Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht: Zugleich ein Ausblick auf das neue deutsche Überweisungsrecht [1 ed.] 9783428504053, 9783428104055

Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen wurde das deutsche Überweisungsrecht grun

109 28 26MB

German Pages 239 Year 2001

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht: Zugleich ein Ausblick auf das neue deutsche Überweisungsrecht [1 ed.]
 9783428504053, 9783428104055

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

CHRISTINE SCHMIDT

Risikostrukturen des Uberweisungsverkehrs im französischen Recht

Untersuchungen zum Europäischen Privatrecht Band 7

Risikostrukturen des Uberweisungsverkehrs im französischen Recht ••

Zugleich ein ~usblick auf das neue deutsche Uberweisungsrecht

Von Christine Schmidt

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schmidt, Christine:

Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs i!!l französischen Recht : zugleich ein Ausblick auf das neue deutsche Oberweisungsrecht I von Christine Schmidt. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Untersuchungen zum europäischen Privatrecht; Bd. 7) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10405-6

D25 Alle Rechte vorbehalten

© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1438-6739 ISBN 3-428- 10405-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 €9

Vorwort Diese Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau im Sommersemester 2000 als Dissertation angenommen. Danken möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Schiechtriern für die Betreuung der Arbeit und Prof. Dr. Götz von Craushaar für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch Jürgen Schmidt und Dietrich Claus Becker, die wertvolle Anregungen gaben und die Arbeit Korrektur lasen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Januar 2000 berücksichtigt. Frankfurt am Main, März 2001

Christine Schmidt

Inhaltsverzeichnis Einleitung.......................... . . . ..................... . . . ................... . ........

15

Teil I

Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs

16

Kapitell Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde

16

A. Rechtsprobleme des Kontoverhältnisses .. . . . .. . . . . .. .. . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . .. 18 I. Compte de depßt und compte courant .. .. . .. . . . . . .. . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . 19 II. Rechtsnatur des Einlagevertrags . . . .. .. .. . . . . . .. . . .. . .. . .. . .. . .. . .. . .. . . . .. . . . .. . 21 III. Einzelheiten zu den sonstigen Verpflichtungen aus dem Kontoverhältnis . . . . . . . 27 B. Berufsspezifische Verhaltenspflichten der Banken (obligations professionnelles des banques).. ...... . . . .... . ..... .... . . . ................. .. ... . ...... . ....... ....... .. . .. .. 28 I. Entstehung und Rechtsgrundlage . . . .. .. .. .. . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . 28 II. Die Pflichten im einzelnen, insbesondere Informations-, Beratungs- und Kontrollpflichten . .. . . . .. . . . . . . . . . . . .. . .. .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . .. . . . . 32 C. Das Bankverhältnis zwischen Fürsorgeund Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Der Anspruch auf Einrichtung eines Girokontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Behandlung von Interessenkonflikten im Rahmen von Informations- und Beratungspflichten . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 38 Kapitel2 Der Überweisungsmechanismus A. Entwicklung der rechtlichen Regelungen . . .. .. .. . . . . . . .. . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . B. Inhalt der rechtlichen Regelungen .. .. .. .. ...... .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... . .. .. . I. Der Überweisungsvertrag . . . .. . .. . . .. .. . .. .. .. .. .. .. . . .. . .. .. . .. . . .. . .. .. . .. .. . .. 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . .. . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. 2. Form . .. . ......... ... . ... . . . . ....... .... . . ... . . . . . ... . . . . .... .... .. . .. .... ... .. 3. Pflichten der überweisenden Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Überweisung als "sachenrechtliche Verfügung sui generis" . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Weiterleitung des Überweisungsbetrags zwischen den beteiligten Banken . I. "Durchgangserwerb" oder "Direkterwerb"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsverkehrsnetze . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . .. . . . . . .. . .. . .. . . . .. . . . . .. . . . . . . . . IV. Die Gutschrift des überwiesenen Betrags auf dem Konto des Überweisungsempfängers .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . .. .. . . . .

39 39 42 43 43 44 45 46 50 50 52 53

8

Inhaltsverzeichnis V. Der Einfluß der nationalen causa-Konzeption auf die Entwicklung eines tragfahigen Modells für die Erfassung des Überweisungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I . Der Ausgangspunkt der Modellsuche: Die funktionale Gleichbehandlung von Buchgeld und Bargeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bewältigung des Sachproblems im deutschen Recht mit dem Institut des abstrakten Schuldversprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bedeutung der französischen causa-Konzeption bei der Einordnung der Überweisung als "sachenrechtliche Verfügung sui generis" . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Funktionale Äquivalenz der unterschiedlichen Überweisungsmodelle des deutschen und französischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

56 56 57 60 61

Tei/2

Das System der Haftung für fehlgeschlagene Überweisungen im französischen Recht

62

Kapitell Die Ansprüche des Überweisenden gegen die übrigen Zahlungsverkehrsteilnehmer bei Fehlschlagen einer Überweisung A. Die Haftung der Bank des Überweisenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Überweisung trotz fehlenden oder aufgrund gefälschten Überweisungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überweisung ohne Überweisungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweis der Existenz eines Überweisungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortbestehen der ursprünglichen Rückzahlungsforderung aus Einlagevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deklaratorische oder konstitutive Wirkung des Rückbuchungsakts? . . . . . d) Schadensersatzanspruch des Kontoinhabers . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefalschter Überweisungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung wegen schuldhafter Verletzung von vertraglichen Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Risikozuweisung bei fehlendem Verschulden von Kontoinhaber und überweisender Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Scheckrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Theorie de I' apparence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Theorie der "double qualite" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Analyse der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mängel bei der Erteilung des Überweisungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . b) Überweisungsrecht ......... ~ . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . 2. Willensmängel des Überweisenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63 64 64 64

65 66 67 68 68 71 71 72 75 76 78 81 81 82 84 86 87

Inhaltsverzeichnis

III. IV.

V.

VI.

VII.

3. Mängel im Deckungs- bzw. Valutaverhältnis .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . a) Unabhängigkeit von den Mängeln des Deckungsverhältnisses . . . . . . . . . . . b) Unabhängigkeit von den Mängeln des Valutaverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerruf des Überweisungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Diskussion um die zeitlichen Grenzen des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . Mängel bei der Ausführung des Überweisungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überschreitung des Überweisungbetrags, Doppelüberweisung oder Überweisung an einen falschen Empfanger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bisherige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Rückerstattungsanspruch gemäß Artt. 93-3 Nr. 2 und 3 L. 24.01.1984, 10 Reglement CRB 99-09 vom 09.07.1999 ............. ... .. . ....... .... c) Konkurrenzverhältnis................................................... .. 2. Verzögerte und unterlassene Überweisung .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. a) Bisherige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausführungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verschulden der überweisenden Bank ............................. .. cc) Umfang der Schadensersatzpflicht .. . . . .... . . ............ . . . .... . . ... b) Der verschuldensunabhängige Anspruch auf Verzugszinsen gemäß Artt. 93-3 Nr. 1 L. 24.01.1984, 9 Reglement CRB 99-09 vom 09.07.1999 ................................. . ..................... . . . . . .... 3. Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten . ....................... . . . . . .. . . 4. Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung und Stellungnahme ....................... . ...... . . . . . . . .. Computerversagen im beleglosen Überweisungsverfahren ...... . ...... . . . . . .. . . 1. Computerversagen bei der Erteilung des Überweisungsauftrags im Rahmen des homebanking-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . b) Überweisung durch einen unbefugten Dritten .......................... . . 2. Computerversagen bei der Ausführung eines Überweisungsauftrags im Rahmen des beleglosen Überweisungsverkehrs .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. Haftung für das schuldhafte Handeln anderer Zahlungsverkehrsteilnehmer . . .. . 1. Haftung für das Verschulden einer Zwischenbank ... .............. . ... .. . . . .. a) Die Rechtsstellung der Zwischenbank als mandataire substitue ......... b) Haftungsrechtliche Konsequenzen bei der Ausführung des Überweisungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . aa) Haftung für Eigenverschulden: Die Verletzung einer obligation d' assistance et de surveil/ance .. ..................................... bb) Haftung für Fremdverschu1den: Das Urteil der Cour d'appel von Paris vom 22.09.1988 .. . . . . .. . .. . . .. . . .. . .. .............. . . . . . . . .. ... cc) Die gesetzliche Regelung in Art. 93-3 L. 24.01.1984 . . . ... . . .. . .. ... dd) Stellungnahme ... . ........................ . ................ . ......... 2. Haftung für das Verschulden der Empfangsbank . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . Haftungsbeschränkende und haftungsausschließende Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ............... . ...... 2. Rechtliche Grundlagen der Kontrolle haftungsbeschränkender Klauseln ....

9 91 91 92 92 93 94 95 97 97 98 98 99 100 100 101 102 103 103 104 104 105 106 107 107 108 110 112 113 113 115 115 116 118 118 119 121 122 122

10

Inhaltsverzeichnis

3. Haftungsausschlußklauseln im Überweisungsverkehr ................ . ...... . B. Die Haftung von Zwischenbanken bzw. der Empfangsbank ................ . ......... I. Dieaction directe des Art. 1994 II C. c. gegen einen mandataire substitue .... . 1. Inhalt der action directe .................................................... .. . 2. Verhältnis zu den Ansprüchen des Überweisenden gegen die überweisende Bank ................... . . . . .................. . . . . . .................. . . . .. . . . . . II. Der Restitutionsanspruch des Art. 93-3 Nr. 4 L. 24.01.1984 gegen die Empfangsbank ........................ . . . ........................ . ................ . . . . . .. ... 111. Zusammenfassung . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .

124 124 125 125 126 128 129

Kapitel2 Ansprüche der Banken A. Ansprüche im Interbankverhältnis . .................... . . . ........ . ......... . . . ... . ... I. Vertragliche Ansprüche der überweisenden Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Ansprüche der überweisenden Bank . . . . . ... .. .. .. . . . . . ... . . . .. . .... 111. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . .. . B. Ansprüche gegen die übrigen Zahlungsverkehrsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ansprüche gegen den Überweisungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansprüche der überweisenden Bank .................................... .. .... a) Mängel des Deckungsverhältnisses .... . .. ... .................... . . . ..... b) Fehlender Überweisungsauftrag .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . 2. Ansprüche der Empfangsbank ..................... . .......................... 3. Dogmatische Analyse ..... .. .. . .. .. ....... .. .. .. .... .... ... .. .. ... .. . ... ... .. . a) Die Berücksichtigung des Rechtsgrundes im Valutaverhältnis im Rahmen der repetition de l'indu: Objektive und subjektive Nichtschuld . ... . ..... aa) Die Verknüpfung der Zuwendung mit dem Rechtsgrund des Valutaverhältnisses im Rahmen der objektiven Nichtschuld ..... . . . .... . . . bb) Die Rolle des Irrtums bei der Bestimmung der Parteien des Rückabwicklungsverhältnisses bei der subjektiven Nichtschuld .. . . . .... ... b) Berücksichtigung des Rechtsgrundes aus Drittverhältnissen bei der actio de in rem verso .... .. ...................... ...... ................. . ....... 4. Rechtfertigung der Versagung eines Rückforderungsanspruchs gegen den Überweisungsempfänger wegen desBestehenseines Rechtsgrundes im Valutaverhältnis ....................................... . . . . .. . .................... . . II. Ansprüche gegen den Überweisenden . ... . ....... . . . . . ..... .. . . . . . . . . . . . . . .. .... 1. Ausschluß der Institute der subrogation personneile und der Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrundlage für Rückgriffsansprüche gegen den Überweisenden . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . a) Subrogation personneile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsführung ohne Auftrag (gestion d' affaires) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bereicherungsrechtliche Rückzahlungsansprüche gegen den Überweisenden a) Die repetition de l' indu als Rechtsgrundlage eines Rückgriffsanspruchs gegen den befreiten Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. .. b) Die Entwicklung eines Rückgriffsanspruchs sui generis durch die Rechtsprechung . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . .. . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . ..

129 132 133 134 136 136 138 138 138 141 146 147 148 148 153 158

163 165 166 166 168 171 171 177

Inhaltsverzeichnis

11

c) Der Regreß gegen den Überweisenden im Rahmen der allgemeinen Bereicherungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . 180 d) Stellungnahme . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Kapitel3 Ansprüche des Überweisungsempfängers A. Ansprüche gegen den Überweisenden . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anspruch auf (nochmalige) Zahlung: Zeitpunkt der Erfüllungswirkung der Überweisung ... .. . . ..................... .. ........ . . . . . ................. . . . ...... II. Ansprüche wegen verspäteter Zahlung .......... .. ..................... .. .... .. . B. Auftragsvertragliche Ansprüche gegen die Empfangsbank . . ................ . ...... . . C. Ansprüche gegen die überweisende Bank bzw. eine Zwischenbank ......... . ........ I. Anspruch auf Auszahlung des Überweisungsbetrags . . . .............. . . . .... . .. . II. Sonstige Schadensersatzansprüche . . . .. . . . . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

184 184 185 187 188 189 189 192

Zusammenfassender Überblick über die Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 192 Tei/3

Das neue deutsche Überweisungsrecht aus französischer Sicht A. Grundzüge der gesetzlichen Regelung . . . . . . . .. . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . B. Weisungsmodell oder Vertragsmodell? ................. .. ........... .... ........... .. I. Rückfall in ein überholtes Vertragstypensystem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Barüberweisung als Leitbild des Überweisungsvertrags? ...... . ... . ...... . . . .. . 111. Ablehnungsfreiheit oder Kontrahierungszwang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Neuausrichtung des vertraglichen Leistungsprofils der überweisenden Bank . . . . . . . . I. Erweiterung des Pflichtenumfangs bei außerbetrieblichen Überweisungen . . . . . II. Zwingender Charakter gemäß §676c 111 BOB ... . .. . . . .... . . . . . .. . . .. .. .. . . . . ... 111. Erfüllungsgehilfenstellung der eingeschalteten Zwischenbanken . . . .. .. . . . .. ... IV. Schlußbetrachtung ..... . ... . . . ................... .. . . . . ..................... . . ... D. Die Garantiehaftung der überweisenden Bank . . ..... .. . . . . . .............. . . .. . . ... .. . I. Zumutbarkeit der Belastung der überweisenden Bank mit Risiken außerhalb ihres Einflußbereiches im inländischen Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkung der verschuldeusunabhängigen Haftung auf 12.500 Euro . . . . ... . 111. Ergebnis . ........... .. ....... ... .......... . . .. . . . . . . .. . . .. . . . ... . ... . . . . .. . . .... . . E. Fazit ..... . . . ............. .. . .. .... . . . ........ .. . . ... . . . ... .. . . ......... . .. . . . ... . . . . .. .

197 198 199 200 201 203 206 207 207 209 211 213 214 216 21 8 21 9 219

Anhang ........ . ........ . ............. ... ...... .. ............. .. . . .............. . ........ . . 220 I. Art.93-3 L. 24.01.1984 . ... ... . ... .... .... . .... .. .. . .. . .. . . .. . ... .... .. . . . . . . . . . . 220 II. Reglement CRB 99-09 vom 09.07.1999 . . . ... .. . . . . . . . .... .... ... .. ... . .. . . . . .. 220 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . .. . . . . . .. . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 224 Stichwortverzeichnis . . . .. . . .. . . . . . . . . .. .. . . . . .. . . . . .. . . . . . .. . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Abkürzungsverzeichnis Art. Ass.plen. Banque Bull.civ. C.ass. C.c. c. caisses d, epargne C.com. C.cons. CGI Chron. Civ. CNC Com. Concl. CRB C. sec. soc. D.

D.

DAB D.Aff. D.H. D.-L. Doctr. D.P. Encycl. Dr. com. fase. Gaz.Pal. IR J. J.-Cl. JCP JCPed.CI JCPed.E JCPed.N

Artikel Assemblee pleniere de Ia Cour de cassation Revue Banque Bulletin des arrets des chambres civiles de Ia Cour de cassation Code des assurances Code civil Code des caisses d'epargne Code de commerce Code de Ia consommation Code general des impöts Chronique Chambre civile de Ia Cour de cassation Conseil national du credit Chambre commerciale de Ia Cour de cassation Conclusions Comite de Ia reglementation bancaire et financiere Code de Ia securite sociale Decret Recueil Dalloz Distributeur automatique de billets Dalloz Affaires Dalloz, Recueil hebdomadaire de jurisprudence (für den Zeitraum vor 1941) Decret-Loi Doctrine Dalloz, Recueil periodique et critique mensuel (für den Zeitraum vor 1941) Encyclopedie Droit commercial Fascicule Gazette du Palais Informations rapides Jurisprudence J uris-classeur Juris-classeur periodique (Semaine juridique) Juris-classeur periodique (Semaine juridique), edition commerce et industrie Juris-classeur periodique (Semaine juridique), edition entreprise et affaires Juris-classeur periodique (Semaine juridique), edition notariale

Abkürzungsverzeichnis J.O. L.

No

NCPC Obs. Ord. Pan. Rep.Defr. Req. Rev. banc. Rev. crit. DIP Rev. dr. aff. internat. Rev. jurisp. com. RTDciv. RTDcom.

s.

SAGITTAIRE SIT Soc. Somm. SWIFf TARGET TBF TGI TI Trib.com.

13

Journal officiel Loi Numero Nouveau Code de procedure civile Observations Ordonnance Panorama Repertoire du notariat Defrenois Chambre des requetes de Ia Cour de cassation Revue de droit bancaire et de Ia bourse Revue critique de droit international prive Revue de droit des affaires internationales Revue de jurisprudence commerciale Revue trimestrielle de droit civil Revue trimestrielle de droit cornmercial Recueil Sirey Systeme Automatique de Gestion Integree par Teletransmission de Transactions avec Imputation de Reglements "Etranger" Systeme interbancaire de telecompensation Chambre sociale de Ia Cour de cassation Sommaire Society for Worldwide Interbank Financial Telecomrnunications Trans-european Automated Realtime Gross Settlement Express Transfer system Transferts Banque de France Tribunal de grande instance Tribunal d'instance Tribunal commercial

Soweit Abkürzungen vorstehend nicht aufgeführt sind, wird auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin 1993, verwiesen.

Einleitung Die Risiken, die im Überweisungsverkehr für die Beteiligten eintreten können, beziehen sich zunächst nicht auf eine bestimmte Rechtsordnung, sondern sind in jedem Rechtssystem grundsätzlich die gleichen, da sich technische Ausgestaltung und Ausführung der Überweisung überall weitgehend ähneln. Interessant ist aber, wie eine Rechtsordnung diese Risiken unter den einzelnen Überweisungsverkehrsteilnehmern verteilt, genauer: wem sie welches Risiko zuweist. Die Untersuchung eines fremden Rechts ist wertvoll, weil sie zu der Erkenntnis führen kann, daß die Risikoverteilung durchaus unterschiedlich zu der hierzulande praktizierten ausfallen kann. Dies wirft die Frage auf, welche Gerechtigkeitsvorstellungen diese Risikozuweisung prägen und welche Risikoverteilung vorzugswürdig ist. Dabei hat die Auseinandersetzung mit einer fremden Rechtsordnung gegenüber einer rein nationalen Diskussion den Vorteil, daß das Praktikabilitätsargument weniger Gewicht hat, funktioniert das andere Rechtssystem doch auch - und in der Regel nicht schlechter als das eigene. Neben diesem grundsätzlichen Reiz hat das Thema jedoch auch einen aktuellen Anlaß: das deutsche Recht gibt im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 97/S{EG vom 27.01.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen (im folgenden: Überweisungsrichtlinie)1 wesentliche den Überweisungsverkehr bisher prägende Risikoentscheidungen auf und übernimmt eine Risikoverteilung, die - wie sich im folgenden zeigen wird- der des französischen Rechts sehr ähnlich ist.2 Umso interessanter ist es, das französische Überweisungsrecht näher kennenzulernen. Dabei ist wichtig, nicht nur einen Ausschnitt aus dem Überweisungsverkehr zu untersuchen, sondern den gesamten Vorgang, da Risiken in Regreßverhältnissen unter Umständen auf weitere Überweisungsverkehrsteilnehmer abgewälzt werden können. Daß bei diesem Ansatz nicht jeder Detailfrage nachgegangen werden kann, liegt auf der Hand: Ziel der Arbeit ist es vielmehr, die Grundstrukturen der Risikoverteilung im französischen Recht zu ermitteln (s. sub Teil 2) und in einem kurzen Abschlußkapitel (s. sub Teil 3) dem neuen deutschen Überweisungsrecht gegenüberzustellen. Der erste Teil der Arbeit legt mit einer Analyse des Rechtsinstituts der Überweisung die Grundlage für die spätere Untersuchung der Risikoverteilung.

ABI. L 43 vom 14.02.1997, 25- 31. Die grenzüberschreitende Überweisung, die eine eigene Kategorie mit spezifischen Problemen bildet, ist freilich nicht Gegenstand dieser Arbeit. 1

2

Teil]

Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs Der Frage, wer für eine fehlgeschlagene Überweisung haften muß, geht naturgemäß diejenige nach der rechtlichen Einordnung des Überweisungsvorgangs voraus. Im französischen Recht hat sich dabei, wie sich im folgenden zeigen wird, ein vom deutschen Recht abweichendes Modell durchgesetzt. Eine Überweisung wird außerdem regelmäßig im Rahmen bestehender Rechtsbeziehungen zwischen den Teilnehmern des Überweisungsvorgangs getätigt, deren Existenz und Ausgestaltung Auswirkung auf die Haftung für eine fehlgeschlagene Überweisung haben. Kapitell

Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde Im französischen Recht ist das Rechtsverhältnis zwischen Bank und Kunde nur zu einem geringen Teil spezialgesetzlich geregelt. 1 Die französische loi bancaire vom 24.01.1984, vervollständigt durch zwei Verordnungen vom 24.07.1984, regelt vorwiegend das Bankwesen und die Bankaufsicht Daher ist für die Ermittlung der gesetzlichen Vorgaben für das Bankverhältnis weitgehend auf das allgemeine Zivilund Handelsrecht zurückzugreifen. 2 Allerdings finden zahlreiche Verbraucher1 Diesem Befund entspricht weitgehend die Rechtslage in Deutschland. Freilich enthalten BGB und HGB in weiterem Umfang als die entsprechenden französischen Gesetzeswerke einschlägige Regelungen, wie z. B. die Vorschriften über die Anweisung in §§ 783 ff. BGB oder über das Kontokorrent in§§ 349ff. HGB. Im französischen Recht existieren lediglich Einzelregelungen wie z. B. Art. 58 L. 24.01.1984 (Recht auf Einrichtung eines Bankkontos), Art. 7 D. 24.07.1994 (Informationsptlicht der Bank hinsichtlich der BankenAGB und der allgemeinen Kontobedingungen), Art. 33 D. 22.05.1992 (Kontrollpflicht der Bank bei der Eröffnung eines Kontos). Aber auch im deutschen Recht sind weite Bereiche des Bankrechts allein dem allgemeinen Zivil- und Handelsrecht unterworfen (Hopt 29 [7] Bankgeschäfte A/3; Schwintowski/ Schäfer, Bankrecht, § I Rn. II ). Im Zuge der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie schuf der deutsche Gesetzgeber mit der Kodifizierung der allgemeinen Informationspflicht (§ 675 a BGB), des Girovertrages (§ 676f BGB) und der Gutschriftpflicht (§ 676g BGB) auch Vorschriften für das Grundverhältnis zwischen Bank und Kunde. 2 Dauchy, L'influence du droit civil sur Je droit bancaire, RTD com. 1986, I (42), hält eine Kodifizierung des Bankrechts auch nicht für notwendig. Die Entwicklung des Bankrechts solle vielmehr in die Hände der Praxis gelegt werden.

Kap. 1: Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde

17

Schutzvorschriften im Bankverhältnis Anwendung. 3 In jüngster Zeit hat zudem die Europäische Union über den Erlaß von Richtlinien verstärkt auf eine Kodifizierung von einzelnen Problembereichen hingewirkt. 4 Daneben sind als Besonderheit des französischen Rechts die conditions de banque des Comite de la reglementation bancaire zu erwähnen, dessen Aufgabe es ist Rechtsregeln, für das Kundenverhältnis der Banken zu schaffen. Die conditions de banque haben Verordnungscharakter und binden die Zivilgerichte.5 Wegen der weithin fehlenden gesetzlichen Vorgaben muß sich eine rechtliche Bestandsaufnahme an den- häufig formularvertraglich festgelegten - Vereinbarungen der Parteien orientieren, daneben spielt auch die Verkehrssitte eine wichtige Rolle. So ist zunächst festzustellen, daß das Rechtsverhältnis zwischen Bank und Kunde komplexer Natur und durch einen starken höchstpersönlichen Charakter geprägt ist. 6 Es setzt sich aus verschiedenen Vertragstypen zusammen, die durch die praktischen Bedürfnisse des Bankverkehrs eine banktypische Ausformung erfahren haben. 7 Bankrechtliche Beziehungen beschränken sich in der Regel nicht nur auf ein einzelnes Geschäft, sondern sind ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis, das eine unbestimmte Vielzahl von Einzelgeschäften beinhaltet. Die Literatur unterscheidet daher zwischen dem bankrechtlichen Grundverhältnis, der ,,relation d' atfaires continue et prolongee"8 , und den einzelnen Geschäftsvorfallen, wobei das Grundverhältnis als Rahmenvertrag9 betrachtet wird, der die allgemeinen Rechte und Pflichten des Bankverhältnisses regelt. 10 Üblicherweise wird dieses GrundverGava/da/Stoufflet, Droit bancaire 3 , Rn.199-3. So neben der schon erwähnten Überweisungsrichtlinie z. B. Richtlinie 94/19/EG vom 30.05.1994 über die Einlagensicherung und Richtlinie 98/26/EG vom 19.05.1998 über die Abrechnung in Zahlungssystemen. 5 Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire 6 , Rn. 156. 6 Stoufflet, FS Jauffret, 635 (637); Gava/da/Stoufflet, Droit bancaire 3, Rn. 199-1. 7 Ripert/Roblot, Droit commercial li 15 , Rn.2356, halten es wegen dieser Spezialisierung des Bankrechts für wenig sinnvoll, die Beziehung zwischen Bank und Kunde zivilrechtliehen Kategorien zuzuordnen. 8 Dauchy, L'intluence du droit civil sur Je droit bancaire, RTD com. 1986, I (22). 9 Die Rechtsfigur des Rahmenvertrages (contrat-cadre) ist im französischen Recht in den verschiedensten Bereichen anerkannt, als Beispiel kann der Konzessionsvertrag genannt werden (Malaurie/Aynes, Contrats speciaux 9 , Rn. 829). 10 Stoufflet, J.-CI. Banque et Credit, fase. 200, Nr. 2; Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire 3 , Rn. 200; Ripert/Roblot; Droit commercial II 15, Rn. 2285; Vezian, 23; Dauchy, L'influence du droit civil sur Je droit bancaire, RTD com. 1986, 1 (22, 25); Trouche-Doerflinger, La distinction entre compte de depöt et cornpte courant, Petites affiches 1998, 4 (10). Dagegen ist im deutschen Recht die Rechtsnatur der Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde außerhalb der konkret geschlossenen Einzelverträge streitig. Die wohl herrschende Lehre vom allgerneinen Bankvertrag spricht sich für eine vertragliche Einordnung aus (Schwintowski/Schäfer, Bankrecht,§ 1 Rn. 133; Hopt 29, [7] Bankgeschäfte A/6; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 5 Rn.4; Herold/Lippisch, Bank- und Börsenrecht 2, 33; Kohls, Bankrechr2, Rn. 44; K. Schmidt, Handelsrecht4, § 20 I 2 b). Der Bankvertrag sei ein Rahmenvertrag und als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter zu qualifizieren (Hopt, Bankrechts-Handbuch, § 1 Rn. 32). Eine verbreitete Meinung im Schriftturn spricht der Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kun3

4

2 Ch. Schmidt

18

Teil 1: Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs

hältnis mit der convention de compte gleichgesetzt, 11 teilweise aber auch von einem contrat de banque general gesprochen. 12 Die rechtliche Ausgestaltung des Grundverhältnisses geschieht vornehmlich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken. 13

A. Rechtsprobleme des Kontoverhältnisses Die convention de compte ist ein Rahmenvertrag, der die Erbringung von Bankdienstleistungen und die Verrechnung von wechselseitigen Forderungen regelt. 14 Art. 58 L. 24.01.1984 gewährt grundsätzlich jedermann unter bestimmten Bedingungen ein Recht auf ein Bankkonto mit einem Grundservice; die Banken haben somit nur eine eingeschränkte Wahlmöglichkeit hinsichtlich ihrer Vertragspartner. 15 Kaufleute, die ins Handelsregister eingetragen sind, sind gesetzlich verpflichtet, ein Bankkonto zu eröffnen; Zahlungen ab einer Summe von 5.000 FF dürfen zwischen ihnen nur durch Banküberweisung, mit Kreditkarte oder Scheck beglichen werden (Art. 1 und 6 L. 22.1 0.1940). Letztere Verpflichtung greift gemäß Art. 1649 quater B CGI, zuletzt geändert durch Art.102 der loi de finance 1999, für Privatpersonen erst bei Zahlungen ein, die 50.000 FF übersteigen.

den jedoch den vertraglichen Charakter ab und ordnet sie statt dessen als gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht ein (Canaris, Bankvertragsrecht 3, Rn. 14 b; Kümpel, Bank- und Kapitalrnarktrecht, Rn.2.102; Sandkühler, Bankrecht2, 13f.; Schönte, Bank- und Börsemecht, § 3 II). Hauptargurntent ist, daß die Existenz eines Vertrages mangels konkret vereinbarter Rechtsfolgen abgelehnt werden müsse (Canaris, Bankvertragsrecht 3 , Rn. 11). Die herrschende Lehre setzt dem entgegen, daß in dem Bankvertrag die vertragliche Bestätigung des Geschäftsverhältnisses als Vertrauensverhältnis, die allgerneine Zurverfügungstellung der Geschäftseinrichtungen der Bank, eine Einbeziehung der AGB und allgerneine Schutz- und Verhaltenspflichten der Bank sowie Verhaltenspflichten für den Kunden vereinbart würden (Hopt, Bankrechts-Randbuch I, § 1 Rn. 23 ff.). 11 Gavalda!Stoufflet, Droit bancaire 3, Rn. 201; Trouche-Doerflinger, La distinction entre cornpte de depöt et cornpte courant, in: Petites affiches 1998, 4 (10). 12 Dauchy, L'intluence du droit civil sur le droit bancaire, RTD corn. 1986, 1 (22, 25), vergleicht die französische Konzeption eines Rahmenverhältnisses mit dem deutschen Bankvertrag. In der Regel wird der Begriff contrat bancaire aber nicht für das Grundverhältnis zwischen Bank und Kunden benutzt, sondern für alle Verträge, bei denen ein Kreditinstitut Vertragsparteiist (s. z. B. Dom, J.-Cl. Banque et Credit, fase. 130, Rn. 4). 13 Dom, J.-Cl. Banque et Credit, fase. 130, Rn.144ff.; Dauchy, L'intluence du droit civil sur le droit bancaire, RTD corn. 1986, 1 (27); Thunis, Responsabilite du banquier et automatisation des paiernents, 57. 14 Aix, 29.10.1991, 0.1993, Sornrn.57; Bonneau, Droit bancaire 2 , Rn.318, 419. 15 Ripert/Roblot, Droit cornrnercial 11 15 , Rn. 2290; Bonneau, Droit bancaire 2 , Rn. 355.

Kap. 1: Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde

19

I. Compte de depotund compte courant Traditionell kennt das französische Recht zwei Grundformen des Kontoverhältnisses: das Einlagekonto (campte de depot) 16 und das Kontokorrentkonto (campte caurant). Inzwischen ist freilich umstritten, ob und inwiefern eine Differenzierung zwischen Einlage- und Kontokorrentkonto noch sinnvoll ist. Die ursprüngliche Unterscheidung ist auf Art. 29 des Steuergesetzes vom 30.12.1938 zurückzuführen, der eine Steuerbefreiung für die Zinsen von Kontokorrentkonten vorsah, wenn die dort eingestellten Forderungen aus einem Handelsbetrieb oder landwirtschaftlichen Betrieb herrührten, woraufhin die Banken begannen, nur für Kaufleute und Landwirte Kontokorrentkonten zu führen.t7 Heute ist entscheidendendes Differenzierungskriterium wohl nicht mehr, wie die ältere Lehre noch annahm, die Kaufmannseigenschaft des Bankkunden, 18 sondern die rechtliche Ausgestaltung, die das Konto durch den Willen der Beteiligten erfahren hat. 19 Die rechtliche Ausgestaltung des Kontokorrentkontos ist in ihren Grundzügen weitgehend unumstritten: Alle Forderungen zwischen der Bank und ihrem Kunden (remises recipraques) werden ipsa iure in das Konto eingestellt (generalite du campte caurant), so daß die ursprünglichen Forderungen erlöschen (effet navataire), eine sukzessive Verrechnung stattfindet und nur der jeweilige Saldo geschuldet wird (indivisibilite du campte caurant). 20 Das Kontokorrentkonto bietet so neben der Möglichkeit der erleichterten Begleichung von gegenseitigen Forderungen ein Kreditinstrument und eine wechselseitige Garantie.21

Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung nimmt an, daß das Einlagekonto grundsätzlich nur zur Verwaltung der Einlagen des Bankkunden durch die Bank vorgesehen ist und daher stets auf Guthabenbasis geführt werden sollte.22 Die Einbeziehung einer Forderung setze im Unterschied zum Kontokorrentkonto je16 Gavalda/Staufflet, Droit bancaire 3 , Rn. 337, schlagen vor, statt des Begriffes campte de depot den Begriff campte ardinaire zu benutzen. 17 Ripert/Rablat, Droit commercial 11 15 , Rn. 2319; Belot, Compte de depöt et compte courant en matiere bancaire, Rev. jurisp. com. 1985, 41 (42). Diese steuerrechtliche Privilegierung ist durch eine Verordnung vom 09 .12. I 948 aufgehoben worden. 18 Ripert/Rablat, Droit commercial II 15 , Rn. 2317, ist der Ansicht, daß das Kontokorrentkonto auf die besonderen Bedürfnisse des Handelsverkehrs zugeschnitten sei und in der Bankpraxis daher grundsätzlich nur für Kaufleute ein Kontokorrentkonto eröffnet werde. Ein Privatkunde könne aufgrunddes Prinzips der Vertragsfreiheit eine Kontokorrentabrede treffen, müsse aber im Streitfall den schriftlichen Beweis einer solchen Abrede erbringen. 19 Com. 13.05.1980, Bull. civ. IV, Nr. 199: ein Einlagekonto kann allein durch Parteivereinbarung in ein Kontokorrentkonto umgewandelt werden. So auch Trauche-Daerflinger, La distinction entre compte de depöt et compte courant, Petites affiches 1998,4 (12). 20 Ripert!Rablat, Droit commercial II'S. Rn. 2313; Gavalda/Staufflet, Droit bancaire 3, Rn. 289ff. 21 Ripert/Rablat, Droit commercial II 15 , Rn. 2315. 22 Com.l7.12.1991, JCP 1992, ed. E, I, 156; Banneau, Droit bancaire 2 , Rn. 339; TraucheDaerflinger, La distinction entre compte de depöt et compte courant, Petites affiches 1998, 4 (7); Rives-Lange/Cantamine-Raynaud, Droit bancaire 6, Rn. 285.

2*

20

Teil 1: Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs

weils eine spezielle Einigung zwischen den Parteien voraus23 und führe nur zum Erlöschen der individuellen Forderung und Entstehen einer Saldoforderung an deren Stelle, wenn entweder ein positiver Saldo bestehe oder ausnahmsweise von der Bank ein Überziehungskredit eingeräumt sei. 24 Die Rechtsprechung privilegiert zudem den Inhaber eines Einlagekontos hinsichtlich der Überziehungszinsen: eine Zinszahlungspflicht müsse ausdrücklich vereinbart werden und das Verbot des Art. 1154 C. c. zur Verpflichtung zur Zahlung von Zinseszinsen greife vollumfänglich ein.25 Verstärkt sprechen sich jedoch Stimmen in der Literatur für eine einheitliche rechtliche Behandlung von Kontokorrentkonto und Einlagekonto aus. 26 Die theoretische Differenzierung sei längst durch die aktuelle Bankenpraxis überholt, insbesondere sei auch bei einem Einlagekonto dem Kontoinhaber allein schon durch die Bereitstellung eines Scheckheftes und/oder einer Kreditkarte ein Überziehungskredit eingeräumt. 27 Das deutsche Recht ist insofern schon einen Schritt weiter: die Differenzierung zwischen Kontokorrent- und Einlagekonto ist längst überwunden. Auch wenn die Vorschriften über das Kontokorrent in §§ 355 ff. HGB zu finden sind, ist inzwischen allgemein anerkannt, daß sie auch für Privatkonten gelten. 28 Das Reichsgericht lehnte allerdings noch mit einer der französischen ganz ähnlichen Argumentation- das Girokonto sei nur auf Guthabenbasis zu führen- die Einordnung des Girokontos als Kontokorrent ab. 29 Nach nunmehr geltender Auffassurig schließen Bank und Bankkunde demgegenüber zwecks Teilnahme des Bankkunden am Zahlungsverkehr einen Girovertrag 30, der regelmäßig mit der Vereinbarung einer unregelmäßigen Verwahrung gemäß §§ 700, 607 ff. BGB31 und einer Kontokorrentabrede 32 einhergeht. 23 Bonneau, Droit bancaire 2, Rn. 338; Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire 3, Rn. 338, d.h. keine generaUte des Einlagekontos. 24 Com. 09.10.1992, JCP 1993 ed. E, I, 302; Bonneau, Droit bancaire 2 , Rn. 342; Rives-Lange!Contamine-Raynaud, Droit bancaire 6 , Rn. 285; Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire 3, Rn. 338, lehnen daher eine "ptenitude de /' effet novatoire" ab und sehen hierin einen Unterschied zum Kontokorrentkonto. 25 Com.04.12. 1990, JCP 1991, ed. E, I, 65; Civ. 1reo4.12.1990, RTDcom.1991, 268. Zu den Einzelheiten s. nachfolgend sub Teil 1 Kapitell A. III., insbesondere Teil 1 Fn. 69. 26 Bonneau, Droit bancaire 2, Rn. 322; Belot, Compte de depöt et compte courant en matiere bancaire, Rev. jurisp. com.l985, 41 ff. 27 Belot, Compte de depöt et compte courant en matiere bancaire, Rev. jurisp. com. 1985, 41 (49). 28 Schlegelberger!Hefermeh/ 5 , Anh. § 365 Rn.16. 29 RGZ 12, 85 (88ff.). 30 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, §4 Fn.13; Canaris, Bankvertragsrecht\ Rn. 300; Häuser, Schuldrechtsreform II, 1317 (1362ff.); Hopt 29 (7) Bankgeschäfte C/3; Liesecke, Das Bankguthaben in Gesetzgebung und Rechtsprechung, WM 1975, 214 (228); RGZ 54, 329 (331); BGH NJW 1985, 2699. Im Zuge des neuen Überweisungsrechts ist auch der Girovertrag in § 676 f BGB einer gesetzlichen Regelung zugeführt worden. 31 BGH NJW 1996, 190 (191); 1982,2193 (2194); Hopt 29 (7) Bankgeschäfte B/1.

Kap. 1: Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde

21

II. Rechtsnatur des Einlagevertrags Nach einhelliger Ansicht findet auf die von der Bank erbrachten Dienstleistungen Auftragsrecht Anwendung,33 die dogmatische Einordnung des Einlagevertrags (depot bancaire), der die Rechtsverhältnisse hinsichtlich des vom Bankkunden auf sein Konto eingezahlten Geldes regelt, ist hingegen streitig.34 In Art. 2 L. 24.01.1984, der sich mit der Regelung des Einlagevertrags befaßt, sind nur folgende materielle Vorgaben ohne eine grundsätzliche Qualifikation enthalten: "Sont consideres comme fonds rer;us du public /es fonds qu' une personne recueille d' un tiers, notamment sousforme des dep6ts, avec le droit d' en disposer pour son propre campte, mais a Ia charge pour eile de /es restituer."

Die (noch) herrschende Lehre35 qualifiziert diesen Vertrag als unregelmäßige Verwahrung. Der Verwahrer erlangt beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag, der nicht im Code civil erwähnt ist, Eigentum an der zur Verwahrung übergebenen Sache und ist lediglich verpflichtet, Sachen gleicher Art, Güte und Menge zurückzugeben. Sinn dieser Qualifikation ist es, die Regelungen des Code civil für die Verwahrung in Art. 1915 ff. C. c., die als interessengerecht für die Situation des Einlagevertrags empfunden werden, zur Anwendung kommen zu lassen. 36 Eine Mindermeinung37 ordnet die aus der Einzahlung resultierenden Verpflichtungen dagegen als Darlehensvertrag (pret)3 8 ein. Der Unterschied zwischen Verwahrung und Darlehen liege darin, daß der Verwahrer die Sache grundsätzlich nicht nutzen dürfe (Art. 1930 C. c. ), wohl aber der Darlehensnehmer. Dies entspreche der 32 Hopt, Bankrechts-Handbuch I, § 47 Rn. 20; Canaris, Bankvertragsrecht 3 , Rn. 319; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, §4 Rn. 12. 33 Vgl. statt aller Wzian, 83 f. Der Code civil differenziert terminologisch nicht zwischen Auftrag und Geschäftsbesorgung, vgl. Art. 1986 C. c. 34 Die Diskussion bezieht sich dabei sowohl auf das Einlagekonto als auch auf das Kontokorrentkonto (A/fandari, Les droits des creanciers et des deposants d 'un etablissement de credit en difficulte, D. 1996, 277 [281]). 35 Grua, Sur Jes ordres de paiement en general, D.1996, Chron. 172; Ripert!Roblot, Droit commercialll 15, Rn. 2357; Ferronniere, Les operations de banque 4 , Rn. 1; Benabent, Contrats speciaux, Rn. 766. 36 Art. 1293 C. c., der die regelmäßig kraft Gesetzes stattfindende Aufrechnung für den Rückforderungsanspruch des Hinterlegers ausschließt, soll allerdings kraft Gewohnheitsrechts im Bankverkehr keine Anwendung finden (Ripert!Roblot, Droit commercial 11 15, Rn. 2361; Gavalda!Stoufflet, Droit bancaire 3, Rn. 235). Anders noch Req. 25.01.1891, D. 1892, 296 in dem das Gericht jedoch von einem Verzicht des Hinterlegers auf den Schutz des Art. 1293 C. c. ausgeht. 37 Hamel!Lagarde!Jauffret, Droit commercial Il, Rn. 1640; Simon/Cordier, Contentieux bancaire 2, Rn. 510; Catala, La nature juridique du paiement, 141. 38 Im französischen Recht ist der pret a usage, der im deutschen Recht der Leihe gemäß §§ 598ff. BGB entspricht, und der prer de consommation oder nur pret zu unterscheiden (Art. 1874 C. c.). Letzteres ist nach deutscher Terminologie ein Darlehensvertrag i. S. der §§607ff. BGB.

22

Teil 1: Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs

Situation der Bank, die gemäß Art. 2 L. 24.01.1984 berechtigt sei, das von ihren Kunden eingezahlte Kapital zu nutzen. 39 Die Vertreter der herrschenden Lehre werfen dieser Ansicht insbesondere vor, daß der Kontoinhaber die eingezahlten Geldsummen jederzeit zurückfordern könne, dies aber bei einem Darlehen grundsätzlich nicht der Fall sei: vielmehr gehe das Gesetz in Art. 1899 C. c. stets von einer bestimmten Laufzeit aus.40 Die Rechtsprechung entscheidet regelmäßig, daß mit der Einzahlung das Eigentum am Geld auf die Bank übergeht und dem Bankkunden lediglich ein Forderungsrecht zusteht.41 Mit dieser Einordnung hat die Rechtsprechung freilich noch keine Entscheidung zugunsten einer Qualifikation als unregelmäßige Verwahrung oder als Darlehen getroffen, da in beiden Fällen das Eigentum am Geld auf die Bank übergeht. Obwohl Urteile in beiden Richtungen existieren, kann in jüngster Zeit eine Tendenz zur Bevorzugung der unregelmäßigen Verwahrung festgestellt werden; die Gerichte vermeiden aber jede prinzipielle Festlegung. 42 39 Art. 1 li L. 24.01.1984: ,J.,es Operations de banque comprennent Ia reception de fonds du public, ...". Art. 2 I L. 24.01.1984: ,,Sont consideres comme fonds rer;us du public /es fonds qu' unepersonne recueille d' un tiers, notamment saus forme de dep6ts, avec le droit d' en disposer pour son propre campte, maisacharge pour eile de /es restituer." 40 Ripert/Roblot, Droit commercial II 15 , Rn. 2361; Benabent, Contrats speciaux, Rn. 766. 41 In Civ. 1'" 07.02.1984, Bull. civ. I, Nr. 49 begehrte die klagende Sparkasse Auszahlung der Versicherungssumme für die Veruntreuung von Kontengeldem durch einen ihrer Angestellten. Laut Versicherungsvertrag beschränkte sich ihr Versicherungsschutz jedoch auf Vermögensverluste zum Nachteil eines anderen, insbesondere eines Bankkunden. Der Kassationshof entschied, daß die auf die Konten eingezahlten Geldbeträge im Eigentum der Sparkasse stünden und daher nicht von der Versicherung gedeckt seien (" ... des I' instant de leur remise, /es especes, etant des choses de genre, deviennent propriete de Ia caisse a I' egard de laquelle /e client ne disposeplus que d' un droit de creance."). Vgl. auch Civ. 1'" 20.04.1983, D. 1984, IR 78: die Gläubiger eines Versicherungsmaklers stellten Antrag auf Pfändung von Versicherungsbeiträgen, die auf ein Postscheckkonto, das im Namen des Versicherungsmaklers geführt wurde, eingezahlt worden waren. Die Versicherung machte geltend, daß die Beiträge ihr zustünden und eine Pfändung daher unzulässig sei. Der Kassationshof verneinte dies mit der Begründung, aus einer Einzahlung auf ein Konto, gleich aus welchem Rechtsgrund, entstehe grundsätzlich ein Forderungsrecht des Kontoinhabers gegen die Bank. Dieses gehöre zum Vermögen des Kontoinhabers und könne von seinen Gläubigem gepfändet werden. Anders entschied der Kassationshof jedoch in folgendem Fall: ein Bankkonto wurde von einem Beauftragten mehrerer Ärzte unter dem Namen der Klinik, bei der sie angestellt waren, für die Einzahlung der Arzthonorare eingerichtet. Im Konkurs der Klinik entschied die Cour de cassation, daß die Beträge auf dem Konto " ... itaient des I' origine, et demeuraient Ia propriete exclusive des praticiens." Da sie auch niemals im Besitz der Klinik gestanden hätten, sei eine Aussonderung unnötig (Com. 22.11.1994, D. 1995, IR 6, ähnlich Paris, 06.10.1995, D. 1996, Somm. 95). Die unterschiedliche Beurteilung könnte sich daraus ergeben, daß in den beiden Jetztgenannten Fällen nicht das Verhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden in Frage stand. 42 Für unregelmäßige Verwahrung: Civ. 28.01.1930, S. 1930, I, 306; Com. 28.11.1995, D. 1996, IR 2. Für Darlehen: Req. 25.02.1929, D. H. 1929, 161. Unentschlossen: Req. 11.06. 1929, S. 1929, I, 372 (" ... un dep6t irregulier tenant du pret de consommation ... "); Paris 22.11.1924, D. H.1925, 48.

Kap. 1: Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde

23

Im Vordringen begriffen ist eine Ansicht, die jegliche Qualifikation aufgibt, sei es, weil sie den Vertrag als einen solchen sui generis einordnet,43 sei es, weil sie der Ansicht ist, der Streit habe keinerlei Auswirkung auf den Inhalt der Verpflichtungen44. Diese richteten sich nach den jeweiligen Vereinbarungen zwischen Bank und Kunden; zudem sei ihr Umfang zwischen den Vertretern aller Theorien weitgehend unstreitig. Ausgehend von der letzten Ansicht ist vor einer Stellungnahme in dieser Diskussion zunächst zu prüfen, ob das Qualifikationsinteresse tatsächlich rein theoretischer Natur ist, oder ob die Einordnung als Darlehen oder unregelmäßige Verwahrung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Verwahrung und Darlehen gehören im französischen Recht beide der besonderen Kategorie der Realverträge an. 45 Hinsichtlich der Nutzung des eingezahlten Geldes tragen die Vertreter der herrschenden Lehre vor, daß die Besonderheit der unregelmäßigen Verwahrung gerade darin bestehe, daß dem Verwahrer ausnahmsweise ein Nutzungsrecht an der verwahrten Sache gewährt werde.46 Ebenso können sich die Vertreter der "Darlehenstheorie" aber darauf berufen, daß das Gesetz in Art. 1899 C. c. zwar grundsätzlich eine bestimmte Laufzeit des Darlehens vorsieht. Da es sich um dispositives Recht handelt47 , könnten die Parteien jedoch auch vereinbaren, daß einem Rückzahlungsbegehren jederzeit stattgegeben werden solle. Sowohl bei einer Einordnung als Darlehen als auch bei einer solchen als unregelmäßige Verwahrung trägt nach allgemeiner Meinung die Bank die Gefahr des zufalligen Untergangs des eingezahlten Geldes. Dies ist beim Darlehen gesetzlich in Art. 1893 C. c. festgelegt und ergibt sich für die unregelmäßige Verwahrung aus der allgemeinen Rechtsregel res perit domino.48 Der Pflichtenumfang kann demnach bei Darlehen und Verwahrung durchaus gleich gestaltet werden, ohne dem Wesen des jeweiligen Vertragstyps zuwiederzulaufen. Nach Alfandari49 hat die Unterscheidung zwischen unregelmäßiger Verwahrung und Darlehen Einfluß auf die Stellung des Kontoinhabers im Konkurs der kontoführenden Bank. Bei der vorzugswürdigen Einordnung als unregelmäßige Verwahrung habe der Inhaber eines Einlage- oder Kontokorrentkontos ein Aussonderungsrecht (droit de revendication), während der Darlehensgeber nur Konkursgläubiger sein könne50• 43 Escarra!Rault, Droit commercial VI, Rn. 425; Libchaber, Recherehes sur Ia monnaie, Rn. 205; Michel, Kontokorrent und Depositengeschäft im französischen Recht, 114. 44 Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire 6 , Rn. 282 (noch für die Qualifikation als unregelmäßige Verwahrung in der Vorauflage); Vc?zian, 82; Branger, Traite d'economie bancaire, 48; Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire 3 , Rn. 235. 45 Benabent, Contrats speciaux, Rn. 730, 832. 46 Benabent, Contrats speciaux, Rn. 766. 47 Benabent, Contrats speciaux, Rn. 859. 48 Benabent, Contrats speciaux, Rn. 767. 49 A/fandari, Les droits des creanciers et des deposants d'un etablissement de credit en difficulte, D.1996, 277 (279ff.). 50 Alfandari, Les droits des creanciers et des deposants d'un etablissement de credit en difficulte, D. 1996, 277 (279f.): der Kassationshof habe in den Urteilen, in denen er dem Kon-

24

Teil 1: Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs

Diese Ansicht ist indes wenig überzeugend, da die Bank auch im Fall der Annahme einer unregelmäßigen Verwahrung das eingezahlte Kapital nicht getrennt aufbewahrt, vielmehr gesetzlich dazu berechtigt ist, es zu nutzen und so eine Vermischung mit anderem Geld eintritt. Schon auf materiellrechtlicher Ebene steht die Vermischung einer Vindikation an einzelnen der vermischten Gegenstände entgegen. Zwar führt sie nicht unmittelbar einen Eigentumsverlust herbei, sondern begründet gemäß Art. 573 C. c. einen schuldrechtlichen Teilungsanspruch. Eine Vindikation scheitert aber an der Regel des Art. 2279 C.c., ,,Enfait de meubles, Ia possession vaut titre", da bei Geld der Beweis, daß gerade jenes bestimmte Geldstück hingegeben worden ist, in der Regel nicht gelingt. 51 Entsprechend dieser materiellrechtlichen Wertung ist auch ein Aussonderungsrecht52 in Bezug auf Konteneinlagen abzulehnen. 53 Die Regelung des Art.121 III L. 25.01.1985, die dem Gläubiger eines Anspruchs auf Herausgabe einer Gattungssache eine Aussonderung von Sachen gleicher Art und Güte erlaubt, ist nur für den Verkauf unter Eigentumsvorbehalt vorgesehen und als Ausnahmeregelung nicht analogiefahig.54 Die Ablehnung eines Aussonderungsrechtes an Konteneinlagen ist auch rechtspolitisch vernünftig. Zwar sprechen gute Günde dafür, dem Bankkunden einen höheren Schutz als anderen Gläubigem im Konkurs der Bank zu gewähren. So ließe sich insbesondere das - auch im Interesse der Banken - schützenswerte Vertrauen des Bankkunden in die Rückerstattung des der Bank überlassenen Geldes als Argument anführen. Dieses Vertrauen wird jedoch, zumindest bis zu einem Betrag von 400.000 FF, durch das gesetzlich geregelte Einlagensicherungssystem geschützt: der Rückzahlungsanspruch des Bankkunden ist im Konkurs der kontoführenden Bank unabhängig von einer Qualifikation der Rechtsnatur des Kontovertrags durch ein in Art. 52-1 L. 24.01.1984 vorgesehenes Garantiesystem bis zu diesem Betrag gesichert. 55 Handelt es sich um höhere Beträge oder um Einlagen anderer Kreditintoinhaber aus dem unregelmäßigen Verwahrungsvertrag nur ein droit de creance auf die eingezahlte Summe zugesprochen habe (Civ. 1"' 07.02.1984, Bull. civ. I, Nr.49; Civ. 1" 20.04.1983, D.1984, IR 78; anders Com.22.11.1994, D.l995, IR 6; Paris, 06.10.1995, D.l996, Somm. 95), nicht über Konkursfälle entschieden. Eine Verschlechterung der Stellung des Kontoinhabers im Konkurs sei nicht beabsichtigt gewesen. Ebenso Simon/Cordier, Contentieux bancaire 2, Rn.510. SI Art. 2279 C. c. ist originärer Eigentumserwerbsgrund im Konflikt des Berechtigten und demjenigen, der vom Nichtberechtigten erworben hat. Im Verhältnis des Besitzers zu seinem eigenen "Vormann" stellt Art. 2279 eine Beweisregel in Gestalt einer widerlegbaren Vermutung auf (Weill/Terre/Simler, Les biens 3 , Rn. 396; Larroumet, Les biens 2 , Rn. 919). 52 Die Paralle zwischen Vindikaton und Aussonderungsrecht wird im französischen Recht dadurch betont, daß beide als revendication bezeichnet werden. Allgemein zum Aussonderungsrecht s. Ripert/Roblot, Droit commercial 11 15, Rn. 3143. 53 So im Ergebnis Benabent, Contrats speciaux, Rn. 768, freilich ohne diese Ansicht näher zu begründen. 54 So Petel, Anm. zu Com. 25.03.1997, JCP 1997, ed. E, II, 991. 55 Die Vorschrift beruht auf der europäischen Richtlinie 94/19/EG vom 30.05.1994 über Einlagensicherungssysteme. Zu weiteren Schutzmechanismen zugunsten der Gläubiger im Konkurs einer Bank: Gavalda!Stoufflet, Droit bancaire 3, Rn.144ff.

Kap. 1: Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde

25

stitute, diebeidenicht von der Garantie erfaßt sind,56 so erscheint es wegen der Höhe der Belastung bzw. der geringeren Schutzwürdigkeit des Einlegers zweckmäßig, das Prinzip der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger im lnsolvenzverfahren57 nicht noch weiter auszuhöhlen, sondern sie auf die Geltendmachung ihrer Rückzahlungsforderungen als Insolvenzgläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu verweisen. Die Cour de cassation hat schon in einer Entscheidung aus dem Jahre 1925 im Rahmen eines pret a usage auf die Bedeutung der Unterscheidung zwischen der Rückforderung einer Geldsumme oder eines bestimmten Gegenstands für die Insolvenzfestigkeit des Anspruchs hingewiesen und entschieden, daß nur der letztere im Insolvenzverfahren des Schuldners zur Aussonderung berechtige.58 Dieser Linie folgt auch ein Urteil der Cour d'appel von Paris, in dem die Guthabenforderung einer Bank gegen die in Konkurs gefallene BCCI dem Art. 4 7 L. 25.01.1985 unterworfen, sie also als einfache Insolvenzgläubigerin behandelt wird. 59 In jüngster Zeit stufte die Cour de cassation im Insolvenzverfahren einer Bank, die für die klagenden Parteien ein Konto treuhändefisch verwaltet hatte, die Kläger nur als Insolvenzgläubiger ein und forderte daher eine Anmeldung der Rückzahlungsforderung im Insolvenzverfahren: die Kläger seien ebenso wie alle anderen deposants zu behandeln.60 Nur kurz darauf lehnte sie in einer anderen Sache mit der auf ein Grundsatzurteil (arret de principe) hindeutenden Formulierung ,,Mais attendu que si /e caractere fongible d' un bienne fait par lui-meme obstac/e asa revendication, celle-ci ne peut aboutir que dans Ia mesure ou /e bien en cause n' a pas ete confondu avec d' autres de meme espece"

ausdrücklich ein Aussonderungsrecht an vermischtem Geld ab. 61

Verordnung CRB vom 21 .07 .1995; Grelon, Les banquesen difficu1te, D. 1997, 197 (200). Das Prinzip der egalite des creanciers prägt entscheidend das französische Insolvenzrecht (Ripert!Roblot, Droit commercial II 15, Rn. 2825). 58 Req. 16.11.1925, D. H. 1925, 666: " ... n' etait pas creancier d'une somme d' argent, mais avait prete des corps certains dont il est demeure proprietaire et qui devront, ulterieurement, lui etre restitues en nature." 59 Paris, 13.01.1993, D. 1993, Somm. 390. 6 Com.04.03.1997, JCP 1997, ed. E, Pan.434. 61 Com. 25.03.1997, D. 1997, 481 : eine Gesellschaft, die telefonische Informationsdienste anbietet, SA Editions Neressis, hatte mit einem Btx-Anbieter einen Vertrag "kiosque te/ematique grand public" geschlossen, in dem unter anderem vereinbart war, daß die Dienstleistungen der SA Editions Neressis durch Überweisung eines Teils der Gebühren, die von der France Telecom an den Btx-Anbieter gezahlt wurden, vergütet werden sollten. Der Btx-Anbieter sollte dabei als Beauftragter der SA Editions Neressis von der France Telecom die Gebühren einziehen. Als über das Vermögen des Btx-Anbieters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, versuchte die SA Editions Neressis die ihr zustehenden Geldbeträge im Wege der revendication aus der Konkursmasse auszusondern, da sie Eigentürnenn dieser Geldbeträge sei. Die Cour de cassation wies die Klage mit der Begründung ab, auch wenn die Eigenschaft der vertretbaren Sache als solche nicht der revendication entgegenstehe, so könne die revendication doch nur 56

57

°

26

Teil 1: Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs

Allerdings könnte die Frage der Qualifikation im umgekehrten Fall, der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden, eine Rolle spielen. Soweit ersichtlich, existiert zu dieser Frage allerdings weder Rechtsprechung noch wird sie in der Literatur diskutiert. Nach der gesetzlichen Regelung hat der Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht an dem verwahrten Gegenstand hinsichtlich der Forderungen, die ihm aus dem Verwahrungsvertrag zustehen (Art. 1948 C. c.), dem Darlehensnehmer wird ein solches Recht in Art.1885 C. c. ausdrücklich verwehrt. Diese Differenzierung läßt sich anband des gesetzlichen Leitbildes begründen: aus der Perspektive desjenigen, der den Vertragsgegenstand erhält wird die Verwahrung als fremdnütziger Vertrag eingestuft, der Darlehensvertrag jedoch als eigennütziger.62 Demgemäß soll der Verwahrer einen erhöhten Schutz hinsichtlich seiner Forderungen aus dem Verwahrungsverhältnis genießen. Vor diesem Hintergrund ist eine Anwendung des Art. 1948 C. c. auf den Einlagevertrag aber selbst dann abzulehnen, wenn man grundsätzlich die Qualifikation als unregelmäßige Verwahrung befürwortet. Die Fremdnützigkeit ergibt sich für die Verwahrung ja insbesondere daraus, daß der Verwahrer die Sache gemäß Art.1930 C. c. nicht selbst nutzen darf- eine Vorschrift, die für den Einlagevertrag, wie oben dargestellt, gerade nicht eingreift. Ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Bank, das die Existenz eines Zurückbehaltungsrechts rechtfertigen könnte, ist daher abzuleben. Damit hat die rechtliche Einordnung des Einlagevertrags selbst mit Blick auf die Insolvenz des Bankkunden keine Relevanz. Es zeigt sich letztlich, daß die Diskussion um die Rechtsnatur des depot bancaire keine Auswirkung auf die Lösung der wesentlichen Sachprobleme hat. Dies mag daran liegen, daß der Einlagevertrag in der Praxis ein häufig genutztes Instrument ist und Rechtsprobleme grundsätzlich im Vertrag selbst geregelt werden, so daß ein Rückgriff auf Vorschriften des Code civil überflüssig ist. Eine Erklärung für die Zurückhaltung der Rechtsprechung in der Qualifikationsfrage dürfte in dem Wunsch zu finden sein, flexibel auf die jeweiligen Problemstellungen reagieren zu können. So kann offen bleiben, ob das depot bancaire als unregelmäßige Verwahrung oder als "atypischer" Darlehensvertrag eingeordnet werden muß. In Deutschland fand die Diskussion um die Rechtsnatur des Einlagevertrags vor der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs statt und führte zu folgender Stellungnahme des Reichsgerichts, die der heutigen französischen Argumentation bemerkenswert ähnlich ist: Das Guthaben auf dem Girokonto werde im Rahmen eines Aufbewahrungsvertrags (depositum irregulare) eingezahlt. Eine Qualifikation des Einlagevertrags als Darlehen komme deshalb nicht in Betracht, weil die Einlagen sofort rückzahlbar seien und die Bank keinen Zins zahlen müsse. 63 Die Frage nach ihr Ziel erreichen, wenn die Sache noch nicht mit anderen Sachen der gleichen Gattung vermischt sei. Ebenso Paris, 14.10.1997, D. Aff. 1997, 1394, unter wörtlicher Übernahme der Formulierung des Kassationshofs. 62 Benabent, Contrats speciaux, Rn. 446. 63 RGZ 12, 85 (88ff.).

Kap. 1: Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde

27

der Rechtsnatur des Girokontos wurde in Deutschland allerdings durch die Einführung von § 700 BGB entschärft, der für den unregelmäßigen Verwahrungsvertrag auf Darlehensrecht verweist. Ausweislich der Protokolle der Zweiten Kommission ist das Giroguthaben bei§ 700 BGB namentlich genannt worden. 64 Vor dem Hintergrund der ausufernden französischen Diskussion zur Rechtsnatur des Einlagevertrags ist die gesetzgebensehe Klarstellung in § 700 BGB zu begrüßen.65

111. Einzelheiten zu den sonstigen Verpflichtungen aus dem Kontoverhältnis Die Bank ist zur ordnungsgemäßen Kontoführung verpflichtet, 66 die auch die regelmäßige Erstellung und Übersendung von Kontoauszügen umfaßt. 67 Dies zieht allerdings auch eine Verpflichtung des Bankkunden zur Kontrolle der zugesandten Kontoauszüge nach sich: das Schweigen des Bankkunden gilt einen Monat nach Zusendung der Kontoauszüge grundsätzlich als Anerkennung des aufgeführten Saldos.68 Weist das Konto einen negativen Saldo auf, hat der Bankkunde Sollzinsen ab Wertstellung (date de valeur) zu zahlen,69 erhält seinerseits aber in der Regel keine Guthabenzinsen.7 Für spezielle Bankdienstleistungen hat er ein Entgelt (commission) zu zahlen.7 1

°

Prot. II, 398. Anders Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 3 Rn. 5, die§ 700 BGB für überflüssig halten. 66 Bonneau, Droit bancaire 2 , Rn. 359; Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire 3 , Rn. 257: es darf z. B. zu keiner Verzögerung bei der Ausführung von Kundenaufträgen kommen. 67 Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire\ Rn. 259. 68 s. z. B. Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire 3 , Rn. 260, 261. Vgl. dazu ausführlich sub Teil! Kapitel 2 B. I. 3. und Teil 2 Kapitel 1 A. I. I. a). 69 Seit der Kassationshof sich in zwei aufeinanderfolgenden Urteilen aus dem Jahr 1988 für eine Anwendbarkeit des Art. 1907 II C. c. auch auf Kontokorrentkonten ausgesprochen hat, sind die Banken verpflichtet, die Zinshöhe schriftlich festzulegen und eine Einigung mit dem Bankkunden hierüber zu erzielen (Civ. Ire 09.02.1988, BuH. civ. I, Nr. 34; Com 12.04.1988, D. 1988, 309). Auch der effektive Jahreszins muß gemäß Art. 313- 2 C. cons. schriftlich angegeben werden. Ein Unterschied zwischen Kontokorrentkonto und Einlagekonto bleibt jedoch auch nach dieserneuen Rechtsprechung bestehen: das Prinzip der Zinszahlung muß bei einem Kontokorrentkonto im Gegensatz zum Einlagekonto nicht vereinbart werden, ist allerdings die Höhe nicht schriftlich festgelegt, greift der gesetzliche Zinssatz ein (Com. 04.12.1990, JCP 1991, ed. E, I, 65: " ... alors qu'un compte ordinaire de dep6t n' est productif d'interet sur son solde debiteur [. ..] que si Ia convention passee par Ia banque et son dient le prevoit. "; Ripertl Roblot, Droit commercial Il 15, Rn. 2298). 70 Entscheidung des Conseil national du credit 69--02 vom 08.05.1969, abgeändert durch Verordnung CRB 92- 09 vom 15.10.1992 und 92-10 vom 23.12.1992. In der Literatur werden die weitgehend unentgeltlichen Serviceleistungen der Bank als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Kapitals angesehen (Gavalda!Stoufflet, Droit bancaire 3, Rn. 268). 71 Bonneau, Droit bancaire 2 , Rn. 362. Nach einer Entscheidung des Conseil national du credit vom 18.03.1966 sind die Banken in der Erhebung und der Höhe von Gebühren frei. Üblicherweise wird für die reine Kontoführung bei comptes de dep6t keine Gebühr erhoben, wohl aber für speziellere Dienstleistungen, z. B. die Einziehung von Schecks. Bei Kontokorrentkon64 65

28

Teil 1: Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs

B. Berufsspezifische Verhaltenspflichten der Banken (obligations professionnelles des banques) In einer Fülle von Entscheidungen hat die Rechtsprechung allgemeine Verhaltenspflichten entwickelt, denen Banken unabhängig von der jeweiligen Vertragsgestaltung im Kundenverhältnis unterworfen sind und deren Verletzung zu vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzansprüchen von Kunden oder Dritten führen kann.

I. Entstehung und Rechtsgrundlage Der Kassationshof zeigte sich in einem frühen Urteil aus dem Jahre 193072 noch zurückhaltend gegenüber der Haftung einer Bank, die die Identität eines Bankkunden bei der Kontoeröffnung unzureichend kontrolliert hatte. Dieser hatte einen falschen Namen angegeben, sich mit Hilfe eines gefälschten Überweisungsauftrags von dem Konto eines ahnungslosen Notars Geld überweisen lassen, das überwiesene Geld vom neueröffneten Konto abgehoben und war im folgenden unauffindbar. Der Notar begehrte daraufhin Schadensersatz von der kontoeröffnenden Bank, die lediglich anband einer Wählerkarte die Identität des betrügerischen Bankkunden überprüft hatte. Der Kassationshof lehnte eine Haftung der Bank mit der Begründung ab, daß " ... aucune regle de droit meta Ia charge d' un depositaire I' obligation de proceder spontam!ment a Ia verification de I' identite du deposant ou des droits de celui-ci sur I' objet depose, ..."

Gleichzeitig wies das Gericht aber darauf hin, daß eine gewohnheitsrechtlich begründete Verpflichtung der Bank zur Nachprüfung der Identität im Bereich des Scheckrechts existiere, die zu einem Ersatzanspruch eines geschädigten Dritten führen könne_73 In den folgenden Jahren erkannte die Rechsprechung eine Vielzahl von berufsspezifischen Verhaltenspflichten der Banken an, die zu einer Ausdehnung der Bankenhaftung führten.74 Viele der so entwickelten Verhaltenspflichten sind später kodifiziert worden. 75 ten wird demgegenüber eine Kontoführungsgebühr berechnet (Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire3, Rn. 268). 72 Civ. 28.01.1930, S. 1930, I, 306. 73 Vasseur/Marin, Les comptes en banque, 39, zitieren dieses Urteil daher auch als eines der ersten, das sich zu dem Prinzip der Bankenhaftung bei Verletzung von Kontrollpflichten äußert. 74 So z. B. Paris, 18.12.1965, JCP 1966, II, 14704: Verpflichtung zur Kontrolle der Identität des Bankkunden bei der Kontoreröffnung. Weitere Fundstellen s. unten bei den einzelnen Pflichten. Großen Einfluß auf die Anerkennung von berufsspezifischen Verhaltenspflichten der Banken in der Literatur und wohl auch auf die Entwicklung der Rechtsprechung hatte ein Aufsatz von Stoufflet, L' ouverture de credit peut eile etre une source de responsabilite envers 1es tiers?, JCP 1965, I, 1882. 75 s. z. B. zur Verschwiegenheilspflicht Art. 57 L. 24.01.1984, zur Kontrollpflicht bei der Kontoeröffnung Art. 33 D. 22.05.1992, Art. 12 L. 12.07.1990, zur Informationspflicht Art. 7 D. 24.07.1984.

Kap. 1: Die Rechtsbeziehung zwischen Bank und Kunde

29

Literatur und Rechtsprechung waren sich in der Frage der Begründung der Verhaltenspflichten zunächst weitgehend einig: der von der Literatur76 herangezogene Gedanke, daß die Banken einen service public ausübten und daher besonders hohen Sorgfaltsanforderungen unterworfen seien, wurde bald von der Rechtsprechung übemommen.77 Die Idee des service public stützt sich darauf, daß der Staat den Banken umfangreiche Privilegien im Rahmen der Banktätigkeit einräumt, so etwa das Bankenmonopol für die Erbringung von Bankdienstleistungen, günstige Refinanzierungsmöglichkeiten und spezielle Informationsmöglichkeiten, denen im Gegenzug bestimmte Verpflichtungen, insbesondere die Wahrung des interer general, gegenüberstehen.78 Sicherlich lag die Idee des service public aber auch deswegen nahe, weil sich zu dieser Zeit die meisten Großbanken in öffentlicher Hand befanden.79 Stoufflet80 sprach sich - die Entwicklung grundsätzlich begrüßend - schon früh gegen eine zu starke Ausdehnung der Sorgfaltspflichten der Banken aus. Die Banken seien nicht Garanten für die Sicherheit des Zahlungsverkehrs. Zwar vermittelten sie den Zahlungsvorgang, die Initiative ergreife aber der Bankkunde, in dessen Interesse die Zahlung auch vorgenommen werde. Im übrigen sei auch für den Bankkunden eine Erweiterung des Pflichtenumfangs nicht unbedingt vorteilhaft: umfangreiche Kontrollpflichten beeinträchtigten die Effizienz der Banktätigkeit und 76 Houin, Anm. zu Nimes, 13.11.1963, RTD com.1964, 164; Cabrillac/Rives-Lange, Anm. zu Amiens, 24.02.1969, RTD com. 1969, 1059; Gavalda, Anm. zu Amiens, 24.02.1969, JCP 1969, II, 16124. 77 Amiens, 24.02.1969, JCP 1969, Il, 16124: " ... en raison de son importance economique et sociale, Ia distribution de credit s' apparente davantage aun Service public qu' aunesimple activite d' interet prive et oblige, de ce fait, le banquier qui accorde des facilites a un client ane pas causer de prejudice aux tiers, soit en contribuant a tromper sur Ia veritable situation de credit, soit en donnant a ce dernier /es moyens de poursuivre, au detriment de ses creanciers, une exploitation vouee a Ia ruine." Die Rechtfertigung erhöhter Sorgfaltspflichten durch die Idee des service public ist von der Rechtsprechung zunächst in Fällen der Kreditvergabe von Banken an zahlungsunfähige Unternehmen anerkannt worden, deren Konkurs so verzögert und Dritte dadurch geschädigt wurden, später dann auf die Sorgfaltspflicht der Banken im Rahmen der allgemeinen Kontoführung ausgedehnt worden (s.auch Paris, 26.05.1967, JCP 1968, II, 15518). 78 Gavalda, Anm. zu Amiens, 24.02.1969, JCP 1969, II, 16124; Dauchy, L'influence du droit civil sur Je droit bancaire, RTD com. 1986, 1 ( 11). 79 Im Jahr 1945 wurden der Credit Lyonnais, die Societe Generale, der Comptoir national d'escompte und die B. N. C. I. (später: BNP) verstaatlicht. Zu einem möglichen Zusammenhang zwischen der Verstaatlichung der Banken und dem Aufkommen der Idee des service public: Dauchy, L'influence du droit civil sur Je droitbancaire, I (41). Gavalda, Anm. zu Amiens, 24.02.1969, JCP 1969, II, 16124, weist aber daraufhin, daß der Begriff des service public keinesfalls im Sinne seiner öffentlichrechtlichen Bedeutung, d. h. als Abgrenzungskriterium für Verwaltungshandeln, verwendet werde. Die Banken übten keine hoheitliche Tätigkeit aus, die gegebenenfalls eine Staatshaftung nach sich ziehen könne. Daher formulierten die Gerichte auch vorsichtig "Ia distribution de credit s' apparente davantage un Service public" (Amiens, 24.02.1969, JCP 1969, II, 16124) oder "que sa participation au service public" (Paris, 26.05.1967, JCP 1968, II, 15518). 80 Anm. zu Paris, 18.12.1965, JCP 1966, II, 14704; ders., FS Jauffret, 635 (637). Ähnlich im Anschluß auch Vezian, 48.

a

30

Teil I: Rechtliche Analyse des Überweisungsverkehrs

steigerten die Kosten für Bankdienstleistungen, da die Bank ihre erhöhten Kosten auf den Bankkunden abwälze. Zudem vertrat er die Ansicht, daß ein Rückgriff auf den - ursprünglich öffentlichrechtlichen - Begriff des service public nicht notwendig sei, um eine Bankenhaftung zu begründen. Dies könne ebenso über die ,,principes traditionnels de Ia responsabilite des professionnels" erreicht werden. 81 Die Banken hätten ein außerordentliches wirtschaftliches Gewicht und das wirtschaftliche Leben hänge in einem hohen Maße von ihnen ab. Diese hervorgehobene Position rechtfertige erhöhte Sorgfaltsanforderungen an die Tätigkeit der Banken. Mit seinen Überlegungen zur Begründung der verschärften Bankenhaftung hat Stoufflet die spätere Entwicklung vorweggenommen. Heute wird - bei grundsätzlicher Anerkennung berufsspezifischer Verhaltenspflichten der Banken- eine Rechtfertigung über den Begriff des service public von der Literatur weitgehend abgelehnt,82 und von der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, nicht mehr erwähnt. Eine Anknüpfung an berufsmäßiges Handeln hat sich im französischen Recht demgegenüber in verschiedensten Bereichen zur Begründung einer Haftungsverschärfung durchgesetzt83 und wird heute auch einhellig in der bankrechtlichen Literatur als Grundlage für die Anerkennung von berufsspezifischen Verhaltenspflichten gesehen.84 Die Haftungsverschärfung wird vor allem mit dem Wissens- und Informationsvorsprung des professionnel begründet.85 Im Verhältnis der Bank zu ihrem Kunden werden die berufsspezifischen Verhaltenspflichten in der Regel als vertragliche Nebenpflichten des allgemeinen Kontoverhältnisses oder eines speziellen Auftrags qualifiziert, deren Verletzung zu einer vertraglichen Haftung der Bank führen kann. 86 Die Entstehung dieser Nebenpflichten wird von Vezian87 dogmatisch mit der Annahme einer entsprechenden konkludenten Vereinbarung ("convention tacite") begründet, während die Rechtsprechung den zur Entwicklung von Nebenpflichten schon häufig beschrittenen Weg über eine 81 Stoufflet, Anm. zu Paris, 26.05.1967, JCP 1968, II, 15518.

Ripert/Roblot, Droit commercial li 15, Rn. 2279; Trouche-Doerflinger, La distinction entre compte de depöt et compte courant, Petites affiches 1998, 4 (I O):"Qui oserait encore croire que les banques remplissent une sorte de >Service publicpetase< et chausse des sanda/es ailees?" 164

a) Bisherige Rechtslage Da die Rechtsprechung für die Rechtzeitigkeit der Überweisung auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsemprangers abstellt, trägt der Überweisende regelmäßig die verzögerungsbedingten Schäden. 165 Nach bisher geltendem Recht steht dem Überweisenden ein Anspruch auf Ersatz dieser Schäden zu, 162 Zwar ist der Abschnitt 3 der Überweisungsrichtlinie in der Tat mit "Mindestverpflichtungen der Institute bei grenzüberschreitenden Überweisungen" überschrieben und Art. 8 I Überweisungsrichtlinie enthält die Formulierung "so ist das Institut des Auftraggebers unbeschadet etwaiger sonstiger Forderungen verpflichtet, dem Auftraggeber den Überweisungsbetrag bis 12.500 Euro wieder gutzuschreiben", so daß weitergehende Ansprüche nicht vorn Verschulden der Bank abhängig gernacht werden. Andererseits ist Erwägungsgrund Nr. 11 der Überweisungsrichtlinie folgendermaßen formuliert:,,Die Institute sollen verpflichtet sein, im Fall der Nichtabwicklung einer Überweisung Ersatz zu leisten. Diese Verpflichtung könnte, falls sie nicht begrenzt wird, zu einer Ausfallhaftung der Institute führen, die sich auf die Anforderungen an ihre Solvabilität auswirken würde. Es sollte daher vorgesehen werden, daß diese Verpflichtung bis zur Höhe von 12.500 Euro gilt." Der europäische Gesetzgeber ist daher der Ansicht, daß die Belastung der Banken mit einer Garantiehaftung durch eine betragsrnäßige Beschränkung dieser Haftung begrenzt werden muß, um keine Konsequenzen für die Eigenmittelausstattung der Kreditinstitute auszulösen. Wenn dabei die Grenze, oberhalb derer erhöhte Eigenmittel als notwendig angesehen werden, auf 12.500 Euro festgelegt wird, so kann dieser Betrag nicht durch abweichende nationale Regelungen überschritten werden. Anders Ehmann!Hadding, EG-Überweisungsrichtlinie und Umsetzung, WM SonderbeiL Nr. 3, 3 (13, 17); Risse, Haftung der Banken nach neuern Überweisungsrecht, BB 1999, 2201 (2204). 163 s. dazu ausführlich oben sub Teil 2 Kapitel 1 A. I. 2. c). 164 Gavalda, Anm. zu Paris, 29.04.1964, JCP 1964, II, 13877. 165 Vgl. dazu sub Teil 2 Kapitel 3 A. II.

Kap. 1: Die Ansprüche des Überweisenden

101

wenn er nachweisen kann, daß die Verzögerung oder Nichtausführung der Überweisung auf einem Verschulden der überweisenden Bank beruht. 166 aa) Ausführungsfrist Zunächst ist jedoch zu untersuchen, wann eine Überweisung als verspätet gelten kann. Erteilt der Überweisende einen wirksamen Überweisungsauftrag und weist sein Konto genügend Deckung auf, so ist die Bank nach allgemeiner Ansicht zur Annahme des Überweisungsauftrags und zur Ausführung der Überweisung in einer angemessenen Frist verpflichtet. 167 Da eine Mindestausführungsfrist für Überweisungen bisher nicht gesetzlich festgelegt war, unterlag die Bestimmung der zulässigen Dauer der Einschätzung der Gerichte. Allgemein wurde angenommen, daß die Bank grundsätzlich "avec promptitude" 168 oder "immediatement" 169 handeln müsse, wobei die konkreten Bestimmungen des Überweisungsauftrags nicht außer Betracht gelassen werden dürften. 170 So konnte sowohl eine besonders schnelle Durchführung wegen eines Hinweises auf Eilbedürftigkeit geboten sein,171 als auch zusätzliche Anweisungen oder die Notwendigkeit einer Rückfrage bzw. Einholung einer Bestätigung durch die Bank einen längeren Durchführungszeitraum rechtfertigen.172 In einem- freilich aus einer Zeit vor der elektronischen Datenverarbeitung stammenden und daher vorwiegend aus historischem Interesse zu berichtenden- Urteil aus dem Jahr 1933 entschied die Cour d'appel von Rabat, daß eine Ausführungsdauer von 24 Tagen für die Überweisung zwischen zwei Filialen derselben Bank zu lang sei und bejahte daher eine schuldhafte Pflichtverletzung der 166 Paris, 29.03.1989, D. 1991, Somm. 30; Cabrillac/Rives-Lange, Virement, Encycl. Dr. com., Rn. 60; Gavalda, Anm. zu Paris, 29.04.1964, JCP 1964, II, 13877; Gerschel, L' obligation de diligence en droit des affaires, D. Aff. 1996, 281 (284); V€zian, 88; Vasseur, Les virements bancaires internationaux en droit fran9ais, Diritto del commercio internazianale 1992, 39 (53). 167 Com.21.12.1981, D.1982, IR 129; Paris, 29.03.1989, D. 1991, Somm. 30; Cabrillac/Rives-Lange, Virement, Encycl. Dr. com., Rn. 60; Ripert/Roblot, Droit commercial II 15 , Rn. 2306; Hamel/Lagarde/Jauffret, Droit commercial II, Rn.1737; Vezian, 125; Grua, Contrats bancaires, Rn. 163; Dauphin, Le virement en banque, 153; Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire 3 , Rn. 241; Deveze/Ptitel, Instruments de paiement, Rn. 404; Vasseur, Recht und Praxis der Auslandsüberweisung in Frankreich, 251 (275); Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire6, Rn.292; Jeantin, Droit commercial 3, Rn.168. 168 Paris, 10.11.1962, JCP 1963, II, 13016; Cabrillac/Rives-Lange, Virement, Encycl. Dr. com., Rn. 63; Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire 3, Rn. 241; Vezian, 146; Grua, Contrats bancaires, Rn. 163. 169 Com.06.01.1955, Bull. civ. III, Nr.3. 17°Cabrillac, J.-Cl. Banque et Credit, fase. 390, Rn. 92. 171 TI Clermont-Ferrand, 08.03.1994, D. 1994, Somm. 333. 172 Com.18.05.1978, D.1979, IR 140. Nach Ansicht des Kassationshofs reicht es allerdings nicht aus, wenn die Bank die Durchführung der Überweisung von der Einreichung bestimmter Dokumente abhängig macht, die sie nicht auf der Grundlage eines Gesetzes, sondern nur ,.,5ur simple al/egation d'un usage bancaire" fordert (Com. 06.01.1955, Bull. civ. 111, Nr. 3).

102

Teil 2: Das System der Haftung für fehlgeschlagene Überweisungen

Bank. 173 Im Jahr 1962 befand die Cour d'appel von Paris schon eine Dauer von 8 Tagen bis zur Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers als zu lang. 174 Neuere Urteile zur Durchführungsdauer existieren nicht; allerdings enthält inzwischen Art. 9 Reglement CRB 99-09 vom 09.07.1999 eine ausdrückliche Regelung (dazu s. sogleich nachfolgend), die nunmehr auch für den allgemeinen Verzugsschadensanspruch maßgeblich sein dürfte. Weiterhin interessant ist eine Entscheidung des Kassationshofs, in der eine Bank sich damit verteidigte, daß sie den Überweisungsauftrag an einem Samstag erhalten habe, dem drei Feiertage gefolgt seien und sie somit erst danach mit der Ausführung der Überweisung habe beginnen können. Das Gericht entschied, daß die Bank bei Erhalt eines Überweisungsauftrags an einem Werktag noch am selben Tag tätig werden müsse.175 bb) Verschulden der überweisenden Bank Der Bankkunde muß für eine haftungsbegründende Fahrlässigkeit der Bank nachweisen, daß die Bank den Überweisungsauftrag sorgfaltspflichtwidrig nicht in der angemessenen Frist ausgeführt hat. 176 Die Bank kann sich allerdings durch den Nachweis höherer Gewalt oder des (Mit-)Verschuldens des Kontoinhabers entlasten.177 Es reicht jedoch nicht aus, daß die Bank des Überweisenden ihrerseits den Überweisungsauftrag rechtzeitig an eine Zwischenbank weitergeleitet hat, da sie auch für das Verschulden von Zwischenbanken einstehen muß.l78

173 Rabat, 23.03.1933, S. 1933, li, 212. Erstaunlicherweise sprach das Gericht dem Bankkunden Schadensersatz auf der Grundlage von Art. 1382 C. c. zu. 174 Paris, 10.11.1962, JCP 1963, II, 13016. 175 Com. 06.01.1955, Bull. civ. III, Nr. 3: " ... que Ia B.N. C./. reconnait avoir refU un jour ouvrable, celle-ci ne demontre pas qu' eile se soit trouvee dans I' impossibilite absolue de faire immediatement I' operation ni que I' inexecution provienne d' une cause etrangere qui ne puisse lui erre imputee." 176 Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire 6 , Rn. 297; Deveze/Pete/, Instruments de paiement, Rn. 404. 177 Com. 06.01.1955, Bull. civ. III, Nr. 3. Deutlich Paris, 10.11.1962, JCP 1963, II, 13016: " ... elle avait I' obligation de se conformer avec poncutalite aux instructions donnees; que pour se soustraire a Ia responsabilite qu' el/e a encourue, illui appartient de demontrer, ce qu' elle ne fait pas, qu' elle a ete dans I' impossibilite absolue d' executer plus vite ou que [es consequences dont se plaint I' appelante se seraient egalement produites si el/e avait agi avec toute Ia dierite necessaire." Zu der Frage, ob das Versagen des Computersystems der Bank als höhere Gewalt gilt s. unten sub Teil 2 Kapitel 1 A. V. 178 Paris, 22.09.1988, D. 1991, Somm. 30. Zur Haftung für schuldhaftesHandeln von Zwischenbanken, s. ausführlich unten sub Teil 2 Kapitel 1 A. VI.

Kap. 1: Die Ansprüche des Überweisenden

103

cc) Umfang der Schadensersatzpflicht Die Schadensersatzpflicht der Bank umfaßt gemäß Artt. 1149ff. C. c. grundsätzlich alle vorhersehbaren unmittelbaren Schäden des Überweisenden, die kausal auf den Verzug zurückzuführen sind. Bei einer verspäteten oder unterlassenen Überweisung kann der Schaden daher z. B. in Wechselkursverlusten 179, Vertragsstrafen 180, dem Verlust einer Kaufoption 181 oder des Versicherungsschutzes 182 bestehen. Vasseur183 merkt allerdings kritisch an, daß die Gerichte zuweilen über den im Code civil bestimmten Schadensersatzumfang hinausgingen und der Bank sogar den Ersatz mittelbarer und nicht vorhersehbarer Schäden auferlegten. Als Beispiel zitiert er ein Urteil der Cour de cassation 184, das dem Überweisenden Schadensersatz für den Verlust einer Kaufoption gewährte, ohne daß feststand, ob die Bank überhaupt von der Bestimmung des Geldes zur Ausübung der Kaufoption wußte. Ebenso seien die vergeblichen Kosten des Überweisenden für die Reise nach Mexiko, wo die Kaufoption ausgeübt werden sollte, kein unmittelbarer Schaden. Der Grund für die strengere Bankenhaftung dürfte in deren Stellung als professionnelliegen, die typischerweise gerade zur Annahme der Kenntnis bestimmter Umstände zu Lasten des professionnel führt. 185 b) Der verschuldeosunabhängige Anspruch auf Verzugszinsen gemäß Artt. 93-3 Nr. I L. 24.01.1984, 9 Reglement CRB 99- 09 vom 09.07.1999 Bei der Verzugshaftung führt die neue gesetzliche Regelung insofern zu einer Besserstellung des Überweisenden, als er ein Verschulden der Bank an der verspäteten Durchführung der Überweisung nun nicht mehr nachweisen muß: die überweisende Bank haftet ,,meme en l' absence defaute" (vgl. Art. 93-3 Nr.l L. 24.01 .1984). Allerdings ist die Bank nur zur Verzinsung des Überweisungsbetrags auf der Grundlage des gesetzlichen Zinssatzes für die Dauer des Verzuges verpflichtet (Art. 9 Reglement CRB 99-09 vom 09.07.1999). Art. 9 Reglement CRB 99-09 vom 09.07.1999 enthält zudem eine ausführliche Regelung der Ausführungsfrist Ausgangspunkt der Fristbestimmung ist die sogenannte "date d' acceptation", die in Art. 2 Reglement CRB 99-09 vom 09.07.1999 als der Zeitpunkt definiert ist, in dem alle von der überweisenden Bank gestellten 179 Com. 06.01.1955, Bull. civ. 111, Nr. 3; Paris, 22.09.1988, D. 1991, Somm. 30; Paris, 10.11.1962, JCP 1963, li, 13016; TI Clermont-Ferrand, 08.03.1994, D.1994, Somm. 332. 18o Com.07.06.1983, D.l984, IR 90. 181 Com.07.06.1983, D.1984, IR 90. 182 Com.04.01.1979, D.l979, IR 357. 183 Recht und Praxis der Auslandsüberweisung in Frankreich, 251 (277). 184 Com.07.06.1983, D. l984, IR 90. 185 Dazu s. bereits oben sub Teil 1 Kapitell B.l.

104

Teil 2: Das System der Haftung für fehlgeschlagene Überweisungen

Bedingungen für die Ausführung der Überweisung erfüllt, insbesondere eine ausreichende Deckung und alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt worden sind. Die Bank muß nun den Überweisungsbetrag entweder innerhalb der vereinbarten Frist oder, falls eine solche Vereinbarung nicht getroffen wurde, innerhalb von fünf Bankgeschäftstagen, jeweils ausgehend von der "date d' acceptation", dem Kreditinstitut des Überweisungsempfängers gutschreiben. Die Fristdauer lehnt sich damit unmittelbar an Art. 6 I 2 der Überweisungsrichtlinie an und erscheint für inländische Überweisungen sehr lang.ts6 Anders als im Rahmen des Rückerstattungsanspruchs können alte und neue Regelung hier unproblematisch nebeneinander Anwendung finden, da sie sich sowohl in den Voraussetzungen als auch in den Rechtsfolgen unterscheiden.

3. Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten Auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten des Überweisungsauftrags kann zu Schadensersatzansprüchen des Überweisenden gegen seine Bank führen. Häufig handelt es sich dabei um zusätzliche Weisungen, die der Überweisende erteilt, oder Bedingungen, von deren Erfüllung durch den Überweisungsempranger er die Durchführung des Überweisungsauftrags abhängig gemacht hat. 187

4. Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen In einem von der Cour de cassation 188 im Jahr 1994 entschiedenen Fall hatte der Überweisende einen Kaufvertrag mit einem ausländischen Lieferanten geschlossen, der Kaufpreis sollte im Wege der Überweisung beglichen werden. Die Bank führte die Überweisung durch, ohne die nach devisenrechtlichen Bestimmungen notwendige Einreichung von Dokumenten abzuwarten. Als der Lieferant im folgenden seiner Lieferverpflichtung nicht nachkam, machte der Verkäufer Schadensersatzansprüche gegen die Bank geltend. Durch die verfrühte Ausführung der Überweisung sei ihm ein Schaden in Höhe des Überweisungsbetrags entstanden. Die Cour d'appel wies die Klage ab, da zwar ein Verstoß gegen devisenrechtliche Bestimmungen 186 Die deutsche Umsetzungsregelung hat demgegenüber für inländische Überweisungen eine Ausführungsfrist von drei Bankgeschäftstagen bzw. zwei Bankgeschäftstagen für institutsinterne Überweisungen und einen Bankgeschäftstag für Überweisungen innerhalb einer Haupt- oder einer Zweigstelle eines Kreditinstituts für ausreichend erachtet (vgl. §676 a II Nr. 2 und 3 BGB). 187 Com. 22.03.1988, Bull. civ. IV, Nr. 112: Nichtbeachtung des auf dem Überweisungsauftrag angegebenen Verwendungszwecks durch die Bank; Trib.com. Paris, 26.09.1984, D.l984, IR 342: Verletzung der Bedingung, die Überweisung nur bei Übernahme einer Rückzahlungsgarantie durch die Empfangsbank auszuführen; Deveze/Petel, Instruments de paiement, Rn. 404; Cabril/ac, J.-Cl. Banque et Credit, fase. 390, Rn. 44; Rives-Lange!Contamine-Raynaud, Droit bancaire 6, Rn. 291. 188 Com.04.01.1994, D.l994, Somm.332.

Kap. 1: Die Ansprüche des Überweisenden

105

vorgelegen habe, dieser jedoch nicht kausal für die unterlassene Lieferung durch den Vertragspartner des Überweisenden gewesen sei. Die Cour de cassation hob das Urteil unter Berufung auf Art. 1147 C. c. mit der Begründung auf, daß zwar keine Kausalität zwischen dem Verstoß gegen das Devisenrecht und der Nichtlieferung bestünde, wohl aber möglicherweise zwischen ersterem und dem Verlust des Überweisungsbetrags: die Cour d'appel habe unterlassen festzustellen, ob ein Zuwarten der Bank auf die Dokumente dazu geführt hätte, daß der Überweisende noch rechtzeitig von der Nichtlieferung erfahren hätte, um die Überweisung aufzuhalten. Auch in diesem Urteil wird die von Vasseur 189 im Zusammenhang mit der Behandlung verzögerter Überweisungen durch die Gerichte festgestellte, strenge Schadensersatzhaftung der Banken deutlich, insbesondere die weite Auslegung der Voraussetzungen der "Unmittelbarkeit" und "Vorhersehbarkeit" des Schadens in Artt. 1150f. C. c., die die Voraussetzung der haftungsausfüllenden Kausalität umschreiben190: daß die Nichtlieferung für die Bank bei der Mißachtung der devisenrechtlichen Vorschriften erkennbar war, wird man nur sagen können, wenn die Erkennbarkeit für die Bank als professionnel vermutet wird.

5. Zusammenfassung und Stellungnahme Für die bisherige Rechtslage ergibt sich eine grundlegende Differenzierung: in den unter 1. beschriebenen Fällen der Zuvielüberweisung, Doppelübeweisung oder Überweisung an den falschen Empfänger muß der Kontoinhaber zur Haftungsbegründung der Bank kein Verschulden nachweisen, die Bank kann sich weder durch mangelndes Verschulden noch durch höhere Gewalt, sondern allein durch ein (Mit-)Verschulden des Kontoinhabers entlasten. Die Bank unterliegt also hinsichtlich der Restitutionspflichten einer "Obligation de resultat absolue", mit anderen Worten einer Garantiehaftung. Ein andere Behandlung erfahren jedoch die Fallgruppen der Verzögerung, unterlassenen Ausführung, Verletzung von Bedingungen oder Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen (2- 4). Die Bank haftet entsprechend den allgemeinen auftragsrechtlichen Vorschriften nur bei nachgewiesenem Verschulden und muß nicht für höhere Gewalt einstehen. 191 Sie schuldet im Rahmen einer obligation de moyens lediglich das Bemühen um die erfolgreiche Ausführung der Überweisung, wobei wiederum auf den verschärften Haftungsmaßstab für die Bank als professionnel hinzuweisen ist. Der Grund für die unterschiedlichen Haftungsvoraussetzungen der beiden Gruppen von Leistungsstörungen wird deutlich, wenn das Augenmerk auf den Charakter des zu kompensierenden Verlusts gelenkt wird. Im ersteren Fall handelt es sich um den Verlust des Überweisungsbetrags, während im letzteren ein weitergehender, zuts9 190 191

s. oben Teil 2 Kapitel 1 A. IV. 2. a) cc). Mazeaud/Chabas, II/1 9 , Rn. 568. Vgl. Art.l992 I C.c. Zu dem ganzen: Huet, Contrats speciaux, Rn. 31228.

106

Teil 2: Das System der Haftung für fehlgeschlagene Überweisungen

sätzlicher Schaden ersetzt werden soll. Wiederum wird der Erwartung des Überweisenden Rechnung getragen, das "Sachrisiko", d. h. das Risiko des Verlusts des Überweisungsbetrags werde von der Bank übernommen. Daher unterliegt die Bank auch bei der Ausführung des Überweisungsauftrags diesbezüglich einer Garantiehaftung. Demgegenüber besteht eine solche Erwartung nicht für den Ersatz weiterer Schäden, so daß eine allgemeine Verschuldenshaftung hingenommen werden kann. Eine Haftungsverschärfung für die Banken ergibt sich hier freilich aus der weiten Auslegung der Kriterien der Unmittelbarkeit und der Vorhersehbarkeit des Schadens durch die Rechtsprechung. Die neuen Haftungsbestimmungen des Art. 93-3 L. 24.01.1984 und Reglement CRB 99-09 vom 09.07.1999 passen nur teilweise in dieses System: während der verschuldeosunabhängige Rückerstattungsanspruch sich prinzipiell nahtlos einfügt,192 ist der aus Art. 6 der Überweisungsrichtlinie übernommene, ebenfalls verschuldensunabhängige Anspruch auf Ersatz des Verzugszinses nicht mit der bisherigen - ausgewogenen und sachgerechten - Risikostruktur zu vereinbaren. Freilich wird der neue Anspruch auf Verzugszinsen beschränkt und umfaßt nicht alle verzögerungsbedingten Folgeschäden. Er dürfte sich aber auch deshalb durchgesetzt haben, weil es durch den Einsatz moderner Datenverarbeitungs- und Übertragungstechniken im Bereich des Überweisungsverkehrs zunehmend schwieriger wird, mit der Kategorie des "Verschuldens" zu arbeiten. V. Computerversagen im beleglosen Überweisungsverfahren Das Problem des Computerversagens bei der Erteilung, Weiterleitung, oder Ausführung eines Überweisungsauftrags soll hier gesondert untersucht werden, um festzustellen, wem diese "neuen" Risiken des Überweisungsverkehrs aufgebürdet werden. Interessant ist insbesondere, ob die andere Übertragungstechnik zu Abweichungen von der vorstehenden Risikoanalyse führt oder ob es möglich ist, mit den erarbeiteten Risikokriterien auch das Problem des Computerversagens zu erfassen. Charakteristisch hierfür ist, daß sich häufig einerseits nicht genau feststellen läßt, an welcher Stelle das Problem aufgetreten ist, und es andererseits schwerfallt, nachzuweisen, auf welcher Ursache es beruht. Auch von außen einwirkende Ursachen, z. B. Blitzschlag oder Stromausfall, führen wegen der Empfindlichkeit der Computersysteme häufiger zu Leistungsstörungen als bei traditionellen Überweisungen. Einige typische Computerprobleme sollen im folgenden untersucht werden.

192 Zu den Vorbehalten gegenüber seiner betragsmäßigen Beschränkung vgl. vorstehend sub Teil 2 Kapitel I A. IV. I. c).

Kap. 1: Die Ansprüche des Überweisenden

107

1. Computerversagen bei der Erteilung des Überweisungsauftrags im Rahmen des homebanking-Verfahrens Unterhomebanking ist die Nutzung der von der kontoführenden Bank angebotenen Dienstleistungen mittels einer online-Verbindung vom eigenen Computer des Kontoinhabers aus zu verstehen. 193 Dabei nutzt der Bankkunde nicht nur die von der Bank zur Verfügung gestellten Computerprogramme, sondern auch Software von dritter Seite, z. B. das Betriebssystem seines Computers. Dem Bankkunden wird im Rahmen des homebanking die Möglichkeit gegeben, eine Reihe von Bankgeschäften von zu Hause aus zu tätigen, etwa die Abfrage des Kontostandes oder die hier interessierende Erteilung von Überweisungsaufträgen. Grundlage ist ein homebanking-Vertrag zwischen der Bank und dem Kontoinhaber. 194 Zur Nutzung der homebanking-Funktion wird dem Kontoinhaber ein Zugangscode mit der Verpflichtung erteilt, ihn geheimzuhalten.t95 a) Übertragungsfehler Tritt ein Fehler bei der Übertragung des Überweisungsauftrags vom Computer des Überweisenden zum Computer der kontoführenden Bank auf, so handelt es sich nur um einen Sonderfall des allgemeinen Problems der Haftung für Übertragungsfehler bei Willenserklärungen. 196 Nach französischem Recht trägt der Erklärende das Risiko des Zugangs seiner Willenserklärung, 197 so daß kein Überweisungsvertrag zustande gekommen ist, wenn die über das Computernetz vermittelte Willens193 In Frankreich wird dem englischen Begriff des homebanking häufig der französische Ausdruck "banque adomicile" vorgezogen, der im internationalen Sprachgebrauch allerdings weitaus weniger geläufig ist und im folgenden deswegen nicht benutzt werden soll. Vorläufer der Computervemetzung war in Frankreich die direkte Kommunikation mit der Bank mittels Minitel, das teilweise auch heute noch eingesetzt wird und eine Variante des hier beschriebenenhomebankingdarstellt (vgl. Lafitte, Internet et Ia banque, Banque 1996, Nr. 568, 73; Pfimlin, Banque a distance et strategie bancaire, Banque 1996, Nr. 568, 23 ff; Nibourel/Alard, Du minitel aux call-centers, Banque 1996, Nr. 568, 26ff.; Hillard, Dix ans d'evolution des moyens de paiement, Banque 1990,778 [787]; Bonneau, Droit bancaire 2, Rn.454). 194 s. z. B. die "Convention BNP Net", Stand 10.02.1999. 195 Vgl. Art. 3 Convention BNP Net, Stand 10.02.1999: ,,L' Abonne accede a BNP Net apres s' etre identifie par Ia composition d' une double cte f ormee du numero d' abonne et du mot de passe numerique qui lui sont, /' un et /' autre, communiques par Ia Banque. [ ... ] Le mot de passe a un caractere strictement confidentiel. Il ne circule sur /es reseaux de telecommunications que sousforme cryptee. L' Abonne est responsable de sa conservation et de son utilisation." V gl. auch Allix, Consommateurs et paiements electroniques transfrontieres, Banque 1993, Nr. 536, 58 (60); Bonneau, Droit bancaire2, Rn.454 für die Kommunikation mittels MiniteL 196 Thunis, Responsabilite du banquier et automatisation des paiements, 171 ff. 197 Ghestin, Formation du contratl, Rn. 294: "Ondit que /' offre doit etre motifiee