretieren ist. Das heißt: Weil den Christen ein neues Verhältnis zu den θλίψεις eröffnet ist — nämlich das der Gerechtfertigten, die durch den Geist der Liebe Gottes teilhaftig sind —, darum gereichen ihnen die Trübsale jetzt, Geduld und Bewährung bewirkend, zur Hoffnung, genauer: zur Bewahrheitung bzw. Stärkung der Hoffnung 161 . Die Trübsale bewirken also nicht als solche die Geduld, sondern sie bewirken sie für den Gerechtfertigten, indem dieser, ihnen ausgesetzt, als Glaubender Geduld übt und sie so überwindet. Die θλίψεις sind die Wirklichkeit und zugleich die Möglichkeit seines Lebens als aus Glauben Gerechtfertigten, und deshalb rühmt er sich ihrer: „So will ich mich um so mehr der Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi bei mir einkehre: . . . denn wenn ich schwach bin, bin ich stark" (2.Kor. 12,9 f.)162. Insofern dies καυχασθαι ebenso wie das letztlich mit ihm identische1®3 καυχασθαι επ' ελπιδι in Gottes Tat begründet ist, ist dieses wie jenes ein καυχασθαι εν τω θεω δια του κυρίου ημων Ιησού Χρίστου (Rom. 5, II) 164 . 180

Schmidt, Rom. 92. Gaugier (Rom. 116) hat richtig gesehen, daß die Aussage „Bewährung aber schafft Hoffnung" (V. 4) von V. 5 her den Sinn gewinnt „Die Bewährung aber verfestigt die Hoffnung". Zur Deutung „Bewahrheitung" vgl. A. 162. 162 Conzelmann (Theol. N T 214) interpretiert den Kettenschluß von der in 2.Kor. 12,7 f. vorangehenden pädagogischen Deutung des Leidens her: „Die θλιψις zerschlägt uns die menschliche Sicherung und wirft uns ausschließlich auf Hoffnung." E r vermag dabei jedoch die Auslegung des Zusammenhangs von Trübsal und H o f f n u n g nicht mit der vorangehenden lapidaren Feststellung „Die Bewährung schafft die Hoffnung" und der unberücksichtigten Größe „Geduld" zu vermitteln. Deshalb und aufgrund des Kontextes als der nächstliegenden hermeneutischen Hilfe bleibt zu fragen, ob der Kettenschluß nicht von vornherein von der theologischen Deutung des Leidens bei Paulus her auszulegen ist, nämlich im angegebenen Sinne, daß die Trübsal die immer schon gegebene Wirklichkeit ist, auf die das göttliche Handeln abzielt und in der entsprechend das pneumatische Verhalten, zu dem der aus Glauben Gerechtfertigte befähigt ist, zur Geltung kommt: die υπομονή, die ihrerseits Bewährung schafft, die wiederum die Hoffnung stärkt. Auch Conzelmann stellt an anderer Stelle heraus (ebd. 309), daß die pädagogische Deutung die theologische zur Basis h a t und von ihr her zu verstehen ist. So erscheint seine Interpretation von Rom. 5,3b.4 als ein Umweg, der sich, wenn man den Kontext als hermeneutischen Schlüssel heranzieht, vermeiden läßt und im übrigen von Conzelmann selbst vermieden wird, wenn er an jener anderen Stelle (ebd. 308) sagt: „Gewißheit haben wir darin, daß das Leben . . . im Geist, als Freiheit, im Überstieg schon bei uns ist — in der Form der H o f f n u n g angesichts der θλιψις . . . Dieses Leiden ist der Beweis f ü r die Wahrheit der Hoffnung (Rom 5,2 ff.)" — das Leiden nämlich, das durch Geduld überwunden wird! Vgl. hierzu auch unten, S. 266 ff. und den zweiten Exkurs, S. 287 ff. 181

183 184

Vgl. Bultmann, T h W b III, 650. Vgl. Bultmann, Adam 429 f. Auch Michel (Rom. 132) versucht eine sach-

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—50

Gewiß sind Rom. 8,18—27 nicht einfach Wiederholung von Rom. 5,1—5. Umfang, bezeichnende Einzelaussagen, Kontext und die Stellung der Abschnitte im Römerbrief insgesamt geben den Ausführungen je ihr eigenes Gesicht, wie an späterer Stelle noch deutlicher werden wird 165 . Trotzdem besteht eine auffallende Übereinstimmung zwischen beiden Texten, die sich wie folgt kennzeichnen läßt: Beide Male beschreibt Paulus die Struktur christlicher Existenz als Hoffnung im Angesicht der leidvollen und jeder Hoffnung widerstreitenden Wirklichkeit. Beide Male lehrt er die Hoffnung als Geschenk Gottes bzw. des Geistes verstehen. Und beide Male zeigt er das den Christen aufgrund solcher Hoffnung mögliche Verhalten auf 166 . Es wurde bei der Scheidung von Tradition und Redaktion in Rom. 8,18—27 hervorgehoben, daß zu den hervorstechenden Merkmalen der paulinischen Überarbeitung der verwendeten Vorlage das Stichwort ελπις gehöre. Die Beobachtungen zu dem Abschnitt Rom. 5,1—5, in dem Paulus die Frage nach der Doxa im Angesicht der Trübsale in einem ersten Anlauf skizziert, können als nachdrückliche Bestätigung dieser Bestimmung gelten. Über die aufgewiesene Nähe zwischen beiden Abschnitten hinaus ist es gewiß kein Zufall, daß bereits in Rom. 5,2 jene bezeichnende Wendung επ' ελπιδι begegnet, zumal sie in Zuordnung zu eben der Größe erscheint, um die es Paulus in Rom. 8,18 bis 27 geht: die δοξα του θεου in ihrem Verhältnis zum gegenwärtigen Sein der Glaubenden.

4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in Rom. 8,14—17 a) Zur Fragestellung Im Unterschied zu den bisher erörterten Abschnitten enthält der Passus Rom. 8,14—17 keine längeren geprägten Aussagen, die von Paulus eingearbeitet wären. Vielmehr beschränkt sich die Anlehnung kritische Interpretation des Kettenschlusses: Es sei verfehlt, darin „voneinander unterschiedene Stufen des Glaubens" zu sehen (gegen Luther), vielmehr komme es Paulus darauf an, „daß die Gnade Gottes den Glauben unter dem Druck der Anfechtung über sich selbst hinauswachsen läßt". Damit ist der paulinische Glaubensbegriff (ein Glaube, den Gott „über sich selbst hinauswachsen läßt"?) eher zerstört als kritisch zur Geltung gebracht. Sachgemäß dagegen Fuchs (Freiheit 13 f.): „in diesem Fall bewirkt die Trübsal ein Aushalten in der Geduld, weil ja nicht einfach der Mensch, sondern der Glaube geprüft wird. Der Glaube hat die Kraft, die θλιψις durchzuhalten". 165 Vgl. unten, S. 160 ff. 260 ff. 266 ff. 186 Vgl. hiermit auch die Analyse von 2.Kor. 5,1—10, insbesondere den zusammenfassenden Vergleich mit Rom. 8,18—27 (oben, S. 123 f.).

4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in 8,14—17

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an Tradition in diesen Versen auf kurze Wendungen wie den AbbaRuf bzw. einzelne Motive wie den Zusammenhang von Erbschaft— Sohnschaft und Leiden—Herrlichkeit. Gewiß wird es darum gehen, die Auslegung dieser traditionellen Elemente durch den Apostel herauszustellen. Dies kann jedoch weithin im Rahmen eines Arbeitsganges geschehen, der in diesem Fall noch geeigneter erscheint, die paulinischen Intentionen in Rom. 8,14—17 zu erheben. Denn wie bereits erkannt und im folgenden kurz darzustellen, berühren sich die paulinischen Ausführungen in Rom. 8,14—17 eng mit einem Abschnitt aus einem anderen, früheren Paulusbrief, Gal. 4,1—71. Ein Vergleich der Verse aus Rom. 8 mit dem in gewissem Sinne „vorgegebenen" Text Gal. 4,1—7 möchte kaum weniger Aussicht haben als die bisher durchgeführte Scheidung von Tradition und Redaktion, die besonderen Akzente von Rom. 8,14—17 zu Gesicht zu bringen und damit die Interpretation dieses Abschnittes vorzubereiten.

b) Rom. 8,14-17 und Gal. 4,1-7 Die fraglichen Abschnitte in Gal. 4 und Rom. 8 kreisen beide um die Themen: Erbschaft (κληρονομος Gal. 3,29; 4,1.7 — [συγ]κληρονομοι Rom. 8,17), Sohnschaft (υιος / υιοι / υιοθεσία Gal. 4,4.5.6.7 — Rom. 8,14.15; vgl. τέκνα Rom. 8,16.17) und Knechtschaft (δούλος / δουλουσ-θαι / δουλεία Gal. 4,1.3.7/ vgl. 4,8 f. — Rom. 8,15), in beiden findet sich im Zentrum der Darlegung die im gesamten Corpus Paulinum nur hier begegnende Aussage, daß der Geist (des Gottessohnes bzw. der Sohnschaft) den Glaubenden αββα ο πατήρ rufen (κραζειν) läßt (Gal. 4,6; Rom. 8,15). Eine formale Übereinstimmung besteht schließlich darin, daß die Ausführungen beide Male gegen Ende des Abschnittes in einen Kettenschluß einmünden (Gal. 4,7; Rom. 8,17). Nimmt man den weiteren Kontext von Rom. 8,14—17 hinzu, so geht den Ausführungen über den Zusammenhang von Sohnschaft und Geistempfang jeweils das Rekenntnis der Sendung des Gottessohnes als Grund des Heilsempfangs voraus (Gal. 4,4 f.; Rom. 8,3). Der Abba-Ruf hat vermutlich seinen Sitz im Leben im Gottesdienst gehabt, so daß Paulus an dieser Stelle auf eine gottesdienstliche Situation Einspielt2. Die Wendung erweckt den Eindruck einer geprägten Formel bzw. Anredeform. Der Rekurs auf eine aramäische Gottesanrede in griechischen, an griechische Leser und Hörer geschriebenen Briefen erlaubt den Schluß, daß die Anrede den Lesern vertraut ist. Die griechische Übersetzung von αββα durch ο πατήρ belegt, daß die ara1

Vgl. z. B. Lietzmann, Rom. 83; Schweizer, ThWb VIII, 394. Vgl. Delling, Gottesdienst 62. Manche Exegeten erwägen eine Anspielung auf den Anfang des Vaterunsers (G. Kittel, ThWb I, 5; Delling, a.a.O.; Jeremias, Abba 64 f.). Siehe dazu die kritischen Überlegungen von Kuß, Rom. II, 602 f. 2

9 Osten-Sacken, Römer 8

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

maische Anrede zusammen mit ihrer für griechische Christen notwendigen Übersetzung in Gebrauch war. Das Lautwerden des Rufes wird jeweils als κραζειν bezeichnet. Der Begriff begegnet bei Paulus selbst nur noch Rom. 9,27, sonst im Neuen Testament vor allem in den Evangelien, der Apostelgeschichte und der Johannesapokalypse. In Rom. 9,27 wie an allen übrigen Stellen bezeichnet er zunächst durchweg ein lautes Rufen, niemals ein inneres Sprechen, wodurch die Deutung von κραζειν in Gal. 4,6 (Rom 8,15) auf die „Rede des göttl. Geistes im Herzen" 8 ausgeschlossen wird. Sodann wird κραζειν in den Evangelien vornehmlich zur Bezeichnung des die Hoheit des Beschwörers bezeugenden Schreiens der Dämonen und der bittenden Rufe von Kranken verwendet 4 . Bei den Dämonenrufen wird deutlich, daß das Schreien der von Dämonen Beherrschten gleichsam zwanghaft hervorgetrieben wird. Diese Parallele scheint am ehesten dem κραζειν von Gal. 4,6 und Rom. 8,15 zu entsprechen: Das Pneuma, das den Glaubenden beherrscht, treibt den Abba-Ruf hervor. Die Frage, ob dieser Gebetsruf bei ganz bestimmten gottesdienstlichen Veranstaltungen laut wurde oder ob er zu jedem Gottesdienst gehörte, läßt sich schwerlich eindeutig beantworten. Immerhin fällt auf, daß der betreffenden Aussage in Gal. 4,6 eine christologische Formel vorangeht, die als Bekenntnis ihren Sitz im Leben in der Taufe gehabt haben könnte 5 . Es könnte sein, daß die Folge von Sendungsformel und Abba-Ruf in Gal. 4,4 f.6 auf einen gottesdienstlichen Ablauf anspielt".

5

Bauer, Wb 885. Mk. 3,11; 5,7 Parr.; 10,47 f. Parr.; Matth. 9,27; 15,22. Reiche weitere Belege für κραζειν als — dämonisch oder göttlich — inspiriertes Schreien im NT und seiner Umwelt bietet Schlier, Gal. 198 A. 2. s Der vorpaulinische Umfang der Formel ist schwer zu bestimmen. Kramer (Christos 110) hat anhand der Parallelen (vor allem Joh. 3,17; l.Joh. 4,7) als Grundbestand herausgearbeitet: εξαπεστειλεν ο θεος τον υιον αυτου, ινα την υιοθεσία ν απολαβωμεν. Gewiß erklären sich die Nomos-Aussagen aus dem Kontext. Die Wendung γενομενον εκ γυναικός, die die Sendung als Menschwerdung interpretiert, ist jedoch vom Zusammenhang her unmotiviert und geht auch deshalb kaum auf Paulus zurück, weil dieser, wie Schweizer (ThWb VIII, 385) überzeugend gezeigt hat, die Formel gerade auf den Kreuzestod hin interpretiert (vgl. ινα τους υπο νομον εξαγόραση mit Gal. 3,13). So wird man auch den Partizipialsatz zum vorpaulinischen Bestand rechnen müssen (mit Schweizer, ebd.). • Vgl. Delling (Gottesdienst 73), der allgemeiner vermutet, der Abba-Ruf könnte „die Antwort der Gemeinde auf eine Verkündigung der Heilstat Gottes" gewesen sein. Zu erwägen ist, ob in Gal. 4,4 f.6 möglicherweise nicht nur eine paulinische Anspielung vorliegt, sondern sich jener Ablauf in Form bereits vorpaulinisch zusammengehörigen Gutes erhalten hat. Auffällig ist die Korrespondenz: εξαπεστειλεν ο θεος τον υιον αυτου (V. 4) — εξαπεστειλεν ο θεος το πνεύμα του υιου αυτου . . . (V. 6). Sie kann grundsätzlich freilich auch von Paulus selbst hergestellt sein. Immerhin könnte die Schwierigkeit, die V. 6a bereitet (s. unten, S. 132 A. 11), dadurch bedingt sein, daß Paulus in V. 6 eine bereits vorliegende Aussage um den einleitenden Satz οτι δε εστε υιοι erweitert hat. Falls Paulus — es mag bei der Erwägung bleiben — V. 4 f. und V. 6 als zusammengehöriges Traditionsgut vorgelegen haben, hätte dies dann die Form gehabt: εξαπεστειλεν ο θεός τον υιον αυτου, γενομενον εκ γυναικός, ινα την υιοθεσιαν απολαβωμεν · εξαπεστειλεν ο θεος το πνεύμα του υιου αυτου 4

4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in 8,14—17

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Dann wäre die Anrede Gottes als αββα ο πατήρ ursprünglich in der Taufe, nach dem Empfang des Geistes und der Sohnschaft erfolgt und hätte wie das Bekenntnis die Zugehörigkeit des Getauften zur Gemeinde bezeugt 7 . Die Annahme, daß Bekenntnis und Abba-Ruf die im Galaterbrief Angeredeten an die Taufe erinnern sollen, stünde ebenfalls im Einklang mit dem Ziel dieses Paulusbriefes. Die Galater sind in der Zeit seit ihrer Bekehrung durch Paulus unter das Gesetz zurückgekehrt, sie wenden sich zu den στοιχεία του κοσμου zurück, von denen sie einst versklavt wurden (Gal. 4,3), und begeben sich damit erneut in ihren Sklavendienst (Gal. 4,9). Damit aber stehen sie im Begriff, aus der Gnade herauszufallen, wenn sie es nicht bereits sind (Gal. 5,4). In dieser Situation verweist der Apostel sie auf die Anfänge, auf den Zeitpunkt ihrer Umkehr und Errettung aus der Sklaverei: Durch die Predigt des Paulus haben sie den Geist empfangen (Gal. 3,2.5), durch den Glauben an Jesus Christus sind sie zu Söhnen Gottes geworden (Gal. 3,26) und damit dem Gesetz als Zuchtmeister entnommen, aus seinem Sklavendienst losgekauft (Gal. 4,5). Weil sie in der Taufe Christus angezogen haben und damit ihm gehören, sind sie Erben der Verheißung (Gal. 3,27—29). In Gal. 4,1 ff. wird die bereits vorangehend aufgezeigte, mit dem Christusgeschehen eingetretene Wende der Zeit aufs neue entfaltet, und zwar anhand des Stichwortes κληρονομος. Der Einbezug in die neue, von Christus heraufgeführte Zeit (Gal. 4,4 f.) geschieht für den Christen durch Glauben und Taufe. Wenn die Galater in ihrer Situation an diese Wende erinnert werden, so liegt es deshalb nahe, daß ihnen das anfangs durch Glaube und Taufe Zuteilgewordene vor Augen geführt wird. Das aber ist — alles andere umfassend — eben der Geist, der in die Herzen der Glaubenden gesandt ist und αββα ο πατήρ ruft. Durch diesen Geist sind sie der Sklaverei unter Gesetz und Stoicheia entnommen. Deshalb schließt Paulus die Ausführungen konsequent ab: „So daß du (weil im Geistbesitz, wie der Abba-Ruf dokumentiert) nicht mehr Sklave bist, sondern Sohn; wenn aber Sohn, (dann) auch Erbe durch Gott" (Gal. 4,7) 8 . εν ταις καρδιαις ημων, κραζον · αββα ο πατήρ. 7 Auch Schlier (Gal. 200) deutet Gal. 4,4 f. von der Taufe her, will jedoch Gal. 4,6 stärker auf den Wandel der Glaubenden im Geist hin auslegen. Schlier sieht sich zu dieser Interpretation gedrängt, weil er οτι in Gal. 4,6 kausal bestimmt. In seiner Deutung kommt jedoch der gottesdienstliche Bezug der Aussage Gal. 4,6 ebensowenig zur Geltung wie bei Hermann (Kyrios 94 ff.), der Schlier weithin folgt. Das Motiv des Wandels wird von Schlier in den Text eingetragen. Zum Problem des οτι s. unten, S. 132 A. 11. Luz (Geschichtsverständnis 282; s. jetzt auch Siber, Mit Christus 136 f.) vermutet hinter Gal. 4,6b f. Tauftradition (ebd. und S. 374 als Frage, S. 308 als Behauptung), läßt jedoch bei der Begründung seiner Annahme die Taufe aus dem Spiel und konzentriert sich auf den Nachweis des traditionellen Charakters von V. 6b f. überhaupt. V. 7 bezieht er in die Tradition ein, weil der Schlußsatz „vom Duktus des ganzen Abschnittes her doch eigentlich lauten müßte: ,Weil du Sohn bist, bist du frei'" (ebd. 282). Luz übersieht dabei, daß Paulus nicht erst (und zwar angeblich, weil die Tradition V. 6b f. ihn dazu angeregt habe) in Gal. 3,29; 4,1 ff. das Thema „Erbe" anschneidet, sondern bereits in Gal. 3,18. Deshalb wird man V. 7 gerade vom Kontext her als paulinische Folgerung anzusehen haben. 8 κληρονομος, κληρονομιά, κληρονομειν sind bereits im antiken Judentum eschatologische Begriffe (Foerster, ThWb III, 779 ff.). Die Verbindung von Sohnschaft und Erbschaft der Glaubenden begegnet im N T nur bei Paulus. Foerster (ebd. 781) möchte sie, „die im A T und Spätjudentum im theologischen Gebrauch des Wor-

9*

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

In Rom. 8,14—17 n u n ist einerseits n u r ein Teil der A u s f ü h r u n g e n des Galaterbriefes aufgenommen, das Thema Geist—Sohnschaft—Erbe andererseits u m neue Aussagen erweitert. Der A u f w e i s des vorchristlichen Standes der Leser in Gal. 4,1—3 wird nur knapp in der negativen Feststellung Rom. 8 , 1 5 berührt: ου γαρ ελαβετε πνεύμα δουλείας πάλιν εις φοβον. Deren Sinn wird durch den Kontext bestimmt, πνεύμα δουλείας w ä r e ein Geist, der unter den νομος της αμαρτίας και του θανατου (Rom. 8,2) f ü h r t e und damit in die Furcht vor der Z u k u n f t angesichts des Todes 9 . W i r d das Wesen der christuslosen Zeit in Rom. 8,14—17 gegenüber Gal. 4,1—7 n u r kurz angedeutet, so fehlt das christologische Rekenntnis entgegen dem Galaterabschnitt an dieser Stelle; es ist bereits f r ü h e r genannt (Rom. 8,3) 1 0 . Über Gal. 4,1—7 hinaus wird in Rom. 8,14—17 die in Gal. 4,6 n u r m e h r knapp angedeutete Aussage, daß der Geist mit dem Abba-Ruf die Sohnschaft der Glaubenden kundmacht, breiter 1 1 ausgeführt: „Der Geist selbst betes fast ganz fehlte", auf die Christologie zurückführen (der Sohn als Erbe: Mk. 12,1—12; Hebr. 1,2). Sosehr dies auch theologisch zutrifft und historisch wahrscheinlich ist, gilt es jedoch das Urteil über das Judentum nicht zuletzt nach Entdeckung der Qumrantexte zu überprüfen. Vgl. 1QS XI, 7 f.: Gott hat den Erwählten „Anteil am Los (^"11J, κλήρος) der Heiligen (= Engel) gegeben und ihren Kreis mit den Söhnen des Himmels (= Gottes) verbunden" (s. auch 1QH III, 21—23); ferner Sap. Sal. 5,5: „Wie ward er (sc. der Gerechte) denn (nun) unter die Söhne Gottes gerechnet und hat ein Besitztum (κλήρος) unter den Heiligen?" (Ubers. Kautzsch). Zu fragen bleibt, ob hinter diesen verwandten Aussagen nicht eine Tradition steht, in der eschatologische Gottessohnschaft und Erbschaft (Erbanteil) bewußt miteinander verbunden waren. Diese Tradition könnte dann auch die paulinische Rede von Sohnschaft und Erbe beeinflußt haben. Zu 1QS XI, 7 f. vgl. im übrigen Kol. 1,12 (Apg. 20,32; 26,18) und dazu Lohse, Kol. 71. 9 Zur Bestimmung des Todes als Grund der Furcht in Rom. 8,15 vgl. Bornkamm, Tragödie 191. 10 Der Zusammenhang zwischen Rom. 8,3 und 8,14 ff., wie er durch Gal. 4,1 bis 7 angezeigt wird, kann andererseits als weiteres Indiz für die mehrfach hervorgehobene sachliche Geschlossenheit des ganzen Kapitels und die Fraglichkeit jeder schärferen Zäsurierung angesehen werden. Schweizer (ThWb VIII, 394) sieht aufgrund der geschlossenen Abfolge der Aussagen Rom. 8,3.14 ff. in Gal. 4,1—7 außerdem eine Entsprechung zwischen Gal. 4,6 und Rom. 8,4b—13. Doch werden damit beide Texte strapaziert. Gal. 4,6 deckt sich im wesentlichen mit Rom. 8,15b. Außerdem stimmen zwar die Bekenntnisse Rom. 8,3 und Gal. 4,4 f. darin überein, daß sie als einzige bei Paulus von der Sendung des Gottessohnes sprechen. In ihrer sprachlichen Gestalt unterscheiden sie sich jedoch im einzelnen bezeichnend voneinander. 11 Das Maß der Nähe zwischen Gal. 4,6 und Rom. 8,15 f. ist abhängig von der Interpretation des οτι in Gal. 4,6. Faßt man es kausal (so z.B. Schlier, Gal. 197; Hermann, Kyrios 94 ff.), so läßt sich nur aus der dann auf V. 6b zu beziehenden Folgerung V. 7 erschließen, daß Paulus auch in Gal. 4,6 auf den Abba-Ruf verweist, um der Sohnschaft zu vergewissern. Versteht man oti dagegen deklarativ („Daß ihr aber Söhne seid [ist offenbar, denn] — Gott hat. . ."; so ζ. B. Zahn, Gal. 204f.; J. Jeremias, Abba 66 mit A. 74), so ist Gal. 4,6 von vornherein auf jenes

4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in 8,14—17

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zeugt unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind" (Rom. 8,16)12. Die Aussage scheint Paulus deshalb an dieser Stelle von besonderer Wichtigkeit zu sein, eine Vermutung, die durch den asyndetischen Anschluß des Satzes gestützt wird, der „die Rede feierlicher und gewichtiger macht"13. Der wohl größte Unterschied zwischen Gal. 4,1—7 und Rom. 8,14—17 tritt jedoch bei einem Vergleich der Kettenschlüsse in Gal. 4,7 und Rom. 8,17 zutage. Der δουλος-Begriff aus Gal. 4,7 ist der zu Rom. 8,15 angeführten Beobachtung gemäß entfallen; die τέκνα / κληρονομοι θεου-Folge, in Gal. 4,7 in Form der υιός / κληρονομος-Folge Höhepunkt und Abschluß bildend, wird zum Mittelglied, das den Ubergang zu dem neuen Abschluß der Kette in Rom. 8,17 Ziel der Vergewisserung ausgerichtet. Eine befriedigende Entscheidung läßt sich kaum treffen. Hermann (a.a.O. 96 A. 55) macht den schwerwiegenden Einwand geltend, daß es „allen Grundsätzen der Auslegung (widerspricht), einen sprachlich eindeutigen Satz als Ellipse zu verstehen, wenn es sprachlich nicht gefordert ist". Seine Begründung dafür, daß οτι außerdem aus sachlichen Gründen kausal zu fassen sei, vermag jedoch nicht zu überzeugen: Auf S. 95 hält Hermann die Aussage über den Erhalt der Sohnschaft ohne das Pneuma bei Paulus für möglich, weil die Sohnschaft nach Gal. 3,26 durch den Glauben komme, auf S. 96 ist diese geistlose Sohnschaft identisch einerseits mit dem „in der Taufe objektiv gegebene(n) neue(n) Heilsstand", andererseits mit der von Christus erworbenen υιοθεσία als von ihm „gesetzte(r) Realität". Liegt bei kausaler Deutung eine Unterscheidung zwischen Sohnschaft im letztgenannten Sinne (durch Christus gesetzt) und Sohnschaft durch den Geist nahe, so erscheint die Art, in der Hermann Glaube und Geist sowie Taufe und Geist gegeneinander ausspielt, angesichts von Gal. 3,1 ff. als willkürlich. Ähnliches gilt von seiner Deutung von Rom. 8,16. Er sieht in diesem Vers eine Bestätigung der kausalen Fassung des οτι: „Wenn das Pneuma die Sohnschaft bezeugt, dann geht die Sohnschaft als das vom Pneuma bezeugte Faktum bereits voraus." (Ebd. 96.) So kann man nur folgern, wenn man nicht mitbedenkt, daß es der „Geist der Sohnschaft" (V. 15) ist, der Zeugnis ablegt, und daß nach V. 14 diejenigen Söhne Gottes sind, die von dem im nächsten Vers als „Geist der Sohnschaft" bestimmten Geist beherrscht werden. Stellen Rom. 8,15 f. weiterhin die kausale Deutung des οτι in Gal. 4,6 in Frage, so findet die deklarative Fassung nach wie vor an der sprachlichen Gestalt des Satzes ihre Grenze. 12 Gal. 4,6; Rom. 8,15 f. entsprechen im übrigen l.Kor. 12,3: Wie niemand κύριος Ιησούς bekennen kann außer im heiligen Geist, so kann niemand Gott als Vater anrufen außer im Geist der Sohnschaft. 13 Blaß-Debrunner § 462,2. Diese selbst wollen Rom. 8,16 freilich als Beispiel für asyndetische Anfügung neuer Abschnitte verstanden wissen (§ 463). Ihre Deutung scheitert jedoch an der engen sachlichen Verknüpfung des Satzes mit dem vorangehenden, die schon früh von Codex D sachgemäß durch die Ergänzung ωστε zum Ausdruck gebracht ist. Die durch den Vergleich mit Gal. 4 und in Rom. 8,16 selbst durch das Asyndeton markierte Gewichtigkeit der Aussage bekräftigt die Vermutung, daß der Vers ein Gegengewicht zu Rom. 8,26 bilden soll. Vgl. oben, S. 94 f. Die von J.Jeremias (Abba 66 Α. 75; vgl. schon Westcott-Hort h) für Rom. 8,15b.l6 vorgeschlagene Interpunktion (Punkt nach υιοθεσίας, Komma nach πατήρ), ist nicht nur angesichts der Stellung von κραζον in Gal. 4,6 unwahrscheinlich, sondern hat auch gegen sich, daß das mit vorangestelltem αυτός versehene Nomen gerade jeweils zu Beginn eines Satzes steht (vgl. die Beispiele oben, S. 87).

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

herstellt: συγκληρονομοι δε Χρίστου, ειπερ συμπασχομεν ινα και συνδοξασθωμεν. Diese Rom. 8,17 abschließende Wendung gibt sich damit vom Vergleich mit Gal. 4,7 her als das Ziel der paulinischen Darlegung in Rom. 8,14—17 zu erkennen und wird entsprechend bei der folgenden Interpretation von Rom. 8,14—17 im Mittelpunkt stehen müssen. Der Zusammenhang des Galaterbriefes gibt Aufschluß darüber, warum sich der Apostel in Gal. 4,1—7 im Unterschied zu Rom. 8 mit der Feststellung begnügt, daß die Glaubenden Erben Gottes sind. Denn in jenem Schreiben hat sich Paulus mit der These auseinanderzusetzen, daß die Erlangung des Erbes an das Gesetz gebunden sei (Gal. 3,18). Darum ist sein Ziel, diese These zu entkräften, mit dem Aufweis erreicht, daß die Glaubenden als Pneumatiker Söhne Gottes und damit der Erbschaft teilhaftig sind 14 . c) Sinn und Funktion von Rom. 8,14—17 Der Vergleich mit Gal. 4,1—7 hat nicht nur auf die besonderen Aussagen von Rom. 8,14—17 aufmerksam gemacht, sondern erweist durch den Hinweis auf die Zusammengehörigkeit der Themen „Geist, Sohnschaft, Erbschaft" erneut das Recht der These, daß zwischen Rom. 8,13 und Rom. 8,14 ein Einschnitt vorzunehmen ist. Andererseits kommt die im vorangehenden immer wieder betonte Zusammengehörigkeit aller in Rom. 8,1—30 abgegrenzten Abschnitte im Hinblick auf V. 14—17 durch den begründenden Anschluß von V. 14 (γαρ) an V. 13 zum Ausdruck. Diese Funktion von V. 14 als Begründung von V. 13 ist für die Interpretation deshalb von Bedeutimg, weil V. 13 ansatzweise erkennen läßt, warum Paulus den Begriff υιοι •θεου aufgreift und in Richtung auf welche Frage er ihn zu deuten beabsichtigt. Der Todesdrohung für das Leben κατα σαρκα in V. 13a stellt Paulus in V. 13b die Verheißung gegenüber: „Wenn ihr durch den Geist die Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben." In V. 14 zeigt er, warum aus jener Prämisse die Verheißung der ζωη folgt. Diejenigen, die sich vom Geist beherrschen lassen, die von ihm angetrieben werden, sind Söhne Gottes. Das verheißene Heilsgut des eschatologischen Lebens wird mit der als gegenwärtig behaupteten Gottessohnschaft der Pneumatiker begründet 15 . Die Pneumatiker sind Söhne Gottes, und als solche werden sie leben. Diese Aussage ist freilich ebenso problema14 Implizit ist der Gedanke der Miterbschaft mit Christus freilich auch in Gal. enthalten. Denn sofern Christus „Same Ahrahams" und als solcher „Erbe" und die Christen εις εν Χριστώ sind, sind sie sowohl Erben als auch Miterben Christi. ls Zur Funktion von V. 14 als Begründung der Verheißung ζησεσθε vgl. B. Weiß, Rom. 353 und bes. Kuß, Rom. II, 600 f.

4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in 8,14—17

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tisch wie ungeeignet, den Gedankengang abzuschließen. Denn wie reimen sich die Zeiten zusammen: daß die Pneumatiker Söhne Gottes sind, aber leben werden? Kann von Gottessohnschaft da die Rede sein, wo das Leben aussteht und also der Tod vor Augen ist? Die Antwort bahnt Paulus in den folgenden Versen an. Zunächst begründet er die behauptete Gottessohnschaft der Pneumatiker. Sie beruht auf dem Wesen des empfangenen Geistes selbst. Er ist ein Geist, der Sohnschaft bewirkt16, und gibt sich als solcher durch den Abba-Ruf zu erkennen, der Äußerung eben dieses Geistes ist (Rom. 8,15). Der Geist bezeugt durch diesen Ruf „unserem Geist", d. h. den Christen, daß sie Kinder Gottes sind (Rom. 8,16)17. Mit dieser Feststellung οτι εσμεν τέκνα θεου ist Paulus zu der Behauptung von V. 14 zurückgekehrt (ούτοι υιοι εισιν θεου). Wie die Fortsetzung V. 17a zeigt, in voller Absicht und mit dem Ziel, eben jene Frage nach dem Verhältnis von Sohnschaft und eschatologischem Heil wiederaufzugreifen: ει δε τέκνα, και κληρονομοι. In V. 17b folgt die Interpretation der Erbschaft der Christen. Als Söhne bzw. Kinder Gottes sind sie zwar dessen Erben, „jedoch Miterben Christi, wenn es denn so ist18: wir leiden mit, damit wir auch mitverherrlicht werden". Erst hier, in dem bereits beim Vergleich mit Gal. 4,1—7 herausgehobenen Satz über die Miterbschaft, kommt die Lösung jener Spannung zwischen V. 13 und V. 14 in den Blick: Die Christen sind Söhne Gottes und als sol16

Zur Einsetzung in die Sohnschaft durch den Geist s. ζ. B. Zahn, Rom. 394 und Kuß, Rom. II, 601. Zu vergleichen ist Mk. 1,9—11: Nachdem der Geist auf Jesus herabgekommen ist, heißt es: „Du bist mein lieber Sohn . ..". 17 συμμαρτυρειν kommt hier die Bedeutung „bezeugen" zu, nicht „bestätigen" (Strathmann, T h W b IV, 516). το πνεύμα ημων h a t „formalen Sinn" (Conzelmann, Theol. NT 202), ließe sich also durch ημείς ersetzen. Paulus meint damit zwar die Christen, ohne jedoch auf eine spezielle Voraussetzung pneumatischer Art abzuheben, an die das Zeugnis des Geistes gebunden wäre. 18 Zu dieser Übersetzung von ειπερ vgl. die Bestimmung von Blaß-Debrunner § 454,2: ειπερ nimmt bei Paulus „auf eine anderweitige Bedingung (Tatsache) Bezug". Vgl. ferner das (ebd. § 371) zu ει mit Indikativ der Wirklichkeit Gesagte: „Im N T . . . vorwiegend in der Beziehung auf eine vorliegende oder behauptete Wirklichkeit gebraucht." Zu Rom. 8,17 s. bereits Kühl, Rom. 288: ειπερ „führt keine Bedingung ein (Lipsius), auch nicht in der abgemilderten Form, daß es zur Selbstprüfung auffordere (Weiß). Das συμπασχειν ist eine bereits feststehende Tatsache". Auch wenn m a n den letzten Satz vielleicht dahingehend einschränken muß, daß das Mitleiden zumindest nach Auffassung des Paulus „feststehende Tatsache" ist, also als solche behauptet wird, bleibt die Abgrenzung Kühls zutreffend. Vgl. auch Lietzmann, Rom. 84: „wenn, wie es doch feststeht"; Schlier, Das, worauf 599: „wenn anders (wie es der Fall ist)". Die paränetische Interpretation von Rom. 8,17c (Kuß, Rom. II, 607; vgl. auch Fuchs, Freiheit 107; Käsemann, Rom. 219), beruht auf der Verkennung der Funktion von V. 17b (συγκληρονομοι δε). Vgl. Α. 19. Zur Kritik der paränetischen Deutung s. auch Siber, Mit Christus 139 mit A. 134.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

che (doch erst) Anwärter auf das Leben, weil ihre Anteilhabe am Eschaton Miterbschaft mit Jesus Christus ist19. Für diese Behauptung, daß Gotteserbschaft einzig und allein Miterbschaft mit Christus ist, beruft Paulus sich auf einen vorliegenden Tatbestand20: das im Dienst der Mitverherrlichung stehende Mitleiden der Christen. Indem er auf diesen Sachverhalt verweist, bestimmt er zum einen, was es beinhaltet, Miterbe Christi zu sein, nämlich als Mitleidender Anwartschaft auf die Mitverherrlichung zu haben. Zum anderen deutet er an, in welcher Situation die Gottessöhne stehen, daß sie nämlich dem Leiden ausgesetzt sind. Nach dem Gefälle der Ausführungen in Rom. 8,(13)14—17 wird diese Situation nicht erst in V. 18 ff. bedacht, zu welchem Komplex 19

Kuß (Rom. II, 600 f.) sagt: „Die Argumentation sucht ihren Weg von dem ,ihr werdet ewiges Leben besitzen' des V. 13b zu den diese Aussage stützenden Begriffen ,Erben', ,Miterben', ,mitverherrlicht werden' des V. 17; die Vermittelung geschieht durch die Begriffe ,Söhne Gottes', ,Kinder Gottes'". Er ist damit einer der wenigen, die überhaupt erkannt haben, daß V. 14 ff. auf Y. 17 hinführen, also von diesem Vers unabtrennbar sind. Doch bewegt sich seine Beschreibung des Zusammenhangs zu stark im Formalen und bekommt den springenden Punkt in Rom. 8,14—17 nicht in den Blick. Denn der Gedankengang zielt nicht auf die Schlußfolgerung V. 17a ab (ει δε τέκνα, και κληρονομοι; so Kuß, Rom II, 606), sondern auf die durch die Korrelation μεν — 8ε aufs deutlichste abgehobene Zuspitzung συγκληρονομοι δε Χρίστου. Dies kann freilich dann nicht zur Geltung kommen, wenn man, wie es in den Kommentaren fast durchweg der Fall ist, diese Korrelation bereits in der Übersetzung entweder überhaupt nicht oder nur unvollständig berücksichtigt und die Bezeichnungen „Erben Gottes", „Miterben Christi" einfach aneinanderreiht. Vgl. Lietzmann, Rom. 84: „und zwar (I) Erben Gottes und (!) Miterben Christi" (ebenso Althaus, Rom. 90; Michel, Rom. 194); Kuß, Rom. II, 596: „nämlich Erben Gottes und Miterben Christi" (ebenso Käsemann, Rom. 215); Godet, Rom. II, 97: „Gottes Erben und Miterben Christi" (ebenso Leenhardt, Rom. 122; Barrett, Rom. 160; Bruce, Rom. 167; Schmidt, Rom. 134, der V. 17a ganz entfallen läßt); Haering, Rom. 76: „Erben Gottes, Miterben Christi" (ebenso Krüger, Rom. 103; Lagrange, Rom. 203); Lipsius, Rom. 136: „Erben Gottes, Miterben aber Christi" (ebenso Sickenberger, Rom. 240); Zahn, Rom. 398: „nämlich (!) Erben Gottes, Miterben aber Christi". Zutreffend übersetzt nur Gaugier, Rom. 291: „Erben Gottes zwar, Miterben aber Christi." Er bringt jedoch die adversative Konjunktion in der Auslegung ebensowenig zum Ausdruck wie Jülicher die sachgemäße Paraphrase „Erben Gottes, das heißt Miterben Christi" (Rom. 282). Ein Ansatz dazu findet sich lediglich bei Barrett (Rom. 164, trotz seiner zuvor zitierten unzureichenden Übersetzung): „We are not God's heirs in our own right but only as ,joint-heirs with Christ'." Doch wertet er diese Beobachtung nicht weiter für die Frage nach dem Verhältnis von V. 17 zum Kontext aus. Der adversative Anschluß von Rom. 8,17b verwehrt im übrigen eine paränetische Interpretation des Bedingungssatzes V. 17c. Die in keiner Weise vorbereitete Bezeichnung der Glaubenden als „Miterben Christi" bedarf des Verweises auf die Voraussetzung, von der her Paulus zu dieser Interpretation der Erbschaft der Pneumatiker kommt. 20

Vgl. oben, S. 135 A. 18.

4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in 8,14—17

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V. 17c (ειπερ κτλ.) dann die Überleitung bildete 2 1 , sondern auf sie h i n sind bereits die Aussagen in V. 14—17 konzipiert. Denn jene Diskrepanz zwischen den Zeiten, die mit den Aussagen erkennbar wird, daß die Pneumatiker Söhne und Erben Gottes sind, aber leben werden, hat negativ in eben jenem Phänomen des Leidens als Erscheinungsf o r m des Todes ihren Grund. Paulus läßt dies freilich in Rom. 8 , 1 4 bis 1 7 n u r indirekt erkennen. D e n n er selbst begegnet der Wirklichkeit des Leidens, die die Behauptung der Gegenwart des Heils zunichte zu machen scheint, indem er sie theologisch aufarbeitet: Er bestärkt die Christen durch den Verweis auf die Bedeutung des AbbaRufes in ihrer Gewißheit, Gottes Söhne und Erben zu sein. D a n n aber interpretiert er die Erbschaft als Miterbschaft mit Christus und weist f ü r diese Auslegung auf das Leiden als allemal bestehendes heilvolles Geschehen hin. Es zielt als Mitleiden auf die Mitverherrlichung ab 22 . V. 14—17 gehören deshalb untrennbar zur paulinischen Erörterung der Frage nach dem Heil im Angesicht des Leidens als Eröffn u n g dieser Erörterung hinzu.

21 So die allgemein übliche Bestimmung. Sie ist zuletzt von Balz (Heilsvertrauen) vertreten worden. Er charakterisiert V. 14—17 durch die lapidare Feststellung: „Wo der Geist am Werk ist, da ist die Sünde wirkungslos (8,14—17)" (ebd. 32) und sieht in V. 18 die Überschrift für das Folgende, die „die letzte der Konsequenzen von V. 17" aufnehme. Formal würden damit „die Thesen von V. 17c. 18" in V. 19 ff. entfaltet, inhaltlich die These V. 18 (ebd. 33; vgl. hierzu auch unten, S. 142 A. 35). Ähnlich Luz, Geschichtsverständnis 377: V. 18 führe V. 17c weiter und sei das Thema des ganzen folgenden Abschnittes. In der von V. 18 her unternommenen Gliederung von V. 19 ff. unterscheiden sich beide dann allerdings. Vgl. zu Luz oben, S. 79 A. 11, zu Balz unten, a.a.O. und S. 138 A. 23. 22 Daß Rom. 8,14—17 auf den Widerspruch gegen die Behauptung der Heilsgegenwart hin entworfen ist, den das Leiden bedeutet, hat zutreffend Lietzmann (Rom. 83) erkannt, wenn er sagt, Paulus wende sich in V. 15 f. „gegen den Einwurf des zweifelnden Christen: ,Ich merke nichts davon, daß ich ,Sohn Gottes' geworden sein soll, denn ich lebe nach wie vor in Leid und Trübsal'". Er trägt jedoch einen V. 14—17 fremden Aspekt ein, wenn er fortfährt: „,und ob ich den Geist auch wirklich habe, ist mir sehr zweifelhaft, denn nach deiner (Pis') Theorie müßte ich ja dann mit Leichtigkeit jede Sünde meiden, was mir nicht gelingt.'" Den Einwurf wird man im übrigen als einen gedachten Einwand anzusehen haben, nicht als tatsächlich vorgebrachten, etwa im Sinne einer Anfrage aus Rom. Zutreffend Fuchs, Freiheit 107: „Der mögliche Einwand liegt auf der Hand: das Leiden und die mit ihm verbundene Bedrohung der Existenz." Vgl. auch Kuß, Rom. II, 608: Paulus hat den „Zwiespalt aufzuklären, der sich aus dem Nebeneinander von Geistbesitz und unveränderten, ja verschärften Leiden, so wie sie diesem Äon eigentümlich sind, notwendig ergibt". Gerade weil aber V. 14 ff. in diesem Sinne zur paulinischen „Aufklärung" gehören, ist die paränetische Deutung von V. 17c durch Fuchs und Kuß (s. oben, S. 135 A. 18) abwegig und wird „der glaubende Mensch mit seinen Zweifeln und Fragen" auch nicht erst von V. 18 an zum Thema (gegen Balz, Heilsvertrauen 95).

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

Rom. 8,17b (συγκληρονομοι κτλ.) bilden somit den Zielpunkt der Ausführungen in Rom. 8,14—17. Mit dem Bedingungssatz Y. 17c nennt Paulus nun zwar die Voraussetzung, von der her er die Glaubenden Miterben Christi nennt. Aber diese Voraussetzung ist weniger entfaltet, als vielmehr in Form einer Bedingung angeführt. Diese Bedingung bedarf durchaus einer Begründung, und wie das γαρ sowie die Aufnahme der Begriffe συμπασχειν und συνδοξαζεσθαι durch παθήματα und δοξα zeigen, erhält sie diese Begründung zumindest formal auch mit V. 18. Diese Beobachtung, daß V. 18 begründend an V. 17c (ειπερ κτλ.) anschließt, kann als erster Hinweis darauf gelten, daß gegenüber der gängigen Bestimmung von V. 18 als Thema der folgenden Ausführungen Zurückhaltung geboten ist. Mehr noch bestärken hierin eine Reihe von Beobachtungen zu jenem Bedingungssatz. Die Aussage enthält zwei Aspekte. Der eine kommt in der Präposition συν- zum Ausdruck, die — συγκληρονομοι entsprechend — die Christusgebundenheit von Leiden und Verherrlichtwerden festhält. Der zweite besteht im Aufweis der eschatologischen Finalität des Mitleidens. Die Durchsicht der folgenden Ausführungen lehrt, daß dei durch die Präposition angezeigte Aspekt erneut ausdrücklich in dem Abschnitt Rom. 8,28—30 (V. 29: συμμορφος) zur Geltung gebracht wird 23 . Dies läßt vermuten, daß das Zwischenstück Rom. 8,18—27 stärker der Explikation des zweiten Aspekts der Aussage V. 17 dienen soll, der eschatologischen Finalität des Mitleidens. Auf die Sachgemäßheit dieser Annahme deutet einmal, daß Paulus in dem begründenden V. 18 allgemeiner von Leiden und Herrlichkeit spricht, zum anderen, daß sich von dieser Annahme aus erklärt, warum er die in Rom. 8,18—27 verarbeitete Vorlage aufgegriffen hat. Denn zu deren bestimmenden Kennzeichen gehörte die Deutung des Seufzens als Anzeichen für die Ausrichtung auf eine heilvolle Zukunft. Sie bot Pau23

Mit dem Stichwort συμμορφος (V. 29) wird also nicht V. 18, sondern V. 17b aufgenommen. Dies ist gegen Balz (Heilsvertrauen 93) festzuhalten, der urteilt: „Ziehen die Leiden in V. 17 die Verherrlichung notwendig nach sich, so wird das Verhältnis der Leiden zur zukünftigen Herrlichkeit in V. 18 zum eigentlichen Thema. Auf dieses Thema (sc. V. 18!) greift Paulus in V. 28 ff. zurück (vgl. συμμορφος V. 29)." Deutlicher als in diesem fraglichen Bezug von V. 29 können die Schwierigkeiten nicht zutage treten, die sich ergeben, wenn man V. 18 zum Thema der folgenden Ausführungen macht. Balz selbst scheint diese Schwierigkeiten empfunden zu haben, wenn er an anderer Stelle (ebd. 34) überraschend sagt: „Damit (sc. mit V. 28—30) ist die eschatologische Heilszusage von V. 17b. 18 (!) in einer fundamentalen theologischen Aussage aufgenommen." Vgl. zu Balz' Deutung von V. 18 bes. unten, S. 142 A. 35. Auch Schlier (Das, worauf 599) verkennt den Zusammenhang zwischen V. 17b und V. 29, wenn er V. 18 als Einsatzpunkt für das Folgende bestimmt und dies damit begründet, Paulus wolle „jetzt nicht bei dem (sc. V. 17b genannten) Zusammenhang von Leiden und Glorie verweilen". Vgl. jedoch richtig schon Philippi, Rom. 355.

4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in 8,14—17

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lus damit vorzügliche Gelegenheit, eben jenen Zusammenhang von Leiden u n d Herrlichkeit zu exemplifizieren. Und nach seiner redaktionellen Arbeit geurteilt, hat er sie auch nach Kräften genutzt 24 . Gerade der Tatbestand aber, daß Paulus die Vorlage bearbeitet hat, gem a h n t andererseits zur Zurückhaltung gegenüber einer strengen H a n d h a b u n g jener beiden Aspekte als Gliederungsprinzipien. Weil es ihm u m beide Aspekte geht, wird jeweils zu fragen sein, ob und inwieweit möglicherweise der eine Aspekt bei der Entfaltung des anderen mitbedacht ist. In dieser Weise gilt es exegetisch wahrzumachen, daß die folgenden Ausführungen E n t f a l t u n g des Satzes V. 17c als ganzen sind: (ειπερ) συμπασχομεν ινα και συνδοξασθωμεν25. Mit diesem Satz bezeichnet Paulus in V. 17 die Voraussetzung, von der her er die Glaubenden Miterben Christi nennt. Auf ihre Miterbschaft als Ziel der Gleichgestaltung kommt er in V. 29 wieder zurück. M a n wird deshalb als Thema des ganzen Abschnittes Rom. 8, 14—30 formulieren können: Die vom Geist bestimmten Gottessöhne sind Miterben Christi. Literarisch gesehen ist damit nicht V. 18 die These, die im folgenden expliziert wird, sondern V. 17b: συγκληρονομοι δε Χρίστου, ειπερ συμπασχομεν ινα και συνδοξασ&ωμεν. Welche Bedeutung kommt dann aber V. 18 zu? d) Rom. 8,18 im Verhältnis zu 8,14-17

und

8,19-30

Bei der Diskussion dieser Frage sind folgende Voraussetzungen zu beachten: Erstens hat Paulus das Thema des Abschnittes Rom. 8,14 bis 30 in V. 17b genannt, u n d zweitens greift er in V. 19 ff. eine umfangreichere Uberlieferung auf, in welcher der Aufweis des Zusammenhangs zwischen Seufzen und Erwartung eine herausragende Rolle spielt. Von diesen beiden Voraussetzungen her kommt V. 18 literarisch gesehen die Funktion einer Überleitung zu, die das Thema u n d seine mittels jener Überlieferung unternommene Ausführung miteinander verbindet. Weitere Beobachtungen zu Rom. 8,18 selbst erhär24

Vgl. unten, S. 141 f. 143 f. 263 ff. Dies ist richtig erkannt und thetisch vertreten von Viard, Expectation 337; Tannehill, Dying 110; Fischer, Leiden 32. Gibbs (Creation 37 f.) zeigt über die Genannten hinaus in einer knappen Skizze auf, daß Rom. 8, 18—39 „provides evidence that suffering with Christ results in glorification with him" (ebd. 39). Er kommt zu dieser grundsätzlich zutreffenden Charakteristik dadurch, daß er V. 18 kommentarlos übergeht. Darin liegt zugleich die Grenze seiner Ausführungen. Vgl. zur Problematik dieses Verses das Folgende und zu Gibbs' zitierter Charakteristik unten, S. 270 A. 32. Richtig wird V. 17c jetzt auch von Siber (Mit Christus 142) als Schlüssel für die Interpretation des folgenden Abschnittes betrachtet. Hart daneben steht freilich das Urteil (ebd. 158), daß die „grundsätzliche Aussage von V. 18 . . . im folgenden im einzelnen spezifiziert" werde. Vgl. dazu unten, A. 29. 25

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

ten, daß der Vers mit dieser Bestimmung grundsätzlich zutreffend erfaßt ist. In V. 19 ff. wird der Zusammenhang zwischen Seufzen und Erwartung nicht gleich an den Pneumatikern selbst exemplifiziert, sondern an der außermenschlichen Schöpfung. Deshalb spricht Paulus in V. 18 nicht mehr von συμπασχειν und συνδοξαζεσθαι, sondern von τα παθήματα (του νυν καιρού) und η (μέλλουσα) δοξα. Durch die generalisierende Rede von παθήματα und δοξα ist die Brücke zu den nachfolgenden Aussagen V. 19 ff. ebenso geschlagen wie durch die Zusätze του νυν καιρού und εις ημας der Zusammenhang mit den συν-Aussagen von V. 17c gewahrt 26 . Auffällig ist sodann die Aussage, daß die Herrlichkeit offenbart werden soll. Kann auch — schon allein aufgrund der Konstruktion 27 — kein Zweifel daran bestehen, daß V. 18 auf Paulus zurückgeht, so spricht der Apostel doch sonst nirgends mehr in dieser Weise vom Vollendungsgeschehen als Enthüllung 28 . Die Frage, warum er gerade in Rom. 8,18 diese Redeweise gebraucht, findet ihre Antwort durch einen Blick auf V. 19. Hier, in dem ersten Satz der von Paulus aufgegriffenen Überlieferung, ist eben jene Vorstellung angesprochen, daß das Endgeschehen αποκαλυψις των υιων του θεού ist. Die Verwendung dieser Anschauung durch Paulus in V. 18 erklärt sich deshalb aufs beste durch die Annahme, daß der Apostel sie übernimmt, u m den Einbezug jener traditionellen Aussagen in seine Argumentation vorzubereiten. In welchem sachlichen Verhältnis steht nun V. 18 zu den vorangehenden und nachfolgenden Sätzen? Als Begründung für V. 17c läßt 26 ο νυν καιρός wird z. T. als Bezeichnung des gegenwärtigen Äons im Gegensatz zum kommenden verstanden (so z.B. Sasse, ThWb I, 206; Conzelmann, Theol. NT 309). Die Wendung wird jedoch hier (wie eindeutig in den übrigen Stellen bei Paulus: Rom. 3,26; 11,5; 2.Kor. 8,14) eher „die Gegenwart als eschatologisch qualifizierte Zeit" kennzeichnen (Harnisch, Verhängnis 97 A. 4; ebd. weitere Lit.). Es ist die durch Jesus Christus eröffnete Zeit, in der allererst ein συμπασχειν möglich ist. Von diesem (wenn auch impliziten) Zusammenhang mit der συν ΧριστωVorstellung ist der Deutung auf die messianischen Wehen (so z.B. Michel, Rom. 201; Vögtle, Kosmos 189. 197 ff.) zu widersprechen. Diese Interpretation entfällt allerdings auch dann, wenn man mit ο νυν καιρός „diesen Äon" umschrieben sieht. Vgl. oben, S. 98 A. 65. Auch η μέλλουσα δοξα ist durch den Kontext (vgl. V. 17b. 29) christologisch bestimmt als die Herrlichkeit, die den Christen in der Gemeinschaft mit Jesus Christus zuteil werden wird. Durch μέλλουσα wird die Doxa im übrigen weder als nahe noch als gewiß, sondern als zukünftig definiert. So richtig Philippi, Rom. 360. Vgl. Gal. 3,23 und oben, S. 92 A. 52. 27 Siehe oben, a.a.O. 28 Michel (Rom. 201) weiß deshalb als Parallele nur auf syr. Bar. 4,1—7 zu verweisen. Immerhin begegnet die in der Aussage von Rom. 8,18 enthaltene Vorstellung, daß das Erhoffte im Himmel bereitliegt, bei Paulus noch 2.Kor. 5,1 f. — bezeichnenderweise allerdings in von ihm übernommener Überlieferung (s. oben, S. 104 ff.).

4. Die Verarbeitung traditioneller Elemente in 8,14—17

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sich Y. 18 in strengem Sinne nur formal verstehen. Denn wenn er auch mit γαρ anschließt und wie V. 17c das Verhältnis von Leiden und Herrlichkeit behandelt, so trägt die Bestimmung dieses Verhältnisses jeweils einen anderen Akzent. In V. 17c geht es um das „Daß" der eschatologischen Finalität des Mitleidens, in V. 18 um die in negativer Form festgestellte qualitative Ubermacht 29 der Doxa über die Leiden. Eine stringente Abfolge zwischen V. 17c und V. 18 ist nur durch folgende, aus der Negation ουκ αξία erschließbare30 Annahme zu gewinnen: Der Apostel hat bei der Formulierung von V. 18 die Möglichkeit vor Augen, daß der „Zusammenhang zwischen Leiden und Herrlichkeit . . . schließlich immer noch als Einwand gegen die Macht und Wirksamkeit des heilschaffenden Handelns Gottes ins Feld geführt werden (könnte),, wenn es sich etwa um ein Gleichgewicht handelte" 31 . Diesem möglichen Einwand wird durch V. 18 begegnet. Wie V. 18 an V. 17c ist V. 19 wiederum an V. 18 kausal angeschlossen. Demnach müßte V. 19 und der durch diesen Vers eingeleitete Abschnitt über die Schöpfung als Begründung für die in V. 18 ausgesprochene Uberzeugimg angesehen werden. Wie bereits früher vermerkt, läßt sich V. 19 auch durchaus in diesem Sinne auffassen. Die Sehnsucht der Schöpfung nach der Offenbarung der Söhne Gottes dokumentiert die Größe der Herrlichkeit, die diesen zuteil werden wird. Mehr als dieser erste Satz des Zusammenhangs V. 19—22 läßt sich aber auch nicht als Begründung für V. 18 in Anspruch nehmen. Denn im folgenden gewinnen die Ausführungen über die Schöpfung ein eigenes Gefälle. Sie gipfeln in dem Hinweis, daß sich in dem Seufzen der Schöpfung einerseits ihr Unterworfensein unter die Vergänglichkeit, andererseits ihre Erwartimg der Doxa-Freiheit der Kinder Gottes bekundet, das Seufzen also Indiz für die Ausrichtung der Schöpfung auf die Zukunft ist. Erinnert bereits dieser Aufweis des 29 Siehe oben, S. 92. Dies Gefälle der Aussagen wird von Siber (Mit Christus 158) nicht erfaßt, wenn er den Satz dahingehend zusammenfaßt: „Die gegenwärtige Zeit wäre keine von Jesus betroffene und in die Hoffnung gestellte Zeit, wenn sie nicht um des Kreuzes Jesu willen als Zeit der Leiden zur Sprache käme." Denn so ließe sich ζ. B. auch V. 17c zur Sprache bringen. 30 Dies zeigt besonders ein Vergleich mit 2.Kor. 4,17, wo dieselbe Aussage positiv formuliert ist. Sie wäre als Begründimg von Rom. 8,17c viel adäquater gewesen. Deshalb wird man der Negation einiges Gewicht beimessen müssen. 31 Kuß, Rom. II, 621. Auch Balz (Heilsvertrauen 33) rechnet im Hinblick auf V. 18 mit einem unausgesprochenen Einwand, und zwar folgender Art: „Welchen Sinn hat es, von der künftigen Herrlichkeit der Glaubenden zu reden, w.o sie doch in ihrer jetzigen Existenz unter den Bedingungen einer heillosen Existenz zu leiden haben?" Doch hat Balz diese Frage aus einer nicht haltbaren Deutung von V. 18 gewonnen. Vgl. unten, S. 142 A. 35. Es geht in V. 18 nicht um die Möglichkeit der Rede von . . . , sondern um das Verhältnis der Wirklichkeiten Leiden und Herrlichkeit, wie Kuß richtig gesehen hat.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—50

Zusammenhangs von Seufzen und Erwartung an den von Paulus in V. 17c zwischen Leiden und Herrlichkeit genannten, so gewinnen V. 19—22 vollends durch das paulinische Interpretament εφ5 ελπιδι (διότι) in V. 20 den Charakter eines Beispiels für die Behauptung von Y. 17c. Denn die Aussage, daß die Schöpfung „auf Hoffnung hin" unterworfen ist, bedeutet ja nichts anderes, als daß sie in dieser Lage ist, damit sie an der Doxa-Freiheit teilhat — so wie die Pneumatiker mitleiden, damit sie auch mitverherrlicht werden32. Die genannten Beobachtungen zum Verhältnis von V. 17c zu V. 18 und von V. 18 zu V. 19—22 bestätigen, daß V. 18 die Aufgabe einer Uberleitung hat, die zwischen Thema und (redigierter) Tradition vermitteln soll. Der Sinn dieser Überleitung wurde bereits angezeigt: Sie betont den Heilscharakter jener Ausrichtung des Leidens auf die Herrlichkeit, indem sie mit Nachdruck deren Ubergewicht betont. V. 18 entspricht damit inhaltlich V. 15—17 in dem Abschnitt Rom. 5,12 bis 21: Wie in Rom. 5,15—1733 der Aufweis der Entsprechung Adam—Jesus Christus durch die Feststellung der Überlegenheit der Tat Christi unterbrochen wird, so in Rom. 8,18 der Rekurs auf den Zusammenhang von Leiden und Herrlichkeit durch die Vergewisserung der Ubermacht der Doxa. Wie sich von Rom. 5,15—17 sagen läßt, daß diese Verse bei dem ganzen Abschnitt 5,12—21 mitzuhören sind, so läßt sich auch Rom. 8,18 als grundsätzliche Erklärung verstehen, die Paulus zu Beginn der Entfaltung des in V. 17c genannten Themas abgibt und die deshalb im Hintergrund aller Aussagen von Rom. 8,14—30 steht34. Der Vers beinhaltet jedoch nicht die These, die Paulus in diesem Abschnitt oder auch nur in V. 19—27 beweisen will35. 32 Vgl. auch Gibbs, Creation 37: „the objectivity or reality of the movement from suffering to glory in the heirs who are led by the Spirit is attested by the objectivity and realitiy of the movement from suffering to glory in all creation. The subjection of creation to futilitiy was done ,in hope', thus indicating the work of a redemptive purpose in the creation." Zum Zusammenhang zwischen V. 17b und V. 23 ff. s. den nächsten Abschnitt und unten, S. 266 ff. 33 Auf diese Parallele verweist Michel, Rom. 201. 94 Rom. 5,15—17 und 8,18 entsprechen sich auch darin, daß beide Stellen christologisch qualifiziert sind. Vgl. zu 5,15—17 unten, S. 168 ff., zu 8,18 oben, S. 140 mit A. 26. 35 Bezeichnenderweise wird die hier vorgelegte Bestimmung des Verhältnisses von V. 17b als Thema, V. 18 als vermittelnde Uberleitung und V. 19 ff. als Explikation gerade durch die Untersuchung bestätigt, in der zuletzt mit Nachdruck die Interpretation von V. 18 als These für die folgenden Ausführungen vertreten worden ist. So sagt Balz (Heilsvertrauen 101) zwar etwas überspitzt, aber grundsätzlich völlig mit Recht: „Ginge es (sc. in V. 18) nur um die unermeßliche Größe und Bedeutung der künftigen Herrlichkeit, dann wären die angeschlossenen Gedankengänge funktionslos, denn zur Stützung dieser These hätten sie nichts beizutragen." Balz zieht daraus die Konsequenz, daß es in V. 18 deshalb nicht um

5. Zur paulinischen Redaktion in 8,14—30

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j. Zur paulinischen Redaktion in Rom. 8,14—30 Paulus hält in Rom. 8,14—30 das Thema durch, das er im gesamten 8. Kapitel des Römerbriefes behandelt: die Frage nach der Wirklichkeit des Heils im Angesicht von Leiden und Tod. In 8,14—30 erörtert er das Thema, indem er die Frage nach der Doxa der Söhne Gottes angesichts des Leidens aufnimmt. Er zeigt gleich zu Beginn des Abschnittes die Richtung, in der er die Lösung dieses Problems sieht, indem er die Erbschaft der Söhne Gottes als Miterbschaft mit Christus definiert -(V. 17). Gegen Ende des Abschnittes Rom. 8,14—30 kehrt er zu diesem Vorstellungskomplex zurück. Mittels einer traditionellen Formel bestimmt er die Sohnschaft als Bruderschaft (V. 29). Diese Aussagen bilden die Klammer für den gesamten Abschnitt Rom. 8,14—30 und zeigen an, wo für Paulus der Zugang zur Bewältigung jener Frage liegt: in dem Theologoumenon von der Gleichgestaltung der Pneumatiker mit dem Gottessohn. Der Apostel führt dies soteriologische Interpretament ein nicht etwa, indem er die Christen zum Leiden aufruft oder die Notwendigkeit des Leidens aufzeigt, sondern indem er auf das Mitleiden als bestehende Wirklichkeit verweist und dabei herausstellt, daß dies Mitleiden mit dem Ziel der Mitverherrlichung geschieht. Die damit gegebene Behauptung des Zusammenhangs zwischen Mitleiden und Mitverherrlichtwerden entfaltet Paulus mit Hilfe traditioneller Aussagen (Rom. 8,19—27,!"). Der von Paulus aufgegriffenen Überlieferung ist die Vorstellung von der Gleichgestaltung der Christen mit Jesus Christus fremd. Auch der Apostel selbst „Größenverhältnisse o. ä." gehen könne, sondern Paulus „in der Form eines Vergleichs" behaupte, „daß die Leiden dieser Zeit d e n G l a u b e n an das Heil Gottes nicht zunichte machen, sondern im Gegenteil stützen u n d stärken". Oder m i t anderen W o r t e n : „So gewiß es Leiden gibt, so gewiß wird auch die Herrlichkeit k o m m e n . " (Ebd. 100.) Die Kritik dieser Auslegung h a t bereits Z a h n (Rom. 399) mit d e m — von i h m selbst freilich nicht eingehaltenen (s. oben, S. 92 m i t A. 50) — Postulat vorweggenommen, daß m a n V. 18 „nicht einen anderen G e d a n k e n unterschiebt, als den wirklich darin ausgesprochenen". D a ß dies bei Balz gescheh e n ist, belegt er selbst m i t seinem zuvor (a.a.O. 95) u n t e r n o m m e n e n Nachweis, daß Paulus sich in V. 18 (mit ουκ αξια προς) an den Stil der rabbinischen Schulsprache anschließe, „weil er durch das i m Griechischen ungewöhnliche προς die UnVerhältnismäßigkeit von Leiden u n d Herrlichkeit besonders hervorheben kann" (Hervorhebungen von mir). I m übrigen läßt sich auch die von Balz vorgelegte Gliederung von V. 19—27 im einzelnen k a u m halten. E r sieht in den überzeugend voneinander abgehobenen Abschnitten V. 19—22. 23—25. 26 f. jeweils „einen einleitenden Hauptsatz m i t einer die These von V. 18 stützenden Aussage", dessen B e g r ü n d u n g u n d einen „zusammenfassenden Satz" aufeinander folgen, „der zeigt, daß der aufgewiesene besondere Zustand einer b e s t i m m t e n p h ä n o m e n a l e n Wirklichkeit (κτισις/ημεις/το πνεύμα) einen Hinweis- u n d Erwartungscharakter h a t " (V. 22. 25. 27, ebd. 33 f.). W e d e r stützt V. 26a die Aussage V. 18 noch lassen sich V. 25 u n d V. 27 dem g e n a n n t e n dritten P u n k t subsumieren.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

bringt sie nicht direkt bei der Überarbeitung der Tradition ein, da es ihm in diesem Teil von Rom. 8,14—30 vornehmlich um den Erweis des Zusammenhangs zwischen Leiden und Herrlichkeit geht. Trotzdem wahrt er bei der redaktionellen Arbeit grundsätzlich die Verbindung mit der christologischen Basis, von der her er in Rom. 8 argumentiert und die er in Rom. 8,17 anthropologisch-soteriologisch aktualisiert. Denn indem er die Uberlieferung mit Hilfe des christologisch qualifizierten Begriffes der Elpis präzisiert bzw. korrigiert, läßt er erkennen, daß er die Aussagen über die Pneumatiker in Rom. 8, 18 ff. von ihrer Bestimmimg als συμπάσχοντες Χριστώ her versteht. Die Behauptimg „wir leiden mit, damit wir auch mitverherrlicht werden" findet so in der Feststellung „wir sind auf Hoffnung hin gerettet" ihre adäquate theologische Begründung, in der Folgerung „und warten mit Geduld" ihre entsprechende Konkretion. Doch reichen diese Überlegungen bereits an den dritten Teil der Arbeit heran. Der Prämisse gemäß, daß die zweite Hälfte von Rom. 8 nur von der ersten her voll erfaßt zu werden vermag, wird deshalb für die weitere Interpretation von Rom. 8,14—30 die Auslegung des Zusammenhangs 8,1—13 abzuwarten sein.

6. Formelhaftes Gut in Rom. 8,1—13 und seine Bearbeitung a) Die Sendungsaussage in Rom. 8,3b f . Der Abschnitt Rom. 8,1—13 enthält wie bereits die vorangehend erörterten Verse 14—17 im Verhältnis zu Rom. 8,18—39 wenig vorpaulinisches Formelgut. Eine vorgeprägte Wendung wird zum einen mit der in Rom. 8,11 gleich zweimal begegnenden formelhaften Gottesprädikation ο εγειρας τον Ιησουν εκ νεκρών bzw. ο εγειρας εκ νεκρών Χριστον Ιησουν greifbar, die in Anlehnung an das urchristliche Credo (vgl. ζ. B. Rom. 10,9) gebildet ist und deren sich Paulus des öfteren bedient 1 . Zum anderen ist in der schon bei dem Vergleich von Rom. 8,14—17 und Gal. 4,1—7 berührten Sendungsaussage Rom. 8,3b f. vorpaulinische Überlieferung zu erkennen, allerdings nur durch eine erhebliche paulinische Bearbeitimg hindurch. Denn zwar ist die Grundaussage „Gott hat seinen Sohn gesandt" erhalten und der Zusammenhang mit den übrigen Sendungsformeln dieser Art im Neuen Testament auch dadurch gewahrt, daß sich ein Finalsatz anschließt (ινα . . . , V. 4), in dem das Ziel des göttlichen Handelns genannt 1

Rom. 4,24; 2.Kor. 4,14; in Form eines partizipialen Relativsatzes 2.Kor. 1,9; Gal. 1,1, ebenso l.Petr. 1,21. Vgl. zur Sache Kramer, Christos 18.

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wird2. Aber entgegen Gal. 4,4 f. und den übrigen Stellen erscheint „die Sendung nur noch im untergeordneten Partizip . . . , während das am Kreuz vollzogene Gottesurteil die Hauptaussage wird"3. Die Sendung des Gottessohnes, in den vor- und außerpaulinischen Aussagen die Heilstat schlechthin bezeichnend, wird damit zur Voraussetzung für das eigentliche Heilshandeln Gottes, den Tod des Sohnes am Kreuz4, durch den Gott die Sünde in der Sarx verurteilt hat. So ist in V. 3b, von V. 4 ganz zu schweigen, sprachlich Vorpaulinisches kaum mehr auszumachen, es sei denn jener Partizipialsatz (ο θεός τον εαυτου mov πεμψας)5. Im übrigen ist die Aussage sachlich wie sprachlich paulinisch. Sie ist in beiderlei Hinsicht aufs engste mit dem Kontext verflochten. Ein Blick auf das Argumentationsgefälle von Rom. 8,1—13 zeigt, daß sie nicht nur die christologische Basis der paulinischen Ausführungen in V. 1 ff. bildet, sondern daß der Sinn der Sendungsaussage V. 3b f. in ihrer paulinischen Gestalt seinerseits durch ihren Kontext bestimmt wird6. 2

Vgl. zur Struktur der Formel oben, S. 130 A. 5. Schweizer, Hintergrund 95. 4 Schweizer (ThWb VIII, 386; Hintergrund 94; „Mystik" 202 A. 69; s. auch Käsemann, Rom. 206) sieht den Bezug der Aussage auf den Kreuzestod in der Bestimmung περι αμαρτίας gegeben. Sie habe wie im AT die Bedeutung „als Sündopfer". (So schon Zahn, Rom. 583 A. 62; Sanday-Headlam, Rom. 193.) Wenn Schweizer auch darin zuzustimmen ist, daß Rom. 8,3b auf den Tod Jesu Christi zu beziehen ist (vgl. unten, S. 230 f.; man könnte höchstens erwägen, ob die Menschwerdung als solche in V. 3b nicht im Sinne der theologica crucis ausgelegt ist, aber dies würde de facto auf dasselbe hinauslaufen), scheint seine Deutung von περι αμαρτίας angesichts des sonst eindeutigen Gebrauchs von αμαρτία ( = Sünde) in V. 3b selbst und im Kontext doch fraglich. Zur Deutung auf das Kreuz s. auch Blank, Paulus 292. 5 Kramer (Christos 112) sieht deshalb mit Recht „in der Sendungsaussage R. 8,3 bloß einen Splitter der ursprünglichen Formel mit πεμπειν". Immerhin bleibt der Anschluß mit ινα V. 4 zu beachten, εν ομοιωματι σαρκός αμαρτίας entspricht zwar sachlich Gal. 4,4 (γενομενοι εκ γυναικός; vgl. Schweizer, ThWb VIII, 386), ist jedoch sprachlich vom Kontext her auf Paulus zurückzuführen. Käsemann (Rom. 207) erwägt die Möglichkeit, daß auch V. 4a zur Überlieferung gehört haben könnte. Er nennt jedoch keine Gründe, die Behauptung ausgenommen, die paulinische Argumentation sei hier „durch Motive aus einem andern Zusammenhang überfremdet" (ebd. 208). Zur Kritik dieser These s. unten, S. 219 f. 6 Eine weitere traditionelle Formulierimg liegt in Rom. 8,1—13 möglicherweise mit V. 9b vor: „Wenn aber jemand den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm." So vermutet jedenfalls Michel (Rom. 192), es handle sich hierbei wahrscheinlich ursprünglich um eine „Scheideformel, die in der Gemeinde eine ähnliche Bedeutung hat wie I Kor 16,22; Did. 10,6". Da er die Vermutung jedoch nicht näher begründet, mag es bei dem Hinweis auf sie bleiben. Sodann ist zu erwähnen, daß sich Paulus auch mit der Geist-Fleisch-Antithetik in Rom. 8,1—13 an in seiner Umwelt vorgegebene Vorstellungen anlehnt, und zwar, wie Brandenburger (Fleisch 59 ff. 114 ff.) ausführlich gezeigt hat, an das „Gegenüber der Mächte Sarx — Sophia/Logos in der dualistischen Weisheit" (ebd. 188). Nicht 3

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Osten-Sacken, Römer 8

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b) Der Kontext der Sendungsaussage

(Rom. 8,1—13)

Wie angezeigt7, entfaltet Paulus in Rom. 8, welche Wirklichkeit im Leben der Christen dem Dankesruf zugrunde liegt (Rom. 7,25a), mit dem der Apostel den verzweifelten Schrei des unerlösten Menschen8 am Ende des 7. Kapitels beantwortet9. Er beginnt die Darlegung in Rom. 8,1 mit der Feststellung, daß es für die Christen keine Verurteilung gibt. Diese Feststellung ist Folgerung (αρα) aus den bisherigen Ausführungen des Briefes10 und These für die folgende Erörterung zugleich. Als These wird sie in Rom. 8,2 durch den Verweis auf ein vergangenes Geschehen begründet (γαρ): Das „Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus" hat das Ego11, das in Rom. 7,7—24 redete und das jetzt in Christus Jesus ist, vom „Gesetz der Sünde und des Todes" befreit. Wie der neuerliche Anschluß mit γαρ zu erkennen gibt, will Paulus in Rom. 8,3 wiederum eine Begründung für die Aussage in V. 2 geben. Er setzt dazu mit einer Bestimmung dessen ein, was dem nun nicht näher qualifizierten Gesetz unmöglich war. Doch kommt er über den Verweis auf die Sarx als Grund der Schwäche nicht hinaus, sondern bricht den begonnenen Satz mit eben jener Aussage über die Sendung des Gottessohnes in V. 3b f. ab. Trotz der anakoluthischen Form von V. 3a läßt sich der Sinn dieses Satzes aus der Fortsetzung V. 3b f. leicht erschließen, wenn auch anders, als dies üblicherweise geschieht. Nach der gängigen Auslegung ist „das, was dem Gesetz unmöglich war, ,auf Grund dessen, daß'12 es schwach war durch das Fleisch" jenes, was Gott mit der Sendung nur weil dieser Zusammenhang kürzlich von Brandenburger aufgearbeitet worden ist, sondern auch weil die traditionsgeschichtliche Fragestellung in der vorliegenden Untersuchung zu Rom. 8 weniger religionsgeschichtlich als formgeschichtlich orientiert ist, kann es im Hinblick auf diese Thematik mit kurzen Hinweisen z. St. sein Bewenden haben. Vgl. unten, S. 155 A. 45; S. 243 A. 39. 7 Siehe oben, S. 10 mit A. 12; S. 57 f. 8 Vgl. unten, S. 197 ff. * Rom. 7,25b ist nachpaulinische Glosse. Vgl. oben, S. 10 A. 12; unten, S. 207 f. 10 Vgl. unten, S. 175. 194. 226. 1 1 Die Frage, ob με oder σε zu lesen ist, läßt sich aufgrund der äußeren Bezeugung nicht entscheiden (Lietzmann, Rom. 78 f.), aber auch kaum von inhaltlichen Überlegungen her. Liest man σε, so kommt die Distanz zwischen Paulus als Schreiber und dem „Ich" von Rom. 7 stärker zum Ausdruck, die zu betonen durchaus im Sinne eines Späteren gelegen haben könnte. Entscheidet man sich dagegen für με, so ist, was sich ebenfalls mühelos auf späteres Bestreben zurückführen läßt, der Stil der Aussagen in Rom. 7 und 8,2 einheitlich und die Identität des Objekts „Ego" in Rom. 7 und 8,2 kräftiger betont. In jedem Fall ist das Ego gemeint, das sich in Rom. 7,7 ff. zu Wort gemeldet hat und das nun in Christus ist. Deshalb ist die textkritische Entscheidung letztlich nicht von Belang. 12 Bauer, W b 518.

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seines Sohnes vollzogen hat, die Verurteilung der Sünde im Fleisch13. Doch findet sich erstens unter den zahlreichen Aussagen des Paulus über das Gesetz keine einzige, nach der das Gesetz mit diesem Ziel gegeben worden wäre, so daß die Feststellung, die Verurteilung sei ihr unmöglich gewesen, sinnvoll wäre. Wie wenig sie dies ist, kommt zweitens zum Vorschein, wenn man dem Relativsatz in V. 3a Rechnung trägt und ihn zu dem angeblichen Sinn des αδύνατον in Beziehimg setzt. V. 3a gewinnt dann nämlich den Sinn, daß das Gesetz aus demselben Grunde schwach war, zu dessen Aufhebung es dienen sollte, der Herrschaft der Sünde über den Menschen. Das würde bedeuten, daß das Gesetz in diesem Fall letztlich nicht „durch das Fleisch" schwach war, sondern an sich, aufgrund einer göttlichen Fehlplanung. Gerade diese Klassifikation des Gesetzes aber sucht man vergebens bei Paulus, für den das Gesetz ohne allen Zweifel heilig und sein Gebot heilig, gerecht und gut ist (Rom. 7,12). Es ist nicht gegeben, um lebendig zu machen (Gal. 3,21) — wenn es dies wäre, wäre die abgelehnte Deutung des αδύνατον zutreffend —, wohl aber εις ζωην (Rom. 7,10), damit der, der es tut, lebe (Rom. 10,5; Gal. 3,12)14. Das, was mit dem „Unmöglichen" gemeint ist, kommt deshalb nicht in V. 3b, sondern in dem Finalsatz V. 4 in den Blick. Das Ziel des göttlichen Handelns ist die Erfüllung der Rechtsforderung des Gesetzes, und eben dies, die Erfüllung seiner Rechtsforderung, ist es, was dem Nomos unmöglich war aufgrund der Schwäche durch das Fleisch. Für diese Deutung spricht nicht nur, daß in V. 4 im Unterschied zu V. 3b wieder ausdrücklich vom Gesetz geredet wird, sondern auch, daß die 13 Bzw. ihre Überwindung oder die Befreiung von Sünde und Tod: Lipsius, Rom. 132; B. Weiß, Rom. 332 f.; Godet, Rom. II, 80; Sanday-Headlam, Rom. 191; Zahn, Rom. 378; Kühl, Rom. 253; Barth, Rom. 259; Dodd, Rom. 119; Schlatter, Rom. 255; Althaus, Rom. 85; Leenhardt, Rom. 116; Barrett, Rom. 155; Schmidt, Rom. 136. 14 Gegen Blank (Paulus 288) und vor allem Fuchs (Freiheit 87), der Gal. 3,21 gegen den eindeutigen Sinn des Satzes dahingehend deutet, daß das Gesetz durchaus lebendig machen sollte. Er verweist als Begründung auf die genannte Aussage Rom. 7,10 und erläutert: „wenn Lebendigmachen so viel wie ins Leben führen heißt". Insofern Fuchs sich dann an Rom. 7,10 anlehnt, kommt er trotz der falschen Deutung von Gal. 3,21 zu der grundsätzlich richtigen Auslegung, das „Unvermögen des Gesetzes" aufgrund des Fleisches habe darin bestanden, nicht ins Leben zu führen. Allerdings wird man die Auslegung des αδύνατον zunächst aus dem Zusammenhang von Rom. 8,3 f. selbst zu erheben haben (vgl. im folg.). Die Unsachgemäßheit der Berufung auf Gal. 3,21 kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn Michel (Rom. 189; ebenso jetzt Vos, Pneumatologie 124) — augenscheinlich in Anlehnung an Fuchs — zu Rom. 8,3 sagt: „Das Gesetz vermochte kein Leben zu schaffen (Gal 3,21), weil das Fleisch die eigentliche Absicht des Gesetzes vereitelte." Als wäre nicht Gal. 3,21 gerade festgehalten, daß das Gesetz nicht zum ζωοποιειν gegeben ist, weil nämlich sonst όντως εκ νομού αν ην η δικαιοσύνη! Denn der Begriff ζωοποιειν ist bei Paulus eschatologisch qualifiziert.

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Aussage V. 3a anakoluthisch formuliert ist, Paulus selbst also keine direkte Verbindung zwischen V. 3a und V. 3b hergestellt hat. Gewißheit gibt jedoch vor allem die genaue Beachtung von V. 4b. Paulus präzisiert hier, daß jene E r f ü l l u n g geschieht „unter uns, die wir nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist". W e n n dies aber gilt, dann heißt „Fleisch" bzw. Leben nach dem Fleisch eben Nichterfüllung jener Forderung des Gesetzes. Anders als bei der kritisierten Interpretation bleibt bei dieser Lesart die Heiligkeit des Gesetzes gewahrt. Es ist gegeben, nicht damit es seine Forderung selbst erfüllt, sondern damit sie erfüllt wird. Die Feststellung des Unvermögens des Gesetzes ist deshalb auch nicht A n k l a g e des Nomos, sondern erweist die als ungerecht, die die Schwäche des Gesetzes bewirkt haben, das Fleisch bzw. die κατα σαρκα W a n d e l n d e n 1 5 . Schwieriger als die zuletzt erörterte Frage ist die nach dem Verhältnis von Rom. 8,3 f. zu dem vorangehenden Vers. Relativ mühelos ließen sich V. 3 f. als Begründung f ü r Rom. 8,1 verstehen 1 6 . Denn w e n n Gott durch Jesus Christus die Sünde in der Sarx mit dem in V. 4 genannten Ziel verurteilt hat, dann ist es folgerichtig, daß die zu Jesus Christus Gehörenden der Verurteilung entnommen sind. Aber

15 Zur vorgetragenen Auslegung vgl. unter den Kommentatoren Haering (Rom. 74), der αδύνατον unter Verweis auf Rom. 7,7 ff. auf „die Erfüllung des göttlichen Willens" deutet, und Gaugier (Rom. 259), der darunter zunächst ebenfalls die Erfüllung der Forderung des Gesetzes versteht, es dann jedoch auch auf die Verurteilung der Sünde zu beziehen scheint. Vgl. ferner Conzelmann, Theol. NT 249 f.: Er legt Rom. 8,3a zunächst dahingehend aus, daß das Gesetz den Willen Gottes offenbare, aber „nicht selbst die Erfüllung bewirken" könne, korrigiert dann jedoch, daß es die Erfüllung auch gar nicht erzielen solle. Er hebt dabei allerdings nicht auf den Aspekt ab, daß das Gesetz nicht zum Erfüllen, vielmehr zum Erfülltwerden gegeben ist, argumentiert also nicht mit Rom. 8,4, sondern kommt zu jener Korrektur von der Feststellung her, daß das Gesetz bei Paulus den Zweck habe, „die Übertretungen herbeizuführen und dadurch an den Tag zu bringen, wo der Mensch steht, nämlich im Widerspruch zu Gott". Aber dies geschieht gerade dadurch, daß das zur Erfüllung gegebene Gesetz Gottes, dessen Befolgung den Menschen als in Einheit mit Gott stehend erweisen würde, nicht erfüllt wird! Daß das Gesetz zur Erfüllung gegeben ist, aber ins Sündigen führt, ist ebensowenig ein Widerspruch wie die Aussage Rom. 7,10, daß „das Gebot, das (mir) zum Leben (gegeben war), (mir als) in den Tod (führend) erfunden wurde". Und zwar eben deshalb, weil es schwach war durch das Fleisch. w Müller (Marginalien 249 ff.) hat deshalb V. 1 im Zuge seiner Umstellung der Sätze in Rom. 7,24—8,2 zwischen V. 2 und V. 3 piazieren wollen. (Seine Vermutung, die ursprüngliche Reihenfolge habe 7,25b.24.25a; 8,2.1 gelautet, findet sich übrigens schon bei Krüger, Rom. 97.) Doch sind V. 2 und V. 3, wie immer ihr Verhältnis zueinander sachlich zu bestimmen ist, durch den Begriff νομος fest miteinander verbunden, dazu erscheint eine Erklärung der thetischen Aussage von V. 2 unentbehrlich; V. 1 bietet jedoch eine Folgerung. Vgl. auch Bultmann, Glossen 279.

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inwiefern sind Y. 3b f. Begründung für V. 2? Zwar steht die christologische Aussage in V. 3b wie V. 2 im Aorist, die Zielbestimmung des göttlichen Handelns in Y. 4 hebt jedoch eindeutig auf die Gegenwart ab. Paulus bezieht den Ertrag der Tat Gottes ohne Ubergang sofort auf das gegenwärtige Leben der Christen (εν ημιν), indem er sich auf den Tatbestand ihres Wandels im Geist beruft und implizit behauptet, daß unter den so Bezeichneten die Erfüllung der Gesetzesforderung geschehe. Trotz dieser verschiedenen zeitlichen Bezüge der Aussagen in V. 2 und V. 3 f. läßt nicht nur die Partikel γαρ an einen engeren Zusammenhang denken. Zu auffällig begegnen in den Verbindungen ο νομος του πνεύματος . . . und ο νομος της αμαρτίας . . . mit νομος, αμαρτία und πνεύμα drei Begriffe, die in V. 3 f. eine herausragende Rolle spielen. So wird die Bemühung um das Verständnis der Aussagen in V. 2 und V. 3 f. und ihr Verhältnis zueinander, damit zugleich die Frage nach dem Verhältnis von V. 1 zu V. 2 einen wesentlichen Bestandteil der Auslegung von Rom. 8,1—13 bilden müssen. In V. 5 begründet Paulus (γαρ), warum unter denen, „die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist", die Forderung des Gesetzes erfüllt wird. Die, welche κατα σαρκα existieren, sind in ihrem Denken, Wollen und Handeln 1 7 von dem bestimmt, was die Sarx charakterisiert, die κατα πνεύμα Existierenden dagegen von dem, was das Pneuma kennzeichnet. Inwiefern dies eine Begründung für die Feststellung von V. 4 ist, kommt freilich erst in V. 6 und V. 7 f. zur Geltung. Paulus erläutert die antithetische Bestimmtheit von Sarkikern und Pneumatikern, indem er das φρόνημα von Sarx und Pneuma benennt. Das „Trachten" des Fleisches, das, was es in seiner Lebensbewegung beherrscht, ist der Tod, das „Trachten" des Geistes, das, was ihn bestimmt, sind Leben und Frieden (V. 6). Die Wendungen τα της σαρκός und τα του πνεύματος umschreiben damit nach V. 6 „Tod" einerseits, „Leben und Frieden" andererseits. So besagt V. 5 in seiner Zusammengehörigkeit mit V. 6: Die Sarkiker nehmen das Interesse des Todes wahr, ihr Lebenselixier ist der Tod, die Pneumatiker dagegen „sinnen" Frieden und Leben, die sie in ihrer Lebensausrichtung beherrschen. Und zwar sind Tod bzw. Leben und Frieden jeweils nicht — entgegen der üblichen Interpretation — in erster Li17 Nach Bultmann (Theol. NT 215) bezeichnet φρονειν „die Gesinnung, in der Denken und Wollen eine Einheit bilden". Man wird jedoch auch das Element des Vollzugs in die Deutung des Begriffs einbeziehen müssen. Dies zeigt etwa Rom. 8,27, wo als φρόνημα des Geistes bestimmt ist, daß er Gott gemäß für Heilige eintritt. Das φρόνημα, das „dasselbe wie der substantivierte Infinitiv το φρονειν bedeutet" (Bertram, ThWb IX, 228), manifestiert sich in einem bestimmten Verhalten. Vgl. (zu Rom. 8,27) auch Balz, Heilsvertrauen 81.

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nie das Ergebnis des Trachtens des Fleisches bzw. des Geistes; sondern sie sind, wie im vorangehenden bereits in der Paraphrase zum Ausdruck gebracht, je dies Trachten selbst. Sie sind es in der Weise, daß sie das φρονειν des Fleisches bzw. des Geistes ausüben, d. h. daß sie sich selbst zur Geltung bringen18. Nach jener Interpretation — sie begegnet von Lipsius 18 bis Michel 20 und Kuß 21 — sind τα της σαρκός die „fleischlichen Lüste", τα του πνεύματος das „geistlich Gute" (Lipsius), während φρόνημα in V. 6 jeweils das bezeichnen soll, worauf das Streben (φρονειν) nach diesen Dingen hinausläuft. Aber bei dieser Deutung würde m a n in V. 6 erstens keinen Anschluß mit γαρ — ob dies n u n begründend oder erläuternd verstanden wird — erwarten, sondern mit δε, und zweitens nicht den Begriff φρόνημα, sondern τέλος, also insgesamt einen Anschluß, wie er in Rom. 6,22 vorliegt, welche Stelle bei dieser Interpretation offenbar Pate gestanden hat. Und drittens läuft bei dieser Deutung V. 5 auf eine Tautologie hinaus, obwohl m a n gerade dies vermeiden will 22 . Der Tatbestand, daß in V. 6 der Begriff φρονειν wiederaufgenommen wird, indem erläuternd das φρόνημα von Fleisch und Geist bestimmt wird, zwingt vielmehr dazu, φρόνημα auf das zurückzubeziehen, was in V. 5 als Sinnen von Pneumatikern und Sarkikern bezeichnet wird, τα της σαρκός und τα του πνεύματος. V. 6 besagt damit, daß Tod bzw. Leben und Frieden wesensmäßig zum Fleisch bzw. zum Geist hinzugehören und Sarkiker und Pneumatiker so mit ihrem Wandel das Phronema von Fleisch und Geist teilen. Eine indirekte Bestätigung dieser Auslegung bieten einmal die Interpreten, deren Deutung erörtert wurde, selber, wenn sie Phronema in V. 7a plötzlich als „Wesensbeschaffenheit" 23 auslegen, obwohl ein solcher Bedeutungswandel angesichts der Parallelität von V. 6a und V. 7a äußerst unwahrscheinlich ist. Sie läßt sich zum anderen daraus entnehmen, daß Paulus an anderen Stellen vom ζωοποιειν 24 des Geistes redet. Lebendig zu machen vermag der Geist aber nicht, weil er nach dem Leben strebt bzw. trachtet, sondern weil das Leben in ihm ist, zu seinem Wesen gehört 25 . Sarx und Pneuma tragen also schon immer den Tod bzw. das Leben in 18

Zur Rede von Sarx und Pneuma wie von „persönlichen Wesen" vgl. Bultmann, Theol. NT 244 f. Zu überlegen wäre, ob möglicherweise ein Zusammenh a n g zwischen der hypostasierenden Rede von der φρονησις Gottes in Sap. Sal. 8,6 als „Baumeisterin der Schöpfung" (Bertram, T h W b IX, 222) und dem Gebrauch von φρόνημα in Rom. 8,6 besteht. 19 Rom. 132. 20 Rom. 191. 21 Rom. II, 500. 22 Vgl. Lagrange, Rom. 196. Er kommt (nur) scheinbar über eine Tautologie hinaus, und selbst dies nur deshalb, weil er in V. 5 „par habitude" ergänzt. Die Erklärung Michels (Rom. 191 A. 3) zu diesem Problem ist undurchsichtig. 23 Lipsius, Rom. 132. 24 l.Kor. 15,45; 2.Kor. 3,6. 25 Vgl. f e m e r Rom. 8,10b und dazu unten, S. 153 ff., dann auch bereits die Verbindung το πνεύμα της ζωης in Rom. 8,1. M a n könnte in Anlehnung an l.Kor. 15,56 vom Geist als der „Kraft des Lebens" sprechen. Zwar fehlt bei Paulus der entsprechende Satz, daß die Sarx tötet, nicht jedoch der entsprechende Gedanke. Denn die Sarx, von der er Rom. 8,5 f. spricht, ist ja der Bereich, der durch die Sünde konstituiert wird. Wer εν σορκι ( = κατα σαρκα) ist, in dem wohnt die Sünde (Rom. 7,14 ff.), wie in dem, der „im Geist" ist, der Geist wohnt (Rom. 8,9).

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sich und vermögen insofern dann auch an kein anderes Ziel als Tod und Leben zu gelangen. Entsprechendes gilt von den Sarkikern und den Pneumatikern, wobei allerdings zu bedenken ist, daß das P n e u m a in Relation zum Menschen nicht dessen habitus wird 26 .

Diese Bestimmung von Phronema als Akteur, der den Geist bzw. das Fleisch beherrscht, oder auch — sofern diese Definition bei der Übertragung auf Sarkiker und Pneumatiker nicht substanzialistisch mißdeutet wird — seine Interpretation als „Wesen" gilt in gleicher Weise für die Fortsetzung in V. 7a und wird durch sie gestützt. Paulus begründet jetzt, warum das Trachten des Fleisches der Tod ist. Die in V. 6a gebotene Bestimmung gilt, weil das Phronema des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist27. Dies Feindschaftsverhältnis der Sarx zu Gott zeigt sich an ihrer Stellung zum Gesetz Gottes. Sie ordnet sich dem Gesetz nicht unter — „denn sie kann es auch nicht" (V. 7b). Die Konsequenz28 ist, daß die, die im Einzugsbereich der Sarx leben, Gott nicht zu gefallen vermögen (V. 8). Mit diesen Bestimmungen in Rom. 8,5—8, insbesondere in V. 7 f., ist einmal die in V. 4 enthaltene Behauptung nachgewiesen, daß unter den sarkisch Lebenden die Rechtsforderung des Gesetzes nicht erfüllt wird: Die Von der Sünde aber sagt Paulus Rom. 7,11, daß sie „mich tötete", in l.Kor. 15,56, daß sie der Stachel, d. h. das tötende Instrument des Todes sei. Vgl. hierzu auch unten, S. 197 if. 28 Das Pneuma bleibt Gabe Gottes an den vom Tod gezeichneten Menschen. Zum vorgetragenen Verständnis von Rom. 8,5 f. vgl. Käsemann (Leib 118), der zwar nicht im Hinblick auf diese Verse, wohl aber das Leben κατα σαρκα charakterisierend sagt: „Eine menschliche Weltlichkeit, die vom Schöpfer absah und sich allein aus der Welt verstand, m u ß nicht nur sterben, sondern schon als solche ,tot' sein. Denn die Welt lebt n u r aus dem Schöpfer. Wer von diesem sich isolierte, trägt den Tod als Schicksal. Er lebt fortan auf dem Grunde des Todes." Menschliches Sein ist also nach Paulus nicht „Sein zum Tode", sondern Sein vom Tode zum Tode. Zur vorgetragenen Interpretation von φρόνημα vgl. im übrigen auch Rom. 5,1—11: Mit dem Geist ist die Liebe Gottes geschenkt, die Versöhn u n g zuteil geworden, das Verhältnis zu Gott durch Frieden bestimmt, ειρηνη ist also nicht etwas erst „Ertrachtetes". Vgl. ferner die Rede vom „Herrschen des Todes" in Rom. 5,14. 27 Michel (Rom. 192) sieht in dem begründenden Anschluß von V. 7a an V. 6 offenbar eine Bestätigung der Auffassung, daß in V. 6a der Tod Ergebnis bzw. Ziel des Trachtens des Geistes sei. Aber das Nebeneinander von Leben und Frieden (dazu in dieser Reihenfolge) in der parallelen Aussage V. 6b zeigt, daß hier keine derartige Abstufung gemeint ist. Darüber hinaus wird m a n zu fragen haben, ob nicht die Todes- und Feindschaftsaussagen in V. 6a und V. 7a nur deshalb getrennt sind, weil die Fortsetzung mit V. 7b eine V. 6a entsprechende Aussage erforderte. Dieser Gesichtspunkt ist u m so ernsthafter zu erwägen, als die Reihenfolge in V. 5 f. — zunächst Aussagen über das Fleisch, dann über den Geist — durch die Abfolge in V. 4 bestimmt ist. 28 Die Adversativpartikel ist also im erklärenden Sinne verwendet und hier etwa mit „das heißt (aber)" zu übersetzen.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

Sarx ordnet sich nicht nur nicht dem Gesetz Gottes unter, sondern sie vermag es auch überhaupt nicht. Gerade diese Feststellung ουδε γαρ δύναται bestätigt zum anderen die zuvor begründete Deutung, daß das αδύνατον des Gesetzes (V. 3a) das Unvermögen der Sarx bzw. des sarkischen Menschen ist und in der Nichterfüllung der Forderung des Gesetzes besteht. Denn das, wozu die Sarx nicht fähig ist, ist ja die Unterordnung, der mit der Erfüllung des Nomos identische Gehorsam. Mit seiner Anspielung auf V. 3a in V. 7 f. gibt Paulus praktisch eine Auslegung jenes kurzen Satzes. Dies macht auf eine Spannung in dem Verhältnis von V. 4 zu V. 5—8 aufmerksam. Nach der partizipialen Bestimmung in V. 4 erwartet man eigentlich den positiven Aufweis, daß und inwiefern unter den nach dem Geist Lebenden das Gesetz erfüllt wird. Doch obwohl der Apostel in V. 5 f. zunächst das verschiedene Wesen von Sarx und Pneuma bestimmt, gipfeln seine Ausführungen in dem unerwarteten Nachweis, daß das Gesetz unter den Sarkikern nicht erfüllt zu werden vermag. Der Abschnitt V. 5—8 beginnt und endet mit den Sarkikern als Subjekt der Aussagen 29 . So wird das Augenmerk auf Rom. 8,9—11 gelenkt. Und in der Tat knüpft Paulus hier mit der Feststellung zu Beginn von V. 9 υμεις δε ουκ εστε εν σαρκι, αλλα εν πνευματι deutlich positiv an Υ. 4 an. Nach der Interpretation von V. 5—8 rechnet man spätestens für diese Verse mit dem vermißten Nachweis. Es erstaunt deshalb, daß der Begriff Nomos in V. 9 ff. nicht mehr begegnet. Die Folgerung, daß Paulus in V. 9—11 nicht weiter an das Gesetze denke, wäre jedoch voreilig. In V. 9a sichert er die Feststellung, daß die Angeredeten εν πνευματι sind, durch den Verweis darauf, daß der Geist Gottes in ihnen wohne 30 . In V. 9b identifiziert er den Geist Gottes mit dem Geist Christi. Die Implikation der hier ausgesprochenen Folgerung, daß wer den Geist Christi nicht habe, nicht zu ihm gehöre, ermöglicht es Paulus, in V. 10 den Geist Christi mit Christus selbst gleichzusetzen. Denn wenn Teilhabe am Geist Christi Teilhabe an ihm selbst bedeutet, wie V. 9b erkennen läßt, dann ist es stringent, wenn Paulus fortfährt: Wenn aber Christus in euch ist . . . (V. 10a). Diese Identifika29 V. 5: οι γαρ κατα σαρκα οντες . . . V. 9: οι δε εν σαρκι οντες . . . 30 ειπερ ist hier in demselben Sinn wie in Rom. 8,17 gebraucht. Vgl. dazu oben, S. 155 A. 18. „Anderweitig" ist die „Bedingung (Tatsache)" (s. Blaß-Debrunixer § 454,2) nicht etwa, weil der Geist Gottes nicht mit dem vorher genannten Pneuma identisch wäre, sondern weil der Bedingungssatz von dem Geist Gottes „in euch" spricht, während es vorher heißt, daß die Angeredeten εν πνευματι seien. Daß der Bedingungssatz einen von Paulus als gegeben angesehenen Tatbestand, also keine Warnung enthält, wie Fuchs (Freiheit 96) meint, geht auch aus der Nähe zu V. 4 hervor (εν ημιν τοις ...).

6. Formelhaftes Gut in 8,1—13 und seine Bearbeitung

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tion von Geist, Geist Gottes, Geist Christi und Christus 31 und die an den Bedingungssatz V. 10a angeschlossene Aussage sind es, die Y. 9—11 aufs engste mit dem Beginn des Abschnittes verknüpfen. Denn mit der Gleichsetzung von Geist und Christus bringt Paulus die Voraussetzung zu Gesicht, von der her er in Rom. 8,3 f. folgern konnte, daß aufgrund der vergangenen Heilstat Gottes in Jesus Christus die Rechtsforderung des Gesetzes unter den nach dem Geist Wandelnden erfüllt wird. Die Kontinuität zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist der Geist, in dem der Gottessohn selbst gegenwärtig ist. Es scheint, daß damit von Rom. 8,9—11 her nicht nur die Aussagefolge in Rom. 8,3 f. durchsichtig wird, sondern daß sich von hier aus auch ein Ansatz ergibt, um jene andere offene Frage in den Griff zu bekommen, die nach dem Verhältnis der zeitlich verschieden orientierten Aussagen in V. 2 und V. 3 f. Noch deutlicher erhellt der Zusammenhang zwischen V. 9—11 mit den vorangehenden Ausführungen aus der Folgerung, die Paulus an die Prämisse V. 10a anschließt: „Wenn aber Christus in euch ist, ist das σωμα zwar tot δια αμαρτιαν, der Geist jedoch Leben δια δικαιοσυνην." Der Konzessivsatz in V. 10a erinnert direkt an den Satz, in dem nicht nur der Begriff Soma zum letztenmal begegnete, sondern auch die (von der Sünde bewirkte!) Todesverfallenheit des Leibes konstatiert war: Rom. 7,2432. Zwar wird zu fragen sein, ob V. 10a sich auf etwas bezieht, „was sich durch Christus noch nicht geändert hat" 33 , ob also der einleitende Bedingungssatz ohne Relevanz für die Interpretation des Konzessivsatzes ist34. Doch ist die Berührung zwischen Rom. 7,24 und 8,10 gewiß nicht zufälliger Art. Den Tatbestand, daß er, vor den Verzweiflungsschrei dieses Verses gestellt, mit dem Dankesruf von Rom. 7,25 antworten kann, will Paulus in Rom. 8 begründen und explizieren. Die Stichhaltigkeit der Annahme, daß er mit dem Konzessivsatz Rom. 8,10a auf Rom. 7,24 anspielt, wird durch die Beobachtung evident, daß sich 8,10 geradezu als unmittelbare Begründung jenes Dankes verstehen läßt. Der Christ ist aus dem Leibe dieses Todes errettet, weil gilt: „Wenn Christus in euch ist, . . . ist der Geist Leben δια δικαιοσυνην". Freilich ist dieser Satz (V. 10b) selbst wiederum interpretationsbedürftig. Strittig ist sowohl der Sinn des Begriffes Pneuma als auch die Bedeutung der Bestimmung δια δικαιοσυνην. Die in V. 10b behauptete Zusammengehörigkeit von Geist und Leben klang bereits in der Verbindung ο νομος του πνεύματος της ζωης V. 1 an und begegnete 31 32 33 34

Vgl. dazu Hermann, Kyrios 65 f. Vgl. Conzelmann, Theol. NT 253. Dibelius, Worte 10; ebenso Siber, Mit Christus 83. Vgl. dazu und zur Bedeutung von νεκρός unten, S. 236 ff.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

explizit in der Bestimmung V. 6, daß die Gesinnung des Pneuma „Leben und Frieden" sei. In V. 11 wird sodann das Pneuma „der Geist dessen" genannt, „der Jesus von den Toten auf erweckt hat", und noch ein weiteres Mal die Verbindung von Geist und Leben durch die Verheißung angedeutet, daß Gott die sterblichen Leiber durch 35 diesen Geist lebendig machen werde 36 . In allen diesen Aussagen in Rom. 8,1—13 — V. 10b ausgenommen — ist Pneuma jeweils eindeutig der mit dem Pneuma Gottes und Jesu Christi identische heilige Geist. Es erschiene willkürlich, wollte man angesichts dieser den Zusammenhang von Geist und Leben betreffenden Kontextaussagen den Satz V. 10b nicht in diesem Sinne, sondern Pneuma hier als anthropologischen Begriff 37 deuten, zumal noch andere Gründe dagegen sprechen38. Wie aber ist die Ergänzung δια δικαιοσυνην zu verstehen? Das Nächstliegende ist die kausale Interpretation der Wendung 39 . Dibelius 40 hat dagegen eingewandt, diese Deutung sei deshalb nicht überzeugend, weil dem Geist, sofern er der Geist des Lebens ist und sein Trachten Leben und Frieden sind (V. 2. 6), das Leben selber innewohne und er als dieser Geist des Lebens schon immer die Gerechtigkeit wirke 41 . Dieser Einwand trifft jedoch nur dann zu, wenn man V. 10b als abstrakte Pneuma-Definition versteht und den Zusammenhang sowohl mit dem Kontext als auch mit den in V. 10 selbst vorgeordneten Sätzen außer acht läßt. Gerade der nachfolgende V. 11 gibt ja (wie bereits der Konzessivsatz in V. 10a) aufs deutlichste zu erkennen, was die Christen sichtbar sind: θνητά σώματα und als solche 35

Die Lesart δια c. acc. ist möglicherweise als Angleichung an die Akkusative von V. 10 zu erklären (Dibelius, Worte 13 A. 8), in jedem Fall jedoch Abschwächung gegenüber der oben bevorzugten, durch den Kontext (vgl. V. 5. 10) gedeckten Variante. Vgl. auch Lietzmann, Rom. 80. u Vgl. auch noch Rom. 8,13: ει δε πνευματι..., ζησεσθε. 37 So z.B. Sanday-Headlam, Rom. 198; Kühl, Rom. 274; Gaugier, Rom. 276; Lagrange, Rom. 198; Stalder, Heiligung 439. 88 Siehe Dibelius* (Worte 10 mit A. 6) Bemerkungen zu den wenigen Stellen, an denen Paulus Pneuma anthropologisch verwendet. Zur Deutung vgl. außer Dibelius z. B. Bultmann, Theol. NT 209 („das göttliche Pneuma, das gleichsam zum Subjekt der Gläubigen geworden ist"); Leenhardt, Rom. 120; Michel, Rom. 193; Jüngel, Paulus 61. 39 Vgl. z.B. Bultmann, a.a.O.; Leenhardt, a.a.O.; Michel, a.a.O.; Schunack, Problem 27. 40 Worte 12 f. 41 Dibelius (a.a.O. 7) übersetzt deshalb δια mit „im Hinblick auf" und interpretiert es (ebd. 13) durch „das zeigt sich an". Kümmel (Paresis 268 mit A. 39) stellt neben Dibelius' Vorschlag die Übersetzung von δια mit „durch" zur Wahl. Da er die Präposition jedoch kausal auslegt, fällt diese Deutung mit dem Verständnis „wegen der Gerechtigkeit" zusammen.

6. Formelhaftes Gut in 8,1—13 und seine Bearbeitung

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nicht Zeugen für den Geist des Lebens, den sie nach V. 1 ff. empfangen haben, sondern für den Tod. In dieser Dimension des Verhältnisses von Verkündigung und Wirklichkeit ist V. 10 auszulegen. Paulus spricht den Angeredeten angesichts dieser Wirklichkeit zu: Wenn Christus in euch ist, dann habt ihr mit dem Pneuma Anteil am Leben, weil ihr mit dem lebendigmachenden Geist die Gerechtigkeit habt; denn der Geist des Lebens erfüllt ja im Gegensatz zur Sarx die Forderung des Gesetzes (V. 4 ff.). Paulus stellt damit in der Aussage V. 10b den Zusammenhang her zwischen dem, was er in V. 4 und V. 5 ff. über den Geist gesagt hat. Die Christen haben, mit dem Pneuma beschenkt, am Leben teil, weil unter ihnen als den nach dem Geist Wandelnden die Forderung des Gesetzes erfüllt wird42 und sie somit der δικαιοσύνη teilhaftig sind, die ins Leben führt43 und sich gegenwärtig als Wandel in der „Neuheit des Lebens" darstellt (Rom. 6,4)44. Als solche haben die Glaubenden Grund zum Dank für die Errettung aus dem Tode45. In Rom. 8,11 wendet sich Paulus dem Problem zu, das sich zwangsläufig aus der Feststellung von V. 10 ergibt: In welchem Verhältnis stehen die beiden Aussagen zueinander, daß das Pneuma Leben, aber das Soma tot sei? Welches ist das Geschick des Soma im Horizont der Gegenwart des Geistes? Paulus geht auf dies Problem ein, indem er in Anknüpfung an den behaupteten Zusammenhang von Geist und Leben das Pneuma als Unterpfand dafür auslegt, daß der totener42 Vgl. Dibelius, a.a.O. 12: δια δικαιοσυνην in V. 10 ist „Erinnerung an das, was in 8,4 beschrieben war". Die Umschreibung der präpositionalen Wendung durch „um der in Christus aufgerichteten Gerechtigkeit willen" (K.-A. Bauer, Leiblichkeit 162) ist zu allgemein und bringt den Zusammenhang mit V. 4 nicht zum Ausdruck. 43 Vgl. Rom. 5,17 f.21 und dazu unten, S. 168 ff. 44 Die Beziehung zu Rom. 6 (V. 11) ist implizit sachgemäß von Thüsing (Per Christum 156) hergestellt, wenn er Rom. 8, 10b erläutert: „d. h. u m der rechten Relation zu Gott willen: es ist das ,Leben f ü r Gott'". 45 Vgl. zur Auslegung von Rom. 8,10 ferner unten, S. 236 ff. In dem Verständnis des P n e u m a als eschatologischer Gabe und in der Differenzierung zwischen δικαιοσύνη und ζωη sind die entscheidenden Unterschiede zwischen dem Satz Rom. 8,10 und verwandten, dualistisch-anthropologischen Formulierungen bei Philo und im Corpus Hermeticum zu sehen. Vgl. Philo, De opificio mundi 135: (Der Mensch) γεγενησθαι θνητον ομου και αθανατον, θνητον μεν κατα το σωμα, κατα δε την διανοιαν αθανατον. C H 1,15: (Der Mensch) θνητός μεν δια το σωμα, αθανατος δε δια τον ουσιώδη ανθρωπον. Hervorzuheben ist ebenfalls, daß der Mensch bzw. der Glaubende als σωμα in Rom. 8,10 nicht durch das Adjektiv θνητός, sondern durch νεκρός charakterisiert wird und diese Bestimmung durch δια την αμαρτιαν als theologisches Urteil qualifiziert wird. Obwohl Brandenburger (Fleisch 114 ff.) ausführlich über den „Gegensatz von Fleisch und Geist bei Philo von Alexandrien im Hinblick auf das paulmische Motivfeld" (ebd. 114) handelt, werden die zitierte Philo-Stelle und Rom. 8,10 von ihm nicht miteinander konfrontiert.

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II. Traditionsgeschichtliche Analyse von Rom. 8,1—30

weckende Gott, der in dem Geist gegenwärtig ist, auch die sterblichen Leiber durch eben diesen Geist lebendig machen wird. Scheint auch durch die Stichworte σωμα νεκρον und τα θνητά σώματα in V. 10 f. gesichert, daß in V. 11 die angezeigte Frage behandelt wird, so ist doch die Klärung des Verhältnisses beider Prädikate des Sorna bzw. der Somata unumgängliche Voraussetzung für das Verständnis von V. 11 im Zusammenhang mit dem Kontext. Im Verein mit der oben berührten Frage, ob der Konzessivsatz V. 10a durch den unmittelbaren Kontext, also post Christum gesprochen, gegenüber der Aussage von Rom. 7,24 modifiziert ist, wird sie eine weitere Aufgabe der späteren Interpretation sein. In Rom. 8,12 f. zieht Paulus Folgerungen aus den bisherigen Ausführungen in V. 1 ff. Die Zusammengehörigkeit mit den vorangehenden Versen geht dabei nicht nur aus den Partikeln (αρα ουν), sondern auch daraus hervor, daß Paulus die Antithese σαρξ-πνευμα wiederaufnimmt und frühere Aussagen anklingen läßt 46 . Der Einsatz V. 12a ist insofern überraschend, als man nach der Fülle der Aussagen in V. 1—11, die den Geistbesitz der „Brüder" voraussetzen, allenfalls eine Mahnung zum Wandel im Geist erwartet. Statt dessen stellt Paulus zunächst den Suspens der Christen von jeder Verpflichtung gegenüber dem Fleisch fest (V. 12) und bezieht in einer nachfolgenden Antithese (V. 13), die zwar begründend angeschlossen ist, aber nicht den Suspens begründet, den möglichen Wandel warnend und verheißend auf Tod und Leben 47 . Die in V. 12 f. vorausgesetzte Möglichkeit des Wandels κατα σαρκα transzendiert die einfache Gegenüberstellung der Wirklichkeiten Geist und Fleisch von Rom. 8,5—8 ebenso wie die Verheißung Rom. 8,11 die Antithese von Rom. 8,10. Wie das Verhältnis dieser Verse zueinander, so wird deshalb das von V. 12 f. zu den vorangehenden Ausführungen, insbesondere auch zu V. 10 zu bedenken sein. Worin ist es begründet, daß Paulus in V. 12 f. auf die Entpflichtung von der Sarx zu sprechen kommt? In welchem Verhältnis stehen die Drohung „ihr werdet sterben" und die Aufforderung, die πράξεις του σώματος zu töten, zu den Aussagen vom Totsein des Leibes und der Sterblichkeit der Leiber? Und in welchem Bezug sind die Aussagen von V. 12 f. über den Wandel der Christen zu der in Rom. 8,1—11 immer wieder begegneten Größe des Gesetzes zu sehen?

4

« Vgl. V. 13a mit V. 6. Eine andere Frage ist es, warum Paulus zuerst vom Fleisch, dann vom Geist spricht. Sie findet ihre Antwort durch die Fortsetzung V. 14, in der Paulus zum Thema „Geist und Sohnschaft" überleitet. 47

7. Rückschau auf den Kontext von 8

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7. Rückschau auf den Kontext von Rom. 8 In der Erläuterung des Gedankenganges von Rom. 8,1—13 wurde versucht, einen Teil der Aussagen bereits zu interpretieren, und zwar soweit sie sich aus dem Abschnitt selbst deuten ließen. Es möchte unbestreitbar sein, daß sich die zuletzt gestellten Fragen nicht mehr allein von Rom. 8,1—13 aus erhellen lassen, sondern daß zu ihrer Erörterung weitere Informationen nötig sind. Allein schon die Beobachtung, daß in Rom. 8 das Sein der Erlösten im Gegenüber zu dem des nichterlösten Menschen ausgelegt wird, wie es in Rom. 7,7—24 gedeutet ist, zwingt zu der Annahme, daß dieser Text nicht geringe Aufschlüsse für die Interpretation von Rom. 8 vermitteln könnte. Die Annahme eines hermeneutischen Zusammenhangs zwischen beiden Kapiteln folgt sodann aus dem Tatbestand, daß in Rom. 8,1—13 unverkennbar auf Aussagen von Rom. 7 angespielt wird. Ein Beispiel dafür bot bereits der Konzessivsatz Rom. 8,10a. Noch deutlicher ist die Anknüpfung im Hinblick auf die schwierige Aussage Rom. 8,2, die bisher nur mehr referiert, nicht aber interpretiert wurde und deren Schwierigkeitsgrad sich daran ablesen läßt, daß der Vers im allgemeinen lieber wörtlich zitiert als paraphrasiert oder gar interpretiert wird1. Der Satz, daß „das Gesetz des Geistes des Lebens in Jesus Christus" „mich/dich", nämlich das Ego von Rom. 7,7—24, von dem „Gesetz der Sünde und des Todes" befreit habe, hat sein Pendant in dem Vers, auf den in Rom. 7 der Verzweiflungsruf folgt, Rom. 7,23: Das Ego ist Objekt der Auseinandersetzung zweier Gesetze. Das sog. „andere Gesetz", das es in seinen Gliedern sieht, kämpft gegen das „Gesetz meines Sinnes" und hält das Ego im „Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist", also in sich selbst, dem anderen Gesetz2, gefangen. Die Frage nach dem Verhältnis des „Gesetzes meines Sinnes" zum „Gesetz des Geistes" dahingestellt, liegt in den übrigen Bestimmungen eine klare Entsprechung zwischen Rom. 7,23 und 8,2 vor: Das Ego ist im „Gesetz der Sünde gefangen" und wird von diesem „Gesetz der Sünde und des Todes befreit". Mit V. 23 erfährt der Text Rom. 7,7—24 seine entscheidende Zuspitzung vor dem Verzweiflungsruf Rom. 7,24. Man wird deshalb bereits aus diesem Grund den Aufweis des Zusammenhangs zwischen Rom. 7,23 und 8,2 exemplarisch für die Notwendigkeit zu verstehen 1 Wenige Beispiele für viele: Bultmann, Anthropologie 206; Kümmel, Theol. NT 153 f. 171. 201. 206 (S. 160. 184 begegnen außerdem zwei Verweise auf den Vers, ohne daß dieser durch das, was er belegen soll, erhellt würde, S. 149 ist ferner die ungenaue Wiedergabe „der Geist der Sohnschaft befreit vom Gesetz des Todes" zu lesen). 2 Vgl. dazu unten, S. 210.

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II. Traditionsgeschichtliclie Analyse von Rom. 8,1—30

haben, den Abschnitt als unabweisliche Voraussetzung der Ausführungen von Rom. 8 in die Deutung einzubeziehen. Rom. 7,7—24 und Rom. 8 sind zusammen wiederum abhängig von den vorangehenden Darlegungen. Dies betrifft zum einen die Verse Rom. 7,1—6, die mit ihren das Beispiel V. 1—3 auswertenden Aussagen in V. 4—6 die Zusammenhänge Rom. 7,7—24 und Rom. 8 präludieren und deren Zusammenhang mit dem folgenden zu Recht in der Weise bestimmt wird, daß V. 5 des Thema für Rom. 7,7 ff., V. 6 das für Rom. 8 angebe 3 . Es gilt zum anderen in gleicher Weise für Rom. 6 und 5,12 bis 21. Denn nicht nur argumentiert Paulus noch in Rom. 7,1—6 (und darüber hinaus) von der Voraussetzung der Taufe her, die er im 6. Kapitel als Ort der Wende im Leben der Christen entfaltet hat; sondern Rom. 6 ist für die Auslegung von Rom. 7 und 8 auch deshalb bedeutsam, weil der Abschnitt diese Wende in der Form darlegt, daß er das Sein ohne und in Jesus Christus gegenüberstellt. Er steht damit in erheblicher sachlicher Nähe zu den folgenden beiden Kapiteln. Rom. 5,12—21 aber bilden die Basis der gesamten in Kap. 6—8 folgenden Ausführungen. Denn der Passus nennt mit der typologischen Konfrontation von Adam und Jesus Christus den Ursprung jener Wirklichkeiten, die in den folgenden Kapiteln in ihrem Bezug zu den Glaubenden entfaltet werden, und zeigt ihre Relation zu diesen Gestalten auf. Die Beobachtung, daß in Rom. 5,12—21 jeweils generell von „allen Menschen", „allen", „den Vielen ( = alle)", nicht aber von „uns" oder „den Glaubenden" die Rede ist, ist ein eindrückliches stilistisches Indiz für den grundsätzlichen Charakter der Ausführungen in diesem Abschnitt. Die Sachgemäßheit der unternommenen Rückführung von Rom. 8 bis hin auf Rom. 5,12—21 wird vorerst durch den Beginn des 5. Kapitels bestätigt. Denn es hatte sich gezeigt, daß Paulus in V. 1—11 eindeutig bereits das Thema anschlägt und ansatzweise behandelt, das er in Rom. 8 dann voll entfaltet, die Frage nach der Wirklichkeit des Heils im Angesicht des Todes4. Wenn der Apostel dies Thema in V. 1 bis 11 nur mehr berührt, nicht aber zu Ende ausführt, sondern dies erst im 8. Kapitel unternimmt, so läßt sich daraus schließen, daß er es hinreichend erst zu erörtern vermag, nachdem dargelegt ist, was er in dem „Zwischenstück" Rom. 5,12—7,24 vorträgt. Dann aber ist der 5

Vgl. z.B. Bornkamm, Sünde 67; Conzelmann, Theol. NT 253. Rom. 8,1 ist entsprechend als Folgerung aus Rom. 7,6 anzusehen (Bornkamm, a.a.O.; Conzelmann, a.a.O. 313). Man kann auch, was jedoch sachlich auf dasselbe hinausläuft, die Gegenüberstellung von δουλευει/ν εν παλαιοτητι γραμματος und εν καινοτητι πνεύματος als Themenangabe für Rom. 7,7—24 und Rom. 8 betrachten. Vgl. Bornkamm, a.a.O. 52. 4 Siehe oben, S. 124 ff.

7. Rückschau auf den Kontext von 8

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exegetische Einbezug eben dieser Ausführungen conditio sine qua non für die Auslegung des 8. Kapitels5. Damit ist der weitere Weg für die Interpretation von Rom. 8 vor dem Hintergrund der durchgeführten Scheidung von Tradition und Redaktion vorgezeichnet. Es wird zunächst darum gehen, in einem Durchgang durch die Abschnitte Rom. 5,12—21; 6,1—7,6 und 7,7 bis 24 deren leitende Gesichtspunkte und solche Aussagen zu fixieren, die im Hinblick auf die Auslegung von Rom. 8 von Redeutung sein könnten. Der Verzicht auf eine ausgiebige Diskussion der Sekundärliteratur erscheint dabei ebenso selbstverständlich wie die Prävalenz des Abschnittes Rom. 7,7—24 im Rahmen dieser Erörterung.

5 Die vorgetragenen Überlegungen bestätigen die Auffassung der Exegeten, die einen größeren Einschnitt zwischen Rom. 4 und 5 sehen und Rom. 5,1—8,39 als zusammengehörige Darlegung bestimmen.

Β) D I E B E D E U T U N G YON R O M . 5-7 F Ü R D I E I N T E R P R E T A T I O N VON R O M . 8

I. Adam und Jesus Christus. Die Eröffnung des Lebens für die Vielen durch den Einen (Rom. 5,12-21) Rom. 5,12 schließt folgernd an Rom. 5,1—11 an (δια τούτο). Aber nicht allein deshalb erscheint ein kurzer Blick auf den vorangehenden Abschnitt zur Einordnung der Ausführungen in V. 12—21 unverzichtbar; sondern wenn, wie vermutet, das Problem, das Paulus in V. 1—11 anrührt, erst angemessen vom Apostel behandelt werden kann, nachdem das in Rom. 5,12—21 und Rom. 6 f. Gesagte dargelegt ist, dann gilt es zu fragen, ob sich der Grund hierfür möglicherweise aus V. 1—11 selbst erheben und so ein erster wichtiger Hinweis darauf gewinnen läßt, unter welchem Aspekt V. 12—21 vorrangig zu betrachten sind. Die bereits ein Stück weit unternommene Erörterung von Rom. 5,1—11 hat ergeben, daß die Frage, die Paulus hier angeht, mit der Aussage in V. 2b „und wir rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes" in den Blick kommt 1 . Der Apostel sucht, so ist jetzt zu ergänzen, mit dieser Feststellung den Voraussetzungen seiner eigenen bisherigen Darlegungen gerecht zu werden. Denn in Rom. 5,23 beschreibt er das vorchristliche Sein — Rom. 1,18—3,20 zusammenfassend — mit den Worten: „Alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes." Seine Definition des Heilsgeschehens in V. 24 nimmt jedoch nur auf die erste der beiden Bestimmungen (ημαρτον) Bezug: „Sie werden aber gerechtfertigt umsonst durch seine (sc. Gottes) Gnade durch die Erlösung, die in Jesus Christus ist." Damit ist die Frage nach der Doxa der Glaubenden vorgegeben. Die Tragweite dieses Problems tritt jedoch erst mit der Beobachtimg zutage, daß es sich in Rom. 5,2b ff. nicht allein anthropologisch, sondern bereits im Hinblick auf die vorangehenden christologischen Aussagen stellt. Die in Rom. 3,25 f. folgende Deutung der Heilstat Gottes in Jesus Christus bleibt im Rahmen der Rechtfertigungsterminologie. In Rom. 4,23 1

Siehe oben, S. 124 f.

I. Adam und Jesus Christus (Rom. 5,12—21)

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bis 25 führt Paulus gezielt auf eine formelhafte christologische Aussage zu, aber auch sie überschreitet jenen Rahmen nicht: Jesus Christus „wurde dahingegeben um unserer Verfehlungen willen und auferweckt um unserer Rechtfertigung willen" (V. 25)2. Noch auffälliger ist der Beginn in Rom. 5,1—11. Paulus bestimmt hier als Ertrag der geschehenen Rechtfertigung den Frieden mit Gott „durch unseren Herrn Jesus Christus" und betont die Mittlerschaft Jesu Christi gleich noch einmal, indem er plerophorisch hinzufügt: „durch den wir auch den Zugang erlangt haben zu dieser Gnade ( = Rechtfertigung bzw. Frieden), in der wir stehen" (V. 1. 2a). Zwar ist die folgende Aussage in V. 2b noch Auslegung der partizipialen Zusammenfassung δικαιωθεντες ουν εκ πίστεως. Aber bezeichnenderweise folgt auf sie keine christologische Aussage, obwohl auch der Grund für die Hoffnung der Christen in Rom. 5,5 durchaus noch mit dem Hinweis auf die Liebe Gottes, die mit der Gabe des heiligen Geistes in die Glaubenden ausgegossen ist, genannt wird3. So geben die christologischen Aussagen in Rom. 3,24—26; 4,25 und die Ausführungen in Rom. 5, 1—5 als Problem die Frage zu erkennen: In welchem Verhältnis steht die Heilstat Gottes in Jesus Christus, die die gegenwärtige Rechtfertigung des Gottlosen als Glaubenden beinhaltet, zur Zukunft des Gerechtfertigten? Oder: Inwiefern beinhaltet das zuletzt in Rom. 4,25 rezitierte Kerygma das volle Heil? Die folgenden Aussagen in Rom. 5,6—11 weisen in dieselbe Richtung. Paulus läßt es nicht mit dem Verweis auf den Geistempfang als Grund der Hoffnung bewenden, sondern sucht die behauptete Zukunftsgewißheit der Christen christologisch zu begründen. Er interpretiert den Tod Jesu Christi „für uns, als wir noch schwach waren" (V. 6) bzw. „als wir noch Sünder waren" (V. 8) als Erweis jener Liebe Gottes, deren die Christen mit dem Geist teilhaftig geworden sind4, und vergewissert die Römer in Form von zwei Qal-WachomerSchlüssen, daß in dieser Tat Gottes auch ihre Zukunft beschlossen ist. Wenn Jesus Christus für die Glaubenden gestorben ist, als sie noch Sünder waren (V. 8), um wieviel mehr werden sie dann als durch sein Blut Gerechtfertigte durch ihn vor dem Zorn ( = Gericht) errettet werden (V. 9). Und wenn sie, als sie noch Feinde waren, mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt wurden, um wieviel mehr werden sie als Versöhnte durch sein Leben errettet werden (V. 10). Im 2 Zur Begründung der vorpaulinischen Herkunft s. Bultmann, Theol. NT 49; Lohse, Märtyrer 133; Wengst, Formeln 101 ff. Kramer (Christos 26 f. 116) und Deichgräber (Gotteshymnus 111 A. 3) nehmen an, daß die Sätze von Paulus selbst in Anlehnung an verwandte, überkommene Formeln gebildet worden sind. 3 Vgl. dazu oben, S. 126 f. 4 Zum Duktus von V. 6—8 vgl. Bornkamm, Anakoluthe 78 ff.

11 Osten-Sacken, Römer 8

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Anschluß an diese Vergewisserungen behaftet Paulus die Christen bei der Gegenwart. Sie sind nicht nur der Zukunft gewiß, sondern „rühmen sich auch in Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt die Versöhnung erlangt haben". Mit diesem Satz kehrt der Apostel an den Anfang von Rom. 5,1—H zurück. Das Motiv des καυχασ&αι erinnert an Rom. 5,2 f., die Formulierung δια του κυρίου ημων Ιησού Χρίστου, δι ου. . . begegnete bereits in Rom. 5,1 f., und das, was hier und da als Ertrag der Tat Jesu Christi genannt wird, stimmt sachlich überein: der Frieden (V. 1) bzw. die Versöhnung (V. II) 5 . Damit scheint der Abschnitt Rom. 5,1—11 in sich geschlossen, die Frage nach dem Verhältnis von Kerygma und Zukunft beantwortet. Diese Antwort ist jedoch eher ein Programm als eine schlüssige Lösung des Problems, wie es sich in V. 1 ff. gezeigt hatte, nämlich als Frage nach dem Verhältnis von Kerygma und Hoffnung der Gerechtfertigten auf die Herrlichkeit Gottes. Denn die Qal-WachomerSchlüsse, die jene Frage zu beantworten suchen, grenzen hart an Tautologien. Sie bewegen sich sprachlich nicht über den Bereich der Rechtfertigung hinaus, sondern proklamieren als Zukunftsgewißheit, was mit der Feststellung der geschehenen Rechtfertigung allemal gesagt ist: die Errettung vor dem Gericht (V. 9) bzw. einfach die Errettung (V. 10). Paulus erschließt damit die Zukunft konsequent vom Kerygma her, das die Rechtfertigung des Sünders als Tat Jesu Christi verkündet. Er bleibt jedoch den ausdrücklichen Nachweis schuldig, inwiefern in dieser Gegenwart und Zukunft umfassenden Tat der Zugang zur Doxa Gottes Inbegriffen ist6. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, daß der Apostel in Rom. 5,12 ff. diesen ausstehenden Nachweis erbringen will. Wenn er in V. 12 folgernd fortfährt, so scheint er sich damit auf jene Vergewisserung zurückzubeziehen, daß das Geschick Jesu Christi Gegenwart und Zukunft umfaßt, und als Ziel den Aufweis vor Augen zu haben, daß in dem Handeln Gottes an Jesus Christus mit der Rechtfertigung „Leben und Seligkeit" begründet sind. Zur Bekräftigung dieser Annahme möge ein Vorgriff auf Rom. 5, 12—21 dienen. Es dürfte kaum ein Zufall sein, daß in V. 17 im Rahmen eines Qal-Wachomer-Schlusses jene Vergewisserung begegnet, die man in Rom. 5,6—11 nach den Ausführungen von V. 1 ff. vermißt: „Die, die das Ubermaß der Gnade und das Geschenk der Gerechtigkeit empfangen, werden im Leben (ζωη) herrschen durch den Einen Vgl. Bultmann, Adam 430. • Mattern (Gericht 90) bemerkt zutreffend, daß „das futurische Gerettetwerden vor dem Zorn die Unverfügbarkeit der Gerechtigkeit" unterstreiche. Die Zusage der Doxa Gottes ist jedoch entgegen ihrer Auffassung in V. 9 gerade nicht gegeben. 5

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Jesus Christus."7 Wie allein schon diese Aussage erkennen läßt, argumentiert Paulus in Rom. 5,12—21 ebenfalls von der Rechtfertigung her. Dieser engen sachlichen Verknüpfung der Abschnitte V. 1 bis 11 und V. 12—21 wird man in der Weise Rechnung zu tragen haben, daß man die christologischen Aussagen in V. 12—21 als Explikation der in Rom. 4,25; 5,1 f.6—11 formulierten ansieht und unter dem „Einen" Jesus Christus von V. 12—21 konsequent den Gekreuzigten und Auferweckten versteht. Da Paulus die Rechtfertigungsaussagen von V. 1—11 in V. 12—21 nicht einfach voraussetzt, sondern sie erneut christologisch verifiziert, empfiehlt es sich sodann, in V. 12—21 keine reine Folgerung aus den vorangehenden Sätzen zu sehen, sondern eine eigenständige Entfaltung der Heraufführung des Heils δια Ιησού Χρίστου. Sie bleibt allerdings an das Vorangehende dadurch gebunden, daß sie Entfaltung des Kerygmas ist. Der Anschluß mit δια τούτο hält diesen Zusammenhang ebenso fest, wie er die Darlegung in V. 12—21 in ihrer Eigenständigkeit freigibt. Seine Stringenz ist christologischer Art8. Bultmann 9 bestimmt als Problem des ganzen 5. Kapitels die Frage, ob „denn die ζωη Gegenwart" sei, und sieht in V. 1—11 und V. 12—21 zwei Beweise f ü r die Gegenwärtigkeit des eschatologischen Lebens. Aber diese zu allgemeine und schematische Charakterisierung wird dem Profil der Abschnitte nicht gerecht, was bei Bultmann selbst durchscheint, wenn er daneben als „das eigentliche Thema" von Rom. 5,12—21 „den Ursprung des (neuen) Lebens" nennt 1 0 . Das heißt aber, daß im Hintergrund des Abschnittes ein christologisches Problem steht, das sich als solches allerdings nicht zufällig einstellt, sondern aus den vorangehenden Ausführungen erwächst 11 . Dieser christologische Problemzusammenhang zwischen Rom. 5,1—11 und 5,12—21 kommt auch bei Bornkamm 1 2 nicht zu Gesicht. Er bezeichnet V. 12—21 als „geschichtstheologischen ,Exkurs"', der auf der Basis der Aus7 Die Beobachtung, daß Paulus in V. 12 ff. von Tod und Leben statt wie in V. 1 ff. von Herrlichkeit und Leiden redet, spricht nicht gegen den vermuteten Zusammenhang. Denn einmal entsprechen sich Herrlichkeit und Leben eschatologisch, und umgekehrt ist das Leiden Erscheinungsform des Todes. Vor allem aber kann Paulus das Thema Herrlichkeit—Leiden allem Anschein nach nur vor dem Hintergrund der Erörterung von Tod und Leben zur Sprache bringen. Vgl. den analogen Zusammenhang Rom. 8,1—13 und 8,14—30 und dazu oben, S. 61 mit A. 1.2. 8 In diesem Sinne ist Luz (Aufbau 179) zuzustimmen, wenn er urteilt, m a n werde δια τούτο „am besten als zusammenfassende A u f n a h m e des ganzen Abschnittes verstehen". Vgl. jedoch zu Luz auch unten, S. 164 A. 19. ' Adam 424 f.431; ebenso Jüngel, Gesetz 49. 10 A.a.O. 432. 11 Vgl. zur Kritik dieses Verständnisses des Abschnittes auch Brandenburger, Adam 257 'sowie unten, S. 169 A. 34. 12 Anakoluthe 81. Vgl. kritisch auch Brandenburger, Adam 259 f. Die Kennzeichnung des Abschnittes durch Bornkamm findet sich jetzt wieder bei Schunack, Problem 251.

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führungen von V. 1—11 zeigen wolle, daß die Versöhnung „ein die Welt angehendes Geschehen" sei13. Ebenso geht es nach Brandenburger Paulus in V. 12—21 in erster Linie darum, die „universale Wirklichkeit des Christusgeschehens"14 aufzuzeigen. Uber Bornkamm hinaus bestimmt er den Abschnitt als „einschneidende Neuinterpretation der traditionellen Deutung des Heilswerkes Christi"15. Ist damit formal zutreffend erkannt, daß das Problem auf der christologischen Ebene mit dem Vorangehenden verbunden ist, so vermag doch die inhaltliche Bestimmung der Funktion von V. 12—21 durch Brandenburger nicht zu überzeugen. Text und Kontext geben keinen Hinweis darauf, daß Paulus hier (noch) die von ihm ja ohnehin schon an Ort und Stelle korrigierten Beschränkungen der judenchristlichen Tradition Rom. 3,24—26a vor Augen hat16. Gewiß ist die Gegenüberstellung von Adam und Jesus Christus „getragen von dem Grundgedanken, daß Gestalt und Tat beider, Adams und Christi, eine die ganze Menschheit umgreifende Bedeutung und Wirkung haben"17, und gewiß ist die Deutung richtig, daß „die mit dem Mächtedenken verklammerte Anthropos-Kategorie eine weiterführende Ausdrucksform (bot): die Beschreibung des Heilswerkes Christi als Befreiung von den die Menschheit insgesamt in ihrem Bann gefangenhaltenden Verderbensmächten bzw. als Eröffnung einer übermächtigen Gnaden,herrschaft'"18. Aber die Entsprechung ist von Paulus nicht zur Geltung gebracht, um zu zeigen, daß in Jesus Christus für alle das Heil angebrochen ist, sondern um zu verdeutlichen, daß in ihm, dem „um unseretwillen" Dahingegebenen und Auferweckten (Rom. 4,25), das volle Heil eröffnet ist. Dies tritt freilich nur dann zutage, wenn der Kontext Rom. 5,1—11 nicht übersprungen wird 19 .

Der Abschnitt Rom. 5,12—21 ist wie folgt gegliedert: In V. 12 bis 14 charakterisiert Paulus die Adam-Seite der Entsprechung A d a m Jesus Christus, in V. 15—17 weist er die Ungleichheit beider Seiten auf, in Y. 18 f. stellt er Adam- und Christustat und deren jeweilige Folge uneingeschränkt20 gegenüber, in V. 20 f. schließlich resümiert Gesperrt von B. Adam 244. 15 A.a.O. 237. 16 So Brandenburger, a.a.O. 237. 244. Zur paulinischen Interpretation der Tradition in Rom. 3,24-26 s. Käsemann, Römer 3,24-26, S. 99 f.; Müller, Gerechtigkeit 108ff.; Schweizer, „Mystik" 200f.; Lührmann, Rechtfertigung 437ff. Vgl. auch die Andeutung bei Brandenburger (a.a.O. 244) selbst. 17 Bornkamm, Anakoluthe 83. Vgl. Brandenburger, a.a.O. 18 Brandenburger, a.a.O. 238. 19 Luz (Geschichtsverständnis 210) erkennt von Rom. 5,9—11 her grundsätzlich zutreffend: „Die Tatsache der an uns geschehenen Rechtfertigung und Versöhnung, also eine Erfahrung, führt Paulus hier dazu, deren Bedeutsamkeit in die Geschichte hinein zu entwerfen." (Bei L. gesperrt.) Die entscheidende Frage, warum Paulus diesen Entwurf unternimmt, ist damit aber nicht beantwortet. 20 Zu den in V. 12—17 ausgesprochenen Einschränkungen, die ihren ersten Ausdruck in der Anakoluthie von V. 12 finden, vgl. Bornkamm, Anakoluthe 80 ff. Freilich gilt es mit Jüngel (Gesetz 59 ff.) festzuhalten, daß die Struktur des Abschnittes insgesamt durch die Adam-Jesus-Christus-Typologie bestimmt ist. Ihre Konstituenten sind ein übergeordnetes Entsprechungs- und ein beiden Seiten innewohnendes Kausalitätsverhältnis. Das erste betrifft die beiden Gestalten in ihrer typologischen Antithetik: Wie durch Einen — so durch Einen. Das zweite betrifft 13 14

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er die Typologie unter Rückgriff auf den Anfang (V. 13). Der Grundgedanke von V. 12—14 lautet: Seit Adam, der der Sünde Einlaß in die Welt gewährt hat und durch die Sünde dem Tod, sind alle Menschen dem Tod unterworfen, weil alle gesündigt haben (V. 12). Die Tragweite dieser Aussage und die Notwendigkeit ihrer Fortsetzung in V. 13 f. treten durch einen Vergleich mit der Deutung des Verhältnisses Adams zu seinen Nachkommen in Zeugnissen der jüdischen Apokalyptik zutage 21 . Dort ist Adams Übertretung der Grund wie für seinen eigenen Tod so für den Tod bzw. das frühzeitige Sterben aller Menschen. Deren Sündigen wird jedoch gerade nicht auf den als Verhängnis verstandenen irdischen Tod bezogen. Es ist vielmehr von Bedeutung nur im Hinblick auf das postmortale göttliche Gericht. In ihm wird entschieden, ob der Mensch den ewigen („zweiten") Tod erleidet oder das ewige Leben empfängt. Maßstab dieser Entscheidung ist das Verhältnis zum Mosegesetz. Dessen Übertretung wird als Sünde angerechnet, während seine Befolgung zum ewigen Leben in Rechnung gestellt wird. Mittels der Thora ist die Möglichkeit gegeben, mit Gott in eine Leben verheißende Kommunikation zu treten. Wenn Paulus im Unterschied dazu den mit Adam gemeinsamen Tod auf das je eigene Sündigen zurückführt (V. 12), so ist damit das Verständnis dieses Todes in ungeheurer Weise radikalisiert. Denn dann ist dieser Tod als die sonst erst für das postmortale Gericht erwartete und gerade irdisch vermeintlich noch offene Entscheidung Gottes gegen den Sünder ausgelegt, d. h. als der eschatologische, für immer von Gott trennende Tod 22 . Damit ist das Sein der adamitischen Menschheit als absolute Hoffnungslosigkeit deklariert. die beiden Gestalten je für sich in ihrem Verhältnis zu den übrigen Menschen: Durch den Einen (werden betroffen) — alle. Verschiedentlich wird auch das Kausalitätsverhältnis als Entsprechungsverhältnis gedeutet: „Wie der Eine — so alle Seinesgleichen" (Schunack, Problem 251; Schottroff, Welt 116). Aber dies Verständnis ist aus l.Kor. 15,48 gewonnen und läßt sich für Rom. 5,12—21 nur für die Adam-Seite belegen und auch hier nur andeutungsweise, dort nämlich, wo indirekt von denen gesprochen wird, die wie Adam sündigten (V. 14). 21 Zum Zusammenhang von Adam und seinen Nachkommen sowie zur Bedeutung des Gesetzes vgl. Brandenburger, Adam 57 f. 51 f. 56 ff.; Harnisch, Verhängnis 148 f. 163 f. 194 ff. 201 f. Zum Motiv des Anrechnens vgl. Brandenburger, a.a.O. 197 f. Auf den Einbezug des religionsgeschichtlichen Problems der Anthropos-Vorstellung muß und kann hier verzichtet werden. Vgl. das Material und seine Erörterung bei Brandenburger (a.a.O. 68 ff.) und die weiterführende Diskussion bei Schottroff (Welt 115 ff.) sowie die konzentrierten Darlegungen bei Conzelmann (l.Kor. 338 ff.) und Käsemann (Rom. 132 ff.). 22 Brandenburger bemerkt zu V. 12 richtig, daß „hier mit θανατος primär die Verlorenheit des Menschen vor Gott in einem letzten Sinn gemeint ist" (Adam 165), daß es sich „um den Tod unter eschatologischem Blickpunkt handelt" (ebd. 166). Er bleibt jedoch die Konsequenzen aus dieser Beobachtung schuldig. Siehe unten, S. 166 mit A. 26.

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Nach Paulus gilt der genannte Zusammenhang von Sünde und Tod für alle Menschen, d. h. für alle von Adam bis Jesus Christus. Nach der skizzierten jüdisch-apokalyptischen Anschauung ist die eschatologische Anrechnung der Sünde jedoch an das Mosegesetz gebunden. Damit scheint die von Paulus vorgenommene Rückführung des mit Adam gemeinsamen Todes auf das je eigene Sündigen durch den Tatbestand widerlegt zu werden, daß auch die Menschen zwischen Adam und Mose starben. Diesen möglichen Einwand 2 3 gegen seine Auslegung nennt Paulus in Y. 13 selbst beim Namen, und zwar ohne die Gültigkeit des Satzes zu bestreiten, daß „die Sünde nicht angerechnet 24 wird, wo kein Gesetz ist". Er macht gegen die Möglichkeit, den Satz als Einwand zu verstehen, geltend, daß „der Tod auch über die herrschte, die nicht wie Adam sündigten", d. h. in Form einer Gebotsübertretung (V. 14) 25 . Daran, daß der Tod herrschte, ist ablesbar, daß alle sündigten; denn der Tod herrschte ja, weil alle sündigten. Aber damit ist die Aporie, die sich aus der Behauptung V. 12d angesichts der Maxime V. 13b ergibt, nicht gelöst, sondern nur bestätigt. Der Grund für ihr Zustandekommen liegt nach dem religionsgeschichtlichen Vergleich auf der Hand: Paulus hat, indem er den mit Adam gemeinsamen Tod auf die Sünde zurückführt, bereits ein eschatologisches Urteil über die ganze Geschichte gefällt und damit diese Geschichte eschatologisch am Gesetz gemessen 26 . Obwohl er das Gesetz 23 Brandenburger (a.a.O. 201) erkennt V. 13b zutreffend als Einwand (des Paulus gegen sich selbst; allerdings sei V. 13b „auf dem Boden jüdischen Denkens erwachsen", ebd. 200), interpretiert ihn jedoch unsachgemäß (vgl. unten, S. 166 mit A. 26). Jüngel (Gesetz 54), der den religionsgeschichtlichen Hintergrund außer acht läßt, bestreitet, daß V. 13b einen Einwand darstelle, erfaßt jedoch die Relevanz des Gesetzes für die Aussagen in V. 12 ff. (s. unten, S. 168). 24 Die Bedeutung von ελλογειν als „in das himmlische Schuld- und Sündenregister eintragen" hat zuerst Friedrich (Harmatia 523 ff., Zitat 526) wahrscheinlich gemacht. Der,Begriff ist also, durchaus in Übereinstimmung mit der oben dargestellten Funktion des Gesetzes in der jüdischen Apokalyptik, durch seinen Bezug zum Gericht eschatologisch qualifiziert. Friedrichs eigene Deutung von Rom. 5,13 f. — Paulus wolle sagen, die Strafe werde in der Zeit von Adam bis Mose „nicht auf den späteren Gerichtstag verschoben, wo jeder vor den Richter treten wird, um das Urteil aufgrund seiner einzelnen Taten zu empfangen, sondern der Tod herrschte ohne besonderes Urteil" — vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn wie der Tod bereits in V. 12 als eschatologischer Tod verstanden ist, das Gericht also bereits mit im Spiel ist, so unterscheidet Paulus auch im folgenden nicht zwischen dem Tod der Menschen von Adam bis Mose als nichteschatologischem Tod und dem Tod der nachmosaischen als eschatologischem, sondern deutet den Tod aller Menschen als eschatologische Verurteilung. Vgl. unten, S. 167 f. 25 Vgl. Michel, Rom. 139. 26 Brandenburger (Adam 203) sieht in V. 12—14 gerade eine Bestreitung der „universale(n), entscheidende(n) Stellung" des Mosegesetzes, da die „Universalität von Sünde und Tod . . . durch die Behauptung ihrer Priorität vor dem Mose-

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hier als eschatologische Größe ins Spiel bringt, versucht er zugleich, seiner historischen Fixierung als Mosegesetz gerecht zu werden 27 . So liegt der entscheidende Punkt in der Frage: Wie kommt Paulus dazu, jenen Zusammenhang von Sünde und Tod aller herzustellen? Der Schlüssel zu ihrer Beantwortung liegt in der Christologie. Wenn verkündigt wird, daß Jesus Christus auferweckt ist, dann impliziert dies die Auffassung, daß der eschatologische Richtspruch Gottes am Maßstab des Verhältnisses zum Gesetz bereits erfolgt ist28. Es besagt zugleich, daß Jesus Christus gehorsam gewesen ist und die Rechtsforderung Gottes erfüllt hat (vgl. V. 18 f.). Wenn aber als eschatologisches Urteil gilt, daß nur dieser Eine das Gesetz erfüllt hat, dann werden alle anderen, die nicht dieser Eine sind, als Sünder erwiesen. Indem sie aber eschatologisch — durch das Geschick Jesu Christi — als Sünder offenbar werden, wird erstens deutlich, daß hinter der Herrschaft des Todes nicht Adams Sünde allein steht, sondern die Sünde aller, daß also bei den Vielen irdischer und ewiger Tod identisch sind. Und es kommt zweitens ans Licht, daß für alle außer dem Einen die Thora nur ein Gesetz sein kann, durch das ihnen die Sünde zur eschatologischen Verurteilung angerechnet wird, durch das also der Tod als ihr eschatologisches Geschick zu Gesicht kommt. Die paulinische Aussage, daß der Tod zu allen durchgedrungen sei, weil alle sündigten, ist somit christologisch begründet und als solche ein eschatologisches Urteil. Sofern sie dies ist, ist darin die Größe „Gesetz" bereits ins Spiel gebracht, eben weil das eschatologische Gericht am Maßstab des Verhältnisses zum Gesetz erfolgt. gesetz" zur Geltung gebracht würde. Doch historisiert er damit den eschatologischen Tod, als den er den θανατος in V. 12 selbst versteht (s. oben, S. 165 A. 22), und verkennt zugleich, daß Paulus vom Christusereignis her argumentiert (vgl. im folg.)· Seine Auffassung ist von demselben Einwand wie die Deutung Friedrichs betroffen (s. A. 24). 27 Vgl. Conzelmann, Theol. NT 220: „Die ganze Unstimmigkeit in Rom 5 resultiert aus der Zeitvorstellung." 28 Stuhlmacher (Ende 27) urteilt grundsätzlich sachgemäß: „Im Evangelium wird proklamiert, daß Gott in Christus und seiner Herrschaft das Heil des Jüngsten Tages schon hat anbrechen lassen." Aber hier und in der nachfolgenden Explikation kommt das im Begriff des Jüngsten Tages enthaltene Gerichtsmotiv nicht hinlänglich zum Ausdruck. Die Identifizierung von Christus als des „Gesetzes Ende" und als „Heilbringer des Jüngsten Tages" erweckt fast den Anschein, als würde im Tod Jesu Christi nicht die Sünde oder der Mensch als Sünder, sondern das Gesetz gerichtet. Hier gilt es stärker zu differenzieren, als die thematische Wendung „Ende des Gesetzes" es erlaubt. Vgl. auch unten, S. 250 ff. zu Rom 10,4 und zu Stuhlmacher bes. S. 252 A. 21. Ähnlich wie bei Stuhlmacher wird bei Eichholz (Paulus passim) der nachhaltig zu bekräftigende christologische Zugang zur paulinischen Theologie hinsichtlich der Gesetzeslehre durch die Fixierung auf den Topos „Christus des Gesetzes Ende" beeinträchtigt.

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Dieser Tatbestand, daß in V. 12 ff. auf der Adam-Seite das Gesetz durchgehend eschatologisch eingebracht ist, ist zutreffend von Jüngel 29 erkannt worden. Jüngel kommt zu diesem Verständnis durch die Deutung von V. 13b als „aus der Rechtfertigungslehre resultierenden eschatologischen Vorbehalt(s)" des Sinnes, daß die Sünde ohne das Gesetz „nicht als Sünde eschatologisch zur Geltung gebracht" werde30. Demgegenüber ist festzuhalten, daß beide zitierten Bestimmungen an sich durchaus im Rahmen der jüdischen Apokalyptik verständlich sind. Denn auch nach deren Verständnis werden die Übertretungen als solche eschatologisch durch das Gesetz aufgewiesen. Der entscheidende Punkt ist vielmehr die Behauptung, daß das Gesetz jetzt eschatologisch als das Medium erkannt ist, das nur die Sünde zur Geltung bringen kann, weil alle sündigten. Diese Behauptung, die hermeneutisch darin zum Zuge kommt, daß die adamitische Menschheit als dem eschatologischen Tod verfallen bezeichnet wird, aber ist, wie aufgezeigt, christologisch begründet. Entsprechend ist die Jüngelsche Bestimmung der Funktion des Gesetzes im Hinblick auf Rom. 5,12 ff. dahingehend zu präzisieren, daß Paulus das Gesetz vom Christusereignis her eschatologisch zur Geltung bringt, indem er den Tod aller als eschatologischen, durch die Sünde bewirkten Tod deutet. Denn das „eigentliche", besser: das negative Thema von Rom. 5,12—21 ist „die Herrschaft des Todes"31.

Die Sachgemäßheit der unternommenen Interpretation von Rom. 5,12—14 zeigt sich in dem Abschnitt V. 15—17, in dem Paulus die Antwort auf die Frage darbietet, inwiefern durch die Heilstat Jesu Christi das volle Heil eröffnet ist. Auf zwei Behauptungen der Ungleichheit der Entsprechung Adam—Jesus Christus (V. 15a. 16a) folgen jeweils deren Begründungen (V. 15b. 16b f.). Die erste Begründung (V. 15b) baut auf der Differenz auf, die in der vorangehenden Behauptung dadurch gekennzeichnet ist, daß Paulus für die ChristusSeite anstelle des zu erwartenden antithetischen Begriffs δικαίωμα32 den Terminus χαρισμα wählt. Das Heil beruht nicht auf menschlichem Tun, sondern ist Gnadengabe Gottes33. Punctum saliens der behaupteten Ungleichheit ist damit die unverhältnismäßig größere Gewißheit des Gnadenempfangs, die sich daraus ergibt, daß in Jesus Christus Gott selbst gehandelt hat (V. 15b). Von Bedeutung ist dabei 29

Gesetz 54 f.; ihm folgend Schunack, Problem 23+ ff. Auch Käsemann (Rom. 144) urteilt im Hinblick auf V. 16, es komme vom „Gericht über der Sünde des Protoplasten . . . zur Verdammnis der von ihm abhängigen Welt im vorweggenommenen eschatologischen Gotteszorn". Die Implikationen dieser Aussage hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Größe „Gesetz" (vgl. nur Rom. 4,15) werden jedoch nicht von ihm bedacht bzw. mittels einer vordergründigen Ablehnung der These Jüngels ausgeklammert (ebd.). Vgl. auch unten, S. 174 A. 50. 30 A.a.O. 55 (das erste Zitat bei J. gesperrt); vgl. Schunack, a.a.O. 258 f. 31 Bomkamm, Anakoluthe 84 A. 19. 32 Vgl. V. 18. Wie dieser Vers belegt, ist also nicht υπακοή der Gegensatz von παραπτωμα (gegen Bultmann, Adam 435). 33 Das Verständnis von χαρισμα als Gabe an den Menschen (statt als Gnadentat Jesu Christi; so z.B. Bornkamm, Anakoluthe 85), wird durch das parallele δώρημα in V. 16 nahegelegt.

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die folgende Beobachtung: Paulus bewegt sich getreu seinem Ansatz in V. 15a, die Tat Adams (Verfehlung) nicht der Tat Jesu Christi, sondern deren Ertrag für die Vielen gegenüberzustellen, in V. 15b auf der Adam- und der Christus-Seite terminologisch auf einander nicht entsprechenden Feldern. Er spricht zwar von der Verfehlung Adams und dem Tod aller als deren Folge, nicht aber etwa von der Rechtstat Jesu Christi und dem Leben aller als deren Konsequenz. So scheint das in V. 12—21 anstehende Problem vorerst auf den Stand gebracht, den es zu Beginn von Kap. 5 einnahm: Durch Jesus Christus „haben wir den Zugang erlangt zu der Gnade, in der wir stehen" (V. 1). Das Neue in V. 15 ist, daß jetzt die Eröffnung der Gnade durch Jesus Christus und die Todverfallenheit durch die Tat Adams direkt konfrontiert werden 34 . Weil in V. 15 eine Antwort nur mehr vorbereitet ist, setzt Paulus in V. 16 noch einmal wie in V. 15a ein. In einer ersten Begründung (V. 16b) belegt er die neuerlich behauptete Ungleichheit mit dem Verweis auf die Unterschiedlichkeit des Einsatzpunktes 35 von Heil und Unheil. Die Verurteilung hat ihren Ausgangspunkt bei dem Einen genommen und zur Verdammung geführt, die Gnadengabe dagegen hat bei vielen Verfehlungen eingesetzt und die Rechtfertigung gebracht 36 . Die Uberzeugungskraft dieser Begründung liegt weniger in ihrem sachlichen Gehalt als in der formalen, fast einem Wortspiel gleichenden Antithese εξ ενος — εκ πολλών παραπτωματων. Versucht man deren Sinn näher zu bestimmen, so ergeben sich sofort unüberwindliche Schwierigkeiten, wenn nicht Absurditäten: „Die Gnade ist also (sc. weil sie ihren Einsatz bei den Vielen nimmt) unendlich viel breiter fundiert." 3 7 Deshalb scheint der Satz, so gewiß er in seiner ganzen Unbeholfenheit die Andersartigkeit der Gnadengabe in ihrem 34

Bultmann (Adam 435) sagt zu Y. 15: „Daß diese Gnadengabe das Leben ist, versteht sich im Zusammenhang der Antithese Adam—Christus von selbst." Aber damit wird die Pointe des Gedankenganges von Rom. 5,12 ff. verdorben. Erstens stellt Paulus im ganzen Abschnitt gerade nicht Tod und Leben unvermittelt gegenüber, und zweitens begegnet das Stichwort ζωη nicht zufällig erst in V. 17. Vgl. im folg. 35 Vgl. Jüngel, Gesetz 64. 36 Vgl. Bultmann, Adam 436; Bornkamm, Anakoluthe 86. 37 So Brandenburger, Adam 226. Brandenburger lehnt sich dabei an Bornkamm (Anakoluthe 82) an. Aber Bornkamm erkennt seine Formulierung selbst als mißverständlich und ergänzt: „das πολλω μάλλον der Gnade erweist sich darin, daß sie die Übertretungen und die Verdammnis der Vielen überwindet". Doch ist V. 16 nicht als Schluß a minori ad maius formuliert. Brandenburger spricht erläuternd von der „unendlich schwierigeren Aufgabe" der Gnade gegenüber den „Verderbnismächten Sünde und Tod". Aber der Gegensatz zu χαρισμα in V. 16 sind nicht diese, sondern κρίμα. So belegen diese Auslegungsversuche nur die oben genannte Schwierigkeit.

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Bezug auf viele Verfehlungen hervorheben will, noch eine andere Funktion zu erfüllen. Sie kommt zum Vorschein, wenn man den Konzessivsatz in V. 16b mit den ebenfalls die Adam-Seite betreffenden Bedingungssätzen in V. 15b und V. 17 vergleicht. In den letzteren wird jeweils der Zusammenhang von Adams Verfehlung und Todesherrschaft herausgestellt. In V. 16b dagegen charakterisiert Paulus die Adam-Seite mittels Begriffen der Rechtfertigungsterminologie, indem er die bisher als „Tod" bezeichnete Folge der Tat Adams als von der Verurteilung Adams 38 ausgehende Verdammung auslegt. In Entsprechung dazu führt er über die bezüglich der Christus-Seite getroffenen Aussagen hinaus, indem er von der Gnadengabe sagt, sie führe zur Rechtfertigung. Paulus scheint diese Interpretation vorzunehmen, weil er nur so die hinter V. 12—21 stehende Frage zu lösen vermag, inwiefern in dem die Rechtfertigung durch Jesus Christus proklamierenden Kerygma das volle Heil beschlossen ist. Der durch Adams Verfehlung heraufgeführte Tod, dem alle verfallen sind, weil alle sündigten, bedeutet die eschatologische Verdammung. Die durch Jesus Christus geschenkte Gnadengabe hat die der Verdammung entsprechende Rechtfertigung zur Folge. Die Frage nach dem Leben steht damit unmittelbar zur Entscheidung an. Die zweite Begründung für V. 16a in V. 17 ist wie V. 15b in Form eines Qal-Wachomer-Schlusses dargeboten. Anders als in V. 15 ist jedoch jetzt in die größere Gewißheit, die Paulus als Argument für die These V. 16a anführt, die ζωη einbezogen, und zwar auf der Basis der Aussagen in V. 15b. 16b. Die Gnade und das Geschenk, die nach V. 15b allen Menschen in reichem Maß zuteil geworden sind, werden in Übereinstimmung mit V. 16b (χαρισμα εις δικαίωμα) als δικαιοσύνη bestimmt. Und nach der Interpretation des Todes als eschatologische Verdammung in V. 16b wird konsequent (unter Anlehnung an die Terminologie des Bedingungssatzes V. 17a) fortgefahren, daß die, die die Gerechtigkeit empfangen, „in der ζωη herrschen werden durch den Einen Jesus Christus" (V. 17b). Damit wird deutlich, worin das erwähnte „Mehr" der Aussage Rom. 5,17 gegenüber Rom. 5,9 f. begründet ist. Indem Paulus den durch die Verfehlung Adams eröffneten und von allen durch ihr Sündigen übernommenen Tod ausdrücklich als eschatologische Verurteilung auslegt, wird die durch Jesus Christus heraufgeführte Gerechtigkeit (V. 17) bzw. Rechtfertigung (V. 16) als Gabe Gottes offenbar, die den Tod als eschatologische Verdammung überwindet und damit den Zugang zum eschatologischen Leben eröffnet 39 . Gerade indem Jesus Christus „um unserer 38 39

Vgl. Michel, Rom. 141. Vgl. die entsprechende Auslegung von η διακονία του θανατου durch η δια-

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Verfehlungen willen hingegeben" und „um unserer Rechtfertigung willen auferweckt" worden ist (Rom. 4,25), ist durch ihn das volle Heil erwirkt. Denn das Geschenk der Rechtfertigung nimmt dem Tod den Charakter der eschatologischen Verurteilung und bewirkt als solche die Teilhabe am ewigen Leben. Zukünftig ist diese Teilhabe am Leben folgerichtig deshalb, weil Jesus das Heil in der Zeit eröffnet hat, also für die, die noch dem Phänomen des Todes ausgesetzt sind 40 . Weil aber die Gnade Gottes auf Menschen zielt, die dem Tode ausgesetzt sind, darum sind auf der Basis der Rechtfertigung gewonnene Gewißheitsaussagen zugleich die einzige Möglichkeit, das Mehr der Gnade Gottes zu bezeugen, und darum ist die Gewißheit der Modus der Zukunftsmächtigkeit der Gerechtfertigten. In dieser Hinsicht kann Paulus in V. 17 nicht über Rom. 5,9 f. hinauskommen. Die Entfaltung der Gnadengabe Gottes durch ihre Gegenüberstellung mit der Tat Adams h^t ihm jedoch den Nachweis ermöglicht, der in Rom. 5,1 bis 11 ausstand: Das rechtfertigende Handeln Gottes in Jesus Christus eröffnet das volle Heil. Indem Paulus diesen Nachweis durch Deutung des Todes in der adamitischen Menschheit als eschatologische Verurteilung durchführt, wird durch V. 15—17 die Auslegung von V. 12—14 bestätigt: Die Rückführung des Todes aller auf das je eigene Sündigen ist ein christologisch begründetes, eschatologisches Urteil, in dem die Anrechnung des Gesetzes zum Tode vorausgesetzt ist41. In V. 18 f. führt Paulus die Entsprechung Adam—Jesus Christus uneingeschränkt durch. Die Gegenüberstellung von παραπτωμα Adams und δικαίωμα Jesu Christi (V. 18) legt die Deutung der Rechtstat κονια της κατακρισεως und die ebenfalls entsprechende Gegenüberstellung von η διακονία της κατακρισεως und η διακονία της δικαιοσύνης in 2.Kor. 3,7.9. 40 Vgl. Brandenburger, Adam 230 f.: „Die überschwengliche Gewißheit der gegenwärtigen Heilsfülle (v. 15b; vgl. v. 18b) bedeutet nicht schon in schwärmerischer Überspringung der Geschichtlichkeit der Glaubenden deren schließliche Vollendung. Das bringt Paulus Rom. 5 12—21 zum Ausdruck durch eine gewisse Differenzierung von δικαιοσύνη bzw. δικαιωσις und ζωη." 41 In beiden Aussagen von V. 16, die die Folgerung in V. 17 vorbereiten, ist die Größe „Gesetz" vorausgesetzt (vgl. Dahl, Notes 46; Jüngel, Gesetz 64). Damit wird deutlich, daß der Nomos das Phänomen ist, das Paulus die Möglichkeit gegeben hat, den Nachweis zu führen, daß in dem Kreuzestod Jesu Christi das volle Heil beschlossen ist. In diesem Sinne, also in strengem Bezug auf das Problem, das im Hintergrund von Rom. 5,12—21 steht, ist der These Jüngels (a.a.O. 57; ebenso Schunack, Problem 243. 248) zuzustimmen, „daß die Einführung des Gesetzes in den Entsprechungsgedanken die Durchführung der Entsprechung AdamChristus theologisch möglich macht". Denn in l.Kor. 15 vermag Paulus die Entsprechung auch ohne Bezug auf das Gesetz zur Geltung zu bringen. Treffender ist die Bestimmung Schunacks (a.a.O. 249 f.), daß das „Verständnis des Todes thematischen Rang für die Entsprechimg von Adam und Christus" habe.

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ebenso auf die Erfüllung des Gesetzes fest wie die parallele Umschreibung der Tat Jesu Christi als Gehorsam (V. 19)42. Mit der Bezeichnung des Ertrages der jeweiligen Tat als (eschatologische) Verdammung aller Menschen einerseits, als „Rechtfertigung, die zum Leben führt" 4 3 , andererseits (V. 18) knüpft Paulus unverkennbar an V. 16 an. Durch den Zusatz ζωης bringt er dabei den Zusammenhang von Gerechtigkeit und Leben ein, wie er ihn in der V. 15 f. zusammenfassenden Aussage V. 17 dargetan hat 44 . Die Beobachtung, daß er die Folge der Tat Adams gerade als κατακριμα bezeichnet, bekräftigt die vorgetragene Auffassung von V. 16. Die mit den Begriffen παραπτωμα45 und δικαιωσις46 gegebene Verbindung zu Rom. 4,25 spricht sodann dafür, daß Paulus bei der Rechtstat Jesu Christi in erster Linie an seinen Kreuzestod denkt. Indem Paulus die Tat des Gekreuzigten im Gegenüber zur Tat Adams expliziert, vermag er nicht nur zu zeigen, daß die Rechtfertigung das ganze Heil beinhaltet, sondern auch, inwiefern es überhaupt durch den einen am Kreuz hingegebenen Menschen eröffnet ist: Wie das Unheil durch die Verfehlung des Einen Adam in die Welt gekommen ist, so auch das Heil durch die Rechtstat des Einen Jesus Christus. In V. 20 f. greift Paulus auf V. 12—14 zurück (V. 13), indem er ausdrücklich auf den Nomos zu sprechen kommt. Die Bezeichnung seiner Funktion als Vermehrung der Sünde ist insofern konsequent, als nach dem V. 12—14 Gesagten und V. 15—17 Vorausgesetzten das Gesetz jedenfalls keine Leben eröffnende Funktion ausüben kann. Denn alle sind ja schon immer der Sünde und damit dem Tode verfallen. Die Bestimmung der Aufgabe des Gesetzes als πλεοναζειν gibt sich deutlich als Vermittlungsversuch zwischen den widersprüchlichen Aussagen in V. 12—14 zu erkennen, daß die Sünde ohne die Thora 42

Vgl. Rom. 8,7 f. und dazu oben, S. 151 f. Zur Deutung von ζωης als Genitiv der Richtung und des Zweckes s. Rornkamm, Anakoluthe 88. Die von Paulus angestrebte Differenzierung in der Zuordnung von Rechtfertigung und Leben wird aufgehoben, wenn man die Verbindung wie Käsemann (Rom. 147) als gen. qual. deutet (Übers. „Leben in der Rechtfertigung", ebd. 130). 44 V. 18 wird, obwohl er als Folgerung angeschlossen ist (αρα ουν), in V. 19 noch einmal begründet. Adams Tat hat die Verdammung aller zur Folge (V. 18), weil sie durch seinen Ungehorsam zu Sündern geworden sind (zu diesem Sinn von καθισταναι Pass. s. Rauer, Wb 771), und ebenso hat die Rechtstat Jesu Christi die Rechtfertigung des Lebens zur Folge, weil durch seinen Gehorsam alle zu Gerechten werden. Das Futur in V. 19 kann, sofern V. 19 Begründung für V. 18 ist, nur logisches Futur sein. Das entscheidende Gewicht hat in V. 18 f. in jedem Fall V. 18. 45 Siehe außerdem V. 15. 16. 17. 20. Hier hätte Paulus auch παραβασις sagen können; vgl. V. 14 und Gal. 3,19. 48 Vgl. Fuchs, Freiheit 24. 43

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nicht angerechnet wird, daß aber dennoch stets der Tod herrschte, weil alle sündigten. Freilich ist die Vermittlung vielleicht sprachlich, nicht aber sachlich gelungen, da das historische Element der Aussage mit der Anspielung auf V. 13 erhalten bleibt 47 . Das aber bedeutet, daß die Aussage über das Gesetz in V. 20 wie in V. 12—14 als eschatologisches Urteil zu interpretieren ist48. Paulus erkennt dem Nomos in V. 20 eine soteriologische Funktion zu. Denn wenn da, wo die Sünde durch das Gesetz zunimmt, die Gnade in noch größerem Maße zuteil wird, geht das Ubermaß der Gnade auf das Gesetz zurück. Der Grund für diesen Zusammenhang zwischen Gnade und Gesetz wird in dem Finalsatz V. 21 erkennbar: „Wie die Sünde im Tode herrschte, so soll auch die Gnade durch die Gerechtigkeit herrschen zum ewigen Leben durch Jesus Christus unseren Herrn." Wie in V. 17b und V. 18 wird die Gnade als Gerechtigkeit bestimmt, die ins Leben führt. Es wird also im Gegenüber zum Tod (V. 17) bzw. der Verdammung (V. 18), die auf der AdamSeite zusammenfallen, zwischen δικαιοσύνη und ζωη differenziert. Wie dort wird damit dem Tatbestand Rechnung getragen, daß das Heil in der Zeit zuteil wird. Doch ist V. 21 keine reine Wiederholung von V. 17 f. Vielmehr ist die Sünde, die im Tode herrscht, jetzt durch V. 20 ausdrücklich als die durch das Gesetz gesteigerte Sünde bestimmt. Und entsprechend ist der Tod, in dem die Sünde herrschte, als die Verdammung festgelegt, die dem Menschen von der Sünde durch das Gesetz beschafft ist. Da aber die Gnade Gottes darin besteht, daß sie den vom Tode beherrschten Menschen durch Jesus Christus die Gerechtigkeit schenkt und damit die Herrschaft der Sünde beendet, ist es das Gesetz, daß als Mittler zum Tode gleichsam die Voraussetzung dafür geschaffen hat, daß die Gnade Gottes dem Menschen zuteil wird, die Gnade, die als Gabe Gottes der Sünde überlegen ist. Deshalb, weil die Sünde durch das Gesetz zunimmt, d. h. 47

Vgl. oben, S. 167 mit A. 27. Vgl. außerdem Gal. 3,19 ff., wo ein ähnlicher Sachverhalt vorliegt. Paulus macht eine Reihe von theologisch-teleologischen Aussagen über das Gesetz (V. 19. 22—24). Sie werden jedoch verkannt, wenn sie nicht streng als eschatologische Aussagen interpretiert werden. Denn die Bestimmung, daß das Gesetz (nur) um der Übertretungen willen hinzugefügt worden sei (V. 19), und die weiteren Deutungen, daß die Schrift alle unter der Sünde eingeschlossen habe (V. 22) bzw. daß „wir unter dem Gesetz gefangengehalten wurden . . . " (V. 23), setzen je die eschatologische, von Christus her gewonnene Erkenntnis voraus, daß alle Sünder sind, also unter dem Gesetz gar kein anderes Geschick erleiden konnten. Die Möglichkeit, die Zeit unter dem Gesetz positiv auf die Zeit des Glaubens zu beziehen (vgl. die finalen Sätze und Wendungen in V. 19 ff.), ist wie jene Erkenntnis in der Gewißheit begründet, daß Jesus Christus gekommen ist, um gerade die, die unter dem Gesetz sind, freizukaufen (4,4 f.). So sichern die Aussagen in Gal. 3,19 ff. den Grund, von dem sie selbst herkommen, die Rechtfertigung aus Glauben. 48

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den Menschen durch das Gesetz in den Tod führt, und weil der Mensch durch das Gesetz in der Wirklichkeit festgehalten wird, in der der totenerweckende Gott allein den Menschen erreicht49, kann Paulus sagen, daß an dem Ort, an dem die Sünde (durch das Gesetz) die Herrschaft im Tode ergriffen hat, die Gnade in noch größerem Maße zuteil geworden ist. Das „Mehr" (υπερ-περισσευειν) der Gnade ist in V. 20 dasselbe wie in V. 15. 17. Was über jene Aussagen hinausgeht, ist die soteriologische Funktion, die Paulus dem Gesetz ausdrücklich im Rahmen der Machtergreifung der Gnade zuschreibt50. Freilich gilt es zu beachten, daß Paulus in V. 20 f. von Gesetz, Sünde und Gnade ohne ausdrücklichen Bezug auf den von ihnen betroffenen Menschen spricht. Die beiden Verse entsprechen darin dem Duktus des gesamten Abschnittes Rom. 5,12—21. Er ist christologische Deutung ohne anthropologisch-soteriologische Explikation. In deren Fehlen ist die Notwendigkeit der Ausführungen in Kap. 6—8 begründet. Denn zwar zeigt Paulus auf, daß durch den Einen Jesus Christus das volle Heil zu allen gekommen ist. Aber es ist zu allen gekommen nicht als unabwendbares Geschick, sondern — ihrem Sein im Tode und seinem Kreuzestod entsprechend — als Möglichkeit51. Wie aber gewinnt der einzelne Mensch teil an dem durch Jesus Christus eröffneten Heil? Dieser enge Bezug zwischen Rom. 5,12—21 und den folgenden Ausführungen tritt gerade im Verhältnis zu Rom. 8 zutage. Als The49 Vgl. Bultmann, Theol. NT 268 f. und die Zusammenfassung dieser Ausführungen durch Conzelmann, Theol. N T 250 A. 9: „Das Gesetz f ü h r t in den Tod, u m Gott als den Gott erscheinen zu lassen, ,der die Toten erweckt'." 60 Luz (Geschichtsverständnis 203) deutet πλεοναζειν dahingehend, daß „das Gesetz die Unentschuldbarkeit und Ausweglosigkeit der Sünde erweist". Aber er bleibt einmal eine Erklärung schuldig, warum Paulus vom „Zunehmen" der Sünde spricht, und zum anderen kommt das Phänomen des Todes bei dieser Definition nicht in den Blick. Treffend dagegen Schunack, Problem 250: „Das Gesetz fixiert die vom Todesgeschick bestimmte Wirklichkeit des Sünders als Ort der G n a d e . . . ; das Gesetz hält die Gnade als Gnade (für den Sünder) fest." Die Urteile Käsemanns (Rom. 148), „daß das Gesetz keine Anknüpfungsmöglichkeit f ü r die Welt des Christus darstellt", der Finalsatz (V. 20a, der natürlich nicht von V. 20b. 21 abtrennbar ist) vielmehr ausspreche, „daß das Gesetz keine Bedeutung f ü r die Antithese von Adam und Christus, sondern Gewicht nur f ü r die Welt Adams hat", tragen dem angezeigten Zusammenhang in keiner Weise Rechnung. Wird dieser Zusammenhang aufgelöst, bleibt fraglich, ob dann überhaupt noch der Satz eingelöst werden kann, der Apostel habe „von Adam und dem durch ihn verursachten Unheil gesprochen, u m auf solcher Folie die Wirkung der Heilstat darstellen zu können" (Käsemann, ebd. 141), zumal in der erforderlichen Differenzierung. Das enthusiastische Resümee (ebd. 149 zu V. 21) „Gnade, Gerechtigkeit, ewiges Leben" seien „nicht mehr zeitlich oder kausal zu trennen", erscheint von daher als durchaus konsequent.

" Vgl. Bultmann, Adam 437.

1. Zur Funktion von 6,1—7,6

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ma dieses Kapitels wurde die Frage nach der Wirklichkeit des Heils f ü r den Menschen im Angesicht des Todes bestimmt. Diese Frage hat ihre exakte Entsprechung in der Rom. 5,12—21 zugrundeliegenden, inwiefern im Kerygma von der rechtfertigenden Tat Gottes in Jesus Christus das volle Heil beschlossen ist. Denn beide Fragen entstehen an dem Phänomen des Todes, das der Verkündigung Jesu Christi als des Erlösers und der Bezeichnung der Glaubenden als der Erlösten zu widerstreiten scheint. Rom. 5,12—21 lassen sich deshalb als christologischer Kontext von Rom. 8 klassifizieren. Der Zusammenhang zwischen beiden Kapiteln kommt beispielhaft gleich in der einleitenden Behauptung von Rom. 8 zum Ausdruck, wo Paulus zum ersten Mal nach Rom. 5,12—21 wieder den Begriff κατακριμα gebraucht. Dieser terminologische Befund beruht ebensowenig auf einem Zufall wie derjenige, daß auch der in Rom. 5,12—21 der Verdammung entgegengesetzte Zusammenhang von δικαιοσύνη (δικαιωσις) und ζωη (V. 17, 18. 21) ausdrücklich erst wieder zu Beginn von Rom. 8 geltend gemacht wird (V. 10). Freilich wäre es ein Fehlschluß, wollte m a n Rom. 8,1 aufgrund jener terminologischen Beobachtung gleichsam als Folgerung aus Kap. 5 verstehen. Denn das, was in Rom. 8,1 mit der W e n d u n g τοις εν Χριστώ Ιησού vorausgesetzt ist, ist in Rom. 5,12—21 noch nicht zur Sprache gekommen, sondern wird von Paulus erst im 6. Kapitel erörtert 52 .

II. Die Taufe εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1-7,6) 1. Zur Funktion von Rom. 6,1—7,6 Wie angedeutet, trägt Paulus mit den Ausführungen in Rom. 6,1 ff. dem Charakter der in Tod u n d Auferweckung Jesu Christi bestehenden Heilstat Gottes selbst Rechnung. Diese Tat ist Heilstat, weil sie eschatologische Tat ist, die nicht die Zeit abschließt, sondern gerade in der Zeit geschieht und sie neu qualifiziert. Denn wäre diese Tat das die Geschichte sichtbar beendende eschatologisch-apokalyptische Offenbarwerden Gottes, so wäre sie Gericht ohne Möglichkeit der Umkehr. Gerade weil sie aber in der Zeit geschehen ist und das sichtbare 52

Vgl. Thüsing, Per Christum 67: „Im Gedankengang des Römerbriefes scheint 6,1—11 unter anderem gerade die Aufgabe zu haben, das In-Christus-Sein grundzulegen, das dazu in 8,1 wieder aufgenommen wird."

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II. Die Taufe εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

Offenbarwerden Gottes aussteht, bringt sie das Heil. Sie schafft die Möglichkeit, der Herrschaft von Sünde und Tod in der Zeit zu entrinnen und das heißt positiv, des Lebens teilhaftig zu werden. In demselben Grunde der Zeitlichkeit aber ist die Notwendigkeit beschlossen, die Ankunft des δια Ιησού Χρίστου heraufgeführten Heils bei den von ihm betroffenen Menschen zu entfalten, den Modus ihres Einbezogenseins in das Heilsgeschehen aufzuzeigen. Paulus unternimmt diese Entfaltung in Rom. 6,1—7,6, indem er die Taufe als das Geschehen interpretiert, durch das die Glaubenden dem unheilvollen Zusammenhang von Sünde, Gesetz und Tod entnommen sind. Sie sind der Sünde gestorben (6,1—14), frei von ihrer Herrschaft (6,15—23) und aus der Gefangenschaft im Gesetz befreit (7,1—6). Das beherrschende soteriologische Motiv ist, insbesondere in dem grundlegenden Abschnitt Rom. 6,1—141, das der Gleichgestaltung. Mit seiner Hilfe scheint Paulus der Zeitlichkeit des Heils sachgemäß entsprechen zu können. Weil der Eine Jesus Christus das Heil in der Zeit erwirkt hat und die Glaubenden in der Zeit leben, darum können sie des Heils nur teilhaftig werden, indem sie ihm selbst gleichgestaltet werden2. Literarisch knüpft Paulus in Rom. 6,1 an die Aussagen in Rom. 5,20 f. an, indem er die nach V. 20 scheinbar logische Folgerung des Verbleibens in der Sünde um der Gnade willen abwehrt 3 . Möglich ist die Folgerung an dieser Stelle überhaupt nur, weil der Apostel in Rom. 5,12—21 von Adam und Jesus Christus, Sünde und Gnade bzw. den von ihnen betroffenen Menschen allgemein gesprochen hat, also ohne ausdrücklichen Rezug auf die von ihm angeredeten Römer oder die Glaubenden schlechthin. Er widerlegt jene Folgerung entsprechend, indem er jetzt den Ort der Christen bestimmt: „Wie sollten wir, die wir der Sünde gestorben sind, noch in ihr leben?" (V. 2)4 Mit der in dem Relativsatz dieser rhetorischen Frage enthaltenen Behauptung απεθανομεν τη αμαρτία ist das Thema des ersten Teils von Rom. 6 (V. 1—14) genannt. Zwar wird in diesem Teil bereits auf den folgenden vorgegriffen (V. 6c.l2—14); trotzdem empfiehlt es sich angesichts der Parallelität der Einleitungen V. 1 und V. 15 und der je das Verhältnis der Glaubenden zur Sünde bezeichnenden Begriffe αποθνησκειν einerseits (V. 1 bis 14) und ελευθερουσθαι andererseits (V. 15—23), im angegebenen Sinne zu untergliedern. Der Abschnitt Rom. 7,1—6 gehört, obwohl er wie Rom. 7,7—24 vom Gesetz handelt, doch eher zu Rom. 6, da wie dort vom Sein der Glaubenden und

1

Zu Rom. 7,1-6 vgl. unten, S. 187 ff. Erst hier, innerhalb der ekklesiologisch-soteriologischen Explikation, kommt also das Schema: Wie der Eine — so die Vielen zur Geltung. Vgl. oben, S. 164 A. 20. ® Vgl. z.B. Bornkamm, Taufe 36; Gäumann, Taufe 69f. Paulus variiert damit zugleich einen Einwand, der nach Rom. 3,8 tatsächlich gegen seine Theologie geltend gemacht worden ist. Vgl. Jeremias, Gedankenführung 269 f. 4 Übers, nach Michel, Rom. 148. 2

2. Der Sünde gestorben und frei von ihr (6,1—23)

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Getauften gesprochen wird. Außerdem sind die Ausführungen in Rom. 6 und 7, 1—6 durch den inhaltlich übereinstimmenden Bezug auf das Gesetz (Rom. 6,14 f.) miteinander verklammert 5 .

2. Der Sünde gestorben und frei von ihr (Rom. 6,1—23) Paulus verleiht dem Motiv der Gleichgestaltung in Rom. 6,1—4 auf zweifache Weise sprachlichen Ausdruck. Einmal durch eine Reihe von Aussagen, die vom Sterben und zukünftigen Leben der Glaubenden συν Χριστώ sprechen (V. 4—8), zum anderen durch Vergleichssätze, die nach dem Modell gestaltet sind: ωσπερ Χρίστος — ούτως και ημείς / υμεις (V. 4. II) 1 . Sie haben ihren gemeinsamen christologischen Nenner in dem eschatologischen Heilsgeschehen von Tod und Auferwekkung Jesu Christi, an das Paulus die Römer in V. 9 f. in Form von christologischen Aussagen erinnert, die unter unverkennbarem Bezug auf den in Rom. 5,12—21 explizierten Zusammenhang von Sünde und Tod gebildet sind. Der Apostel paraphrasiert die formelhafte Wendung Χρίστος εγερθείς εκ νεκρών durch die Erläuterungen, daß der Auferweckte nicht mehr stirbt, der Tod keine Macht über ihn hat (V. 9). Die Machtlosigkeit des Todes über ihn ist darin begründet, daß er mit seinem Tod „ein für allemal" der Sünde gestorben ist und das, was er lebt, Gott lebt (V. 10). Das εφαπαξ qualifiziert den Tod 5

Vgl. Luz, Aufbau 170: Er zeigt überzeugend auf, daß in Rom. 6,16 ff. und 7,1 ff. zwei parallele Gedankengänge vorliegen (6,16:7,1; 6,17—19:7,2—4; 6,20f.: 7,5; 6,22:7,6), die Antwort auf die „Leitfrage" bzw. den „titelartigen Vers" Rom. 6,15 sind. Allerdings wird man das Prädikat „titelartig" nicht pressen dürfen. Denn erstens gilt es, den von Luz selbst hervorgehobenen Unterschied im Auge zu behalten, daß Paulus in 6,16 ff. von der „Befreiung von der Sünde" (besser vom Befreitsein von ihr), in 7,1 ff. vom Gesetz spricht; zweitens wird man die Beobachtung Kramers (Christos 21) bedenken müssen, daß „das Setzen einer vollen christologischen Titulatur in Endposition . . . paulinische Gepflogenheit" ist, dadurch also Einschnitte im Gedankengang gekennzeichnet werden (vgl. Rom. 6,23); drittens wird man zu beachten haben, daß das Interpretament δια του σώματος του Χρίστου in Rom. 7,4 in Rom. 6,17—19 gerade keine Parallele hat, diese vielmehr in dem Abschnitt 6,1 ff. enthalten ist, 7,1—6 in dieser Hinsicht also Rom. 6 insgesamt entspricht. 1 Vgl. Schnackenburg, Heilsgeschehen 152 f.; Larsson, Vorbild 48 ff. Allerdings differenzieren beide zu wenig zwischen den συν Χριστω-Aussagen und den Vergleichssätzen, indem sie verkennen, daß letztere in Rom. 6 durchweg paränetisch akzentuiert sind (nicht nur in V. 11, sondern auch in V. 4), Paulus also in V. 4 gerade einen Vergleichssatz wählt, um eine sakramentale (Mitauferstehungs-) Aussage zu vermeiden. Larsson interpretiert außerdem die συν Χριστω-Aussagen von den Vergleichssätzen her („In der Taufe sterben wir, wie er, der Sünde." A.a.O. 54.) und verkürzt die Taufaussagen damit um das entscheidende Element der Gegenwart Jesu Christi, das durch das „mit Christus" gerade namhaft gemacht wird. Vgl. unten, S. 180. 182 u. ö. 12

Osten-Sacken, Römer 8

178

II. Die Taufe εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

Jesu Christi als eschatologischen Tod, als den Tod, der nach jüdischapokalyptischer Überlieferung das am Maßstab des Gesetzes gefällte Urteil für den Sünder im Endgericht beinhaltet. Es ist der Tod, in den die Sünde führt, der aber deshalb, weil er der Tod des Auferweckten ist, dem Anspruch Genüge tut, den die Sünde nicht etwa auf Jesus Christus, sondern auf die Vielen hat 2 . Die Vielen sind also in dem Tode Jesu Christi mitgesetzt. Strittig ist, welche Vorstellung dabei im Hintergrund von Rom. 6,10 steht, ob — wohin die vorgetragene Interpretation tendiert — die des stellvertretenden Opfers oder die der „corporative personality"3. Die Frage ist von geringerer Relevanz, als es den Anschein haben könnte. Beide Vorstellungen stimmen darin überein, daß sie die umgreifende Bedeutung Jesu Christi aussagen wollen. Beide werden zugleich im Vollzug der Explikation der Bedeutung Jesu Christi gesprengt, und zwar dadurch, daß Paulus konsequent die Zeitlichkeit des eschatologischen Heils wahrt, indem er das εφαπαξ bzw. das „für uns" des Todes Jesu Christi nicht historisiert, sondern als den Menschen gegenwärtig betreffendes Geschehen auslegt. Denn obwohl Jesus Christus stellvertretend gestorben ist, müssen auch die Vielen in der Taufe sterben, und ebenso gewinnen die Christen, obwohl der Eine und in ihm theoretisch alle gestorben sind, erst in der Taufe an dem Tode des Einen Anteil. Wird dadurch die angezeigte Frage nach der Vorstellung relativiert, so ist die Aussage in Rom. 6,10, wie die Sünde-Tod-Terminologie zeigt, in jedem Fall im Horizont des hermeneutischen Zusammenhangs von Sünde, Gesetz und Tod auszulegen, wie er bereits im Hintergrund der Ausführungen in Rom. 5,12 bis 21 steht4. Dies Postulat ergibt sich nicht nur aus dem Zusammenhang mit Rom. 5,12—21 und der in Rom. 6,10 begegnenden Terminologie, sondern auch aus dem Verhältnis, in dem Sünde und Tod in Rom. 6,10 gesehen sind. Zwar wird der Dativ τη αμαρτία fast durchweg in Rom. 6,2.10.11 als dat. incomm. interpretiert („zuungunsten der Sünde") und die christologische Aussage V. 10 dann dahingehend gedeutet, daß Jesus Christus mit seinem Tod der Sünde „entronnen" sei (und in ihm die Vielen)5. Doch obwohl diese Interpretation des Dativs in den genannten Aussagen in bestimmtem, später zu nennendem Sinn durchaus möglich und angemessen ist, liegt zunächst für V. 11 die Auslegung als dat. comm. sehr

t Vgl. Fuchs, Freiheit 37; Michel, Rom. 156. Michel zitiert den treffenden Satz des Kirchenvaters Euthymius: τον θανατον, ov απεθανεν, δια την αμαρτιαν απεθανεν την ημετεραν. s Vgl. dazu ζ. Β. Thüsing, Per Christum 72 u. ö.; Tannehill, Dying 24 ff. 4 Die Gegenwärtigkeit dieses der Interpretation der Adam-Jesus-Christus-Typologie zugrundeliegenden Zusammenhangs in Rom. 6 kommt exemplarisch in Rom. 6,15 zum Ausdruck. Die Frage in V. 15a ist nur verständlich auf dem Hin1 der Aussage von Rom. 5,13, daß die Sünde ohne Gesetz nicht angerech5 Vgl. ζ. B. Thüsing, Per Christum 82 u. ö. Die Schwierigkeit, daß Paulus dann von Jesus Christus sagt, er sei der Sünde unterworfen gewesen, glaubt Thüsing durch den Hinweis überwunden, die „Macht, der sich Christus entzieht", werde „in V. 10 statt ,θανατος' ,αμαρτία' genannt, weil so die Forderung von V. 11 vorbereitet werden" könne. Diese Nivellierung der Bestimmung τη αμαρτία in V. 10, die bereits bei Schnackenburg (Heilsgeschehen 153) begegnet, dürfte kaum eine Empfehlung für die Auslegung sein, der sie dienen soll.

2. Der Sünde gestorben und frei von ihr (6,1—25)

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viel näher. Denn nur wenn der Dativ sowohl in dem Konzessivsatz (τη αμαρτία) als auch — was selbstverständlich ist — im Adversativsatz (τω θεω) als dat. comm. aufgefaßt wird, wird man der Korrelation μεν — δε in V. 11 gerecht und nimmt die Pointe des Adversativsatzes nicht bereits im Konzessivsatz vorweg6. Aufgrund der Entsprechung von V. 10 und V. 11 wird man dann aber auch die Dative in V. 10 je als dat. comm. anzusehen haben7. Das aber heißt, daß die Interpretation des Todes Jesu Christi in Rom. 6,10 als ein „Entrinnen" aus der Herrschaft der Sünde der Aussage selbst nicht gerecht wird, vielmehr der Tod Jesu Christi auch nach Rom. 6,10 als Tod „zugunsten der Sünde" ein Geschehen ist, durch das dem Anspruch der Sünde auf die Vielen Genüge getan wird8. Sofern jene Interpretation der Aussage von dem Verständnis Jesu Christi als „corporate personality" bestimmt ist, scheint diese Vorstellung weniger geeignet, den Sinn von Rom. 6,10 zu erhellen9. Dies soll allerdings nicht heißen, daß Paulus in Rom. 6 überhaupt 6 Thüsing (a.a.O. 68) läßt das μεν in V. 11 bezeichnenderweise unübersetzt. Ebenso z.B. Michel, Rom. 148; Kuß, Rom. II, 295; Gäumann, Taufe 29. Vermutlich ließe sich hier eine ähnliche Statistik aufstellen wie zum entsprechenden Fall in Rom. 8,17 (vgl. oben, S. 136 A. 19). 7 Dasselbe wird dann auch für V. 2 zu gelten haben, obwohl hier beide Deutungen möglich sind. Lietzmann (Rom. 69) kommt zur gleichen Interpretation beider Dative in V. 10 aufgrund ihrer Parallelität sowie durch „V. 11", erläutert dies jedoch nicht näher. 8 Thüsing (Per Christum 72) scheint die Problematik seiner Auslegung selbst zu empfinden, wenn er trotz der genannten Deutung sagt, das Sterben Jesu Christi sei auch in Rom. 6,10 „als Sterben ,wegen unserer Sünden'" betrachtet — nur sei Jesus Christus eben als „korporative Persönlichkeit" gesehen. Entsprechend kann er dann auch wieder notieren, die Aussage dürfe „nicht umgedeutet werden zu einem ,περι αμαρτιών'" (ebd. 81), aber auch, die soteriologische Funktion Jesu Christi bestehe nach V. 10 darin, „für die Getauften (!) der Sünde zu entsterben" (ebd. 89). Diese Spannungen scheinen daraus zu resultieren, daß Thüsing Rom. 6 von Rom. 5,12—21 her interpretiert (vgl. ebd. 75. 78. 89 sowie auch Tannehill, Dying 26 ff.), sich dabei wesentlich an die Anthropos-Vorstellung hält, aber doch de facto nicht an deren paulinischer Interpretation mit Hilfe der Rechtfertigungslehre vorbeikann. Ist diese Interpretation in Rom. 5, 12—21 jedoch einmal erkannt, so ist der methodische Schritt unumgänglich, daß auch die Aussage in Rom. 6,10 im Sinne der paulinischen Rechtfertigungslehre zu verstehen ist. Wenn Thüsing (ebd. 88) Rom. 6,10 von Phil. 2,6—11 her auslegt und sagt, daß „nur dieses Solidaritätsdenken und nicht der bloß juridische Gedanke an einen Rechtsanspruch' der Sünde der paulinischen Vorstellung gerecht werden kann", so verkennt er, daß der Gehorsam Jesu Christi bis zum Tode als Erfüllung des Gesetzes und als Tat, durch die die Vielen gerecht gemacht werden (Rom. 5,18 f.), eine juridisch relevante Aussage ist, und wird außerdem weder Rom. 5,12 noch Rom. 6,7 und 6,23 (Zusammenhang von Sünde und Tod) gerecht.

• Tannehill (Dying 24 ff.) versucht die Deutung Jesu Christi als „corporate personality" insbesondere durch Rom. 6,6 zu untermauern, indem er die Aussage dieses Verses nicht als Taufaussage versteht und die Deutung der Bezeichnungen „alter Mensch" und „Leib der Sünde" auf den individuellen Leib zugunsten der kollektiven Interpretation verwirft. Davon abgesehen, daß die Ablösung von V. 6 von der Taufsituation willkürlich ist, wird diese Auslegung durch die nächste Aussage in Rom. 6, in der vom Leib die Rede ist und die sich sachlich auf V. 6 zurückbezieht (s. unten, S. 184 f.), als unhaltbar erwiesen, nämlich V. 12, wo Leib eindeutig den individuellen Leib meint. Zur Kritik vgl. auch K.-A. Bauer, Leiblichkeit 12*

180

II. Die Taufe εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

mit keiner korporativen Vorstellung arbeitet. Denn die Aufforderung an die Getauften in V. 11 λογιζεσθε εαυτούς είναι . . . εν Χριστώ Ιησού setzt die Deutung der Taufe als Eingliederung in Jesus Christus voraus10. Bezeichnend ist jedoch, daß das korporative Element relevant und hermeneutisch hilfreich ist erst da, wo von dem Betroffensein des Menschen durch die Tat Jesu Christi in der Taufe gesprochen wird 11 .

Es hatte sich gezeigt, daß die Vielen nach Rom. 6,10 in dem Tode Jesu Christi mitgesetzt sind, insofern er eschatologischer Tod zugunsten der Sünde ist. Als Heilsaussage ist diese Mitsetzung freilich schon immer Bekenntnis des Glaubenden. Denn als Tod des Gehorsamen ist der Tod Jesu Christi zunächst Erweis dessen, daß alle dem eschatologischen Tod verfallen sind, weil alle sündigten12. Der Tod als der Sünde Sold ist also durch das Handeln Gottes in Jesus Christus als das Geschick aller Menschen offenbar geworden, indem durch ihn an den Tag gekommen ist, daß alle „zugunsten der Sünde" dem Tod verfallen sind. Dies Todesurteil, das in Jesus Christus offenbar geworden ist, wird zu einem Leben eröffnenden erst dadurch, daß sich der Mensch als in der Zeit Lebender in Jesus Christus hineinnehmen und dort das auf „Tod" lautende, am Maßstab des Gesetzes gefällte Urteil über den Sünder an sich vollziehen läßt. Diese Hineinnahme in Jesus Christus im Sinne der Leben eröffnenden Gemeinschaft mit ihm geschieht nach Paulus in der Taufe auf 13 Christus Jesus, die Taufe auf seinen Tod ist (V. 3). In ihr werden die 150 ff. Wie Tannehill hat bereits Fuchs (Freiheit 31 ff.) V. 6 gedeutet. Siehe dazu die Kritik von Gäumann, Taufe 54 A. 23. 10 Dabei kann erstens dahingestellt bleiben, ob εν Χριστώ Ιησού „primär eine ekklesiologische Formel" ist und „das Eingefügtsein in das σωμα Χρίστου durch die Taufe" bezeichnet (Bultmann, Theol. NT 312, Hervorhebung von B.; vgl. Käsemann, Leib 183 f.) oder ob es zunächst den allgemeinen Sinn hat „bestimmt sein durch das eschatologische Geschehen von Kreuz und Auferstehung", hier (Rom. 6,11) aber gleichzeitig „einem ekklesiologischen Formelgebrauch zuzuweisen" ist, weil eine „ausgesprochene Parallele zum Leib-Christi-Gedanken" vorliegt (so Neugebauer, ,In Christo' 132 im Hinblick auf 2.Kor. 5,17.21; doch was diesen Stellen recht ist, ist Rom. 6,11 billig). Und zweitens ist damit nicht entschieden, in welchem Sinn die Wendung sachgemäß zu interpretieren ist. Vgl. dazu die Erwägungen von Neugebauer, ebd. 138. 11 Rom. 6,10 f. entsprechen hinsichtlich der vorgetragenen Deutung den in l.Kor. 1,13 implizierten Aussagen: Christus ist „für euch gekreuzigt", die Christen sind auf seinen Namen getauft und jetzt εν Χριστώ als dem σωμα Χρίστου; denn die Frage „Ist Christus zerteilt?" deutet auf l.Kor. 12 hin und setzt das dort explizierte Verständnis voraus, daß „wir alle in einen Leib getauft worden sind" (V. 13), das σωμα Χρίστου (V. 27). Vgl. Conzelmann, l.Kor. 49. 12 Vgl. oben, S. 167 f. 13 Zu diesem Verständnis s. Schnackenburg, Heilsgeschehen 23. Allerdings schließt diese Deutung von εις nicht aus, daß die Taufe sachlich als Taufe in Christus Jesus (in den Leib Christi) verstanden ist, wie l.Kor. 1,13 zeigt. Vgl. A. 11.

2. Der Sünde gestorben und frei von ihr (6,1—23)

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Glaubenden mit Jesus Christus14 begraben (V. 4), in ihr wachsen sie zusammen mit der Gleichgestalt seines Todes (V. 5)15, in ihr wird der alte Mensch, der die Glaubenden sind, mit ihm gekreuzigt (V. 6)16. Dadurch wird der „Leib der Sünde" vernichtet, d. h. der Mensch als der Sünde Verfallener 17 stirbt und wird damit seinem Dasein als Sklave der Sünde entnommen. Erst mit der durch die Taufe hergestellten Gemeinschaft mit der Gestalt des Todes Jesu Christi wird somit aus dem Tod „zugunsten der Sünde", dem die Vielen allemal ohne ihr Wissen verfallen sind, ein Tod „zuungunsten der Sünde". Der Tod, der der Sünde Sold ist, behält nicht das letzte Wort, vielmehr wird dem Menschen, der um der Sünde willen dem Tod verfallen ist, die Möglichkeit gegeben, als der dem eschatologischen Tod Ubergebene zu leben und dabei nicht der Sünde zu dienen. Der Satz, mit dem Paulus in V. 7 das Ende des Dienstverhältnisses des Menschen gegenüber der Sünde begründet, daß nämlich der Gestorbene von der Sünde gerechtfertigt ist, gilt grundsätzlich auch vom Nichtchristen18. Während jedoch der Nichtchrist im Tode bleibt, gilt vom 14 Wenn der Ausdruck συν Χριστώ auch erst in V. 8 begegnet, so ist er in den συν-Aussagen bereits vorausgesetzt. Vgl. Gäumann, Taufe 55. 15 Vgl. dazu unten, S. 182 A. 19. 14 Paulus greift mit dieser Deutung der Taufe als Anteilgabe am Geschick Jesu Christi wahrscheinlich traditionelle Aussagen auf (s. Lohse, Taufe 314 mit A. 19; 317; Gäumann, Taufe 46 ff.; vgl. unten, S. 187). Die Deutung ist wahrscheinlich „in Analogie zu den Mysterienreligionen gebildet worden" (Gäumann, a.a.O. 46; vgl. ebd. 37 ff.; Lohse, a.a.O.). Anders ζ. B. Schweizer, „Mystik" 183 ff. 17 Zum Verständnis von σωμα s. Conzelmann, Theol. NT 198: σωμα ist „das Ich als handelndes Subjekt und als behandeltes Objekt, besonders das Ich als der sich selbst Behandelnde". Der Mensch ante Christum und sine Christo ist nach Paulus schon immer in diesem Sinne qualifizierter Leib, hat also die Möglichkeit, sich selbst frei zu behandeln, schon immer verwirkt (vgl. Conzelmann, ebd. 199). Der „Leib der Sünde" ist entsprechend das Ich, das sich der Sünde unterworfen hat und von ihr in allen seinen Bewegungen beherrscht wird. Die σωμα-Definition Conzelmanns ist allerdings um den Aspekt zu ergänzen, daß der Mensch als σωμα Teil seiner Umwelt ist und mit ihr in Kommunikation steht. Vgl. Käsemann, Anliegen 32: „Als Leib steht man in der Ausrichtung auf andere, in der Gebundenheit durch die Welt, im Anspruch des Schöpfers, in der Erwartung der Auferweckung, in der Möglichkeit konkreten Gehorsams und der Selbsthingabe." Vgl. femer Schweizer, ThWb VII, 1063 f. 18 Und zwar einmal im Rahmen der paulinischen Theologie, zum anderen auch unabhängig von ihr, sofern Paulus nämlich in V. 7 in der Tradition eines rabbinischen Satzes steht. Umstritten ist allerdings, um welchen Satz es sich handelt. K. G. Kuhn (Rm 67, S. 305 ff.; ebenso Schrenk, ThWb II, 222 f.) stellt Sifre Num. 112 zu Num. 15,31 in Rechnung: „Alle, die sterben, erlangen Sühne durch (ihren) Tod." Billerbeck (III, 232) dagegen rekurriert auf Schab 151b Bar: „Wenn ein Mensch gestorben ist, ist er frei geworden PIB>J?J 'β>ΒΠ ( = δεδικαιωται Rom 6,7) von den Gebotserfüllungen." Mit Recht macht Käsemann (Rom. 160) darauf aufmerksam, daß sich von dem Modell dieses Satzes her „die auffällige Wendung δικαιουσθαι απο = 'los sein von' (Bauer, Wb 328)" erkläre.

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II. Die T a u f e εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

Christen: „Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden" (V. 8). Weil Jesus Christus der von den Toten Auferweckte ist, darum bleiben die, die mit ihm gestorben sind, nicht im Tode (V. 9). Dieser Tod mit Jesus Christus ist entsprechend nicht am Kreuz erfolgt, sondern er geschieht in der Taufe 19 . In ihr wird der aus der Sünde resultierende eschatologische Tod gestorben, der als Tod mit Jesus Christus nicht nur Tod zugunsten der Sünde, sondern zugleich Tod zu ihren Ungunsten ist. Denn er bedeutet den Eintritt in die durch Jesus Christus konstituierte Wirklichkeit, in seinen Herrschaftsbereich und damit die definitive Trennung von der Sünde. Die Deutung des Todes mit Jesus Christus als Tod, der in der T a u f e erfolgt, ist zuletzt mit Vehemenz von Güttgemanns 2 0 bestritten worden. Freilich vermögen seine Ausführungen weder methodisch noch sachlich zu überzeugen: Methodisch deshalb nicht, weil er seine Untersuchung von Rom. 6 nicht von der Aussage des „schwierigen V. 5" 21 her kontrolliert, sondern diesen Vers einfach ausklammert; 19

Gegen Fuchs (Freiheit 37), Tannehill (Dying 29 f.), Güttgemanns (Apostel 219 A. 50—51; 221 f.) u. a., die der eindeutigen Bestimmung δια του βαπτίσματος in V. 4 sowie dem Zusammenhang zwischen V. 2 und V. δ ff. nicht gerecht werden. Zu den deutlichsten Hinweisen auf die T a u f e als Ort des Mitsterbens gehört weiter die Wahl des Begriffes ομοίωμα in V. 5. Bomkamm (Taufe 42) h a t überzeugend nachgewiesen, daß er nicht den abstrakten Sinn „Ähnlichkeit" hat, sondern den konkreten „Gleichgestalt", und daß er in V. 5 nicht die T a u f e meint (vgl. auch Schneider, T h W b V, 191 ff.). Aber wenn Bornkamm die Wendung ομοίωμα του θανατου αυτου dann dahingehend interpretiert, daß sie „das Sterben Christi" bezeichne (a.a.O.; ebenso Gäumann, Taufe 50 f. 78), so bleibt zu fragen, warum Paulus den Begriff überhaupt an dieser Stelle gebraucht. Vielmehr erscheint von jenen Voraussetzungen her als einzig mögliche Erklärung, daß Paulus von der „gleichen Gestalt" des Todes Jesu Christi spricht, u m der geschichtlichen Differenz zwischen Jesus Christus und den Christen Ausdruck zu verleihen. Sie sind eben nicht mit i h m am Kreuz gestorben, sondern sterben in der Gegenwart, in der Taufe, d. h. sie sterben „durch ihn wie er", nämlich indem sie die Gabe des Geistes empfangen. Vgl. dazu unten, S. 227 ff. Richtig hält Thüsing (Per Christum 75 u. ö.) trotz der damit gegebenen Spannung zu seiner Auslegung von Rom. 6,10 daran fest, daß Ort des Mitsterbens die Taufe ist. Unentschlossen ist Gäumann, der einerseits zutreffend feststellt: „Das Der-Sünde-sterben geschieht in der Taufe" (a.a.O. 77), und zwar als „reales Geschehen" (ebd. 78), andererseits urteilt: „In der Taufe ist die am Kreuz geschehene Abtrennung ihres (sc. der Glaubenden) Seins von der Sünde zeichenhaft nachvollzogen worden." (Ebd. 81.) Gegen die These, „auf Golgatha sei die Generaltaufe erfolgt", s. jetzt auch Käsemann, Rom. 156 u. ö. Er verweist ebenfalls auf die Bedeutung des Begriffs ομοίωμα in diesem Zusammenhang (ebd. 159). 20 Apostel. Als exemplarisch kann der Satz A. 51 auf S. 219 f. gelten: „Im Tod Jesu Christi ist der Tod der Gläubigen nicht n u r geschlossen' (...), sondern schon vollzogen." 21 Ebd. 210 Α. 1. Der Vorwurf Güttgemanns gegenüber anderen, daß sie „mit Möglichkeiten, nicht aber mit dem Text" operierten (ebd. 220 A. 53), erscheint angesichts solcher Achillesferse als Ablenkungsmanöver.

2. Der Sünde gestorben und frei von ihr (6,1—23)

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sachlich nicht angesichts der Implikationen der folgenden zentralen Bestimmung: „Die Gleichzeitigkeit' (sc. zwischen dem Tod Jesu Christi und dem der Christen) kommt also dadurch zustande, daß in dem christologischen Ereignis unser Tod vorweggenommen ist. Anders ausgedrückt: Die Gleichzeitigkeit' erklärt sich aus dem ,eschatologischen' Zeitcharakter der Heilsereignisse, d. h. der nicht verfallenden Zukunft, an deren ,Ort' die Christen εν Χριστώ eingewiesen wurden. Aber insofern die Christen trotzdem auch durch das εν σαρκι einen Raum eingeräumt bekommen, ist ihr σωμα eben noch nicht in jener Zukunft angekommen'." 2 2 Wenn die Christen einerseits am „Ort" der „nicht verfallenden Zukunft" sind, wenn sie aber andererseits εν σαρκι noch nicht „in jener Zukunft angekommen'" sind, dann heißt das doch nichts anderes als daß, wer εν σαρκι ist, nicht εν Χριστώ sein kann. Solcher Hoffnungslosigkeit hat jedoch Paulus nicht das Wort geredet, vielmehr ist das Heil nach seinen Aussagen gerade deshalb Heil, weil es den Menschen εν σαρκι betrifft und ihm die Möglichkeit gibt, als εν σαρκι Seiender εν Χριστώ zu leben 23 .

Was aber beinhaltet jener Eintritt in die durch Jesus Christus konstituierte neue Wirklichkeit? Wenn die Glaubenden in der Taufe mit der Gleichgestalt seines Todes zusammengewachsen sind, so legt sich die Folgerung nahe, daß sie in ihr in gleicher Weise an seiner Auferweckung Anteil gewonnen haben. Gerade diese an anderen Stellen der urchristlichen Überlieferung ausgesprochene Konsequenz24 vermeidet Paulus jedoch, indem er streng die Zeitlichkeit des Heilsgeschehens durchhält. Die Taufe ist und bleibt Taufe auf den Tod Jesu Christi, sie bringt Befreiung von der Macht der Sünde (V. 6) und begründet die Gewißheit, daß die Getauften zukünftig mit der Gleichgestalt seiner Auferstehung verwachsen werden25 (V. 5, vgl. V. 8). Sie bedeutet jedoch nicht die Auferweckung selbst. Und doch muß Paulus um eben jener Zeitlichkeit des Heilsgeschehens willen zugleich vom Leben des Auferweckten in Relation zur Gegenwart der Glaubenden reden. Denn was heißt es positiv, daß „wir nicht mehr im Sklavendienst der Sünde stehen" (V. 6)? Der Apostel expliziert das Verhältnis der Getauften zur Auferweckung Jesu Christi in den erwähnten Vergleichssätzen. „Wie Christus von den Toten auferweckt ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so sollen auch wir in der Neu22

Ebd. 220 f. (Hervorhebung von G.). Zur Frage, inwiefern und wodurch der Christ in der Taufe „mit Christus" der Sünde stirbt, vgl. unten, S. 227 ff. 238 u. ö. Natürlich geschieht in der Taufe „kein nochmaliges Sterben Christi" (Fuchs, Freiheit 37). Aber wenn Fuchs fortfährt: „und ebensowenig unser Sterben, denn das hieße, Christus noch einmal kreuzigen", so ist demgegenüber festzustellen, daß es dies jedenfalls f ü r Paulus nicht geheißen hat und damit allem Anschein nach ein Mißverständnis der paulmischen Soteriologie seitens Fuchs vorliegt. Vgl. unten, a.a.O. 24 Vgl. ζ. B. Kol. 2,12 f. und dazu Lohse, Kol. 155 ff. Siehe ferner unten, S. 187. 25 Zur Begründung der Interpretation von εσομεθα in V. 5b (und von συζησομεν in V. 8) als echtes Futur vgl. z.B. Bornkamm, Taufe 43; Thüsing, Per Christum 140 f. Zum V. 5a analogen Verständnis von V. 5b vgl. Tannehill, Dying 33 f. 23

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II. Die Taufe εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

heit des (eschatologischen) Lebens 26 wandeln" (V. 4). Und: Wie Christus 27 ein für allemal zugunsten der Sünde gestorben ist und zugunsten Gottes lebt, „so haltet auch ihr euch für tot zwar zugunsten der Sünde, für lebend aber zugunsten Gottes in Christus Jesus" (Y. 11). Die Gegenwart soll damit in der Weise durch den Auferweckten bestimmt sein, daß die Christen das eschatologische Leben in ihrem Handeln vollziehen (V. 4) und sich von ihrem Sein in Jesus Christus her, in das sie durch die Taufe gelangt sind, als solche ansehen, deren Verhältnis zu Gott durch dies Leben bestimmt ist (Y. 11). Beide Aussagen in V. 4 und V. 11 stimmen darin überein, daß sie paränetisch akzentuiert sind 28 . V. 11 geht jedoch zugleich über V. 4 hinaus. Denn während bisher vom Tod gegenüber der Sünde als einem in der Taufe ereigneten, objektiven Geschehen gesprochen wurde (απεθανομεν, V. 2. 8), werden die Römer nun aufgefordert, sich für tot gegenüber der Sünde zu halten. Dieser Tod ist damit wirklich als geglaubter Tod 29 . Der Grund für die Notwendigkeit dieser Redeweise ist derselbe wie für die fehlende Möglichkeit, vom Auferwecktsein der Christen zu sprechen. Wurde er bisher mit dem Stichwort der Zeitlichkeit benannt, so kommt er bei Paulus mit der Folgerung in V. 12 in den Blick: „Nicht soll also die Sünde herrschen in eurem sterblichen Leib, indem ihr seinen Begierden gehorcht." Die in diesem Zusammenhang entscheidende Wendung ist εν τω θνητω υμων σώματι. Die konstitutive Bedeutung des Glaubensbegriffes für das Verhältnis des Christen zur Sünde beruht auf der Dialektik seines νεκρός- und θνητος-Seins. Er ist in der Taufe in den Tod begraben, also νεκρός, er ist dies aber als der, der in einem θνητον σωμα lebt, in dem die Sünde nicht mehr herrschen soll. Vor Augen liegt für ihn mit seinem sterblichen Leib, der er ist, genau das, was durch die Taufe überwunden sein soll. Denn die Sterblichkeit des Leibes widerstreitet der Zusage, daß der „Leib der Sünde" vernichtet, also tot ist, daß die Christen mit Jesus Christus den Tod als der Sünde Sold gestorben sind. Die Sterblichkeit des Menschen als σωμα, die der Zeitlichkeit des Heils entspricht, bedingt es, daß das Heil, der geschehene Sündentod, nur als geglaubter wirk28 In der gängigen Übersetzung „in einem neuen Leben" (so noch Gäumann, Taufe 29 trotz richtiger Interpretation ebd. 76) kommt nicht zum Ausdruck, daß es sich um das ganz bestimmte eschatologische Leben handelt, und entsprechend um die eschatologische Neuheit, die mit diesem Leben gegeben ist. Vgl. Bornkamm, Taufe 38 A. 9. 27 So ist in Entsprechung zu V. 11 Anfang und zu V. 4 sinngemäß zu ergänzen. 28 Vgl. zu weiteren Aussagen dieser Art in den paulinischen Briefen, für die ebenfalls der paränetische Akzent kennzeichnend ist, unten, S. 258 f. 29 Vgl. Fuchs, Freiheit 38: Das λογιζεσθαι ist „Urteil des Glaubenden".

2. Der Sünde gestorben und frei von ihr (6,1—23)

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lieh ist. Indem das Faktum der Sterblichkeit aber zu erkennen gibt, warum Paulus es nicht bei den Aussagen über das Taufgeschehen bewenden lassen kann, sondern vom gegenwärtigen λογιζεσθαι sprechen muß, erscheinen die Imperativische Formulierung V. 11 und ihre Fort-

setzung V. 12 als unausweichliche Konsequenz. Weil die Christen sterblich sind und nur im Glauben tot, vermag die Sünde noch zu herrschen, und zwar dann, wenn dem Totsein nicht handelnd entsprochen wird. Die neue Wirklichkeit, die negativ durch den Tod zugunsten und zuungunsten der Sünde bezeichnet wird, muß in der Gegenwart in der Weise zum Zuge kommen, daß gegen das sterbliche Soma, gegen die Begierden, die ihm innewohnen30, an gehandelt wird (V. 12). Der Christ als sterblicher Leib muß, wenn denn die Sünde keine Macht über ihn hat, in seinem Handeln diese Machtlosigkeit der Sünde erweisen und so bezeugen, daß das sterbliche Soma — tot ist. Das λογιζεσθαι εαυτους είναι νεκρούς . . . ist deshalb kein „ansehen als

ob", sondern die konkrete Hingabe der Getauften an Gott „als aus Toten Lebende"31. Sie vollzieht sich, indem die Christen Gott „ihre Glieder als Waffen der Gerechtigkeit", sich selbst als Kämpfer für die δικαιοσύνη zur Verfügung stellen, d. h. im Gehorsam (V. 13). Nur im Vollzug dieses Gehorsams, in dem der Christ seinen Tod mit Jesus Christus in der Taufe wahrnimmt, ist er der Herrschaft der Sünde entnommen (V. 14). Der Glaube vollzieht sich als Handeln und erweist als solches den Sieg Jesu Christi über Sünde und Tod32. Mit den Imperativen in V. 11—14 hat Paulus bereits in nuce vorweggenommen, was er im folgenden zweiten Teil von Rom. 6 (V. 15 bis 23) in Form indikativischer Aussagen entfaltet 33 . Er bestimmt die 30 Vgl. Käsemann, Leib 124: „Versuchlichkeit ist ein Charakter der Vergänglichkeit, des in der Zeit Stehens." Das zweite Kennzeichen des Menschen als θνητον σωμα ist neben der Versuchlichkeit sein Betroffensein durch Leiden. Vgl. dazu unten, S. 260 ff. 31 Gegen Gäumann (Taufe 90) ist die Wendung ωσει εκ νεκρών ζώντας nicht „durch ζώντας τω θεω V 11 vorbereitet", sondern durch den ganzen Vers 11, bzw. sie bezieht sich auf diesen ganzen Vers. Der in der Aufforderung λογιζεσΟε liegende eschatologische Vorbehalt wird durch die Vergleichspartikel ωσει wiederaufgenommen. Die Feststellung, εκ νεκρών sei „verkürzter Ausdruck, der an die im Credo erwähnte αναστασις εκ νεκρών anknüpft" (ebd.), ist zwar traditionsgeschichtlich zutreffend, jedoch als Erklärung insofern unzureichend, als damit der Zusammenhang mit der νεκρος-Aussage in V. 11 nicht erfaßt ist. Vgl. Fuchs, Freiheit 40. Zum eschatologischen Vorbehalt in ωσει s. Käsemann, Rom. 168. 32 Fuchs, a.a.O. 43 (u. ö.): „Der Glaube ist der Vollzug der neuen Existenz unter der Gnade. Glaube ist Existenz als Gehorsam." (Hervorhebungen von mir.) Vgl. auch Bultmann, Christus 55. 33 Zu V. 15 vgl. oben, S. 177 mit A. 5; S. 178 A. 4. Zur Auslegung von Rom. 6, (12)15-23 vgl. Fuchs, Freiheit 41 ff.; Thüsing, Per Christum 93ff.; Niederwimmer, Freiheit 113ff.; Kertelge, „Rechtfertigung" 263ff.; Merk, Handeln 28ff.; Gäumann, Taufe 92 ff.; Tachau, ,Einst' 116ff.

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II. Die Taufe εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

Möglichkeit, die Y. 13a den Römern als Christen untersagt, als die Wirklichkeit ihres vorchristlichen Seins, aus der sie jetzt befreit sind34. Wie in der Gegenüberstellung von Adam und Jesus Christus in Rom. 5,12—21 entspricht das Heilsgeschehen antitypisch dem Unheilszusammenhang, aus dem die Glaubenden befreit sind. Das Sein außer und in Jesus Christus wird jeweils als Knechtschaft und Freiheit beschrieben. Die Knechtschaft im einen Bereich ist die Freiheit im anderen und umgekehrt. Denn der Mensch ist stets und ausschließlich von einer Macht bestimmt, entweder von der Sünde oder von Gott, tertium non datur. Paulus vermag so in unüberbietbarer Weise einzuschärfen, was bereits in V. 11—14 zum Vorschein kam. Das Abgestorbensein gegenüber der Sünde, die Freiheit von ihr, vollzieht sich in der Gegenwart, als Leben für die Gerechtigkeit zur Heiligung 35 . Die Vergangenheit ist überwundene Vergangenheit allein im Vollzug des neu ermöglichten Gottesgehorsams. Sie ist stets als Möglichkeit vorhanden. Das Heilsgeschehen ist darum kein einmaliger Akt in der Vergangenheit, sondern ereignet sich gegenwärtig. Der Glaubende ist mit Jesus Christus in der Taufe gestorben. Doch so wahr dieser Tod ein andauerndes Zusammengewachsensein mit der Gestalt des Todes Jesu Christi ist3®, steht die Wahrheit dieses Todes in der Gegenwart auf dem Spiel. Indem Paulus zunächst in V. 13, dann thematisch in V. 15—23 das durch die Taufe auf den Tod Jesu Christi eröffnete Leben als Sklavendienst für die δικαιοσύνη auslegt, läßt er erkennen, daß er das Sein der Getauften konsequent auf dem Hintergrund der christologischen Ausführungen von Rom. 5,12—21 interpretiert. Dort hatte er mittels der (vom Heilsereignis selbst her unternommenen!) Deutung des Todes in der adamitischen Menschheit als eschatologische Verurteilung aufgezeigt, daß mit der rechtfertigenden Tat Jesu Christi der Tod als von Gott trennende Macht überwunden ist, diese Tat also das volle Heil eröffnet 37 . Entsprechend legt er in Rom. 6,15—23 dar, daß das Leben derer, an denen mit der Taufe auf den Tod Jesu Christi die eschatologische Verurteilung vollstreckt ist, durch den Dienst an der Gerechtigkeit gekennzeichnet ist. Dieser Dienst an der Gerechtigkeit Vgl. Goppelt, Typos 157; Bornkamm, Taufe 49. Das Verhältnis von Gerechtigkeit und Heiligung ist dabei wie folgt zu bestimmen: Indem der Christ sich in dem ihm ermöglichten Gehorsam an die Gerechtigkeit hingibt, wird er geheiligt, d.h. lebt er in der Zugehörigkeit zu Gott. Denn Sklavendienst für die Gerechtigkeit ist ja, wie V. 23 zeigt, Sklavendienst für Gott. Vgl. Käsemann, Rom. 174: „Heiligung meint in der Profanität der Welt und angesichts unserer Anfechtung leiblich sich bekundendes Dasein für Gott, weil Gott in Christus gnädig uns in seine Herrschaft stellte und für uns da ist." " Es heißt V. 5 perfektisch συμφυτοι γεγοναμεν. 87 Vgl. oben, S. 170 f. 34

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2. Der Sünde gestorben und frei von ihr (6,1—23)

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aber ist wiederum nichts anderes als der Wandel in der Neuheit des eschatologischen Lebens (V. 4)38, als der Gehorsam ωσει εκ νεκρών ζώντες (V. 13). Wie in Rom. 5,12-21 (V. 17. 18. 21) schließt Paulus in Rom. 6,15—23 folgerichtig mit der an die δικαιοσύνη geknüpften Verheißung des Lebens. Zwar bezieht der Apostel nicht Gerechtigkeit und Leben, sondern Heiligung und Leben direkt aufeinander. Aber der αγιασμός, dessen Ende das ewige Leben ist (V. 22), ist Umschreibung eben dessen, daß die von der Sünde Refreiten ihre Glieder der Gerechtigkeit als Sklaven zur Verfügung stellen (V. 19). Die damit angezeigte Entsprechung zwischen Rom. 5,12—21 und Rom. 6 wäre noch weitergehend, wenn — wie mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist89 — Paulus in Rom. 6,3 ff. eine Tradition aufgenommen hat, in der die Taufe als Geschehen interpretiert worden ist, durch das die Täuflinge sowohl mit Jesus Christus sterben als auch mit ihm auferstehen. Dann nämlich wäre vollends in beiden Texten derselbe Vorgang theologischer Interpretation zu beobachten. Wie der Apostel in Rom. 5,12—21 die l.Kor. 15,22 im Schema „Tod und Leben" formulierte Entsprechung Adam—Jesus Christus („Wie in Adam alle sterben, so werden in Christus auch alle lebendig gemacht werden") mittels der Rechtfertigungslehre interpretiert, so in Rom. 6 das als Mitsterben und Mitauferstehen gedeutete Geschehen der Taufe 40 . Beide Male bricht er mit Hilfe dieser Lehre die undifferenzierte Relationierung von Tod und Leben auf, indem er zeigt, daß Jesus Christus den Tod überwunden hat durch die Überwindung des Todesgrundes, der Sünde (Rom. 5,18 f.; 6,10), und indem er von hier aus das Sein der Vielen bzw. der Christen in der Gegenwart bestimmt 41 . Paulus bezeichnet das ewige Leben, das das Ende der Heiligung ist, in V. 23 als Gnadengabe Gottes. Er wehrt damit das Mißverständnis ab, als wäre diese Gabe etwas, was der Christ mit seinem Dienst für die Gerechtigkeit selbst erränge 42 . Wie die Gerechtigkeit nach Rom 5,17 Geschenk ist, so auch das Leben, in das sie führt. Trotzdem klafft zwischen diesen Aussagen in Rom. 5,17 und 6,23 eine Lücke. Denn zwar wird die Gerechtigkeit als Gnadengabe bezeichnet und ebenso kommt in den passivischen Taufaussagen in Rom. 6,3 ff. zum Ausdruck, daß das Heilsgeschehen dem Glaubenden widerfährt, also nicht sein Werk ist. Paulus hat weiter mit den Imperativischen Sätzen in 38

Vgl. Vgl. 40 Vgl. 41 Vgl. « Vgl. 39

Bultmann, ThWb II, 870. Lohse, Taufe 314 mit A. 19; Gäumann, Taufe 47. zu Rom. 6 bereits Lohse, a.a.O. 317. 320 ff.; Gäumann, a.a.O. 48 f. zur Art dieser Bestimmung bereits oben, S. 170 f. Ζ. B. Michel, Rom. 163.

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II. Die Taufe ει; Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

V. 1—14 ansatzweise verhindert, daß die Gleichgestaltung mit dem Tode Jesu Christi in der Taufe durch Sakramentalisierung historisiert wird. Er bietet jedoch in Rom. 6 keine Auskunft darüber, welches das Medium ist, durch das sich die gegenwärtige Gleichgestaltung vollzieht, wie sie in der perfektischen Taufaussage V. 5a impliziert ist und in den Vergleichssätzen V. 4. 11 als Forderung in den Blick kommt. Zwar ist durch die Bestimmung εν Χριστώ Ιησού in V. 11 sichergestellt, daß das Tod und Leben Jesu Christi entsprechende λογιζεσθαι der Glaubenden auf dem Boden ihres Seins in Jesus Christus geschieht. Aber die Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem gegenwärtigen Verhalten der Christen und Jesus Christus als dem Grund ihrer Existenz steht aus. Von dieser Beobachtung her erweist sich das Kapitel Rom. 8 als unabdingbares Seitenstück zu den Ausführungen in Rom. 6. Erst der Rekurs auf die Gabe des Pneuma ermöglicht es, die drohende Diskrepanz zwischen Sakrament und Ethik zu überwinden und sowohl die Sakramentalisierung des Heils als auch seine Vergesetzlichung auszuschließen. Erst die Reflexion auf das Pneuma gibt damit aber auch die Möglichkeit an die Hand, die Frage zu beantworten, inwiefern die Christen durch die Taufe mit Jesus Christus gestorben sind, d. h. wodurch die Taufe jene Wirkung hat, die ihr in Rom. 6,3 ff. zugeschrieben wird 43 .

3. Dem Gesetz gestorben und frei von ihm (Rom. 7,1—6) In Rom. 6,14 hat Paulus die Adressaten seines Briefes an den Zusammenhang von Sünde und Gesetz erinnert, indem er die Verheißung, daß die Sünde nicht über sie herrschen werde, mit dem Verweis darauf begründet, sie seien nicht „unter dem Gesetz", d. h. unter der Herrschaft des Nomos, sondern „unter der Gnade". Die Herrschaft der Sünde ist demnach bedingt durch die des Gesetzes. In Rom. 6 hat Paulus allein aufgezeigt, daß die Christen von der Macht der Sünde befreit sind. Wenn nun diese Macht der Sünde durch die des Gesetzes bedingt ist, ergibt sich die Notwendigkeit, nicht nur den Zusammenhang von Sünde und Gesetz zur Sprache zu bringen, sondern darzulegen, daß und inwiefern die Christen aus der Gewalt des Gesetzes befreit sind. Diesen Nachweis für seine Behauptung ου γαρ εστε υπο νομον erbringt Paulus in Rom. 7,1—6. Die Begründung entspricht der in Rom. 6 für die Freiheit von der Macht der Sünde vorgetragenen. Wie der 43

Vgl. hierzu auch Dinklers (Taufaussagen 79 ff.) kurze Erörterung von Rom. 8 „komplementär zu Kap. 6" (ebd. 79) im Rahmen seiner Sichtung der paulinischen Aussagen über die Taufe.

δ. Dem Gesetz gestorben und frei von ihm (7,1—6)

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Tod die Grenze des Herrschaftsbereiches der Sünde ist, so auch die der Macht des Gesetzes. In Rom. 6,7 hatte sich der Apostel auf ein rabbinisches Theologoumenon berufen. In Rom. 7,1—3 geht er von einem Satz aus, der „wie eine Rechtsregel" 1 klingt (V. 1) und den er an einem „Beispiel aus dem Rechtsleben" 2 veranschaulicht (V. 2—3). Freilich ist das Verhältnis von V. 1 zu V. 2 f. im strengen Sinne weniger als das von Regel und Beispiel, sondern eher als das von Maxime und weiterführender Interpretation zu verstehen. Denn durch V. 2 f. wird erstens der Satz V. 1 negativ ausgelegt, indem die Herrschaft des Gesetzes während des Lebens des Menschen als Begrenzung dieser Herrschaft durch den Tod bestimmt wird (V. 2). Und zweitens wird die Freiheit vom Gesetz durch den Tod als Möglichkeit gedeutet, einem anderen anzugehören (V. 3). Diese beiden Aspekte werden jedenfalls von Paulus in seiner Anwendung von V. 1—3 in V. 4 zur Geltung gebracht 3 , und zwar als innerer Zusammenhang und so mit deutlichem Schwergewicht auf der Aussage über die neue Zugehörigkeit der Christen nach ihrer Befreiung vom Gesetz: „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um 4 einem anderen anzugehören, dem von den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht bringen." Gerade aber die Beobachtimg, daß hier Tötung und neue Zugehörigkeit als notwendiger Folgezusammenhang gesehen sind, was sie im Falle des angeführten Beispiels niemals sein können 5 , klärt über das tatsächliche Verhältnis von V. 1—3 zu V. 4 auf. Die soteriologische Aussage ist nicht etwa aus V. 1—3 gefolgert, vielmehr hat Paulus umgekehrt zu der feststehenden Gewißheit von V. 4 eine mehr oder weniger passende Hinführung formuliert. Kann V. 4 damit nur in vordergründigem Sinn als Folgerung aus V. 1—3 angesprochen werden, so ist die Aussage doch zugleich in engem sachlichen Zusammenhang mit dem Vorangehenden zu sehen, und zwar mit Rom. 6. Die Feststellung, daß die Christen „dem Gesetz getötet" bzw. „gestorben" (vgl. V. 6) sind, erinnert an die Aus1

Michel, Rom. 166. A.a.O. s Kuß (Rom. II, 436) wehrt mit Recht die Versuche ab, „das Gleichnis in allen seinen Einzelheiten auszuwerten'". Wenn er jedoch sagt: „Wesentlich ist allein: hier wie dort ist die Freiheit durch einen Tod zustande gekommen", so übersieht er, daß Paulus sowohl an dem Motiv der Freiheit als auch an dem der neuen Zugehörigkeit liegt, wie die Wiederaufnahme von γινεσθαι ετερω (V. 5) in V. 4 zeigt. 4 Der finale Sinn des Infinitivsatzes, der grundsätzlich auch konsekutiv verstanden werden kann, ergibt sich aus dem folgenden ινα-Satz. Vgl. außerdem Gal. 2,19, wo an gleicher Stelle anstatt εις mit subst. Inf. tatsächlich ι/να steht („damit ich Gott lebe"). Zu Gal. 2,19 s. im folg. 5 Die Witwe kann zwar, muß aber nicht wieder heiraten. 2

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II. Die Taufe εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

sagen in Rom. 6,5 ff. über den Tod der Christen mit Jesus Christus in der Taufe, und so wird von der Mehrzahl der Exegeten mit Recht geurteilt, daß Paulus in Rom. 7,4 „den Tauftod der Christen meint"®. Doch wie ist der Vers des Näheren zu verstehen, insbesondere die Aussage „ihr seid dem Gesetz getötet δια του σώματος του Χρίστου"? Wenn man auch, was die Rede vom Leib des Christus betrifft, „Kreuzesleib und Leib des Erhöhten hier nicht scheiden" kann, weil dieser „der Kreuzesleib in seiner fortdauernden Wirkung, . . . der Raum der Kirche" ist7, so lassen sich doch beide sehr wohl unterscheiden. Die anthropologisch-soteriologische Aussage V. 4 setzt die christologische voraus, daß Jesus Christus mit seinem Leib „dem Gesetz getötet" worden ist. Wiederum erhebt sich die Frage nach dem Sinn des Dativs. Nach den bisherigen Überlegungen zur paulinischen Christologie 8 und insbesondere im Hinblick auf die Parallele Rom. 6,10® wird man ihn zunächst als dat. comm. auffassen müssen: Indem Jesus Christus stirbt, obwohl er gehorsam ist, d. h. das Gesetz erfüllt (Rom. 5,18 f.), stirbt er den eschatologischen Tod der Vielen, der diesen aufgrund ihres Ungehorsams nach dem Urteil des Gesetzes zukommt. Er wird damit zugunsten des Gesetzes getötet, insofern das Gesetz mit seinem Tode zu dem Recht kommt, das es auf die Vielen hat 10 . Sein Tod ist zugleich Tod zuungunsten des Gesetzes, insofern er als Auferweckter nicht im Tode geblieben ist, sondern den durch das Gesetz bewirkten Tod überwunden hat. Die Sachgemäßheit dieser Auslegung findet ihre Bestätigung durch die enge Parallele Gal. 2,19 f. Wenn Paulus die Aussage „ich bin dem Gesetz durch das Gesetz gestorben" durch den Satz „ich bin mit Christus gekreuzigt worden" erläutert (V. 19), so ist daraus zu schließen, daß die erstgenannte Aussage in gleicher Weise für Jesus Christus gilt. Der an dieser Stelle begegnende Zusatz δια νομού nun hält unmißverständlich fest, daß das Gesetz in der Rede vom „Sterben (τω) νομω" nicht nur als Größe gesehen ist, der entronnen wird, sondern als der Faktor, der den Tod fordert und bewirkt". Die Näherbestimmung zeigt damit, daß der Tod nicht nur Sterben zuungunsten des Gesetzes ist, sondern zugleich zu sei-

6 Thüsing, Per Christum 96. Vgl. weiter z.B. Michel, Rom. 167; Kuß, Rom. II, 436 f.; Käsemann, Rom. 178. 7 Schweizer, ThWb VII, 1066; Vgl. auch Conzelmann, Theol. NT 76. 8 Vgl. oben, S. 167 f. • Siehe dazu oben, S. 177 ff. 10 Wie im Zusammenhang der Auslegung von Rom. 6,10, so gilt es auch hier festzuhalten, daß die Aussage als Heilsaussage allemal Bekenntnis der Glaubenden ist. Denn in Relation zu den Nichtglaubenden ist der Tod Jesu Christi als Tod „für die Vielen" Erweis dessen, daß sie „unter der Sünde" sind. 11 Vgl. ζ. B. Bring, Gal. 95.

3. Dem Gesetz gestorben und frei von ihm (7,1—6)

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nen Gunsten 12 . Die Christen selbst sterben diesen Tod in der Taufe 1 3 , in der sie mit Jesus Christus mitgekreuzigt werden: In der T a u f e n i m m t Jesus Christus (in Gestalt seines Geistes) W o h n u n g in ihnen, so daß er fortan in ihnen lebt (V. 20). Diese Einwohnung Jesu Christi ist das Mitgekreuzigtwerden, denn dadurch, daß er in die Christen einzieht, sterben sie „dem Gesetz durch das Gesetz". Die dem Gesetz Unterworfenen erleiden durch die Gegenwart Jesu Christi den Tod zugunsten und, sofern er Tod ist, der ins Leben führt, zugleich zuungunsten des Gesetzes14. Freilich ist dies weder in sakramentalistischem noch in mystischem Sinne mißzuverstehen. Denn Paulus selbst bringt in V. 20 zum Ausdruck, daß die Gegenwart Jesu Christi gleichbedeutend ist mit dem Glauben an den Sohn Gottes, „der mich geliebt hat und sich f ü r mich dahingegeben h a t " (V. 20). Der Glaube an Jesus Christus als der Modus seiner Gegenwart n i m m t damit das Mitgekreuzigtsein wahr, das in der T a u f e durch die Einwohnung Jesu Christi erfolgt ist. Er ist der gegenwärtige Vollzug des Mitgekreuzigtseins 15 .

Reflektiert man auf die christologischen Voraussetzungen von Rom. 7,4, so ist die Bestimmung δια του σώματος του Χρίστου durchaus als Hinweis auf den Kreuzesleib Jesu Christi zu verstehen. Allerdings gilt es zu beachten, daß Subjekt der Aussage in Rom. 7,4 die Christen sind und Paulus von ihrer Tötung spricht, als deren Ort nach dem Zusammenhang das Taufgeschehen anzusehen ist. Von daher liegt es nahe, den Aspekt stärker zu betonen, daß der „getötete Leib .. . der wirkungsmächtige Auferstehungsleib"16 ist. In diesen Leib des Chri12

Vgl. Schnackenburg, Studien 46: „,Eigentlich' gestorben auf Grund der Forderimg des Gesetzes und zugleich zu Ungunsten des Gesetzes . . . ist nämlich Christus." Obwohl Thüsing (Per Christum 110) diesem Satz und damit dem „zugleich" zustimmt und weiter Rom. 6,10; 7,4 im Zusammenhang mit Gal. 2,19 auslegt (ebd. 86 f.), kommt die Bestimmung δια νομού in seiner Auslegung nicht zum Tragen. Er berührt sie nur kurz und legt auch Gal. 2,19 im ganzen einseitig im Sinne des „Entrinnens" aus dem Bereich des Gesetzes aus. Gerade von dieser Stelle her wird jedoch die Grenze dieser Interpretation deutlich. Vgl. bereits oben, S. 179 mit A . 8. 13

Vgl. Schlier, Gal. 99 f. Schlier (ebd. 102) deutet: „Die Rechtfertigung in Christus h a t also nicht nur den alten Menschen getötet und so dem Gesetz entnommen, sondern sie hat auch den neuen verborgenen Menschen in Christus in uns geschaffen, der durch den Geist und den Glauben stark wird und Gestalt gewinnt (Gal. 4i9)." (Hervorhebungen von mir.) Gegenüber dieser additiven Auslegung ist mit Nachdruck die Identität der beschriebenen Geschehnisse zu betonen. Das Mitgekreuzigtsein ist die Gestalt des Lebens derer, in denen Jesus Christus lebt. Vgl. im folg. und bes. unten, S. 236 ff. 287 ff. 15 Vgl. bereits oben, S. 184 f. 16 Conzelmann, Theol. N T 76. Tannehill (Dying 46) identifiziert den „Leib des Christus" in Rom. 7,4 mit dem „Leib der Sünde" von Rom. 6,6. Diese Deutung scheitert allein schon an der unhaltbaren Auslegung von Rom. 6,6 durch den Autor (s. oben, S. 179 A. 9). Käsemann (Rom. 179) versteht die Wendung als Bezeichnung f ü r den „Kreuzesleib". Doch da er interpretierend ergänzt, die Christen seien nach Rom. 7,4 „kraft des Mediums der Taufe" getötet (ebd. 180), und Taufe nach Käsemann bei Paulus „Eingliederung in Christus und seinen Leib" 14

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II. Die Taufe εις Χριστον Ιησουν (Rom. 6,1—7,6)

stus werden die Christen durch die Taufe hineingenommen mit dem Ziel, dem von den Toten Auferweckten anzugehören. Indem sie an dem Leib des Christus Anteil gewinnen, werden sie gleichfalls zugunsten und zuungunsten des Gesetzes getötet; zugunsten, insofern sie eschatologisch getötet werden, zuungunsten, insofern sie nicht im Tode bleiben, sondern als Getötete dem Auferweckten angehören, „damit wir Gott Frucht bringen". Gerade weil aber der Tod zugunsten des Gesetzes in Jesus Christus Tod zuungunsten des Nomos ist, ist das „zugunsten" allemal durch das „zuungunsten" überholt 17 . Der Bezug der Aussage Rom. 7,4 auf die Taufe und des σωμα του Χρίστου auf den getöteten Leib als „wirkungsmächtigen Auferstehungsleib" wird durch die Fortsetzung in Rom. 7,5 f. unterstützt. Paulus erläutert hier den in V. 4 angedeuteten Herrschaftswechsel. Zunächst beschreibt er das vorchristliche Leben der Christen mit seinen Konsequenzen (Y. 5), d. h. das Leben vor der Taufe bzw. dem Glauben. Dieser Beschreibung stellt er dann eine Bestimmung des „jetzt" ereigneten Heilsgeschehens mit seinen Folgen gegenüber (Y. 6). Während V. 5 dabei vor allem im Hinblick auf den Schluß des Satzes (Motiv des Fruchtbringens) mit V. 4 parallel läuft, knüpft V. 6 gleich zu Beginn an V. 4 an (Motiv des Todes gegenüber dem Gesetz). In dem Konsekutivsatz, in den er ausmündet, bringt er noch einmal eine antithetische Aussage, die sowohl auf V. 5 als auch auf Y. 6 bezogen ist. V. 5 ist damit in gewissem Sinne Antithese sowohl zu V. 4 als auch zu V. 618. V. 5 ist strenggenommen nicht Beschreibung, sondern Deutung des vorchristlichen Lebens 19 . Auffällig ist zunächst der einleitende Temporalsatz. Paulus sagt nicht, wie man es nach Rom. 6 und 7,4 vielleicht erwarten würde: „Als wir unter dem Gesetz waren", um dann die Folgen dieser Situation aufzuzeigen, sondern: „Als wir im Fleisch waren . . . " . Wie das Präteritum zeigt, ist σαρξ hier im radikalen Sinn als Lebensraum verstanden, der zugleich die Norm menschlichen Lebens ist und es umfassend bestimmt, der aber als solcher für die Christen zur Vergangenheit gehört 20 . Das, was dieses Sein im Fleisch chaheißt (ebd. 159), erscheint es näherliegend, die Wendung gleich in diesem Sinne („Eingliederung ...") auszulegen. 17 Die erörterte Parallele zu Rom. 7,4 in Gal. 2,19 f. zeigt im übrigen, daß sich auch der Satz in Rom. 7,4 in eine συν Χριστω-Aussage übertragen läßt. 18 Vgl. zur Gliederung auch Tachau, ,Einst' 126 f. 19 Und zwar, wie bereits in Rom. 5 und 6, sub specie fidei, von Jesus Christus als eschatologischer Offenbarung Gottes her. 20 Auch die Christen leben nach Paulus zwar εν σαρκι. Im Unterschied zu den Nichtglaubenden sind sie jedoch nach dem Apostel dieses Seins εν σαρκι mächtig, und zwar dadurch, daß sie — wie Paulus ζ. B. sagen kann — das, Weis sie „im

3. Dem Gesetz gestorben und frei von ihm (7,1—6)

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rakterisiert, nennt der Apostel in V. 5b: Die Christen waren Tätigkeitsfeld von — durch das Gesetz heraufgeführten — „sündigen Leidenschaften" 21 , damit sie dem Tode Frucht brächten. Wie sie nach ihrer Tötung τω νομω durch den Leib des Christus dem Auferweckten gehören und nun Gott als ihrem Besitzer Frucht bringen sollen (V. 4), so waren sie „im Fleisch" aufgrund der Leidenschaften τα δια του νομού dem Tod zu eigen und brachten ihm als ihrem Herrn Ertrag. Nachdem der Apostel in V. 5 in äußerster Kürze die verhängnisvolle Rolle angezeigt hat, die das Gesetz für die, die im Fleisch sind, spielt, kehrt er in V. 6 zum Kern der Aussage von V. 4 zurück. Jetzt sind die Christen vom Gesetz getrennt. Als Tote sind sie der Gefangenschaft durch den Nomos entnommen. Wie bereits in diesen beiden Aussagen in V. 6 eine Anlehnung an Terminologie und Redeweise von Kap. 6 zu beobachten ist, so auch in den Folgerungen, die Paulus aus dem Geschiedensein vom Gesetz zieht. Das Leben der Gestorbenen ist neuer Dienst (δουλευειν). War das Sein im Fleisch Dienst in der Vergangenheit des Buchstabens, so geschieht der durch den Leib des Christus eröffnete Dienst in der eschatologischen Neuheit des Geistes. V. 5 und V. 6 sind vorangehend im wesentlichen nur mehr paraphrasiert worden. Die Wahl dieser Interpretationsweise scheint am ehesten der Funktion dieser Sätze gerecht zu werden. Denn sosehr sich Paulus in V. 5 f. auch an die Terminologie von Rom. 6 anlehnt und Rom. 7,4 erläutert — die beiden Verse haben zugleich thetischen Charakter und werden selbst allererst durch die Zusammenhänge interpretiert, auf die sie vorausweisen, Rom. 7,7—24 und Rom. 8. Dies Verhältnis von V. 5 f. zum folgenden kommt etwa in der Gezieltheit zum Ausdruck, mit der Paulus in V. 5 f. bestimmte zentrale Begriffe und Motive einführt, die er dann im folgenden wiederaufnimmt: so ζ. B. die Begriffe Sarx (V. 5)22 und Pneuma (V. 6)23 und das Motiv der Gefangenschaft im Gesetz (V. 6)24. Nicht weniger gezielt ist freiFleisch" leben, im Glauben an den Sohn Gottes leben (Gal. 2,20). Vgl. zum „Sein im Fleisch" als vorchristlicher Existenz unten, S. 194 ff. zu Rom. 7,7 ff. 21 Bauer, Wb 1195. Der Gebrauch des Plurals von αμαρτία ist bei Paulus selten und findet sich fast stets an Stellen, die „den Einfluß allgemein-urchristlichen Sprachgebrauchs" aufweisen (Jeremias, Abendmahlsworte 96). Im Hinblick auf Rom. 7,5 liegt die Vermutung nahe, daß Paulus die Wendung τα παθήματα των αμαρτιών wählt, um eine zu enge oder auch ungeschützte kausale Verknüpfung von Sünde und Gesetz zu vermeiden. 22 Vgl. 7,14.18; 8,3-9.12 f. 23 Vgl. 8,1-27. 24 Vgl. 7,23 f.; 8,2. Gerade von diesen Stellen her ist die Frage, ob εν ω auf νομος zurückzubeziehen oder neutrisch als Abstrakten aufzufassen ist (vgl. Michel, Rom. 168 A. 3), zugunsten der erstgenannten Möglichkeit zu entscheiden. 13 Osten-Sacken, Römer 8

194

III. Der Mensch in der Macht der Sarx (Rom. 7,7—24)

lieh die Hinführung auf die Frage, die Paulus selbst gleich anschließend in Rom. 7,7 formuliert: „Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde?" Denn die Wendung τα δια του νομού in V. 5 fordert sie geradezu heraus. Allerdings erscheint es gerade von V. 5 her als eine Verkürzung, wenn dem Abschnitt Rom. 7,7—24 aufgrund dieser — von Paulus gleich selbst abgewehrten — Frage der Titel einer „Apologie des Gesetzes"25 verliehen wird. Dies ist er gewiß auch. Aber wenn es denn zutrifft, daß V. 5 in Rom. 7,7—24 ausgeführt wird26, so ist der Vers auch im ganzen als „Uberschrift" ernst zu nehmen. Das Thema von 7,7 ff. ist deshalb von V. 5 her am ehesten als Deutung des „Seins εν σαρκι" zu bestimmen, wie es abbreviaturhaft bereits in V. 5b gekennzeichnet ist. Rom. 7,6 kann entsprechend als Thema von Kap. 8 gelten. Dabei ist freilich nur zu beachten, daß Paulus dies Thema auf dem Hintergrund des in 7,7 ff. Ausgeführten entfaltet 27 .

ΙΠ. Der Mensch in der Macht der Sarx (Rom. 7,7-24)' 1. Voraussetzungen und Aufgaben der Interpretation

Allein schon aus räumlichen Gründen kann es in der anstehenden Auslegung von Rom. 7,7 ff. um keine vollständige Exegese des Abschnittes gehen. Ebensowenig soll versucht werden, eine völlig neue Deutung dieses schier unerschöpflichen Textes vorzulegen. Angestrebt wird vielmehr einerseits, einen Teil der exegetischen Erkenntnisse, die bisher an diesem Abschnitt gewonnen worden sind, konsequenter für seine Interpretation fruchtbar zu machen, als es bisher im allgemei25 So ζ. B. Kümmel, Bekehrung 9; Bultmann, Anthropologie 204; Eichholz, Paulus 252. 258. Bultmann hat jedoch diese Charakteristik bereits selbst überschritten, wenn er zuvor sagt: „die Situation des unter dem Gesetz stehenden Menschen überhaupt wird hier charakterisiert" (a.a.O. 198) und wenig später (ebd. 205) in Rom. 7,5 das Thema für 7,(7—)14—25 angegeben findet. Auch Käsemann (Rom. 182.200) wendet sich gegen die Rede von einer „Apologie des Gesetzes" und benennt (ebd. 182) weitere Vertreter der kritischen Auffassung. 28 Vgl. oben, S. 158 Α. 3. " Vgl. oben, S. 57 f. 1 Man könnte den Abschnitt mit Conzelmann (Theol. NT 252) auch „De servo arbitrio" überschreiben. Vgl. unten, S. 202 ff.

1. Voraussetzungen und Aufgaben der Interpretation

195

nen geschehen ist. Andererseits steht als Ziel vor Augen, bestimmte Aspekte des Textes dadurch zu profilieren, daß Fragestellungen aufgegriffen werden, die in der neueren Exegese von Rom. 7,7 ff. zu Unrecht fast ganz zurückgedrängt worden sind oder, wenn sie aufgenommen wurden, doch nur eine unzureichende Antwort gefunden haben. Diese Bemühungen stehen im Dienst des umfassenden Zieles, den Text konsequent von daher zu begreifen, daß er Paulus wichtig ist im Hinblick auf die in Rom. 8 folgenden Ausführungen, der Apostel also das Leben in der Macht der Sarx expliziert, um auf diesem Hintergrund von der Erlösung in Jesus Christus sprechen zu können. Vorausgesetzt ist wie in diesen Vorbemerkungen so in der nachstehenden Deutung, daß das zentrale, die Auslegungsgeschichte beherrschende Problem von Rom. 7,7 ff., die Frage nach dem Subjekt der Aussagen, nach der umfassenden Untersuchung von Kümmel2 als grundsätzlich gelöst gelten kann. Der Abschnitt bietet „eine Schilderung des Nichtchristen vom christlichen Standpunkt aus" 3 . Das Ego ist also der Glaubende, der als solcher sein vorchristliches Leben durchschaut und es von seinem Sein in Jesus Christus her durchleuchtet, indem er sich selbst als Nichtglaubendem, der er war, die Erkenntnis und die Stimme leiht, die er als Glaubender gewonnen hat. Die Aussagen des Ego in Rom. 7,7 ff. liegen damit auf derselben Ebene wie die über die Adam-Seite der Adam-Jesus-Christus-Typologie Rom. 5,12—214. Sie sind von der eschatologischen Offenbarung Gottes in Jesus Christus her gewonnene Aussagen und als solche durchweg christologisch und damit eschatologisch qualifiziert. Mit Recht ist der Passus Rom. 7,7 ff. deshalb als „Korreferat zur paulinischen Christologie" bezeichnet worden5. Davon abgesehen, daß sich die von Kümmel überzeugend begründete Lösung der Frage nach dem Ego nicht überall hat durchsetzen können6, sind freilich auch unter den Exegeten, die dieser Deutung im ganzen zustimmen, erhebliche Differenzen in der Interpretation der Aussagen zu beobachten, die das Ego in Rom. 7,7 ff. über sich macht. Sie bedingen neue Divergenzen in der Bestimmung des Subjekts. Die Unstimmigkeiten beruhen vor allem auf der unterschiedlichen Deutung der schwierigen Aussagen V. 9. 10a: „Ich aber lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf, ich aber starb." So wird die Bemühung um die Definition des Ego in Rom. 7, insbesondere um das Verständnis der zitierten Sätze, eine der unumgäng! Bekehrung. » Ebd. 138. 4 So auch Käsemann, Rom. 189. Vgl. zu Rom. 5 oben, S. 164 ff. s Fuchs, Interpretation 396. • Vgl. ζ. B. Nygren, Rom. 208 ff., bes. 213. 217.

13*

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III. Der Mensch in der Macht der Sarx (Rom. 7,7—24)

liehen Aufgaben der Interpretation sein. Sie ist aufs engste mit der zweiten verknüpft. Es ist schon immer aufgefallen, daß Paulus in Rom. 7,7 ff. zunächst die Zeitform des Präteritum gebraucht, ab V. 14 jedoch präsentisch formuliert. In jüngster Zeit wird diese Beobachtung jedoch nur selten zur Sprache gebracht, zu erklären und für die Deutung des Ego in Anschlag zu bringen versucht. Vielmehr wird die Frage nach dem Ego ohne ersichtlichen Grund im allgemeinen allein anhand der Ausführungen in V. 7—12 bzw. 13 diskutiert 7 . So ist zu hoffen, daß die Erörterimg der Frage des Tempuswechsels in der Deutung des Ich einen Schritt weiterführt. Der präsentisch formulierte Teil des Abschnittes beschreibt das Leben des Menschen, der in der Macht der Sarx ist, als Widerspruch zwischen Wollen und Tun. Der mangelnden Berücksichtigung von V. 13 bzw. 14 ff. für die Auslegung von V. 7 ff. entspricht in der gängigen Interpretation der Aussagen über das Wollen und Tim der fehlende Rückbezug auf V. 7 ff. Es wird zu fragen sein, ob die Deutung des „Menschen im Widerspruch", wie ihn der präsentisch formulierte Teil präsentiert 8 , sich durch die Beachtung des Zusammenhangs der Aussagen mit V. 7 ff. präzisieren läßt. Die Aussagen des zweiten Teils gipfeln in der Auswertung, die Paulus in den Versen 21—24 unternimmt 9 . Gebührt diesen abschließenden Sätzen schon angesichts ihrer Stellung am Schluß größte Aufmerksamkeit, so um so mehr noch aufgrund der oben notierten Beobachtung 10 , daß der Anfang von Rom. 8 unmittelbar auf diese Sätze bezogen ist. Damit sind die Schwerpunkte der folgenden Auslegung markiert. Vor ihrem Beginn nur noch ein Wort zum Aufbau von Rom. 7,7 ff. Wie Rom. 6 wird der Abschnitt durch zwei parallele Einleitungen unterteilt, V. 7 und V. 13. Entgegen der weithin üblichen Gliederimg in V. 7—13 und V. 14—2511 ist also V. 13, wie im Zusammenhang

7 Vgl. zuletzt van Dülmen, Gesetz 106ff.; Schunack, Problem 101 ff., bes. 135 (Schunack erörtert zwar an späterer Stelle die Tempusfrage, aber die Deutung des Ego ist da bereits abgeschlossen; s. ebd. 221 f. und dazu unten, S. 212 f.); ferner Luz, Geschichtsverständnis 158 ff. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die Interpretation Bornkamms (Sünde 51 ff.). Vgl. dazu unten, a.a.O. 8 Fuchs (Freiheit 66) überschreibt diesen Abschnitt „Der Mensch im Zwiespalt". Die Anfragen Käsemanns (Rom. 200) an die Begriffe „Widerspruch" und „Zwiespalt" überzeugen im Hinblick auf letzteren. • Vgl. αρα und unten, S. 209 ff. 10 Siehe S. 157 f. 11 So z.B. Kümmel, Bekehrung 9 f . 56f.; Bultmann, Anthropologie 198. 200; Bornkamm, Sünde 53; Hommel, Überlieferung 100; Kuß, Rom. II, 440; Brandenburger, Adam 217; van Dülmen, Gesetz 106.112; Käsemann, Rom. 182.

2. Des Menschen Wille ist sein Tod

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seiner Erörterung noch deutlicher werden wird, zum Folgenden zu rechnen12.

2. Des Menschen Wille ist sein Tod Die Frage, von der Paulus in V. 7—12 ausgeht, ist die nach der möglichen Identität von Gesetz (Thora)1 und Süijde (V. 7), das in V. 12 erreichte Ziel der Nachweis der Nichtidentität beider Größen und damit der Heiligkeit des Gesetzes. Er erbringt diesen Nachweis, indem er das nahezu nach Art eines dramatischen Geschehens2 vorgestellte Zusammentreffen der drei Größen εγω, αμαρτία und νομος (εντολή) darstellt. Die zu erschließende Ausgangssituation ist folgende: Das Ego lebt ohne Nomos, die Harmatia liegt außerhalb seines Gesichtskreises, sie ist für ihn nicht existent3. In dem Augenblick jedoch, da der Nomos (in Gestalt des Gebots) kommt, geschieht eine Verwandlung der Szene. Das Ego stirbt, die Harmatia lebt auf. Indem der Nomos auftritt und verbietet, begehrt das Ego und tut damit das Verbotene. Die Sünde nimmt das Gebot als „Antrieb"4, um sich in Szene zu setzen, indem sie im Ego das — vom Gebot untersagte — „Begehren schlechthin"5 bewirkt. Damit aber ist das Ego nicht mehr es selbst. Denn dies wäre es nur dann, wenn es dem Gebot gehorchte und nicht begehrte, da die Verheißung des Lebens, die an das Gebot geknüpft ist (V. 10), ihm als nichtbegehrendem gilt. So aber ist es mit 12 Mit Fuchs, Freiheit 66; Schunack, Problem 124. 220 f. Vgl. dazu weiter unten, S. 201 f. 1 Daß Paulus in Rom. 7,7 ff. unter dem Nomos die Thora versteht, ist nach Rom. 5,13; 7,1.5 unzweifelhaft. 2 Vgl. Leenhardt, Rom. 106; Fuchs, Interpretation 375; Schunack, Problem 122. 8 Die Aussage „ohne das Gesetz ist die Sünde tot" beschreibt also das Verhältnis des ohne Gesetz lebenden Ego zur Sünde als das der Beziehungslosigkeit. Die Deutung wird durch die — m. W. bisher nicht berücksichtigte — nächste sprachliche Parallele zur Gegenüberstellung von νεκρός und (ανα)ζην (V. 8 f.) belegt, Lk. 15,32: ο αδελφός σου ούτος νεκρός ην και εζησεν. 4 So übersetzt αφορμή treffend Jonas, Augustin 40 (ebenso Bertram, ThWb V, 474). Die Übertragung kommt der parallelen Aussage l.Kor. 15,56, daß das Gesetz die „Kraft der Sünde" sei, am nächsten. Demgegenüber erscheinen die Übersetzungen „Ansatzpunkt" (Bertram, ebd.), „Handhabe" (Schlier, ThWb II, 493) und „Operationsbasis" (Bornkamm, Freiheit 134; vgl. ders., Sünde 55 mit A. 8) als zu blaß. 5 Zu diesem Sinn von πασαν επιθυμιαν (V. 8) s. Bornkamm, Sünde 55 mit A. 7; ferner Fuchs, Freiheit 71; Michel, Rom. 172. Wenn Wilckens (Aus Werken 56) daraus, daß das Gebot ουκ επιθυμήσεις Zitat aus dem letzten Dekaloggebot ist, folgert, die Begierde sei „also als Tatsünde gemeint", so scheitert diese Deutung daran, daß die im Dekaloggebot aufgeführten Objekte gerade nicht genannt sind. Vgl. Michel, a.a.O.

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III. Der Mensch in der Macht der Sarx (Rom. 7 , 7 - 2 4 )

seinem Begehren gestorben. Als begehrendes hat es seine Identität an die Sünde verloren und ist dem Tode anheimgefallen. Identisch sind damit nicht Nomos und Hamartia. Sondern mit dem Auftritt des Nomos kommt gerade die Identität von Ich und Sünde zustande und stellt sich der Tod als das Geschick des Ego ein, das sich von der Sünde hat betrügen lassen. „So daß das Gesetz heilig ist und das Gebot heilig und gerecht und gut" (V. 12). Paulus erzählt jdas Geschehen des Zusammentreffens von Gesetz, Ich und Sünde als vergangene Geschichte6 der Begegnung des Ego mit dem Nomos. Doch wann hat sich diese Geschichte, die mit dem Tod des Ego endete, ereignet? Zumindest das Motiv des Betrugs der Sünde, möglicherweise auch die Rede vom Gebot und dessen Inhalt spielen in V. 7—12 auf die Erzählung vom Sündenfall (Gen. 3) an7. Andererseits ist das Gebot aber nun doch Zitat aus dem Dekalog und das Gesetz die am Sinai gegebene Thora. Bornkamm8 hat diesen verschiedenen Bezügen, die sich von V. 7—12 zur alttestamentlichen Geschichte herstellen lassen, durch folgende, vielfach anerkannte9 Deutung Rechnung getragen: Das Ego von Rom. 7 „ist der Mensch unter Gesetz und Sünde, der in diesem Ich sich ausspricht, der Mensch, in dessen Geschichte sich freilich die Geschichte Adams in eigentümlicher Weise wiederholt. Die εντολή, die dem Menschen begegnet, ist zwar nicht mehr das Paradiesesgebot, sondern der Dekalog . . . ; in der Begegnung aber mit diesem mosaischen Gesetz, durch welches es zur επιγνωσις αμαρτίας (Rom 320) und zur Anrechnung der Sünde (Rom 513) kommt, wird die Verfehlung des Ich im eigentlichen Sinne der Ubertretung Adams erst analog. In dem εγω von Rom 77 ff. bekommt Adam von Rom 512 ff. seinen Mund." Diese „Deutung des εγω auf den adamitischen Menschen"10 überzeugt darin, daß sie einerseits die vorhandenen Anspielungen auf Paradieses- und Sinaitradition aufnimmt, andererseits den Zusammenhang mit den paulinischen Ausführungen in Rom. 5,12—21 herstellt11. Gerade von den theologischen Vorausset• Luz, Geschichtsverständnis 163. 7 Vgl. Lyonnet, Rom. VII 7, S. 157 ff.; Brandenburger, Adam 215 f.; Luz, a.a.O. 8 Sünde 59. » Vgl. z.B. Brandenburger, a.a.O. 216; Conzelmann, Theol. NT 257 A. 11; Luz, a.a.O. 166 A. 116. 10 Bornkamm, a.a.O. (Hervorhebung von B.). 11 Käsemann (Rom. 186) urteilt, daß der in V. 9—11 geschilderte Vorgang „allein auf Adam wirklich zutrifft". Das Problem, daß Paulus in V. 9—11 wie in V. 7—12 insgesamt nicht nur vom Gebot, sondern auch vom Gesetz redet, das der Deutung des Ego auf Adam als „Prototyp" des Menschen unter der Thora (ebd. 187) entgegensteht, sucht Käsemann mit Hilfe der jüdischen Überlieferung zu lösen, Adam habe „mit dem ihm gegebenen Gebot zugleich das ganze Gesetz empfangen" (ebd. 186). Spuren dieser Überlieferung sind jedoch bei Paulus nicht zu

2. Des Menschen Wille ist sein Tod

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zungen von Rom. 5 und von der ihnen entsprechenden Erkenntnis her, daß in Rom. 7 vom christlichen Glauben her gedeutet wird, aber ist die Rornkammsche Interpretation zugleich einer Prüfung zu unterziehen. Denn zwar teilt auch Rornkamm die Auffassung, daß hier das „Elend des unerlösten Menschen . . . vom Standort des Erlösten aus" 12 beschrieben wird, und so impliziert seine Aussage, daß in dem Ego Adam von Rom. 5 bzw. der adamitische Mensch seinen Mund bekomme, die Prämisse, daß durch diesen Mund der Glaubende spricht. Aber es scheint, daß diese Voraussetzimg von Rornkamm nicht konsequent durchgehalten ist. Symptomatisch dafür ist, daß er jener Aussage von V. 10 εγω δε απεθανον nicht gerecht zu werden vermag. Zwar paraphrasiert er verschiedentlich, daß die Sünde das Ego mit Hilfe des Gesetzes töte 13 , und deutet auch da, wo er thematisch vom Tod des Ego spricht, zunächst noch zutreffend, daß das Ego als von der Sünde getötetes der Mensch sei, der „das Leben längst schon eingebüßt hat" 14 . Dann aber schwächt er — zu V. 14 ff. überleitend — diese Interpretation entscheidend dadurch ab, daß er das Ego „ein Kind der Täuschung und des Todes" 15 nennt, dessen so bestimmte Kindschaft sich nach V. 14 ff. am Ergebnis seines Tuns zeige, nämlich dem „Rösen", das Umschreibung des Todes sei (V. 19. 21). Von dieser zweifelhaften Deutung des κακόν, der die unzutreffende Deutung des αγαθόν als ζωη korrespondiert, kann hier zunächst abgesehen werden 16 . Worauf jedoch mit Nachdruck zu insistieren ist, ist die Feststellung, daß das Ego nach V. 7—12 nicht „Kind des Todes", sondern daß es wirklich und wahrhaftig gestorben und damit tot ist17. Wie aber ist dies zu verstehen? Die Antwort auf diese Frage ist mit den Ausführungen über die Adam—Jesus-Christus-Typologie und das dort implizierte Gesetzesund Todesverständnis angebahnt. Das Prae, das der Glaubende, der in Rom. 7 sich als adamitischen Menschen deutet, diesem selbst voraus hat, ist seine Gewißheit, daß der Gekreuzigte auferweckt ist. Wie aufgezeigt, beinhaltet diese Gewißheit nach Paulus, daß das Gesetz an Jesus Christus als Maßstab des göttlichen Gerichts eschatologisch zur Geltung gebracht ist und damit zugleich an den Vielen, die durch erkennen. Sie fehlen gerade da, wo man sie am ehesten erwarten würde, in Rom. 5,12 ff. Die dortige Rede von der „Gleichgestalt der Übertretung Adams" (V. 14) sucht vielmehr im Gegenteil der geschichtlichen Differenz zwischen Gebot an Adam und Sinaigesetz zu entsprechen. Die vereinfachende Auslegung Käsemanns scheitert ferner an V. 13 ff. Vgl. unten, S. 219 f. ls 14 " Sünde 53. Ebd. 60 f. Ebd. 61. 15 Ebd. Daß es sich dabei um keine Zufallsformulierung handelt, zeigt der Tatbestand, daß die Wendung „Kind des Todes" außerdem noch viermal erscheint: 18 S. 56(2x).63.67. Vgl. unten, S. 202 f. 17 Vgl. zur Kritik an Bornkamms Interpretation auch Schunack, Problem 136.

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T o d u n d A u f e r w e c k u n g des E i n e n als S ü n d e r u n d d e n eschatologischen T o d G e s t o r b e n e erwiesen werden. W i l l m a n d i e s e m P r a e des G l a u b e n d e n als I n t e r p r e t e n R e c h n u n g t r a g e n , so erscheint als e i n z i g m ö g liche K o n s e q u e n z , d a ß P a u l u s in R o m . 7,7 ff. d a s G e s e t z w i e in R o m . 5,12 ff. als eschatologische Größe ins S p i e l b r i n g t . D a s a b e r b e d e u t e t zugleich, d a ß der T o d des E g o nichts anderes ist als der eschatologische T o d , die eschatologische V e r u r t e i l u n g u n d T r e n n u n g v o n G o t t 1 8 . W i e die B e h a u p t u n g R o m . 5,12, d a ß „ a l l e s t a r b e n , weil alle s ü n d i g t e n " , ein eschatologisches U r t e i l ist, so die A u s s a g e n ü b e r d e n T o d des E g o , der d i e s e m von der S ü n d e m i t H i l f e des Gesetzes b e s c h a f f t wird. D i e A u s f ü h r u n g e n in R o m . 7 m e i n e n also d u r c h a u s den a d a m i t i s c h e n M e n s c h e n , aber es ist e b e n der eschatologisch beurteilte u n d verurteilte A d a m i t , der hier n a c h seiner R e t t u n g zu W o r t k o m m t u n d seine Geschichte i m H o r i z o n t seiner eschatologischen V e r u r t e i l u n g erzählt, die a n i h m v o l l z o g e n ist 1 9 . D i e A u s s a g e n in V. 7—12 k o m m e n s o m i t von der (christologisch b e g r ü n d e t e n ) E r k e n n t n i s her, d a ß alle a u f g r u n d ihrer S ü n d e s t a r b e n , u n d versuchen, diese E r k e n n t n i s a m Verhältnis des a d a m i t i s c h e n M e n s c h e n z u m G e s e t z zu verdeutlichen 2 0 . B e v o r sich 18 Dies scheint in nuce zutreffend von Kuß (Rom. II, 448 f.) erkannt zu sein, wenn er zu V. 10 sagt, gemeint sei „der Tod in umfassendem Sinn, der Tod vor Gott, der absolute Tod, dessen schreckenerregendes Symbol der leibliche Tod ist". 19 Insofern ist es also durchaus zutreffend, wenn Schunack (Problem 141) den Tod des Ego und das Ego selbst jeweils ein „eschatologisches Sprach- und Urteilsphänomen" nennt. Und auch die Folgerung, daß das (tote und als solches für den Glauben verwahrte) Ego „darum auf die Seite des Gesetzes" gehöre, erscheint stringent. Die damit verbundene Einschränkung, es gehöre „nicht auf die (sc. Seite) ,des' Menschen", scheint jedoch bei Schunack die Ablehnung jeglichen geschichtlichen Rezugs des Ego zu implizieren (vgl., dazu auch unten, S. 217 f.). Demgegenüber ist als zweite Seite des Sachverhalts festzuhalten, daß das tote Ego zugleich Träger der adamitischen Existenz ist. Nur von hier aus wird auch die Fortsetzung Rom. 7,13 ff. verständlich. Siehe unten, S. 212 ff., bes. S. 218. 20 Die vorgetragene Auslegung wird bestätigt durch Rom. 1,18—32. Dort legt Paulus denselben Sachverhalt wie Rom. 7 dar: Die Heiden haben Gott verfehlt (V. 18—23), darum hat er sie dem übergeben, worin ihre Verfehlung bereits gründete, ihren Regierden, so daß sie in Unreinheit leben und ihre Somata entehren (V. 24; vgl. V. 26. 28). Mit dieser Hingabe an ihre Regierden sind sie gerichtet (vgl. K.-A. Rauer, Leiblichkeit 140 mit A. 4) und zugleich als den Regierden Lebende des Todes schuldig. Obwohl das Gesetz in 1,18—32 nicht genannt wird und auch als Thora nicht genannt werden kann, wird es von Paulus theologisch zur Geltung gebracht. Die Rasis dafür bilden 1,19 ff.32; 2,15.Auf dieser Rasis kann Paulus in Rom. 7 vom adamitischen Menschen sprechen, ohne zwischen Juden und Griechen zu unterscheiden. Zwar ist unter dem Nomos die Thora verstanden, so daß die Argumentation am Reispiel des Verhältnisses des Juden zur Forderung Gottes orientiert ist, die in der Thora laut wird. Aber eben diese Forderung ist auch den Griechen bekannt. Vgl. außer den genannten Stellen die Redeutung des Regriffs der „Regierden" (επιθυμιαι V. 24, παθη V. 26) in Rom. 1,18—32 mit der Relevanz dieser Regrifflichkeit in Rom. 7 (παθήματα V. 5, επιθυμία V. 7. 8).

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weitere Aussagen über das Ego machen lassen, gilt es zu fragen: In welchem Verhältnis stehen die in V. 13 ff. folgenden Ausführungen zu denen in V. 7—12? In Rom. 7,7—12 hat Paulus dargelegt, daß nicht Gesetz und Sünde, sondern Ego und Hamartia identisch sind und daß diese Identität durch die Ankunft des Gesetzes zustande gekommen ist. In V. 12 folgerte er aus der aufgezeigten Nichtidentität von Gesetz und Sünde die Heiligkeit des Nomos. Da aber die Identität von Sünde und Ich dessen Tod bedeutet, liegt der Einwand auf der Hand, daß dann zumindest der Tod des Ego auf das Konto des Gesetzes geht. Folgerichtig schließt Paulus in V. 13 mit dieser Frage an, um sie jedoch sogleich abzuwehren. Nicht das Gute, das Gebot, ist dem Ego zum Tod geworden, sondern die Sünde. Und zwar ist dies geschehen, damit die Sünde als der Faktor offenbar würde, der dem Ego durch das Gute (das Gebot) den Tod bewirkt, damit also die Sünde durch das Gebot über alle Maßen sündig würde. Wie erwähnt, werden Frage und Antwort in V. 13 von den Exegeten vielfach als Abschluß der mit V. 7 beginnenden Ausführungen betrachtet21. Aber dagegen sprechen einmal formale Gründe 22 , zum anderen die Beobachtung, daß V. 13b durchaus keine überzeugende und damit hinreichende Erwiderung auf den aus V. 7—12 erschlossenen Einwand in V. 13a ist. Denn wenn einerseits die Sünde ohne Gesetz tot ist und das Ego erst durch die mit dem Kommen des Gesetzes auflebende Sünde stirbt, wenn andererseits das in V. 7—12 aufgeführte Schauspiel inszeniert wird, damit die Sünde als die Figur erscheint, als die sie in dieser Vorstellung agiert, dann ist das Ego zumindest bedauernswertes Opfer einer ohne sein Einverständnis getroffenen Veranstaltung und hat den geringsten Anlaß, dem Gesetz bzw. Gebot seine in V. 12 beglaubigte Heiligkeit, Gerechtigkeit und Güte zu bestätigen. So ist V. 13b eher These und Auftakt als Begründung und Abschluß. Bestätigt wird diese Zuordnung von V. 13 zu V. 14 ff. durch den Anschluß mit γαρ in V. 14. Paulus begründet die Gegenbehauptung von V. 13 b, indem er sich auf das gemeinsame Wissen beruft, daß das Gesetz geistlich ist, und dieser Kennzeichnung des Nomos eine Charakteristik des Ego gegenüberstellt: „Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft." Damit ist der Einwand, das Gesetz sei schuld am Tod des Ego, erneut abgewehrt. Das Unheil liegt nicht auf der Seite des Nomos, sondern des Ego, das nicht zur Sphäre Gottes gehört, nicht mit dem Gesetz übereinstimmt, vielmehr sich im Widerspruch zu ihm in der Gewalt der Sünde befindet. Doch läßt Paulus es 21 22

Siehe oben, S. 197 mit A. 11. Siehe oben, S. 196 f.

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nicht mit diesen beiden Feststellungen bewenden, sondern zeigt am Ego selbst deren Sachgemäßheit auf. So lassen sich V. 15 f. als Explikation von V. 14 a, V. 17—20 als Explikation von V. 14b verstehen. In beiden Einheiten steht das Bekenntnis im Mittelpunkt, daß das Ego nicht das tut, was es will, sondern das, was es haßt. Während Paulus in V. 15 f. diese Antithetik von Wollen und Tun als Beweis für die Zustimmung des Ego zum αγαθος-Sein des Nomos anführt, nimmt er sie in V. 17—20 zum Aufweis dessen in Dienst, daß das Ego von der Sünde beherrscht ist, daß nicht mehr es selbst agiert, sondern die in ihm wohnende Sünde. Erst mit V. 15 f. ist damit die Integrität des Gesetzes gesichert. Das Ego, das in der Begegnung mit dem Nomos zu Tode kommt und deshalb scheinbar keinen Anlaß zu seinem Ruhm hat, bezeugt selbst, daß das Gesetz gut ist (V. 16). Doch wie ist jene Gegensätzlichkeit von Wollen und Tun zu verstehen? Ihre derzeit vorherrschende Deutung geht auf Bultmann 23 zurück. Ausgehend von der Kritik der Auffassung, der Widerspruch zwischen Wollen und Tun meine die jederzeit erfahrbare Diskrepanz zwischen gutem Vorsatz und mißlungener Durchführung, hat er nachzuweisen gesucht, daß θελε ιν und ποιειν „transsubjektive Vorgänge" 24 seien und die betreffenden Aussagen den Widerspruch zwischen dem stets vorhandenen Aussein des Menschen auf seine Eigentlichkeit und deren ständiger (nach Paulus schon immer vollzogener) Verfehlung bezeichneten25. Dem Menschen gehe es stets bewußt oder unbewußt mit all seinem Tun um das Leben, was jedoch bei diesem Tun herauskomme, sei der Tod 26 . Auf die Aussagen in V. 13 ff. gewendet: „Objekt des •θελεiv ist die ζωη, und Resultat des ποιειν und πρασσειν ist der θανατος. 5Die ζωη ist das αγαθόν bzw. καλόν, der Tod ist das κακόν (V. 19. 21)." 27 Diese Interpretation besticht dadurch, daß sie im Gegensatz zu der von Bultmann mit Recht kritisierten psychologisch-ethischen Anthropologie 198 ff.; vgl. ders., Christus 32 ff.; Theol. N T 260ff. Anthropologie 209. 2 5 Ebd. 202. 26 Ebd. 203. 27 Ebd. 207. In diesem Sinne deuten das Objekt von θελειν bzw. ποιειν z. B. ebenfalls Bornkamm, Sünde 63; Schunack, Problem 221. 224f.; Conzelmann, Theol. N T 254. Auch bei Braun (Selbstverständnis 101 f.) findet sich diese Deutung, doch scheint er unter dem Guten zugleich die Thora zu verstehen. Käsemann bestimmt das Gute als „den göttlichen Willen", als „Heil" (Rom. 193), als „das Gottgewollte, das als solches Heil einbeschließt" (ebd. 194), als „Heil und Leben" (ebd. 199). Die letzte Wendung zeigt die Nähe zu Bultmann an. Die naheliegende Möglichkeit, den „göttlichen Willen" bzw. das „Gottgewollte" auf die Thora und das, was sie sagt, zu beziehen, wird nicht wahrgenommen. Kertelge (Anthropologie 109) definiert das Gute sachgemäß als „das Gegenteil von Sünde", sagt aber nicht, was dies Gegenteil seiner Auffassung nach ist. 2S

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Auslegung die Erkenntnis durchhält, daß das Ego in Rom. 7,7 ff. als vorchristliches nicht weiß, was es tut (V. 15), sich also in seinem Widerspruch gerade nicht durchsichtig ist, ihn vielmehr überhaupt erst als erlöstes durchschaut und zu artikulieren vermag. Freilich stößt Bultmanns Deutung im einzelnen auf erhebliche Widerstände im Text. So wird die entscheidende exegetische Prämisse seiner Auslegung, daß nämlich αγαθόν bzw. καλόν und κακόν in V. 18 f. 21 Leben und Tod umschrieben, durch den Kontext als unzutreffend erwiesen. Wie V. 13 eindeutig zeigt28 und Y. 16. 22 indirekt bestätigen29, ist (το) αγαθόν bzw. (το) καλόν nichts anderes als das Gesetz bzw. das Gebot30. Ebenso ist (το) κακόν nicht der Tod, sondern das, was dem Gesetz entgegensteht. Was dies dem Gesetz Entgegenstehende ist, wird gleich zu Beginn von Y. 7 ff. ausgesprochen: Es ist das, was das Gesetz untersagt, die Begierde. Mit dieser Deutung wird nicht nur der Zusammenhang von V. 13 ff. mit V. 7 ff. gewahrt31, sondern überhaupt auch erst das Resümee verständlich, das Paulus in V. 21 ff. auf V. 13—20 folgen läßt. Aber davon wird später zu handeln sein. Zunächst gilt es zu fragen, wie sich der Widerspruch zwischen Wollen und Tun gemäß der Deutung des Guten und Bösen auf Gesetz und Begierde darstellt. 28 το αγαθόν ουν . . . , nämlich das Gesetz bzw. das Gebot. Vgl. auch die Entsprechung von δια του αγαθού und δια της εντολής. 29 Vgl. dazu unten, S. 210 f. 30 Zur Kritik von Bultmanns Deutung des αγαθόν und κακόν auf Leben und Tod s. bereits Gutbrod, Anthropologie 45 ff.; Althaus, Paulus 47 ff.; Hommel, Oberlieferung 96; Kuß, Rom. II, 4 7 0 f . ; van Dülmen, Gesetz 114 A. 134. Die Einwände dieser Autoren haben jedoch stets dazu geführt, den Konflikt zwischen Wollen und Tun mehr oder weniger als subjektiven Vorgang zu deuten (bezeichnend die dann allerdings stringente Abschwächung bei Gutbrod, a.a.O. 158: „Und die Tatsache, daß in meinem leiblichen T u n . . . sich oft nicht mein Wille durchs e t z t . . . " ; Hervorhebung von mir). Gerade in dieser Hinsicht h a t Bultmann jedoch Rom. 7 richtig erfaßt. Vgl. im folg. und (exemplarisch) zu van Dülmen und Hommel unten, S. 207 f. Ohne Thematisierung des Problems wird „das Gute" jetzt auch von Eichholz (Paulus 257) auf die Thora gedeutet. 31 Zur Relevanz des Begriffs der επιθυμία f ü r die Deutung von V. 13 ff. vgl. bereits Fuchs, Freiheit 71 f. (und im Anschluß an ihn Bornkamm, Sünde 63 mit A. 27). Fuchs hat erkannt, daß in V. 13 ff. das Ego als begehrendes ausgelegt wird, sich dabei allerdings nicht deutlich über sein Verständnis des αγαθόν und κακόν geäußert. Allem Anschein nach teilt er wie Bornkamm die Bultmannsche Auslegung (s. a.a.O. 71), interpretiert jedoch das mit dem Guten identifizierte Leben als das Ego selbst (ebd. 75), so daß der Widerspruch folgende Gestalt gewinnt (ebd. 75. 79 Α. 1): Das Ego soll sich selbst wollen, es will sich auch selbst, aber damit verfehlt es sich gerade, weil es sich nicht selbst wollen („erschaffen") kann. Damit ist zwar der Widerspruch als transsubjektiver erfaßt, aber sowohl die Deutung des Gebots „du sollst nicht begehren" als „du sollst dich selbst wollen" als auch die Auslegung des Guten als Ego lassen sich exegetisch kaum verifizieren.

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Es ist dieser Auslegung entsprechend die Entfaltung der bereits in V. 7 ff. anvisierten Grundsituation der Begegnung des Ego mit dem Gesetz. Allerdings heben die Ausführungen nicht wie Y. 7 ff. auf den Tod des Ego als Resultat ab, sondern reflektieren das Verhältnis dieses im Zusammentreffen mit dem Gesetz immer schon toten (weil begehrenden) Ego zum Nomos, das also in gewissem Sinne als totes noch existieren muß — eine Frage, die noch zu thematisieren sein wird. Das Gesetz also gebietet dem Ego, nicht zu begehren. Das Ego will dies Gebot befolgen, es will das Gesetz (das Gute). Aber gerade indem es dem Gesetz entsprechen will, handelt es ihm zuwider. Es begehrt, nicht zu begehren, es will nicht begehren, aber gerade indem es dies will, hat es das Gesetz übertreten, das ja sagt: du sollst nicht begehren. Das Ego will, aber dies Wollen ist bereits die Verfehlung. Es will das Gesetz, indem es dies aber tut, d. h. begehrt, zeigt sich, daß das Ego mit seinem Tun (der Befolgung des Gesetzes) nicht das tut, was es will32. Dieses sein Tun vermag das Ego allerdings nicht zu durchschauen, es sei denn von einem Ort her, an dem es nicht mehr das Ego ist, das in dieser radikalen Ausweglosigkeit existiert. Denn die Hoffnungs- und Trostlosigkeit des Ego in seinem totalen Widerspruch von Wollen und Tun besteht eben darin, daß jener Satz gilt: „denn was ich wirke, erkenne ich nicht" (V. 15). Indem das Ego (als gerettetes) jenen Widerspruch bekennt, weil er ihm durchsichtig geworden ist, bezeugt es, daß in eben dieser Aporie zum Vorschein kommt, daß das Gesetz gut ist. Denn indem das Ego in der Begegnung mit dem Gesetz, das das Nichtbegehren gebietet, nicht begehren will und so gerade begehrt, bestätigt es, daß das Gesetz gerecht ist (V. 12. 16), wenn es das Ich mit dem Verbot der Begierde angeht und ihm „durch das Gute" der Tod zukommt (V. 13). Wie nämlich jener Widerspruch die Zustimmung des Ego zum Gutsein des Gesetzes bezeugt, so gibt er zugleich eben diesen Tod des Ego zu erkennen. Denn wenn das Ego nicht begehren will und doch gerade so begehrt und damit nicht tut, was es will, so zeigt es, daß es nicht mit sich identisch ist: „Nim aber wirke nicht mehr ich es (das, was ich tue), sondern die in mir wohnende Sünde" (V. 17. 20). Wo aber die Sünde haust, da ist das Ego getötet bzw. gestorben (V. 9 ff.). Das Ego als begehrendes und das heißt zugleich: als totes stimmt dem 32

Kümmel (Bekehrung 132) sieht in den Aussagen V. 7 f. eine prinzipielle Verwertung der psychologischen Tatsache, daß der Mensch „die Begierde nur kennen(lernt), wenn ihn das Gebot zur Übertretung reizt". Doch dürfte diese psychologische Erkenntnis kaum mehr als ein Anknüpfungspunkt für die theologische Explikation des Menschen unter dem Gesetz sein. Denn das Bezeichnende von Rom. 7 ist ja gerade, daß die Begierde sich nicht in der Übertretung, sondern in der Befolgung des Gebots manifestiert.

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Gesetz zu, daß es gut ist und erweist sich als durch die Sünde qualifiziert 33 . „Ich bin fleischlich, unter die Sünde verkauft" ist so der Ausruf des toten Ego 34 , das in der Begegnung mit dem Gesetz zu Tode gekommen ist, indem es sich als nicht identisch mit ihm erwies, und das als totes nur zu reden vermag, weil ihm der Mund des erretteten Ego, das es jetzt ist, geliehen ist. Bultmann hat also durchaus darin recht, daß der Widerspruch zwischen Wollen und Tun transsubjektiver Art ist. Und sofern die Bestimmung von Wollen und Tun als „transsubjektiver Vorgänge" bzw. „Tendenzen" 35 dazu dient, den transpsychologischen Charakter des Widerspruchs festzuhalten, ist auch gegen diese Definition nichts einzuwenden. Als zweifelhaft erscheint jedoch die Interpretation dieser Vorgänge als ontologischer Phänomene, wie sie von Bultmann unternommen wird 36 . Denn bei dieser Deutung kommt der Tatbestand nicht zur Geltung, daß Wollen und Tun ihren Bezugspunkt in der Größe „Gesetz" haben und die jetzt, vom Glauben her, aufgedeckte Relation des Menschen zum Nomos als dem Ausdruck des Willens Gottes beschreiben. Entgegen der Bultmannschen Interpretation sind also die Aussagen über das Wollen und Tun nicht einfach allgemein als ontologische, sondern akzentuiert als christologisch begründete theologische Urteile zu verstehen 37 . Sie bestimmen die Situation des Menschen, wie er im Angesicht der ohne das Gesetz in Jesus Christus offenbarten Gerechtigkeit Gottes erscheinen muß: als der über sich selbst in seinem Stand coram Deo unaufgeklärte Mensch, der den Imperativ („Du sollst nicht begehren!") als Woher seiner Existenz wählt und sich so als Gebenden qualifiziert und präsentiert. Dies Angebot, das Selbstangebot des Menschen als Gebenden, mit dem das Ego gerade der Forderimg Gottes entsprechen will, ist nach Paulus Absage an Gott als Fordernden, weil das Ego verkennt, daß es geben könnte nur als empfangendes. Die Frage: „Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber doch empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?" (l.Kor. 4,7)38 ist entspre33 Vgl. Conzelmann, Theol. NT 258: „Das ,Wollen des Guten' ist nur im Widerspruch selbst existent; es ist das Indiz meiner Situation, daß ich der fremden Macht verfallen bin, ein Indiz, das ich nicht einmal als solches begreife, solange ich nicht aus dieser Situation herausgetreten bin." 34 Daß in V. 13 ff. das tote Ego spricht, ist zutreffend von Schunack (Problem 136) gesehen, aber anscheinend nicht konsequent durchgehalten worden (vgl. unten, S. 213 f.). 85 Bultmann, Anthropologie 202. 207. 209. 3 « Vgl. zur Kritik auch Schunack, a.a.O. 137 f. 217 f. 37 Vgl. auch Kertelge (Anthropologie 111. 114), freilich ebenfalls die Anfragen an seine Ausführungen unten, S. 208 f. 38 Auf diese Stelle verweist Bultmann treffend in seinem Beitrag „Christus des

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chend die Frage des über sich selbst in seinem Verhältnis zu Gott aufgeklärten, weil erlösten Ego. Sie markiert die Grenze zwischen der Existenz unter dem Gesetz und in Jesus Christus39. Auf eine Erneuerung der von Bultmann mit Recht abgelehnten psychologischen Deutung des Widerspruchs von Rom. 7 läuft die Interpretation von Wilckens40 hinaus. Er wendet sich gegen Bultmanns 41 Auffassung, daß nicht erst „die Ubertretungen des Gesetzes . . . , sondern schon die Absicht, durch Gesetzeserfüllung vor Gott gerecht zu werden", die Sünde sei, indem er von Rom. 1—3 her das Gegenteil behauptet und diese Sicht in Rom. 7,7 ff. bestätigt findet. Wenn er in diesem Zusammenhang sagt: „Beim Tun wird der Mensch behaftet — wie immer das Geschöpf in ihm, der εσω άνθρωπος, und sein Organ, der νους, dies Tun selbst verabscheute und etwas anderes wollte, als dann faktisch geschehen ist"42, so gibt er neben dem Tatbestand, daß er Wollen und Tun im Sinne von Vorsatz und Durchführung deutet, zugleich den Preis zu erkennen, um den diese Auslegung erkauft ist, nämlich die Aufgabe der Einsicht, daß hier vom Standpunkt des Glaubenden gesprochen wird. Denn der Nichtglaubende hat das Tun, von dem Paulus redet, niemals verabscheut, sondern nicht wissend, was er tat (V. 15), gerade für das Richtige gehalten. Daß er nicht getan hat, was er wollte, wird ihm erst als Glaubendem klar43. Wilckens Kritik an Bultmann erweist sich darüber hinaus als unzutreffend, wenn man dessen Gegenüberstellung „Übertretungen des Gesetzes" — „Absicht der Gebotserfüllung" durch den (bei Bultmann selbst implizierten) Aspekt ergänzt, daß diese Absicht nach Rom. 7 die Übertretung schlechthin ist. In ihr kommt der Mensch als Begehrender ans Licht. Dieses sein Agieren als Begehrender manifestiert sich in den einzelnen Übertretungen (Rom. 2,21 ff.) ebenso wie in seinem καυχασθαι oder πεποιθεναι εν σαρκι (Phil. 3,3 ff.). Es ist damit die gemeinsame Basis der Aussagen über die Übertretungen und über die Aufrichtung der eigenen Gerechtigkeit (Rom. 10,3)44. Der Satz, daß durch das Gesetz die Erkenntnis der Sünde komme, mag in Rom. 3,20 im Sinne ihrer FestGesetzes Ende" ( = Christus 41 f.) im Zusammenhang der Erörterung des Menschen unter dem Gesetz. In diesem Aufsatz trägt er stärker dem Charakter der Aussagen über den Menschen sub lege als theologischer Urteile Rechnung. Wenn er jedoch den Widerspruch der Existenz mittels der psychologischen Kategorie des Geltungsbedürfnisses interpretiert (ebd. 38 ff.), so wird mit diesem Versuch der empirischen Verifikation des (von Bultmann auch hier als transsubjektiv verstandenen!) Widerspruchs die Prämisse angetastet, daß dieser Widerspruch allererst „von der faktisch in Christus erschienenen Gnade aus sichtbar" wird, also vom Glauben her (ebd. 41). Zur Kritik vgl. auch Fuchs, Jesus A. 12 auf S. 32 f. 39 Vgl. Bultmann, Theol. NT 265: „Der Mensch soll also deshalb nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt' werden, weil er nicht wähnen darf, aus eigener Kraft sein Heil beschaffen zu können; er kann ja sein Heil nur dann finden, wenn er sich in seiner Abhängigkeit von Gott, dem Schöpfer, versteht." 40 Aus Werken 55 f. 41 Anthropologie 200. 42 A.a.O. 56 (Hervorhebung von W.). 43 Vgl. hierzu auch die Ausführungen Wilckens' auf S. 75 f., die auf die Behauptung hinauslaufen, daß das Urteil „Kein Fleisch wird aus Gesetzeswerken vor Gott gerecht" (Rom. 3,20) nicht „erst unter dem Aspekt des Glaubens einsichtig werden könne". 44 Vgl. bereits Bomkamm, Sünde 63; Bultmann, Theol. NT 266.

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stellbarkeit auslegbar sein. Dies ist jedoch nur eine, nicht, wie Wilckens meint 45 , die einzige Seite. Denn in Rom. 7,7 meint die Rede vom γινωσκειν der Sünde durch das Gesetz eindeutig das Kennenlernen der (bzw. das Sichverstehen auf die) Sünde durch den Nomos48, wie die vorbereitende Aussage 7,5 zeigt: die sündigen Leidenschaften, die δια του νομού kommen 47 . Die Folge dieser einseitigen Interpretation sind falsche Alternativen wie: es sei „nicht dies seine (sc. des Paulus) These, daß der Mensch nur durch Gottes gnädiges Schenken Gerechtigkeit erlangen könne, sondern daß der durch das Gesetz festgestellte Sünder nur durch die Tat der Gnade Gottes im Sühntode Christi gerecht werden kann" 48 . Auch van Dülmen 49 bekommt das Spezifikum des Widerspruchs von Rom. 7, daß nämlich gerade mit dem Wollen des Guten das Gegenteil vom Gewollten getan wird, nicht in den Griff. Die Autorin stellt zwar zutreffend fest, daß mit αγαθόν und κακόν nicht Leben und Tod gemeint seien, sie vergibt jedoch mit ihrer eigenen Definition der beiden Begriffe als „primär das sittlich Gute bzw. Böse" die Möglichkeit, das Wollen des Guten als das Tun des Bösen zu erkennen 50 . Denn unter der Prämisse jener Bestimmung lautet die Interpretation des Verhältnisses von Wollen und Tun folgerichtig: „Das Wollen (θελειν) ist nach Paulus immer auf das Gute, auf die Erfüllung des Gesetzes gerichtet (7,16.19). Gerade deshalb wirkt auch die Sünde gegen das Wollen auf Übertretung des Gesetzes hin." 51 Einen solchen Freiraum des „guten Wollen(s)"52, der erst sekundär von der Sünde mit Beschlag belegt würde, gesteht Paulus jedoch dem Ego in Rom. 7 gerade nicht zu. Vielmehr ist, sofern es denn das Gute wollend das Böse tut, das Wollen selbst bereits Manifestation des Verkauftseins unter die Sünde. Wie von Wilckens so ist auch von van Dülmen nicht erkannt, daß die Zustimmung zum Gesetz Zustimmung des toten Ego ist, das als von der Sünde durch das Gesetz getötetes das Gutsein des Nomos bezeugt. Das Wollen des Guten, d. h. des Gesetzes, seitens des Ego erscheint allein in der paradoxen Gestalt seines Geschicks, durch das die Heiligkeit des Gesetzes hervortritt. Solange nicht Wollen und Tun im angegebenen Sinne ausgelegt werden, wird der Abschnitt Rom. 7,7 ff. de facto von Rom. 7,25b her interpretiert. Diese Glosse aber enthält keine „vereinfachte Zusammenfassimg des in 7,14—24 Gesagten" 53 , sondern eine durch und durch falsche54. Nach Pau45

Siehe a.a.O. 57. Vgl. Kümmel, Bekehrung 45 f.; Bultmann, Theol. NT 265; Bomkamm, Sünde 54; Brandenburger, Adam 207; Conzelmann, Theol. NT 255. 47 Wenn Schunack (Problem 125 mit A. 159) urteilt, mit τα παθήματα των αμαρτιών in V. 5 seien die „Erfahrungen, Erleidnisse" der Sünden (gen. obiect.) gemeint und dafür auf „sämtliche (!) Stellen bei Paulus außer der strittigen Rom. 7,6 (sie)" verweist, so hat er die nächste Parallele Gal. 5,24 übersehen, wo παθήματα durch den parallelen Begriff επιθιιμιαι und den Kontext (vgl. 5,19 ff.) auf den Sinn „Leidenschaften" festgelegt wird (Hervorhebimg von Sch.). 48 49 Wilckens, Aus Werken 64 f. Gesetz 112 ff. 5 51 » Ebd. 114 A.134. Ebd. 114 f. 52 Ebd. 117. Das Bekenntnis „Denn ich weiß, daß in mir . . . nichts Gutes wohnt" (V. 18) schließt diese Prädikation des Wollens gerade aus. „Nichts Gutes" hat an dieser Stelle den Sinn: Nichts, was der Güte, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Geistlichkeit des Gesetzes (V. 12. 14), also seiner Qualität als Gesetz Gottes, entspricht. Zu erwägen ist im übrigen, ob die Näherbestimmung „das heißt in meinem Fleisch" in V. 18 nicht im Zuge der nachpaulinischen Ergänzung von V. 25b eingefügt worden ist. 55 Ebd. 118. 54 Schunack (Problem 221 A. 544) sagt treffend, V. 25b verrate „das gröbste 48

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lus kann man immer nur einem Herrn dienen (vgl. Rom. 6,15 ff.). Das in V. 13 ff. sich aussprechende Ego hat in Übereinstimmung damit in seiner vorchristlichen Vergangenheit allein (dem Gesetz) der Sünde gedient und nicht teils dem Gesetz der Sünde, teils dem Gesetz Gottes. In der paradoxen Form des Dienstes an der Sünde hat es dem Gesetz Gottes zugestimmt — gedient hat es ihm gerade nicht. Denn als durch und durch fleischliches „kann es (dies) auch gar nicht" (Rom. 8,7). Schon vor Wilckens und van Dülmen hat Hommel 55 durch Heranziehen verwandter Aussagen aus der griechisch-lateinischen Überlieferung das „schon nach dem schlichten Wortlaut" naheliegende Verständnis zu stützen versucht, daß die Rede vom Wollen des Guten und Tun des Bösen, wie sie in dem Satz V. 21 zusammengefaßt ist, „gleichsam die Entdeckung und Formulierung eines psychologischen Gesetzes" sei 5 '. Nun wird man nach Musterung der von Hommel beigebrachten Belege 57 schwerlich bestreiten können, daß Paulus mit dem Gegensatz von Wollen und Tun einen antiken Topos aufgreift. Aber gegen Hommel besteht der Unterschied im Verständnis dieses Topos nicht nur in der jeweiligen „Lösung" des Konflikts, nämlich daß derselbe Widerspruch „in der antiken Konsequenz dieser Erkenntnis . . . in der Katastrophe auswegloser Tragik" ende, während nach Paulus Jesus Christus die „Erlösimg aus dem tödlichen Dilemma" wirke58. Vielmehr zeigt sich die Hauptdifferenz in dem Verhältnis der jeweiligen Akteure zu dem durch den Topos angezeigten Konflikt. Während sich etwa Medea bei Euripides und Ovid im Vollzug ihres Handelns selbst als tragische Gestalt begreift 59 , ist dem Sünder nach Paulus der Konflikt, in dem er lebt, gerade nicht bewußt. Er wird dies vielmehr erst retrospektiv in Jesus Christus, als überwundener. Wie also bei Euripides und Ovid das Bewußtsein des Konflikts für diesen selbst konstitutiv ist, so ist in Rom. 7 gerade umgekehrt das Nichtbewußtsein des Widerspruchs konstitutives Element seiner selbst. Die jeweilige Lösung des Konflikts ist deshalb nicht nur als dessen Ende oder allgemeiner Horizont aufzufassen, sondern allererst als die hermeneutische Prämisse für die Formulierung bzw. Aufnahme des Topos. Schwer zu beurteilen ist schließlich der knappe Beitrag von Kertelge80. Gegenüber Bultmanns Deutung des Wollens als „transsubjektiver Tendenz" möchte er daran festhalten, „daß der in Rom 7 beschriebene Zwiespalt des Menschen wenigstens teilweise auch im allgemeinen Sinne subjektiv-psychologisch erfahrbar ist" 61 . Mißverständnis, dem die voraufgehenden Verse verfallen konnten". Vgl. auch Fuchs, Freiheit 82 f. 55 Überlieferung 90 ff., bes. 106 ff. 58 Ebd. 105. 57 Euripides, Medea 1077b-1080; Piaton, Protagoras 352 D ff.; Eur., Hippolyt s 358—359a. 375-383a; Eur., Chiysippos Fr. 840. 841 N; Plautus, Trinummus 656-658; Diodor, Bibliothek I, 71,3; Ovid, Metamorphosen VII, 17-21a. 58 A.a.O. 114 f. 59 Euripides, a.a.O.: „ . . . ich werde durch das Böse überwältigt. Und ich begreife es zwar wohl, welche Schlechtigkeit ich zu begehen im Begriff bin, aber meine Leidenschaft ist stärker als meine Überlegungen, sie die ja überhaupt für die Menschen Ursache größten Unheils ist." Ovid, a.a.O.: „Wirf aus der Jungfrauenbrust die darin empfangenen Flammen, wenn du es kannst, Unselige! — Könnt' ich es, wäre mir wohler. Aber mich reißt wider Willen eine fremdartige Macht mit sich fort, und Leidenschaft und Vernunft raten einander Entgegengesetztes. Klar sehe ich das Bessere und erkenn' es als ratsam an, aber ich folge dem Schlechteren ( . . . video meliora proboque, deteriora sequor)." (Übers, nach Hom, 0 Anthropologie 105 ff. 8 1 Ebd. 111. mel, a.a.O. 107. 112.)

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Wie diese partielle Erfahrbarkeit zu denken sein soll, wird von Kertelge jedoch leider nicht näher erläutert, so daß offenbleibt, ob der so verstandene Widerspruch dann tatsächlich noch derselbe ist, den Paulus darstellt. Auch die wenig später folgenden Bemerkungen führen nicht weiter. Aus der Erkenntnis, daß der unerlöste Mensch „seine vorchristliche Situation eigentlich erst aus christlicher Erfahrung sich selbst bewußt zu machen" vermöge, folgert er, „daß der Zustand des Ich hinsichtlich seines unerlösten Daseins in der Vergangenheit als ein vorbewußter zu bezeichnen ist" 62 . Die zuvor zitierte Kennzeichnung des Widerspruchs wird durch seine Bestimmung als „vorbewußt" eher wieder eingeschränkt als hermeneutisch hilfreich expliziert. Insofern Kertelge mit seinen Ausführungen u m die gegen Bultmann gerichtete Kritik der Auffassung bemüht ist, es gehe in Rom. 7 „um eine theoretische Beschreibung des menschliciien Wesens an sich"63, ist ihm beizupflichten' 4 . Fraglich erscheint nur, ob diese Kritik bereits hinreichend weit durchgeführt ist.

Wie angedeutet, wird die Relevanz des Gesetzes auch für die Interpretation von V. 13 ff. durch die Auswertung bekräftigt, die Paulus in V. 21—24 folgen läßt und in der der Begriff Gesetz eine tragende Rolle spielt. Der Aufbau dieser letzten Verse ist leicht zu erkennen. In V. 21 greift Paulus zum dritten Mal die Schlüsselaussage vom Widerpart von Wollen und Tun auf, und zwar in Form einer Zusammenfassung, in der er den Widerspruch als νομος bezeichnet. In V. 22 f. schließt er eine neuerliche Erläuterung dieses Widerspruchs an, die in den mehrfach berührten Elendsruf einmündet (V. 24), an den der Apostel dann den Dank V. 25a und die Darlegung von Rom. 8 anknüpft. Das Ego nimmt, wie Paulus V. 21 resümiert, den Nomos wahr, daß ihm, das das Gute will, das Böse zur Hand ist65, d. h. nach dem Vorangehenden, daß das Ego nicht begehren will und doch als solches das Gegenteil tut. νομος wird an dieser Stelle von den Exegeten fast durchweg im Sinne von „Regel"66 oder „Zwang"67, also unspezifisch verstanden. Doch besteht von vornherein eine gewisse Unwahrschein62 Ebd. 113 (Hervorhebung von K.). μ Ebd. 111. 64 Vgl. dazu oben, S. 205. ,5 Zu diesem Sinn von παρακεισθαι s. Bauer, Wb 1225; van Dülmen (Gesetz 115 A. 137) erläutert treffend: Das Verb „bezeichnet also das Einzige, was dem Ich in diesem Fall möglich ist". " So z.B. Kümmel, Bekehrung 61; Fuchs, Freiheit 76; Kuß, Rom. II, 456; van Dülmen, a.a.O. 115. Die Autorin ergänzt ebd. A. 135: „Allerdings ist zu beachten, daß auch dort, wo νομος im uneigentlichen Sinn f ü r Regel oder Ordnung gebraucht wird, die Bedeutung ,mosaisches Gesetz' immer mitschwingt." Sie bleibt jedoch den Nachweis dieses „Mitschwingens" schuldig. Denn der Hinweis auf Lietzmann (Rom. 77: Paulus spreche „von einer gesetzmäßigen Regel' des Sündigens . . . , die er wie einen bösen Doppelgänger des mosaischen Gesetzes auch νομος nennt") reicht angesichts der Unverbindlichkeit der von ihm hergestellten Beziehving nicht aus. 87 So ζ. B. Michel, Rom. 168.

14 Osten-Sacken, Römer 8

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lichkeit, daß Paulus in einem Text, in dem das theologisch verstandene Gesetz eine so zentrale Rolle spielt wie in Rom. 7, das Wort hier und im folgenden ohne Zusammenhang mit dem theologischen Nomos-Verständnis gebraucht. Die Frage kann und braucht nicht allein von V. 21 her entschieden zu werden. Denn wenn anders V. 22 f. Entfaltung von V. 21 sind, bleibt Aufschluß von diesen beiden Versen zu erhoffen. Das Ego freut sich an dem Gesetz Gottes „nach dem inneren Menschen" — so deutet der Apostel in V. 22 den Sachverhalt, daß es das Gute will, aber das Böse ihm bereitliegt. Der Sinn der Bezeichnung ο εσω άνθρωπος wie des ganzen Satzes V. 22 wird durch die Parallele V. 16 erhellt. Dort hatte das Ego seinen Widerstreit zwischen Wollen und Tun als Zeugnis seiner selbst (des toten Ego) dafür bezeichnet, daß der Nomos gut ist. Entsprechend ist der „innere Mensch" das Ego, das in seinem Wollen des Gesetzes, in dem es selbst dem Tode anheimgefallen ist, dies Gesetz als Gottes Gesetz bejaht. Es ist das Ego, das den Nomos will, also das Ego, das (als begehrendes und damit totes) dem Gutsein des Nomos zustimmt. Indem V. 22 den V. 21 genannten Sachverhalt als Zeugnis für die Freude des Ego am Gesetz Gottes auslegt, bestätigt er zugleich die Sachgemäßheit des Bezugs des θελεiv auf den Nomos in V. 15 ff. Das Ego sieht jedoch im Gegensatz zu seiner Freude am Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen ein „anderes Gesetz" in seinen Gliedern, das dem „Gesetz meines Sinnes" widerstreitet, gegen es ankämpft und es in dem „Gesetz der Sünde" gefangenhält, das in seinen Gliedern ist. Unschwer zu deuten ist zunächst die Wendung ο voμος του νοος μου. Es ist der Nomos, an dem das Ego nach seinem inneren Menschen (als begehrendes und somit totes) Freude hat. Das heißt das Ego identifiziert sich in seinem Wollen als εσω άνθρωπος mit dem Gesetz Gottes, das dadurch zum Gesetz seines Sinnes wird. Aber auch die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des „anderen Gesetzes", des „Gesetzes der Sünde", liegt nach dem Gesagten nahezu auf der Hand. Ist das „Gesetz meines Sinnes" der Nomos, sofern ihm das Ego (als begehrendes und damit totes) zustimmt, so ist das mit dem „anderen Gesetz" identische „Gesetz der Sünde" dasselbe Gesetz, sofern es vom Ego als (begehrendem und damit) unter die Sünde verkauftem in Brauch genommen ist. Wie also das Gesetz Gottes deshalb, weil das Ego ihm im Vollzug seiner Identifikation mit ihm recht gibt, als ο νομος του νοος μου bezeichnet wird, so wird dasselbe Gesetz deshalb, weil das Ego von der Sünde beherrscht wird, „Gesetz der Sünde in meinen Gliedern" genannt. Das „Gesetz meines Sinnes" und das „Gesetz der Sünde" sind ein und dasselbe Gesetz Gottes, das nach seinen beiden das Ego betreffenden Seiten hin ausgelegt wird:

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daraufhin, daß das Ego als begehrendes tot, und daraufhin, daß es als begehrendes unter die Sünde v e r k a u f t ist 68 . Gerade dies, daß es dasselbe Gesetz ist, macht die totale Ausweglosigkeit des Ego aus 69 . Diese Deutung wird dadurch bestätigt, daß beide Verse Erklärung von V. 2 1 sind. In diesem Vers formuliert Paulus das Gesetz, daß das Ego bei sich feststellt: Das Gute wollend tut es das Böse. In V. 22 f. unternimmt der Apostel nichts anderes, als das darin implizierte Verhältnis des Ego zum Gesetz Gottes zu explizieren. Es w ä r e also falsch, das „Gesetz meines Sinnes" auf das W o l l e n des Guten, das „Gesetz der Sünde" dagegen auf das Tun des Bösen zu beziehen. Denn das W o l l e n des Guten existiert ja allein im Widerspruch, also im Tun des Bösen 70 . Vielmehr wird in V. 22 f. das „Gesetz", das in V. 2 1 formuliert wird, auf die beiden Aspekte hin entfaltet, daß dies „Gesetz" (V. 21) einerseits die Zustimmung des Ego zum Nomos und andererseits seine Versklavimg unter dies Gesetz dokumentiert. Der Begriff „Nomos" in V. 2 1 ist damit allerdings nicht im spezifischen Sinn als Thora zu verstehen 7 1 . A b e r ebenso unangemessen erscheint 88 Daß es sich in Rom. 7,22 f. um ein und dasselbe Gesetz (wie ja auch um ein und dasselbe Ego!) handelt, hat Fuchs (Interpretation 385 ff.) erkannt und in einer Auslegung von V. 21—23 mittels des Gegensatzes „Phantasie und Wirklichkeit" aufgezeigt. Der Ansatz von Fuchs ist weitergeführt von Schunack (Problem 223 f.) — wie bei Fuchs nur in sehr lockerem Kontakt mit dem Text selbst. Beide Auslegungen widerlegen die Behauptung Käsemanns, Rom. 197: „Durchweg interpretiert man (sc. den „inneren Menschen") im Sinne der griechischen Tradition." Vgl. jetzt auch Lohse, Anmerkungen 284 ff. 69 Die Auslegung, in den Wendungen „das andere Gesetz" und „das Gesetz der Sünde" (V. 23) sei Nomos „natürlich uneigentlich gebraucht" (Conzelmann, Theol. NT 259), überzeugt deshalb nicht. Denn zwar gibt es „keine positive Satzung der Sünde" (Conzelmann, ebd.), wohl aber ist nach Paulus das Gesetz die Kraft der Sünde (l.Kor. 15,56). Nomos ist in den fraglichen Verbindungen in demselben Sinne eigentlich gebraucht, wie in der genannten Aussage aus l.Kor. 15, in dem in Rom. 7,6 voranstehenden Satz über die Gefangenschaft im Gesetz oder auch wie in Gal. 3,19 ff.: Wie nach Gal. 3,23 die Glaubenden unter dem Gesetz verwahrt waren, eingeschlossen auf den zukünftigen Glauben hin, und wie nach Gal. 3,24 das Gesetz „unser Zuchtmeister auf Christus hin geworden ist", so wird das Ego nach Rom. 7,23 durch das Gesetz der Sünde gefangengehalten. (Zu Gal. 3,19 ff. s. bereits oben, S. 173 A. 48; παιδαγωγός hat Gal. 3,24 fast den Sinn von „Kerkermeister".) Das andere Gesetz bzw. das Gesetz der Sünde ist damit der von der Sünde okkupierte Nomos, der das Ego unter der Sünde verschließt — nach Gal. 3,24 deshalb, „damit wir aus Glauben gerechtfertigt werden". Zu dieser soteriologischen Funktion des Gesetzes vgl. bereits oben, S. 173 f. und Bultmann, Theol. NT 268 f. Von der vorgelegten Interpretation von Rom. 7,22 f. her erscheint auch die Feststellung als unzutreffend, Paulus „spiele" an dieser Stelle mit dem Begriff Nomos (gegen Bultmann, ebd. 260; Braun, Selbstverständnis 103; Käsemann, Rom. 189.195.199; zu Käsemann vgl. ferner unten, S. 219 f.). 70 71

14»

Vgl. oben, S. 205 mit A. 33. Gegen Zahn, Rom. 356 ff.; Schlatter, Rom. 244 f. Zahns Begründung (το κα-

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es, wenn man sich mit der Erklärung begnügt, das Wort bedeute hier „Regel" oder „Zwang". Denn der Nomos, der in V. 21 formuliert wird, steht ja in innerstem Zusammenhang mit der theologischen Größe „Gesetz", wenn anders der V. 21 als Nomos bezeichnete Widerspruch in der Begegnung des Ego mit dem Gesetz Gottes aufgebrochen ist, dies Gesetz also für diesen Widerspruch konstitutiv ist. Das „Gesetz" in V. 21 ist im wörtlichen Sinne die Gesetzmäßigkeit des Menschen vor dem Glauben, der dem Gesetz begegnet, die Gesetzmäßigkeit 72 des Menschen unter dem Gesetz. Insofern diese Gesetzmäßigkeit die beiden in V. 22 f. aufgedeckten Aspekte enthält, bildet der Nomos in V. 21 gleichsam den Oberbegriff für das „Gesetz meines Sinnes" und das „Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist". Die von ihm bezeichnete Gesetzmäßigkeit ist Zeichen der Zustimmung des Ego zum Gesetz und zugleich Zeichen seiner Verlorenheit. In seiner totalen Hingabe an das Gesetz ist das Ego total verfallen. Dem Ego, das als befreites seiner selbst unter dem Gesetz gewahr wird, bleibt nichts als der verzweifelte Schrei: Wer wird mich, das tote und von der Sünde kraft des Gesetzes im Tode gehaltene Ego, aus dieser vom Tode beherrschten Existenz befreien (V. 24)? Nach dieser Interpretation des zweiten Abschnittes von Rom. 7,7 bis 24 (V. 13—24) ist es an der Zeit, die Frage nach dem Verhältnis der Aussagen aufzugreifen, die das Ego in V. 7 £f. und V. 13 ff. über sich macht. Diese Frage ist da, wo sie überhaupt diskutiert wurde, als Frage nach dem Sinn der Wahl der verschiedenen Zeitformen in V. 7 ff. (Präteritum) und V. 13 bzw. 14 ff.73 (Präsens, V. 24 Futur) gestellt worden. Bornkamm74 hat sie dahingehend beantwortet, daß Paulus zuerst im Tempus der Vergangenheit rede, um zu zeigen, „daß hier eine unwiderrufliche Entscheidung gefallen ist, aus der ich immer schon herkomme", dann aber ins Präsens wechsle, weil es nun „um das Er-

λον Objektsprädikat zu Nomos und kausales Verständnis von οτι) scheitert an ihrei Konstruiertheit (vgl. Kuß, Rom. II, 456) und vor allem an den parallelen Formulierungen des Widerspruchs in V. 15 f. 18 f. Schlatter dagegen widerlegt sich selbst, wenn er im Sinne der Deutung auf die Thora sagt, sie „verordnet mir, daß ich das Böse haben muß", dann jedoch paraphrasierend fortfährt: „Mir . . . ist das Gesetz auferlegt, daß mir das Böse eigen ist"; denn in diesem Fall ist „Gesetz" nicht mehr als Thora verständlich. Zur Kritik vgl. auch Kümmel, Bekehrung 61. Immerhin ist von beiden Kommentatoren in nuce richtig gesehen, daß die Thora bei dem in V. 21 formulierten Geschick des Ego im Spiel ist. 72 Die Wiedergabe von Nomos mit „Gesetzmäßigkeit" findet sich schon bei Michel (Rom. 178), ohne daß der Autor jedoch den Bezug der Aussage zur Thora herstellt. 73 V. 13 gehört zwar nach dem Kriterium der Zeitform noch zu V. 7—12, sachlich jedoch zu V. 14 ff. Siehe oben, S. 201 f. 74 Sünde 61.

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gebnis dieser unwiderruflichen Geschichte" gehe, „also darum, wie sich diese tödliche Verbindung von Gesetz und Sünde in mir auswirkt". Doch damit ist das Problem, das die verschiedenen Zeitformen implizieren, noch nicht scharf genug erfaßt. Denn inwiefern kann sich die „tödliche Verbindung von Gesetz und Sünde" überhaupt noch im Ego auswirken, wo es doch bereits in der Begegnung mit dem Gesetz gestorben ist? Bornkamm sucht diese Aporie, wie angezeigt75, dadurch zu überwinden, daß er vom Ego als „Kind der Täuschung und des Todes" spricht. Aber diese Abschwächimg markiert gerade die Grenze seiner Interpretation. Eine andere Erklärung hat Schunack7' vorgeschlagen, der in seinen Ausführungen zu Rom. 7 unter allen Beiträgen zu diesem Text im Gefolge von Fuchs vielleicht am konsequentesten die Erkenntnis aufgenommen und in Anwendung gebracht hat, daß hier vom Standpunkt des Glaubenden aus gesprochen wird77. Er stellt zunächst fest: „Im Grunde kann all dies (sc. V. 13—15a) nicht mehr gesagt werden, da der Widerspruch, von dem hier die Rede ist, das Ich schon in den Tod, den Tod schon in das Ich gebracht hat." 78 Was aber hat Paulus dann veranlaßt, das Ego dennoch weiterreden zu lassen? Schunack kommt zu dem Schluß: „Die Antwort ist wohl: Paulus läßt das ,ego' zu Worte kommen, das unter die Sünde verkauft ist (Rom. 7,14), damit die Sünde als Sünde an der Armseligkeit der Klage des ,ego' erscheine."™ Die Stärke dieser Lösung liegt darin, daß hier der Abschnitt V. 13—24 durch die funktionale Zuordnung von 14 ff. zu V. 13 auf einen Nenner gebracht und somit als Einheit begriffen ist. Und doch vermag diese Deutung nicht zu überzeugen. Denn im Hinblick auf das Verhältnis von V. 7 ff. zu V. 13 ff. gilt es zunächst gegen Schunack festzuhalten, daß der Widerspruch, der in V. 13 ff. dargetan wird, nicht das Ego in den Tod gebracht hat, so daß der Tod Folge dieses Widerspruchs wäre; sondern der Widerspruch ist Ausdruck des bereits erfolgten Todes des Ego, so daß dieser nicht Resultat des Widerpruchs, sondern dessen Auftakt ist80. Von dieser Beobachtung her erscheint es eher, daß all dies (V. 13 ff.) nicht etwa „im Grunde . . . nicht mehr gesagt werden" könne, wie Schunack meint, sondern daß es geradezu gesagt werden muß und daß die Frage entsprechend dahingehend zu präzisieren ist, worin die Notwendigkeit der Fortführung in V. 13 ff. begründet liegt. Der Zweifel, ob die Antwort Schunacks auf die Frage nach der Funktion von V. 13 ff. dem angesprochenen Sachverhalt gerecht wird, wird durch folgende Beobachtung erhärtet: Die Erklärung Schunacks läuft Gefahr, mit der Hervorhebung der Armseligkeit der Klage als des Phänomens, an dem die Sünde als Sünde erSiehe oben, S. 198 f. Problem 221 f. 77 Die Untersuchung Schunacks verdiente deshalb insgesamt mehr Aufmerksamkeit, als ihr allem Anschein nach in den letzten Jahren zugekommen ist. Von anderen Interessen her und größtenteils auf anderem Weg (vgl. jedoch die Relevanz der oben, S. 168 A. 29 genannten Arbeit Jüngels) zu verwandter Auffassung gelangt, würde ich Schunacks Beitrag heute weniger bei seiner kaum einladenden Sprache behaften, als vielmehr dazu ermutigen, durch das sprachliche Dickicht hindurchzudringen und zu den vielfach überzeugenden, wenn auch nicht immer im herkömmlichen Sinne exegetisch verifizierten Erkenntnissen vorzustoßen. In diesem Punkt und in diesem Sinne korrigiere ich mich gern gegenüber meiner Anzeige der Arbeit Schunacks in Luth. Rdsch. 18 (1969), 112. 78 A.a.O. 221. 78 Ebd. 222 (Hervorhebung von Sch.). 80 Schunack selbst sagt in anderem Zusammenhang richtig, in V. 13 spreche das tote Ego. Siehe oben, S. 205 mit A. 34. 75 76

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scheinen solle, die sachlichen Implikationen des Widerspruchs in V. 13 ff. zu relativieren. Und zwar gilt dies sowohl für den Fall, daß mit dem Motiv der Armseligkeit auf V. 24 abgehoben wird — dann nämlich wird dem Gewicht der Entfaltung des Widerspruchs in V. 13 ff. nicht Rechnung getragen; als auch gilt es für den (wahrscheinlicheren)81 Fall, daß der gesamte Abschnitt V. 13 bzw. 14 ff. als Klage verstanden wird — denn in diesem weiteren Sinn läßt sich die Bestimmung von V. 13 ff. durchaus auch auf V. 7 ff. beziehen. Schwerer aber wiegen die Bedenken, die sich aus dem Duktus von V. 13 ff. selbst ergeben. Die finale Bestimmung „damit die Sünde als Sünde erscheine" (V. 13) ist in V. 13 ff. nicht auf die Intention des Bekenntnisses des Ego bezogen, wie Schunack es deutet, sondern Definition des Zieles, dem die Sünde unwissentlich mit dem Betrug des Ego dient. Eben dies, daß die Sünde durch das Gebot den Tod des Ego bewirkt hat, damit sie als Sünde zum Vorschein komme, will Paulus in V. 14 ff. aufzeigen, und zwar an nichts anderem als dem Widerspruch des Ego. Dieser Widerspruch bezeugt, daß nicht das Ego im Menschen wirkt, sondern die Sünde, die in ihm wohnt (V. 20). Wenn aber die Sünde in ihm wohnt, dann ist das Ego tot durch die Sünde. So läßt sich in einem ersten Schritt präzisieren: Paulus läßt das Ego in V. 13 ff. weiterreden nicht, „damit die Sünde als Sünde an der Armseligkeit der Klage des ,ego"', sondern damit sie am Widerspruch des Ego als Sünde erscheine. Damit stellt sich erneut die Frage: Wie ist das Verhältnis von V. 7 ff. und V. 13 ff. zu bestimmen, oder genauer: Welche Bedeutung hat der in V. 13 ff. explizierte Widerspruch, der den Tod des Ego voraussetzt und so allem Anschein nach Folge des in V. 7 ff. geschilderten Geschehens ist, für die Deutung des Ego in Rom. 7?

Schärfer noch als durch die allgemeine Beobachtung der verschiedenen Zeitformen kommt das Problem des Verhältnisses von V. 7 ff. zu V. 13 ff. in einzelnen widersprüchlichen Aussagen des Ego über sich selbst in beiden Abschnitten zum Ausdruck. Während es nach V. 9 f. mit dem Kommen des Gebotes bzw. Gesetzes gestorben ist, wird dies tote Ego nach V. 23 im Gesetz der Sünde gefangengehalten. Paulus selbst aber hat in Rom. 7,6 erkennen lassen, daß Gefangenschaft und Tod zwar aufeinander folgen können, mit dem Tode aber die Gefangenschaft wie überhaupt die Bindung an das Gesetz endet (vgl. 7,1 bis 3). Damit scheint die Aporie, ungeachtet aller behaupteten Notwendigkeit der Fortführung in V. 13 ff., nur noch größer zu sein. Wenn irgendwo, so könnte ein Schlüssel zu ihrer Lösung am ehesten in der Rückbesinnung darauf zu finden sein, daß in V. 7 ff. vom Glauben her gesprochen wird. Bisher wurde diese Prämisse wesentlich in der Hinsicht aufgenommen, daß der Nomos konsequent von der Christologie her als eschatologische Größe interpretiert wurde. Jetzt gilt es weiterzufragen: Wenn denn in Rom. 7 die vorchristliche Existenz sub specie des eschatologischen Heilsereignisses Jesus Christus ausgelegt wird, ist dann nicht zu erwarten, daß die Struktur der Aussagen über den vorchristlichen Menschen derjenigen verwandt ist, die sich in den Aussagen über das Sein der Christen selbst findet? 81 Zweifel daran ergeben sich durch die Formulierung: „Die Klage des ,ego' in V. 24, auf die Rom 7,7 ff. offenkundig zusteuert . . . " (a.a.O. 222).

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Prüft man diese Aussagen im Horizont der Spannung zwischen den Zeitformen in V. 7 ff. und V. 13 ff. und dem Widerspruch zwischen den Sätzen V. 9 f. und Y. 23, so tritt zutage, daß zu beidem engste Entsprechungen in der Auslegung christlicher Existenz durch Paulus vorliegen. So konnte der Apostel in Rom. 6,8 ff. in einem Atemzug vom Gestorbensein der Christen im Verhältnis zur Sünde sprechen und sie zugleich gegenwärtig auffordern, sich in Christus Jesus für tot gegenüber der Sünde zu halten, sie nicht im sterblichen Soma herrschen zu lassen, obwohl gilt, daß der Gestorbene von ihr frei ist. Die Entsprechung zu Rom. 7 ist deutlich: Beide Male nimmt die beschriebene Existenz — hier die nichtchristliche, dort die christliche — ihren Ausgang bei einem einmaligen, vergangenen Geschehen, in welchem der Träger dieser Existenz stirbt. Und doch wird beide Male weiter so von dieser Existenz geredet, als würde sie mit diesem Tod nicht enden, sondern allererst beginnen, aber eben so, daß dieser Tod im Vollzug des Existierens gegenwärtig ist. Der — allerdings gravierende — Unterschied besteht allein darin: Im Rahmen von Rom. 6 ist der Tod heilvolles Geschehen, und der Christ wird aufgerufen, diesem Geschehen im Vollzug seiner Existenz zu entsprechen. Im Rahmen von Rom. 7 ist der Tod dagegen Unheilsereignis, das den Menschen fortan unausweichlich bestimmt, aus dem es kein Entrinnen und dem gegenüber es somit auch nicht die Möglichkeit der Entscheidung gibt. Die nichtchristliche Existenz vollzieht sich mit unwiderstehlicher Macht, während die christliche als Möglichkeit gegeben ist. Aber nicht dieser Unterschied interessiert an dieser Stelle vorrangig, sondern jene beschriebene Gemeinsamkeit der Struktur. Sie gibt den Blick für eine erste Bestimmimg des Verhältnisses zwischen Rom. 7,7 ff. und 7,13 ff. frei. Wie die Aussage über das Gestorbensein der Christen das Vorzeichen benennt, unter dem ihre Existenz in der Gegenwart je steht, so die Aussage über den Tod des Ego das Vorzeichen der nichtchristlichen Existenz im Vollzug ihrer selbst. Während die Feststellung des der Sünde Gestorbenseins die Nichtexistenz einer positiven Relation des Christen zur Sünde beinhaltet, besagt die Feststellung des Todes des Ego, daß das Sein des Nichtchristen unter dem Vorzeichen seines definitiven Geschiedenseins von Gott steht, seiner eschatologischen Verurteilung, die ihm durch das Gesetz als des eschatologischen Maßstabs des Gerichts je zugekommen ist. Dementsprechend bestimmen V. 7 ff. die Herkunft, V. 13 ff. den je gegenwärtigen, tatsächlichen Vollzug nichtchristlicher Existenz. Paulus muß mit V. 13 ff. fortfahren, weil das nichtchristliche Ego gerade als totes existiert. Deshalb auch vermag Paulus von der Gefangenschaft des toten Ego zu sprechen. Diese Gefangenschaft bezeichnet genau jenes Phänomen, daß die nichtchrist-

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liehe Existenz im Vollzug ihrer selbst nichts anderes als das Totsein ihres Trägers zu bezeugen vermag. Zu überlegen ist, ob sich von der Beobachtung der verwandten Struktur der Aussagen über den nichterlösten und den erlösten Menschen her die Sätze in V. 7 ff., die auf die Sündenfallgeschichte anspielen, nicht noch etwas genauer in ihrem Bezug zu Adam bestimmen lassen, als dies in der vorgetragenen Deutung im Anschluß an Bornkamm geschehen ist. Der Tod des Christen mit Jesus Christus ist nach Rom. 6 im Tode des Retters selbst mitgesetzt, er ereignet sich konkret in der Taufe, in der dem Glaubenden der Geist verliehen wird. Die Anspielungen auf die Paradieseserzählung könnten in Entsprechung dazu anzeigen, daß das Ego in V. 7—12 als in Adam mitgesetztes Ich verstanden ist, das — wie der Glaubende in der Taufe — konkret in der jeweiligen Begegnung mit dem Gesetz den Tod erleidet und so seine Mitsetzung in Adam vollzieht82. Der Tatbestand, daß Paulus in V. 7 ff. einerseits vom Gebot (vgl. Gen. 3), andererseits vom Gesetz (Thora) spricht, ließe beiden Aspekten Raum. Und angesichts der von Paulus Rom. 5,12 ff. dargebotenen Adam-Jesus-Christus-Typologie erschiene die angedeutete Übertragung des christologisch-soteriologischen Deutungsschemas auf das Verhältnis von Adam und Ego durchaus als möglich. Doch mag dies im Rahmen von Erwägungen bleiben.

Die Sachgemäßheit der unternommenen Verhältnisbestimmimg von Rom. 7,7 ff. und 7,13 ff. läßt sich mittels einer Aussage unterstreichen, die Paulus das Ego in V. 14 über sich selbst treffen läßt: „Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft." Die Auslegung des Prädikats σάρκινος durch die Bestimmung „unter die Sünde verkauft" zeigt, daß das Totsein des Ego sich in seiner Fleischlichkeit manifestiert. Denn als unter die Sünde verkauftes ist es tot, die Auslieferung an die Herrschaft der Sünde aber ist identisch mit dem Fleischlichsein. Daß in dieser Qualifizierung des Ego dessen ganze Verfallenheit ihren Ausdruck findet, wird sodann durch die Stellung der Aussage im Gegenüber zu der Erinnerung an die Geistlichkeit des Gesetzes deutlich. Sie markiert, daß σαρκινος-Sein in Nichtübereinstimmung mit dem Gesetz und, da die Thora Ausdruck des Willens Gottes ist, in Nichtübereinstimmung mit Gott selbst leben heißt. Das Ego lebt als vorchristliches nicht nur „im Fleisch", sondern es ist selbst fleischlich. Es lebt in dem geschlossenen Raum seiner selbst, ohne Zugang zu Gott, allein fähig, sich an sich selbst zu orientieren. Diese Verfallenheit des Ego an sich selbst und damit sein Totsein in Relation zu 82 In diesem Sinne läßt sich dem Urteil Brandenburgers zustimmen (Adam 216), das Adam-Geschehen werde in Rom. 7,7 ff. „in einem typischen, urbildlichen Sinne verstanden: als je eigene ,Urgeschichte' des unter den Nomos gestellten (nachmosaischen) Menschen, in der sein schuldhaftes Verlorensein vor Gott immer schon gründet" (Hervorhebung von B.). Brandenburger selbst bestreitet allerdings, „daß die Sündenfallgeschichte selbst gemeint" sei (ebd.); vielmehr sei die „Urgeschichte des Ego" „historisch nicht faßbar" (ebd. 214).

2. Des Menschen Wille ist sein Tod

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Gott wird durch das Gesetz ans Licht gebracht. Am Gesetz wird der sarkische Mensch zum Begehrenden und als Begehrender offenbar und damit, sofern der Nomos den Nichtbegehrenden ins Leben führt, als dem Tod Verfallener. Das Gesetz wird in seinen Händen zu der Gesetzlichkeit, mit dem Gewollten das Gegenteil des Gewollten zu tun, es wird zum Gesetz der Sünde, das ihn bei seinem Sein behaftet, als Sünder dem Tode Frucht zu bringen (Rom. 7,5). Wie somit der Tod die Herkunft des sarkischen Menschen ist, so ist er seine Zukunft. Als fleischliches vermag das Ego nur das zu trachten, was das Sinnen der Sarx selbst ist: der Tod, die Feindschaft gegen Gott (vgl. Rom. 8,6 f.). Liegt damit alles Unheil des „Menschen in der Macht der Sarx" darin begründet, daß er als Ego, als Träger seiner sarkischen Existenz selbst fleischlich ist, so ist damit vorgezeichnet, was allein diesen verlorenen Menschen zu retten vermöchte. Es wäre die Befreiung des toten, fleischlichen Ego von seiner Verfallenheit an sich selbst, an die Fleischlichkeit, sein Loskauf aus der Herrschaft der Sünde, die diese mit Hilfe des Gesetzes über es ausübt. So ist es stringent, wenn Paulus in Rom. 8 das Pneuma ins Zentrum seiner Ausführungen stellt. Denn für das tote, fleischliche Ego kann das Heil nur mit der Neuschöpfung seiner selbst als Pneuma einsetzen 83 . Wer also ist das Ego von Rom. 7? Schunack 84 hat vorzüglich definiert, es sei „so etwas wie der Typos des Glaubenden", und zwar sofern es „der vom Gesetz εις ζωην Beanspruchte (ist), der aber dem Gesetz gerade so entsprechen muß, daß er sich als den, der infolge der Sünde durch das Gesetz zu Tode gebracht worden ist, zur Sprache bringen mußte . . . Es ist nicht einfach identisch mit dem Glaubenden, denn es ist durch das Gesetz zur Sprache gekommen. Gerade so aber ist es verwahrt auf den Glaubenden hin, denn es kommt in ihm die Wahrheit des Gesetzes zur Sprache." Schunack 85 verbindet diese Deutung mit der Abwehr jeder Interpretation des — wenn auch erst vom Glauben her durchschauten — Ego als historische oder mythologische Person (Paulus, Adam) bzw. generell als „Mensch unter Gesetz und Sünde" 86 . Diese grundsätzliche Ablehnung steht jedoch in Gefahr, die spannungsvolle Einheit von Geschichte und Eschatologie (zuungunsten der Geschichte) aufzugeben, die die Ausführungen in Rom. 7,7 ff. kennzeichnet und die etwa darin zum Ausdruck kommt, daß Paulus 89 Vgl. Fuchs, Interpretation 379: „die Veränderung, daß rettende Neue, muß . . . mit dem Tode einsetzen. Daher redet Paulus von Gottes Geist, der die Person lebendig und das Gesetz zum Text der Anthropologie macht (Rom 7,6; 8,2; 2.Kor 3,6; Gal 4,4-7)." Ebenso Schunack, Problem 226 f. 84 Ebd. 140 (Hervorhebung von Sch.). 85 Ebd. 136 f. 88 So z. B. Bornkamm, Sünde 59. Vgl. oben, S. 198.

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zwar das Gesetz als eschatologische Größe zur Geltung bringt, dies Gesetz aber eben die am Sinai gegebene Thora des Mose ist. Die Möglichkeit und Notwendigkeit, das Ego auf die vorchristliche Geschichte zu beziehen, zeigt sich exemplarisch in der überschriftartigen Bestimmung Rom. 7,5. Gewiß beruht die dort vorgetragene Deutung des Seins im Fleisch auf der in Jesus Christus gewonnenen Erkenntnis. Aber sie ist für Paulus nichtsdestoweniger gültige Beschreibung seiner (wie aller) geschichtlichen Existenz in der Zeit vor dem Glauben. Sie ist es in gleichem Maße, wie die Deutung Adams und der zu ihm Gehörenden in Rom. 5,12 ff. und die Deutung der Vergangenheit der Christen in Rom. 6,15 ff. jeweils zwar christologisch begründet sind, aber als solche die Geschichte meinen, die sie auslegen. Gerade von diesem Einbezug von Rom. 5 und 6 und der Erkenntnis her, daß dort ebenso wie in Rom. 7 vom Standpunkt des Glaubenden aus gedeutet wird, vermag die Interpretation des Ego als „Typos des Glaubenden" präzisiert und aufrechterhalten zu werden: Das Ego von Rom. 7 ist als fleischliches, unter die Sünde verkauftes in demselben Sinne Typos des Glaubenden wie Adam in Rom. 5 Typos des Kommenden, Jesu Christi ist. Entsprechend ist das Ego in Rom. 7 der adamitische Mensch, wie er seiner selbst als Glaubender, als Geretteter ansichtig wird 87 — ebenso wie Adam als der, der er nach Rom. 5,12 ff. ist, erst vom Heilsereignis selbst her präsent geworden ist. Diese Entsprechung zwischen Rom. 5,12 ff. und Rom. 7,7 ff., zwischen Adam als Typos des Kommenden und dem Adamiten als Typos des Glaubenden, ist dabei noch enger, als es auf den ersten Blick scheinen mag: Die Differenz, daß im Gefolge Adams alle einem Verhängnis gleich starben, weil alle sündigten, während im Gefolge Jesu Christi diejenigen, die die Gabe der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herrschen werden (Rom. 5,17), kehrt auf der Ebene von Rom. 7 (und Rom. 6) darin wieder, daß der Tod des Ego durch die Sünde dieses fortan unausweichlich bestimmt, während das der Sünde Gestorbensein der Christen nach Rom. 6 stets neu vollzogen sein will und nur als wahrgenommene Möglichkeit gegeben ist88. Trifft diese Bestimmung des Ego als Typos des Glaubenden zu, so ist vollends offenbar, welche Konsequenz aus Rom. 7 f ü r die Interpretation von Rom. 8 zu ziehen ist: Das Kapitel ist streng auf dem Hintergrund der Aussagen des Ego über sich selbst auszulegen. Als das Ego, als das es sich hier aussagt, ist es gerettet worden, und so ist seine Errettung in den hier typologisch vorgezeichneten Bahnen zu deuten 89 . 87 88 89

Mit Bornkamm, ebd.; Conzelmann, Theol. NT 257. Vgl. oben, S. 186. Ansätze dazu finden sich audi bei Schunack, Problem 226 und Kertelge, An-

2. Des Menschen Wille ist sein Tod

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Abschließend gilt es, im Spiegel der vorgetragenen Auslegung die eigenwillige Deutung von Rom. 7 durch Käsemann in seinem jüngst erschienenen Kommentar vorzustellen. Das Gefalle des Abschnittes V. 7—24 wird von ihm wie folgt skizziert: „Ein logischer Fortschritt führt konsequent von der Geschichte Adams in 9—11 zu der des durch den Juden repräsentierten frommen Menschen in 14—20 und der Kennzeichnung jeder Existenz in unseren Versen (sc. 21—24 bzw. 25)."90 Käsemann meint demnach strenggenommen, in Gestalt dieser Gliederung drei „Ego" in Rom. 7 erkennen oder unterscheiden zu können. Ein solcher Wechsel im Ego ist im Text freilich schlechterdings nicht auszumachen. Die Schwierigkeiten, die mit der einseitig an V. 9—11 orientierten Deutung des Ego in V. 7—12(13) verbunden sind, wurden bereits namhaft gemacht91. Die zitierte Unterscheidung zwischen V. 14—20 und V. 21—24 beruht auf der — wie zuvor gezeigt — unhaltbaren Voraussetzung, daß Nomos in V. 22 f. nicht die Thora meine, Paulus hier vielmehr ein „Spiel mit dem Begriff des Gesetzes" treibe92. Der Versuch Käsemanns, das Verhältnis zwischen V. 14—20 und V. 21—24 genauer zu definieren, wird zum Zeugnis der Aporie seiner Auslegung: In V. 21 ff. „wird nicht mehr wie in den vorigen Abschnitten primär an den frommen Juden gedacht. Sofern er noch nicht aus dem Blickfeld verschwunden ist, repräsentiert er den frommen Menschen, wird das Problem der Tora durch die Problematik menschlicher Existenz abgelöst"'3. In einer sonst kaum begegnenden Weise ist hier verkannt, daß in Rom. 7 von Anfang bis Ende „das Problem der Tora" und „die Problematik menschlicher Existenz" gerade nicht als zwei voneinander ablösbare Probleme dargestellt, sondern in ihrer unauflöslichen Zusammengehörigkeit expliziert werden. Das Gesetz konstituiert und decouvriert die Problematik menschlicher Existenz in einem, und umgekehrt konstituiert und decouvriert die menschliche Existenz das Problem der Thora — beides sub specie fidei. Gerade um den Aufweis dieses dialektischen Verhältnisses von Gesetz und Existenz geht es in Rom. 7. Dabei meint der Abschnitt V. 7—24 in allen seinen Teilen den nicht mehr in Juden und Griechen unterschiedenen adamitischen Menschen94. An dem erörterten Beispiel wird exemplarisch das zwar behauptete 95 , de facto jedoch mangelnde dialektische Verständnis der paulinischen Thorakritik seitens Käsemann deutlich. Die exegetische Basis dieses Verständnisses wird von ihm in der Weise gelegt, daß er bei allen den Aussagen, die einer undialektischen Auslegung Christi als „Ende des Gesetzes" widerstreiten, entweder den Begriff Nomos uneigentlich gebraucht sieht oder, wo dies nur zu versuchen bereits Willkür wäre, Nomos abstrakt als „Willen Gottes" interpretiert und das Auffällige, daß jeweils ohne jeden Zweifel von der Thora gesprochen wird, möglichst nivelliert96. Zwar thropologie 112 f. Bei Kertelge kommt jedoch der mittels des Nomos gegebene Zusammenhang nicht zur Geltung. 99 Rom. 196. 91 Siehe oben, S. 198 A. 11. 92 Rom. 189.195.199. Vgl. oben, S. 211 A. 69. 93 Ebd. 195 (Hervorhebung von mir). 94 Zur Begründung s. oben, S. 200 A. 20. 95 Rom. 183 f. 96 Vgl. ebd. 188 zu V. 12: „Heilig, gerecht und gut kennzeichnen . . . die Auswirkung auf den Menschen, welche die nicht durch Illusion verstellte Macht des göttlichen Willens hat." Ebd. 189 zu V. 14a: „Der ursprüngliche im Gesetz dokumentierte Gotteswille gibt der Bekundung (sc. V. 14) himmlische Herkunft und Art." Zu Rom. 8,7 wird (ebd. 209) ebenso unzureichend ohne nähere Erklärung vom „Willen Gottes" gesprochen, „den νομος hier meint".

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kann es sachgemäß heißen: „Wohl muß das Gesetz nach der Intention seines Gebers von der Rezeption durch seinen Empfänger unterschieden werden. Es ist Bekundung des göttlichen Willens, die vom Menschen aber pervertiert und zum Stachel der Sünde wurde." 97 Aber die Konsequenzen aus dieser Unterscheidung — die Reflexion auf die als Bekundung des göttlichen Willens bleibende Relevanz des als geistlich (V. 14) qualifizierten Gesetzes — werden nicht gezogen. Dies erscheint insofern stringent, als diese Reflexion durch das die Auslegung leitende Vorverständnis, „die Tora als solche" sei „abgeschafft", und die daraus resultierende Feststellung ausgeschlossen wird: „Faktisch gibt es eben nicht den Übergang vom Gesetz zum Evangelium und umgekehrt, an welchem anderer Auslegungstradition so sehr gelegen ist."®8 Ähnliches gilt von dem Rom. 7 resümierenden Urteil: „Das Ganze macht sichtbar, was es um den Menschen im Zeichen des Gesetzes ist. Damit wird die Folie für das geschaffen, was c.8 als Existenz im Zeichen und Bereich des Geistes beschreibt."89 Das in nuce („Folie") zutreffend beschriebene Verhältnis von Kap. 7 zu Kap. 8 wird unzulässig vereinfacht und in seiner Relevanz nicht erfaßt, wenn es ergänzend heißt: „Der Geist hat das Gesetz beim Christen abgelöst." Denn wie kann der Geist den Menschen, den Rom. 7 präsentiert, überhaupt heilvoll betreffen, wenn sich Gesetz und Geist unvermittelt (ohne „Übergang") ablösen, wenn also der Geist den Menschen nicht da aufsucht, wo er verloren ist, nämlich durch und in seinem Verhältnis zum Gesetz? Ist die Wahrnehme dieses Zusammenhangs aber die conditio sine qua non einer jeden Interpretation, die auf keine Weise in die Nähe Marcions geraten will, so ergibt sich die Notwendigkeit, über die Feststellung der Ablösung hinaus genauer zu bestimmen, in welche Relation Geist und Gesetz im Vollzug der Errettung des Menschen geraten 100 . Paulus hat diese Notwendigkeit klar erkannt und ihr in Rom. 8,1 ff. Rechnung getragen. Dies kommt jedoch bei Käsemann nicht zur Geltung. Vielmehr werden die dortigen Aussagen über die Thora erneut und in Übereinstimmung mit seiner Auslegung von Rom. 7,21—24 mit Hilfe der These vom übertragenen Gebrauch von Nomos entschärft 101 .

97

98 99 Ebd. 200. Ebd. 180. Ebd. 200. Natürlich kann und soll Käsemanns Auslegung nicht der Schule Marcions zugeordnet werden. Es erscheint nur die Fülle prinzipieller Aussagen über das Gesetz auffällig, die nicht mehr die Dialektik des paulinischen Gesetzesverständnisses wahren und sich wohl ohne Mühe marcionitisch verifizieren ließen: außer den genannten Stichworten „Abschaffung der Thora als solcher", „Ablösung des Gesetzes durch den Geist" ist der in dieselbe Richtung weisende Satz bemerkenswert (ebd. 205 zu Rom. 8,2): Der Geist „schafft Leben und trennt wie von Sünde und Tod, so auch von deren Instrument, dem irreparabel pervertierten Mosegesetz. Paulus ist sich darin mit den Enthusiasten einig. Gottes Wille wird allein durch den Geist erfahren." Warum Paulus nur zwei Verse später (Rom. 8,4) das Ziel des Handelns Gottes in Jesus Christus dahingehend bestimmt, daß unter den Pneumatikern die Forderung des Gesetzes erfüllt werde, ist von hier aus schlechterdings nicht mehr zu erklären. Für Käsemann (ebd. 208) ist denn auch die paulinische Argumentation an dieser Stelle „durch Motive aus einem andern Zusammenhang überfremdet". 101 Vgl. zu Rom. 8,1 ff. unten, S. 226 ff. Die Feststellung zu Rom. 8,2, es liege übertragener Gebrauch vor, ergänzt Käsemann (a.a.O. 205) überraschend um den Satz: „Zweifellos soll dabei an die Tora erinnert werden." Im Verhältnis zu diesem Hinweis ebenso überraschend folgt dann die Fortsetzung: „Jedoch wird so der Kontrast verschärft, nicht eine Brücke geschlagen." Vgl. auch A. 100. 100

IV. Die Gesetzeslehre als Funktion der Soteriologie des Apostels

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IV. Die paulinische Gesetzeslehre in Rom. 5-7 als Funktion der Soteriologie des Apostels Spätestens an dieser Stelle, nach der Erörterung von Rom. 7,23 f., drängt sich die Frage auf, ob sich Paulus oder zumindest die vorgetragene Auslegung nicht in Widersprüche verwickelt hat, die die Stringenz der Argumentation grundlegend in Zweifel ziehen. Denn einerseits wurde im Zusammenhang der Deutung von Rom. 7 festgestellt: Wenn Paulus sagt, das Ego sei in der Begegnimg mit dem Gesetz aufgrund der Machtergreifung der Sünde zu Tode gekommen, dann impliziert dies, daß das Gesetz eschatologisch zur Geltung gebracht ist, so daß der Tod des Ego gleichbedeutend mit seiner eschatologischen Verurteilung ist. Andererseits aber wurde bei der Interpretation von Rom. 6 hervorgehoben, die eschatologische Verurteilung sei im Tod συν Χριστώ in der Taufe erfolgt. Zunächst gilt es festzuhalten, daß dieser auf den ersten Blick als Widerspruch anmutende Sachverhalt nicht auf der dargebotenen Auslegung beruht, sondern mit den Aussagen des Paulus gegeben ist. Denn auch wenn man die betreffenden Sätze nicht im Sinne der eschatologischen Verurteilung deutet, bleibt doch die Spannung erhalten, daß der Apostel einerseits vom Tod des Ego aufgrund des Herrschaftsantritts der Sünde, andererseits vom in Christus Jesus erlittenen Tod des (mit dem toten Ego ja doch identischen) Soma wegen der Sünde spricht. Eine wesentliche Voraussetzung für die Klärung des vermeintlichen Widerspruchs ist die Erkenntnis, daß er nicht nur das Verhältnis von Rom. 7 zu Rom. 6 betrifft, sondern daß er sich ebenso bereits in Rom. 5,12—21 bzw. im Verhältnis von Rom. 5,12 ff. zu Rom. 6 zeigt. In 5,12—21 hatte Paulus den Tod aller Menschen im Gefolge Adams auf ihr Sündigen zurückgeführt (V. 12), diesen Tod als eschatologische Verurteilung gedeutet (V. 12. 16. 18) und im Gegenüber dazu allen — d. h. denselben — Menschen aufgrund der Tat Jesu Christi die das Leben wirkende Rechtfertigung zugesagt. Obwohl aber alle starben bzw. verurteilt wurden, gilt nach Rom. 6, daß die Christen mit ihrer Hineinnahme in Jesus Christus in der Taufe allererst συν Χριστώ den eschatologischen Tod sterben und die Verurteilung erleiden. Allem Anschein nach beinhaltet also die Beobachtung über das Verhältnis von Rom. 7 zu Rom. 6 keine punktuelle Inkonsequenz, sondern betrifft ein Strukturelement der paulinischen Theologie. Gerade diese Erkenntnis lenkt den Blick als erstes auf die paulinische Christologie als möglichen Erklärungsbereich. Wie aufgezeigt 1 , basiert die Christologie des Apostels auf der Ge1

Vgl. oben, S. 167 f.

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IV. Die Gesetzeslehre als Funktion der Soteriologie des Apostels

wißheit, daß Jesus Christus „für uns" bzw. für die Vielen den Tod, die Verurteilung erlitten hat und daß er dies als der getan hat, der von den Toten auferweckt worden ist. Diese Gewißheit impliziert, daß er den Fluch des Gesetzes auf sich geladen und daß er gerade damit das Gesetz erfüllt hat. Wenn Jesus Christus für die Vielen gestorben ist, dann beinhaltet dies weiter, daß durch seinen Tod alle als des Todes schuldig erwiesen werden. Sofern aber dieser Erweis des Schuldigseins aller das am Maßstab des Gesetzes gefällte eschatologische Urteil bedeutet, sind in Jesus Christus alle Menschen eschatologisch verurteilt worden. Das aber heißt: Wenn in Rom. 5,12—21 "von Tod und Verurteilung der Vielen gesprochen wird, dann ist diese Behauptung gültig allein in Jesus Christus. Und sofern die Verurteilung am Maßstab des Gesetzes erfolgt ist und das Gesetz in Rom. 5,12 ff. eschatologisch zur Geltung gebracht wird 2 , bezeugt dies, daß die paulinischen Aussagen über das Gesetz integraler Bestandteil seiner Soteriologie sind. Mit anderen Worten: Wenn Paulus in Rom. 5 den Nomos eschatologisch zur Geltung bringt, dann vermag er dies deshalb, weil das Gesetz in Jesus Christus eschatologisch in Kraft gesetzt ist! Insofern nun die paulinische Gesetzesdeutung eine Funktion der Soteriologie des Apostels ist, ist evident, daß auch die am Maßstab des Gesetzes ausgesprochene Verurteilung im Dienst des Heilsgeschehens steht. Ist aber die Aussage über die eschatologische Verurteilung Implikat des Kerygmas vom in Jesus Christus ereigneten eschatologischen Handeln Gottes in der Zeit, dann geschieht die Verurteilung als Element dieses Heilshandelns in Jesus Christus; dann wird der mit ihr identische eschatologische Tod in ihm gestorben und vollzieht sich gegenwärtig in der Christusbindung der Glaubenden. Wird die Prämisse, daß das Gesetz in Jesus Christus eschatologisch in Kraft gesetzt ist, konsequent wahrgenommen, dann wird auch der Sinn der Aussagen über die eschatologische Verurteilung aller im Gefolge Adams deutlich. Sie haben ihren Anhalt an der Gewißheit vom Tod des Einen für die Vielen, sind also in Christus gültig. Und genau den Nachweis dafür, daß sie in ihm gültig sind, will Paulus in Rom. 5,12 ff. führen. Er entfaltet die Aussagen über Adam und die Adamiten aus seiner christologischen Erkenntnis heraus und mit dem Ziel, Erkenntnis Jesu Christi zu vermitteln, nämlich durch den Aufweis, daß in ihm das volle Heil eröffnet, mit der Gerechtigkeit das Leben gegeben ist. Wie dargelegt 3 , vermag er dies dadurch, daß er auf der AdamSeite den Tod als eschatologische Verurteilung auslegt. In Aufnahme und Modifikation einer Formulierung Kleins läßt sich deshalb sagen,

1 3

Vgl. ebd. Vgl. oben, S. 170.

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daß die „Historiographie" in Rom. 5,12—21 eine Funktion der Christologie ist4. In dem Tatbestand der Gültigkeit der Aussagen εν Χριστώ Ιησού liegt die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit begründet, vom (durch Jesus Christus erwiesenen) eschatologischen Tod bzw. Verurteilung aller zu sprechen und doch daran festzuhalten, daß dieser Tod bzw. Verurteilung erst mit der Hineinnahme in Jesus Christus vollzogen wird. Und nur so vermag Paulus durchzuhalten, daß das Christusgeschehen Heilsgeschehen ist, das auf die gegenwärtige adamitische Menschheit abzielt. Mit dieser Erklärung ist bereits die Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs zwischen Piöm. 7 und Rom. 6 vorgezeichnet. Die Entsprechung in der Spannung zwischen Rom. 5 und Rom. 6 und zwischen Rom. 6 und Rom. 7 begründet die Annahme, daß Paulus in Rom. 7 analog zu Rom. 5 von dem Tod bzw. der Verurteilung des Ego spricht, um die Erlösung des Menschen in Jesus Christus (Rom. 8) explizieren zu können. Diese Folgerung stimmt mit den bei der Deutung von Rom. 7,7—24 gewonnenen Erkenntnissen überein. Und ebenso kann als bereits erwiesen gelten, daß die Aussagen in Rom. 7,7 ff. nur in Jesus Christus gelten. Bezeichnend ist nun für diesen Text im Unterschied zu Rom. 5,12 ff., daß Paulus nicht einfach vom adamitischen Menschen spricht, sondern daß er zwischen Ego und Soma differenziert: „Wer wird mich (με = das Ego) εκ του σώματος του θανατου τουτου erretten?" 5 In welchem Verhältnis stehen Ego und Soma zueinander, und warum differenziert Paulus in dieser Weise? Dieser zweiten Frage kommt gerade auf dem Hintergrund der ersten größtes Gewicht zu. Denn die Aussagen in Rom. 7 gipfeln in dem Nachweis, daß Ego und Soma beim adamitischen Menschen identisch sind: Sofern das Ego nach Rom. 7 stirbt, indem es sich an die Sünde verliert, läßt es sich als die Relation des Menschen ( = des Soma) zu Gott, sein Bestimmtsein von Gott definieren. Indem das Ego begehrt, büßt der Mensch diese Relation ein. Er ist jetzt Soma, das von sich selbst bestimmt wird, durch die Fleischlichkeit oder Weltlichkeit, die ihn als Soma kennzeichnet. Die Rede vom σωμα της αμαρτίας (Rom. 6,6) erhält so durch das Bekenntnis „Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft" ihren authentischen Kommentar. Weil aber das Ego fleischlich und mit dem „Leib der Sünde" identisch ist, darum ist es 4 Klein (Individualgeschichte 218) spricht davon, Historiographie werde bei Paulus „zur Funktion theologischer Biographie". Ohne die Sachgemäßheit dieser Definition in Frage zu stellen, gilt es jedoch hervorzuheben, daß „theologische Biographie" nach Paulus ihr Maß an der „Christographie" hat und im Kern nur diese selbst sein kann. 5 Der Begriff σωμα ist in 7,23 durch die (zweimalige) Rede von den μελη vorbereitet.

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zugleich σωμα του θανατου6. Es ist in Relation zu Gott gestorben, d. h. verurteilt, und existiert in wehrloser Auslieferung an den Tod als der Sünde Sold. Der Ruf des Ego aus dem Todesleib ist darum der Ruf nach Erlösimg aus seiner Identität mit sich selbst als dem Tod verfallenen Menschen. Wenn aber Ego und Soma beim adamitischen Menschen identisch sind, was leistet dann deren Unterscheidung in Rom. 7? Orientiert man sich an den zentralen Aussagen über den Zusammenhang von εγω, σωμα und θανατος, so vor allem dies: Paulus vermag gleich zu Beginn vom eschatologischen Tod bzw. Verurteilung des Ego zu sprechen und zugleich von seiner Gefangenschaft zum Tode als „Leib des Todes". Dieser Tatbestand erinnert an zwei bereits erörterte Phänomene: In Rom. 5,12—21 interpretiert Paulus den Tod im Gefolge Adams als eschatologische Verurteilung, um aufzuzeigen, daß mit der die Rechtfertigung wirkenden Tat Jesu Christi in und trotz der Todeswelt das Leben eröffnet ist. Er orientiert sich damit bei seiner Argumentation an der Wirklichkeit, der die Christen ausgesetzt sind. Sodann wurde bei der Auslegung von Rom. 7,7—24 wahrscheinlich gemacht, daß die Struktur der adamitischen Existenz, wie sie Paulus dort entfaltet, im Hinblick auf das Verhältnis der präteritalen und präsentischen Aussagen über sie derjenigen der christlichen entspricht bzw. nach ihrem Modell gestaltet ist. Von diesen Beobachtungen her erscheint die Annahme stringent, daß Paulus in Rom. 7 zwischen Ego und Soma unterscheidet u m der Entfaltung des Seins der in Jesus Christus Erlösten willen bzw. genauer: Er trifft die Unterscheidung, tun zeigen zu können, welche Funktion das Pneuma in Relation zum Glaubenden ausübt, nämlich die vom toten Ego verspielte 7 . Und zwar erscheint diese Annahme nicht allein per analogiam als schlüssig, son• Die Identität von fleischlichem Ego, „Leib der Sünde" (Rom. 6,6) und „Leib des Todes" (Rom. 7,24) kommt aufs deutlichste auch darin zum Ausdruck, daß Paulus, wie er in Rom. 6,6 vom Mitgekreuzigtsein des „alten Menschen" = des „Leibes der Sünde" sprechen kann, so in Gal. 2,19 f. vom Mitgekreuzigtsein des Ego. Zu Gal. 2,19 f. s. oben, S. 191 f. Vgl. auch Bultmann, Theol. NT 201: In Rom. 7,24 „ist das σωμα das von der σαρξ beherrschte, der Sünde verfallene Ich". Sodann sei hier noch einmal an die treffende Bestimmung des Ego als „Typos des Glaubenden" durch Schunack erinnert (s. oben, S. 217). Allerdings bestätigt der Tatbestand, daß Paulus vom Ego nur in seiner Bindung an das Soma sprechen kann, zugleich auch, daß das Ego nicht vom adamitischen Menschen abgelöst werden kann (gegen Schunack; s. oben, S. 217 f.). 7 Abgesehen von Rom. 8,1 ff. (s. dazu im folg.) wird dies sehr schön an Rom. 12,2 und 2.Kor. 4,16 deutlich: Wird das tote Ego in Rom. 7 als νους und εσω άνθρωπος bezeichnet (V. 22 f.), so ist das Leben im Geist ανακαινωσις του νοος (Rom. 12,2) und Erneuerung (ανακαινουσθαι) des εσω άνθρωπος (2.Kor. 4,16). Zum damit gegebenen Thema der „in Christus erneuerte(n) Vernunft" s. die lehrreichen Ausführungen von Ducbrow, Weltverantwortung 109 ff.

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dem weil die Unterscheidung zwischen Ego und Soma im Dienst desselben sachlichen Zieles steht wie die Interpretation des θανατος durch κατακριμα (Rom. 5) und wie die — an die Unterscheidung von Ego und Soma gebundene! — Strukturierung christlicher und nichtchristlicher Existenz. Sie ermöglicht jenen Aufweis der Wirklichkeit des Heils im Angesicht des Todes. Denn indem Paulus in Rom. 7 zwischen „Ich" und „Leib" unterscheidet, kann er vom Tod des Ego durch die Sünde ( = Verurteilung) sprechen und die Befreiimg von der Sünde als Überwindung der eschatologischen Verurteilung erweisen. Die Interpretation des Todes als Verurteilung in Rom. 5 war Korrelat der nach Paulus in Jesus Christus erfolgten eschatologischen Inkraftsetzung des Nomos. In Rom. 7 zeugt der Text selbst mit jeder Zeile davon, daß der Apostel die Unterscheidung von Ego und Soma mit Hilfe des Gesetzes vollzieht: Am Gesetz kommt das Ego zu Tode, und von ihm wird es im Tode gehalten. Auch hier wird vorausgesetzt, daß der Nomos in Jesus Christus in Kraft gesetzt ist. Außer dem Zusammenhang mit Rom. 5 bietet die Aussage Rom. 7,14 ein untrügliches Indiz dafür. Denn wenn anders das Pneuma eschatologische Gabe ist, ist das Attribut πνευματικός für den Nomos möglich erst da, wo er eschatologisch qualifiziert werden kann. Allein schon dies Attribut der Geistlichkeit sichert, daß die Aussagen über das Gesetz auch in Rom. 7 in der paulinischen Christologie begründet sind8. Was von Rom. 5 gilt, betrifft deshalb in entsprechender Weise Rom. 7: Das Ego ist gestorben, es ist verurteilt. Weil es aber in der Zeit verurteilt ist und somit als Soma lebt und weil seine Verurteilung in Jesus Christus geschehen ist in Form der Eröffnung des Heils, darum muß sie somatisch vollzogen werden. Oder auch: Es muß erwiesen werden, daß sie in und mit Jesus Christus somatisch überwunden ist.

8

Wird die Unterscheidung von Ego und Soma mit Hilfe des Gesetzes getroffen und ist die Gesetzeslehre eine Funktion der Soteriologie des Apostels, dann ist auch die paulinische Anthropologie eine Funktion der Erlösungslehre. 15

Osten-Sacken, Römer 8

C) D E R S O H N U N D D I E S Ö H N E ( R O M . 8 , 1 - 5 9 )

I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1-30) 1. Die Freiheit vom Tode als Macht über die Sarx (Rom. 8,1—13) Mit Rom. 8,1 beginnt Paulus den Aufweis der Wirklichkeit des Heils im Angesicht des Todes. Wie im Rahmen der Erörterung von Rom. 5—7 gezeigt wurde, läßt sich die Folgerung V. 1 „Keine Verurteilung gibt es jetzt also f ü r die, die in Christus Jesus sind" auf mehrfache Weise verstehen. Einmal von den christologischen Ausführungen in Rom. 5,12—21 u n d deren Zusammenhang mit Rom. 6 her 1 , zum anderen auf dem Hintergrund der Aussagen in Rom. 7,1—62. Freilich ist V. 1, da der Satz in V. 2 begründet wird, als Folgerung zugleich These, und die Interpretation hat diese Ambivalenz u m so mehr zu beachten, als die Begründung in V. 2 in engstem Bezug auf 7,7—24 erfolgt. Damit rückt als erstes die Aussage ins Zentrum der Deutung: „(Denn) das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat dich/mich befreit vom Gesetz der Sünde u n d des Todes." Die Interpretation dieses Satzes hat sich nach den bisherigen Ergebnissen einerseits auf dem Hintergrund von 7,7 ff., andererseits im Zusamm e n h a n g mit der nachfolgenden Begründung in 8,3 f. zu vollziehen. Unzweifelhaft scheint nach der vorgetragenen Auslegung von 7,7 bis 24, daß unter dem Nomos in 8,2 wie in 7,25 jeweils die Thora zu verstehen ist 3 . Mit der W e n d u n g „das Gesetz der Sünde u n d des To1

2 Vgl. oben, S. 175. Vgl. oben, S. 158 u ö. Zu den wenigen Exegeten, die νομος in 8,2 je in diesem Sinne auslegen, gehören Fuchs (Freiheit 85), Gogarten (Mensch 72), Schmidt (Rom. 136), Ebeling (Erwägungen 269. 289), Jüngel (Paulus 52. 54 f.), Schunack (Problem 226), Lohse (Anmerkungen 279 ff.) und Vos (Pneumatologie 122). Für die Deutung als „Ordnung", „Regel", „Norm", „Zwang", „Herrschaftsanspruch", „Machtbereich" o. ä. und damit für die — von Jüngel (a.a.O. 53) mit Recht als „illegitime Entschärfung der Aporie" bezeichnete — Annahme zweier verschiedener νομοί treten unter den neueren Exegeten ein u. a. Bultmann (Theol. NT 260), Michel (Rom. 189), Kuß (Rom. II, 490), Stalder (Heiligung 592 f.), Niederwimmer (Freiheit 173) und Käsemann (Rom. 205). Eine Mittelstellung nimmt Kertelge („Rechtfertigung" 204 A. 218; 212) ein: Er versteht zwar unter dem „Gesetz der Sünde und des Todes" die Thora, allem Anschein nach jedoch nicht unter dem „Gesetz des Geistes ...". 5

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des" knüpft Paulus an die Bezeichnung der Thora als ο νομος της αμαρτίας in 7,23 an. Die zusätzliche Bestimmung και του θανατου in 8,2 ist schlüssig. Denn das Gesetz der Sünde hat ja das Ego in den Tod geführt, so daß es im „Leib des Todes" gefangen ist (7,24). Lassen sich deshalb das „andere Gesetz" bzw. das „Gesetz der Sünde" (7,23) und das „Gesetz der Sünde und des Todes" (8,2) ohne weiteres identifizieren, so kann für die Bestimmung der Wendung „das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus" aus dem Vergleich mit 7,23 zunächst so viel entnommen werden, daß diesem Gesetz genau die entgegengesetzte Funktion wie dem „anderen Gesetz" zugeschrieben wird. Während dieses das Ego durch das „Gesetz der Sünde", d. h. durch sich selbst, gefangennimmt, ist es von eben diesem Gesetz durch den Nomos des Geistes . . . befreit worden. Jene Erkenntnis nun, daß Nomos in 7,23 stets die Thora meint, beinhaltete die Einsicht, daß die den Begriff jeweils näher bestimmenden Genitive einen Aspekt des Verhältnisses von Gesetz und Ego nennen, wie es in der Begegnung beider konstituiert wird. Wird die Thora „Gesetz der Sünde" genannt, so deshalb, weil die Sünde das Gesetz benutzt, um das Ego zu betrügen und zu töten, oder, anthropologisch gesprochen, weil das Ego das Gesetz will, aber es so gerade verfehlt, indem es nicht begehren wollend begehrt. Wenn Paulus in 8,2a in Korrespondenz mit den bezeichneten Wendlingen in 7,23 und 8,2b vom „Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus" spricht, so ist deshalb die Thora gemeint, sofern sie vom Geist des Lebens in Christus Jesus zugunsten des Ego erfüllt ist, d. h. von dem Geist Gottes, der das Leben verbürgt und in Jesus Christus gegenwärtig ist, in den die Glaubenden durch die Taufe eingegliedert sind. Darauf, daß hier an die in der Taufe erfolgte Geistverleihung als Zeitpunkt der Befreiung gedacht ist, deutet der Aorist (ηλευθερωσεν). Und nur deshalb, weil der Geist in 8,2 als Gabe an das Ego verstanden ist, ist das beschriebene Geschehen Heilsgeschehen. Dies tritt hervor, wenn der anthropologische Aspekt der pneumatologischen Aussage bedacht wird. Die Relation von Ego und Gesetz ist die Struktur des Seins des Unerlösten wie des Erlösten 4 . Während jedoch das Ego ante Christum am Gesetz zum Begehrenden wird und stirbt, gerade indem und obwohl es nicht begehren und leben will, ist das Ego in Jesus Christus als mit dem Geist begabtes von diesem Verhältnis zum Gesetz frei. Denn weil der Geist das Leben mit sich bringt, das mit dem Geist 4 Vgl. Ebeling, Erwägungen 283: „Paulus kann . . . vom Gesetz gar nicht reden als von einem Ding an sich, sondern nur im Hinblick auf den Menschen, dem es gegeben ist und zu dessen Wirklichkeit es so oder so gehört." (Hervorhebung von mir.)

15»

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beschenkte Ego also nie mehr gewinnen kann, als es schon hat 5 , und sich allein als empfangendes versteht, ist es von der Begierde frei und erfüllt das Gesetz, das da sagt: „Du sollst nicht begehren." An die Erfüllung dieses Gebots ist nach Rom. 7 die Verheißung des Lebens geknüpft. Indem die mit dem Geist des Lebens Begabten als solche dem Begehren entnommen sind, kommt an ihnen das Gesetz εις ζωην zur Erfüllung. Sie stimmen als Pneumatiker mit dem pneumatischen Nomos überein. Weil aber die Übereinstimmung des Ego mit dem Gesetz conditio sine qua non für das Sein im Heil ist und weil in Christus Jesus durch die Gabe des Geistes Gesetz und Ego εις ζωην zur Ubereinstimmung gekommen sind, darum spricht Paulus nicht einfach davon, daß der Geist das Ego vom Gesetz der Sünde und des Todes befreit habe, sondern sagt konsequent: ο νομος του πνεύματος . . . ηλευθερωσεν με/σε. Durch diese Aussage wird nicht die Urheberschaft des Pneuma als Kraft der Befreiung angetastet. Wohl aber wird die Heiligkeit des Nomos gewahrt. Stünde in 8,2 nicht Gesetz gegen Gesetz, sondern wäre nur von der Befreiung vom „Gesetz der Sünde und des Todes" (durch den Geist) die Rede, dann wäre das Gesetz Gottes der Sünde und dem Tode preisgegeben®. So aber bleibt es der Nomos Gottes, dessen sich die Sünde bemächtigt hat, durch den sie als Sünde an den Tag kommt und der gerade so, als Gesetz der Sünde und des Todes, seine Heiligkeit bezeugt. Gerade aufgrund dieser Heiligkeit aber ist seine Forderung unumstößlich und gestattet er nur dem von ζωη zu reden, der von der Erfüllung dieser Forderung zu erzählen weiß. Nicht das Gesetz hat sich post Christum geändert, wohl aber das Ego, bzw. nur sofern das Ego geändert ist, ist auch das Gesetz neu qualifiziert 7 . Ante Christum fleischlich, unter die Sünde verkauft (7,14), 5

Vgl. dazu Bultmann, ThWb II, 870 f. Diese marcionitische Konsequenz zeigt sich bei den Exegeten, die Nomos in V. 2 jeweils im unspezifischen Sinn verstehen, nur deshalb nicht, weil Paulus in V. 4 nun doch unübersehbar von der Erfüllung der Forderung des Gesetzes spricht und zu entsprechender Paraphrase nötigt. Vgl. z.B. Käsemann, Rom. 208: „Der Geist führt . . . auch den Gehorsam herauf und verhilft damit dem im Gesetz ursprünglich sich bekundenden Gotteswillen zu seinem Recht." Die hier implizierte positive Deutung des Gesetzes im Horizont der Gegenwart des Geistes kommt jedoch in keiner Weise zum Tragen. Siehe dazu oben, S. 219 f. Das treffende theologische Resümee, das Müller (Gerechtigkeit 113) aus Rom. 9—11 gezogen hat, daß nämlich das „Handeln Gottes . . . an Israel orientiert" bleibe, „weil es der Menschheit gilt", trifft also in entsprechender Weise auch auf das Phänomen des Gesetzes zu: Das göttliche Handeln bleibt auf das Verhältnis des Menschen zum Gesetz bezogen, weil es die geschichtlich Existierenden meint und keinen himmlischen Klüngel. 8

7 Vgl. Ebeling, a.a.O. (Fortsetzung des Zitats): „Tritt eine Änderung im Verhältnis des Menschen zum Gesetz ein, so tritt eben damit auch eine Änderung im

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ist das Ego in Christus Jesus vom Pneuma beherrscht und dadurch der Gewalt von Sünde und Tod entrissen. Es läge von dem her, was Paulus in Rom. 7 über den Tod des Ego unter der Herrschaft der Sünde sagt, nahe, von der mit dem Geistempfang erfolgten Auferweckung des Ego zu sprechen. Der Apostel redet, wiewohl er genau diesen Sachverhalt meint 8 , statt dessen von der Befreiung des Ego vom Gesetz der Sünde und des Todes durch das Gesetz des Geistes. Der Tatbestand, daß er auch das Sein des Erlösten in der Relation zum Gesetz auslegt, ermöglicht es ihm, im Hinblick auf die Rede von der ζωη in diesem Sinne zu differenzieren. Damit wird die zuvor im Anschluß an die Deutung von Rom. 7 aufgezeigte Relevanz des Gesetzes für die paulinische Anthropologie im Rahmen der Soteriologie vollauf bestätigt. Dies kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn der Zusammenhang von 8,2 mit Υ. 1 beachtet wird, von dem die Überlegungen ihren Ausgang nehmen. Denn die Unterscheidung zwischen κατάκριμα und θανατος ist für Paulus der hermeneutische Schlüssel für die Bewältigung der Frage nach der Gegenwart des Heils im Angesicht des Todes. Die thetische Folgerung 8,1 mit ihrer Zusage, daß es für die Christen keine Verurteilung gibt, aber gründet nach dem Apostel in ihrem Verhältnis zum Gesetz. Der schwierige Satz Rom. 8,2 wurde bisher in strengem Bezug auf die in ihm vorausgesetzten Aussagen in Rom. 7 interpretiert. Ob damit der Sinn sachgemäß erfaßt ist, läßt sich anhand der Fortsetzung der paulinischen Ausführungen in Rom. 8 prüfen. Und zwar gilt dies in erster Linie von den Versen 3 f., mit denen der Apostel V. 2 begründen will. Es konnte gezeigt werden, daß mit dem αδύνατον του νομού in V. 3a die Erfüllung der Forderung des Gesetzes gemeint und daß dies dem Nomos Unmögliche in der Sarx begründet ist, die die Schwäche des Gesetzes bedingt 9 . Diese Überlegungen zum Sinn der Aussage V. 3a deuten bereits den sachlichen Zusammenhang zwischen V. 2 und V. 3 f. an. Denn die Feststellung in V. 3a knüpft mit ihrem Verweis auf die Sarx als Grund allen Unheils unverkennbar an Wesen des Gesetzes ein." Änderung im Wesen des Gesetzes aber heißt (ebd. 289): „Nicht eine inhaltliche Veränderung des Gesetzes, sondern gewissermaßen eine Ortsveränderung des Gesetzes ist das, was das Gewissen befreit, d. h. daß dem Gesetz der ihm angemessene Platz zugewiesen wird, welcher gerade nicht die Herrschaft über das Gewissen ist — eine Ortsveränderung, die nur das Komplement einer Ortsveränderung des Menschen selbst ist: von dem εν νομω zu dem εν Χριστώ είναι." (Hervorhebimg von mir.) Vgl. auch Jüngel, Paulus 61; Vos, Pneumatologie 122. 8 Vgl. die dem korrespondierende Rede von der Erneuerung des νους bzw. εσω άνθρωπος Rom. 12,2; 2.Kor. 4,16 (und dazu oben, S. 224 A. 7); ferner die Bezeichnung der Pneumatiker als καινή κτισις (2.Kor. 5,17; Gal. 6,15). 9 Siehe oben, S. 146 f.

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die Rede vom „Gesetz der Sünde und des Todes" an, zu dem die Thora ja nach Rom. 7 in der Regegnung mit dem Menschen als σάρκινος geworden war. Und die Definition des Ziels des göttlichen Handelns als Erfüllung der Forderung des Gesetzes „unter uns, die wir nach dem Geist wandeln" spielt ebenso deutlich auf die Befreiung durch das „Gesetz des Geistes . . ." an, die ja nichts anderes als die Erfüllung des Gesetzes durch das den Glaubenden qualifizierende Pneuma bedeutete und damit die Aufrichtung der zum Leben gegebenen Thora. Können damit die Sätze über das Gesetz in V. 3a. 4 vorerst als Bestätigung der Interpretation von V. 2 angesehen werden, so ist das Schwergewicht des Aussagezusammenhangs V. 3 f. damit noch keineswegs erfaßt. Die Entsprechung von V. 2 und V. 3a. 4 lenkt den Blick vielmehr auf den Satz, der das gegenüber V. 2 entscheidend Neue in die Argumentation einbringt, die Aussage über die Sendung des Gottessohnes. Sie nennt das Geschehen, das die in Y. 2 ausgesprochene Befreiung ermöglicht hat, und thematisiert damit, was in der Bestimmung εν Χριστώ Ιησού in V. 2 nur mehr angedeutet war. Die Schwierigkeit der Interpretation der christologischen Aussage ist in ihrer Kürze begründet. Paulus berührt das Handeln Gottes in Jesus Christus nur mit knappen Worten, um sofort auf das Ziel dieses Handelns abzuheben und ohne den Zusammenhang zwischen beidem durchsichtig zu machen. Zunächst allgemeiner gesagt, scheint für ihn bestimmend zu sein, die Gabe des Geistes und das mit ihr gegebene Erlösungsgeschehen eindeutig an die Gestalt Jesu Christi, das in ihr ereignete Handeln Gottes zu binden. Die Erlösung hat ihren Ort „in Jesus Christus", weil Gott in ihm urbildlich die Erlösung vollzogen hat. Weil der Mensch „sarkisch, unter die Sünde verkauft" war, darum hat Gott seinen Sohn in der Gleichgestalt 10 dieser von der Sünde beherrschten Sarx und um der Sünde willen gesandt und hat die Sünde in der Sarx verurteilt. Nimmt man diese Aussage für sich, so bietet sie die Auffassung dar, daß allein schon mit der Sendung des Sohnes, mit seinem Eintritt als Sündloser in die Sphäre der Hamartia, die wirksame Außerkraftsetzung der den Menschen knechtenden Sünde bewirkt und die Möglichkeit des Zugangs zu Gott eröffnet ist. Doch wenn auch περι αμαρτίας in V. 3 kaum den Sinn „als Sühnopfer" hat 11 , so scheint es vom Gesamtkontext der paulinischen Rriefe, sodann insbesondere von Rom. 5 f.; 8,17.32 und schließlich auch vom

10

ομοίωμα deutet wiederum (vgl. oben, S. 182 A. 19 zu Rom. 6,5) eine Differenz an. I m Unterschied zu den Sarkikern ist der Sohn εν σαρκι gehorsam. Er wird „im Fleisch" gesandt als der, „der keine Sünde kannte" (2.Kor. 5,21). Vgl. Fuchs, Freiheit 89; Käsemann, Rom. 207. 11 Vgl. oben, S. 145 A. 4.

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Gebrauch des Begriffs κατακρινειν in V. 3 her geboten, das Kreuzesgeschick Jesu Christi in die Deutung der Aussage einzubeziehen12. Nach Rom. 5,18 f. ist das Geschehen, durch das die Christen der Verurteilung entrissen werden, die Rechtstat Jesu Christi, durch die er für alle die Leben eröffnende Rechtfertigung heraufführt, sein Gehorsam, durch den die übrigen zu Gerechten gemacht werden. Nach dem Zusammenhang von Rom. 5 ist unter der Rechtstat bzw. dem Gehorsam Jesu Christi sein Kreuzestod zu verstehen. Indem er als der Gehorsame, durch seine Rechtstat das Gesetz erfüllend, stirbt, nimmt er die Sünde der Vielen auf sich und leistet dem Anspruch der Hamartia auf die Vielen Genüge, ohne ihr selbst ausgeliefert zu sein, wie seine Auferweckung bezeugt. So bricht er den Bann, in den die Sünde die Vielen geschlagen hat, und entreißt ihr die Herrschaft über sie. In Rom. 6,10 heißt es sodann, daß Jesus Christus mit seinem Tode ein für allemal der Sünde gestorben sei. Diese Aussage beinhaltet die Auffassimg, daß er stellvertretend den eschatologischen Tod erlitten, d. h. die eschatologische Verurteilung auf sich genommen hat, die den Vielen aufgrund ihrer Knechtschaft unter der Sünde zukam13. Sind sie damit vom Herrschaftsanspruch der Sünde frei, so ist der Tod Jesu Christi zugunsten der Sünde zugleich Tod zu ihren Ungunsten; denn der Tod herrscht nicht mehr über ihn, sondern er lebt Gott. Wenn aber der für die Sünder Gestorbene und sie von der Sünde Befreiende nicht im Tode geblieben ist, dann ist am Kreuz die Macht eschatologisch verurteilt, die mit ihrer Herrschaft die Verurteilung der Vielen ins Werk setzte, die Sünde. Ist mit dieser Reflexion auf das Geschick der Sünde im Kreuzestod Jesu Christi grundsätzlich gezeigt, in welchem Sinn die christologische Aussage Rom. 8,3 zu deuten ist, so bleibt freilich zu beachten, daß Paulus an dieser Stelle von der Verurteilung der Sünde εν τη σαρκι spricht. Wie ist diese Umstandsbestimmung zu verstehen? Sarx begegnet in Kap. 8 zum erstenmal in V. 3a und bezeichnet dort, von Paulus als Grund für die Schwäche des Gesetzes benannt, das Sein des von der Sünde beherrschten Menschen, des Menschen, der sich in seiner Vergänglichkeit zum Maßstab seiner selbst macht und damit εν σαρκι κατα σαρκα existiert. In dem Leben κατα σαρκα erweist er 12 „Verurteilen" ist ein Begriff der Rechtfertigungslehre, die nach Paulus Entfaltung der Gewißheit ist, daß Jesus Christus am Kreuz „dahingegeben wurde um unserer Verfehlungen willen und auferweckt wurde um unserer Rechtfertigung willen" (Rom. 4,25). Vgl. dazu auch Philippi, Rom. 329 f.; Lipsius, Rom. 132 f.; Leenhardt, Rom. 116 f.; Kertelge, „Rechtfertigung" 216 f. und bes. Benoit, Loi 492 ff. 495 f. 13 Vgl. oben, S. 178. Auf Rom. 6,7—10 verweisen im Zusammenhang der Erörterung von Rom. 8,3 mit Recht Sanday-Headlam, Rom. 193.

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sich als von der Sünde beherrscht. Die Rettung bestünde demnach für ihn darin, daß er als im Fleisch Lebender nicht κατα σαρκα existieren müßte. Indem Paulus in 8,3 von der Verurteilung der Sünde in der Sarx spricht, also zwischen Sarx und Sünde unterscheidet, trägt er der Geschichtlichkeit von Sünde und Erlösung Rechnung und wahrt die Geschöpflichkeit des Menschen 14 . Die Sünde ist kein Naturgesetz, so daß Sarx und Harmatia identisch wären. Sie ist aber auch keine Macht, deren Dasein ohne Bezug auf den Menschen relevant wäre. Sondern sie ist Macht, die sich im Vollzug der Existenz des dem Gesetz begegnenden sarkischen Menschen etabliert hat. Deshalb kann die Befreiung, sofern sie wirklich auf diesen zeitlich existierenden Menschen abzielt, nicht Aufhebung seines Seins εν σαρκι, sondern muß die Befreiung seiner sarkischen Existenz von ihrer Qualifizierung durch die Sünde sein, die Freiheit von dem Zwang, sich selbst zum Maßstab zu machen. Indem Paulus zwischen Sarx und Hamartia unterscheidet, bringt er zum Ausdruck, daß es beim Heilsgeschehen um den geschichtlich existierenden Menschen geht, wie er ihn in Röm. 7 in seiner Stellung coram Deo gedeutet hat. Würde er undifferenziert von der Verurteilung der Sarx sprechen, so käme dies der Proklamation des heillosen Endes der Geschichte gleich. So aber werden die Sendung und Hingabe des Gottessohnes als Eröffnung des Heils in der Geschichte offenbar: Die in ihnen geschehene Verurteilung der Sünde befreit das Menschsein (Sarxsein) von seiner je schon in der Begegnung mit dem Gesetz ereigneten Verfallenheit an die von Gott trennende Macht der Hamartia. Gerade weil das Heil den in der Zeit existierenden Menschen betrifft, darum ist es erstens mit der Sendung Jesu Christi nicht abgeschlossen, sondern überhaupt erst eröffnet, so daß es sich in der Gegenwart vollzieht; und darum erweist es sich zweitens im Verhältnis des Menschen zum Gesetz, das seine geschichtliche Existenz als solche konstituiert. Diese Implikationen der paulinischen Christologie treten mit dem Finalsatz V. 4 ins Blickfeld, dem Paulus die Aussage V. 3 dienstbar macht und den Dibelius 15 treffend einen „der wichtigsten Verse, die Paulus überhaupt geschrieben hat" genannt hat. Wenn Gott in Jesus Christus gehandelt hat, „damit die Forderung des Gesetzes unter uns, die wir nach dem Geist wandeln, erfüllt wird", dann besteht das Heil nach wie vor in der Erfüllung des Gesetzes. Und wenn die Ermöglichung der Erfüllung auf das Handeln Gottes in Jesus Christus zurückgeführt wird, dann ist der Geist, in dessen Gefolge das Gesetz erfüllt wird, nichts anderes als Chiffre für die Gegenwart 14 15

Vgl. dazu Conzelmann, Theol. NT 230. Worte 8.

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Jesu Christi16. Paulus selbst stellt in Y. 9 f. diese Identität von Geist, Geist Christi und Christus heraus. Wenn aber der Geist die Gegenwart Jesu Christi bedeutet, dann kann die Erfüllung der Forderung des Gesetzes unter den nach dem Geist Wandelnden nur heißen: Vollzug der eschatologischen Verurteilung des Menschen als des in der σαρξ αμαρτίας Lebenden. Denn Wandel nach dem Geist heißt ja Nachvollzug des Geschicks Jesu Christi, durch dessen Sendung Gott die Sünde in der Sarx verurteilt hat. Diese Erfüllung der Forderung des Gesetzes unter den Glaubenden ist Heilsgeschehen, weil sie kraft der Gegenwart des Pneuma geschieht, das den Menschen im Vollzug der Verurteilung errettet und damit seine Freiheit von der Verurteilung gewährt. Gerade indem der Geist die Forderung des Gesetzes so erfüllt, daß er den Glaubenden als adamitischen Menschen eschatologisch verurteilt sein läßt, präsentiert er ihn εις ζωην. δικαίωμα kommt also an dieser Stelle der Bedeutung „Urteil" nahe 17 . Trotzdem erscheint die Übersetzung mit „Forderung" oder „Rechtsforderung" als sachgemäß. Denn zum einen droht die Deutung als „Urteil" den Unterschied zum V. 3 festgestellten κατακρινειν Gottes einzuebnen: Das Gesetz ist Ankläger und Maßstab des Gerichts, aber nicht selbst Richter. Vor allem aber würde die Interpretation als „Urteil" die Entscheidung für eine falsche Alternative bedeuten. Denn gegenüber dieser Auslegung wird geltend gemacht, daß Paulus in V. 4 „gerade die positive Erfüllung der ,Rechtsforderung des Gesetzes' nicht nur durch Christus, sondern auch durch die Christen ,in Christus' im Auge" habe 18 . Damit wird das paulinische Gesetzesverständnis jedoch verzeichnet. Denn für den Apostel ist gerade die Erfüllung der Forderung des Gesetzes durch den Geist in Form des Todes des alten Menschen nicht nur die einzig mögliche Art der Gesetzeserfüllung, sondern auch das Positivum schlechthin; denn dieser Tod ist als pneumatisches Geschehen Heilsgeschehen. Dagegen ließen sich auch nicht noch positiver klingende Aussagen ins Feld führen wie etwa die, daß die Agape die Erfüllung des Gesetzes sei (Rom. 13,10; Gal. 5,14). Denn das Leben in der Agape oder auch der Wandel in der Neuheit des Lebens (Rom. 6,5) bzw. in der Neuheit des Geistes (Rom. 7,6) ist nichts anderes als der gegenwärtige Vollzug jenes Gestorbenseins des alten Menschen19.

Damit zeigt sich, daß V. 3 f., was das Verhältnis des Christen zum Gesetz betrifft, nicht nur einfach Wiederholung, sondern echte Begründung von V. 2 sind, indem sie den Modus der Befreiung des Ego durch das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus näher bestimmen. Die Befreiung ist dadurch geschehen, daß der Geist die den 16 Vgl. Hermann, Kyrios 109: „Je für mich ist Christus das Ende des Gesetzes, weil er das Pneuma ist." Vgl. jedoch zur Formel „Ende des Gesetzes" unten, S. 250 ff. 17 Benoit, Loi 498 (ff.). Insofern ließe sich εν ημιν V. 4 auch mit „an uns" übersetzen (so Schlier, ThWb II, 495). Vgl. jedoch im folg. 18 Kertelge, „Rechtfertigung" 217 A. 276. 19 Vgl. dazu unten, S. 256 ff.

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Tod des Sünders beinhaltende Forderung des Gesetzes erfüllt hat. Damit ist dem Anspruch des Gesetzes auf das Ego Genüge getan. So schließt sich zugleich der Kreis hin zu Rom. 7,6. Denn die heilbringende Trennung vom Gesetz als Unheilsfaktor erfolgt nach Aussage dieses Verses ja dadurch, daß wir „gestorben sind, worin wir gefangengehalten wurden". Der Tatbestand, daß Paulus diesen die Befreiung bringenden Tod als Befreiung durch das „Gesetz des Geistes . . bzw. als Erfüllung des Gesetzes bezeichnet, verdeutlicht noch einmal beides: daß die Heiligkeit des Gesetzes nach dem Apostel unantastbar ist und daß sie gerade in Jesus Christus zur Geltung kommt. Denn in ihm, durch den Geist wird der vom Gesetz geforderte Tod gestorben, und zwar εις ζωην. So bindet das Gesetz, gerade indem seine Forderung zum Tode erfüllt wird, den Menschen an den, der sie allein zu erfüllen und zum Leben zu führen vermag, Jesus Christus. Die Auslegung von Rom. 8,2 auf der Basis der Interpretation von Rom. 7 wird damit durch die paulmische Erläuterung dieses Verses in Rom. 8,3 f. nur bekräftigt. Als unsachgemäß erscheinen demgegenüber auch von V. 3 f. her die Deutungen, nach denen Paulus νομος in V. 2 „uneigentlich", in V. 3 f. jedoch „eigentlich" im Sinne der Thora gemeint haben soll. Sie vermögen V. 2—4 als Zusammenhang gerade nicht gerecht zu werden. Freilich gibt es über die christologische Begründung hinaus einen weiteren Unterschied zwischen V. 2 und V. 3 f. Während die Aussage über das „Gesetz des Geistes . . . " auf ein zurückliegendes Ereignis Bezug nimmt, hebt V. 4 auf die Erfüllung des Gesetzes als gegenwärtiges Geschehen ab. Aber mit diesem Wechsel im Zeitbezug entspricht Paulus nur jenem Phänomen der Geschichtlichkeit des Erlösten: Der Geist, der den Christen in der Taufe befreit hat, bewahrt ihn als Befreiten durch seine anhaltende Gegenwart. In dem Abschnitt Rom. 8,5—8 erläutert Paulus, inwiefern unter den nach dem Geist Wandelnden die Forderung des Gesetzes erfüllt wird. Und zwar erfolgt der Nachweis weithin via negationis, indem der Apostel darlegt, weshalb die κατα σαρκα Lebenden dem Gesetz nicht gehorsam zu sein vermögen. Da V. 5—8 im einzelnen bereits ausgelegt sind 20 , kann die Erörterung an dieser Stelle auf die Frage zugeschnitten werden: In welchem Verhältnis stehen die Aussagen über Pneuma und Sarx bzw. Pneumatiker und Sarkiker in V. 5—8 zu der Explikation von Rom. 7,7 ff. ? Ihre Diskussion kann als weiterer Prüfstein der unternommenen Auslegung von Rom. 8,1 ff. auf dem Hintergrund von Rom. 7 wie auch der Deutung dieses Textes selbst gelten. 20

Siehe oben, S. 149 ff.

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Kennzeichnend ist für den Menschen in der Macht der Sarx, wie Paulus ihn in Kap. 7 deutet, daß er in jenem ihm selbst verborgenen tödlichen Widerspruch lebt: Das Gute wollend tut er das Böse. Er will, das Gesetz ergreifend, nicht begehren und leben, ist so aber bereits begehrend gestorben. In Rom. 8,6 f. bezeichnet Paulus das Trachten der Sarx als Feindschaft gegen Gott und als Tod und präzisiert, daß es sich als solches im Verhältnis der Sarx zum Gesetz zeige. Diese knappe Charakteristik der Sarx bewahrheitet die Deutung des Widerspruchs als transpsychologischen Konflikts, indem sie in unüberbietbarer Schärfe die Unmöglichkeit jeglicher Gesetzeserfüllung ante Christum herausstellt: Das Ego kann als sarkisches nur gottlos handeln, denn sein Trachten ist von Feindschaft und Tod bestimmt. Wenn es sich trotzdem mit dem Gesetz auf dem Weg des Lebens meint, so ist dies nur deshalb möglich, weil es sein eigenes Sein in der Macht der Sarx nicht durchschaut. Die Möglichkeit dazu ist ihm auch erst in Jesus Christus eröffnet, da die Sarx überhaupt nur durch das Kommen des Geistes als antigöttliche Macht konturiert ist. Paulus spricht in V. 5—8 von der Sarx, ohne ausdrücklich herauszustellen, daß das durch die Sünde qualifizierte und damit durch das Gesetz konstituierte Menschsein gemeint ist. Vielmehr erscheint die Sarx hier nach Art einer dämonischen, im Widerspruch zu Gott stehenden Macht, die mit dem Menschsein als solchem gegeben ist und gleichsam ein kosmisches Verhängnis darstellt, dem der Mensch schicksalhaft unterworfen und an dem er somit schuldlos ist. Würde man diese Verse isolieren, so wäre dies Verständnis durchaus möglich. Im Kontext von Rom. 5—8 ist es jedoch ausgeschlossen. Denn sofern der Tod durch die Sünde in die Welt gekommen, das Ego in der Begegnung mit dem Gesetz durch die Sünde getötet und erst so zum fleischlichen, unter die Sünde verkauften Ego geworden ist, ist der Bezug der Größe Sarx als dämonischer Macht zu Sünde und Gesetz auch für 8,5—8 konstitutiv. Die Macht „Fleisch", die Tod und Feindschaft gegen Gott sinnt, erfaßt den Menschen in der Begegnung mit dem Gesetz und konstituiert sein Sein unter dem Gesetz als Toter und Gott Verfeindeter. Daß damit nicht das Gesetz zum Schuldigen wird, sondern der Mensch als solcher erwiesen wird, ja sich selbst erweist, hat Paulus in Rom. 7,13 ff. mit der Entfaltung des besagten Widerspruchs dargetan 21 . In Rom. 8,5—8 verleiht er dieser Integrität des Gesetzes dadurch Ausdruck, daß er den Gehorsam gegenüber dem Nomos als Kriterium für die Stellung des Menschen zu Gott und Gottes Stellung zum Menschen zur Geltung bringt (V. 7 f.). Wenn aber die Sarx am Gesetz zur Sarx wird und das Gesetz die Feindschaft der Sarx « Siehe oben, S. 201 ff.

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gegen Gott erweist, dann muß die Rettung des sarkischen Menschen sein Verhältnis zum Gesetz betreffen und in der Möglichkeit bestehen, sich dem Gesetz unterzuordnen. Denn nur die Erfüllung des Gesetzes würde bezeugen, daß der Partner des Gesetzes nicht Tod und Feindschaft gegen Gott, sondern Leben und Frieden trachtet. Diese Qualifikationen, nämlich Leben und Frieden zu trachten, spricht Paulus dem Geist und, wenn anders die Pneumatiker „das des Geistes" sinnen, den mit dem Geist Begabten zu. Der Geist, in dem Gott und Jesus Christus selbst gegenwärtig sind, ist Träger von Leben und Frieden. Als solcher ordnet er bzw. ordnen sich die mit ihm Begabten dem Gesetz unter. Sie erfüllen es und erweisen dadurch, daß sie als Pneumatiker Leben und Frieden trachten. Sofern die Christen als Sarkiker vom Pneuma betroffen werden, kann die Unterordnung unter das Gesetz, seine Erfüllung kraft des Geistes nur in einem bestehen: in ihrem Tod als Sarkiker, den sie erleiden, indem sie mit dem die Sarx ausschließenden Geist begabt werden. Die Wahrheit ihres Todes und damit ihrer Erfüllung der Forderung des Gesetzes bezeugen sie, indem sie nicht begehrend, sondern empfangend wandeln, d. h. κατα πνεύμα. Wie sich bereits bei der Erörterung des Argumentationsgefälles in Rom. 8,1—13 zeigte, kommt die hermeneutische Relevanz des Gesetzes für die Auslegung des Seins der Erlösten zum vollen Austrag in dem Abschnitt 8,9—II 22 . Er ist als Höhepunkt der gesamten Darlegung in V. 1—15 zu betrachten. Denn hier bezieht sich Paulus auf der Basis der bisherigen Ausführungen in V. 1—8 direkt auf den Verzweiflungsruf des unerlösten Menschen in 7,24 und skizziert die entscheidende Antwort auf die Frage nach der Wirklichkeit des Heils im Angesicht des Todes. „Wenn aber Christus in euch ist, dann ist der Leib (σωμα) zwar tot um der Sünde willen, der Geist jedoch Leben um der Gerechtigkeit willen" (V. 10). Das Prädikat „gerecht" wird nach Paulus dem zugesprochen, der der Forderung des Gesetzes gerecht wird. Ihm gilt die Verheißung des Lebens. Wie der Apostel in V. 1—8 dargelegt hat, erfüllt der Geist das Gesetz. Daran, daß er das Gesetz erfüllt, zeigt sich, daß mit ihm das Leben gegenwärtig ist in Form der Gerechtigkeit. Weil die Gerechtigkeit die Integrität des Verhältnisses zum Gesetz bezeichnet, ist es die Relation des Geistes bzw. des Pneumatikers zum Gesetz, die es Paulus ermöglicht aufzuzeigen, daß mit der Gegenwart Jesu Christi im Geist das Leben als Gerechtigkeit gegenwärtig ist. Wurde diese Deutung in den Grundzügen bereits im Zusammenhang des ersten Durchgangs durch Rom. 8,1—13 erarbeitet, so kann 22

Vgl. dazu auch bereits oben, S. 152 f.

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jetzt, nach der Auslegung von Rom. 5—7 und 8,1—8, auch die Frage einer Lösung zugeführt werden, die zuvor offengeblieben war: In welchem Verhältnis steht die Rede vom σωμα του θανατου des Unerlösten in 7,24 zur Feststellung in 8,10a: „Wenn aber Christus in euch ist, ist der Leib zwar tot um der Sünde w i l l e n . . ." 23 ? Die Erörterung von Rom. 7 hat ergeben 24 : Als σωμα του θανατου bezeichnet Paulus den unerlösten Menschen, der sich in der Begegnimg mit dem Gesetz begehrend an die Sünde verloren hat, dabei als Ego gestorben ist und nun als von der Sünde beherrschtes Soma dem Tode entgegenlebt. Der Tod ist somit seine Herkunft, Gegenwart und Zukunft, und der Satz „tot um der Sünde willen" wäre Umschreibimg dieser seiner Zukunft als Soma. Im Unterschied dazu heißt es vom Erlösten gerade, daß er als Soma tot um der Sünde willen ist. Der Grund für diese Zeitdifferenz kommt in dem Bedingungssatz zum Ausdruck. Es ist die Gegenwart Jesu Christi. Als Pneuma nimmt er die Stelle ein, die in Rom. 7 dem toten Ego eingeräumt wird 25 . Der Geist stellt die verlorene Relation des Menschen zu Gott, sein Bestimmtsein durch ihn her. Insofern das tote, fleischliche Ego als „Leib der Sünde" (Rom. 6,6) und „Leib des Todes" £Röm. 7,24) existierte, kommt seine Befreiung (8,2) aus dieser Identität seiner Neuschöpfung gleich. Sie geschieht, indem es als von der Sünde beherrschtes Soma getötet wird und damit den Tod erleidet, der ihm aufgrund seiner Verfallenheit an die Sünde zugekommen ist. Nach Rom. 7 ist dies Geschick des Ego in seinem Ungehorsam gegenüber dem Gesetz begründet. Wird deshalb in 8,10 gesagt, daß das Soma tot sei um der Sünde willen, so ist vorausgesetzt, daß sich das Geschick, dem das Ego in seiner Identität mit sich selbst als „Leib des Todes" durch das Gesetz überliefert worden ist, erfüllt und damit zugleich das Gesetz in Erfüllung gegangen ist26. 23 Es besteht keine Veranlassung, δια c. acc. nicht beide Male in V. 10 (zu V. 10b s. oben, S. 154 f.) in kausalem Sinn zu verstehen. Vielmehr wird auch hier (wie in Rom. 6,10; s. oben, S. 178 f.) nur so der (wiederum auf den Gegensatz „Tod" — „Leben" abhebenden) Korrelation μεν — δε Rechnung getragen. Vgl. dazu unten, S. 239. 24 Siehe oben, S. 194 ff. 25 Wenn Gaugier (Rom. 276) sagt, das Pneuma in V. 10 sei nicht der Geist Gottes, sondern das jetzt lebendige Ich von Rom. 7, so plädiert er für eine falsche Alternative. 28 Gegen Gäumann (Taufe 54), der Rom. 7,24 auf die Glaubenden überträgt („ihr σωμα ist ein σωμα του θανατου"). Damit ist ebenfalls die Deutung von Dibelius und Siber (s. oben, S. 153 mit A. 33) als unzutreffend erwiesen. Vgl. richtig bereits Lipsius (Rom. 134): V. 10a „muß etwas aussagen, was durch die Gemeinschaft mit Christo thatsächlich in den Gläubigen gewirkt ist". Bultmann (Theol. NT 209; vgl. jetzt auch Vos, Pneumatologie 124) erläutert V. 10a zutreffend: „das von der Sarx beherrschte Ich ist tot, weil die Sünde gerichtet ist". Wenn er jedoch an anderer Stelle (ebd. 201; vgl. ähnlich Schunack, Problem 27) para-

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Diese Vermutung, daß in 8,10 ein Bezug zum Gesetz enthalten ist, wird zunächst durch die vorangegangenen Überlegungen zu V. 10b bestätigt. Wenn die Gegenwart Jesu Christi als Pneuma es ist, die die Feststellung V. 10a begründet, und wenn durch den Geist das Gesetz erfüllt wird, dann heißt dies, daß eben mit dem durch das Pneuma vollzogenen Tod um der Sünde willen das Gesetz erfüllt wird. Mit diesem Tod kommt das Gesetz zur Erfüllung, das den Tod des Menschen als fleischliches Ego, als Leib der Sünde fordert. Und damit wird durch das Pneuma das Verhältnis des Menschen zu Gott als δικαιοσύνη hergestellt 27 . Die Kongruenz zwischen der christologischen Aussage V. 3 f. und der pneumatologischen V. 10 liegt auf der Hand: Durch Sendung und Hingabe Jesu Christi verurteilt Gott die Sünde in der Sarx. Dies Todesurteil, mit welchem dem den Tod des Sünders fordernden Gesetz Rechnung getragen wird, wird am Christen mit dem Empfang des Geistes vollzogen, der als die Gegenwart Jesu Christi selbst das wirkt, was Gott in seinem Sohn getan hat. Der eschatologische Tod um der Sünde willen vollzieht sich damit in der Gegenwart am Glaubenden. Die kerygmatische Zusage, daß Jesus Christus für uns gestorben sei, wird damit nicht widerrufen, sondern am Glaubenden in Kraft gesetzt. Denn das pro me des Todes Jesu Christi wird dadurch gewahrt, daß der Geist es ist, durch dessen Gegenwart die Verurteilung des Soma vollzogen und damit zugunsten des Menschen in der Zeit das Gesetz erfüllt wird.

phrasiert, der Sinn der Aussage sei, „daß das von der σαρξ beherrschte σωμα, und das heißt wieder im Grunde die σαρξ, erledigt ist", so droht außer acht zu geraten, daß Paulus hier ganz bewußt den Begriff σωμα wählt und es ihm auf eben diese Feststellung ankommt, daß das Soma tot sei: Das Gericht über die Sphäre oder Macht, der der Mensch verfallen ist, erreicht den Menschen als Heilsereignis, indem er selbst als der dieser Macht Verfallene gerichtet wird. Er existiert als Soma und wird als Soma schuldig, darum wird er als Soma dem Tode übergeben. Gerade weil er als Soma tot ist, vermag Paulus von der Zukunftsgewißheit zu reden. Vgl. auch unten (S. 239 f.) zum Zusammenhang von Rom. 8,10 mit Rom. 6,11 f. und 8,11.12 f. 27 Vgl. Jüngel, Paulus 62: „Die Rechtfertigung ist, auf das menschliche Subjekt bezogen, identisch mit der Geistverleihung." Bultmann (Theol. N T 209) versteht unter der δικαιοσύνη V. 10 die offenbar von der Gerechtigkeit Gottes unterschiedene „Gerechtigkeit (des περιπατειν, vgl. V. 4)". Vermutlich ist dies darin begründet, daß er die Relevanz des Gesetzes als theologischer Größe f ü r die Deutung der Aussagen in Rom. 8,1 ff. und besonders V. 10 nicht berücksichtigt. Dies ist u m so erstaunlicher, als er selbst durch Verweis auf V. 4 und auf V. 3 (s. A. 26) den Zusammenhang mit den Gesetzesaussagen V. 3 f. herstellt. Der Tatbestand, daß Paulus in V. 10 die δικαιοσύνη auf die Gegenwart des Geistes zurückführt, bekräftigt im übrigen die Bestimmung der „Gerechtigkeit Gottes" als „Macht und Gabe" durch Käsemann (Gottesgerechtigkeit 185).

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Von diesen Voraussetzungen her wird auch verständlich, warum Paulus in V. 10 die von der Bedingung der Gegenwart Jesu Christi abhängigen Sätze über Soma und Pneuma durch die Korrelation μεν — δε voneinander abhebt. Der Tod des Sorna um der Sünde willen geht an den Christen nicht vorüber, sondern ist, da sie als Sorna sich haben von der Sünde bestimmen lassen (Rom. 6,6), ihr Geschick, das an ihnen vollzogen werden muß, ja vollzogen ist. Das Soma ist zwar tot um der Sünde willen, d. h. in Christus Jesus hat Gott den Menschen zwar gerichtet. Aber weil dies Gericht jetzt — in der Zeit — durch den Geist vollzogen wird und darum jetzt die Gerechtigkeit heraufgeführt wird, darum ist der Geist, der dies Werk vollbringt, Leben δια δικαιοσυνην. Unverkennbar ist die Nähe der erörterten Aussage Rom. 8,10 zu Rom. 6, insbesondere zu 6,11 f. 28 . Nach den Aussagen dieses Kapitels sind die Christen in der Taufe mit Christus zugunsten und zuungunsten der Sünde gestorben. Paulus vermag sie deshalb als in der Zeit Lebende aufzufordern, sich νεκρούς τη αμαρτία... εν Χριστώ Ιησού zu halten und die Sünde nicht mehr im sterblichen Soma herrschen zu lassen. Wenn der Apostel in Rom. 8,10 auf dies Theologoumenon vom Totsein der Christen zurückgreift und den Tod des Soma um der Sünde willen mit der Gegenwart Jesu Christi in den Glaubenden begründet bzw. es davon abhängig sein läßt, dann kommt darin zum Ausdruck, daß der Tod συν Χριστώ in der Taufe gleichbedeutend ist mit der Verleihung des Geistes und sich mit dem Herrschaftsantritt des Geistes über die Menschen vollzieht. Und dann wird ebenfalls deutlich, daß die Möglichkeit, sich für tot gegenüber der Sünde zu halten, auf der Gegenwart des Geistes in den Glaubenden beruht, der die Kontinuität ihrer Existenz coram Deo als Geretteter bedingt 29 . Darin, daß die Verurteilung, der eschatologische Tod durch den Geist zur Vergangenheit des Erlösten wird, unterscheidet sich dieser vom Unerlösten. Die dem Christen damit eröffnete Möglichkeit des Lebens läßt sich unter Rückgriff auf den in Rom. 6,12 und gleich im folgenden Vers Rom. 8,11 begegnenden zentralen Begriff des Φνητον σωμα wie folgt verdeutlichen: Unerlöster und Erlöster sind beide „sterblicher Leib". Während der .Christ jedoch θνητον σωμα ist, das als solches in Jesus Christus überwunden werden kann, ist der Nichtchrist θνητον σωμα, das als solches lebt, ohne Möglichkeit der Uberwindung dieses seines Seins. Er ist σωμα του θανατου30. Die Sterblich88

Vgl. dazu oben, S. 184 f. Zum Problem der Kontinuität christlicher Existenz vgl. auch Wendland, Wirken 468 ff. 50 Käsemann (Leib 123) sagt im Hinblick auf Rom. 8,10 im Zusammenhang der Erörterung von Rom. 6,6.12: „Soweit der Leib sündig ist, ist er wie das Fleisch 29

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keit, die den Menschen schlechthin kennzeichnet, ist damit seine ontologische Identität vor und unter dem Glauben. Das total andere Verhältnis des sterblichen Menschen zu Gott und damit zugleich zu sich selbst als Sterblichem ist seine ontische Nichtidentität31. Diese ist zugleich theologische Identität, da Gott es ist, der dem sterblichen Menschen die ontische Nichtidentität ermöglicht und mit der Gabe des Geistes schenkt32. Der leibliche Tod, die Sterblichkeit vermag das Heil nicht in Frage zu stellen, weil die Christen kraft des Geistes von der Sünde frei sind und damit der Gewalt des Todes entrissen. Das sterbliche Soma wird vielmehr zu dem Phänomen, an dem sich die Gegenwart des Heils gerade erweist. Der Geist, kraft dessen die Christen sich selbst als sterbliches Soma tot sein zu lassen vermögen, ist der Geist Gottes, der Geist Christi, Christus selbst. Weil es Christus selbst ist, darum ist die Erlösung Nachvollzug seines Geschicks. In dieser Bindung des Geistes an Jesus Christus, der Pneumatiker an den Sohn Gottes, ist wie das gegenwärtige Sein der Glaubenden so ihre Zukunft vorgezeichnet. Darum fährt als sündige Weltlichkeit tot und bleibt auch der Tatsache der Auferstehung gegenüber tot. Für das nur ,sterbliche' σωμα besteht dagegen die Möglichkeit der Auferstehung." Er hält diese Deutung auch dann f ü r zutreffend, falls νεκρον in Rom. 8,10 sich auf das Gestorbensein mit Christus beziehen sollte. Doch läßt sich gerade von daher Käsemanns Deutung von „totem" und „sterblichem Leib" nicht aufrecht erhalten. Seine Interpretation ist nur möglich, weil er den Bedingungssatz in V. 10 und damit den soteriologischen Charakter der Aussage nicht berücksichtigt und übersieht, daß der Mensch gerade nur, sofern er in Jesus Christus „toter Leib" ist, am Heil partizipiert. (Vgl. Rom. 6,13: ωσει εκ νεκρών ζώντας und dazu oben, S. 185 mit A. 31.) Das σωμα wird also nicht auferweckt, weil es „nur ,sterblich'" ist, sondern gerade weil es noch sterblich ist, muß es auf erweckt und damit seine Sterblichkeit getötet werden. Darin, daß die Christen den sterblichen Leib tot sein lassen können (vgl. Rom. 6,11), seine Taten durch das Pneuma töten können, besteht ja das Heil. Der Zusammenhang zwischen „totem" und „sterblichem Leib" kommt zumindest implizit jetzt sachgemäßer in Käsemanns Kommentar (Rom. 167) zum Ausdruck, wenn er zu Rom. 6,12 sagt: „Ihre (sc. der Leiblichkeit) Sterblichkeit veranlaßt jedoch in ihr επιβυμιαι . . . Würde man dem nachgeben, könnte erneut die Sünde über uns herrschen." Im Zusammenhang der Erörterung von Rom. 8,10 f. wird die Thematik „tot-sterblich" von Käsemann im Kommentar nicht aufgegriffen. 31

Vgl. Güttgemanns, Apostel 225. Wenn K.-A. Bauer (Leiblichkeit 186; Hervorhebung von B.) urteilt, die „Kontinuität und Identität des Menschen" könne nicht „in der sich durchhaltenden ontologischen σωμα-Struktur gefunden werden, sondern nur als die im Akt der Identifikation des eschatologischen Schöpfers mit seinem Geschöpf gesetzte Identität im Zeit-Raum Jesu Christi zur Sprache gebracht werden", so errichtet er ungeachtet der Sachgemäßheit der theologischen Bestimmung eine falsche Alternative. Dies kommt bei ihm selbst zum Vorschein, wenn er die Definition von Matthias (Anthropologie 395), das In-Christus-Sein sei „die ontologische Struktur des neuen Menschseins", durch ein vorangestelltes „gleichsam" relativiert (a.a.O.). Zur Kritik vgl. Bultmann, Ethik 50; Conzelmann, Theol. NT 255. 32

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Paulus in Rom. 8,11 konsequent33 fort: Wenn der Geist dessen in ihnen wohne, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, dann würden auch ihre ·θνητα σώματα von Gott durch eben diesen Geist lebendig gemacht werden. Dieser Zusammenhang läßt sich durch den Rückgriff auf bisher Erarbeitetes weiter verdeutlichen: Sendimg und Hingabe des Gottessohnes zielen auf die Sarx, durch die der Mensch als Soma qualifiziert ist und die ihn zum sterblichen Leib macht. Darum betrifft das Heil den Menschen als -θνητον σωμα. Als Retter aber ist der Sohn dadurch erwiesen, daß er von den Toten auferweckt worden ist. Im Pneuma gegenwärtig, gibt er den Christen Anteil an seinem Sein. Darum sind die θνητά σώματα nicht nur Ort des Heils in der Gegenwart, sondern darum steht mit ihrem zukünftigen Geschick die Wahrheit des Heils selbst auf dem Spiel. Wenn die Auferweckung das Siegeszeichen Jesu Christi über Sünde und Tod ist, dann muß denen, in welchen Jesus Christus ist und die als solche Sünde und Tod überwunden haben und überwinden, das gleiche Geschick zuteil werden34. Mit dem neuerlichen Bezug des Geistes auf die Tat Gottes in Jesus Christus und der an sie geknüpften Verheißung der Auferweckung der sterblichen Leiber gibt Paulus zu erkennen, welche theologische Bedeutimg der Bindung des Geistes an Jesus Christus zukommt. Sie gewährleistet, daß es beim Heilsgeschehen um den Menschen als Soma geht, d. h. um den ganzen Menschen in seiner ihn total kennzeichnenden Sterblichkeit. Was das in V. 11 verheißene Lebendigmachen der 33

Gegen Stalder (Heiligung 444), der V. 11 als Exkurs zwischen den zusammengehörigen Aussagen V. 10 und V. 12 bestimmt. V. 11 ist nicht nur in pneumatologischer, sondern auch in anthropologischer Hinsicht folgerichtige Fortsetzung von V. 10. Weil das Totsein des Soma Glaubensaussage ist und die Christen empirisch sterbliche Leiber sind, darum muß Paulus von der Zukunft sprechen. a4 Gegen Güttgemanns (Apostel 277), der urteilt, die Auferweckung der Christen hänge „nach Rom. 8,11 nicht direkt kausal mit der Auferweckung Jesu, sondern mit der expansiven Tendenz des Handelns Gottes zusammen" (Hervorhebungen von G.). Wie er selbst durch die Einschränkung „nicht direkt" zu erkennen gibt, handelt es sich um eine Scheinantithese. Güttgemanns trifft die zitierte Feststellung, um so auch von Rom. 8,11 her seine These zu beweisen, Paulus kenne keine somatische Auferstehung Jesu. Da er annimmt, daß Jesus nach Paulus kein θνητον σωμα hatte („weil dieses nach V. 10 eine Folge der Sünde ist", ebd.; s. jedoch zum Verhältnis der Attribute νεκρός und θνητός oben, S. 184 f.), ist die These stringent, allerdings auch mit der Erkenntnis hinfällig, daß jene Annahme nicht zutrifft. Denn daß Jesus nach Paulus ein θνητον σωμα hatte bzw. dies war, ist Implikat allein schon jenes grundlegenden Bekenntnisses, daß er „in der Gleichgestalt des Sündenfleisches" (8,3) gesandt worden ist. Außerdem: Was sollte es sonst überhaupt heißen, daß er εκ νεκρών auferweckt worden sei? Zur weiteren Kritik von Güttgemanns These s. die umsichtige Auseinandersetzung bei Fischer, Leiden 92 f. und K.-A. Bauer, Leiblichkeit 137 ff. 166 f. sowie die folg. A. 16 Osten-Sacken, Römer 8

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sterblichen Leiber durch den Geist des totenerweckenden Gottes beinhaltet, ist durch den Kontext angedeutet. Es ist die aller Vorstellbarkeit entzogene sichtbare Manifestation des Geistes des Lebens am Soma, die Verschlingung des Sterblichen vom Leben (2.Kor. 5,535), auf daß Gott sei παντα εν πασιν (IKor. 15,29). Von Rom. 8,11 her bewahrheitet sich schließlich noch einmal das Urteil, das über das Verhältnis von Rom. 8 zu Rom. 6 gefällt wurde: Die Pneumatologie von Rom. 8 ist konstitutiv für das Verständnis der συν Χριστω-Aussagen in Rom. 6. Wie die Christen dadurch mit der Gleichgestalt des Todes Jesu Christi verwachsen sind (Rom. 6,5), daß sie den Geist empfangen haben und damit der Sünde gestorben sind, so werden sie aufgrund eben dieses Geistes mit der Gleichgestalt seiner Auferweckung verwachsen sein. In V. 12 f. fordert Paulus die Römer resümierend 36 auf, nicht nach dem Fleisch zu leben, sondern die Taten des Leibes zu töten, und bindet daran die Verheißung des Lebens. Diese Fortführung ist ebenso Konsequenz aus der Zeitlichkeit des Heils bzw. der Dialektik des νεκρός- und θνητος-Seins der Glaubenden wie die vorangegangene Vergewisserung in V. 11. Zwar sind die Christen mit dem Empfang des Geistes von der Sarx entpflichtet. Ihr Soma, Ort der Herrschaft der Sarx, ist mit dem Empfang des Geistes gestorben. Und doch sind sie zugleich sterbliche Leiber und damit permanent der Versuchung ausgesetzt, den Bereich der Sarx, dem sie weiterhin angehören, sofern sie sterblich sind, zur Norm ihres Lebens zu machen. Und das heißt, auf den Zusammenhang von Sarx und Nomos zurückbezogen: Sie sind der Versuchung ausgesetzt, gegen das Todesurteil, das aufgrund der Forderung des Gesetzes im Tode Jesu Christi über sie gefällt und das mit der Gegenwart des Geistes zu ihrem Heil vollzogen worden ist, aufzustehen und sich mit dem Gesetz vor Gott als Gebende statt als Empfangende zu stellen. Weil sie das Heil in der Zeit betrifft, darum bleibt die vergangene Wirklichkeit ihrer vorchristlichen Existenz als Möglich35 Auf diese Parallele verweist mit Recht Bruce, Rom. 164. Barth (Rom. 272) erläutert: „es ist der Geist der schlechthinige restlose Tod des Leibes, aber eben als solcher auch sein schlechthiniges restloses Leben". Die hier treffend zum Ausdruck gebrachte Unvorstellbarkeit dessen, was Paulus Rom. 8,11; 2.Kor. 5,5 u. ö. umschreibt, zeigt, welchen Sinn es überhaupt nur haben kann, von der somatischen Auferweckung Jesu und der Christen zu sprechen, nämlich um anzuzeigen, daß der geschichtlich existierende Jesus und entsprechend die geschichtlich existierenden Christen es sind, die vom eschatologischen Handeln Gottes betroffen sind. 36 Vgl. αρα ουν, ferner die Anrede αδελφοί. Sie „unterstreicht die Dringlichkeit, von der neugeschenkten Freiheit Gebrauch zu machen" (Schmidt, Rom. 140). Dieselbe Folge von eschatologischer Vergewisserung und Ermahnung wie V. 11 und V. 12 f. findet sich l.Kor. 15. Vgl. V. 58: ωστε, αδελφοί μου αγαπητοί, εδραίοι γινεσθε . . . Vgl. zum Anschluß V. 13 auch Rom. 12,1.

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keit ständige Gegenwart; darum existiert das Heil nur in Form des Vollzugs des Lebens κατα πνεύμα. Die Begierden, von denen das θνητόν σωμα beherrscht war, gehören zur Vergangenheit des Glaubenden nur, sofern sie in der Gegenwart überwunden werden. Und entsprechend gilt die heilvolle Gewißheit, daß das Sorna (mit seinen Begierden, wegen der Sünde) tot ist nur, sofern der Geist die Glaubenden beherrscht 37 . Weil das Leben in der Gegenwart mit dem θνητον σωμα auf dem Spiel steht, darum ermahnt Paulus die Römer, durch den Geist die Taten bzw. Machenschaften des von der Sarx entpflichteten, aber weiterhin von ihr betroffenen Leibes zu töten. Diese Tötimg bewahrheitet, daß durch die Gegenwart Jesu Christi der Leib δια αμαρτιαν tot ist38. Sie vollzieht das Totsein des Leibes durch den Geist, das geschehene Gericht, das Gestorbensein συν Χριστώ39. Paulus sagt an dieser Stelle nicht, was er im einzelnen unter der bezeichneten Aufforderung versteht. Es kann jedoch, wenn anders dies Töten der Taten des Leibes Vollzug des Lebens im Geist ist40, kein Zweifel daran bestehen, daß damit negativ umschrieben ist, was Paulus positiv etwa in Gal. 5 als Wirken des Geistes bestimmt. Aber davon wird später zu handeln sein41. Um den Zusammenhang von V. 12 f. mit den vorangehenden Ausführungen weiter zu erhellen, gilt es zunächst festzuhalten, daß auch in diesen Aussagen die Relevanz des Nomos für die christliche Existenz mitgesetzt ist. Denn wenn das durch den Geist bewirkte Totsein des Leibes die Erfüllung des Gesetzes ist und dies Totsein durch die Tötung der Taten des Leibes bestätigt wird, dann wird mit eben diesem Handeln dem Gesetz entsprochen und seine Erfüllung dokumentiert. Die Sachgemäßheit dieser aus dem Zusammenhang gewonnenen Überlegung läßt sich an der zu V. 13 parallelen Forderung Rom. 6,12 37 U. a. angesichts dieses pneumatologischen Zusammenhangs der christlichen Existenz erscheint das Urteil Sibers (Mit Christus 186) als unverständlich, daß der „vergangene Akt des Absterbens gegenüber der Sünde bei Paulus keine Fortsetzung im Leben des Christen" kenne. 38 Vgl. Schmidt, Rom. 141. 39 Vgl. Tannehill (Dying 79 f.), der mit Recht hinter V. 13 das Motiv des „Sterbens mit Christus" vermutet. In diesem Zusammenhang mit der Christologie dürfte auch der entscheidende Unterschied zwischen V. 13 und verwandten Aussagen in der „dualistischen Weisheit", insbesondere bei Philo (De ebr. 65 ff.), liegen, die Rrandenburger (Fleisch 216 ff.) als religionsgeschichtlichen Hintergrund des Motivs der „Tötung der Taten des Leibes" namhaft macht. 40 Vgl. Zahn, Rom. 193: Das Töten der Taten des Leibes ist identisch damit, sich vom Geist treiben zu lassen. 41 Die in V. 12 f. beschriebene Dynamik des Seins der Erlösten geht verloren, wenn Rruce (Rom. 164) θανατουν . . . in Anspielung auf Rom. 6,11 mit „to reckon their former sinful practices dead in relation to themselves" paraphrasiert.

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überprüfen, den Begierden des sterblichen Leibes nicht zu gehorchen: Begierden keinen Gehorsam zu erweisen heißt, nicht zu begehren. „Du sollst nicht begehren" aber war die εις ζωην gegebene Forderung des Gesetzes. So bleibt das Gesetz das Maß der christlichen Existenz. Der Grund dafür liegt in dem erlösenden Handeln Gottes selbst. Weil die Erlösung denen gilt, die in der Macht der Sarx sind, darum bleibt das Gesetz und muß es erfüllt werden. Es wird unter den Christen erfüllt, weil sie durch das Pneuma der Sarx mächtig sind. Durch den Empfang des Geistes werden die Christen als fleischliches Ego, das sie je sind, und das heißt als „Leib der Sünde" und „Leib des Todes" getötet. Da der Geist Freiheit von der Macht der Sarx bzw. von der Sünde in der Sarx bedeutet, ist die Tötung des fleischlichen Ego gleichbedeutend mit der Befreiung des Ego aus seiner Gefangenschaft in der Sarx bzw. Sünde, unter die es verkauft war. Da wiederum das fleischliche Ego als solches tot ist, ist seine Befreiung aus der Macht der Sarx zugleich seine, des toten Ego Neuschöpfung in Gestalt des Pneuma. Es handelt sich mithin bei den angeführten Aussagen u m sachlich identische Sätze. Sie haben dasselbe Phänomen zum Gegenstand und unterscheiden sich allein durch den je verschiedenen Aspekt, unter dem der betreffende Gegenstand gesehen ist. Dieser Gegenstand ist das Verhältnis des Menschen zum Gesetz ante Christum und in Christo, wie es sich von der Offenbarung Gottes im Gekreuzigten und Auferweckten her zeigt. Deshalb ist — im Rückgriff auf die angeführte Aussagenreihe gesagt — die Befreiimg des Ego vom „Gesetz der Sünde und des Todes" durch „das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus" (8,2) ebenso Erfüllung des Gesetzes wie die Tötimg des fleischlichen Ego bzw. das Totsein des Soma um der Sünde willen (8,10) und die Tötung der Taten des Leibes durch den Geist (8,13). Und zwar wird es in der scheinbar paradoxen Weise εις ζωην erfüllt, daß der Mensch die eschatologische Verurteilung erleidet. Diese Erfüllung ist Heilsgeschehen, weil sie mit der Gabe des Geistes erfolgt, der den Menschen tötend rettet. Denn indem der Geist das Ende des Menschen in der Macht der Sarx schafft und erhält, ist das Verhältnis des Menschen zu Gott durch Gerechtigkeit bestimmt. Diese Gerechtigkeit bedeutet, daß die eschatologische Verurteilung zur Vergangenheit des Christen gehört. Deshalb ist er, indem er kraft des Geistes der Sarx mächtig ist, im Angesicht des Todes vom Tode frei.

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Exkurs (I): Rom. 8,1—13 im Spiegel paulinischer Aussagen über das Gesetz außerhalb von Rom. S—8 Die vorangehende Auslegung hat zumindest eine für das Verständnis von Rom. 8 zentrale Frage wenn auch nicht ganz außer acht gelassen, so doch nur verschiedentlich gestreift: Wie ist das Pneuma selbst näher zu bestimmen, und zwar gerade als die in Rom. 8 bezeichnete Größe, als Geist des Lebens, Geist Christi, Geist Gottes, als Christus selbst? Es wurde über diese im Text begegnenden Definitionen hinaus gesagt, der Geist sei die Neuschöpfung des Menschen als des toten Ego, das er unter dem Gesetz ist. Aber diese Deutung bleibt strenggenommen eine Auskunft, die die Kategorien der Pneumatologie sprengt, schuldig. An dieser Stelle helfen jedoch die Texte im Römerbrief weiter, in denen sich Paulus ebenfalls über das Verhältnis des Christen zum Gesetz äußert und die allein schon um der Prüfung der vorgetragenen Interpretation willen kurz heranzuziehen sind. a) Rom. 3,27.31 In Rom 5,27 unterscheidet Paulus zwischen dem „Gesetz der Werke" und dem „Gesetz des Glaubens". Was er dem νομος των έργων abspricht, schreibt er dem νομος πίστεως zu: den Ausschluß der καυχησις, d. h. des im Vertrauen auf sich selbst begründeten und bestehenden verfehlten Verhältnisses des Menschen zu Gott. Dies Verhältnis konstituiert sich in der Regegnung des Menschen ante Christum mit dem Gesetz. Damit ist bereits gesagt, was der Ausdruck „Gesetz der Werke" meint. Es ist der Nomos, den der Mensch sich zu eigen macht, um sich Gott als Gebenden zu präsentieren, ihm Werke darzubieten. Die antithetische Position der Wendung „Gesetz des Glaubens" erfordert ihre entsprechende Deutung. Danach ist der νομος πίστεως dasselbe Gesetz, sofern ihm durch den Glauben entsnrochen wird. Es ist die durch den Glauben zur Geltung gebrachte Thora 1 . 1 Der Nachweis, daß νομος in 3,27 beide Male „Thora" bedeutet, ist überzeugend von Friedrich (Gesetz 401 ff.) geführt worden. Friedrich interpretiert νομος πίστεως freilich als „Thora, die den Glauben bezeugt" (ebd. 417), d. h. im Sinne von 3,21. Obwohl er 3,27 mit Recht auf dem Hintergrund von 3,21 auslegt (s. ebd. 415), ist die Wendung „Gesetz des Glaubens" V. 27 nicht einfach Wiederholung von V. 21, sondern hebt darauf ab, daß das Gesetz als Zeuge der Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben zur Geltung gekommen ist. Dies zeigt sowohl der Tatbestand, daß V. 27 (ff.) an die Rezitation des Kerygmas in V. 21—26 anschließen, als auch die Fortführung V. 31 (s. im folg.). Zum Nomos des Glaubens vermag die Thora erst post Christum zu werden. Vgl. Klein (Probleme 173) zu V. 31: „das Kommen des Glaubens (setzt) für den Nomos ein neues Datum". Berger (Abraham 64) paraphrasiert das „Gesetz des Glaubens" richtig mit „das im

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I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1—30)

Auch der Kontext plädiert für dies Verständnis. Die Gerechtigkeit Gottes, die jetzt ohne Gesetz offenbart ist und im Glauben an Jesus Christus besteht, ist die von Gesetz und Propheten bezeugte (3,21 f.). Wenn deshalb gilt, daß der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird (3,28), so wird das Gesetz durch den Glauben nicht beseitigt. Vielmehr: νομον ιστανομεν — „Wir bringen das Gesetz zur Geltung2 (durch den Glauben)" (3,31). Der hier hergestellte Zusammenhang zwischen 3,21 und 3,27.31 (und damit zugleich implizit zwischen 3,31 und Kap. 4) ist freilich in jüngster Zeit mehrfach bestritten worden 3 . Als einer der Haupteinwände gilt die Behauptung, daß Paulus in 3,21 von „Gesetz und Propheten" spreche, also das Alte Testament als ganzes meine, während in 3,(27.)31 nur vom (mosaischen) Gesetz die Rede sei4. Demgegenüber ist zunächst die Auffälligkeit zu vermerken, daß Paulus überhaupt nicht einfach γραφή sagt (vgl. etwa Rom. 1,2), sondern deren Restandteile Thora und Propheten nennt. Sie scheint eher die Annahme nahezulegen, daß er in dieser Weise differenziert, u m in 3,27 vom „Gesetz des Glaubens" und in 3,31 von der Aufrichtung des Gesetzes sprechen zu können, also u m einen Zusammenhang zwischen dem Nomosbegriff in V. 21 und den Nomosaussagen in V. 27.31 anzuzeigen. Die Annahme eines solchen Zusammenhangs wird durch die Fortführung gestützt, insofern Paulus in Rom. 4 mit dem Abrahambeispiel (vormosaische Thora) zugleich die Rehauptungen in V. 21 und V. 27.31 einlöst. Sodann wird m a n den Nomos sowohl in V. 21 als auch in V. 27.31 nicht ohne Rückbezug auf den in Rom. 2,1—3,20 (3,19 f. unmittelbar vorher!) begegnenden Gesetzesbegriff sehen können. V. 21.27.31 alternativ im Sinne des Pentateuch (mit dem Akzent auf der vormosaischen Thora) oder der Mosethora zu interpretieren, würde die von Paulus geschaffene kunstvolle Verbindung zwischen Rom. 1,18—3,20 und Rom. 4 durch Rom. 3,21—31 zerreißen und die Funktion dieses Abschnittes verkennen. So scheint es angemessen, Nomos in V. 21.27.31 in der Schwebe zu lassen, die beiden im Kontext ins Auge gefaßten Aspekten des Hegriffs Nomos R a u m läßt. Die Sachgemäßheit dieses Schrittes wird einmal durch Kap. 4 bestätigt, insofern die nun aus dem Verhältnis von V. 21 zu V. 27.31 herausgenommene und in den Nomos-

Glauben erfüllte Gesetz". Allerdings bedürfte die Umschreibung einer näheren Erklärung. Zur Deutung der W e n d u n g auf die Thora s. jetzt auch Lohse, Anmerkungen 281. Käsemann (Rom. 95) meint auch zu dieser Stelle, daß Paulus „wieder mit dem Nomos spielt". Vgl. zu 3,27 auch unten, S. 249 A. 11. 2 Vgl. Rauer, W b 754 f. Die von Bauer angeführten Parallelen ορκον (LXX Gen. 26,3) und διαΰηκην ισταναι (LXX Ex. 6,4; 1. Makk. 2,27) zeigen, daß „zur Geltung bringen" sich im Sinnbereich von „erfüllen", „zur Anwendung bringen", „bewahrheiten", „wirksam werden lassen", „herstellen", „in Kraft setzen" bewegt Zu beachten ist auch die aufschlußreiche Parallele Rom. 10,3: Israel sucht nach Paulus την ιδίαν (sc. δικαιοσυνην) στησαι — und verhindert damit, daß das Gesetz aufgerichtet wird. Vgl. ferner Rom. 8,3 (das Gesetz war „schwach durch das Fleisch") und zu 10,3 unten, S. 254 f. sowie zu 3,31 auch S.247 mit A. 7. So wie Friedrich 3,27 (s. Α. 1) deutet Wilckens (Rechtfertigung 120) 3,31. Seine Auslegung ist deshalb von derselben Kritik betroffen. Vgl. zur Interpretation auch die knappen Bemerkungen Bergers (Abraham 64 f.). 3 Vgl. Klein, Heilsgeschichte 150. 166; Luz, Geschichtsverständnis 171 ff. * Klein, a.a.O. 166; Luz, a.a.O. 171 f.

1. Die Freiheit vom Tode als Macht über die Sarx (8,1-15)

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begriff in V. 21.27.31 selbst hineinverlegte Spannung dort sofort darin wiederkehrt, daß von dem vormosaischen Abraham so geredet wird, als wäre das mosaische Gesetz allemal gegeben (V. 2.5). Zum anderen bietet Paulus in Gal. 4,21 ff. ein weiteres eindrückliches Beispiel dafür, daß er den Begriff Nomos in ein und demselben Argumentationsgang — ja, in ein und demselben Satzl — in der angezeigten semantischen Zweischichtigkeit gebrauchen kann: „Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt, vernehmt ihr das Gesetz nicht?" (V. 21) — nämlich was es über Abraham und seine Söhne sagt 5 ! Indem Paulus seinen Lesern dies vor Augen führt, zeigt er, daß nach dem Zeugnis des Gesetzes selbst das Heil an die Verheißung gebunden ist, die — wie er Gal. 3 dargelegt hat — von dem Glauben ergriffen wird. Das von Jesus Christus her aufgeschlossene Gesetz selbst führt das Bestreben, mittels des Gesetzes das Heil zu erlangen, ad absurdum, indem es auf die Verheißung als Lebensgrund verweist. Die Interpretation wird zeigen müssen, ob sich der paulinische Argumentationszusammenhang mit dem vorgetragenen Verständnis von Nomos in Rom. 3,21.27.31 als stringent erweist oder aber der Apostel sich eines unzulässigen Spiels mit dem Begriff Nomos befleißigt®.

In Rom. 4 tritt Paulus den Beweis für die These 3,31 an7. Er zeigt an Abraham, daß die Schrift (Gesetz und Propheten) dem Gerechtigkeit zuerkennt, der „sich nicht auf εργα verlegt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt" (V. 5, vgl. V. 3), d. h. an den Gott, „der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ins Sein ruft" (V. 17). Die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit geschah bei Abraham vor seiner — die Größe „Gesetz" vertretenden8 — Be5 Folgerichtig nimmt Paulus in V. 30 νομος aus V. 21 durch γραφή auf. Die Möglichkeit, die „Schrift" gegen das „Gesetz" (von Paulus) ausgespielt zu sehen oder selber exegetisch auszuspielen, ist durch Gal. 3,22.23 verwehrt. Dort entsprechen einander die Einschließung durch „die Schrift" und die Verwahrung „unter dem Gesetz". « Vgl. bes. unten, S. 249 A. 13. 7 Daß Kap. 4 Schriftbeweis für die Gerechtigkeit aus Glauben ist, zieht auch Klein (a.a.O. 150) nicht in Zweifel. Ihm wie Luz (a.a.O. 173) liegt allein daran, daß Kap. 4 nichts mit 3,31 zu tun hat. Beide Autoren markieren die enge Grenze ihrer These selbst dadurch, daß sie den ganzen Abschnitt 3,21—31 als höchst relevant für die Auslegung von Kap. 4 ansehen (Klein, a.a.O. 152 f. 163; Luz, a.a.O. 174 f.) — ausgenommen allein V. 31. Die Kritik an der Vereinnahmung von 3,21 bis 4,25 für eine „Theologie der Heilsgeschichte" (vgl. Klein, a.a.O. 164 ff. und Probleme 170 ff. gegen Wilckens, Rechtfertigung 111 ff. und Antwort 586 ff.; s. audi Luz, a.a.O. 179 mit A. 171, ferner unten, S. 256) hat hier offensichtlich dazu geführt, dem Text selbst Abbruch zu tun. Klein (Heilsgeschichte 150) und Luz (a.a.O. 173) urteilen beide, die These 3,31 werde erst in 8,3 f. eingelöst. Hier drängt sich die Frage auf, inwiefern dies, wenn anders Paulus im Römerbrief durchgehend die Rechtfertigung aus Glauben entfaltet, überhaupt eine Alternative sein kann. Zu 3,31 als These für Kap. 4 vgl. z.B. Jeremias, Gedankenführung 270; Friedrich, Gesetz 416; Wilckens, Rechtfertigung 120 und Antwort 589. 591; Käsemann, Rom. 97 f. Käsemanns Interpretation (ebd. 97) und Übersetzung (! ebd. 94) von Nomos in 3,31 als „Gotteswillen" abstrahieren jedoch zu schnell von der Thora und entschärfen damit das Problem. 8 Vgl. hierzu die Aufnahme des Begriffs περιτομη durch νομος in 4,13 ff., ferner exemplarisch Gal. 5,2: „Ich bezeuge aber wiederum einem jeden, der sich beschneiden läßt, daß er das ganze Gesetz zu halten verpflichtet ist." Der Zusam-

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schneidung (V. 10). Dieser kam deshalb die Funktion eines Zeichens zu, nämlich der Beglaubigung seiner Glaubensgerechtigkeit als Unbeschnittener (V. II) 9 . Hiermit ist die in 3,31 aufgestellte Behauptung im Kern bewiesen. Mit der Beschneidung Abrahams als Siegel seiner Glaubensgerechtigkeit bezeugt das Gesetz wie die Beschneidung Abrahams, daß der Mensch gerechtfertigt wird allein durch den Glauben. Wenn deshalb jetzt die Glaubensgerechtigkeit offenbart ist und Baum gewinnt, dann kommt das Gesetz als Zeuge des Glaubens zur Geltung. Damit sind Sinn und Ziel der paulinischen These 3,31 und ihrer Ausführung in Kap. 4 zwar grundsätzlich bestimmt. Ihre volle Bedeutung zeigt sich jedoch erst im Licht der Erkenntnis, daß die Aufrichtung des Gesetzes (durch den Glauben, d. h. in der jetzigen Zeit) sachlich gleichbedeutend ist mit dem Bekenntnis, das Paulus in Rom. 1,18—3,20 entfaltet hat: „Alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes" (3,23)10. Denn 3,19 f. bezeugen, daß dies Bekenntnis ein am Maßstab des Gesetzes gefälltes Urteil ist, 3,21 f. lehren, daß es Glaubensurteil ist, das aus der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes χωρίς νομού resultiert. So weist die Offenbarung der Gottesgerechtigkeit ohne Gesetz bzw. 'der sie wahrnehmende Glaube dem Gesetz die Funktion zu, umfassend Schuld anzusagen und damit menhang wird ferner durch die treffende Beobachtung von Wilckens (Antwort 598) angezeigt, daß die Beschneidung (wie vorher das Gesetz, s. ebd. 597) in Rom. 4,9 ff. „in die Spannung zweier einander entgegengesetzter Beanspruchungen gebracht (wird): die ihrer Zuordnung zur Glaubensgerechtigkeit und die ihrer Loslösung von der Glaubensgerechtigkeit". • Zu σφραγις s. Bauer, W b 1577: „das, was bestätigt od. beglaubigt m. Gen. dessen, was bestätigt oder beglaubigt wird" (Hervorhebung von B.). Vgl. noch l.Kor. 9,2, ferner Fitzer, ThWb VII, 949; Belege f ü r die Bezeichnung der Beschneidung als Siegel im Judentum s. ebd. 947, zu deren chronologischer Einordn u n g s. ebd. 949 A. 85. 10 D. h. die Gerechtigkeit Gottes ante Christum ist in die Ungerechtigkeit der Welt verkehrt und dieser deshalb unerreichbar (vgl. 3,1 ff.). Vermutlich weil er diesen Aspekt nicht berücksichtigt, vermag Wilckens Rom. 3,21—4,25 im Sinne einer „Erwählungsgeschichte" auszulegen (Rechtfertigung 120). Auch Abraham wird bei Paulus von dem jetzt offenbarten Glauben her gedeutet. Deshalb ist er nicht Grund des Glaubens, sondern von diesem her allererst erobert und verweist so auf das, woher er selbst kommt: die πιστις Ιησού Χρίστου (3,22). Vgl. Klein, Heilsgeschichte 157: „Abraham ist niemandes Vater — er wird zum Vater, in und durch den Glauben." (Hervorhebungen von K.) Zur Kritik an der erwählungsgeschichtlichen Betrachtung vgl. ferner die Beobachtung der „Isoliertheit Abrahams gegenüber seiner sichtbaren Vor- und Nachgeschichte" (Luz, Geschichtsverständnis 181; bei ihm gesperrt). Ungeachtet dieser Überlegungen ist damit keineswegs ein Verdikt über die Frage nach möglichen heilsgeschichtlichen Aspekten der paulinischen Theologie ausgesprochen. Vgl. die weiterführende Diskussion bei Käsemann, Rom. zu Kap. 4 und Kap. 9—11.

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sich selbst als Medium des Heils auszuschließen11. Wenn der Apostel in Kap. 4 den positiven Nachweis führt, daß das Gesetz selbst den Glauben als Träger des Heils bezeugt, dann wird dadurch zugleich das bewahrheitet, was er in 1,18—3,20 über den Nomos gesagt hat. Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes als Glaubensgerechtigkeit hatte ja über die Funktion des Gesetzes aufgeklärt. Und wenn das Gesetz selbst die Glaubensgerechtigkeit bezeugt, dann wird der Ort des Gesetzes durch deren Offenbarung bestimmt. Indem Paulus also an Abraham darlegt, daß das Gesetz durch den Glauben aufgerichtet wird, weist er einmal nach, daß die Thora mit eben jener Feststellung zur Geltung kommt, alle seien vor Gott schuldig. Zum anderen bedeutet er damit, daß diese Feststellung zugleich Element des Glaubens ist. Die Aussagen in Rom. 1,18—3,20 und Rom. 4 stehen deshalb, vermittelt durch den Abschnitt 3,21—31, im Verhältnis der Komplementarität zueinander 12 . Sie explizieren die beiden Dimensionen des Wortes Gottes (Thora als „Gesetz" und „Verheißung"), die ante Christum auseinandertreten, im Evangelium bzw. beim Glaubenden jedoch zu seinem Heil zusammenfallen. Das kommt mit aller Deutlichkeit zum Vorschein, wenn man die Aussage „Wir richten das Gesetz auf (durch den Glauben)" auf das Verhältnis des Glaubenden zum Gesetz bezieht: Der Glaubende, dem die Gerechtigkeit Gottes zuerkannt wird, bekennt als solcher seine eigene Ungerechtigkeit und gibt damit dem Gesetz recht, das die Schuldverfallenheit des Menschen feststellt 13 . So erfüllt der Glaube das Gesetz analog der Erfül11 Aus diesem Zusammenhang erhellt die Koinzidenz der Aussage in 3,19, daß das Gesetz jeden Mund zum Verstummen bringen soll, und der Feststellung 3,27, daß das Sichrühmen durch das Gesetz des Glaubens ausgeschlossen wird. Sie bestätigt im übrigen noch einmal das Verständnis von Nomos in der fraglichen Wendung von 3,27 als Thora. 12 Diese Komplementarität ist im Hinblick auf das Verhältnis von 3,10—20 zu 3,21 zutreffend von Kertelge („Rechtfertigung" 77) erkannt: Das gegenwärtig sich von Christus her erschließende Zeugnis von Gesetz und Propheten (3,21) ist „die Kehrseite des Zeugnisses, das Paulus vor allem in 3,10—20 anhand der Schriftzitate beschworen hat, und aus dem sich die Erlösungsbedürftigkeit aller Menschen ergab. In 3,21 erweist dasselbe Zeugnis seine positive Bedeutung und damit die eigentliche Intention der vorhergehenden Schriftzitate." (Hervorhebung von K.) 13 Allem Anschein nach haben Klein imd Luz deshalb, weil sie diesen Zusammenhang nicht in Rechnung gestellt haben, 3,31 an den Rand geschoben und der Aussage den gebührenden Platz im Kontext versagt (vgl. oben, S. 247 A. 7). Der Grund wäre dann derselbe, der Wilckens zu seiner völlig anderen Auffassung geführt hat (vgl. oben, S. 248 A. 10). Gerade wenn man die Komplementarität beachtet, löst sich auch die von Klein und Luz ins Feld geführte Spannung zwischen V. 21 und V. 27. 31 (s. oben, S. 246 mit A. 4) bzw. deren Modifikation, wie sie mit der Interpretation von Nomos in V. 21. 27. 31 vorgenommen wurde (s. ebd.). Denn wenn die vormosaische Thora (Abraham) den Glauben als Träger der Gottes-

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lung des Nomos durch den Geist bzw. durch Jesus Christus. Während Jesus Christus das Gesetz erfüllt, indem er gehorsam für die Vielen stirbt, und der Geist diese Erfüllung wahrnimmt, indem er das Ego heilbringend in den Tod führt, richtet der Glaubende das Gesetz auf, indem er als Glaubender, d. h. als Geretteter seine Verlorenheit bekennt. Die Erfüllung des Gesetzes ist identisch mit der jeden Ruhm ausschließenden Preisgabe des Menschen an den allein heilschaffenden Gott. Nachdem aufgewiesen ist, daß die Aussagen über Gesetz und Glaube und über Gesetz und Geist gleich strukturiert sind14, liegt eine erste Bestätigung der unternommenen Interpretation von Rom. 8,1 bis 13 vor. Es kann aber auch die Definition der Größe Pneuma erfolgen. Der Geist ist die Kraft oder Macht des Glaubens, die diesen ermöglicht und als eschatologische Gabe Gottes qualifiziert15. Aus der Predigt vom Glauben empfangen, ist er da gegenwärtig, wo geglaubt wird (Gal. 3,2.5.14). Diese Zusammengehörigkeit von Pneuma und Pistis bedingt es, daß Paulus über das Verhältnis beider Größen zum Gesetz analoge Aussagen machen kann. Das Gesetz verweist auf den Glauben und wird deshalb unter denen erfüllt, die als Glaubende nach dem Geist wandeln. Handelt Rom. 8 als Zeugnis paulinischer Pneumatologie der getroffenen Bestimmung gemäß von der Kraft des Glaubens, so sind die Pneumatiker diejenigen, welche die (von Paulus eschatologisch gedeutete) Abraham-Existenz als einzig mögliches Verhältnis zu Gott begriffen und gewählt haben 18 . b) Rom. 10,4 In Rom. 10,4 sagt Paulus, Christus sei das τέλος νομού εις δικαιοσυνην παντι τω πιστευοντι. Sieht man diesen Satz allein im Kontext der bisherigen Interpretation von Rom. 5—8 und Rom. 3,27.31, so fügt sich das Verständnis von τέλος als „Erfüllung" aufs beste zu dem dort gerechtigkeit bezeugt und dieser Glaube das Mosegesetz im Sinne der Schuldansage zur Geltung bringt, dann bezeugt die vormosaische Thora implizit die vom Glauben zur Geltung gebrachte Funktion der mosaischen, so daß die Aufrichtung der den Glauben bezeugenden Thora und die Aufrichtung der Mosethora durch den Glauben zusammenfallen. 14 Darauf deutet allein schon die Entsprechung der Gegensätze: „Gesetz der Werke" — „Gesetz des Glaubens" in 3,27 und „Gesetz der Sünde . . . " — „Gesetz des Geistes . . . " in 8,2. 15 Vgl. die schöne Formulierung Jüngels (Paulus 43), daß das Pneuma sich den Glauben voraussetze, ferner die mit „πνεύμα als Kraft der πιοης" überschriebenen Ausführungen von Schweizer (ThWb VI, 422—425). " Siehe hierzu die bereits im Zusammenhang der Erörterung von 8,14—30 anhand des Begriffs der Hoffnung vorgetragenen Überlegungen (oben, S. 102 f.).

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aufgezeigten Verhältnis von Christus bzw. Glaubenden und Gesetz. Gerade diese Deutung ist jedoch, besonders von Vertretern der Bultmann-Schule 1 7 , immer wieder mit Nachdruck zugunsten der Übersetzung „Ende" bestritten worden. Zwar erscheint diese Übertragung von τέλος auch von der vorgetragenen Deutung her als möglich und sinnvoll: W e i l das Gesetz durch Christus erfüllt ist, darum ist er das Heil und nicht die ohne ihn ergriffene Thora, so daß er das Ende des als W e r k z e u g zum Heil verstandenen Nomos ist 18 . Da aber mit der Wiedergabe von τέλος νομού durch „Ende des Gesetzes" gerade die Deutung als „Erfüllung" ausgeschlossen werden soll 19 , gilt es, Rom. 10,4 und Kontext (9,30—10,21) etwas näher in Augenschein zu nehmen. Als Ausgangspunkt der Erörterung legt sich die Auseinandersetzung mit den A u s f ü h r u n g e n von Luz 2 0 nahe, der zuletzt entschieden Vgl. ζ. B. Bultmann, Christus 32 ff.; Fuchs, Nachwort 20. Vgl. Leenhardt, Rom. 151 Α. 1; Bring, Gesetz 8. 19 Eine Sonderstellung nehmen die Exegeten ein, die — ohne die Stringenz dieses Zusammenhangs einsichtig machen zu können — mit aller Strenge an der Interpretation von Telos als „Ende" (= „Aufhören") festhalten und von hier aus auf die „Erfüllung" des Gesetzes reflektieren. So Michel, Rom. 255 (vgl. unten, S. 254 A. 31); Lohse, Anmerkungen 283; Käsemann, Rom. 270. Nach heftiger Polemik gegen alle, die Telos in Rom. 10,4 nicht mit „Ende" übersetzen, heißt es bei Käsemann: „Israel, das selbst den Glauben als Gesetzeswerk verstand, konnte nicht ans Ziel gelangen, weil erst Christus den wirklichen Gotteswillen erkennen und der Geist ihn erfüllen läßt." Hebt man, basierend auf der Einheit von Christologie und Pneumatologie bei Paulus, die christologischen Implikationen dieses Satzes ans Licht, so lautet er: Weil nur Christus den Gotteswillen erkannt und erfüllt hat, konnte Israel nicht zum Ziel kommen. Der Gotteswille aber ist für Paulus in der Thora enthalten (Rom. 8,4; 9,30 ff.). Käsemanns Erläuterung wird so wider seinen erklärten Willen zum Zeugnis dafür, daß das Verhältnis der Bedeutungen „Ende" und „Erfüllung" nur dies sein kann: Weil nur Christus das Gesetz erfüllt hat, darum ist er das Ende jedes Zugangs zur Thora, der nicht im Glauben an ihn besteht, also Ende des Gesetzes als „Heilsweg". Nicht aber umgekehrt. Ähnlich sagt Lohse zum einen resümierend, daß „auf der einen Seite mit aller Schärfe Christus als das Ende des Gesetzes bezeichnet wird (Rom. 10,4), auf der anderen Seite aber gerade auf Grund dieses Satzes der Anspruch erhoben wird: νομον ιστανομεν". Zum anderen aber heißt es in demselben Zusammenhang vorher bei ihm: „Erst da, wo das Alte Testament als Zeugnis für die Christusbotschaft erkannt ist, wird das Gesetz aufgerichtet, beginnt es als Verheißung zu reden, die in der Tat das Leben erschließt. So oder so handelt es sich dabei um dieselbe Schrift, dieselben Buchstaben, dieselben Worte." Beide Male wird eine Prämisse für die Aufrichtung der Thora genannt. Der Tatbestand der zweiten Prämisse („Erst da . . . " ) zeigt, daß „auf Grund dieses Satzes" („Christus des Gesetzes Ende") allein doch nicht der Anspruch der Aufrichtung des Gesetzes erhoben werden kann, dies vielmehr erst durch das Verständnis Christi als Erfüllung des Nomos möglich ist. Dies Verständnis aber ist genau in jener Prämisse enthalten, insofern die Inanspruchnahme des AT (bzw. der Thora, vgl. „dieselben Worte") als Zeugnis für Christus voraussetzt, daß er dessen Erfüllung ist. 80 Geschichtsverständnis 139 ff. 17

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für die Deutung von τέλος νομού als „Ende des Gesetzes" eingetreten ist21. Luz begründet diese Ubersetzung erstens mit der Behauptung, daß das Wort τέλος bei Paulus „nur in der Bedeutung ,Ende', und zwar im Sinne von A u f h ö ren' sicher festzustellen ist" 22 . Diese These wird jedoch durch die Belege des Römerbriefes selbst widerlegt. W e n n Paulus in 6,22 f. „Tod" und „ewiges Leben" je als eschatologisches Telos der vorchristlichen bzw. christlichen Existenz bezeichnet, so ist damit das gemeint, worin sie zur je eigenen Erfüllung kommen. „Aufhören" ergäbe hier als Alternative überhaupt keinen Sinn. Für das Verständnis von Telos in 10,4 als „Erfüllung" spricht sodann, daß Paulus zwar nicht das Substantiv τέλος, wohl aber das Verb τελειν und νομος noch an anderer Stelle des Briefes zusammenbringt (2,27) und die W e n d u n g νομον τελειν hier einzig und allein den Sinn „das Gesetz erfüllen" haben kann, wie die Parallelität mit der W e n d u n g τα δικαιώματα του νομού φυλασσειν (2,26) zeigt 23 . Doch scheint dieser paulinische Beleg f ü r die Exegeten, die τέλος im Sinne von „Ende" auslegen, nicht zu existieren. Zweitens f ü h r t Luz den Kontext f ü r die von ihm vertretene Interpretation an. 9,30 ff. sprächen „antithetisch von der Gerechtigkeit aus dem Gesetz und der Gerechtigkeit aus Glauben", wobei das Gesetz „der Sphäre der Werke und der eigenen Gerechtigkeit zugeordnet" werde; in 10,5 ff. wiederum werde „die Gerechtigkeit aus dem Gesetz derjenigen aus dem Glauben antithetisch gegenübergestellt" 24 . Dieser Beweisgang vermag jedoch deshalb nicht zu überzeugen, weil die unternommene Klassifizierung der Aussagen in 9,30—10,3 nicht zutrifft. Denn einmal stellt Paulus hier genaugenommen nicht Gerechtigkeit aus dem Gesetz und aus dem Glauben gegenüber; der Gegensatz lautet vielmehr wie in 3,27—51: „aus Glauben" — „aus Werken". Vor allem aber ordnet Paulus das Gesetz nicht der „Sphäre der Werke" zu. Vielmehr unterstreicht der einzige Satz, in dem der Begriff Nomos erscheint, gerade umgekehrt die Integrität des Gesetzes: „Israel aber, den νομος δικαιοσύνης befolgend, ist nicht εις νομον gelangt" (9,31)! Diese von Luz hier nicht berücksichtigte Aussage wird von ihm an späterer Stelle zunächst so referiert, als stünde statt „Gesetz der Gerechtigkeit" (== gerechtes Gesetz 25 ) δικαιοσύνη εκ νομού2®, dann zutreffend paraphrasiert, aber nicht auf ihre Bedeutung f ü r die Auslegung von 9,30 ff. hin bedacht 27 . An 9,31 vorbei aber ist kaum ein 21 Ebenso jetzt auch Lohse, Anmerkungen und Käsemann, Rom. Siehe zu beiden oben, A. 19. Stuhlmacher h a t einen programmatischen Aufsatz zur paulinischen Theologie mit „Das Ende des Gesetzes" überschrieben, allerdings ohne nähere Auslegung von Rom. 10,4 (vgl. ebd. 30). Sein Postulat (ebd. 36 A. 46), m a n werde „sich entschließen müssen, die anthropologische Dialektik von Alt und Neu, Sünder und Gerechtem auch in der Gesetzesdiskussion selbst wiederzufinden", kann nur kräftig unterstrichen werden. Es bedeutet freilich konsequent den Verzicht auf einen undialektischen Gebrauch der abgeschliffenen Formel von Christus als dem „Ende des Gesetzes". Vgl. zu Stuhlmacher auch oben, S. 167 A. 28. 22 Geschichtsverständnis 140. 23 Vgl. auch Jak. 2,8. 24 A.a.O. 141. 25 Lietzmann (Rom. 94) paraphrasiert treffend: „das Gesetz, welches dem, der es erfüllt, Gerechtigkeit verheißt". 2e A.a.O. 157: Die Gesetzesgerechtigkeit zeichne sich aus „durch Aufrichtung einer eigenen Gerechtigkeit (10,3), der des Gesetzes (9,31)". 27 Ebd. 158.

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sachgemäßes Verständnis der paulinischen Aussagen über das Gesetz in 9,30 ff. zu gewinnen88.

Der Satz 9,31, der vorangehend in den Vordergrund gerückt wurde, ist eine der beiden Thesen, mit denen Paulus den Zusammenhang 9,30—10,21 eröffnet. Die erste lautet: Die Völker haben ohne Jagd nach der Gerechtigkeit die δικαιοσύνη empfangen, und zwar die Gerechtigkeit aus Glauben (9,30). In der Antithese V. 31 würde man von dieser Definition her erwarten, daß der Apostel mit der Feststellung fortfährt, Israel sei, obwohl es der Gerechtigkeit nachgejagt sei, nicht zur Gerechtigkeit gelangt. Um so erstaunlicher ist es, daß er davon spricht, es habe trotz der Befolgung des νομος δικαιοσύνης das Gesetz nicht erreicht. Beide Bestimmungen — die des Gesetzes als νομος δικαιοσύνης und die Angabe εις νομον ουκ εφθασεν — zeigen, daß das Gesetz selbst auf die Seite Gottes gehört und den Maßstab bildet, an dem Israel gemessen wird. Das Urteil εις νομον ουκ εφθαWenn aber Gerechtigkeit δικαιοσύνη εκ πίστεως heißt (V. 30) und als solche das den Völkern geschenkte Heil ist und wenn weiter als Unheilsdifferenz zwischen Israel und den so beschenkten Völkern festgehalten wird, daß Israel auf seinem Weg nicht zum Gesetz gelangt ist, dann bekunden V. 30 f. die Auffassung, daß zum Nomos gelangen und δικαιοσύνη εκ πίστεως empfangen miteinander identisch sind. Das Gesetz will nichts anderes als Gerechtigkeit aus Glauben, und die Ankunft beim Gesetz ist gleichbedeutend mit dem Empfang der Glaustellung, daß die Völker δικαιοσύνη εκ πίστεως erlangt haben (V. 30). σεν korrespondiert sodann im Verhältnis von V. 30 zu V. 31 der Festbensgerechtigkeit. Paulus selbst legt den Text mit seiner Fortsetzimg in V. 32 f. auf diese Deutung fest. Warum ist Israel nicht zum Gesetz gelangt (V. 32)? „Weil es nicht aus Glauben, sondern aus Werken gerecht zu werden suchte" (V. 33)29. Das aber heißt, daß es zum Gesetz gelangt wäre bzw. gelangen würde, wenn es sich auf die δικαιοσύνη εκ πίστεως einließe! Daß es dies nicht getan hat, bekundet seine Stellung zu Jesus Christus. Israel hat ihn als den in der Schrift verheißenen „Stein des Anstoßes" zum Ärgernis genommen und damit die in der Schrift selbst an ihn gebundene Verheißung vertan: „Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden" (V. 33)30. Paulus gibt an dieser Stelle nicht zu erkennen, weshalb zum Gesetz gelangt, wer an Jesus Christus glaubt und damit die Glaubensgerechtigkeit empfangen hat. Allem Anschein nach bildet das Schriftzitat die Grundlage der Behauptimg. 88

Vgl. Bring, Gesetz 11 f. " Übers, mit Michel, Rom. 249. ,0 Zur Traditionsgeschichte von V. 33 s. Müller, Gerechtigkeit 33 f.

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I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1—30)

Die Schrift selbst verweist auf den Glauben an Jesus Christus als das Heil. Kein Zweifel aber kann nach dem Gesagten daran bestehen, daß Paulus nach 9,30—33 genau dieser Auffassung ist: Das Gesetz erreicht ο πιστευων επ αυτω, den Stein des Anstoßes. Besteht bereits von hier aus alle Wahrscheinlichkeit, daß Paulus τέλος νομού in 10,4 — dem ersten Vers nach 9,31, in dem νομος wieder begegnet — im Sinne der „Erfüllung des Gesetzes" gemeint hat 31 , so gilt es doch, V. 4 als Begründung ins Auge zu fassen und somit die Verse 1—3 in die Interpretation einzuschließen. Sie laufen auf die Feststellung hinaus: Israel hat in Unkenntnis der Gerechtigkeit Gottes und (deshalb) bemüht, die eigene Gerechtigkeit aufzurichten, der Gerechtigkeit Gottes keinen Gehorsam geleistet (V. 3). In diesem Satz ist sowohl die Größe Glaube als auch die Größe Gesetz mitgesetzt. Denn nach Paulus ist Gottesgerechtigkeit als Glaubensgerechtigkeit offenbart (3,21 f.) 32 , und die Aufrichtung der eigenen Gerechtigkeit seitens Israel geschieht in der Begegnung mit dem Gesetz. Sachlich sind 10,1—3 deshalb aufs engste mit 9,30—33 verbunden. Wenn Paulus nun in 10,3 den Ungehorsam Israels gegenüber der Gottesgerechtigkeit konstatiert, dann bedeutet dies, daß Israel sich nicht für die Glaubensgerechtigkeit entschieden hat und daß diese Entscheidung Ungehorsam gegenüber dem Gesetz gewesen ist33. Nimmt man V. 4 als Begründung für diese Behauptung in V. 3 ernst, dann kann τέλος νομού in der Tat nur „Erfüllung des Gesetzes" bedeuten. Denn wenn Christus in diesem Sinne das Telos des Gesetzes ist zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt, dann ist jedes Verhältnis zum Gesetz, das nicht durch den Glauben an Jesus Christus bestimmt ist, Ungehorsam gegenüber der Gerechtigkeit Gottes. Und entsprechend ist der Christ der Gottesgerechtigkeit gehorsam, weil er an Jesus Christus glaubt und in ihm als der Erfüllung des Gesetzes εις

31 Vgl. hierzu auch Michel, Rom. A. 4 auf S. 251 f. Er verzichtet zwar auf eine Kommentierung von V. 31 im Text, ist jedoch auf der richtigen Spur, wenn er anmerkungsweise sagt: „Tatsächlich sollte man in diesem Zusammenhang den Begriff des τέλος νομού (Rom 10,4) nicht umgehen (τέλος = eschatologischer Abschluß und Ziel). Rom. 9,31 weist auf Rom 10,4 hin." (Hervorhebung von M.) Erstaunlich ist dann allerdings, daß Michel (ebd. 255) bei der Auslegung von 10,4 selbst mit Vehemenz die Deutung von τέλος als „Ende" ( = „Aufhören") vertritt — um sie wiederum sogleich dadurch aufzuheben, daß er von dem „erfüllte(n) Gesetz" und der „Erfüllung des Gesetzes" spricht, die in der neuen Weltzeit nach dem Ende des Gesetzes regieren. 32 Die Pistis als Implikat der Aussage tritt deutlich in dem Kommentar von Kertelge („Rechtfertigung" 98) zu V. 3 hervor: „Christus selbst erscheint hier als die personifizierte Gerechtigkeit Gottes, der man sich im Glauben unterwerfen muß." Vgl. ähnlich Leenhardt, Rom. 150. 33 Vgl. Flückiger, Christus 156.

U. Die^reiheit vom Toäe-als Macht über die Saix (8,1—13)

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•νομον Ίεφθασεν (9,31). Wenn τέλος dagegen als „Ende" verstanden wird, und zwar in dem Sinne, daß die Erfüllung des Gesetzes durch Jesus Christus ausgeschlossen und der Glaubende aus dem Verhältnis zum Gesetz herausgenommen wird, dann verliert V. 4 seine Funktion als Begründung von V. 3. Denn welchen Sinn hätte es, die Feststellung des Ungehorsams Israels gegenüber der Gerechtigkeit Gottes mit dem Hinweis zu begründen, daß Christus das Ende des Gesetzes sei, wenn er dabei nicht als Erfüllung des Gesetzes verstanden wird34? Die Fortsetzung des Textes in 10,5 ff. vermag die vorgetragene Deutung nicht in Frage zu stellen. Zwar hat Luz, wie oben notiert, in V. 5 ff. einen Hinweis auf die Sachgemäßheit der Auslegung von Telos als „Ende" gesehen35. Er präzisiert jedoch wenig später selbst bei der Erörterung des Zusammenhangs von V. 4 und V. 5 ff.: „Das Entscheidende, nämlich das ,telos', wird gerade nicht bewiesen."36 In der Tat würde man dann auch in V. 5 ff. Aussagen erwarten, die Christus zum Subjekt haben bzw. das Verhältnis von Christus und Gesetz betreffen. Paulus stellt jedoch in V. 5 und V. 6 ff. „Gerechtigkeit aus dem Gesetz" und „Gerechtigkeit aus dem Glauben" gegenüber und knüpft damit an die Gegenüberstellung von 9,32 an („aus Glauben" — „aus Werken"), die ja implizit auch in 10,3 f. mit der Feststellung des Ungehorsams Israels (V. 3) und dem angedeuteten Zusammenhang von Gerechtigkeit und Glauben (V. 4) enthalten ist. So läßt sich V. 5 am ehesten als Wiederaufnahme des Motivs der Verfehlung Israels verstehen, das ja gerade nicht die Gerechtigkeit aus dem Gesetz erlangt hat (vgl. 9,31; 10,3). Und zwar wird jenes Motiv erneut ins Spiel gebracht, indem die mosaische Definition des Verhältnisses von Gerechtigkeit, Gesetz und Leben als Grund der Verfehlung angeführt wird. Ihr gegenüber 37 wird in V. 6 ff. das Wesen der Glaubensgerechtigkeit entfaltet, und zwar als Gerechtigkeit aus Glauben an den verkündigten Jesus Christus. Entscheidend ist dabei, daß Paulus nun gerade einen Abschnitt aus dem Gesetz, nämlich „Deut. 30,11—14 als Weissagung der Gerechtigkeit aus dem Glauben" 38 , interpretiert. Da dieser hermeneutische Vorgang nur von der Voraussetzung her möglich ist, daß Jesus Christus die Erfüllung der Thora ist, sind V. 5 ff. gegen Luz Zeugnis für die Angemessenheit der Deutung von Telos nicht als „Ende", sondern eben als „Erfüllung". Indem Paulus sodann gegen Ende dieser Darlegung in V. 5—13 auf das 9,33 angeführte Zitat aus Jes. 28,16 zurückgreift (V. 13), läßt er erneut anklingen, daß Israel erst da beim Gesetz anlangt, 34 Zu diesem ja durchaus nicht neuen, vielmehr bereits in der Alten Kirche begegnenden Verständnis von τέλος im Sinne von „Erfüllung" (Belege bei Michel, Rom. 255) vgl. ζ. B. Leenhardt, Rom. 151; Bring, Gesetz 6. 8. 27. Weitere Vertreter dieser Deutung sind bei Luz (Geschichtsverständnis 140 A. 17) genannt. 35 Siehe oben, S. 251 f. 3 ® Geschichtsverständnis 157 A. 81. 37 Mit der Ablehnung der antithetischen Interpretation von V. 5 und V. 6 ff. durch Flückiger (Christus 155), Bring (Gesetz 2. 16 f.) und Howard (Christ 337) wird der deutlich ausgesprochene Gegensatz zu Unrecht nivelliert. 38 Bultmann, Weissagung 164. Der gegebene Sachverhalt wird also unzulässig vereinfacht, wenn er als exegetische Ersetzung des einen Sprachereignisses durch das andere, des ,,νομος durch den Χρίστος" umschrieben wird (so Güttgemanns, Heilsgeschichte 46). Siehe zur Kritik des Schemas, Christus sei „an die Stelle des Gesetzes getreten", auch Stuhlmacher, Ende 35 A. 45.

256

I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1—30)

wo es sich in Jesus Christus vom Nomos als Werkzeug der Gerechtigkeit getrennt hat.

Paulus nimmt damit das Gesetz in Rom. 9,50 ff. wie in Rom. 3,21 bis 4,25 als Zeugen des Glaubens in Anspruch und proklamiert entsprechend in Rom. 10,4 Jesus Christus als „Erfüllung des Gesetzes zur Gerechtigkeit für jeden Glaubenden". Im Zusammenhang der Erörterung von 3,31 konnte auf dem Hintergrund von 1,18—3,20; 3,21 ff. gezeigt werden, daß die Zeugenschaft des Gesetzes für den Glauben ihr Komplement darin hat, daß das Gesetz die Schuldverfallenheit der ganzen Welt feststellt. Dieser Aspekt ist zwar in 9,30 ff. nur angedeutet, etwa in der Aussage, daß Israel nicht zum Gesetz gelangt sei; denn hier wird das Gesetz als Maßstab zur Geltung gebracht. Jene These der Komplementarität kann sich jedoch auch auf Gal. 3,21 ff. berufen 39 , wo Gesetz und Christus bzw. Glaube einander in finalem Sinn zugeordnet werden. Man kann sich dieser Zuordnung zwar dadurch zu entziehen suchen, daß man — Gal. 3,24 als Beispiel genommen — εις Χριστον als zeitliche Bestimmung deutet. Aber damit hat man noch nicht aus der Welt geräumt, daß Paulus mit finalem ινα fortfährt und somit eindeutig feststellt, daß das Gesetz „unser Zuchtmeister" geworden sei, „damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden". Gewißt gilt: „Nachdem der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister" (V. 25). Aber nach V. 24 ist offenbar gerade damit das Gesetz erfüllt, das ja zu eben diesem Zweck Zuchtmeister geworden ist. So steht das Gesetz im Dienst der Rechtfertigung aus Glauben, und dieser Dienst kommt mit dem Kommen des Glaubens zur Erfüllung. Allerdings läßt sich darauf keine heilsgeschichtliche Konstruktion errichten, die die Geschichte zum Grund des Glaubens erhebt. Denn wie das Gesetz als Zeuge des Glaubens allererst durch die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes ohne Gesetz ans Licht gekommen ist, so auch als „Zuchtmeister auf Christus hin", wenn anders die Erfüllung des Gesetzes durch Jesus Christus es ist, die die Gewißheit der Rechtfertigimg allein aus Glauben begründet. So ist die Hinordnung des Gesetzes auf Jesus Christus darin begründet, daß es von ihm her gedeutet ist.

c) Rom.

13,8-10

In besonders großer Nähe zu Rom. 8,1—13 steht der letzte Abschnitt des Briefes, in dem Paulus ausführlicher vom Gesetz spricht, Rom. 13,8—10. Gedankenführung und These der Verse sind durchsichtig: Alle Gebote des Gesetzes sind in dem einen Wort zusammena

» Vgl. zur Deutung bereits oben, S. 173 A. 48 und S. 211 A. 69.

1. Die Freiheit vom Tode als Macht über die Sarx (8,1-13)

257

gefaßt 40 : „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (V. 9). Darum hat der, der den anderen 41 liebt, das Gesetz erfüllt (V. 8), bzw. darum ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes (V. 10). So wird es an dieser Stelle in erster Linie darum gehen, die Frage nach dem Zusammenhang dieses Abschnittes mit den bisher interpretierten Gesetzesaussagen zu erörtern. Dieser Zusammenhang kommt, was Rom. 8,1—13 betrifft, bereits terminologisch zum Ausdruck. Hier wie dort wird von der Erfüllung (πληρούν Akt./Pass. — πλήρωμα) des Gesetzes (13,8.10) bzw. seiner Forderung (8,4) gesprochen. Die begriffliche Übereinstimmung zeigt in diesem Fall sachliche Korrespondenz an. Der Ungehorsam gegenüber dem Gesetz, wie Paulus ihn in Rom. 7 aufgezeigt hat, besteht seinem Wesen nach in der Übertretung des einen Gebots „Du sollst nicht begehren". Die Erläuterung von Rom. 8,1 ff. hat verdeutlicht, daß der Empfang des Geistes deshalb das Heil bedeutet, weil er den Menschen von sich selbst als Begehrendem befreit. Auf diesem Hintergrund wird verständlich, daß Paulus die Reihe der Beispiele für die Gebote, die in dem Liebesgebot zusammengefaßt sind, mit dem Verbot ουκ επιθυμήσεις beschließt 42 . Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes, weil sie diesem Gebot entspricht. „Sie sucht nicht das Ihre", sagt Paulus an anderer Stelle (l.Kor. 13,5). Vielmehr ist sie als Vollzug des Gegenteils der „Begierden des Fleisches" identisch mit der Tötung der Machenschaften des Leibes. Konnte das Verhältnis von Geist und Glaube im Horizont der Aussagen über das Gesetz dahingehend bestimmt werden, daß der Geist die Macht oder Kraft des Glaubens sei, so läßt sich diese Definition auch auf das Verhältnis von Geist und Liebe übertragen. Der Unterschied besteht allein darin: Als Kraft des Glaubens bestimmt der Geist die Relation des Christen zu Gott bzw. zu Jesus Christus, als Kraft der Liebe sein Verhältnis zum Nächsten. Beide Relationen sind durch das Gesetz konstituiert. Darin ist ihre Kongruenz begründet. Weil sie aber durch das Gesetz konstituiert sind, darum sind sie heilvolle Relationen nur, sofern das Gesetz erfüllt wird. Die Gabe des Geistes bringt das Heil, weil der Geist das Gesetz in beiden Relationen zur Erfüllung bringt, durch πιστις und αγαπη. Die pneumatologische Begründung von Glaube und Liebe ge-

40

Bauer, Wb 111. Michel (Rom. 325 Α. 1) hat (gegen Marxsen, Rom. 13,8, S. 230 ff. u. a.) überzeugend aufgezeigt, daß τον ετερον zum Partizip ο αγαπών und nicht zum folgenden νομον gehört. 42 Wie in Rom. 7,7 fehlt die Nennung des Objekts (s. oben, S. 197 A. 5). Vgl. außerdem die wenig später folgende Aufforderung και της σαρκός προνοιαν μη ποιεισθε εις επιθυμίας (13,14). 41

17

Osten-Sacken, Römer 8

258

I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1—30)

währleistet, daß beide nicht zum έργον werden, sondern Erfüllung des Gesetzes sind und Bestimmungen des Christsems als des Seins in der Erlösung bleiben. Sie verbürgt damit zugleich die Kongruenz der Relationen des Christen zu Gott und zum Nächsten. Die Gegenwart des Heils ist die πιστις δι' αγαπης ενεργούμενη (Gal. 5,6). Die Pneumatologie ist bei Paulus in der Christologie verankert. Gerade wenn man dies beachtet, vermag noch einmal die Bedeutung der Größe Gesetz b?w. der Erfüllung des Gesetzes im Rahmen der paulinischen Soteriologie deutlich zu werden. In Rom. 15,1 f. umschreibt Paulus das Liebesgebot mit den Worten: „Wir, die Starken, sind verpflichtet, die Schwachheiten der Kraftlosen zu tragen (βασταζειν) und nicht uns selbst zu Gefallen zu leben. Ein jeder von uns soll dem Nächsten zu Gefallen leben — zum Guten, zur Auferbauung." 4 3 Als Begründung für diese Aufforderung führt er an: „Denn auch (και γαρ) Christus hat nicht sich selbst zu Gefallen gelebt" (15,5). Im Hintergrund von Forderung und Begründung steht das soteriologische Schema: ως Χρίστος — ούτως και ημεις/υμεις44. Paulus selbst gibt dies unzweideutig zu erkennen, indem er wenig später fortfährt: „Deshalb nehmt einander an, wie auch (καθώς και) Christus uns angenommen hat zur Ehre Gottes" (15,7). Wenn nun die Agape die Erfüllung des Gesetzes ist und wenn die Christen als Liebende ως Χρίστος leben, ihm gleichgestaltet, dann heißt dies, daß Jesus Christus gerade als ο αγαπησας με/ημας (Gal. 2,20; Rom. 8,37) das Gesetz erfüllt hat. So ergibt sich auch aus diesem Rückschluß, daß die paulinische Christologie von der Voraussetzung bestimmt ist, daß Jesus Christus das τέλος νομού im Sinne seiner Erfüllung ist. Die Beobachtung, daß das Prinzip der Gleichgestaltung das Pneuma ist45, fügt sich nahtlos in diese Interpretation der ως Χριστος-Aussagen ein. Denn die Agape, mit der der Christ Jesus Christus entspricht, ist ja nichts anderes als die erste Frucht des Geistes (Gal. 5,22)46. 43 Daß hiermit das Liebesgebot umschrieben ist, zeigt sich an Rom. 14,15 und daran, daß die οικοδομή nach l.Kor. 8,1 Akt der Agape ist. Es wird aber auch durch den Zusammenhang mit Gal. 6,2 (βασταζειν) und zwischen Gal. 6,2 und Gal. 5,14 belegt. Siehe dazu unten, S. 259. 44 Vgl. dazu oben, S. 177. 184. Zu και γαρ als Element dieses Schemas s. H.-W. Kuhn (Sammlungen 174 ff.), der im Rahmen der Erörterung von Mk. 10,45 reiches religionsgeschichtliches Material beibringt und weitere Lit. nennt. 45 Siehe oben, S. 240 f. u. ö. 48 In die Reihe der Aussagen, die nach dem Schema „wie Christus — so auch wir/ihr" geformt sind, gehört auch Phil. 2,5, die Einleitung zum Hymnus 2,6—11: τούτο φρονείτε εν υμιν ο και εν Χριστώ Ιησού. Wie Phil. 2,1—4 zeigen, ist die Aufforderung sachlich identisch mit dem Ruf zur Agape (s. bes. V. 2.3b.4), so daß die Tat Jesu Christi hier als Agapehandeln gedeutet ist und so den Glaubenden als Norm ihres Verhältnisses zueinander vor Augen geführt wird. Freilich

1. Die Freiheit vom Tode als Macht über die Sarx (8,1-13)

259

Die Berechtigung des Schrittes, die Aussagen in Rom. 15,1 ff. mit Hilfe des Abschnittes 13,8—10 zu hinterfragen, wird durch die Aussagen in Gal. 5 f. erwiesen. Paulus fordert und verheißt in Gal. 6,2: „Traget (βασταζειν) einander die Lasten, und so werdet ihr das Gesetz Christi (ο νομος του Χρίστου) erfüllen (αναπληρουν)." Der hier genannte Inhalt des Gesetzes Christi ist identisch mit dem Gebot Gal. 5,13, einander durch die Liebe zu dienen. Seine Befolgung wird in Gal. 5,14 wie in Rom. 13,10 als Erfüllung des Gesetzes bezeichnet. Daraus folgt, daß das „ganze Gesetz" Gal. 5,14 und das „Gesetz Christi" Gal. 6,2 miteinander identisch sind. Wie aber kommt Paulus dazu, Christus als Herrn des Gesetzes (gen. poss.) zu bezeichnen? Doch kaum aus einem anderen Grund als dem, der ihn dazu bewog, vom „Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus" zu sprechen. Diese Kennzeichnung des Nomos aber war in der Gewißheit begründet, daß das Pneuma das Gesetz erfüllt hat. Entsprechend ist der Nomos Christi das Gesetz, das von dem erfüllt ist, „der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat" (Gal. 2,20) 47 . Als erfülltes ist es Ausdruck der Liebe Jesu Christi und bleibt es das zu erfüllende. Denn eben dazu, zum Dienst aneinander δια της αγαπης, hat Jesus Christus befreit (Gal. 5, 13 f.). Diese Befreiung gilt Juden und Heiden. Denn nicht etwa ließe sich deshalb, weil Paulus mit der Thora argumentiert, folgern, seine besteht unter den Exegeten z. T. erhebliche Zurückhaltung gegenüber der These, Paulus benutze den Hymnus zu paränetischem Zweck und stelle hier das Heilshandeln Jesu Christi als Vorbild für das Verhalten der Christen dar. Vgl. vor allem Käsemann, Analyse 90 f.: Er versteht εν Χριστώ Ιησού im Sinne der den Bereich der Christusherrschaft bezeichnenden Formel, entsprechend habe der Relativsatz den Sinn „wie es im Bereich des Christus angemessen ist", und der Hymnus schildere das Heilsgeschehen, das diesen Bereich konstituiere. Doch spricht dagegen einmal der Zusammenhang mit den oben genannten Aussagen, der deutlich durch das και nach dem Relativum in V. 5b markiert wird. Zum anderen wird Χρίστος Ιησούς durch das folgende ος eindeutig personal determiniert. Die theologischen Bedenken, die die Zurückhaltung gegenüber dem Verständnis Jesu Christi als Vorbild motivieren, erscheinen als gegenstandslos, sobald man den oben angezeigten Zusammenhang der Aussagen mit der Pneumatologie berücksichtigt. Zur paränetischen Verwendung von Phil. 2,6—11 vgl. die umsichtige Erörterung des Problems durch Strecker, Christushymnus 63 ff. und Deichgräber, Gotteshymnus 189 ff. Deichgräber ist jedoch im Unrecht, wenn er die ως Χριστος-Aussagen in Phil. 2,5 und Rom. 15,3.7 („Imitatio") von denen in Rom. 6 („ganz anders geartete Vorstellung", ebd. 192 A. 7) trennen will. Daß diese wie jene unter dasselbe „Konformitätsschema" zu fassen sind, zeigt sich gerade an ihren Bezügen zur Pneumatologie. Zum Begriff „Konformitätsschema" s. Dahl, Beobachtungen 6 f.; Dahl nennt als Beispiele aus den echten Paulinen jedoch nur Rom. 15,2 f.7 f. 47 Vgl. Jüngel, Paulus 61: „Auch der νομος hat seinen neuen Ort in Christo (Rm 8,2). Er wird dort zum νομος Χρίστου (Gal 6,2)." Paulus kann sich entsprechend als έννομος Χρίστου (l.Kor. 9,21) bezeichnen. Vgl. Dodd, Ennomos 99: Der Ausdruck sei „an expression which implies the existence of a νομος Χρίστου". Dodd deutet Nomos in Gal. 6,2 allerdings nicht auf die erneuerte Thora. 17»

260

I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1—30)

Ausführungen beträfen die Juden allein. Zwar ist die Thora an Israel gegeben. Die in ihr manifeste Rechtsforderung Gottes aber ist den Heiden in gleicher Weise bekannt (Rom. 1,32; vgl. 1,19 f.48). So ist und bleibt Jesus Christus die Erfüllung des Gesetzes zur Gerechtigkeit nicht für Israel allein, sondern παντι τω πιστευοντι (Rom. 10,4), Juden und Griechen.

2. Die Freiheit vom Tode als Überwindung im Leiden (Rom. 8,14-30) Im Unterschied zu V. 1—13 arbeitet Paulus in dem zweiten Teil des Zusammenhangs Rom. 8,1—30 in erheblichem Maße mit geprägtem Traditionsgut, das er seinen Ausführungen dienstbar macht. So sind die Aussagen von V. 14—30 bereits in dem ersten Teil dieser Untersuchung sehr viel intensiver erörtert worden als V. 1—13. Deshalb kann die folgende Interpretation von V. 14—30 verhältnismäßig kürzer gefaßt werden als die des ersten Abschnittes von Kap. 8. Die erste Frage, auf die sich die Auslegung zu konzentrieren hat, ist mit der Prämisse dieser Arbeit gegeben. Wenn Rom. 8,1—30 als untrennbare Einheit auszulegen sind, in welchem Verhältnis stehen dann die Ausführungen in V. 14—30 des Näheren zu denen in V. 1—13? a) Der Zusammenhang (V. 14-17)

zwischen Rom. 8,1—13 und Rom. 8,14—30

Die Zusammengehörigkeit beider Abschnitte zeigt sich auf mehreren Ebenen. Entscheidend ist im Hinblick auf das in Rom. 8 behandelte Problem die anthropologische. Der Mensch ist nach Paulus θνητον σωμα. Weil er dies einerseits auch als Pneumatiker bleibt, weil aber andererseits das Heil darin besteht, daß er, mit dem Geist begabt, als Soma tot ist (8,10), darum muß Paulus von der Auferwekkung der sterblichen Leiber sprechen (8,11) und die Glaubenden ermahnen, die Taten des Leibes zu töten (8,12 f.). Im Vollzug dieser Tötung erweist der Glaubende seine Freiheit vom Tode. Denn er überwindet sich selbst als den, der er war: fleischlich und damit dem Tode verfallen. Mit dem Nachweis, daß (und wann) die Sarx keinen Anspruch auf die Glaubenden hat und sie somit des Lebens gewiß sind, hat Paulus jedoch erst in einer Hinsicht die Gewißheit des Heils in der Todeswelt begründet. Denn eben der Tod, der durch die Sünde bzw. die Sarx nach dem Glaubenden greift und den dieser mit der 48

Vgl. zu Rom. 1,18 ff. auch oben, S. 200 A. 20.

2. Die Freiheit vom Tode als Uberwindung im Leiden (8,14—30)

261

Tötung der Begierden des Leibes überwindet, steht gegen ihn auf und widerlegt seinen Sieg, sofern der Mensch Leidender ist und als solcher Zeuge des Todes. Darum also, weil das Sein des Glaubenden als θνητον σωμα nicht nur das permanente Andringen der Begierden bedeutet, sondern zugleich Bestimmtsein durch das Leiden heißt, muß Paulus die παθήματα im Zusammenhang von Rom. 8 thematisieren1. In welchem Verhältnis steht der Tatbestand, daß die Christen leiden, zu der Gewißheit, daß ihr Soma tot ist um der Sünde willen? Widerlegt nicht das Leiden die Behauptung der Freiheit vom Tode und damit von der Sünde bzw. Sarx2? Die Reflexion auf den anthropologischen Zusammenhang zwischen V. 1—13 und V. 14—30 bestätigt so die dominierende Stellung, die dem Adversativsatz V. 17b im ersten Teil der Untersuchung als Thema für V. 14—30 zugewiesen wurde3. Paulus selbst stellt den Zusammenhang zwischen beiden Teilen allerdings auf der pneumatologischen Ebene her. Dies ist jedoch kein Einwand gegen den hergestellten sachlichen Zusammenhang, sondern erklärt sich daraus, daß der Apostel in Rom. 8 die Implikationen des ihn bewegenden Problems in Form ihrer Lösung zur Sprache bringt. So vermag der Tatbestand, daß Paulus den Zusammenhang pneumatologisch begründet, umgekehrt die These der Untrennbarkeit der Teile nur zu bekräftigen. Die Kontinuität in der Argumentation zeigt sich gerade an dem Verhältnis von V. 14—17a zu jenem thematischen Adversativsatz. Paulus 1

Dieser Zusammenhang ist von Fuchs (Freiheit 106) erkannt, wenn er, von V. 16 zu V. 17 überleitend, sagt: ,,.. . wir haben es noch mit den Folgen der Sünde zu tun . . . Die Freiheit von der Sünde muß sich als die Freiheit vom Tode bewähren." (Hervorhebung von F.) Allerdings ist die im Anschluß an Bultmann (Anthropologie 204) durchgeführte Gliederung von Rom. 8,1—30 durch Fuchs (a.a.O. 84. 101) in „7,25a; 8,2-11: Die Freiheit von der Sünde" und „8.12-30: Die Freiheit vom Tode" im vorgetragenen Sinne zu korrigieren: Das beherrschende Stichwort in 8,1—13 (!) ist nicht αμαρτία, sondern σαρξ, und die Frage der „Freiheit vom Tode" bestimmt bereits die Ausführungen in V. 1 ff. Siehe oben, S. 54 f. und Nygren, Rom. 222; Bruce, Rom. 156. Zur Gliederung in 8,1-13 und 8,14-30 vgl. Lipsius, Rom. 130.136. Die oben vorgetragenen anthropologischen Überlegungen ziehen die These Sibers (Mit Christus 182 ff.) grundlegend in Zweifel, zwischen den Aussagen über das Mitsterben und Mitleiden mit Christus bestehe keine innere Verbindung. Siehe auch unten, S. 289 A. 6. 2 Es ließe sich auch vom Verständnis des Leidens im antiken Judentum her direkt fragen: Dokumentieren nicht die Leiden die Teilhabe der Leidenden an der Sünde, da sie bei den Gerechten sühnkräftige Buße für die begangenen Sünden, bei den Gottlosen die gerechte Strafe für ihre Taten sind, also in jedem Fall Resultat der Sünde? Vgl. dazu Lohse, Märtyrer 29 ff. Zum in der Antwort des Paulus enthaltenen Unterschied zwischen dem paulinischen und dem jüdischen Leidensverständnis s. unten, S. 285 A. 106. 3 Siehe oben, S. 134 ff.

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I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1—30)

qualifiziert, wie bereits aufgezeigt 4 und darum nicht näher auszuführen, in V. 14 die Geistträger als Söhne Gottes, verweist beglaubigend auf den Abba-Ruf als Zeugnis des Geistes für die Sohnschaft der Pneumatiker, folgert aus der Sohnschaft die Erbschaft und bindet das Geschick der Geistträger sofort an den Sohn: Erben Gottes zwar, jedoch Miterben C h r i s t i . . . Genau dies Pneuma-Verständnis aber erwies sich als Konstituente der Darlegung Y. 1—13. Der Geist gestaltet als Geist Christi die Glaubenden dem Gottessohn gleich, so daß das Geschick des Sohnes die Norm der Aussagen über das Wirken des Geistes in den Christen ist. Paulus begründet die behauptete Miterbschaft mit Christus, indem er auf einen bestehenden Sachverhalt verweist 5 : W i r leiden mit, damit wir auch mitverherrlicht werden. Es konnte gezeigt werden®, daß in dieser Aussage zwei Aspekte enthalten sind, der der Christusgebundenheit von Leiden und Verherrlichtwerden und der der eschatologischen Finalität des (Mit-)Leidens. In den Dienst der Entfaltung dieser beiden Aspekte hat Paulus die folgenden, weithin aus geprägtem Traditionsgut komponierten Ausführungen gestellt. Die Frage nach dem Zusammenhang beider Aspekte gemäß der Darlegung in V. 14—30 wird deshalb die folgende Auslegung zu bestimmen haben. Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch der Versuch von Schmidt7, den Übergang von V. 1—13 zu V. 14 ff. verständlich zu machen. Nachdem er, auf den Ausdruck „Geist der Knechtschaft" V. 15 verweisend, „der nur von dem Gedanken an das Gesetz her zu verstehen ist"8, abschließend zu V. 13 bemerkt hat, „daß Paulus, wenn er hier vom Fleisch redet, immer die Existenz unter dem Gesetz und die daraus erwachsende Not vor Augen hat", fährt er mit Blick auf V. 14 fort: „Die landläufige Exegese kann den neuen Gedanken nur schlecht mit dem vorigen verbinden. Der Übergang zur Erinnerung an des Christen Sohnesstellung· kommt ihr reichlich unvermittelt. Wenn man aber verstanden hat, daß Paulus auch in Kap. 8 bei seinen Aussagen über das neue Leben immer noch an das b e setz' denkt, wird man die Brücke zum neuen Gedanken sehen." Schmidt selbst kennzeichnet diese Brücke nicht am Text selbst, sondern indem er in Anmerkung auf Gal. 4,5 ff. verweist: „Die dem Gesetz Unterstellten werden losgekauft, damit sie die Sohnschaft empfangen."10 Auch wenn die Notwendigkeit des Rückgriffs auf den Galaterbrief und der Tatbestand, daß Paulus den Begriff Sarx in V. 13 zum letztenmal gebraucht, eher anzeigen, daß für den Apostel der Gedanke an das Ebd. Zu diesem Sinn von ειπερ s. oben, S. 135 A. 18. • Siehe oben, S. 138. 7 Rom. 141. 8 Vgl. dazu auch oben, S. 132. 9 Hervorhebung von Sch. 10 Rom. 141 A. 19. Im Text selbst fährt Schmidt im Anschluß an das Zitat fort: „Der Vers begründet die Gewißheit der Lebensverheißung, die denjenigen gilt, die in der Kraft des Geistes den falschen ,Werken des Leibes' ein Ende setzen." (Hervorhebung von Sch.) Aber dies ist auch in der kritisierten „landläufigen Exegese" zu lesen. 4

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2. Die Freiheit vom Tode als Überwindung im Leiden (8,14—30)

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Gesetz in Y. 14 ff. zurücktritt, sind die Hinweise Schmidts bedenkenswert. Dies um so mehr, wenn man V. 14 ff. nicht wie Schmidt von V. 18 ff. abtrennt. Denn insofern einerseits das Leiden zum Menschen als „sterblichem Leib" gehört und andererseits der Mensch als θνητον σωμα in der Relation zum Gesetz bleibt, drängt sich die Frage auf, in welchem Verhältnis die Aussagen über das Mitleiden der Söhne zu denen über die Stellung der Christen zum Gesetz stehen. Liegt diese Frage auch nicht im konkreten Interesse der Erörterung in 8,14 ff., so doch in der Konsequenz des paulinischen Ansatzes, wie er sich in 8,1—13 gezeigt hat.

b) „Wir leiden mit, damit wir auch mitverherrlicht werden" Die Schöpfung (V. 19-22) Nachdem Paulus in V. 18 die Dimension genannt hat, in der die Leiden grundsätzlich zu sehen sind11, führt er in V. 19—22 den ersten Beweisgang für den behaupteten Zusammenhang von (Mit-)Leiden und (Mit-)Verherrlichtwerden. Beispiel ist die (außermenschliche12) Schöpfung. Sie seufzt und stöhnt unter der Knechtschaft durch die Vergänglichkeit, der sie ausgeliefert ist. Aber gerade in diesen Schmerzensrufen kommt ihre Ausrichtung auf die Zukunft zum Ausdruck. Sie erwartet die Offenbarung der Söhne Gottes, denn sie steht im Zeichen der Verheißung der Befreiung zur Doxa-Freiheit der Kinder Gottes. So bezeugt das in ihrer Vergänglichkeit begründete Leiden der Schöpfung die Wirklichkeit der verheißenen Herrlichkeit. Mit dieser Paraphrase ist, was jenen Zusammenhang von Leiden und Verherrlichung betrifft, die Reichweite der von Paulus aufgegriffenen Tradition ausgemessen. Zum stringenten Beweis für die behauptete eschatologische Finalität des Zusammenhangs wird das Beispiel jedoch erst durch den entscheidenden redaktionellen Eingriff des Apostels in die Tradition: Die Unterwerfung der Schöpfung unter die Nichtigkeit ist „auf Hoffnung hin" geschehen (V. 20). Durch diese BestimZu Sinn und Funktion von V. 18 s. oben, S. 139 ff. Vgl. oben, S. 83 mit A. 24. Es besteht keinerlei Veranlassung, Ktisis im paulinischen Kontext einen anderen Sinn als in der von Paulus übernommenen Tradition zuzuschreiben. Gegen Balz (Heilsvertrauen 48), der urteilt, mit der Schöpfung sei in V. 19—22 „letztlich auch der Mensch selbst in seiner somatischen Zuständlichkeit" gemeint. Vom Glaubenden als Teil der Ktisis spricht Paulus vielmehr erst in V. 23 ff., und im Hinblick auf die Nichtglaubenden, die unter die Sünde Verkauften, ist die Aussage, sie hätten ihre „gegenwärtige Lage der Gottesferne nicht selbst verschuldet" (so Balz, ebd. von der Schöpfung), im Munde des Paulus nach Rom. 5,12—21; 7,7—24 schwer vorstellbar. Gerade auch wenn Paulus sich in 8,14 ff. mit den Folgen der überwundenen Sünde auseinandersetzt (s. oben, S. 261 Α. 1), ist das Verständnis der Ktisis als „außermenschliche Schöpfung" sachgemäß. Denn sie ist es ja, die unfreiwillig in das vom Menschen verschuldete Todesgeschick einbezogen wurde. Damit ist zugleich auch die Deutung von Gibbs (Creation 40 f.) widerlegt, Ktisis meine „nature and existence" (ebd. 40), ausgenommen die Christen. 11 12

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mung geraten die Feststellung des Unterworfenseins und die Verheißung der Befreiung theologisch in ein finales Verhältnis zueinander. Denn wenn die Schöpfung „auf Hoffnung hin" versklavt worden ist, dann leidet sie, damit sie auch an der Doxa-Freiheit der Kinder Gottes teilhat13. Das Prädikat „eschatologisch" kommt dieser Finalität aus zwei Gründen zu. Erstens wird das Leiden auf das Eschaton bezogen. Zweitens ist die Erkenntnis der Finalität eschatologisch begründet. Denn indem Paulus den Begriff ελπις einführt, bezeugt er, daß die von ihm vorgetragene Interpretation der Schöpfung christologisch erschlossen ist14. Weil Gott sich in Jesus Christus als der totenerwekkende Gott offenbart und mit der Auferweckung Jesu Christi begonnen hat, seine Schöpfung dem Tode zu entreißen, darum stehen die Leiden der Schöpfung, die in ihrer unfreiwilligen Todverfallenheit begründet sind, im Zeichen der Hoffnung, und darum kann Paulus die Schöpfungstradition mittels des theologisch inhaltsschweren Begriffs der Elpis interpretieren. Die durch die Wendung εφ' ελπιδι hergestellte eschatologische Finalität des Leidens stimmt deshalb in ihrer Struktur mit derjenigen des Gesetzes überein, wie sie ζ. B. in Gal 3,21 ff. zum Ausdruck kommt. Wie Paulus von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus her sagen kann, das Gesetz sei „unser Zuchtmeister geworden auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt wür13 D. h. an der Freiheit, die mit der Doxa gegeben ist (Gen. der Zugehörigkeit, B. Weiß, Rom. 364), wobei Doxa hier den Sinn von „Unvergänglichkeit" hat (s. oben, S. 84 f.). 14 Dies ist in nuce zutreffend von Gerber gesehen (Problem 79), wenn er nach der Feststellung, der Glaubende wisse „um seine Sohnschaft als Hoffnungsgut einzig und allein durch den Geist des Sohnes, des Erstlings der Entschlafenen", fortfährt: „Paulus argumentiert also in VV. 18 ff. gerade von der Christologie her (wie in I Kor X V 12 ff.). Für die Begründung der ,ελπις' sowohl der um diese nicht wissenden Schöpfung als auch der diese im gegenwärtigen Glauben annehmenden Söhne Gottes bemüht Paulus die Christologie." Allerdings ist zu präzisieren, daß das christologische Moment bereits im Begriff der Elpis selbst enthalten ist, wie l.Thess. 4,13 zeigt: Die nicht an Jesus Christus Glaubenden haben keine Elpis. Der — von Gerber nicht näher explizierte — Zusammenhang zwischen Schöpfungsdeutung und Christologie in Rom. 8 kommt sodann noch deutlicher durch die Erkenntnis von V. 17b als Thema des Folgenden zum Ausdruck. Gerber (ebd. 60) bestimmt V. 18 als Thema für V. 19—30 und muß entsprechend konstatieren, die Begründung der Hoffnung durch die Christologie werde aus V. 18 „nicht ganz deutlich" (ebd. 79). Balz (Heilsvertrauen 36) schwächt die Bestimmung εφ' ελπιδι V. 20 in seiner Übersetzung zu „aber nicht ohne (!) Hoffnung" ab und widmet ihr — in gewissem Sinne durchaus folgerichtig — in der dann folgenden Auslegung von V. 19—22 (ebd. 36—54, s. bes. 49) keine einzige Zeile. Zum Zusammenhang der Aussagen V. 19—22 mit der Christologie vgl. bereits die Feststellung von Leenhardt (Rom. 124), das Kommen Christi habe dem Seufzen der Schöpfung „une justification nouvelle" gegeben, sowie jetzt auch die Ausführungen von Gibbs, Creation 44 f. und Siber, Mit Christus 158.

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den" (V. 24)15, so kann er davon sprechen, daß die Schöpfung auf Hoffnung hin unterworfen sei. Beide Aussagen sind Elemente der christologisch begründeten Rechtfertigungslehre. Während Paulus jedoch in Gal. 3,25 fortfahren bann, daß „wir nach dem Kommen des Glaubens nicht mehr unter dem Zuchtmeister sind", gilt von der Schöpfung, daß sie seufzt αχρι του νυν (V. 22). Durch diese Bestimmung kennzeichnet der Apostel die Zeit der Schöpfung bis zur Gegenwart als Zeit der Hoffnung. Damit hat er zugleich in gewissem Sinne das Sein der Söhne Gottes bestimmt. Denn da die Schöpfung auf deren Offenbarung wartet, steht diese aus, solange die Schöpfung seufzt. Andererseits ist das Seufzen der Ktisis deshalb, weil ihre Erwartung an das Geschick der Söhne Gottes gebunden ist, zugleich Stärkung der Hoffnung der Kinder Gottes. Denn als Ausdruck der Hoffnung, die Gott in Jesus Christus begründet hat, bekräftigt es die Gewißheit der kommenden Herrlichkeit. Es wurde hervorgehoben, daß in der thematischen Aussage V. 17b zwei Aspekte enthalten sind, der der Gleichgestaltung (συν Χριστώ) und der der eschatologischen Finalität des Leidens. Bereits der erste Argumentationsgang des Apostels in V. 19—22, in dem er an der Schöpfung die behauptete Finalität nachweist, bezeugt die Zusammengehörigkeit beider Aspekte. Denn zwar spricht der Apostel nicht von einem συμπασχειν der Schöpfung. Aber indem er deren Sein mit Hilfe des christologisch qualifizierten Begriffs der Elpis auslegt, läßt er durchblicken, daß der Zusammenhang von Leiden und Herrlichkeit durch Jesus Christus vermittelt ist16. Und noch ein weiteres gilt es zu bedenken: Wenn Paulus die Schöpfung auch in erster Linie als Beispiel anführt, so scheint er doch mißverstanden, wenn man seine Ausführungen in V. 19—22 durch das Urteil einengt, den „Sätzen über die Gegenwart und Zukunft des Kosmos (V. 19—22)" komme „keine Aussage-, sondern nur eine deutende Funktion" zu17. An dieser Stelle seien die Zweifel an der Sachgemäßheit dieser Feststellung vorerst mit dem erneuten Hinweis darauf begründet, daß der Apostel die Tradition mittels des Begriffs der 15

Vgl. dazu oben, S. 173 A. 48; S. 211 A. 69; S. 256. Zur Einordnung von V. 19—22 in die paulinische Theologie s. auch Käsemann, Rom. 224: „Die Rechtfertigung der Gottlosen wird in unsern Versen kosmologisch als Heil für die gefallene und stöhnende Welt variiert." 17 Schwantes, Endzeit 51 (Hervorhebungen von ihm). Zustimmend Vögtle, Kosmos 208. Die Einseitigkeit dieser Interpretation tritt noch deutlicher hervor, wenn Vögtle (ebd. 207) sagt: „Der Apostel hat wohl überhaupt nur die Situation der noch leidensbedrängten Christen im Auge." (Hervorhebung von mir.) Richtig müßte es heißen, daß er sie in erster Linie bedenkt. Vor einer anthropologischen Engführung sollte schon der Tatbestand warnen, daß Marcion die Verse 19—22 gestrichen hat. Vgl. Harnack, Marcion 108* mit A. le

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Hoffnung überarbeitet hat 18 . Sollte Paulus die eben gerade christologisch erschlossene Schöpfung wieder preisgegeben haben, nachdem sie ihre Schuldigkeit als Demonstrationsobjekt getan hat 19 ? Die Zweifel erhalten neue Nahrung durch die Fortführung der Darlegung des Apostels in V. 23-25. Die Söhne (V.

23-25)

Nachdem Paulus in V. 19—22 den Zusammenhang von Leiden und Herrlichkeit an der Schöpfung exemplifiziert hat, steigert er: „Aber nicht allein (dies), sondern auch wir, die wir doch die Erstlingsgabe des Geistes haben, selbst wir seufzen im Blick auf uns selbst20 in Erwartung der Sohnschaft, der Erlösung unseres Leibes." Wie in V. 19—22 deutet der Apostel mit der von ihm aufgegriffenen Tradition das Seufzen als Ausdruck der Erwartung der eschatologischen Vollendung. Und wie dort begründet er gleich darauf redaktionell das Leben in der Erwartung mit dem Hinweis darauf, daß an den Pneumatikern τη ελπιδι gehandelt ist und sie somit in der Ausrichtung auf die Zukunft stehen (V. 24). Freilich gehen damit auch die Wege in der Deutung des seufzenden Erwartens von Schöpfung und Pneumatikem auseinander. Denn während es von jener heißt „auf Hoffnung hin der Nichtigkeit unterworfen", sagt Paulus von diesen „im Modus der Hoffnung gerettet"21. So läßt sich auf die Pneumatiker der Zusammenhang von Leiden und Herrlichkeit, wie er im Hinblick auf die Schöpfung galt, nicht übertragen: „Wir leiden (als Vergängliche), damit wir verherrlicht werden". In welchem Verhältnis stehen die Aussagen V. 23—25 aber dann zu jenem thematischen Satz V. 17b? 1 8 Die Bedeutung des Begriffs Elpis ist von Schwantes verkannt, wenn er sagt: „Paulus bedient sich dabei (sc. in V. 19) des üblichen apokalyptischen Wissens seiner Zeit. Irgendwelche Umgestaltungen oder Umdeutungen desselben, etwa auf Grund eines vom Evangelium her gewonnenen Neuverständnisses fehlen!" (Hervorhebung von Sch.) Darüber hinaus ist mit Hegermann (Rez. Schwantes 667) Einspruch gegen die Auffassung zu erheben, „übernommenes, geprägtes Gut müsse eo ipso unbetont und im Zusammenhang unwesentlich sein". 1 9 Zur Kritik an den Ausführungen Schwantes' s. außer Hegermann (a.a.O.) auch Luz (Geschichtsverständnis 379) und Siber (Mit Christus 152 A. 179), der allerdings trotzdem noch in zu großer Nähe von Schwantes' Deutung bleibt (vgl. ebd. 150. 152). Vgl. zur Sache ferner Gibbs, Creation 40 f. Umgekehrt erscheint der Passus V. 19—22 überbeansprucht und in seinem Gefälle nicht erfaßt, wenn Schräge (Stellung 127 f.) meint, Paulus korrigiere hier „von der Apokalyptik her . . . eine rein anthropologisch ausgerichtete Soteriologie" (ähnlich Stuhlmacher, Erwägungen 9 f.) — sosehr es zutrifft, daß Rom. 8 jede Soteriologie dieser Art, die sich auf Paulus beruft, in Frage stellt. 20 Vgl. zu diesem Sinn von εν εαυτοις Michel, Rom. 200.205. 21 Zur Deutung von τη ελπιδι V. 24 s. oben, S. 102 f. mit A. 74.

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Als Elemente der redaktionellen Bearbeitung der Tradition wurden aufgewiesen 22 : Die Betonung, daß die seufzenden Heiligen die sind, die die Erstlingsgabe des Geistes empfangen haben, und die Präzisierung, daß die von ihnen erwartete Erlösung die Sohnschaft in Form der Erlösung des Soma sei, ferner V. 24 f. mit ihrem Aufweis des Zusammenhangs von Hoffnung und Geduld. Insbesondere wurde die Folgerung δι' υπομονής απεκδεχομεθα als Korrektur gegenüber der einfachen Feststellung namhaft gemacht, daß die zum eschatologischen Gottesvolk Gehörenden seufzend auf das Heil warten. Ist von diesen redaktionellen Elementen her eine Antwort auf die gestellte Frage zu erhoffen, so gilt es zunächst, den Zusammenhang dieser Stichworte mit den bisherigen Ausführungen in Rom. 8 zu beachten. Durch die Betonung des Geistbesitzes stellt Paulus die Kontinuität mit V. 1—16 her. Indem er das Pneuma jedoch als „Erstlingsgabe" bezeichnet, bereitet er die Möglichkeit vor, die Sohnschaft als Gegenstand der Erwartung zu nennen, ohne den in V. 14—16 behaupteten Zusammenhang von πνεύμα und υιοθεσία anzutasten 23 . Wenn der Apostel υιοθεσία durch απολυτρωσις του σώματος ημων erläutert, so zeigt dies, welches Phänomen ihn dazu bewogen hat, die Sohnschaft als Gabe der Zukunft zu bestimmen: Das Sein des Glaubenden als θνητον σωμα, seine Vergänglichkeit und damit sein Bestimmtsein durch das Leiden, das sich im Seufzen kundtut 24 . Paulus begründet das seufzende Warten mit der Feststellung, daß „wir hoffnungsweise gerettet sind". Diese Erklärung wird theologisch als erstes durch den Partizipialsatz erläutert, daß „wir die Erstlingsgabe des Geistes empfangen haben". Denn als Erstlingsgabe begründet der Geist die Hoffnung 2 5 . 22

Siehe oben, S. 102 f. απαρχή του πνεύματος ist nicht „das, was an Geist bisher zur Ausschüttung keim" (so Bauer, Wb 161), sondern bezeichnet den Geist als „Erstlingsgabe des neuen Lebens" (gen. appos., Michel, Rom. 205). Die Gabe des „Geistes der Sohnschaft" (Rom. 8,15) ist entsprechend gegenwärtige Gestalt und Angeld der eschatologischen υιοθεσία zugleich. 24 Zur Bedeutung von Soma in V. 23 vgl. Schlier, Das, worauf 608. Zum Zusammenhang von Verborgenheit der Sohnschaft und Sterblichkeit vgl. Schlatter, Rom. 269. 25 Balz übersetzt den ersten Partizipialsatz in V. 23 zutreffend konzessiv (Heilsvertrauen 54), legt ihn dann jedoch kausal aus: Die Glaubenden stöhnen „aufgrund des Geistbesitzes" (ebd. 56; die kausale Deutung vertreten z.B. auch Barth, Rom. 295 f. 299; Fuchs, Freiheit 110; Michel, Rom. 205). Demgegenüber ist an der Einheitlichkeit von Übersetzung und Interpretation festzuhalten. Den Grund für das seufzende Warten nennt Paulus erst in V. 24a: τη ελπιδι . . . Erst von hier aus, nämlich sofern die Elpis im Geistempfang begründet ist, läßt sich an V. 23 der Gedanke herantragen, der Geist motiviere das Seufzen. Rezeichnend scheint aber gerade zu sein, daß Paulus diese Verbindung nicht herstellt, sondern es bei der konzessiven Bestimmung des Verhältnisses von Geistbesitz und Seufzen be28

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Wenn aber der Geist Hoffnung eröffnet und Hoffnung sich als Warten in Geduld manifestiert, dann heißt als Geistbegabte die Erlösung des Leibes erwarten: als Leidender (-θνητόν σωμα) in Geduld warten. Da Paulus von den Christen nicht wie von der Schöpfung sagen kann: „Wir leiden, damit wir auch verherrlicht werden", sondern feststellt: „Wir leiden (mit Christus) mit, damit wir auch (mit ihm) mitverherrlicht werden", scheint eben dies, das Warten des leidenden Pneumatikers δι' υπομονής, Umschreibung des in V. 17b genannten συμπασχειν zu sein26. Im Warten mit Geduld überwindet sich der Pneumatiker als Leidender, der er als sterblicher Leib ist, und lebt so in der Freiheit vom Tode27. So auch kommt die von Paulus in V. 17b behauptete eschatologische Finalität des Leidens voll zum Ausdruck. Denn da mitleiden überwinden heißt, steht es im Dienst des Mitverherrlichtwerdens, das den Pneumatikern verheißen ist. Ja, in ihm vollzieht sich angeldweise bereits das συνδοξαζεσθαι, da der Geist über den Menschen als sterblichen Leib siegt28. Weil es der Geist ist, der die Hoffnung und mit läßt und in V. 24 f. auf den Zusammenhang von H o f f n u n g und Geduld zusteuert. Zur pneumatologischen Begründung der H o f f n u n g vgl. in Kap. 8 bereits V. 11. 13. 14—17a. Z u m konzessiven Verständnis von V. 23a s. z.B. Godet, Rom. II, 107; Schniewind, Seufzen 85. 28 Dies wird durch eine Fülle paralleler paulinischer Texte bestätigt. Vgl. dazu unten, S. 304 ff. und bereits oben, S. 124 ff. zu Rom. 5,1 ff. sowie jetzt auch Siber, Mit Christus 161 f. 27 Der „Skopus der beiden Verse" 24 f. liegt also nicht darin, „die Rettung als zukünftige dem gegenwärtigen Seufzen entgegenzustellen", sondern in der Folgerung V. 25b, die auf den gegenwärtigen Vollzug christlicher Existenz abhebt. Gegen Luz (Geschichtsverständnis 375), bei dem V. 25b unbeachtet bleibt. Von hier aus ergeben sich auch Zweifel an der an jene Beobachtung angeschlossenen These von Luz, daß bei Paulus „dann, wenn er von der Situation des Menschen aus denkt, das Futur dominiert" (bei L. gesperrt) bzw. daß er, wie es wenig später (ebd. 384) resümierend heißt, dann „streng futurisch-eschatologisch spricht". Vgl. auch die Anfragen von Balz (Heilsvertrauen 34 A. 22) an diese These. 28 Vgl. hierzu die treffenden Ausführungen von H. Kittel (Herrlichkeit 194 f.) zu Rom. 8,17 f.21.31 ff., denen sich das zu V. 23—25 Gesagte mühelos einfügt und die deshalb die oben vorgetragene Interpretation dieser Verse von V. 17b her nur zu bekräftigen vermögen: Die Doxa tritt auch bei den Glaubenden „in der spezifisch dem Christus eigenen Form auf, als Korrelat der παθήματα. Das verrät n u n freilich wieder etwas über das Wesen dieser δοξα. Auch hier kann nur eine Vollendung von etwas erhofft werden, was der Christ schon besitzt: die innere Überwindung dieser παθήματα, die königliche Freiheit, die diese Leiden trägt . . . Nur in dieser Überwinderkraft kann die ελευθερία της δόξης των τέκνων του θεου gesehen werden, die V. 21 aller Kreatur verheißen wird. Gewiß: es soll die vollendete Freiheit sein, also eine solche, die von keinen παθήματα mehr weiß. Aber doch eben eine solche, nach der die Sehnsucht durch die παθήματα geweckt ist und deren Wirklichkeit m a n in der Überwindung dieser παθήματα durch die τέκνα θεου erlebt hat."

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ihr die Geduld schenkt, darum ist das Leiden des Glaubenden συμπασχειν (Χριστώ)29. Darin, daß es Mitleiden mit Christus ist, unterscheidet sich das Leiden der Geretteten vom Leiden der Schöpfimg. Die Glaubenden sind als Soma Teil der Schöpfung30 und haben deshalb an dem Leiden teil, das diese aufgrund ihrer Vergänglichkeit kennzeichnet. Weil sie aber im Unterschied zur Schöpfung den Geist empfangen haben, behält bei ihnen bereits gegenwärtig nicht das Seufzen das letzte Wort, sondern dessen Überwindung in Form der υπομονή, die die gegenwärtige Gestalt der Doxa-Freiheit der Kinder Gottes ist. In der Überwindung des Leidens vollzieht sich bereits die Erlösung des Leibes. In ihr bewahrheitet sich zugleich die Hoffnung, daß Gott diese Erlösung dadurch vollenden wird, daß er die sterblichen Leiber der Pneumatiker durch den in ihnen wohnenden Geist lebendig machen wird (8,II)31. 29 Sowohl der Tatbestand, daß Paulus in V. 17b das Thema des Folgenden nennt, als auch die gewichtigen Verse 24 f. stehen der Deutung Vögtles (Kosmos 208) entgegen, Paulus wolle die Glaubenden in V. 18 ff. mit Hilfe der Vorstellung von den eschatologischen Wehen „in der Bereitschaft stärken, die sie bedrückenden Leiden und Drangsale aus der Erwartung der nahen Erlösung zu meistern, ja diese Leiden zu bagatellisieren". Erstens interpretiert Paulus das Leiden bzw. Seufzen nicht von der Parusie her, sondern christologisch (V. 20) bzw. pneumatologisch als Leiden mit Christus (V. 17. 23—25). Zweitens muß Vögtle (ebd. 207) selbst den Widerspruch konstatieren, daß Paulus nach dieser Deutung zunächst „die eschatologische Temperatur fühlbar erhitzt" (V. 19—22. 23), sie aber umgehend wieder durch die Forderung geduldigen Wartens abkühlt. Die von Vögtle angebotene Erklärung, es liege paränetische Rücksicht vor bzw. Paulus führe in V. 24 f. einen Seitenhieb gegen „die hellenistisch-enthusiastische Heilsvorstellupg" (ebd.), zeigt, da V. 24 f. aufs engste mit V. 17 und V. 20 (εφ ελπιδι) verbunden sind, daß die Vorstellung von den eschatologischen Wehen nicht geeignet ist, den Duktus des Abschnittes zu erfassen. Was schließlich die „Bagatellisierung der Leiden" betrifft, so dürfte Vögtle selbst kaum an dieser Bestimmung festhalten, wenn er sie christologisch bedächte. In nuce sachgemäß ist von ihm erkannt, daß V. 18 ff. insgesamt nicht gegen eine enthusiastische Front gerichtet sind. Man wird dem Abschnitt aber gegen Vögtle ebensowenig eine ausgesprochen parakletische Funktion zuschreiben dürfen. Wie vielmehr die bisherigen Überlegungen zu Rom. 8,1 ff. haben erkennen lassen, handelt es sich im ganzen Kapitel um die grundsätzliche Erörterung der theologischen Frage nach der Gegenwart des Heils im Angesicht des Todes. 30 Vgl. K.-A. Bauer, Leiblichkeit 175. 31 Die alte Frage, ob του σώματος V. 23 gen. obiect. oder gen. separ. sei, wird also durch V. 11 zugunsten der erstgenannten Möglichkeit entschieden. Das Soma wird von der Vergänglichkeit, die es kennzeichnet, befreit, das Sterbliche wird vom Leben verschlungen (2.Kor. 5,4; zum Zusammenhang zwischen 2.Kor. 5,1-10 und Rom. 8,18-27 s. oben, S. 104. 123 f.). Die Befreiung ist identisch mit der Verherrlichung. Denn die Doxa-Freiheit, die Resultat der Befreiung ist, ist die Freiheit, die von der Unvergänglichkeit ausgeht (s. zu V. 21 oben, S. 84). Wie im Hinblick auf die Aussage 8,11 gilt auch von V. 23, daß das, was zukünftig-escha-

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Das Mitverherrliditwerden umschließt damit Gegenwart und Zukunft, und die Zukunft hat der Gegenwart nur dies voraus: In ihr wird die Doxa in der Weise offenbar, daß sie nicht mehr Gegenstand der Erwartung, sondern Wirklichkeit ist, die sich machtvoll und sichtbar durchgesetzt hat32. Paulus korrigiert seine Vorlage damit durch den Nachweis, daß das Leiden in Form des Mitleidens Element der Sohnschaft ist und daß die Möglichkeit der Uberwindung gerade die Gewißheit des Heils bezeugt. Durch diese Korrektur gewinnt auch das Verhältnis von Schöpfimg und Heiligen einen völlig neuen Aspekt. Den Glaubenden wird eschatologische Verantwortung für die Schöpfung übertragen. Denn wenn das Geschick der Ktisis an das der Söhne gebunden ist und wenn sich die Wahrheit der Hoffnung der Söhne darin bewährt, daß sie in Geduld zu warten und ihr Seufzen zu überwinden vermögen, dann steht mit dem Verhältnis der Pneumatiker zu sich als Soma die Hoffnung der Schöpfimg auf dem Spiel33. Gewiß: Nicht die Pneutologische Erlösung des Leibes von seiner Sterblichkeit heißt, jeder Vorstellbarkeit entzogen ist. Vgl. hierzu die Überlegungen H. Kittels (Herrlichkeit 207) zum Inhalt der Doxa. Nicht nur der Zusammenhang zwischen 8,11 und 8,23, sondern auch der in V. 23 enthaltene Anklang an 7,24 zeigt im übrigen noch p i n m a l die Geschlossenheit von Rom. 8 und die Orientierung dieses Kapitels an den Ausführungen in Rom. 7 an. Wenn Jervell (Imago 279) die Deutung von του σώματος in V. 23 als gen. separ. mit dem Hinweis begründet, σωμα sei gleich σαρξ und das somatische Sein des Apostels sei vorläufig „von der Sünde beherrscht", so bezeugt er, daß er die Ausführungen des Paulus in 8,1 ff. mißverstanden hat. 82 Diese Dialektik des Mitleidens und Mitverherrlichtwerdens kommt nicht zum Ausdruck, wenn Gibbs (Creation 39) sagt, in Rom. 8,18—39 gehe es tun den Nachweis, „that suffering with Christ results in glorification with him", auch wenn der Duktus von V. 18 ff. damit grundsätzlich zutreffend erfaßt ist. Vgl. zu Gibbs bereits oben, S. 139 A. 25. Siber (Mit Christus 157 u. ö.) dagegen bringt jene Dialektik des Mitleidens zwar treffend durch die Bestimmung zum Ausdruck, daß es die Gestalt sei, „in der die Christen jetzt an Christus teilhaben und so auf paradoxe Weise das Heil schon jetzt erfahren". Er läßt jedoch die in dem Stichwort „Heil" angelegte Konsequenz vermissen, das Leiden mit Christus als paradoxe Gestalt des Mitverherrlichtwerdens zu interpretieren, wenn er urteilt, daß „die Mitverherrlichung mit Christus der Heilsvollendung in der eschatologischen Zukunft vorbehalten bleibt" (sc. im Gegensatz zum Mitleiden). 33 Zu diesem Implikat der Aussagen Rom. 8,19 ff., daß die Pneumatiker Verantwortung für die Schöpfung tragen, vgl. Gaugier, Rom. 301; Schlier, Das, worauf 602f.; Gerber, Problem 81; Stuhlmacher, Erwägungen 32; Balz, Heilsvertrauen 51. Unter den Genannten verfolgt allerdings nur Gerber den Gedanken über V. 22 hinaus. Wenn er im Zusammenhang der Erörterung von V. 23 sagt, die Verantwortung würde in der „Liebe als dem Vollzug der Solidarität in der Agape" wahrgenommen, so ist diese Bestimmung zwar paulinisch, trifft jedoch nicht den besonderen Aspekt von V. 23—25, wo Paulus auf das Warten in Geduld als signum der Pneumatiker abhebt. Die Frage, inwiefern damit Verantwortung geübt wird, kann mit der schönen Formulierung Stuhlmachers (a.a.O., bei ihm auf Rom. 8,19 bezogen) beantwortet werden: „Im Sein der Gemeinde blitzt

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matiker werden die Schöpfung erlösen. Aber daran, ob sie als καινή κτισις das Leiden zu überwinden vermögen oder nicht, zeigt sich der Schöpfung, wie es um ihre Hoffnung bestellt ist. Denn es kommt darin zum Ausdruck, ob die Unsichtbarkeit dessen, was erhofft wird, die Hoffnung zur Illusion macht, oder ob sie gerade wesenhaft zur Hoffnung hinzugehört (vgl. V. 24 f.) 34 . Der Geist (V. 26 f.) In V. 23—25 hat Paulus festgestellt, daß auch die Pneumatiker noch seufzend warten, zugleich aber entschieden festgehalten, daß sie es in Geduld zu tun vermögen, gerade weil sie in Hoffnung gerettet worden sind. Doch wird diese Einweisimg in die Zuversicht nicht dadurch untergraben, daß der Apostel in Y. 26 f. auch den dritten Teil der Überlieferung übernimmt, die Aussagen über das seufzende Wirken des Geistes selbst? Zunächst gilt es zu klären, in welchem Verhältnis V. 26 f. zu dem in V. 17b genannten Thema stehen. Lassen sich die Aussagen in irgendeiner Weise der Behauptimg „wir leiden mit, damit wir auch mitverherrlicht werden" subsumieren? Zu beachten ist, daß Paulus in V. 26 f. nicht vom Geschick des Geistes an sich, sondern von seinem Wirken in und für die Glaubenden spricht. Mit seinem Eintreten für sie hilft er ihrer Schwachheit auf, die sich an der Unkenntnis des gottgemäßen Gebetes zeigt. Wenn er dies mit „sprachlosen Seufzern" tut, also tangiert von dem Leiden dieser Welt, so ist dies Seufzen als Intercessio auf das Heil der Glaubenden ausgerichtet. In diesem Sinne ist ein Zusammenhang mit V. 17b gegeben: Das Seufzen des Geistes dient den Heiligen zum Heil 35 . Er nimmt sich stellvertretend ihrer Schwachheit an und wahrt so ihren Zugang zu Gott. So sind die στεναγμοί des Geistes kein Einwand gegen die Wirklichkeit der geschehenen Erlösung. Sondern weil gilt, daß Gott das „treibende Anliegen" se des Geistes kennt, darum sind sie für die Glaubenden Unterpfand der Hoffnung. In ihnen kommt pneumatisch zur Geltung, daß „wir in Hoffnung gerettet sind". werbend die Bestimmung alles geschöpflichen Seins auf." Vgl. auch Schlier (a.a.O.): Die Verantwortung wird so wahrgenommen, daß der Mensch (besser: der Christ) „die wartende Erwartung der Kreatur dadurch erfüllt, daß er in der Kraft des Geistes als ,Sohn Gottes' in Glaube und Hoffnung diesen Äon durchsteht". Käsemann (Schrei 234 f.) erarbeitet die Verantwortung der Christen von V. 26 f. her. 34 Vgl. Fuchs, Freiheit 111: „In der Geduld ist die Hoffnung . . . auf die Probe gestellt." " Vgl. auch Gibbs, Creation 37. 38 Schrei 229. Vgl. bereits oben, S. 149 f.

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Die Frage, was sich Paulus unter den στεναγμοί αλαλητοι genauer vorgestellt hat, läßt sich n u r vermutungsweise beantworten. Käsemanns®7 Deutung auf glossolalisches Reden im Gottesdienst überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Erstens handelt Paulus in Rom. 8 (einschließlich V. 26 f.) von allen Christen, nicht nur von einigen zur Glossolalie Befähigten 3 8 . Zweitens läßt sich die mit Käsemanns Auslegung verbundene Annahme nicht halten, daß Paulus in Rom. 8 gegen Enthusiasten polemisiere. Drittens ist die „Pointe" seiner Deutung, „daß n u r der Geist die ganze Not unserer Erlösungsbedürftigkeit kennt und auszusprechen vermag und darum f ü r uns eintreten m u ß und kann" 3 9 , nicht mit dem Gefalle von V. 26 f. in Einklang zu bringen. Denn dort gipfeln die Aussagen in V. 27 gerade in der Feststellung, daß Gott — „der, der die Herzen erforscht" — das Trachten des Geistes kennt, und diese adversativ angeschlossene Zusage sucht jene äußerste Steigerung paraklektisch zu deuten, daß selbst der Geist nur seufzend wirkt, weil er nämlich, wie der Kontext zeigt, am Leiden teilhat. Gerade diesem Zusammenh a n g aber, daß das Seufzen nach dem Kontext Teilhabe am Leiden bedeutet, verm a g Käsemann nicht gerecht zu werden. Weil die Seufzer glossolalische Rufe sind, dürfen sie „keineswegs ohne weiteres dem Seufzen der Kreatur von V. 22 gleichgesetzt" 40 , sondern nur „verglichen" werden 41 . Demgegenüber ist, wie ja bereits der Anschluß mit ωσαύτως andeutet 42 , festzuhalten: Das Seufzen der Schöpfung und die Seufzer des Geistes stimmen darin überein, daß sie Ausdruck des Leidens sind; sie sind darin unterschieden, daß das Seufzen der Schöpfung deren Erwartung anzeigt, während es beim Geist Mittel der Intercessio ist43. Käsem a n n selbst scheint wenig später 44 den reinen Vergleich zu überschreiten und eine Gleichsetzung anzusteuern, wenn er sagt, auch die Christen seien den Leiden, in die die ganze Welt verstrickt sei und die „näher als Geburtswehen der neuen Welt bestimmt" würden, nicht entnommen, was sich gerade an den als Seufzer interpretierten glossolalischen Gebetsrufen zeige! Allerdings scheint Käsemann den Geist dann auch wieder von diesen Seufzern zu distanzieren: „Sie sind Bitte der Stöhnenden und als solche vehiculum der Interzession des Geistes" 45 — also nicht Seufzer des Geistes selbst 46 ? Davon abgesehen, kommt Käsemann mit seiner 87 Schrei passim. Siehe jetzt auch Käsemann, Rom. 229 ff. Da Käsemann die im Aufsatz vorgelegte Deutung von V. 26 f. im Kommentar beibehalten hat, sie in jenem jedoch ausführlicher begründet, bleibt die Auseinandersetzung mit seinem Verständnis der Verse an den Darlegungen des Aufsatzes orientiert. Die Auslegung im Kommentar wird im wesentlichen anmerkungsweise einbezogen. 38 Sickenberger, Rom. 243; Siber, Mit Christus 166 A. 212. »· Schrei 230. 40 41 Ebd. 227. Ebd. 228. 42 Vgl. oben, S. 93. 43 Selbst diesem Unterschied liegt noch ein Gemeinsames zugrunde: Wie die Erwartung der Schöpfung der Erlösung bringenden Offenbarung der Söhne Gottes gilt, so sind die interzessorischen Seufzer des Geistes Gebet u m Erlösung. Vgl. Harder, Gebet 169. 44 A.a.O. 233. 46 Ebd. 233 f. 411 Die aufgezeigte mangelnde Erfassung des Gefälles von V. 26 f. seitens Käsem a n n tritt in seinem Kommentar (Rom. 231) bereits bei der Auslegung von V. 26 zutage, wenn es heißt, die Seufzer des Geistes „offenbarten" die ασθενεια der Gemeinde. N u n sind die Seufzer der Christen f ü r Paulus zwar in der T a t Ausdruck ihrer Schwachheit. I n V. 26 wird jedoch gerade der Aspekt betont, daß die Seufzer des Geistes der Schwachheit der Glaubenden aufhelfen.

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Interpretation des Leidens zu Aussagen, die die Fraglichkeit der antienthusiastischen Deutung und zugleich der Ausgrenzung von Rom. 8,18 ff. aus dem Kontext47 noch einmal eindrücklich vor Augen führen: Die Feststellung, daß „nur die mit der unerlösten Schöpfung Mitleidenden und Mitsterbenden das Recht (haben), nach der neuen Welt auszuschauen"48, läßt außer acht, daß Paulus in Rom. 8 vom Mitleiden der Glaubenden als συμπασχει,ν (Χριστώ) spricht. Dies Mitleiden mit Christus aber bedeutet Überwindung des Leidens, Warten mit Geduld. Und gerade daran, ob die Christen in diesem Sinne mit Christus leiden, zeigt sich nach Rom. 8, ob sie mit der Schöpfung solidarisch sind, nicht aber schon an dem ihnen mit der Schöpfung gemeinsamen Seufzen bzw. Leiden als solchem. Diesem Tatbestand hat Käsemann selbst jetzt in seinem Kommentar 48 auf vorzügliche Weise Ausdruck verliehen: „Der Geist vollzieht gerade, indem er Gottes Kinder mit Christus leiden läßt, die Wandlung der alten Kreatur in die Anwartschaft auf Verherrlichung und erste Teilhabe daran. Damit bricht Hoffnung weit über die Glaubenden hinaus, nämlich für die gesamte Schöpfung, an." Um so fraglicher wird Käsemanns antienthusiastische Interpretation von Rom. 8,18 ff. nun von seinen eigenen Ausführungen her50. Käsemanns Interpretation ist von Balz aufgegriffen und mit der Behauptung neu zur Sprache gebracht worden, daß Paulus mit seiner antienthusiastischen Deutung der Glossolalie „viel enthusiastischer als die Enthusiasten selbst" sei51. Wenn Balz52 rhetorisch fragt, was es hindere, „Rom. 8,26 in gleicher Weise zu verstehen" wie l.Kor. 14,7ff., wo die „γλωσσά . . . undefinierbare Laute von sich gibt, die als Beten des Geistes im Menschen bezeichnet werden können (V. 14)", so ist darauf zu antworten: Erstens der Tatbestand, daß nach l.Kor. 14 die glossolalische Rede vom Glossalen selbst wie auch von (zur Übersetzung befähigten) anderen verstanden wird (V. 4 f.), während nach Rom. 8,26 f. nur Gott die sprachlosen Seufzer versteht (V. 27). Zweitens, und dies ist entscheidend, der Kontext der Aussagen in Rom. 8. Beides zeigt Balz' eigene Interpretation. Heißt es zunächst, Paulus nenne als „drittes ,Seufzen'" das „verzückte Stöhnen und Schreien der Glossolalen"5®, so wird wenig später modifiziert, Paulus interpretiere das Phänomen der Ekstase, das „gemeinhin . . . als Jubel und Freude erfahren wird" (also doch wohl als seufzerfreie Verzückung), hier „als ein ,Stöhnen' und reiht es damit in die Zeichen des Heilsverlangens dieser vergehenden Zeit ein" 54 ; allem Anschein nach handelt es sich dabei also nicht um ein „verzücktes Stöhnen". Auf der Linie dieser Modifikation bleibt Balz, wenn er fortfährt, Paulus sehe „im ek47 Auch Käsemann (Schrei 233; ebenso Rom. 219) läßt den Abschnitt mit V. 18 beginnen. V. 28 ff. werden von ihm im Aufsatz nicht berücksichtigt, im Kommentar als Korrelat zu dem als „Thema" bezeichneten V. 18 verstanden, der wie V. 28 ff. durch die „Gegenströmung" in V. 19—27 angeblich „relativiert" werde (ebd. 221; vgl. auch 232). 48 Schrei 235. 49 Rom. 224. 50 Vgl. auch die vorangehenden Sätze (ebd.): „Die Jünger werden noch durch sein Kreuz stigmatisiert . . . Das Leiden wird umgekehrt von der Gewißheit unmittelbar bevorstehenden Heils so durchdrungen, daß das Nacheinander von 17c sich dialektisch in ein Zugleich wandelt, wie es 2. Κ 3,18; 4,16 entspricht." Auf diesem „umgekehrt" aber liegt im Zusammenhang von Rom. 8 der Ton. 51 Heilsvertrauen 92. 5S Ebd. 80. 53 Ebd. 91 (Hervorhebung von mir). 54 Ebd. 92.

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Osten-Sacken, Römer 8

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statischen und verzückten Lallen der Glossolalen" „ein Lautwerden des Stöhnens der Vergänglichkeit und Unerfülltheit, das die gesamte unerlöste Welt durchzieht" 55 . Dann aber resümiert er, der „Schrei nach Heil" komme „wie eine fremde Macht" über die Christen und mache sie „der Unmittelbarkeit der göttlichen Welt wie der endgültigen und totalen Verwirklichung des Heils durch Gott gewiß" 59 . Der Autor möchte also beides: das Seufzen dem Duktus des Kontextes gemäß als Ausdruck des Leidens verstehen und ihm doch der vermuteten glossolalischen Herkunft gemäß ein Moment der Verzückung beilegen. Ebensowenig wie auf den Kontext kann er sich für letzteres jedoch auf Rom. 8,26 f. berufen. Die Deutung, die Glaubenden würden durch das Seufzen der Unmittelbarkeit der göttlichen Welt gewiß, läuft vielmehr dem Text strikt zuwider. Der Aspekt der „Unmittelbarkeit" ist eingetragen, sodann bringt nach V. 26 f. nicht der „Schrei nach Heil" als solcher die Gewißheit des Heils, sondern der in V. 27 folgende Zuspruch, daß Gott um das Anliegen des Geistes weiß. Dieser Zuspruch bezeugt den Christen, daß sie selbst in dem von sprachlosen Seufzern bestimmten Gebet nicht von Gott verlassen sind, und macht sie so der göttlichen Treue gewiß57. Paulus arbeitet damit soteriologisch eine Wirklichkeit auf, die die behauptete Gegenwart des Heils im Angesicht des Todes vollends zu widerlegen scheint: Die Erscheinung derer, die in der Bedrückung durch die Leidens- und Todeswelt nur mit sprachlosen Seufzern zu beten wissen — und das sind potentiell alle Christen58. Auch dies Gebet ist vom Geist getragen, der damit seufzend, an den Leiden teilnehmend, der Schwachheit jener aufhilft, die nur seufzend zu beten wissen5®. Wie von Käsemanns so gilt deshalb von Balz* Interpretation der Verse 26 f. als antienthusiastischer Äußerung, daß sie — ungeachtet der Zweifel an der (anti)glossolalischen Interpretation der Seufzer90 — vermutlich die Intention der Aussagen in ihrer Funktion als vorpaulinischer Tradition trifft' 1 . Paulus selbst hat sie jedoch einem Zusammenhang eingefügt, in dem es ihm um die positive Bewältigung des Leidensproblems geht, und sie damit der Entfaltung der thematischen Feststellung in V. 17b dienstbar gemacht. Dies zwingt methodisch dazu, V. 26 f. in Relation zu V. 17 zu interpretieren. Ebd. Ebd. (Hervorhebung von mir). 57 Erst von V. 27 her läßt sich deshalb auch sagen, das Seufzen vergewissere der „endgültigen und totalen Verwirklichung des Heils durch Gott". 58 In diesem Sinne hält Paulus mit der von ihm übernommenen Tradition an der Grundsätzlichkeit und Totalität der Gebetsaporie fest (vgl. dazu Schniewind, Seufzen 90; Niederwimmer, Gebet 255 ff.). Für die Auslegung der Grundsätzlichkeit und Totalität in Richtung auf eine ständig gegebene Möglichkeit spricht auch, daß die Aussage durch V. 15 eingeschränkt wird, sowie der adversative Anschluß in V. 28 (vgl. dazu oben, S. 94 f. und unten, S. 277). 59 Weil sie diesen Aspekt, daß das Seufzen des Geistes seine Teilhabe am Leiden anzeigt, völlig unberücksichtigt läßt, vermag auch die Interpretation von V. 26 f. durch Schlier (Das, worauf 611) nicht zu überzeugen. Schlier sieht die Seufzer allein als Zeugnis für das Verlangen des Geistes nach Doxa und, da die Wertlosigkeit der Unsagbarkeit der Doxa entspreche, als Ausdruck von deren Größe. Zur Kritik der bei Schlier vorliegenden Deutung der Verse 26 f. von V. 18 her s. bereits oben, S. 92 A. 50. 60 Der Einwand (s. oben, S. 272), es gehe in V. 26 f. um jeden Christen, nicht nur um Glossolalen, beträfe in gleicher Weise den Aussagezusammenhang als vorpaulinische Formulierung. 91 Vgl. oben, S. 100. 55

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Gegen die glossolalische Interpretation von V. 26 wendet sich auch Niederwimmer. Die στεναγμοί αλαλητοι seien „vielmehr die Vox spiritualis selbst (die in der Glossolalie der Verzückte nachzusprechen versucht)"02. Sie entsprächen den άρρητοι ρήματα von 2.Kor. 12,4, ja könnten auch so heißen und seien „Worte, die man nicht aussprechen kann und nicht aussprechen darf, weil sie für den Menschen (solange er ,im Leibe* ist) tabuiert sind"63. Die Seufzer vollziehen sich nach Niederwimmer zwar „in mir", aber zugleich „außerhalb meines Personzentrums"64. Sie seien deshalb „uns selbst unvernehmbar und unerforsdilich"65. Gott habe sich die unerreichbare „Tiefe unseres Bewußtseins für sein φρόνημα ausgesucht, für seine στεναγμοί erwählt" 66 . Damit hat Niederwimmer zwar scharf die in V. 26 f. ausgesagte Verborgenheit des Wirkens des Geistes in den Glaubenden herausgearbeitet. Docli stehen auch seiner Interpretation Text und Kontext entgegen. Denn den „sprachlosen Seufzern" wohnt nun einmal nicht die Paradoxie der „wortlosen Worte" (2.Kor. 12,4) inne, so daß die Annahme der Tonlosigkeit und Unvernehmbarkeit der Seufzer naheläge. Das Charakteristische der Begriffe „Seufzer" und „Seufzen" ist vielmehr gerade dies, daß sie vernehmbare Äußerungen bezeichnen67. Deshalb ist der Deutung der Vorzug zu geben, daß die Seufzer des Geistes das seufzende, ratlose Gebet der Glaubenden meinen, das im angegebenen Sinne soteriologisch interpretiert wird68. M i t d e m , was zuvor z u m Z u s a m m e n h a n g von V. 2 6 f. m i t V. 1 7 b g e s a g t w u r d e , h a t sich bereits das Verhältnis von V. 2 6 f. zu V. 2 3 bis 2 5 abzuzeichnen b e g o n n e n . W i e i m Seufzen der P n e u m a t i k e r z u m Ausdruck k o m m t , d a ß sie a n der Vergänglichkeit u n d d e m W a r t e n der Schöpfung a u f B e f r e i u n g teilhaben, so bekundet sich i m Seufzen des Geistes dessen Solidarität m i t den Glaubenden. W i e aber die P n e u m a t i k e r sich selbst als H o f f n u n g der Schöpfung erst da g o t t g e m ä ß w a h r n e h m e n , w o das seufzende W a r t e n von Geduld b e s t i m m t ist, so verdient die Solidarität des Geistes m i t den G l a u b e n d e n deshalb ihren N a m e n , weil die Seufzer des P n e u m a Intercessio zu ihren Gunsten sind. So w i r d das Seufzen der Söhne Gottes, der m i t d e m Geist B e g a b ten, von P a u l u s nicht erstickt. V i e l m e h r wird die Gewißheit des Heils, die Gemeinschaft m i t Gott, b e z e u g t g e r a d e f ü r das Geschehen, das Gebet 263 (Hervorhebung von N.). Ebd. 264. 64 Ebd. 263 (Hervorhebungen von N.). 65 Ebd. 264. 66 Ebd. 67 Vgl. Schlatter, Rom. 280. 68 Das Fehlen der Frage nach der Funktion von V. 26 f. in Rom. 8, d. h. die mangelnde Berücksichtigung des Kontextes durch Niederwimmer zeigt sich, wenn er als Höhepunkt aus seiner Auslegung folgert (a.a.O. 265): „Im Gebet des Geistes sind wir, ohne es bewußt zu erfahren, hineingenommen in das Sichselbstbewußtwerden Gottes. Ohne es zu erfahren und ohne es zu wollen dienen unsere Herzen dazu, daß Gott im Geist zu sich selber kommt." Zwar ehrt es Hegel, wenn Paulus zu seinen Schülern gezählt wird, historisch scheint diese Genealogie jedoch etwas gewagt. 62

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den Nichtbestand dieser Gemeinschaft anzuzeigen scheint, das Seufzen im Gebet. Die Gemeinschaft ist gültig, weil die Christen „keinen Geist der Knechtschaft wiederum zur Furcht" empfangen haben, sondern „den Geist der Sohnschaft, in dem wir rufen: Abba, Vater" (8,15)69. Noch ein weiterer Aspekt von V. 26 f. erscheint bedenkenswert. Es wurde bei der Scheidung von Tradition und Redaktion aufgezeigt, daß Paulus in V. 26 vermutlich den Begriff ασθενεια, in V. 27 höchstwahrscheinlich den Relativsatz τι to φρόνημα του πνεύματος ergänzt hat. Durch beide Interpretamente sind V. 26 f. mit dem ersten Teil von Rom. 8 (V. 1—13) verbunden. Denn in V. 3 hatte der Apostel von der Schwachheit des Gesetzes gesprochen und diese auf die Sarx zurückgeführt, in V. 6 „Leben und Frieden" als Phronema des Geistes bestimmt. Wenn er in V. 26 „unsere Schwachheit" als Objekt der Hilfe des Geistes bezeichnet, so nimmt er die Glaubenden wiederum als die in den Blick, die der Macht des Fleisches ausgesetzt sind70. Vom engeren Zusammenhang her wird man präzisieren müssen: Sie sind ihr ausgesetzt, sofern sie an der Vergänglichkeit teilhaben, und würden die Herrschaft der Sarx über sich bezeugen, wenn die Ratlosigkeit („wir wissen nicht, was wir beten sollen") das letzte Wort behielte. Wenn Paulus nun dem Geist zuschreibt, daß er „unserer Schwachheit" aufhilft, und wenn er dies mit dem Phronema des Geistes begründet, so argumentiert er an dieser Stelle theologisch wie im ersten Teil des Kapitels. Daran, daß der Geist gottgemäß für die Heiligen eintritt, wird deutlich, daß sein Phronema Leben und Frieden sind, daß er es ist, der die Gemeinschaft mit Gott gewährt und so die Hoffnung begründet. So zeigt Paulus implizit am Beispiel des Gebets auf, daß „der Geist Leben ist um der Gerechtigkeit willen" (8,10). Die Gewißheit der Rechtfertigung aus Glauben ist hermeneutisches Prinzip auch für die Interpretation des Leidens, zu dessen Erscheinungsweise Paulus ja das Unvermögen des gottgemäßen Gebets von V. 26 f. zählt71. Überraschend ist dies allerdings nicht. Denn der lei69 Zur Bestimmung dieser Aussage als Gegengewicht zu V. 26 s. oben, S. 94 f. Auch Käsemann (Schrei 224) hält fest, daß Abba-Ruf und sprachlose Seufzer nicht einfach zu identifizieren sind. Sie gehören nach seiner Auffassung jedoch als „ekstatische Äußerungen" zusammen. Hier wäre, da der Abba-Ruf nach Paulus kaum enthusiastisches Phänomen im engeren Sinne ist, allerdings doch besser von „pneumatischen Äußerungen" zu sprechen. 70 Vgl. Niederwimmer, Gebet 255. 259; Balz, Heilsvertrauen 70. 71 Schniewind (Seufzen 93) resümiert treffend nach dem Aufweis des sachlichen Zusammenhangs zwischen der Aussage über das Eintreten des Geistes für die Schwachheit und der Bestimmung des göttlichen Willens als iustificatio impii (Rom. 4,5): „Unser Wort Rom. 8,26.27 ist also ein Zeugnis der Rechtfertigungslehre. Es kann nun behauptet werden, daß es gerade bei dieser Auffassung den

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dende, im Gebet ratlose Mensch, dem der Geist mit der H o f f n u n g Geduld schenkt u n d den er seufzend beten lehrt, ist dasselbe ΰνητον σωμα, von dessen Errettung durch die Gabe des Geistes Paulus im ersten Teil von Rom. 8 gehandelt hat. Freilich, auch wenn der Aussagezusammenhang V. 26 f. in den vorangehend bestimmten Hinsichten in den Kontext von Rom. 8 integriert ist, so handelt es sich bei der Feststellung, daß der Geist mit sprachlosen Seufzern f ü r die Christen eintritt, doch u m eine äußerste Grenzaussage. Fast möchte m a n sagen, daß sie noch den Schatten ihrer ehedem vermutlich antienthusiastischen Funktion wirft. Paulus selbst hat bereits mit V. 15 ein Gegengewicht zu ihr gesetzt 72 und gibt sie als Grenzaussage auch dadurch zu erkennen, daß er in V. 28 mit adversativem Anschluß fortfährt („wir wissen aber . . ,") 73 u n d in die V. 17b. 23—25 eingeschlagenen Bahnen zurücklenkt. Der Erste unter vielen Brüdern (V. 28—30) Die Sentenz V. 28 ist nicht zu Unrecht als die „Mitte" des ganzen Textabschnittes V. 18 ff. bezeichnet worden 74 . Sie ist dies allerdings nicht an sich. Denn die formgeschichtliche Analyse hat gezeigt, daß sie f ü r sich genommen eine Uberzeugung wiedergibt, die allenthalben auch extra Christum gewonnen wurde und somit keine spezifisch christliche Gewißheit ausdrückt 75 . Vielmehr gewinnt sie jene Position erst durch den Kontext, in den sie eingefügt ist und der ihren Aussagegehalt bestimmt. Durch die Ausführungen in V. 14 ff. wird die Sentenz eschatologisch qualifiziert. Unter das Thema „wir leiden mit, damit wir auch mitverherrlicht werden" gestellt (V. 17b), wird sie zum Ausdruck f ü r die Gewißheit des Heils, das durch das Handeln Gottes in Jesus Christus heraufgeführt ist. Die in dem Satz benannte Zielgerichtetheit aller Dinge (zum Guten) ist jetzt Umschreibung der eschatologischen Finalität des Leidens 76 , die Paulus in V. 17b formurechten Platz im Kapitel Römer 8 findet. Denn dies ganze Kapitel handelt von nichts anderem als von der Rechtfertigung." Vgl. auch ebd. 91 und Käsemann, Schrei 232 sowie grundsätzlich Wendland, Wirken 460: „Die Rechtfertigungslehre und die Pneumalehre des Paulus sind . . . letztlich identisch." (Bei W. gesperrt.) 72 Siehe oben, S. 94 f. 73 Siehe oben, S. 95 A. 60. Vgl. auch die indirekte antithetische Korrespondenz von ουκ οιδαμεν V. 26 und οιδαμεν δε V. 28. 74 Schmidt, Rom. 145. Gerade deshalb sind V. 18—30 gegen Schmidt aber nicht von V. 17 zu trennen. Vgl. im folg. 75 Siehe oben, S. 63 ff. 7 ' Unverständlich ist die Ablehnung der naheliegenden und geläufigen Deutung von παντα als „the changes and chances of the mortal life" durch Grayston (Election 578). Sein Gegenvorschlag, „alles" sei zu erklären „as the series of actions described in the verbs from ,foreknew' to ,glorified"', macht V. 28 zur Tautologie.

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liert 77 . Die Bestimmung εις αγαθόν wird damit gleichermaßen zur Chiffre für die Zukunft der Christen als Soma (Doxa)78 wie zur allgemeinen Bezeichnung des Verhaltens im Leiden, das ihnen als Glaubenden möglich ist, der Geduld 79 . Dieser Zusammenhang weist bereits darauf hin, daß die Sentenz auch über die Bezeichnung οι αγαπωντες τον -θεον eschatologisch ausgerichtet ist. Zwar meint Paulus, wenn er von der Agape als der ersten Frucht des Geistes spricht (Gal. 5,22), die Liebe zum Nächsten. Und ebenso ist die Liebe Gottes, die den Glaubenden mit dem Geist geschenkt ist, Gottes Liebe zum Menschen (Rom. 5,5). Aber gerade wenn man beachtet, daß die Agape hier je an den Geist gebunden ist, scheint die Annahme sachgemäß, daß für Paulus die Liebe der Glaubenden zu Gott gleicherweise in ihrem Geistempfang begründet und der Titel οι αγαπωντες τον θεον Bezeichnung für die Pneumatiker ist80: Ihnen wirkt alles zum Guten, weil sie als Geistbegabte alles, was sie treffen mag, zu überwinden vermögen. Weil sie Gott lieben, d. h. aus seiner Kraft, aus dem Empfangen leben, darum wissen sie, „daß die Trübsal Geduld wirkt, die Geduld aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung". Eine bessere Veranschaulichung von V. 28 als dieser Kettenschluß in Rom. 5,3 f. läßt sich kaum denken. Seine Fortsetzung in V. 5 verdeutlicht noch einmal, daß die Möglichkeit zu dem in V. 28 beschriebenen Sachverhalt in der Gabe des Geistes begründet ist, der die Liebe Gottes verbürgt 81 . In Rom. 5,6 ff. legt Paulus dar, daß diese Liebe Gottes in dem Kreuzestod Jesu Christi manifest geworden ist. In Rom. 8,31-39 greift er dies Motiv erneut auf (V. 32. 35-39). Diese Interpretation des Geistes als Gegenwart der Liebe Gottes, die sich im Kreuzestod Jesu Christi bekundet hat, zeigt an, daß das V. 28 aus der Gewißheit des Heils heraus formulierte Wissen theologisch seinen Grund in der Christologie hat. Damit ist implizit auch bereits die Frage nach dem Subjekt in V. 28 entschieden. Selbst wenn παντα in Übereinstimmung mit der Überlieferung in ihrer vorpaulinischen Gestalt grammatisches Subjekt sein sollte, so ist die Folge, daß „alles zum Guten wirkt", trotzdem Werk Gottes. Denn es ist der Geist, der

Vgl. auch Gibbs, Creation 37. Vgl. z.B. Spicq, Agape I, 249; Dinkier, Prädestination 248; Schlier, Das, worauf 612. Ohne Anhalt am Text ist jedoch Schliers Interpretation von V. 28—30 unter dem Motto der Gebetserhörung (ebd. 611). 79 Beides faßt auch Käsemann (Rom. 233) mit seinem Urteil ins Auge, die Wendung könne „allein das eschatologische Heil bezeichnen, das gegenwärtige Erfahrung freilich nicht ausschließt". 80 Vgl. Gaugier, Rom. 326. 81 Vgl. Spicq, Agapö I, 248. 77

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das Wirken zum Guten schafft, θεός ist also zumindest logisches Subjekt 82 . Die Bezeichnung der Glaubenden als οι αγαπωντες τον θεον enthält die Voraussetzung, daß sie von Gott selbst zur Agape befähigt sind. Diese Voraussetzung wird berührt, wenn Paulus die Gott Liebenden als die „gemäß dem Ratschluß Berufenen" näher bestimmt. Allerdings verschiebt sich mit dieser Ergänzung auch der Blickpunkt gegenüber der bisher vom Kontext aus unternommenen Bestimmimg der αγαπωντες. Ihr Gottesverhältnis wird auf den mit der Berufung verwirklichten, dem Christsein vorausliegenden göttlichen Beschluß zurückgeführt und damit der Zusammenhang mit dem folgenden Kettenschluß hergestellt. Da V. 29 f. Begründung für V. 28 sind83, wird nach Erörterung des Kettenschlusses zu fragen sein, in welchem Verhältnis die bisher vorgetragene Interpretation von V. 28 zu der Deutung steht, die sich durch den Einbezug der Verse 29 f. ergibt. V. 29 f. gliedern sich im Hinblick auf V. 28, insbesondere auf die Dativapposition, wie folgt: Das Kettenglied τουτους και εκαλεσεν (V. 30a) schließt an den Titel κλητοι V. 28b an. Die beiden vorangehenden Glieder sind unschwer als Entfaltung des Begriffs der προθεσις Gottes zu erkennen. Die letzten beiden Glieder der Kette (εδικαιωσεν und εδοξασεν) gehen über das Stichwort καλειν/κλητοι hinaus. Sie werden jedoch zugleich durch die Form des aoristisch formulierten Kettenschlusses als Implikate der Berufung bestimmt. Sodann ist zu beachten, daß bereits mit der Gleichgestaltungsformel V. 29b, die das Ziel der göttlichen Vorherbestimmung nennt, inhaltlich über den Zeitpunkt hinausgegriffen wird, der durch das betreffende Kettenschlußglied bezeichnet wird. Denn es wird ja umgrenzt, was nach dem göttlichen Ratschluß mit den Erwählten geschehen soll. V. 29b und V. 30 kommen so in ein Entsprechungsverhältnis zu stehen: Der Akt der Beruf u n g ist Vollzug des göttlichen Ratschlusses (V. 28b), und in der Berufung selbst sind Rechtfertigung und Verherrlichung mitgesetzt. Inhalt der göttlichen Vorherbestimmung ist aber auch die Gleichgestaltung mit dem Wesen 84 seines Sohnes. Demnach geschieht diese Gleichgestaltung mit der Berufung, Rechtfertigung und Verherrlichung 85 . 82

Nach dem zuvor aufgezeigten Zusammenhang von V. 28 mit der Pneumatologie (d. h. textlich insbesondere mit Rom. 5,3—5) ist Luthers Interpretation dieses Verses (s. oben, S. 65 A. 20) also durchaus sachgemäß. Vgl. jedoch auch die im folg. zu erörternden weiteren Aspekte, die der Vers durch die Fortsetzung V. 29 f. gewinnt. 8S Siehe oben, S. 67. 84 Zu diesem Sinn von εικων s. oben, S. 75. 85 Vgl. Jervell, Imago 281. Jervell fährt dann allerdings unverständlicherweise fort, „die totale Erneuerung des Menschen" fange „schon mit der Piechtfertigung an", also nicht bereits mit der Berufung (so auch ebd. 182).

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V. 28 erhält damit in V. 29 f. zwei einander gegenseitig auslegende Begründungen: Den Gott Liebenden dient alles zum Guten, weil sie zur Gleichgestaltung mit dem Gottessohn berufen sind und weil sie als Berufene gerechtfertigt und verherrlicht und so bereits der Gleichgestaltung teilhaftig geworden sind 86 . Und doch wäre es eine Verkürzung der paulinischen Argumentation, wollte man es bei diesem Bezug von V. 29 f. auf V. 28 belassen. Denn wie einerseits V. 29 f. den vorangehenden Vers 28 interpretieren, hat andererseits die von Paulus ergänzte Dativapposition korrektive Funktion gegenüber V. 29 f. So scheint es kaum ein Zufall zu sein, daß der Apostel in V. 28 von den Glaubenden als den κατα προ•θεσιν κλητοις ουσιν und nicht etwa, wie es nach dem Duktus des folgenden Kettenschlusses auch möglich wäre, von den κατα προθεσιν δικαιωθεισιν bzw. δοξασθεισιν spricht. Vielmehr scheint der Rekurs auf die Berufung den archimedischen Punkt für die Auslegung zu bezeichnen 87 . Paulus geht von der Berufung aus und erarbeitet von ihr her die Heilsgewißheit der Glaubenden. Die Berufung ist Vollzug des göttlichen Willens. Da dieser Wille auf die — nach dem Kontext in der Zukunft vollendete und in der Verherrlichung bestehende — Gleichgestaltung mit dem Wesen des Gottessohnes zielt, ist die Berufung irdischer Auftakt der Gleichgestaltung. Weil es aber der göttliche Wille ist, der sich hiermit vollzieht, darum kann Paulus von der Rechtfertigung und Verherrlichung als Ereignissen sprechen, die mit der Berufung geschehen sind 88 . Paulus begründet damit die Heilsgewißheit der Glaubenden mit dem in der Berufung verwirklichten prädestinatianischen Handeln Gottes. In welchem Verhältnis steht diese theologische Argumentation zu der bisher erhobenen, die Kreuz und Auferweckung Jesu Christi bzw. den Geistempfang als Grund der Gewißheit bezeichnete? Von größter Bedeutung ist zunächst die Beobachtung, daß Paulus in den prädestinatianisch angelegten Kettenschluß die Gleichgestal-

88 Diese Entsprechung zwischen V. 29 und V. 30 erweist die These Thüsings (Per Christum 123 f.), συμμορφος in V. 29b könne nur zukünftig-eschatologisch gemeint sein, als irrig. Thüsings Interpretation ist nicht nur ein anschauliches Beispiel für die Unangemessenheit der vom unmittelbaren Kontext isolierten Deutung einzelner Aussagen, sondern auch für die falsche Folgerung, weil mit εικων του υιου αυτου der Auferweckte gemeint sei, könne die Gleichgestaltung nur zukünftig sein. So ζ. B. auch Larsson, Vorbild 303; Tannehill, Dying 110. Vgl. dazu ferner unten, S. 284 A. 102. 87 Vgl. Tibbe, Geist 39 f. 88 In der Berufungsaussage ist mitzuhören, was Paulus in Rom. 4,17; 1,16 erkennen läßt: Das καλειν Gottes hat eschatologisch-schöpferische Kraft. Es geschieht durch das Evangelium, das die Kraft Gottes zum Heil ist.

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tungsformel eingearbeitet hat 89 . Damit ist von vornherein ein Zusammenhang von Prädestination und Christologie hergestellt. Gottes Handeln an den Glaubenden ist darauf ausgerichtet, daß der Sohn zum Ziel kommt: „auf daß er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern" (V. 29b). Er wird diese Stellung innehaben, wenn die Glaubenden ihm gleichgestaltet sind. Dies zeigt, daß er hier πρωτοτοκος genannt wird als der von den Toten Auferweckte, als der Verherrlichte. Denn die Gleichgestaltung zielt auf die Verherrlichung ab 90 . In dem Titel πρωτοτοκος ist zugleich traditionell das semantische Element enthalten, daß im Geschick des Sohnes das der Vielen mitgesetzt ist91. Paulus selbst hat diesen Aspekt, beginnend in Rom. 4,25, in Rom. 5—8 immer wieder hervorgehoben, insbesondere in dem christologischen Abriß 5,12—21. Die Erörterung dieses Textes und die Überlegungen zur Notwendigkeit der Fortsetzung in Rom. 6,1 ff. hatten gezeigt, daß die Vielen, weil der Eine das eschatologische Heil in der Zeit gebracht hat, als in seinem Geschick Mitgesetzte ihm gleichgestaltet werden müssen. Diesen Zusammenhang von Rom. 8,28—30 mit der paulinischen Christologie und ihren soteriologischen Implikationen gilt es an dieser Stelle zu bedenken. Er lehrt erkennen, daß die prädestinatianischen Aussagen des Apostels in V. 29 nichts anderes sind als die theologische Reflexion der christologischen Grundaussage, daß Jesus Christus „dahingegeben wurde um unserer Verfehlungen willen und auferweckt wurde um unserer Rechtfertigung willen" (Rom. 4,25)92. Der Ratschluß Gottes ist theologisch aus seinem escha-

" Siehe oben, S. 67 f. 90 Zur Deutung von εικων του υιου αυτου auf den Auferweckten bzw. seine Doxa s. Jülicher, Rom. 53; Lietzmann, Rom. 87; Fuchs, Freiheit 114; Dinkier, Prädestination 248; Larsson, Vorbild 303; Thüsing, Per Christum 123 f., femer bereits oben, S. 74 f. Freilich wäre diese Deutung mißverstanden, wollte man sie gegen die Verkündigung Jesu Christi als Gekreuzigten ausspielen. Denn die Gleichgestaltung mit dem Auferweckten geschieht irdisch in Form der Gleichgestaltung mit seinem Tode (vgl. Phil. 3,10 und dazu unten, S. 302 f.). Zu erwägen ist, ob Paulus (mit der Tradition) von der Gleichgestaltung mit der εικων des Sohnes spricht, um der Differenz zwischen dem Sohn und den Söhnen Rechnung zu tragen, die in dem folgenden Titel πρωτοτοκος zum Ausdruck kommt. Die Christen werden durch die Gleichgestaltung zu Söhnen, aber als Brüder des Erstgeborenen (vgl. auch Rom. 8,17). Vgl. oben, S. 182 A. 19 und S. 230 A. 10 zu ομοίωμα in Rom. 6,5 und 8,3. 91

Siehe Käsemann, Gottesvolk 72 f. In diesem Sinn ist die psychologisch mißverständliche und die anthropologisch-soteriologischen Implikationen der Christologie zu wenig berücksichtigende Erklärung Graystons (Election 583) zu präzisieren, „of those who know that Jesus Christ is the only possible destiny, it may be said that God has chosen them to belong to Jesus Christ". Vgl. auch l.Kor. 2,7: Der Gekreuzigte ist die Weisheit Gottes, die Gott „vor Äonen zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmt hat". 92

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tologischen Handeln in Jesus Christus erschlossen93. Das paulinische Prädestinationsverständnis ist damit ebenso eine Funktion seiner Christologie bzw. Soteriologie wie seine Gesetzeslehre oder auch wie die Aussagen, die der Apostel über die Schöpfung in demselben 8. Kapitel des Römerbriefes macht. Denn die Bestimmung, daß die Schöpf u n g auf Hoffnung hin der Nichtigkeit unterworfen wurde und als solche zur Doxa-Freiheit der Kinder Gottes befreit werden wird, stellt sie auf dieselbe christologisch begründete Weise unter den Heilsratschluß Gottes wie die Aussage in V. 29 die Christen 94 . Die V. 28 formulierte Gewißheit gewinnt damit folgenden Akzent: Den Gott Liebenden, von ihm nach dem Vorsatz Berufenen, dient deshalb alles zum Guten, weil sich an ihnen Gottes Heilswille vollzieht, der die Gleichgestaltung mit dem Sohn und damit die Verherrlichung beinhaltet. Dieser in Jesus Christus offenbarte Heilswille bekundet sich und schafft sich Raum mit der Berufung durch das Evangelium. Durch sie werden die Berufenen zu Gott Liebenden, d. h. zu solchen, die mit seinem Willen übereinstimmen. Weil Gott es ist, der in der Berufung seinen Willen zum Heil durchsetzt und weil er dies so tut, daß er die Berufenen in seinen Willen hineinnimmt, sie durch seinen Willen bestimmt sein läßt, darum kann Paulus mit der Tradition sagen, daß Gott die Berufenen auch gerechtfertigt und die Gerechtfertigten auch verherrlicht habe. Denn sie sind Teilhaber des machtvollen Willens Gottes, der ihre Gleichgestaltung mit dem Wesen des Sohnes beschlossen hat. Es dürfte für Paulus außer Frage stehen, daß diese Teilhabe am Willen Gottes durch die Gabe des Geistes ermöglicht wird. Es klingt zuletzt in der Aussage an, daß das Pneuma 93 Gewiß bildet die im zeitgenössischen Judentum geführte Diskussion um die Frage der Prädestination die historische Voraussetzung für die prädestinatianischen Aussagen des Apostels in Rom. 8,28—30 und dann vor allem in Rom. 9—11. Deren Stellenwert in der paulinischen Theologie zeigt sich jedoch erst, wenn die Frage beantwortet ist, von welcher theologischen Voraussetzung her Paulus prädestinatianische Gedankengänge aufzunehmen vermag. Die aufgezeigte Prävalenz der Christologie als dieser Voraussetzung kommt nicht hinreichend in Dinklers (Prädestination 266) Deutung zur Geltung, Paulus beziehe „ein vorchristliches Konzept auf das Christusereignis, so daß sich die Prädestination in der Teilnahme an Christi Tod und Auferstehung aktualisiert". Zum Verständnis der Prädestination im antiken Judentum, bes. in Qumran, s. Dinkier, ebd. 262 ff.; Larsson, Vorbild 296 ff.; Luz, Geschichtsverständnis 229 ff. Dinkier (a.a.O. 248) und Luz (a.a.O. 20 f.) haben überzeugend aufgezeigt, daß in Rom. 8,28—30 bereits Rom. 9—11 vorbereitet werden. Zur Redeutung der Prädestination in diesen Kapiteln, die hier nicht näher erörtert werden können, sowie zur Auslegung überhaupt vgl. außer den beiden zuletzt genannten Autoren die bei Dinkier (a.a.O. 266 f.) und Luz (a.a.O. 235 A. 30) aufgeführte Lit. sowie Maier, Wille 351 ff. 94 Zum Gesetz s. bereits oben, S. 221 ff. Es handelt sich jeweils um Aussagen, die EV Χριστώ erschlossen sind, sich auf die vorchristliche Zeit beziehen und auf die Zeit des Glaubens abzielen.

2. Die Freiheit vom Tode als Überwindung im Leiden (8,14—30)

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κατα θεον für die Heiligen eintritt (V. 27)95. Diese Beobachtung schließt zugleich den Kreis hin zum Anfang der Auslegung von Y. 28-30. Die im Rahmen der paulinischen Theologie auffällige Aussage τουτους και εδοξασεν ist also bei Paulus durchaus als Ausdruck höchster Gewißheit zu verstehen, daß Gott es ist, der das Heil gewährt 96 . Und doch wäre es unangemessen, wollte man den Aorist allein nach dem theologischen Axiom verstehen: „Menschlich gesehen Zukünftiges ist von Gott her so gewiß wie Vergangenes." 97 Vielmehr gilt es zugleich zu beachten, daß die aoristische Aussage in Bezug steht zu bereits erfolgtem und erfahrenem göttlichen Handeln: der durch die Gleichgestaltungsformel berührten Tat Gottes in Jesus Christus, der Berufung durch das Evangelium und der (durch den Geist geschenkten) Liebe zu Gott. Paulus kann also aoristisch von der Verherrlichung sprechen, weil Gott der Garant des Heils ist und9S weil er bereits begonnen hat, seinen Heilswillen durchzusetzen 99 . Dieser zweite Aspekt tritt noch deutlicher zutage, wenn die Aussagen in V. 29 f. noch einmal vom weiteren Kontext des ganzen Römerbriefes und vom engeren in Rom. 8 her betrachtet werden. Wesentliches Bestreben des Paulus in den gesamten Ausführungen des Römerbriefes bis hin zu 8,1—13 ist der Nachweis, daß die Glaubenden gerechtfertigt sind. Auf der Basis dieser Gewißheit erörtert der Apostel in 8,14—30 die Frage nach der Doxa im Angesicht des Leidens. Von hier aus rückt der Akzent der Aussagen in 8,28—30 von der Folge Berufung — Rechtfertigung/Verherrlichung hin auf die letzten beiden Glieder der Kette 100 . Die erfolgte Rechtfertigung 95 Zum Zusammenhang von V. 27 und V. 28 bemerkt Godet (Rom. II, 113) mit feinem Gespür, in der Liebe wirke sich die menschliche Seite des φρόνημα του πνεύματος aus. 96 Vgl. dazu Luz, Geschichtsverständnis 254 f. 97 So Luz, ebd. 255 (dort gesperrt). Bei Luz ist diese Definition mit der Abwehr des Gedankens an einen zeitlichen Bezug der Aussagen des Kettenschlusses verbunden. Er vermag diesen Aspekt jedoch selbst nicht völlig auszuklammern, wie seine Bestimmung zeigt, im Glauben werde „Gottes vorzeitiges Handeln gegenwärtige Wirklichkeit und das noch Ausstehende gewiß als Zukunft Gottes" (ebd. 254; Hervorhebungen von mir). 98 Beide Aspekte betonen mit Recht B. Weiß, Rom. 381; Jülicher, Rom. 52; Lagrange, Rom. 215 f. 99 Vgl. auch den von Larsson zu Recht geltend gemachten Zusammenhang mit der Pneumatologie: Der V. 23 als Erstlingsgabe bezeichnete Geist sei „Antizipierung der Doxa" (Vorbild 293), d.h.: „Schon der Besitz des Geistes ist somit eine Verherrlichung, die den Gebrauch der Verbform εδοξασεν motiviert." (Ebd. 307.) Vgl. Zahn, Rom. 419; Schlatter, Rom. 283. 100 In diesem Sinne ist Barrett (Rom. 170) zuzustimmen, wenn er feststellt: „with justification Paul has reached the present". Barrett selbst interpretiert den folgenden Aorist εδοξασεν freilich allein unter dem Aspekt der Gewißheit.

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schließt die Verherrlichung ein. Weil sie das volle Heil beinhaltet und weil sie Gottes Tat ist, darum kann Paulus vom δοξαζειν als einem vergangenen Geschehen sprechen101. Noch einen Schritt weiter führt der Rückbezug auf 8,14 ff. Wenn Paulus in V. 29 von der Eikon des Gottessohnes spricht und den Titel υιος durch den des πρωτοτοκος aufnimmt, so ist damit Jesus Christus als der Erhöhte gemeint. Mit dieser Bestimmung ist jedoch entgegen vielfacher Ansicht noch nichts über die Zeit gesagt, in der die Gleichgestaltung stattfindet102. Wie der unmittelbare Kontext, d. h. die 101

Treffend sagt H. Kittel (Herrlichkeit 195 f.), der Aorist εδοξασεν müsse „als Ausdruck jener Gewißheit verstanden werden, die dadurch entsteht, daß in der δικαιοσύνη schon das Angeld der δόξα gegeben ist. Die δοξα ist die Vollendung der Gerechtmachung", „ihre notwendige Folge". M a n wird deshalb gegenüber einer einfachen Identifikation beider Größen zurückhaltend sein müssen, wie sie etwa Balz (Heilsvertrauen 115) de facto vornimmt: „Rechtfertigung und Verherrlichung sind lediglich zwei verschiedene Aspekte des Heils der Glaubenden, denn das neue Urteil Gottes und die damit gesetzte Neuwerdung (εδικαιωσεν) bedeuten nichts anderes als die Verwirklichung des neuen Seins der Gotteskinder in dieser Welt (εδοξασεν)." (Hervorhebungen von mir.) Mit Recht verweist Jervell (Imago 182) darauf, daß „das eschatologische (sc. im zukünftigen Sinne) Moment in Doxa stärker zum Ausdruck kommt". Paulus selbst demonstriert dies (trotz des Aorists in V. 30) im weiteren und engeren Kontext, vgl. Rom. 5,1 ff.; 8,17 f.23, ferner den oben (S. 269) gezeigten Zusammenhang zwischen 8,23 und 8,11 sowie 8,31 ff. und dazu unten, S. 309 ff. Zu Balz' Auslegung und den Implikationen der adverbialen Bestimmung „in dieser Welt" s. ferner A. 102. Zum Zusammenhang von Gerechtigkeit und Doxa vgl. außer Kittel Jervell, a.a.O. 180 ff. W e n n auch keine Veranlassung besteht, του ιιιου αυτου in V. 29 im paulinischen Zusammenhang als gen. epex. zu deuten (vgl. oben, S. 74 f. und S. 281 A. 90), so läßt sich doch nicht von der H a n d weisen, daß im Zusammenhang des ganzen Römerbriefes (vgl. 1,23; 3,23) und angesichts der Verschmelzung von 8,29a.30 und 8,29b bei Paulus ein Bezug von 8,29 f. zum Motiv der Gottebenbildlichkeit gegeben ist. Vgl. dazu Jervell, ebd., bes. 182 f.; Larsson, Vorbild 305; Stuhlmacher, Gerechtigkeit 186f.; Käsemann, Rom. 234. Formulierungen wie die, durch Christus werde „Adams Fall . . . rückgängig" gemacht (Stuhlmacher, a.a.O. 187), muten jedoch wenig paulinisch an. Denn der Apostel setzt mit dem Verlorensein des Menschen ein und stellt ihm das Mehr der Gnade Jesu Christi entgegen. Ebensowenig überzeugt es vom Zusammenhang des Römerbriefes her, wenn Käsemann (a.a.O.) feststellt, Paulus spreche hier „keineswegs bloß vom erhöhten Christus", Christus sei hier vielmehr „die göttliche Eikon schlechthin wie in 2. Κ 4,4; Hebr 1,2 . . . , also der Schöpfungsmittler von Kol 1,15". 102 Dem Mißverständnis, die Interpretation von πρωτοτοκος als „Erstling der Verherrlichung" sei gleichbedeutend mit der Deutung der Gleichgestaltung der Christen mit dem Verherrlichten als rein zukünftigen Geschehens, ist auch Balz (Heilsvertrauen 113; s. bereits oben, S. 280 A. 86) erlegen, wenn er jene Deutung meint mit der Frage widerlegen zu können: „denn welchen Sinn hätte im Zusammenhang von Rom. 8,18 ff. der Hinweis auf die noch ausstehende Gleichgestaltung der Christen mit dem verherrlichten Christus?" (Hervorhebung von mir.) Balz verkennt damit, daß die Gleichgestaltung mit dem Erhöhten sich irdisch gerade als συμπασχειν Χριστώ vollzieht. Vermutlich ist dies darin begründet, daß

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Auslegung der Gleichgestaltung als Vollzug des göttlichen Willens, bereits gezeigt hat, geschieht die Gleichgestaltung nicht erst in der Zukunft, sondern schon in der Gegenwart103. Dies Verständnis wird durch den thematischen Vers 17b voll unterstützt. Die Miterbschaft mit Christus wird nicht erst in der Zukunft angetreten, sondern bereits in der Gegenwart. Denn das Mitleiden ist Element dieser Erbschaft. Insofern es als συμπασχειν deren gegenwärtige Gestalt ist und diese Erbschaft die Teilhabe an dem Doxa-Wesen des Sohnes beinhaltet, ist das Mitleiden die Weise des Mitverherrlichtwerdens in der Zeit104. Das Leiden ist als συμπασχει/ν (Χριστώ) überwundenes Leiden, ebenso wie das Sterben συν Χριστώ Überwindung des Todes als der Sünde Sold ist. Geschieht die Verherrlichung gegenwärtig als Mitleiden, so ist sie doch zugleich ein Geschehen, das — wiederum wie die die Relevanz des Geistes als Kraft der Gleichgestaltung von ihm nicht gesehen ist. Im Hintergrund seiner Ausführungen steht die falsche Alternative: Gekreuzigter oder Erhöhter, wie sein Gegenvorschlag zeigt, Christus sei nach V. 29 „vielmehr der erste, der den im Heilsplan Gottes beschlossenen Kampf gegen die Heillosigkeit der Welt exemplarisch durchgeführt und damit das Heil Gottes unter den Bedingungen dieser Welt schlechthin verwirklicht hat, so daß die Glaubenden sich nur ihrer Hineinnahme in dieses Heil gewiß zu sein brauchen, um jetzt schon die Doxa-Struktur der Heilswirklichkeit Gottes zu repräsentieren" (ebd. 113 f.). Einmal dahingestellt, ob man dies alles aus V. 29 entnehmen kann, ist doch zu fragen, wie denn die „Hineinnahme in dieses Heil" erfolgt bzw. die Gewißheit gewonnen wird. Das aber führt auf den Geist als die Gegenwart des Erhöhten (vgl. Rom. 8,9 f. und Tannehill, Dying 111 f.). Wird dem Tatbestand Rechnung getragen, daß das Pneuma die Kraft des συμμορφιζεσθοα ist, dann erweist sich im übrigen auch die Frage, ob συμμορφος durch „mitgestaltet" oder durch „gleichgestaltet" zu übersetzen sei, als unerheblich bzw. als falsche Alternative; denn durch den Geist als Kraft des συμμορφιζεσϋαι wird dieses als Geschehen συν Χριστώ („mitgestaltet") in der Gegenwart („gleichgestaltet") bestimmt. Vgl. die Diskussion der Frage bei Kürzinger (Symmorphous 294 ff.) und Thüsing (Per Christum 121 f.), die für die Übersetzung „mitgestaltet" plädieren, sowie bei Balz (a.a.O. 109 f.), der die übliche Übersetzung „gleichgestaltet" beibehält. Zur Kritik s. bereits Larsson, Vorbild 302 f. 103 Vgl. hierzu außerdem die oben (S. 283 A. 98) genannten Exegeten sowie die Beobachtung Zahns (Rom. 417), daß nicht nur der Aorist εδοξασεν, sondern auch der Zusammenhang von V. 29 „mit V. 28, wo auf alles Widerwärtige hingewiesen war, was dem Christen im diesseitigen Leben begegnen mag", dafür spricht, daß die Gleichgestaltung bereits in der Gegenwart geschieht bzw. einsetzt. Siehe jetzt auch Käsemann, Rom. 234. 104 Dieser Zusammenhang ist ansatzweise von Tannehill (Dying 114) gesehen. Er distanziert Leiden und Herrlichkeit zwar zunächst (V. 17 „presents suffering with Christ as a condition, the fulfillment of which leads to the future glorification with Christ"), präzisiert dann jedoch, „that in understanding suffering as suffering with Christ, Paul understands it as a positive participation in Christ and the powers of the new aeon". Hier wäre freilich paulinisch anstelle von „Christ and the powers . . . " (Plural!) besser von der Macht des Geistes Jesu Christi zu reden. Vgl. auch Käsemann, Rom. 224·.

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ζωη als Folge des Todes συν Χριστώ in der Taufe — erst in der Zukunft zur Vollendung kommt, wenn die δοξα εις ημας offenbart wird (8,18)105. Da nun aber die Verherrlichung sub contrario eben doch schon eingesetzt hat, ist es nicht nur Prolepse und nicht nur Argumentation mit dem göttlichen Zeitmaß, sondern durchaus Bezugnahme auf ein den Glaubenden bereits widerfahrenes Geschehen, wenn Paulus sein Plädoyer für die Gegenwart des Heils vorerst mit dem Satz beendet: τουτους και εδοξασεν106. Dem enthusiastischen Mißverständnis dieser Zusage ist durch den ganzen Zusammenhang gewehrt, am eindrücklichsten durch die Grundbestimmung christlicher Existenz in V. 24: τη ελπιδι εσωθημεν. Und zwar scheint diese Aussage nicht nur Korrektiv für V. 30 zu sein, sondern Modell, nach dem das letzte Glied der Kette zu verstehen ist. Paulus selbst hat dies zu Beginn von Rom. 5—8 angezeigt: δικαιωθεντες ουν εκ πίστεως . . . καυχωμεθα επ' ελπιδι της δόξης του θεου (5,1 f.)107. Wie diese Parallele weiter zeigt, resümiert der Apostel mit der Folge Rechtfertigung/Verherrlichung in V. 50 nicht nur den Zusammenhang von Kap. 8,1—30, sondern kehrt zugleich an den Anfang der Erörterung in 5,1 ff. zurück. Gleich darauf verdeutlicht er — Kap. 5—8 abschließend —, was es heißt, sich als Gerechtfertigter 105

Die Sachgemäßheit dieses Vergleichs mit den Todesaussagen ist in dem aufgewiesenen Zusammenhang zwischen Rom. 8,1—13 und Rom. 6 (s. oben, S. 239 f.) sowie in dem Tatbestand begründet, daß die Opposition „Leben—Tod" von Rom. 8,1—13 in Rom. 8,14 durch das ihr entsprechende Gegenüber von „Leiden" und „Herrlichkeit" abgelöst wird (s. oben, S. 61 mit Α. 1. 2.). loe Vgl. zum Ganzen 2.Kor. 4,7 ff. (und dazu unten, S. 290 ff.), insbesondere 4, 16—18: Die Zerstörung des äußeren Menschen und die tägliche Erneuerung des inneren (V. 16) bezeichnen, wie aus dem bereits Gesagten (s. oben, S. 233 u. ö.) und vor allem aus V. 17 hervorgeht, denselben Vorgang. Denn nur dann, wenn sich mit der Zerstörung des äußeren Menschen die Erneuerung des inneren vollzieht, ergibt die folgende, begründende Aussage Sinn, daß die Trübsal Herrlichkeit wirke. W e n n aber die Aussage über den äußeren Menschen durch das Stichwort θλιψις und die über den inneren durch den Regriff δοξα aufgenommen wird und wenn jene beiden Aussagen im beschriebenen Verhältnis zueinander stehen, dann gewinnen die Christen bereits gegenwärtig Anteil an der Doxa, wenn auch nicht sichtbar, wie V. 18 festhält. Vgl. hierzu H . Kittel, Herrlichkeit 210 f. Zu δοξαζεσθαι als gegenwärtigem und zukünftigem Geschehen s. auch unten, S. 310 ff. zu Rom. 8,32.35-39. Vgl. ferner die Bestimmung von Kuß (Rom. I, 77), daß die Verherrlichung „im Grunde ja auch schon geschehen, n u r noch nicht anschaulich geworden ist". In diesem Tatbestand, daß das Leiden der Christen Leiden συν Χριστώ, d. h. überwundenes Leiden, ist und als solches gegenwärtige, verborgene Verherrlichung, liegt der entscheidende Unterschied zwischen jüdischem und paulinischen Leidensverständnis. Vgl. auch Lohse, Märtyrer 201. 107 Vgl. hierzu auch die entsprechende, von ihm f ü r das Verständnis von δοξασθηναι herangezogene Beobachtung Zahns (Rom. 419), daß Paulus in Rom. 8 die Sohnschaft einerseits als (mit dem Geist) gegenwärtig behauptet, andererseits als zukünftige Gabe bestimmt.

Exkurs (II): Leidenstexte außerhalb des Römerbriefes

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auf Hoffnung hin der Herrlichkeit Gottes zu rühmen und so die Wahrheit zu bezeugen: ους δε εδικαιωσεν, τουτους και εδοξασεν. Er legt dies Zeugnis in V. 31—39 ab, indem er den vorrangig in 5,1—11 und 8,1—30, aber auch dazwischen immer wieder angesprochenen Zusammenhang von Rechtfertigung und Hoffnung noch einmal thematisiert. Dies macht den Abschnitt 8,31—39 zu einem der schönsten Beispiele für die Einheit von Form und Inhalt. Doch bevor dem nachgegangen werden kann, gilt es, die vorgetragene Interpretation des Leidens in Rom. 8,14—30 anhand einiger ausgewählter Texte außerhalb des Römerbriefes zu überprüfen. Dieser Arbeitsgang wird Gelegenheit bieten, auch die Eingangsfrage nach dem Verhältnis der Aussagen über den Tod um der Sünde willen und über das Mitleiden wiederaufzunehmen.

Exkurs (11): Rom. 8,14—30 im Spiegel paulinischer außerhalb des Römerbriefes1

Leidenstexte

a) Die Leiden Christi Bisher wurde die Aussage über das Mitleiden und Mitverherrlichtwerden in Rom. 8,17 ihrem eigenen Duktus gemäß daraufhin befragt, was sie über die Glaubenden sagt. Da ihr Spezifikum jedoch darin besteht, daß sie das Geschick der Christen an das Jesu Christi bindet, enthält sie zugleich eine christologische Komponente. Hinter dem Mitleiden und Mitverherrlichtwerden stehen Leiden und Verherrlichimg Jesu Christi selbst als das Geschehen, in das die Glaubenden hineingenommen werden. Doch sprechen Rom. 8,17 und der Kontext dieses Verses eben nicht explizit vom Leiden bzw. von den Leiden Jesu Christi. Deshalb ist die Frage nach dem in der Aussage über das Mitleiden enthaltenen Verständnis dieses Leidens an solche Texte in den Paulusbriefen gewiesen, die vom (Mit-)Leiden der Glaubenden handeln und dabei auf das Leiden des Gottessohnes Bezug nehmen. Es sind die Passagen, in denen der Apostel von den παθήματα του Χρίστου (2.Kor. 1,5), von der Schwachheit Christi (2.Kor. 13,4), von der κοινωνία παθηματων αυτου (Phil. 3,10) redet. Wie ist die Wendimg τα παθήματα του Χρίστου zu verstehen? Die Texte selbst, denen die angeführten Belegstellen entnommen sind, geben keine direkte Auskunft darüber, wie die Begriffsverbin1 Wie schon zuvor in Exkurs I (S. 245 ff.) muß auch im folgenden die Auseinandersetzimg mit der Sekundärliteratur in engen Grenzen verlaufen. Aufmerksamkeit wird vor allem der Arbeit von Güttgemanns (Apostel) zu gelten haben.

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dung für sich genommen auszulegen ist. Die παθήματα του Χρίστου werden gleichsam als bekannte Größe vorausgesetzt und als solche zur Interpretation der Situation der Glaubenden verwendet. Zur Klärung verhilft jedoch ein Text, den man nahezu als locus classicus paulinischer Leidensaussagen bezeichnen kann und der bisher nicht herangezogen wurde, 2.Kor. 4,7—18. Wie an den zuvor zitierten Stellen wird das Leiden des Christen, hier des Apostels, in 2.Kor. 4,7 ff. als Resultat der Christusgemeinschaft verstanden, als Anteilhabe am Christusgeschick. Das „Was" der Anteilhabe wird jedoch nicht als παθήματα bezeichnet, sondern als νεκρωσις του Ιησού. Damit ist angezeigt, daß der Ausdruck τα παθήματα του Χρίστου nicht in dem Sinne zu deuten ist, daß hier auf die physischen Schmerzen des leidenden Christus angespielt würde („O Haupt voll Blut und Wunden . . ."), sondern Umschreibung des Sterbens bzw. des Todes Jesu Christi ist2. Diese Auslegung wird durch Phil. 3,10 bestätigt. Dort wird das Ziel, dem sich Paulus als Glaubender entgegenstreckt — ινα Χριστον κερδησω και ευρεOcu εν αυτω — näher bestimmt als: του γνωναι αυτόν 1. a) και3 την δυναμιν της αναστασεως αυτου b) και κοινωνιαν παθηματων αυτου, 2. b) συμμορφιζομενος τω θανατω αυτου, a) ει πως καταντήσω εις την εξαναστασιν την εκ νεκρών. Nach Aussage dieser chiastisch konstruierten Sätze ist die Erkenntnis der Gemeinschaft mit den Leiden Christi gleichbedeutend mit der Gleichgestaltung mit seinem Tod. Die παθήματα werden damit auch hier durch den Tod Jesu Christi interpretiert 4 . Von dritter Seite wird dies durch das Verhältnis von Leiden und Tod im Leben des Glaubenden erwiesen. Beide sind für Paulus keine voneinander trennbaren Größen. Vielmehr ist nach dem Verständnis des Apostels Leiden Tod, im Leiden wirkt der Tod, kommt er zur * Umstritten ist, ob νεκρωσις im Sinne des Geschehens der Tötung (Windisch, 2.Kor. 145; Georgi, Gegner 286 A. 5) oder im Sinne des Zustands des Totseins (Güttgemanns, Apostel 196) zu verstehen ist. Die Parallelität von V. 10a und V. IIa läßt fragen, ob hier überhaupt alternativ zu deuten ist oder ob nicht vielmehr beide Bedeutungselemente enthalten sind, so daß mit Schlatter (Kor. 533) νεκρωσις am besten mit „Versetzung in den Zustand eines Toten" wiederzugeben wäre. Güttgemanns (a.a.O.) konstatiert zwar, daß die genannte Parallelität als Einwand gegen seine Deutung vorgebracht werden könnte, bleibt jedoch die angekündigte Verteidigung gegen diesen Einwand schuldig. Sie wäre um so wünschenswerter gewesen, als seine konkrete Bestimmung von η νεκρωσις του Ιησού als „Leichnam des εσταυρωμένος, der am σωμα des Apostels präsent ist" (ebd. 118), von erheblicher Bedeutung für seine Gesamtinterpretation der Leiden des Apostels ist. 3 Zur epexegetischen Deutung des και s. Tannehill, Dying 119 f. 4 Vgl. Tannehill, ebd. 91.

Exkurs (II): Leidenstexte außerhalb des Römerbriefes

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Erscheinung. Indem Paulus leidet, wird er in den Tod gegeben (2.Kor. 4,11), stirbt er (l.Kor. 15,31), wird er getötet (Rom. 8,36). Diese Einheit von Leiden und Tod bestärkt darin, die παθήματα του Χρίστου als Umschreibung des Todes Jesu Christi aufzufassen. Damit ist die Frage, warum Paulus den Begriff παθήματα wählt und nicht durchweg vom θανατος Jesu Christi spricht, durchaus noch offen 5 . Deutlich sein dürfte jedoch, daß die Wendung τα παθήματα του Χρίστου von den Sätzen über den Tod des Gottessohnes her zu interpretieren ist. Dies bedeutet zugleich, daß auch die paulinischen Aussagen über das Mitleiden im Zusammenhang mit den Sätzen über das Mitsterben und Mitgekreuzigtwerden der Glaubenden mit Christus auszulegen sind6. Die Deutung des Todes Jesu Christi durch Paulus wurde bereits ausgiebig erörtert, so daß sofort versucht werden kann, auf ihrem Hintergrund die Interpretation der Leiden Christi voranzutreiben. Wenn der Tod Jesu Christi als Tod des Gehorsamen Tod υπερ ημων ist und wenn zugleich gilt, daß nach paulinischem Verständnis im Leiden der Tod gegenwärtig ist, dann hat dies zur Konsequenz, daß die παθήματα του Χρίστου bzw. die νεκρωσις του Ιησού soteriologisch relevant sind deshalb, weil sie der Todestribut sind, der der αμαρτία bezahlt wird, und weil sie, sofern sie παθήματα bzw. νεκρωσις des Gehorsamen (des Auferweckten) sind, Leiden bzw. Tötung υπερ ημων sind. Ist dieser Zusammenhang erst einmal erkannt, so gewinnen auch die Aussagen in 2.Kor. 13,4 schärfere Konturen und werden zum Beleg für die Sachgemäßheit der Annahme einer solchen Verbindung zwischen der christologischen Leidens- und Todesdeutung. Wenn Paulus dort sagt, Jesus Christus sei „gekreuzigt worden aus Schwachheit", aber er lebe „aus der Kraft Gottes", so dürfte man der Bestimmung „gekreuzigt aus Schwachheit" kaum gerecht werden, wenn man sie physiologisch interpretiert, sondern allein durch ihre theologische Deutung. Von Kreuz und Schwachheit redet Paulus ausdrücklich nur noch an der bereits gestreiften Stelle Rom. 5,6: „Christus ist, als wir noch schwach waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben." Bedeutet sein Tod damit, daß er die ασθενεια derer, die „schwach" und das heißt „gottlos" sind, auf sich nimmt, so wird damit der Grund benannt, warum Paulus sagen kann, Jesus Christus sei εξ ασθε5

Vgl. hierzu unten, S. 308. • Vgl. dazu Kamiah, Leiden 230ff.; Tannehill, a.a.O. 86. 123ff. Von hier aus erweist sich die These Sibers (Mit Christus 188; vgl. überhaupt 182 ff.) als unhaltbar, daß „alle Beobachtungen gegen eine Herleitung und innere Abhängigkeit der Aussagen vom Leiden mit Christus vom einmaligen Absterben mit Christus" sprächen. Vgl. zu Siber auch oben, S. 243 A. 37 und S. 261 Α. 1. 19

Osten-Sacken, Römer 8

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I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1—30)

νειας gekreuzigt worden. Weil er aber aufgrund seines Gehorsams nicht im Tode geblieben ist, darum ist die Kreuzigung aus Schwachheit nicht der verdiente Abschluß dieses Lebens, sondern darum lebt er aus der Kraft Gottes. Weil wiederum Heil nur in ihm ist u n d als Heil f ü r die ασθενείς solches nur am Ort ihrer Schwachheit sein kann, darum gilt von den Glaubenden: και γαρ ημείς ασθενουμεν (2.Kor. 13,4). Da sie aber Glaubende, vom Heil Betroffene sind, darum heißt es sofort präzisierend: ασθενουμεν εν αυτω, in Jesus Christus. Dies Schwachsein in Jesus Christus manifestiert sich nach dem Zusammenh a n g 2.Kor. 13,1—10 in der δοκιμή von Apostel und Gemeinde. Insofern ist ασθενειν εν αυτω überwundene Schwachheit, bestimmt durch die Kraft Gottes, aus der mit Christus zu leben den Glaubenden verheißen ist (2.Kor. 13,4; vgl. 12,9 f.). Die Fortführung des Satzes Y. 4 mit Hilfe des Begriffs ζην stellt dabei erneut sicher, daß ασθενειν als den Tod vertretendes Phänomen gemeint ist. Vom Tod des Glaubenden vermag Paulus aber heilvoll nur im Sinne der Uberwindung dieses Todes durch Jesus Christus zu sprechen. Die folgende Erörterung des Mitleidens der Glaubenden wird zu fragen haben, ob diese Auslegung des Leidens Jesu Christi auf dem Hintergrund der Deutung seines Todes durch das paulinische Verständnis des συμπασχειν bestätigt wird. b) Mitleiden als Modus und Voraussetzung der Teilhabe am Heil 2.Kor.

4,7-IS1

Der A n f a n g des Abschnittes greift über 4,6 auf 3,17 f. zurück und weist zugleich voraus auf 4,13 (εχοντες δε το αυτο πνεύμα της πίστεως . . .). Den Glaubenden ist der Geist als θησαυρός in ihren θνητά σώματα, den irdenen Gefäßen, geschenkt, damit die Kraft Gottes die Oberhand behalte u n d als das allein Leben Schaffende erwiesen werde (V. 7) 8 . Das hier mit den Begriffen θησαυρός u n d οστρακινα σκευή um7 Zur literarkritischen Analyse des 2. Korintherbriefes s. Bornkamm, Vorgeschichte 162 ff. 8 Güttgemanns (Apostel 97 A. 26) urteilt in Anlehnung an Lietzmann-Kümmel (Kor. 115), Schmithals (Gnosis 151) u. a.: „Nach dem Zusammenhang (4,4!) kann mit dem θησαυρός nur das Evangelium gemeint sein und mit den οστρακινα σκευή die Apostel." Gerade wenn man den Zusammenhang für die Interpretation von 4,7 beachtet, liegt es jedoch sehr viel näher, mit Schlatter (Kor. 531) zunächst V. 6 und nicht V. 4 heranzuziehen. Allerdings ist gegen Schlatter (und Schmithals, der „Evangelium" im Sinne der Schlatterschen Deutung von θησαυρός auslegt) „Schatz" nicht Metapher für die γνωσις της δόξης του θεού εν προσωπω Χρίστου. Denn diese ist ihrerseits gleichsam abgeleitetes Geschehen. Sie beruht auf dem vorgängigen Handeln Gottes, das Paulus als Aufleuchten Gottes in den Herzen der Glaubenden bezeichnet. Diese Gegenwart Gottes selbst in den Glauben-

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schriebene Gegenüber von πνεύμα und σώματα wird im folgenden in seiner Bedeutsamkeit für den Lebensvollzug der Glaubenden, in diesem Fall der Verkündiger, entfaltet. Die vorfindliche Wirklichkeit, das Geschick der θνητά σώματα, wird durch die jeweils ersten Glieder der Antithesen des Peristasenkatalogs V. 8 f. beschrieben. Die Verkündiger sind εν παντι -θλιβομενοι, απορουμενοι, διωκομενοι, καταβαλλόμενοι. Ihr Leben als Leben der sterblichen Leiber, die sie sind, ist durch Leiden gekennzeichnet. Gerade aber weil sie als solche durch den Schatz des Pneuma bestimmt sind, darum führt sie das Leiden nicht in die Ausweglosigkeit und Verzweiflung (vgl. V. 16: ουκ εγκακουμεν). Obwohl in allem bedrängt, sind sie ου στενοχωρουμενοι, ουκ εξαπορουμενοι, ουκ εγκαταλειπομενοι, ουκ απολλυμενοι (V. 8 f.). Der Geist, der als Kraft Gottes die Uberwindung des Leidens wirkt, ist der Geist des Kyrios (3,17). Deshalb vermag Paulus anschließend die Wirklichkeit des Leidens und die Überwindung im Geist christologisch zu beziehen: Indem die Verkündiger leiden, tragen sie die Töden ist es, die durch die Predigt des Evangeliums gewirkt wird und zugleich die Erkenntnis des Evangeliums bewirkt, ebenso wie nach V. 4 die Verblendung der νοήματα των άπιστων durch Gott die Nichterkenntnis des Evangeliums zur Folge hat. Gerade diese Entsprechung zwischen der Verfinsterung der Gedanken und dem Aufleuchten Gottes in den Glaubenden legt es nahe, in dem θησαυρός nicht die Erkenntnis, sondern das die Erkenntnis Ermöglichende zu sehen, das „Erkenntnisorgan". Dies aber ist, wie die genaue sachliche Entsprechung zwischen 4,4—6 und 3,14.16—18 zeigt, die Gabe des Geistes: Auf ihr beruht die Schau der Doxa des Herrn und die mit ihr gegebene Verwandlung (3,17 f.), und da dies Aufleuchten Gottes in den Glaubenden eben die „Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Christi" bewirkt, ist es mit dem Wirken des Geistes gleichbedeutend. (In diese Richtung auf das Pneuma scheint den „Schatz" auch Tannehill, Dying 107 zu deuten, wenn er bemerkt: „the ,treasure' referred to in 47 is the participation in Christ's glory emphasized in 3ie, 44 and»".) Insofern das Evangelium als „Kraft Gottes" (Rom. 1,16) pneumatologisch qualifiziert ist, kann θησαυρός dann auch auf das Evangelium hin ausgelegt werden. Nur ist dabei auszuschließen, daß die Aussagen zugunsten des Apostels auf Kosten der Gemeinde interpretiert werden. Das Gleiche gilt von Gunkels (Wirkungen 59) Deutung des „Schatzes" auf den Apostolat. Ebensowenig ist gegen Güttgemanns οστρακινα σκευή einfach identisch mit „Apostel". σκεύος ist im AT und in der hellenistischen Welt als Metapher für „Leib" gebräuchlich (s. Windisch, 2.Kor. 142), und daß dieser Gebrauch auch in 2.Kor. 4,7 vorliegt, geht aus V. 10 f. (εν τω σώματι ημων und, damit identisch, εν τη θνητη σαρκι ημων; vgl. unten, S. 295 Α. 17) deutlich hervor, (θνητον) σωμα aber sind nicht allein die Apostel, sondern alle Glaubenden. Zur Deutung des sachlichen Subjekts der Aussage vgl. außerdem noch einmal den Zusammenhang: In 3,18 sagt Paulus ημείς δε πάντες und meint damit alle Christen im Gegenüber zu den verstockten Söhnen Israels. Ebenso sind in 4,6 (εν ταις καρδιαις ημων) alle Christen im Unterschied zu den Verlorenen (4,4) ins Auge gefaßt. Dies spricht dafür, daß auch das ημείς im folgenden εχομεν (4,7) alle Glaubenden inkludierenden Sinn hat, auch wenn Paulus vornehmlich das Wirken der Verkündiger vor Augen steht. 15»

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tung Jesu an ihrem Soma herum. Sie existieren aber mir ihr, damit auch das Leben Jesu an ihrem Soma offenbar werde 9 . Der Finalsatz ist ohne weiteres verständlich. Indem die vom Leiden Gezeichneten nicht verzagen, wird deutlich, daß in ihnen das Pneuma des Kyrios wirkt, wird also seine ζωη offenbar, die als ζωη des Auferweckten das Leben ist, das der Geist schafft 10 . Inwiefern aber ist das Leiden der Verkündiger Herumtragen der νεχρωσις του Ιησού am Soma? Der Nachweis, daß die Begriffe τα παθήματα του Χρίστου und η νεκρωσις του Ιησού von dem paulinischen Verständnis des Todes Jesu Christi her zu verstehen sind und daß entsprechend das Leiden der Glaubenden mit den Aussagen über den Tod der Christen zusammengesehen werden müssen, hat die Bahn für die Erörterung dieser Frage vor gezeichnet: Das Leiden, das das θνητον σωμα als solches kennzeichnet, ist als Manifestation des Todes dem Augenschein nach Zeugnis für die Herrschaft der Sünde und für den Glaubenden Möglichkeit der Anfechtung, des Einbruchs der Hamartia, sofern er im Leiden verzagt und damit dem Tode recht gibt 11 . Wie der Tod so ist jedoch durch das Absterben gegenüber der Sünde das Leiden als Angeld des Todes im Glauben überwunden. Weil aber im Glauben, darum ist es stets neu zu überwinden, so wie der Glaubende nur im Vollzug des θανατουν der Soma-Taten von der Hamartia frei ist. Das Leiden, das zum Glaubenden als θνητον σωμα gehört, ja ihn als solches ausweist, ist nur dann nicht Zeugnis für die Herrschaft der Sünde, wenn es Leiden mit Christus, Herumtragen der Tötung Jesu am Leibe ist, also Absterben gegenüber der Sünde bzw. Zeugnis für das Abgestorbensein ihr gegenüber 12 . Dies Absterben geschieht nicht als Lei8

Zum Zusammenhang von V. 8 f. mit V. 10 f. vgl. Gunkel, Wirkungen 87. Vgl. zum Zusammenhang von Geist und Leben oben, S. 149 f. 153 f. zu Rom. 8,6.10 und zu 2.Kor. 4,10 Windisch, 2.Kor. 145 f.: „H ζωη του Ιησού ist die καινοτης ζωης, die Christus kraft seiner Auferweckung durch die Glorie des Vaters (Rom 64) gewonnen hat", „die alles Leiden überwindende... Kraft". Es ist eben jene Dynamis Gottes, von der Paulus in 2.Kor. 4,7 spricht und die er in Phil. 5,10 die Kraft der Auferstehung Jesu Christi nennt. Vgl. Tannehill, Dying 84 f. 97. 11 Vgl. den Zusammenhang von θλιψις und πειρασμός, wie er in l.Thess. 5,4f.; l.Kor. 7,28 und Gal. 4,14 zur Geltung gebracht ist, und bereits oben, S. 260 ff. Unzutreffend ist deshalb die Behauptung Fischers (Leiden 131), es gebe „keine Stelle bei Paulus, wo er das Leiden als Gefährdung für den Gerechtfertigten versteht". Fischer ergänzt: „und es kann — sofern unsere Interpretation richtig ist — sie überhaupt nicht geben". So deutet sich hier die Grenze seiner Auslegung des Leidens in der Theologie des Paulus an: Er sieht richtig, daß das Leiden, weil die Sünde durch Jesus Christus überwunden ist, kein Strafleiden mehr ist (ebd. u. ö.). Er erkennt jedoch nicht die Dialektik des νεκρός- und θνητος-Seins des Christen, d. h. daß das Leiden nur als (durch den Geist) überwundenes nicht mehr jenen Charakter hat. 12 Vgl. Bultmann, ThWB IV, 899: νεκρωσις ist in 2. Kor. 4,10 „statt ϋανατος offenbar deshalb gewählt, weil es sich hier um das Sterben mit Christus nicht inso10

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den überhaupt, sondern als dessen Überwindung, als Leben im Geist ohne Verzagen, als Offenbarwerden des Lebens Jesu 13 . Die Richtigkeit dieses Verständnisses läßt sich gleichsam durch die Gegenprobe erweisen: Ganz gewiß ist das Leiden der Glaubenden kein Leiden mehr um der Sünde willen, weil sie ja der Sünde abgestorben sind. Aber es ist dies nur dann nicht, wenn es Leiden mit Christus ist, und das meint Leiden, das das Abgestorbensein gegenüber der Sünde bezeugt, indem es kraft des Geistes überwunden wird. Denn anders würde am Leib des Glaubenden nicht das Leben Jesu offenbar, sondern der Tod. Damit kann zum Zusammenhang 2.Kor. 4,7 ff. zurückgekehrt werden. Festzuhalten gilt nach dem Erörterten: Die beiden Sätze in V. 10, daß die Verkündiger an ihrem Leibe allezeit die Tötung Jesu herumtragen und daß an ihrem Leibe das Leben Jesu offenbar wird, sind in ihrem Aussagegehalt identisch 14 . Denn eben indem das Leiden als Herumtragen der Tötung Jesu am Leibe gelebt wird, wird am Leibe das Leben Jesu offenbar. Und noch ein Zweites ist mit Nachdruck zu betonen: Nach dem zuvor Dargelegten läßt es sich nicht von der Hand fern handelt, als sich dieses grundsätzlich im Akt der T a u f e vollzogen hat, sondern sofern es sich im konkreten Leben des Apostels dauernd aktualisiert". Joest (Paulus 291) erläutert sachgemäß, daß dies „Mitsterben mit Christus, das sich in dem Leiden der christlichen Existenz als wirksam erweist", „Heraussterben" aus der Sünde ist — „wer so stirbt, der wird und ist darin von der Sünde geschieden und gerade nicht mehr in ihr festgehalten". Vgl. auch Kamiah, Leiden 232. 13 Auffällig ist die Konsequenz, mit der Paulus in 2.Kor. 4,7—18 allein den Jesus-Namen gebraucht. Mit Recht n i m m t Schmithals an (Gnosis 153), „daß Paulus aus polemischen Gründen so formuliert". Die paulinische Zielsetzung hat bereits Windisch (2.Kor. 145) überzeugend bestimmt: Es komme Paulus darauf an, die Identität von erhöhtem Christus und irdischem Jesus herauszustellen. Aus demselben Zusammenhang erklärt sich die wiederholte Betonung, daß es sich bei der Teilhabe am Geschick Jesu u m ein Geschehen εν τω σώματι bzw. εν τη Φνητη σαρκι (V. 10 f.) handelt. Sie ist die anthropologische Konsequenz aus der Identität von Irdischem und Erhöhtem. Weil der Erhöhte als der Irdische das Heil f ü r die Menschen erwirkt hat, darum vollzieht sich die Teilhabe an ihm als Gleichgestaltung mit dem Irdischen und somit als Geschehen am Soma. Der Geist des Kyrios führt den Glaubenden in das Geschick Jesu. Vgl. dazu bereits oben, S. 284 A. 102 u. ö. Zur Diskussion der Position der Gegner, mit denen sich Paulus in 2.Kor. 4 auseinandersetzt, s. Schmithals, a.a.O. 150 ff.; Georgi, Gegner 286 ff.; Güttgemanns, Apostel 94 ff. 112 ff.; Fischer, Leiden 53. 14 Vgl. dazu auch Güttgemanns, a.a.O. 123 (in Anlehnung an Bultmann, Kirche 170): „Die νεκρωσις ist also die paradoxe Epiphanie der ζωη." (Bei G. gesperrt; vgl. ebd. 122: Gottes Kraft erscheine „irdisch als ασθενεια"; Hervorhebung von G.) D a Güttgemanns weder die νεκρωσις noch die ασθενεια christologisch genau bestimmt, also nicht erklärt, inwiefern die Tötung Offenbarung des Lebens sein kann — die Auskunft, am Apostel werde der „Leichnam" des Gekreuzigten präsent (ebd. 118), ist ja ihrerseits erklärungsbedürftig —, nähert sich die von ihm festgestellte Paradoxie allerdings in seinen Ausführungen einer Antinomie.

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weisen, daß die Aussagen, die Paulus an dieser Stelle über das Leiden macht, nicht nur im Blick auf den Apostel gelten, auch wenn Paulus am Verkündiger exemplifiziert und somit die Leiden im Auge hat, die die Verkündiger im Vollzug ihres Dienstes erleiden15. Denn θνητον σωμα und damit Leidender ist jeder Christ, und jeder Christ lebt nur dann εν Χριστώ, wenn er im Leiden nicht verzagt. In 2.Kor. 4,11 führt Paulus die in V. 10 ausgesprochene Interpretation des Leidens fort. Das Herumtragen der Tötung Jesu am Soma, als das der Glaubende das Leiden lebt, ist ein dauerndes In-den-Todgegeben-Werden, ein dauernder Vollzug des Todes, den vor der Zeit zu sterben das Heil des Glaubenden beinhaltet. War jedoch V. 10 mühelos auf alle Glaubenden zu beziehen, auch wenn Paulus dort von sich spricht, so führt der Apostel in V. 11 deutlicher auf eine spezielle Situation hin. Er deutet die Hingabe in den Tod als Geschehen δια Ιησουν und fährt, nachdem er parallel zu V. 10 hervorgehoben hat, daß dies Geschehen Offenbarung des Lebens Jesu „an unserem sterblichen Fleisch" bedeutet, in V. 12 fort: „so daß der Tod in uns wirksam ist, das Leben aber in euch". Mit dieser Fortsetzung hebt Paulus unbestreitbar auf seine Tätigkeit als Apostel ab. Der folgende Anschluß in V. 12 (ωστε) zwingt dazu, V. 11 als Vorbereitung dieser Aussage zu verstehen. Man wird deshalb in der Angabe, die Verkündiger würden δια Ιησουν in den Tod gegeben, einen Hinweis auf den Grund ihrer speziellen Leiden sehen müssen und die Wendung am ehesten durch „um der Verkündigung Jesu willen" paraphrasieren16. 15 Vgl. Windisch, 2.Kor. 145; Schmithals, Gnosis 152; Niederwimmer, Freiheit 216; Käsemann, Heilsbedeutung 70; Tannehill, Dying 86; Bornkamm, Paulus 179; Luz, Geschichtsverständnis 385 A. 116; Lohse, Rez. Güttgemanns 913; Conzelmann, l.Kor. 104. Gegen Güttgemanns, Apostel 117 u. ö. Güttgemanns selbst f ü h r t „die scharfe Betonung, daß es sich u m das σωμα des Apostels handelt" (ebd. 123; Hervorhebung von G.) ad absurdum, wenn er die ασθενεια des Apostels durch die παθήματα του Χρίστου (2.Kor. 1,5) interpretiert (ebd. 117); denn diese werden nach Paulus eben auch von der Gemeinde erlitten (2.Kor. 1,6). W e n n er weiter den „Epiphaniecharakter der apostolischen Leiden" durch die Sätze erläutert: „Im Apostolat vollzieht sich die praesentia der Christuskraft; die ασθενεια ist die irdische Manifestation des Christus selbst" (ebd. 118), so gilt zu fragen: Ist etwa nur der Apostolat Vollzug der Gegenwart der Christuskraft, und manifestiert sich der Christus etwa nur in der Schwachheit des Apostels? Gewollt oder ungewollt schreitet Güttgemanns mit seiner Auslegung kräftig in postpaulinischen Bahnen aus. Vgl. dazu Lohse, a.a.O. und unten, S. 297 A. 23. Zur Kritik an Güttgemanns Deutung der Leiden des Apostels vgl. ferner Fischer, Leiden 85 ff.; Kamiah, Leiden 225 A. 39; 231 (implizit) und das Folgende. 18 Vgl. Tannehill, Dying 86; Collange, Enigmes 158. Die Feststellung bleibt dabei im Rahmen des Tatbestandes, daß Paulus das Geschick der Verkündiger als Beispiel christlicher Existenz auslegt. Denn sieht m a n von der Fortsetzung V. 12 ab, läßt sich der Satz V. 11 auch auf jeden Christen beziehen: Das δια Ιησουν wäre dann nur nicht näher im Sinne von „um der Ausrichtung des Evan-

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Ziel der Hingabe in den Tod ist wie in V. 10 die Offenbarung des Lebens am sterblichen Fleisch17. Sie geschieht einmal im engeren Sinne am Apostel selbst, sofern er im Leiden nicht verzagt (Y. 8 f. 16). Da dies Nichtverzagen aber aufgrund der Funktion des Apostels der Gemeinde zugute kommt, kann Paulus andererseits sagen, daß in ihm als Verkündiger der Tod, in der Gemeinde jedoch das Leben wirke (V. 12)18. Keinesfalls will Paulus mit dieser Aussage V. 12 eine einseitige Verteilung von Tod und Leben vornehmen. In V. 13 f. hebt er selbst hervor: Apostel und Gemeinde haben το αυτό πνεύμα (V. 13)19. Dieser geliums willen", sondern etwa im Sinne von „um der Annahme des Evangeliums willen" zu umschreiben. Vgl. dazu, daß Paulus in Rom. 8,36 das Zitat Ps. 44,23 („um deinetwillen werden wir den ganzen Tag getötet") auf alle Christen bezieht (s. unten, S. 315), außerdem Phil. 1,29 f.: Die Gemeinde kämpft τον αυτόν αγώνα wie der Apostel, indem sie das ihr geschenkte υπέρ Χρίστου wahrnimmt, das im εις αυτόν πιστευειν und im υπερ αυτου πασχειν besteht. Die Bedeutungsgleichheit von δια Ιησουν in 2.Kor. 4,11 und υπερ Χρίστου in Phil. 1,29 f. wird dabei durch das apostolische ευδοκειν εν ασθενειαις . . . υπερ Χρίστου in 2.Kor. 12,10 sichergestellt. Die Beobachtung, daß Paulus in 2.Kor. 4,11 angesichts der Fortsetzung in V. 12 deutlicher die Situation der Verkündiger anspricht, darf also nicht dahingehend ausgelegt werden, die Leiden des Apostels seien grundsätzlich theologisch anders qualifiziert (gegen Güttgemanns, Apostel 195 u. ö.). 17 Durch die Parallelität von V. 10 und V. 11 werden εν τω σώματι ημων und εν τη θνητη σαρκι ημων als' synonym erwiesen. Der Tatbestand, daß Paulus in V. 11 das Adjektiv θνητός ergänzt, bestätigt die Bedeutung, die dem Begriff ϋνητον σωμα bei der Leidensinterpretation im Rahmen von Rom. 8 zugemessen wurde (s. oben, S. 260 ff.). 18 Davon, daß das Leiden des Apostels deshalb stellvertretendes Leiden sei (Windisch, 2.Kor. 147; vgl. Kamiah, Leiden 228 f.), ist im Text nicht die Rede. Vgl. zur Kritik auch Güttgemanns, Apostel 98 f. Ebenso entbehrt die Annahme Fischers (Leiden 101) der Grundlage, die Rede vom Wirken des Lebens in den Korinthern sei ironisch gemeint. Kamiah (a.a.O. 230 f.) hat richtig erkannt, daß das Leben Jesu zugleich in der Gemeinde und im Apostel wirksam ist. Er verdeutlicht die Wirksamkeit im Apostel anhand von 2.Kor. 6,9 f. Wenn dies auch sachlich möglich ist, liegt es im Zusammenhang mit 2.Kor. 4,10—12 näher, die Aussagen des unmittelbaren Kontextes (vgl. bes. V. 8 f.) als Beleg anzuführen. 19 Eine weitere Möglichkeit, το αυτο πνεύμα auszulegen, besteht darin, die Bestimmung nicht antithetisch auf die in V. 12 vorangehende Unterscheidung von Apostel und Gemeinde, sondern auf das folgende Psalmwort (κατα γεγραμμενον . . . ) zu beziehen (vgl. ζ. B. Windisch, 2.Kor. 148). Eine eindeutige Entscheidung ist kaum möglich, und es ist auch überhaupt zu fragen, ob beide Deutungen alternativ zu verstehen sind. Gewiß hat Paulus in V. 13b seine Tätigkeit als Verkündiger im Auge. Aber ebenso gewiß ist, daß nach Paulus jeder Glaubende den „Geist des Glaubens" hat und daß auch der Dank, den die Gemeinde nach V. 15 aufgrund des apostolischen Wirkens darbringt, ein im Glauben begründetes λαλειν ist. Luz (Geschichtsverständnis 368) stellt in 2.Kor. 4,7 ff. Zurückhaltung des Paulus gegenüber Aussagen über die Gegenwart des Geistes fest (Ein „uneingeschränkter Hinweis auf die Erfahrung des Geistes erfolgt erst 5,5".) und sieht den Akzent auf dem „Leben in der künftigen Herrlichkeit": Das „Leben Jesu im Apo-

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Geist schafft in ihnen die Gewißheit, daß „der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit ihm auferwecken und zusammen mit euch darstellen wird" (Y. 14)20. Der Geist verleiht diese Gewißheit, indem er den Glauben schenkt, der seinerseits zur Verkündigung drängt (V. 13). Da die Verkündigung im Leiden die Uberwindung des Leidens dokumentiert, wird mit ihr das Leben Jesu an der sterblichen Sarx offenbart, d. h. einerseits am Apostel, der verkündigt, und andererseits an der Gemeinde, der verkündigt wird und die durch die Predigt zur Danksagung geführt wird, die die Gegenwart des Heils bezeugt (V. 15). Die tägliche Erneuerung des „inneren Menschen", des vom Pneuma bestimmten Soma, die sich als Zerstörung des -θνητον σωμα im Leiden vollzieht (V. 16), bewirkt als Gabe des Geistes, daß die Glaubenden (Apostel und Gemeinde) nicht verzagen, sondern in Hoffnung leben (V. 17 f.)21. Sie vergewissert die Christen, die mit dieser Erneuerung das Leiden (und mit ihm den Tod) überwinden, daß „das Sterbliche vom Leben verschlungen wird" (2.Kor. 5,4)22. So gibt der Abschnitt 2. Kor. 4,7—18 dieselbe Struktur des Leidensverständnisses wie Rom. 8,14—30 zu erkennen: Das Mitleiden ist gegenwärtiger Vollzug des Mitverherrlichtwerdens, der Offenbarung des in Jesus Christus heraufgeführten eschatologischen Lebens, und verbürgt als solches die Teilhabe an der künftigen Herrlichkeit, der Auferweckung. Gewährt aber wird dies heilvolle Geschehen durch den Geist des Kyrios, den Schatz in irdenen Gefäßen, die Erstlingsgabe der kommenden Welt. stel" werde „direkt nur in der Gemeinde sichtbar . . . (V. 12)". (Hervorhebung von L.) Doch dürfte die Akzentsetzung eher gleichmäßig auf dem Aufweis der paradoxen Gegenwart des „Lebens Jesu" und seiner künftigen sichtbaren Durchsetzung liegen. Einmal sind außer der Geistaussage 5,5 diejenigen in 5,17 f. sowie die mit ihnen zusammenhängenden in 3,3.6.8 (s. bes. V. 8: η διακονία του πνεύματος!) zu beachten, zweitens muß Luz selbst (ebd. 369) seine zuvor zitierte Behauptung dahingehend einschränken, daß in V. 8 f. von Kap. 4 eine „direkte Aussage" „über das Leben Jesu in der Gegenwart (sc. im Apostel)" vorliegt, weiter ist die Nähe der Begriffe δυναμις (V. 7) und πνεύμα zu beachten (vgl. l.Kor. 2,2), und schließlich wird V. 16 nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn es heißt, die Erneuerung des Menschen „wird sofort überführt in die Hoffnung .. . auf die künftige Herrlichkeit" (Luz, ebd.); denn zunächst einmal wird sie als Begründung des Nichtverzagens kräftig hervorgehoben, und auch V. 17 f. entbehren als Begründung von V. 16 nicht eines Bezugs zur Gegenwart (s. oben, S. 285 A. 106). 20 Vgl. Wendland, Kor. 125. Windisch (2.Kor 148) bemerkt mit Recht, daß V. 14 der Hauptgedanke sei. Er bildet das notwendige Korrelat zur Behauptung der gegenwärtigen Offenbarung der ζωη του Ιησού in V. 10 f. Vgl. den entsprechenden Zusammenhang in Phil. 3,10 f. und dazu unten, S. 303 A. 37. 21 Zur Auslegung von V. 16-18 s. oben, S. 285 A. 106. Gerade V. 16-18 und ihre Fortführung in 5,1 ff. (s. dazu oben, S. 104 ff.) zeigen noch einmal eindrücklich, daß die paulinische Leidensdeutung Apostel und Gemeinde gilt. 22 Vgl. Kamiah, Leiden 232.

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2.Kor.

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1,3-11

Das Verständnis, daß die paulinischen Aussagen über das Leiden grundsätzlich f ü r alle Glaubenden in Geltung stehen und daß Paulus in 2.Kor. 4,7 ff. lediglich hervorhebt, wie sich dieselbe Existenz im Leiden im Hinblick auf das apostolische Wirken darstellt, kann sich auch auf 2.Kor. 1,3 ff. berufen. Die Leiden, die den Apostel und die Gemeinde treffen, sind ausdrücklich als τα αυτα παθήματα bezeichnet (V. 6) 23 . Der Dank an Gott, in dem sich diese Bestimmung findet (Y. 3—11), ist wesentlich an den Begriffen θλιψις/παθηματα und παρακλησις orientiert. Wie in 2.Kor. 4,7 entfaltet Paulus das Verhältnis Trübsal/Leiden u n d Trost auf dem Hintergrund der Beziehung des Apostels zur Gemeinde. Anlaß zum Dank ist die Errettung des Paulus aus der ihm in Asien widerfahrenen θλιψις, die wiederum als θανατος bestimmt wird (V. 8 f.). Die erlittene Trübsal ist vom Apostel selbst als Todesurteil ausgelegt worden, ινα . . . πεποι/θοτες ωμεν . . . επι τω θεω τω εγειροντι τους νεκρούς (V. 9). Denn christliche Existenz ist solche nur im Vertrauen auf den totenerweckenden Gott, da der Inhalt christlichen Lebens — die Überwindung des Todes — nur dann in Geltung steht, wenn die Glaubenden sich f ü r tot halten (Rom. 6,11) und allein aus der Kraft Gottes leben (2.Kor. 13,4; vgl. 4,7). Die erlittene Trübsal kann als Tod verstanden werden einmal gewiß aufgrund einer bestimmten aussichtslosen Situation, wie sie in 2.Kor. 1,8 vorausgesetzt zu sein scheint, zum anderen u n d vor allem aber angesichts des Verständnisses des Leidens als Angeld des Todes. Jedenfalls wollen auch V. 8 f. nicht in erster Linie psychologisch gedeutet sein in dem Sinne, daß Paulus sich in jener bestimmten Situation bereits als Toten gesehen und deshalb das Todesurteil gefällt habe, wie die Fortsetzung bezeugt: ινα . . . πεποιθοτες ωμεν . . . Das Todesurteil hat

23

Die Selbigkeit der Leiden besteht darin, daß sie παθήματα του Χρίστου sind. Denn ebensowenig wie die Apostel dieselben Leiden erleiden, die Jesus Christus widerfuhren (vgl. Bultmann, Kirche 170; Conzelmann, Theol. NT 309), erleidet die Gemeinde empirisch dieselben Leiden wie die Apostel, wie allein schon das Beispiel 2.Kor. 1,8 ff. lehrt. Die Selbigkeit der Leiden als Leiden Christi wiederum ist darin begründet, daß sie Leiden „auf Grund der Verbundenheit mit Christus" (Bultmann, a.a.O.), in der „Christusgemeinschaft im Sinne des Glaubensbegriffs" (Conzelmann, a.a.O.) bzw. in der vom Geist ermöglichten Uberwindung sind. (Vgl. zum Ganzen auch Tannehill, Dying 96.) Deshalb ist das Verhältnis von Leiden des Apostels und Leiden der Gemeinde falsch bestimmt, wenn Güttgemanns sagt, „daß die Leiden des Apostels mittels ihrer Verkündigungsfunktion auch zu den Leiden der Gemeinde werden" (Apostel 327), der Apostel damit aber „nicht zum Typ christlicher Existenz" werde (ebd. 195; Hervorhebung von G.). Die hier implizit vollzogene Bindung des Geistes an den Apostolat ist vielmehr ein Merkmal der nachpaulinischen Zeit.

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einen theologischen Grund 24 und unterscheidet sich von der sonst bei Paulus begegnenden Auslegung christlicher Existenz insofern nicht, als diese für den Apostel stets Leben aus den Toten, Vertrauen auf den totenerweckenden Gott (2.Kor. 1,9; Rom. 4,17) und das heißt Leben im Geist dessen ist, der Jesus von den Toten auferweckt hat (Rom. 8,11; vgl. 2.Kor. 4,13 f.). Erkenntnisgrund dafür, daß sich das Handeln Gottes stets als totenerweckendes vollzieht, ist das Geschick Jesu Christi, das Handeln Gottes an ihm 25 . Die als Errettung aus dem Tode verstandene Hilfe in jener bestimmten Situation der Trübsal ist für den Apostel Anlaß, Gott als ο παρακαλων ημας επι παση τη θλίψει ημων zu preisen (V. 3). Da die Existenz des Apostels stets auf die Gemeinde ausgerichtet ist, ist diese Tröstung des Verkündigers gleichzeitig Befähigung zur Tröstung der Gemeinde (V. 4). Dieser doppelte Bezug des göttlichen Trostes wird im folgenden weiter entfaltet. Trübsal und Tröstung des Paulus selbst werden christologisch qualifiziert: „Wie die παθήματα του Χρίστου reichlich auf uns kommen, so wird uns durch (den) Christus reichlich Tröstung zuteil" (V. 5). Indem Paulus im Leiden mit Christus das Leiden überwindet, erfährt er die Wirklichkeit des Heils, die Gegenwart Gottes, der die Toten auferweckt, und ist getröstet 26 . Die „Leiden Christi" sind Interpretation der θλιψις, von der Paulus in V. 4 zweimal spricht und die u. a. das ihm in Kleinasien Widerfahrene beinhaltet. Insofern nun der Apostel diese Trübsal im Dienst der Verkündigung erleidet, sind die παθήματα του Χρίστου im Sinne von 2.Kor. 4,11 als Hingabe in den Tod δια Ιησουν zu verstehen, also als spezielle Leiden des Apostels im Vollzug der Christuspredigt. Das die Glaubenden exkludierende Verständnis wird jedoch durch die bereits angeführte Bestimmung aus V. 6 ausgeschlossen, daß nach Paulus die Gemeinde „dieselben Leiden, die auch wir leiden" erleidet. Die Leiden des Apostels unterscheiden sich damit nicht als Leiden Christi von denen der Gemeinde. Als solche sind diese wie jene νεκρωσις του Ιησού εν τω σώματι ημων. Sie unterscheiden sich vielmehr allein aufgrund der Funktion des Apostels. Weil Paulus eine besondere Aufgabe ver24 ινα ist mit Windisch (2.Kor. 46 f.) „im Sinne . . . göttlicher Finalität" zu verstehen: „Also: ,wir haben das Todesurteil (als Bescheid Gottes) erhalten, zu dem Zwecke, daß . . ."'. 25 Auch wenn Paulus sagt τω εγειροντι τους νεκρούς (und nicht τω εγειραντι Ιησουν ο. ä.), dürfte diese Prädikation bei ihm in erster Linie christologisch begründet sein (vgl. Rom. 4,17.24!). Deshalb wird die bloße Feststellung, die Wendung sei „Zitat aus dem , Achtzehngeb et'" (Lietzmann-Kümmel, Kor. 101; vgl. ähnlich Windisch, 2.Kor. 47), dem theologischen Gewicht der Prädikation bei Paulus nicht gerecht. 26 Vgl. hierzu die Ausführungen von Tannehill (Dying 91 f.) über παρακλησις als eschatologisches, der Wirklichkeit des „Lebens" zugehöriges Phänomen.

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sieht, treffen ihn besondere Leiden, die sich wiederum bei der Ausübung der apostolischen Tätigkeit auswirken 27 . Nachdem Paulus in V. 5 Leiden und Tröstung Christi im Blick auf sich selbst festgestellt hat, kommt er in V. 6 f. erneut auf die Relevanz des ihm Widerfahrenen für die Gemeinde zu sprechen. Da er als Apostel im Dienst der Gemeinde steht, haben die ihn betreffenden Geschehnisse stets Bedeutung für sie: Wird der Apostel betrübt, so zu Tröstung und Heil der Gemeinde; wird er getröstet, so geschieht es ebenfalls zum Trost für die ihm Anvertrauten. Wirksam aber ist die Tröstung der Gemeinde als Geduld (υπομονή) im Leiden, zu der die Glaubenden durch die Tröstung befähigt werden. Auch hier zeigt sich: Der Trost im Leiden besteht nach Paulus in der Überwindung des Leidens. Der Apostel wird leidend getröstet, eben weil seine Leiden — wie die der Gemeinde — παθήματα του Χρίστου sind. Denn erstens wird nicht erst von der dem Apostel widerfahrenen Tröstung gesagt, daß sie zum Trost für die Gemeinde wird, sondern bereits von den Trübsalen. Dadurch wird die Einheit von θλιψις und παρακλησις unmißverständlich herausgestellt. Diese Einheit kommt zweitens darin zum Ausdruck, daß die Tröstung sich als Geduld im Leiden manifestiert. Indem das Leiden als Leiden Christi gelebt wird, wird es εν υπομονή getragen. Diese υπομονή ist Trost, weil sie den Sieg Christi bezeugt. Das Wissen des Apostels, daß die Korinther die παθήματα in Geduld tragen, also als παθήματα του Χρίστου leben, begründet zugleich die feste Hoffnung des Apostels für sie. Weil die Geduld Gabe des Geistes ist, also Ausdruck des Leidens als Leiden Christi, darum weiß Paulus in Korinth den Geist als Angeld des Heils wirksam, der als solcher Grund der Hoffnung ist. Das Erleiden derselben Leiden, die den Apostel treffen, die Gemeinschaft der Leiden und der Tröstung zwischen Paulus und der Gemeinde, besteht also wesentlich in demselben Verständnis und demselben Vollzug der Leiden als παθήματα του Χρίστου in ihrer zuvor beschriebenen Bedeutung. Das Leiden des Apostels, das in seiner äußeren Gestalt durchaus eigene Züge trägt, hat die Kraft, die Gemeinde zu trösten, weil diese an dem Apostel exemplarisch erfährt, was Leiden Christi besagt: Vertrauen des Glaubenden, der im Leiden des Todes gewärtig ist, auf den totenerweckenden Gott, und das heißt Überwindung des Leidens in Geduld. Durch diese Bestimmung des Mitleidens als hoffendes Vertrauen auf den totenerweckenden Gott rücken die Aussagen über das Leiden in unmittelbare Nähe der Texte, in denen Paulus die Rechtfertigung aus Glauben darlegt. Deshalb und 87

Gegen Güttgemanns, Apostel passim. Vgl. bereits oben, S. 294 A. 15; S. 297 A. 23.

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I. Die erlösende Gegenwart Jesu Christi im Geist (Rom. 8,1—30)

vor allem angesichts der These über die Untrennbarkeit der Ausführungen in Rom. 8,1—13 und 8,14—30 scheint es angebracht, als letzten ausführlicheren Leidenstext den Abschnitt Phil. 3,2—14 zu erörtern, in dem das Verhältnis der Aussagen über die Rechtfertigung aus Glauben und über das Mitleiden nahezu thematisiert wird28. Phil.

3,2-14

Heftiger als in den anderen in Phil, zusammengestellten Briefen 29 setzt sich Paulus in Phil. 3,2—14 mit den Gegnern der Gemeinde auseinander. Sie sind zugleich seine Widersacher und haben vermutlich unter den Philippern dadurch Unruhe gestiftet, daß sie die Gestalt des Apostels diskriminiert haben. Das Wirken dieser „Hunde", wie Paulus sie nennt (V. 2), ist freilich nur andeutungsweise erschließbar. Die weiteren Prädikate „böse Arbeiter" und „Verschneidung", die Paulus ihnen beilegt (V. 2), der betonte Einsatz ημείς γαρ εσμεν η περιτομη in V. 3 und der Inhalt der folgenden Ausführungen lassen vermuten, daß die Gegner der paulinischen Predigt von der Glaubensgerechtigkeit entgegengetreten sind und sich für die Aufrichtung des Gesetzes im jüdischen Sinne eingesetzt haben, ζ. B. durch die Forderung der Beschneidung30. Sie werden von Paulus theologisch als εν σαρπι πεποιθοτες beurteilt. An sich selbst zeigt der Apostel die Unvereinbarkeit solcher Haltung mit dem Leben derer auf, οι πνευματι θεού λατρευοντες και καυχωμενοι εν Χριστώ Ιησού (V. 3). Mehr als seine Gegner könnte er angesichts seines vorchristlichen Lebens sein Vertrauen auf sich selbst, sein „Fleisch" setzen (V. 4—7). Aber all das, was ihm einst als Gewinn galt, hat er um Christi willen als Schaden erachtet. Um der weit überlegenen Erkenntnis Jesu Christi seines Herrn willen hält er es für Schaden, ja für Dreck — „damit ich Christus gewinne und in ihm aufgefunden werde, indem ich nicht meine aus dem Gesetz stammende Gerechtigkeit, sondern die durch den

28 Zum sachlichen Zusammenhang zwischen 2.Kor. 1,3 ff. und 2.Kor. 7,2—4 sowie zur Interpretation dieser Stelle s. Tannehill, Dying 93 ff. 28 Vgl. hierzu Borakamm (Briefsammlung 195 ff.), der im Anschluß an Vorarbeiten anderer (s. ebd. 196 A. 7) wahrscheinlich gemacht hat, daß Phil, „eine Sammlung von drei unter verschiedenen Umständen abgefaßten und nach Inhalt und ,Stimmung' unterschiedenen Briefen" bzw. Brieffragmenten ist (ebd. 196), nämlich 1 , 1 - 3 , 1 ; 3 , 2 - 4 , 9 ; 4 , 1 0 - 2 0 . 30 Vgl. zur näheren Kennzeichnung Koester, Purpose 317 ff. E r zeigt auf, daß es sich bei den Gegnern um judenchristliche Missionare handelt, die die Erfüllung des Gesetzes als totale Gegenwart des eschatologischen Heils predigten und deshalb zugleich als Vertreter einer frühchristlich-jüdischen Gnosis anzusprechen sind (ebd. 321. 324).

Exkurs (II): Leidenstexte außerhalb des Römerbriefes

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Glauben an Christus geschenkte Gerechtigkeit, die aus Glauben an ihn aus Gott stammende Gerechtigkeit habe, u m ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich gleichgestaltet werde seinem Tode, auf daß ich zur Auferstehung aus den Toten gelangen möchte" (V. 8c—11). Zwar ist der Apostel noch nicht im Vollbesitz des Heils in dem Sinne, daß er vollendet wäre; zwar hat er es noch nicht ergriffen (V. 12 f.). Aber weil er von Christus ergriffen ist, jagt er ihm nach, um es zu ergreifen, streckt er sich nach vorn, seinen früheren Stand unter dem Gesetz vergessend, und richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf den Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Jesus Christus (V. 14). Damit ist das Gefalle des Textes angedeutet. Der hier interessierende Zusammenhang von δικαιοσύνη δια πίστεως Ιησού und dem Erleiden der Leiden Christi kommt in jenen Versen zum Ausdruck, die in dem kurzen Überblick über den Abschnitt wörtlich zitiert wurden. Ab V. 7 handelt Paulus von der radikalen Wende, die in seinem Leben eingetreten ist. Die totale Negation seiner bisherigen Lebensausrichtung ist in Jesus Christus begründet. Mit der Bestimmung δια τον Χριστον ist nicht nur der Grund, sondern zugleich das Ziel der Neubeurteilung seiner Existenz genannt, wie die folgenden Verse zeigen. In V. 8a.b wird die Bestimmung „um Christi willen" präzisiert als „um des Mehr der Erkenntnis Jesu Christi meines Herrn willen" und damit gleichsam die Uberschrift für die anschließenden Ausführungen formuliert, die das Stichwort „Erkenntnis Jesu Christi" entfalten. Der Apostel beurteilt seine Vergangenheit als σκυβαλα, „damit ich Christus gewinne . . . " (V. 8c f.), „um ihn zu erkennen . . . " (V. 10 f.). Die beiden Teile V. 8c f. und V. 10 f. des Satzganzen erweisen sich nicht nur aufgrund ihres jeweiligen finalen Einsatzes als parallel. Beide entsprechen sich auch darin, daß auf den Finalsatz jeweils ein Partizipialsatz folgt bzw. ihm beigeordnet ist, in dem je der Modus des Gewinnens bzw. des Erkennens bestimmt wird (V. 9: μη εχων. . . ; V. 10: συμμορφιζομενος . . .). Das Stichwort γνωσις aus V. 8 wird zwar begrifflich erst wieder in V. 10 aufgenommen. Daß jedoch auch bereits V. 8c f., wie angedeutet, als Entfaltung der Erkenntnis Jesu Christi zu verstehen sind, ergibt sich zunächst aus der Parallelität von V. 8a.b und 8c f.: „ich halte alles für Schaden um des Mehr der Erkenntnis Jesu Christi willen" (V. 8a.b) und „ich halte (sc. alles) für Dreck, damit ich Christus gewinne . . . " (V. 8c). Die Annahme wird weiter durch den Inhalt der Satzteile V. 8c f. und V. 10 f. gestützt, deren Zusammengehörigkeit bereits in ihrer aufgewiesenen parallelen Struktur zum Ausdruck kam. Das Gewinnen Jesu Christi durch den Apostel, das Erkennen des Kyrios umschreibend, wird von Paulus als Aufgefundenwerden in

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Christus interpretiert 31 . Durch diese passivische Umschreibung des Gewinnens ist bereits angedeutet, was im folgenden Partizipialsatz zur Sprache kommt: Die Christuszugehörigkeit ist keine Möglichkeit des Menschen als Sarx, sondern widerfährt ihm als Gabe Gottes. Und zwar ist Paulus in Christus, gewinnt er Christus, indem er seine eigene, aus dem Gesetz stammende Gerechtigkeit preisgibt und in der Gerechtigkeit lebt, die durch den Glauben an Jesus Christus Gegenwart und als solche von Gott selbst auf den Glauben hin 32 geschenkte Gerechtigkeit ist. Der Gewinn Jesu Christi erfolgt deshalb als Glaube an ihn. Dieser Glaube ist die Erkenntnis Jesu Christi, weil Christus durch den Glauben als Heil erkannt und angenommen, die gesetzliche Vergangenheit als Schaden abgetan wird. Die Identität von Glaube und Erkenntnis ist aus V. 8 f. nur mehr erschließbar. Ebenso ist nicht näher ausgeführt, wie sich der Glaube an Christus vollzieht. Diese Frage wird in V. 10 f. beantwortet, indem das Stichwort Erkenntnis Jesu Christi ausdrücklich aufgenommen und näher erläutert wird. Die Erkenntnis Jesu Christi, V. 8 f. als Glaube an ihn ausgelegt, wird definiert als Erkenntnis der „Kraft seiner Auferstehung und der Gemeinschaft seiner Leiden". Wie in V. 8 f. ist dies Erkennen jedoch kein theoretischer Akt 33 . Wie es vielmehr dort als Glaube an Christus dargestellt war, also als Geschehen, so wird es in V. 9 als Ereignis bestimmt, als Gleichgestaltung dem Tode Jesu Christi 34 . In dieser Gleichgestaltung vollzieht sich die Erkenntnis — der Gewinn — sowohl der Kraft der Auferstehung Jesu Christi als auch der Gemeinschaft seiner Leiden. Mit dem Tode Jesu Christi gleichgestaltet, erhalten die Christen Anteil an der Kraft der Auferstehung und den Leiden Christi und werden so der Hoffnung gewiß, zur Auferstehung von den Toten zu gelangen 35 . Die knappe Gestalt dieser Aussagen macht es notwendig, als Interpretationshilfe die bisher erörterten Texte heranzuziehen. Das Leiden der Christen ist nach Paulus das Geschehen, in welchem der Tod 81 Vgl. Friedrich, Phil. 118 f.: „Christus gewinnen V. 8, in ihm sein V. 9, gerechtfertigt werden V. 9 und ihn erkennen V. 10 sind verschiedene Ausdrücke für dieselbe Sache." 32 επι τη πιστει ist freilich nicht in dem Sinne zu verstehen, als wäre der Glaube eine vom Menschen erfüllbare Bedingung. Vielmehr: „Nur dem Glauben, der sich selbst ganz Gott verdankt, ist die Rechtfertigung als Gabe Gottes geschenkt." (Kertelge, „Rechtfertigung" 184.) 38 Vgl. Dibelius, Thess. Phil. 90; Tannehill, Dying 118 f. 34 Zur Aufnahme von κοινωνία παθηματων durch den folgenden Partizipialsatz s. Dibelius, a.a.O. 35 Zur Erklärung der bei Paulus nur hier begegnenden Wendung κατανταν εις την εξαναστασιν την εκ νεκρών und zum Zusammenhang zwischen V. 11 und V. 20 f. s. Koester, Purpose 323. 325.

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der Sünde und damit der Tod des Todes bezeugt wird, indem sich durch die Uberwindung des Leidens das Leben Jesu als siegreich erweist. Dies Leiden, in dem der Christ aus der Kraft Christi lebt, ist die Gemeinschaft der Leiden Christi. Denn in ihnen vollzieht sich ja wie im Tode Jesu Christi der Sieg über Sünde und Tod. Sofern der Glaubende θνητον σωμα ist, ist die Gemeinschaft mit den Leiden Christi im vorgetragenen Sinne heilsnotwendig. Er muß dem Tode Jesu Christi gleichgestaltet werden, wenn er zur Auferstehung von den Toten gelangen will. Und zwar muß er es, weil das Heil als in Christus erschienen, also als gegenwärtig behauptet wird. Würde er nicht dem Tode Jesu Christi gleichgestaltet und damit das Leiden als Manifestation des Todes überwinden, so würde er als dem Leiden Unterliegender die Herrschaft des Todes und damit der Sünde bezeugen, und jede Hoffnung auf die Auferstehung der Toten wäre als nichtig dargetan. Die Erkenntnis der Kraft der Auferstehung Jesu Christi erfolgt damit in der Leidensgemeinschaft, in der Gleichgestaltung mit dem Tode Christi. Indem der Christ diesem Tode gleichgestaltet wird, lebt er aus der Kraft der Auferstehung Christi 36 . Denn der Tod Christi ist Heilstod, Sieg über Sünde und Tod, insoweit er Tod des Auferstandenen ist, d. h. insoweit dieser Tod durch die Auferstehung als Heilstod bezeugt wird. Indem der Christ dem Tode Jesu Christi gleichgestaltet wird und dabei aus der Kraft der Auferstehung Christi lebt, existiert er in der Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten und ist der kommenden Gleichgestaltung seines Niedrigkeitsleibes mit dem Doxa-Leib Jesu Christi gewiß (3,21)37. Diese Erkenntnis Jesu Christi, die in der Gleichgestaltung mit seinem Tode besteht, ist das Gewinnen Christi. Denn die Gleichgestaltung des Christen geschieht kraft der Gegenwart Jesu Christi in ihm. Diese Gleichgestaltung ist zugleich Vollzug der Rechtfertigung, Leben der δικαιοσύνη εκ θεού. Denn als gleichgestaltet überwindet der Christ sich selbst als θνητον σωμα in totalem Vertrauen allein auf die Kraft Christi. Damit läßt er an sich das Leben Jesu offenbar werden, rühmt sich nichts als der Schwachheiten, und das heißt positiv: Er rühmt sich 36 Vgl. Barth, Phil. 100: „Die Kraft der Auferstehung bewirkt das Sterben des Apostels." Es ist deshalb gewiß kein Zufall, daß sie in der Aufzählung V. 10 vor der „Gemeinschaft seiner Leiden" genannt wird (vgl. Dibelius, Thess. Phil. 90; Blank, Paulus 236). Der Gedanke, „daß die Kraft der Auferstehung Jesu im Leiden mit Jesus erfahren wird", „schwingt" also (gegen Siber, Mit Christus 117) nicht nur „mit", sondern ist für die Vorstellung vom Mitleiden konstitutiv. 37 Mit der Betonung, daß die Kraft der Auferstehung Christi gegenwärtig und trotzdem die Auferstehung von den Toten zukünftiges Geschehen sei, entsprechen Phil. 3,10 f. der Rede von der gegenwärtigen Offenbarung des Lebens Jesu und der gleichzeitigen Hervorhebung der Gewißheit der künftigen Auferweckung der Glaubenden in 2.Kor. 4,10 f.14.

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der Kraft Christi. Die Gleichgestaltung ist so zugleich Vollzug des Glaubens an Christus. Denn eben dem Glauben wird die δικαιοσύνη εκ θεού zugesprochen. Damit ist an Phil. 3,2—14 exemplarisch deutlich geworden, daß das paulinische Leidensverständnis — ebenso wie seine Deutung des Menschen als Handelnden — konstitutives Element seiner Rechtfertigungstheologie ist 38 . Im Leiden vollzieht sich die Rechtfertigung. Dies Resultat ist aus zwei Gründen nicht überraschend. Erstens legt Paulus die Existenz der Glaubenden konsequent von der Christologie her aus; deren Kernsatz aber ist die Aussage über die Überwindung des Todes durch Jesus Christus. Zweitens ist der Mensch nach Paulus als Handelnder wie als (Er)Leidender mit dem Tode als θνητον σωμα, das er selbst ist, konfrontiert. In dieser gemeinsamen Voraussetzung von Christologie und Anthropologie, die mit dem Phänomen „Tod" als entscheidendem Problem gegeben ist, ist die einheitliche Entfaltung der Soteriologie angelegt. Zum Schluß ist noch einmal die Frage zu berühren, die bei der Diskussion der Leidenstexte bereits verschiedentlich zur Sprache kam, ob nämlich die Aussagen allein auf den Apostel bezogen sind oder von jedem Christen gelten. Sowenig der Satz vom Gewinnen Christi durch die δικαιοσύνη εκ θεου allein Gültigkeit im Blick auf den Apostel hat, sondern den Inhalt des Glaubens schlechthin beschreibt, sowenig wird m a n die Leidensaussagen in Phil. 3,10 allein auf Paulus als Apostel beziehen dürfen. Vielmehr wird hier dargelegt, wie sich das Heilsgeschehen an jedem Glaubenden vollzieht. Dies bringt auch der Kontext durch die in 3,17 folgende Aufforderung des Paulus zum Ausdruck: „Werdet meine Nachahmer, Brüder, und seht auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt." 3 9

c) Mitleiden als Geduld der Hoffnung Abschließend gilt es jetzt, dem Zusammenhang von Leiden, Geduld und Hoffnung, der bei der Auslegung von Rom. 8,14—30 in den Vordergrund zu stehen kam, außerhalb des Römerbriefes nachzugehen. Er begegnete bereits in 2.Kor. 1,3—11: Die Leiden sind Ort der Ge38

Vgl. hierzu Tannehill (Dying 114 ff. 122 ff.) und den Abriß Fischers (Leiden 162 f.) in dem Summarium seiner Arbeit. Der wichtige Text Phil. 3,2—14, der im vorangehenden untersucht worden ist, wird von Fischer im Unterschied zu Tannehill nicht behandelt. Vgl. zu Fischer auch oben, S. 292 A. 11. Bei Siber (Mit Christus 110 ff.) bleibt die Frage nach dem Zusammenhang von Phil. 3,10 f. mit den vorangehenden Versen außerhalb des Blickfeldes. 39 Vgl. auch Siber, a.a.O. 115 A. 65.

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duld. Geduld erweist den Glaubenden als getröstet und damit als Überwinder des Leidens. Geduld zeigt, daß dem Leiden die Todeskraft genommen ist, weil Geduld nur im Glauben möglich ist, d. h. im Vertrauen und in der Hoffnung auf den die Toten erweckenden Gott. Im vertrauensvollen Hoffen auf diesen Gott ist der Tod überwunden, weil er selbst den Tod in Jesus Christus bezwungen hat. Die Geduld ist so die Kraft, mit der in der Gegenwart der Sieg über den Tod und damit die Herrschaft Jesu Christi gelebt und bezeugt wird. Sie ist Manifestation der Hoffnung. In derselben Richtung äußert sich Paulus in 2.Kor. 6,4. In allem empfiehlt sich der Apostel als Diener Gottes — „in vieler Geduld in Nöten, Trübsalen usw.". Es ist gewiß nicht zufällig, daß der Begriff θλιψις gleich am Anfang des folgenden Katalogs begegnet und die Wendung εν υπομονή πολλή davorgesetzt ist. Offenbar sind es die Begriffe, auf die es Paulus ankommt 40 . Es erscheint zweifelhaft, daß υπομονή als gleichgeschaltetes Glied der anschließenden Aufzählung zu verstehen ist41. Vielmehr dürfte nach dem bisher Erkannten εν υπομονή πολλή angeben, wie sich Paulus in den im folgenden genannten Situationen verhält. Deshalb ist εν υπομονή parallel zu den in V. 6 folgenden Bestimmungen (εν αγνοτητι . . .) zu deuten, und die von εν θλιψεσιν bis εν νηστειαις reichenden Wendungen sind als Bezeichnungen des Ortes der Geduld aufzufassen 42 . Das erste Glied des übergeordneten Katalogs (εν υπομονή πολλή, εν αγνοτητι, εν γνώσει . . . ) ist damit zwar unverhältnismäßig ausgeweitet. Aber dies erklärt sich aus dem Kontext, in dem es Paulus wesentlich um die Deutung des Leidens geht (vgl. 2.Kor. 4,7 ff.). Gestützt wird diese Interpretation durch Rom. 12,12: Die Mahnung θλίψει υπομενοντες bringt genau jene Verbindung von θλιψις und υπομονή, wie sie vorangehend für 2.Kor. 6,4 angenommen wurde 43 . So erweist sich Paulus als Diener Gottes nach 2.Kor. 6 darin, daß er die Leidenssituationen, denen er in seinem Wirken ausgesetzt ist, in vieler Geduld überwindet. Die Offenbarung des Lebens Jesu in der Gegenwart, das Mitleiden mit Christus vollzieht sich im Leben des Glaubenden als Geduld im Leiden. 40

Vgl. dazu bereits oben, S. 41 mit A. 21. So z.B. Lietzmann-Kümmel, Kor. 126; Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece. 42 Vgl. bereits Windischs Beobachtung (2.Kor. 204), daß „das erste Glied (εν υπομ. πολλ.) überschießt, also mit Wucht als Eingangslosung voransteht". Zur vorgetragenen Deutung vgl. jetzt auch Collange, Enigmes 293: „il faut voir dans εν υπομονή πολλή comme une sorte de titre de ce qui va suivre (sc. V. 4b—5)". 43 Der Tatbestand, daß die Paränese in Rom. 12 der ganzen Gemeinde gilt, verdeutlicht dabei, daß die Ausführungen in 2.Kor. 6, auch wenn Paulus sie im Hinblick auf die Apostel als Diener Gottes trifft, keinen die Gemeinde exkludierenden Sinn haben (gegen Güttgemanns, Apostel 303). 41

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Eine 2.Kor. 6,4 verwandte Aussage begegnet in 2. Kor. 12,12. Die Zeichen, die Paulus als Apostel ausweisen, sind in der korinthischen Gemeinde gewirkt εν παση υπομονή, in Zeichen, Wundern und Kräften. Da Paulus in 2.Kor. 12,1—10 das Thema „Leiden" verhandelt hat, liegt die Annahme nahe, daß die Wendung „in aller Geduld" sich auf die zuvor aufgezeigten Situationen zurückbezieht. Die Geduld ist demnach als Ausdruck der Kraft Jesu Christi zu verstehen, die den Apostel stärkt, wenn er sich in den Schwachheiten rühmt (2.Kor. 12,9)44. Der enge Zusammenhang von Hoffnung und Geduld tritt schließlich noch einmal in l.Thess. 1,3 zutage. Paulus erinnert sich betend υμων του έργου της πίστεως και του κοπου της αγαπης και της υπομονής της ελπίδος του κυρίου ημων Ιησού Χρίστου εμπροσθεν του θεου και πατρός ημων. Diesem Satz liegt die Formel „Glaube, Liebe, Hoffnung" zugrunde, die Paulus zur Umschreibung der ganzen Existenz des Christen verwenden kann 45 . Die drei Begriffe begegnen in l.Thess. 1,5 als Genitive eines nomen regens, das auf die Wirksamkeit des jeweiligen Phänomens abhebt (έργον, κοπος, υπομονή): Der Glaube der Thessalonicher ist erkennbar an dem Werk, den Taten dieses Glaubens, die Liebe an der Mühe dieser Liebe, die Hoffnung an der Geduld, die diese Hoffnung bewirkt4®. Vergleicht man die drei Wendungen, so fällt die große Nähe zwischen der ersten und der zweiten auf. έργον und κοπος dürften, sieht man von dem Moment der Anstrengung ab, das in κοπος enthalten ist, sachlich kaum differieren. Eine andere Ausrichtung ist erst mit der dritten Wendung (η υπομονή της ελπίδος) gegeben. Das nomen regens ist hier kein relativ neutraler Begriff wie „Werk, Mühe", sondern ein genau bestimmtes Verhalten, die von der Hoffnung bewirkte Geduld. So dürfte das Verhältnis der drei Glieder sachlich wie folgt zu bestimmen sein: Dem Glauben, der durch die Liebe wirkt, entspricht bei Paulus die Hoffnung, die sich in der Geduld bekundet. Ausdruck solcher Geduld ist es nach Paulus vermutlich, daß die Thessalonicher „das Wort in vieler Trübsal mit der Freude des heiligen Geistes aufgenommen" haben (l.Thess. 1,6)47. 44

Güttgemanns (a.a.O.) sieht darin, daß die υπομονή zu den σημεία του αποστολου gezählt wird, eine Bestätigung der These, daß die paulinischen Aussagen über das Leiden in 2.Kor. auf den Apostel beschränkt sind. Vgl. dazu bereits den Hinweis auf Rom. 12,12 in A. 43 und den im folg. zu erörternden Text l.Thess. 1,3. 45 Vgl. l.Kor. 13,13 und die Erörterung der Trias bei Lohse, Kol. 45 f. 48 Der Genitiv του κυρίου ημων Ιησού Χρίστου ist wahrscheinlich nicht nur mit dem letzten Glied der Aufzählung zu verbinden, sondern „dient . . . dazu, die drei zusammengehörigen Glieder im Sinne einer ganz allgemeinen Näherbestimmung einheitlich zusammenzufassen" (Schmitz, Christus-Gemeinschaft 141). 47 In den dargelegten Zusammenhang von Hoffnung und Geduld gehört der Struktur und der Sache nach auch die Aussage über Hoffnung und Zuversicht in

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Die vorgetragenen Erörterungen haben die beherrschende Stellung des Begriffs υπομονή in der paulinischen Theologie anzuzeigen versucht. Die Geduld ist die Manifestation der Hoffnung in der Gegenwart. Mit ihr steht die Hoffnung auf dem Spiel, und zwar deshalb, weil mit der Geduld die Wahrheit des Glaubens in Frage steht, der die Hoffnung aus sich heraussetzt. Die υπομονή ist einer der „Beweise des Geistes und der Kraft" (l.Kor. 2,4). Sie hat ihren Ort im Leiden. Wo das Leiden nicht mit Geduld getragen, überwunden wird, da siegt der Tod, der im Leiden gegenwärtig ist, da wird mit diesem Sieg die Herrschaft der Sünde bezeugt, deren Sold der Tod ist, und damit der Glaube als leer erwiesen. Sofern aber das Seufzen durch Geduld überwunden wird, leidet der Christ mit Christus mit und wird mit ihm verherrlicht. Indem er heute überwindet, offenbart er das Leben Jesu an seinem Leibe, bezeugt er die Hoffnung der Erlösung des Leibes, lebt er verborgen die Doxa-Freiheit der Kinder Gottes und nimmt damit als καινή κτισις die Verantwortung für die Schöpfimg wahr, die auf die Offenbarung der Söhne Gottes wartet. Wie diese letzte Assoziation anzeigt, läßt sich das Verhalten des Glaubenden als Leidenden nicht ablösen von seinem Verhältnis zur Umwelt. Noch deutlicher geht dies aus 2.Kor. 1,4 und l.Thess. 1 hervor: Die Tröstung, die der Apostel als Mitleidender erfährt, wird zur Tröstung der Gemeinde (2.Kor. 1,3 ff.). Sein Mitleiden dient dem Wirken des Lebens in ihr (2.Kor. 4,12). Dadurch, daß die Thessalonischer Nachahmer des Apostels geworden sind und das Wort in vieler Betrübnis mit Freude aufgenommen haben, sind sie zum Vorbild für alle Glaubenden in Makedonien und Achaia geworden (l.Thess. 1,6 f.). So besteht nicht nur ein Zusammenhang zwischen αγαπη und υπομονή in dem Sinne, daß der Christ beide Male unter je verschiedenem Aspekt — dort als Handelnder, hier als Erleidender — die Gabe des Geistes lebt. Vielmehr vermag die υπομονή selbst Ausdruck der αγαπη zu sein, die auferbaut. Diese Erkenntnis, daß die Begriffspaare πιστις — αγαπη und ελπις — υπομονή sich nicht nur entsprechen, wie im Zusammenhang der Auslegung von l.Thess. 1,3 zunächst festgestellt wurde, sondern daß sie direkt aufeinander bezogen sind, ist durch die Beobachtung vorbereitet, daß die Elpis konstitutives Element des Glaubens ist. Der Glaube selbst ist „Hoffnung gegen Hoffnung". Als solcher beinhaltet er die Geduld, die die Erscheinungsform der Hoffnung in der Gegenwart ist. Da aber der Glaube stets πιστις δι' αγαπης ενεργούμενη ist, steht auch die υπομονή im Zeichen der αγαπη, der Liebe Gottes und der mit ihr identischen Liebe der Glaubenden. Die Beschlossenheit von Liebe, Hoffnung und Geduld im Glauben hat 2.Kor. 3,12: εχοντες ουν τοιαυτην ελπίδα (sc. της δόξης) πολλή παρρησία χρωμεθα. 20»

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ihren Grund darin, daß der Glaube die Gabe des Geistes schlechthin ist, mit der alles übrige gesetzt ist. Es ließe sich freilich ebenso sagen, daß die Hoffnung oder die Liebe oder die Geduld die Gabe schlechthin sei und alle übrigen in ihr enthalten seien. Denn keine ist von den anderen zu trennen, da jede der Gaben Geschenk des einen unteilbaren Geistes, Wirkimg des Χρίστος εν ημιν ist. Nicht in der Form der Imitatio oder der Unio mystica, sondern als geistgewirktes Leben im Glauben, der durch die Liebe wirkt, und in der Hoffnung, die die Geduld schafft, vollzieht sich die Gleichgestaltung der Christen mit Jesus Christus in dieser durch den Tod gekennzeichneten Welt. Es ist Leben, das durch das Evangelium als Kraft Christi, des Geistes oder Gottes bestimmt ist und das die Differenz von Zeit und Ewigkeit transzendiert hat, weil bereits jetzt verborgen die Wirklichkeit herrscht, deren Offenbarung der Christ erhofft. Die Gleichgestaltung hat ihre Norm an dem Tode Jesu Christi, da durch sie der alte Mensch gestorben ist und im Tode bleibt. Sie ist als Gleichgestaltung mit dem Tode Jesu Christi jedoch zugleich Gleichgestaltung mit dem Wesen des verherrlichten Gottessohnes. Denn die Kraft der Gleichgestaltung mit seinem Tode ist die Kraft seiner Auferstehung. Kommt, hier noch einmal anthropologisch-soteriologisch das einheitliche Verständnis von Leiden/Tötung und Tod Jesu Christi zum Ausdruck, so läßt sich jetzt abschließend auch die Frage beantworten, warum Paulus überhaupt zwischen Leiden und Tod Jesu Christi unterscheidet, wenn beide in gleichem Sinne zu verstehen sind. Die Begriffsbildung τα παθήματα του Χρίστου ist nicht christologisch, sondern anthropologisch-soteriologisch motiviert. Paulus trägt mit ihr dem Tatbestand Rechnung, daß die Glaubenden in Zeit und Geschichte existieren, d. h. leiden, und arbeitet mit jenem Begriff und seinen Äquivalenten dies Phänomen christologisch auf. Die Leiden, die der Christ erfährt, sofern er in der Gemeinschaft der Leiden Christi lebt, sind die Leiden, die ihn in seinem Heute treffen. Sie sind „Leiden Christi", weil sie der Ort der Offenbarung Jesu Christi sind, d. h. weil sie durch den Glauben an Jesus Christus überwunden werden 48 . Da aber die Überwindung der Leiden ermöglicht ist durch das Leiden bzw. den Tod Jesu Christi, sind die „Leiden Christi" zugleich identisch mit den Leiden des Gekreuzigten. Die Möglichkeit, Identität und Geschichtlichkeit der Leiden als Leiden Christi, die der Glauben48 Vgl. Bultmann, Kirche 170: Die „Leiden Christi" sind „beliebige Leiden, die jeden treffen können, die freilich den Diener Christi in besonderem Maße treffen werden. Sie haben für den Gläubigen vermöge seiner Verbundenheit mit Christus einen neuen Sinn gewonnen; denn sein Leben und Sterben vollzieht sich in der Zugehörigkeit zum Herrn (Rom. 14,7-9; Phil. 1,21)."

II. καυχασθαι εν τω θεω δια κυρίου ημων Ιησού Χρίστου (Rom. 8,31—39)

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de heute als seine Leiden leidet, zu wahren, ist in der Größe begründet, die für Paulus gleichermaßen Nomismus wie Sakramentalismus und Mystizismus ausschließt: dem Geist als der Gegenwart des Gottessohnes, der die Brüder seinem Geschick gleichgestaltet.

II. καυχασθαι εν τω ·θεω δια κυρίου ημων Ιησού Χρίστου (Rom. 8,31-39) V. 31—39 umfassen den Abschnitt in Rom. 8, in dem mit der größten Sicherheit Tradition und Redaktion geschieden werden konnten. Denn das traditionelle Gut begegnete in Gestalt des Exemplars einer bestimmten Gattung und bot damit die beste Voraussetzung dafür, Überlieferung und paulinische Überarbeitung voneinander abzuheben. Im Rahmen dieses Arbeitsganges wurde die Interpretation der paulinischen Redaktion bereits ein gutes Stück weit vorangetrieben. Sie hatte in erster Linie zum Ziel, das Verhältnis von V. 31—39 zu den vorangehenden Ausführungen in Kap. 8 und in Rom. 1—8 insgesamt zu klären. Es zeigte sich, daß der Abschnitt einerseits 8,1—30 resümiert, andererseits von Paulus als Abschluß des Zusammenhangs Kap. 5—8 gedacht ist. Deshalb wird man die Frage „Was sollen wir nun dazu sagen?" (V. 31a), mit der Paulus den Abschnitt anschließt, nicht zu eng auslegen dürfen, (προς) ταύτα — damit ist gewiß das zuletzt von Paulus verhandelte Phänomen gemeint, daß die Christen dem Leiden ausgesetzt sind1. Aber dies Phänomen vertritt für Paulus die Wirklichkeit des Todes und wird von ihm vor dem Hintergrund seiner Verkündigung der Rechtfertigung aus Glauben erörtert. So wird mit V. 31a noch einmal die grundsätzliche Frage aufgenommen, die die Ausführungen in 5,1 ff. und 8,1 ff. veranlaßt hat: In welchem Verhältnis steht diese Verkündigung der iustificatio impii sola fide als des eschatologischen Heils zu dem Tatbestand, daß das Leben der Christen von Tod und Leiden gekennzeichnet ist2? Paulus selbst legt die Frage durch die folgenden Ausführungen in V. 31b—39 auf diesen Inhalt fest, indem er eben mit Hilfe der Überlieferung des katechetischen Formulars aufzeigt, daß die Rechtfertigung die Bewältigung der Wirklichkeit Tod und Leiden und damit das volle Heil einschließt3. Vgl. Haering, Rom. 81; Jeremias, Gedankenführung 270. Vgl. Lipsius (Rom. 142), der V. 31a auf 8,1 zurückbezieht, und Nygren (Rom. 251), der 8,31—39 als Zusammenfassung von Kap. 5—8 versteht. s Dies Gefalle von V. 31—39 ist im Kern von Schlatter (Rom. 288) erkannt, 1

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II. καυχασθαι εν τω θεω δια κυρίου ημων Ιησού Χρίστου (Rom. 8,31—39)

Wenn der Apostel in leichter sprachlicher Umgestaltung der Tradition 4 in V. 31b einsetzt: „Wenn Gott für uns ist . . .", so ist diese in Form eines Bedingungssatzes vorgetragene Feststellung gewiß zunächst Folgerung aus den bisherigen Darlegungen, die immer wieder das pro nobis Gottes verdeutlichen 5 . Und doch wird man nicht fehlgehen, wenn man auch für Paulus annimmt, daß dies Fürsein Gottes durch die Aussage über die Hingabe des Sohnes am Kreuz υπερ ημων πάντων noch einmal interpretiert wird (V. 32a). Die Parallelität der Sätze ει ο θεός υπερ ημων und ος γε . . . einerseits, τις καθ' ημων und πως ουχι . . . andererseits weist deutlich darauf hin. Mit der Beschreibung der Tat Gottes am Kreuz und ihrer Auslegung durch Paulus ist ein erster Höhepunkt innerhalb des Schlußabschnittes erreicht. Die allgemeine theologische Aussage „Wenn Gott für uns ist — wer kann gegen uns sein?" wird durch eine christologisch qualifizierte gedeutet: Er hat am Kreuz den eigenen Sohn dahingegeben — „wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?" Mit dieser Beteuerung, die in die Form einer rhetorischen Frage gefaßt ist, ist die Basis für die folgenden Ausführungen gelegt, und zwar insbesondere für die paulinische Überarbeitung in V. 35—39. Der Verweis auf den Kreuzestod Jesu Christi und die aus seiner Hingabe durch Gott gewonnene Verheißung, er werde συν αυτω τα παντα ημιν χαρισεται, fassen im voraus zusammen, was in V. 35—39 näher entfaltet wird. Durch die Verstärkungen ουκ εφεισατο, αλλα und πάντων deutet Paulus bereits in V. 32a an, daß er die Hingabe Jesu Christi am Kreuz als Ausdruck der Liebe Gottes versteht 6 . Und indem er aus dieser Tat der Liebe Gottes die Gegenwart und Zukunft umfassende Heilsgewißheit der Glaubenden folgert, läßt er schon hier anklingen, was in V. 35—39 vollends zum Ausdruck kommt: Die Kontinuität christlicher Existenz in Gegenwart und Zukunft ist die Liebe Gottes, die Gott in Jesus Christus erwiesen hat und die deshalb das Unterpfand des Heils schlechthin ist. Der Apostel greift damit unverkennbar auf den Anfang seiner Darlegung in Rom. 5—8 zurück, wo er den Tod Jesu Christi ausdrücklich wenn er, von der Deutung des Verses 34 zu der von V. 35 ff. überleitend, sagt: „Nachdem die Liebe des Christus die Schuld überwunden hat, überwindet sie auch den Druck und die Pein, die die Welt der Gemeinde bereitet." * Siehe oben, S. 23 f. 5 Vgl. ζ. B. 8,3, sodann bes. zuletzt V. 28—30 und bereits oben, a.a.O. • Vgl. hierzu auch 5,8 (bes. angesichts des Zusammenhangs zwischen 5,1—11 und 8,31—39), ferner Spicq, Agape I, 252 und Romaniuk, L'amour 219: „Toute l'expression ,Dieu n'a pas epargn£ son propre fils, mais l'a ΙίνΓέ pour nous tous' rend bien, surtout k cause de contexte (VV. 35 et 39), la grandeur de la chariti de Dieu et revele la source et la motif de l'cevre redemptrice, c'est a dire la chaπΐέ." Möglicherweise spielt Paulus mit ουκ εφεισατο auf Gen. 22 an. Vgl. hierzu Blank, Paulus 294 ff.; Dahl, Atonement 15 ff.

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als Erweis der Agape Gottes und als Grund der Zukunftsgewißheit bezeichnet (5,8 f.). In jenem Zusammenhang spricht Paulus ferner aus, daß die in Jesus Christus erzeigte Liebe Gottes den Glaubenden in Gestalt des heiligen Geistes geschenkt ist (5,5). Diese Bestimmung macht deutlich, daß die Wirklichkeit des Geistes, selbst wenn der Begriff Pneuma in 8,31—39 nicht mehr begegnet, auch in diesem Abschnitt im Spiel ist7. Trotzdem ist es kaum ein Zufall — und wäre auch mit dem Hinweis auf die Übernahme von Tradition durch Paulus nur vordergründig erklärt —, daß der Apostel in V. 32 die Gewißheit des Heils nicht mit dem Empfang des Geistes begründet, sondern mit der Tat Gottes am Kreuz. Sie ist das Urdatum aller Rede vom Heil, und darum führt Paulus sie ins Feld, wenn es wie hier darum geht, in resümierendem Abschluß die Gewißheit des Glaubens in der Gegenwart und für die Zukunft zu begründen 8 . Die Behauptung, daß Paulus darauf abzielt, die Gewißheit des Heils im Hinblick sowohl auf die Zukunft als auch auf die Gegenwart zu begründen und zu formulieren, ist durch die Bestimmung τα παντα (V. 32b) und deren Deutung im folgenden, wiederum besonders in V. 35—39, gedeckt. In der Aufzählung V. 35b, die Paulus eingefügt hat, sind lauter Widerfahrnisse genannt, die den Christen in Gegenwart und Zukunft treffen können. Und den Katalog V. 38 f. hat der Apostel selbst um die Bestimmungen ergänzt 9 , daß „weder Tod noch Leben", „weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges" die Glaubenden von der Liebe Gottes zu trennen vermögen 10 . Mit dieser Deutung von τα παντα als Gewährung des Heils in Gegenwart und Zukunft ist zugleich in gewissem Sinne über die Bedeutung der Bestimmung συν αυτω (V. 32b) entschieden. Sie bezieht sich nicht exklusiv auf die zukünftige Auferweckung συν Χριστώ, wie sie etwa Rom. 6,5; 2.Kor. 4,14; l.Thess. 4,14 angesprochen ist. Vielmehr 7

Vgl. hierzu auch die treffende Bemerkung von Tibbe (Geist 50) zu V. 31—39 insgesamt: „Wo in einer solchen Weise die Gegenwart Gottes beim Menschen bezeugt wird, wie es hier geschieht, haben wir es mit der Wirklichkeit des Heiligen Geistes zu tun." 8 Der Rekurs auf den Kreuzestod Jesu Christi in V. 32 bekräftigt die Sachgemäßheit des in den vorangegangenen Darlegungen, zuletzt im Zusammenhang der Auslegung von V. 28—30 (s. oben, S. 280 f.), immer wieder unternommenen theologischen Einsatzes bei der Verkündigung vom Tode Jesu am Kreuz als grundlegender Heilstat Gottes. Zur Bedeutung von V. 32 im Zusammenhang von V. 31 ff. vgl. audi Luz, Geschichtsverständnis 372: „Mit solcher Gewißheit Aussagen über Gott zu machen, ist nur aufgrund seiner Tat in Christus möglich." 9 Siehe dazu oben, S. 40 ff. 10 Zur Deutung von τα παντα auf Gegenwart und Zukunft vgl. auch (mit je verschiedenem Akzent) Schweizer, „Mystik" 191 und Luz, Geschichtsverständnis 370 A. 47. Zum Inhalt von τα παντα s. Lipsius, Rom. 142: „nicht das Weltall, sondern alles, was Christo eigen ist".

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besagt sie der Deutung von τα παντα gemäß, daß den Glaubenden mit dem dahingegebenen Gottessohn in Gegenwart und Zukunft das volle Heil geschenkt wird. Die indirekte Verheißung V. 32b scheint deshalb allgemeinere Umschreibung dessen zu sein, was Paulus in 8,17b mit der christologisch bestimmten Vorstellung des Erbes gesagt hat: „Miterben aber Christi, wenn wir denn mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden." Wie die Miterbschaft als Mitleiden und Mitverherrlichtwerden συν Χριστώ Gegenwart und Zukunft umschließt, so die Verheißung V. 32b11. Dieser Zusammenhang von V. 32 mit V. 17 bekräftigt erstens in der bisherigen Interpretation von V. 32 auf dem Hintergrund von V. 35—39. Denn in diesen Versen wird ja von Paulus das Thema Leiden erneut ausdrücklich angeschnitten. Er bietet zweitens einen weiteren Ansatzpunkt, um den Zusammenhang von V. 31—39 mit den Pneuma-Aussagen in V. 1—30 in den Blick zu bekommen. Denn das συν αυτω (sc. Χριστω)-8βίη der Glaubenden ist ja Umschreibung der Gegenwart des Geistes Jesu Christi in ihnen. Die beiden Frage-Antwort-Einheiten V. 33 und V. 34 sind von Paulus unverändert übernommen. Da sie als Uberlieferung bereits interpretiert wurden 12 , mögen wenige Überlegungen genügen. Im jetzigen Kontext rekapitulieren V. 33 f. die Grundlage der paulinischen Argumentation in Rom. 5,1 (ff.) und 8,1 (ff.). Gottes Tat in Jesus Christus erweist ihn als δίκαιων. Weil das Verhältnis Gottes zum Menschen durch die göttliche Gerechtigkeit bestimmt ist, darum brauchen die Glaubenden keine Anklage zu fürchten. Ebensowenig gibt es für sie eine Verurteilung. In 8,1 hieß es, daß die Glaubenden der Verurteilung als οι εν Χριστώ Ιησού οντες entnommen sind, und diese Vergewisserung wurde mit den Aussagen über ihr Verhältnis als Pneumatiker zum Gesetz begründet. Demgegenüber verweist V. 34 auf die himmlische Intercessio des Erhöhten als Grund für die Freiheit von der Verurteilung 13 . Wie im Zusammenhang der Erörterung von V. 32 fällt wiederum auf, daß Paulus in dem Schlußabschnitt dasselbe Phänomen, das er in 8,1—30 pneumatologisch begründet, christologisch fundiert 14 . Wie dort sind auch hier beide Aussagen im Ver11

Zum Zusammenhang von V. 32 mit V. 17 vgl. auch Gaugier (Rom. 346) und Michel (Rom. 215 mit Α. 1), die συν αυτω richtig auf die in V. 17 angesprochene gegenwärtige Christusgemeinschaft, τα παντα jedoch allem Anschein nach allein auf die Zukunft beziehen. 12 Siehe oben, S. 47 ff. 13 Zu V. 34d als entscheidender Aussage von V. 34 im Zusammenhang von V. 3 1 - 3 9 s. oben, S. 38 f. 48. 14 Und zwar gilt dies in doppelter Hinsicht: Einmal insofern in V. 34 die Freiheit der Christen von der Verurteilung dem Erhöhten zugeschrieben wird, während sie nach 8,2 ff. Werk des Geistes ist; zum anderen insofern in V. 34 das Wirken des Erhöhten als εντυγχανειν υπερ bezeichnet wird, also mit einem Begriff,

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hältnis der Komplementarität zu sehen. Paulus selbst hat den Zusammenhang in 8,9—11 hergestellt, indem er das Pneuma als Geist Christi, ja als Christus selbst bestimmt. Damit hat er angedeutet, von welcher Voraussetzung her er die bei ihm sonst nicht begegnende Aussage über die Intercessio des Erhöhten aufzunehmen vermag 15 . Die Erfüllung der Rechtsforderung des Gesetzes „unter uns, die wir . . . nach dem Geist wandeln", ist Gabe des Kyrios und bleibt der menschlichen Verfügung entzogen. Die Glaubenden bleiben die, die auf das Eintreten des Erhöhten angewiesen sind 16 . Der Zusammenhang mit 8,1 ff., in den V. 33 f. aufgenommen sind, macht so zugleich deutlich, daß die in V. 31 ff. vorgestellte Prozeßsituation nach Paulus noch eindeutiger als im Fall der von ihm übernommenen Überlieferung kein Ereignis ist, das erst für die Zukunft erwartet wird, sondern daß sie ein permanentes Geschehen umschreibt. Denn die δικαιοσύνη θεού ist ja den Glaubenden εκ πίστεως geschenkt, ihr Gottesverhältnis ist durch die göttliche Gerechtigkeit bestimmt und wird als solches durch den Christus Intercessor gegenwärtig wie auch zukünftig gewahrt 17 . Mit seinem fürbittenden Eintreten υπερ ημων nimmt Jesus Christus gegenwärtig seine Hingabe in den Tod durch Gott υπερ ημων πάντων wahr. Diese Hingabe war V. 32 implizit als Ausdruck der Agape Gottes verstanden. In V. 37 bezeichnet Paulus Jesus Christus selbst als ο αγαπησας ημας, und zwar im Hinblick auf seinen Kreuzestod18. Wenn der Apostel in V. 35 mit der Tradition fragend fortfährt: der in V. 26 f. zur Umschreibung des Wirkens des Geistes dient. Allerdings ist angesichts des sachlichen Zusammenhangs zwischen V. 1 (ff. „keine Verurteilung") und V. 33 („Wer wird verurteilen?") das Gewicht auf den erstgenannten Zusammenhang zu legen. 15 Vermutlich aus demselben Grund der Identität von Pneuma und erhöhtem Christus hat er in V. 26 f. die Vorstellung vom Geist als engelhaftem Fürsprecher aufnehmen können. Vgl. A. 14. 16 Vgl. die entsprechende positive Formulierung von Bornkamm, Taufe 45: Jesus Christus „hat ihnen (sc. den Seinen) den Zugang zum Vater nicht nur aufgetan, sondern hält ihn offen: ,durch ihn haben wir Frieden mit Gott' (Rom. 5i), so, daß er beständig für die Seinen eintritt (Rom 834)". 17 Entsprechend ist auch das „Gericht" ständige Gegenwart. Denn die Gabe der Gerechtigkeit Gottes impliziert ja die Zerstörung des alten, von der Sünde beherrschten Menschen. Die Prozeßsituation dauert an bis zur zukünftig-eschatologischen Offenbarung. Nur in diesem modifizierten Sinn läßt sich im Hinblick auf die Ausführungen bei Paulus sagen, daß „das Gericht selbst zukünftig bleibt" (Luz, Geschichtsverständnis 372; vgl. oben, S. 27 A. 4). Zum Verständnis des (zukünftigen) „Gerichts (über die Christen) nach Werken" bei Paulus, das außerhalb des Blickfeldes von Rom. 8,31-39 liegt, s. Fischer, Leiden 124ff.; Mattern, Gericht 123 ff.; Synofzik, Gerichtsaussagen. 18 Siehe oben, S. 52 mit A. 2.

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„Wer wird uns trennen von der Liebe Christi?", so ist die αγαπη του Χρίστου im Sinne dieses Zusammenhangs zu verstehen. Sie ist die Liebe, die der Gottessohn mit seinem Tod erwiesen hat und die er mit seinem himmlischen Eintreten für die Glaubenden vollzieht19. Wie die Liebe Gottes bzw. Christi die Kontinuität der Existenz der Glaubenden, so ist die Liebe des Gottessohnes seine Identität als Irdischer und Erhöhter. Diese Liebe des Gekreuzigten und Erhöhten ist die Wirklichkeit, auf die Paulus in V. 35b ff. — wie bereits ansatzweise und allgemeiner in V. 32 — die Erscheinungen im Leben der Christen bezieht, die die Gewißheit des Heils in Frage stellen, allen voran Leiden (V. 35b) und Tod (V. 38). Die in dem Peristasenkatalog V. 35b aufgezählten bedrängenden Widerfahrnisse, „die bereits in LXX formelhaft in verschiedenen Zusammenstellungen das Menschen (sc. aufgrund ihrer Gottlosigkeit) treffende Unheil schildern"20, werden von Paulus mit Hilfe von Ps. 44,23 als ständige Tötung ενεκεν σου interpretiert. Bezieht sich das Personalpronomen in Ps. 44 auf Gott, so wird man es im Kontext von Rom. 8, genauer: im Hinblick auf V. 34.37 und die Rede vom συμπασχειν (Χριστώ) in V. 17, sowie aufgrund der Parallelstellen außerhalb des Römerbriefes21 auf Jesus Christus zu beziehen haben22. Nicht in der Sünde, sondern in ihm haben jene Widerfahrnisse ihren Grund23. Wenn Paulus in Rom. 8,35 f. zunächst in dem Peristasenkatalog Phänomene aufzählt, die er sonst zur Um19 Zum Verständnis des Eintretens Jesu Christi als Ausdruck seiner Liebe s. auch Balz, Heilsvertrauen 121; Käsemann, Rom. 239. 20 Münderlein, Interpretation 138; vgl. den Nachweis ebd. 138 ff. Rom. 2,9 ist nach Münderlein der Beleg dafür, daß auch Paulus „die Verwendung dieser Unheilsschilderungen in den Droh- und Fluchworten" des AT bekannt ist (ebd. 140). Doch ist gerade von dieser Stelle her zu vermuten, daß Paulus die fraglichen Begriffe nicht direkt aus dem AT, sondern indirekt über die apokalyptische Tradition, in die sie eingegangen sind, überkommen hat. Vgl. Schille, Liebe 239. Zu vermuten ist, daß θλιψις und στενοχώρια im Hinblick auf die genannte Stelle Rom. 2,9 in 8,35 an den Anfang gestellt sind. Vgl. oben, S. 41 A. 21. 21 Vgl. 2.Kor. 4,11 (in den Tod gegeben werden δια Ιησουν); 12,10 (Wohlgefallen haben an Schwachheiten υπερ Χρίστου); Phil. 1,29 (leiden υπερ Χρίστου). 22 Zum Verständnis der Psalmstelle im rabbinischen Judentum s. Bill. IV, 259 f. Sie wird dort vornehmlich auf die angewandt, die den Märtyrertod erlitten haben. Paulus schließt zwar seinen Katalog V. 35b auch mit dem Begriff μαχαίρα ab; wie die übrigen Glieder der Aufzählung zeigen, ist jedoch der gewaltsame Tod nur eine unter vielen Möglichkeiten, „den ganzen Tag um deinetwillen getötet" zu werden. 23 Münderlein, Interpretation 140 f. Er läßt jedoch die Frage, ob ενεκεν σου auf Gott oder auf Jesus Christus zu beziehen ist, offen bzw. bezieht es auf beide. Dadurch kommt der Zusammenhang mit den Aussagen über das „Leiden mit Christus" (V. 17, vgl. V. 29 f. 32) nicht genügend zur Geltung.

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Schreibung seiner Leiden als Apostel anführt24, und wenn er das Betroffensein der Christen von diesen Erscheinungen dann wie in jenen Zusammenhängen, in denen von den „apostolischen Leiden" die Rede ist, als ständiges Getötetwerden ενεκεν σου deutet25, so ist dies noch einmal ein eindrückliches Beispiel für die Fraglichkeit der These, die Leiden des Apostels und der Gemeinde seien unterschiedlich qualifiziert28. Ist dies Problem bereits ausgiebig erörtert, so scheinen angesichts des Zusammenhangs von Rom. 8,17 und Rom. 8,35 ff. einige exkursartige Überlegungen zu der Frage angebracht, in welchem genaueren Verhältnis die Rede vom συμπασχειν (Χριστώ) und dem -θανατουσθαι ενεκεν σου (sc. Χρίστου) stehen. Bei Paulus selbst wird dies Verhältnis nirgends ausdrücklich bestimmt. Die Aussagen in den einschlägigen paulinischen Leidenstexten lassen folgendes erkennen: Beide Aussagereihen — die über das συμπασχειν (Χριστώ) bzw. das mit ihm identische Erleiden der παθήματα του Χρίστου und der νεκρωσις του Ιησού und die über das θανατουσθαι ενεκεν σον bzw. das mit ihm identische παραδιδοσθαι δια Ιησουν und πασχειν υπερ Χρίστου — konkurrieren nicht miteinander, sondern betrachten dasselbe Geschehen unter verschiedenen Aspekten. Apostel und Gemeinde leiden ενεκεν σου (υπερ Χρίστου), sofern sie Leiden im Vollzug der Verkündigung Jesu Christi oder aufgrund des Glaubens an ihn treffen. Diese Leiden aber, die im Wandel in Christus ihren Grund haben, sind ebenso wie die Leiden, die zum Glaubenden als θνητον σωμα und ohne die spezielle Situation der Verkündigung bzw. des Bekenntnisses gehören, das Geschehen, bei dem das Leben Jesu auf dem Spiel steht: Sie sind „Leiden Christi", „Mitleiden mit Christus", sofern sich in diesem Leiden das Leben Jesu offenbart, indem die Glaubenden kraft des Geistes die Leiden überwinden. In Weiterführung der paulinischen Gedanken wäre es demnach möglich, daß jemand ενεκεν Χρίστου leidet, aber nicht συν Χριστώ, dann nämlich, wenn er zwar um Verkündigung oder Bekenntnis willen in Leiden geriete, sie aber nicht überwände. Freilich ist dies lediglich der Aufweis einer Möglichkeit. De facto dürfte für Paulus außer Frage stehen, daß der, der ενεκεν Χρίστου leidet, das Leiden auch im Sinne des Mitleidens mit Christus lebt. Vielleicht könnte man, diesen Gedanken verfolgend, fortfahren: Wer für Paulus dem Augenschein nach zwar „Christi wegen", aber nicht die „Leiden Christi" leidet, der hat in Wahrheit auch nicht „für Christus" gelitten, sondern lediglich προφασει υπερ Χρίστου (Phil. 1,18). So lassen sich die Überlegungen zur Frage nach dem Verhältnis der fraglichen Leidensaussagen wie folgt zusammenfassen: Weil es für Paulus kein Leiden der Christen gibt, das nicht „Mitleiden mit Christus" ist, darum ist auch das Getötetwerden um Christi willen stets Erleiden der „Leiden Christi", Überwindung des Leidens als Gegenwart des Todes durch den Geist Jesu Christi und damit Offenbarung seines Lebens. Und weil es umgekehrt kein Erleiden der „Leiden Christi" gibt, das nicht Vollzug der Christuszugehörigkeit ist, so ist in diesem Sinne jedes συμπασχειν Χριστώ zugleich auch Getötetwerden um Christi willen27. 24

Vgl. z.B. 2.Kor. 1,3ff. (θλιψις); 4,8 (θλιβεσθαι, διωκεσθαι); 6,4 (θλίψεις, στενοχωριαι); 11,27 (λιμός, γυμνοτης); 12,10 (στενοχώρια, διωγμός). 25 Vgl. 2.Kor. 1,9 f.; 4,11. 29 Gegen Güttgemanns, Apostel passim. Vgl. oben, S. 297 mit A. 23 u. ö. 27 In diesem Sinne ist Lietzmann (Rom. 88) zuzustimmen, wenn er zu V. 36 sagt: „es ist der Gedanke des συμπασχειν Χριστώ V. 17".

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Das Getötetwerden „deinetwegen" ist die Art und Weise, in der sich das Totsein der Christen als Soma vollzieht, sofern sie Erleidende sind 28 . Darin, daß es Getötetwerden Christi wegen ist, ist bereits mitgesetzt, was Paulus in V. 37 den Widerfahrnissen entgegenstellt und was sie zum συμπασχειν Χριστώ macht: „Aber in allen diesen (Dingen) tragen wir den Sieg davon durch den, der uns geliebt hat." Die Gegenwart Jesu Christi, der durch seine Hingabe am Kreuz Sünde und Tod überwunden und so seine Liebe zu „uns" bekundet hat, ist die Kraft, die den Glaubenden den Sieg über den Tod verleiht, der im Leiden nach dem Menschen greift 29 . In der Möglichkeit der Uberwindung zeigt sich, daß die Glaubenden nicht verurteilt, sondern gerechtfertigt sind 30 , und erweist sich damit ihre Untrennbarkeit von der Liebe Christi. Unverkennbar ist die Nähe dieser Aussage V. 37 zu V. 28. Indem Paulus in V. 37 in Gestalt einer christologisch begründeten persönlichen Gewißheitsaussage formuliert, was er V. 28 in Form einer erweiterten Sentenz gesagt hat, verdeutlicht er wie bereits in der Begründung V. 29 f., daß Ratschluß und Berufung Gottes in Jesus Christus ihren Grund haben und das Wirken aller Dinge εις αγαθόν in der Befähigung der Glaubenden zur Überwindung besteht. In dem durch Jesus Christus gewirkten υπερνικαν der Glaubenden im Leiden geschieht verborgen und angeldweise die Mitverherrlichung im Mitleiden 31 . Denn die Liebe des Gekreuzigten ist Gegenwart als die Liebe des zur Herrschaft erhöhten Jesus Christus, der für die Glaubenden eintritt 32 und ihnen mit seiner Liebe Anteil gibt an seiner Macht 33 . 28

Vgl. oben, S. 292 ff. und Michel, Rom. 217: „Man könnte sagen, daß in all diesen Bedrängnissen sich ein ,Sterben' bzw. Zerstörtwerden des alten Menschen vollzieht (II Kor 4,16)." 29 Die entscheidende Differenz zwischen Rom. 8,37 und der fast wörtlichen Parallele bei Epiktet (s. oben, S. 28 A. 4) kommt mit der Bestimmung δια του αγα.τησαντος ημας in den Blick (vgl. Bauernfeind, ThWb IV, 945). Mit anderen Worten formuliert Paulus denselben Sachverhalt Phil. 4,13: παντα ισχύω εν τω δυναμουντι με (nämlich den Kyrios, s. V. 10). Vgl. auch oben, S. 23 mit A. 17. 30 Vgl. den Zusammenhang von θλιψις und στενοχώρια mit dem Gerichtsgedanken in Rom. 2,9 und dazu bereits oben, S. 314 A. 20. 31 Mit Recht erinnert Spicq (Agape I, 255) im Zusammenhang der Auslegung von V. 37 an V. 17: „c'est dans la conformite au Christ humilie et douloureux que l'on est assure de parvenir ä la c o n f o r m ^ au Christ glorieux (VV. 17—18)". Allerdings ist gegen Spicq im oben angedeuteten und zuvor ausgeführten Sinne die Anteilhabe am Gekreuzigten und Erhöhten dialektisch zu verstehen: Der Erhöhte gestaltet die Glaubenden sich als Gekreuzigtem gleich und gibt ihnen so Anteil an seiner Doxa. 32 Vgl. Romaniuk, L'amour 13; Thüsing, Per Christum 221 f. 33 Zum Zusammenhang von V. 37 mit V. 28 vgl. auch Spicq, AgapS I, 254 f. und Schille, Liebe 236.

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Wenn Paulus in V. 38 f. fortfährt: πεπεισμαι γαρ . . s o ist diese bekenntnishafte Aussage ebenso Begründung von V. 37 wie Schlußfolgerung aus den bisherigen Ausführungen in V. 31—39 insgesamt. Der Charakter als Folgerung zeigt sich daran, daß der Apostel, nachdem er in Y. 32 (sachlich) von der Liebe Gottes und V. 35.37 von der Liebe Christi gesprochen hat, nun in V. 39 beides in der Rede von der „Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn" zusammenfaßt und so „die Einheit der Tat Gottes und Christi" 34 zum Ausdruck bringt. Sie ist die Agape, die Gott mit der Hingabe seines Sohnes erwiesen und die dieser selbst mit seinem Tod erzeigt hat und gegenwärtig mit seinem Eintreten für die Glaubenden ausübt. Begründung für V. 37 bzw. für die von Paulus in die vierte Frage-AntwortEinheit eingefügten Verse 35b—37 sind V. 38 f. insofern, als der Apostel hier — die ursprüngliche Antwort des katechetischen Formulars aufnehmend und erweiternd — noch einmal die Voraussetzung dafür nennt, daß die Glaubenden in allen genannten Situationen zu überwinden vermögen: Nichts vermag sie von der Liebe Gottes in Jesus Christus zu trennen. Deshalb tragen sie den Sieg davon. Indem Paulus an den Anfang des Katalogs den Begriff θανατος stellt, hebt er noch einmal hervor, daß die von ihm in V. 35b bezeichneten Leidenssituationen Erscheinungsweisen des Todes in der Gegenwart sind und daß die Wirklichkeit des Todes es ist, um deren theologische Aufarbeitung es ihm in Rom. 8 geht. Durch die weitere Ergänzung ούτε ενεστώτα ουτε μέλλοντα aber bezeugt er, daß die Gewißheit der Liebe Gottes Gegenwart und Zukunft umgreift. Es mag offenbleiben, ob Paulus mit der Einführung jener vier Glieder „Tod/Leben", „Gegenwärtiges/Zukünftiges" die übrigen hat ergänzen oder korrigieren wollen. In jedem Fall tragen sie den Akzent. Der sachliche Zusammenhang zwischen V. 37 und den Ausführungen in 8,1—30 hatte gezeigt, daß die Überwindung als gegenwärtige Gestalt des δοξαζεσθαι der Glaubenden anzusehen ist35. Noch in anderer Hinsicht lassen Rom. 8,31—39 eine Möglichkeit erkennen, bereits mit Blick auf die Gegenwart davon zu sprechen, daß die Glaubenden an der Doxa Gottes teilhaben. Nach Rom. 1 sind die Heiden deshalb sich selbst verfallen (V. 24) und leben in Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit (V. 18), weil sie Gott ουχ ως θεον εδοξασαν η ηυχαριστησαν (V. 21), sondern ηλλαξαν την δοξαν του αφθαρτου -θεού εν ομοιωματι εικονος φθαρτού άνθρωπου . . . (V. 23). Wenn Paulus in Rom. 3,23 zusammenfaßt: πάντες γαρ ημαρτον και υστερουνται της δόξης του 34

Bultmann, Theol. N T 292. Vgl. oben, S. 316 zum Verhältnis von V. 37 zu V. 28, ferner bereits oben, S. 268 f. sowie H. Kittel, Herrlichkeit 195 und Balz, Heilsvertrauen 122. 35

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θεου, so dürfte der Verlust der Doxa in eben jenem mangelnden δοξαζειν Gottes ως θεον begründet sein. In Rom. 4,20 interpretiert Paulus entsprechend den Glauben Abrahams, der ihm zur Gerechtigkeit angerechnet wurde, durch: δους (sc. Αβρααμ) δοξαν τω θεω, nämlich durch seine Hoffnung auf den totenerweckenden Gott. Rom. 8,51—39 lassen sich, wie eingangs der Untersuchung nachgewiesen wurde 38 , zwar nicht formgeschichtlich als „Hymnus" bestimmen und sind deshalb auch kein direktes Gotteslob oder δοξαζειν Gottes 37 . Und doch weisen die Verse eine Beziehung dazu auf. Es wurde bereits angedeutet, daß sie ein Beispiel für das sind, was Paulus als καυχασθαι επ' ελπιδι της δόξης του θεου, als καυχασθαι εν ταις θλιψεσιν (Rom. 5,2 f.) bzw. zusammengefaßt als καυχασθαι εν τω θεω δια κυρίου ημων Ιησού Χρίστου (Rom. 5,11) bezeichnet 38 . Als solches ist es spezifisch christliches Reden, wenn anders Paulus selbst dies Sichrühmen als eine Möglichkeit derer darstellt, die aus Glauben gerechtfertigt sind (Rom. 5,1 ff.). Es scheint, daß es damit die unverwechselbare Form für den Christen ist, die Möglichkeit des δοξαζειν τον θεον wahrzunehmen, die ihm durch Jesus Christus eröffnet ist. Wie Rom. 4,20 im aufgewiesenen Zusammenhang bekundet, ist das διδοναι δοξαν τω θεω der Modus, in dem der Mensch an der Doxa Gottes teilhat. Entsprechend ist das „Sichrühmen in Gott durch unseren Herrn Jesus Christus", das Paulus in Rom. 8,31—39 unternimmt, eine der Weisen, in denen der Gerechtfertigte bereits in der Gegenwart der Herrlichkeit Gottes teilhaftig ist39. Das Sichrühmen in V. 31—39 beinhaltet die Gewißheit der Liebe Gottes in Jesus Christus, die im Uberwinden der Christen gegenwärtig ist und die in diesem Überwinden Anteil an der 36

Siehe oben, S. 14 ff. Der hymnisch anmutende Ton des Abschnittes ist partiell in dem zugrundeliegenden katechetischen Formular angelegt, insofern dieses von unumstößlicher Glaubensgewißheit bestimmt ist und vor allem in der vierten Antwort eine Aufzählung von Mächten bringt, wie sie häufig in Hymnen begegnet (vgl. oben, S. 43). Doch sind dies nur schwache Ansätze. Im wesentlichen ist jener Ton von Paulus eingebracht, und zwar dadurch, daß er die Siegesgewißheit auf vielfache Weise verstärkt hat: durch den mehrfachen Gebrauch von πας (2x in V. 32; V. 37; vgl. als Hymnus Kol. 1,15—20), durch die rhetorische Frage V. 32b insgesamt, durch die „schier im Überschwang" (Gaugier, Rom. 353) formulierte Behauptung V. 37, die den Katalog V. 38 f. einleitende Beteuerung πεπεισμαι γαρ und den „betont e n ) und feierlich(en)" (Michel, Rom. 219) Abschluß V. 39b. 38 Siehe oben, S. 59 f. 39 Vgl. hierzu auch 2.Kor. 4,15 im Zusammenhang von 4,7—18: Das Wachsen der Gnade und die Steigerung des Dankes durch sie geschieht εις την δοξαν του θεου. Die ευχαριστία ist die Offenbarung des „Lebens Jesu" in der Gemeinde (s. oben, S. 296) und Modus ihrer Teilhabe an der Doxa Gottes, wenn anders die Danksagung zu seiner Ehre geschieht. In Gestalt des Lobpreises nimmt damit der Glaubende gegenwärtig die Verheißung wahr, Gottes Ebenbild zu sein. Vgl. oben, S. 284 A. 101. 87

Zusammenfassung

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Doxa schenkt. Deshalb stimmen in Rom. 8,31—39 Form u n d Inhalt vollendet überein, auch wenn sich die Verse in der vorliegenden Gestalt keiner Form oder Gattung im formgeschichtlichen Sinne zuordnen oder als solche bestimmen lassen. So wird der Schlußabschnitt als eine paulinische Schöpfung transparent, in der Paulus eine geformte Überlieferung der Gemeinde seinem Ziel dienstbar gemacht hat, die Glaubenden des Heils mit einem Beispiel d a f ü r zu vergewissern, was es heißt: καυχασθαι εν τω θεω δια κυρίου ημων Ιησού Χρίστου. Die vom Glauben her formulierte Frage des unerlösten Menschen: „Wer wird mich erretten aus diesem Todesleibe?" findet ihre Antwort in dem vom Geist gewirkten καυχασθαι des Gerechtfertigten: „Weder Tod noch Leben . . . kann uns trennen von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn." 4 0

SCHLUSS Zusammenfassung Die vollzogene Scheidung von Tradition u n d Redaktion in Rom. 8 zielte darauf ab, die paulinischen Aussagen in diesem Kapitel zu profilieren. So soll auch der Abschluß dazu dienen, die Kennzeichen der paulinischen Soteriologie, wie sie anhand der Erörterung von Rom. (5—) 8 in den Blick gekommen sind, in ihrem inneren Zusammenhang anzudeuten. Die paulinische Lehre von der Erlösung ist bestimmt von dem Urdatum des christlichen Glaubens, der Gewißheit, daß der Gekreuzigte von den Toten auferweckt worden ist. Sie entfaltet diese Gewißheit in der unlöslichen Einheit von Christologie, Pneumatologie und Eschatologie. Gilt das Geschick des Gekreuzigten u n d Auferweckten als eschatologische Heilstat, so ist damit bereits bezeichnet, worauf sich die Erlösung bezieht. Sie ist Errettung aus der Macht des Todes. Der Tod wird von Paulus theologisch als Wirklichkeit verstanden, die von Gott trennt und als solche in der Verfehlung des Menschen gründet. D a r u m ist die Entfaltung der Gewißheit, daß Jesus Christus auferweckt worden ist, Auslegung seines Todes als des Geschehens, durch das dem Tod die vernichtende Kraft genommen ist: Sie ist Interpretation des Kreuzes als eschatologische Verurteilung oder Uberwin40 Diese Antwort bleibt dabei auf jene Frage angewiesen. Denn ohne Wissen um das, was in Rom. 7 entfaltet ist, würde der Dank ersterben.

320

Schluß

dung der Sünde. Die Sünde wiederum hat ihren Ort in dem Verhältnis des Menschen zum Gesetz. Darum ist die Auslegung jener Gewißheit weiter Deutung des Kreuzes als Erfüllung des Gesetzes, welche den Menschen vom Nomos als einer Größe befreit, die ihn in der Einsamkeit der Gottlosigkeit einschließt. So ist die paulinische Lehre vom Gesetz in der Christologie des Apostels angelegt. Der Tod Jesu Christi ist Heilstat, weil er eschatologisches Handeln Gottes zugunsten des Menschen in der Zeit ist. In dieser Struktur des Heilsgeschehens ist es begründet, daß sich die Erlösung des Menschen als Gleichgestaltung mit dem Tode des Gottessohnes vollzieht. Sie ist als solche Tat des erhöhten Christus. Denn die Gleichgestaltung geschieht kraft des Geistes, der der Geist Jesu Christi ist. Die Gleichgestaltung mit dem Tode des Gottessohnes ist so die paradoxe Form der Anteilhabe der Glaubenden am erhöhten Christus, ihrer Freiheit vom Tode. Sie ist identisch mit dem Glauben, der durch die Liebe wirkt, und der Geduld, die durch die Hoffnung des Glaubens geschenkt ist. Die Gleichgestaltung ist damit Umschreibung des Geschehens der „Rechtfertigung aus Glauben". Weil sie ihren Bezugspunkt in dem Tode Jesu Christi hat, darum muß im Rahmen der Pneumatologie erneut das Gesetz zur Sprache kommen. Und da die Gleichgestaltung Werk des Geistes Jesu Christi ist, kann sie sich nicht anders darstellen als Befreiung vom Gesetz in Form seiner Erfüllung, die sich pneumatisch vollzieht in der Identität von Zerstörung und Neuschaffung des Menschen. In dem Verständnis des Pneuma als Geist Jesu Christi und in der Bestimmung seines erlösenden Handelns als Gleichgestaltung mit dem Tode des Gottessohnes erweist sich die Pneumatologie als durch und durch christologisch bestimmt. Wahrt die Christologie das extra nos der Erlösung, so die Pneumatologie in ihrer christologischen Qualifikation die Geschichtlichkeit der Tat Jesu Christi und der Existenz der Glaubenden. Das Geschick Jesu Christi ist eschatologische Heilstat Gottes in der Zeit, die Gabe des Geistes eschatologische Kraft des Glaubens und Unterpfand der Hoffnung. Christologie und Pneumatologie, je im Ansatz eschatologisch bestimmt, setzen so die Eschatologie aus sich heraus. Die christologisch-pneumatologische Orientierung der paulinischen Soteriologie hält sich darin durch. Denn die Erfüllung der Hoffnung besteht im Lebendigmachen der sterblichen Leiber durch den Geist dessen, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Sie hat die Vollendung der Gleichgestaltung mit dem Gottessohn zum Ziel, „auf daß er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern". Der christologischen Begründung der paulinischen Theologie wird durch die Bestimmung der Soteriologie als Einheit von Christologie, Pneumatologie und Eschatologie kein Abbruch getan. Sie wird viel-

Ausblick

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mehr ins helle Licht gerückt. Denn der Nachweis, daß die Soteriologie auch in den Dimensionen der Pneumatologie und Eschatologie christologisch bestimmt ist, läßt die paulinische Lehre von der Erlösung als das erkennen, was sie ist: Theologie der Liebe Gottes1, die Gott in Jesus Christus erwiesen hat und die er durch seinen Geist schenkt, um handelndes Vertrauen und handelnde Hoffnung zu schaffen.

Ausblick Als so definierte Theologie, d. h. als christologische, pneumatologische und eschatologische Reflexion des Evangeliums, ist die paulinische Soteriologie ausgeführte Lehre vom Wort Gottes. Das Kennzeichen dieser Lehre ist die dialektische Einheit des Wortes Gottes als Verheißung und Gesetz im Evangelium. Sowohl in dem durch das Evangelium verkündeten Heilsgeschehen von Kreuz und Auferwekkung Jesu Christi als auch in der durch dasselbe Evangelium übermittelten Gabe des Geistes Jesu Christi kommen Verheißung und Gesetz zu dieser Einheit. Denn wie der Geist in der unlöslichen Bindung an den Gekreuzigten die Erfüllung der Abraham gegebenen Verheißung ist (Gal. 5,14), so wirkt er in Gestalt der Neuschöpfung des Menschen und seiner Ermächtigung und Befähigung zur Liebe die Erfüllung des Gesetzes. Er hält den alten Menschen heilvoll im Tode. Weil es die erfüllte Verheißung ist, die das Gesetz dergestalt paradox zur Erfüllung gebracht hat und bringt, darum ist der Ruhm, darum sind die Werke des Gesetzes ausgeschlossen. Darum ist aber auch der ihnen entsprechende Zweifel an der Treue Gottes widerlegt. Denn in der dialektischen Einheit des Gotteswortes, die das Evangelium darstellt, verschafft sich die Einheit und eben darin die Treue Gottes zu Israel wie zur Völkerwelt Ausdruck. Wird die evangeliumslose Zeit von hier aus als Zeit qualifiziert, in der Gesetz und Verheißung auseinanderfallen, indem das Gesetz beim Menschen, die Verheißung bei Gott bleibt, so wird das Evangelium durch die in ihm geschehene und geschehende Einheit von Gesetz und Verheißung als Heilsbotschaft konstituiert. Es offenbart die Einheit Gottes in seinem Wort, indem es proklamiert, daß in Jesus Christus Gott und Mensch zur Ubereinstimmung gekommen sind, und es ruft damit machtvoll in diese Ubereinstimmung hinein, hier und jetzt, in Zeit und Geschichte. Die An1 In Anlehnung an Spicq, Agape I, 247: Die Theologie des Römerbriefes „est celle de 1'αγαπη του θεου". Vgl. auch Conzelmann, Theol. NT 237.

21

Osten-Sacken, Römer 8

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Schluß

nähme dieses Rufes, die der Glaube ist, beinhaltet demgemäß in einem das Bekenntnis, daß jene Diastase von Gesetz und Verheißung auf menschlicher Verfehlung beruht, und den in Gestalt von handelndem Vertrauen und handelnder Hoffnung gelebten Dank für das Evangelium als der erfüllten Verheißung, die das Gesetz erfüllt hat. Wie der Dank das Schuldbekenntnis impliziert, so die erfüllte Verheißung das erfüllte Gesetz. Schuldbekenntnis und Dank als die beiden Seiten des einen Glaubens entsprechen damit Verheißung und Gesetz als den beiden Seiten des einen Evangeliums. Diese Korrespondenz von Glaube als Schuldbekenntnis und gelebtem Dank und von Evangelium als Gesetz und Verheißung ist Entsprechung in tieferem Sinn, theologisch stringenter Zusammenhang, der im Evangelium selbst begründet ist. Denn das Evangelium sagt den Glaubenden das Heil an, wie sich umgekehrt die Glaubenden dem Evangelium verdanken. Indem das Evangelium die erfüllte Verheißung als Erfüllung des Gesetzes ausruft und die Glaubenden diesem Ruf folgen, glauben sie der erfüllten Verheißung als Erfüllung des Gesetzes, danken für die zu ihrem Heil ereignete Koinzidenz beider und bekennen damit, daß das Gesetz, weil durch die erfüllte Verheißung erfüllt, nicht durch sie, sondern an ihnen zur Erfüllung gekommen ist. So dokumentiert die Widerspiegelung der Einheit des Evangeliums als Verheißung und Gesetz in der Einheit des Glaubens als gelebtem Dank und Schuldbekenntnis den Ort der paulinischen Soteriologie in der Lehre vom Wort Gottes. Die soteriologisch bestimmte Trias „Verheißung, Gesetz und Evangelium", die die paulinische Lehre vom Wort Gottes konstituiert, ist in dem traditionell beherrschenden theologischen Kategorienpaar „Gesetz und Evangelium" um den wesentlichen Begriff der Verheißung verkürzt. Die Unterscheidung und Zuordnung von Gesetz und Evangelium dürfte deshalb im Horizont der paulinischen Dialektik des Evangeliums als der erfüllten Verheißung, die das Gesetz erfüllt hat und erfüllt hält, neu zu bedenken sein.

LITERATURVERZEICHNIS Die Abkürzungen von Reihen und Zeitschriften sind weitgehend den Verzeichnissen in RGG 3 entnommen. I. Texte (Quellen, 1.

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AUTORENREGISTER Althaus, P. 9. 15. 60. 136. 147. 203 Balz, Η. R. 10. 14. 15. 16-18. 44. 45. 53 f. 79. 98. 100. 137. 138. 141. 142 f. 149. 263. 264. 267. 268. 270. 273 f. 276. 284 f. 314. 317 Barrett, C. K. 15. 20. 55. 136. 147. 283 Barth, K. 15. 147. 242. 267. 303 Bauer, J. B. 63 Bauer, Κ. A. 155. 179 f. 200. 240. 241. 269 Bauemfeind, O. 316 Baumert, N. 104 f. 114 Becker, J. 73. 87. 117 Benoit, P. 231. 233 Berger, K. 245 f. Bertram, G. 41. 149. 150. 197 Betz, O. 86 Black, M. 65 Blank, J. 145. 147. 303. 310 Bornkamm, G. 49. 81. 132. 158. 161. 163 f. 168. 172. 176. 182. 183. 184. 186. 196. 197. 198 f. 202. 203. 206. 207. 212 f. 217. 218. 290. 294. 300. 313 Börse, U. 115 f. 119 Bousset, W. 9. 111 Bousset, W./Gressmann, H. 111 Brandenburger, E. 122. 145 f. 155. 163. 164. 165. 166 f. 171. 196. 198. 207. 216. 243 Brandt, W. 107 Braun, H. 122. 202. 211 Bring, R. 190. 251. 253. 255 Bruce, F. F. 136. 242. 243. 261 Bultmann, R. 10. 14. 28 f. 54. 55. 56. 85. 106. 112. 113. 114. 124. 125. 127. 127. 148. 149. 150. 154. 157. 161. 162. 163. 168. 174. 180. 185. 187. 194.196. 202 f. 205 f. 207. 211. 224. 226. 228. 237 f. 240. 251. 255. 261. 292 f. 297. 308. 317 Collange, J.-F. 294. 305 Conzelmann, H. 10. 36. 38. 40. 59. 60. 67. 75. 77. 97. 120. 121. 125. 127. 135. 140. 148. 153. 158. 165. 167. 174. 180. 181. 190. 191. 194. 198. 202. 205. 207. 211. 218. 232. 240. 294. 297. 321 Cumont, F. 111 Dahl, Ν. A. 57-60. 171. 259. 310 Davies, W. D. 78 Deichgräber, R. 16. 17. 20. 36. 45. 161. 259 22

Osten-Sacken, Römer 8

Deißmann, A. 115 Delling, G. 129. 130 Demke, C. 114 f. 119. 120 Dibelius, M. 40. 41. 69 f. 87. 126. 153. 154. 155. 232. 237. 302. 303 Dinkier, Ε. 65. 90. 188. 278. 281. 282 Dodd, Ch. Η. 15. 16. 57. 65. 147. 259 Duchrow, U. 224 ν. Dülmen, Α. 196. 203. 207 f. 209 Dupont, J. 54. 58. 104. 116. 120. 121 Ebeling, G. 226. 227. 228 f. Eichholz, G. 167. 194. 203 Elliger, K. 43 Ellis, Ε. Ε. 118 Eltester, F.-W. 75 Feine, P. 71 Fischer, Κ. Μ. 125. 139. 241. 292. 293. 294. 295. 304. 313 Fitzer, G. 248 Flückiger, F. 254. 255 Foerster, W. 131 f. Friedrich, G. 166. 245. 246. 247. 302 Fuchs, E. 15. 19. 20. 37. 38. 39. 55. 58. 60. 63. 76. 83. 114. 128. 135. 137. 147. 152. 172. 178. 180. 182. 183. 184. 185. 195. 196. 197. 203. 206. 208. 209. 211. 213. 217. 226. 230. 251. 261. 267. 271. 281 Gabathuler, H.-J. 50 Gäumann, N. 176. 179.180.181.182.184. 185. 187. 237 Gaugier, E. 14. 15 f. 22. 40. 54. 61. 64. 92. 127. 136. 148. 154. 237. 270. 278. 312. 318 Georgi, D. 105. 115. 120. 121. 288. 293 Gerber, U. 264. 270 Gibbs, J. G. 88. 139. 142. 263. 264. 266. 270. 271. 278 Godet, F. 15. 21. 23. 26. 40. 71. 77. 89. 95. 136. 147. 268. 283 Gogarten, F. 226 Goppelt, L. 186 Grayston, K. 66. 68 f. 277. 281 Güttgemanns, E. 73. 81. 182 f. 240. 241. 255. 287. 288. 290 f. 293. 294. 295. 297. 299. 305. 306. 315 Gunkel, H. 16 f. 29. 30. 31. 34. 291. 292 Gutbrod, W. 203

338

Autorenregister

Haering, Th. 14. 15. 57. 92. 136. 148. 309 Harder, G. 93. 272 Harnack, A. v. 265 Harnisch, W. 31. 140. 165 Hegermann, H. 266 Heinrici, G. 116 Hengel, M. 34 Hermann, J. 131. 132 f. 153. 233 Hoffmann, P. 104. 106. 108. 114. 116.118 Hommel, H. 196. 203. 208 Howard, G. E. 255 Huby, J. 14. 15 Jeremias, J. 42. 129. 132. 133. 176. 193. 247. 309 Jervell, J. 69. 72. 74. 75. 270. 279. 284 Joest, W. 293 Johansson, N. 57. 86. 95 Jonas, H. 197 Jülicher, A. 10. 15. 136. 281. 283 Jüngel, E. 154. 163. 164. 166. 168. 171. 213. 226. 229. 238. 250. 259 Kahler, M. 12 Käsemann, E. 12. 15. 18. 55. 64. 68. 69. 74. 75. 78 f. 81. 83. 98. 135. 136. 145. 151. 164. 165. 168. 172. 174. 180. 181. 182. 185. 186. 190. 191 f. 194. 196. 198 f. 202. 211. 219 f. 226. 228. 230. 238. 239 f. 246. 247. 248. 251. 252. 259. 265. 272 f. 274. 276. 277. 278. 281. 284. 285. 294. 314 Kaiser, O. 43 Kamiah, E. 289. 293. 294. 295. 296 Kertelge, K. 81. 185. 202.205.208 f. 218 f. 226. 231. 233. 249. 254. 302 Kittel, G. 72. 129 Kittel, H. 72. 268. 270. 284. 286. 317 Klein, G. 222 f. 245. 246. 247. 248. 249 Koester, H. 300. 302 Kramer, W. 20. 36. 37. 38. 42. 47. 130. 144. 145. 161. 177 Kraus, H.-J. 30 Kroeker, J. 14. 15. 40 Krüger, F.-H. 14. 15. 18. 57. 136. 148 Kühl, E. 14. 15. 24. 26. 57. 89. 112. 116. 118. 120. 135. 147. 154 Kümmel, W. G. 48. 86. 115. 154. 157. 194. 195. 196. 204. 207. 209. 212 Kürzinger, J. 285 Kuhn, H.-W. 101. 258 Kuhn, K. G. 181 Kuß, O. 14. 15. 112. 129. 134. 135. 136.

137. 141. 150. 179. 189. 190. 196. 200. 203. 209. 212. 226. 286 Lagrange, M.-J. 14. 15. 16. 18. 26. 55. 56. 57. 103. 136. 150. 154. 283 Lang, F. G. 104 f. Lange, J. P./Fay, F. R. 15. 21 Larsson, E. 177. 280. 281. 282. 283. 284. 285 Leenhardt, F.-J. 15. 54. 55. 56. 64. 136. 147. 154. 197. 231. 251. 254. 255. 264 Leipoldt, J./Grundmann, W. 34 Lietzmann, H. 15. 41. 52. 64. 83. 93.103. 106. 113. 114. 129. 135. 136. 137. 146. 154. 179. 209. 252. 281. 315 Lietzmann, H./Kümmel, W. G. 104. 113. 290. 298. 305 Lipsius R. A. 15. 56.61.65.83.93.126.135. 136. 147. 150. 231. 237. 261. 309. 311 Lohse, E. 41. 50. 74. 81. 132. 161. 181. 183. 187. 211. 226. 246. 251. 252. 261. 286. 294. 306 Lührmann, D. 164 Luz, U. 9 f. 15 f. 19. 20. 26. 27. 36. 39. 53. 63. 67 f. 69. 71. 78. 79 f. 87. 88. 94. 105. 106. 114. 115. 118. 131. 137. 163. 164. 174. 177. 196. 198. 246. 247. 248. 249. 251 f. 255. 266. 268. 282. 283. 294. 295 f. 311. 313 Lyonnet, S. 198 Maier, G. 282 Marxsen, W. 257 Mattern, L. 15. 56. 162. 313 Matthias, W. 240 McCasland, S. V. 38 Merk, O. 185 Michaelis, W. 75. 116 Michel, O. 15. 16. 18. 20. 22. 23. 26. 40. 41. 63. 64. 65. 66. 69. 71. 75. 78. 92. 93. 103. 106. 116. 125. 127 f. 136. 140. 142. 145. 147. 150. 151. 154. 166. 170. 176. 178. 179. 187. 189. 190. 193. 197. 209. 212. 226. 251. 253. 254. 255. 257. 266. 267. 312. 316. 318 Müller, Chr. 15. 48. 164. 228. 253 Müller, F. 148 Münderlein, G. 14. 20. 314 Mundle, W. 104. 106. 114. 121 Nauck, W. 126 Neugebauer, F. 180

Autorenregister Niederwimmer, Κ. 86. 100. 185. 226. 274. 275. 276. 294 Norden, Ε. 20 Nygren, Α. 9. 14. 15. 21. 24. 26. 55. 56. 57. 60. 195. 261. 309 Osten-Sacken, P. v. d. 49. 52. 101. 213 Pallis, Α. 41 Percy, Ε. 84 Philippi, F. Α. 19. 40. 52. 63. 65. 75. 77. 83. 89. 93. 98. 138. 140. 231 Popkes, W. 36 Priimm, K. 9. 14. 55 Quell, G. 66 Rad, G. v. 30. 31. 34 Reitzenstein, R. 68. 72. 74. 107. 108 Rohde, E. 110 Romaniuk, K. 15. 18. 43. 45. 52. 310. 316 Rudolph, K. 107. 108 Sasse, H. 140 Sanday, W./Headlam, A. C. 9. 15. 16. 26. 42. 52. 55. 57. 59. 60. 78. 83. 93. 145. 147. 154. 231 Schille, G. 9. 14. 15. 19. 20. 21. 22. 23. 36. 37. 38. 39. 40 f. 42. 43. 50. 63. 64. 67 f. 69. 314. 316 Schlatter, A. 15. 16. 83. 92. 147. 211 f. 267. 275. 283. 288. 290. 309 f. Schlier, H. 9. 92. 130. 131. 132. 135. 138. 191. 197. 233. 267. 270. 271. 274. 278 Schmid, N. 60 Schmidt, C. 109 Schmidt, H. W. 14. 15. 55. 92. 127. 136. 147. 226. 242. 243. 262. 277 Schmithals, W. 112. 113. 115. 290. 293. 294 Schmitz, O. 306 Schnackenburg, R. 177. 178. 180. 191 Schneider, J. 182 Schniewind, J. 43. 50. 56. 268. 274. 276 f. Schottroff, L. 106. 112. 113 f. 115. 165 Schräge, W. 266 Schrenk, G. 181 Schürer, E. 34 Schulz, S. 74. 97 Schunack, G. 154. 163. 165. 168. 171.174. 196. 197. 199. 200. 202. 205. 207 f. 211. 213 f. 217. 218. 224. 226. 237

22*

Schwantes, H. 78. 84. 98. 265. 266 Schweitzer, A. 21. 84 Schweizer, E. 38. 118. 129. 130. 132. 164. 181. 190. 250. 311 Seeberg, A. 39 Siber, P. 131. 135. 139. 141. 153. 243. 261. 264. 266. 268. 270. 272. 303. 304 Sickenberger, J. 9. 10. 15. 55. 57. 272 Smend, R. 30 Soggin, J. A. 29 f. Spicq, C. 14. 278. 310. 316. 321 Steider, K. 9. 154. 226. 241 Strathmann, H. 135 Strecker, G. 73. 259 Stuhlmacher, P. 68. 72. 74. 83. 167. 255. 266. 270 f. 284 Synofzik, E. 313

359

145. 237. 289. 136.

252.

Tachau, P. 185. 192 Tannehill, R. C. 139. 178. 179 f. 182.183. 191, 243. 280. 285. 288. 289. 291. 292. 294. 297. 298. 300. 302. 304 Teichmann, E. 118 Thüsing, W. 155. 175. 178. 179. 182.183. 185. 190. 191. 280. 281. 285. 316 Tibbe, J. 10. 13. 14. 15. 55. 280. 311 Tillich, P. 12 Trillhaas, W. 12 Viard, A. 92. 139 Vielhauer, Ph. 37. 106-108 Vögtle, A. 79. 83. 98. 140. 265. 269 Vos, J. S. 147. 226. 229. 237 Weiß, R. 10. 15. 21. 23. 26. 40. 41. 45. 55. 71. 77. 83. 89. 92. 93. 134. 135. 147. 264. 283 Weiß, H.-F. 75 Weiß, J. 15. 16. 18. 20. 63 Wendland, H.-D. 239. 277. 296 Wengst, K. 20. 36. 38. 73. 161 Wilckens, U. 197. 206-208. 246. 247 f. 249 Windisch, H. 87. 105. 106. 112. 113. 114. 115. 118. 119. 120. 288. 291. 292. 293. 294. 295. 296. 298. 305 Zahn, Th. 15. 16. 24. 26. 37. 63. 66. 92. 93. 132. 135. 136. 143. 145. 147. 211 f. 243. 283. 285. 286

Peter von der Osten-Sacken Gott und Belial (Studien zur Umwelt des Neuen Testaments, Band 6)

1969. 267 Seiten, kartoniert DM 35 — Ist die Anwendung der am Alten Testament und Neuen Testament erprobten Methode der Traditionsgeschichte auf die Texte vom Toten Meer möglich und notwendig? Diese Untersuchung will eine Antwort geben. Die als Stoff für diesen Nachweis gewählte, in den Schriftenrollen thematisch zentrale dualistische Tradition wird dazu in ihrer ursprünglichen Gestalt bestimmt und auf ihre variierende Auslegung in den Qumrantexten und verwandter spätjüdischer Literatur hin befragt.

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments (Vollständiges Verzeichnis auf Anforderung)

95 Peter Stuhlmacher Das paulinische Evangelium. 96 Hartwig Thyen Studien zur Sündenvergebung im Neuen Testament und seinen alttestamentlichen und jüdischen Voraussetzungen. 98 Christoph Burger Jesus als Davidssohn. 110 Wolfgang Harnisch Eschatologische Existenz. 111 Karl M. Fischer Tendenz und Absicht des Epheserbriefes.

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen und Zürich