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German Pages 296 [298] Year 2023
Ringen um die junge Generation
Kim Wambach
Ringen um die junge Generation CDU-Jugendpolitik 1969 – 1982
Titelbild: 30. Bundesparteitag in Hamburg vom 2. – 5. November 1981. Heinrich Windelen, Helmut Kohl, Heiner Geißler, Ernst Albrecht (v. l. n. r.) (Bildnachweis KAS/ACDP 21-030-119: Fotoagentur Sven Simon.)
Kim Wambach
Kim Wambach, geboren 1988 in Langen (Hessen), studierte in Bonn und Rouen Geschichte und Romanistik; Promotion 2021; seit 2022 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Edition der Kabinettsprotokolle der Bundesregierung im Bundesarchiv, Koblenz.
Nicht erst die Studentenproteste der Jahre 1967/68 ließen die jüngere Generation als zunehmend wichtigere Zielgruppe für die politischen Parteien in der Bundesrepublik erscheinen. Schon in den frühen 1960er Jahren hatte ihre Bedeutung spürbar zugenommen und zu Beginn der 1970er Jahre rückte „die Jugend“ endgültig ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit: Neben stark steigenden Zahlen an Jungwählern waren es auch die tiefgreifenden gesellschaftlichen Um- und Aufbrüche dieses Jahrzehnts, die den Fokus auf die junge Generation lenkten. In der CDU, die seit 1969 erstmals im Bund in der Opposition war, etablierte sich Jugendpolitik bis zur Mitte der 1970er Jahre als eigenständiger Politikbereich und beanspruchte ihren Platz als fester Bestandteil der Parteiarbeit. Die nach zwanzigjähriger Regierungsarbeit von Teilen der jüngeren Bevölkerung als „altmodisch“ wahrgenommene CDU wollte und musste sich in Abgrenzung zu SPD und FDP künftig als neuer Partner der Jugend profilieren und versuchte durch bewusste Themensetzung die Jugend für sich zu gewinnen. Die Untersuchung analysiert auf breiter Quellenlage die Entwicklung und zunehmende Etablierung der Jugendpolitik in der CDU in den Oppositionsjahren von 1969 bis 1982. Sie zeigt auf, welche Leitlinien und Schwerpunkte die Partei und ihre Führung dabei setzten.
ISBN 978-3-534-45048-0
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Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte Im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegeben von Michael Borchard, Günter Buchstab, Hanns Jürgen Küsters und Günther Schulz
Band 74 Kim Wambach: Ringen um die junge Generation – CDU-Jugendpolitik 1969 – 1982
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
wbg Academic ist ein Imprint der wbg © 2023 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Satz und eBook: schreiberVIS, Seeheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in the EU Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-45048-0 Elektronisch ist folgende Ausgabe erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-45049-7
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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 A. Jugendpolitik in Zeiten christlich-demokratischer Regierungsverantwortung (1949 – 1968) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Von der Jugendfürsorge zur Jugendförderung. . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Jugendpolitik im Wartestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Die CDU und die Auswirkungen der Studentenunruhen Ende der 1960er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Jugend als treibende Kraft – Die Jugendpolitik der CDU in Zeiten der „Reformeuphorie“ (1969 – 1974) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. „Zum Jagen getragen“ – Auf der Suche nach dem Dialog mit der Jugend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Katerstimmung nach der Bundestagswahl 1972 . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Die jungen Wilden – Das gewandelte Selbstverständnis der Jugendorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Ein Dauerbrenner flammt auf – Die Diskussion über ein neues Jugendhilferecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 C. Jugend als Krisenphänomen – Die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation (1975 – 1978). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Die Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 III. Das „Thema aller Themen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 D. Jugend im Blitzlicht – Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Die Basis „unserer politischen Existenz“ – Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre. . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Zwischen Aussteigertum und Hausbesetzung – Die CDU und der neue Jugendprotest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 III. „Frieden schaffen mit weniger Waffen“ – Die Reaktion der CDU auf die neuen sozialen Bewegungen . . . . . . . 209 IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU . . . . . . . . . . . . . 223 V. „Geistig-moralische Wende“ in der Jugendpolitik? – Ein Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 5
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Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte . . . . . . . . . . .
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2020 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Bei ihrer Entstehung haben mich viele Personen unterstützt, denen ich meinen Dank aussprechen möchte. Als Erstes danke ich herzlich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Dominik Geppert, der die Dissertation in all ihren Phasen sehr hilfsbereit und mit größter Unterstützung begleitet und dabei stets mit wertvollen Ratschlägen zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Prof. Dr. Joachim Scholtyseck gilt mein großer Dank für die Übernahme des Zweitgutachtens. Ein großer Dank geht auch an die Hauptabteilung Begabtenförderung und Kultur der Konrad-Adenauer-Stiftung, die diese Arbeit durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums gefördert und mir insbesondere durch die zahlreichen Veranstaltungen, Seminare und Kontakte die Möglichkeit für viele „Blicke über den Tellerrand“ geboten hat. Ebenso möchte ich den Herausgebern der „Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte“ für die Aufnahme in diese renommierte Reihe danken. Mein Dank gilt zudem allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen Archive, die ich für meine Recherchen besucht habe und die mir mit kompetenter Beratung und freundlicher Unterstützung immer eine große Hilfe waren. Ein Großteil der Recherche fand im Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-AdenauerStiftung statt: allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ACDP schulde ich ein großes Dankeschön. Persönlich genannt seien zunächst der ehemalige Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftlicher Dienste /Archiv für Christlich-Demokratische Politik, Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters, für seine wertvollen Impulse sowie sein Nachfolger, Dr. Michael Borchard. Besonders bedanken möchte ich mich bei Dr. Christopher Beckmann, der mir bei der Themenfindung half, bei Konrad Kühne, der mit seiner unermüdlichen Hilfsbereitschaft meine Recherchen erheblich vereinfacht hat, beim Team der Bibliothek – Helena Baltes, Michaela Kübler und Helmut Lenz – für unerschöpflichen Literaturzugang, bei Dr. Wolfgang Tischner für seinen großen Einsatz und bei Denise Lindsay, Michael Hansmann, Jürgen Jäger, Thilo Pries, Dr. Ulrike Hospes und Carsten Pickert für viele Hilfestellungen in den vergangenen Jahren. Markus Lingen gilt ein herzliches Dankeschön für die tolle Unterstützung bei der Endbearbeitung des Manuskripts. Ein ganz großer und sehr herzlicher Dank geht an Dr. Kordula Kühlem und an Dr. Stefan Marx, die mir durch ihre großzügige, großartige Unterstützung und mit kritischen Anmerkungen aus der eigenen „Betriebsblindheit“ hinaus- und über einige Fallstricke hinweggeholfen haben und stets ein offenes Ohr hatten. Ebenfalls danken möchte ich allen Zeitzeugen, die für ein Gespräch über die Jugendpolitik der CDU zur Verfügung gestanden und mir dabei wichtige Anregungen gegeben haben. Die Fertigstellung einer solchen jahrelangen Arbeit ist nicht möglich ohne die familiäre Unterstützung. Mein allergrößter Dank gilt meinen Eltern, Claudia und Detlef Schüler, die mir durch alle Phasen bis zur Fertigstellung dieser Arbeit eine wichtige und 7
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Vorwort
wertvolle Stütze waren. Ebenso bedanken möchte ich mich bei meiner Schwester, Kay Zari´c, für ihre seit jeher unendliche Geduld mit mir und bei meinen Schwiegereltern, Elfi und John Wambach, für das fleißige Korrekturlesen und ihre expliziten und impliziten Ermunterungen. Ein Dank geht auch an meine Kinder, Max und Noa, für ihre besondere Form der Unterstützung. Schließlich möchte ich mich bei meinem Mann Kai bedanken, ohne dessen unermüdliche Motivation, Diskussionsfreudigkeit, wichtige Impulse und Übernahme der Kinderbetreuung die Arbeit nicht begonnen, nicht durchgezogen und nicht zu Ende gebracht worden wäre. Dieses Buch widme ich meinem Schwiegervater John Wambach, der leider viel zu früh verstorben ist. Windhagen, im Januar 2023 Kim Wambach
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Einleitung Der 17. Bundesparteitag der CDU im Herbst 1969 in Mainz stand ganz im Zeichen der wenige Wochen zuvor verlorenen Bundestagswahl. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik mussten die Unionsparteien auf den harten Oppositionsbänken Platz nehmen. Erste Analysen wurden angestellt und nach Gründen für die Wahlniederlage gesucht. In den Fokus vieler Redner auf dem Parteitag rückte dabei vor allem eine Zielgruppe, die in den vorangegangenen Jahrzehnten nur rudimentär behandelt worden war: die Jugend. Generalsekretär Bruno Heck betonte in seiner Wahlanalyse, dass die CDU um „unsere junge Generation […] die nächsten Jahre besonders ringen“ müsse.1 In eine ähnliche Richtung wiesen Redebeiträge von Parteikollegen. Der Vorsitzende der Jungen Union, Jürgen Echternach 2, forderte, dass die „politische Aussage“ der CDU in Zukunft „an den kritischen Mittelschichten in den Großstädten und den Jungwählern, die für die politischen Entscheidungen in unserem Land in Zukunft von immer größerer Bedeutung werden“, ausgerichtet werden sollte.3 Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rainer Barzel 4, betonte, dass die CDU „Ja [sage] zu dieser jungen Generation“ und sich „gerne ihren Fragen“ stellen wolle; 5 ein neuer Dialog mit der Jugend müsse demnach gestartet werden. Von diesem Bundesparteitag ging im Verständnis des Delegierten Walter Eisenacher nichts weniger aus als ein offenes Bekenntnis „zu einer neuen Jugendpolitik“, die allerdings neu gestaltet werden müsse.6 Doch welchen nachhaltigen Effekt hatten diese vollmundigen Ankündigungen zu Beginn dieser erstmaligen Oppositionsphase im Bund? Sprang das neue Lebensgefühl von „Jugendlichkeit“ auch auf die CDU über, das eine Annäherung an die junge Generation notwendig erscheinen ließ? 7 Nicht von ungefähr nahm die Zielgruppe Jugend in den nächsten Jahren an Bedeutung zu und die Frage nach ihrer Gewinnung sowie eine neue Politik für und mit der Jugend waren Stichworte, die in den kommenden Jahren die Jugendpolitik der CDU prägten. Eine Untersuchung von Jugendpolitik in einer bestimmten historisch-politischen Epoche steht vor besonderen Herausforderungen. Eine klare Abgrenzung und eine eindeutige Definition dieses Politikbereiches sind nicht so einfach möglich und selbst aus Aussagen der Fachpolitiker nicht immer klar nachvollziehbar. Denn Jugendpolitik ist kein „eindeutig abgegrenztes, homogenes, gegenüber anderen Politikbereichen profiliert sich abhebendes Politikfeld“, sondern „ein Klammerbegriff für sehr unterschied
1 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 31. 2 Jürgen Echternach (1937 – 2006), Jurist; 1966 – 1981 Mitglied der Hamburger Bürgerschaft (1970 – 1981 Vorsitzender der CDU-Fraktion), 1969 – 1973 Bundesvorsitzender der JU, 1974 – 1992 Landesvorsitzender der CDU Hamburg, 1980 – 1994 MdB, 1987 – 1993 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, 1993/94 beim Bundesminister der Finanzen. 3 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 44. 4 Zu Barzel vgl. allgemein Wambach: Rainer Barzel. 5 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 129. 6 Ebd., S. 185. 7 Vgl. Herrmann: Jugendpolitik und Jugendkulturen im 20. Jahrhundert, S. 63.
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Einleitung
liche Maßnahmen politischer Praxis, […] wo mit verschiedenen Mitteln und Strategien gearbeitet wird und wo die verschiedensten Akteure (nicht nur staatliche) auf verschiedenen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) tätig sind“. 8 Für die Einschätzung des Stellenwerts von Jugendpolitik in einem bestimmten Zeitraum ist es nach Walter Hornstein von großer Bedeutung, „zwischen Jugendpolitik als einem Teilsystem, als Politik, die von einem bestimmten Ressort wahrgenommen wird, und der Jugendpolitik, die sich als politische Querschnittsaufgabe quer durch alle Politikbereiche zieht“ zu unterscheiden.9 Vereinfacht gesagt lässt sich Jugendpolitik in einen engen und einen weiten Bereich fassen. Zum engen Bereich zählt vor allem die „,operative‘ Politik“, die sich „im Wesentlichen auf Zuständigkeiten für Jugendhilfepolitik“ und die mit ihr zusammenhängenden Aufgaben wie Jugendfürsorge, Jugendschutz, Jugendförderung und Erziehungshilfe erstreckt und in ihrem Wirkungsrahmen eher „bescheiden“ ist.10 Diese Aufgaben werden ressortgebunden in einem Ministerium organisiert und gesteuert und sind seit 1990/91 im Kinder- und Jugendhilfegesetz definiert. Der weite Bereich, das, was Hornstein als politische Querschnittsaufgabe versteht, umfasst „so gut wie alle anderen Politiken, also Arbeitsmarktpolitik ebenso wie Bildungspolitik, Sozialpolitik in gleicher Weise wie Wohnungspolitik“. 11 Hornstein sieht in früheren Veröffentlichungen dieses Verständnis von Jugendpolitik im weiten Sinne erst seit den 1980er Jahren bestehen, allerdings ist diese Wahrnehmung bereits über ein Jahrzehnt früher anzusetzen, da unter anderem die Studentenunruhen Ende der 1960er Jahre Einfluss auf jugendpolitische Themen hatten und diese durch gesamtgesellschaftliche Fragestellungen erweiterten.12 Auch dieser Arbeit zugrundeliegende Quellen unterstützen diese These. So erkannten alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien den Querschnittscharakter von Jugendpolitik im Verlauf des Untersuchungszeitraums und erweiterten entsprechend ihre Programmatik.13 Aus diesem Grund greift die Arbeit vorwiegend auf die Defi 8 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 251. Bruno Nikles spricht in diesem Zusammenhang von einem „eigene[n] politische[n] Teilsystem“, dessen Handlungsfeld sich aus dem „Gesamtkomplex der Politik […] ausdifferenziert […]“ hat, aber auch in andere Politikbereiche hineinreiche, wenn diese Jugendfragen betreffen. Nikles: Jugendpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 114. In der vorliegenden Arbeit wird kein eindeutiger Definitionsversuch unternommen, sondern sich anhand der jeweiligen Fragestellung dem Begriff der Jugendpolitik angenähert. 9 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 252. 10 Schefold: Jugendpolitik, S. 255. 11 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 252; vgl. auch Popp: Jugendpolitik, S. 894. 12 Vgl. Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 252; Nikles: Jugendpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 112, 200. 13 Für das in dieser Arbeit noch näher zu erörternde Thema der „Zukunftschancen der jungen Generation“ stellte der CDU-Bundesgeschäftsführer Ulf Fink beispielsweise Ende der 1970er Jahre fest, dass hierfür ein Zusammenwirken von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, Familien- und Jugendpolitik, Bildungs- und Sozialpolitik notwendig sei. Vgl. Fink: Zahlen, Daten, Fakten, S. 44. Auch SPD und FDP erkannten bereits früh den integrativen Charakter von Jugendpolitik. So formulierte der nordrheinwestfälische Minister für Wissenschaft und Forschung, Johannes Rau, im Oktober 1973 für die Vorstellungen sozialdemokratischer Jugendpolitik, dass diese „heute nur zu konzipieren und realisieren [ist], wenn man sie in ihren gesellschaftspolitischen Verflechtungen begreift und die Abhängigkeiten, Wünsche und Interessen der gesamten nachwachsenden Generation in die jugendpolitischen Vorstellungen der Partei einbezieht.“ Artikel von Johannes Rau in SPD-Pressemitteilung und Informationen über die Jugendpolitik der SPD, 4.10.1973, AdsD Bestand Parteivorstand, Kommission Jugendpolitik – Zwischenberichte etc. 1975, ohne Signatur. Noch früher, bereits Mitte der 1960er Jahre, erkannte die FDP, dass Jugendpolitik in viele andere Politiken hineinreicht und sich damit Überschneidungen er-
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Einleitung
nition von Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe zurück, vor allem auch deshalb, da sich hierdurch Überschneidungen zu tagespolitischen Themenbereichen ergeben, die sich mit einem Verständnis im engen Sinne nicht erschließen und die Themen der Untersuchung stark einschränken würden. Der enger gefasste Begriff von Jugendpolitik wird dabei aber nicht ausgeklammert – im Gegenteil muss er angesichts der jahrzehntelangen Diskussion über ein neues Jugendhilferecht ebenfalls Bestandteil dieser Arbeit sein. Darüber hinaus war die Definition von Jugendpolitik auch in der CDU selbst im Untersuchungszeitraum Schwankungen unterworfen. So weitete sich das Verständnis dieses Politikbereichs in den 1970er Jahren zwar wie erwähnt aus, allerdings war nach der Regierungsübernahme von CDU und CSU auf Bundesebene im Jahr 1982 eine erneute Einengung von Jugendpolitik zu beobachten, auf die in einem Ausblick näher einzugehen sein wird. Aus dem Verständnis von Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe ergibt sich darüber hinaus eine Ausdehnung des Zuständigkeitsbereichs von Jugendpolitik. Im engeren Sinne fällt Jugendpolitik hauptsächlich in den Zuständigkeitsbereich der Länder und Kommunen, der Bund hat hier nur einen begrenzten Einfluss, da er lediglich die Rahmengesetzgebung vorgeben kann.14 Im Verständnis der Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe hat der Bund hingegen mehr Gestaltungsmöglichkeiten. In der vorliegenden Untersuchung wird hauptsächlich auf jugendpolitische Maßnahmen auf Bundesebene eingegangen, wobei schlaglichtartig auch die Landesebenen miteingeschlossen werden. Ein weiterer Vorteil dieses Verständnisses ist neben der Ausdehnung des Zuständigkeitsbereiches der einfacher zu knüpfende Zusammenhang von Jugendpolitik mit dem Bereich der Jugendarbeit noch vor dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, in dem letztere gesetzlich geregelter Bestandteil von Jugendpolitik wurde. Jugendarbeit ist hauptsächlich im außerschulischen Bildungsbereich anzusiedeln und kann für politische Parteien als Betätigungsfeld zur Gewinnung der Jugend dienen. Diese Ergänzung um den Aspekt der Jugendarbeit ist für die vorliegende Untersuchung vor allem deshalb sinnvoll, da sich hier die ideologischen Unterschiede der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien aufzeigen lassen. Während die Regierungsparteien von SPD und FDP vor allem das Modell einer „Politik für die Jugend“ propagierten – einer „auf Integration und Beteiligung aller gerichteten, von einem umfassenden Wohlfahrtsprogramm geleiteten Konzeption“15 –, setzte sich in den Unionsparteien im Laufe des Untersuchungszeitraums die Idee einer „Politik mit der Jugend“ durch.16 In ihrem Verständnis von Jugendpolitik vermischten Politiker von CDU und CSU oftmals die Begrifflichkeiten von Jugendpolitik und Jugendarbeit, sodass eine klare Abgrenzung auch aus den Quellen heraus nicht eindeutig möglich ist.
geben. Vgl. Entwurf einer jugendpolitischen Konzeption der FDP, ADL Bestand Bundesjugendausschuss A 14-6. 14 Vgl. Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 252; Nikles: Jugendpolitik im Abseits, S. 69. 15 Hornstein: Jugendforschung und Jugendpolitik, S. 19. 16 Zwischenzeitlich gab es auch in der CDU den Terminus der „Politik für die Jugend“. Damit war allerdings gemeint, dass der aus Sicht der CDU enger gefasste Begriff der „Jugendpolitik“ sich nun öffnete für andere Politikbereiche, in denen Politik für die Jugend gemacht wurde. Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Karl-Heinz Bilke über einen Vergleich der SPD Jugendkonferenz in Solingen und des CDU-Kongresses in Böblingen, 21.6.1976, ACDP 07-001-19109.
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Einleitung
Für eine Definition von Jugendpolitik ist die Frage nach der Eingrenzung der Jugend gleichermaßen von Interesse. Eine einheitlich abgesteckte Lebensphase „Jugend“ ist schwer zu definieren, da in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie der Wirtschaft, der Kirche oder der Justiz jeweils unterschiedliche Maßstäbe angesetzt werden.17 Beim Übergang vom Jugend- in das Erwachsenenalter gibt es somit „eine berufliche Reife, eine strafrechtliche Reife, eine Ehereife, eine Wehrreife, eine religiöse Reife, eine Kinoreife usw. usw.“18 Ab den 1960er Jahren war außerdem eine allgemeine Ausdehnung der jugendlichen Lebensphase zu beobachten, was vor allem mit einer längeren Ausbildungszeit zusammenhing, die immer mehr junge Menschen nutzen konnten.19 Der Einstieg in das Berufsleben und der damit verbundene Übergang in die Erwachsenenwelt verschoben sich somit für einen im Verlauf des Untersuchungszeitraums größer werdenden Teil der Jugendlichen weiter nach hinten. Eine klare Abgrenzung der Altersgrenzen für die Jugend ist auch in der vorliegenden Arbeit nicht möglich und Pauschalisierungen lassen sich häufig nicht vermeiden, zumal dies durch die Quellen teilweise auch vorgegeben ist. Selbst die statistisch erfasste Gruppe der Jungwähler wird je nach Studie anders definiert. Allein der Beginn der Definition ist einheitlich: Bis 1970 galten als Jungwähler wahlberechtigte junge Erwachsene ab 21 Jahren, mit der Herabsetzung des Wahlalters sank diese Grenze auf 18.20 Die bereits 1969 absehbare Herabsetzung des Wahlalters war ein weiteres gewichtiges Motiv für die CDU, um die Jugend „besonders ringen“ zu müssen, schließlich wuchs die Zahl der Jungwähler in den kommenden Wahlen aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre kontinuierlich an.21 Doch war mit dieser Entwicklung gleichzeitig ein entsprechender Anstieg des Interesses an jugendpolitischen und jugendrelevanten Themen verbunden? Hierfür müssen äußere wie innere Faktoren berücksichtigt werden, die unmittelbaren und mittelbaren Einfluss auf die jugendpolitische Arbeit der CDU hatten und die besonders im gewählten Untersuchungszeitraum von 1969 bis 1982 eine hohe Dichte aufwiesen. Gerade vor diesem Hintergrund erklärt sich die Auswahl dieser Zeitspanne. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass eine umfassende Erforschung der Jugendpolitik der Schwesterpartei CSU im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen wird, diese aufgrund der engen Berührungspunkte der beiden Unionsparteien aber nicht unerwähnt bleiben kann. So wurden unter anderem durch die bestehende Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Deutschen Bundestag Anträge und Gesetzesentwürfe zur Thematik gemeinsam vorbereitet und bearbeitet sowie in beiden Parteien im innerparteilichen Reformprozess zu Beginn der 1970er Jahre der Jugend und ihren Themen größerer Raum gewährt. Mit Blick auf die CDU waren es darüber hinaus innere Veränderungen wie der Wechsel und die Verjüngung des Personals besonders in der Parteizentrale, die die Berücksichtigung gesellschaftspolitischer Themen, darunter auch die Jugendpolitik, weiter
17 Vgl. Neidhardt: Die junge Generation, S. 98. 18 Kluth: Die Stellung der Jugend in der industriellen Gesellschaft, S. 44. 19 Vgl. Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 207. 20 Zur Herabsetzung des Wahlalters vgl. das Kapitel: „,Zum Jagen getragen‘ – Auf der Suche nach dem Dialog mit der Jugend“. 21 Vgl. Schildt: Materieller Wohlstand, S. 24 f.
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Einleitung
vorantrieben.22 Zudem wuchs der Druck der parteieigenen und parteinahen Jugendorganisationen auf die CDU, sich vermehrt mit Themen auseinanderzusetzen, die in der Jugend virulent waren.23 Zu den äußeren Faktoren, die den Blick auf die junge Generation lenkten, zählten zu Beginn der Oppositionszeit neben dem sich allgemein vollziehenden gesellschaftlichen Wandel insbesondere die Forderungen aus diesen Altersgruppen nach mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung, die einen intensiveren Dialog mit der Jugend notwendig machten.24 Auch die Wahlergebnisse in der Gruppe der Jungwähler zählten zu wichtigen äußeren Faktoren, die über den gesamten Untersuchungszeitraum punktuell und mit unterschiedlichen nachhaltigen Strategien die Aufmerksamkeit auf die junge Generation lenkten. Ein anderer Fokus auf die Jugend bestand im Zeitraum zwischen 1974 und 1982: In der bundesdeutschen Öffentlichkeit wurde sie aufgrund der politischen, ökonomischen und kulturellen Probleme vermehrt als krisenhaftes Phänomen wahrgenommen. Dazu zählten die sich seit Mitte der 1970er Jahre verschlechternde Ausbildungs- und Arbeitsplatzsituation für Jugendliche, die Veränderungen in der bisherigen Werteordnung und eine verstärkte Hinwendung zu immateriellen Werten sowie eine Affinität zu den in den 1970er Jahren aufkommenden neuen sozialen Bewegungen.25 Die Entwicklung der Jugendpolitik der CDU in der ersten Oppositionszeit auf Bundesebene anhand der vorgenannten inneren und äußeren Faktoren genau darzustellen und zu analysieren ist die Hauptaufgabe dieser Arbeit. Dabei ist die Untersuchung des Stellenwerts von Jugendpolitik im Untersuchungszeitraum von besonderem Interesse sowie die Klärung der Frage, welchen Schwankungen aus welchen unterschiedlichen Beweggründen dieser Stellenwert in der CDU unterworfen war. Eine klar umrissene Definition von Jugendpolitik innerhalb der CDU, die sich über den gesamten Untersuchungszeitraum beobachten ließe, ist dabei nicht gegeben. Vielmehr muss analysiert werden, wie sich das Verständnis, die Schwerpunktsetzung und auch der Einflussbereich von Jugendpolitik in der CDU über die Oppositionszeit hinweg veränderten und wie diese Veränderungen mit dem gesellschaftlichen und politischen Wandel im Zusammenhang standen. Ein Blick zurück in die Zeit der Regierungsverantwortung der CDU auf Bundesebene ist für eine bessere Beurteilung und Einordnung der Veränderungen, denen die Jugendpolitik zum Ende der 1960er bis in die 1970er Jahre und darüber hinaus unterworfen war, gleichermaßen notwendig. So ist unter anderem zu klären, welche Auswirkungen die noch enge Definition der Jugendpolitik als reine Jugendhilfepolitik und die Vorrangstellung der Familienpolitik hatten. Für die Zeit nach dem Wechsel in die Opposition gilt es herauszuarbeiten, welche Alternativen die CDU zur Jugendpolitik der sozial-liberalen Bundesregierung aufzeigen konnte. Gab es grundsätzliche Unterschiede in der Auffassung dieses Politikbereichs und wenn ja, welchen Einfluss hatten diese auf die praktische Politik? Welche Themen wurden zu welcher Zeit aus welchem Grund besonders stark diskutiert und welchen Einfluss hatte dies auf die Programmatik der CDU? Im Hinblick auf eine Berücksichtigung jugendpolitischer Themen in die Programmatik ist zugleich der Frage nachzugehen, welche Schritte unternommen wurden, Jugendpolitik in der Parteiarbeit tatsächlich zu 22 Vgl. Schönbohm: Die CDU wird moderne Volkspartei, S. 116 f. 23 Vgl. Krabbe: Parteijugend, S. 183; Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 144. 24 Vgl. u. a. Schildt: Materieller Wohlstand, S. 44 f., 52 f.; Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 674. 25 Vgl. Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 667.
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Einleitung
verankern. Wirkten sich verfestigte Strukturen auf eine nachhaltigere Berücksichtigung von Jugendpolitik aus und war allgemein der breite Wille innerhalb der CDU überhaupt vorhanden, mitzuarbeiten und die Jugendpolitik nicht allein den parteieigenen Fachexperten zu überlassen? An dieser Stelle ist zu betonen, dass der Anspruch bei der Beantwortung der vorgenannten Fragen nicht sein soll, einen möglichen Effekt oder gar Erfolg christlich-demokratischer Jugendpolitik zu messen – was angesichts einer mangelhaften Evaluation dieses Politikbereichs aus wissenschaftlicher Sicht auch nicht möglich wäre.26 Eine zentrale Frage über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg ist stattdessen die nach dem Zweck der Jugendpolitik der CDU. Dies muss freilich immer vor dem Hintergrund der Tagespolitik gesehen werden, doch steht dabei übergeordnet ebenso das allgemeine Verhältnis der CDU zur Jugend im Fokus. Das „besondere Ringen“ um die Jugend ist dementsprechend auch vor dem Hintergrund zu sehen, inwieweit die CDU die junge Generation für sich gewinnen konnte. Die vorgenannten Fragen sollen anhand der Gliederung noch weiter präzisiert werden. So ist die Arbeit in vier Abschnitte unterteilt, in denen die Jugend und die sie betreffende Politik aus unterschiedlichen Gründen stärker im Fokus der Politik und der Öffentlichkeit standen. Dabei ist dem primären Untersuchungszeitraum von 1969 bis 1982 ein erster, einleitender Teil vorangestellt, der die Jugendpolitik der CDU in ihrer Zeit der Regierungsverantwortung auf Bundesebene sowie die gesellschaftlichen Veränderungen mit besonderem Blick auf die Jugend seit der Gründung der Bundesrepublik bis 1969 analysiert und damit einen Bogen spannt zum eigentlichen Untersuchungsgegenstand. Der zweite Abschnitt eröffnet den Hauptteil und umfasst die Jahre 1969 bis 1974. Hier steht die Untersuchung der Motive für einen stärkeren Dialog mit der Jugend auf Seiten der CDU im Fokus. So werden neben den Nachwirkungen der Studentenproteste insbesondere der Ausgang der Bundestagswahl 1969 mit einem besonderen Blick auf das Wahlergebnis im Jungwählerbereich aus Sicht der CDU beleuchtet. Der Einfluss der lautstarken Forderungen aus der jungen Generation nach mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung in Politik und Gesellschaft darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, mündeten diese doch unter anderem in das ebenfalls näher zu analysierende Gesetz zur Herabsetzung des Wahlalters. Das erneut schlechte Abschneiden der CDU bei den Jungwählern bei der Bundestagswahl 1972 zwang die Partei zu einer stärkeren Diskussion über daraus zu ziehende Konsequenzen. Daneben steht auch der innere Reformprozess der CDU im Vordergrund der Untersuchung. Es soll herausgearbeitet werden, welche Rolle die Jugendpolitik in diesem Neuordnungsprozess spielte. In einer Arbeit zur Jugendpolitik der CDU dürfen die parteieigenen und parteinahen Jugendorganisationen nicht übergangen werden. Daher wird die Entwicklung der Jungen Union, des Rings Christlich-Demokratischer Studenten sowie der im Jahr 1972 neu gegründeten Schüler Union in den Fokus genommen. Welche Impulse der Parteinachwuchs mit seinem stärkeren Konfrontationskurs zur Parteiführung in Bezug auf die jugendpolitische Diskussion geben konnte, soll ebenso betrachtet und analysiert werden wie auch die eigenen Vorstellungen zu diesem Politikbereich. Auch ein „Dauerbrenner“ in der jugendpolitischen Diskussion, der über den gesamten Untersuchungszeitraum und darüber hinaus bestehen blieb, darf nicht fehlen: die Reform des Jugendhilferechts. Anhand dieser Diskussion lassen sich die ideologi 26 Vgl. ders.: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 253.
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schen Gegensätze in den Vorstellungen der Jugendpolitik zwischen den großen Volksparteien CDU und SPD herausarbeiten. Im dritten Teil verlagert sich die Betrachtung der Jugend von einer als treibende Kraft des gesellschaftlichen Wandels verstandenen Gruppe hin zur Betrachtung als Krisenphänomen. Dieser Abschnitt umfasst die Jahre 1975 bis 1978 und wird von einer Darstellung der damals akuten Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels eingeleitet. Die einzelnen Initiativen und Vorschläge der oppositionellen CDU zu deren Bekämpfung fließen in diese Darstellung mit ein. Die anschließende Untersuchung der voranschreitenden Institutionalisierung von Jugendpolitik in der CDU bildet ein Kernstück dieser Arbeit. Hier werden die verschiedenen Motive für deren zunehmende Verankerung untersucht und eingeordnet sowie die inhaltliche Arbeit dieser Gremien näher beleuchtet. Um diese Institutionalisierung in ihrer Chronologie nachvollziehen zu können, ergeben sich zwangsläufig Überschneidungen zu anderen Kapiteln, die vereinzelt die Arbeit dieser Gremien berühren. Ebenfalls behandelt wird ein Thema, das die CDU für längere Zeit erfolgreich besetzen konnte: die Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation. Anhand dieses Themenkomplexes soll aufgezeigt werden, inwiefern die weit vorangeschrittene Institutionalisierung von Jugendpolitik in der Partei dazu beitrug, ein jugendrelevantes Thema nachhaltig in die Parteiarbeit einzubringen. Der vierte und letzte Teil umspannt den Zeitraum von 1979 bis 1982 und befasst sich mit einer Phase, in der Jugend als eigenständige Zielgruppe innerhalb der CDU etabliert wurde. Ein wesentlicher Auslöser dieser intensivierten Auseinandersetzung mit der Jugend und der sie betreffenden Politik war neben den nach wie vor negativen Wahlergebnissen in diesem Bereich eine Anfang 1980 vorgelegte grundlegende Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle zum Verhältnis der Jugend zur CDU. Die Auswertung dieser Studie wie deren Konsequenzen für die Parteiarbeit stehen hier im Fokus. Darüber hinaus wird der Bundestagswahlkampf 1980 mit Blick auf das historisch schlechte Ergebnis im Jungwählerbereich und die hieraus erwachsenen Konsequenzen für die weitere Strategie der CDU im Umgang mit der Jugend näher erläutert und analysiert. Ebenfalls näher untersucht werden die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich in Form neuer Jugendbewegungen Anfang der 1980er Jahre Bahn brachen, wobei diese in den Kontext der verstärkten Aufmerksamkeit der CDU für jugendpolitische und jugendrelevante Themen eingeordnet werden. Der Schwerpunkt liegt zum einen auf einer bereits seit dem Ende der 1960er Jahre zu beobachtenden zunehmenden Werte- und Orientierungslosigkeit in Teilen der Jugend und deren Auswirkungen. Zum anderen werden die Einflüsse der sich im Verlauf der 1970er Jahre ausformenden neuen sozialen Bewegungen und unter diesen insbesondere die der Friedensbewegung näher untersucht. Einen Schwerpunkt in der Betrachtung der Jugendpolitik der CDU und deren Stellenwert innerhalb der Partei bildet die Durchführung eines eigenständigen „Jugendparteitags“ im November 1981. Dessen Vorgeschichte, die Vorbereitungen und die letztliche Umsetzung sowie die Impulse, die dieser Jugendparteitag für die Parteiarbeit aussendete, stehen im Zentrum der Untersuchung. Abgerundet wird der letzte Teil mit einem Ausblick auf die Jugendpolitik der CDU in neuerlicher Regierungsverantwortung seit 1982. Generell ist zu konstatieren, dass eine zeithistorische Untersuchung zur Jugendpolitik der CDU in der Oppositionszeit im Bund zwischen 1969 und 1982 bislang fehlt. Jugendpolitik wurde vorwiegend als sozialwissenschaftliches Thema betrachtet und entsprechend bearbeitet. In den Sozialwissenschaften ist es insbesondere die politikwissenschaft15
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liche Perspektive, die die Jugendpolitik im Untersuchungszeitraum näher beleuchtet, allerdings weniger mit dem Fokus auf die Christlichen Demokraten. Vielmehr geht es um die Jugendpolitik als politisches Betätigungs- und Handlungsfeld und deren Auswirkungen auf die Jugend. Hierbei wird vorwiegend auf Methoden der empirischen Sozialforschung zurückgegriffen, mit denen das Agieren der politischen Akteure näher ausgeleuchtet und teilweise auch durch Quellen hinterlegt wird. Der Zugang der vorliegenden Arbeit unterscheidet sich hiervon vor allem durch die intensive Auswertung der verfügbaren Quellen und deren Einordnung in die politischen, gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Entwicklungen im Untersuchungszeitraum. Dabei wird mit dem Fokus auf die Jugendpolitik der CDU der Zugang um einen parteigeschichtlichen Ansatz ergänzt, da die inneren Entwicklungen der Partei eine große Rolle auch für die Entwicklung ihrer Jugendpolitik spielten. Insgesamt beschränkt sich die Darstellung der Jugendpolitik in der Forschung bisher auf Überblicksdarstellungen, die freilich die „bestehende Lücke bei der systematischen, ausführlichen Aufbereitung und Analyse der bundesdeutschen Jugendpolitik“ für weite Strecken des Untersuchungszeitraums nicht zu schließen vermögen.27 Hervorzuheben sind hier insbesondere die Sammelbände zur Geschichte der Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in denen die Jugendpolitik auch durch die Auswertung von Quellen näher analysiert wird.28 Hilfreich sind diese Überblicksdarstellungen aufgrund ihrer Einordnung der Jugendpolitik in die jeweiligen gesellschaftlichen Zusammenhänge sowie einer Analyse ihrer Gestaltungstätigkeit. Für den Untersuchungszeitraum schränkt allein der stärkere Fokus auf die gestaltenden politischen Akteure – vornehmlich also der sozial-liberalen Bundesregierung – und ihren Initiativen den Nutzen etwas ein. Zurückgreifen kann diese Arbeit zudem auf eine der wenigen wissenschaftlichen Monographien ohne ideologischen Einschlag von Bruno Nikles, die sich mit der Jugendpolitik in der Bundesrepublik Deutschland seit deren Gründung befasst. Allerdings ist diese noch zeitgenössisch veröffentlich worden und kann dementsprechend nur in begrenztem Umfang Erkenntnisse für diese Arbeit liefern.29 Wichtige Aspekte zum Verständnis von Jugendpolitik und deren Einordnung in die politische Praxis liefern Aufsätze von Walter Hornstein, der sich mit dieser Thematik mit einem besonderen Blick auf die politischen Parteien auseinandergesetzt hat. Eine eingehende Analyse für den Untersuchungszeitraum fehlt aber auch von ihm. Für den Ausblick von besonderem Interesse ist dagegen ein Beitrag zur Jugendpolitik der CDU für die Zeit ab 1982. Von großem Nutzen sind dabei die Rückgriffe auf die Oppositionszeit, die Hornstein vornimmt.30 27 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 668. 28 Vgl. dies.: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 597 – 651; dies.: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 549 – 609; dies.: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945 Bd. 5, S. 633 – 707; Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 667 – 684; Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 7, S. 538 – 553. 29 Nikles: Jugendpolitik. 30 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 252 – 275; ders.: Jugendforschung und Jugendpolitik.
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Anders als die sehr spärlich gesäte Sekundärliteratur ist die Quellenlage zur Jugendpolitik der CDU im Zeitraum von 1969 bis 1982 breiter und umfassender. Die vorliegende Arbeit greift insbesondere auf Quellen zurück, die sich im Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung befinden. Dabei ist der Bestand der Bundespartei besonders intensiv ausgewertet worden. In einem eigens zum Themenbereich der Jugendpolitik erstellten Findbuch sind gebündelt die Quellen aus den wichtigsten Gremien der CDU aufgeführt, die sich mit Jugendpolitik befassen – die Kommission „Jugend“, angesiedelt bei der Bundespartei, der Jugendbeirat beim Präsidium sowie der Bundesfachausschuss Jugendpolitik.31 Darüber hinaus werden Unterlagen hinzugezogen aus dem Bereich der Generalsekretäre, der Bundesgeschäftsführer, der Programmatik, der Bundesparteitage, der Bundestagswahlen, der Bundesfachausschüsse sowie der Hauptabteilung II der CDU-Bundesgeschäftsstelle, in deren Arbeitsfeld die Gesellschaftspolitik fällt.32 Von zentraler Bedeutung für diese Arbeit ist ebenso die Auswertung der Protokolle des CDU-Präsidiums, des CDU-Bundesausschusses sowie des CDU-Bundesvorstandes, soweit diese noch nicht in edierter Fassung vorliegen.33 Wesentlich für diese Untersuchung ist ebenfalls die Analyse des Bestands der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Hierfür wurden die Protokolle, die für den Untersuchungszeitraum teilweise in edierter Fassung vorliegen, eingehend ausgewertet.34 Hinzugezogen werden gleichermaßen Akten aus den Beständen der Vereinigungen der CDU, hierunter vor allem aus der Jungen Union35 und dem RDCS36 – der Bestand der Schüler Union ist dem der JU untergliedert. Ebenfalls ausgewertet wurden einzelne Nachlässe im ACDP, von denen die der beiden Jugendpolitiker Dietrich Rollmann37 und Gerd Langguth38 hervorzuheben sind. Um den Stellenwert von Jugendpolitik in der Parteiarbeit und der Programmatik untersuchen und nachvollziehen zu können, wurden die Protokolle der CDUBundesparteitage in diesem Sinne analysiert.39 Von Interesse ist zudem die Auswertung
31 ACDP 07-001. 32 Ebd. 33 Ebd. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstandes liegen bis 1983 in edierter Fassung vor. Vgl. Protokolle Bundesvorstand 1950 – 1953; 1953 – 1957; 1957 – 1961; 1961 – 1965; 1965 – 1969; 1969 – 1973; 1973 – 1976; 1976 – 1980; 1980 – 1983. Bis 1973 sind diese online abrufbar unter www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/protokolle-bundesvorstand-seit-1950 (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 34 ACDP 08-001; CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972; 1972 – 1976. Bis einschließlich zur siebten Wahlperiode sind die wissenschaftlich bearbeiteten Protokolle der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag unter www.fraktionsprotokolle.de online einsehbar (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 35 ACDP 04-007. 36 ACDP 04-006. 37 Dietrich-Wilhelm Rollmann (1932 – 2008), Jurist: 1953 Gründung des RCDS Hamburg und 1. Vorsitzender (bis 1956), 1956 – 1963 Landesvorsitzender der JU Hamburg und Mitglied des CDU-Landesvorstands. 1957 – 1977 CDU-Kreisvorsitzender Hamburg-Mine. 1957 – 1960 MdHB, 1960 – 1976 MdB (CDU). 1968 – 1974 CDU-Landesvorsitzender Hamburg. NL ACDP 01-432. 38 Gerd Langguth (1946 – 2013), Politikwissenschaftler; 1970 – 1974 Bundesvorsitzender des RCDS, 1976 – 1980 MdB, 1986/87 Staatssekretär und Bevollmächtigter des Landes Berlin beim Bund, 1993 – 1997 Geschäftsführender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. NL ACDP 01-365. 39 Eine Auflistung der von der Bundesgeschäftsstelle der CDU herausgegebenen Protokolle der Parteitage findet sich im Literaturverzeichnis. Die Parteitage werden nach der online zugänglichen Version zitiert: www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/protokolle-bundesparteitage-1950-1990 (zuletzt abgerufen am 21.1.2022).
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der parteieigenen Informationsdienste wie „Union in Deutschland“40 und „DeutschlandUnion-Dienst“ sowie solche der Jugendorganisationen.41 Generell ist die Sichtung und Auswertung der parteieigenen Veröffentlichungen in Form von Broschüren und Werbematerialien bedeutsam für die Untersuchung, da hierdurch die Relevanz jugendpolitischer Beschlüsse und Initiativen nachvollzogen werden kann.42 Um einen Blick von außen auf die christlich-demokratische Jugendpolitik zu erhalten, aber auch die anders gelagerten Schwerpunkte in Relation zur CDU herauszuarbeiten, wurden entsprechende Unterlagen in den Archiven der anderen politischen Parteien ausgewertet. Im Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung wurden insbesondere Unterlagen aus der CSU-Landesgruppe und der CSU-Grundsatzkommission berücksichtigt, um die Herangehensweise in der Jugendpolitik aus Sicht der Schwesterpartei nachvollziehen und dabei auch mögliche Unterschiede zur CDU aufdecken zu können.43 Im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung beschränkte sich die Auswertung auf den Bestand des SPD-Parteivorstandes, der mit Blick auf jugendpolitische Aktivitäten teilweise noch unverzeichnet vorliegt.44 Ebenfalls wurden entsprechende Akten im Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hinzugezogen, um die Behandlung jugendpolitischer Themen durch den Koalitionspartner FDP auf Bundesebene zu vervollständigen und gleichzeitig einen anderen Blickwinkel auf jugendpolitische Initiativen der CDU zu erhalten. Im ADL wurde der Fokus der Recherche vor allem auf die Gremienarbeit und die Jugendorganisation der FDP gelegt.45 Für diese Arbeit berücksichtigt wurden ebenfalls Unterlagen aus dem Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Anfang 1980 neu gegründete Partei Die Grünen zog besonders jugendliche Wähler an und lenkte die Aufmerksamkeit der CDU vermehrt auf diese Zielgruppe und die sie interessierenden Themen. Die Recherche im Archiv musste sich auf wenige Bestände konzentrieren, darunter diejenigen der Fraktion der Grünen im Deutschen Bundestag.46 Um die Auseinandersetzung der CDU und hier insbesondere der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag mit der sozial-liberalen Bundesregierung besser darstellen zu können, wurden zudem Unterlagen im Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestags sowie des Bundesarchivs ausgewertet. Im Parlamentsarchiv richtete sich der Fokus insbesondere auf die Protokolle des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit und die Diskussionen über jugendpolitische Gesetzgebungen.47 Die Recherche im Bundesarchiv beschränkte sich auf den Bestand des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit.48 Dabei wurden auch Unterlagen aus der Zeit vor dem Regierungswechsel 1969 hinzugezogen, um die Arbeit der unionsgeführten Bundesregierung im jugendpoliti 40 Der Informationsdienst UiD ist ebenfalls abrufbar unter www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/ union-in-deutschland (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 41 Die Entscheidung; Sonde. 42 Siehe hierzu die Auflistung im Quellenverzeichnis. 43 ACSP Bestand CSU-Grundsatzkommission; ebd. Bestand CSU-Landesgruppe. 44 AdsD Bestand SPD-Parteivorstand. 45 ADL Bestand Bundesjugendausschuss; Bestand Deutsche Jungdemokraten, Bundesverband; Bestand Kommissionen, Kommission Liberale Jugendpolitik. 46 AGG Bestand II.1 Die Grünen im Bundestag; ebd. Bestand II.2 Bundestagsgruppe Bündnis 90/Die Grünen. 47 PA-DBT 3116 A7/13; ebd. A8/13; ebd. A9/13. 48 BArch B 189.
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schen Bereich einbeziehen zu können. Eine weitere wichtige Quelle stellen in diesem Zusammenhang die Plenarprotokolle und Drucksachen des Deutschen Bundestages dar.49 Durch die Auswertung dieser Dokumente wird die parlamentarische Arbeit im Bereich der Jugendpolitik erfahrbar, werden von Seiten der CDU/CSU-Fraktion Schwerpunkte in der aktuellen Parteiarbeit oder gezielte Kontrapunkte zur Politik der Bundesregierung durch das Einbringen von Anfragen, Anträgen oder Gesetzesentwürfen erkennbar. Zudem geben einzelne Redebeiträge in den Debatten im Bundestag durch die pointiert zusammengetragenen Argumente einen Überblick über den aktuellen Sachstand eines jugendpolitischen Themas. Ergänzend zu den unterschiedlichen Quellen werden zudem zeitgenössische Presseberichte hinzugezogen, die für eine umfassende Auswertung der Jugendpolitik der CDU berücksichtigt werden müssen.50 Dies gilt besonders für Kommentare und Einschätzungen jugendpolitischer Initiativen der Partei, die je nach politischer Ausrichtung der Verfasser unterschiedliche Blickwinkel aus der medialen Öffentlichkeit ermöglichen. Hier wird das Problem dieser Quellengattung offenbar, da bei der Auswertung und Verwendung dieser Quellen stets das intendierte Meinungsbild hinter der Berichterstattung beachtet werden muss. Unter Berücksichtigung dieser Regel stellen Presseberichte nach Arnulf Baring allerdings das „Rückgrat jeder zeitgeschichtlichen Darstellung“ dar.51 Eine gute Übersicht über die Presselandschaft zur Thematik der Jugendpolitik bilden die Pressedokumentationen im ACDP sowie die des Deutschen Bundestages, deren Auswertung gute Erkenntnisse für die Entwicklung der Jugendpolitik lieferten. Die Sensibilität, die bei der Verwendung von Pressematerial zugrunde gelegt werden muss, gilt gleichermaßen für die Auswertung von Zeitzeugengesprächen, die für diese Arbeit geführt wurden. Dem Umgang mit den persönlichen Erinnerungen der Zeitzeugen sind gewisse Grenzen gesetzt und er ist nicht ohne Risiko. Für den Zeithistoriker kann diese Quellengattung dennoch äußerst fruchtbar sein.52 Um das Thema Jugendpolitik und das vorliegende Quellenmaterial durch Berichte der damaligen politischen Akteure zu ergänzen, wurden unter anderem Gespräche53 mit den im Untersuchungszeitraum amtierenden Generalsekretären der CDU, Konrad Kraske, Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler, geführt. Ebenfalls befragt wurden im Untersuchungszeitraum führende Mitglieder der parteinahen und parteieigenen Jugendorganisationen wie Matthias Wissmann, Christian Wulff und Franz Josef Jung. Insgesamt konnte durch die geführten Gespräche ein differenziertes Bild der jugendpolitischen Aktivitäten der CDU und ihrer Organisationen beziehungsweise Sonderorganisationen gewonnen werden. 49 Sten. Ber. BT. Diese sind online auf der Seite des Deutschen Bundestags einsehbar: www.bundestag. de/protokolle (zuletzt abgerufen am 21.1.2022); dip.bundestag.de (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Ebenfalls berücksichtigt wurden ausgewählte Drucksachen des Deutschen Bundesrates, die gleichermaßen online zu finden sind: www.bundesrat.de/DE/service/archiv/bv-archiv/bv-archiv-node.html (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Sten. Ber. BR. 50 Nicht immer konnten zu den jeweiligen Presseartikeln die Autoren ermittelt werden. Die Quellenangabe erfolgt daher mit den zur Verfügung stehenden Informationen. 51 Baring: Machtwechsel, S. 16. 52 Vgl. zur Bedeutung des Zeitzeugen u. a. Hockerts: Zugänge zur Zeitgeschichte, S. 15 – 30; Kraushaar: Der Zeitzeuge als Feind des Historikers, S. 49 – 72; Assmann: Die Last der Vergangenheit, S. 375 – 385; Plato: Zeitzeugen und historische Zunft, S. 5 – 29. Vgl. überblicksartig Sabrow/Frei (Hg.): Die Geburt des Zeitzeugen nach 1945. 53 Siehe hierzu die Auflistung im Quellenverzeichnis.
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I. Von der Jugendfürsorge zur Jugendförderung Die Konstituierungsphase der Bundesrepublik Deutschland war in Bezug auf die Jugend wie bereits die unmittelbare Nachkriegszeit von Not und Missständen geprägt. Die Ende 1945 etwa 2,5 Millionen in den Besatzungszonen lebenden Jugendlichen erfuhren „in ihrer Mehrheit […] Entwurzelung, Heimat- und Familienlosigkeit, Bildungs- und Berufsnot, ideelle Desorientierung sowie Perspektivlosigkeit“.1 Schwerpunkte jugendpolitischer Maßnahmen Anfang der 1950er Jahre lagen daher vor allem auf der Beseitigung der Berufsnot der Jugend und auf konkreten Maßnahmen wie dem Bau von Lehrlingswohnheimen.2 Die Gestaltung und Struktur bundesrepublikanischer Jugendpolitik wurden durch die westlichen Besatzungsmächte bereits vor Gründung der Bundesrepublik vorgezeichnet, vor allem gekennzeichnet durch das Ziel, die Jugend an die Demokratie heranzuführen. Hierzu wurden beispielsweise Jugendbildungsstätten und Jugendhöfe errichtet. Neben den Initiativen der westlichen Besatzungsmächte kristallisierte sich in Eigenregie der bundesdeutschen Bevölkerung allmählich eine Jugendverbandsarbeit heraus, die von den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich zunehmend unterstützt wurde.3 Jugendverbände zählten in der Bundesrepublik von Beginn an zu wichtigen jugendpolitischen Akteuren, die zum einen für ihre Arbeit oftmals staatlich bezuschusst wurden, zum anderen auf die jugendpolitische Willensbildung einwirken konnten. Diese „Doppelrolle“ der Jugendverbände war eine Besonderheit in der Jugendpolitik der Bundesrepublik.4 In der Jugendpolitik war der Übergang von der Besatzungszeit zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland fließend und stellte keinen markanten Umbruch dar. Dies war auch auf den Umstand zurückzuführen, dass die Zuständigkeit in wesentlichen Teilen der Jugendpolitik bei den Ländern lag und auf Bundesebene ein klarer Einschnitt in der Gestaltung der Jugendpolitik daher nicht so deutlich zu spüren war. Der Versuch einer Neugestaltung der Jugendpolitik auf Bundesebene wurde zwar angedacht, wegen der akuten „Jugendnot“, aber auch aufgrund der Tatsache, dass die Jugendgesetzgebung der Bundesrepublik zunächst an die der Weimarer Republik anknüpfte, nicht weiterverfolgt.5 Die „Jugendnot“ und deren Bekämpfung waren auch Gegenstand der ersten Regierungserklärung von Bundeskanzler Konrad Adenauer am 20. September 1949. So müsse die Bundesregierung den „Jugendlichen, namentlich denjenigen, denen die Erziehung durch Familie und Schule während der Kriegszeit und der wirren Zeit nach dem Kriege und eine gute Ausbildung gefehlt hat, […] zu Hilfe“ kommen. Konkrete politische Maßnahmen, wie dies zu bewerkstelligen sei, folgten in der Erklärung nicht, stattdessen steckte Adenauer mit der nachfolgenden Aussage den jugendpolitischen Rahmen seiner
1 Popp: Jugendpolitik, S. 895. 2 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 635. 3 Vgl. Popp: Jugendpolitik, S. 896. 4 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 638. 5 Vgl. ebd., S. 633.
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A. Jugendpolitik in Zeiten christlich-demokratischer Regierungsverantwortung (1949 – 1968)
Regierung ab: „Wir werden überhaupt versuchen, unsere Pflicht gegenüber der jungen Generation anders zu betrachten, als das früher geschehen ist.“6 Laut dieser Absichtsbekundung sollten „jegliche Anklänge an eine ‚Staatsjugend‘“ vermieden werden. Zugleich kam dadurch die Grundhaltung der Unionsparteien zum Ausdruck, den Staat aus der Umsetzung jugendpolitischer Maßnahmen möglichst herauszuhalten.7 Das Subsidiaritätsprinzip, den diesen Gedanken der Staatsferne entspringt, prägte die jugendpolitischen Vorstellungen der Unionsparteien und fachte ideologische Auseinandersetzungen insbesondere mit der SPD immer wieder aufs Neue an. Besonders zum Tragen kamen diese Auseinandersetzungen in der Stellung der verschiedenen Träger von Jugendhilfe. Hier stand vor allem die Frage im Raum, welche Form der Trägerschaft die Vorrangstellung einnehmen sollte. Die Unionsparteien plädierten immer für eine Gleichrangigkeit von freien (beispielsweise Kirchen oder Jugendverbände) und öffentlichen Trägern (Jugendämter und Landesjugendämter), wobei sie den freien Trägern im Einzelfall den Vorrang einräumten.8 Das Subsidiaritätsprinzip hatte zudem andere weitreichende Folgen für die Ausgestaltung der Jugendpolitik von CDU und CSU: Für die Unionsparteien hatte die Institution der Familie eine führende Rolle als Sozialisationsfaktor für Kinder und Jugendliche. Diese Dominanz der Familie beeinflusste im Verlauf der 1950er Jahre und darüber hinaus zunehmend die Jugendpolitik der Unionsparteien, bis hin zu einem Vorrang der Familien- vor der Jugendpolitik.9 Deutlich wurde dies unter anderem durch die Institutionalisierung der Familienpolitik auf Bundesebene mit der Errichtung eines eigenen Bundesministeriums für Familienfragen nach der Bundestagswahl 1953.10 Neben der Überwindung der „Jugendnot“ hatte Jugendpolitik Anfang der 1950er Jahre ein weiteres Ziel: die Heranführung der Jugendlichen an die Demokratie und an Europa. Dies war unter anderem bedingt durch Befürchtungen seitens der Bundesregierung, die DDR könnte durch ihre Propaganda schädigenden Einfluss auf die westdeutsche Jugend nehmen. Bundesinnenminister Gerhard Schröder11 sprach in einer Rede vor dem Kuratorium für Jugendfragen am 14. Dezember 1954 beispielsweise die Befürchtung an, dass durch „östliche Propaganda“ der Eindruck entstehen könnte, die DDR würde im Gegensatz zur Bundesrepublik mehr Mittel für die Jugend bereitstellen, um deren Situation zu verbessern. Schröder gab zu bedenken, dass die Bundesrepublik durch ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik es den Familien ermöglicht habe, selbstständig für eine verbes
6 Sten. Ber. BT, 1. WP, 20.9.1949, S. 27. 7 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 636. 8 Entsprechende Ansichten finden sich bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes. So vertraten die zuständigen CDU-Politiker und CDU-Gremien in der Diskussion um einen abermaligen Vorstoß zur Schaffung eines neuen Jugendhilfegesetzes Ende der 1970er Jahre weiterhin die Ablehnung einer Bevorzugung der öffentlichen Träger durch die sozial-liberale Bundesregierung. Vgl. u. a. Grußwort von Hermann Kroll-Schlüter zur 49. Vollversammlung des DBJR am 17.11.1977, ACDP 07-001-11176; Protokoll über das Koordinierungsgespräch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Vertretern der Länder zur Abstimmung über das Jugendhilfegesetz am 30.11.1978, ACDP 07-001-8917; Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 13.7.1979. 9 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 636; Nikles: Jugendpolitik, S. 199. 10 Vgl. Schroeder: Die Sozialpolitik der Union, S. 672. 11 Zu Schröder allgemein vgl. Oppelland: Gerhard Schröder.
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I. Von der Jugendfürsorge zur Jugendförderung
serte Lage zu sorgen. Dies sei der „weitaus gesündere“ Weg anstelle der Einmischung des Staates.12 Die Jugendpolitik in der DDR unterschied sich in vielen Punkten grundlegend von der der Bundesrepublik: Kamen in der Bundesrepublik noch andere gesellschaftliche Akteure in der Ausgestaltung der Jugendpolitik hinzu, war diese in der DDR ein integrativer Bestandteil der Gesamtpolitik des Staates. Insgesamt kam der Jugend in der DDR eine besondere Rolle zu, da sie aktiv am Aufbau des Sozialismus mitwirken sollte.13 Abseits der Sorgen um einen möglichen schädigenden Einfluss der DDR auf die Jugend in der Bundesrepublik gab ein mangelndes politisches Interesse der Jugend und eine gewisse Anziehungskraft autoritärer Einstellungen auf Jugendliche, bedingt durch ihre Sozialisierung in der Zeit des Nationalsozialismus, vor allem zu Beginn der 1950er Jahre den politischen Akteuren – auch im Ausland – Anlass zur Sorge.14 Die beiden Ziele bundesrepublikanischer Jugendpolitik – Überwindung der „Jugendnot“ und Heranführung der Jugendlichen an die Demokratie und Europa – fanden ihren gesetzgeberischen Ausdruck in der Einführung des Bundesjugendplanes 1950/51. So betonte der zuständige Bundesinnenminister Gustav Heinemann auf einer Sitzung des Deutschen Bundestages im Juli 1950 zu den Vorarbeiten eines solchen Bundesjugendplanes, dass es in der Zielsetzung darum gehe, „die Not der Jugend hinsichtlich ihrer Arbeitslosigkeit, ihrer mangelnden Berufsausbildung zu beheben; es geht darum, sie körperlich zu ertüchtigen; es geht darum, sie mit freiheitlichem, demokratischem Geist zu erfüllen und sie auf den Gedanken der Völkerverständigung auszurichten.“15 Am 6. Dezember 1950 wurde der Bundesjugendplan vom Bundeskabinett beschlossen16 und am 18. Dezember vom Bundeskanzler in einem Festakt verkündet. Als „[w]ichtigstes staatliches Förderinstrument“ sollte der Bundesjugendplan ausgewählte Zielgruppen unterstützen, einzelne Programme fördern und die internationale Jugendarbeit voranbringen.17 In der Folgezeit wurden die Bundesjugendpläne in ihrer finanziellen Ausgestaltung und ihrer Schwerpunktlegung unterschiedlich ausgestattet, in finanzieller Hinsicht insgesamt mit ansteigender Tendenz. So wies der erste Bundesjugendplan von 1951 ein finanzielles Volumen von 17,5 Millionen DM aus, während neun Jahre später bereits 78,5 Millionen DM aufgewendet wurden. Die Mittel verteilte ein mit dem Kabinettsbeschluss vom 6. Dezember 1950 eingesetztes Kuratorium für Jugendfragen, dessen Hauptaufgabe es war, die Bundesregierung in jugendpolitischen Fragen zu beraten. Allerdings war das Kuratorium in seiner Mitgliederzahl zu aufgebläht, sodass es dieser Aufgabe, wie auch ein später verkleinerter Aktionsausschuss, nicht nachkommen konnte und eher als „Verteilungsgremium“ agierte.18 12 Bulletin der Bundesregierung, Nr. 237, 17.12.1954, S. 2193. 13 Vgl. Popp: Jugendpolitik, S. 895. Eine vergleichende Darstellung der Jugendpolitik und Jugendsituation in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR findet sich in den Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1971. Vgl. BT-Drs. 6/1690, S. 167 – 185. 14 Vgl. u. a. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 637; Schildt: Moderne Zeiten, S. 173; Wasmund: Leitbilder und Aktionsformen, S. 216 – 218. 15 Sten. Ber. BT, 1. WP, 21.7.1950, S. 2794. 16 Vgl. 115. Kabinettsitzung (Fortsetzung) am 6.12.1950 TOP 12 (‚Kabinettsprotokolle der Bundesregierung‘ online). 17 Popp: Jugendpolitik, S. 894. 18 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 648. Vgl. auch Popp: Jugendpolitik, S. 900.
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Die Umsetzung des Bundesjugendplanes wurde von der Bundesregierung als Erfolg verbucht. Bundesinnenminister Gerhard Schröder bezeichnete ihn im Oktober 1956 als „Kernstück der Jugendpolitik des Bundes“, dessen Maßnahmen „großen Anteil daran [hatten], daß die Massennotstände in der deutschen Nachkriegsjugend heute zu einem erheblichen Teil als beseitigt gelten können“.19 Die sozialdemokratische Opposition im Deutschen Bundestag bemängelte dagegen naturgemäß in regelmäßigen Abständen die unzureichende finanzielle Ausstattung des Bundesjugendplanes, die eine vollumfassende Hilfe für die Jugend nicht abdecken könne.20 Auf Landesebene entwickelten sich im Verlauf der 1950er Jahre ebenfalls eigene Jugendpläne: mit Ausnahme zunächst von Schleswig-Holstein, Bremen und Bayern stellten die Bundesländer eigene Landesjugendpläne auf, die den Bundesjugendplan ergänzen sollten.21 Kritik an der konzeptionellen Gestaltung des Bundesjugendplanes wurde retrospektiv in einschlägigen jugendpolitischen Veröffentlichungen in den 1970er Jahren laut. Bemängelt wurde unter anderem, dass in den vorangegangenen Jahren Jugendarbeit und Jugendhilfe lediglich koordiniert und gefördert, eine konzeptionelle Durchdringung der Jugendpolitik und eine eigenständige Planung mit dem Bundesjugendplan allerdings nicht vorangetrieben worden seien.22 Verbesserungen am Bundesjugendplan forderte die CDU bereits drei Jahre nach dessen Einführung. In dem Entwurf eines Jugendprogramms für die Diskussion auf dem 4. Bundesparteitag im April 1953 wurde festgehalten, dass der Bundesjugendplan allein für die Bewältigung der Berufsnot der Jugendlichen bereits den Großteil der Mittel aufgebraucht habe und zudem konzeptionelle Schwächen aufweise, die es zu beseitigen gelte. Hierzu führte der Entwurf einige konkrete Lösungsvorschläge und Maßnahmen auf, die diese Unzulänglichkeiten beheben sollten.23 In die endgültige Fassung des Hamburger Programms der CDU flossen zwar keine konkreten jugendpolitischen Maßnahmen ein, das betreffende Kapitel enthielt aber einige der im Jugendprogramm genannten Forderungen.24 Inhaltlich und auch konzeptionell detaillierter war der Entwurf einer jugendpolitischen Resolution der Jugendorganisation der Union, der Jungen Union, deren Vorschläge in dieser Breite jedoch keinen Eingang in das Hamburger Programm fanden. In dieser Resolution wurden Jugendberufsnot und Jugendarbeitslosigkeit als „vordringlichstes Problem“ der Jugendpolitik der CDU beschrieben, das es mit verschiedenen Maßnahmen zu bekämpfen gelte. Auch die Jugendpflege – neben der Jugendfürsorge und dem Jugendschutz elementarer Bestandteil der Jugendhilfe in den 1950er Jahren25 – fand im Gegensatz zum Hamburger Programm einen exponierten Platz; vor allem die Bereiche der Führungsaufgaben der Jugendverbände, der internationalen Jugendarbeit sowie der 19 Sten. Ber. BT, 2. WP, 25.10.1956, S. 9173 f. 20 Vgl. u. a. Sten. Ber. BT. 1. WP, 12.12.1951, S. 7478 f.; Sten. Ber. BT, 2. WP, 20.10.1954, S. 2471; Sten. Ber. BT, 2. WP, 21.6.1956, S. 8065. 21 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 649. 22 Vgl. ebd.; Nikles: Jugendpolitik, S. 66. 23 Vgl. Maßnahmen zur wirtschaftlichen, sozialen und staatsbürgerlichen Integration der Jugend, o. D., ACDP 07-001-22010. 24 So ist auch das entsprechende Kapitel mit „Unsere Forderungen für die Jugend“ betitelt. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Hamburger Programm. 25 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 640.
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staatsbürgerlichen Erziehungsaufgaben sollten nach Auffassung der JU stärker gefördert werden.26 Allerdings wurde mit den Forderungen der Jungen Union wie auch mit dem Hamburger Programm der CDU deutlich, dass die jugendpolitischen Maßnahmen von oben nach unten geregelt wurden und eine Mitwirkung der Jugendlichen an der aktiven Gestaltung der Demokratie (noch) kein Thema war.27 Festzuhalten ist aber auch, dass die JU in der Institutionalisierung der Jugendpolitik ihrer Mutterpartei um eine Legislaturperiode voraus war. In der Resolution wurde die Verselbstständigung des bislang im Bundesinnenministerium angesiedelten Referates für Jugendfragen angestrebt, da eine „Koordinierung der Vielzahl der jugendfürsorgerischen und jugendfördernden Maßnahmen“ notwendig sei.28 Ausgegliedert wurde dieses Referat dann tatsächlich mit der Bildung der neuen Bundesregierung im Jahr 1957, jedoch nicht verselbstständigt, sondern dem Bundesministerium für Familienfragen angeschlossen. Auf dem Bundesparteitag in Hamburg fanden die Forderungen der Jungen Union zwar keinen direkten Eingang in das beschlossene Programm, wurden in einem Redebeitrag des Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Jugendfürsorge, Emil Kemmer, zu dem die Jugend betreffenden Kapitel aber angesprochen. In der anschließenden Diskussion waren es vor allem jüngere Parteitagsdelegierte, die aus den Worten von Emil Kemmer mehr herausziehen wollten, als letztlich im Hamburger Programm umgesetzt wurde. So plädierte das JU-Mitglied Ursula Wilke dafür, der Jugend neben einer Verantwortung für den Staat auch eine aktive Teilnahme in dieser Verantwortung zu ermöglichen. Der JU-Vorsitzende Ernst Majonica, inzwischen Mitglied des CDU/CSU-Fraktionsvorstandes, sah in den Äußerungen Kemmers gar die Vorlage eines ersten Jugendprogramms.29 Trotz dieser progressiveren Vorstellungen in Teilen der Jungen Union stand in der Mutterpartei weiterhin die Jugendfürsorge im Mittelpunkt jugendpolitischer Überlegungen. Das Hamburger Programm listete zudem weitere Jugendgesetzesvorhaben auf, die es anzustoßen oder auszuweiten gelte. Hervorzuheben ist unter anderem die Forderung nach einem neuen Jugendhilfegesetz, deren Umsetzung zugunsten einer Novelle des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes aus dem Jahr 1922 im August 1953 zunächst zurückgestellt werden sollte. Das Ausbleiben einer umfassenden Reform der Jugendhilfe und die Entscheidung lediglich für eine Novellierung des RJWG – immerhin datierte dieses aus den Anfangsjahren der Weimarer Republik – hatte unter anderem zur Folge, dass in den folgenden Jahrzehnten bis zur Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Jahr 1990 immer wieder dieselben ideologischen Gräben auftraten: zentralstaatliche Regulierung gegen Zuständigkeit der Länder, jugendpolitische Zielsetzung des Staates gegen elterliches Erziehungsrecht, öffentliche gegen freie Jugendhilfe und Jugendarbeit.30 Dies war dies war auch in der Weimarer Zeit, die grundsätzliche Frontstellung zwischen Zentrum und SPD. In Bezug auf die Jugendschutzgesetzgebung forderte das Hamburger Programm, den „zersetzende[n] Einfluß von Schmutz und Schund auf unsere Jugendlichen“ einzudäm 26 Entwurf einer Resolution der JU zur Jugendpolitik, o. D., ACDP 07-001-22010. 27 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 149. 28 Entwurf einer Resolution der JU zur Jugendpolitik, o. D., ACDP 07-001-22010. 29 Vgl. 4. Bundesparteitag der CDU, 18. – 22.4.1953 in Hamburg, S. 181, 196. 30 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 649 f. Zur Problematik rund um die Diskussion über ein neues Jugendhilfegesetz siehe Kapitel „Ein Dauerbrenner flammt auf – Die Diskussion über ein neues Jugendhilferecht“.
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men und „durch umfassende Förderung des guten Jugendschrifttums und Jugendfilms“ zu überwinden.31 Das im Juni 1953 verabschiedete Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften sorgte für Auseinandersetzungen mit der Opposition im Deutschen Bundestag, aber auch mit Teilen der FDP, da die Auslegungsmöglichkeiten der Bestimmungen in diesem Gesetz zu weitläufig und die Freiheit von Kunst und Literatur nach Ansicht der Kritiker gefährdet.32 Der Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit stand in der Nachkriegszeit und in den ersten Jahren der Bundesrepublik auf der jugendpolitischen Agenda der Bundesregierung weit oben, was vor allem mit der allgegenwärtigen „Jugendnot“ begründet wurde.33 Allgemein veranschaulicht die Jugendschutzgesetzgebung der unionsgeführten Bundesregierung in den ersten Jahren nach Gründung der Bundesrepublik die in CDU und CSU vertretenen Werte-, Moral- und Sicherheitsvorstellungen. So brachte 1956 die Initiative der Unionsparteien über eine Novellierung des erst 1951 verabschiedeten Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit zum Ausdruck, dass CDU und CSU „dem sittlichen Jugendschutz Vorrang z. B. gegenüber arbeitsrechtlichen Absicherungen“ gaben, für die wiederum die SPD und ihr nahestehende Verbände plädierten.34 Ab Mitte der 1950er Jahre hatte sich die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik soweit konsolidiert, dass auch weite Teile der Jugend vom Aufschwung profitierten und von einer allgemeinen Notlage kaum noch die Rede war. Stattdessen rückten andere Phänomene in den Fokus der Öffentlichkeit, die in Verbindung mit einer ausgedehnter zur Verfügung stehenden Freizeit standen: Der wirtschaftliche Aufschwung sorgte unter anderem für eine allmähliche Verkürzung der Arbeitszeiten – auch für junge Menschen –, und einem Teil der Jugend standen durch eine gesicherte Lehr- bzw. Arbeitsstelle mehr finanzielle Mittel zur Verfügung, die sie in Freizeitaktivitäten investieren konnten. Aus diesen neuen Freiheiten entwickelten sich allerdings auch Probleme, wie das sogenannte „Rowdytum“ der „Halbstarken“ 1956 zeigte.35 Diese Gruppe von Jugendlichen erfuhr vor allem in der Boulevardpresse durch ihre Randale eine große Aufmerksamkeit, die allerdings nicht durch die Anzahl der beteiligten Jugendlichen zu rechtfertigen war, da sich lediglich eine kleine Minderheit an den Unruhen beteiligte.36 Bei diesen „Halbstarken-Krawallen“ handelte es sich um einen „ideologisch nicht festgelegte[n] Protest einer gegen die materielle Fixierung des saturierten Bürgertums gerichteten neuen Jugendbewegung“.37 Von Politikern wurde der Begriff der „Halbstarken“ und seine Verwendung in der Presse mehrheitlich abgelehnt, da damit die Jugend diffamiert und zu weiterem Widerstand oder Nachahmung ermuntert würde. So sprach der FDP-Abgeordnete Hubertus Prinz zu Löwenstein den Protest zwar an, sah allerdings keine Rechtfertigung für mögliche politische Ziele, die den Krawallen innewohnten, sondern richtete stattdessen 31 CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Hamburger Programm. 32 Vgl. Sten. Ber. BT, 1. WP, 17.9.1952, S. 10537, 10540 – 10542. 33 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 638. 34 Vgl. ebd., S. 642. 35 Ebd., S. 635. 36 Vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 162, 175 – 177. 37 Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 186; Wasmund: Leitbilder und Aktionsformen, S. 220 – 224. Vgl. allgemein zum Phänomen der „Halbstarken“ Grotum: Die Halbstarken; Zinnecker: „Halbstarke“, S. 461 – 485.
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I. Von der Jugendfürsorge zur Jugendförderung
einen „Appell an die deutsche Jugend […], zur Selbstkontrolle, daß die deutsche Jugend ihre Reihen reinigen möge, damit nicht wenige üble Ausnahmen ihren guten Ruf beeinträchtigten“.38 Auch aufgrund fehlender politischen Ziele der „kleinen Jugendbewegung“ verschwand diese nach einiger Zeit wieder aus den Schlagzeilen und der öffentlichen Wahrnehmung.39 Innerhalb der CDU wurden die Unruhen ebenfalls registriert und kommentiert. Vor dem Bundesparteitag in Stuttgart im April 1956 sprach der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel von einem „Aufstand der jungen Generation“, den er als „verhängnisvoll“ ansah. Er sehe zwar ein, dass es durchaus „bühnenwirksam [ist], wenn man dagegen ist, wenn man aufsteht, revoltiert, wenn man revolutionieren, aus den Angeln heben will“. Die junge Generation erweise in seinen Augen „aber so der Sache, der Politik, und auch [ihr] selbst einen schlechten Dienst“. In seinen nachfolgenden Ausführungen betonte von Hassel die Notwendigkeit der Mitarbeit der jungen Generation in der Politik – gemeinsam mit den Älteren.40 Aber auch dieser Aufruf bedeutete kein Umdenken in der Sicht auf die Jugend als gestaltender Teil der Gesellschaft; von Hassel machte hier lediglich deutlich, dass die junge Generation vermehrt eingebunden werden sollte, um nicht zu stark aufzubegehren. Die Suche nach geeigneten Maßnahmen gegen die „Halbstarken-Krawalle“ veranschaulichte die allmählich aufkommenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in der jungen Bundesrepublik: Wie konnte die Jugend am politischen Prozess beteiligt werden? Welche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung konnten Kommunen und Jugendverbände den Jugendlichen bieten, um sie zu erreichen und an der Gesellschaft teilhaben zu lassen?41 Diese Fragen lenkten in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre den Fokus vermehrt auf unterstützende Angebote für Jugendliche. Von der „einschreitenden Fürsorge“ gingen jugendpolitische Maßnahmen nun verstärkt in die Jugendförderung über.42 Auch in der CDU wurde dieser Umschwung in der bisherigen Praxis der Jugendpolitik ersichtlich. So sahen es die Verantwortlichen in der Partei unter anderem ein, der Jugend sinnvolle Angebote zur Freizeitgestaltung zu machen, denn laut Bundesinnenminister Schröder wolle man „gewissen Zweigen der sogenannten Vergnügungsindustrie“ das Feld nicht überlassen. Von Seiten der Politik müssten die „vorhandenen Freizeiteinrichtungen […] verdoppelt“ sowie die „Qualität der Einrichtungen […] wesentlich gesteigert werden“, da sich die Freizeitgestaltung von einem „einfachen Zeitvertreib […] mehr und mehr zu einer echten Bildungsmöglichkeit“ entwickeln würde – ein charakteristisches Betätigungsfeld der Jugendarbeit, die sich bereits hier mit jugendpolitischen Vorstellungen vermischte.43 Für die CDU hing die „[r]ichtige Freizeitgestaltung“ der Jugendlichen zudem eng mit der Ausbildung der Persönlichkeit zusammen. Den „ideale[n] Rahmen“ für diese Persönlichkeitsbildung stellte nach den Vorstellungen der Partei zwar nach wie vor die Familie dar, in der CDU war man sich aber bewusst, dass auch noch über zehn Jahre 38 Sten. Ber. BT, 2. WP, 25.10.1956, S. 9202. 39 Vgl. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, S. 190. 40 6. Bundesparteitag der CDU, 26. – 29.4.1956 in Stuttgart, S. 174 f. 41 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 635. 42 Dies.: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 580. 43 Sten. Ber. BT, 2. WP, 25.10.1956, S. 9174.
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nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der viele Familien zerrissen und zerstört hatte, nicht generell erwartet werden konnte, dass diese Aufgabe erfüllt würde.44 Somit entwickelte sich auch in der Partei die Jugendförderung in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zu einer wichtigen Aufgabe ihrer Jugendpolitik. Seinen Niederschlag fand dieses neue Verständnis in einem Wahlprogramm zur Jugendpolitik für die Bundestagswahl 1957, welches allerdings nicht von etablierten Gremien der Partei, sondern einem eigens für die Erarbeitung eines solchen Wahlprogramms von der Partei berufenen Jugendbeirat erstellt wurde. Dieser setzte sich vor allem aus Vertretern der Jungen Union und verschiedener Jugendverbänden zusammen.45 Zwar enthielt das Programm wie bereits jenes von 1953 keine konkreten jugendpolitischen Maßnahmen, machte aber den bisherigen Wandel von der Jugendfürsorge zur Jugendförderung deutlich. Laut eines Entwurfs des Jugendbeirates halte die CDU eine „zielbewußte Jugendpolitik für erforderlich“, weshalb sie auch „in der kommenden Legislaturperiode der Jugendfürsorge ihre besondere Aufmerksamkeit widmen“ werde.46 Die Verschiebung hin zu mehr Jugendfürsorge zeigen die nachfolgend aufgelisteten Forderungen in dem Programm: Neben dem Ausbau der Bildungs- und Freizeiteinrichtungen im Rahmen des Bundesjugendplanes wurde erstmals die Förderung des Jugendsports in einem Programm zur Jugendpolitik festgehalten.47 Die Einflussnahme auf den Jugendsport wurde auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten von einzelnen Jugendpolitikern immer wieder gefordert, da sich hierdurch gute Möglichkeiten zur Ansprache der Jugend und deren Einbindung in die Gesellschaft ergeben konnten – bei gleichzeitiger Aufbesserung des eigenen Parteiimages.48 Als öffentlichkeitswirksames Werbematerial für die Bundestagswahl wurde das Wahlprogramm zur Jugendpolitik nicht verwendet, stattdessen beschloss der CDU-Bundesvorstand auf seiner Sitzung am 1. Juli 1957, das Programm in der parteieigenen Presse zu veröffentlichen, um den Parteimitgliedern Argumentationshilfen im Wahlkampf an die Hand zu geben49 – für eine breiter angelegte Kampagne erschien das Programm der Parteiführung offenbar nicht geeignet. Neben der Erarbeitung eines jugendpolitischen Programms für das Wahlprogramm hatte der Jugendbeirat zudem die Aufgabe, einen Dialog mit allen Jugendverbänden, die im Jugendbeirat vertreten waren, zu starten, um deren 44 7. Bundesparteitag der CDU, 11. – 15.5.1957 in Hamburg, S. 204. 45 Eine Liste der einzelnen Mitglieder des Jugendbeirates findet sich in ACDP 07-004-042/1. Vorsitzender des Jugendbeirates war der ehemalige nordrhein-westfälische Innenminister Franz Meyers, sein Stellvertreter der Bundesvorsitzende der JU, Gerhard Stoltenberg. Unter den insgesamt 17 Mitgliedern finden sich weitere in der Rückschau bekannte Namen wie der stellvertretende Landesvorsitzende der CDU Berlin, Josef Stingl, der ehemalige Landesvorsitzende der JU in Hamburg, Heinrich Gewandt, Elisabeth Schwarzhaupt und der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings, Heinrich Köppler. 46 Entwurf eines aktuellen Wahlprogramms zur Jugendpolitik der CDU, verabschiedet vom Jugendbeirat der CDU am 2.5.1957, ACDP 07-001-12013. 47 Vgl. ebd. Hierzu zählte insbesondere die „Anlage entsprechender Sportstätten.“ Ebd. 48 Die Stellung des Sports innerhalb der Jugendpolitik wurde in der CDU in regelmäßigen Abständen diskutiert, allerdings wohl nie konsequent vorangebracht, da die Problematik noch bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes Thema war. Vgl. u. a. Entwurf der Unterkommission III: Bildung, Wissenschaft und Forschung an die Programmkommission, 20.4.1967, ACDP 07-001-9098; Referat von Werner Remmers vor dem Sportparlament der Niedersachsen-CDU am 30.1.1982 in Melle über die Stellung und Aufgabe des Sports in der Jugendpolitik, ACDP 07-001-8151. 49 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1953 – 1957, Sitzung am 1.7.1957, S. 1300.
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I. Von der Jugendfürsorge zur Jugendförderung
„Arbeit gegen die CDU auszuschalten“. Eine institutionelle Verankerung des Jugendbeirates war neben den Aufgaben der Erarbeitung eines Programms und eines besseren Verhältnisses zu den Jugendverbänden von der Partei jedoch nicht vorgesehen. Aus der Jungen Union kam nach der Bundestagswahl zwar der Vorschlag, den Jugendbeirat in einen kleinen Arbeitskreis umzuwandeln, ob dieser Plan umgesetzt wurde, geht aus den Akten nicht hervor.50 Dagegen spricht zumindest, dass der geforderte stärkere Dialog mit den Jugendverbänden nicht zum gewünschten Erfolg führte. Das Verhältnis der CDU zu einem Großteil der in der Bundesrepublik vertretenen Interessenverbände blieb weiterhin angespannt.51 Nach der Überwindung der „Jugendnot“ – begünstigt durch den wirtschaftlichen Aufschwung – führte die allmähliche Herausbildung einer jugendlichen Teilkultur52 ab der zweiten Hälfte der 1950er dazu, dass in Politik und Gesellschaft ein verstärktes Nachdenken über die Jugend einsetzte: Von den Medien und der Freizeitindustrie wurde die Jugend zunehmend als kommerzieller Faktor entdeckt und zu einem Idealtypus stilisiert, von politischer Seite setzte eine verstärkte staatliche und kommunale Planung zur Unterstützung der Jugend in ihrer Freizeitgestaltung ein, mit der Jugendlichen sinnvolle Angebote unterbreitet und sie vor „Verwahrlosung“ geschützt werden sollten.53 Ab Mitte der 1950er Jahre war Jugendfürsorge demnach nicht mehr notwendig, stattdessen wurden auf politischer Ebene Maßnahmen zur Jugendförderung erarbeitet und umgesetzt.
50 Vgl. Schreiben Bert Even an CDU-Bundesvorstand, 18.11.1957, ACDP 07-001-12136. 51 Eine für den parteiinternen Gebrauch erstellte Übersicht der politischen Ausrichtung der verschiedenen Jugendverbände lieferte Peter Helmes im Juli 1975. Vgl. Papier „Die deutschen Jugendverbände – Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Organisationen“ von Peter Helmes, Juli 1975, ACDP 07-001-8905. 52 Von der Bildung einer jugendlichen Teilkultur war ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre auch deshalb die Rede, da die Abwendung von Teilen der Jugendlichen von den bisherigen Sozialisationsinstanzen wie Familie oder Kirche hin zur Kultur- und Freizeitindustrie ab dieser Zeit stark in der öffentlichen Diskussion thematisiert wurde. Der in den späten 1950er Jahren einsetzende gesellschaftliche Wandel lässt sich auch an den rasch aufeinanderfolgenden dominierenden Debatten über die Jugend von der Jugendnot über den Jugendschutz bis hin zu einer neuen Jugendkultur erkennen. Vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 153 f. 53 Vgl. ebd., S. 177 f.; Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3, S. 635.
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II. Jugendpolitik im Wartestand Im Zeitraum zwischen 1957 und 1965 gelang es der Jugendpolitik nicht, durch besondere Gesetzesvorhaben aus den anderen Politikbereichen hervorzustechen. In dieser Zeit war von einer „Jugendnot“ keine Rede mehr und gesellschaftliche Umbrüche, wie sie dann in den 1960er Jahre an die Oberfläche traten, waren noch nicht so deutlich spürbar, als dass hier politisch reagiert werden musste.1 So bestand für die politischen Akteure vorerst kein Anreiz, jugendpolitisch stärker aktiv zu werden. Stattdessen befand sich die Jugendpolitik zwischen Ende der 1950er und Mitte der 1960er Jahre in einer Konsolidierungsphase, in der Jugendgesetzgebungen fortgeschrieben oder angepasst wurden.2 Zu den Eckpfeilern der bundesdeutschen Jugendpolitik zählte im Zeitraum von 1957 bis 1965 weiterhin die Jugendhilfe mit den dazugehörigen Bereichen des Jugendschutzes und der Jugendförderung, zu deren wesentlichem Bestandteil die Ausgestaltung des wichtigsten staatlichen Förderinstruments – der Bundesjugendplan – gehörte. Die Jugendschutzgesetzgebung stand im Gegensatz zu den ersten beiden Legislaturperioden auch deshalb nicht mehr im Mittelpunkt der handelnden Akteure, da die „unmittelbare ‚sittliche Gefährdung‘, die von den Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ausging“ nun nicht mehr gegeben war.3 Im Bundesjugendplan wurden die Finanzmittel zwischen 1957 und 1965 weiter ausgebaut,4 um Mitte der 1960er Jahre den vorläufigen Höhepunkt ihres Volumens zu erreichen. Anhand der programmatischen Schwerpunktlegung der einzelnen Bundespläne wird zudem deutlich, dass eine Verlagerung vom „Sozialplan“ zum „Bildungsplan“ stattfand: Die Jugend sollte nun darin unterstützt werden, sich frei zu entfalten, sich dabei aber weiterhin vor Familie, Gesellschaft und Staat verantworten zu müssen.5 Der im Bundesjugendplan verankerte Bereich der internationalen Jugendarbeit fand in der vierten Legislaturperiode eine größere öffentliche und parlamentarische Aufmerksamkeit als in den vorangegangenen Jahren: Mit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages durch den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer und den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Jahre 1963 wurde gleichzeitig der Grundstein für die Errichtung eines deutsch-französischen Jugendwerks gelegt, das noch im selben Jahr ins Leben gerufen wurde. Damit war eine zwischenstaatliche Einrichtung der Jugendarbeit erstmals vertraglich festgehalten.6 Im Zuge der Errichtung des deutsch-französischen Jugendwerks kam von Seiten der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag schon kurze
1 Vgl. hierzu das Kapitel „Die CDU und die Auswirkungen der Studentenunruhen Ende der 1960er Jahre“. 2 Vgl. u. a. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 580; Nikles: Jugendpolitik, S. 83. 3 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 581. 4 Vgl. allgemein zur Ausweitung des Bundeshaushaltes bis 1966 Wambach: Rainer Barzel, S. 225 f., 323 – 326. 5 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 594. 6 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 77.
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Zeit später die Forderung nach der Gründung eines Europäischen Jugendwerks auf, auch um das Gewicht bilateraler Verträge wie des deutsch-französischen Jugendwerks nicht zu stark werden zu lassen und stattdessen multilaterale Einrichtungen zu stärken.7 Ein Europäisches Jugendwerk wurde schließlich 1972 unter der Leitung des Europarates gegründet, dessen Ziel es war, die „Zusammenarbeit der Jugend in Europa zu fördern und finanzielle Unterstützung zu geben“.8 Im Fokus der Jugendpolitik stand in der dritten und vierten Legislaturperiode eine weitere Novellierung des veralteten RJWG. Die Bundesregierung plante zunächst einen erneuten Vorstoß zu einer völligen Neufassung des Jugendhilferechts, um dieses den aktuellen Anforderungen anzupassen. Dies scheiterte aber unter anderem an der niedrigen Priorisierung im zuständigen Ministerium für Familien- und Jugendfragen als auch an Kritik aus Oppositions- und Regierungsparteien.9 So kam es lediglich zu einer – nach 1953 – weiteren Novellierung des RJWG, an der sich unter anderem von Seiten der Opposition im Bund als auch von einigen Bundesländern Kritik wegen dem darin enthaltenen „Misstrauen[s] gegenüber staatlichen Organen“ entzündete.10 Gegen einzelne Vorschriften aus dem in „Gesetz für Jugendwohlfahrt“ umbenannten RJWG, das 1961 verabschiedet wurde, reichten verschiedene Städte und Bundesländer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, da sie die Kompetenzen des Bundes in der Ausgestaltung und Förderung der Jugendpflege überschritten sahen.11 Erst 1967 legte das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeiten von Bund und Ländern fest und machte damit den Weg für ein neues Jugendhilfegesetz frei.12 Ein weiteres Indiz für den geringen Stellenwert von Jugendpolitik in der Phase zwischen 1957 und 1965 ist die klare Unterordnung unter die Familienpolitik. Die Ausgliederung des Jugendbereiches aus dem Bundesinnenministerium und die Schaffung des Bundesministeriums für Familien- und Jugendfragen ab der dritten Legislaturperiode stellte zwar zunächst eine formale Stärkung der Jugendpolitik dar, doch personell war die entsprechende Abteilung nicht stark genug besetzt, und auch der zuständige Bundesminister Franz-Josef Wuermeling sah die Familienpolitik gegenüber der jugendpolitischen Gesetzgebung in einer wichtigeren Position. Mit dem Ministerwechsel von Wuermeling zu Bruno Heck im Dezember 1962 nahm der starke Einfluss der Familienpolitik auf jugendpolitische Initiativen allmählich ab, sodass aus der Unterordnung der Jugendpolitik allmählich eine Zuordnung wurde.13 Den nach wie vor bestehenden hohen Stellenwert der Familie innerhalb der CDU unterstreichen Aussagen wie die des rheinland-pfälzischen Delegierten Johannes Gerster auf dem 9. Bundesparteitag im September 1960. Für Gerster stellten „Elternhaus, Schule und Kirche […] Eckpfeiler unserer christlichen Weltanschauung“ dar, die „unter allen Umständen das A und O unserer Jugenderziehung
7 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 595; Sten. Ber. BT, 4. WP, 9.12.1964, S. 7493. 8 „Europäisches Jugendwerk“, in: DUD, Nr. 7, 11.1.1972; vgl. auch Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 694. 9 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 590 f. 10 Ebd., S. 592. 11 Vgl. ebd., S. 593. 12 Vgl. BVerfGE 22, S. 180. 13 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 582 f.; Nikles: Jugendpolitik, S. 82.
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sein und bleiben“ müssten.14 Auch vier Jahre später betonte Bundeskanzler Ludwig Erhard in seinem einleitenden Referat auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover noch die große Bedeutung der Familie als „letzte Lebenseinheit, in der sich der Mensch als ungeteilte Einheit entfalten kann“. Dem Staat obliege dabei eine „hohe […] Verantwortung“, den Lebensbereich der Familie besonders zu schützen.15 In der Schwesterpartei CSU wurde die enge Verbindung zwischen Familien- und Jugendpolitik ebenfalls gesehen. Die „Gesunderhaltung unserer Familie“ war für die CSU dementsprechend eine „entscheidende Voraussetzung guter Jugendpolitik“.16 Fristete die Jugendpolitik in der Zeit zwischen 1957 und 1965 ein Schattendasein, so waren schwerwiegende gesellschaftliche Umbrüche – auch innerhalb der Jugend – bereits seit Ende der 1950er Jahre unterschwellig erkennbar. Nachdem sich die demokratischen Strukturen in der Bundesrepublik verfestigt hatten, die Westintegration erfolgreich vollzogen war, nach den Beinahe-Zusammenstößen der beiden Supermächte in der Berlin-Krise 1958/59 und der Kuba-Krise 1962 nunmehr eine gewisse Entspannung im Verhältnis zwischen dem Westen und dem Osten erkennbar und die Folgen des Wirtschaftswunders für annähernd die ganze bundesdeutsche Bevölkerung zu spüren waren, traten nun verstärkt Forderungen nach „glaubwürdigen Konzepten zur Modernisierung und Reformierung der Gesellschaft“ auf.17 So brachen sich in dieser Zeit kulturelle Konflikte zwischen der Jugend- und der Erwachsenenwelt Bahn, aber auch der vermehrt formulierte Wunsch aus Teilen der Jugend nach einer intensiveren „Vergangenheitsbewältigung“ kam bereits hier – und nicht erst mit den Studentenunruhen Ende der 1960er Jahre – auf.18 Nach den „Halbstarken-Krawallen“ gab es zudem weitere Bewegungen innerhalb der jungen Generation, die von Kampagnen wie „Kampf dem Atomtod“ Ende der 1950er Jahre über die Ostermärsche19 bis hin zu Auseinandersetzungen der SPD mit der parteieigenen Studentenorganisation, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund, reichten.20 In der breiten Öffentlichkeit nahm man von diesen Entwicklungen keine rege Notiz, stattdessen flachte nach der ersten Aufregung über die „Halbstarken“ Ende der 1950er Jahre die Aufmerksamkeit für jugendliche Unruhen zunächst einmal ab.21 Ein anderes Bild begann – vor allem in der Wissenschaft – die Wahrnehmung der Jugend zu prägen, das maßgeblich vom deutschen Soziologen Helmut Schelsky beeinflusst wurde. In seinen 1957 veröffentlichten Thesen charakterisierte Schelsky die deutsche Nachkriegsjugend unter anderem als „skeptische Generation“ und attestierte ihr eine Anpassung an die Erwachsenenwelt im beruflichen und privaten Leben sowie eine Entpolitisierung und Entideologisierung des jugendlichen Bewusstseins. Diese in der Nachkriegszeit groß gewordene Jugend strebe nach Verhaltenssicherheit, die sie aufgrund der Erfahrungen mit der Not nach dem Krieg vor allem in der Familie, während der Berufs 14 9. Bundesparteitag der CDU, 26. – 29.4.1960 in Karlsruhe, S. 209. 15 12. Bundesparteitag der CDU, 14. – 17.3.1964 in Hannover, S. 119. 16 Rednermappe der Landesgruppe im Bundestag, ACSP Bestand Rednerdienste zu Wahlen 11/20 1961. 17 Schildt: Materieller Wohlstand, S. 26, 44. Vgl. auch Frei: 1968, S. 131 f. 18 Vgl. Schildt: Materieller Wohlstand, S. 33 f., 36. 19 Vgl. zu den Bewegungen u. a. Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 189 – 193; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 290 – 296; Halberstadt: Protest gegen Remilitarisierung, S. 313 – 327. 20 Vgl. Krohn: Die westdeutsche Studentenbewegung und das „andere Deutschland“, S. 695. 21 Vgl. Siegfried: Politisierungstendenzen in der westdeutschen Jugendkultur 1959 bis 1968, S. 600.
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ausbildung, im beruflichen Erfolg und allgemein im Alltag suchen würde.22 Mit diesem Bild einer angepassten Jugend, das in der zeitgenössischen Jugendforschung mehrheitlich adaptiert wurde, erschienen die seit Mitte der 1960er Jahre sichtbarer zu Tage tretenden Umbrüche in der Jugend als klarer Schnitt in der öffentlichen Wahrnehmung. Doch ohne die bereits in den 1950er Jahren auftretenden – eher unterschwelligen – gesamtgesellschaftlichen Veränderungen sind die Umwälzungen in den 1960ern Jahre nicht zu erklären.23 Es ist eher die Frage zu stellen, ob die Jugendforschung die Dynamik innerhalb der jungen Generation nicht bereits früher hätte erkennen und gemeinsam mit den politischen Akteuren darauf reagieren müssen. Die wissenschaftliche Begleitung und Beratung von Jugendpolitik wurden in den ersten Jahren seit Gründung der Bundesrepublik von der Bundesregierung recht stiefmütterlich behandelt. Von Seiten der SPD-Opposition im Deutschen Bundestag gab es bereits 1954 die Forderung nach der Einrichtung eines eigenen Jugendinstitutes, mit dessen Hilfe eine „systematische Zusammenfassung und Auswertung der Erkenntnisse über die Situation und die Haltung der jungen Generation“ erstellt werden sollte.24 Die CDU/ CSU-Fraktion war bezüglich solcher Forderungen zurückhaltender, da sie – der Empfehlung des Bundesinnenministeriums folgend – angesichts der „großen Zahl von Forschungseinrichtungen und Arbeitsgemeinschaften die Gründung einer eigenständigen Institution als überflüssig“ erachtete.25 Stattdessen plädierte sie 1956 für die Ergänzung des 1947 in München gegründeten Deutschen Jugendarchivs durch ein Studienbüro für Jugendfragen in Bonn.26 Diese beiden Einrichtungen fusionierten 1962 schließlich zum Deutschen Jugendinstitut.27 Zwar betrieb das Jugendinstitut in seiner Anfangszeit noch keine eigenständige Jugendforschung, wirkte aber beispielsweise an der Erarbeitung des Ersten Jugendberichtes der Bundesregierung mit, der dem Deutschen Bundestag 1965 vorgelegt wurde.28 Zur Vorlage eines solchen Jugendberichtes war die Bundesregierung laut des Jugendwohlfahrtgesetzes von 1961 alle vier Jahre verpflichtet, erstmals schon zum 1. Juli 1963. Der Erste Jugendbericht erschien dementsprechend bereits mit zweijähriger Verspätung. Aufgabe der Jugendberichte war es, ein Bild der Lage der Jugend und der Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe zu geben.29 Damit sollten die Jugendberichte als wissenschaftliche Grundlage für das politische Handeln der Bundesregierung dienen.30 Der Erste Jugendbericht wurde im Unterschied zu den nachfolgenden Berichten noch gänzlich vom Bundesministerium für Familie und Jugend und ohne die Hilfe externer Experten erarbeitet. So gab es denn auch gleich Kritik von mehreren Sei 22 Vgl. Schelsky: Die skeptische Generation, S. 74 – 83; vgl. auch Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 586. 23 Vgl. Doering-Manteuffel: Westernisierung, S. 340. 24 BT-Drs. 2/883, 13.10.1954. 25 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 588. 26 Vom Deutschen Bundestag wurde der Antrag über die Einrichtung des Studienbüros am 25.10.1956 angenommen. Vgl. Sten. Ber. BT, 2. WP, 25.10.1956, S. 9189; BT-Drs. 2/2684, 12.9.1956. 27 Über den Beschluss der Vorstände des Jugendarchivs und des Studienbüros informierte Bundesminister Wuermeling auf einer Sitzung des Deutschen Bundestages im März 1961. Vgl. Sten. Ber. BT, 3. WP, 16.3.1961, S. 8746. 28 BT-Drs. 4/3515, 14.6.1965. 29 Vgl. ebd. 30 Vgl. Hornstein: Jugendforschung und Jugendpolitik, S. 127.
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ten: Regierungsintern wurde bemängelt, dass der Bericht die positiven Seiten der Situation der Jugend nicht an den Anfang gestellt habe, sondern negative Aspekte wie die Jugendkriminalität oder die schlechte Lage behinderter Jugendlicher in den Vordergrund rücke.31 In der Presse wurde beanstandet, dass der Jugendbericht die Lage der jungen Generation beschönigen und falsche Schwerpunkte legen würde.32 Auch die nachfolgenden Jugendberichte der verschiedenen Bundesregierungen sorgten im parlamentarischen Betrieb und in der interessierten Öffentlichkeit für kontroverse Diskussionen, da sie zu spät erschienen und damit nicht mehr die aktuelle Lage der Jugend widerspiegeln oder die falschen Themen zur falschen Zeit behandeln würden.33 In ihrer Jugendpolitik setzten die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zwischen 1957 und 1965 unterschiedliche Akzente. In der CDU befasste man sich programmatisch so gut wie überhaupt nicht mit der jungen Generation, es wurde mehr auf vergangene Leistungen hingewiesen, als dass große neue Entwürfe vorgestellt wurden. Auf dem Dortmunder Bundesparteitag im Juni 1962 bezeichnete der neue Geschäftsführende Bundesvorsitzende Josef Hermann Dufhues die CDU pathetisch als die „Partei der Jugend“, da sie für die Jugend wie keine andere Partei „neue politische Impulse gegeben“ und der jungen Generation gleichzeitig „Dienst und Opfer“ abverlangt habe. Aus den Aussagen von Dufhues wird deutlich, dass die CDU einer stärkeren Mitverantwortung und Mitgestaltung der Jugend in der Gesellschaft nach wie vor skeptisch gegenüberstand und stattdessen von der Jugend „erwarte […], daß sie überzeugt – durch Charakter, Haltung und Leistung“. 34 In eine ähnliche Richtung wiesen Vorstellungen der CSU, die die Jugend „zwischen Wildwuchs und Baumschule“ gehalten wissen wollte, womit eine Abgrenzung zum Sozialismus und Liberalismus zum Ausdruck gebracht werden sollte. Unter dieses Bild wurden zwei wesentliche Aufgaben der CSU-Jugendpolitik subsumiert, die sich einerseits darauf konzentrieren sollte, die Jugend „vor allem zu schützen, was ihr natürliches Wachstum gefährdet“, und andererseits die Jugend „in allem fördern [muss], was dieses Wachstum begünstigt“.35 Auf Seiten der CDU stellte der 12. Bundesparteitag im März 1964 eine kleine Ausnahme im bisherigen Umgang mit der jungen Generation dar. In Hannover ging die Partei auf Initiative der Jungen Union das Experiment ein, am Rande des Parteitages ein Jugendforum mit Bundeskanzler Ludwig Erhard zu veranstalten, zu dem der parteieigene Nachwuchs eingeladen hatte.36 Ein Startschuss zu einem neuen Verhältnis mit der jungen Generation wurde hier allerdings nicht gegeben. Der Ablauf der Veranstaltung war klar 31 Hier hatten einige Bundesministerien die Sorge, dass durch die angebliche Betonung von negativen Aspekten der Situation der Jugend in der Bundesrepublik die Aufmerksamkeit der DDR auf den Bericht gelenkt werden könnte, die diese ungünstige Prioritätensetzung dann propagandistisch für sich ausnutzen würde. Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 587. 32 Vgl. ebd.; dies.: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 672. 33 Vgl. dies.: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 673; Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 678 – 680. 34 11. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.6.1962 in Dortmund, S. 316. Einen anderen Ansatz gegenüber der Jugend verfolgte auf dem Parteitag Barzel. Vgl. Wambach: Rainer Barzel, S. 162 f. 35 Rednermappe der Landesgruppe im Bundestag, ACSP Bestand Rednerdienste zu Wahlen 11/20 1961. 36 Vgl. 12. Bundesparteitag der CDU, 14. – 17.3.1964 in Hannover, S. 522 – 547.
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getaktet, es wurden lediglich ausgewählte Fragen aus dem – parteieigenen – Publikum an den Bundeskanzler gestellt. In der Presse wurde das Jugendforum somit auch nur als „schmückendes Beiwerk“ bezeichnet – „bescheiden vermerkt auf der letzten Seite des offiziellen Programmheftes“. Trotzdem wurde dieser kleine Programmpunkt für die CDU zum „großen Erfolgsschlager“ des Parteitages, was sie wohl selbst nicht erwartet hatte.37 Bereits im Vorfeld war allerdings klar, dass die JU mit der Umsetzung dieses Experimentes nicht auf einen Konfrontationskurs zur CDU gehen würde. Der Parteinachwuchs entwickelte in den Jahren nach Gründung der Bundesrepublik kein starkes eigenes Profil, stattdessen lehnte sich die Jugendorganisation an die Mutterpartei an und wollte kein Verhalten riskieren, dass den Regierungserhalt gefährden könnte.38 Auch die FDP, seit 1961 wieder Koalitionspartner im Bund, stellte jugendpolitische Fragen nicht in den Vordergrund ihrer politischen Agenda. Die Partei beschränkte sich ähnlich wie CDU und CSU auf jugendfördernde Maßnahmen, besaß aber ebenfalls keine ausgeprägte Intention, für eine stärkere Mitarbeit und Mitverantwortung der Jugend in der Gesellschaft einzutreten.39 Zwar befasste sich ein in der Partei institutionell verankerter Bundesjugendausschuss mit dem Bereich der Jugendpolitik, größere Breitenwirkung in die Partei hinein entwickelte dieser jedoch nicht, was mit einem allgemein geringen Interesse an der Thematik zusammenhing.40 Progressiver im Umgang mit jugendpolitischen Vorstellungen und der Teilhabe der Jugend an der Gestaltung der Gesellschaft zeigte sich zwischen 1957 und 1965 die SPD. Bereits im Godesberger Programm von 1959, mit dem sich die Partei in ihrer Programmatik neu positionierte,41 forderte sie, dass „die Jugend frühzeitig und vertrauensvoll zur Mitwirkung und Mitverantwortung“ in der Gemeinschaft herangezogen werden sollte, die Jugend ferner „befähigt werden [müsse], ihr Leben selbst zu meistern und in die künftige Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft hineinzuwachsen“.42 In der Erfüllung dieser Aufgabe zeigte sich der große ideologische Unterschied zwischen den Unionsparteien und der SPD: Während CDU und CSU die Familie als alleinige Instanz zur Persönlichkeitsentfaltung der Jugendlichen betrachteten, sah die SPD vorrangig den Staat und die Gesellschaft in der Pflicht, die Familie zu stärken und gegebenenfalls einen Ersatz zu 37 „Kommentar zum Jugendforum als Rahmenprogramm zum 12. Bundesparteitag“, in: Frankfurter Rundschau, 16.3.1964. 38 Vgl. Krabbe: Parteijugend in Deutschland, S. 163, 174; Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 105, 275. 39 1965 veröffentlichte die FDP jugendpolitische Leitsätze, die sich hauptsächlich mit der außerschulischen Jugendbildung – also dem Bereich der Jugendförderung – befassten. Die Jugendarbeit sollte nach Ansicht der Partei dabei sinnvoll unterstützt und die Jugend zum „Dienst an der Gesellschaft“ angehalten werden. Jugendpolitische Leitsätze der FDP, o. D., ADL Bestand Bundesjugendausschuss A14-5. 40 Auf einer Sitzung des Jugendpolitischen Bundesausschusses am 12. Dezember 1964 wurde beispielsweise die geringe Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses kritisiert. Vgl. Protokoll der Sitzung des Jugendpolitischen Bundesausschusses der FDP am 12.12.1964, ADL Bestand Bundesjugendausschuss A14-6. 41 Auf einem außerordentlichen Parteitag im November 1959 verabschiedete die SPD ihr Godesberger Programm, mit dem sie sich zu einem demokratischen Sozialismus bekannte und durch eine programmatische Wende für breitere Schichten in der bundesdeutschen Bevölkerung wählbar wurde. Vgl. Walter: Die SPD, S. 167 – 176; Klotzbach: Der Weg zur Staatspartei, S. 433 – 454; Winkler: Der lange Weg nach Westen, Bd. 2, S. 199 – 201; Geppert: Ära Adenauer, S. 127 – 129. 42 Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hg.): Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
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bieten.43 Die Vorstellungen der SPD von einem Mehr an Verantwortung der Jugend fanden zwei Jahre später Eingang in deren Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 1961.44 Dieses stärkere Bemühen um die Jugend blieb auch der CDU nicht verborgen, sodass Gerhard Stoltenberg auf dem Bundesparteitag im April 1961 vom „propagandistische[n] Bemühen der Sozialdemokratie, die junge Generation zu gewinnen“ sprach. Gegenmaßnahmen oder gar eigene Vorschläge, wie die CDU verstärkt an die Jugend herantreten könnte, formulierte er allerdings nicht, eine Haltung, die sich – wie noch zu zeigen sein wird – in der Bundestagswahl 1969 rächen sollte. In der SPD wurde dagegen weiter am Bild einer modernen und jugendlich anmutenden Volkspartei gefeilt. Auf ihrem Parteitag im November 1964 beschloss die Partei jugendpolitische Leitsätze, mit denen die SPD ein Jugendprogramm vorlegte, das als Grundlage für eine künftige Regierungsarbeit dienen sollte.45 Damit lag erstmals ein Programm einer Partei für die Jugend vor, das nicht nur aus Einzelforderungen bestand, sondern umfassend verschiedene Themenfelder bearbeitete und die Jugendpolitik nicht als Einzelbereich verstand, sondern in die Gesellschaftspolitik eingeordnet wissen wollte.46 In den jugendpolitischen Leitsätzen verknüpfte die Partei ihre Vorstellungen von einer verstärkten Mitarbeit der Jugend an der Gemeinschaft mit konkreten jugendpolitischen Forderungen in Familie, Schule, Beruf, Freizeit, Sport und Staat. Eine aktive Gestaltung der Gesellschaft wurde allerdings noch in ein enges Korsett gelegt, in dem sich die Jugend nach den Vorstellungen der SPD zu bewegen hatte.47 Die jugendpolitischen Leitsätze fanden Eingang in das ein Jahr später veröffentlichte Regierungsprogramm der SPD zur Bundestagswahl 1965, in dem ein eigenes Kapitel zur Jugendpolitik erschien.48 Für die SPD ist demnach festzustellen, dass sie sich in der Phase von 1957 bis 1965 in der Jugendpolitik und in der jugendpolitischen Programmatik im Vergleich zu den anderen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien am stärksten darum bemühte, jugendpolitische Fragen auf ihre politische Agenda zu setzen und sich bereits vor den an die Oberfläche tretenden Jugendunruhen für eine stärkere Mitverantwortung der jungen Generation in Politik und Gesellschaft aussprach. Die Konsolidierungsphase in der Jugendpolitik in der dritten und vierten Legislaturperiode mit einem starken Fokus auf die Jugendhilfe führte dazu, dass sowohl die Mehrheit der politischen Parteien als auch die Jugendverbände einen zu eingeengten Blick auf die Situation der Jugend hatten. Somit „entwickelten und erwarben [diese Akteure] häufig nicht das Problembewusstsein und die Kompetenzen, die in den nachfolgenden Jahren des Jugendprotestes erforderlich gewesen wären“.49
43 Vgl. ebd. 44 Vgl. Vorstand der SPD (Hg.): Das Regierungsprogramm der SPD, S. 33. 45 Ders.: Jugendpolitische Leitsätze der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. 46 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 146. 47 Vgl. Vorstand der SPD (Hg.): Jugendpolitische Leitsätze der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Vgl. auch Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 583 f. 48 Vgl. Vorstand der SPD (Hg.): Tatsachen und Argumente, S. 95 f. 49 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 4, S. 596. Vgl. auch Nikles: Jugendpolitik, S. 82.
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III. Die CDU und die Auswirkungen der Studentenunruhen Ende der 1960er Jahre Einen Höhepunkt fand der in den Jahren zuvor bereits einsetzende gesellschaftliche Wandel in den Ereignissen Ende der 1960er Jahre, die im Jahr 1968 kulminierten.1 Der Protest der „Neuen Linken“ in der Bundesrepublik, vor allem getragen von Studenten, war Ausdruck jener Wandlungsprozesse, die bereits ein Jahrzehnt vor 1968 begonnen und sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche ausgedehnt hatten. So ist das Jahr 1968 nicht als klare Trennungsmarke zwischen zwei unterschiedlichen Epochen – verkrustete Strukturen auf der einen, Modernisierung der Gesellschaft auch im Zusammenhang mit dem Bonner „Machtwechsel“ auf der anderen Seite – und die Zeit davor als reine Vorgeschichte zu diesem „Epochenjahr“ zu sehen. Die Übergänge in diesem gesellschaftlichen Wandel waren „eher gleitend als abrupt“ abgelaufen.2 Das internationale Phänomen der Studentenunruhen ist in die gesellschaftlichen Umbrüche der 1960er Jahre einzuordnen, für diese aber nicht ursächlich gewesen.3 Von einigen Zeitgenossen wurde dieser Wandel bereits in der Phase selbst wahrgenommen. So konstatierte der Vorsitzende der CDU/ CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rainer Barzel, während einer Debatte im Bundestag über Ausschreitungen bei Studentendemonstrationen im April 1968, dass sich die Bundesrepublik in einer „Zeit des Umbruchs“ befinde und man sich entweder darauf einstellen oder sich versagen müsse.4 Dass die Studentenproteste nicht als Blaupause für den gesellschaftlichen Wandel und die damit einhergehende Bewegung in der Jugend dienen können, macht auch der Spannungsbogen deutlich, der von den oben erwähnten „Halbstarken-Krawallen“ über die „skeptische Generation“ bis hin zu den ersten Unruhen der Studenten gezogen werden kann. In dieser Zeit fand eine Veränderung im Diskurs über die Jugend statt, der auch die Werte und Normen der Gesellschaft in der Bundesrepublik beeinflusste und diese nachhaltig umformte.5 Ein wesentlicher Auslöser der Entstehung der „Außerparlamentarischen Opposition“ war die Bildung der Großen Koalition 1966 und die Tatsache, dass die FDP als alleinige Opposition im Deutschen Bundestag mit 50 Abgeordneten sehr schwach vertreten war.6 Weitere Mobilisationsfaktoren für die zunächst vor allem auf West-Berlin begrenzte APO waren neben dem international verbundenen Protest gegen den Vietnam-Krieg Forderungen nach einer Hochschulreform im Zuge der Debatte über die viel zitierte „Bildungskatastrophe“ sowie die Diskussion über die Notstandsgesetzgebung.7 Aus den in den frühen 1960er Jahren noch diffusen Protestausformungen
1 Vgl. dazu u. a. Kraushaar: 1968; Frei: 1968, S. 77 – 151; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 485 – 487. 2 Schildt: Materieller Wohlstand, S. 22. 3 Vgl. Doering-Manteuffel: Westernisierung, S. 311. Zur Internationalität der Proteste vgl. auch Frei: 1968. 4 Sten. Ber. BT, 5. WP, 30.4.1968, S. 9022. 5 Vgl. Siegfried: Politisierungstendenzen in der westdeutschen Jugendkultur 1959 bis 1968, S. 583. 6 Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 470, 484. 7 Vgl. u. a. ebd., S. 483 f.; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 335, 343 – 347; Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 300 f. Zur Notstandsgesetzgebung vgl. v. a. Eichhorn: Durch alle Klippen, S. 205 – 221.
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wurde ab der Mitte des Jahrhunderts eine „politisch-ideologische Kraft, die unmittelbar die Entwicklung von Staat und Gesellschaft beeinflussen“ wollte.8 Der gewaltsame Tod des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 während einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien in West-Berlin führte schließlich zur Ausbreitung und Radikalisierung der Studentenproteste.9 Die bisherige „Unruhe der Studenten“ formte sich nun zu einer „Bewegung der Jugend“, wobei sich dies aus der reinen Quantität der protestierenden Studenten nicht ablesen lässt. Jedoch führte die Ausbreitung der Proteste dazu, dass eine rasche Politisierung innerhalb der Studentenschaft stattfand, die darüber hinaus große Teile der westdeutschen Gesellschaft erfasste, welche den Ideen und Forderungen der Protestierenden durchaus etwas abgewinnen konnten.10 Mit der Verabschiedung der Notstandsgesetze im Mai 1968 wurden auch erste Zerfallserscheinungen innerhalb der „Außerparlamentarischen Opposition“ sichtbar. Es war in der Folge schwer, noch verbindende Elemente zu finden, und so nahm ein großer Teil der Studenten den „Marsch durch die Institutionen“ auf und engagierte sich beispielsweise fortan in den Jugendorganisationen von SPD und FDP. Ein Teil suchte sich neue Formen des Protestes und begründete das, was in den 1970er Jahren als neue soziale Bewegungen bekannt wurde und wiederum ein anderer, kleinerer Teil radikalisierte sich noch stärker und versuchte, den gesellschaftlichen Umbruch durch Terror zu erzwingen.11 Das Verdienst einer vermeintlichen „Umgründung“ der Bundesrepublik Deutschland ist den Studentenunruhen und dem gesellschaftlichen Wandel in den 1960er Jahren jedenfalls nicht zuzuschreiben, stattdessen erfolgte ein allgemeiner Wandel der politischen Kultur hin zu mehr Liberalität und Verwestlichung.12 Auf den jugendpolitischen Bereich bezogen kamen aus den Reihen der Außerparlamentarischen Opposition keine konkreten Forderungen, die Proteste hatten jedoch indirekten Einfluss auf die jugendpolitische Debatte in den politischen Parteien. Die Studentenbewegung befeuerte durch ihre Forderung nach mehr Mitbestimmung – zunächst im hochschulpolitischen Bereich – in allen Parteien die Diskussion nach mehr Mitarbeit und Mitverantwortung der Jugend in der Gesellschaft. Durch diese Diskussion wollten die politisch Verantwortlichen dem Misstrauen der Protestierenden gegen das parlamentarische System entgegenwirken und sie früh in dessen Gestaltung einbeziehen. Im zuständigen Bundesministerium für Familie und Jugend war von einem Umdenken in seinem bis
8 Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 485. 9 Vgl. ebd., S. 586; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 349 f.; Winkler: Der lange Weg nach Westen, Bd. 2, S. 251 f.; Frei: 1968, S. 112 – 119. 10 Vgl. als retrospektive „Gegendarstellung“ Aly: 1968. 11 Zur Rote Armee Fraktion vgl. u. a. Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex; Kraushaar: 1968, S. 320; Frei: 1968, S. 225 f. Zu den neuen sozialen Bewegungen und ihren Auswirkungen vgl. auch das Kapitel „,Frieden schaffen mit weniger Waffen‘ – Die Reaktion der CDU auf die neuen sozialen Bewegungen“. 12 Vgl. u. a. Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 184, 476, 485, 489 f.; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 349, 353 – 356. Görtemaker spricht im Zusammenhang mit der Reformpolitik der sozial-liberalen Bundesregierung seit 1969 von einer solchen „Umgründung“ der Bundesrepublik, da diese Politik ebenfalls eine neue Ära eingeleitet habe. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Reformpolitik bereits unter der Großen Koalition einsetzte und aufgrund wirtschaftlicher und politischer Umstände nicht lange anhielt und keine allzu große Strahlkraft entwickeln konnte, als dass von einer tatsächlichen „Umgründung“ die Rede sein könnte. Vgl. zur Kritik am Begriff der „Umgründung“ u. a. Hockerts: Rahmenbedingungen, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 107; Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 34 f.
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herigen Verständnis der Jugendpolitik als reine Jugendhilfepolitik zunächst jedoch noch nichts zu spüren. In den Debatten im Deutschen Bundestag über die Proteste trat Familienminister Bruno Heck nicht als Redner auf. Die gesellschaftspolitischen Veränderungen hatten keinen Einfluss auf die Arbeit des Ministeriums.13 Für die Zeit zwischen 1965 und 1969 ist generell festzustellen, dass das Bundesministerium für Familie und Jugend durch seine jugendpolitische Arbeit kaum öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog, da sich Bundesminister Heck und seine ab Oktober 1968 amtierende Nachfolgerin Aenne Brauksiepe überwiegend auf die Familienpolitik konzentrierten. Zudem standen in dieser Zeit keine großen Gesetzesvorhaben auf der Tagesordnung, die öffentlichkeitswirksam hätten debattiert werden können.14 Trotz dieser fortgeführten Missachtung im zuständigen Ministerium machte Jugendpolitik ab den 1960er Jahren einen Wandel durch. Aufgrund des zunehmenden öffentlichen Drucks unter anderem durch die Studentenproteste, sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, verbreiterte sich das Verständnis von Jugendpolitik bei den handelnden Akteuren allmählich auf andere Politikbereiche. Jugendfragen und generell die in größere Zusammenhänge gefasste Gesellschaftspolitik rückten in das politische und öffentliche Bewusstsein und legitimierten somit eine Ausdehnung des Kompetenzbereiches der Jugendpolitik.15 Der eingeengte Blick auf die Jugendhilfe und die diese tragenden Jugendverbände weitete sich und schloss ab Mitte des Jahrzehnts vor allem die Bildungspolitik stärker mit ein. Hervorzuheben ist dabei die politische Bildung, die dazu beitragen sollte, der Jugend die geforderten Mitwirkungsmöglichkeiten zu eröffnen und sich über die eigene Lage und Probleme bewusst zu werden.16 Im Gegensatz zur SPD, die sich schon vergleichsweise früh mit Überlegungen zu mehr Mitgestaltung der Jugend in Politik und Gesellschaft und den damit zusammenhängenden Fragen befasst hatte, fiel es der CDU zunächst schwer, von der bisherigen Konzentration auf Jugendhilfe und Jugendverbände abzurücken und sich auf ein ausgedehnteres Verständnis von Jugendpolitik einzulassen. Nur allmählich rückte die Partei gegen Ende der 1960er Jahre von der bisherigen Dominanz der Familienpolitik ab und wandte sich einer breiteren Auslegung ihres jugendpolitischen Verständnisses zu.17 Die Unruhe in der akademischen Jugend trug dabei einen wesentlichen Teil dazu bei, dass man sich nun auch in den Reihen der CDU vermehrt mit dem Gedanken befasste, der jungen Generation mehr Mitbestimmungsrechte zu ermöglichen. Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag setzte unter ihrem Vorsitzenden Barzel nun auf Kommunikation: Im Juni 1967 lud sie Vertreter aus der bundesdeutschen Studentenschaft zur Diskussion mit Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger ein.18 Auf ihrem Berliner Programmparteitag im November 1968 diskutierte die Partei über einen gewandelten Umgang mit der Jugend und Möglichkeiten ihrer Einbindung in den 13 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 93, 95; Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 667 f. 14 Vgl. ebd., S. 669. 15 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 200. Zur stärkeren Berücksichtigung gesellschaftspolitischer Themen nach 1968 vgl. u. a. Frei: 1968, S. 227 f.; Kraushaar: 1968, S. 323. 16 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 86 f. 17 Vgl. ebd., S. 97, 199. 18 Vgl. Marx: In der ersten Großen Koalition, S. 98 f. Zu Kiesinger allgemein vgl. Gassert: Kurt Georg Kiesinger 1904 – 1988.
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demokratischen Prozess. Das „[k]ritische […] Engagement der jungen Generation“ sollte dabei nicht außerhalb des Parlaments, sondern „im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung“ vollzogen werden.19 Kiesinger räumte Fehler der eigenen Partei in Bezug auf den Umgang mit Fragen vor allem aus den Reihen der Studenten ein. Diese Fehler seien insbesondere in der Art der Umsetzung politischer Entscheidungen geschehen.20 Nicht haltbar sei allerdings der Vorwurf, die CDU habe unter anderem im Bereich der Hochschulpolitik überhaupt nichts getan. In diesem Zusammenhang verwies Kiesinger auf seine Zeit als Ministerpräsident in Baden-Württemberg, in welcher er neue Universitäten gegründet habe, um „einen Stachel in das Fleisch unserer alten universitären Tradition zu drücken“.21 Für die Zukunft sei es bedeutsam, dass sich die Partei Gedanken mache, wie sie einen besseren Kontakt zur Jugend bekomme, wobei er einschränkend hinzufügte, dass damit die der CDU nahestehende Jugend gemeint sei. Hier müsse sich die CDU als die „politische Kraft erweis[en], die am offensten ist für das Anliegen dieser Jugend“. 22 Zur Umsetzung einer konkreten Maßnahme, wie der Jugend mehr Mitbestimmungsrechte in Politik und Gesellschaft gewährt werden könnten, befasste sich der Bundesparteitag mit einem Antrag, das aktive Wahlalter von 21 auf 18 Jahre sowie das passive Wahlalter zu senken, wobei es bei letzterem noch keine Einigkeit über die Altersgrenze gab.23 Mit der Herabsetzung verbanden die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien neben der Einbindung der Jugend in die Gestaltung der Politik auch die Hoffnung, die Jugend bereits früh für die jeweils eigene Partei zu gewinnen.24 Die Verabschiedung des Berliner Programms – das kein Grundsatzprogramm war, sondern dezidiert als Aktionsprogramm bezeichnet wurde – machte deutlich, welchen Einfluss die gesellschaftlichen Entwicklungen der 1960er Jahre und auch die Studentenbewegung auf die CDU entfalteten. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1976 über die Auswirkungen der Studentenproteste resümierte der Bundesvorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten, Gerd Langguth, eine der „erfreuliche[n] Auswirkungen“ auf die CDU sei es gewesen, dass diese ihre „geistigen Grundlagen“ stärker hätte artikulieren müssen und ein erster Schritt hierzu die Erarbeitung des Berliner Programms von 1968 gewesen sei.25 Dabei folgte die Partei einem allgemeinen Trend in der Bundesrepu 19 Küsters: Repräsentative Demokratie und Bürgergesellschaft, S. 223. 20 Vgl. 16. Bundesparteitag der CDU, 4. – 7.11.1968 in Berlin, S. 448. Laut dem ehemaligen CDU-Generalsekretär Konrad Kraske habe es die CDU versäumt, eigene „positive Beiträge“ zu entwickeln, die den Studentenprotesten etwas hätten entgegensetzen können. Stattdessen habe man sich auf „Abwehrstrategien gegen diese aufmüpfigen Studenten“ konzentriert. Gespräch mit Konrad Kraske (am 7. Juli 2016). 21 16. Bundesparteitag der CDU, 4. – 7.11.1968 in Berlin, S. 448. Vgl. auch Gassert: Kiesinger, S. 353 – 358, 413 – 424. 22 16. Bundesparteitag der CDU, 4. – 7.11.1968 in Berlin, S. 448 f. 23 Über den Umstand, dass das passive Wahlalter von bislang 25 Jahren gesenkt werden sollte, war man sich grundsätzlich einig, nur über die tatsächliche Altersgrenze gab es noch unterschiedliche Vorstellungen. Zur Herabsetzung des Wahlalters und der damit verbundenen Diskussion über die Herabsetzung der Volljährigkeit siehe Kapitel „‚Zum Jagen getragen‘ – Auf der Suche nach dem Dialog mit der Jugend“. 24 Der Antrag der Jungen Union wurde schließlich in das Berliner Programm, das auf dem Bundesparteitag verabschiedet wurde, aufgenommen. Vgl. Berliner Programm, 1. Fassung, ACDP 07-001-22059. 25 Langguth: Die Studentenrevolution entläßt ihre Kinder, S. 459. Auch Wulf Schönbohm sah die beginnende Programmdiskussion in der CDU als direkte Reaktion auf die Studentenunruhen seit Mitte der 1960er Jahre. Vgl. Wulf Schönbohm: „Zur Programmdiskussion in der CDU“, in: Sonde 2/3 1977, S. 4.
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blik: In den 1960er Jahren griff eine bis dahin nicht gekannte Planungseuphorie in der Gesellschaft um sich, die sich mit einem positiven Blick in die Zukunft und Fortschrittsglauben verband. Der bislang mit Blick auf die sozialistische Begriffsbesetzung negativ konnotierte Terminus der „Planung“ wurde nun ersetzt durch ein Verständnis von einer positiven Gestaltung der Zukunft.26 Diese Entwicklung befeuerte die Programmdiskussion innerhalb der CDU, die vor allem von jüngeren Parteimitgliedern im Bundesvorstand, auf Landesebene und in den Vereinigungen vorangetrieben wurde. Ihrer Ansicht nach sollte die Programmdiskussion „das etwas verstaubte Image verändern, unter dem die CDU im Wertewandel der sechziger Jahre zunehmend“ litt.27 Inhaltlich gelang der CDU mit dem Berliner Programm keine große Wende in ihrer Programmatik, da strittige Themen wie die Frage nach der betrieblichen Mitbestimmung oder die Vermögensverteilung ausgeklammert oder nur sehr oberflächlich behandelt wurden. Bemerkenswert war hingegen die Entstehungsgeschichte des Programms, da die Diskussion im Vorfeld der Verabschiedung auf dem Parteitag auf allen Ebenen der Partei stattgefunden und einen bis dahin ungeahnten Wunsch nach aktiver Beteiligung und ein neues Programminteresse in der CDU offenbarte hatte.28 Ihre Schwesterpartei konnte die CDU nicht auf das Aktionsprogramm einschwören, da die CSU dem Berliner Programm in vielen Punkten nicht folgen mochte und sich demnach an dieses nicht gebunden fühlte.29 Stattdessen ging die CSU weit darüber hinaus und erarbeitete zur selben Zeit „Grundsätze der Politik für morgen“, die 1968 als Grundsatzprogramm veröffentlicht wurden. Im Gegensatz zur CDU beließ es die CSU nicht bei einem Aktionsprogramm, sondern sah es für notwendig an, die eigenen Grundsätze nach außen hin zu formulieren und zu verdeutlichen.30 Auf den ersten Blick erscheint sie hierdurch mutiger, progressiver und innovativer als ihre Schwesterpartei. Die rasche Erarbeitung und Umsetzung eines eigenen Grundsatzprogramms könnte allerdings durchaus auch damit zusammenhängen, dass die CSU als bayerische Regionalpartei parteiinterne Prozesse und Abstimmungen schneller herbeiführen konnte als die größere und heterogenere CDU. Zu den 24 Kommissionen, die zur Erarbeitung des Berliner Programms konstituiert wurden, zählte auch eine mit dem Titel „Jugend“. Unter dem Vorsitz des Hamburger Bundestagsabgeordneten Dietrich-Wilhelm Rollmann – jugendpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und einer der engagiertesten Jugendpolitiker innerhalb der CDU – trat diese Kommission erstmals am 23. Februar 1967 zusammen.31 Aus der Arbeitsplanung wird ersichtlich, dass der Komplex der Jugendhilfe nach 26 Vgl. u. a. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 372; Ruck: Sommer der konkreten Utopie, S. 362 – 402. 27 Bösch: Macht und Machtverlust, S. 29. 28 Vgl. ebd., S. 29 f.; Schönbohm: Die CDU wird moderne Volkspartei, S. 94; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 386 f.; Hintze: Die CDU Parteiprogramme, S. XV; Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 269. 29 Vgl. Peter Korn: „Versäumte Chancen. Oder: Warum die Inflation der Opposition nicht helfen konnte“, in: Sonde 4 (1972), S. 37. 30 Landesleitung der CSU (Hg.): Grundsatzprogramm 1968. Darin ist unter dem Kapitel „Gesellschaft und Staat“ ein Unterkapitel zur „Jugend“ eingefügt, in dem es heißt: „Das Gespräch zwischen den Generationen hält unsere Gesellschaft für die Aufgaben der Zukunft offen. Die CSU tritt dafür ein, die Jugend früher und stärker an der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen. Dies gilt vor allem für öffentliche Einrichtungen, die junge Menschen unmittelbar betreffen.“ In weiteren Unterkapiteln werden zudem ähnliche Forderungen der CDU wie die nach einer verstärkten Förderung des Sports oder gezielteren Hilfen für körperlich und geistig Behinderte aufgegriffen. Vgl. ebd., S. 11. 31 Eine Auflistung der 27 Mitglieder der Kommission 16 „Jugend“ findet sich im Protokoll der konstitu-
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wie vor einen großen Raum in den jugendpolitischen Vorstellungen einnahm. Neben Bereichen wie dem Jugendschutz, der Jugendkriminalität, der Fortentwicklung des Bundesjugendplanes und der Jugendpläne der Länder und Kommunen traten auch Themen in den Vordergrund, die jenes weiter gefasste Verständnis von Jugendpolitik offenbaren, das sich allmählich in der CDU ausbildete. So setzte die Kommission die politische Bildung, verbunden mit der politischen Verantwortung der jungen Generation, sowie die Ausbildungsförderung auf ihre Agenda.32 Der größte Teil dieser Themen wurde in dem Ergebnispapier der Kommission, das bereits im Mai 1967 vorlag, aufgegriffen. Auffällig darin ist eine engere Verzahnung von Jugendhilfe und Bildungspolitik, die sich beispielsweise in der Empfehlung niederschlug, dass sich die CDU im Berliner Programm dazu bekennen müsse, jedem jungen Menschen das Recht „auf Entfaltung seiner Persönlichkeit, seiner Anlagen und Fähigkeiten“ sowie „auf umfassende Bildung und Erziehung“ zu ermöglichen. Darüber hinaus müsse die CDU aufgrund der „zunehmende[n] Technisierung aller Lebensvorgänge und […] eine[r] wachsende[n] Freizeit“ der außerschulischen Jugendbildung und Jugenderziehung größeren Raum gewähren. Hier sollte nach den Überlegungen der Kommission nicht nur der politische Bereich, sondern auch der soziale, musische und sportliche Sektor miteinbezogen werden. Obwohl hier bereits ein breiteres jugendpolitisches Verständnis zum Ausdruck kam, blieb die Kommission in ihrem Ergebnis nach wie vor bei einer engen Anlehnung an die Familie. So sei die „umfassende Bildung und Erziehung der jungen Generation eine Gemeinschaftsaufgabe […], die zuerst der Familie und der jungen Generation selbst, dann aber den Jugendverbänden und der freien Gesellschaft, den Städten und den Gemeinden, dem Bund und den Ländern oblieg[e]“. Die Bevorzugung der freien Träger vor der öffentlichen Hand sollte weiterhin bestehen bleiben; neu in die jugendpolitischen Vorstellungen der CDU sollte nach Auffassung der Kommission die Hilfe für behinderte Kinder und Jugendliche aufgenommen werden. Es würde der CDU „gut anstehen“, sich hierfür einzusetzen und damit den Familien verstärkt dringend notwendige Unterstützung zukommen zu lassen.33 Von den insgesamt elf Punkten, die in dem Ergebnispapier aufgeführt wurden, wurde in das Berliner Programm von 1968 nur ein kleiner Teil aufgenommen, zu dem unter anderem die enge Verbindung zwischen Jugend- und Bildungspolitik zählte.34 Die nicht aufgenommenen Vorschläge der Kommission sollten nach Auffassung der Kommissionsierenden Sitzung. Neben dem Vorsitzenden Rollmann gehörten unter anderem Gerd Langguth, das RCDS-Mitglied Peter Hintze, das JU-Mitglied Matthias Wissmann und Wulf Schönbohm in seiner Funktion als Mitarbeiter im Institut für Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung der Kommission an. Vgl. Protokoll der konstituierenden Sitzung der Kommission 16 „Jugend“ am 23.2.1967, ACDP 07-001-9035. 32 Zur Arbeitsplanung der Kommission 16 „Jugend“ vgl. ebd. 33 Papier zur Vorbereitung des Aktionsprogramms der Kommission 16 „Jugend“ als Ergebnis aus den Arbeitspapieren der Kommission von Dietrich Rollmann, 10.5.1967, ebd. 34 Die Feststellung der engen Verbindung von Jugend- und Bildungspolitik ist sicherlich vor dem Hintergrund der Ereignisse rund um die Studentenproteste zu sehen. In das Berliner Programm wurden die Aussagen über das Recht auf Bildung und Erziehung, den Vorrang der Familie und der freien Träger, den Ausbau der Hilfen für behinderte Kinder und Jugendliche, die Forderung nach einem Ausbildungsförderungsgesetz, die Fortsetzung der Bundes- und Landesjugendpläne, den Ausbau des internationalen Jugendaustausches, den Jugendschutz sowie die Förderung des Sports aufgenommen. Vgl. dazu die Ziffern 34, 41, 42, 43, 49, 50 und 106 im Berliner Programm, 1. Fassung, ACDP 07-001-22059.
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mitglieder allerdings nicht im Papierkorb landen, sondern für einen späteren Zugriff verfügbar gemacht werden. Hier spielten also bereits Überlegungen einer Institutionalisierung von Jugendpolitik innerhalb der CDU sowie die Erarbeitung einer jugendpolitischen Programmatik eine Rolle. Entsprechend beschlossen die Mitglieder auf ihrer zweiten Sitzung im März 1967, die Arbeitspapiere zu den verschiedenen Themen in der CDU-Bundesgeschäftsstelle zu sammeln, um sie für eine spätere Erarbeitung jugendpolitischer Leitsätze der CDU zugänglich zu machen.35 Auf ihrer darauffolgenden Sitzung beauftragten die Mitglieder ihren Vorsitzenden Rollmann zudem, mit „Herrn Minister Dr. Heck über die Einrichtung eines ständigen Ausschusses in Form eines Jugendbeirates zur Erarbeitung jugendpolitischer Vorstellungen der CDU für Jugendfragen“ zu sprechen.36 Tatsächlich dauerte es noch acht Jahre bis zur endgültigen Installierung eines solchen Gremiums.37 Kritik an den Aussagen der CDU zur Jugend im Berliner Programm von 1968 wurde unter anderem vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend geübt. In einer Stellungnahme bemängelte der Verband unter anderem fehlende konkrete Aussagen zur außerschulischen Bildung – im Ergebnispapier der Kommission „Jugend“ war dieser Punkt allerdings noch vorhanden.38 In einem Antwortschreiben von Bruno Hecks Büroleiter Jürgen Wahl an den Bundesführer des BDKJ, Wolfgang Reifenberg, begrüßte Wahl die Stellungnahme des BDKJ, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die CDU verstärkt das Gespräch mit den Jugendverbänden zu suchen habe39 – einer Aufgabe, die sich die Partei bereits mehr als zehn Jahre zuvor mit der Einsetzung eines Jugendbeirates gestellt hatte. Auch aus den eigenen Reihen wurde zu einzelnen jugendspezifischen Aspekten im Aktionsprogramm kritisch Stellung bezogen. In einem Papier aus der CDU-Bundesgeschäftsstelle von Ende 1969/Anfang 1970 wurden vor allem die Aussagen zur Ausbildungsförderung (Ziff. 43), zur Jugendförderung durch die Bundes- und Landesjugendpläne (Ziff. 49) und zum Sport (Ziff. 106) bemängelt und dabei insgesamt ein fehlender Reformwille beanstandet.40 Wohlwollender in ihrer Beurteilung der jugendpolitischen Aussagen des Berliner Programms zeigte sich die Junge Union, da insbesondere eigene entsprechende Vorschläge miteingeflossen waren.41 Abseits der Diskussion um das Berliner Programm musste sich die JU zunächst aber auch selbst Kritik an ihrem Umgang mit den Studentenprotesten und fehlenden Aktionen zu spezifischen Jugendfragen stellen. In der öffentlichen Wahrnehmung erschien die JU als biedere und brave Jugendorganisation der CDU, die den Forderungen aus der akademischen Jugend nichts entgegenzusetzen hätte, sondern stattdessen am gesellschaftlich-politischen System festhalten wolle, ohne auf die Studentenbewegung einzugehen.42 Auch der junge CDU-Fraktionsvorsitzende im rheinland 35 Vgl. Protokoll der 2. Sitzung der Kommission 16 „Jugend“ am 10.3.1967, ACDP 07-001-9035. 36 Protokoll der 3. Sitzung der Kommission 16 „Jugend“ am 12.4.1967, ebd. 37 Siehe dazu das Kapitel „Die Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU“. 38 Vgl. Stellungnahme des BDKJ zum Entwurf eines Aktionsprogramms der CDU (1968), o. D., ACDP 07-001-11421. 39 Vgl. Schreiben Jürgen Wahl an Wolfgang Reifenberg, 9.8.1968, ebd. 40 Vgl. Thesen von Heinrich Barth zur Ausbildungsförderung / Jugendpolitik, o. D., ACDP 07-001-1808. 41 Hier vor allem die Forderung nach der Herabsetzung des Wahlalters, vgl. „Der Chronist notierte“, in: Junge Union Deutschlands (Hg.): Deutschlandtag ’68. 42 Vgl. Krabbe: Parteijugend in Deutschland, S. 165.
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pfälzischen Landtag, Helmut Kohl43, verhehlte nicht, dass ihm „manches in diesem Zusammenhang zu glatt, zu lautlos, zu ‚gekonnt‘“ erscheine, sah gleichzeitig aber auch die JU in einer Rolle mit „integrale[m] Faktor[…] innerhalb der CDU/CSU“.44 Auf dem Höhepunkt der Studentenproteste im Jahr 1968 war aber auch die Junge Union um einen Imagewandel bemüht. Die Jugendorganisation brauche ein „radikales Umdenken“, müsse „Opposition von innen“ heraus betreiben und die „Rolle eines kritischen Stachels im eigenen Fleisch“ der Unionsparteien einnehmen, forderte der Landesvorsitzende der JU Rheinland, Karl Lamers, in einem Zeitungsinterview.45 Die Methoden unterschieden sich jedoch deutlich von den Jugendorganisationen der anderen Parteien. Während die Jugendorganisationen der SPD und FDP auf vollen Konfrontationskurs zu ihren jeweiligen Mutterparteien gingen, der zum Teil in offene Rebellion umschlug, setzte die JU auf eben jene innerparteiliche Opposition, die ohne „wilde […] Parolen, […] Revoluzzer-Entschließungen oder publikumswirksame […] Forderungen“ auskommen sollte.46 Eine öffentlichkeitswirksame Reaktion der JU auf die Studentenunruhen war die Überarbeitung des jugendpolitischen Programms aus dem Jahr 1965. Mit der ersten Fassung dieses Programms47 – immerhin veröffentlicht zu einer Zeit, in der es bereits erste Protestbewegungen gab – lag die JU noch vollständig auf der Linie der Unionsparteien und „entsprach“, so Hans-Otto Kleinmann, „noch ganz dem Image von den ‚wohlerzogenen Kindern‘“.48 In einem Entwurf von Dietrich Rollmann für das jugendpolitische Programm von 1965 schrieb dieser, dass die beste Jugendpolitik immer noch die Familienpolitik sei und die Schwerpunkte in der Jugendpolitik in der Jugendhilfe und dem Jugendschutz zu sehen seien.49 Damit übernahm die JU genau die jugendpolitischen Vorstellungen der Mutterpartei, einzig die Forderung nach der Herabsetzung des aktiven (von 21 auf 18 Jahre) und des passiven Wahlalters (von 25 auf 23 Jahre) kann als Vorstoß der Jugendorganisation gesehen werden, da hier bereits Vorstellungen einflossen, der Jugend „Mitverantwortung für das politische Geschehen“ zu geben.50 Mit dem jugendpolitischen Programm von 1965 sollten nach Auffassung des JU-Bundesvorstandes zudem kein Aktionsprogramm, sondern Leitsätze vorgestellt werden.51 In der Überarbeitung des jugendpolitischen Programms drei Jahre später legte die JU der aktuellen Diskussion folgend ihre Schwerpunkte vor allem auf die Bereiche „Jugend und Schule“ sowie „Jugend und Berufsausbildung“. Allerdings wurde auf einer Sitzung des 43 Zu Kohl allgemein vgl. Schwarz: Helmut Kohl. 44 „Jugend in der Demokratie“, in: Politisch-Soziale Korrespondenz (Bonn), 1.1.1968. Mutmaßlich hing Kohls Vorstellung noch mit den eigenen Erfahrungen aus den Anfangsjahren der JU zusammen: „Ganz offenbar gehört er zu den Typen, die sich bei diesen Anlässen [bei Wahlkämpfen, Anm. d. Verf.] gern herumschlagen. In der Oberstufe […] fällt er […] als ungestümer und unablässig diskutierender Aktivist der Jungen Union auf.“ Schwarz: Helmut Kohl, S. 57. 45 „Junge Union. Nach wie vor nur ein schwacher Motor der Partei“, in: Die Welt, 6.8.1968. 46 „Jugend in der Demokratie“, in: Politisch-Soziale Korrespondenz (Bonn), 1.1.1968; vgl. auch Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 275. 47 Zum Text des jugendpolitischen Programms von 1965 vgl. Jugendpolitisches Programm der JU verabschiedet vom Bundesvorstand am 1./2. Mai 1965, ACDP 04-007-001/3. 48 Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 275. 49 Vgl. 2. Entwurf eines jugendpolitischen Programms der JU Deutschland von Dietrich Rollmann, 23.9.1964, ACDP 04-007-001/3. 50 Entschließung des JU-Landesverbandes Braunschweig, 20.3.1965, ebd. 51 Vgl. Schreiben Florian Harlander an Mitglieder des Bundesvorstandes des Deutschlandtages der JU, 22.4.1965, ebd.
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JU-Bundesvorstandes im Mai 1969 darauf hingewiesen, dass das aktualisierte Programm keine konkreteren Aussagen zu dem Themenkomplex „Jugend und Bildung“ enthalten solle, da hierzu noch entsprechende Äußerungen der Mutterpartei fehlen würden.52 Ein Vorpreschen oder gar einen Konfrontationskurs wollte man in der JU demnach vermeiden, es sollte vielmehr ein „Beitrag zur Sachdiskussion“ geliefert und „‚bloßer Protest‘“ vermieden werden, wie es der JU-Vorsitzende Egon Klepsch vor der Presse betonte.53 Die neue Fassung des jugendpolitischen Programms wurde schließlich im selben Monat veröffentlicht.54 Wie bereits ansatzweise in der Version von 1965 kamen auch im aktualisierten Programm erneut Forderungen nach mehr Mitwirkung und aktiver Teilhabe der jungen Generation an der Gesellschaft auf. Spezifiziert wurde dies von der JU nun in den Bereichen der Schülermitverantwortung sowie der Mitwirkung aller Angehörigen der Universität. Zudem nahm die JU neben ihrer Forderung nach einer Herabsetzung des Wahlalters nun auch die Forderung der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre mit in ihr Programm auf. Damit lag sie allerdings nicht im Widerspruch zu den Ansichten in der CDU, die sich ebenfalls mit dieser Thematik befasste. Einen konkreten Plan, wie die Überlegungen der JU zu finanzieren seien, enthielt das Programm allerdings nicht. Egon Klepsch wich in seiner Begründung während der Vorstellung des Jugendprogramms vor der Presse auf die Aussage aus, dass es sich bei den einzelnen Forderungen um „idealtypische“ handele und verwies auf die von der JU geplante Implementierung des Programms, die sich über zehn Jahre erstrecke. Dennoch hielt es die JU für wichtig, dass ihr jugendpolitisches Programm nicht in der Schublade verschwinden, sondern Berücksichtigung in der Wahlplattform der Unionsparteien bereits für die Bundestagswahl 1969 finden sollte.55 Neben diesen „idealtypischen Forderungen“ aus dem jugendpolitischen Programm versuchte die JU aber auch, mit konkreten Aktionen auf Bundes- und Landesebene zu zeigen, dass sie aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft mitwirken wollte.56 So veranstaltete der JU-Landesverband in Schleswig-Holstein im April 1968 einen Jugendkongress, auf dem Fragen zur Schul- und Hochschulpolitik sowie zur politischen Bildung diskutiert wurden.57 Mehr Beachtung fand der vom JU-Bundesverband in Frankfurt am Main im Juni 1968 durchgeführte erste Hochschulkongress, auf dem die Vorstellungen der JU über die Universität der Zukunft umrissen werden sollten.58 Für die JU war diese Konferenz „von großer Wichtigkeit […], [um] in diese wichtigen Fragen der Strukturreform der akademischen Institutionen modern und energisch einzugreifen“ und das Feld nicht den gut organisierten, kleineren Studentengruppen zu überlassen.59 Auf Seiten der CDU/ 52 Vgl. Auszug aus dem BV-Protokoll am 3.5.1969, ebd. 53 „Junge Union legt jugendpolitisches Programm vor“, in: Stuttgarter Zeitung, 21.5.1969. 54 Zum Text des jugendpolitischen Programms von 1969 vgl. Jugendpolitisches Programm der JU verabschiedet vom Bundesvorstand am 3.5.1969, ACDP 04-007-001/3. 55 Vgl. „Junge Union legt jugendpolitisches Programm vor“, in: Stuttgarter Zeitung, 21.5.1969; „Mehr Politik und Sport. Junge Union legt Jugendpolitisches Programm vor“, in: Rheinische Post, 21.5.1969. 56 So auch die Aussage in der Einleitung des jugendpolitischen Programms von 1969, vgl. Jugendpolitisches Programm der JU verabschiedet vom Bundesvorstand am 3.5.1969, ACDP 04-007-001/3. 57 Vgl. „Schule – Universität – politische Bildung: Jugendkongreß griff brennende Fragen auf“, in: Kieler Nachrichten, 8.4.1968. 58 Vgl. Ergebnisse der Konferenz für Hochschulfragen der Jungen Union Deutschlands, o. D., ACDP 04007-117/1. 59 Rundschreiben JU-Bundessekretär Lothar Kraft an JU-Landesvorsitzende und JU-Landessekretäre, 24.1.1968, ebd.
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CSU stieß der Hochschulkongress kaum auf wirkliches Interesse, was angesichts des Themas und dessen Aktualität verwundern muss. So war „von den über 300 eingeladenen Repräsentanten der CDU/CSU kaum jemand erschienen […]. […] Besonders empört waren die Delegierten der Hochschulkonferenz deshalb über das Parteiverhalten, weil diese Hochschulkonferenz der Union Wege zur Lösung eines Problems aufzeigen wollte, an dem die Partei immer wieder scheiterte“.60 Bei der Organisation im Vorfeld des Kongresses ist zudem auffallend, dass die JU diesen nicht gemeinsam mit dem CDU-nahen Studentenverband RCDS durchführen, sondern in der Außendarstellung als alleiniger Organisator und Verantwortlicher auftreten wollte.61 Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass die JU ihr Bild als moderne politische Jugendorganisation in der Volkspartei CDU ohne weitere Mitstreiter voranbringen wollte. Der RCDS benötigte diese Aufpolierung 1968 allerdings auch nicht mehr. In dem Studentenverband, der sich als Gesprächspartner der CDU, nicht aber als eine ihrer Gliederungen einordnen lassen wollte,62 setzte eine kritischere Haltung gegenüber den Unionsparteien bereits mit den beginnenden Studentenprotesten in der Mitte der 1960er Jahre ein. In internen Debatten wie auch auf öffentlicher Bühne pflegte man hier bewusst eine der CDU gegenüber deutlich kritischere Haltung als die JU. So machte der RCDS „mitunter von seiner Rolle als ‚unbequemer Partner‘ bis an die Toleranzgrenze Gebrauch“.63 Kritik übte er dabei unter anderem an der Haltung der CDU gegenüber den Studentenprotesten und an der Art und Weise, wie die Partei versuchte, mit den Studenten ins Gespräch zu kommen.64 Allerdings hatte die CDU durchaus ein differenziertes Bild der Proteste: Es sollte klar zwischen der radikalen Minderheit und der Mehrheit, die Reformen in der deutschen Bildungspolitik forderte, unterschieden werden.65 Trotz des aufmüpfigeren Auftretens des RCDS war sich die CDU aber dessen Bedeutung für ihre eigene Arbeit bewusst. Mit der Ausweitung der Studentenproteste und der nötigen Präsenz an den Hochschulen und Universitäten wurde der RCDS zunehmend interessant für die Partei und erhielt eine gezieltere Förderung.66 Die gesellschaftlichen Veränderungen und Forderungen vor allem aus der akademischen Jugend nach mehr Beteiligung an der Gestaltung von Politik und Gesellschaft gingen nicht spurlos an der CDU/CSU und ihren Jugendorganisationen vorüber. In der Union fand ein Umdenken in dem bisher eingeengten Blick auf die Jugendpolitik durch
60 Protokoll der abschließenden Sitzung des Arbeitskreises zur Vorbereitung des Kongresses für Hochschulfragen am 30.6.1968, ebd. 61 Vgl. Protokoll der 3. Sitzung des Arbeitskreises zur Vorbereitung des Kongresses für Hochschulfragen am 19.4.1968, ebd. 62 Der genaue Zeitpunkt, ab wann der RCDS den Status einer Sonderorganisation der CDU innehatte, konnte nicht ermittelt werden und ist auch dem Archiv für Christlich-Demokratische Politik unbekannt. 63 Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 144. 64 Wulf Schönbohm bemängelt rückblickend die Art der Gesprächsführung einzelner CDU-Politiker mit Studenten. Gespräch mit Wulf Schönbohm (am 13. August 2016). 65 Vgl. Marx: In der ersten Großen Koalition, S. 98. 66 Unter anderem wurden mit dem Personalwechsel und Personalausbau in der CDU-Bundesgeschäftsstelle Anfang der 1970er Jahre viele ehemalige RCDS-Mitglieder eingestellt, die so Einfluss auf die Gestaltung der Politik und Programmatik der CDU ausüben konnten. Vgl. Bösch: Macht und Machtverlust, S. 102; vgl. auch Gespräch mit Konrad Kraske (am 7. Juli 2016).
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eine Öffnung in andere Politikfelder statt und die Notwendigkeit für einen intensiveren Dialog mit der Jugend wurde deutlicher als bisher wahrgenommen. Mit dem Gang in die Opposition nach der Bundestagswahl 1969 wurden diese Ansätze verstärkt vorangetrieben.
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B. Jugend als treibende Kraft – Die Jugendpolitik der CDU in Zeiten der „Reformeuphorie“ (1969 – 1974)
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I. „Zum Jagen getragen“ – Auf der Suche nach dem Dialog mit der Jugend Der 28. September 1969 führte die Unionsparteien in eine Rolle, die sie bisher auf Bundesebene nicht kannten: Mit dem Verlust der Regierungsmehrheit nach der Bundestagswahl mussten die Parlamentarier von CDU und CSU erstmals auf die Oppositionsbänke rücken.1 Im Gesamtergebnis verpassten sie zwar nur knapp die absolute Mehrheit der Mandate, doch dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt und dem FDP-Vorsitzenden Walter Scheel reichten die Ergebnisse von Sozialdemokraten und Freien Demokraten zur Bildung einer sozial-liberalen Koalition aus.2 Die Unionsparteien mussten eingestehen, dass sie keine Koalition bilden konnten und nun erstmals nach 20 Jahren in die Opposition gehen mussten. Für den neuen Bundeskanzler Willy Brandt bestätigte der Übergang von der Großen hin zur sozial-liberalen Koalition die „Fähigkeit zum Wandel“3 der jungen deutschen Demokratie, wie er es in seiner Regierungserklärung am 28. Oktober 1969 ausdrückte.4 Für viele Zeitgenossen, aber auch in der Eigenwahrnehmung der neuen Bundesregierung, war der Regierungswechsel darüber hinaus gleichzusetzen mit einem „Aufbruch zu neuen Ufern“.5 Diese offen propagierte und postulierte Aufbruchsstimmung war nach Ansicht von SPD und FDP der Nährboden für die vielen Reformvorhaben, die sich die neue Regierungskoalition mit ihrem Antritt vorgenommen hatte. Das Jahr 1969 als Beginn für diese „Reformeuphorie“ zu sehen, hieße aber, das Erreichte und die Veränderungen aus den Zeiten der Großen Koalition zu übersehen. Schon unter der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD wurden viele Reformen angestoßen und umgesetzt, die für einen „Modernisierungsschub“ in der Bundesrepublik sorgten und auch nicht erst von den Ereignissen rund um das Jahr 1968 beeinflusst wurden, sondern bereits mit ihrem Antritt 1966 angekündigt worden waren.6 Die Erfolge der Großen Koalition verblassten allerdings vor dem Hintergrund des Regierungswechsels 1969 und der allgemeinen Aufbruchsstimmung. „Veränderung“ lautete nun das Stichwort – übereinstimmend auch mit der Erwartungshaltung in der breiten Öffentlichkeit –, unter dem die neue Bundesregierung antrat und das Willy Brandt in seiner Regierungserklärung an zahlreichen Stellen aufgriff. Mit den einschlägigen Formeln seiner
1 Zum Ablauf der Wahlnacht vgl. v. a. Gassert: Kiesinger, S. 717 – 724; Baring: Machtwechsel, S. 166 – 170; Hildebrand: Von Erhard zur Großen Koalition, S. 403 f.; Schönhoven: Wendejahre, S. 678 – 685. 2 Im Endergebnis erreichten CDU und CSU zusammen 46,1 Prozent der abgegebenen Stimmen, die SPD kam auf 42,7 Prozent und die FDP auf 5,8 Prozent. 3 Sten. Ber. BT, 6. WP, 28.10.1969, S. 20. 4 Dagegen hielt Kiesinger, dass die Wahlbevölkerung „eindrucksvoll die CDU und die CSU als die stärkste und gewichtigste politische Kraft in der Bundesrepublik bestätigt“ habe und führte weiter aus, dass bereits vor 1969 anhand der Wahlergebnisse die Möglichkeit vorhanden gewesen sei, eine Koalition aus SPD und FDP zu bilden. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 28.10.1969, S. 10. 5 Merseburger: Willy Brandt, S. 578. 6 Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 370; Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 301 – 304; Eichhorn: Durch alle Klippen, S. 293 f.
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B. Die Jugendpolitik der CDU in Zeiten der „Reformeuphorie“ (1969 – 1974)
Rede von „Mehr Demokratie wagen“ und „Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an“7 drückte Brandt diese Erwartungshaltung in einprägsamer Weise mit Nachwirkungen bis in die heutige Zeit aus.8 Dabei griff er die optimistische Zukunftssicht, die seit etwa 1966 in der Bundesrepublik zu spüren war, auf und schaffte es, die Reformeuphorie eng mit seinem Namen und der sozial-liberalen Koalition zu verknüpfen.9 Einen konkreten Fahrplan seiner Reformpläne führte er in seiner Erklärung gleichwohl nicht aus, verfolgte stattdessen eher größere Visionen wie eine stärkere Teilhabe aller Bürger an der Demokratie. Mehr „Mitbestimmung und Mitverantwortung in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft“10 war dabei ebenso unmittelbar an die Jugend gerichtet wie die bereits oben genannten Äußerungen Brandts.11 Auf die junge Generation bezogen sprach Brandt in seiner Erklärung als praxisnahe Maßnahme die Herabsetzung des Wahlalters sowie die Überprüfung des Volljährigkeitsalters an. Damit sollte der Jugend die lange geforderte Mitbestimmung und Mitverantwortung in den verschiedenen Bereichen von Politik und Gesellschaft zugesprochen werden.12 Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umwälzungen in den 1960er Jahren wurde die Jugend zum Ende des Jahrzehnts bis in die 1970er Jahre hinein „vor allem als Faktor und Motor des sozialen Wandels thematisiert“13, sodass auf diese Zielgruppe dementsprechend besonders eingegangen werden musste. Umso erstaunlicher ist es daher, dass Brandt in seiner Regierungserklärung neben der Herabsetzung des Wahlalters nur wenige jugendpolitische Vorhaben der neuen Bundesregierung direkt ansprach. So wurden eine Reform des Bundesjugendplans und nebulös weitere Reformen der Jugendgesetzgebung angekündigt, jedoch ohne, dass Brandt genauer darauf einging.14 Ebenfalls nur angerissen wurde ein Projekt der sozial-liberalen Bundesregierung, das in den 1970er Jahren die Debatte im Bereich der Jugendhilfe wiederholt bestimmen sollte. So versprach Willy Brandt, dass mit „den Arbeiten für ein den Anforderungen der Zeit entsprechendes Sozialgesetzbuch“15 begonnen werden sollte. In das reformierte Sozialgesetzbuch sollte nach Ansicht von SPD und FDP die Jugendhilfe integriert werden, wogegen von Seiten der Unionsparteien allerdings bald Widerstand kam.16 7 Sten. Ber. BT, 6. WP, 28.10.1969, S. 20, 34. Gegen diese Äußerungen von Willy Brandt regte sich auf Seiten von CDU und CSU nicht nur in unmittelbarer Reaktion während der Bundestagssitzung großer Unmut. Auf der Sitzung des CDU-Bundesvorstandes vom selben Tag sah Kiesinger in der Aussage Brandts über den „richtigen Anfang“ eine „Geschmack- und Taktlosigkeit“ und Barzel hielt sie darüber hinaus für besonders „unappetitlich“. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 28.10.1969, S. 8. 8 Vgl. hierzu Presseberichte zum 50-jährigen Jubiläum der Bildung der sozial-liberalen Koalition u. a. Hans Monath: „,Mehr Demokratie wagen‘ – Worte mit später Wirkung“, in: Tagesspiegel, 24.9.2019, www.tagesspiegel.de/politik/50-jahre-bundeskanzler-willy-brandt-mehr-demokratie-wagen-worte-mitspaeter-wirkung/25131430.html (zuletzt abgerufen am 21.1.2022); Ludwig Greven: „Mehr Willy wagen – der Übervater der Sozialdemokraten“, in: SpiegelOnline, 21.10.2019, www.spiegel.de/geschichte/ willy-brandt-lichtgestalt-mit-dunklen-seiten-a-1292313.html (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 9 Vgl. Schildt: Materieller Wohlstand, S. 40; Merseburger: Willy Brandt, S. 578. 10 Sten. Ber. BT, 6. WP, 28.10.1969, S. 20. 11 Vgl. Conze: Suche nach Sicherheit, S. 391; Hockerts: Rahmenbedingungen, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 72. 12 Vgl. Sten. Ber. BT, WP 6, 28.10.1969, S. 20. 13 Hornstein: Jugendforschung und Jugendpolitik, S. 77. 14 Vgl. Sten. Ber. BT, WP 6, 28.10.1969, S. 30. 15 Ebd., S. 28. 16 Vgl. hierzu das Kapitel „Ein Dauerbrenner flammt auf – Die Diskussion über ein neues Jugendhilferecht“.
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I. „Zum Jagen getragen“ – Auf der Suche nach dem Dialog mit der Jugend
Kritik an den wenigen Äußerungen zur Jugendpolitik in der Regierungserklärung Brandts regte sich zunächst nur in den entsprechenden Fachkreisen der CDU, die Union war insgesamt mit innen- und deutschlandpolitischen Themen und der Aufregung hierüber beschäftigt. Dietrich Rollmann nannte die in der Regierungserklärung skizzierte Jugendpolitik der neuen Bundesregierung „enttäuschend“ und bemängelte den fehlenden Willen zu echten Reformen in diesem Bereich. Seiner Ansicht nach musste beispielsweise „die Wirkungskraft des Bundesjugendplanes“ – mit Blick auf die zurückliegenden Studentenunruhen – „insbesondere im Bereich der politischen Bildung verstärk[t] und mit ihm mehr als bisher auch die nichtorganisierte Jugend“ angesprochen werden.17 Rollmann musste jedoch auch eingestehen, dass der Stellenwert der Jugendpolitik zumindest symbolisch von der neuen Bundesregierung sichtbar angehoben wurde:18 Die Neuordnung der Ministerien führte zur Zusammenlegung des bisherigen Bundesministeriums für Familie und Jugend mit dem für Gesundheitswesen zum Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Die Erstnennung der „Jugend“ in dem neu geschaffenen Ministerium war nach Aussage der zuständigen SPD-Ministerin Käte Strobel „nicht zufällig“. Die Bundesregierung suche das „Gespräch mit der Jugend“ und wolle mit dieser „Spitzenstellung“ die neue Rolle der Jugend als wichtiger Akteur in der Politikgestaltung zum Ausdruck bringen.19 Damit formulierte Strobel bereits zwei der drei Leitlinien der neuen Bundesregierung für die Jugendpolitik der sechsten Legislaturperiode: Neben dem Dialog mit der Jugend und der Forderung nach mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung sollten mithilfe der Jugendgesetzgebung und Jugendförderung den jungen Menschen die „notwendigen gesellschaftlichen Hilfen“ gegeben werden, um zu mündigen Bürgern heranzuwachsen.20 Auf die erste Leitlinie nahm der Vorsitzende der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Rainer Barzel, in der Aussprache über die Regierungserklärung unmittelbaren Bezug: Das Gespräch mit der Jugend sei zwar „strapaziös, aber schließlich für die Demokratie doch lohnend“. Dementsprechend dürfe mit „dem Wahlkampf und der Regierungsbildung […] das Gespräch mit der kritischen Jugend nicht zu Ende sein“. Vor allem auf die „neue Opposition“ würden „viele junge Menschen“ genau schauen, weshalb sich CDU und CSU intensiver als bisher mit ihr auseinandersetzen müssten.21 In diesen Äußerungen wird deutlich, dass die CDU dieses Feld nicht der SPD überlassen wollte und selbst auf die Jugend zugehen musste. Nach Ansicht des damaligen CDU-Bundesgeschäftsführers Konrad Kraske war dieser äußere Zwang allerdings notwendig, da die Partei insbesondere in der Auseinandersetzung mit der Jugend „zum Jagen immer getragen werden musste oder wurde, als dass es spontan aus eigener Kraft kam“.22 Im Zeichen dieses neuen Bewusstseins für die Auseinandersetzung mit der Jugend stand auch der CDU-Bundesparteitag in Mainz im November 1969. Auf diesem disku 17 Dietrich Rollmann: „Enttäuschende Jugendpolitik der neuen Bundesregierung“, in: DUD, Nr. 215, 11.11.1969. 18 Vgl. ebd. 19 Jahresbericht der Bundesregierung 1969, S. 391. 20 Katharina Focke in der Sitzung des Bundesjugendkuratoriums am 3./4.5.1973, zitiert nach Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 670. 21 Sten. Ber. BT, 6. WP, 29.10.1969, S. 39. 22 Gespräch mit Konrad Kraske (am 7. Juli 2016).
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B. Die Jugendpolitik der CDU in Zeiten der „Reformeuphorie“ (1969 – 1974)
tierte die Partei intensiv über ihr Verhältnis zur jungen Generation und erörterte, wie sie dieses verbessern könnte. Vor allem das schlechte Abschneiden der CDU bei der zurückliegenden Bundestagswahl in der Gruppe der Jungwähler23 gab vielen Delegierten Anlass zur Sorge. 1969 musste die Partei erstmals Verluste in dieser Wählergruppe hinnehmen – die bisherigen Ergebnisse im Bereich der Jungwähler lagen bis dahin immer über dem Gesamtergebnis der jeweiligen Bundestagswahl.24 Damit leitete die Bundestagswahl 1969 eine Trendwende ein, seit der die Jungwählerergebnisse von CDU/CSU in den nachfolgenden Wahlen auf Bundesebene bis heute unter dem Gesamtergebnis liegen sollten.25 Wieso aber haben sich viele Jungwähler bei dieser Bundestagswahl von der CDU abgewandt? Der CDU-Generalsekretär Bruno Heck versuchte einen Grund in der Wahlkampfführung zu finden, indem er erklärte, dass die Partei „keinen elitären Wahlkampf um eine intellektuell sensible Gruppe der Jugend, sondern einen Wahlkampf um jene 51 Prozent [geführt hat], die nach sorgfältiger Analyse der Ausgangslage als potentielle Wähler für uns in Frage kamen“.26 Diese Strategie sei erfolgreich gewesen, was das Gesamtergebnis bei der Bundestagswahl zeigen würde. Mit dieser Aussage stellte sich jedoch die Frage, ob die CDU nur einen Wahlkampf für ihre eigene Klientel geführt hatte und nicht eher die Auseinandersetzung gerade mit kritischen Kreisen innerhalb der Jugend hätte suchen müssen. Das sah auch der JU-Vorsitzende Jürgen Echternach so, der betonte, dass die „politische Aussage“ der CDU sich nicht vor allem an „der demoskopiegetreuen Ermittlung der konservativen Grundströmung unserer Wählerschaft“ orientieren und ausrichten solle, „sondern daß wir sie ausrichten an den kritischen Mittelschichten in den Großstädten und den Jungwählern“. Das schlechte Abschneiden der CDU bei den Jungwählern sah Echternach dabei unter anderem in einer „unglücklichen Selbstdarstellung“ der Partei im Wahlkampf begründet.27 Ein weiterer Punkt, der laut Heck das schlechte Ergebnis bei den jungen Wählern erklärte, war die abnehmende Identifikation der Jugend mit der CDU. Die junge Generation schaue nicht zurück in die Vergangenheit, sondern interessiere sich vermehrt dafür, was Gegenwart und Zukunft für ihre Generation bereithielten und sehe daher nicht mehr, „was die Union als Gesinnungspartei geleistet hat.“28 Die Jungwähler hätten sich daher der Partei zugewandt, die in ihren Augen ihre Zukunft besser gestalten könne und zu Veränderungen bereit sei – der SPD, wie Jürgen Echternach in seiner Analyse unter 23 Bis 1970 galten als Jungwähler wahlberechtigte junge Erwachsene im Alter von 21 bis ca. 30 Jahre. Je nach Studie gab es unterschiedliche Definitionen, wann der Jungwählerstatus endet. 24 Laut der repräsentativen Wahlstatistik betrug das Ergebnis bei den Jungwählern 43,1 Prozent zu 46,0 Prozent im Gesamtergebnis, was eine Differenz von 2,9 Prozentpunkten ergab. Vgl. Tabelle in Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 11. 25 Vgl. ebd. Für die Ergebnisse der Bundestagswahlen nach 1980 bis 2009 vgl. Tabelle in Pokorny: Junge Wähler, S. 9. Zu den Ergebnissen von 2013 vgl. u. a. „Deutschlands C-Jugend“, in: SZ-online, 23.9.2013, www.sueddeutsche.de/politik/jungwaehler-2013-deutschlands-c-jugend-1.1778423 (zuletzt abgerufen am 21.1.2022), von 2017 vgl. u. a. „Umfragen Wähler nach Altersgruppen“, in: wahl.tagesschau. de, www.wahl.tagesschau.de/wahlen/2017-09-24-BT-DE/umfrage-alter.shtml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 26 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 29. Die Jugend als Zielgruppe wurde erst im Wahlkampf zur Bundestagswahl 1980 von der CDU direkt angesprochen. Siehe dazu Kapitel „Die Basis ‚unserer politischen Existenz‘ – Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre“. 27 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 44. 28 Ebd., S. 31.
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I. „Zum Jagen getragen“ – Auf der Suche nach dem Dialog mit der Jugend
strich.29 Es müsse für die CDU zukünftig darum gehen, die Jugend wieder für die Partei zu gewinnen, man müsse also um „unsere junge Generation […] die nächsten Jahre besonders ringen“. Dies konnte in den Augen Hecks „nicht nur eine Aufgabe der Jungen Union und des RCDS sein“, sondern musste „von der ganzen Partei“ zukünftig als „erstrangige Aufgabe begriffen werden“.30 Im Anschluss an diesen Appell ihres Generalsekretärs diskutierten die Parteitagsdelegierten über mögliche Lösungsansätze, um das Verhältnis der Partei zur Jugend wieder verbessern und diese an sich binden zu können. Durch die Reihen hinweg wurde allerdings auch betont, dass die CDU nicht den Eindruck erwecken sollte, der Jugend dem Trend gemäß „nach[zu]laufen“31 und sie lediglich als „dekoratives Element“32 zur Aufbesserung des eigenen Images zu sehen. Die Aussage, die Auseinandersetzung mit der jungen Generation führen zu wollen, müsse ehrlich gemeint sein. Daher fielen in den Vorschlägen, wie sich das Verhältnis zur Jugend wieder bessern könnte, vor allem Schlagwörter wie „Offenheit“ und „Glaubwürdigkeit“. Damit war im Grundsatz gemeint, dass sich die CDU an ihrem Programm, an ihrer Politik messen lassen musste und diese überzeugend anwenden und – wo möglich – umsetzen sollte.33 Es hieß gleichzeitig aber auch, nicht nur über die Jugend zu reden, sondern gemeinsam mit ihr nach Lösungen zu suchen und die Herausforderungen in der Gesellschaft anzugehen.34 So müssten den jungen Menschen – in Analogie zu den Worten von Willy Brandt in seiner Regierungserklärung – Chancen und Möglichkeiten zu mehr Mitverantwortung gegeben werden. Ein Antrag des Bundesparteitages sah als symbolischen Schritt vor, die CDU-Mitgliedschaft nicht erst ab 18, sondern bereits ab 16 Jahren zu ermöglichen. Als Begründung für diesen Antrag nannte der Delegierte Heinz Soenius den zeitgleich von der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag eingebrachten Antrag zur Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre, auf den weiter unten noch genauer eingegangen wird: Das Mehr an Mitverantwortung sollte demnach nicht erst mit einem Kreuz in der Wahlkabine beginnen, sondern den Jugendlichen bereits durch die frühere Parteimitgliedschaft die Möglichkeit zur aktiven Politikgestaltung gegeben werden. Die CDU sage entsprechend deutlich „Ja zu dieser jungen Generation und stelle […] [sich] gerne ihren Fragen“, wie Rainer Barzel betonte.35 In der weiteren Begründung des Antrags zur Herabsetzung des Eintrittsalters in die Partei verwies der Sozialpolitiker Soenius auf die bisherige Debatte auf dem Bundesparteitag, die gezeigt habe, dass die Notwendigkeit einer frühen Integration der Jugend in die Partei von der Mehrheit der Delegierten gesehen und gewünscht werde.36 Die Aufbruchsstimmung des Parteitags solle ausgenutzt werden und der Antrag, der immerhin eine Satzungsänderung enthielt, nicht mehr auf Kreis- und Ortsebene diskutiert, sondern unmittelbar über ihn abgestimmt werden.37 Kritische Stimmen wie die des stell 29 Vgl. ebd., S. 44. 30 Ebd., S. 31. 31 Ebd., S. 46, 80. 32 Ebd., S. 31. 33 Vgl. u. a. die Redebeiträge von Heinz Riesenhuber und Leo Wolters, ebd., S. 62, 96. 34 Vgl. ebd., S. 78. 35 Ebd., S. 129. 36 Vgl. ebd., S. 109. 37 Vgl. ebd., S. 110.
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B. Die Jugendpolitik der CDU in Zeiten der „Reformeuphorie“ (1969 – 1974)
vertretenden Landesvorsitzenden der CDU Hamburg, Carl Damm, zweifelten dagegen den Nutzen des Antrags an, da „junge Leute möglicherweise sogar vor eine Situation gestellt sind, die sie teilweise überfordert“. Er war der Ansicht, dass „junge Leute […] Zeit [bräuchten], um sich umzusehen, bevor sie sich endgültig parteipolitisch binden“. 38 Auch der westfälische Delegierte Leo Wolters mochte in dieser Frage nichts überstürzen, sah die Diskussion auf dem Parteitag stark von Emotionen geleitet und wollte den Ernst der Sache nicht dadurch konterkarieren, dass nicht ausreichend darüber innerhalb der Partei diskutiert werden konnte.39 Doch blieben diese Stimmen in der Minderheit. Heinz Riesenhuber stellte am Ende der Diskussion die rhetorischen Fragen, ob die CDU „die Jugend in unsere Arbeit hineinziehen“ wolle oder nicht, ob die CDU eine „Honoratiorenpartei“ sein wolle oder „eine Partei, die kritisch alle Elemente integriert, die wir haben und die wir brauchen“.40 In der Abstimmung wurde der Antrag schließlich im ersten Anlauf mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen angenommen.41 Nicht nur innerhalb der Partei sollte der Dialog mit der Jugend vorangetrieben werden, auch nach außen musste die CDU für die junge Generation sichtbarer werden. Als Vertreter des RCDS plädierte Detlef Stronk unter anderem dafür, dass die CDU „stärker als bisher an die Zentren der Probleme der Jugend hingeht“, dass „unsere Politiker stärker an die Schulen und an die Hochschulen gehen, sich der Diskussion stellen, Farbe bekennen und zeigen, daß sie der Jugend etwas zu bieten haben.“ Letztlich könne die Partei „nur so […] die Jugend gewinnen“.42 Auch der rheinland-pfälzische Kultusminister Bernhard Vogel forderte von seiner Partei „mehr Bereitschaft“, mit der Jugend direkt ins Gespräch zu kommen. Im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl sollte sich die CDU seiner Ansicht nach auch nicht auf die besonders lautstarke Gruppe der Studenten beschränken, sondern vor allem Schüler und Lehrlinge verstärkt in den Fokus nehmen, bevor „auf den Schulen, in den Berufsschulen und in den Lehrwerkstätten Verhältnisse herrschen wie an der Universität Berlin“. Vogel appellierte an seine Parteifreunde, diesen Dialog nicht als „Pflichtübung“ und als rein „freundliche Geste an ‚die jungen Freunde‘“ anzusehen, sondern wieder unter dem Schlagwort der Glaubwürdigkeit die Bereitschaft zum Gespräch zu zeigen und sich näher „an der völlig anderen Erfahrungswirklichkeit des 18- oder 20jährigen des Jahres 1969“ zu orientieren.43 Um einen sinnvollen Einstieg in den Dialog finden zu können, bedurfte es somit der richtigen Themensetzung seitens der CDU. Hier sah der Delegierte Horst Schröder insbesondere die Bildungspolitik als einen „Fragenkomplex an, an dem sich die Gemüter der jungen Generation in besonderer Weise entzündet haben und nach wie vor entzünden“. Um das Verhältnis zur Jugend zu verbessern, schlug er daher vor, diesen Politikbereich intensiver als bisher zu behandeln und klarere und für jedermann sichtbare Aussagen zu finden. In Anlehnung an die Aussagen von Bruno Heck und des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger sah Schröder in dieser Angleichung der The-
38 Ebd., S. 150. 39 Vgl. ebd., S. 150 f. 40 Ebd., S. 152. 41 Bei 472 abgegebenen Stimmen, von denen eine ungültig war, sprachen sich 311 Delegierte für den Antrag aus, 151 stimmten dagegen und 9 Delegierte enthielten sich. Vgl. ebd., S. 154. 42 Ebd., S. 72. 43 Ebd., S. 101 f.
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menbesetzung „kein Nachlaufen, sondern […] eine kritische Selbstbesinnung“.44 Dass der Dialog nicht nur eine einseitige Ansprache sein sollte, verdeutlichte das Vorstandsmitglied der Exil-CDU, Johann Baptist Gradl, mit seiner Forderung, die „Bereitschaft [der Jugend] zu politisch-geistigem Engagement in der rechten Weise fruchtbar zu machen, auch für die deutsche Politik, für die Deutschlandpolitik fruchtbar zu machen“. Die CDU solle demnach die Auseinandersetzung mit der jungen Generation nicht nur auf den Feldern suchen, in denen sie leicht punkten könne, sondern auch Bereiche besetzen, die der Partei selbst wichtig seien und für die man die Jugend stärker gewinnen müsse.45 Am Ende müsse die CDU in ihrer „Gesamtpolitik“, in ihrem „Stil“ und mit ihrer „Mannschaft“ überzeugen, um die Jugend wieder für sich gewinnen zu können, wie Barzel formulierte. Für die Jugendpolitik bedeute das, dass diese nicht mehr als „abgesonderte[r] Bereich“ gesehen werden dürfe, da die Partei „diesen Irrtum teuer bezahlen“ würde, so Barzel weiter.46 Das Nischendasein der Jugendpolitik der vergangenen Jahrzehnte – beschränkt auf den Bereich der Jugendhilfe – müsse aufgelöst und die Jugendpolitik verstärkt in andere Politikbereiche integriert werden. Damit war nach Auffassung des Delegierten Walter Eisenacher nicht weniger als ein Bekenntnis der CDU zu einer „neuen Jugendpolitik“ gemeint. Eine solche neue Ausrichtung hielt Eisenacher auch aus dem Grund für zwingend notwendig, da die Herabsetzung des Wahlalters neue Herausforderungen für die Partei mit sich bringen würde. Seine Vorstellungen einer neuen Jugendpolitik listete er anschließend auf: – „die Unterstützung der Breitenarbeit“ – „Förderung des allgemeinen und des Leistungssports auf allen Ebenen“ – „die gesamte Jugendpolitik zu einem nationalen Anliegen […] erklären“ – „in Anbetracht des stärker werdenden Potentials junger Wähler und dessen Trend zur Linksorientierung, der Jungen Union und dem RCDS eine breitere finanzielle Unterstützung angedeihen“ lassen – „mehr Unterstützung von der Bundespartei“ für die Landesverbände, um die Jugend vor Ort besser erreichen zu können.47 Mit völlig neuem Inhalt füllte Eisenacher die Jugendpolitik der CDU mit seinen Aussagen sicherlich nicht. Er machte allerdings deutlich, dass dem Politikbereich eine größere Anerkennung als bisher zuerkannt werden müsse, sei es auf finanzieller oder ideeller Ebene und gleichzeitig eine Erweiterung der bisherigen Betrachtung der Jugendpolitik vorgenommen werden müsse. Der Mainzer Parteitag von 1969 sandte in verschiedene Richtungen Aufbruchssignale, insbesondere in die der Jugend. Dabei griff die CDU den allgemeinen Trend zu Reformen auf, der sie in ihrer neuen Rolle als Oppositionspartei zunächst besonders zu berühren schien. Doch wie sah die Arbeit im Anschluss an den öffentlichkeitswirksamen Parteitag aus? Welche konkreten Maßnahmen wurden getroffen, um den geforderten Dialog mit der Jugend umzusetzen?
44 Ebd., S. 98. 45 Vgl. ebd., S. 176. 46 Ebd., S. 129. 47 Ebd., S. 185 f.
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Einige der auf dem Bundesparteitag formulierten Lösungsvorschläge zur Verbesserung des Verhältnisses der CDU und der Jugend fanden Eingang in einen Antrag an den CDU-Bundesvorstand zur Einsetzung einer Reformkommission unter dem Vorsitz von Helmut Kohl. Diese Kommission sollte „aufgrund einer sorgfältigen Analyse der Bundestagswahl und unter Berücksichtigung der neuen Aufgaben der Union ein Reformkonzept entwickel[n]“, das dem nächsten Bundesparteitag „zur Beschlußfassung unterbreitet“ werden sollte. Der Antrag berücksichtigte in Bezug auf die junge Generation dabei vor allem die Forderung nach einer besseren Kommunikation der Politik der CDU sowie die nach mehr Möglichkeiten zur Mitverantwortung in der Partei für junge Mitbürger.48 In den anschließenden Diskussionen in Präsidium, Bundesvorstand und der Kommission selbst wurden diese Forderungen nicht explizit weiterverfolgt. Das fortan als „Programmkommission“ bezeichnete Gremium sollte sich mit neun übergeordneten Themen befassen, einen eigenen Punkt zur Jugend gab es darunter nicht. Im weiteren Sinne beschäftigten sich die Themenbereiche der „Schul- und Hochschulreform unter Einschluß der Berufsausbildung, der Berufsweiterbildung und der Erwachsenenbildung“ sowie die „Familienpolitik“ mit jugendrelevanten Aspekten.49 Im Ergebnis enthielt der Abschlussbericht der Kommission, der in die zweite Fassung des Berliner Programms mündete, lediglich eine überarbeitete Version der betreffenden Ziffern über die Jugend des Berliner Programms von 1968.50 Institutionell wurde der Bereich „Jugend“ in wichtigen Gremien der CDU und CSU stärker verankert. Auf der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ende Oktober 1969 forderte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Richard Stücklen die Einsetzung eines weiteren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, der mit dem Aufgabenbereich „Jugend, Jugendverbände und Sport“ betraut werden sollte, einem Bereich, der „von uns nicht ausreichend betreut, bisher nicht ausreichend betreut werden konnte und nicht betreut wurde“. Gewählt wurde schließlich der 35-jährige Manfred Wörner.51 Auch im CDU-Präsidium sollten jugendrelevante Themen ab 1969 stärker in die Gremienarbeit integriert werden. Auf der Sitzung am 28. November 1969 wurden die Aufgabenbereiche innerhalb des Präsidiums für die kommenden zwei Jahre neu verteilt. Zuständig für den Bereich „Bundesrat, Länder, Jugend und Studenten, Intellektuelle“ war in diesem Gremium fortan Helmut Kohl.52 Knapp vier Monate später, auf der Präsidiumssitzung im März 1970, wurde erstmals über notwendige Maßnahmen gesprochen, wie die Partei mit der Jugend verstärkt in den Dialog treten könne. Es wurde sich allerdings lediglich darauf verständigt, dass Kohl in einer der nächsten Sitzungen ein Konzept vorlegen sollte „über die Möglichkeiten der Partei, das Verhältnis zur jungen Generation zu verbessern“.53 In den entsprechenden Akten findet sich jedoch kein solches Dokument und generell schien das Interesse an dem Thema eher gering zu sein. Eigene Tagesordnungs 48 Antrag II/13, ebd., S. 207 f. 49 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 12.12.1969, S. 82 f., Zitat auf S. 82. 50 Vgl. Ziffern 95 und 96 im Berliner Programm, 2. Fassung 1971. Verabschiedet auf dem 18. Bundesparteitag vom 25. bis 27. Januar 1971 in Düsseldorf, ACDP 07-001-22077. 51 CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 23.10.1969, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_1969-10-23-t1010_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 52 Vgl. Präsidium der CDU, Sitzung am 28.11.1969, ACDP 07-001-1402. 53 Präsidium der CDU, Sitzung am 19.3.1970, ACDP 07-001-1403.
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punkte oder überhaupt größere Diskussionen über den Themenbereich lassen sich im CDU-Präsidium in den kommenden Jahren nicht feststellen. Neben einer stärkeren institutionellen Einbindung des Bereichs „Jugend“ sollte der Dialog mit der Jugend insbesondere mit den Jugendverbänden praktisch durchgeführt werden. Auch hier passte das Bild einer Partei, die „zum Jagen getragen“ werden musste, da die Sorge bestand, dass die SPD auf diesem Feld schnell Boden gut machen könne. Der neue Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Heinz Westphal (SPD), war unter anderem aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Bundesjugendrings „ein in den Jugendverbänden anerkannter Mann“ und könnte diesen Vorteil alsbald nutzen, diese „in seine eigene Zucht zu bekommen“54, so die Befürchtung des westfälischen CDU-Bundestagsabgeordneten Ferdinand Breidbach. In der SPD war man allerdings zu dem Schluss gekommen, dass für die jugendpolitische Regierungsarbeit die Jugendverbände nicht mehr als „alleiniges Sprachrohr der Jugend“ angehört werden sollten – was nicht zuletzt daran lag, dass die „jugendliche Protestbewegung außerhalb der Jugendverbände stattfand“.55 Zur stärkeren Beteiligung der Jugend am politischen Prozess, wie sie Willy Brandt in seiner Regierungserklärung gefordert hatte, versuchte die Bundesregierung unter anderem, Jugendliche direkt an der Gesetzesarbeit mitwirken zu lassen. Dieses Vorgehen beschränkte sich allerdings auf einige wenige jugendpolitische Gesetzesvorhaben.56 Eine solche direkte Beteiligung der Jugend an ihren Gesetzentwürfen setzte die CDU in den ersten Jahren ihrer Oppositionsarbeit noch nicht um.57 Sie wollte mit der organisierten Jugend zunächst einmal in einen intensiveren Austausch treten, um dieser die eigene Politik näher zu bringen. Besonders interessiert war man an einem Dialog mit dem DBJR, dem „wichtigsten Dachverband der deutschen Jugendverbände“.58 Eine entsprechende Absichtserklärung äußerte Dietrich Rollmann in seiner Funktion als jugendpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag auf der 36. Vollversammlung des DBJR am 27. November 1969. Die CDU wolle ihre „Jugendpolitik im ständigen Gedankenaustausch […] mit Ihnen fortentwickeln. Jugendpolitik ohne die Mitwirkung der jungen Generation ist eine Unmöglichkeit in sich.“59 In sogenannten Kontaktgesprächen fand dieser Gedankenaustausch künftig statt. So trafen sich im Frühjahr 54 CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 22.10.1969 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_196910-22-t1020_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 55 Nikles: Jugendpolitik, S. 99 f. 56 So geschehen etwa bei der Neuregelung des Jugendschutzes. Vertreter des Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, unter anderem auch die Bundesministerin Käte Strobel selbst, trafen zu zwei Gelegenheiten mit etwa 40 Jugendlichen aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen. Nach Aussage der Ministerin wurden einige Anregungen der Jugendlichen in den Gesetzentwurf aufgenommen. Vgl. Bulletin der Bundesregierung, Nr. 99, 4.7.1972, S. 1315 f. 57 Um stattdessen in Kontakt mit der nichtorganisierten Jugend zu treten, forderte unter anderem Rainer Barzel, die Jugendlichen vor Ort aufzusuchen, in „ihrer Umwelt“, und Gespräche über Themen zu führen, die die Jugend „selbst bestimmen“ sollte. Rainer Barzel: „Die CDU muß sich der Jugend stellen“, in: Sonde 4 1971, S. 11 f. 58 Papier „Die deutschen Jugendverbände – Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Organisationen“ von Peter Helmes, Juli 1975, ACDP 07-001-8905. 59 Ansprache Rollmann vor 36. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendringes am 27.11.1969, ACDP 01-432-008/1.
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1970 auf Einladung des neu gewählten stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Manfred Wörner Vertreter des DBJR und Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion. Dabei diskutierten die Teilnehmer über jugendrelevante Themen wie das Ausbildungsförderungsgesetz oder die Reform des Jugendhilferechts. In welcher Atmosphäre die Diskussionen verliefen, geht aus den Akten nicht hervor, man einigte sich allerdings, fortan zwischen der Arbeitsgruppe „Jugend“ der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und dem DBJR regelmäßig Fachgespräche über aktuelle jugendpolitische Themen abhalten zu wollen – eine Basis schien gefunden zu sein.60 Die Teilnahme an diesen Gesprächen blieb nicht beschränkt auf die jugendpolitischen Experten oder interessierte Abgeordnete, in unregelmäßigen Abständen beteiligten sich auch Mitglieder des Fraktionsvorstandes, was nach außen hin die große Bedeutung dieser Gespräche für die CDU zeigen sollte.61 Aus Sicht der CDU führten diese Konsultationen bereits nach kurzer Zeit zu ersten kleineren Erfolgen, wie Rollmann bemerkte. So sei eine leichte Verbesserung im Verhältnis zum DBJR zu beobachten, wenngleich die stärkere Tendenz zur SPD nach wie vor gegeben sei.62 Allerdings war dieses Verhältnis etwas eingetrübt angesichts der geplanten Mittelkürzungen der Bundesregierung für die Jugendverbände im Bundesjugendplan im Jahr 1973, ohne dass diese vorab darüber informiert worden waren. In einem offenen Brief an die Bundesministerin für Familie, Jugend und Gesundheit, Katharina Focke, bezeichneten die erbosten Verbände den von Bundeskanzler Willy Brandt versprochenen stärkeren Dialog mit der Jugend und die angekündigte engere partnerschaftliche Zusammenarbeit daher als „Leerformeln“.63 Gleichzeitig lockerten sich bei der CDU die bisher so sicher geglaubten engen Verflechtungen mit den konfessionellen Jugendverbänden, insbesondere dem BDKJ, immer mehr. Dies mochte unter anderem an der seit den 1960er Jahren zu beobachtenden gewissen Entfremdung der christlichen Kirchen von der CDU liegen.64 Vor allem mit dem BDKJ dürfe eine gute Beziehung nicht aufs Spiel gesetzt werden, formulierte Helmut Kohl Ende 1971 auf einer Bundesvorstandssitzung, denn gerade in diesem Verband befinde sich ein wichtiges Wählerpotential der Union.65 In den folgenden Jahren wurden hier jedoch keine entscheidenden Schritte unternommen, um dieser für die Partei nachteiligen Entfremdung entgegenzutreten. Die CDU probierte aber auch andere, neue und öffentlichkeitswirksamere Formate aus, um mit der Jugend ins Gespräch zu kommen. So fanden Ende 1971 in Niedersachsen sogenannte „Polit-Partys“ statt, die Show und Politik miteinander verbinden sollten, um 60 Vgl. Zeitschrift des Deutschen Bundesjugendringes „information“ 4. (17.) Jahrgang/Heft 2, März/Mai 1970. Auch in ACDP 01-432-014/1. 61 Vgl. dazu u. a. „Jugendring diskutiert mit Unionspolitikern“, in: UiD, Nr. 9, 2.3.1972, S. 3; „Bundesjugendring bei der CDU“, in: ebd., Nr. 9, 6.3.1980, S. 3 f.; „Gespräch mit dem Bundesjugendring“, in: DUD, Nr. 203, 23.10.1974; Dietrich Rollmann: „Christlich-Demokratische Jugendpolitik“, in: Sonde 4 1971, S. 22. 62 Vgl. ebd. 63 „Verbände vermissen ,Dialog mit der Jugend‘“, in: Stuttgarter Zeitung, 29.3.1973. 64 Vgl. Rollmann: CDU in der Opposition, S. 151. Zur allgemeinen Entwicklung des Verhältnisses der CDU zu den konfessionellen Verbänden, insbesondere der katholischen Kirche, vgl. Bösch: Das konservative Milieu, S. 185 – 228; Geiger: Atlantiker gegen Gaullisten, S. 122 – 131; Hildebrand: Von Erhard zur Großen Koalition, S. 58 f.; Gabriel: Zwischen Aufbruch und Absturz in die Moderne, S. 537 – 539; Schildt: Materieller Wohlstand, S. 45. 65 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 9.12.1971, S. 621 f.
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möglichst viele Jugendliche anzulocken. Zur Show gehörten Auftritte des Führungspersonals des CDU-Landesverbandes sowie bekannter Entertainmentgrößen wie des Hitparadenmoderators Dieter Thomas Heck. Die CDU habe „bewußt – und zum erstenmal in der Bundesrepublik – das spektakuläre Mittel der Pop-Shows [gewählt], ohne daß Wahlen in naher Sicht sind“, so der niedersächsische CDU-Generalsekretär Dieter Haaßengier. Der Erfolg dieser Veranstaltungen habe gezeigt, „daß dies ein gangbarer Weg ist, um die hohen Zäune niederzureißen, die zwischen einem großen Teil der Jugend und den Politikern schlechthin stehen“. Die eigentliche politische Arbeit, die Jugendlichen, die diese Polit-Partys besucht hatten, nachhaltig an die Partei zu binden, geschah im Nachgang der Veranstaltungen. Jeder der Anwesenden erhielt „einen Brief des Landesvorsitzenden, in dem sie zu politischem Engagement ermuntert werden“. Es sollten weitere, kleinere „Einzelveranstaltungen“ folgen, in denen die Jugendlichen mit den „Spitzenpolitikern der niedersächsischen CDU […] diskutieren“ konnten.66 In der Bundespartei wurde der Erfolg dieser Veranstaltungen durchaus registriert. Für die Bundestagswahl 1972 wurde das Konzept dieser Polit-Partys übernommen und ebenfalls mit dem Publikumsmagneten Dieter Thomas Heck besetzt. Der wichtigste Teil dieser Form der Ansprache der Jugend – die anschließende nachhaltige Bindung der Jugendlichen –, wurde dabei allerdings ausgeklammert. Hier ging es ausschließlich um eine öffentlichkeitswirksame Präsentation der Partei.67 Eine grundlegende Verbesserung des Verhältnisses zur Jugend war zwei Jahre nach dem Mainzer Parteitag noch nicht eingetreten, im Gegenteil verebbte die anfängliche Aufbruchsstimmung, die noch Ende 1969 geherrscht hatte, allmählich. Defizite im Verhältnis zur Jugend waren nach wie vor vorhanden, wie Gerd Langguth im Oktober 1971 auf dem Bundesparteitag in Saarbrücken kritisch feststellte.68 Selbstkritisch bemerkte der RCDS-Vorsitzende, dass es der CDU nach wie vor nicht gelinge, der Jugend die eigene Politik verständlich zu machen, doch eine genaue Analyse, wie dies künftig besser ablaufen könnte, lieferte er nicht.69 Weitaus größeren Einfluss auf die stockende Umsetzung der Vorhaben des Mainzer Parteitags hatten aber andere Faktoren. So dominierte kurz nach Beginn der sechsten Legislaturperiode vor allem die Ost- und Deutschlandpolitik die politische Debatte in der Bundesrepublik und ließ „weiche“ Themen wie die Jugendpolitik und mit ihr zusammenhängende Bereiche für den Großteil der Partei zunächst zweitrangig erscheinen. Die Haltung der Unionsparteien in der Ost- und Deutschlandpolitik trug auch nicht dazu bei, dass sich das Verhältnis zu Teilen der Jugend verbessern konnte, da diese die CDU anhand ihrer Haltung für „nicht entwicklungsfähig“ oder gar „rückständig“ hielten.70 Zudem gab es in den Unionsparteien seit dem Gang in die Opposition die große Zuversicht, alsbald in die Regierungsverantwortung zurückkehren zu können, was einer 66 „Polit-Partys in Niedersachsen, um sich der Jugend anzunähern“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 12, Dezember 1971. 67 Vgl. zum Bundestagswahlkampf 1972 das Kapitel „Katerstimmung nach der Bundestagwahl 1972“. 68 19. Bundesparteitag der CDU, 4. – 5.10.1971 in Saarbrücken, S. 87. 69 Vgl. ebd. 70 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 23.1.1970, S. 140. Vgl. zur Ost- und Deutschlandpolitik der Union vor allem Grau: Gegen den Strom. Vgl. auch Baring: Machtwechsel, S. 197 – 358; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 417 – 461; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 525 – 563; Wambach: Rainer Barzel, S. 467 – 513.
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seits an der dünnen Mehrheit der Regierungskoalition lag, zum anderen auch an den Erfolgen der CDU in den nachfolgenden Landtagswahlen.71 Dieser Glaube an die baldige Rückkehr trug mit dazu bei, dass sich Teile der CDU nicht in der kleinteiligen politischen Arbeit verlieren mochten und daher die schwierige und aufreibende Suche nach dem Dialog mit der Jugend nicht unternahmen. Zum anderen war es das Personal der CDU, das einen glaubwürdigen Neustart im Verhältnis zur Jugend verhinderte. Erst mit dem Wechsel an der Parteispitze von Kiesinger zu Barzel auf dem Parteitag in Saarbrücken im Oktober 1971, der Besetzung zentraler Stellen in der Partei mit jüngerem Personal sowie dem Mitgliederzuwachs der CDU waren für manch einen rückblickend der tatsächliche Wille und der „Schwung“ erkennbar, die Auseinandersetzung mit der Jugend zu suchen.72 Die anfänglich verkündeten stärkeren Bemühungen um einen intensiveren Dialog mit der Jugend kurz nach der Bundestagswahl 1969 hingen auch mit der von Willy Brandt in seiner Regierungserklärung erwähnten Herabsetzung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre zusammen. Es war die CDU/CSU-Fraktion, die als erste einen ausformulierten Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einbrachte – bezeichnenderweise der erste Gesetzentwurf in ihrer Oppositionsarbeit überhaupt.73 Über eine Herabsetzung des Wahlalters war zuvor schon länger diskutiert worden, bereits 1951 hatte die KPD einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, der von den anderen Parteien mit dem Argument abgelehnt worden war, die Jugend sei „daran gar nicht interessiert“ und solle nicht mit einer „Verantwortung belastet werden, die sie nicht tragen kann und zu einem großen Teil auch noch nicht tragen will“, wie es die SPD-Bundestagsabgeordneten Marta Schanzenbach zusammenfassend formuliert hatte. Der von ihr als „Propagandaantrag“ titulierte Entwurf war dementsprechend schnell in der Schublade verschwunden.74 Erst 1965 rückte das Thema durch die Herabsetzung des Einberufungsalters in die Bundeswehr auf 18 Jahre erneut in den Fokus, zunächst allerdings nur in den politischen Jugendverbänden und bei einigen jüngeren Bundestagsabgeordneten. So nahm wie oben bereits erwähnt die JU die Forderung nach einer Herabsetzung des Alters für das aktive Wahlrecht auf 18 Jahre in ihr jugendpolitisches Programm von 1965 auf.75 In der Bundesregierung beschäftigte man sich jedoch noch nicht eingehender mit diesem Vorhaben, allein unter einigen FDP-Abgeordneten sah die JU Befürworter für eine Herabsetzung.76 Dagegen befasste sich die SPD bereits auf ihrem Parteitag im Jahr 1966 mit der Forderung nach mehr Mitbestimmung für die Jugend und beschloss mehrere Anträge, unter anderem auch zur Herabsetzung des Wahlalters.77 Diese Anträge schafften es allerdings 71 Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 315, 327; Buchhaas: Volkspartei, S. 319. 72 Gespräch mit Wulf Schönbohm (am 13. August 2016). Auch Stephan Eisel verortet die verstärkte Suche nach dem Dialog mit der Jugend erst nach dem Wechsel an der Parteispitze von Barzel zu Kohl und sieht diesen Dialog als „Markenzeichen von Helmut Kohl“. Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). 73 Vgl. BT-Drs. 6/70, 14.11.1969. 74 Sten. Ber. BT, 1. WP, 10.1.1951, S. 4137, 4139 f. Zitate auf S. 4139 f. Vgl. auch BT-Drs. 1/1535, 27.10.1951. 75 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 93; Jugendpolitisches Programm der JU, verabschiedet vom Bundesvorstand am 1./2. Mai 1965, ACDP 04-007-001/3. 76 Vgl. Auszug aus dem Deutschlandrat-Protokoll vom 11.9.1966 über Verwirklichung eines jugendpolitischen Programms, ACDP 04-007-001/3. 77 Vgl. Anträge 82 – 85, in: Vorstand der SPD (Hg.): Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 1. bis 5. Juni 1966 in Dortmund, S. 929 f.
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nicht bis in die Regierungsarbeit der Großen Koalition, erst die anwachsenden Jugendunruhen in den 1960er Jahren beförderten das Bewusstsein für mehr politische Teilhabe der jüngeren Generation. Ein direkter Einfluss ist den Studentenprotesten zwar nicht zuzurechnen, eine indirekte Wirkung hatten unter anderem die Forderung nach mehr Mitbestimmung – zunächst begrenzt auf den akademischen Bereich –, aber auch das Handeln der Außerparlamentarischen Opposition mit ihrer generellen Kritik am parlamentarischen System allerdings schon: Den politischen Akteuren wurde bewusst, dass man die Jugendlichen bereits früh an die Politik und deren aktive Gestaltung heranführen musste, um ein positives Verhältnis aufbauen zu können.78 Auch ein Jahr später betonte der CDU-Bundestagsabgeordnete Dietrich Rollmann noch, dass sich die „junge Generation […] das Anrecht auf die Herabsetzung des Wahlalters selbst erworben“ habe, da es in der Geschichte der Bundesrepublik nie eine „junge Generation gegeben [hat], die politisch informierter, interessierter, wachsamer und engagierter [ist] als jene junge Generation, die heute in unserem Lande lebt“.79 Von Seiten der CDU wurde dieser Zusammenhang erstmals offiziell im Berliner Programm 1968 hergestellt: Im Kapitel „Reform der Demokratie“ forderte sie die Herabsetzung des aktiven Wahlrechts auf 18 Jahre sowie des passiven auf 23 Jahre.80 Die CDU sah sich in ihrer Unterstützung des Vorhabens auch dadurch bestärkt, dass eine Meinungsumfrage von September 1968 noch eine hohe Affinität der 18- bis 21-Jährigen für die Unionsparteien prognostizierte.81 Der Deutsche Bundestag diskutierte am 15. November 1968 zum ersten Mal über die Herabsetzung des aktiven und passiven Wahlrechts, allerdings schien das Interesse an diesem Thema nicht allzu groß zu sein, wie ein Zwischenruf des SPD-Abgeordneten Willy Könen („Keine Sorge, Herr Picard [CDU, Anm. d. Verf.], es ist ja keiner da!“) vermuten lässt.82 Der entsprechende Gesetzentwurf wurde von der FDP-Fraktion eingebracht mit der Absicht, bereits für die Bundestagswahl 1969 zur Anwendung zu kommen.83 In der anschließenden Debatte im Bundestag wurde deutlich, dass es noch immer keinen allgemeinen Konsens zwischen den Bundestagsfraktionen in dieser Frage gab. Der CDU-Abgeordnete Walter Picard verwies zwar auf die Beschlüsse des CDU-Parteitags, die in das Berliner Programm eingingen, doch könnten diese von der Bundestagsfraktion nicht „Hals über Kopf in die Wirklichkeit umgesetzt“, sondern müssten zunächst sorgfältig überprüft werden. Vor allem aber könne auf Grund der Kurzfristigkeit – immerhin stünden eine Grundgesetz- sowie eine Bundeswahlgesetzänderung an – die Herabsetzung des Wahlalters in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden.84 Der Koalitionspartner SPD sah zwar ebenfalls noch einige grundsätzliche Schwierigkeiten in dieser Thematik, der Abgeordnete und engagierte Ju 78 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 93. So stellte in der Bundestagsdebatte am 15. November 1968 der SPDAbgeordnete Heinz Westphal einen Zusammenhang zwischen den Jugendunruhen und der Notwendigkeit der Durchsetzung der Herabsetzung des Wahlalters her, indem er den „dringenden Rat“ erteilte, „als eine Antwort auf die Unruhe der Jungen gegenüber den Erstarrungen in unserer politischen Welt den Schritt [zu] tun, der auf diese Jugend zugeht, und ihr mehr Mitwirkungsmöglichkeit, aber gleichzeitig auch mehr Mitverantwortung [anzubieten]“. Sten. Ber. BT, 5. WP, 15.11.1968, S. 10594. 79 Sten. Ber. BT, 6. WP, 28.11.1969, S. 549. 80 Vgl. Ziffer 27 im Berliner Programm, 1. Fassung, ACDP 07-001-22059. 81 Vgl. Sten. Ber. BT, 5. WP, 15.11.1968, S. 10600. 82 Ebd., S. 10589. 83 Vgl. BT-Drs. 5/3009, 14.6.1968. 84 Sten. Ber. BT, 5. WP, 15.11.1968, S. 10590 – 10592, Zitat auf S. 10590.
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gendpolitiker Heinz Westphal betonte allerdings auch, dass durch die Herabsetzung des Wahlalters die „Politik […] die Probleme der jungen Leute, die jugendpolitischen Fragen, mehr beachten [werde], wenn die Jungen selbst anzusprechende und zu gewinnende Wähler sind“.85 Zudem war ein gewichtiges Argument für die SPD, dass durch die Herabsetzung ein „notwendiges Gegengewicht“ gegen eine zunehmende ältere Bevölkerung in der Bundesrepublik, die einen „wachsende[n] konservative[n] Einfluß“ begünstigen könne, geschaffen werde86, der aus Sicht der SPD natürlich insbesondere CDU und CSU zugutekomme. Der Antrag der Opposition wurde schließlich dem Innenausschuss überwiesen und in der auslaufenden Legislaturperiode nicht mehr behandelt.87 Mit der Einbringung eines offiziellen Gesetzentwurfs war es im Herbst 1969 die Unionsfraktion, die nach der Regierungserklärung Willy Brandts den Anstoß gab, die Diskussion in praktische Politik umzusetzen. Als Begründung führte die Opposition Beispiele auf Landesebene an, bei denen in den kommenden Landtags- und Kommunalwahlen 1970 die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre bereits angewendet werden sollte.88 Zudem liege die Herabsetzung „im Interesse einer inneren Reform der deutschen Demokratie, die der frühzeitigen aktiven Beteiligung junger Menschen am politischen Leben bedarf“.89 Damit griff die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag die sehr allgemein gehaltene Argumentation aus dem Berliner Programm von 1968 auf und goss sie nun in ein Gesetzesvorhaben. Die Aktivität der Unionsparteien im Hinblick auf die Herabsetzung des Wahlalters hing unmittelbar mit ihrem geänderten Verhältnis zur Jugend zusammen. Auf der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 22. Oktober 1969 – noch vor Einbringung des Gesetzentwurfs – äußerte der Abgeordnete Ferdinand Breidbach mit Blick auf den bevorstehenden Beschluss über die Herabsetzung des Wahlalters seine „Sorge“ über „das Verhältnis der Jugend zu uns und unser Verhältnis zur Jugend“.90 Da bei der nächsten Bundestagswahl die Zahl der Erstwähler erheblich ansteigen werde, müssten sich CDU und CSU verstärkt um den Bereich der Jugend kümmern, wie auch Richard Stücklen in seiner Begründung für die Einsetzung eines weiteren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden mit einem eigenen Zuständigkeitsbereich für die Jugend erklärte.91 85 Ebd., S. 10594. 86 Apel: „Die SPD und die Jugend“, S. 178. 87 Vgl. Sten. Ber. BT, 5. WP, 15.11.1968, S. 10600. 88 Zum ersten Mal konnten bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 22. März 1970 bereits 18-Jährige zur Wahl gehen, nachdem der Antrag der CDU-Fraktion im Sommer 1968 erfolgreich durchgesetzt worden war. Vgl. u. a. „In Kürze“, in: UiD, Nr. 35, 5.9.1968, S. 7; Sten. Ber. BT, 6. WP, 28.11.1969, S. 548. Die Gewinne der CDU bei der Wahl schrieb die Partei anschließend auch der erstmaligen Beteiligung der 18- bis 20-Jährigen zu. Vgl. „Neuer Wahlerfolg der CDU“, in: UiD, Nr. 12, 26.3.1970, S. 1. 89 BT-Drs. 6/70, 14.11.1969. 90 CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 22.10.1969 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_196910-22-t1020_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 91 Vgl. ebd., 23.10.1969, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_1969-10-23-t1010_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Konrad Kraske sieht rückblickend ebenfalls ein „wichtiges Potential an Wählern“, welches durch eine Herabsetzung des Wahlalters freigesetzt worden sei. Für ihn ist damit allerdings kein neues Interesse der Unionsparteien an der Jugend begründet, sondern das Bemühen um die Jugend vor allem „vor dem Hintergrund des Machterhalts“ zu sehen. Gespräch mit Konrad Kraske (am 7. Juli 2016).
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Das Thema beschäftigte die Abgeordneten von CDU und CSU auf zwei Fraktionssitzungen im Oktober und November 1969. Gegner einer Herabsetzung fanden sich in beiden Parteien, auf Seiten der CSU war es vor allem der ehemalige Bundesjustizminister Richard Jaeger, der sich vehement gegen das Vorhaben aussprach. Den 18-Jährigen fehle es an „Reife“ im Vergleich zu den 21-Jährigen, um eine verantwortungsvolle Wahlentscheidung zu treffen. Laut Demoskopen sei die Mehrheit der Bevölkerung sowieso gegen die Herabsetzung des Wahlalters. Anders als einige Parteikollegen sah Jaeger zudem keine Affinität der jungen Generation zur CDU und CSU, im Gegenteil sei die Jugend weiter „links“ eingestellt, weshalb er sich fragte, „ob wir nun eigentlich politisch Selbstmord begehen sollen“.92 In dieselbe Richtung ging auch die Argumentation des ehemaligen Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, Ernst Lemmer, für den nicht CDU und CSU die „Nutznießer“ einer solchen Verfassungsänderung wären, sondern vielmehr eine „absolute Mehrheit der Sozialdemokratie in 4 Jahren […] eine große Wahrscheinlichkeit“ sei.93 Zudem werde das Wahlrecht ab 18 Jahren vorwiegend in „totalitären Staaten“ ausgeübt, in denen „Wählen keine Rolle spielt“.94 Die Befürworter der Gesetzesinitiative wiesen stattdessen auf die politische Realität hin. Der CSU-Abgeordnete Hermann Höcherl merkte an, dass die „Sache […] politisch gelaufen“ 95 sei, während Barzel festhielt, dass eine „Mehrheit dafür feststeht“ und „ein entsprechender Gesetzentwurf anderer zu erwarten ist“, sodass es „klug ist, hier sich rechtzeitig auf eine Lage einzustellen“.96 Die Unionsparteien müssten das absehbare Ergebnis in dieser Frage akzeptieren mit der Maßgabe, bereits jetzt mit der Ansprache der künftigen Erstwähler zu beginnen.97 Bundesinnenminister Ernst Benda verwies zudem auf die „seit mehreren Jahren gefassten Beschlüsse und programmatischen Äußerungen verschiedener Gremien und Organisationen der CDU“, womit er auf die jugendpolitische Programme der JU von 1965 und 1969 sowie das Berliner Programm von 1968 abzielte.98 Rainer Barzel bündelte diese Überlegungen in der Äußerung, dass „wir die ersten im Programm der CDU waren, die das gesagt haben, und […] die ersten sein sollten, die das nun, wo es ohnehin passieren sollte, die es durchziehen“. Weshalb die Initiative so schnell ins Parlament gebracht werden sollte, begründete er mit dem Faktor Zeit. Die Fraktionen und Ausschüsse im Deutschen Bundestag müssten genug Vorlauf bekommen, um die mit der Herabsetzung des Wahlalters „unlösbar zusammenhängenden Fragen“ aufnehmen zu können, „die Probleme der Volljährigkeit, des Strafbarkeitsalters und so fort“.99 Die CSU hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Beschlüsse gefasst. Richard Stücklen begründete die Nichtberücksichtigung der Herabsetzung des Wahlalters im Wahlprogramm der CSU von 1969 damit, dass es „noch eine Reihe von Diskussionen in der 92 CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 11.11.1969, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_1969-11-11-t1500_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 93 Ebd. 94 CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 28.10.1969, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_1969-10-28-t1500_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 95 Ebd. 96 Ebd., 11.11.1969. 97 Vgl. ebd. 98 Ebd. 99 Ebd.
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Sache“ gegeben habe und eine Veränderung der bayerischen Verfassung nur per Volksentscheid100 herbeigeführt werden könne. Auf einer Sitzung der CSU-Landesgruppe am 11. November 1969 hätten sich die Abgeordneten aber „mit sehr großer Mehrheit […] für die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre entschieden“. Auf dieser Sitzung war laut Stücklen zudem die Frage aufgekommen, weshalb die Herabsetzung des passiven Wahlalters auf 23 Jahre festgesetzt werden sollte. Stattdessen sollten die Unionsparteien „in unserer progressiven jugendfreundlichen Haltung auf 21 Jahre gehen“101, wie es auch im Volksentscheid in Bayern zur Debatte gestanden hatte.102 In der späteren Abstimmung auf der gemeinsamen Fraktionssitzung über diesen Änderungsvorschlag fand sich allerdings keine Mehrheit und so enthielt der Gesetzesentwurf die Forderung nach Herabsetzung des passiven Wahlrechts auf 23 Jahre. Da die Bundesregierung ebenso wie die CSU für eine Herabsetzung des passiven Wahlrechts auf 21 Jahre plädierte,103 die CDU diese Frage ohnehin „rein pragmatisch“104 sah, einigte man sich auf die Kopplung des passiven Wahlrechts an das Volljährigkeitsalter, über das parallel zu der Debatte über das Wahlalter diskutiert wurde.105 Die fraktionsübergreifenden Argumente für eine Herabsetzung fasste der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags wie folgt zusammen: – große Teile der Jugend stünden „weithin verantwortlich im Arbeits- und Berufsleben“ – das Einberufungsalter der jungen Männer zum Wehrdienst mit 18 Jahren – „politische[s] Interesse und auch der Grad der Informiertheit sind bei den 18- bis 21jährigen in der Regel gegeben“ – frühzeitige Heranführung der Jugend an „politische Mitentscheidung und Mitverantwortung“.106 So wurde – trotz der lautstarken Kritik einiger weniger Parlamentarier in den vorangegangenen Debatten – die erforderliche Grundgesetzänderung zur Herabsetzung des Wahlalters am 18. Juni 1970 schließlich beschlossen – ohne Gegenstimme. Von 451 Bundestagsabgeordneten enthielten sich lediglich zehn Parlamentarier, darunter auch welche von CDU und CSU.107 Das Wahlrecht wurde zwei Jahre später, am 9. Juni 1972, an die geänderte Verfassungslage angepasst.108 100 Der Volksentscheid über die Herabsetzung des Wahlalters in Bayern (aktives Wahlalter auf 18 Jahre, passives Wahlalter auf 21 Jahre) fand Ende Mai 1970 statt. Bei 38,3 Prozent Wahlbeteiligung stimmten 54,8 Prozent mit Ja und 45,2 Prozent mit Nein. Vgl. Broschüre Dokumentation: Landessekretariat der Jungen Union Bayern (Hg.): Der Jugend eine Chance; Protokoll der Sitzung des Rechtsausschusses am 25.5.1970, PA-DBT 3109 A6/5 – Prot. 16. 101 CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 11.11.1969, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_1969-11-11-t1500_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Zur Sitzung der CSU-Landesgruppe vgl. CSU-Landesgruppe 1949 – 1972, 11.11.1969, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CSU-LG, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/csu-lg-06_1969-11-11-t1230_EP.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 102 Vgl. Broschüre Dokumentation: Landessekretariat der Jungen Union Bayern (Hg.): Der Jugend eine Chance; Protokoll der Sitzung des Rechtsausschusses am 25.5.1970, PA-DBT 3109 A6/5 – Prot. 16. 103 Vgl. BT-Drs. 6/304, 27.1.1970. 104 Protokoll der Sitzung des Rechtsausschusses am 11.12.1969, PA-DBT 3109 A6/5 – Prot. 3. 105 Der entsprechende Antrag des Rechtsausschusses wurde am 18. Juni 1970 vom Deutschen Bundestag angenommen. Vgl. Sten. Ber. BT, 6. WP, 18.6.1970, S. 3281. 106 Ebd., S. 3279. 107 Vgl. ebd., S. 3283. 108 Vgl. ebd., 9.6.1972, S. 11101.
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I. „Zum Jagen getragen“ – Auf der Suche nach dem Dialog mit der Jugend
Die beschlossene Verfassungsänderung zeigte bereits während der darüber geführten Debatte Auswirkungen, die von noch weitreichenderer Bedeutung waren als die Herabsetzung des Wahlalters selbst. Als „logische Konsequenz“ von unterschiedlichsten Stellen zwar in den vergangenen Jahren noch bestritten,109 war die Diskussion über eine Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre nur folgerichtig. Von Kritikern der Herabsetzung des Wahlalters wurde selbst auf den Missstand hingewiesen, dass das Wahlrecht nun jungen Menschen gegeben werde, die „nicht einmal in der Lage [sind], ein möbliertes Zimmer zu mieten oder ein Motorrad zu kaufen“110, so der CSU-Abgeordnete Jaeger. Im Umkehrschluss traten die Kritiker allerdings natürlich auch nicht für ein niedrigeres Volljährigkeitsalter ein. Bereits im Berliner Programm der CDU von 1968 wurde im gleichen Atemzug mit dem Wahlalter die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre gefordert.111 Einen ersten Gesetzentwurf hierzu legte die CDU/ CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag im November 1970 vor und erneut im Februar 1973. Dabei waren die Argumente für diese Initiative fast gleichlautend wie für die Herabsetzung des Wahlalters, wobei Dietrich Rollmann vor allem auf einen Wandel in der Gesellschaft und eine neue Lebenswirklichkeit der jungen Menschen hinwies, die die Festsetzung eines niedrigeren Volljährigkeitsalters begünstigen würden.112 Zudem verwiesen die Befürworter in den Unionsparteien auf die europäische Ebene und eine Entschließung des Ministerkomitees des Europarates vom 19. September 1972, „in der den Regierungen der Mitgliedstaaten die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters – möglichst auf 18 Jahre – empfohlen wird“. Es sei somit im „Interesse“ der Bundesrepublik, „daß bei dem hoffentlich immer engeren Zusammenwachsen der europäischen Völker diese Frage des Beginns der vollen rechtlichen Handlungsfähigkeit einheitlich gelöst wird“. Eine „gewisse Vorreiterrolle“ Deutschlands neben Großbritannien sei dabei nicht „schädlich“ 113, so der CDU-Bundestagsabgeordnete Anton Stark. Am 22. März 1974 stimmten schließlich die Regierungskoalition geschlossen und die Opposition in großen Teilen für die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre, sodass das Gesetz zum 1. Januar 1975 in Kraft treten konnte.114 Ob dieser Einsatz für die weitreichenden Verfassungsänderungen zugunsten der Jugend der CDU ein besseres Ansehen bei der jungen Generation eingebracht hatte, wurde parteiintern rückblickend unterschiedlich bewertet. So führte Hermann Kroll-Schlüter die Zustimmung der CDU für das Gesetzesvorhaben in der Rückschau darauf zurück, dass sich die Partei „zweifelsfrei in einen Trend gestellt [hat], von dem wir glaubten, er
109 1968 kam aus dem noch unter CDU-Führung stehenden Bundesministerium für Familie und Jugend beispielsweise die Äußerung, dass mit der Herabsetzung des Wahlalters nicht automatisch die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters verbunden sei. Vgl. Vermerk über Herabsetzung des Wahlalters, o. A., 12.8.1968, BArch B189/6776. 110 CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 11.11.1969, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_1969-11-11-t1500_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 111 Vgl. Berliner Programm, 1. Fassung, ACDP 07-001-22059. 112 Vgl. zu den Argumenten BT-Drs. 4/1410, 11.11.1970; BT-Drs. 7/206, 20.2.1973; Dietrich Rollmann: „Herabsetzung des Volljährigkeitsalters“, in: DUD, Nr. 232, 4.12.1970; „Mit 18 Jahren bereits volljährig?“, in: UiD, Nr. 46, 19.11.1970, S. 5. 113 Sten. Ber. BT, 7. WP, 22.3.1974, S. 5871. 114 Vgl. ebd., S. 5881.
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B. Die Jugendpolitik der CDU in Zeiten der „Reformeuphorie“ (1969 – 1974)
wäre auch für uns erfolgreich und vielversprechend“.115 Der baden-württembergische Kultusminister Wilhelm Hahn116 sah nach der verlorenen Bundestagswahl 1972 einen früheren Einwand der Gegner der Herabsetzung des Wahlalters bestätigt, da die jungen Menschen bei Wahlen vorwiegend „von ihrem Gefühl“ her entscheiden und damit stärker „nach links“ tendieren würden. Somit sei die Zustimmung der CDU zu diesem Vorhaben ein „große[r] Fehler“ gewesen.117 In den Nachwahlanalysen der CDU zur Bundestagswahl 1972 kamen diese Punkte in der Diskussion über die Jungwählerergebnisse daher auch nochmals zum Tragen.
115 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 19.3.1974 (2. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_197403-19-t1401_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 116 Zu Hahn vgl. allgemein Lommatsch: Wilhelm Hahn (1909 – 1996). 117 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 20.11.1972, S. 1019.
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II. Katerstimmung nach der Bundestagswahl 1972 Die vorgezogene Bundestagswahl im November 1972 brachte nicht den von CDU und CSU erhofften Regierungswechsel. Das Ergebnis war für die Unionsparteien im Gegenteil mehr als enttäuschend, da sie zum einen im Vergleich zur Bundestagswahl von 1969 – wenn auch nur leichte – Verluste zu verzeichnen hatten, aber erstmals ihren Status als größte Fraktion im Deutschen Bundestag an die SPD verloren.1 Das Gefühl eines „Betriebsunfalls“2 wie nach der vorangegangenen Bundestagswahl stellte sich 1972 nicht ein, „die Union war nun definitiv in die Opposition verbannt“3, ein schneller Regierungswechsel nicht mehr möglich. Diese Tatsache verstärkte auf der anderen Seite den Willen nach Veränderungen und beschleunigte die Reformbestrebungen innerhalb der Partei,4 auch im Bereich der Jugendpolitik. In ihren Nachwahlanalysen war die Jugend für die CDU abermals ein großes Thema: Bei den Jungwählern hatten die Christlichen Demokraten einen besonders schweren Einbruch zu verzeichnen und lagen laut repräsentativer Wahlstatistik mit 35,3 Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen deutlich unter dem Gesamtergebnis von 44,9 Prozent. Im Vergleich zur Bundestagswahl 1969 bedeutete das einen Verlust von 7,8 Prozentpunkten bei den Jungwählern.5 In der Diskussion wurden verschiedene Gründe zusammengetragen. So fühlten sich diejenigen Unionspolitiker bestätigt, die – wie oben dargestellt – in der Herabsetzung des Wahlalters einen Fehler gesehen hatten,6 denn die SPD hatte gerade bei – besonders männlichen – Erstwählern gepunktet, 67 Prozent dieser Gruppe hatten ihre Stimme den Sozialdemokraten gegeben.7 Daneben musste sich die CDU aber auch anderen Fragen stellen. Zum einen, ob sie das Potential der Gruppe der Jungwähler nicht grundsätzlich unterschätzt hatte. Dafür spricht, dass die Partei die hohe Wahlbeteiligung der Jungwähler von rund 80 Prozent nicht erwartet und sich dementsprechend nicht auf diese Wählergruppe eingestellt hatte. Die CDU stützte sich stattdessen auf die Erfahrungen der vorangegangenen Landtagswahlen, bei denen im Schnitt nicht mehr als 65 Prozent der Jungwähler an die Urnen gegangen waren.8 Neben der höheren Wahlbeteiligung hatte die CDU zudem noch einen
1 Vgl. u. a. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 342 f.; Wambach: Rainer Barzel, S. 525 – 630; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 405 – 407; Kohl: Erinnerungen 1930 – 1982, S. 300 f. 2 Voss: Den Kanzler im Visier, S. 22. 3 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, S. XV. 4 Vgl. Schönbohm: Die CDU wird moderne Volkspartei, S. 124; Buchhaas: Volkspartei, S. 325. 5 Bei der Bundestagswahl 1969 hatte das Ergebnis der 21- bis 29-Jährigen noch bei 43,1 Prozent und somit nur 2,9 Prozentpunkte unter dem Gesamtergebnis von CDU und CSU gelegen, während 1972 diese Differenz bei 9,3 Prozentpunkte lag. Vgl. Tabelle in Jugend und Union. Eine Studie der CDUBundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 11. 6 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 20.11.1972, S. 1019. 7 Vgl. Forschungsbericht Institut für Demoskopie Allensbach, Rückblick auf die Bundestagswahlen 1972, 15.1.1973, ACDP 07-001-709. 8 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1110. Wilhelm Hahn hielt dem Vergleich der Wahlbeteiligung bei Landtags- und Bundestagswahlen entgegen, dass sich Jungwähler auf Landesebene nicht so stark aktivieren ließen wie auf Bundesebene. Dieses Phänomen
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weiteren Faktor unterschätzt, der den Wahlkampf geprägt hatte. Insbesondere junge Männer hatten eine hohe Bereitschaft gezeigt, sich für die SPD und FDP zu engagieren und diese aktiv zu unterstützen, was „ein bemerkenswerter Vorteil bei der Organisation eines an der Basis ansetzenden und auch öffentlich sichtbaren Wahlkampfes“ gewesen war.9 Entsprechende Initiativen hatte es auch für die Unionsparteien gegeben, doch im Ergebnis hatten die Regierungsparteien einen größeren Nutzen daraus ziehen können.10 Als Konsequenz aus dem unterschätzten Jungwählerpotential stellte sich die Frage, ob die CDU für diese Gruppe nicht eine falsche Wahlkampfstrategie gewählt hatte. Darüber kam es auf einer Klausurtagung der CDU Ende Januar 1973 zu Auseinandersetzungen. Der für den Wahlkampf der Partei verantwortliche Generalsekretär Konrad Kraske führte an, dass es durchaus „planmäßige Zielgruppenansprache[n]“ gegeben habe und die Jungwähler „im Rahmen unserer Insertion […] in besonderer Weise angesprochen“ worden seien. Im Rückblick räumte er allerdings ein, „daß dies nicht ausreichte“, um die Jungwähler für die Union zu gewinnen.11 Der JU-Vorsitzende Jürgen Echternach war völlig anderer Meinung. Eine besondere Ansprache der Jungwähler habe es nicht gegeben, stattdessen habe Kraske auf einer Sitzung des Wahlkampfausschusses den Vorschlag Echternachs sogar abgelehnt, „spezielle Jungwähler-Aktionen zu machen“, da er „spezielle Gruppenansprachen“ für „wahlkampfschädlich“ halte. Als Beispiel für einen besseren Zielgruppenwahlkampf führte der JU-Vorsitzende die Jusos an, die „mit der vollen Rückendeckung natürlich – Finanzierung durch die Partei – für die Jungwähler einen durchaus wirksamen Wahlkampf betrieben haben“.12 Die von der CDU durchgeführte Jungwählertournee, die sogenannten Dieter-Thomas-Heck-Shows13, wollte Echternach im Gegensatz zu Kraske nicht als eine Jungwähler-Aktion verstanden wissen. Er war der Meinung, dass es „keinen kritischen jungen Menschen [gibt], der sich durch diese Shows in irgendeiner Weise für eine Stimmabgabe zur CDU bewegen läßt“ und „man damit jedenfalls Jungwähler nicht überzeugen kann“.14 Auch der jugendpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dietrich Rollmann, widersprach der Äußerung Kraskes, es habe eine spezifische Ansprache der jungen Wähler gegeben – davon habe er „nichts
sollte bei künftigen Wahlen seiner Ansicht nach stärker berücksichtig werden, um Fehleinschätzungen wie 1972 zu vermeiden. Vgl. ebd., S. 1133. 9 Forschungsbericht Institut für Demoskopie Allensbach, Rückblick auf die Bundestagswahlen 1972, 15.1.1973, ACDP 07-001-709. Der Bericht hob das „starke Engagement der jungen Männer unter 30“ hervor, ohne hierfür explizite Gründe zu nennen. Ebd. 10 Vgl. zu den erfolgreichen Wählerinitiativen der SPD u. a. Baring: Machtwechsel, S. 504; Merseburger: Willy Brandt, S. 653 f.; Schöllgen: Willy Brandt, S. 184 f. Zu den Aktionen der Wählerinitiativen für CDU und CSU vgl. Testimonials, o. D., ACDP 07-001-5170. 11 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1096 f. 12 Ebd., S. 1224. 13 Wie bereits bei vorangegangenen Landtagswahlen trat der bekannte Entertainer Dieter Thomas Heck im Bundestagswahlkampf für die CDU auf, um vor allem jüngeres Publikum anzuziehen. Dies gelang streckenweise auch, weshalb Kraskes Deklarierung als „Jungwähler-Aktion“ nicht völlig abwegig ist. Vgl. Bericht der Bundesgeschäftsstelle. Anlage zum Bericht des Generalsekretärs. 21. Bundesparteitag der CDU, 12.6.1973 in Bonn, S. 25. Zur Resonanz der Veranstaltungen mit Dieter Thomas Heck vgl. „Schönen Dank“, in: Der Spiegel, Nr. 41, 2.10.1972; Nina Grunenberg: „Tingeln für Barzel“, in: Die Zeit, 13.10.1972. 14 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1224.
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II. Katerstimmung nach der Bundestagswahl 1972
gemerkt“.15 Inwieweit aber waren diese Vorwürfe begründet, die Partei sei auf die Jungwähler im Bundestagswahlkampf kaum bis überhaupt nicht eingegangen? Das Bewusstsein um die Bedeutung dieser Zielgruppe schien während der Vorbereitungen für den Wahlkampf zumindest vorhanden zu sein. Kraske selbst bezeichnete die jungen Wähler auf einer Bundesvorstandssitzung im August 1972 als eine der Gruppen, „bei denen wir den stärksten Nachholbedarf haben“.16 Zudem müsse vor allem im Wahlkampf stärker auf die jungen Wähler eingegangen werden, wie es Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel schon auf einer Präsidiumssitzung Anfang 1971 gefordert hatte. Seiner Ansicht nach sei es notwendig, „für die jungen Wählerschichten eine kostspielige gesonderte Wahlwerbung zu betreiben“, und er hatte für die kommende Bundestagswahl eine Erhöhung der Wahlkampfkosten in diesem Bereich „um 60 Prozent“ in den Raum gestellt.17 Konkrete Forderungen nach speziellen Kampagnen für Jungwähler kamen im Vorfeld der Bundestagswahl 1972 vor allem aus den Jugendorganisationen der CDU. Der RCDS-Vorsitzende Klaus Simon plädierte dafür, dass sich die „Wahlkampfstrategie der CDU […] auf bestimmte Zielgruppen konzentrieren [sollte]: die eigenen und fremden Randwähler, die Wechselwähler und die Erstwähler. Ohne Stimmengewinn in diesen Gruppen [gebe] es keine Mehrheit.“18 Von der Bundespartei wurden solche Forderungen im kurzen Wahlkampf 1972 jedoch nicht umgesetzt, sodass es im Rückblick auf den Bundestagswahlkampf zu der oben erwähnten Beschwerde des JU-Vorsitzenden kam.19 Die JU selbst führte – in enger Abstimmung mit der Mutterpartei – eine eigene Jungwählerinitiative durch. Mit dem Werbeslogan „black is beautiful“ sollten die jugendlichen Wähler angesprochen und für die CDU gewonnen werden. Dass die Jugend nicht im Fokus der Wahlkampfführung der CDU stand, zeigte zudem die Themensetzung im Wahlkampf mit dem Hauptslogan „Wir bauen den Fortschritt auf Stabilität“, die rückblickend teilweise kritisiert wurde. Die Partei habe „der nüchternen Sachaussage den Vorzug gegeben, ohne die ethische Begründung dabei mitzuliefern“ und sei dadurch „mit dem Image einer reinen Interessenpolitik behaftet worden“20, so der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Adolf Müller. Ein Wahlkampf, der auf das Motto „Mehr Stabilität“ setze, habe somit im Gegensatz zu Schlagwörtern wie „Friedenspolitik“ weniger Sogwirkung auf junge Wähler.21 Eine Lehre aus dem Wahlkampf sei daher, dass die CDU sich „den Themen stellen [muss], die Themen der Jugend sind, und darin diskutieren“22, so der Sozialpolitiker Norbert Blüm. Mit dieser Vorgehensweise war die SPD augenscheinlich erfolgreicher bei den jungen Wählern. Von den Sozial 15 Ebd., S. 1185. 16 Ebd., Sitzung am 21.8.1972, S. 854. 17 Präsidium der CDU, Sitzung am 11.3.1971, ACDP 07-001-1404. 18 Klaus Simon: „Thesen zur Wahlkampfstrategie der Union“, in: Sonde 1/2 1972, S. 4. 19 Echternach bekräftigte die mangelnde Unterstützung seitens der Wahlkampfführung der Bundespartei in einem Schreiben an den Bundesvorsitzenden Rainer Barzel im März 1973. Vgl. Schreiben Jürgen Echternach an Rainer Barzel, 12.3.1973, ACDP 01-365-027/1. 20 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 5.2.1973 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_197302-05-t1012_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 21 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 20.11.1972, S. 1018. 22 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 5.2.1973 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_197302-05-t1012_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022).
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demokraten wurde ein spezifischer Zielgruppenwahlkampf für Jungwähler betrieben, in dem Themen aus dem gesellschafts- und sozialpolitischen Bereich angesprochen wurden, die die Jugendlichen vor allem interessierten.23 Zu diesen Themen zählten Wohnungsprobleme, Fragen der Berufsbildung, Ausbildungsförderungsgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, Maßnahmen gegen Drogen- und Rauschmittelmissbrauch, Herabsetzung des Volljährigkeitsalters und die Erweiterung von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten.24 Nur bei genauerem Hinsehen griff auch die CDU viele dieser Themen im Wahlkampf auf. Im gemeinsamen Regierungsprogramm von CDU und CSU, das am 11. Oktober 1972 veröffentlicht wurde, standen die Stichworte „Mitgestaltung der Gesellschaft“ sowie „bessere Bildung und Ausbildung“. Konkrete Maßnahmen konnten wegen der Kürze des Abschnitts über die Jugend im Regierungsprogramm nicht angesprochen werden. Es wurde auf ein Programm für Bildung und Jugendhilfe verwiesen, das von der Partei noch vorzulegen sei.25 Dieses Programm wurde allerdings erst zehn Tage vor der Bundestagswahl unter dem Titel „Jugendpolitische Leitsätze“ vorgestellt.26 Dietrich Rollmann, der maßgeblich an der Entstehung beteiligt gewesen war, sah in dieser kurzfristigen Veröffentlichung eine „Mischung zwischen Zangengeburt und Kaiserschnitt.“ Er kritisierte in der Nachwahlanalyse insbesondere, dass die Presse „überhaupt nicht mehr aufnahmebereit war, zehn Tage vor der Wahl noch ein grundsätzliches Programm zu vernehmen“.27 So drangen die darin enthaltenen Themen und anzustoßenden Maßnahmen im Bereich der Jugendpolitik nicht mehr öffentlichkeitswirksam in die heiße Wahlkampfphase ein und die Wirkung des Programms verpuffte. Ob sich mit einer stärkeren medialen Präsenz eines solchen Programms die Jungwähler der Union zugewandt hätten, bleibt – ähnlich wie die Wirkung der Dieter-Thomas-Heck-Shows – eher fraglich. Rollmann machte darauf auch aufmerksam, indem er erklärte, dass „Jugendpolitik […] nur ein ganz kleiner Teil [ist], mit dem man Jungwähler ansprechen kann“.28 Bestimmend war zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages ohnehin die Ost- und Deutschlandpolitik.29 Die grundsätzliche Frage, ob die Union die Bundestagswahl vor allem wegen des schlechten Abschneidens im Jungwählerbereich verloren hatte, war in den parteiinternen Diskussionen nach der Wahl umstritten. Die Meinungen von Sozialwissenschaftlern, die die CDU zur Nachwahlanalyse befragte, reichten von einem großen Einfluss der Jungwähler auf das Ergebnis bis hin zur stärkeren Beeinflussung durch andere Wäh 23 Vgl. Auszug aus Protokoll des Jugendpolitischen Ausschusses der SPD, 3.7.1972, AdsD Bestand SPDParteivorstand 2/PVCU000056 (13801). 24 Vgl. ebd. 25 Vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Regierungsprogramm der CDU, S. 39. 26 Rollmann bezeichnete die jugendpolitischen Leitsätze als „jugendpolitisches Programm“ der CDU, wobei aufgrund des Zeitmangels kurz vor der Bundestagswahl kein ausgereiftes Konzept vorgelegt werden konnte und die Leitsätze lediglich stichpunktartig die Themen streiften, die in der neuen Legislaturperiode im Bereich der Jugendpolitik angegangen werden sollten. Dazu zählten unter anderem die Vorlage und Ausgestaltung eines neuen Jugendhilfegesetzes, Reformen des Bundesjugendplans, des Jugendschutzes sowie der beruflichen Bildung, die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters und Maßnahmen gegen den Drogen- und Rauschgiftmissbrauch. Vgl. Jugendpolitische Leitsätze, 9.11.1972, ACDP 07-001-19012. 27 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1185. 28 Ebd. Aus dieser Aussage spricht ein Verständnis von Jugendpolitik im engeren Sinn. 29 Vgl. Baring: Machtwechsel, S. 498 f.; Schönbohm: Die CDU wird moderne Volkspartei, S. 122; Grau: Gegen den Strom, S. 391.
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lergruppen wie den Frauen. Größere Einigkeit bestand dagegen in der Annahme, dass ein allgemeiner Wandel im Verhalten der Jugendlichen zu beobachten sei, der sich mit weitreichenden Folgen auf das Verhältnis zur Union und künftige Wahlergebnisse auswirken könnte. Der Mannheimer Soziologe Max Kaase bezog sich auf eine Studie des Amerikaners Ronald Inglehart, der für die Industrienationen und hier vor allem in den jungen Alterskohorten einen Wertewandel feststellte, auf den sich die CDU mit einer Neubestimmung ihres politischen Standorts zugunsten sozialer Veränderungen einstellen solle, um nicht auf lange Zeit ein Dasein in der Opposition fristen zu müssen. Auch das Sozialwissenschaftliche Institut der Konrad-Adenauer-Stiftung konstatierte eine allgemeine Wandlung der Normenstruktur in der Bevölkerung, die sich insbesondere bei den Jungwählern als Problem für die Union darstellen könnte.30 Nach der Bundestagswahl 1972 musste also die CDU auf die eine oder andere Weise auf das Ergebnis bei den Jungwählern reagieren. Dabei wurde deutlich, dass in der Diskussion viele Parallelen zur Situation nach der Bundestagswahl von 1969 auftraten – ein Beleg dafür, dass die Erkenntnisse von vor drei Jahren nicht nachhaltig in die Parteiarbeit umgesetzt worden waren. So diskutierte die Partei erneut über die Notwendigkeit der Verbesserung des Verhältnisses zur Jugend, da „dort unendlich viel Terrain verloren [gegangen ist], was wieder zu gewinnen schwer ist und lange dauert, aber von der CDU/ CSU auch mal begonnen werden sollte“31, so der Außenpolitiker Werner Marx. Erneut angesprochen wurde vom aus der katholischen Jugendbewegung kommenden nordrheinwestfälischen Abgeordneten Josef Rommerskirchen die Intensivierung des Dialogs mit der Jugend. Dabei solle ein neuer Versuch gestartet werden, das Gespräch „mit führenden Kräften der jungen Generation [zu] institutionalisieren. […] [N]icht einmalig, sondern von Zeit zu Zeit.“32 Einen neuen Ansatz wollte die Partei in der Vermittlung ihrer Politik durch eine möglichst einfache Sprache suchen, um die Gruppe der Jugendlichen besser erreichen zu können.33 Insgesamt müsse die CDU in der kommenden Legislaturperiode an ihrem Image arbeiten, um bei künftigen Wahlen wieder erfolgreich zu sein, so der Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Konrad-Adenauer-Stiftung, Professor Werner Kaltefleiter. Seine These fand insbesondere bei den jungen Vertretern in der CDU großen Anklang, da laut Langguth gerade „im Bereich der Jungwähler“ das Image der Partei „mehr als nur miserabel“ sei, weshalb „hier viel zu arbeiten ist“.34 Eine Weiterentwicklung im Vergleich zur Nachwahlanalyse der Bundestagswahl 1969 war der nun ausgeprägtere Wille in der CDU, Veränderungen und Reformen anzustoßen und dabei vor allem auch an sich selbst zu arbeiten.35 Auf der Klausurtagung des CDU 30 Vgl. Einige Bemerkungen zu Ausgangslage, Wahlkampfstrategien und Ergebnis der Bundestagswahl 1972 von Max Kaase, Januar 1973 ACDP 07-001-709; Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, Die Bundestagswahl 1972, Januar 1973, ebd. Vgl. zur Studie Inglehart: The silent revolution. 31 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 23.10.1973, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1973-10-23-t1503_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 32 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 23.10.1973, 5.2.1973 (2. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu07_1973-02-05-t1500_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 33 Vgl. ebd., 12.12.1972. 34 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 20.11.1972, S. 1018. 35 Vgl. Bösch: Macht und Machtverlust, S. 32 f.
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Bundesvorstandes am 27. und 28. Januar 1973 nahm in dieser Diskussion insbesondere der Bereich der Jugend großen Raum ein. Eine Überlegung dabei war, die entsprechenden Zuständigkeiten bei der Bundespartei zu bündeln. Es sei nötig, diesen Bereich endlich in der Partei zu institutionalisieren und ein „entsprechende[s] Referat […] in der Bundesgeschäftsstelle“ aufzubauen.36 Genau dort setzte aber auch eine Diskussion an, die Meinungsverschiedenheiten über Begrifflichkeiten und die damit verbundene Verteilung von Kompetenzen offenbarte. Während Kraske „Jugendpolitik“ und „Jugendarbeit“ gleichsetzte und damit die Übernahme der damit verbundenen Aufgaben durch die Bundesgeschäftsstelle legitimieren wollte,37 kam Widerspruch aus der JU und von ausgewiesenen Jugendpolitikern, die diese Bereiche voneinander trennen wollten. Laut Rollmann meinte „Jugendarbeit“ die Wiedergewinnung der jungen Generation für die Ziele der Union, während „Jugendpolitik“ der „sich damit teilweise überschneidende, aber bedeutend enger gefaßte, wiederum in andere Bereiche herüberreichende Bereich“ sei. Eine Institutionalisierung des Bereichs Jugend in der Bundesgeschäftsstelle hieße nach seiner Definition vor allem, „Fragen der Jugendpolitik, der Jugendhilfe, Bundesjugendplan, Rechtsjugendschutz usw. hier mal auf der Ebene der Partei [zu] beraten“.38 In eine ähnliche Richtung ging die Aussage des Vorsitzenden der Berliner CDU, Peter Lorenz, der in der Jugendarbeit „viel mehr“ sah als in der Jugendpolitik. Jugendarbeit sei „im Grunde doch der großangelegte Versuch unserer Partei, in allen ihren Bereichen wieder ins Gespräch zu kommen angesichts der Tatsache, daß Zweidrittel der Jugend uns nicht gewählt haben“. Dies könne aber „kein jugendpolitischer Ausschuß leisten“.39 Diese Form der Jugendarbeit sei Kernaufgabe der Jungen Union, wie es deren Vorsitzender Echternach betonte, weshalb er es „für problematisch halte, nunmehr die Jugendarbeit in die Hände der Bundesgeschäftsstelle zu geben“. Die CDU solle daher nicht als „Allheilantwort […] an die Stelle der Jungen Union einen Jugendausschuß der Partei“ setzen.40 Echternach bekräftigte seine Auffassung in einem Schreiben von März 1973 an den CDU-Bundesvorsitzenden Barzel nochmals, indem er feststellte, dass die staatliche Jugendpolitik „primäre Aufgabe der Partei“ sei. „Für diese Arbeit sollte ein jugendpolitischer Arbeitskreis der Partei eingesetzt werden“. Zu unterscheiden von diesem Bereich sei allerdings die politische Ansprache der jungen Generation, die in der Vergangenheit und in der Zukunft „primär durch die Junge Union“ erfolge. „Gerade wenn die Partei die Junge Union nicht zu einer bloßen ‚pressure group‘ denaturieren will, muß die Junge Union diese Aufgabe auch behalten.“41 In der JU selbst gab es auf Vorstandsebene Unstimmigkeiten über die Notwendigkeit einer stärkeren Verankerung jugendpolitischer Fragen bei der Bundespartei. Der Bundesgeschäftsführer der Jungen Union, Peter Helmes, kritisierte auf der Landesgeschäftsführerkonferenz Anfang Februar 1973 das „bescheidene […] Angebot“ seiner Organisation wie auch der CDU im jugendpolitischen Bereich und wies auf eine fehlende entsprechend Stelle in der CDU-Bundesgeschäftsstelle hin. Der ebenfalls auf der Konferenz anwesende Kraske gab darauf zu Protokoll, dass er „diese Worte des Bundessekretärs der JU natürlich sehr viel lieber höre als die 36 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1102. 37 Vgl. ebd., S. 1225. 38 Ebd., S. 1227. 39 Ebd., S. 1226. 40 Ebd., S. 1224. 41 Schreiben Jürgen Echternach an Rainer Barzel, 12.3.1973, ACDP 01-365-027/1.
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Worte, die ich von dem Bundesvorsitzenden der JU im Bundesvorstand gehört habe“. Dadurch sah sich Kraske bestätigt, dass auch in der JU die Einsicht vorhanden sei, Jugendpolitik und Jugendarbeit stärker als „gemeinsame Aufgabe“ anzusehen.42 Als Urheber der Idee zur Bildung eines Jugendausschusses gab sich der nordrheinwestfälische Oppositionsführer Heinrich Köppler43 zu erkennen, der versicherte, dass die Umsetzung des Ausschusses nicht „ohne den mitbestimmenden Einfluß der Jungen Union gemacht werden darf“, aber gleichzeitig zu bedenken gab, dass die Parteizentrale der SPD über ein solches Gremium längst verfüge, „nämlich einen Runden Tisch all derjenigen Multiplikatoren im Jugendbereich“. Zwar hieße dieser auch jugendpolitischer Ausschuss, „aus Tarnungsgründen, im Grunde befassen die sich gar nicht oder nur am Rande mit Jugendpolitik“. Seiner Ansicht nach brauche die CDU ebenfalls eine solche „parteipolitische Absprache mit den Leuten, die im Jugendbereich in Schlüsselstellungen stehend unserer Partei angehören“.44 Um den drohenden Konflikt mit der Jungen Union in dieser Frage nicht weiter anzufachen, wurde ein Gespräch zwischen dem Generalsekretär Kraske, Echternach, Langguth und Rollmann vereinbart, bei dem die künftige Jugendarbeit zwischen der Bundesgeschäftsstelle und den Jugendorganisationen besser abgestimmt werden sollte. Wegen der Absage von Echternach kam ein solches Gespräch zunächst nicht zustande,45 wurde letztlich aber doch noch im März mit der Teilnahme von Wulf Schönbohm als Echternachs Vertreter durchgeführt.46 In der Runde einigten sich die Teilnehmer darauf, ein Konzept für die künftige Jugendarbeit der CDU zu entwickeln, für dessen Erarbeitung in der Bundesgeschäftsstelle eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der JU und des RCDS eingerichtet wurde.47 Einen größeren Beitrag zur Diskussion über eine stärkere Berücksichtigung des Bereichs der Jugend in der Partei lieferte Gerd Langguth auf der Klausurtagung Ende Janu 42 Protokoll zur Besprechung der Landesgeschäftsführerkonferenz über die zehn Punkte von Konrad Kraske und die Folgerungen für die Parteiarbeit, 1./2.2.1973, ACDP 07-001-517. Seine Vorstellungen bekräftigte Helmes kurze Zeit später auch noch einmal in einem Schreiben an den Bundesvorsitzenden Rainer Barzel, was allerdings zu einer Rüge von Echternach führte, der seinen Bundesgeschäftsführer auf einer JU-Bundesvorstandssitzung Ende Februar 1973 wieder auf seine Linie einschwor. Vgl. Protokoll der Bundesvorstandssitzung am 25.2.1973, ACDP 04-007-040/2. 43 Zu Köppler allgemein vgl. Marx: Heinrich Köppler. 44 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1226. Kraske war früh von der Idee Köpplers überzeugt, da er sich in einer Ausarbeitung über die „Folgerungen für die Parteiarbeit“ nach der verlorenen Bundestagswahl für die Einrichtung eines solchen Jugendausschusses und einer entsprechenden Stelle in der CDU-Bundesgeschäftsstelle – unter Einbezug der Jungen Union – aussprach. Vgl. Ausarbeitung von Konrad Kraske „Folgerungen für die Parteiarbeit“, o. D., ACDP 01-684-010/3. 45 Die Absage Echternachs wurde von Kraske stark kritisiert, da es doch gerade der JU-Vorsitzende war, der die Dringlichkeit der Abstimmung zwischen Bundespartei und Junger Union betont hatte. Vgl. Schreiben Konrad Kraske an Jürgen Echternach, 1.3.1973, ACDP 07-001-11388. 46 Vgl. Vermerk Konrad Kraske an Karl-Heinz Bilke, 14.3.1973, ACDP 07-001-9136. Siehe auch Tagebuchaufzeichnungen von Konrad Kraske, in denen er bezüglich dieses Gesprächs vermerkte, dass die Junge Union die Sorge habe, dass ihr die „Butter vom Brot“ genommen werden könnte. Diese Sorge hielt er mit Blick auf Echternach „für bösartig“, wohlwollender äußerte er sich zum stellvertretend gesandten Schönbohm, bei dem man diese Sorge „ernster nehmen“ müsse. Tagebuch Konrad Kraske, 14.3.1973. 47 Vgl. Zusammenfassung der Diskussion auf der Abteilungsleitersitzung der Bundesgeschäftsstelle, 31.3.1973, ACDP 07-001-11388. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe sollte es sein, sich mit der jugendpolitischen Arbeit, der Jugendarbeit, der Ausarbeitung von Langguth für die Bundesvorstandsklausur am 27./28. Januar 1973 und dem Schülerpressedienst zu befassen. Vgl. ebd.
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ar mit seiner Ausarbeitung über eine langfristige Jugendarbeit der CDU. Diese bot viele bemerkenswerte Analysen und Lösungsansätze, wie die Partei ihr Verhältnis zur Jugend nachhaltig verbessern könnte.48 Eine solche Verbesserung sei seiner Ansicht nach dringend geboten, da die zurückliegenden Bundestagswahlen die „zunehmende politische Bedeutung der jungen Generation“ veranschaulicht hätten. Einen kleinen Seitenhieb versetzte er der CDU-Führung dabei, indem er darauf hinwies, dass das „Wahlverhalten großer Teile der jungen Generation […] nicht ganz überraschend [kam], da auch seitherige Meinungsbefragungen bereits deutlich nachwiesen, daß offensichtlich der CDU die Fähigkeit zu einem vernünftigen Verhältnis zur jungen Generation abgesprochen wird“. Eine stärkere Berücksichtigung dieser Zielgruppe wäre demzufolge in der vergangenen Legislaturperiode und im Wahlkampf dringend geboten gewesen. Langguth sah in dem schlechten Abschneiden der Union bei den Jungwählern einen eindeutigen Hinweis darauf, dass „es für die CDU jetzt nicht darauf ankommt, lediglich kurzfristige Aktivitäten hinsichtlich ihres Verhältnisses zur jungen Generation vorzuweisen. Notwendig ist die Konzeption einer langfristigen Jugendarbeit, die von der tatsächlichen Situation der jungen Generation ausgehen muß.“ Dabei könnten „Maßnahmen zur Jugendarbeit […] erst dann Erfolg nachweisen, wenn sie die Ausgangssituation der jungen Generation einbeziehen“. In der Analyse dieser Ausgangslage machte Langguth vor allem auf die Entwicklung einer Teilkultur aufmerksam, die sich die Jugendlichen mit der Bildung eigener Normen geschaffen hätten.49 Für den künftigen Umgang der CDU mit der Jugend war es laut Langguth daher wichtig zu sehen, dass „Jugend […] keine statische, sondern eine soziale Gruppe mit Bewußtsein der Gemeinsamkeit und des gemeinsamen Handelns“ sei. Zur Verbesserung des Verhältnisses zur Jugend sah Langguth die Notwendigkeit, zwischen langfristigen, mittel- bis kurzfristigen und Sofortmaßnahmen zu unterscheiden. Langfristig müsse die CDU es wieder verstehen lernen, ihre geistigen Grundlagen aufzuzeigen, um auch der Jugend wieder Orientierung zu geben, wofür die Partei überhaupt stehe und weshalb man sich ihr zuwenden sollte.50 Zudem könnten sich Erfolge in der Jugendarbeit „nur dann einstellen, […] wenn auch die Inhalte der CDU-Politik für die junge Generation attraktiv sind. Das heißt: Die CDU muß es verstehen lernen, glaubwürdige, attraktive Leitbilder ihres politischen Handelns herauszustellen.“ Hier machte Langguth deutlich, dass auch er zu den Verfechtern einer Unterscheidung zwischen Jugendpolitik und Jugendarbeit gehörte. Hierzu erklärte er, dass „Jugendpolitik isoliert noch längst kein besseres Verhältnis junge Generation – CDU“ schaffen könne. Die Aufzählung der langfristigen Maßnahmen zeigte auch, dass Langguth mit seinem Papier „keine 48 Vgl. auch nachfolgend Überlegungen zu einer langfristigen Jugendarbeit der CDU. Vorgelegt in leicht abgewandelter Form auf der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstandes am 27./28. Januar 1973 in Bonn, ACDP 07-001-709. Die originale Fassung ist unter derselben Signatur zu finden, unterscheidet sich allerdings nicht wesentlich von der hier vorgestellten Ausarbeitung. 49 Auf die Herausbildung einer eigenen Teilkultur innerhalb der Jugend wurde bereits in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre verstärkt hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt rückten in der öffentlichen Debatte die Abwendung eines Teils der Jugend von feststehenden sozialen Normen wie der Familie und der Kirche hin zur Kultur- und Freizeitindustrie mehr in den Vordergrund. Vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 153 f. 50 Vgl. dazu auch Christian Schwarz-Schilling/Gerd Langguth: „Überlegungen zu einer langfristigen CDU-Politik“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 8, 21.2.1973. Die darin enthaltene Wertediskussion befasste sich vor allem mit der Frage, weshalb es der Union seit den 1960er Jahren nicht mehr gelinge, geistige Impulse zu setzen, und wie sie dies künftig erreichen könne.
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einseitige Betonung von Jugendarbeit und Jugendpolitik vornehmen“ wollte. „Die Probleme der CDU liegen nicht nur in der Fragestellung ihres Verhältnisses zur jungen Generation“, es gelte vor allem, „die geistige Führung in diesem Lande wieder zu gewinnen. Erst dann wird die CDU auch wieder die politische Führung erhalten.“ Zu den mittel- und kurzfristigen Maßnahmen zählte Langguth insbesondere neue Formate in der Bildungsarbeit der Partei, in der vor allem jüngere Mitglieder in der Parteiarbeit geschult werden sollten sowie in der Gestaltung von Veranstaltungen. Dazu gehöre beispielsweise die Ausrichtung von speziell auf die Jugend zugeschnittenen Kongress, aber auch die Öffnung von parteiinternen Veranstaltungen für Nichtmitglieder.51 Unverzüglich umzusetzen habe die CDU die institutionelle Verankerung des Bereichs der Jugend in der Partei. Der RCDS-Vorsitzende sprach sich für die Bildung eines „Expertengremium[s]“ aus – ähnlich dem Vorschlag zur Bildung eines Jugendausschusses –, der aus dem jugendpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie Vertretern der Landtagsfraktionen, der JU und des RCDS bestehen solle. Die von Kraske geforderte „Anlaufstelle“ für die Jugend betreffende Fragen in der Bundesgeschäftsstelle wollte Langguth durch die Einrichtung der Stelle eines Jugendsekretärs personalisiert wissen. Dieser müsse „für alle Führungsmaßnahmen der Jugendarbeit verantwortlich sein“.52 Eine Aussprache über das Papier fand auf der Klausurtagung nach dessen Vorstellung durch Langguth nicht mehr statt, es wurde anschließend zur weiteren Behandlung an das CDU-Präsidium verwiesen, um in die Arbeitsplanung der Partei aufgenommen zu werden.53 Kritische Stimmen zu der Ausarbeitung erreichten Langguth dementsprechend – direkt oder indirekt – nur auf schriftlichem Weg. So monierte Echternach – wie bereits in der Diskussion über die Einrichtung eines Jugendausschusses in der Bundesgeschäftsstelle –, dass dadurch ureigene Kompetenzen der JU berührt seien. Die Vorschläge von Langguth „verkennen völlig die Aufgabe der Jungen Union“ und so bedeute der Aufbau „[z]usätzlicher Parteiinstanzen […] neben der Jungen Union mit gleichgerichteter Aufgabenstellung […] nichts anderes als Reibungsflächen und Auseinandersetzungen zu institutionalisieren“.54 Dem widersprach Langguth in einem Antwortschreiben an den JU-Vorsitzenden und bekräftigte, dass es ihm „nicht darum ging, der Jungen Union bestimmte Aufgaben wegzunehmen“.55 Eine weitere kritische Auseinandersetzung mit dem Papier wurde von der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der 51 Der Vorschlag Langguths zur Durchführung von Kongressen zu jugendrelevanten Themen wurde in den folgenden Jahren in der CDU und ihren Jugendorganisationen mit der zunehmenden Institutionalisierung von Jugendpolitik verstärkt umgesetzt. Vgl. die Kapitel „Die Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU“ und „Das ,Thema aller Themen‘“. Die Teilnahme von Nicht-Mitgliedern der CDU an großen, ausgewählten Veranstaltungen wurde erst gegen Ende der 1970er Jahre vermehrt zugelassen. Vgl. dazu die Kapitel „Die Basis ‚unserer politischen Existenz‘ – Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre“ und „,Mit der Jugend‘ – Der Jugendparteitag der CDU“. 52 Überlegungen zu einer langfristigen Jugendarbeit der CDU. Vorgelegt in leicht abgewandelter Form auf der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstandes am 27./28. Januar 1973 in Bonn, ACDP 07-001-709. Damit nahm Langguth eine Forderung seines Verbandes auf, denn der RCDS hatte bereits zwei Jahre zuvor die Einrichtung eines Jugendreferenten in der CDU-Bundesgeschäftsstelle gefordert, „der zum einen Modelle einer stärkeren Mitarbeit der Jugendlichen innerhalb der Partei ausarbeitet und der zum anderen die Verbindung zu den freien Jugendorganisationen hält.“ Kirsch: Die neue CDU, S. 22. 53 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1256 f. 54 Schreiben Jürgen Echternach an Rainer Barzel, 12.3.1973, ACDP 01-365-027/1. 55 Schreiben Gerd Langguth an Jürgen Echternach, 19.3.1973, ebd.
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Bundesrepublik Deutschland vorgenommen. Diese bemängelte vor allem, dass Langguth in seinen Überlegungen die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft völlig ausgeklammert habe, die aber für das Vorstoßen der CDU in bestimmte Gruppen innerhalb der Jugend von großer Bedeutung sein könnte. Auch der Vorschlag Langguths, sich zur Verbesserung des Verhältnisses zur Jugend stärker auf die Intellektuellen und deren Rolle als Multiplikatoren in die Gesellschaft zu stützen, wurde von der Arbeitsgemeinschaft kritisch betrachtet. Es bestehe die Gefahr, dass sich die CDU weiter von ihrer traditionellen Basis entferne und sich die Bindung zur evangelischen und katholischen Jugend immer weiter lockere.56 Die teils kontrovers geführte Debatte über die künftige Jugendpolitik und Jugendarbeit auf der Klausurtagung machte für die Teilnehmer eines deutlich: Die Partei wollte und musste sich intensiver als bisher um diesen Bereich kümmern. Über die Ausgestaltung der Institutionalisierung in der Bundespartei kursierten dabei noch unterschiedliche Ideen. Vollkommen einig waren sich alle Beteiligten nur darin, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Abseits der Auseinandersetzung über die Institutionalisierung offenbarte der Großteil der Wortmeldungen, dass 1972 die Jugendpolitik noch als enger gefasster Bereich definiert wurde, von dem Jugendarbeit abzugrenzen sei. Ansätze für eine weitreichendere Auslegung waren allerdings schon erkennbar, auch wenn diese noch nicht unter Jugendpolitik subsumiert wurden. So wurden in den nächsten Jahren die Begriffe „Jugendpolitik“ und „Jugendarbeit“ auch immer mehr miteinander vermischt, sodass eine klare Abgrenzung nicht mehr möglich war. Kroll-Schlüter äußerte zum Zusammenhang von Jugendpolitik und Jugendarbeit, dass Jugendpolitik die Voraussetzungen für eine gute Jugendarbeit schaffen könne, und die CDU ihre Jugendpolitik so formulieren müsse, „daß sie auf junge Menschen eine Faszination ausübt“ und generell eine „Perspektive“ biete.57 Als eine Folge der Debatte über die zukünftige Parteiarbeit einigte sich die CDU in Übereinstimmung mit der Bundestagsfraktion auf die Bearbeitung von zehn innen- und gesellschaftspolitischen Schwerpunktthemen,58 die ihre Politik in Zukunft maßgeblich bestimmen sollten.59 Dazu wurden Kommissionen gebildet, in denen diese Themen „zunächst vorgeklärt, vorbereitet, vorgearbeitet werden müssen“.60 Zu diesen zählte auch eine Kommission zum Thema „Jugend“, deren Federführung bei der Partei lag.61 Diese sollte „in erster Linie die Aufgabe haben […], dem Bundesvorstand so schnell wie möglich ein jugendpolitisches Programm für die kommenden Jahre vorzulegen“.62 Als Grundlage für die Erarbeitung eines solchen Programms sollten das Berliner Programm, die jugendpolitischen Leitsätze von 1972 sowie die Ausarbeitung von Gerd Langguth dienen.63 Über mehr jugendpolitisches Material verfügte die Partei noch nicht, wie Norbert Blüm auf einer Fraktionssitzung im Februar 1973 feststellen musste, nachdem er eine entspre 56 Vgl. Schreiben Joh. Tessmer an Dietrich Rollmann, 20.8.1973, ACDP 07-001-8901. 57 Papier „Zur Situation der Jugend und der Jugendarbeit in der BRD“ von Hermann Kroll-Schlüter, o. D., ACDP 07-001-1658. 58 Die einzelnen Themen waren Bodenrecht, Jugend, Soziale Dienste, Medienpolitik, Mitbestimmung, Frauen, Steuerpolitik, Familie, Berufliche Bildung und Eigentum. Vgl. Präsidium der CDU, Sitzung am 26.2.1973, ACDP 07-001-1406. 59 Vgl. auch Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 358 – 364; Wambach: Rainer Barzel, S. 667 – 669. 60 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 19.2.1973, S. 1264. 61 Vgl. ebd., S. 1266. 62 Vermerk Konrad Kraske an Karl-Heinz Bilke, 14.3.1973, ACDP 07-001-9136. 63 Papier zur Kommission „Jugend“, o. A., o. D., ebd.
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chende Antwort auf seine Äußerung erhielt, man könne zur Wiedergewinnung der Jugend die „Auflage unserer Jugendbroschüren [nicht] verdreifachen“, denn „null? Ja, null kann man nicht verdreifachen!“64 Tatsächlich gestalterisch tätig werden konnte die Kommission in ihrer Arbeit jedoch nicht, da die Maßgabe gestellt wurde, alle über das Berliner Programm hinausgehenden Arbeitsergebnisse eng mit der Partei abzustimmen und im zuständigen Gremium zu beraten und zu verabschieden.65 Aus Sicht der betreffenden Fachpolitiker in der Partei war es daher notwendig, die Institutionalisierung des Bereichs „Jugend“ in der CDU weiter voranzutreiben und zu verstärken. Überlegungen über die Einsetzung eines entsprechenden Jugendausschusses, wie sie auf der Klausurtagung Ende Januar 1973 und bereits in der gleichlautenden Kommission „Jugend“ zur Erarbeitung des Berliner Programms 1967 laut geworden waren, wurden parallel zu den Beratungen über die Einsetzung der neuen Kommission „Jugend“ angestellt. Eine Idee dabei war, diese Kommission als Kern für einen später auf Dauer einzurichtenden Jugendausschuss vorzusehen.66 In diesen Gedankenspielen war eine enge Abstimmung mit den Jugendorganisationen der CDU dringend geboten, wie die Befürchtungen aus den Reihen der JU auf die Errichtung von Parallelstrukturen innerhalb der Partei verdeutlichten.67 In die Kommission „Jugend“ wurden daher Vertreter aus JU, RCDS und der Jungen Arbeitnehmerschaft entsandt. Allein die kurz zuvor gegründete Schüler-Union war nicht vertreten.68 Den Vorsitz der Kommission „Jugend“ übernahm der versierte Jugendpolitiker Dietrich Rollmann. Dieser trieb mit Eifer die Arbeiten an einem jugendpolitischen Programm der CDU voran und bereits ein knappes halbes Jahr nach Einsetzung der Kommission lag ein erster Entwurf vor.69 Diesen übersandte er an den erst seit dem Bundesparteitag im Juni 1973 amtierenden CDU-Bundesvorsitzenden Helmut Kohl mit dem Vorschlag, aus den Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen zu diesem Entwurf eine Vorlage für den nächsten Bundesparteitag zu erstellen. Rollmann machte gegenüber Kohl gleichzeitig deutlich, dass mit dem Vorliegen eines jugendpolitischen Programms die Anstrengungen der Partei in diesem Bereich mitnichten beendet seien. Es fehlten in der Bundespartei nach wie vor ein jugendpolitischer Referent und ein jugendpolitischer Ausschuss, „obwohl beides mehrfach vorgeschlagen worden ist“. Zudem seien die „jugendpolitischen Initiativen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion […] durch die Partei und ihre Publikationsorgane nur unzulänglich gewürdigt und verbreitet [worden]“. Die jugendpolitischen Punkte des Berliner Programms wiederum könnten sich „in der Fraktion nur schwer durchsetzen“. Daher war laut Rollmann für „die zukünftige Jugendpolitik der CDU […] der Stellenwert entscheidend, den die Partei ihr einräumt“.70 64 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 5.2.1973 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_197302-05-t1012_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 65 Vgl. Blankoanschreiben Konrad Kraske an die zu berufenden Mitglieder der Kommission „Jugend“, 19.4.1973, ACDP 07-001-9136. 66 Vgl. Vermerk Konrad Kraske an Karl-Heinz Bilke, 14.3.1973, ebd. 67 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 19.2.1973, S. 1266. 68 Zur Gründung der Schüler-Union vgl. Kapitel „Die jungen Wilden – Das gewandelte Selbstverständnis der Jugendorganisationen“. 69 Entwurf Jugendpolitisches Programm der CDU, 7.8.1973, ACDP 07-001-11492. 70 Schreiben Dietrich Rollmann an Helmut Kohl, 7.8.1973, ACDP 07-001-9136.
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Besonders eilig schien es die Partei nicht mit einer Veröffentlichung des Programms zu haben, was auch an Bedenken des neuen Generalsekretärs Kurt Biedenkopf lag. Seiner Ansicht nach versprach der „jetzige Entwurf […] das Blaue vom Himmel herunter. […] Viele der Punkte, die als politische Forderungen aufgestellt werden, erscheinen völlig unrealistisch.“71 Rollmann aber drang weiter auf eine baldige Herausgabe des Programms, da die Kommission „auf die Erarbeitung […] sehr viel Zeit und Mühe verwandt und unsere Arbeit – von der Bundesgeschäftsstelle gedrängt – einigermaßen termingerecht abgegeben“ habe.72 Eine überarbeitete Fassung73 des Kommissions-Entwurfs wurde letztlich im Februar 1974 im parteieigenen Informationsdienst Union-in-Deutschland den Parteimitgliedern zur Diskussion vorgestellt.74 Die eingehenden Änderungsvorschläge führten dazu, dass auf der Bundesausschusssitzung am 18. März 1974 das jugendpolitische Programm nicht wie geplant dem Bundesvorstand zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt werden konnte, sondern die Kommission „Jugend“ mit der nochmaligen Überarbeitung des Entwurfs beauftragt wurde.75 Umfassende Änderungsvorschläge kamen aus den CDU-Landesverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe. Letzterer sah in dem vorliegenden Programm zu viele Leerformeln, die keine Antworten auf die drängenden Fragen der Jugend geben würden. Zudem sei die Aussage des Programms insgesamt zu schwach und müsse noch einmal mit den Jugendlichen selbst und ihren Verbänden diskutiert werden. Ein weiterer Kritikpunkt bezog sich auf die fehlende Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, der Entwurf sei zu stark auf die Bundespolitik fokussiert.76 Noch grundsätzlicher in seiner Kritik war der Landesverband Rheinland. Die Anforderungen an ein jugendpolitisches Programm sah dieser durch den vorliegenden Entwurf der Kommission „Jugend“ nicht erfüllt, da politische Aussagen in bestimmten Bereichen fehlten.77 Der Entwurf sei „aber sehr wohl geeignet, die Stellung der CDU zu den aktuellen Reformvorhaben der Jugendgesetzgebung in den an dieser Diskussion interessierten Bevölkerungskreisen zu verdeutlichen“, weshalb aber der Titel „Jugendpolitisches Programm“ zu weit greife und nach Vorstellung des Landesverbandes eine Umbenennung in „Thesen der CDU zu aktuellen Reformvorhaben in der Jugendgesetzgebung“ dem Inhalt eher gerecht werde.78 Tatsächlich war in der Vorlage der Kommission an das CDU-Präsidium vom 5. August 197479 nicht mehr die Rede von einem „jugendpolitischen Programm“, sondern von „jugendpolitischen Leitsätzen“, da es gegen die ursprüngliche Bezeichnung noch weiteren Widerstand gegeben hatte.80 An der grundsätzlichen Aussage wurde je 71 Vermerk Kurt Biedenkopf an Alfons Kühr, 3.9.1973, ACDP 07-001-11492. 72 Schreiben Dietrich Rollmann an Kurt Biedenkopf, 24.9.1973, ACDP 07-001-11555. 73 Die Überarbeitung wurde allerdings nicht von der zuständigen Kommission, sondern in der Bundesgeschäftsstelle „[a]uf Wunsch des Generalsekretärs [Biedenkopf, Anm. d. Verf.]“ vorgenommen. Schreiben Karl-Heinz Bilke an Dietrich Rollmann, 11.1.1974, ACDP 07-001-9136. 74 Vgl. „Jugendpolitisches Programm der CDU“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 6, 6.2.1974. 75 Vgl. Bundesausschuss der CDU, Sitzung am 18.3.1974, ACDP 07-001-614. 76 Vgl. Schreiben Norbert Schlottmann an den Bundesausschuss, 14.3.1974, ebd. 77 Dazu zählten laut dem Landesverband Jugend und Familie, Jugend und Gesellschaft, Jugend und Bildung sowie Jugend und Freizeit. Vgl. Antrag des CDU-Landesverbandes Rheinland an den Bundesparteiausschuss 4.3.1974, ebd. 78 Ebd. 79 Vgl. Präsidium der CDU, Sitzung am 5.8.1974, ACDP 07-001-1407. 80 Mit der Titeländerung stimmte auch die lange opponierende JU für die Verabschiedung des Papiers der Kommission „Jugend“, da es eben nicht ein jugendpolitisches Programm, sondern „nur jugendpolitische Leitsätze der CDU darstellt.“ Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am
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doch nicht mehr viel geändert und so wurden die Leitsätze schließlich am 23. September 1974 vom CDU-Bundesvorstand verabschiedet.81 Damit hatte die CDU laut Rollmann „das erste jugendpolitische Programm […] überhaupt“, das „für eine einheitlichere und aktivere Jugendpolitik der CDU sorgen“ werde.82 Die Abschwächung der Bezeichnung als Leitsätze änderte für den Jugendpolitiker demzufolge nichts an dem grundsätzlichen Erfolg, eine schriftlich festgehaltene Programmatik zur Jugendpolitik vorgelegt zu haben. Im Vergleich zu den jugendpolitischen Leitsätzen von 1972 war denen von 1974 ein Leitgedanke der CDU-Jugendpolitik vorangestellt: „Die Jugendpolitik der CDU ist auf die Entwicklung und Entfaltung des jungen Menschen in der Familie und in einer freien und offenen Gesellschaft gerichtet.“ Um dieses Ziel zu erreichen solle die Jugendpolitik der CDU „den Erziehungswillen und die Bildungskraft der Familie fördern sowie das Recht des Kindes als gleichwertiges Mitglied unserer Gesellschaft stärken“.83 In der Folge wurden Aufgaben und Maßnahmen der Jugendhilfe aufgeführt und dabei – wie in den Änderungsvorschlägen des Landesverbandes Westfalen-Lippe gefordert – stärker zwischen Bund, Ländern und Kommunen unterschieden.84 Eines wurde in den Leitsätzen sehr deutlich: Die Vorrangstellung der Familie und der damit verbundene Subsidiaritätsgedanke waren nach wie vor das höchste Gut in den Vorstellungen der CDU. Der Staat sollte und durfte auch in der Jugendpolitik nur bei dringendem Bedarf einschreiten. Die Leitsätze waren nach Auffassung Rollmanns zudem kein „Sofortprogramm“, sondern sollten eine Orientierung bieten für die „Jugendpolitik der CDU im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden in den nächsten Jahren“. Für die „jugendpolitischen Aussagen in einem CDU-Wahlprogramm und in einer CDU-Regierungserklärung für das Jahr 1976“ böten sie „sicher auch das Fundament“. Das bedeutete gleichzeitig, dass sich die „jugendpolitischen Vorstellungen bis 1976 noch weiter entwickeln werden. Gerade die Jugendpolitik der CDU ist dynamisch!“85 Dieser Ansicht war auch Langguth, der mit der Vorlage der jugendpolitischen Leitsätze durch die Kommission „Jugend“ die Arbeit der CDU an ihrer Jugendpolitik noch lange nicht für beendet hielt. Die bisher geleistete Arbeit durch die Kommission, insbesondere aber von Rollmann, wollte Langguth besonders betont wissen, da seiner Ansicht nach „die gesamte Jugendpolitik innerhalb der CDU nur ein paar – in Anführungsstrichen – ‚Fachidioten‘ überlassen wird“.86 Auch der Bundesvorsitzende erkannte die besonderen Bemühungen von Rollmann an, der „z. T. einen aussichtslosen Kampf gelegentlich führt“. Dennoch war laut Kohl die Jugendpoli23.9.1974, S. 819. Allerdings stellte Kohl in diesem Zusammenhang auch fest, dass Kritik von Seiten der JU an den Leitsätzen nicht angebracht gewesen sei aufgrund deren mangelnden Präsenz auf den Sitzungen der Kommission. Vgl. ebd., S. 819 f. 81 Vgl. ebd., S. 821. Veröffentlicht wurden die Leitsätze in „Jugendpolitische Leitsätze der CDU“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 41, 10.10.1974. 82 Dietrich Rollmann: „Die Jugendpolitischen Leitsätze der CDU“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 11, November 1974. 83 „Jugendpolitische Leitzsätze der CDU“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 41, 10.10.1974, S. 1. 84 Vgl. ebd., S. 2 – 8. 85 Entwurf Interviewantworten von Rollmann über Jugendpolitische Leitsätze, 23.10.1974, ACDP 01432-013/2. Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl 1976 wurde eine Fortschreibung der jugendpolitischen Leitsätze veröffentlicht. Es wurden einige neue Aussagen der CDU beispielsweise zum Kindergeld, zu Kindern in unvollständigen Familien und zur außerschulischen Jugendbildung aufgenommen. Vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Jugendpolitische Leitsätze der CDU. 86 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 23.9.1974, S. 821.
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tik „kein Thema – in diesem Bundesvorstand jedenfalls nicht – für ‚Fachidioten‘“, da sich „inzwischen […] auch in der CDU herumgesprochen [hat], daß selbst, wenn man es nicht will, es aus der Sache heraus zweckdienlich ist wegen der Wählerstimmen. Das ist ja auch immerhin ein Motiv.“87 Mit dieser Aussage anerkannte und unterstrich Kohl die These, dass eine gute Jugendpolitik dazu führen könne, die Jugend für die Partei und damit als Wähler zu gewinnen. Die Schwesterpartei CSU war ebenfalls nicht untätig in der Entwicklung eigener programmatischer Aussagen zur Jugendpolitik. Im Zuge der Überarbeitung des Grundsatzprogramms von 1968 wurde 1973 eine Arbeitsgruppe „Zielgruppe Jugend“ eingerichtet, die die „Rolle und Funktion der Jugend in unserer Gesellschaft […] definieren“ sollte. Ein entsprechender Passus im Grundsatzprogramm „müßte daher Angebote an die Jugend formulieren, um Apathie, Resignation und reinen Überlebensstrategien entgegenzuwirken“.88 Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe fanden Eingang in ein eigenständiges Kapitel „Die Interessen der jungen Generation“ im Grundsatzprogramm, das die CSU 1976 veröffentlichte.89 Die CSU-Jugendpolitik wurde als „treuhänderisches und partnerschaftliches Eintreten für die Interessen der jungen Menschen“ definiert, deren Grundlage „das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht der Eltern“ war. Anders als in den jugendpolitischen Leitsätzen der CDU, die sich auf Maßnahmen in der Jugendhilfe konzentrierten, enthielt das Kapitel im CSU-Grundsatzprogramm über die Jugend auch eine Situationsanalyse dieser Zielgruppe, die „keine einheitliche, in sich geschlossene Bevölkerungsgruppe“ darstelle. Ein weiterer Unterschied war die Einarbeitung einer Definition von Jugendarbeit, die zu „Familie, Schule, Berufsausbildung […] als soziales und politisches Feld für die heranwachsende Generation“ getreten sei. Ihre Funktion sei die der „Erziehung, der Interessenvertretung und der sinnvollen Freizeitgestaltung“.90 Bereits in ihrem Zwischenbericht von 1974 setzte die CSU – anders als die CDU in ihrer Diskussion Anfang 1973 – Jugendarbeit und Jugendpolitik in einen klaren Zusammenhang: „Moderne Jugendpolitik muß die Grundlagen zur öffentlichen Förderung und Sicherung der Jugendarbeit schaffen, die die Erfüllung solcher Aufgaben [gemeint sind die der Erziehung, Interessenvertretung und Freizeitgestaltung, Anm. d. Verf.] sichern.“91 Im Gegensatz zur CDU war die CSU deutlich früher bereit, grundsätzlichere und vor allem ausführlichere programmatische Aussagen zu ihrer Jugendpolitik zu treffen. Anders als die Christlichen Demokraten auf Bundesebene konnte die CSU in Bayern ihre Politik zudem in Regierungsarbeit umsetzen. Von der bayerischen Landesregierung wurde 1974 ein Jugendprogramm veröffentlicht, mit dem die „Förderung der Jugendarbeit und der Erziehungshilfe in Bayern entscheidend“ verbessert werden und die „Grundlage für die 87 Ebd. 88 Gutjahr-Löser/Waigel (Hg.): Die Grundsatzdiskussion in der CSU I, S. 61. 89 Bereits im August 1974 erschien ein Zwischenbericht der Arbeitsgruppe „Zielgruppe Jugend“, in dem viele der Aussagen, die zwei Jahre später im CSU-Grundsatzprogramm veröffentlicht wurden, enthalten waren. Darin wurden – im Gegensatz zu den etwa zeitgleich erschienenen jugendpolitischen Leitsätzen – weiter gefasste programmatische Aussagen zur CSU-Jugendpolitik getroffen. Vgl. Zwischenbericht der Arbeitsgruppe JUGEND der Grundsatzkommission, o. D., ACSP Bestand CSUGrundsatzkommission: 4. 90 CSU-Landesleitung (Hg.): Grundsatzprogramm der Christlich Sozialen Union, S. 55 f. 91 Zwischenbericht der Arbeitsgruppe JUGEND der Grundsatzkommission, o. D., ACSP CSU-Grundsatzkommission: 4.
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jugendpolitischen Zielsetzungen der Staatsregierung in den nächsten Jahren“ gebildet werden sollten.92 Von der Landespartei wurden diese Zielsetzungen voll unterstützt.93 Die Frage, ob das verstärkte Bemühen der CDU um die Jugend und der höhere Stellenwert der Jugendpolitik ein verbessertes Verhältnis zur jungen Generation zur Folge hatte, beantwortete die Partei schon kurze Zeit nach den Diskussionen in den Nachwahlanalysen positiv. Nach eigenem Empfinden schien sich das Verhältnis unter anderem dahingehend gebessert zu haben, dass die Jugend der CDU wieder zuhöre und mit ihr das Gespräch führe. Dadurch hatte die Partei laut Biedenkopf „die Jugend noch nicht als Mitglieder oder Freunde gewonnen, aber als Diskussionspartner.“94 Ähnlich sah es auch Helmut Kohl, der konstatierte, dass für die CDU „weite Teile der jungen Generation jetzt […] wieder ansprechbar sind“.95 Unterstützt wurde diese Annahme durch die Ergebnisse einiger Landtagswahlen in den Jahren 1974 bis 1976. Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg Anfang März 1974 machten fast 50 Prozent der Erstwähler ihr Kreuz bei der CDU96 und bei der Landtagswahl in Hessen Ende Oktober 1974 lag die CDU im Erstwählerergebnis sogar vor der SPD97. Dieser Umstand, zusammen mit der Tatsache, dass CDU und CSU neben Hamburg und Hessen auch in den Landtagswahlen in Bayern und Rheinland-Pfalz ihre Ergebnisse im Jungwählerbereich leicht verbesserten,98 führte die CDU zu der Annahme, eine „Tendenzwende“ zu ihren Gunsten bei den Jugendlichen beobachten zu können.99 Ob dies allerdings tatsächlich auf einen neuen Kurs der CDU gegenüber der Jugend zurückgeführt werden kann, ist fraglich. Größeren Einfluss hatten eher die Enttäuschung und Unzufriedenheit vieler Wähler über die Politik der sozial-liberalen Koalition im Bund und die zunehmenden Krisen im weltpolitischen 92 Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hg.): Jugendprogramm, München 1974. Auch in ACDP 07-001-8901. Kritik an diesem Programm wurde unter anderem von der Arbeitsgruppe Jugendpolitik des Deutschen Jugendinstituts laut. Nach Ansicht deren Mitglieder verstand sich die in dem Programm beschriebene Jugendpolitik „als Jugendförderungspolitik, beschränkt auf die Bereiche Jugendarbeit und Erziehungshilfe“. Dabei stelle es „ein eigenständiges und mit anderen politischen Aktivitäten unverbundenes Mittelsystem dar“, das nicht auf andere gesellschaftliche Bereiche hinübergreife. Gänzlich fehle dem Programm zudem eine Darstellung der gesellschaftlichen Situation der Jugendlichen, was dazu führe, dass die dort beschriebene Jugendpolitik nicht das ganze gesellschaftliche Phänomen Jugend umfassen könne. Letztlich sei das Jugendprogramm im Wesentlichen ein Programm zur Förderung der freien Träger der Jugendhilfe. deutsche jugend, Heft 5, Mai 1974. In ihrer Antwort auf die Kritik des Deutschen Jugendinstituts widersprachen Funktionäre aus dem bayerischen Landesjugendring dem letzten Punkt nicht, sahen dies aber vor allem darin begründet, dass es nach wie vor kein neues Jugendhilferecht gab und somit ein Jugendprogramm „keinen anderen Charakter […] als den eines Rahmenprogramms“ haben könne. deutsche jugend, Heft 7, Juli 1974. 93 Vgl. CSU-Landesleitung (Hg.): Aktionsprogramm Kulturpolitik für die Legislaturperiode 1974 – 1978. 94 22. Bundesparteitag der CDU, 18. – 20.11.1973 in Hamburg, S. 62. 95 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 28.1.1974, S. 509. 96 Vgl. CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 12.3.1974 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu07_1974-03-12-t1505_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 97 Vgl. ebd., 5.11.1974. 98 Vgl. Der Bundeswahlleiter (Hg.): Ergebnisse früherer Landtagswahlen, S. 167, 176, 179, 189. 99 Vgl. u. a. CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 12.3.1974 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu07_1974-03-12-t1505_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022); Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 14.1.1976, S. 1704; Wissmann: Jugend und Union, S. 469; Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 371 f.; Geyer: Rahmenbedingungen, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 11.
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Geschehen,100 aber auch die „gesellschaftliche […] Politisierung und Polarisierung“ und ein neues „Bedrohungsgefühl“ im „bürgerlichen Lager […], das nach der Entspannung in den sechziger Jahren erneut zusammenschweißte“101. Aus der CDU-nahen KonradAdenauer-Stiftung kamen zudem generelle Zweifel an einer Tendenzwende. Zwar kam eine Studie der KAS zu der Einsicht, dass in der Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen eine konservativere Haltung zu beobachten sei, doch diese Ergebnisse verlangten „eine sehr behutsame Interpretation“ und man könne daher „keinesfalls bereits jetzt von einer Tendenzwende zugunsten der Union“ sprechen.102 Andere Umfragen aus der Mitte des Jahres 1974 ließen gar eine „zunehmende Popularität“ des neuen Bundeskanzlers Helmut Schmidt unter den Jungwählern erkennen, wie Gerd Langguth auf einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands mit einigem Unbehagen konstatierte.103 Insgesamt ist die zeitgenössisch von einigen empfundene Tendenzwende nicht allein auf den politischen Bereich zu beziehen, sondern schließt einen „allgemeinen Kulturschock“ ein, der sich in Anbetracht einer verstärkt um sich greifenden Unsicherheit sowie einer vermehrt zu beobachtenden Werte- und Orientierungslosigkeit entfalten konnte.104 Die Befürworter einer konservativen Tendenzwende sahen im Jungwählerergebnis bei der Bundestagswahl 1976 zunächst noch eine Bestätigung ihrer These. Die Unionsparteien konnten bei den 18- bis 25-Jährigen ihren Stimmenanteil um 4,9 Prozentpunkte im Vergleich zu 1972 verbessern und lagen nun bei 40,2 Prozent, im Gegensatz dazu verloren die Regierungsparteien bei den Jungwählern.105 In der Retrospektive erscheint das Ergebnis von 1976 aber auch nur als „eine gewisse Erholung, die jedoch längst nicht zur Ausgangsposition zurückführt“.106
100 Vgl. u. a. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 466 – 471; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 563 – 567, 571 – 576; Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 53. 101 Bösch: Macht und Machtverlust, S. 212. 102 „Die Jugend sieht nicht mehr nur rot“, in: Presse-Information KAS, Nr. 11, 23.9.1974. Eine noch ausführlichere Studie aus der KAS lieferten Karl-Josef Does und Peter Gluchowski mit einem Beitrag über eine mögliche Tendenzwende in der Jugend. Auch sie kamen zu der Erkenntnis, dass es für eine solche Wende keine Anhaltspunkte gebe. Vgl. Does/Gluchowski: Tendenzwende in der politischen Orientierung der Jugend?, S. 52 – 66, Aussage auf S. 65. Von Seiten der Regierungsparteien im Bund gab es ebenfalls Zweifel an der von CDU und CSU erwarteten Tendenzwende. Die SPD bezog sich dabei auf eine Untersuchung des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft vom Mai 1975, die eine konservativere Haltung der jungen Generation widerlegte. Vgl. Vorstand der SPD (Hg.): Die SPD und die Politik für die Jugend, S. 19. Auch in AdsD Bestand SPD-Parteivorstand 13546. Ein Papier der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung beinhaltete gar die Aussage, die Jugendlichen und unter diesen vor allem die 18- bis 23-Jährigen stuften sich eher als „links“ ein. Papier „Die politische Grundorientierung der Jugend und ihre Einstellung gegenüber den Parteien“ der Friedrich-Naumann-Stiftung, 5./6.10.1974, ADL Bestand Deutsche Jungdemokraten, Bundesverband 19619. 103 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 25.11.1974, S. 987. 104 Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 50. 105 Vgl. Der Bundeswahlleiter (Hg.): Ergebnisse früherer Bundestagswahlen, S. 95. 106 Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 11.
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III. Die jungen Wilden – Das gewandelte Selbstverständnis der Jugendorganisationen Die Hoffnungen auf eine Tendenzwende zugunsten der Unionsparteien wurden auch durch den Mitgliederzulauf der CDU- beziehungsweise CDU-nahen Jugendorganisationen in der ersten Hälfte der 1970er Jahre kräftig genährt. Dieser Erfolg kam nicht von ungefähr, denn innerhalb dieser Jugendorganisationen hatte sich ab dem Ende der 1960er Jahre einiges in Bewegung gesetzt, das zu dieser Entwicklung beigetragen hatte. Vor allem die Junge Union sah sich nach dem Gang von CDU und CSU in die Opposition auf Bundesebene als „Speerspitze“1 der Reformbewegung innerhalb der Union und beurteilte dabei ihre bisherige Rolle in der Mutterpartei sehr kritisch. Sie sei die vergangenen zwei Jahrzehnte die „‚typische Jugendorganisation einer Regierungspartei‘“ gewesen, der man sich nicht anschloss, um „etwas [zu] wenden, sondern nur, [um] etwas [zu] werden“.2 Das Bild des „konservativen Karriereklubs“3 hatte sich in den Gründungsjahren der Bundesrepublik manifestiert, obschon sich die Junge Union in den 1950er und 1960er Jahren selbst durchaus als „Wachrüttelkommando und Motor der CDU/CSU“ feierte, dem allerdings „nicht selten […] der nötige Treibstoff“ fehlte.4 Die Junge Union blieb laut ihres rheinischen Landesvorsitzenden Karl Lamers „‚eher Nachhut als Vorhut der Partei‘“ und der Junge Unionist ein Funktionär „mit Uhrkette, Zigarre, Hut, Frau und fünf Kindern“.5 Die Junge Union habe sich „auf die Rolle der fleißigen Wahlhelfer, der geschickten Organisatoren und Postensammler“6 beschränkt und sei lediglich „lammfromm neben der Mutterpartei“ einher getrottet, wie es Jürgen Echternach in einem Rückblick konstatierte. Dabei habe sie es nicht für nötig gehalten, „eigene Standpunkte zu entwickeln, das Verhalten der Gesamtpartei kritisch zu überprüfen und sich einer offenen Diskussion zu stellen“.7 Mit Blick auf die jüngere Vergangenheit der JU kritisierte Echternach vor allem ihr Verhalten während der Studentenunruhen. Man könne ihr nicht zum Vorwurf machen, dass sie „den zum Teil verworrenen Ideen von APO und ‚Neuer Linken‘ ablehnend gegenüberstand […], sondern, daß sie diesen Ideen nichts eigenes entgegenzusetzen hatte und für eine Diskussion nicht gerüstet war“.8 Diese Aufgabe habe in dieser Zeit eher der RCDS übernommen, wie es der damalige Bundesvorsitzende Wulf Schönbohm rückblickend feststellt. Der CDU-nahe Studentenverband sei der einzige gewesen, der versucht habe, eine Gegenposition in der Auseinandersetzung insbesondere mit dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund und dem Sozialdemokratischen Hochschulbund zu beziehen.9 Kritisch betrachtete der
1 Krabbe: Parteijugend, S. 183. 2 „Junge Union: Sog. Elite“, in: Der Spiegel, Nr. 47, 17.11.1969. 3 „Deutschlandtag: Konflikte offen austragen“, in: UiD, Nr. 41, 25.10.1973, S. 6. 4 Sepp Binder: „Das Lied von der Veränderung“, in: Die Zeit, 25.9.1970. 5 „Junge Union: Sog. Elite“, Der Spiegel, Nr. 47, 17.11.1969. 6 Sepp Binder: „Das Lied von der Veränderung“, in: Die Zeit, 25.9.1970. 7 Papier „Jugend muß verwundbar bleiben“ von Jürgen Echternach, o. D., ACDP 04-007-002/1. 8 Ebd. 9 Gespräch mit Wulf Schönbohm (am 13. August 2016).
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RCDS dabei auch immer die mangelnde Unterstützung seitens der Union und der JU in seiner Arbeit vor Ort. Der RCDS werde, so der langjährige RCDS-Vorsitzende Gerd Langguth, „in seinen Bemühungen an der Hochschule […] alleingelassen“.10 Demgegenüber stand allerdings das sich bereits in den 1950er Jahren etablierende Selbstverständnis des RCDS, sich eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der Union und der JU zu bewahren und als „Gesprächspartner“ der Union zu agieren. So war der Studentenverband nicht in der Satzung der CDU verankert, eine enge Verbundenheit mit der Union und ihrer Regierungspolitik war aber dennoch in dieser Zeit vorhanden.11 Mit der zunehmenden Kritik in der Studentenschaft am politischen System in den 1960er Jahren sah sich der RCDS verstärkten Vorwürfen ausgesetzt, der „verlängerte Arm der CDU“ zu sein. Dies stimmte insofern, als dass der RCDS nicht in solche grundsätzlichen Auseinandersetzungen ging wie der SDS mit der SPD, aber auch nicht völlig kritiklos gegenüber der Union auftrat.12 Im Gegenteil baute der RCDS seinen Willen zur Eigenständigkeit noch weiter aus und wollte sich mehr als „unbequemer Partner“ sehen.13 Mit der Herausgabe der politischen Zeitschrift „Sonde“ seit Ende der 1960er Jahre verschaffte sich der RCDS-Bundesvorstand ein publizistisches Sprachrohr, das sich zuvorderst als „der innerparteiliche Reformmotor für die CDU“ verstanden wissen wollte. Die einmal im Jahr veröffentlichten Sonde-Thesen formulierten „zugespitzt […], was in der CDU […] eine Rolle gespielt hat“.14 „Speerspitze“ und „Reformmotor“ veranschaulichen den starken Willen innerhalb der Jugendorganisationen der Union, dringend notwendige Veränderungen zu erkennen und umsetzen, um für die junge Generation attraktiv zu werden – und dabei auch erst einmal bei sich selbst anzufangen.15 Einen großen Schritt machte dabei die Junge Union auf ihrem Deutschlandtag vom 7. bis 9. November 1969 in Hamm. Als „wichtigen Einschnitt in der Entwicklung“16 des Verbandes bezeichnet, definierte der Unionsnachwuchs auf dem Deutschlandtag sein Verhältnis zur Mutterpartei fortan als „kritische […] Distanz“ und war sich zudem „darüber einig, daß eine Schwerpunktverlagerung auf innen-, gesellschafts- und bildungspolitische Fragen notwendig sei“. Die Junge Union sah sich dazu veranlasst, „radikale Rechenschaft über sich selbst und über die Unionspolitik“17 und insbesondere das Image als „Propaganda-Trupp der CDU/CSU“ abzulegen.18 Stattdessen wollten die Jungpolitiker als „Sprachrohr der jungen Generation in der CDU wirken“19 und „die Rolle des Antriebsmotors in dieser Partei nicht allein den Sozialaus 10 19. Bundesparteitag der CDU, 4. – 5.10.1971 in Saarbrücken, S. 87. Ähnlich äußerte sich Langguth im Jahr darauf auf einer Sitzung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, indem er monierte, dass die Bereitschaft, „sich an der ideologischen Front an der Hochschule zu engagieren, offensichtlich nicht überall sehr stark“ sei. CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 25.1.1972 (2. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-06_1972-01-25-t2008_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 11 Vgl. Simon: Programmatik und Zielvorstellungen des RCDS, S. 8. 12 Ebd. 13 Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 144. 14 Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). 15 Vgl. Echternach: Auf eigenständigem Reformkurs, S. 146. 16 Rede des neugewählten Bundesvorsitzenden Jürgen Echternach, 9.11.1969, ACDP 04-007-021/2. 17 Krabbe: Parteijugend, S. 175 f. 18 „Echternach gab der Jungen Union ein neues Profil – verlor aber sein eigenes“, in: Die Welt, 18.10.1973. 19 Echternach: Auf eigenständigem Reformkurs, S. 146.
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III. Die jungen Wilden – Das gewandelte Selbstverständnis der Jugendorganisationen
schüssen oder dem RCDS überlassen“.20 Personell verkörpert wurde dieser Wandel auf dem Deutschlandtag 1969 durch den Wechsel an der Spitze der Jugendorganisation: Egon Klepsch, der mit seinen 40 Jahren nicht mehr glaubwürdig als Vertreter jugendlicher Interessen auftreten konnte, wurde durch den 32-jährigen Hamburger Jürgen Echternach abgelöst. Klepsch konnte zudem sowieso nicht mehr erneut antreten, da sich die JU mit einem „scharfen Schnitt in der Satzung […] von ihren alten Mitgliedern“21 trennte: Das Höchstalter wurde von 40 auf 35 Jahre herabgesetzt.22 Gegenüber der CDU betonte der neue Bundesvorsitzende auf dem 17. Bundesparteitag in Mainz einige Tage später das gewandelte Selbstverständnis der JU. Die Zeiten der „geruhsamen späten 50er oder ersten 60er Jahren“ seien vorbei, die Junge Union brauche nun, um in der jungen Generation „glaubwürdig“ zu sein, „mehr Eigenständigkeit“ und „mehr Freiheit zur Kritik“. Echternach warb dabei gleichzeitig um das „notwendige Vertrauen in die Junge Union […], daß sie diese kritische Funktion auch in der Partei letzten Endes im Interesse der Partei ausübt“. Die Junge Union werde mit ihrer künftigen Haltung „nur handeln […] aus unserer gemeinsamen Verantwortung gegenüber unserer Partei“.23 Mit diesen Worten beabsichtigte Echternach vor allem, Sorgen auf Unionsseite vorwegzunehmen, die Junge Union würde sich in eine ähnliche Richtung entwickeln wie die Jugendorganisationen von SPD und FDP und auf Konfrontationskurs zur Mutterpartei gehen. Themen fanden sich dennoch schnell, bei denen die JU eine andere beziehungsweise abgewandelte Position einnahm als die Union. So hatte der Programmparteitag in Düsseldorf im Januar 1971 Meinungsunterschiede insbesondere in den Themenbereichen der „Weiterentwicklung der Demokratie (vor allem mit dem Demokratieverständnis des ehemaligen Generalsekretärs Dr. Heck)“, der „Ostpolitik, vor allem Anerkennung der Oder Neiße (allerdings auch mit Einschränkung)“, der „Mitbestimmung (eigener Entwurf [der JU, Anm. d. Verf.] zum Programm)“, der „Bildungspolitik (viele Vorstellungen im Programm durchgesetzt, aber auch sehr vieles vom Parteitag abgelehnt)“ sowie in den Themen Bodenrecht und Umweltschutz aufgezeigt. Insgesamt sah sich die Junge Union durch den in Hamm vorgenommenen Standortwechsel bereits zwei Jahre später „weiter links von der CDU“.24 Zur selben Zeit stand in der CDU eine wichtige Personalentscheidung an, in der Junge Union und RCDS durch klare Positionierung ihre Haltung untermauerten. Mit Rainer Barzel und Helmut Kohl standen zwei Kandidaten für das Amt des CDU-Bundesvorsitzenden zur Wahl, die für die Jugendorganisationen zwei verschiedene Welten der CDU repräsentierten. Auf der einen Seite der langjährige Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Rainer Barzel, der dem Unionsnachwuchs als Vertreter der Generation aus den Zeiten Konrad Adenauers galt, und auf der anderen Seite der doch nur sechs Jahre jüngere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl. Diesen verbanden JU und RCDS eher mit dem Bild eines Reformers, dem es gelingen könne, die CDU für große Teile der jungen Generation wieder wählbar zu machen. So plädierte Langguth in seiner Funktion als RCDS-Vorsitzender auf dem 20 Rede des neugewählten Bundesvorsitzenden Jürgen Echternach, 9.11.1969, ACDP 04-007-021/2. 21 Sepp Binder: „Das Lied von der Veränderung“, in: Die Zeit, 25.9.1970. 22 Bundessekretariat der Jungen Union Deutschlands (Hg.): Beschlüsse des Deutschlandtages 1969. Auch in ACDP 04-007-021/2. 23 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 45. 24 Zusammenstellung möglicher Diskussionspunkte für Gespräch zwischen Kraske und JU, o. A., o. D., ACDP 07-001-11388.
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Bundesparteitag in Saarbrücken im Oktober 1971 für den Kandidaten Kohl und wies an dieser Stelle auf die zurückliegende Landtagswahl in Rheinland-Pfalz, bei der die CDU die Mehrheit der Jungwähler auf sich hatte vereinen können.25 Im RCDS war der Schnitt in seinem Selbstverständnis nicht ganz so radikal wie in der JU. 1967 erfolgte eine „Neubesinnung“ des Studentenverbandes, die mehr Aktivitäten des RCDS an den Hochschulen und einen stärkeren Austausch mit der Mutterpartei beinhaltete.26 Allerdings war man mit Blick auf die Studentenproteste ebenso darauf bedacht, die bisher propagierte Eigenständigkeit noch stärker herauszustellen. So sah sich der RCDSVorsitzende Uwe-Rainer Simon auf der Bundesdelegiertenversammlung 1969 heftiger Kritik ausgesetzt, da er im Wahlkampf vor der Bundestagswahl an die Jugend appelliert hatte, ihr Kreuz bei den Unionsparteien zu machen.27 Auf derselben Versammlung wurde außerdem das erste Grundsatzprogramm des RCDS verabschiedet, in dem dieser seine theoretischen Grundlagen und sein Selbstverständnis darstellte. Damit wurde der RCDS endgültig als „Gegenpol“ zu den extrem linken Studentenverbänden gesehen, da er nach eigener Aussage eine „politische Alternative zur revolutionären Theorie der neomarxistischen, sozialistischen Studentenverbände“ biete. So bestand sein Selbstverständnis darin, sich „als vordenkende Gruppe in der Politik [zu sehen], die aus geistigem und ideellem Engagement zur Analyse und Lösung der politischen Probleme der Gesellschaft beitragen und für eine ständige Reform der gesellschaftlichen Zustände eintreten“ wolle.28 Eine direkte Verbindung zu CDU und CSU wurde in den „39 Thesen zur Reform und zu den Zukunftsaufgaben deutscher Politik“ allerdings „peinlichst verschwiegen“ – „[…] auch hier waren die Nachwirkungen […]“ der Studentenunruhen noch deutlich zu spüren.29 Mit seinem Grundsatzprogramm wurde zudem eine gewisse „Zwitterstellung“ des RCDS deutlich, die er ab Ende der 1960er Jahre immer wieder zwischen dem Eintreten für studentische Interessen und dem für allgemeinpolitische Reformbestrebungen einnahm.30 Die Verbundenheit zur Mutterpartei blieb weiterhin bestehen, der RCDS wollte – wie die Junge Union seit 1969 auch – aber eine kritische Distanz zur Politik der Union wahren, um nach wie vor unabhängig in seiner eigenen Willensbildung zu bleiben. Andererseits formulierte der Verband 1971, Einfluss auf Denk- und Veränderungsprozesse in der CDU nehmen zu wollen und dies durch eine „weitgehende Kooperation mit der Partei auf allen Ebenen“ zu ermöglichen.31 Unter dieser Kooperation stellte sich der RCDS auch mehr Rechte innerhalb der Partei vor. So forderte er bereits Ende 1969 grundsätzliches Rederecht auf den Parteitagen sowie das Recht, an den Bundesvorstandssitzungen teilnehmen zu können. Zu diesem Zeitpunkt war die CDU allerdings noch nicht gewillt, auf diese Forderungen einzugehen und stellte dem RCDS lediglich die Überprüfung des Rederechts in Aussicht.32 25 Vgl. 19. Bundesparteitag der CDU, 4. – 5.10.1971 in Saarbrücken, S. 122. Zum Machtkampf um den Parteivorsitz vgl. Wambach: Rainer Barzel, S. 441 – 467; Schwarz: Helmut Kohl, S. 156 – 166; Kohl: Erinnerungen 1930 – 1982, S. 286 – 293, 309 – 317. 26 Simon: Programmatik und Zielvorstellungen des RCDS, S. 9. 27 Vgl. Ibielski/Kirsch: Geschichte: Der RCDS als vordenkende Gruppe in der Politik, S. 45. 28 Simon: Programmatik und Zielvorstellungen des RCDS, S. 5, 9. 29 Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 279. 30 Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). 31 Simon: Programmatik und Zielvorstellungen des RCDS, S. 10. 32 Vgl. Präsidium der CDU, Sitzung am 12.12.1969, ACDP 07-001-1402.
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III. Die jungen Wilden – Das gewandelte Selbstverständnis der Jugendorganisationen
Der CDU machte der Verlust der Regierungsmehrheit neben der Notwendigkeit eines stärkeren Bemühens um die junge Generation auch deutlich, Kritik des eigenen Nachwuchses nicht länger als „unliebsame ‚Störung‘“ aufzufassen, so CDU-Generalsekretär Heck auf dem Mainzer Parteitag 1969.33 Vielmehr gelangte man in der Partei zur Auffassung, insbesondere die JU mehr zu unterstützen, um diese im Werben um die Jungwähler besser aufstellen zu können.34 Dieses Angebot sah die Junge Union allerdings äußerst kritisch, befürchtete sie doch eine Einmischung in ihre ureigenen Aufgaben, vor allem in die der Ansprache der Jugend. Einen ersten Anhaltspunkt lieferte wie oben bereits erwähnt Bruno Heck auf dem 17. Parteitag der CDU in Mainz im November 1969, indem er das Bemühen um die junge Generation nicht mehr allein der Jungen Union und dem RCDS überlassen wollte, sondern klar äußerte, dass dies fortan „von der ganzen Partei als erstrangige Aufgabe begriffen werden“ müsse.35 Die Junge Union allerdings wehrte sich heftig gegen diesen in ihren Augen starken Eingriff in die eigenen Kompetenzen, wie die Auseinandersetzung zwischen Konrad Kraske und Jürgen Echternach auf der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstandes im Januar 1973 nochmals eindrucksvoll zeigte.36 Zudem sah sie durch die mögliche Aufgabenbeschneidung das Vorhaben von Hamm in Gefahr, sich von dem Image eines Karrierevereins lösen zu können. Die JU müsse daher weiterhin erster Ansprechpartner der Jugend sein – und nicht die Mutterpartei –, um dem Bild einer „pressure group“ entgegenwirken zu können.37 Anders reagierte der RCDS 1971 auf Gedankenspiele aus der CDU, im Aufgabenbereich des Studentenverbandes zu wildern. Generalsekretär Bruno Heck äußerte im Vorfeld des Bundesparteitages in Saarbrücken die Idee, CDU-Hochschulgruppen an den verschiedenen Universitäten aufzubauen und zu unterstützen.38 Der RCDS schien darin aber zunächst keine Einmischung in seine Kernkompetenzen zu sehen, sondern vielmehr eine Möglichkeit für Hochschulangehörige – nicht Studenten –, die der CDU nahestanden, sich untereinander besser zu vernetzen und gemeinsame Politik machen zu können.39 Das größere Konfliktpotential bestand Anfang der 1970er Jahre demnach vor allem zwischen der Jungen Union und ihrer Mutterpartei. Besonders in den Jahren 1972 bis 33 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 31. 34 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 20.11.1972, S. 1012. 35 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 31. 36 Vgl. Kapitel „Katerstimmung nach der Bundestagswahl 1972“. 37 Schreiben Jürgen Echternach an Rainer Barzel, 12.3.1973, ACDP 01-365-027/1. 38 Vgl. Bericht der Bundesgeschäftsstelle. Anlage zum Bericht des Generalsekretärs. 19. Bundesparteitag der CDU, 4. – 5.1971 in Saarbrücken, S. 27. Seit Anfang 1971 hatte sich die CDU-Bundesgeschäftsstelle „aktiv und fördernd“ in den Aufbau solcher CDU-Hochschulgruppen eingeschaltet, da sich insbesondere durch die „politisch-ideologische Frontenbildung an den Hochschulen durch linke Gruppen verschiedener Couleur“ die Notwendigkeit für Professoren, Assistenten und Studenten, die Mitglieder der CDU sind oder ihr angehörten, ergeben habe, „organisatorische Formen für eine gemeinsame Wahrnehmung ihrer hochschulpolitischen Interessen zu finden.“ Der RCDS sollte nach den Vorstellungen der Bundesgeschäftsstelle in die Neuorganisation eingebunden werden. Ebd. 39 Vgl. 19. Bundesparteitag der CDU, 4. – 5.10.1971 in Saarbrücken, S. 87 f. Im weiteren Verlauf des Untersuchungszeitraums wurden solche Gedankenspiele über Gründungen von CDU- beziehungsweise JUHochschulgruppen weiter betrieben. Ein Grund war unter anderem die Auffassung, der RCDS sei zu weit nach links gerückt. Vereinzelt kam es auch zu Gründungen von Hochschulgruppen, die durch die CDU oder die JU initiiert wurden, doch gab es in diesen Fällen Kritik aus dem RCDS, da dieser einerseits um Sitze in den Studentenparlamenten fürchtete, aber sich auch nicht als „Betriebskampftruppe an der Uni“ denaturieren lassen wollte. „RCDS: Rivalen von rechts“, in: Der Spiegel, Nr. 21, 22.5.1978.
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1974 spitzten sich die Auseinandersetzungen zu und verschafften der Jungen Union das in Hamm erhoffte neue Image einer kritischeren Jugendorganisation.40 Die Verabschiedung des ersten Grundsatzprogramms der JU kurz vor der Bundestagswahl 1972 konnte bereits als kleine Provokation gegenüber CDU und CSU aufgefasst werden. Mit der Veröffentlichung verfolgte die JU zuvorderst die Bestimmung des eigenen Standortes, eine bessere Ansprache der Jugend sowie die Hoffnung, durch das Programm auch das öffentliche Bild der Union mitprägen zu können.41 Diese hatte nach Auffassung des Parteinachwuchses in den ersten Oppositionsjahren nämlich den Fehler begangen, sich lediglich um die Tagespolitik zu kümmern und dabei die dringend notwendige Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung außer Acht gelassen. Die Partei habe es auch versäumt, die eigene Programmatik entsprechend weiterzuentwickeln und nach außen zu transportieren. Diesen Prozess wolle die JU nun voranbringen und sich an die Spitze der Reformbewegung in der Partei stellen.42 Das Programm solle zudem die politische Grundlage für den „offensiven Kampf der Jungen Union um die Stimmen der Jungwähler“ sein.43 In der Durchführung des Deutschlandtages in Fulda mit der Verabschiedung des Grundsatzprogramms knapp 20 Tage vor der Bundestagswahl 1972 sah die Junge Union daher kein Problem, stattdessen unternahm sie laut ihres Bundesvorstandsmitglieds Matthias Wissmann „den Versuch […], im Wahlkampf gerade der jungen Generation deutlich zu machen, daß es endlich vorbei ist mit dem oft vorhanden gewesenen Selbstverständnis, daß man eben, wenn man erst einmal das Parteibuch in seinem Besitz hat, den kritischen Verstand als an der Garderobe abgegeben ansieht“.44 In der CDU beobachteten dennoch einige Mitglieder den Vorstoß der Jungen Union so kurz vor der wichtigen Wahl mit Argwohn, vor allem, da in einigen Punkten größere Differenzen zum eigenen Regierungsprogramm auftraten. Ein Punkt im Grundsatzprogramm behandelte beispielsweise den Bereich der Mitbestimmung in Betrieben.45 So hieß es dort, dass die Unternehmensleitung der „gleichgewichtigen Legitimation der Faktoren Arbeit und Kapital“ bedürfe.46 Damit setzte sich die Junge Union dem Regierungsprogramm der CDU zur Bundestagswahl entgegen, forderte sie damit doch die paritätische Mitbestimmung. Bereits auf dem Düsseldorfer Parteitag im Januar 1971 brachte die Junge Union einen Antrag ein, der die Vertretung junger Arbeitnehmer in den Betrieben, insbesondere in den Betriebsräten, stärken sollte.47 In der Folge suchte die JU in dieser Frage einen starken Schulterschluss mit den Sozialausschüssen, die auf dem Hamburger Parteitag 1973 schließlich mit einem eigenen Antrag – dem sogenannten
40 Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 277. 41 Vgl. Presseinformation der JU Deutschlands, 29.11.1971, ACDP 07-001-11388. 42 Vgl. Krabbe: Parteijugend, S. 183; Wulf Schönbohm: „Zum JU-Grundsatzprogramm“, in: Junge Union Deutschlands (Hg.): Deutschlandtag ’72. 43 Wulf Schönbohm: „Zum JU-Grundsatzprogramm“, in: Junge Union Deutschlands (Hg.): Deutschlandtag ’72. 44 20. Bundesparteitag der CDU, 9. – 11.10.1972 in Wiesbaden, S. 97 f. 45 Vgl. grundlegend zum Thema Mitbestimmung und der Diskussion darüber in der CDU Zolleis: Die CDU, S. 81 – 83, 151 – 182. 46 Junge Union Deutschlands: Für eine humane Gesellschaft. Grundsatzprogramm der Jungen Union Deutschlands, S. 6. 47 Vgl. Antragsbroschüre für den 18. Bundesparteitag der CDU, 25. – 27.1.1971 in Düsseldorf, Antrag 560, o. D., S. 95 f., ACDP 07-001-22073.
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III. Die jungen Wilden – Das gewandelte Selbstverständnis der Jugendorganisationen
Katzer-Modell – dieselben Vorstellungen in die programmatische Diskussion der CDU einbrachten.48 Auffällig ist, dass die Junge Union hierbei nicht die Zusammenarbeit mit der Jungen Arbeitnehmerschaft suchte, der Jugendorganisation der Sozialausschüsse. Über den gesamten Untersuchungszeitraum wurden von Seiten der JU wie auch vom RCDS abseits der Zusammenarbeit in den jugendpolitischen Gremien nur selten gemeinsame Aktionen und Kooperationen mit der Jungen Arbeitnehmerschaft geplant, was verwundert, da doch gerade die Gruppe der jungen Arbeitnehmer innerhalb der Jugend eine nicht zu verachtende Zahl darstellte.49 Nach eigenen Untersuchungen war für die Union gerade in dieser Gruppe ein beachtliches Wählerpotential vorhanden, das angesichts der starken Fokussierung von JU und RCDS auf Studenten und Schüler allerdings brach lag.50 Das Problem dieser einseitigen Fokussierung in ihrer Arbeit wurde innerhalb der Jungen Union durchaus erkannt. So stellte unter anderem Heinz Riesenhuber in der Begründung für den Antrag auf dem Düsseldorfer Parteitag fest, dass die JU „mit aller Entschiedenheit in die Gruppen der Lehrlinge kommen“ und hier „eine politische Macht werden [muss], an der man nicht mehr vorbeigehen kann“.51 Gemeinsam mit der JA, die 1975 ca. 40.000 Mitglieder zählte und damit in der CDU die zweitgrößte Jugendorganisation darstellte,52 hätte die Junge Union dieses Vorhaben mit großer Sicherheit umsetzen können. Doch trotz dieser Beteuerungen zu Beginn der 1970er Jahre blieb das Potential der Jungen Arbeitnehmerschaft als Jugendorganisation von Junger Union und vom RCDS weitgehend ungenutzt.53 48 Dabei befürwortete das Katzer-Modell die grundsätzliche Parität zwischen Kapital und Arbeit, während der angenommene Antrag des CDU-Bundesvorstandes auf ein partnerschaftliches Verhältnis setzte, das in Pattsituationen den Kapitaleignern den Vorzug gab. Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 361. Insgesamt diente die „Interessenseilschaft“ aus JU, Sozialausschüssen und Frauenvereinigung bis Mitte der 1970er Jahre vor allem dazu, innerparteiliche Reformen nach den eigenen Vorstellungen voranzubringen. Vgl. „Generationenvertrag. Was die CDU unter Jugendprogramm versteht“, in: Capital, Oktober 1981; vgl. auch Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 361; Grotz: Die Junge Union, S. 128; Wambach: Rainer Barzel, S. 712. 49 1977 waren rund 2,3 Millionen Jugendliche im Alter zwischen 15 und 20 Jahren erwerbstätig. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1978, Ergebnisse aufgrund des Mikrozensus, Wiesbaden 1978, S. 91. Zitiert nach BT-Drs. 8/3685, 20.2.1980, S. 21. Die Zusammenarbeit habe laut Franz Josef Jung vor allem mit den Sozialausschüssen stattgefunden und nicht mit deren Unterorganisation. Gespräch mit Franz Josef Jung (am 1. September 2016). 50 So Alfred Burger auf einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im April 1980, der in dieser Gruppe ein großes „Reservoir“ für die Unionsparteien sah, da junge Arbeitnehmer „in aller Regel“ Auffassungen von CDU und CSU teilen würden. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 15.4.1980, ACDP 08-001-1061/1, S. 44. 51 18. Bundesparteitag der CDU, 25. – 27.1.1971 in Düsseldorf, S. 316. In einem Entwurf an die CDU-Bundesgeschäftsstelle für ein Papier zu einem Jugendforum der CDU 1975 machte Hermann Kroll-Schlüter den Vorschlag, neben den bestehenden Jugendorganisationen der CDU auch über die Gründung einer Lehrlings-Union nachzudenken. Neben diesem Vorschlag wurde allerdings handschriftlich ein „nein“ vermerkt. Vgl. Papier „Aufgabenfelder für Jugendliche in der Gesellschaft“ von Hermann Kroll-Schlüter, 22.9.1975, ACDP 07-001-8904. 52 Vgl. Vorbereitungsmaterial des Jugendforums der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, März 1976, ACDP 07-001-8908. 53 Laut Stephan Eisel bestand die JA in der Wahrnehmung des RCDS „nur aus einer Person und das war Thomas Mann“, der langjährige Vorsitzende der JA. Dieser trat zwar regelmäßig auf Bundesparteitagen auf, doch insgesamt sei „weder auf Bundes- noch auf Regionalebene […] da eine Substanz“ gewesen. Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016).
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Die Zusammenarbeit zwischen JU und RCDS wurde in den 1970er Jahren nicht signifikant ausgebaut. Im Dezember 1973 drückte der neue Vorsitzende der Jungen Union gegenüber dem RCDS-Vorsitzenden Langguth zwar seinen Wunsch nach einer verstärkten Kooperation zwischen den beiden Jugendorganisationen aus, die geplanten Gespräche fanden aber nicht statt.54 Dennoch sei das Verhältnis zwischen Junger Union und RCDS über den gesamten Untersuchungszeitraum ein gutes gewesen, wie Stephan Eisel55 rückblickend konstatiert; der Unterschied in der politischen Arbeit habe vor allem darin bestanden, dass der RCDS stärker an der politischen Front gestanden habe.56 Hier gab es auch nach wie vor Kritik des Studentenverbandes an mangelnder Unterstützung seitens der Mutterpartei. So kritisierte Gerd Langguth gegenüber dem CDU-Bundesvorstand die fehlende Bereitschaft führender CDU-Politiker, vor Ort an den Hochschulen gemeinsam mit dem RCDS aufzutreten.57 Im Bemühen, einen kritischeren Blick auf die Politik der Mutterpartei zu werfen, ging die JU auch in der Deutschlandpolitik neue Wege. Erstmals in ihrer Geschichte nahm sie im Sommer 1973 an den Weltjugendfestspielen – einem internationalen Jugendtreffen aus überwiegend kommunistischen Jugend- und Studentenverbänden – teil, die in diesem Jahr in Ost-Berlin stattfanden. Der Entscheidungsprozess hinsichtlich einer Teilnahme lief in der JU diametral entgegengesetzt zum RCDS. Letzterer wollte ursprünglich nach OstBerlin fahren, sah aber am Ende von einer Beteiligung ab, da er die politischen Aussagen der Resolution der teilnehmenden Jugendverbände nicht unterstützen wollte.58 Die Junge Union dagegen schlingerte in ihrem Kurs hin und her, kritisierte zu Beginn des Jahres 1973 noch die Teilnahme der Jungsozialisten und der Jungdemokraten.59 Eine 180-GradWende vollzog der JU-Bundesvorstand erstmals Ende Februar, indem er zu dem Beschluss kam, nach Ost-Berlin fahren zu wollen. Zur Begründung hieß es, die JU wolle „alle Möglichkeiten nutzen, um gegenüber der Jugend der Welt und insbesondere der Jugend in den Ostblockländern die politischen Vorstellungen der Jungen Union und der jungen Generation der Bundesrepublik darzustellen und für diese Auffassung einzutreten“.60 Die Vertreter der Jungen Union sollten „für die Freiheit […] werben“ sowie die „deutschland-politische [sic!] Haltung der Jungen Union deutlich machen“.61 Diese Entscheidung sorgte in der CDU, aber auch in den eigenen Reihen für eine große Überraschung und teilweise heftige Kritik. So nahm der West-Berliner JU-Ortsverband Nikolassee/Schlachtensee „mit Bestürzung“ von dem Beschluss Kenntnis und forderte „die zuständigen Gremien der JU und der CDU auf, diese Entscheidung zu revidieren!!!“ Die Begründung des 54 Vgl. Schreiben Matthias Wissmann an Gerd Langguth, 19.12.1973, ACDP 01-365-026/2. Eine weitergehende Korrespondenz zu entsprechenden Treffen zwischen JU und RCDS ist in den Akten nicht zu finden. 55 Stephan Eisel (geb. 1955), Politikwissenschaftler; 1979/80 Bundesvorsitzender des RCDS, 1982/83, 1992 – 2007 und seit 2009 Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1983 – 1992 Bundeskanzleramt, 2007 – 2009 MdB. 56 Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). 57 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 10.6.1974, S. 729. 58 Darin enthalten sei eine einseitige Kritik an dem Vorgehen der Vereinigten Staaten in Indochina, jedoch fehle eine gleichwertige Kritik am Verhalten der Warschauer-Pakt-Staaten wie dem Einmarsch in die Tschechoslowakei. Vgl. Schreiben Norbert Kühne an Dieter Lasse, 27.3.1973, ACDP 04-007-152/2. 59 Vgl. Breßlein: Die Vorbereitungen in der Bundesrepublik Deutschland. 60 Presseinformation der JU von Peter Helmes, 26.2.1973, ACDP 04-007-068/1. 61 „Warum nach Ostberlin“, in: UiD, Nr. 10, 7.3.1973, S. 15.
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JU-Vorsitzenden Echternach, das Festival nicht den Kommunisten überlassen zu dürfen und sich mit Teilnehmern über Fragen von allgemeinem Interesse unterhalten zu können, hielt der Ortsverband für wenig plausibel.62 Als Kompromiss sah man in der JU vor, eben jenen Aufruf, wegen dem der RCDS seine Teilnahme bereits abgesagt hatte, nicht zu unterzeichnen und trotzdem teilnehmen zu können. Dies wurde von den Veranstaltern zunächst abgelehnt, weshalb die Junge Union wiederum von einer Fahrt nach Ost-Berlin absah. Letztlich einigten sich Veranstalter und JU darauf, dass sich die Junge Union von den für sie kritischen Punkten in dem Aufruf distanzieren konnte, sodass der Deutschlandrat im Juni 1973 die Teilnahme der JU an den Weltjugendfestspielen schlussendlich absegnete.63 Aufgrund dieses „blamablen Entscheidungsprozesses“ war eine gründliche Vorbereitung der JU nicht mehr möglich, und auch die anvisierte 40-köpfige Delegation schrumpfte auf 17 Teilnehmer zusammen, da laut Veranstalter die Anmeldefrist abgelaufen war.64 Nach eigenen Angaben war die Beteiligung der JU an den Weltjugendfestspielen durchaus positiv zu bewerten. Man habe es „sich zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung der DDR durch Verteilen von 15.000 Flugblättern und 5.000 Grundsatzprogrammen über die Politik der JU aufzuklären“.65 Dabei seien die Delegationsmitglieder „natürlich von Stasi-Leuten umgeben“ gewesen, die solche Aktionen unterbinden wollten. Währenddessen sei es auch zu solch skurrilen Situationen gekommen, dass die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes in großer Zahl „hinterhergerannt [seien], um Flugblätter aufzuschnappen“.66 Ein Mitglied der JU-Delegation rechnete der Jungen Union zudem den Erfolg an, das „starre ‚BRD-Bild‘“ einiger Jugendlicher aufgeweicht zu haben.67 Herrmann Kroll-Schlüter, der gemeinsam mit Dietrich Rollmann an den Weltjugendfestspielen teilgenommen hatte, wertete den Auftritt der JU insgesamt als „respektabel“.68 Eine Konsequenz aus der Teilnahme der Jungen Union war die Aufnahme offizieller Kontakte zur Freien Deutschen Jugend (FDJ) ein Jahr später – vier Jahre vor dem Deutschen Bundesjugendring.69 Nur acht Jahre zuvor war der Landesverband aus SchleswigHolstein auf dem Deutschlandtag mit seinem Antrag noch gescheitert, Beziehungen zur Jugendorganisation in der DDR aufzunehmen.70 Trotz der zwischen 1972 und 1974 offen ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten zwischen Junger Union und ihrer Mutterpartei betonten Vertreter aus den Spitzengremien der Jugendorganisation oft, dass es ihnen nicht um die „Konfrontation um der Konfrontation willen“ gehe. Der neue JU-Vorsitzende Matthias Wissmann war aber der Überzeugung, dass „nur die Partei attraktiv ist, die bereit ist, ihre Konflikte offen auszutragen, statt sie unter den Teppich zu kehren“.71 Mit seiner Wahl zum Vorsitzenden auf 62 Resolution der JU des Ortsverbandes Nikolassee/Schlachtensee, o. D., ACDP 04-007-152/2. Vgl. auch Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 277. 63 Vgl. Beschluss des Deutschlandrates, 2./3.6.1973, ACDP 04-007-152/2. 64 Bericht über die X. Weltjugendfestspiele der Jugend und Studenten in Ostberlin vom 28.7. – 5.8.1973 von Hermann Kroll-Schlüter, 7.11.1973, ACDP 04-007-153/1. 65 Anmerkungen über die Teilnahme der JU von Hartmut Weisert, o. D., ACDP 04-007-152/2. 66 Gespräch mit Matthias Wissmann (am 16. März 2016). 67 Anmerkungen über die Teilnahme der JU von Hartmut Weisert, o. D., ACDP 04-007-152/2. 68 Bericht über die X. Weltjugendfestspiele der Jugend und Studenten in Ost-Berlin vom 28.7. – 5.8.1973 von Hermann Kroll-Schlüter, 7.11.1973, ACDP 04-007-153/1. 69 Vgl. Krabbe: Parteijugend, S. 188. 70 Vgl. Sepp Binder: „Das Lied von der Veränderung“, in: Die Zeit, 25.9.1970. 71 22. Bundesparteitag der CDU, 18. – 20.11.1973 in Hamburg, S. 72.
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dem Deutschlandtag im Oktober 1973 hatte die Junge Union nach eigener Auffassung auch „in personeller Sicht den ‚Sprung zur Jugend‘“ vollzogen.72 Konnte die JU mit ihrem seit 1969 gewandelten Selbstverständnis aber auch Erfolge erzielen? Diese Frage ist eindeutig mit Ja zu beantworten, allein, wenn man die Entwicklung der Mitgliederzahlen betrachtet. Von 1973 bis 1975 nahm deren Anzahl um fast 50.000 zu, von rund 165.000 auf etwa 214.000, was einem Zuwachs von rund 25 Prozent entspricht. Damit entwickelte sich die Junge Union „zu einer Massenorganisation, zum größten politischen Jugendverband der Bundesrepublik“.73 Besonders auffällig ist dabei die Verschiebung der Altersstrukturen innerhalb der Jugendorganisation: Im Herbst 1976 waren „65 Prozent unserer Mitglieder im Alter zwischen 14 und 25 und nur die restliche Gruppe im Alter zwischen 25 und 35; das war vor vier, fünf Jahren noch völlig umgekehrt“.74 Dabei verzeichnete die JU insbesondere im Bereich der Studenten und Schüler die größten Zuwachsraten, 1975 lag ihr Anteil bei rund 38 Prozent – bei den Schülern war dies auch auf das größere „Mitgliederreservoir“75 zurückzuführen. Dagegen waren Auszubildende mit einem Anteil von zehn Prozent nur marginal in der JU vertreten.76 Dies mag ein Beleg für die oben erwähnte ausbleibende Zusammenarbeit mit der Jungen Arbeitnehmerschaft und einen fehlenden stärkeren Fokus auf die Zielgruppe der Lehrlinge sein. Neben der gesteigerten Attraktivität der CDU-Jugendorganisation für Jugendliche gab es weitere Gründe, die den starken Mitgliederzuwachs in dieser Zeit erklären. So waren viele gerade in der jungen Generation von der Reformpolitik der sozial-liberalen Koalition enttäuscht und wandten sich zum Teil der Opposition zu.77 Für die Außendarstellung waren die Zuwächse sicherlich von großer Bedeutung, fortan galt es aber, die vielen neuen jungen Mitglieder auch für die Arbeit der Jungen Union zu aktivieren, um sie langfristig an die Jugendorganisation binden zu können.78 Im weiteren Verlauf der 1970er Jahre schien diese Einbindung insofern zu funktionieren, als dass sich die Mitgliederzahlen nicht rückläufig entwickelten, die starken Zuwächse bis in die Mitte des Jahrzehnts wurden allerdings später nicht mehr erreicht.79 Auch der RCDS konnte Zuwachsraten verzeichnen, genaue Angaben zur Mitgliederentwicklung des Bundesverbandes sind allerdings nicht möglich, da entsprechende Dokumente für den Untersuchungszeitraum nicht vorhanden sind und die wenigen verfügbaren Zahlen aus kurzen Informationen beispielsweise in eigenen Pressemitteilungen stammen. Eine Tendenz nach oben lässt sich aber zumindest aus dem bestehenden Material erkennen: So war laut eigenen Angaben allein im Zeitraum von 1970 bis 1976 eine Verdoppelung der Mitgliedszahlen zu vermuten.80 72 „Deutschlandtag: Konflikte offen austragen“, in: UiD, Nr. 41, 25.10.1973, S. 6. 73 Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 463. 74 So Wissmann auf der CDU-Bundesvorstandssitzung am 11.10.1976. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 11.10.1976, S. 58. 75 Wissmann: Jahre der Erneuerung, S. 160. 76 Vgl. „Mitgliederzahlen bestätigen Arbeit des CDU-Nachwuchses“, in: UiD, Nr. 32/33, 7.8.1975, S. 11. 77 Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 463 f. 78 Bereits Ende 1974 wies Kurt Biedenkopf im CDU-Bundesvorstand auf die Notwendigkeit der verstärkten Einbindung der Neu-Mitglieder in der JU hin. Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 28.1.1974, S. 569. 79 1980 umfasste die Junge Union rund 250.000 Mitglieder. Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 463. 80 Für 1970 gab der RCDS in einer Jubiläumsbroschüre um die 2500 Mitglieder an. 1976 waren es nach
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Neben dem starken Mitgliederzuwachs gelang der JU noch ein weiterer und sehr großer Erfolg: Mit der Gründung der Schüler Union im Sommer 1972 stieß sie in ein Feld vor, das bislang von CDU und CSU nicht sonderlich beachtet worden war, allerdings ein großes Wählerpotential bot – auch vor dem Hintergrund der Herabsetzung des Wahlalters. Erste konservative Schülergruppierungen waren bereits im Zuge der Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre als Reaktion auf die Gründung von Schülerorganisationen aus dem linken Spektrum entstanden.81 1971 führte die Junge Union die einzelnen auf Landesebene gegründeten Gruppen zum „Verband Kritischer Schüler“ auf Bundesebene zusammen, dieser wurde aber schon im November desselben Jahres wieder aufgelöst.82 Das Vorhaben eines Schülerverbandes auf Bundesebene sollte aber nicht aus den Augen verloren werden, sodass auf Einladung der JU-Rheinland bereits im Februar 1972 verschiedene JU-Landesverbände und Schülerorganisationen zu einer Sitzung zusammenkamen, „um über Möglichkeiten der Koordination der JU-orientierten Schülerarbeit auf Bundesebene zu beraten“.83 Eine „Vereinheitlichung der verschiedenartigen bestehenden Formen JU-orientierter Schülerarbeit“ war zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht möglich,84 stattdessen wurde schließlich ein Koordinationsausschuss aus Vertretern der verschiedenen, bereits bestehenden Landesverbände der Schülergruppen gebildet, der am 2. Juli 1972 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat. Damit wurde die Schüler Union auf Bundesebene gegründet.85 Zwar war die Junge Union der treibende Motor hinter der Gründung der Schüler Union, diese war allerdings keine Unterorganisation der JU, sondern sah sich zu Beginn selbst vielmehr als „Dachorganisation für demokratische, der JU nahestehenden Schülergruppen in der gesamten Bundesrepublik“.86 Für die Schüler Union war es wichtig – analog zum RCDS –, gegenüber JU und CDU selbstständig aufzutreten, auch um dem Verdacht entgegenzuwirken, Parteipolitik in die Schulen hineintragen zu wollen. Vor allem in den Anfangsjahren der SU war es für sie bedeutsam, die Unabhängigkeit insbesondere von der Jungen Union zu betonen, da diese in der Schülerschaft kein allzu hohes eigener Aussage schon knapp 7000 Mitglieder. Vgl. RCDS-Bundesvorstand (Hg.): 25 Jahre RCDS, S. 10; Vorbereitungsmaterial des Jugendforums der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, März 1976, ACDP 07-001-8908. 81 Vgl. Warken: Entstehung und Selbstverständnis der Schülerunion, S. 13. Zur Entwicklung aus Unionssicht der linken und linksextremen Schülerorganisationen, die mit der Ausweitung der Studentenproteste auf den Schulbereich entstanden vgl. Langguth: Zum Dilemma der linken Schülerrevolte, S. 39 – 77. 82 Vgl. Sepp Binder: „Das Lied von der Veränderung“, in: Die Zeit, 25.9.1970; Protokoll der konstituierenden Sitzung des Koordinationsausschusses der Schüler Union am 2.7.1972, ACDP 04-007-068/1. Einen Grund zur frühzeitigen Auflösung nannte Matthias Wissmann auf der Sitzung allerdings nicht. 83 Protokoll der konstituierenden Sitzung des Koordinationsausschusses der Schüler Union am 2.7.1972, ACDP 04-007-068/1. 84 Ebd. Gründe für die nicht bestehende Möglichkeit einer Vereinheitlichung wurden nicht genannt. 85 Ebd. Zu den konstituierenden Schülergruppen zählten der Verband Kritischer Schüler aus Niedersachsen, der Verband Christlicher Schüler aus Würzburg, die Vereinigung Konservativer Schüler aus Freudenstadt und die Berliner Schüler Union. Im Anschluss an die Gründung auf Bundesebene entstanden weitere Schülergruppen auf Landesebene, den Anfang machte bereits einen Monat später Westfalen-Lippe. Im April 1973 hatten sich in allen elf Bundesländern Landesverbände der Schüler Union konstituiert. Vgl. Pickert: Junge Union Deutschlands und Schüler Union, S. 373. Vgl. auch Warken: Entstehung und Selbstverständnis der Schülerunion, S. 13 – 15. 86 Bülow: Die demokratischen Schüler im Vormarsch, S. 133.
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Ansehen genieße.87 Von Seiten der CDU/CSU und der Jungen Union wurde in den ersten Jahren aber auch nicht der Versuch einer direkten Einflussnahme auf die Arbeit der Schüler Union unternommen. Vielmehr ging es zunächst hauptsächlich um Symbolpolitik und die Absicht, das Feld der Schulen für die Union zu erschließen.88 Selbstverständlich erhoffte man sich in der Jungen Union wie in den Unionsparteien positive Effekte für das eigene Image durch die Gründung der Schüler Union. Für die JU bestanden diese unter anderem darin, als „frischer, jünger, unkonventioneller“ wahrgenommen zu werden, waren zum Zeitpunkt der Gründung der SU doch noch vor allem die älteren Altersgruppen in der Jungen Union vertreten.89 Auch für den RCDS bot die Schüler Union ein wichtiges Nachwuchspotential, denn ein Großteil der Mitglieder strebte nach der Schule an die Universitäten. Die Zusammenarbeit mit dem Studentenverband gestaltete sich in den ersten Jahren problemlos, es fanden persönliche Gespräche zwischen dem Bundessprecher der Schüler Union und dem RCDS-Bundesvorsitzenden statt und von Seiten des RCDS wurde Hilfestellung angeboten.90 Auf Seiten der Unionsparteien war man sich einig, die Schüler Union „sorgsam pflegen“ zu müssen, da aus ihr eine „große Zahl sehr brauchbarer, tüchtiger engagierter junger Leute“ komme.91 Durch diese erhofften sich CDU und CSU vor allem auch einen großen Einfluss auf die Gruppe der Erstwähler zu erhalten und diese für die Politik der Union gewinnen zu können.92 Vorrangige Aufgabe der Schüler Union sollte es nach eigenem Verständnis aber zunächst sein, „die Interessen der Schüler im politischen Raum gemeinsam mit der Jungen Union wirksam zu vertreten“. Langfristig müsse es sich die Schüler Union angesichts des „Desinteresses vieler Schüler an politischen und gesellschaftlichen Fragen einerseits und des Auftretens radikaler Schülergruppen andererseits“ zum Ziel machen, eine „politische Klimaveränderung“ an den Schulen herbeizuführen.93 Um hier eine möglichst große Zahl an Schülern zu erreichen, vermied es die Schüler Union, in ihren Themen einen allgemeinpolitischen Anspruch zu erheben; stattdessen wollte sie sich mit den konkreten Einzelinteressen der Schüler befassen, die diese beschäftigen. Hierzu zählten insbesondere die Diskussion über die integrierte Gesamtschule, die Neugestaltung der Lehrpläne sowie als Dauerbrenner die Ausgestaltung der Schülermitbestimmung. Wenig Berücksichtigung fand dagegen der Bereich der beruflichen Bildung, was auch daran liegen mag, dass die SU vor allem an Gymnasien tätig war und weniger an Haupt-, Real- und Berufsschulen.94 Gerade in diesem Themenfeld hätten sich große Synergieef 87 Vgl. „Schüler-Union und Junge Union“, in: FAZ, 28.12.1973. 88 Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 464. Vgl. auch Gespräch mit Christoph von Bülow (am 8. November 2016). 89 Gespräch mit Matthias Wissmann (am 16. März 2016). 90 Gespräch mit Christoph von Bülow (am 8. November 2016); vgl. auch Schreiben Gerd Langguth an Wolfgang Wiegel betr. Zusammenarbeit RCDS mit SU, 29.11.1973, ACDP 01-365-022/1; „Mitgliederzahlen bestätigen Arbeit des CDU-Nachwuchses“, in: UiD, Nr. 32/33, 7.8.1975, S. 12. 91 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 5.11.1974, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1974-11-05-t1505_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 92 Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 278. 93 „Der Chronist notierte“, in: Junge Union Deutschlands (Hg.): Deutschlandtag ’72. 94 Vgl. „Mitgliederzahlen bestätigen Arbeit des CDU-Nachwuchses“, in: UiD, Nr. 32/33, 7.8.1975, S. 11 f.; Gespräch mit Christoph von Bülow (am 8. November 2016); Gespräch mit Christian Wulff (am 21. April 2016).
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fekte mit der Jungen Arbeitnehmerschaft ergeben. Doch auch die Schüler Union suchte nicht den Schulterschluss mit der Jugendorganisation der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft.95 Die skizzierte Themenauswahl trug zum großen Erfolg der Schüler Union in der ersten Hälfte der 1970er Jahre bei. Anders als die dem linken Spektrum angehörigen Schülergruppierungen setzte die SU nicht auf eine ideologisch-politische Auseinandersetzung, sondern nahm die akuten Probleme in der Schülerschaft auf und setzte diese zum Teil in praktische Hilfen um.96 Mit dieser Vorgehensweise gelang es der Schüler Union schnell, viele Anhänger zu gewinnen: Bereits zwei Jahre nach ihrer Gründung avancierte die SU mit über 20.000 Mitgliedern zur mitgliederstärksten Schülerorganisation bundesweit.97 Doch lag der schnelle Erfolg der Schüler Union nicht allein in der treffenden Themenbesetzung, ein weiterer Faktor muss mitberücksichtigt werden: Linke Schülerorganisationen hatten der Schüler Union zunächst wenig entgegenzusetzen. Entweder beschäftigten sie sich zu stark mit der Verbreitung ihrer allgemeinpolitischen Aussagen, die in der breiten Schülerschaft Anfang der 1970er Jahre nicht stark verfangen konnten oder aber sie waren wie die Jungsozialisten und Jungdemokraten zu sehr mit sich selbst beschäftigt und wirkten durch ihre innere Zerrissenheit und die Kämpfe gegen die Mutterparteien eher abschreckend auf potentielle Anhänger.98 Zudem stand die Schularbeit nicht weit oben auf der Prioritätenliste von SPD und FDP – trotz der zurückliegenden Studentenproteste und deren Nachwirkungen insbesondere im bildungspolitischen Bereich. In dieses „fruchtbare […] Brachfeld“ stieß nun die Schüler Union und verzeichnete binnen kurzer Zeit jenen rasanten Aufstieg.99 Unbemerkt blieb der Erfolg für die „Konkurrenz“ nicht, es dauerte allerdings zwei Jahre, bis SPD und FDP tatsächlich reagierten. Die Sozialdemokraten meinten parteiintern, alarmiert durch die oben erwähnte angebliche „Tendenzwende“, handeln zu müssen. Für den vermuteten zunehmenden Vertrauensschwund in der Gruppe der Jungwähler machte die SPD-Führung ihre Jugendorganisation verantwortlich, da diese „an den Schulen versagt“ und sich „aus dem Markt geschossen“ habe.100 Die sozialdemokratische Schülerarbeit müsse nach Erkenntnis der zuständigen Kommission Jugendpolitik des SPD-Parteivorstandes deutlich verstärkt und die Jungsozialisten darin unterstützt werden. Den Aufbau einer eigenen Schülerorganisation hielt die Kommission nicht für zielführend, stattdessen sollten die „Jungsozialisten in enger Zusammenarbeit mit anderen […] nahestehenden Jugendorganisationen mit der Wahrnehmung der Schülerarbeit“ betraut werden. Auffällig ist, dass die Sozialdemokraten bei der Besetzung von Themen die der Schüler Union rezipierten. Die sozialdemokratische Schülerarbeit sollte nach Auffassung der Kommission Jugendpolitik Arbeitsfelder wie Lerninhalte, verstärkte 95 Gespräch mit Christoph von Bülow (am 8. November 2016). Vereinzelte Aktionen, in denen es zu einer Zusammenarbeit kam, gab es dennoch, doch bildeten diese eher die Ausnahme als die Regel. Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Dorothee Wilms betr. neuesten Stand des Schülerkongresses 1976, 21.4.1976, ACDP 07-001-11576. 96 Vgl. „CDU-Schüler: Nachhilfe kostenlos“, in: Der Spiegel, Nr. 12, 18.3.1974. 97 Vgl. ebd.; „Mitgliederzahlen bestätigen Arbeit des CDU-Nachwuchses“, in: UiD, Nr. 32/33, 7.8.1975, S. 11; Bülow: Die demokratischen Schüler im Vormarsch, S. 133 f. 98 Vgl. „CDU-Schüler: Nachhilfe kostenlos“, in: Der Spiegel, Nr. 12, 18.3.1974. Vgl. auch Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 464. 99 Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 464. 100 „CDU-Schüler: Nachhilfe kostenlos“, in: Der Spiegel, Nr. 12, 18.3.1974.
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Mitwirkungsmöglichkeiten von Schülern in der Schule und in den Schülervertretungen sowie soziale Probleme beinhalten.101 Eine Bilanz aus der SPD-Parteizentrale im November 1976 zeigte auf, dass die Bemühungen der Sozialdemokraten, sich in der Schülerarbeit durch die SU nicht den Rang ablaufen zu lassen, durchaus erfolgreich waren. Mit der Gründung von etwa 500 „Juso-Schüler-Gruppen“ und deren täglicher Arbeit in den Schulen und im Freizeitbereich von Schülern ließen die SPD-Verantwortlichen in der Rückschau zum Ergebnis kommen, dass die an die Schülerarbeit gestellten Ansprüche „im wesentlichen eingelöst“ werden konnten.102 Die FDP und ihre Jugendorganisation gelangen etwa zeitgleich ebenfalls zur Feststellung, angesichts des erfolgreichen Auftretens der Schüler Union ihre Schülerarbeit dringend verstärken zu müssen.103 Auch die Liberalen nahmen dabei Bezug auf die Gruppe der Jungwähler und verwiesen in ihrer Argumentation zur Verstärkung der Schülerarbeit auf die vermeintlichen Versuche der Schüler Union, insbesondere im liberalen Jungwählerbereich Einbrüche für die FDP erzielen zu wollen. Um dem entgegentreten zu können, planten die Jungdemokraten unter anderem Aktionen zur Verbesserung der eigenen Präsenz an den Schulen.104 Eine bundesweite „liberale Kampagne“ wurde schließlich im Herbst 1974 durchgeführt, allerdings war eine klare Linie in der Schülerarbeit der Jungdemokraten hierbei noch nicht zu erkennen.105 Erst mit der Gründung der Liberalen Schüleraktion (LISA) im Mai 1976 trat die Jugendorganisation der FDP öffentlichkeitswirksamer an Schulen auf. Nach eigener Auffassung sei die von den Jungdemokraten initiierte LISA die „Chance der Liberalen, an den Schulen sowohl der Schüler-Union als auch den Jungsozialisten den Rang abzulaufen“106, und sollte nicht weniger als das „Erbe der 68er-Bewegung“107 antreten. Wie schon die Jungsozialisten vor ihnen hatten auch die Jungdemokraten verstanden, dass die Themensetzung näher an der Wirklichkeit der Schüler sein musste. LISA setzte sich somit unter anderem für die Einführung der integrierten Gesamtschule als Regelschule ein, forderte die paritätische Mitbestimmung in Schulen und hatte als vordringlichstes Ziel die Abschaffung des Numerus clausus. Dennoch wollte sich LISA nicht nur auf den Bereich der Schule beschränken, sondern auch allgemeinpolitische Themen behandeln.108 Die Liberale Schüleraktion blieb über den gesamten Untersuchungszeitraum bestehen und wandelte sich Mitte der 1980er Jahre schließlich zur eigenständigen Schülerorganisation der Jungdemokraten – inzwischen nicht mehr der FDP angehörig – um.109 101 Vgl. Beschluss der Kommission Jugendpolitik des PV über sozialdemokratische Schülerarbeit zur Vorlage für die Planungsgruppe des PV, o. A., o. D., AdsD Bestand SPD-Parteivorstand Präsidiumsvorlagen Jugendpolitik, ohne Signatur. 102 Abteilung Jugend und Bildung, Referat Jugendpolitik, Vorlage für die Sitzung des Parteipräsidiums am 9.11.1976, 2.11.1976, ebd., ohne Signatur. 103 Vgl. Schreiben Theo Schiller und Günter Wroblewski an Landesverbände, Landesgeschäftsstellen, Kreisverbände/Arbeitsgemeinschaften und Schülerreferenten betr. liberale Kampagne an Schulen, 2.8.1974, ADL Bestand Deutsche Jungdemokraten, Bundesverband 19619. 104 Vgl. Vorlage für Präsidiumssitzung der FDP von Theo Schiller betr. liberale Kampagne an Schulen, 31.7.1974, ebd. 105 Ebd. 106 Schreiben Gerhard Schorr an FDP-Gremien über Liberale Schüleraktion (LISA), o. D., ebd. 107 „Freie Demokraten: BH-Größe 4“, in: Der Spiegel, Nr. 19, 3.5.1976. 108 Vgl. Entwurf einer Schlussresolution zum LISA-Kongress am 8./9.5.1976, o. D., ADL Bestand Deutscher Jungdemokraten, Bundesverband 19619. 109 Seit 1983 waren die Jungen Liberalen die offizielle Parteijugend der FDP. Vgl. Krabbe: Parteijugend, S. 249.
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Der Höhenflug der Schüler Union hielt nicht lange an; die Gründe hierfür sind vielfältig. Bereits von Zeitgenossen wurde die Schüler Union als Karriereverein und insgesamt als „zu brave Organisation“ angesehen,110 die „einmal sehr positiv angefangen hat, weil sie praktische Arbeit geleistet hat“, in der nach ein paar Jahren aber die „inhaltliche Arbeit […] immer mehr zu kurz“ gekommen sei.111 Doch auch die strukturellen Vorgaben erschwerten eine kontinuierliche Arbeit. So war einerseits die Fluktuation im Bereich der Schülerarbeit besonders hoch, auf der anderen Seite behinderte nach eigener Ansicht die zurückgehende Unterstützung durch die Junge Union und deren „manchmal aufflackernde Infragestellung der SU“ ein erfolgreiches Vorankommen.112 Insgesamt hatte die Junge Union mit der Gründung der Schüler Union den richtigen Instinkt bewiesen, dies zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, der einen schnellen Erfolg begünstigte, und damit gleichzeitig gezeigt, dass sie ihre Kernaufgabe der Ansprache der jungen Generation wahrnahm. Wie aber hielten es die CDU- beziehungsweise CDU-nahen Jugendorganisationen speziell mit dem Bereich der Jugendpolitik? Dietrich Rollmann warf im Februar 1973 der Jungen Union und dem RCDS vor, sich bisher um Jugendpolitik „überhaupt nicht gekümmert“ zu haben.113 Ähnlich sieht es rückblickend das damalige Mitglied des JUBundesvorstandes, Wulf Schönbohm, der bekräftigt, dass Jugendpolitik für die Führung der JU so gut wie „keine Rolle gespielt“ habe. Vielmehr sei diese als „Nebenprodukt“ aus dem Bemühen um die junge Generation entstanden, großes Interesse habe man an diesem Politikbereich aber nicht gezeigt.114 Doch es war auch Schönbohm selbst, der auf einer Sitzung des Bundesvorstandes der Jungen Union Ende Februar 1973 den Antrag einbrachte, von der Mutterpartei eine „intensivere Arbeit auf jugendpolitischem Gebiet“ zu fordern. Hierauf erklärte sich der JU-Vorsitzende Echternach bereit, diese Forderung der CDU-Führung vorzulegen.115 Dieses bereits erwähnte Schreiben Echternachs an Rainer Barzel verdeutlicht, dass sich die Junge Union vor allem mit dem weiter gefassten Begriff der Jugendpolitik stärker auseinandersetzte und für die politische Ansprache der Jugend – der Kernaufgabe der JU in den Augen Echternachs – bereits unterschiedliche Maßnahmen wie die Gründung der Schüler Union ergriffen hatte.116 Auch der Deutschlandrat der Jungen Union sah eher die Mutterpartei in der Pflicht, mehr auf dem Gebiet der Jugendpolitik zu tun. CDU und CSU müssten „jugendpolitische Aspekte endlich in 110 Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). Die Bezeichnung als „Karriereverein“ hält der langjährige Bundessprecher der Schüler Union, Christoph von Bülow, für eine „Fehleinschätzung“. Auch in der Schüler Union habe man sich seine „Sporen verdienen“ und teilweise gegen innere Widerstände, beispielsweise aus der Jungen Union, ankämpfen müssen. Gespräch mit Christoph von Bülow (am 8. November 2016). 111 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 15.4.1980, ACDP 08-001-1061/1, S. 28. 112 Christian Wulff: „Stellenwert der Schülerarbeit anheben!“, in: Die Entscheidung, September 1981, S. 22. Vgl. auch Plett: „Neue Offensive in der Schülerarbeit!“, in: ebd., S. 23, 33; Gespräch mit Christian Wulff (am 21. April 2016). 113 Schreiben Dietrich Rollmann an Konrad Kraske über die Einrichtung eines Jugendbeirates, 1.2.1973, ACDP 07-001-11403. 114 Gespräch mit Wulf Schönbohm (am 13. August 2016). 115 Protokoll der Bundesvorstandssitzung am 25.2.1973, ACDP 04-007-040/2. 116 Schreiben Jürgen Echternach an Rainer Barzel, 12.3.1973, ACDP 01-365-027/1. Die Gründung der Schüler Union sieht auch das damalige Mitglied des JU-Bundesvorstandes, Franz Josef Jung, als Indiz dafür, dass Jugendpolitik durchaus nicht irrelevant für die Junge Union gewesen sei. Gespräch mit Franz Josef Jung (am 1. September 2016).
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ihre Arbeit einbeziehen“, wie es eine Vorlage zur Sitzung im April 1973 formulierte. In der Jugendarbeit sei die JU bereits sehr aktiv, sodass das schlechte Jungwählerergebnis bei der Bundestagswahl 1972, auf das die Vorlage Bezug nahm, nicht an mangelndem Einsatz der Jungen Union liege, sondern an der „gesellschaftspolitische[n] Leistungsunfähigkeit der CDU/CSU“.117 Bezogen auf den RCDS schoss die Kritik Rollmanns am Ziel vorbei, da für den Studentenverband insbesondere in den frühen 1970er Jahren andere Maßstäbe angesetzt werden müssen, denn seit den Studentenunruhen musste er die Prioritäten in seiner Arbeit völlig verschieben. Bis zum Jahr 1968 hatte sich der RCDS hauptsächlich der politischen Bildungsarbeit gewidmet, ab diesem Jahr bis in die Mitte der 1970er Jahre hinein galt seine Hauptaufgabe dann der Bekämpfung der demokratiefeindlichen Hochschulgruppen an den Universitäten.118 Und trotz dieser Schwerpunktverlagerung vernachlässigte der RCDS die Theoriearbeit nicht gänzlich, auch nicht im Bereich der Jugendpolitik. So veröffentlichte der Studentenverband im April 1970 Thesen zur Jugendpolitik, die zwar keine eigenen Aussagen zu diesem Politikbereich beinhalteten, aber dennoch zeigten, dass sich der RCDS mit Überlegungen zu einer Jugendpolitik der Mutterpartei auseinandersetzte.119 Auffällig an den Thesen ist, dass diese in ihrer politischen Aussage denen der CDU bereits weit voraus waren. Im Gegensatz zu den jugendpolitischen Leitsätzen von 1974, die eine erste programmatische Aussage zur CDU-Jugendpolitik beinhalteten, fasste der RCDS in den Thesen von 1970 – analog zur Jungen Union – den Bereich der Jugendpolitik bereits weiter und stellte zudem eine kurze Analyse der Situation der Jugend voran, die in den Thesen als „Grundsätze“ der Jugendpolitik bezeichnet wurden. So sei in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Generation herangewachsen, die keine Erfahrungen mit Krieg und einer generellen Unsicherheit habe und nun eine „kritische Auseinandersetzung“ mit den politischen und gesellschaftlichen Realitäten suche. Themen, die die Jugend dabei besonders interessierten, waren nach Auffassung des 117 Vorlage 1 zur Deutschlandratssitzung am 14./15.4.1973, o. A., o. D., ACDP 04-007-068/1. 118 Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 279. Besonders brisant in der Studentenschaft war die Auseinandersetzung mit dem „Extremistenbeschluss“. Am 28. Januar 1972 unterzeichneten Willy Brandt und die Regierungschefs der Länder die „Grundsätze für die Mitgliedschaft von Beamten in extremen Organisationen“, womit eine Unterwanderung extremistisch gesinnter Bewerber – auch noch mit Blick auf die zurückliegenden Studentenunruhen – im öffentlichen Dienst verhindert werden sollte. Neu waren diese Bestimmungen nicht – die im Anschluss an den Beschluss praktizierte „Regelanfrage“ der einstellenden Behörden war aber Ausgangspunkt teils heftiger Kritik. Die Unterstellung lautete unter anderem, dass jeder Bewerber unter Generalverdacht gestellt werde und jede „Jugendsünde“ die berufliche Zukunft verstellen könnte. 1979 änderte die Bundesregierung den Beschluss ab und strich die Regelanfrage heraus. Eine Abfrage durch den Verfassungsschutz sollte nur noch in einem begründeten Verdachtsfall erfolgen. Vgl. u. a. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 482 f.; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 584 – 586; Winkler: Der lange Weg nach Westen, Bd. 2, S. 301 f.; Baring: Machtwechsel, S. 389 – 395. Die Haltung der CDU in diesen Fragen wurde in Teilen der Jugend ablehnend betrachtet. Auf einer Sitzung des Bundesvorstands im Januar 1976 konstatierte Gerd Langguth, die „Agitation der Linken“ hätte „Spuren in der jüngeren Generation insoweit hinterlassen, als man uns unterstellt, wir wären so eine Law-and-Order-Partei, die nicht mit dem genügenden Nachdruck für Rechtsstaatlichkeit sorgt.“ Daraus resultiere teilweise ein „Gefühl tief verwurzelter Skepsis“ gegenüber der CDU. Dagegen hielt Kohl, dass die CDU ihre Position besser hätte verkaufen müssen, da es der Partei auch darum ginge, „Leute, die auf dieses Feld geraten sind, vor allem junge Leute, […] in die politische Mitte zurückzuholen.“ Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 14.1.1976, S. 1711 f. 119 Auch nachfolgend Thesen zur Jugendpolitik vom RCDS, 10.4.1970, ACDP 07-001-8250.
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III. Die jungen Wilden – Das gewandelte Selbstverständnis der Jugendorganisationen
RCDS Friedenssicherung, Dritte Welt sowie die Weiterentwicklung der Demokratie und der Gesellschaft. Für die CDU gelte, gemeinsam mit der Jugend an der permanenten Weiterentwicklung der Gesellschaft aktiv zu arbeiten und die junge Generation auch beim Ausbau der innerparteilichen Demokratie zur Mitgestaltung zu gewinnen. Das vorrangige Ziel, das sich die Partei in ihren politischen Bemühungen um die Jugend immer vor Augen halten müsse, sei deren „Integration in die Gesellschaft“. Um dies zu erreichen, enthielten die Thesen verschiedene praktische Vorschläge, die im Bereich der Jugendpolitik umzusetzen seien. Neben einer grundlegenden Reform der Bundes- und Landesjugendpläne sei für eine nachhaltige Unterstützung der jungen Generation insbesondere die umfassende Reform des Jugendwohlfahrtgesetzes von entscheidender Bedeutung. In der Jungen Union gab es neben den bereits erwähnten Appellen an die Mutterpartei zu mehr Aktivität im Bereich der Jugendpolitik auch konkrete Aktionen und programmatische Aussagen, die in vereinzelten Landesverbänden durchgeführt beziehungsweise veröffentlicht wurden. So führte die JU Bayern Ende Mai 1970 eine Landesversammlung zum Thema „Der Jugend eine Chance“ durch, auf der über den notwendigen, zu verstärkenden Dialog mit der jungen Generation wie auch über deren bessere Chancen zu mehr Mitverantwortung und Mitgestaltung auf allen politischen Ebenen diskutiert wurde. Besonders hervorheben wollte die JU Bayern auf der Veranstaltung die Notwendigkeit der Herabsetzung des Wahlalters, da über diese kurz nach der Landesversammlung in dem bereits erwähnten Volksentscheid in Bayern abgestimmt worden war. Der Landesvorsitzende Alfred Böswald unterstrich dabei die Überzeugung der JU, dass mit der Herabsetzung ein „dynamisches Regulativ“ eingesetzt werde, das in der „Gesellschaft von heute besonders notwendig“ sei.120 Die programmatischen Aussagen aus verschiedenen Landesverbänden der Jungen Union wurden zwar mehrheitlich erst nach der Kritik von Rollmann veröffentlicht, waren aber dennoch für die Veranschaulichung der Beschäftigung der JU mit der Jugendpolitik zu berücksichtigen, da einer Veröffentlichung immer ein gewisser Vorlauf vorausgehen muss. Im Mai 1973 beschloss die Junge Union Hamburg auf einem außerordentlichen Landestag ein jugendpolitisches Programm.121 Wie bereits in den RCDSThesen von 1970 fiel auch in dem Programm der JU Hamburg auf, dass der Begriff der Jugendpolitik bereits weiter definiert wurde, als dies noch ein Jahr später in der Mutterpartei der Fall sein sollte. So rechnete der Landesverband neben der Jugend- und Familienförderung, der Jugendfürsorge und Erziehungshilfe der Jugendpolitik darüberhinausgehende Aufgaben zu. Hierzu zählten Fragen der Stadtplanung, des Spielplatzwesens, der allgemeinen Freizeitplanung, der Schulpolitik wie auch die Frage nach einer effektiven Vertretung der Belange Jugendlicher durch eine Behörde. Die JU Hamburg griff in ihrem jugendpolitischen Programm zudem eine Problematik auf, die für die Jugendpolitik der Mutterpartei erst einige Jahre später zum zentralen Thema werden sollte. Bereits für das Jahr 1973 machte der Landesverband in der Jugend eine zunehmende Orientierungslosigkeit aus, deren Ursache in der immer schnelleren Entwicklung der Gesellschaft, aber auch in verstärkten Krisen der Sozialisationsinstanzen Schule und Familie
120 Landessekretariat der Jungen Union Bayern (Hg.): Der Jugend eine Chance. 121 Vgl. auch nachfolgend Jugendpolitisches Programm der Jungen Union Hamburg. Beschlossen auf dem außerordentlichen Landestag vom 26.5.1973, ACDP 04-007-098.
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zu sehen seien.122 Das jugendpolitische Programm des JU-Landesverbandes benannte im weiteren Verlauf konkrete Maßnahmen, die in den unterschiedlichen Bereichen der Jugendpolitik vorzunehmen seien. Hierbei beschränkte sich die JU nicht allein auf den Bereich der Jugendhilfe, wie es die jugendpolitischen Leitsätze der CDU taten, sondern nahm die oben erwähnten erweiterten Aufgaben hinzu.123 Nicht ganz so ausführlich fielen die Thesen zur Jugendpolitik der JU Niedersachsen nur einen Monat später aus. Auf ihrem Niedersachsentag im Juni 1973 verabschiedete die JU 114 Thesen zur Politik in Niedersachsen, unter denen die letzten sieben sich mit dem jugendpolitischen Bereich befassten. Auch hier war wiederum die weiter ausgelegte Abgrenzung der Jugendpolitik anzumerken, da die Thesen unter anderem Jugendarbeit, die Förderung der Selbstbestimmung und der Eigeninitiative der Jugend, die Forderung nach Schaffung von Jugendparlamenten und der Vorlage eines Jugendbildungsgesetzes behandelten.124 Wesentlich detaillierter fiel das jugendpolitische Programm der Jungen Union Rheinland aus, das um das Jahr 1974 vorgelegt wurde.125 Von allen bisher besprochenen Thesen und Programmen legte die JU Rheinland den Bereich der Jugendpolitik am weitesten aus. Unter dem ersten Kapitel „Jugend und Recht“ wurden die Themen kurz abgehandelt, die in der Mutterpartei zu diesem Zeitpunkt noch die allgemeingültige Definition von Jugendpolitik ausmachten. Hierzu zählten unter anderem das Jugendhilferecht, der Jugendschutz und das Jugendstrafrecht. Wurde in der CDU Anfang der 1970er Jahre noch über die Frage diskutiert, inwieweit Jugendpolitik und Jugendarbeit voneinander zu trennen seien, schaffte der rheinische Landesverband in seinem jugendpolitischen Programm bereits Fakten und nannte die Jugendarbeit einen wesentlichen Bestandteil der Jugendpolitik. Konsens bestand indes in der engen Verzahnung von Jugend und Familie, wie es die Bezeichnung eines eigenen Kapitels in dem Programm ausdrückt. Die Bedeutung der Institution Familie für die Jugendpolitik hielt die JU Rheinland wie auch die Mutterpartei für besonders wichtig und listete in dem Kapitel entsprechend familienpolitische Maßnahmen auf. Die weiteren Kapitel behandelten die Bereiche Bildung, Freizeit und Sport sowie die Mitwirkungsund Mitgestaltungsmöglichkeiten der jungen Generation an der Demokratie. Vor allem im letztgenannten Kapitel stach ein Aspekt hervor, der für die CDU erst zum Ende des Untersuchungszeitraums eine größere Rolle im Bereich der Jugendpolitik und darüber hinaus spielen sollte: Nach Auffassung der JU Rheinland sollten zum Thema Wehrgerechtigkeit angemessene Maßnahmen ergriffen und so beispielsweise alle Wehrpflichtigen eines Jahrgangs durch die Einberufung zur Bundeswehr oder zum Zivildienst herangezogen werden. Ein Streitpunkt mit der CDU, den der rheinische Landesverband der JU in sein Programm aufnahm und der auch noch Jahre später zu Auseinandersetzungen mit der Mutterpartei führte, war die Abschaffung des Anerkennungsverfahrens für Wehr 122 Siehe zum Problem der Orientierungs- und Wertelosigkeit das Kapitel „Zwischen Aussteigertum und Hausbesetzung – Die CDU und der neue Jugendprotest“. 123 Vgl. Jugendpolitisches Programm der Jungen Union Hamburg. Beschlossen auf dem außerordentlichen Landestag vom 26.5.1973, ACDP 04-007-098. 124 Vgl. 114 Thesen zur Politik in Niedersachsen der JU Niedersachsen. Verabschiedet vom Niedersachsentag der JU am 23./24.6.1973, ACDP 04-027-038. 125 Vgl. auch nachfolgend Jugendpolitisches Programm der Jungen Union Rheinland, o. D., ACDP 04007-105/2. Die Annäherung an das Veröffentlichungsdatum um das Jahr 1974 ergibt sich unter anderem aus der Chronologie der Akte.
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dienstverweigerer.126 Im Hinblick auf den Vorwurf Rollmanns, die Junge Union und der RCDS hätten sich Anfang der 1970er Jahre nicht für Jugendpolitik interessiert, dient vor allem das jugendpolitische Programm der Jungen Union Rheinland als Gegenbeispiel. Die Bandbreite, in der der Landesverband die Jugendpolitik behandelte, wurde in der CDU insgesamt erst gegen Ende der 1970er Jahre erreicht. Von der noch sehr jungen Schüler Union waren Anfang der 1970er Jahre noch keine grundlegenden Aussagen zur Jugendpolitik zu erwarten. Das war auch nicht ihr Ziel, wollte sie doch in den Anfangsjahren ihren Erfolg vor allem dadurch steigern, indem sie auf die praktischen Interessen von Schülern in der Erfahrungswelt der Schule einging. Von Seiten der CDU wurde dennoch der Wunsch geäußert, die Schüler Union stärker in die Arbeit im Bereich der Jugendpolitik einzubeziehen. Die SU kam dieser Bitte nach und entsandte in den Anfang 1975 konstituierten Jugendpolitischen Beirat der CDU einen eigenen Vertreter.127 Nach 1974 schwächte sich das Bild der „jungen Wilden“ in der Union langsam ab, unterschiedliche Meinungen und Kritik wurden zwar nach wie vor von Seiten der Jugendorganisationen geäußert, doch geschah dies nicht mehr in der Heftigkeit und so öffentlichkeitswirksam wie in der Hochphase zwischen 1972 und 1974. Zur Begründung können unterschiedliche Aspekte angeführt werden. „Die Zeit“ kolportierte, in der Jungen Union seien die konservativen Stimmen wieder lauter und begünstigten einen „Rechtsruck“ in der JU und der Schüler Union.128 Auch Wulf Schönbohm meinte gegen Ende der 1970er Jahre zunehmende konservative Tendenzen in der Jungen Union beobachten zu können. Dafür machte er insbesondere die in die JU übertretenden Mitglieder aus der Schüler Union verantwortlich, die politische Ansichten in Richtung eines „platten Neokonservatismus“ miteinbrächten, die mit der bisherigen politischen Einstellung in der JU nicht mehr übereinstimmten.129 In dieser Diskussion sollte man sich allerdings vor Augen halten, dass das Denken in einer „Rechts-Links-Skala“ in den 1970er Jahren viel ausgeprägter war als dies heute noch der Fall ist. Was in der öffentlichen Meinung im Untersuchungszeitraum als „rechts/negativ“ galt, muss es heute nicht mehr unbedingt sein. Eine weitere Entwicklung, die zeitgenössische Beobachter der linksliberalen Presse zu sehen vermeinten, war eine zunehmende „Entpolitisierung“ der JU, deren Ursachen unter anderem im zurückgehenden Einfluss der Studentenunruhen und in der größeren Zahl jüngerer Mitglieder zu suchen seien, die einen „Substanzverlust“ der Jungen Union herbeiführen würden.130 Es habe den Anschein, als ob die Zeit, in der sich die JU als Speerspitze der Reformbewegung betrachtete, sich dem Ende zuneige.131 Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Matthias Wissmann, betonte zwar noch 1978, dass seine Jugendorganisation den „sachlichen Erneuerungsprozeß in der CDU vorantreiben“ 126 Vgl. Jugendpolitisches Programm der Jungen Union Rheinland, o. D., ACDP 04-007-105/2. Auch der Inhalt der Akte lässt auf den Zeitpunkt schließen, da im Programm beispielsweise bereits die Rede vom „Zivildienst“ war. Diese Bezeichnung ersetzte erst 1973 den bislang geltenden Begriff des „Ersatzdienstes“. 127 Vgl. Rundschreiben Karl-Heinz Bilke an Hans-Georg Warken, Wolfgang Saurin, Christoph von Bülow betr. Stellungnahme zum Entwurf der Jugendpolitischen Leitsätze, 2.9.1974, ACDP 07-001-1323. 128 Rolf Zundel: „Leichter Rechtsruck“, in: Die Zeit, 28.11.1975. 129 Wulf Schönbohm: „JU im Umbruch“, in: Die Entscheidung, Nr. 12, Dezember 1977, S. 19 – 23, Zitat auf S. 21. 130 Krabbe: Parteijugend, S. 197 f. 131 Vgl. Rolf Zundel: „Leichter Rechtsruck“, in: Die Zeit, 28.11.1975.
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wolle, die direkte Konfrontation mit der Mutterpartei werde aber nicht mehr gesucht. 132 Ein Vorwärtsdrängen der JU im Reformprozess der CDU war auch nicht mehr so nötig wie noch zu Beginn des Jahrzehnts. Die Erneuerung der Mutterpartei machte klare Fortschritte und fand ihren vorläufigen Höhepunkt in der Verabschiedung des ersten Grundsatzprogramms der CDU im Jahr 1978.133 Zudem war mit Helmut Kohl als neuer Bundesvorsitzender seit 1973 ein Mann an der Spitze der CDU, den die JU als einen der ihren betrachtete.134 In Bezug auf den RCDS ist seit Mitte der 1970er Jahre ebenfalls eine Umorientierung zu konstatieren. Mit der Verabschiedung seines neuen Grundsatzprogramms am 6. März 1976, welches die 39 Thesen aus dem Jahr 1969 ablöste, besann sich der Studentenverband verstärkt auf die christliche Soziallehre zurück. Seine Arbeit stand fortan auf den Fundamenten des christlichen Menschenbildes, der christlichen Soziallehre mit ihren Grundwerten Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Gerechtigkeit und Subsidiarität und dem aufklärerisch-liberalen Prinzip der Toleranz.135 Im Gegensatz zum vermeintlichen „Rechtsruck“ in Junger Union und Schüler Union, wurde dem RCDS aus Teilen der JU und der Unionsparteien vorgeworfen, in seiner Position stärker nach links gerückt zu sein. Dies vor allem aus dem Grund, um an den eher „linkslastigen“ Hochschulen konkurrenzfähig zu bleiben und mit den SPD- und FDP-nahen Hochschulgruppen koalieren zu können.136 Mithilfe eines Blicks auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen von Junger Union, RCDS und Schüler Union lässt sich ab Mitte der 1970er Jahre der Eindruck untermauern, dass diese auf die Jugend keine große Anziehungskraft mehr hatten. Während in der Jungen Union seit 1978 die Mitgliederzahlen stagnierten, waren sie in der Schüler Union sogar rückläufig.137 Dies könnte mit dem seit 1974 verstärkten Engagement der Jugendorganisationen von SPD und FDP in diesem Bereich zusammenhängen. Lediglich der RCDS konnte noch leichte Zugewinne vermelden.138 Eine geringere Rolle spielten die CDU- und CDU-nahen Jugendorganisationen angesichts dieser Entwicklung dennoch nicht. Im Bereich der Jugendpolitik war mit Blick auf die Junge Union sogar eine Weiterentwicklung zu beobachten. Die großen politischen Themen der Außen-, Deutschlands-, Gesellschafts- oder auch Wirtschaftspolitik machten ab 1976 vermehrt dem weiter gefassten Bereich der Jugendpolitik Platz. Dabei waren es vor allem die Themen „Zukunftschancen der jungen Generation“ und die oben bereits erwähnte Orientierungskrise der Jugendlichen, die eine größere Rolle in der Themensetzung der Jungen Union spielten.139
132 „Der Nachwuchs bereitet allen Parteien Probleme“, in: Westfälische Rundschau, 7.2.1978. 133 Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 465; Schönbohm: Die CDU wird moderne Volkspartei, S. 144. 134 Vgl. „Thema des Monats: Deutschlandtag ’73 Hamburg“, in: Die Entscheidung, Nr. 12, Dezember 1973, S. 13. Vgl. auch Schwarz: Helmut Kohl, S. 161 f. 135 Vgl. Ring Christlich-Demokratischer Studenten (Hg.): Plädoyer für eine offene und solidarische Gesellschaft. 136 „RCDS: Rivalen von rechts“, in: Der Spiegel, Nr. 21, 22.5.1978. 137 Vgl. Krabbe: Parteijugend, S. 197. 138 Vgl. dpa-Meldung, 8.3.1980. 139 Vgl. Krabbe: Parteijugend, S. 197 f.; Grotz: Die Junge Union, S. 146 – 153. Zu den Stichworten vgl. ausführlicher die Kapitel „Das ‚Thema aller Themen‘“ und „Zwischen Aussteigertum und Hausbesetzung – Die CDU und der neue Jugendprotest“.
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IV. Ein Dauerbrenner flammt auf – Die Diskussion über ein neues Jugendhilferecht Ein Thema, das die jugendpolitische Debatte bis in die 1980er Jahre hinein immer wieder bestimmte, war die Reform des Jugendhilferechts. Die sozial-liberale Koalition deklarierte ein neues Jugendhilferecht von Beginn an als eines der „wichtigsten jugendpolitischen Reformvorhaben“1 und sah hierin übereinstimmend mit der Opposition das „Kernstück der Jugendpolitik“2 in der sechsten Legislaturperiode. Notwendig war eine Reform vor allem, da das geltende Jugendwohlfahrtsgesetz noch aus dem Jahr 1922 stammte und dieses trotz einiger Verbesserungen und Anpassungen in den vergangenen Jahren inzwischen als „weithin überholt […]“ angesehen werden konnte.3 Die darin enthaltenen Bestimmungen waren zu allgemein gehalten und entsprachen nicht mehr der gängigen Praxis in der Jugendhilfe.4 Unter Zugzwang stand der Deutsche Bundestag auch aufgrund einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe vom 18. Juli 1967, die den Weg für ein neues Jugendhilferecht endgültig freigemacht hatte. Dem vorausgegangen waren Normenkontrollanträge mehrerer SPD-regierter Bundesländer und Verfassungsbeschwerden von vier kreisfreien Städten gegen einzelne Punkte des Jugendwohlfahrtsgesetzes nach der Novellierung aus dem Jahr 1961 sowie des Bundessozialhilfegesetzes. Die Kläger hatten in beiden Gesetzen einen Vorrang der freien gegenüber den öffentlichen Trägern in der Jugendhilfe gesehen und angehmahnt, dass der Bund eine solche Rangfolge nicht bestimmen dürfe.5 Das Bundesverfassungsgericht wies die Klage ab und erkannte dem Bund eine „Annexkompetenz“ für den Bereich der Jugendpflege zu. Dies hatte zur Folge, dass der Bund eine „Gesetzgebungszuständigkeit ‚kraft Sachzusammenhangs‘ in dem Bereich der Jugendfürsorge“ erhielt.6 Eine eindeutige Klärung des Verhältnisses der freien und öffentlichen Träger nahm aber auch das Bundesverfassungsgericht nicht vor. Den Subsidiaritätsgrundsatz erwähnte das Gericht in seinem Urteil nicht, sondern sprach lediglich vom „sogenannten Vorrang“, was Befürworter und Gegner dieses Grundsatzes zu unterschiedlichen Interpretationen des Urteils jeweils zu ihren Gunsten veranlasste und einen wesentlichen Streitpunkt in der Neuregelung des Jugendhilferechts zwischen Bundesregierung und Opposition darstellte.7 Die Große Koalition befasste sich nicht mehr mit der Reform des Jugendhilferechts, weil die Zeit nicht gereicht hätte, bis zur nächsten Bundestagswahl ein ausgereiftes Kon
1 Bulletin der Bundesregierung, Nr. 99, 4.7.1972, S. 1314. 2 Dietrich Rollmann: „Die Jugendpolitischen Leitsätze der CDU“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 11, November 1974. 3 Bulletin der Bundesregierung, Nr. 99, 4.7.1972, S. 1314. 4 Vgl. Brauksiepe: „Jugendpolitische Vorstellungen“, S. 179; Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 13.3.1979, ACDP 08-001-1055/1, S. 38. 5 Vgl. BVerfGE 22, 180 . 6 Papier über Themenkomplexe für die nächsten Sitzungen des Jugendpolitischen Beirats, o. A., 12.11.1976, ACDP 07-001-8908. 7 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 679.
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zept vorzulegen.8 Von der sozial-liberalen Koalition wurden erste Schritte zur Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs bereits früh in Angriff genommen. Im Juli 1970 wurde eine Sachverständigenkommission eingesetzt, die Vorschläge für ein neues Jugendhilferecht ausarbeiten sollte.9 Knapp drei Jahre später legte diese Kommission einen ersten Entwurf vor, der vor allem als Diskussionsgrundlage für die interessierte Fachwelt im Gesetzgebungsprozess dienen sollte. Aus Sicht der seit 1972 zuständigen Bundesministerin Katharina Focke hatte die Bundesregierung mit der Vorlage des Diskussionsentwurfs ihr Versprechen eingehalten, die Reform des Jugendhilferechts in der sechsten Legislaturperiode umfassend vorzubereiten. Mithilfe der Vorschläge aus der öffentlichen Diskussion über den Kommissionsentwurf sollte in der laufenden Legislaturperiode ein Referentenentwurf formuliert und die Reform schließlich abgeschlossen werden.10 Neben den über 100 Stellungnahmen, die von verschiedenen Institutionen und Trägern der Jugendhilfe bis Ende Oktober 1973 eingingen,11 kommentierte auch Hermann Kroll-Schlüter für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag den Diskussionsentwurf. Obwohl in diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses formell noch nicht vorgesehen, sah Kroll-Schlüter die Notwendigkeit einer Stellungnahme der Opposition bereits gegeben, um in den „entscheidenden Weichenstellungen“ die „wesentlichen Positionen [der CDU/CSU, Anm. d. Verf.] zu einem neuen JHG abzustecken und anzumelden“. Kristallisationspunkt der Kritik von Kroll-Schlüter war das Verhältnis von freien und öffentlichen Trägern in der Jugendhilfe und der „äußerst problematische einseitige Ausbau der Stellung des Staates in der Jugendhilfe“. Seiner Ansicht nach durchzog den Entwurf ein „tiefes Mißtrauen gegenüber Eltern und freien Trägern, das Recht der jungen Menschen auf Bildung und Erziehung erfüllen zu können. […] Diesem Mißtrauen in Eltern und freie Träger steh[e] ein anscheinend grenzenloses Vertrauen in die Leistungskraft der öffentlichen Träger der Jugendhilfe gegenüber.“12 Ähnliche Bedenken gab es auch aus den Reihen der Institutionen und Verbände, die sich zum Diskussionsentwurf äußerten. Teilweise war die Kritik so umfassend, dass ein ganz neuer Entwurf für ein Jugendhilferecht vorgelegt wurde.13 Bereits im Frühjahr 1974 präsentierte die Bundesregierung einen Referentenentwurf, in den viele der eingereichten Verbesserungsvorschläge zum Kommissionsentwurf aufgenommen wurden, sodass sich dieser Entwurf inhaltlich wesentlich unterschied.14 Besondere Beachtung in der Neuformulierung des Gesetzestextes fanden vor allem 8 Vgl. ebd. 9 Vgl. Nikles: Jugendpolitik, S. 105. 10 Vgl. Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit (Hg.): Diskussionsentwurf eines Jugendhilfegesetzes. Geleitwort. 8.3.1973. 11 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 687. 12 Hermann Kroll-Schlüter: „Für eine Reform des Jugendhilfe-Gesetzes“, in: Die Entscheidung, Nr. 6/7, Juli 1973, S. 23. 13 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 687. Zu den unterschiedlichen Stellungnahmen vgl. BArch, B 189/6437. 14 Dass der Referentenentwurf zeitnah nach Beendigung der Diskussion über den Kommissionsentwurf veröffentlicht wurde, lag auch an der nach wie vor bestehenden klaren Priorisierung eines neuen Jugendhilferechts durch die sozial-liberale Koalition eines neuen Jugendhilferechts. Noch im Dezember 1973 wurde eine Novelle des ebenfalls reformbedürftigen Jugendschutzgesetzes vom zuständigen Bundesministerium zurückgestellt, da das Jugendhilfegesetz „Vorrang“ habe. Vermerk Heinz Westphal betr. Novelle des Jugendschutzgesetzes, 19.12.1973, BArch B 189/18311.
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rechtsstaatliche Bedenken sowie Bedenken gegen die Aushöhlung des Elternrechts.15 Für Kroll-Schlüter und einen Teil der freien Träger wurde einer der wesentlichen Kritikpunkte im Referentenentwurf allerdings nicht aufgenommen. Denn auch dieser lasse die „Verstaatlichung und Kommunalisierung der gesamten Jugendhilfe befürchten“, und so habe die „Zielvorstellung einer gleichrangingen partnerschaftlichen Zusammenarbeit der öffentlichen Träger mit den freien Trägern der Jugendhilfe im Gesetzentwurf keine Zukunftsperspektive“. Auch weitere, tiefer ins Detail gehende Punkte waren Anlass für Kroll-Schlüter, den Entwurf der Bundesregierung abzulehnen, zumal die finanzielle Absicherung der vorgesehenen Neuerungen fehle. Zusammengenommen erreiche der Referentenentwurf nicht das vorrangige Ziel der CDU, nämlich den „Abbau von Defiziten an Einrichtungen der Jugendhilfe“.16 Ihre Schwerpunktsetzung im Bereich der Jugendhilfe machte die Opposition im Bundestag bereits im April 1971 durch die Einbringung einer Großen Anfrage zur Situation der Jugendhilfe in der Bundesrepublik Deutschland deutlich.17 Vor allem die Fragen zum Konzept der Bundesregierung im Bereich der Jugendhilfe und der Heimerziehung wie auch zur Funktion der freien und öffentlichen Träger waren den Antragsstellern besonders wichtig.18 Zwar war Dietrich Rollmann die verfassungsrechtlich beschränkte Zuständigkeit des Bundes im Bereich der Jugendhilfe durchaus bewusst, dennoch war er der Ansicht, dass sich die Bundesregierung einer ganzheitlichen Kritik an der Jugendhilfe durchaus stellen konnte.19 Vor allem war sich Rollmann sicher, dass die Große Anfrage zusammen mit der Beantwortung durch die Bundesregierung die „größte und wichtigste jugendpolitische Debatte auslösen [wird], die der Deutsche Bundestag jemals geführt hat“.20 Mit der Vorstellung ihres Konzeptes für die zukünftige Jugendhilfe in dieser Debatte stelle die CDU/CSU-Fraktion unter Beweis, dass die Jugendpolitik den „Kernpunkt ihrer Gesellschafts- und Sozialpolitik“ bildete.21 Die Beantwortung der Großen Anfrage durch die Bundesregierung nahm fast ein Jahr in Anspruch. In ihrer Begründung führte die zuständige Bundesministerin Käte Strobel hierfür „umfangreiche Erhebungen“ an, die die nötige Zeit gebraucht hätten. Die Fragesteller seien mit diesem größeren zeitlichen Umfang allerdings auch einverstanden gewesen und hätten ihn „in Kauf genommen“.22 Mit dem Ergebnis zufrieden war aber selbst die Bundesregierung nicht. Viele der von ihr befragten Institutionen und Verbände der Jugendhilfe auf kommunaler und Länder 15 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 689. 16 Hermann Kroll-Schlüter: „Zum Referentenentwurf eines Jugendhilfegesetzes“, in: DUD, Nr. 90, 13.5.1974. 17 BT-Drs. 6/2067, 6.4.1971. Die Große Anfrage wurde nicht als Fraktionsantrag, sondern nur als Gruppenantrag in den Bundestag eingebracht. Dies lag vor allem am Widerstand der CSU-Landesgruppe, die aus dem Inhalt der Fragestellungen einen Weg für die sozial-liberale Koalition sah, im Bereich der Jugendhilfe noch mehr Bundeskompetenzen zu verlangen, da viele der Fragen nur auf Länderebene zu klären seien. Vgl. CDU/CSU-Fraktion 1969 – 1972, 30.3.1971, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 6. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu06_1971-03-30-t1506_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 18 BT-Drs. 6/2067, 6.4.1971. 19 Vgl. Dietrich Rollmann: „Situation der Jugendhilfe“, in: DUD, Nr. 66, 6.4.1971. 20 Ders.: „Christlich-Demokratische Jugendpolitik“, in: Sonde 4 1971, S. 17. 21 Ders.: „Situation der Jugendhilfe“, in: DUD, Nr. 66, 6.4.1971. 22 BT-Drs. 6/3175, 22.2.1972.
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ebene konnten keine „gesicherte[n] Angaben zu einer so umfassenden Fragestellung“ geben. Anhand der Antworten konnten nur „schwer vergleichbare Teilbereiche und Teilaspekte der Jugendhilfe“ abgebildet werden, die kein „umfassendes und geschlossenes Bild über die gegenwärtige Situation der Jugendhilfe“ vermittelten. Um diesen Missstand auffangen zu können, verwies die Bundesministerin auf den zeitgleich erschienenen dritten Jugendbericht der Bundesregierung über die Situation der Jugendämter in der Bundesrepublik Deutschland. Dieser ergänzte nach Ansicht von Käte Strobel die unzureichenden Ergebnisse aus der Antwort der Bundesregierung in Teilen und trage so zu einer breiteren jugendpolitischen Debatte bei.23 Im Deutschen Bundestag kam es in der laufenden Legislaturperiode allerdings nicht mehr zu einer umfassenden Diskussion. Trotz der vollmundigen Ankündigung Rollmanns, die Antwort der Bundesregierung als Anlass für eine jugendpolitische Debatte zu nutzen, verzichtete die Opposition auf eine Aussprache – das einzige Mal in der sechsten Legislaturperiode im Nachgang einer Großen Anfrage.24 Möglicherweise machte die in der Antwort der Bundesregierung offenbar gewordene uneinheitliche und schwer vergleichbare Datenlage zu dem Thema eine pointiert geführte Diskussion zur Jugendpolitik nicht möglich. Parallel zur Diskussion über ein neues Jugendhilferecht im Deutschen Bundestag veröffentlichte die CDU im September 1974 die oben erwähnten jugendpolitischen Leitsätze mit dem Schwerpunkt in der Jugendhilfe. Darin listete die Partei auch ihre Anforderungen an ein neues Jugendhilferecht auf.25 Hierdurch lassen sich anschaulich Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede von Bundesregierung und Opposition über eine Reform der Jugendhilfe herausarbeiten. Wie SPD und FDP sah auch die CDU „konkrete Rechtsansprüche auf Leistungen der Jugendhilfe“ für junge Menschen vor. In der Ausführung differenzierter, vom Grundansatz her aber sehr ähnlich sahen Bundesregierung wie Opposition die Jugendhilfe als einen „eigenständige[n] und einheitliche[n] Erziehungs- und Bildungsbereich“ an – in „enger Kooperation mit dem Elternhaus, der Schule und der Berufsausbildung“.26 Einig war man sich auch über den grundsätzlichen Ausbau der Angebote in der Jugendhilfe, beispielsweise „Kindertageseinrichtungen, Erziehungsberatungsstellen und Elternschulen“.27 Große Differenzen in der Ausgestaltung eines neuen Jugendhilferechts waren vor allem in dem bereits angesprochenen Verhältnis von freien und öffentlichen Trägern zu finden. Dabei gibt ein Blick auf die Verwendung von Begrifflichkeiten bereits Aufschluss über die unterschiedlichen Ansichten insbesondere der SPD und der CDU in diesem Bereich. Während die SPD in Bezug auf das Verhältnis beider Trägerformen von 23 Ebd. Die Vorlage des dritten Jugendberichts war bereits für den 1. Juli 1971 vorgesehen gewesen, verzögerte sich dann aber bis in den Februar des darauffolgenden Jahres. Kritiker bemängelten vor allem die Themenwahl des Jugendberichts, gab es zur Situation der Jugendämter in der Bundesrepublik doch bereits einige Materialien. Hier hätte die Bundesregierung ihrer Ansicht nach andere Felder der Jugendhilfe bearbeiten lassen können, die „wesentlich mehr Konfliktpotential bargen“. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 673. Zum dritten Jugendbericht und der Stellungnahme der Bundesregierung dazu vgl. BT-Drs. 6/3170, 23.2.1972. 24 Vgl. Veen: Opposition im Bundestag, S. 126 f. 25 Vgl. „Jugendpolitische Leitsätze der CDU“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 41, 10.10.1974, S. 1. 26 Ebd., S. 1 f. 27 Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit (Hg.): Diskussionsentwurf eines Jugendhilfegesetzes. Geleitwort. 8.3.1973.
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IV. Ein Dauerbrenner flammt auf – Die Diskussion über ein neues Jugendhilferecht
„Partnerschaft“ sprach, verwendete die CDU in diesem Zusammenhang den Begriff der „Gleichrangigkeit“. Ein „partnerschaftliches Verhältnis“, in dem beide Trägerformen gleichberechtigt waren, konnte nach Ansicht der CDU nur dann bestehen, wenn den freien Trägern auch weiterhin ein „Rechtsvorsprung“ gewährt, ihnen also ein Erstzugriffsrecht auf angezeigte Vorhaben in der Jugendhilfe eingeräumt wurde. Dieser rechtliche Vorsprung sollte den „Machtvorsprung“ der öffentlichen Träger ausgleichen, den diese durch den ihnen zur Verfügung stehenden zentralen Apparat und eine großzügigere finanzielle Ausstattung hatten. Doch in den Augen der CDU baute die Bundesregierung nun auch den rechtlichen Vorsprung der öffentlichen Träger weiter aus, sodass zwar aus Sicht der sozial-liberalen Koalition weiterhin von „Partnerschaft“ die Rede war, ein gleichrangiges Verhältnis aber nicht mehr bestand.28 Ein weiterer Unterschied in den Vorstellungen über ein neues Jugendhilferecht betraf das Verhältnis von Elternrecht und Jugendhilfe und die Vorstellungen über den staatlichen Einfluss auf die Erziehung der jungen Menschen. Während die CDU den klaren Vorrang der Familie einräumte, sah sie mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung das vorrangige Elternrecht auf Erziehung gefährdet.29 Auch die von der Bundesregierung geplante Einbeziehung des Gesamtbereichs der Jugendhilfe in ein einheitliches Sozialgesetzbuch war Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Nach der Ankündigung in der Regierungserklärung von Willy Brandt am 28. Oktober 1969 legte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines solchen Sozialgesetzbuchs etwa vier Jahre später vor.30 Nach Ansicht der sozial-liberalen Koalition war die Einbindung der Jugendhilfe in dieses Sozialgesetzbuch dringend geboten, da das „Sozialrecht quasi amputiert würde, wenn es die Jugendhilfe nicht umfasse“.31 Die CDU sah es zu diesem Zeitpunkt noch ganz anders. So erklärte Rollmann im September 1973 im Zuge der Beratungen über den Gesetzesentwurf der Bundesregierung, dass eine „Vermengung der Jugendhilfe mit solchen Bereichen wie der Sozialversicherung, dem Wohngeld und der Kriegsopferversorgung in einem Sozialgesetzbuch […] dem besonderen Charakter der Jugendhilfe nicht gerecht“ werde. Wer die Jugendhilfe nur unter sozialen und erzieherischen Punkten sehe, bringe sie wieder „in jene Enge zurück, aus der wir sie in den vergangenen Jahrzehnten gerade herausgeholt haben“.32 Ein Verständnis der Jugendhilfe vor allem unter ihrem „sozialfürsorgerischen Aspekt“ und unter weitestgehender Ausblendung der „immer wichtiger werdenden Bereiche der vorbeugenden Hilfsangebote“ dränge die Jugendarbeit verstärkt „aus dem Blickfeld“ und zerstöre somit die „Einheit der Jugendhilfe“.33 Stattdessen schlug die CDU die Schaffung eines eigenen Jugendgesetzbuches vor, in dem die „so zahlreichen und so weit verstreuten Gesetze, die die junge Generation in 28 „Hilfe für Jugendliche und Familien! Gegen Verstaatlichung und Dirigismus! Jugendhilferecht in der parlamentarischen Beratung“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 29, 6.9.1979, S. 4 f. 29 Vgl. Hermann Kroll-Schlüter: „Zum Referentenentwurf eines Jugendhilfegesetzes“, in: DUD, Nr. 90, 13.5.1974. 30 Vgl. BT-Drs. 7/868, 27.6.1973. 31 Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit am 4.6.1975, PA-DBT 3116 A7/13 – Prot. 54. 32 Sten. Ber. BT, 7. WP, 20.9.1973, S. 2892. 33 „Hilfe für Jugendliche und Familien! Gegen Verstaatlichung und Dirigismus! Jugendhilferecht in der parlamentarischen Beratung“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 29, 6.9.1979, S. 8.
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B. Die Jugendpolitik der CDU in Zeiten der „Reformeuphorie“ (1969 – 1974)
diesem Lande angehen, […] aufeinander abzustimmen, zu reformieren und zusammenzufassen“ seien. Laut Rollmann trüge allein diese Maßnahme dazu bei, der „Bedeutung der jungen Generation und der sie betreffenden Rechtsmaterien gerecht“ zu werden.34 Die Forderung nach einem eigenständigen Jugendgesetzbuch wurde aber bereits 1975 wieder zurückgestellt, „da dann Fragen geklärt werden müßten, wie etwa, ob das Strafrecht auch in seinen Jugendbelangen dort in dieses Gesetz eingegliedert werden müßte“.35 Am Ende der siebten Legislaturperiode verabschiedete der Deutsche Bundestag schließlich den Allgemeinen Teil des neuen Sozialgesetzbuchs und auch der Bundesrat stimmte dem Gesetz zu.36 In dessen Allgemeinen Teil war das noch geltende Jugendwohlfahrtsgesetz dann zwar eingegliedert, dies hatte allerdings inhaltlich keine Konsequenzen.37 Die Reform des Jugendhilferechts scheiterte bereits im ersten Anlauf. Eine für September 1974 angekündigte Kabinettsvorlage wurde schon gar nicht mehr veröffentlicht, obwohl ein entsprechender Entwurf vorlag.38 Dieser wurde allerdings nicht an den Bundestag und den Bundesrat weitergeleitet, da die „finanziellen Auswirkungen zur Zeit nicht verkraftet werden können“. Diese Begründung trugen auch die CDU- und CSUgeführten Bundesländer mit, wie die SPD über ihren Pressedienst verlautbaren ließ.39 Dass von Seiten der Union öffentlich dennoch gegen die Zurückstellung der Reform gewettert und von einem allgemeinen Scheitern der sozial-liberalen Jugendpolitik gesprochen wurde, erklärt sich mit ihrer Rolle als Opposition.40 Für die Bundesregierung war das Scheitern der Reform ein herber Rückschlag, war sie doch immer wieder als das „Kernstück der Jugendpolitik“ deklariert worden. Auch andere jugendpolitische Vorhaben wurden durch die Sparvorgaben von SPD und FDP in ihrer Umsetzung stark eingeschränkt. Darunter fielen unter anderem die Bundes- und Landesjugendpläne sowie das neu gegründete Europäische Jugendwerk. Gemessen an den hohen Ansprüchen, die sich die sozial-liberale Koalition auf dem Feld der Jugendpolitik selbst auferlegt hatte, fiel die „jugendpolitische Bilanz“ der Bundesregierung mit Ablauf der siebten Legislaturperiode „recht bescheiden aus.“41 Der Reformbedarf des Jugendhilferechts wurde von SPD/FDP und den Unionsparteien gleichermaßen nach wie vor als dringlich angesehen. Die Missstände in der Praxis der Jugendhilfe waren schließlich nicht weniger geworden.42 Laut Helmut Kohl war das 34 Sten. Ber. BT, 7. WP, 20.9.1973, S. 2892. Zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag über die Schaffung eines eigenständigen Jugendgesetzbuchs vgl. BT-Drs. 7/1019, 19.9.1973. 35 Vermerk Dorothea Göbel an Dorothee Wilms betr. Stellungnahme zum Jugendhilfegesetz, 9.6.1975, ACDP 07-001-19095. 36 Vgl. Sten. Ber. BT, 7. WP, 19.6.1975, S. 12704; Sten. Ber. BR, 424. Sitzung, 17.10.1975, S. 253. 37 Vgl. Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 694, Anm. 442. In den folgenden Jahren versuchte die sozial-liberale Koalition, die Jugendhilfe als eigenständigen Teil des Sozialgesetzbuchs einzurichten, scheiterte damit aber am Widerstand der Bundesländer. 38 Vgl. „Hilfe für Jugendliche und Familien! Gegen Verstaatlichung und Dirigismus! Jugendhilferecht in der parlamentarischen Beratung“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 29, 6.9.1979, S. 2. 39 Sozialdemokratischer Pressedienst, 16.12.1974. 40 Vgl. Pressedienst CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 13.12.1974. 41 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 694 f., Zitat auf S. 695. 42 Vgl. Hermann Kroll-Schlüter: „Gesetzgeber und Jugendhilfe“, in: Kommunalpolitische Blätter, Nr. 2, 15.2.1975.
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IV. Ein Dauerbrenner flammt auf – Die Diskussion über ein neues Jugendhilferecht
Thema Jugendhilfepolitik in der Bundesrepublik wegen der damit verbundenen hohen Ausgaben „denkbar wenig populär“, doch trage diese eine „elementare Bedeutung auch in der moralischen Kraft der deutschen Demokratie“ in sich. Daher müsse sich auch die CDU weiterhin mit diesem wichtigen Thema beschäftigen, da ein rigider Rotstift im Bereich der Jugendhilfe „auf die Dauer gesehen eine verhängnisvolle Politik“ sei.43 Ein neuer Anlauf für die Reform des Jugendhilferechts wurde bereits in der achten Legislaturperiode gestartet. So kündigte Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Regierungserklärung am 16. Dezember 1976 das erneute Aufgreifen der „überfällige[n] Reform“ an, wobei mit Blick auf die Kosten ein „Stufenplan“ vorgesehen war. Auch die Abstimmung mit Ländern und Kommunen sollte im neuen Versuch viel enger ablaufen.44 Zwei Jahre später legte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor,45 der allerdings wiederum ähnliche Kritik aus den Reihen der Opposition sowie der Verbände und Institutionen der Jugendhilfe hervorrief, wie es bereits 1973/74 der Fall gewesen war. Nach wie vor sahen die Fachleute der Union eine klare Bevorzugung der öffentlichen vor den freien Trägern und auch die Kostenfrage bleibe weiterhin „[v]öllig unbeantwortet“. Der Kabinettsentwurf stoße darüber hinaus an „verfassungsrechtliche Grenzen“, da er einer Aushöhlung des Elternrechts Vorschub leiste. Insgesamt sah die CDU die Gefahr, dass dieses „fast totale Erziehungsgesetz“ eine Entwicklung hin zu einem „totalen Erziehungsstaat“ begünstige.46 Von Verbänden und Sachverständigen aus dem Bereich der Jugendhilfe waren ähnliche Kritikpunkte am Gesetzentwurf der Bundesregierung zu hören. In einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit des Deutschen Bundestages am 12. Juni 1979 wandten sich die anwesenden Fachleute gegen die Einbindung der Jugendhilfe in das Sozialgesetzbuch und bemängelten insbesondere die Vorrangstellung der öffentlichen Träger. Gegenstand der Kritik war auch der Perfektionismus des Gesetzentwurfs; um der ohnehin komplizierten Materie begegnen zu können, seien dagegen Vereinfachungen und Kürzungen im Text sinnvoller.47 Aus Sicht des CDU-Bundesvorstandes musste die Partei das Thema Jugendhilferecht und elterliche Sorge – ein mit dem Themenkomplex eng verknüpfter Bereich – „viel offensiver“ betreiben. Dies seien keine Themen „für Fachidioten“, wie Kohl es formulierte, sondern vielmehr „eine Sache, die draußen von ganz großer Bedeutung sein wird“.48 Aus diesem Grund müsse die CDU die „Angelegenheit jetzt auf einer hohen politischen Ebene angehen“ und sie aus den Gremien vermehrt in die Öffentlichkeit tragen. Dadurch könne die Partei ihre eigene Position stärker verdeutlichen und zeigen, dass sie für die Jugend aktiv sei.49
43 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 20.1.1975, S. 1040. 44 Sten. Ber. BT, 8. WP, 16.12.1976, S. 40. 45 Der vom zuständigen Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit erarbeitete Gesetzentwurf wurde vom Kabinett am 8. November 1978 verabschiedet und dem Bundesrat weitergeleitet. Vgl. 98. Kabinettsitzung am 8.11.1978 TOP 4 (‚Kabinettsprotokolle der Bundesregierung‘ online); BR-Drs. 517/78, 9.11.1978. Im Bundestag ging der Gesetzentwurf am 14. Februar 1979 ein. Vgl. BT-Drs. 8/2571, 14.2.1979. 46 Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 9.11.1978. 47 Vgl. Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit am 12.6.1979, PADBT 3116 A8/13 – Prot. 55. 48 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 27.11.1978, S. 1404. 49 Ebd., S. 1424 f., Zitat auf S. 1424.
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B. Die Jugendpolitik der CDU in Zeiten der „Reformeuphorie“ (1969 – 1974)
In einer ersten Debatte über ein neues Jugendhilferecht im Deutschen Bundestag am 15. März 1979 wurden die unterschiedlichen Standpunkte zwischen Opposition und Bundesregierung erstmals in einem größeren öffentlichen Rahmen ausgetauscht, auch wenn, wie Abgeordnete kritisierten, „zwischen Tagesschau und Mitternacht“ die Breitenwirkung dieses wichtigen jugendpolitischen Themas nicht wirklich gegeben sei.50 CDU und CSU war es in der Diskussion wichtig zu betonen, dass sie in der Sache grundsätzlich kompromissbereit waren – auch im Hinblick auf die Außenwirkung, die eine strikte Ablehnung eines doch so dringend notwendigen neuen Jugendhilferechts haben konnte.51 Diesen Kompromiss sah die Union in der Vorlage eines Entwurfs des Landes Baden-Württemberg, der Anfang März in den Bundesrat eingebracht wurde.52 Die darin enthaltenen Bestimmungen deklarierte die Unionsfraktion als Leitlinien ihrer Jugendhilfepolitik, brachte ihn allerdings nicht geschlossen als Fraktionsinitiative in den Bundestag ein, da sie sich den Alternativvorschlag nicht zu eigen machen mochte.53 Kernbestimmungen dieses Alternativentwurfs betrafen insbesondere das vorrangige Erziehungsrecht der Eltern und den Verzicht auf die Vorrangstellung des Staates in der Jugendförderung. Dabei sah der Entwurf „erstmals in einem Gesetz in der jüngsten Zeit […] klar die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips“ vor.54 Dass sich die Unionsfraktion gegen die Einbringung eines eigenen Gesetzentwurfs ausgesprochen hatte, stieß in den eigenen Reihen unter Fachleuten auf Unverständnis. Mit der Vorlage einer Fraktionsinitiative und der daran anschließenden Auseinandersetzung mit der Bundesregierung hätten CDU und CSU ein „konkretes politisches Kampffeld“ gehabt, dass kurz vor der Bundestagswahl 1980 zu einem „wichtigen Wahlkampfthema“ geworden wäre.55 Zu einer solchen Diskussion im Wahlkampf über die unterschiedlichen Ansichten von Bundesregierung und Opposition in der Jugendhilfe kam es allerdings auch deshalb nicht mehr, weil der zweite Anlauf der sozial-liberalen Koalition ebenfalls scheiterte. Wiederum war es die Bundesratsmehrheit der Union, die das bereits im Bundestag verabschiedete Gesetz blockierte.56 Laut Kroll-Schlüter war die Ablehnung des Jugendhilfegesetzes durch CDU und CSU der richtige Weg gewesen, da selbst Bundeskanzler Schmidt den eigenen Entwurf als „Spuk“ bezeichnet habe.57 Die erneute Ablehnung durch die Mehrheit der Bundesländer zeigte neben den finanziellen Bedenken und der 50 Sten. Ber. BT, 8. WP, 15.3.1979, S. 11498. Der SPD-Abgeordnete Rudolf Hauck sprach bereits von einer „Tradition“, wichtige jugendpolitische Debatten zu später Stunde zu führen. Vgl. ebd. 51 Vgl. ebd., S. 11496. 52 Vgl. Sten. Ber. BR, 470. Sitzung, 9.3.1979, S. 54 – 58; BR-Drs. 100/79, 1.3.1979. 53 Vgl. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 13.3.1979, ACDP 08-001-1055/1, S. 39 f. Der Grund, weshalb sich die Unionsfraktion den baden-württembergischen Entwurf nicht zu eigen machte, lag darin, dass es innerhalb des Fraktionsvorstandes Bedenken gegen diesen Vorschlag gab. Nach Ansicht des Fraktionsvorstandes stellte der Entwurf keine tatsächliche Alternative zum Regierungsentwurf dar, da er teilweise auf ähnliche Probleme hinauslaufe, wie sie im Regierungsentwurf bereits kritisiert wurden. Vgl. ebd. So wurde der baden-württembergische Alternativvorschlag letztlich vom Bundesrat im August 1979 in den Bundestag eingebracht. Vgl. BT-Drs. 8/3108, 10.8.1979. 54 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 13.3.1979, ACDP 08-001-1055/1, S. 39. 55 Ausarbeitung an den Bundesfachausschuss Jugendpolitik von Hermann Kroll-Schlüter, 11.10.1979, ACDP 01-365-090/3. 56 Die Verabschiedung des Regierungsentwurfs im Deutschen Bundestag erfolgte am 23.5.1980. Vgl. Sten. Ber. BT, 8. WP, 23.5.1980, S. 17668. Der Bundesrat lehnte das Gesetz in seiner Sitzung am 4. Juli 1980 ab. Vgl. Sten. Ber. BR, 490. Sitzung, 4.7.1980, S. 321 f. 57 Gespräch mit Hermann Kroll-Schlüter (am 22. Juli 2016).
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IV. Ein Dauerbrenner flammt auf – Die Diskussion über ein neues Jugendhilferecht
ideologischen Debatte über den staatlichen Einfluss in Erziehungsfragen, dass es Ländern und Gemeinden auch darum ging, „zentralistische Regelungen zu verhindern und die Verankerung dezentraler Normierungen zu erreichen“.58 Nach 1980 gab es zunächst keine weiteren Vorstöße, ein neues Jugendhilferecht zu erarbeiten, lediglich das geltende Jugendwohlfahrtsgesetz wurde den Umständen entsprechend angepasst und novelliert. Erst im Jahr 1990 kam es schließlich zur Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes.59 Das KJHG trug in einigen Punkten klar die „Handschrift der CDU“, die im Wesentlichen die in den 1970er Jahren vorgetragenen Kritikpunkte betrafen. So fiel die „starke Familienorientierung des Gesetzes“ ebenso auf wie die „schwache Rechtsstellung des jungen Menschen im Vergleich zu derjenigen der Eltern“, wobei es durchaus „Beteiligungsrechte und Antragsrechte für die Heranwachsenden“ gab.60 Strittig blieb ebenfalls die vollzogene Eingliederung des KJHG in das Sozialgesetzbuch – von CDU und CSU war dies in Oppositionszeiten noch vehement abgelehnt worden.61 Der größte Streitpunkt der vergangenen Jahrzehnte wurde zugunsten der freien Träger entschieden, da diese ihre „starke Stellung“ erhalten konnten.62
58 Münch: Familien-, Jugend- und Altenpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 695. 59 Am 28. März 1990 passierte der Regierungsentwurf den Deutschen Bundestag und wurde anschließend am 11. Mai 1990 vom Bundesrat verabschiedet. Vgl. Sten. Ber. BT, 11. WP, 28.3.1990, S. 15864; Sten. Ber. BR, 612. Sitzung, 11.5.1990, S. 216. 60 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 262. 61 Eine mögliche Erklärung für diesen Meinungsumschwung ist die Tatsache, dass mit der Eingliederung in das Sozialgesetzbuch die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt. 62 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 262.
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C. Jugend als Krisenphänomen – Die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation (1975 – 1978)
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I. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels Während Jugend in der Zeit von 1969 bis etwa 1974 vorwiegend als Motor des sozialen und gesellschaftlichen Wandels betrachtet, ihr in der Politik aber nur phasenweise ein größerer Stellenwert zugedacht worden war, wandelte sich der Blick auf die Jugend ab Mitte der 1970er Jahre hin zur Betrachtung als Krisenphänomen. Die in dieser Zeit aufkommenden krisenhaften gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen wurden in der öffentlichen Wahrnehmung eng mit der Jugend in Verbindung gebracht und der Druck auf die politischen Akteure erhöht, hier entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Neben politischen Krisen etwa durch den Terrorismus der RAF, war es insbesondere die ökonomische Entwicklung, die auf Teile der Jugend Auswirkungen hatte.1 Ausgelöst durch den Ölpreisschock im Jahr 1973 hatte die Bundesrepublik 1975 mit einem massiven wirtschaftlichen Einbruch und der stärksten Rezession seit der Währungsreform 1948 zu kämpfen. Damit einhergehend stieg die Zahl der Arbeitslosen bis Mitte der 1970er Jahre stark an, sodass 1975 die psychologisch bedeutsame Millionenmarke überschritten wurde.2 Die Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt war in dieser allgemeinen wirtschaftlichen Lage für die Jugend äußerst angespannt: Zeitgleich zum geringeren Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen drängten stetig geburtenstarke Jahrgänge nach, die um die verbleibenden Plätze konkurrierten. Die so beförderte Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungskrise trugen maßgeblich zum Bild der Jugend als Krisenphänomen bei.3 Der Eindruck in der breiten Bevölkerung, in krisenhaften Zeiten zu leben, setzte zudem der Reformeuphorie ein Ende, die den Beginn der Kanzlerschaft von Willy Brandt
1 Vgl. Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 667; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 463 – 578; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 563 – 588. 2 Vgl. ebd., S. 581. 3 Vgl. Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945 Bd. 6, S. 667. In die konjunkturell bedingten Ursachen der Arbeitslosigkeit mischten sich vermehrt strukturelle Gründe, zu denen neben dem Nachdrängen der geburtenstarken Jahrgänge auch die seit den 1970er Jahren zunehmende Arbeitstätigkeit von Frauen zählte, die mit den anderen Arbeitssuchenden um die verfügbaren Arbeitsplätze konkurrierten. Hinzu kam, dass sich in der Bundesrepublik und anderen westlichen Industrieländern die sektorale Wirtschaftsstruktur stark veränderte. Der primäre und sekundäre Sektor verlor zunehmend an Bedeutung, während der Dienstleistungssektor hinzugewann. Dabei konnte er die Arbeitsplatzverluste in den anderen Bereichen nur unzureichend auffangen, was neben der Quantität auch an der mangelnden Qualifikation der Arbeiter lag. Vgl. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 469 f.; Raithel: Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik, S. 13 f. Vgl. auch Ambrosius: Sektoraler Wandel und internationale Verflechtung, S. 17 – 31; Mattes: Ambivalente Aufbrüche, S. 215 – 228. Vergleicht man die Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland mit der Jugendarbeitslosigkeit in anderen westeuropäischen Ländern, wird deutlich, dass der Anstieg noch verhältnismäßig moderat verlief. In Deutschland stiegen Jugendarbeitslosigkeit und allgemeine Arbeitslosigkeit etwa gleichermaßen an, während beispielsweise in Frankreich die Jugendarbeitslosenquote teilweise deutlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote lag. Vgl. Raithel: Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik, S. 15 f.
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C. Die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation (1975 – 1978)
geprägt hatte. Auf große Zukunftsvisionen wurde nicht mehr gesetzt, stattdessen ging es fortan hauptsächlich um Krisenbewältigung.4 Der Wechsel im Kanzleramt von Willy Brandt zu Helmut Schmidt machte das Ende der Reformeuphorie auch in personeller Hinsicht deutlich. In seiner ersten Regierungserklärung machten bereits Zeitgenossen den „Abgesang auf die Reformpolitik der vorangegangenen Jahre“ aus.5 Optimistische Zukunftsvorstellungen, die in der Zeit der Reformeuphorie verbreitet gewesen waren, machten Platz für eine Phase der Vorsicht und Resignation in der Bevölkerung, insbesondere innerhalb der Jugend.6 Von dieser kulturellen Krise, die je nach Sichtweise geprägt war von einem gesellschaftlichen Wertewandel oder einer „Erosion überkommener Werte und Werteordnungen“7, sollte vor allem Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre verstärkt die Rede sein.8 Ab Mitte der 1970er Jahre dominierte noch die Problematik der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels in der öffentlichen Meinung.9 Auch die Jugendlichen selbst sahen in der Mehrheit ihre Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt bedeutend schlechter als noch 20 Jahre zuvor. In einer Umfrage im Auftrag des Jugendwerks der Deutschen Shell machten die befragten Jugendlichen insbesondere den Numerus clausus, den Lehrstellenmangel und höhere Anforderungen im Beruf als Gründe für die Verschlechterung ihrer Berufs- und Ausbildungschancen aus.10 Die Bundesanstalt für Arbeit belegte dieses subjektive Empfinden zudem mit harten Zahlen: Ende September 1974 galten nach der Untersuchung der Bundesanstalt 69.793 Jugendliche unter 20 Jahre als arbeitslos, was im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg von 70 Prozent entsprach.11
4 Vgl. u. a. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 496; Bösch: Macht und Machtverlust, S. 42; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 620; Jäger: Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1974 – 1982, S. 14; Wambach: Rainer Barzel, S. 634 – 636. Das Ende der ambitionierten Reformpolitik der sozial-liberalen Koalition war bereits seit längerem absehbar gewesen und nicht allein mit der wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen fehlenden finanziellen Absicherung der Reformvorhaben zu begründen. Konnten bis 1972 innenpolitische Reformen insbesondere wegen der beherrschenden Ost- und Deutschlandpolitik sowie der knappen Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag nicht umgesetzt werden, war es nach 1972 auch eine gewisse „[p]hysische Erschöpfung und lähmende Entschlußlosigkeit in der Führung beider Koalitionsparteien“, die Initiativen unterbanden. Etappenweise verabschiedete sich die Bundesregierung von ihren Versprechungen und formulierte in der Regierungserklärung Anfang 1973 nur noch vorsichtig und knapp gehalten ihre Reformvorstellungen. Baring: Machtwechsel, S. 644 f., 687. Zitat auf S. 644. 5 Geyer: Rahmenbedingungen, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 11. 6 Vgl. Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 620. 7 Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 667. 8 Siehe hierzu die Kapitel „Zwischen Aussteigertum und Hausbesetzung – Die CDU und der neue Jugendprotest“ und „,Frieden schaffen mit weniger Waffen‘ – Die Reaktion der CDU auf die neuen sozialen Bewegungen“. 9 In der öffentlichen Wahrnehmung waren die Jugendarbeitslosigkeit und die Ausbildungsplatzsituation vor allem Mitte der 1970er Jahre eng miteinander verbunden. So hatten unter anderem ungelernte Jugendliche auf dem angespannten Arbeitsmarkt weitaus geringere Chancen als solche mit einer Ausbildung. Vgl. Raithel: Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik, S. 63 f. Auch in der CDU wurde dieser Zusammenhang gesehen und so forderte Kohl auf einer Bundesvorstandssitzung im Januar 1975, dass diese Verflechtung von der Partei als „konstruktivster Ansatzpunkt“ dienen solle, um der breiten Bevölkerung das Problem der Jugendarbeitslosigkeit näher zu bringen. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 20.1.1975, S. 1040 f., Zitat auf S. 1040. 10 Vgl. Jugend zwischen 13 und 24, Bd. 3, S. 41. 11 Vgl. Bundesanstalt für Arbeit (Hg.): Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit. Arbeitsstatistik 1974, S. 52.
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I. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels
In der CDU wurde die Problematik recht schnell erkannt und thematisiert. Bereits im November 1974 verwies Norbert Blüm auf einer Bundesvorstandssitzung auf die „überdurchschnittlich […] hohe […] Jugendarbeitslosigkeit“, die in der Bundesrepublik zu beobachten sei.12 Auch die Junge Union und die Schüler Union versuchten bereits kurz nach der Veröffentlichung der Zahlen der Bundesanstalt, das Thema Jugendarbeitslosigkeit verstärkt in die Öffentlichkeit zu tragen, und forderten auf einem gemeinsamen Kongress im Dezember 1974 von der Bundesregierung „ein gezieltes Beschäftigungsprogramm für jugendliche Arbeitnehmer, um die Gefahren einer umfassenden Jugendarbeitslosigkeit mit allen ihren negativen gesellschaftlichen Konsequenzen abzuwehren“.13 In der SPD wurde diese lautstarke Themenbesetzung zunächst äußerst kritisch gesehen. Die Unionsparteien würden mit ihrer „Propaganda“ über die „angeblich besonders hohe […] Jugendarbeitslosigkeit“ sowie den „angeblichen Lehrstellenmangel“ die jungen Wähler weiter verunsichern und so in Teilen der Jugend zusätzliches „Unbehagen schaffen“.14 In der Auseinandersetzung um die Deutungshoheit ging es vor allem um die Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels. Aus einer Erklärung der Bundesregierung vom 28. Januar 1975 ging hervor, dass SPD und FDP hauptsächlich konjunkturbedingte Gründe für die aktuelle Situation der Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt sahen. Das von der sozial-liberalen Koalition im Dezember 1974 verabschiedete Maßnahmenpaket zur Wiederbelebung der Konjunktur in der Bundesrepublik würde somit schnell dazu beitragen, dass die Zahlen arbeitsloser Jugendlicher sinken würden. Deshalb zeigten sich SPD und FDP auch überzeugt, dass „auf mittlere oder längere Sicht in der Bundesrepublik Deutschland“ nicht mit der Entstehung einer „strukturelle[n] Jugendarbeitslosigkeit“ zu rechnen sei.15 In der CDU sah man zwar auch die aktuelle wirtschaftliche Situation als eine Ursache für die Jugendarbeitslosigkeit und den Lehrstellenmangel. Im Gegensatz zur Bundesregierung ging die Partei aber nicht von einer raschen Lösung der Problematik aus, da sie eben jene strukturellen Gründe ausmachte, die die Jugendarbeitslosigkeit und die Ausbildungsplatzsituation in den nächsten Jahren sogar noch verschärften. Die Auswahl dieser strukturellen Ursachen aus CDU-Sicht machte abermals ideologische Gegensätze zwischen den Unionsparteien auf der einen und insbesondere der SPD auf der anderen Seite deutlich. So waren nach Einschätzung des JU-Bundesvorstandsmitglieds HeinzJürgen Prangenberg die „politische Kontroverse um die Reform der beruflichen Bildung sowie die bildungspolitischen Fehlentscheidungen seit 1970 das eigentliche Phänomen der Jugendarbeitslosigkeit“.16 Übereinstimmend äußerte sich Norbert Blüm im Januar 1975 auf einer Sitzung des CDU-Bundesvorstandes, indem er betonte, dass die Berufsausbildung „strukturell […] neu angegangen werden muß“, um auch langfristig für eine
12 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 25.11.1974, S. 1020. 13 Beschluss des Schüler-Kongresses in Recklinghausen betreffend Jugendarbeitslosigkeit, 14./15.12.1974, ACDP 04-007-121/2. Vgl. zum Kongress auch „Bundeskongreß der Schüler-Union“, in: FAZ, 13.12. 1974; „Junge Union und Schüler-Union fordern auf gemeinsamen Kongreß: Programm zur Abwehr der Jugend-Arbeitslosigkeit“, in: Rheinische Post, 16.12.1974. 14 Daten zum Wählermarkt und einige relevante Meinungsforschungsergebnisse, o. A., 17.12.1974, AdsD Bestand Parteivorstand, Jungwähler 72/73/74, ohne Signatur. 15 Bulletin der Bundesregierung, Nr. 11, 28.1.1975, S. 113. 16 Prangenberg: Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungskrise, S. 108.
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Verbesserung auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu sorgen.17 In der Bildungspolitik wollte die CDU in den von den Unionsparteien regierten Bundesländern ihren Schwerpunkt vor allem auf den Ausbau und die Förderung der Hauptschulen setzen, um die Berufschancen junger Menschen langfristig zu verbessern. Hier warf die CDU insbesondere der SPD-geführten Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vor, die Hauptschule zu einer „Restschule“ degradieren zu wollen.18 Bildungspolitisch ebenfalls relevant war für die CDU die stärkere Berücksichtigung der gestiegenen Zahl an Jugendlichen ohne Schulabschluss sowie Jugendlicher mit einer Behinderung. In diesem Punkt herrschte Einvernehmen mit der Bundesregierung, die diesen Risikogruppen ebenso besondere Hilfen zukommen lassen wollte, doch standen für sie nach dem Zuständigkeitsprinzip hier die Bundesländer in der Pflicht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.19 Ihrer bisherigen Argumentation folgend sah die Bundesregierung in dem Anstieg der Zahlen der beiden Risikogruppen allerdings keine weitere Ursache für die Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsplatzsituation – im Gegensatz zur CDU, die darin ein weiteres strukturelles Problem ausmachte.20 Ein weiterer, von Seiten der Christlichen Demokraten thematisierter Punkt war die Zuspitzung der Problematik aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge, die zunehmend auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt drängten. Hier galt es, ebenfalls Überlegungen anzustellen, wie diese hohen Zahlen entzerrt werden könnten.21 All diese Feststellungen und vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels flossen in ein Dringlichkeitsprogramm der CDU/CSU-Fraktion ein, welches sie bereits Ende Januar 1975 dem Deutschen Bundestag vorlegte.22 Die schnelle Ausarbeitung des Programms durch die Fraktion hing mit zwei Faktoren zusammen: Zum einen wurde bei der Veröffentlichung der neuen Jugendarbeitslosenzahlen durch die Bundesanstalt für Arbeit im Februar 1975 mit einem wei 17 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 20.1.1975, S. 1074. Eine solche Strukturreform sollte nach Ansicht Blüms zwei „gegenläufigen Tendenzen“ in der beruflichen Bildung entgegenwirken: Zum einen die „Gefahr der Verbreiterung der Ausbildung […] aus Gründen der Berufssicherheit“ und entgegengesetzt dazu aber auch eine verstärkte „Spezialisierung der Betriebe, die diese breite Grundausbildung nicht mehr zur Verfügung stellen“. Ebd. Die Reform der beruflichen Bildung beschäftigte die CDU eingehender seit der Feststellung Willy Brandts in seiner Regierungserklärung im Januar 1973, das Berufsbildungsgesetz neu fassen zu müssen. Eine von der CDU/CSU-Fraktion eingesetzte Kommission erarbeitete daraufhin einen Entwurf, der schließlich in einer mehrstündigen Sitzung des CDU-Bundesvorstands am 5. Oktober 1973 und vom Hamburger Parteitag im November 1973 verabschiedet wurde. Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, S. XX f.; ebd., Sitzung am 5./6.10.1973, S. 195 – 268; 22. Bundesparteitag der CDU, 18. – 20.11.1973 in Hamburg, S. 428. 18 „Das Programm der CDU für die Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 14, 3.4.1975, S. 3 f., Zitat auf S. 3. 19 Vgl. Bulletin der Bundesregierung, Nr. 11, 28.1.1975, S. 113 f. 20 Vgl. u. a. Albert Burger: „Immer mehr Jugendliche ohne Schulabschluss“, in: DUD, Nr. 154, 15.8.1974; Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 20.1.1975, S. 1080 f.; CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 10.6.1975 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/handle/5452 (zuletzt abgerufen am 1.12.2021). 21 Vgl. „Das Programm der CDU für die Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 14, 3.4.1975, S. 7. 22 Der vollständige Titel lautete „Dringlichkeitsprogramm zur Überwindung des Lehrstellenmangels und zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit“. BT-Drs. 7/3196, 30.1.1975.
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teren deutlichen Anstieg gerechnet, sodass ein eigenes Programm der Opposition „mit Hinweisen und Einlassungen zu diesem Thema […] die meisten Leute am meisten beeindruckt, wie hier sich die Dinge darstellen“, wie es Helmut Kohl auf einer CDU-Bundesvorstandssitzung im Januar 1975 formulierte.23 Auf der anderen Seite geriet die CDU/ CSU-Fraktion unter Zugzwang durch die Ankündigung des Bundeskabinetts, Ende Januar 1975 selbst ein Dringlichkeitsprogramm vorlegen zu wollen.24 Dies erklärt die Eile, auch wenn die Bundesregierung das angekündigte Programm letztlich nicht dem Deutschen Bundestag vorlegte, sondern stattdessen durch die bereits erwähnte Erklärung im Bulletin der Bundesregierung veröffentlichte.25 Schwerpunktmäßig befasste sich das Dringlichkeitsprogramm der CDU/CSU-Fraktion mit Maßnahmen sowohl zum kurzfristigen als auch zum nachhaltigen Ausbau von Ausbildungsplätzen. Dazu zählte neben entsprechenden Anreizen für die Wirtschaft auch die Aufforderung an die öffentliche Hand, in stärkerem Maße auszubilden sowie verstärkte Hilfen für leistungsschwache Jugendliche und Jugendliche mit Behinderung anzubieten. Dabei war es das Ziel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, „den heute arbeitslosen Jugendlichen ein breiteres Angebot an Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten zu geben, um Jugendarbeitslosigkeit soweit irgend möglich zu vermeiden sowie die Weichen zur Bewältigung der künftigen Nachfrage nach Ausbildungsplätzen zu stellen“.26 An diesem Punkt setzte unter anderem die Kritik von SPD und FDP an. In der Bundestagsdebatte über das eingebrachte Dringlichkeitsprogramm der Opposition am 14. März 1975 bekräftigte die SPD-Abgeordnete Waltraud Steinhauer die allgemeine Auffassung der sozial-liberalen Koalition, dass der Lehrstellenmangel „lediglich in geringem Maße“ Einfluss auf die Jugendarbeitslosigkeit habe.27 Genau diesen Zusammenhang stellten CDU und CSU aber her – obwohl sie diesen einleitend noch negierten28 – und damit, so die Ansicht von SPD und FDP, die Bemühungen um die Reform der beruflichen Bildung erschwerten.29 Wohlwissend um den Versuch der Koalitionsparteien, das Kampffeld einseitig auf die berufliche Bildung zu verschieben, stellte der CDU-Abgeordnete Anton Pfeifer direkt zu Beginn der Diskussion über den Antrag seiner Fraktion klar, dass es nicht darum gehen könne, „heute eine Debatte über die Grundsätze der beruflichen Bildung zu führen“, sondern um die Umsetzung kurzfristig wirkender Maßnahmen, um der 23 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 20.1.1975, S. 1067. 24 Vgl. 95. Kabinettsitzung am 22.1.1975 TOP E (‚Kabinettsprotokolle der Bundesregierung‘ online); CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 28.1.1975, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1975-01-28-t1504_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 25 Vgl. Bulletin der Bundesregierung, Nr. 11, 28.1.1975, S. 113 – 117. 26 BT-Drs. 7/3196, 30.1.1975. 27 Sten. Ber. BT, 7. WP, 14.3.1975, S. 10877. 28 So hieß es in dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Die Jugendarbeitslosigkeit ist derzeit vor allem ein konjunkturelles, zum Teil auch strukturelles Problem und weniger durch den Mangel an Lehrstellen bedingt.“ BT-Drs. 7/3196, 30.1.1975. Kohl selbst hatte auf der Bundesvorstandssitzung am 20. Januar 1975 aber noch herausgestellt, dass „die Frage von Arbeitslosigkeit und miserabler Berufsausbildung […] einen ungeheuren Zusammenhang“ habe und deshalb als „konstruktivster Anhaltspunkt“ beim Thema Jugendarbeitslosigkeit dienen solle. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 20.1.1975, S. 1040 f. 29 Vgl. Sten. Ber. BT, 7. WP, 14.3.1975, S. 10872. Zur Reform der beruflichen Bildung vgl. u. a. Busemeyer: Wandel trotz Reformstau, S. 79 – 106; Fredebeul: „Berufsbildungsgesetzgebung“, S. 410 – 425.
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Jugendarbeitslosigkeit und dem Lehrstellenmangel entgegenzuwirken.30 Zudem hätten CDU und CSU bereits im Vorjahr ein entsprechendes Berufsbildungskonzept vorgelegt,31 das von Seiten der Bundesregierung noch ausstehe.32 In der weiteren Diskussion nahm der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Helmut Rohde, das Programm der CDU/CSU-Fraktion minutiös auseinander und setzte diesem ein Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung entgegen mit allen Schritten, die die sozial-liberale Koalition zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels bereits eingeleitet habe.33 Insofern würde – wie weitere Stimmen aus der SPD kritisierten – das Dringlichkeitsprogramm der Opposition zu spät kommen, habe sogar einen „Beigeschmack von Panikmache“34 und würde generell das Problem der Jugendarbeitslosigkeit „in einer unsachlichen Weise dramatisier[en]“35. Die Annahme, konjunkturpolitische Maßnahmen würden kurzfristig für eine Verbesserung auf dem Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt für Jugendliche sorgen, erwies sich nach Ansicht des JU-Bundesvorstandsmitglieds Prangenberg in der Rückschau jedoch als grundlegend falsch. Zu einer „nennenswerten Entlastung des Teilarbeitsmarktes“ sei es auch zwei Jahre nach dem beschlossenen Programm der Bundesregierung nicht gekommen, da dieses von einer „falschen Diagnose“ ausgegangen sei und die strukturellen Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit außer Acht gelassen habe.36 Unterstützung in ihrer Sichtweise erhielt die CDU/CSU-Fraktion durch ein Papier vom Akademischen Dienst des Deutschen Bundestags. Dieses enthielt Daten zur Situation der Jugendarbeitslosigkeit im Bund und ausgewählten Bundesländern und wurde noch einen Tag vor der Bundestagsdebatte über das Dringlichkeitsprogramm der Opposition veröffentlicht, fand allerdings keinen Eingang in die Diskussion. In der Analyse zur Situation im Bund bezog sich das Papier auf eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit. Aus dieser ging hervor, dass die „Eingliederung von Jugendlichen in das Ausbildungs- und Beschäftigungssystem auch in Zukunft schwierig sein“ würde und so in den „nächsten sieben Jahren ‚keine Verringerung, sondern eher eine Verschärfung des Problems‘ zu erwarten“ sei. Analog zu den Forderungen aus dem Dringlichkeitsprogramm der CDU/CSU-Fraktion müssten aufgrund der steigenden Zahlen von Schulabgängern „kurzfristig wirksame Auffangmassnahmen zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit“ getroffen werden, was „vor allem auch für den Anschluss an die Lehrausbildung“ gelte. Eine aus Sicht der Bundesanstalt sinnvolle Maßnahme zur Überbrückung von Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsmangel sei die Einführung eines sogenannten Berufsgrundbildungsjahres. Dadurch sollten insbesondere die Schulabgänger aufgefangen werden, die nicht direkt eine Ausbildungsstelle gefunden hatten.37 Über die Ausgestaltung eines solchen Berufsgrundbil 30 Sten. Ber. BT, 7. WP, 14.3.1975, S. 10860. 31 Vgl. BT-Drs. 7/1908, 29.3.1974. 32 Vgl. Sten. Ber. BT, 7. WP, 14.3.1975, S. 10860. 33 Vgl. ebd., S. 10865 – 10868. In den eingeleiteten Maßnahmen der Bundesregierung bezog sich Bundesminister Rohde vor allem auf das Ende Januar im Bulletin vorgestellte Programm. Vgl. Bulletin der Bundesregierung, Nr. 11, 28.1.1975, S. 113 – 117. 34 Sten. Ber. BT, 7. WP, 14.3.1975, S. 10876. 35 Ebd., 30.1.1975, S. 10060. 36 Prangenberg: Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungskrise, S. 111. 37 Zur Situation der Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik, 13.3.1975, PA-DBT 4200, Antrag 7/3196. Wer das Papier in Auftrag gab, wird aus der Quelle nicht ersichtlich.
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dungsjahrs wurde innerhalb der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien kontrovers diskutiert.38 Selbst innerhalb der Unionsparteien gab es bis Ende der 1970er Jahre noch keine einheitliche Meinung zu dieser Maßnahme.39 Die CSU stellte sich laut Pressemeldung sogar ganz gegen die Einführung eines Berufsgrundbildungsjahrs, da unter dem „kurzfristigen Druck geburtenstarker Jahrgänge bildungspolitisch und pädagogisch falsche Entscheidungen getroffen werden“.40 Allgemein schien die CSU im Gegensatz zu ihrer Schwesterpartei anfangs noch nicht überzeugt von der Tragweite des Problems der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels zu sein. Auf einer Sitzung der CSU-Landesgruppe am 21. Januar 1975 – also noch vor der Einbringung des Dringlichkeitsprogramms der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – erläuterte der Bundestagsabgeordnete Albert Probst die gegenwärtige Situation der Jugendarbeitslosigkeit aus Sicht der CSU. Diese sei „in erster Linie ein Regierungsproblem“ und vor allem gelte sie nicht für Bayern, da hier die Quote „nur ca. 1% ausmache“. Nach Ansicht von Probst sei die Jugendarbeitslosigkeit „bisher völlig unbedeutend“ und werde „nur politisch aufgebauscht, um den Rohde-Plan zu untermauern“.41 Mit seiner letzten Äußerung wollte Probst auf den aus seiner Sicht unternommenen Versuch der Bundesregierung hinweisen, die Verbesserung der Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt für Jugendliche mit der Reform der beruflichen Bildung in einen engen Zusammenhang zu stellen. Letztlich unterstützte aber auch die CSU-Landesgruppe das Dringlichkeitsprogramm und die CSU-geführte Landesregierung in Bayern hatte an den Aussagen im Antrag nichts auszusetzen.42 Im Mai des darauffolgenden Jahres veröffentlichte die bayerische Landesregierung dann auch ein eigenes Neun-Punkte-Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels auf Landesebene.43 Nach der Bundestagsdebatte über das Dringlichkeitsprogramm der Opposition wurde dieses an die zuständigen Ausschüsse im Deutschen Bundestag überwiesen. Da sich 38 Zwischen Bundesregierung und der SPD gab es unterschiedliche Meinungen über die Form des Grundbildungsjahrs. Obwohl Helmut Schmidt in seiner Regierungserklärung im Dezember 1976 klar den Vorrang des Berufsgrundbildungsjahrs vor einem 10. Pflichtschuljahr formulierte, setzten die SPD-geführten Landesregierungen in Berlin und Nordrhein-Westfalen eine Erweiterung der 9-jährigen Schulpflicht um ein Jahr kurze Zeit später um. Vgl. Sten. Ber. BT, 8. WP, 16.12.1976, S. 40; CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Stichworte dieser Woche, 19.10.1979. 39 So unter anderem kritisiert vom CDU-Bundesfachausschuss Kulturpolitik im Juni 1978. Vgl. 11. Sitzung des Bundesfachausschuss Kulturpolitik, 5.6.1978, ACDP 07-001-8255. Unterschiedliche Positionen innerhalb der Unionsparteien gab es beispielsweise über die Frage, ob ein solches Berufsgrundbildungsjahr den Schwerpunkt stärker auf den Verbund zwischen Schule und Betrieb oder nur auf die Schule legen sollte. Vgl. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 20.6.1978, ACDP 08-001-1053/1, S. 35 f. 40 dpa-Meldung, 22.5.1978. 41 CSU-Landesgruppe 1972 – 1983, 21.1.1975, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CSU-LG, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/csu-lg-07_1975-01-21-t1315_EP.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Mit dem „Rohde-Plan“ ist höchstwahrscheinlich die geplante Reform der beruflichen Bildung gemeint. 42 Vgl. CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 28.1.1975, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1975-01-28t1504_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 43 Vgl. Bayerisches Neun-Punkte-Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Ausbildungsstellenmangels, Beschluss vom 4.5.1976, ACDP 08-007-044/1. Darin sind unter anderem allgemeine Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und des Ausbildungsstellenmangels aufgelistet wie auch detailliertere Maßnahmen insbesondere im Bereich der Berufsausbildung.
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nach Ansicht von CDU und CSU die Diskussion in den Ausschüssen allerdings unnötigerweise hinzog, schlug der ehemalige Bundesarbeitsminister und Vorsitzende der CDUSozialausschüsse Hans Katzer die Einrichtung eines Sonderausschusses zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vor, um hier schneller zu entsprechenden Beschlüssen zu kommen.44 Mit der Einsetzung eines solchen Ausschusses könne „endlich die notwendige Koordination und Systematik erfolgen, die für die Lösung des Problems erforderlich ist“ und so der „Untätigkeit und Wurstelei [der Bundesregierung, Anm. d. Verf.] ein Ende“ gesetzt werden.45 Ein weiterer Punkt bei der Einbringung des Antrags zur Einsetzung eines Sonderausschusses betraf erneut die Diskussion um die Reform der beruflichen Bildung. In dieser Debatte versuchte die Bundesregierung nach Auffassung der Unionsparteien weiterhin, die Verringerung des Lehrstellenmangels allein durch die Umsetzung ihres Berufsbildungsgesetzes für möglich zu erklären. Dies sei aber kurzfristig nach wie vor nicht möglich, da ein solches Gesetz, sollte es verabschiedet werden, erst in einigen Jahren greife. Um die Jugendarbeitslosigkeit und den Lehrstellenmangel akut zu bekämpfen, sei das Dringlichkeitsprogramm der einzig gangbare Weg.46 Im Mai 1975 wurde der Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Einsetzung eines Sonderausschusses vom Deutschen Bundestag mit der Mehrheit der sozial-liberalen Koalition abgelehnt.47 Dass die von der Bundesregierung erhoffte rasche Erholung auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt für die Jugend nicht eintrat, zeigten auch die im Sommer 1975 veröffentlichten neuen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit zur Situation der Jugendarbeitslosigkeit. CDU und CSU drängten deshalb darauf, die von ihnen im Dringlichkeitsprogramm geforderten Maßnahmen umzusetzen, und versuchten allgemein, Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel in der öffentlichen wie auch parteiinternen Diskussion weiter oben auf der Agenda zu halten.48 So prognostizierte Hans Katzer auf dem CDU-Bundesparteitag in Mannheim Ende Juni 1975, dass das Problem der Jugendarbeitslosigkeit und der beruflichen Chancen der Jugendlichen das „schwerwiegendste innenpolitische Thema der nächsten Jahre“ werden könnte.49 Kritik an ausbleibenden Maßnahmen der Bundesregierung zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit wurde auch in der Presse laut. Das Deutsche Jugendinstitut kritisierte in einem Bericht die bisherige Sicht der sozial-liberalen Bundesregierung, das Problem sei ausschließlich konjunkturell bedingt, womit man vor den wichtigeren strukturellen Ursachen die Augen verschließe.50 Mit Blick auf das Bundestagswahljahr 1976 machte Helmut Kohl auf einer Sitzung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag im September 1975 deutlich, dass eine klare Haltung der Unionsparteien zur Problematik der Jugendarbeitslosigkeit und der Ausbildungsplatzsituation sowie generell zu den zukünftigen Chancen der Jugend „entscheidend das Wahlverhalten einer ganzen Generation […] beeindrucken“ würde. Sei 44 Vgl. CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 15.4.1975, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1975-04-15t1504_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 45 „Arbeitslosigkeit. SPD/FDP hat die Jugendlichen im Stich gelassen“, in: UiD, Nr. 21, 22.5.1975, S. 8. 46 Vgl. CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 15.4.1975, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1975-04-15t1504_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 47 Vgl. BT-Drs. 7/3507, 15.4.1975; Sten. Ber. BT, 7. WP, 15.5.1975, S. 11981. 48 Vgl. Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 21.8.1975. 49 23. Bundesparteitag der CDU, 23. – 25.6.1975 in Mannheim, S. 226. 50 „Nix zu machen“, in: Der Spiegel, Nr. 53, 29.12.1975.
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ner Ansicht nach musste sich die Union prinzipiell stärker zu einer Entwicklung innerhalb der Jugend positionieren, die Kohl zunehmend Sorge bereitete. So mache sich unter den Jugendlichen angesichts ihrer schlechten Berufschancen eine wachsende Resignation breit. Im Gegensatz zur Protesthaltung einiger Jugendlicher und junger Erwachsener Ende der 1960er Jahre sei eine „Generation in voller Resignation […] sehr viel schlimmer für den Staat und das Gemeinwesen“.51 Mit dieser Analyse einer zunehmenden resignativen Stimmung innerhalb der Jugend bewies der CDU-Parteivorsitzende Weitsicht für ein Thema, das die Bundesrepublik Ende der 1970er Jahre, vor allem aber Anfang der 1980er Jahre intensiv beschäftigen sollte.52 CDU und CSU nahmen allerdings keinen Einfluss auf diese Entwicklung, sondern reagierten letztlich wie die anderen Parteien auch nur auf die Konsequenzen, die die resignative Haltung unter den Jugendlichen mit sich brachte. Auf die nach wie vor grassierende Jugendarbeitslosigkeit Anfang des Jahres 1976 musste nun auch die Bundesregierung reagieren und verabschiedete ein Sonderprogramm mit einem Ausgabenvolumen von 300 Millionen DM.53 Allgemein wurde das Programm von CDU und CSU zwar begrüßt, freilich komme die Einsicht von SPD und FDP in die Notwendigkeit eines solchen Schrittes ein Jahr zu spät, womit sich die Opposition abermals auf ihr bereits im Januar 1975 gefordertes Dringlichkeitsprogramm bezog. Zudem würden die veranschlagten Mittel des Programms nicht ausreichen, um das Problem der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels tatsächlich zu beseitigen.54 Mit der Verabschiedung des Sonderprogramms musste die Bundesregierung zudem zugeben, dass sie in Bezug auf die Ursachenanalyse der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels einen Sinneswandel durchgemacht hatte. So sei nur „ein Teil der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit […] konjunkturell bestimmt, parallel ergibt sich eine längerwierige [sic!] strukturelle Arbeitslosigkeit“.55 Auf die bisherige „Fehleinschätzung“ der Bundesregierung machte Hermann Kroll-Schlüter in einer Analyse zur Jugendarbeitslosigkeit von Mai 1976 noch einmal aufmerksam. Die Betrachtung der Jugendarbeitslosigkeit als rein konjunkturelles Problem habe zu unnötigen Verzögerungen bei deren Beseitigung geführt. Kroll-Schlüter begrüßte aber ausdrücklich das „gesteigerte Interesse“ der Bundesregierung an dem Themenkomplex, reagiere sie damit doch endlich auf den aktuellen „Brennpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung“. In seiner sehr detaillierten Ausarbeitung fasste Kroll-Schlüter aus Sicht der CDU noch einmal die wesentlichen Punkte 51 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 16.9.1975, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1975-09-16-t1107_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Kohl selbst wäre eine Protestlage wie in den 1960er Jahren „viel lieber, weil die Protestlage eine Reaktion und eine Aktion in sich birgt, wo man sich noch auseinandersetzen kann.“ Den Handlungsbedarf gegen die Resignation unter den Jugendlichen sah er für die CDU „von allergrößer Bedeutung.“ Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 1.9.1975, S. 1407. 52 Vgl. u. a. Kohl: Erinnerungen 1930 – 1982, S. 611. Siehe hierzu ausführlicher das Kapitel „Zwischen Aussteigertum und Hausbesetzung – Die CDU und der neue Jugendprotest“. Es zeichnete Kohl generell aus, „Phänomene [zu erkennen], die Langzeitwirkung hatten“, was „für die junge Generation im Allgemeinen wie für den Nachwuchs der Partei im Besonderen“ galt. Köhler: Helmut Kohl, S. 328. 53 Vgl. 147. Kabinettsitzung am 28.1.1976 TOP 3 (‚Kabinettsprotokolle der Bundesregierung‘ online); Sten. Ber. BT, 7. WP, 13.2.1976, S. 15502. 54 Vgl. „Jugendarbeitslosigkeit. Regierungsprogramme: späte Reue“, in: UiD, Nr. 8, 19.2.1976, S. 7. 55 Wolfgang Roth: „Schwerpunkt der Jugendpolitik 1976: Jugendarbeitslosigkeit“, in: Die Neue Gesellschaft, 1976, S. 125.
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zusammen, die zu dem massiven Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit geführt hätten.56 Da das „Kernproblem der Jugendarbeitslosigkeit […] in der hohen Zahl der ungelernten, der lernschwachen und leistungsgeminderten Jugendlichen“ liege, sei die „wesentliche Voraussetzung zur Überwindung der Arbeitslosigkeit […] die Verbesserung des schulischen und beruflichen Ausbildungsstandes der jugendlichen Berufsanfänger“.57 Neben der stärkeren Berücksichtigung der Problematik durch die Bundesregierung wurden auch innerhalb der Regierungsparteien die Stimmen lauter, sich angesichts des Wahljahres 1976 intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. So plädierte unter anderem der Vorsitzende der Jusos, Wolfgang Roth, dafür, das Augenmerk in der Jugendpolitik vor allem auf die Jugendarbeitslosigkeit zu richten und im Bundestagswahlkampf das Thema als einen Schwerpunkt in diesem Politikbereich zu setzen. Hier sei es Aufgabe der SPD, „ausbildungsplätzeschaffende [sic!] Reformmaßnahmen für die nächste Legislaturperiode“ zu formulieren und so für Vertrauen in der wichtigen Wählergruppe der Jugend zu sorgen.58 Auch in den Unionsparteien war man sich früh darüber einig, das Thema prominent im Bundestagswahlkampf zu behandeln. So wurde die Jugendarbeitslosigkeit in einer Anfang April 1976 verteilten Zusammenstellung der politischen Sachthemen für den Wahlkampf aus der CDU-Bundesgeschäftsstelle als eigenständiger Punkt aufgeführt. Für eine neue Bundesregierung unter der Führung der Union sei es der „wichtigste Auftrag“, den „Skandal“ der hohen Jugendarbeitslosigkeit „zuerst und vor allem“ zu beseitigen. Mit Blick auf die nahe Zukunft solle die Union im Wahlkampf zudem auf das Problem der geburtenstarken Jahrgänge aufmerksam machen und die Versorgung dieser Jugendlichen mit Ausbildung und Arbeit als „einer der wichtigsten Aufträge der nächsten Jahre deutscher Politik“ thematisieren.59 In seiner Rede vor dem CDU-Bundesparteitag im Mai 1976, auf dem auch das Wahlprogramm von CDU und CSU verabschiedet wurde, übernahm der Spitzenkandidat Helmut Kohl fast wortgleich die von der Bundesgeschäftsstelle zusammengestellten Punkte und machte damit nochmals deutlich, dass Jugendarbeitslosigkeit eine der „zentralsten Fragen dieser Tage“ sei.60 Auch andere Redner griffen das Thema auf und zeichneten teilweise ein düsteres Bild der Konsequenzen, die die aktuelle Situation für die Jugendlichen in der Bundesrepublik nach sich ziehen könne. Die falschen Erwartungen, die die sozial-liberale Koalition zu Beginn ihrer Regierungszeit vor allem im Bereich der Bildungspolitik bei vielen Jugendlichen geweckt habe, würden sich angesichts ihrer zunehmend schlechten Zukunftschancen in Enttäuschung und die von 56 Hierzu zählten neben den bereits bekannten Argumenten wie die Versäumnisse der Bundesregierung und das Drängen der geburtenstarken Jahrgänge auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt auch neue Betrachtungsweisen in Bezug auf „langfristige Strukturveränderungen“. So war laut Kroll-Schlüter im Zuge des Bedeutungszuwachses des Dienstleistungssektors in den nächsten Jahren mit einem „erheblichen, rationalisierungsbedingten Rückgang des Arbeitsplatzangebotes vor allem im Bereich der verarbeitenden Wirtschaft zu rechnen“. Papier „Aspekte zur Jugendarbeitslosigkeit“ von Hermann Kroll-Schlüter, Mai 1976, ACDP 08-007-044/1. 57 Ebd. 58 Wolfgang Roth: „Schwerpunkt der Jugendpolitik 1976: Jugendarbeitslosigkeit“, in: Die Neue Gesellschaft, 1976, S. 125. Vgl. auch Protokoll der Sitzung der Kommission Jugendpolitik am 18.2.1976, AdsD Bestand Parteivorstand Kommission Jugendpolitik – Sitzungen 1976, ohne Signatur. 59 Zusammenstellung der politischen Sachthemen für den Wahlkampf 1976 von Helmuth Pütz, 8.4.1976, ACDP 07-001-5308. 60 24. Bundesparteitag der CDU, 24. – 26.5.1976 in Hannover, S. 35.
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I. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels
Kohl bereits angesprochene Resignation umkehren. Der stellvertretende RCDS-Bundesvorsitzende Friedbert Pflüger appellierte im Namen seines Verbandes an CDU und CSU, sich auch unabhängig von einem Wahlsieg fortan stärker um die Belange der Jugend zu kümmern und allgemein eine „bessere Politik“ für diese Zielgruppe zu machen.61 Viele der vorgenannten Aussagen zur Jugendarbeitslosigkeit und zum Lehrstellenmangel flossen in das Wahlprogramm der Unionsparteien zur Bundestagswahl 1976 ein, vor allem die aus Sicht der Union gescheiterte Bildungspolitik von SPD und FDP wurde stark thematisiert.62 Die eigentliche Thematik der Jugendarbeitslosigkeit fand zwar auch Aufnahme in das Programm, erschien allerdings nicht unter diesem Begriff, sondern unter dem Kapitel der Zukunftssicherung.63 Hier wurde eine inhaltliche Akzentverschiebung deutlich, die insbesondere die CDU allmählich vornahm. Der Themenkomplex der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels wurde eingebettet in die größere Aufgabe der Sicherung der Zukunftschancen der Jugend – ein Thema, das in den folgenden Jahren im Bereich der Jugendpolitik von größter Bedeutung in der CDU sein sollte.64 Im weiteren Verlauf des Wahlkampfs wurden von Seiten der CDU Jugendarbeitslosigkeit und die Ausbildungsplatzsituation durchaus noch als eigenständige Themen behandelt, viel häufiger wurden sie allerdings unter dem Stichwort der Sicherung der Zukunftschancen subsumiert. Ein möglicher Grund für diese Akzentverschiebung ist in deren Außenwirkung zu sehen: Das ständige Lamento über die schlechte Situation vieler Jugendlicher auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt führte im Zweifel zu noch mehr Resignation und Enttäuschung, die positive Umkehrung dieser Lage unter dem Schlagwort der Verbesserung der Zukunftschancen konnte dagegen eine Art Aufbruchsstimmung hervorrufen und die CDU als die Partei erscheinen lassen, die aktiv etwas für die Zukunft der Jugend unternehmen wollte. So war eine der zentralen Aussagen im Wahlkampf, dass stets Ziel der Politik der CDU für die junge Generation die Garantie ihrer Zukunftschancen sei.65 Das Ergebnis der Bundestagswahl am 3. Oktober 1976 zeigte, dass die CDU mit ihrer Themensetzung näher an der Erfahrungswelt der Jugendlichen lag. Insbesondere bei den Erstwählern war eine Verlangsamung des Abwärtstrends in den Bundestagswahlen seit 1969 zu beobachten, der Abstand zwischen Gesamtergebnis und Jungwählerergebnis verbesserte sich im Vergleich zu 1972 allerdings auch nur leicht von 9,3 Prozent auf 7,8 Prozent.66 Insgesamt erreichten CDU und CSU bei der Bundestagswahl 48,6 Prozent und 61 Ebd., S. 109. 62 Vgl. Das Wahlprogramm der CDU und CSU 1976, in: ebd., S. 116. 63 Vgl. ebd., S. 124 – 128, hier v. a. S. 127. 64 Siehe dazu das Kapitel „Das ‚Thema aller Themen‘“. 65 Vgl. „Ja zu besseren Zukunftschancen. Die Politik der CDU für die junge Generation“, in: UiD, Nr. 36, 2.9.1976, S. 14 f. Jugendpolitik „im weitesten Sinne“ war laut des JU-Vorsitzenden Wissmann ein „zentrales Thema“ des Bundestagswahlkampfes. Zu den Gründen für das starke Werben der Parteien um die Jugend führte Wissmann zwei Gründe an. Hierunter zählte seiner Ansicht nach neben der parteipolitisch noch nicht festgelegten und daher interessanten Gruppe der Erstwähler auch die Tatsache der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Jugendlicher. Laut Wissmann waren die „damit verbundenen Probleme im Bildungs- und im Beschäftigungssystem […] eine gesellschaftspolitische Herausforderung ersten Ranges.“ Matthias Wissmann: „Hat die Jugend noch eine Zukunft? Jugendpolitik zwischen Wahn und Wirklichkeit“, in: Sonde 2/3 1976, S. 32. 66 Vgl. Tabelle in Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 11.
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C. Die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation (1975 – 1978)
verpassten nur knapp die absolute Mehrheit. Einen direkten Zusammenhang zwischen dem verbesserten Jungwählerergebnis der Unionsparteien und deren Themenauswahl im Wahlkampf stellte die SPD in ihrer Nachwahlanalyse her. Die Tatsache, dass 1976 vermehrt Erstwähler ihr Kreuz bei der Union gemacht hatten, liege an der „Verunsicherung der Zukunftschancen“.67 Selbstverständlich wurde hier der Spieß umgedreht und der Union unterstellt, sie habe die jungen Wähler mit düsteren Zukunftsaussichten und falschen Versprechungen gelockt, doch im Ergebnis gestand die SPD ein, dass CDU und CSU die richtigen Themen im Wahlkampf besetzt hatten. Das Thema der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels blieb nach der Bundestagswahl 1976 weiterhin auf der Agenda aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Bereits im Mai 1977 brachte die CDU/CSU-Fraktion ein „Programm zur Sicherung und Weiterentwicklung des Ausbildungsplatzangebotes und zur Verbreiterung der Arbeitsmöglichkeiten für Jugendliche“ in das Parlament ein.68 Angesichts der vermehrten positiven Nachrichten zur Entwicklung auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt für Jugendliche stellte sich für CDU und CSU vor Veröffentlichung des Programms die Frage, ob ein solches zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt sinnvoll sei und die Situation nicht unnötig dramatisiert werde. Als Antwort diente schließlich ein „Blick auf die Bevölkerungsstatistik“, der deutlich mache, dass mit dem „Schülerberg“, der auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt drängte, die strukturellen Ausbildungs- und Beschäftigungsprobleme noch bestünden und gelöst werden müssten.69 So enthielt das Programm „Anreize zur Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze, Sondermaßnahmen für benachteiligte und leistungsgeminderte [sic!] Jugendliche, einen Aufbau des Engagements der öffentlichen Hand und der Bundesanstalt für Arbeit sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Abstimmung zwischen Betrieb und Schule“.70 Viele der hier genannten Forderungen waren bereits aus dem Dringlichkeitsprogramm von Januar 1975 bekannt, im Vergleich zu diesem war das Programm von Mai 1977 allerdings weitaus umfassender und in seinen vorgeschlagenen Maßnahmen detaillierter.71 Kurz nach Einbringung des Programms durch die Bundestagsfraktion befasste sich auch der CDU-Bundesvorstand noch einmal mit der Thematik. In dem am 6. Juni 1977 verabschiedeten „Entwurf eines Programms der CDU zur Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung“ wurden zwar hauptsächlich Maßnahmen zur Überwindung der allgemeinen Arbeitslosigkeit aufgelistet, Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel aber auch hier als spezifisches Problem angesprochen.72 Auch SPD und FDP beschäftigten sich weiterhin mit dem Themenkomplex. In ihren „Kieler Thesen“ aus dem Jahr 1977 – dem neuen Grundsatzprogramm der FDP – sprach die Partei das Thema kurz an, indem sie als Ziel ausgab, „jedem Jugendlichen eine Be 67 Protokoll der Sitzung der Kommission Jugendpolitik, 28.10.1976, AdsD Bestand Parteivorstand Kommission Jugendpolitik – Sitzungen 1976, ohne Signatur. 68 BT-Drs. 8/439, 12.5.1977. 69 „Programm der CDU/CSU gegen Lehrstellenknappheit und Jugendarbeitslosigkeit“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 21, 26.5.1977, S. 2. 70 Anton Pfeifer: „Bildungspolitische Bilanz 1977. CDU und CSU kümmern sich um die Zukunftschancen der Jugend“, in: DUD, Nr. 246, 27.12.1977. 71 Im Juni 1978 wurde der Antrag der CDU/CSU-Fraktion vom Bundestag schließlich abgelehnt. Vgl. Sten. Ber. BT, 8. WP, 21.6.1978, S. 7915. 72 Vgl. „Entwurf eines Programms der CDU zur Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 23, 9.6.1977, S. 2.
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I. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels
rufsausbildung zu ermöglichen“.73 Eingehender setzten sich allerdings die Sozialdemokraten mit der Problematik auseinander: 1978 veröffentlichte die SPD ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Dieses von einer eigens beim Parteivorstand eingerichteten Arbeitsgruppe erarbeitete Programm bot neben einer Beschreibung der aus SPD-Sicht nach wie vor unhaltbaren Situation für viele junge Menschen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt ein umfassendes Maßnahmenpaket, mit dem das Problem beseitigt werden sollte.74 Kritik an dem Aktionsprogramm der SPD wurde aus den Reihen der CDU laut. So bedauerte es Kroll-Schlüter, „daß der SPD im fünften Jahr einer bundesweiten Jugendarbeitslosigkeit nicht mehr einfalle als die Auflistung seit Jahren bekannter Analysen und von Einzelmaßnahmen, die sie als Bonner Regierungspartei längst hätte verwirklichen können“.75 Allgemein betrachtet wurden jedoch die Abstände, in denen innerhalb der Parteien und öffentlich über die Thematik diskutiert wurde, größer. Dies hing insbesondere damit zusammen, dass Jugendarbeitslosigkeit schon ab dem Jahr 1978 in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr als drängendes Problem gesehen wurde.76 Dieser Eindruck verstärkte sich durch die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit, die eine leichte Erholung auf dem Arbeitsmarkt erkennen ließen.77 Angesichts dieses sinkenden Interesses appellierte Kohl im November 1978 an den CDU-Bundesvorstand, dass das „Thema Dauerarbeitslosigkeit nicht dazu führen kann, daß wir uns wie die Bevölkerung auch an dieses Thema gewöhnen“. Kohls Ansicht nach musste das Problem „ein Thema bleiben, das wir immer wieder in den Detailperspektiven, Frauenarbeitslosigkeit, die auf uns zukommt, und der Akademikerarbeitslosigkeit in diesem Zusammenhang ansprechen“.78 Wie die weitere Entwicklung der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik in den kommenden Jahren zeigte, behielt Kohl mit seiner Forderung, das Thema nicht unter den Tisch fallen zu lassen, Recht. Die Erholung auf dem Arbeitsmarkt war nur von kurzer Dauer, denn bereits 1981 stiegen die Jugendarbeitslosenzahlen wieder stark an und bestimmten die nach wie vor verbreitete Betrachtung der Jugend als Krisenphänomen entscheidend mit.79 Mit Blick auf die Jugendpolitik führte diese Betrachtungsweise dazu, dass diesem Politikbereich vor allem ab 1975 ein „überragende[r] Stellenwert“ zukam.80 In ihrer Rolle als Opposition verwiesen CDU und CSU in diesem Zusammenhang naturgemäß darauf, dass die bisherige Arbeit der Bundesregierung nicht darauf schließen lasse, dass sie der Jugendpolitik trotz anderslautender Beteuerungen eine große Bedeutung beimesse. Laut Kroll-Schlüter zeigten dies vor allem die geringe Bereitstellung von Geldmitteln
73 Kieler Thesen der Freien Demokratischen Partei, beschlossen auf dem Bundesparteitag in Kiel vom 6. – 8.11.1977, ADL Bestand Druckschriften D1-135, archiviert als PDF-Dokument IN5-201. 74 Vgl. Vorstand der SPD (Hg.): Solidarität mit den Jungen. Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. 75 „SPD-Schaumschlägerei“, in: UiD, Nr. 29, 17.8.1978, S. 10. 76 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 5.6.1978, S. 1165. 77 Vgl. Bundesanstalt für Arbeit (Hg.): Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit. Arbeitsstatistik 1978 – Jahreszahlen, S. 83. 78 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 27.11.1978, S. 1404. 79 Zu den Zahlen vgl. Bundesanstalt für Arbeit (Hg.): Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit. Arbeitsstatistik 1982 – Jahreszahlen, S. 66. 80 Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 667.
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wie auch die Behandlung jugendpolitischer Themen im Deutschen Bundestag.81 Stattdessen hätten die ausbleibenden Reformen insbesondere im Bereich der Jugend und der Wechsel von Willy Brandt zu Helmut Schmidt dazu geführt, dass vor allem die SPD ihren Anspruch als Anwalt und Partner der Jugend verloren habe und die Jugend insgesamt für die Partei nicht mehr von Interesse sei.82 In diese „politische Marktlücke“ müsse die CDU nun vorstoßen und sich selbst als der entscheidende Partner der Jugend anbieten.83 So betonte die CDU den hohen Stellenwert, den die Jugendpolitik in der Partei habe. Als Beleg verwies sie auf entsprechende Gesetzesvorhaben, die in den unionsgeführten Bundesländern eingebracht worden, dort allerdings unterschiedlich weit fortgeschritten waren. Gleichzeitig seien auf Bundesebene die entscheidenden Initiativen im jugendpolitischen Bereich von der CDU/CSU-Fraktion ausgegangen.84 Detailliert wurden diese jugendpolitischen Aktivitäten der Union in einer Broschüre aufgelistet, die die CDU-Bundesgeschäftsstelle im Juni 1976 herausgab.85 Neben den Initiativen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels wurden auch solche im Bereich der Jugendhilfe und des Jugendschutzes genannt. Diese Maßnahmen stünden nach Ansicht der CDU im Gegensatz zur Jugendpolitik der Bundesregierung, die von „Tatenlosigkeit, Nachlässigkeit, Versäumnisse[n]“ geprägt sei und insgesamt eine „traurige Bilanz“ aufweise, da unter anderem die „großen Vorhaben in der Jugendpolitik, Reform des Jugendhilferechts, Reform des Bundesjugendplans […] auf der Strecke geblieben“ seien. Nach außen hin wollte die CDU damit zeigen, dass sie es war, die im Bereich der Jugendpolitik tatsächlich handeln wolle und Aktivität zeige.86 Parteiintern wurde von jugendpolitischen Fachleuten Mitte der 1970er Jahre aber auch auf noch vorhandene Defizite der Partei in jugendpolitischen Fragen hingewiesen. Gegenüber Generalsekretär Biedenkopf mahnte Rollmann beispielsweise an, dass die Partei nur über sehr dürftiges jugendpolitisches Informationsmaterial verfüge – bislang seien lediglich die jugendpolitischen Leitsätze veröffentlicht worden.87 Auch Kroll-Schlüter machte auf einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im März 1975 deutlich,
81 Vgl. Papier „Schwerpunkte jugendpolitischer Initiativen der CDU/CSU-Fraktion im 7. Deutschen Bundestag“ von Hermann Kroll-Schlüter, 27.10.1975, ACDP 08-001-403/1. Darin findet sich auch eine Auflistung jugendpolitischer Initiativen der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag mit Angaben zu den entsprechenden Aktivitäten der Bundesregierung. 82 Vgl. u. a. Vermerk an Dietrich Rollmann über Jugendpolitischen Kongress, o. A., 28.5.1975, ACDP 07001-8902; Vermerk Dorothea Göbel an Dorothee Wilms über Planung des Jugendpolitischen Kongresses, 23.4.1975, ACDP 07-001-19095; 24. Bundesparteitag der CDU, 24. – 26.5.1976 in Hannover, S. 213 f. Auch in der SPD wurde diese Entwicklung beobachtet. Eine Analyse im Vorfeld des Landtagswahlkampfes in Nordrhein-Westfalen 1975 stellte heraus, dass die SPD für Jungwähler nicht mehr attraktiv sei. Als einen wichtigen Grund führte sie an, dass die „SPD ihre Funktion als politischer ‚Hoffnungsträger‘ weitgehend eingebüßt“ habe. Anmerkungen zur Bewusstseinslage der Jungwähler und zur Situation der Jungsozialisten-Basis im Vorfeld des Landtagswahlkampfes 1975 in Nordrhein-Westfalen, o. A., o. D., AdsD Bestand Parteivorstand, Jungwähler 72/73/74, ohne Signatur. 83 Vermerk an Dietrich Rollmann über Jugendpolitischen Kongress, o. A., 28.5.1975, ACDP 07-001-8902. 84 Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Gruppe 8 in der CDU-Bundesgeschäftsstelle über Gespräch zwischen dem DBJR und der CDU, 18.11.1975, ACDP 07-001-19107. 85 Vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Aktivitäten der Union. 86 Ebd. 87 Vgl. Schreiben Dietrich Rollmann an Kurt Biedenkopf, 11.6.1975, ACDP 07-001-11555.
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I. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels
dass der Union noch klare programmatische Aussagen zur Jugendpolitik fehlten.88 Mit der Einrichtung eines Jugendbeirats in der CDU im selben Jahr und der damit verbundenen fortschreitenden Institutionalisierung von Jugendpolitik innerhalb der Partei sollte diesen Defiziten begegnet und die „Grundlagenarbeit“ für die zukünftige Jugendpolitik der CDU geleistet werden.89
88 Vgl. CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 18.3.1975, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1975-03-18t1505_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 89 Ergebnis der konstituierenden Sitzung des Jugendpolitischen Beirats, 29.1.1975, ACDP 07-001-8902.
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II. Die Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU Mit der Einrichtung eines Jugendbeirats im Januar 1975 nahm die Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU und damit der Bedeutungszuwachs dieses Politikbereichs sichtbare Züge an. Der Weg zu dieser auch nach außen wahrnehmbaren Institutionalisierung war in der CDU bereits länger beschritten worden: Erste Überlegungen einer stärkeren Verankerung jugendpolitischer Themen gab es gegen Ende der 1950er Jahre. Ein aus Vertretern der Jungen Union und von Jugendverbänden bestehender Jugendbeirat wurde gegründet, der die Hauptaufgabe hatte, „einmal mit diesen Jugendverbänden ins Gespräch zu kommen und ihre Arbeit gegen die CDU auszuschalten“.1 Für den Bundestagswahlkampf 1957 erarbeitete der Jugendbeirat zudem ein eigenes Jugendprogramm, das allerdings – wie dargelegt – keine konkreten Aussagen zu Maßnahmen in der Jugendpolitik enthielt. Auch eine Vorstellung darüber, wie eine CDU-Jugendpolitik zu definieren sei, fehlte gänzlich in dem Programm.2 Aus den Reihen des Jugendbeirates bestand der Wille, dessen Arbeit auch über die Bundestagswahl 1957 hinaus in abgewandelter Form weiter fortzuführen. So schlug der stellvertretende JU-Bundesvorsitzende Bert Even dem CDU-Bundesvorstand vor, den Jugendbeirat „in Zukunft in einen kleinen Arbeitskreis mit etwa 12 – 15 Personen“ umzuwandeln.3 Aus dem vorliegenden Quellenmaterial ist nicht ersichtlich, dass dieser Vorschlag auch umgesetzt wurde. Für die jugendpolitische Arbeit der CDU hätte dies sicherlich Vorteile gehabt, da ein solcher Arbeitskreis eine Verstetigung der Behandlung jugendpolitischer Fragen sowie eine Kontinuität insbesondere in der Arbeit mit den Jugendverbänden nach sich getragen hätte. Erst 1967 wurden in der CDU erneut Überlegungen angestrengt, ein eigenes Gremium zur Behandlung jugendpolitischer Fragen einzurichten. Die für die Erarbeitung eines Aktionsprogramms, später Berliner Programm genannt, eingesetzte Kommission „Jugend“ trug ihrem Vorsitzenden auf, dem CDU-Generalsekretär Bruno Heck die Einrichtung eines Jugendbeirates vorzuschlagen.4 Eine unmittelbare Reaktion aus der CDUBundesgeschäftsstelle auf den Vorschlag der Kommission erfolgte nicht. Erst drei Jahre später befassten sich zuständige Mitarbeiter dort – zunächst noch eher vage – mit dem Vorhaben. In einem solchen „Beirat für Jugendfragen“, der den Generalsekretär hätte beraten sollen, sollten vor allem die „Vorsitzenden der JUNGEN UNION und des RCDS, der Vorsitzende des Kulturpolitischen Ausschusses der Partei, ein Soziologe […] und ein Psychologe vertreten sein“. Die vorgeschlagenen Aufgaben eines solchen Beirates standen noch ganz im Zeichen des Ergebnisses der Bundestagswahl von 1969 im Bereich der Jungwähler. So hätte der Beirat die „vergangenen Wahlen unter jugendpolitischen Aspekten zu analysieren, dem Generalsekretär Vorschläge zu unterbreiten, wie sich die Partei besser auf die jugendlichen Wähler einstellen kann und ihn generell in
1 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1953 – 1957, Sitzung am 1.7.1957, S. 1300. 2 Vgl. Entwurf eines aktuellen Wahlprogramms zur Jugendpolitik der CDU, verabschiedet vom Jugendbeirat der CDU am 2.5.1957, ACDP 07-001-12013. 3 Schreiben von Bert Even an den CDU-Bundesvorstand über die weitere Arbeit des Jugendbeirates der CDU, 18.11.1957, ACDP 07-001-12136. 4 Vgl. Protokoll der 3. Sitzung der Kommission 16 „Jugend“, 12.4.1967, ACDP 07-001-9035.
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Fragen der Werbung von Jugendlichen für die Parteiarbeit zu beraten“.5 In dieser Aufgabenbeschreibung fehlten völlig Vorschläge für jugendpolitische Initiativen und Maßnahmen, die ein Jugendbeirat begleiten oder auch eigenständig erarbeiten könnte. Vor allem vor dem Hintergrund der gerade als „Kernstück der Jugendpolitik“ ausgerufenen Reform des Jugendhilferechts durch die Bundesregierung wäre die Erweiterung der Beschreibung um diese Aspekte durchaus sinnvoll gewesen. Doch für diese Aufgaben zeichnete nach dem Gang in die Opposition hauptsächlich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion als „Machtzentrum“ der Partei verantwortlich, die hier den politischen Kurs bestimmte.6 Zwar zeigte sich Generalsekretär Heck „prinzipiell […] einverstanden“ mit dem Vorschlag eines Jugendbeirates,7 weiter verfolgt wurde die Idee aber nicht. Konkreter wurden die Vorstellungen in den innerparteilichen Diskussionen nach der verlorenen Bundestagswahl 1972 vorangetrieben. Parallel zur Einrichtung der Kommission „Jugend“ neben neun weiteren mit gesellschafts- und innenpolitischen Schwerpunktthemen befassten Kommissionen im Februar 1973 wurde über die Bildung eines Jugendausschusses in der Partei diskutiert.8 Zu Beginn der Planungen für die dauerhafte Einrichtung des Jugendbeirates wurden noch verschiedene Begrifflichkeiten verwendet und über unterschiedliche Zuständigkeiten diskutiert. Häufig war noch die Rede von einem Jugendausschuss, der sich nach Ansicht Rollmanns insbesondere mit jugendpolitischen Inhalten hätte befassen und die Jugendpolitik in Bund, Ländern und Kommunen besser koordinieren müssen. Ein Jugendbeirat hingegen hätte nach Auffassung von Rollmann die Aufgabe gehabt, die junge Generation wieder an die CDU heranzuführen.9 Da die Arbeit der Kommission zur Ausarbeitung der jugendpolitischen Leitsätze absehbar nur befristet angelegt war, wurde einem auf Dauer einzurichtenden Jugendausschuss in der Partei die größere Bedeutung beigemessen.10 Um die Ressourcen optimal zu nutzen, wurde zudem vorgeschlagen, die Kommission personell als „Kern“ des künftigen Jugendausschusses anzusehen und somit in dieser Hinsicht für Kontinuität zu sorgen.11
5 Vermerk Ludolf Herrmann an Alfons Kühr, 16.6.1970, ACDP 07-001-8903. 6 Bösch: Macht und Machtverlust, S. 102. 7 Vermerk Ludolf Herrmann an Alfons Kühr, 16.6.1970, ACDP 07-001-8903. 8 Vgl. hierzu insbesondere die Sitzung des Bundesvorstandes am 27./28. Januar 1973. Protokolle CDUBundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1224 – 1227. Auch in anderen Gremien wurden in dieser Zeit ähnliche Überlegungen angestellt. Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU/ CSU erörterte Anfang 1974 etwa die Etablierung eines Arbeitskreises „Jugend“ als ständige Institution in ihrem Kreis, da der „CDU/CSU bisher eine grundlegende jugendpolitische Konzeption“ fehle und mit einem solchen Arbeitskreis der Jugendpolitik „institutionell eine Grundlage gegeben“ werden könnte. Rundschreiben Günther Gerken an die Mitglieder der vorbereitenden Kommission „Jugendpolitik“ der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU/CSU, 20.12.1973, ACDP 07-001-1658. Das Vorhaben wurde allerdings früh unterbunden, da die zuständigen Mitarbeiter der Fraktionsvorsitzendenkonferenz über die fortgeschrittenen Planungen zur Einrichtung des Jugendbeirates informiert worden waren und eine „Auswucherung von Gremien im Rahmen der CDU“ verhindert werden sollte. Vermerk Gert Hammer an Dorothee Wilms über Einrichtung eines Arbeitskreises Jugendpolitik der Fraktionsvorsitzendenkonferenz, 29.1.1974, ACDP 07-001-1465. 9 Vgl. Schreiben Dietrich Rollmann an Konrad Kraske über die Einrichtung eines Jugendbeirates, 1.2.1973, ACDP 07-001-11403. 10 Vgl. Präsidium der CDU, Sitzung am 19.3.1973, ACDP 07-001-1406. 11 Ebd.
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II. Die Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU
Begrifflich legte sich das CDU-Präsidium auf seiner Sitzung am 4. März 1974 fest und beschloss die Einrichtung eines Jugendbeirates.12 Die Geschäftsführung des Jugendbeirates lag bei der Gruppe Bildung in der CDU-Bundesgeschäftsstelle, genauer in der Person von Dorothea Göbel.13 Mit der Entscheidung, den Jugendbeirat beim Präsidium anzusiedeln, nahm dieser eine „Sonderrolle“ innerhalb der CDU-Gremien ein, da „alle übrigen Fachausschüsse quasi Organe der CDU sind“.14 An dieser Stelle setzte die Kritik von Gerd Langguth an, der den Jugendbeirat nicht beim Präsidium, sondern beim Bundesvorstand hatte eingerichtet wissen wollen.15 Generelle Kritik an der Einsetzung eines Jugendausschusses beziehungsweise Jugendbeirates gab es im Laufe der Diskussion verstärkt von Seiten der Jungen Union, insbesondere von deren Bundesvorsitzenden Jürgen Echternach. Dieser befürchtete, dass seiner Organisation durch die stärkere Verankerung von Jugendpolitik und Jugendarbeit in der Bundespartei Kernkompetenzen streitig gemacht werden könnten. Solchen Sorgen wollte die CDU-Bundesgeschäftsstelle begegnen, indem sie die JU und auch andere Jugendorganisationen der CDU stärker als bisher in den Prozess der fortschreitenden Institutionalisierung der Jugendpolitik in der Partei einband.16 Auf seiner konstituierenden Sitzung am 29. Januar 1975 griff der Jugendbeirat die Einwände aus der JU noch einmal indirekt auf. So machten die Mitglieder deutlich, dass es keine Kompetenzstreitigkeiten mit anderen CDU-Gremien geben solle und sie stattdessen auf gute Koordination mit allen Stellen in der Partei setzten, die sich mit Jugendpolitik befassten.17 Nach Auffassung des Jugendbeiratsvorsitzenden Dietrich Rollmann bestand die wesentliche Aufgabe des neuen Gremiums darin, die Jugendpolitik in der CDU zu aktivieren und zu koordinieren.18 Hierfür sollte der Jugendbeirat das Präsidium und den Bundesvorstand in jugendpolitischen Fragen beraten und unterstützen.19 Auf der ersten Sitzung wurde beschlossen, zunächst eine Bestandsaufnahme der jugendpolitischen Aktivitäten der CDU auf Bundes- und Landesebene vorzunehmen, „um verwertbare Erkenntnisse für den Beirat daraus zu ziehen“.20 In der weiteren Diskussion über die Arbeit des Jugendbeirates wurden zudem diejenigen jugendpolitischen 12 Vgl. Präsidium der CDU, Sitzung am 4.3.1973, ACDP 07-001-1407. 13 Vgl. Vermerk Emil Nutz an Karl-Heinz Bilke, 7.6.1977, ACDP 07-001-8908. 14 Ergebnis der konstituierenden Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, 29.1.1975, ACDP 07-001-8902. 15 Vgl. Schreiben Gerd Langguth an Helmut Kohl, 16.12.1974, ebd. 16 Zu den Unstimmigkeiten zwischen Junger Union und CDU in dieser Frage siehe das Kapitel „Katerstimmung nach der Bundestagswahl 1972“. 17 Vgl. Ergebnis der konstituierenden Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, 29.1.1975, ACDP 07-0018902. Die Mitglieder setzten sich zusammen aus vier Parlamentariern, je zwei Mitgliedern der JU, des RCDS und der SU, fünf Mitgliedern aus Jugendverbänden, vier Mitgliedern aus der Jugendhilfe sowie vier Ministerialbeamten des Bundes beziehungsweise der Länder. Zum Vorsitzenden wurde Dietrich Rollmann gewählt. Die erstmalige ständige Vertretung der Schüler Union in einem CDU-Gremium ging zurück auf den Wunsch Helmut Kohls, dass die SU stärker in die Mitarbeit im Bereich der Jugendpolitik eingebunden werden sollte. Vgl. Schreiben Dorothee Wilms an Heinrich Köppler, 8.1.1975, ebd.; Rundschreiben Karl-Heinz Bilke über Bitte um Stellungnahme zum Entwurf der Jugendpolitischen Leitsätze, 2.9.1974, ACDP 07-001-1323. 18 Vgl. Ergebnis der konstituierenden Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, 29.1.1975, ACDP 07-0018902. 19 Vgl. Schreiben Dorothee Wilms an Heinrich Köppler, 8.1.1975, ebd. 20 Ebd. Zu den Ausarbeitungen vgl. Papier „Jugendpolitische Initiativen der CDU/CSU-Fraktion seit Beginn der 7. Legislaturperiode“, o. A., o. D., ebd.; Papier „Bestandsaufnahme der Aussagen zur Jugendpolitik während der Jahre 1973/74 (II. Fassung) in den Landesverbänden und Landtagsfraktionen der CDU/CSU und in den Landesverbänden der Jungen Union“, o. A., 21.2.1975, ebd.
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Gesetzesvorhaben insbesondere auf Bundesebene herausgearbeitet, die das Gremium auf seinen weiteren Sitzungen eingehender behandeln sollte. Hierzu zählten die Reform des Jugendhilferechts, das Gesetz über jugendgefährdende Schriften in Zusammenhang mit einem neuen Medienschutzgesetz, das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit, Fragen der Heimerziehung und der Adoption, Überlegungen zur Verstärkung der Erziehungsberatungsstellen, Ergänzungen im Jugendwohlfahrtsgesetz nach der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters, eine Reaktivierung der Arbeit des deutsch-französischen Jugendwerks sowie grundsätzliche Überlegungen zum Rauschgift- und Drogenmissbrauch.21 Um eine Grundlage für seine Arbeit zu haben, beschloss der Jugendbeirat auf der konstituierenden Sitzung, eine Definition von Jugendpolitik zu erarbeiten, an der sich die CDU orientieren und danach handeln konnte.22 Bereits auf der nächsten Sitzung stellte Hermann Kroll-Schlüter ein entsprechendes Papier vor. Darin legte er zunächst die Situation der Jugend in der Bundesrepublik dar, die nach Ansicht der CDU von Orientierungs- und Perspektivlosigkeit gekennzeichnet war, da es die Bundesregierung versäumt habe, für die Jugendpolitik entsprechende Konzepte zu entwickeln. Die CDU müsse der Jugend demnach wieder eine „Zukunftsperspektive“ vermitteln, „in der der einzelne seine Zukunftschancen erkennen kann“. Konkret sollte eine Jugendpolitik der CDU „den Menschen die Chance der Solidarität geben“ und „zentralen Forderungen der jungen Menschen“, wie Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung, „Rechnung tragen“. Wie die Partei diese Aufgabe angehen sollte, erläuterte Kroll-Schlüter allerdings nicht. Das Ziel der CDU-Jugendpolitik musste es seiner Ansicht nach zuvorderst sein, mithilfe des Jugendbeirates ein jugendpolitisches Programm zu erarbeiten. Um dieses inhaltlich auszugestalten, sollten verschiedene Hearings, öffentliche Diskussionen mit Verbänden, Experten und Institutionen und Veranstaltungen zu jugendpolitischen Themen abgehalten werden.23 Zu diesen Veranstaltungen zählte auch ein jugendpolitischer Kongress, dessen Vorbereitung sich der Jugendbeirat auf seiner ersten Sitzung als wichtigen Programmpunkt setzte.24 Ein solcher Kongress sollte nach Auffassung des Beirates dazu genutzt werden, die grundsätzlichen jugendpolitischen Aussagen der CDU zu beraten und öffentlichkeitswirksam zu verkünden.25 Aufgrund der Terminierung des Kongresses auf Anfang 1976 bestand anfangs vor allem aus der Bundesgeschäftsstelle die Intention, den Kongress bereits als Wahlkampfveranstaltung für die anstehende Bundestagswahl zu nutzen, im Laufe der Vorbereitungen des Kongresses wurde dieses Vorhaben allerdings wieder verworfen.26 Ein konkreter Grund wurde nicht genannt, mutmaßlich ließen sich aus den Ergebnissen der Veranstaltung keine verwertbaren Aussagen für den Wahlkampf ziehen. 21 Vgl. Ergebnis der konstituierenden Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, 29.1.1975, ebd. 22 Vgl. ebd. 23 Papier „Definition der Jugendpolitik der CDU“ von Hermann Kroll-Schlüter, verteilt auf der 2. Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, 26.2.1975, ebd. 24 Vgl. Ergebnis der konstituierenden Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, 29.1.1975, ebd. 25 Vgl. Schreiben Dietrich Rollmann an Kurt Biedenkopf über die Ausrichtung eines Jugendpolitischen Kongresses, 21.3.1975, ACDP 07-001-19095. 26 Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Dorothee Wilms über Planung des Jugendpolitischen Kongresses, 23.4.1975, ebd.; Protokoll der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Jugendpolitischen Kongresses, 22.10.1975, ACDP 07-001-8904.
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Auch der Ort der Veranstaltung entwickelte sich in der Planung zu einem Politikum. Dass mit Böblingen schließlich die Wahl auf den süddeutschen Raum fiel, lag nicht an der im Frühjahr stattfindenden Landtagswahl in Baden-Württemberg – wie zunächst vom Jugendbeirat intendiert –, sondern vor allem am Publikum, das erreicht werden sollte.27 Zum einen war in diesem Raum die katholische Jugendbewegung – und damit eine Kernklientel der CDU – sehr aktiv,28 aber auch die Tatsache, dass der süddeutsche Raum „nicht von Jugendverbänden durchorganisiert ist“, fast schon als „Jugenddiasporaraum“ gelten konnte, spielte eine große Rolle für die Ausrichtung des Kongresses in Böblingen.29 Das spiegelte sich auch in der Einladungsliste zu der Veranstaltung wider. So sollte zwar sichergestellt werden, dass das „Spektrum der Meinungen bei der Einladung CDUnah“ war, „nach außen hin aber Pluralität bewiesen werden kann“ und daher ein „kleiner Teil nichtorganisierter Jugendliche“ eingeladen werden.30 In der Themenfindung für den Kongress hatten Jugendbeirat und CDU-Bundesgeschäftsstelle zunächst unterschiedliche Vorstellungen. So wollte der Jugendbeirat den Schwerpunkt vor allem auf die Jugendhilfe und damit verbundene Themenfelder legen. 31 Diese Spezialisierung auf Jugendhilfe wurde von der Bundesgeschäftsstelle abgelehnt, da Jugendliche so nicht den Eindruck bekämen, „mit ihren inhaltlichen Anliegen auf dem Kongress vertreten zu sein“.32 Auf seiner nächsten Sitzung nahm der Jugendbeirat die Kritik auf und legte fest, dass es nicht zu einer „Überfrachtung“ mit der Jugendhilfeproblematik kommen durfte und generell keine kontroversen politischen Themen innerhalb der CDU auf dem Kongress behandelt werden sollten.33 Stattdessen rückten laut Presseberichten letztlich Themen in den Vordergrund, die Mitte der 1970er Jahre einen großen Teil der Jugendlichen bewegten: Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit, die Ausbildungssituation und die Bildungspolitik standen daher im Mittelpunkt der Diskussionen auf dem Kongress.34 Am 20. und 21. März 1976 fand schließlich das Jugendforum unter dem Titel „CDU – Partner der Jugend“ in Böblingen mit rund 600 Teilnehmern statt. Mit ihrer Titelwahl unterstrich die CDU ihren Anspruch, die aus ihrer Sicht von der SPD hinterlassene politische Lücke in der Jugend zu füllen und sich als deren neuer Anwalt und Partner vorzustellen. So wollten Helmut Kohl und der im CDU-Präsidium für Jugend zuständige Heinrich Köppler in ihren Reden auf dem Jugendforum deutlich machen, dass nur die CDU der Jugend eine Politik mit Zukunftsperspektive bieten könne. Dabei lieferte Köpp 27 Vgl. u. a. Entwurf Programmablauf des Jugendpolitischen Kongresses der CDU, Ergebnis der dritten Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, o. A., o. D., ACDP 07-001-8902; Vermerk Dorothea Göbel an Dorothee Wilms über Ablauf des Jugendpolitischen Kongresses, 10.4.1975, ACDP 07-001-8905; Ergebnisprotokoll des Gesprächs der JU, des RCDS und der Schüler Union mit der CDU-Bundesgeschäftsstelle, 15.7.1975, ebd. 28 Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Dorothee Wilms über Ablauf des Jugendpolitischen Kongresses, 10.4.1975, ACDP 07-001-8905. 29 Protokoll der 4. Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, 6.6.1975, ACDP 07-001-8902. 30 Ebd. 31 Vgl. Entwurf Programmablauf des Jugendpolitischen Kongresses der CDU, Ergebnis der dritten Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, o. A., o. D., ebd. 32 Vermerk Dorothea Göbel an Dorothee Wilms über Ablauf des Jugendpolitischen Kongresses, 10.4. 1975, ACDP 07-001-8905. 33 Protokoll der 4. Sitzung des Jugendpolitischen Beirates, 6.6.1975, ebd. 34 Vgl. u. a. „Kohl: CDU die politische Heimat für viele Jungbürger“, in: Stuttgarter Zeitung, 22.3.1976; Peter Quay: „Für die Gleichwertigkeit von Abitur und beruflicher Bildung“, in: Kölnische Rundschau, 23.3.1976.
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ler gleichzeitig ein Plädoyer für die Bedeutung der Jugendpolitik, die „in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von Reformüberlegungen und Initiativen in Bund und Ländern in Bewegung geraten“ sei. Sie sei kein „politischer Bereich neben anderen, sondern eine politische Aufgabenstellung, die immer dann gefragt ist, wenn bei politischen Prozessen und Entscheidungen die Situation oder die Interessen junger Menschen zu berücksichtigen sind“. Mit dieser Definition von Jugendpolitik betrat Köppler kein neues Terrain, unterstrich öffentlichkeitswirksam aber die gewachsene Bedeutung dieses Politikbereichs, grenzte die CDU-Jugendpolitik gleichzeitig von der der Bundesregierung ab und erklärte letztere für gescheitert. Dabei setzte sich Köppler auch mit den verschiedenen Gesetzesinitiativen der sozial-liberalen Koalition aus dem Bereich der Jugendpolitik auseinander, die stark ideologisch beeinflusst seien und keine nachhaltige Wirkung auf die Situation der Jugendlichen hätten.35 Neben dem Parteivorsitzenden Helmut Kohl und dem nordrhein-westfälischen Oppositionsführer Heinrich Köppler reiste noch weitere Parteiprominenz zum Jugendforum nach Böblingen. So stellten sich auch Generalsekretär Kurt Biedenkopf sowie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel den Fragen der anwesenden Jugendlichen.36 Im Verlauf der Veranstaltung hatten die teilnehmenden Jugendlichen die Gelegenheit, sich in vier Arbeitskreisen zu ausgewählten Themen zu informieren und auszutauschen.37 Die Ergebnisse aus den Diskussionen in den Arbeitskreisen brachten keine grundlegend neuen Erkenntnisse für die Jugendpolitik der CDU, sondern deckten sich größtenteils mit den Forderungen, die die Partei als Opposition auf Bundesebene teilweise bereits seit längerem gestellt hatte. So verlangten die Teilnehmer des Arbeitskreises „Jugend und Arbeitswelt“, dass zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels akademische und berufsbezogene Ausbildung gleichwertig betrachtet werden sollten und die Hauptschule wieder aufgewertet werden müsse.38 In dieser Hinsicht konnte sich die CDU in ihrer grundsätzlichen jugend- und bildungspolitischen Ausrichtung durch den Kongress bestätigt fühlen. Doch auch unterschiedliche Meinungen wurden nach Beobachtungen von anwesenden Journalisten in den Diskussionen offen ausgetragen. In der Frage der Berufsbildungsfinanzierung etwa sprach sich eine Mehrheit der Teilnehmer für das von der CDA vertretene Modell eines Lastenausgleichs unter den ausbildenden Betrieben sowie zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben aus, während eine Minderheit, die von Biedenkopf unterstützt wurde, vor der Gefahr einer geminderten Ausbildungsbereitschaft der Betriebe und einer Bevorzugung der Großindustrie warnte.39 Der Vorsitzende der Jungen Union, Matthias Wissmann, forderte in seiner Rede die CDU auf, die Ergebnisse des Jugendforums rasch umzusetzen und so dafür zu sorgen, 35 CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): CDU – Partner der Jugend. 36 Vgl. „Köppler: Neue Linie für Jugendliche“, in: Kölnische Rundschau, 22.3.1976. 37 Arbeitskreis 1: Jugend in Staat und Gesellschaft, Arbeitskreis 2: Jugend in sozialer Verantwortung, Arbeitskreis 3: Jugend in der Arbeitswelt, Arbeitskreis 4: Jugend, Markt und Wirtschaftsordnung. 38 Vgl. u. a. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): CDU – Partner der Jugend; „Der Staat soll sein Engagement für junge Menschen verstärken“, in: Badische Zeitung, 22.3.1976; Willi Wirth: „Rockmusik und Ovationen“, in: Mainzer Allgemeine Zeitung, 22.3.1976. 39 Vgl. u. a. „Kohl: CDU die politische Heimat für viele Jungbürger“, in: Stuttgarter Zeitung, 22.3.1976; „Für Lastenausgleich bei Berufsbildung“, in: Mannheimer Morgen, 22.3.1976; „Der Staat soll sein Engagement für junge Menschen verstärken“, in: Badische Zeitung, 22.3.1976.
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dass die „Signale von Böblingen […] keine Eintagsfliege“ würden.40 Aus Sicht der CDU lieferte die Veranstaltung zudem noch zwei weitere wichtige Ergebnisse: Das Jugendforum habe eine „Hinwendung der Jugend zur CDU“ deutlich gemacht und gezeigt, dass eine große Bereitschaft vorhanden sei, „für die Politik der Union zu kämpfen“. Zum anderen sei in den Diskussionen offenkundig geworden, dass die Jugendlichen keine „kritiklosen Anpasser“ sein, sondern sich aktiv in den Dienst der Gesellschaft einbringen wollten.41 Trotz der Größe der Veranstaltung und der Aktualität der dort behandelten Themen nahm die „breite deutsche Öffentlichkeit“ vom Jugendforum „kaum Notiz“ – was womöglich auch an den fehlenden öffentlichkeitswirksamen größeren innerparteilichen Gegensätzen lag.42 Trotzdem beurteilte die zuständige Stelle in der CDU-Bundesgeschäftsstelle das durchaus vorhandene Presseecho auf das Jugendforum positiv. Dieses sei „sowohl in der Rundfunk- als auch in der Fernsehberichterstattung gut gelaufen“. Allerdings räumte Dorothea Göbel ein, dass über das Forum nicht breiter berichtet wurde – hier habe die kurze Zeit später stattfindende Landtagswahl in Baden-Württemberg doch die größere Aufmerksamkeit in der Presse erhalten.43 Von Seiten der SPD kam naturgemäß hauptsächlich Kritik an den Aussagen und Ergebnissen des Jugendforums, das wahlweise als „Schauplatz ohne Substanz“44 und „Jubelkonferenz“45 bezeichnet wurde. Pikanterweise richtete die SPD nur drei Monate nach dem CDU-Jugendforum einen eigenen jugendpolitischen Kongress in Solingen aus. In der CDU gelangten die Organisatoren des Jugendforums rasch zu der Auffassung, dass die Ausrichtung eines Jugendkongresses durch die Sozialdemokraten erst durch die CDU-Aktivitäten initiiert worden sei. SPD-intern wurde diese Sichtweise insofern geteilt, als dass sie die Durchführung einer eigenen Fachkonferenz vor dem Hintergrund für notwendig hielt, den erwarteten Angriffen der CDU auf die eigene Jugendpolitik möglichst zeitnah begegnen zu wollen.46 Im Jugendbeirat und in der CDU-Bundesgeschäftsstelle wurde gleichzeitig auch vermutet, dass es ein Leck in den eigenen Reihen gebe, da die SPD über die Vorbereitungen zum Jugendforum immer genau informiert gewesen sei und dementsprechend früh in die eigenen Planungen habe einsteigen können.47 Als Ziele für die eigene Jugendveranstaltung setzte sich die SPD zunächst allgemein die Aktivierung der Jugendpolitik der Partei auf Landes- und Kommunalebene sowie die SPD-Jugendpolitik nach außen hin klar zu umreißen. Die Ergebnisse des Jugendkongresses sollten – anders als es in der CDU geplant war – in die Arbeit der Wahlkampfkom-
40 Willi Wirth: „Rockmusik und Ovationen“, in: Mainzer Allgemeine Zeitung, 22.3.1976. 41 „Die Jugend vertraut auf die Union und Helmut Kohl“, in: UiD, Nr. 13, 25.3.1976, S. 11. 42 Vgl. „CDU-Jugend-Forum“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 4, April 1976. 43 Vermerk Dorothea Göbel an Karl-Heinz Bilke über das Presseecho des Jugendforums, 29.3.1976, ACDP 07-001-12237. 44 „Der Staat soll sein Engagement für junge Menschen verstärken“, in: Badische Zeitung, 22.3.1976. 45 „Protest der Stiefkinder. Der Deutsche Bundesjugendring fordert von den Parteien mehr jugendpolitisches Engagement“, in: Vorwärts, 9.9.1976. 46 Vgl. Vermerk Wolfgang Roth über die Planung einer Fachkonferenz, 19.2.1976, AdsD Bestand Parteivorstand Fachkonferenz Jugend 12./13.6.1976, ohne Signatur. 47 Vgl. Vermerk Emil Nutz an Kurt Biedenkopf, 11.9.1975, ACDP 07-001-8904; Vermerk Dorothea Göbel an Meinhard Miegel über Terminierung des Jugendpolitischen Kongresses, 7.11.1975, ACDP 07-00119107.
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mission der SPD für die Bundestagswahl 1976 einfließen.48 Beide Veranstaltungen – das CDU-Jugendforum und die SPD-Fachkonferenz – wurden in einem internen Vermerk der CDU-Bundesgeschäftsstelle unter unterschiedlichen Gesichtspunkten miteinander verglichen.49 Neben zahlreichen Unterschieden, die es beispielsweise in der Zusammensetzung der Kongresse, der jeweiligen Presseberichterstattung und auch in der Diskussionsform auf den Veranstaltungen gab, unterstrich das Papier auch eine Gemeinsamkeit: „Aus ‚Jugendpolitik‘ wurde in Böblingen bei der CDU ‚Politik für die Jugend‘; ein Terminus, den die SPD auf ihrem Solinger Kongreß übernahm.“50 Damit wurde die von Köppler auf dem Jugendforum erneut beschriebene Aufgabe der Jugendpolitik, in alle Politikbereiche hineinzuwirken, begrifflich festgehalten. Mit dem Beginn der neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages einige Monate nach dem Jugendforum stand auch die Frage nach der weiteren Notwendigkeit des Jugendbeirates im Raum. Um diese herauszustellen, listete dieser wesentliche Arbeiten auf, die er seit seiner Konstituierung erledigt beziehungsweise angestoßen hatte. Hierzu zählten neben der organisatorischen Vorbereitung des Jugendforums unter anderem eine Bestandsaufnahme der jugendpolitischen Aktivitäten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Fortschreibung der jugendpolitischen Leitsätze sowie die Ausarbeitung von flankierenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.51 Der Beirat sah seine Arbeit noch längst nicht als abgeschlossen an, da es im jugendpolitischen Bereich nach wie vor viele Probleme gebe, die einer Lösung bedürften. Neben der Reform der Jugendhilfe und der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sei die Expertise des Jugendbeirates auch bei drohenden Mittelkürzungen in den kommunalen Haushalten sowie bei der Drogenproblematik und der Bekämpfung des Jugendalkoholismus gefragt.52 In der CDU-Bundesgeschäftsstelle wurden weitergehende Überlegungen angestellt, die Institutionalisierung der Jugendpolitik voranzutreiben und den Jugendbeirat zu einem Bundesfachausschuss Jugendpolitik zu erweitern. Einige Landesverbände hatten sich angesichts der kleineren Organisationsstruktur des Jugendbeirates darüber beschwert, dort nicht vertreten zu sein, obwohl dies erwünscht gewesen sei.53 Das Anliegen der Einrichtung eines Bundesfachausschusses Jugendpolitik wurde schließlich dem Prä 48 Vorlage für die Sitzung des Parteivorstandes zur Fachkonferenz Jugendpolitik am 14. – 16.5.1976, o. A., 16.1.1976, AdsD Bestand Parteivorstand Präsidiumsvorlagen Jugendpolitik, ohne Signatur. 49 Dieser Vermerk findet sich auch in den Akten des SPD-Parteivorstandes, was den Verdacht in der CDU, dass die zuständigen Stellen in der SPD mit Material versorgt würden, erhärtet. Vgl. Papier mit Vergleich der beiden Jugendkonferenzen von SPD und CDU in Solingen und Böblingen, o. A., o. D., AdsD Bestand Parteivorstand Kommission Jugendpolitik – Sitzungen 1976, ohne Signatur. 50 Vermerk Dorothea Göbel an Karl-Heinz Bilke über einen Vergleich der SPD Jugendkonferenz in Solingen und des CDU-Kongresses in Böblingen, 21.6.1976, ACDP 07-001-19109. Hinter der sozialdemokratischen Formel steckte allerdings nicht die gleiche Intention wie bei der CDU. Während die Christlichen Demokraten damit insbesondere die Querschnittsaufgabe der Jugendpolitik hervorheben wollten, war der sozialdemokratische Begriff der Politik für die Jugend geprägt vom eigenen Staatsverständnis. 51 Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Meinhard Miegel über wesentliche Arbeiten des Jugendpolitischen Beirates seit seiner Konstituierung am 29.1.1975, 16.11.1976, ACDP 07-001-8908. 52 Vgl. Schreiben Jürgen Rosorius an die Mitglieder des Jugendpolitischen Beirates über dessen weitere Arbeit, 19.10.1976, ACDP 07-001-8908. 53 Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Meinhard Miegel über die Gruppenleiterbesprechung der Bundesgeschäftsstelle und die weitere Arbeit des Jugendpolitischen Beirates und eines Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 5.11.1976, ebd.
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sidium auf einer Sitzung Anfang Mai 1977 unterbreitet. In der Vorlage wurde nochmals die Sonderrolle des Jugendbeirates hervorgehoben, der „im Statut der CDU nicht vorgesehen“ war. Daher sollte der Jugendbeirat durch seine Umwandlung in einen regulären Bundesfachausschuss in die „Organisationsstruktur der Partei eingepaßt werden“.54 Mit dem Gang in die Opposition auf Bundesebene und dem wachsenden Führungsanspruch der Partei nahm die Bedeutung und die Anzahl solcher Fachausschüsse sukzessive zu. Nach dem Wegfall der Ministerialbürokratie, auf die die CDU als Regierungspartei hatte zugreifen können, mussten fortan andere Möglichkeiten gefunden werden, um weiterhin zu wichtigen politischen Themen Sachaussagen treffen zu können. Um den „politischen Sachverstand […] innerhalb und außerhalb der Partei“ zu mobilisieren, baute die CDU hierfür ihre Fachausschüsse und Fachkongresse zu wichtigen „organisatorischen Instrumenten“ aus. Endgültig wurden die Richtlinien der Bundesfachausschüsse am 1. März 1977 vom CDU-Bundesvorstand verabschiedet.55 Nach dem endgültigen Beschluss über die Umwandlung des Jugendbeirates in einen Bundesfachausschuss Jugendpolitik fand dessen konstituierende Sitzung am 16. Juni 1977 statt.56 Hier wurde nochmals die kontinuierliche Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU betont, indem gleich zu Beginn darauf hingewiesen wurde, dass der Bundesfachausschuss aus dem Jugendbeirat hervorgegangen war.57 Mit der Konstituierung des Bundesfachausschusses zeige die CDU zudem, welch großen Stellenwert sie der Jugendpolitik insgesamt beimesse und setze darüber hinaus ein Zeichen für ihre kontinuierliche Arbeit an der Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation – einem Thema, das insbesondere nach der Bundestagswahl 1976 in der Partei Konjunktur hatte.58 Dies zeigte sich unter anderem in dem Arbeitsprogramm, welches der Bundesfachausschuss auf seiner ersten Sitzung beschloss. Die Ausrichtung eines Kongresses zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend stand dabei auf der Agenda ganz oben, wobei die Federführung nicht beim Bundesfachausschuss Jugendpolitik selbst, sondern beim Bundesfachausschuss Kulturpolitik lag. Diese Vorgehensweise war in der Tatsache begründet, dass der Kongress bereits länger geplant und schon vier Monate nach der Konstituierung des jugendpolitischen Bundesfachausschusses stattfinden sollte, eine intensive inhaltliche und organisatorische Vorbereitung an diesem neugeschaffenen Gremium demnach nicht mehr möglich war. Die Bedeutung dieses Jugendkongresses war insofern besonders hoch, als aus den Ergebnissen ein erstes Jugendprogramm der CDU erarbeitet werden sollte.59 54 Vorlage für das Präsidium über Einrichtung der Bundesfachausschüsse, 31.3.1977, ACDP 07-001-1471. 55 Schönbohm: Die CDU wird moderne Volkspartei, S. 146 f. Vgl. auch Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 414. 56 In den Bundesfachausschuss Jugendpolitik wurden insgesamt 22 Mitglieder berufen, darunter unter anderem die CDU-Landesverbände, Vertreter der Jugendorganisationen der CDU und verschiedener Jugendverbände. Auf der ersten Sitzung wurde Hermann Kroll-Schlüter zum Vorsitzenden gewählt. Vgl. Anwesenheitsliste konstituierende Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 16.6.1977, ACDP 07-001-8908. 57 Vgl. Protokoll der konstituierenden Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 16.6.1977, ebd. 58 Vgl. ebd. 59 Vgl. Arbeitsprogramm des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, beschlossen auf der konstituierenden Sitzung, 16.6.1977, ebd. Dieses Vorhaben ging zurück auf einen Antrag der Jungen Union auf dem 25. Bundesparteitag in Düsseldorf im März 1977. Vgl. 25. Bundesparteitag der CDU, 7. – 9.3.1977 in Düsseldorf, S. 317. Der Jugendkongress wie auch die Erarbeitung des Jugendprogramms werden im Kapitel „Das ,Thema aller Themen‘“ eingehend behandelt.
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Die weiteren Punkte des Arbeitsprogramms des Bundesfachausschusses betrafen altbekannte Themen: So sollten beispielsweise die Position der CDU zum Jugendhilfegesetz überarbeitet, ein Katalog von flankierenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit unter Berücksichtigung der in den Ländern bereits durchgeführten oder geplanten Maßnahmen erarbeitet und jugendpolitische Vorstellungen in der Kommunalpolitik umgesetzt werden. Neu hinzugekommen waren unter anderem Überlegungen zum Verhältnis von Jugend und Medien und zur Jugendpressearbeit in der CDU.60 In die laufende Grundsatzprogrammdiskussion der CDU sollte der Bundesfachausschuss ebenfalls einbezogen werden und eine Stellungnahme zu den ihn betreffenden Bereichen des Entwurfs vorlegen.61 Diese Stellungnahme legte Kroll-Schlüter bereits einen Monat nach der Konstituierung vor. Die Tatsache, dass es in dem Grundsatzprogrammentwurf keine eigene Aussage zur Jugendpolitik gab, kritisierte er dabei jedoch äußerst verhalten. Die Notwendigkeit eines eigenen Punktes belegte der Vorsitzende des Bundesfachausschusses damit, dass das Grundsatzprogramm bereits „eine bestimmte Gliederung vorgenommen hat“ und jugendpolitische Vorstellungen nur noch in einer eigenen Textziffer ergänzend eingefügt werden konnten. Politisch begründete Kroll-Schlüter diese Forderung dann allerdings nicht und verlieh ihr daher auch weniger Nachdruck.62 So diskutierte der Bundesfachausschuss auch noch ein Jahr später über nach wie vor fehlende konkrete Aussagen zur Jugendpolitik im Grundsatzprogramm. Einzelne Mitglieder bemängelten dabei vor allem, dass solche Aussagen gerade vor dem Hintergrund getätigt werden müssten, dass die CDU bei Jungwählern schwach aufgestellt sei. Es sei zwar richtig, dass das Grundsatzprogramm kein spezifisches Programm für einzelne Zielgruppen sein solle, jugendpolitische Schwerpunkte müssten aber durchaus gelegt werden. Zudem sei es angesichts des fast zeitgleich erscheinenden Jugendprogramms der CDU schon fahrlässig, keine jugendpolitischen Aussagen in das Grundsatzprogramm aufzunehmen.63 Diese Ansicht wurde auch von Kurt Biedenkopf geteilt, der seit 1977 nicht mehr CDU-Generalsekretär war: Auf der Bundesausschusssitzung Mitte Juni 1978, auf der das Jugendprogramm verabschiedet wurde, sah er darin „in einigen Zentralpunkten wertvolle Anstöße […] für die ausstehende Diskussion unseres Grundsatzprogramms“.64 Da in die laufende Diskussion inhaltlich nicht mehr bedeutend eingegriffen werden konnte, entschied der Bundesfachausschuss, auf dem Bundesparteitag, der das Grundsatzprogramm verabschieden sollte, einen Antrag mit entsprechenden Ergänzungen einzubringen.65 Damit war er letztlich auch erfolgreich. Der Parteitag beschloss die Einfügung eines eigenen Punktes zur Jugendpolitik in das CDU-Grundsatzprogramm.66 Ruth Hieronymi bedankte sich im Namen der Jungen Union ausdrücklich für die prominente 60 Vgl. Arbeitsprogramm des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, beschlossen auf der konstituierenden Sitzung, 16.6.1977, ACDP 07-001-8908. 61 Vgl. ebd. 62 Papier „Die Jugendpolitik im Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands“ von Hermann Kroll-Schlüter, 20.7.1977, ebd. 63 Vgl. Protokoll der 7. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 30.5.1978, ebd. 64 Bundesausschuss der CDU, Sitzung am 12.6.1978, ACDP 07-001-622. 65 Vgl. Protokoll der 7. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 30.5.1978, ACDP 07-001-8909. 66 Vgl. Punkt 40 im CDU-Grundsatzprogramm: „Unser freiheitlich-demokratischer Staat verdient das Vertrauen und das Engagement der Jugend“. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Grundsatzprogramm der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands.
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II. Die Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU
re Berücksichtigung der Jugendpolitik,67 hatte man im Vorfeld doch ebenfalls das Fehlen von Aussagen zur Jugend und zur Jugendpolitik ausdrücklich kritisiert.68 Um das Grundsatzprogramm auch unter der wichtigen Zielgruppe der Jugend zu verteilen, plante die CDU in der Folge des Parteitags verschiedene Tagungen, unter anderem auch mit Schüler- und Jugendzeitungsredakteuren.69 In der breiten Öffentlichkeit stieß das Grundsatzprogramm allerdings auf geringe Resonanz und konnte keine große Wirkung erzielen. Dies lag auch an den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – angesichts anhaltender wirtschaftlicher und politischer Krisen war die Zeit großer Programmdiskussionen vorbei, Krisenbewältigung stand nun im Fokus.70 Bereits ein Jahr nach seiner Konstituierung hatte der Bundesfachausschuss Jugendpolitik einen großen Teil seines Arbeitsprogramms erledigt. Noch offene oder auch zusätzliche Arbeitsvorhaben wie die Vorbereitung eines Fachkongresses zum Internationalen Tag des Kindes im Jahr 1979 beschäftigten ihn aber nach wie vor.71 Allerdings schien das Interesse an der aktiven Mitarbeit im Fachausschuss sukzessive abzunehmen. Die Sitzung des Ausschusses Anfang Februar 1979 musste aufgrund geringer Beteiligung sogar ganz ausfallen.72 Besonders kritisch gesehen – auch von den Mitgliedern selbst – wurde der Austritt von Thomas Mann aus dem Bundesfachausschuss. Da für den Vorsitzenden der Jungen Arbeitnehmerschaft kein Nachfolger bestimmt wurde, fehlte die Stimme der JA in der laufenden Legislaturperiode gänzlich in dem Gremium.73 Die mangelnde Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit im Bundesfachausschuss griff der Bundesvorsitzende Helmut Kohl auf einer Klausursitzung des Bundesvorstandes Ende 1980 noch einmal auf – nicht nur auf den Bereich der Jugendpolitik begrenzt, hier sei aber laut Kohl die Diskrepanz zwischen anfänglich starkem Andrang und abnehmender Teilnahme besonders deutlich gewesen. Denn es sei „eine Sache, ob man mächtig in die Leier greift für die junge Generation, und es ist eine andere Sache, ob man das Kernwerk im Alltag macht und diesen Kram dann arbeitsmäßig behandeln muß“.74 67 Vgl. 26. Bundesparteitag der CDU, 23. – 25.10.1978 in Ludwigshafen, S. 187. 68 Vgl. Friedbert Pflüger: „CDU wohin? Grundsatzprogrammdiskussion: Die Zielrichtung für Ludwigshafen: Angriff und Verteidigung. Eine kritische Würdigung des vorliegenden Entwurfs“, in: Die Entscheidung, Nr. 8/9, August/September 1978, S. 13. 69 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 27.11.1978, S. 1446. Die Idee der Einladung von Schüler- und Jugendzeitungsredakteuren war nicht neu. Die CDU/CSU-Fraktion hatte bereits Anfang der 1970er Jahre unter ihrem Vorsitzenden Rainer Barzel den Nutzen solcher Gespräche diskutiert – in regelmäßigen Abständen wurden diese in der Folge von der Unionsfraktion durchgeführt. Vgl. „Interview mit Dr. [Hugo, Anm. d. Verf.] Hammans, MdB“, in: DUD, 27.8.1976; Pressedienst CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 26.6.1980. Ob die CDU die Inhalte des Grundsatzprogramms durch die Multiplikatoren der Schüler- und Jugendzeitungsredakteure unter Jugendlichen vermitteln konnte, ist aus der Quellenlage nicht ersichtlich. 70 Vgl. Bösch: Macht und Machtverlust, S. 42; Geyer: Rahmenbedingungen, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 37; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 496. 71 Vgl. Vermerk Emil Nutz an Gert Hammer betreffend Überblick über den Arbeitsstand des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 3.7.1978, ACDP 07-001-8909. 72 Vgl. Protokoll der 11. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 7./8.2.1979, ACDP 07-0018917. 73 Gründe für den Austritt gehen aus der Quellenlage nicht hervor. Vgl. Vermerk Emil Nutz an Hermann Kroll-Schlüter über Austritt von Thomas Mann aus dem Bundesfachausschuss, 16.10.1978, ACDP 07-001-8909. 74 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 12./13.12.1980, S. 159.
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C. Die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation (1975 – 1978)
Einen größeren Erfolg konnte der Bundesfachausschuss Jugendpolitik im Jahr 1978 trotz abnehmender Teilnahmebereitschaft jedoch vorweisen. Mit der Aufnahme seiner Arbeit hatte das Gremium die zwischenzeitlich eingeschlafene Diskussion über die Notwendigkeit einer Referentenstelle für Jugendpolitik in der CDU-Bundesgeschäftsstelle erneut aufgegriffen und schließlich für deren Umsetzung gesorgt. Bereits Konrad Adenauer bemerkte auf einer Sitzung des Bundesvorstandes im Jahr 1963, dass ein eigenständiges Referat für Jugendfragen in der Bundesgeschäftsstelle fehle. Seiner Ansicht nach musste die CDU aber zeigen, dass sie „auch für die gesamten Jugendfragen in unserer Geschäftsstelle ein sehr offenes Herz habe […] und mit unserer Arbeit dafür zur Verfügung stehe […]“.75 Konsequenzen hatten die Überlegungen des damaligen Kanzlers und Parteivorsitzenden jedoch nicht. Erst 1970 wurde die Jugendpolitik im Zuge einer Umstellung der Organisationsstruktur in der Parteizentrale erstmals sichtbarer verankert: Innerhalb der Abteilung Politik bildete das bisherige Kulturpolitische Büro der CDU die neue Arbeitsgruppe für Bildungs- und Jugendpolitik.76 Einen eigenen Referenten für Jugendpolitik erhielt die Bundesgeschäftsstelle damit freilich nicht. Besonders umtriebig in dieser Frage war seit Anfang der 1970er Jahre der jugendpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dietrich Rollmann. In verschiedenen Schreiben forderte er von den jeweils amtierenden Generalsekretären einen eigenen Ansprechpartner für Jugendpolitik in der Bundesgeschäftsstelle. Gegenüber Bruno Heck beklagte er einen fehlenden „,Zuarbeiter‘ auf dem Sektor der Jugendpolitik“, da er auf diese Weise „wirklich keine Jugendpolitik der CDU machen [könne], zumal […] als Gegenüber nicht nur das Ministerium, sondern auch die jugendpolitische Abteilung der SPD und große Teile des Bundesjugendringes habe“. Eindringlich schloss er sein Schreiben an den Generalsekretär, dass es so „auf jeden Fall nicht weiter“ ginge.77 In seinem Antwortschreiben sah Heck für die angesprochenen Probleme von Rollmann vorrangig die Bundestagsfraktion und nicht die Partei in der Pflicht. Zwar könne die Bundesgeschäftsstelle „da und dort Hilfestellung geben“, dies könne aber „nicht die Regel sein […], sondern [müsse] Ausnahme bleiben“.78 Mit dieser Aussage unterstrich Heck – wie bereits in der Frage nach der Einrichtung eines Jugendbeirats – nochmals klar die Anfang der 1970er Jahre noch vorherrschende Rollenaufteilung in der CDU zwischen Bundestagsfraktion und Bundespartei. Nach ihrem Briefwechsel kam es Ende 1970 zu einem persönlichen Austausch zwischen Rollmann und Heck. In diesem Gespräch brachte Rollmann abermals seine Forderung nach einem ausschließlich für die Jugendpolitik zuständigen Sachbearbeiter in der Bundesgeschäftsstelle vor und führte weitere Punkte an, die die Partei auf dem Gebiet der Jugendpolitik aus seiner Sicht angehen müsse.79 75 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1961 – 1965, Sitzung am 26.4.1963, S. 448. 76 Vgl. Vermerk Helmuth Pütz an die Gruppe Bildung, Jugend der Bundesgeschäftsstelle, 2.6.1970, ACDP 07-001-8250. 77 Schreiben Dietrich Rollmann an Bruno Heck, 15.10.1970, ACDP 07-001-11403. Neben der SPD verfügte auch die CSU seit längerem über ein eigenes Jugendreferat in ihrer Geschäftsstelle, wie Gerd Langguth auf der Klausursitzung des CDU-Bundesvorstandes Ende Januar 1973 bemerkte. Seiner Meinung nach konnte die CDU das, „was die CSU als regionale Partei leistet, das könnten wir eigentlich auch als CDU und als Bundespartei mitmachen.“ Protokolle CDU-Bundesvorstand 1969 – 1973, Sitzung am 27./28.1.1973, S. 1230. 78 Schreiben Bruno Heck an Dietrich Rollmann, 4.11.1970, ACDP 07-001-11403. 79 Zu seinen Vorschlägen zählten die ständige Beobachtung aller Jugend-, Schüler- und Studentenzeitschriften, ein eigener jugendpolitischen Informationsdienst der CDU, die Durchführung eines Sach-
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II. Die Institutionalisierung der Jugendpolitik in der CDU
Da er mit diesen Forderungen bei Heck nicht durchdringen konnte, versuchte er bei dessen Nachfolger, Konrad Kraske, erneut das „Interesse der Bundesgeschäftsstelle für die Jugendpolitik zu aktivieren“ und listete dabei noch einmal dieselben Vorschläge auf.80 Allerdings war auch der neue Generalsekretär nicht geneigt, dem Drängen Rollmanns nachzugeben und insbesondere die Forderung nach einem eigenen jugendpolitischen Referenten in der Bundesgeschäftsstelle umzusetzen. Stattdessen wiegelte Kraske zunächst Rollmanns Vorwurf ab, die Parteizentrale vernachlässige die Jugendpolitik generell. Als Beispiel führte er eine von der Bundesgeschäftsstelle erstellte „umfangreiche Synopse der jugendpolitischen Initiativen im Deutschen Bundestag seit 1969“ an. Zudem habe die Parteizentrale die Arbeit Rollmanns – wo es möglich gewesen war – immer unterstützt. Die konkreten Vorschläge, die Rollmann bereits gegenüber Heck gemacht hatte, lehnte Kraske mit Blick auf die personellen und finanziellen Schwierigkeiten der Bundesgeschäftsstelle ab.81 In internen Vermerken der Parteizentrale wurde darüber hinaus auch Kritik an der Jungen Union geäußert, an deren Adresse die Vorschläge Rollmanns zuvorderst zu richten seien. So sollte die JU nach Ansicht der zuständigen Mitarbeiter „in diesem Bereich sicherlich noch wesentlich aktiver“ sein.82 Gleichzeitig erhielt Rollmann aus Teilen der JU Unterstützung für seinen Wunsch nach einer stärkeren Berücksichtigung der Jugendpolitik in der Bundesgeschäftsstelle. So konstatierte der Bundesgeschäftsführer der Jungen Union, Peter Helmes, im Zuge der Diskussion über eine verstärkte Jugendarbeit und bessere Jugendpolitik der CDU nach der verlorenen Bundestagswahl 1972, dass es für den „gesamten Bereich Jugend […] in der Bundesgeschäftsstelle offensichtlich niemanden“ gebe, der hierfür verantwortlich sei.83 Mit dieser Äußerung hatte Helmes konkret zwar keinen eigenen Jugendreferenten in der Bundesgeschäftsstelle gefordert, implizit den Ball einer stärkeren Aktivierung der Jugendpolitik aber in die CDUParteizentrale zurückgespielt. Das Drängen Rollmanns nach einem Ansprechpartner für den Bereich Jugendpolitik in der Bundesgeschäftsstelle zog auch nach der Amtszeit Kraskes als Generalsekretär zunächst keine Konsequenzen nach sich. Zwar wurde noch unter ihm die Parteizentrale ab 1972 in ihren Funktionen stärker aufgewertet und der Führungsanspruch der Bundestagsfraktion ging allmählich auf die Partei über84 – eine stärkere Aufwertung der Jugendpolitik war damit allerdings nicht verbunden. Erst mit der Institutionalisierung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik wurde die Diskussion über einen eigenen Jugendreferenten in der Bundesgeschäftsstelle wieder aufgenommen. Bereits in der zweiten gesprächs mit Repräsentanten aller wichtigen Jugend-, Schüler- und Studentenverbände sowie den Chefredakteuren der Jugend-, Schüler- und Studentenzeitschriften und die Durchführung eines jugendpolitischen Kongresses. Vgl. Vermerk Dietrich Rollmann über Vorschläge für die Besprechung mit Bruno Heck am 17.12.1970, 15.12.1970, ACDP 01-432-014/1. 80 Schreiben Dietrich Rollmann an Konrad Kraske, 14.4.1972, ACDP 07-001-11403. 81 Schreiben Konrad Kraske an Dietrich Rollmann, 12.5.1972, ebd. 82 Vgl. Vermerk Alfons Kühr an Karl-Heinz Bilke über Brief von Dietrich Rollmann an Konrad Kraske, 25.4.1972, ebd. 83 Protokoll zur Besprechung der Landesgeschäftsführerkonferenz über die zehn Punkte von Konrad Kraske und die Folgerungen für die Parteiarbeit, 1./2.2.1973, ACDP 07-001-517. 84 Aufgewertet wurde die Bundesgeschäftsstelle neben ihrer Verwaltung vor allem auch als „Drehscheibe der innerparteilichen Diskussion“ sowie als „Brennpunkt des Gesprächs mit der gesellschaftlichen und politischen Umwelt“. Die Bundestagsfraktion blieb zwar die „Speerspitze der Unionsopposition, aber die Partei und ihr Vorsitzender beanspruchten die Führung.“ Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 354 f.
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C. Die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation (1975 – 1978)
Sitzung wurde dem Vorsitzenden Kroll-Schlüter für ein Gespräch mit Generalsekretär Heiner Geißler aufgetragen, den Vorschlag anzubringen. Die Gegenargumente seitens der Parteizentrale hatten sich seit dem letzten Vorstoß von Rollmann allerdings kaum geändert: Aufgrund der angespannten Haushaltslage sei die Einstellung eines hauptamtlichen Referenten für Jugendpolitik zurzeit nicht möglich.85 Ein Jahr später schienen diese Bedenken nicht mehr zu bestehen – mit Jürgen Fuchs wurde der erste Referent für Jugendpolitik der CDU-Bundesgeschäftsstelle im Bundesfachausschuss vorgestellt.86 Das Umdenken in der Parteizentrale hinsichtlich der Notwendigkeit eines eigenen Jugendreferenten hing auch damit zusammen, dass die Partei Ende der 1970er Jahre die Jugend als eine wichtige Zielgruppe für sich entdeckte und sich dementsprechend aufstellen musste.87
85 Vgl. Protokoll der 2. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 30.8.1977, ACDP 07-001-8908; Protokoll der 4. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 18.11.1977, ebd. 86 Vgl. Protokoll der 10. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 6.12.1978, ACDP 07-001-8917. 87 Vgl. das Kapitel „Die Basis ‚unserer politischen Existenz‘ – Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre“.
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III. Das „Thema aller Themen“ Angesichts der seit Mitte der 1970er Jahre immer weiter verbreiteten Betrachtung der Jugend als Krisenphänomen rückten in der CDU vermehrt deren Zukunftsaussichten in den Vordergrund der inhaltlichen Arbeit. Vor allem Themen wie die steigende Jugendarbeitslosigkeit, die zunehmende Akademisierung, der demographische Wandel und die Bildungspolitik spielten unter dem Schlagwort der Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation eine Rolle. Die stärkere Verankerung der Jugendpolitik in der CDU führte letztlich auch dazu, dass das Thema in all seinen Facetten nachhaltiger in der Partei analysiert und diskutiert werden konnte. Dabei war die Verknüpfung von „Zukunft“ und „Jugend“ sicherlich nicht neu, schließlich ist die Frage nach der Zukunft insbesondere in dieser Altersgruppe stark ausgeprägt, vorwiegend in krisenhaften Zeiten. Die klare Herausstellung der Frage nach den Zukunftschancen der Jugend als zentrales politisches Thema der CDU war aber dennoch ein Novum. Dabei sah sich Helmut Kohl selbst als den Urheber dieser Idee an, da er, wie er zu einem späteren Zeitpunkt sagte, bereits im Jahr 1975 den „Anstoß“ zur stärkeren Berücksichtigung und frühzeitigen Besetzung des Themenkomplexes gegeben habe.1 Tatsächlich machte Kohl auf einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im September 1975 auf die oben erwähnten Entwicklungen bezüglich der Zukunftsaussichten der Jugend aufmerksam, die die CDU stärker berücksichtigen müsse. So verschlechterten sich unter anderem aufgrund von steigender Jugendarbeitslosigkeit, fehlenden Ausbildungsplätzen und Fragen rund um den Numerus clausus die Zukunftschancen der Jugend zunehmend, was eine resignative Stimmung innerhalb der jungen Generation befördere. Hier war die CDU laut Kohl gefordert und konnte „nicht sagen: Das geht uns nichts an.“ Denn die mit den Zukunftschancen verbundenen Fragen der Bildungspolitik seien auch Ländersache und die CDU- beziehungsweise CSU-geführten Bundesländer somit angesprochen. Daher müsse sich die CDU „sehr frühzeitig […] als Partei hier etablieren“.2 In der Anfangsphase der Verankerung des großen jugendpolitischen Themas in der CDU für die kommenden Jahre zeigte sich noch eine starke Fokussierung auf den Bereich der Bildungspolitik. Dadurch wurden jugendpolitische Aspekte in dem Themenkomplex der Zukunftschancen nicht vollständig ausgeklammert, waren in der ersten Zeit aber stark auf den bildungspolitischen Bereich eingeschränkt. So legte der damalige Kultusminister von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, anlässlich einer Diskussion im Bundesvorstand im April 1976 über die grundsätzliche Haltung der CDU zur Bildungspolitik eine Ausarbeitung unter dem Titel „Die Zukunftschancen der jungen Generation“ vor, in
1 Dies äußerte Kohl unter anderem auf einem eigens zu diesem Thema ausgerichteten Jugendkongress im Oktober 1977 sowie in einer von Heiner Geißler und Matthias Wissmann im Jahr 1979 herausgegebenen Aufsatzsammlung unter dem Titel der Zukunftschancen der Jugend. Rede Helmut Kohl auf dem Kongress „Zukunftschancen der Jugend“, 21./22.10.1977, ACDP 07-001-8913; Kohl: Wir sind der Jugend im Wort, S. 9. 2 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 16.9.1975, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1975-09-16-t1107_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022).
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C. Die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation (1975 – 1978)
der er auf die Gründe schwindender Zukunftschancen der Jugend einging. Neben der aus CDU-Sicht verfehlten Politik der Bundesregierung im schulischen und im Hochschulbereich seien es zu diesem Zeitpunkt in zunehmenden Maß auch wirtschaftliche und demographische Faktoren, die eine Vielzahl Jugendlicher pessimistisch in die Zukunft blicken ließen. Bernhard Vogel beließ es in seiner Ausarbeitung nicht dabei, diese unguten Entwicklungen aufzuzeigen, sondern listete gleichzeitig notwendige Schritte auf, die aus seiner Sicht dem negativen Trend entgegenwirken konnten. Hier traten unweigerlich Parallelen zur Diskussion über die Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels auf. So sollten laut Vogel insbesondere die berufliche Bildung ausgebaut und Maßnahmen angesichts des Drängens geburtenstarker Jahrgänge auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ergriffen werden. Daneben spielten in der Ausarbeitung Vogels grundsätzliche Überlegungen eine Rolle, in denen in der Schule wieder zu einer „soliden Grundausbildung“ zurückgefunden und dadurch zu einer besseren Wertevermittlung beigetragen werden sollte. Hier sei es Aufgabe der CDU, die Diskussion um Grundfragen von Staat und Gesellschaft wieder zu beleben. Gleichzeitig müsse es gelingen, die Eltern in den Prozess, den Kindern ihre Zukunftsängste zu nehmen, verstärkt einzubinden. 3 In diesen Überlegungen zeigte sich die nach wie vor hervorragende Stellung, die die Familie für die CDU bei den die Jugend betreffenden Themen hatte.4 Neben der parteiinternen Diskussion über die Verbesserung der Zukunftschancen der Jugend im bildungspolitischen Bereich versuchte die CDU, das Thema verstärkt in die öffentliche Debatte einzubringen und durch eigene Schwerpunktsetzungen zu beeinflussen. In einer Großen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 9. März 1976 mit dem Titel „Zukunftschancen der Jugend in der Bildung und im Beruf“ wurden – detaillierter als in der Ausarbeitung von Bernhard Vogel – Ursachen aufgeführt, die nach Ansicht der Fraktion die Zukunftsaussichten der Jugend stark verschlechterten.5 Hierzu zählten vor allem ein verstärkt angewandter Numerus clausus, ein in den kommenden Jahren drohender Mangel an Ausbildungsplätzen, die zunehmende Akademikerarbeitslosigkeit, die überproportional ansteigende Jugendarbeitslosigkeit, das sich ständig weiter auseinander entwickelnde Bildungs- und Beschäftigungssystem sowie der zunehmende Leistungsdruck in der Schule. Dies führe dazu, dass „immer mehr junge Menschen verschlossenen Türen gegenüberstehen und sich in ihren Lebens-, Bildungs-, Berufs- und Zukunftserwartungen enttäuscht“ sähen. Mit ihrer Großen Anfrage wollte die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion die „bildungspolitischen Grundpositionen der CDU/CSU deutlich“ machen und forderte gleichzeitig die Bundesregierung zu einer „grundlegenden Kurskorrektur in der Bildungspolitik“ auf.6 Auf seiner Sitzung Ende Juni 1976 führte der Deutsche Bundestag auf Grundlage dieser Großen Anfrage eine erste größere Diskussion über die Zukunftschancen der jungen Generation. Den Stellenwert dieser Debatte stellte der Fraktionsvorsitzende Karl Carstens einen Tag vorher heraus, indem er betonte, dass CDU und CSU daran „gelegen
3 Ausarbeitung „Die Zukunftschancen der jungen Generation“ von Bernhard Vogel, 31.3.1976, ACDP 07-001-1327. 4 So auch Kohl, der auf einer Sitzung des CDU-Bundesvorstandes betonte, dass „Jugend, Familie und Zukunftschancen“ nicht voneinander zu trennen seien. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 14.2.1977, S. 442. 5 Vgl. BT-Drs. 7/4836, 9.3.1976. 6 Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 9.3.1976.
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III. Das „Thema aller Themen“
ist, daß die Debatte über die Zukunftschancen der jungen Generation stark und groß herauskommt auch im öffentlichen Bild“. Aus diesem Grund appellierte Carstens an seine Fraktionskollegen „zahlreich, vollzählig, alle, die Sie da sind […] in der Plenarsitzung zu erscheinen“ und damit zu demonstrieren, wie wichtig der Union dieses Thema sei.7 In der Aussprache im Bundestag warnten unter anderem der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Anton Pfeifer, sowie Helmut Kohl vor den Auswirkungen schlechter sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungen auf die Stimmung innerhalb der Jugend.8 Drastisch formulierte Kohl, dass es „kein vernichtenderes Zeugnis für das Versagen der Politik von SPD und FDP [gebe] als das, daß am Ende dieser Legislaturperiode diese Frage [die Zukunftschancen der Jugend, Anm. d. Verf.] zu einer der zentralen Fragen der deutschen Innenpolitik wurde“.9 Tatsächlich erkannte auch die Bundesregierung grundlegenden Handlungsbedarf bei den von der Opposition angesprochenen Schwierigkeiten. Die Frage nach den Perspektiven der Jugend sei dabei aber nicht nur auf die Bundesrepublik begrenzt, sondern betreffe eine Vielzahl westlicher Industrieländer.10 Zugleich wies der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Rohde, politische Konsequenzen für die Bundesregierung zurück, da die Zuständigkeit für Bildungspolitik schließlich bei den Bundesländern liege.11 Damit wollte sich, so die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Bundesregierung allerdings nur „aus ihrer politischen Verantwortung […] ziehen“ und mache sich dadurch „unglaubwürdig. Nicht durch mehr Kompetenzen, sondern durch bessere Konzeptionen werden die bildungspolitischen Probleme der Zukunft gelöst“, so die Fraktion weiter.12 In der Debatte wurde deutlich, dass alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien das Thema der Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation als bedeutendes Wahlkampfthema für die anstehende Bundestagswahl für sich entdeckt hatten – allerdings in unterschiedlich starker Gewichtung.13 Wie bereits gezeigt, versuchte die CDU, den Themenkomplex der Zukunftschancen insgesamt frühzeitig zu besetzen. Es war abermals Helmut Kohl, der seiner Partei auf einer Sitzung des Bundesvorstandes im Januar 1976 die Notwendigkeit vor Augen führte, sich des Themas für den Wahlkampf rasch anzunehmen. Allerdings ließ er dabei auch erkennen, dass es maßgeblich äußere Umstände seien, die die CDU zu diesem Schritt drängten. So müsse es „nachdenklich
7 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 29.6.1976, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1976-06-29-t1005_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 8 Vgl. Sten. Ber. BT, 7. WP, 30.6.1976, S. 18221, 18245. 9 Ebd., S. 18245. 10 Auch in der CDU sah man die Frage nach der Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation als ein internationales Problem an. Auf einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Mai 1977 äußerte Kohl seine Sorge hinsichtlich der gewaltsamen Proteste am 1. Mai 1977 in Italien, bei denen die Zukunftschancen der Jugend eine „ganz zentrale Bedeutung“ gehabt hatten. Ähnliche Ausschreitungen waren nach Ansicht Kohls in der Bundesrepublik auch möglich, wenn nicht unverzüglich in Bund und Ländern gehandelt werde. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 3.5.1977, ACDP 08001-1049/1, S. 3. 11 Vgl. Sten. Ber. BT, 7. WP, 30.6.1976, S. 18239. Damit stellte sich Rohde in Widerspruch zur avisierten neuen Bildungspolitik der Bundesregierung seit dem Beginn der sechsten Legislaturperiode, die dem Bund mehr Kompetenzen zuschreiben wollte. Vgl. u. a. Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 9.3.1976; BT-Drs. 6/925, 8.6.1970. 12 Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 9.3.1976. 13 Vgl. Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 12.10.1977.
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C. Die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation (1975 – 1978)
stimmen, daß jetzt die Regenbogenpresse und die Boulevardzeitungen groß überall in das Thema einsteigen. […] Wenn halt eben Hunderttausende und Millionen von Müttern über dieses Thema dauernd reden, dringt das einmal durch, und es ist ein Thema des Wahljahrs.“ Um den Regierungsparteien zuvorzukommen, müsse sich die CDU nun schnell und ausführlich zu diesen Fragen äußern und dabei auch eigene bildungspolitische Beschlüsse auf den Prüfstand stellen, da Entscheidungen in diesem Politikbereich schließlich zu einem großen Teil Ländersache seien. Indem die CDU als erste der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien auf das Thema der Zukunftschancen einging, sorgte sie laut dem Parteivorsitzenden dafür, dass der „Wähler […] das uns dann abnehmen [wird]“.14 Einen weiteren Beleg für die Bedeutung des Themas lieferten viele Redebeiträge auf dem 24. Bundesparteitag der CDU im Mai 1976 in Hannover, auf dem das Wahlprogramm verabschiedet wurde. Allen voran Kohl, der neben den bekannten Argumenten einer verfehlten Bildungspolitik der Bundesregierung und der aktuell schlechten Situation vieler Jugendlicher angesichts von Arbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel die Sicherung der Zukunftschancen der Jugend insbesondere deshalb als vordringlich erachtete, da „[u]nsere Hilfe für die junge Generation […] entscheidend sein [wird] für deren inneres Engagement für unseren Staat“.15 Auch der Vorsitzende der Jungen Union, Matthias Wissmann, wollte den Themenkomplex im Wahlkampf weit nach vorne bringen und die CDU-Positionen in der Bildungs- und Jugendpolitik herausstellen. Hier liege seiner Ansicht nach eine besondere Chance für die CDU, da diese beiden Politikbereiche unter Kanzler Helmut Schmidt „in den letzten Jahren schrittweise auf die hinteren Ränge der gesamten Politik verdrängt“ worden seien.16 Bereits im Januar hatte Wissmann die Wirkung des Themenkomplexes mit Blick auf die Jungwähler hervorgehoben und dabei auf eine Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung verwiesen, die eine geringere Zustimmung für die CDU unter Studenten ausgewiesen hatte. Die Berücksichtigung der Zukunftschancen im Wahlkampf konnte seiner Ansicht nach für bessere Zustimmungswerte sorgen.17 Kurz vor der oben erwähnten Parlamentsdebatte über die Zukunftschancen der jungen Generation stellte zudem die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fest, dass sich dieses Thema noch „mit Sicherheit in diesem Wahlkampf entwickeln“ werde. Für die anstehende Bundestagswahl sei laut Fraktionschef Karl Carstens zu beobachten, dass die Union zwar eine beachtliche Chance bei den Jungen habe, diese aber „noch keineswegs in unserem Sinne entschieden“ seien. Daher müssten CDU und CSU auch in der zentralen Frage der Zukunftschancen der jungen Generation eine eindeutige Position beziehen. In diesem Sinne forderte Carstens die Parlamentarier eindringlich dazu auf, dass „jeder sich so sachverständig macht, daß wir wirklich in der Lage sind, hier hieb- und stichfeste Antworten zu geben“.18 Mit der Betonung des Themenkomplexes der Zukunftschancen der Jugend im Bundestagswahlkampf schien die CDU in der Bevölkerung auch tatsächlich durchaus zu 14 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 14.1.1976, S. 1641. 15 24. Bundesparteitag der CDU, 24. – 26.5.1976 in Hannover, S. 34 – 36, Zitat auf S. 36. 16 Ebd., S. 214 f., Zitat auf S. 214. 17 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 14.1.1976, S. 1699 f. 18 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 29.6.1976, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_1976-06-29-t1005_ WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022).
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III. Das „Thema aller Themen“
punkten. Nach eigenen Analysen demoskopischer Befunde habe die Partei somit „bei der Kompetenzzuweisung […] gute Chancen […], nach vorne zu kommen“.19 Aus diesem Grund empfahl das CDU-Präsidium für die Wahlveranstaltungen des Parteivorsitzenden in den letzten drei Wochen vor der Bundestagswahl, die Zukunftschancen der jungen Generation neben den beiden großen Themen Arbeitslosigkeit und Rentensicherung „in den Vordergrund zu stellen.“ 20 Nach der Bundestagswahl fielen die Analysen über das Jungwählerergebnis im Vergleich zu den beiden vergangenen Bundestagswahlen eher knapp aus. Eine tiefergehende Diskussion war aus Sicht der CDU auch nicht nötig, da die Partei in diesem Bereich Zugewinne verzeichnen konnte. Bei den 18- bis 24-Jährigen konnte die Partei ihr Ergebnis um 4,9 Prozentpunkte auf 40,2 Prozent verbessern, wie bereits erwähnt war die Differenz zum Gesamtergebnis der Unionsparteien von 48,6 Prozent allerdings immer noch recht hoch.21 Helmut Kohl sah dennoch einen „ganz besonderen Erfolg unserer Politik“, der sich vor allem darin niederschlage, dass insbesondere bei den Erstwählern im Vergleich zu 1972 Verschiebungen zugunsten der CDU zu registrieren seien.22 Im folgenden Jahr gelang es der CDU, sich rund um das Thema der Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation als die hier aktive und kompetente Partei darzustellen. Dabei startete man 1977 eine regelrechte Offensive zu dem Themenkomplex, um diejenigen Kompetenzen auf diesem Feld gegenüber der breiten Öffentlichkeit zu unterstreichen. Den Startschuss für die intensive Beschäftigung mit dem Thema bildete der 25. Bundesparteitag im März 1977 in Düsseldorf. Die CDU sollte nach dem Wunsch Kohls in der innenpolitischen Themensetzung ein Hauptaugenmerk auf die Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation richten.23 Der baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger ging noch einen Schritt weiter und verlangte von der Union, dass diese insgesamt „zur Partei der Sicherung der Zukunftschancen unserer Jugend werde […]“, sich also voll und ganz mit dem Thema identifizieren solle.24 Auf einer kurze Zeit später stattfindenden Sitzung der CDU/CSU-Fraktion stellte Kohl nochmals die Bedeutung des Komplexes heraus und betonte, dass die Union „davon ausgehen [muss], daß die Frage Zukunftschancen der jungen Generation das Thema aller Themen ist und, daß es alle anderen Themen in den nächsten Jahren […] beseitigen wird“.25 Eine für die gewachsene Bedeutung jugendpolitischer Fragen deutliche Aussage, die der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag hiermit tätigte – das Thema Jugendpolitik wurde von Kohl damit vor allen Parlamentariern von CDU und CSU besonders hervorgehoben. Auch aus Sicht der Jungen Union war es von nicht zu unterschätzender Bedeutung, den Fokus auf die Zukunftschancen der Jugend zu legen, wie Matthias Wissmann auf 19 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 23.8.1976, S. 2091. Auch mit Blick auf die in den Jahren zuvor diskutierte Jugendarbeitslosigkeit hätte die CDU nach eigenen Umfragen „in traditionellen Kompetenzbereichen der SPD die Führung erzielt“. Ebd., Sitzung am 4.10.1976, S. 10 f. 20 Präsidium der CDU, Sitzung am 13.9.1976, ACDP 07-001-1409. 21 Vgl. Tabelle in Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 11. Vgl. Kapitel „Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels“. 22 „Nach dem 3. Oktober: Wir sind die stärkste politische Kraft“, in: UiD, Nr. 41, 7.10.1976, S. 3; vgl. auch Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 4.10.1976, S. 12 f. 23 Vgl. 25. Bundesparteitag der CDU, 7. – 9.3.1977 in Düsseldorf, S. 31. 24 Ebd., S. 77. 25 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 19.4.1977, ACDP 08-001-1049/1, S. 9.
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dem Parteitag in Düsseldorf betonte. Für die Schwerpunktlegung dankte er Helmut Kohl ausdrücklich und führte weiter aus, dass sich das Thema gut dafür eigne, „gerade in diesem Punkt einer kaum handlungsfähigen SPD/FDP-Koalition durch unsere eigene Alternative offensiv gegenüberzutreten“.26 Die JU war es auch – gleichzeitig mit dem Landesverband Baden-Württemberg – die für den Bundesparteitag Anträge zu den Zukunftschancen der jungen Generation einbrachte. Mit der Verabschiedung der Vorlagen konnte der Parteitag laut Wissmann „ein Zeichen dafür setzen […], daß wir als erste demokratische Partei bereit sind, zu diesem Thema eine programmatische Aussage“ zu machen. Viel wichtiger sei es aber, dass die CDU von diesem Parteitag an damit beginne, ihre Vorschläge auch „in die Tat umzusetzen“, damit die Diskussion „Leben, Wirklichkeit und Glaubwürdigkeit gewinnt“.27 Angenommen wurden die Anträge vom Parteitag dann allerdings nicht, sondern zur Weiterberatung an den Bundesausschuss überwiesen. Dies geschah auf Empfehlung der Antragskommission, die aufgrund der „Fülle des Materials“ keine abschließende Diskussion über das Thema für möglich hielt, dieses aber gleichzeitig „sehr wichtig“ sei, und nicht nebenbei hätte abgehandelt werden können.28 Um die auf dem Parteitag beschlossene intensive Behandlung des Themas der Zukunftschancen auch öffentlichkeitswirksam unter Beweis zu stellen, nutzte die CDU unterschiedliche Plattformen, auf denen sich prominente Redner zu dem Thema äußerten. So ergriff Helmut Kohl Anfang Mai 1977 auf dem Deutschen Städtetag, der die „Chancen der Jugend“ in den Mittelpunkt der Diskussion stellte, die Gelegenheit, die CDU als Vorreiter auf dem Feld der Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation darzustellen. Dabei unterstrich er, dass die Bildungspolitik allein diese Aufgabe nicht lösen könne, sondern dass hierzu „alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte in unserem Lande aufgerufen“ seien.29 Mit seiner Aussage drückte Kohl eine Entwicklung aus, die sich seit längerem in unterschiedlicher Intensität abzeichnete: Die Jugendpolitik, die neben bildungspolitischen Aspekten im Themenkomplex der Zukunftschancen eine gewichtige Rolle spielte, wurde vermehrt als Querschnittsaufgabe verstanden und nicht nur als isolierter Fachbereich. So drückte es auch Gerd Langguth ein Jahr später aus, indem er die unterschiedlichsten Politikfelder aufzählte, die in den Fragestellungen rund um die Zukunftschancen der jungen Generation berücksichtigt werden müssten: „Bildungspolitik, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Forschung und Technologie, Bevölkerungsentwicklung und Einstellung des jungen Mitbürgers zur Demokratie.“30 Eine erste größere Veranstaltung zum Themenkomplex der Zukunftsfragen richtete die CDU am 22. Juni 1977 aus. Die Initiative hierfür ging erneut von Kohl aus, der die Ausrichtung eines öffentlichen Hearings zu den Zukunftschancen der jungen Generation im Bundesvorstand angeregt hatte, welches gleichzeitig den Auftakt der auf dem Bundesparteitag im März beschlossenen Offensive zum Thema bildete.31 Um ein möglichst „breites Meinungsspektrum“ zu dem Fragenkomplex zu hören, waren Experten aus 26 25. Bundesparteitag der CDU, 7. – 9.3.1977 in Düsseldorf, S. 83. 27 Ebd., S. 316. 28 Ebd., S. 307. 29 Pressemitteilung der CDU, 6.5.1977. 30 Gerd Langguth: „Zukunftschancen der jungen Generation – Schwerpunkt der JU-Arbeit“, in: Humane Gesellschaft, Januar/Februar 1978, S. 1. 31 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 25.4.1977, S. 553; Pressemitteilung der CDU, 22.6.1977.
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III. Das „Thema aller Themen“
der Wirtschaft und den Gewerkschaften, aus Eltern- und Lehrerverbänden, aus Wissenschaftsorganisationen und der Jugendsozialarbeit sowie unabhängige Wissenschaftler zu der Veranstaltung eingeladen.32 Damit habe die CDU „erstmals alle, die für die Zukunftschancen [sic!] der jungen Generation Verantwortung tragen und zur Lösung der anstehenden Probleme beitragen können, zusammengeführt“.33 Dabei sollte das Hearing nach Auffassung von Dorothea Göbel aber nicht ausschließlich für ein Fachpublikum zugänglich sein, sondern durch die Anwesenheit möglichst CDU-naher Journalisten auch eine publizistische Wirkung entfalten.34 Ziel der Anhörung war die Erarbeitung eines Konzeptes zur Lösung der Probleme der Jugendarbeitslosigkeit, des Lehrstellenmangels, des Akademikerüberschusses und der Bevölkerungsentwicklung.35 Im Ergebnis zeigte die Diskussion auf dem Hearing, dass verschiedene Maßnahmen zur Beseitigung der angesprochenen Probleme führen könnten.36 Eine zentrale Forderung der Experten zur Familienpolitik bekräftigte dabei die Auffassung der CDU, dass die „Rückbesinnung auf die Bedeutung der intakten Familie für die Zukunft der jungen Generation von ausschlaggebender Bedeutung ist“.37 So zeige die Auswertung der Anhörung insgesamt eine „Bestätigung der Positionen der CDU in diesem Problemfeld“, wie es der CDU-Bundesfachausschuss Kulturpolitik in seiner Analyse der Veranstaltung festhielt.38 Die Breite der Lösungsvorschläge veranschauliche zudem, dass die „anstehenden Probleme nicht durch ressortgebundene Teillösungen erreicht werden“ könnten, sondern als eine Querschnittsaufgabe verstanden werden müssten.39 Das zu entwickelnde Konzept der CDU zur Beseitigung der drängenden Probleme in der Jugend, in das diese Ergebnisse einflossen, sollte auf einem Fachkongress im Herbst 1977 beschlossen werden und nach Absprache mit der CSU in parlamentarische Initiativen der Bundestagsfraktion sowie der unionsgeführten Landesregierungen und 32 „Die CDU handelt – Zukunftschancen der Jugend“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 5, 1.2.1979, S. 1. 33 Pressemitteilung der CDU, 24.6.1977. 34 Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Helmut Kohl, Heiner Geißler, Karl-Heinz Bilke über das Hearing zu den Fragen der Jugendpolitik, 29.4.1977, ACDP 07-001-1471. 35 Hierfür wurde auf dem Hearing an die anwesenden Fachleute ein Fragenkatalog verteilt. Dieser Katalog deckte Schwerpunkte wie die spezifischen Probleme der Bevölkerungsentwicklung, Probleme bei der Erziehung und Bildung in Elternhaus und Schule, die Entwicklung des Arbeitsmarktes, den Zusammenhang von Bildungs- und Beschäftigungssystem, die Hochschulausbildung sowie besondere Probleme benachteiligter Jugendlicher ab. Vgl. Fragenkatalog für das Hearing der CDU zu den Zukunftschancen der jungen Generation am 22.6.1977 in Bonn, o. A., o. D., ACDP 07-001-8911. Diese Vorgehensweise sorgte dafür, dass die später eingereichten Stellungnahmen zu dem Fragenkatalog spezifischer in das auszuarbeitende Konzept der CDU einfließen konnten. Vgl. die unterschiedlichen Stellungnahmen und Ergänzungen der teilnehmenden Experten an dem Hearing in ACDP 07-001-8911. 36 Voraussetzung für die erfolgreiche Bekämpfung der diskutierten Probleme seien von der CDU bereits länger geforderte Maßnahmen wie eine „wachstumsorientierte, investitionsfreundliche Wirtschaftspolitik, die Gewährleistung internationaler Konkurrenzfähigkeit in Forschung und Innovation, der Ausbau eines qualifizierten Ausbildungsangebotes insbesondere in der beruflichen Bildung, die Beseitigung ausbildungshemmender Maßnahmen und Rechtsvorschriften sowie die stärkere Berücksichtigung unterschiedlicher Begabungsstrukturen in der Schule und im beruflichen Bildungsangebot.“ Pressemitteilung der CDU, 24.6.1977. 37 Ebd. 38 Protokoll der 2. Sitzung des Bundesfachausschusses Kulturpolitik, 27.6.1977, ACDP 07-001-8199. 39 Ebd.
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gemeinsamen Landtagsfraktionen münden.40 Mit dem Kongress unter dem Titel „Zukunftschancen der Jugend“, der im Gegensatz zum Hearing eine weitaus größere Resonanz in der Öffentlichkeit fand, wollte sich die CDU als die „maßgebliche politische Kraft“ in Deutschland ausweisen, die für die Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation „kompetent“ sei. Ziel des sogenannten Zukunftskongresses war es vor allem, die Diskussion über das auf dem Bundesparteitag im März 1977 avisierte Jugendprogramm der CDU voranzutreiben und diesem eine Richtung zu geben.41 Überlegungen für ein eigenes Jugendprogramm hatte es bereits im Jugendbeirat zwei Jahre zuvor gegeben. Grundlage für ein solches Programm sollten die Ergebnisse des Jugendforums im März 1976 sein, allerdings fielen diese nicht so aus, als dass der Jugendbeirat die Planungen weiter hätte vertiefen können.42 Erst durch den Auftrag des Bundesparteitages im März 1977 wurde das Vorhaben eines eigenen Jugendprogramms wieder aufgenommen und konkretisiert. Die vom Bundesfachausschuss Kulturpolitik unter Beteiligung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik geplante Form des Kongresses war, diesen offen zu gestalten und neben dem festen Teilnehmerkreis aus Jugendlichen aller Bildungswege, Eltern, Lehrern, Ausbildern, Berufsberatern und verschiedenen Sachverständigen auch interessierte Verbände und Institutionen als Gäste zuzulassen.43 Insgesamt wurden auf dem Kongress etwa 600 Teilnehmer erwartet.44 Zur Vorbereitung auf den Zukunftskongress wurde eine umfassende Dokumentation mit einer exemplarischen Zusammenstellung von Daten, Fakten und Zahlen versandt, um den Teilnehmern bereits im Vorfeld Informationen und Argumentationshilfen für die Diskussionen in den verschiedenen Arbeitskreisen und während der Podiumsdiskussionen zu liefern – eine Vorgehensweise, die bereits auf dem Jugendforum in Böblingen im März 1976 erfolgreich erprobt worden war.45 In einem Vorwort zu dieser Dokumentation unterstrich Generalsekretär Heiner Geißler erneut die breite Aufstellung des Themas. So sei für die Sicherung der Zukunftschancen der Jugend „mehr als die Bewältigung herkömmlicher Bildungsprobleme“ notwendig. Vielmehr sei ein „integrierter Lösungsansatz [erforderlich], bei dem Wirtschaftsund Arbeitsmarktpolitik, Familien- und Jugendpolitik, Bildungspolitik und Sozialpolitik zusammenwirken müssen“.46 Auch Helmut Kohl betonte in seiner Rede den Willen der CDU, „den gesamten Themenkomplex einmal in seinem Zusammenhang zu erörtern“. Neben der zuvor verteilten Dokumentation zeige auch die Themenauswahl der fünf Arbeitskreise und der beiden Sonderveranstaltungen auf dem Kongress den „notwendigerweise weiten Bogen über unser Hauptthema“.47
40 Vgl. Pressemitteilung der CDU, 22.6.1977. 41 Vermerk Emil Nutz an Abteilung Politik, Gruppe 8 über die inhaltliche und organisatorische Planung des Kongresses „Zukunftschancen der Jugend“, 24.8.1977, ACDP 07-001-8908. 42 Vgl. Vermerk Dorothea Göbel an Dorothee Wilms über den Ablauf des jugendpolitischen Kongresses, 10.4.1975, ACDP 07-001-8905. 43 Vgl. ebd. 44 Vgl. Pressemitteilung der CDU, 17.10.1977. 45 Vgl. Dokumentation zu dem Kongress der CDU Zukunftschancen der Jugend – Zahlen, Daten, Fakten, o. A., o. D., ACDP 07-001-8913. 46 Ebd. 47 Rede Helmut Kohl auf dem Kongress „Zukunftschancen der Jugend“, 21./22.10.1977, ACDP 07-0018913.
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III. Das „Thema aller Themen“
Unter den Arbeitskreisen sticht besonders die Themensetzung des Arbeitskreises 5 hervor, da in diesem die Ziele der Jugendpolitik der CDU diskutiert wurden.48 Grundlegend hielt der Berichterstatter Hermann Kroll-Schlüter für diesen Arbeitskreis fest, dass „Jugendpolitik […] Gesellschaftspolitik für junge Menschen“ sei, und betonte somit also wieder deren Querschnittsaufgabe. Im Ergebnis wichen die in der Diskussion gemachten Erklärungen nicht von den bisherigen Aussagen der CDU zu ihrer Jugendpolitik ab. So war die Erkenntnis, dass Jugendpolitik „kein politischer Bereich neben anderen, sondern eine politische Aufgabenstellung [ist], die überall dort zum Tragen kommen muß, wo bei politischen Entwicklungen und Entscheidungen die Situation oder die Interessen junger Menschen zu berücksichtigen sind“, fast wortgleich mit der Äußerung Heinrich Köpplers auf dem Jugendforum im März 1976.49 Als „wesentliche Bereiche“ für die Erziehung und Bildung der jungen Menschen machten die Teilnehmer des Arbeitskreises insbesondere „Familie, Schule, Beruf und außerschulische Jugendarbeit“ aus. Diese Erkenntnis war ebenfalls nicht neu und fand sich in vorherigen Äußerungen zur Aufgabe der Jugendpolitik. Weiterhin war es aber laut Teilnehmern notwendig, dass „Jugendpolitik und damit auch die außerschulische Jugendarbeit erheblich aufzuwerten sind“.50 Dass diese zum größten Teil bereits bekannten Aussagen zur Jugendpolitik der CDU dennoch nun schriftlich fixiert wurden, war insofern wichtig, da die Ergebnisse des Arbeitskreises 5 in das Jugendprogramm der CDU einfließen sollten. Dadurch konnten die bisher verstreuten Äußerungen zum ersten Mal in einem Text zusammengefasst werden. Um möglichst alle Teilnehmer auf dem Zukunftskongress in den Meinungsbildungsprozess der CDU miteinbeziehen zu können und sich nicht ausschließlich auf die Diskussionsbeiträge einzelner Personen stützen zu müssen, führte die CDU mithilfe der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung eine sogenannte Meinungsbörse während des Kongresses durch. Bei diesem erstmalig erprobten Format auf einer solchen Veranstaltung sollten die Teilnehmer in Form von Interviews zu den zentralen Themen des Kongresses „unabhängig von Geschäftsordnung und Arbeitskreisen“ ihre Meinung äußern.51 Stark abweichende Ergebnisse zu den Erklärungen aus den Arbeitskreisen kamen nach der Auswertung der Meinungsumfrage allerdings nicht zustande.52 Dies lag zum größten Teil an den bereits vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, die nur in Einzelfällen bei gewissen Fragen eine eigene Stellungnahme zuließen.53 Eine dieser Fragen betraf die Themen, die auf dem Kongress nicht oder nur unzureichend behandelt worden seien. 48 Die Titel der anderen Arbeitskreise waren folgende: Arbeitskreis 1: Ausbildung und Arbeitsmarkt; Arbeitskreis 2: Mehr Bildungschancen durch ein begabungsgerechtes Schulsystem; Arbeitskreis 3: Die Familie – entscheidend für die Zukunft unserer Jugend; Arbeitskreis 4: Solidarität zwischen den Generationen – Grundlage sozialer Sicherheit. Die Podiumsdiskussionen behandelten die Themen „Forschung und Zukunftsinvestitionen für die Arbeitsplätze und den Wohlstand von morgen“ sowie „Generationenkonflikt – Neue Dimension gesellschaftlicher Auseinandersetzung?“. 49 Ergebnis Arbeitskreis 5: Verantwortung und Freiheit – Ziele unserer Jugendpolitik, 22.10.1977, ACDP 07-001-8913. Vgl. zur vorherigen Äußerung Heinrich Köpplers CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): CDU – Partner der Jugend. 50 Ergebnis Arbeitskreis 5: Verantwortung und Freiheit – Ziele unserer Jugendpolitik, 22.10.1977, ACDP 07-001-8913. 51 Pressemitteilung der CDU, 17.10.1977. 52 Vgl. „Aktion Meinungsbörse“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 11, November 1977. 53 Vgl. Fragenkatalog der Meinungsbörse für den Kongress „Zukunftschancen der Jugend“, o. A., o. D., ACDP 07-001-8913.
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In der endgültigen Auswertung der Meinungsbörse tauchte diese Frage aber überhaupt nicht mehr auf.54 Hier wäre eine detaillierte Aufstellung der verschiedenen Antworten der Kongressteilnehmer durchaus interessant gewesen, da es über die Themenauswahl auf dem Kongress in den Vorbereitungen auch parteiintern größere Differenzen gegeben hatte. So wurde aus dem Kreis der Organisatoren die Sorge geäußert, dass zwar der Zukunftskongress selbst, nicht aber das spätere Jugendprogramm dem politischen Anspruch des Themas der Zukunftschancen der Jugend gerecht werden könnte. Dies lag an der aus Sicht der Kritiker zu eingeengten Themenauswahl, die in der Jugend aktuell diskutierte Probleme wie Umweltthemen oder den Nord-Süd-Konflikt außer Acht ließe. Da aber nur die auf dem Kongress vorgegebenen Punkte in das Jugendprogramm eingearbeitet werden sollten, könne das Auslassen dieser jugendrelevanten Themen für Enttäuschung bei vielen Jugendlichen sorgen. In der CDU-Bundesgeschäftsstelle sah man die im Vorfeld getätigte Einschränkung der Themen weniger problematisch, da durch Einlassungen in den Reden und Diskussionsbeiträgen das Jugendprogramm noch entsprechend ergänzt werden könne.55 Von der Presse wurde der Zukunftskongress der CDU regional und überregional begleitet. Dabei wurden die allgemeinpolitischen Aussagen der einzelnen Redner stärker in den Blick genommen als spezifische jugendpolitische Ergebnisse des Kongresses.56 Eine Ausnahme bildete dabei eine Meldung der Katholischen Nachrichten-Agentur, die sich äußerst kritisch mit der jugendpolitischen Diskussion auf dem Zukunftskongress befasste. So habe insbesondere die Diskussion im Arbeitskreis 5 gezeigt, dass die versierten Jugendpolitiker der CDU in ihrer eigenen Partei mit ihren Vorstellungen nicht durchdringen könnten. Stattdessen hätten Teilnehmer aus den Reihen der Jungen Union sowie der Schüler Union „weniger über Perspektiven der Jugendpolitik als vielmehr über das aktuelle politische Tagesgeschehen und dies nach dem Urteil kritischer Beobachter ‚mit Klischees und Vorurteilen‘“ diskutiert. In die eigentliche jugendpolitische Debatte wären schließlich – wie weiter oben bereits festgestellt – keine neuen Argumente eingeflossen, sodass Irmgard Karwatzki, jugendpolitische Expertin in der CDU, „die Expertendiskussion resignierend zusammen[gefasst] habe: ‚Die Gleichen, die Gleiches immer den Gleichen sagen!‘“57 Kritik an den Ergebnissen des CDU-Kongresses wurde auch aus den Reihen der Koalitionsparteien im Bund laut, die auf „tiefgreifende Meinungsunterschiede“ und eine damit verbundene „Konzeptionslosigkeit“ der CDU im Hinblick auf deren Bildungs- und Jugendpolitik hinwiesen.58 In den Augen Helmut Kohls weitaus besorgniserregender war allerdings die direkte Reaktion Helmut Schmidts auf den Erfolg der Themenbesetzung 54 Vgl. Vermerk Winfried Ockenfels über die Meinungsbörse „Zukunftschancen der Jugend“, 12.12.1977, ACDP KAS-PD. 55 Vgl. Vermerk C. A. Lutz an Helmut Kohl über Vorbereitungsstand des Zukunftskongresses, 18.8.1977, ACDP 07-001-8914. 56 Vgl. u. a. „Kohl: Pflichterfüllung wieder als Wert erkannt“, in: Hamburger Abendblatt, 22.10.1977; „Kohl fordert Engagement der Jugend für die Dritte Welt“, in: FAZ, 22.10.1977; „,27 000 Lehrstellen noch unbesetzt‘“, in: Neue Osnabrücker Zeitung, 22.10.1977; „CDU fragt nach den Chancen der Jugend“, in: Süddeutsche Zeitung, 22.10.1977; „Kohl kündigt Jugendprogramm an“, in: Frankfurter Neue Presse, 22.10.1977. 57 „CDU-Jugendpolitiker: ,Die Gleichen, die Gleiches immer den Gleichen sagen‘“, in: KNA-Informationsdienst, Nr. 44/45, 27.10.1977. 58 PPP, 24.10.1977.
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III. Das „Thema aller Themen“
durch die CDU. In einer Rede vor dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, die der Bundeskanzler kurze Zeit nach dem Zukunftskongress hielt, versuchte er das Thema der Zukunftschancen der Jugend laut Kohl für die Bundesregierung zu okkupieren. So habe Schmidt in seiner Rede „angekündigt, er lasse einen großen Sachverständigenbericht herstellen – und damit sind wir bei dem Thema Zukunftschancen der jungen Generation – mit dem Ziel, einmal die Frage des Ausbleibens der Chancengerechtigkeit für junge Leute […] als Thema in die Debatte zu bringen“. Die CDU müsse somit dringend aufpassen, sich „dieses Thema […] nicht stehlen [zu] lassen“.59 Konsequenzen für die Politik der Bundesregierung hatten die Äußerungen Schmidts aber offenkundig nicht. Noch ein halbes Jahr später erklärte Kohl auf einer Sitzung des CDU-Bundesausschusses, dass das Thema der Zukunftschancen der Jugend „als Aufgabe von der Bundesregierung immer noch nicht erkannt worden“ sei.60 Insgesamt sprach der zuständige Bundesfachausschuss Kulturpolitik in seiner Bilanz des Kongresses von einem starken medialen Echo, dass die Veranstaltung hervorgerufen habe. Dies mache deutlich, dass die dort diskutierten Themen kontinuierlich in die öffentliche Diskussion eingebracht werden müssten.61 Etwas zurückhaltender beurteilte der CDU-Vorsitzende auf einer Sitzung des Bundesausschusses die tatsächliche Wirkung des Zukunftskongresses. So hätten die Terroranschläge der RAF im Herbst 1977 den Erfolg der Veranstaltung „im Bewußtsein der Öffentlichkeit teilweise in den Hintergrund“ treten lassen.62 Aus der JU wurde generell Skepsis am Nutzen solcher Kongresse laut. Zwar würden diese Veranstaltungen, die die „CDU dann und wann zur Jugendpolitik abhält […] ihren Wert haben; beim Abbau der bestehenden Probleme jedoch können sie so keinen Beitrag leisten“.63 Doch nutzte die Junge Union selbst auch solche großen Veranstaltungen, um sich öffentlichkeitswirksam als Partner der Jugend darzustellen und Aktivität in jugendpolitischen Themen zu zeigen. Für die CDU wirkten sich die Ergebnisse des Zukunftskongresses unmittelbar aus. Der bildungspolitische Sprecher Anton Pfeifer kündigte beispielsweise für die Bundestagsfraktion an, dass diese die Ergebnisse der Veranstaltungen in einen eigenen Antrag im Bundestag einbringen werde.64 Auch das Präsidium der CDU formulierte auf einer Sitzung kurz nach dem Kongress seinen Willen, „den Hauptakzent im Winterhalbjahr auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation“ legen zu wollen.65 Die weitreichendere Konsequenz des Zukunftskongresses war die Erarbeitung eines ersten Jugendprogramms der CDU. Die Notwendigkeit eines solchen Programms begründete Kohl mit der gegenwärtigen Situation der Jugend und deren strukturellen Problemen, die nicht durch kurzfristige Maßnahmen verbessert werden könnten. In einem 59 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 8.11.1977, ACDP 08-001-1051/1, S. 6 – 8. 60 Bundesausschuss der CDU, Sitzung am 12.6.1978, Redebeitrag Helmut Kohl, ACDP 07-001-622. 61 Protokoll der 6. Sitzung des Bundesfachausschusses Kulturpolitik, 21.11.1977, ACDP 07-001-8361. 62 Bundesausschuss der CDU, Sitzung am 28.11.1977, Ergebnisprotokoll, ACDP 07-001-621. Vgl. zum „Deutschen Herbst“ u. a. Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex, S. 483 – 647; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 587 f.; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 478 – 480. 63 Dirk Metz: „1968: Aktion! 1979: Resignation? Energievergeudung statt politischer Auseinandersetzung“, in: Die Entscheidung Oktober 1979, S. 24. 64 Vgl. Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 3.11.1977. 65 Pressemitteilung der CDU, 21.11.1977.
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solchen Jugendprogramm sollten daher alle erforderlichen Schritte enthalten sein, die zu einer langfristigen Sicherung der Zukunftschancen der Jugend beitragen könnten.66 Die bereits veröffentlichten jugendpolitischen Leitsätze der CDU sollte das neue Jugendprogramm nicht ersetzen, wie der Bundesfachausschuss Jugendpolitik betonte. Allerdings setzte sich der Bundesfachausschuss mit der Forderung, diese Abgrenzung von den Leitsätzen auch in den Vorspann des Programms aufzunehmen, im endgültigen Entwurf nicht durch.67 Aber auch objektiv betrachtet sind die Unterschiede zwischen den beiden Beschlüssen klar erkennbar. Umfassten die jugendpolitischen Leitsätze vor allem noch Vorstellungen zur Ausgestaltung der Jugendpolitik der CDU und fokussierten sich dabei stark auf die Jugendhilfe, enthielt das Jugendprogramm von 1978 schließlich eine Darstellung konkreter jugendpolitischer Maßnahmen, die die CDU umsetzen wollte.68 Diese Maßnahmen und andere Aussagen im Programm bauten auf den Ergebnissen des Zukunftskongresses der CDU auf.69 Die Ergebnisse wurden zunächst in der CDUBundesgeschäftsstelle inhaltlich ausgewertet und dort in einen ersten Entwurf des Jugendprogramms eingearbeitet.70 Von den Bundesfachausschüssen Kulturpolitik und Jugendpolitik wurde auf Grundlage dieses Entwurfs unter Mitberatung der Bundesfachausschüsse Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik sowie Vertretern der JU und der Frauenvereinigung eine Vorlage für das Jugendprogramm erarbeitet.71 Mit dieser Bandbreite an Mitwirkenden wird abermals die weiter gefasste Definition von Jugendpolitik und ihren Charakter als Querschnittspolitik deutlich. Die ausgearbeitete Vorlage wurde schließlich dem Bundesausschuss der CDU auf seiner Sitzung am 12. Juni 1978 zur Beschlussfassung vorgelegt. Nach der inhaltlichen Diskussion über das Jugendprogramm, in der unter anderem Generalsekretär Heiner Geißler und Hermann Kroll-Schlüter noch einmal auf die politische Bedeutung des Programmentwurfs hinwiesen, beschloss der Bundesausschuss schließlich „einstimmig“ die Annahme des Programms „Der Weg in eine gesicherte Zukunft. Programm zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend“.72 Konkret richtete sich das erste Jugendprogramm der CDU an die „mehr als 7 Millionen Jugendlichen der geburtenstarken 60er Jahre, die bis Mitte der 80er Jahre in Ausbildung und Beruf treten“.73 In einem einleitenden Teil des Programms wurden die „gegenwärtigen Perspektiven und […] gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen für die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation“ beschrieben, in denen eine zukunftsorientierte Politik fehle.74 So müsse eine „richtige Gewichtung zwischen den Bedürfnissen der Gegenwart und den Erfordernissen der Zukunft in Politik und Gesellschaft“ wiederhergestellt werden. „Gegenwartsprobleme“ wie sie unter anderem in der wirtschaftlichen Entwicklung, der Innovationsfähigkeit oder auch zunehmend in fehlendem Wertebewusstsein zu suchen waren, trugen laut CDU dazu bei, dass sich „unsere 66 Vgl. Pressemitteilung der CDU, 26.7.1977. 67 Vgl. Protokoll der 6. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 15.3.1978, ACDP 07-001-8909. 68 Vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Programm zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend. 69 Vgl. Pressemitteilung der CDU, 13.6.1978. 70 Vgl. Protokoll der 6. Sitzung des Bundesfachausschusses Kulturpolitik, 21.11.1977, ACDP 07-001-8361. 71 Vgl. Brief Heiner Geißler an die Mitglieder des Bundesausschusses über das Programm Zukunftschancen der Jugend, 31.5.1978, ACDP 07-001-622. 72 Bundesausschuss der CDU, Sitzung am 12.6.1978, Ergebnisprotokoll, ebd.; CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Programm zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend. 73 Pressemitteilung der CDU, 13.6.1978. 74 Pressemitteilung der CDU, 9.6.1978.
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Gesellschaft ihre eigene Zukunft verbaut“. Es sei aber gleichzeitig eine „verkürzte Lebensauffassung, die Zukunftschancen der jungen Generation ausschließlich unter materiellem Aspekt zu betrachten“, stattdessen müsse ein „geistig-moralisches Klima“ geschaffen werden, in dem „Werte wieder etwas gelten“.75 Das eigentliche Programm listete schließlich allgemeine und konkrete Maßnahmen auf, die in fünf Schwerpunktbereiche aufgeteilt wurden, zu denen neben der Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungspolitik auch die Jugend- und Familienpolitik sowie die „Stiefkinder der Chancengleichheit“ gehörten.76 Mit letzteren waren vor allem „Hauptschüler, ausländische Jugendliche, Lernschwache und Behinderte“ gemeint, die „im Schatten der Reformen“ der sozial-liberalen Koalition geblieben seien.77 Die Probleme dieser „Stiefkinder“ kennzeichne die „,Neue Soziale Frage‘ im Bildungsbereich“, womit das Programm einen Terminus der CDU aufgriff, den diese vor drei Jahren durch ihre Mannheimer Erklärung geprägt hatte.78 Am Ende des Jugendprogramms wurden noch einmal Grundsätze und Ziele der Jugendpolitik der CDU dargestellt, die wie bereits erwähnt keine neuen Inhalte aufwiesen, aber zum ersten Mal gebündelt alle bisherigen wichtigen jugendpolitischen Aussagen und Forderungen wiedergaben. Vorrangig war dabei, dass junge Menschen „durch Vertrauen und durch Ermutigung zu eigener Verantwortung geführt, statt durch Bevormundung und Reglementierung gehemmt werden“. Ihnen müsse die Möglichkeit gegeben werden, sich sozial und politisch zu engagieren und dadurch diese Verantwortung in der Praxis ausüben zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, wolle sich die CDU im Rahmen der staatlichen Jugendpolitik dafür einsetzen, mehr Vertrauen in der Jugendarbeit wirken zu lassen, statt durch „Bürokratisierung und Bevormundung“ Initiativen zu unterbinden. Die außerschulische Jugendbildung musste in den Augen der Partei stärker gefördert werden, um ein „breites und vielfältiges Angebot freier Träger für das politische und soziale Engagement junger Menschen“ nachhaltig sichern zu können.79 Nach Aussage von Generalsekretär Heiner Geißler gelang es der CDU mit ihrem Jugendprogramm, die Jugendpolitik in einen „neuen Zusammenhang“ zu stellen. Dadurch erreiche die Partei, die Jugendpolitik aus ihrem Schattendasein als „isoliertes Fachthema“ herauszuholen und als „Zentralthema der Politik in der Bundesrepublik Deutschland“ kenntlich zu machen. Das Jugendprogramm sicherte dem jugendpolitischen Feld laut 75 CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Programm zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend. 76 Pressemitteilung der CDU, 13.6.1978. 77 CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Programm zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend. 78 Ebd. Auf ihrem Bundesparteitag in Mannheim im Juni 1975 verabschiedete die CDU die Mannheimer Erklärung, mit der sie die veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Welt anerkannte und durch die Vorlage eigener Konzepte darauf eingehen wollte. Nachhaltig wirkte die Erklärung aber nicht, sondern wurde vielmehr als „,Schnellschuss‘ bewertet“. Eine stärkere Beachtung fand dagegen das „sozialpolitische Kernstück der Erklärung“, die von Heiner Geißler eingebrachte „Neue Soziale Frage“. Diese sah neben dem „alten Konflikt zwischen Kapital und Arbeit“ neue Konflikte „zwischen organisierten und nichtorganisierten Interessen“. Bösch: Macht und Machtverlust, S. 35. Zum entsprechenden Kapitel vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Mannheimer Erklärung, S. 32 – 36. Vgl. auch Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 356 f. Zu den nichtorganisierten Gruppen zählte die CDU dabei auch Kinder und Jugendliche, die als „Objekte der Politik […] ihre Interessen gegenüber Staat und Gesellschaft nicht wahrnehmen [können], da sie keine ‚Lobby‘ haben.“ Vorwort, in: Gebauer (Hg.): Material zu Problemen der Jugendpolitik, S. 7. Die CDU sah es daher als ihre Aufgabe an, diesen Gruppen jene Lobby zu geben und ihre Interessen zu vertreten. Vgl. Bösch: Macht und Machtverlust, S. 35. 79 CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Programm zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend.
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Geißler darüber hinaus eine „neue Dimension: die der Zukunft“.80 Ganz so euphorisch wurde das Jugendprogramm der CDU in der ausführlichen Presseberichterstattung nicht bewertet. Mehrheitlich wurde der Fokus auf bildungspolitische Maßnahmen und die Forderung der CDU nach der Einführung eines Erziehungsgeldes gelegt. Dieses war aber selbst innerhalb der Unionsgemeinschaft noch umstritten und barg Konfliktpotenzial in der Diskussion mit der Schwesterpartei CSU81 – höchstwahrscheinlich der Grund für diesen Fokus in der Presse. Aus Teilen der Printmedien wurde die „phrasenhafte Schwarzmalerei“ des Programms kritisiert, das „konservative Anschauungen“ wieder nach vorne bringe und keine „neue[n] Gedanken“ beinhalte.82 Ein großes Manko des Programms sei vor allem, dass „in keinem Wort“ die Kosten- und Finanzierungsfrage geklärt sei.83 Die SPD wurde mit den Worten zitiert, bei dem Jugendprogramm handele es sich um einen „verwaschenen Forderungskatalog“ und ein „mattes Allerweltsprogramm, das mit allerlei messianischen Schnörkeln und pseudowissenschaftlichen Problemstellungen garniert wurde“.84 Positiv wurde herausgestellt, dass es der CDU mit ihrem Programm gelinge, einen „umfassende[n] Katalog der brennenden Probleme“ zusammenzustellen, was insbesondere Generalsekretär Heiner Geißler zugeschrieben wurde, der in seiner Partei in der Sozial- und Jugendpolitik „neue Akzente“ setzen wolle.85 Insgesamt wolle die CDU mit ihrem Jugendprogramm sichtbar erreichen, in der jüngeren Generation als „moderne Partei anerkannt“ zu werden. Diesem Ziel war sie auch tatsächlich nach Auffassung einiger Journalisten ein gutes Stück nähergekommen.86 Nun sei es aber nötig, wie es der Vorsitzende der Jungen Union Matthias Wissmann forderte, das Programm „auf keinen Fall in den Aktenschränken verstauben zu lassen“.87 Dieser Aufforderung leistete die CDU zunächst Folge: Wie zur besseren Sichtbarmachung des Themas der Sicherung der Zukunftschancen vorgesehen, flossen wichtige Punkte des Jugendprogramms in einen Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein, den diese am 16. August 1978 dem Deutschen Bundestag vorlegte.88 Ziel des Antrags sollte es nach Aussage von Anton Pfeifer neben einer ersten großen Debatte über die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation im Deutschen Bundestag sein, die eigenen Positionen zu diesem Thema in der parlamentarischen Diskussion deutlich zu machen und gleichzeitig die nötigen Kurskorrekturen in der Politik der Bundesregierung – insbesondere in der Bildungspolitik – zu fordern.89 So betonte Pfeifer zwar, dass es sich bei dem Antrag nicht um eine eindeutig bildungspolitische Initiative handele, sondern dass es „ja um die Zukunftschancen der jungen Generation geht“, dennoch sei 80 Pressemitteilung der CDU, 13.6.1978. 81 Vgl. u. a. „Programm ohne Zukunftschancen“, in: Süddeutsche Zeitung, 13.6.1978; „CDU beharrt auf Erziehungsgeld“, in: Weser-Kurier, 14.6.1978; „Die Union will stufenweise ein Erziehungsgeld einführen“, in: Westfälische Nachrichten, 14.6.1978; „CDU beharrt auf Erziehungsgeld“, in: Rheinische Post, 14.6.1978; „Jugendprogramm. Machbar?“, in: Ruhr-Nachrichten, 14.6.1978. 82 „Programm ohne Zukunftschancen“, in: Süddeutsche Zeitung, 13.6.1978. 83 „Jugendprogramm. Machbar?“, in: Ruhr-Nachrichten, 14.6.1978. 84 „CDU beharrt auf Erziehungsgeld“, in: Rheinische Post, 14.6.1978; „Jugendpolitik im Visier“, in: Die Rheinpfalz, 14.6.1978. 85 „Jugendprogramm. Machbar?“, in: Ruhr-Nachrichten, 14.6.1978. 86 „Werben um Jugend“, in: Braunschweiger Zeitung, 14.6.1978. 87 „CDU will die Chancen der Jugend verbessern“, in: Augsburger Allgemeine, 14.6.1978. 88 Vgl. BT-Drs. 8/2045, 16.8.1978. 89 Vgl. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 20.6.1978, ACDP 08-001-1053/1, S. 35.
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die Mehrzahl der von der Union geforderten Maßnahmen bildungspolitischer Natur.90 Die dezidiert jugendpolitischen Grundsätze und Zielsetzungen, die noch im Jugendprogramm festgehalten worden waren, fehlten völlig im Antrag der Fraktion. Einzig die Forderungen nach einer werteorientierten Familienpolitik und der besonderen Berücksichtigung benachteiligter Jugendlicher gingen über den Rahmen der Bildungspolitik hinaus.91 Eine breite parlamentarische Debatte über jugendpolitische Themen blieb damit aus. In der parlamentarischen Beratung wurde der Antrag der Unionsfraktion teilweise scharf kritisiert. Kurt Wüster von der SPD sah in dem Antrag den Beweis dafür erbracht, dass die Union mit ihrer Darstellung der Situation der Jugend diese verunsichern wolle. Mit dem neuen „Dauerbrenner“ der Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation setze die CDU ihre „Propagandakampagne“ fort, die sie im Jahr 1976 begonnen habe und male damit „wie immer in tiefschwarzer Farbe ein Zukunftsbild unserer Jugend, dem […] jeglicher Realitätsbezug“ fehle.92 Im Gegenteil seien nach Auffassung der Sozialdemokraten die Zukunftschancen der Jugend ausgesprochen positiv, was die guten Startbedingungen in Schule und Hochschule sowie die hohe Zahl an Jugendlichen mit Ausbildungsvertrag zeigten. Und letztlich müsse die Zukunft des Einzelnen „in Verantwortung selbst erarbeitet werden“.93 Insgesamt war der Antrag aus Sicht der SPD ungeeignet, als Grundlage für eine Diskussion über die Jugendpolitik und die Zukunftschancen der jungen Generation zu dienen,94 was womöglich aber auch einfach an den fehlenden Aussagen im Antrag dazu lag. Auch von der FDP gab es fast durchgängig kritische Anmerkungen zu den geforderten Maßnahmen der Union und der dargestellten Situation der Jugend. Der Antrag enthalte „neben unstreitigen Forderungen und Gemeinplätzen kaum konkrete Vorschläge“ und sei alles in allem eine Aufwärmung „bereits mehrfach im Bundestag diskutierte[r] Forderungen“.95 Die FDP-Abgeordnete Helga Schuchardt bemängelte die fehlende Selbstkritik der Union im Hinblick auf deren Vorwurf einer verfehlten Bildungspolitik. Nicht nur der Bund sei hierfür in die Pflicht zu nehmen, auch die unionsgeführten Länder hätten ihren Teil zu der von der CDU/CSUBundestagsfraktion geforderten Kurskorrektur bereits beitragen können.96 Parteiintern wurde in der Union eine solch selbstkritische Aussage für eine bessere Glaubwürdigkeit in der Jugend gefordert, im Antrag dann allerdings nicht umgesetzt.97 Letztlich wurde der Antrag der CDU/CSU-Fraktion seitens der Regierungskoalition als erledigt erklärt, da ein Großteil der darin geforderten Maßnahmen „durch die bildungspolitischen Bemühungen des Bundes und der Länder seit der Vorlage des Antrags bereits realisiert oder in Angriff genommen worden“ seien.98 Trotzdem war es der CDU mit ihrer auf dem Bundesparteitag im März 1977 begonnenen intensiveren Diskussion über die Zukunftschancen der jungen Generation insgesamt gelungen, sich öffentlich 90 Ebd., S. 36. 91 Vgl. BT-Drs. 8/2045, 16.8.1978. 92 Sten. Ber. BT, 8. WP, 18.1.1979, S. 9955. 93 Ebd., S. 9957. Vgl. auch Sozialdemokratischer Pressedienst, 17.1.1979. 94 Vgl. Sten. Ber. BT, 8. WP, 18.1.1979, S. 9973. 95 fdk tagesdienst, 16.8.1978. 96 Vgl. Sten. Ber. BT, 8. WP, 18.1.1979, S. 9959. 97 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 14.1.1976, S. 1641. 98 BT-Drs. 8/3356, 13.11.1979. Vgl. zur Annahme der Beschlussempfehlung des Ausschusses im Deutschen Bundestag Sten. Ber. BT, 8. WP, 29.11.1979, S. 14941.
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keitswirksam als treibende politische Kraft diesem Thema darzustellen.99 Parteiintern hatten aber noch lange nicht alle die Bedeutung des Themenkomplexes erfasst – entgegen entsprechender Beteuerungen aus der Parteispitze, die Jugendpolitik stärker ins Rampenlicht gerückt zu haben. Kurz nach dem Zukunftskongress beklagte Helmut Kohl auf einer Sitzung der Unionsfraktion, dass noch „zu viele bei uns glauben, dies Thema sei ein Thema für ein paar Fachspezialisten“ und bat die Abgeordneten „dringend, Ihr Augenmerk zu richten auf dieses wirklich zentrale Thema“.100 Auch ein Jahr später beanstandete Kohl in derselben Runde das nach wie vor fehlende Interesse einiger Parteikollegen, die „von diesen Initiativen [zur Verbesserung der Zukunftschancen der Jugend, Anm. d. Verf.] nur bedingt etwas gehört haben, wenn überhaupt.“ Es war laut Kohl für die Union unbedingt notwendig, dieses Thema weiterhin hochzuhalten, da die Fragen rund um die Zukunftschancen der jungen Generation insbesondere „nach der Sinngebung des Lebens, nach der Wertorientierung […] in wenigen Jahren mehr für Bundestagswahlen entscheiden werden und Landtagswahlen als dieser oder jener Steuertarif.“ Daher müsse die Union auch künftig dieses Thema besetzen und dürfe es nicht „linken Gruppen überlassen […] und schon gar nicht […] rechtsradikalen Gruppen überlassen“.101 So hatte die CDU zwar öffentlichkeitswirksam augenscheinlich den Stellenwert jugendpolitischer Themen angehoben, in weiten Teilen der Basis verfing dies jedoch nicht. Der Bereich war nach wie vor – noch – nicht geeignet, um ein breites Engagement innerhalb der Partei zu aktivieren. Einen maßgeblichen Anteil an der Diskussion über die Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in der CDU hatte die Junge Union. Im Mai 1978 richtete die Jugendorganisation eigens zu dem Thema einen außerordentlichen Deutschlandtag unter dem Titel „Perspektiven zur Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation“ aus. Ein solcher außerordentlicher Deutschlandtag war nach den Worten des JU-Vorsitzenden Wissmann notwendig, da auf dem vorangegangenen Deutschlandtag das Thema der Zukunftschancen der jungen Generation „aus Zeitgründen“ nicht mehr hatte behandelt werden können.102 Dieses Vorgehen unterstrich die Bedeutung des Themenkomplexes, die diesem – zumindest auf Vorstandsebene – auch in der Jungen Union eingeräumt wurde. Der außerordentliche Deutschlandtag fasste die „vielfältigen Beiträge“ aus den unterschiedlichen Gliederungen der Jungen Union zum Thema der Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation aus den letzten Jahren zusammen und setzte sie in konkrete Beschlüsse um. Dabei konzentrierte sich die Diskussion vor allem auf zwei Themenkomplexe: Zum einen wurden detailliert die Zukunftschancen im Bildungs- und Beschäftigungssystem behandelt und zum anderen über besondere Themen der Jugendpolitik wie Freizeit, Sport, Jugendarbeit und Drogenproblematik beraten.103 Ein wichti 99 In der SPD wurde dieses stärkere Bemühen mit Sorge registriert, hatten die Sozialdemokraten doch selbst mit einer abnehmenden Zustimmung in der jungen Generation zu kämpfen. CDU und CSU würden mit ihren Initiativen dagegen „verstärkt Vertrauensarbeit unter der Jugend leisten und zum Teil erheblichen Einfluß in wichtigen Jugendorganisationen ausüben.“ Papier „Möglichkeiten der Mobilisierung junger Menschen für die SPD“, o. A., o. D., AdsD Bestand SPD-Parteivorstand Kommission Jugendpolitik – Sitzungen, ohne Signatur. 100 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 22.11.1977, ACDP 08-001-1051/1, S. 9. 101 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 17.10.1978, ACDP 08-001-1054/1, S. 6. 102 Rundschreiben Matthias Wissmann an Funktionsträger der Jungen Union über die Ausrichtung eines außerordentlichen Deutschlandtages, 21.3.1978, ACDP 04-007-205/5. 103 Vgl. „Der Chronist notierte“, in: Junge Union Deutschlands (Hg.): Deutschlandtag ’79.
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ges Ergebnis des außerordentlichen Deutschlandtages war unter anderem der Beschluss über die Einrichtung einer Kommission Jugendpolitik in der Jungen Union.104 Deren Aufgabe sollte vor allem sein, die Kontakte zu den Jugendverbänden auszubauen, das Jungwählerverhalten zugunsten der Union umzukehren und die kommunale Jugendpolitik zu verbessern.105 Einen besonderen Erfolg erzielte die Junge Union mit der Verabschiedung eines Jugendprogramms unter dem Titel „Perspektiven zur Sicherung der Zukunftschancen“. Mit diesem Beschluss war die JU die erste politische Jugendorganisation, die ein eigenes Jugendprogramm vorweisen konnte.106 Im ersten Teil des Programms lagen die Schwerpunkte in der Analyse und Vorstellung eigener Lösungen zur „Gleichrangigkeit in beruflicher und akademischer Bildung, Vorrangigkeit der Bemühungen um Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, Wiedergewinnung einer ,Werteorientierung‘ in der Bildungspolitik, konkrete Maßnahmen zur Sicherung der Zukunftschancen, gezielte Förderung für Leistungsschwächere sowie Sonderprogramme für geburtenstarke Jahrgänge“.107 Von diesen Punkten sowie anderen wichtigen früheren Beschlüssen der JU zu diesem Themenbereich flossen einige in das kurze Zeit später verabschiedete Jugendprogramm der Mutterpartei ein. Hierzu zählten vor allem Forderungen nach Gleichrangigkeit der beruflichen Bildung und ein Katalog zur besseren Abstimmung von Bildungsund Beschäftigungssystem.108 Im zweiten Teil des Jugendprogramms wurden die besonderen Themen und Probleme der Jugendpolitik aus Sicht der JU festgehalten. So wurden die Aufgaben einer zukunftsorientierten Jugendpolitik vor allem in den Bereichen Jugend und Freizeit, Jugendarbeit, in einem sozialpädagogischen Programm für arbeitslose Jugendliche, Jugend und Sport, in der Drogenproblematik und Jugendkriminalität, bei Problemen der jugendlichen Spätaussiedler und Umsiedler sowie jugendlicher Ausländer gesehen.109 Unter den Abschnitt „Jugend und Freizeit“ fiel die Forderung der JU nach einem verstärkten Ausbau von Jugendzentren. Diese Einrichtungen – insbesondere die selbstverwalteten Jugendzentren – waren in der Mutterpartei allerdings ein höchst umstrittenes Thema, zu dem es keine einheitliche Meinung gab.110 Die Befürworter sahen in Jugendzentren eine Möglichkeit der Emanzipation und Mitbestimmung Jugendlicher, Gegner befürchteten unter anderem den Einfluss kommunistischer Gruppierungen auf die Jugend.111 Mit ihrem Wunsch nach einem Ausbau solcher Jugendzentren positionierte sich die JU im Gegensatz zur CDU deutlich zu dieser Frage. Auf einen Begriff gebracht, befasste sich die Junge Union in ihrem Jugendprogramm vor allem mit der Bewältigung eines Knappheitsproblems durch die Darstellung des 104 Vgl. Schreiben Klaus Döhl an Landesgeschäftsführer der Jungen Union über Einrichtung einer Kommission Jugendpolitik, 1.2.1979, ACDP 04-007-372/2. 105 Vgl. Kurzprotokoll der konstituierenden Sitzung der Kommission Jugendpolitik, 27.3.1979, ebd. 106 Vgl. „Jugendprogramm der Jungen Union. Schwerpunkte sind die Bildungspolitik und Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit“, in: Süddeutsche Zeitung, 23.5.1978. 107 Ebd. 108 Vgl. „Der Chronist notierte“, in: Junge Union Deutschlands (Hg.): Deutschlandtag ’79. 109 Vgl. Abdruck des Jugendprogramms „Perspektiven zur Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation“, in: ebd. 110 Vgl. bereits Ergebnisprotokoll des Gesprächs der Jungen Union, des RCDS und der Schüler Union mit der CDU-Bundesgeschäftsstelle, 15.7.1975, ACDP 07-001-8905. 111 Vgl. Stellungnahme der JU zur Jugendfreizeitproblematik „Mehr Raum für die Jugend – Zur Jugendfreizeit-Problematik – aus der Sicht der Jungen Union“, 20.8.1975, ACDP 07-001-8905.
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Mangels an Ausbildungs-, Arbeits- und Studienplätzen. Darin sah die JU – wie ihr Vorsitzender Wissmann auf dem später durchgeführten Zukunftskongress betonte – das jugendpolitische Schlüsselproblem, das es zu lösen gelte. Daher sollte nach Ansicht der Jugendorganisation der Jugendpolitik allgemein ein höherer Stellenwert als bisher beigemessen werden, um die von der JU aufgestellten Forderungen auch nur annähernd umsetzen zu können.112 Dabei müsse sie nicht weit suchen, sondern könne den erhobenen Zeigefinger direkt auf sich richten, wie eine Äußerung von Matthias Wissmann verdeutlicht. Kritisch bemerkte der Vorsitzende der Jugendorganisation, dass sich die „Staatsmänner in der Jungen Union um Außen- und Wirtschaftspolitik kümmern und nur die neuen Mitglieder um Jugendpolitik“. Dass diese Behauptung durchaus ihre Berechtigung hatte, zeigte die Diskussion auf dem außerordentlichen Deutschlandtag, in der sich zum größten Teil „immer dasselbe Dutzend Delegierter […] beteiligt. Den Rest kann man getrost als Stimmvieh bezeichnen“, wie es in einem kritischeren Bericht später hieß.113 Trotz des eigens zur Thematik abgehaltenen Deutschlandtages schien es auch in der Jungen Union weiterhin einige regionale Untergliederungen zu geben, die die Bedeutung des Themas noch nicht vollends begriffen hatten. Daher könne das verabschiedete Jugendprogramm nur ein „bescheidener, wenn auch gelungener Anfang sein“, das Thema innerhalb der Jugendorganisation weiter voranzutreiben. Besonders pikant in diesem Zusammenhang ist, dass von Seiten der CDU nur ein einziger prominenter Redner auf dem außerordentlichen Deutschlandtag der JU erschien. Anlässlich der anstehenden Landtagswahlen in Hessen war es Alfred Dregger, der die Mutterpartei auf der Veranstaltung in Frankfurt vertrat und dabei nach Beobachtern „[ü]berraschend blaß“ blieb.114 Angesichts der Tatsache, dass sich Helmut Kohl an die Spitze der Verfechter einer intensiven Behandlung des Themas der Zukunftschancen der jungen Generation in der CDU gesetzt hatte, wäre es durchaus angebracht gewesen, einer eigens zu diesem Fragenkomplex angesetzten Veranstaltung der eigenen Jugendorganisation einen Besuch abzustatten. Mit der Verabschiedung spezifischer Programme und der Einbringung eines eigenen Antrags im Deutschen Bundestag war für die CDU die Diskussion über das Thema der Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation noch längst nicht abgeschlossen. Generalsekretär Heiner Geißler betonte, dass auch das Jahr 1979 für die CDU im Zeichen dieses Themenkomplexes stehen werde.115 Dies unterstrich die Veröffentlichung eines Buches, das er zusammen mit Matthias Wissmann im Frühjahr 1979 herausgab und in dem unter anderem Helmut Kohl, Heinrich Köppler und Hermann Kroll-Schlüter ihre Sichtweise mit unterschiedlicher Schwerpunktlegung darlegten.116 Zu beobachten war außerdem, dass die parteiinterne Debatte über das im weiteren Sinne jugendpolitische Thema der Zukunftschancen der jungen Generation mit dazu beitrug, dass die Zielgruppe Jugend in der CDU ab dem Jahr 1979 tatsächlich viel stärker in den Mittelpunkt rückte, als dies bisher der Fall gewesen war. Etwas später widmete sich auch die CSU den Zukunftschancen der jungen Generation. Die CSU-Fraktion brachte im Juli 1980 eine große öffentliche Anfrage an die 112 Vgl. „Der Chronist notierte“, in: Junge Union Deutschlands (Hg.): Deutschlandtag ’79. 113 Bernd Jungeblut: „Mit schwarzem Aktenkoffer und bedeutungsschwerem Gesicht“, in: Die Entscheidung, Nr. 7, Juli 1978, S. 10. 114 Ebd., S. 9, 11, Zitat auf S. 11. 115 Vgl. dpa-Meldung, 5.4.1979. 116 Vgl. Geißler/Wissmann (Hg.): Zukunftschancen der Jugend.
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III. Das „Thema aller Themen“
bayerische Staatsregierung in den Landtag ein, die sich mit der Jugend und ihren Zukunftsaussichten befasste.117 Das Ziel dieser Interpellation sollte eine „nüchterne Bestandsaufnahme über die Lage der heutigen Jugend und ihre Zukunftsaussichten bei veränderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, über die wachsenden Schwierigkeiten infolge des sozialen Wandels und die Chancen der jungen Generation in der Berufswelt“ sein. In ihrer Antwort kam die CSU-geführte Staatsregierung zu dem Schluss, dass sie „alles Notwendige getan habe, um die Zukunftsaussichten unserer jungen Generation verbessern zu helfen“. Stattdessen gehe „ein Teil der Probleme, denen sich die Jugend gegenübersieht, auf das Konto der verfehlten Politik der SPD/FDP-Bundesregierung“. Eine wichtige Aufgabe für die kommenden Jahre sei es, „bei der Jugend durch realistische Perspektiven keine Zukunftsangst aufkommen zu lassen, sondern ihr Vertrauen in die Zukunft zu geben“. Hierfür müsse die CSU-Landtagsfraktion im „ständigen Kontakt mit der jungen Generation bleiben“ und „verstärkt Gespräche mit jungen Menschen suchen“.118 Eine ähnliche Intensität wie die CDU, sich mit diesem Thema auseinandersetzen, erreichte die CSU dadurch allerdings nicht.
117 Vgl. Bayerischer Landtag, Drs. 9/4499, 11.3.1980. Zur Debatte im bayerischen Landtag vgl. Sten. Ber. Bayerischer Landtag, 9. WP, 16.7.1980, S. 3991 – 4073. 118 CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag (Hg.): Die Jugend und ihre Zukunftschancen.
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D. Jugend im Blitzlicht – Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
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I. Die Basis „unserer politischen Existenz“ – Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre Die Jugend als bedeutender Adressat der Politik wurde, wie dargestellt, ab der Mitte der 1970er Jahre vor allem in Verbindung mit Krisenphänomenen wahrgenommen. Die CDU versuchte ab dieser Zeit, sich der Jugend als der zuverlässigere Partner darzustellen, indem sie Themen besetzte, die die Jugend unmittelbar betrafen. Gegen Ende der 1970er Jahre musste die Partei trotz aller Bemühungen allerdings realisieren, dass große Teile der Jugend ihr nach wie vor distanziert gegenüberstanden. Ersichtlich wurde dies anhand der schlechten Ergebnisse im Jungwählerbereich bei den Landtagswahlen im Jahr 1978.1 Dies nahm die CDU zum Anlass, auf verschiedenen Ebenen eine noch stärkere Auseinandersetzung mit der Gruppe der Jugend zu fordern. Bereits auf dem Ludwigshafener Bundesparteitag im Oktober 1978 wies der Delegierte Bernd Huck auf das „erschreckend[e]“ Jungwählerergebnis hin, das der Partei „Veranlassung zur Besorgnis“ bieten müsse.2 Auch Matthias Wissmann sah in den Ergebnissen der Landtagswahlen ein Alarmsignal für die CDU, da ähnliche Entwicklungen zwar ebenso in anderen Wählerbereichen zu beobachten seien, die Gruppe der Jungwähler aber „naturgemäß einer der sensibelsten Bereiche“ im Hinblick auf die Zukunft der Partei sei.3 Aus diesem Grund forderte die Junge Union eine „selbstkritische Analyse“ des Jungwählerverhaltens durch die CDU.4 Ähnlich äußerte sich auch der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Norbert Schlottmann im Bundesfachausschuss Jugendpolitik im Dezember 1978 und regte an, „daß sich der Ausschuß in Zukunft mit diesem Thema eingehend beschäftigen sollte, in Zusammenarbeit mit der Jungen Union und der Partei insgesamt“.5 Die Sorge der Partei über das Wahlverhalten der jungen Generation war durchaus begründet – allein zahlenmäßig sollte die Gruppe der Jungwähler in den kommenden Jahren stark anwachsen, da die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre nach und nach ins Wahlalter kamen oder bereits gekommen waren.6 Dieser Bedeutungszuwachs führte letztlich dazu, dass die Partei die Jugend als eigenständige Zielgruppe erkannte und den Bundestagswahlkampf 1980 auch auf die Gruppe der Jungwähler zu
1 Bei den Wahlen in Hamburg, Niedersachsen, Hessen und Bayern musste die Union in der Altersgruppe der 18 – 24-Jährigen im Vergleich zu vorangegangenen Landtagswahlen Verluste hinnehmen. Vgl. Tabelle in Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 14. 2 26. Bundesparteitag der CDU, 23. – 25.10.1978 in Ludwigshafen, S. 74. 3 Ebd., S. 64 f., Zitat auf S. 65. 4 „Junge Union: CDU soll Jungwählerverhalten untersuchen“, in: FAZ, 14.10.1978. Mit Verweis auf eine Untersuchung zur politischen Einstellung Jugendlicher in der Bundesrepublik hob Matthias Wissmann auf einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands das Potential für die CDU unter jungen Menschen hervor. Es müsse der CDU demnach besser gelingen, diesen „erheblich größeren Ansprachebereich im Bereich der Jugend […] wirksam anzusprechen.“ Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 19.3.1979, S. 1614. 5 Protokoll der 10. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 6.12.1978, ACDP 07-001-8917. 6 Auf diesen Umstand wies Christian Schwarz-Schilling auf einer Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am 9. Oktober 1978 eindringlich hin. Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 9.10.1978, S. 1343.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
schnitt. In den vorausgegangenen Wahlkämpfen auf Bundesebene war die Jugend von der Partei noch nicht als eigenständige Gruppe behandelt worden, da andere Wählergruppen – hier insbesondere die älteren – nach Ansicht der CDU bedeutender für den Ausgang des Wahlergebnisses gewesen waren.7 Sogar zur Bundestagswahl 1969 hatte es keinen gesonderten Wahlkampf für Jungwähler gegeben, was mit Blick auf die zurückliegenden Studentenproteste durchaus naheliegend gewesen wäre. Generalsekretär Bruno Heck betonte auf dem Bundesparteitag in Mainz im November 1969 jedoch, dass die Partei keinen „elitären Wahlkampf um eine intellektuell sensible Gruppe der Jugend“ habe führen wollen.8 So wurde der Zielgruppenwahlkampf in den 1970er Jahren vor allem den Jugendorganisationen überlassen und eigenes Material für die Jugend nur sporadisch aufbereitet, wie der Nachrichtendienst „jugendpolitischer dienst“ zusammenfassend konstatierte.9 Parallel zur Diskussion über das Verhältnis der CDU zur Jugend setzte sich die Partei Ende der 1970er Jahre verstärkt mit dem generellen Stellenwert der Jugendpolitik auseinander. Für den Fachpolitiker Kroll-Schlüter erfuhr dieser Politikbereich nach wie vor nicht genügend Aufmerksamkeit und konnte aus diesem Grund nicht besonders durchschlagkräftig in der Parteiarbeit wirken.10 Um diesem Umstand entgegenwirken zu können müsse die CDU weg von der Darstellung der Jugend ausschließlich als Krisenphänomen. Um die Jugendpolitik auch innerhalb der Partei attraktiver zu machen, solle sie verstärkt mit Themen in Verbindung gebracht werden, die positiv besetzt seien. Hierzu zählte laut Kroll-Schlüter beispielsweise die Sportpolitik11 – ein Bereich, der häufig als Betätigungsfeld in der Jugendpolitik gesehen wurde. Ein Grund war unter anderem, dass CDU-Politiker in Gesprächen mit der Sportjugend weniger Gefahr liefen, in politische Auseinandersetzungen zu geraten und ideologische Grabenkämpfe ausfechten zu müssen. Bezogen auf das Verhältnis der CDU zur Jugend bedeutete die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung des Sports, dass die Partei noch stärker als bisher auf Themen eingehen musste, die die Jugend tatsächlich interessierten. Dabei war es notwendig, dass die CDU Präsenz vor Ort zeigte, das heißt dorthin ging, wo sich Jugendliche vermehrt aufhielten, um insbesondere die unpolitische Jugend zu erreichen.12 Das Anliegen war nicht neu, erhielt aber aufgrund der aktuellen Faktenlage über das schlechte Verhältnis der CDU zur Jugend neue Brisanz. So betonte Bernhard Vogel in einem Interview, dass nicht die Jugendpolitik an sich „defizitär“ sei, sondern der „Dialog zwischen Jugend und Politikern“.13 Der Bundesfachausschuss Jugendpolitik forderte einen generellen Neustart des Dialogs zwischen der CDU und der Jugend – um dem verbreiteten negativen Bild der Partei in der Jugend zu begegnen und auf die akuten Probleme der jungen Generation besser ein
7 Vgl. u. a. die Aussage Kohls auf einer Bundesvorstandssitzung am 1. September 1975, in der er die Bedeutung der älteren Wähler gegenüber den Jungwählern hervorhob. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 1.9.1975, S. 1409. 8 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz, S. 29. 9 Vgl. jugendpolitischer dienst, 20.7.1976. Auch in ACDP 04-007-459/1. 10 Vgl. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 13.3.1979, ACDP 08-001-1055/1, S. 42. 11 Vgl. Ausarbeitung von Hermann Kroll-Schlüter über die jugendpolitische Bilanz, Stand Juni 1980, ACDP 08-001-424/1. 12 Vgl. Vermerk Helmut Andreas Hartwig an Ulf Fink über 2. Jugendforum der CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz am 10.11.1979 in Mainz, 12.11.1979, ACDP 07-001-5365. 13 Bernhard Vogel: „Nicht über, sondern mit der Jugend sprechen“, in: Christ und Welt, 20.4.1979.
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gehen zu können.14 Letzteres musste nach Ansicht Helmut Kohls zudem nach außen hin der Hauptbeweggrund sein, weshalb sich die CDU verstärkt um die Jugend bemühte – und nicht allein die schlechten Jungwählerergebnisse in den Landtagswahlen von 1978.15 All die vorgenannten Erkenntnisse und Forderungen aus den Reihen der CDU – grundlegende Verbesserung des Verhältnisses zur Jugend, wachsende Bedeutung der Gruppe der Jungwähler, bessere Themenauswahl in Bezug auf die Jugend sowie generell ein neu zu startender Dialog mit der jungen Generation – wurden mit Blick auf die schlechten Jungwählerergebnisse von der CDU-Bundesgeschäftsstelle aufgegriffen und in einer umfassenden Studie gebündelt. Eine solche Studie war nach Aussage von Heiner Geißler auch aus dem Grunde notwendig, da die vielen Erstwähler zur Bundestagswahl 1980 ein „sehr kritisches Potential“ darstellten und die CDU „einfach hier eine Primäranalyse über das Verhalten der Jungwähler“ brauche.16 Die im Januar 198017 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Jugend und Union“ war nach eigener Aussage das – vorläufige – „Endprodukt“ des intensiveren Bemühens um die Zielgruppe Jugend, das 1978 in der Parteizentrale eingesetzt hatte.18 Vorrangige Aufgabe der Studie sollte es sein, „die Bedeutung der jungen Generation für die kommende Wahl mit sorgfältig erhobenem Zahlenmaterial [zu] belegen“, denn zu wissen, „was in den Köpfen junger Leute vorgeht, ist […] ein Gebot unserer politischen Existenz“. Dabei konnte es laut den Verantwortlichen der Studie „nicht Politik der CDU sein, aus taktischen Gründen sich besonders jugendfreundlich zu zeigen“, viel wichtiger sei es, die eigenen Programme der Jugend besser zu kommunizieren.19 Eigene Untersuchungen wurden für die Erarbeitung der Studie nicht vorgenommen, stattdessen bezog die verantwortliche Abteilung Innenpolitik der Parteizentrale Studien, Umfragen und Statistiken bekannter Institutionen und Personen ein und wertete diese für die eigene Fragestellung aus. So halte sich die Studie „streng an die vorliegenden Fakten“ und nehme dabei „keine Rücksichten auf politische Verkaufsnotwendigkeiten“. Daher sei die Untersuchung „streng vertraulich“ zu behandeln und nicht zur Veröffentlichung bestimmt, stattdessen solle sie die „ungeschminkte Basis für unsere eigenen Erkenntnisse und Entscheidungen im Bereich der Zielgruppenansprache Jugend abgeben“. Intern wurde die Analyse daher nur dem Parteivorsitzenden, dem Generalsekretär und den mit Öffentlichkeitsarbeit und Wahlkampf betrauten Verantwortlichen in der Bundesgeschäftsstelle vorgelegt.20 Inhaltlich war die Studie in drei Abschnitte unterteilt. Der erste Teil untersuchte das Wahlverhalten von Jugendlichen seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland – vorwiegend bei den Bundestagswahlen. Dabei betonten die Autoren die Bedeu 14 Vgl. Protokoll 8. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 21.8.1978, ACDP 07-001-8909. 15 Vgl. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 17.3.1981, ACDP 08-001-1063/1, S. 1 f. 16 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 5.11.1979, S. 2065. 17 Das Datum geht aus dem Vorwort für den zweiten Teil der Studie hervor, der nach der Bundestagswahl 1980 veröffentlicht wurde. Vgl. Vorwort des CDU-Bundesgeschäftsführers Ulf Fink in Jugend und Union. Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU. Teil II, Stand 20.5.1981, ACDP 07-001-8910. 18 Handschriftliche Notiz am Entwurf eines Papiers über den Zielgruppenwahlkampf Jungwähler, o. A., o. D., ACDP 07-001-5365. 19 Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 1. 20 Vermerk Gert Hammer an Ulf Fink über Kurzfassung der Jungwähleranalyse, 28.8.1979, ACDP 07001-5328.
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tung der Gruppe der Jungwähler, da deren Anteil in den nächsten Jahren stark anwachse. So werden es zur Bundestagswahl 1980 schätzungsweise sechs Millionen Wahlberechtigte in der Altersgruppe von 18 bis 24 Jahre geben, was einem Zuwachs von knapp zwölf Prozent im Vergleich zur vorherigen Bundestagswahl entspreche. Zur Bundestagswahl 1984 werde die Gruppe der Jungwähler weiter auf 6,7 Millionen Wahlberechtigte anwachsen und damit könnten 1,4 Millionen Jungwähler mehr an die Urnen gehen als 1976. Um sich der Bedeutung dieser Zahlen bewusst zu werden, müsse man sich „nur daran erinnern, daß 1976 die Union rund 350.000 Stimmen zusätzlich von der SPD und FDP hätte gewinnen müssen, um die absolute Mehrheit zu erringen.“21 Allerdings schränkte die Studie die tatsächliche Wirksamkeit der Zahl der Jungwähler direkt ein: Mit Blick auf die Wahlbeteiligung sei laut dem vorliegenden Zahlenmaterial zu erkennen, dass diese „bis zur Altersgruppe der 30- bis 34jährigen traditionell unter dem Durchschnitt lieg[e]“, was die Bedeutung der Jungwähler für den Wahlausgang 1980 „relativieren“ würde.22 Allerdings war die CDU mit einer Voraussage hinsichtlich der Wahlbeteiligung bestimmter Altersgruppen schon einmal krachend gescheitert. In den Vorbereitungen zur Bundestagswahl 1972 wurde die Bedeutung der Jungwähler mit der Begründung kleingeredet, dass in den vorausgegangenen Landtagswahlen deren Bereitschaft zur Stimmabgabe nicht sehr ausgeprägt gewesen sei. Dass sich die junge Generation zur „Willy-Wahl“ letztlich doch stark mobilisieren ließ, war von den Wahlkampfplanern der CDU unterschätzt worden. Ob solche Mobilisationsfaktoren bei der anstehenden Bundestagswahl von 1980 vorhanden sein könnten, ließ die Studie offen.23 Eine der wesentlichen Erkenntnisse der Studie war die Feststellung, dass sich der seit der Bundestagswahl 1969 zu beobachtende negative Trend der CDU in der Gruppe der Jungwähler in den danach folgenden Wählergruppen fortsetze. So spreche „einiges dafür, daß eine politische Einstellung und ein entsprechendes Wahlverhalten der Jugendlichen und Erstwähler auch später beibehalten wird und nur schwer korrigierbar ist“, worauf die „ständig schlechter werdenden Wahlergebnisse der Union in der Altersgruppe der jungen Frauen und Männer (25 – 34 Jahre)“ hindeuteten. Hierin lag nach Ansicht der Verantwortlichen der Untersuchung die „eigentliche Gefahr für die Wahlchancen der CDU in der Zukunft“.24 Mit dieser Feststellung setzten sich die Macher der Studie in Gegensatz zu früheren, anderslautenden Untersuchungen aus dem nahen Umfeld der Union, die noch eine stärkere Fluktuation im Wahlverhalten der Jugendlichen ausgemacht hatten.25 Mit der Wiedergabe der reinen Zahlen zu dieser Entwicklung beließ es die Studie nicht. Sie trug erstmals umfassend und gebündelt die Gründe zusammen, die für den negativen Trend der CDU im Bereich der Jungwähler verantwortlich gemacht werden konnten. Neben soziostrukturellen Erklärungsansätzen wie beispielsweise dem Einfluss 21 Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 7. 22 Ebd., S. 8. 23 Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie war Franz Josef Strauß bereits Kanzlerkandidat der Union. Diese Kandidatur polarisierte in der Wählerschaft der jungen Generation, worauf weiter unten genauer eingegangen wird. 24 Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 16. 25 Vgl. u. a. Does/Gluchowski: Tendenzwende in der politischen Orientierung der Jugend?, S. 64; Does: Tendenzwende unter Jungwählern?, S. 3.
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des Geschlechts, des Bildungsniveaus oder des Wohnortes zog die Studie auch politische und ideologische Wandlungen heran. So habe der Veränderungsprozess in der politischen Umorientierung der SPD seit dem Godesberger Grundsatzprogramm von 1959 dazu beigetragen, dass die Sozialdemokraten für eine breitere Wählerschaft wählbar wurden und insbesondere auf die Jugend durch ihren „Ruf der Fortschrittlichkeit, der Partizipation, der Modernität und der Leistungsfähigkeit“ bei gleichzeitiger Bewahrung ihrer „sozialpolitische[n] Kompetenz“ eine große Anziehungskraft ausstrahlten.26 Ein ideologischer Veränderungsprozess setzte laut Studie zudem mit der Studentenbewegung seit Mitte/Ende der 1960er Jahre ein, der sich negativ auf die Jungwählerergebnisse auswirkte. So sei es „auffällig, daß bis zur Zeit der Studentenrevolte die CDU und CSU immer einen Jungwähleranteil in Höhe des Gesamtergebnisses erreichte“, was sich dann ab den Landtagswahlen 1968 änderte.27 Zu diesem ideologischen Veränderungsprozess seien auch Verschiebungen im Wertebewusstsein der jungen Generation dazugekommen. So hätten insbesondere in dieser Gruppe die sogenannten bürgerlichen Werte, zu denen beispielsweise Pflicht- und Leistungsbewusstsein sowie Disziplin zählten, an Bedeutung verloren.28 Diese Abkehr von traditionellen Werten musste nach Erkenntnis der Studie zwangsläufig auch Einfluss auf die Wahlergebnisse einer „bürgerlichen“ Partei haben.29 In der Untersuchung der politischen Themen, die Jugendlichen besonders wichtig waren, war es nach Meinung der Autoren zweitrangig, in welcher Rangfolge diese von den Jugendlichen gewichtet wurden. Für die CDU von größerem Interesse sei es, welcher Partei die Jugend die Lösungskompetenz in den unterschiedlichen Themenfeldern zuschreibe. In dieser Frage kamen die Autoren zu der Erkenntnis, dass entgegen dem Meinungsbild in der gesamten Wählerschaft die Jungwähler vorrangig der SPD die „deutlich größeren Fähigkeiten“ zutrauen würden. Einschränkend gab die Studie allerdings zu bedenken, dass die Altersgruppen der Jungwähler keine eigenen Erinnerungen an die Zeit unionsgeführter Bundesregierungen hätten und die SPD somit von einem stärker zu berücksichtigenden „Regierungsbonus“ profitiere.30 Für den Zweck der Studie, die Grundlage des Zielgruppenwahlkampfes „Jugend“ zur Bundestagswahl 1980 zu sein, war die im zweiten Teil vorgenommene detaillierte Auflistung der im Deutschen Bundesjugendring zusammengeschlossenen Verbände unter Angabe von deren jeweiliger politischer Ausrichtung von großem Wert. Diese Auflistung sollte den „Wahlkämpfern eine erste Orientierung über die unterschiedlichen Bestrebungen und Aufgaben der Verbände“ geben, da sie ein „gewichtiger Ansprechpartner“ im Dialog mit der Jugend seien.31 Nachdem im ersten und zweiten Teil der Studie vor allem die Wiedergabe und Analyse vorhandenen Datenmaterials im Vordergrund stand, werteten die Autoren im dritten 26 Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 19. 27 Ebd., S. 20. 28 Vgl. u. a. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 544 f.; Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 29. 29 Vgl. Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 22. 30 Ebd., S. 26 f. 31 „Aktion Jugend-Info ’80: Wie man Jungwähler für die Union gewinnt“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 2, Februar 1980.
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und letzten Teil die daraus getroffenen Erkenntnisse aus und formulierten eigene Hinweise für die Ansprache von Jugendlichen. Damit war der „Angelpunkt“ der Studie erreicht.32 Zunächst gelte es für die CDU prinzipiell, zwei „Schwellen“ zu überwinden, um als wichtiger Partner der Jugend wahrgenommen zu werden. Hierzu zähle neben dem Vertrauensverlust der Jugend in den Staat und in die großen Parteien auch die Tatsache, dass sich Jugendliche vorwiegend im „linken Lager“ engagierten.33 Daher müsse sich die CDU zuvorderst als die „glaubhafte und bessere Alternative“ und ihre eigene Politik „offensiv und positiv“ in einer verständlichen Sprache darstellen, wobei auch „eigene Fehler“ zugegeben werden dürften. Oberstes Gebot im Gespräch mit der Jugend sei es dabei, nicht „schulmeisterlich-belehrend“ aufzutreten und statt Polemik Sachlichkeit in die Diskussionen einzubringen. Voraussetzung zur Gewinnung der Jugend für die CDU sei es, als „sympathische Organisation“ aufzutreten und dabei auf eine positive Selbstdarstellung zu setzen. Eine Möglichkeit bestand nach Auffassung der Autoren darin, die bereits vorhandenen jugendpolitischen Programme und Beschlüsse öffentlich besser zu kommunizieren.34 Bezüglich der Gewichtung politischer Themenfelder durch die Jugend, die im ersten Teil dargestellt wurde, gab die Studie „thematisch aufgearbeitete Hinweise, welche auf die Interessenlage, die Wünsche und Fragen der jungen Generation abgestimmt sind“.35 Abgestuft nach ihrer Bedeutung müsse sich die CDU vor allem in den Fragen zu den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, zu Energieversorgung und Umweltschutz, zu Bildungsfragen, zum Verhältnis zum Staat und zu außenpolitischen Problemfeldern mit der jungen Generation auseinandersetzen und die eigenen Positionen glaubwürdig und sachlich darstellen.36 Wenn es der Union entsprechend der Empfehlungen der Studie gelinge, sich als „moderne, für heutige gesellschaftliche Probleme offene Partei“ der Jugend darzustellen, könne sie diese durchaus für sich gewinnen.37 Die Ergebnisse der Studie wurden grundsätzlich als Hilfestellung in der anstehenden Jugendkampagne im Bundestagswahlkampf gesehen, doch es gab auch warnende Töne aus den Reihen der Union. Kroll-Schlüter sah in der Studie eine „deprimierende Analyse“ des Verhältnisses der CDU zur Jugend und die Partei kurz vor der Bundestagswahl 1980 „ein wenig ratlos“ in ihren Bemühungen um diese Zielgruppe. Gerade die Erkenntnis, dass sich die einmal getroffene Wahlentscheidung bei den Jungwählern zu verfestigen scheine, müsse der Partei ein Warnsignal sein, das dies „existenzbedrohlich für die Zukunft der CDU“ sei, sollte sie nichts dagegen unternehmen.38 In anderer Form kritisch äußerte sich der JU-Bundesvorsitzende Matthias Wissmann über die Ergebnisse. Seiner 32 Ebd. 33 Erläuternde Zusammenfassung der Untersuchung der Bundesgeschäftsstelle zum Jungwählerverhalten im 8-Länder-Durchschnitt, o. A., 23.5.1980, ACDP 07-001-5328. 34 Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 45 – 47. 35 „Aktion Jugend-Info ’80: Wie man Jungwähler für die Union gewinnt“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 2, Februar 1980. 36 Vgl. Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 49 – 58. 37 Erläuternde Zusammenfassung der Untersuchung der Bundesgeschäftsstelle zum Jungwählerverhalten im 8-Länder-Durchschnitt, o. A., 23.5.1980, ACDP 07-001-5328. 38 Ausarbeitung über die Jungwähleranalyse der CDU-Bundesgeschäftsstelle und drängende Fragen des Jungwählerverhaltens von Hermann Kroll-Schlüter an die Mitglieder des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 11.10.1979, ACDP 01-365-090/3.
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Meinung nach war die Herausgabe der Studie ohne Rücksprache mit und auch ohne die Mitarbeit der Jungen Union erfolgt, die angesichts seiner Auffassung, die JU sei der Hauptansprechpartner der Jungwähler, durchaus geboten gewesen wäre.39 Insgesamt kam der Studie dennoch der Verdienst zu, dass sie den Anstoß für eine intensive Beschäftigung der CDU mit der Jugend in den kommenden Jahren gab, dementsprechend kein „Endprodukt“ war, sondern gewissermaßen die zukünftige Richtung vorgab. So formulierte es auch Kurt Biedenkopf in einem Schreiben an die Delegierten des Landesparteitages der CDU Westfalen-Lippe, in dem er das Verhältnis der CDU zu den Jungwählern als die Hauptfrage der Partei seit 1979 ausmachte.40 Einen ersten Erfolg konnten die Autoren der Studie bereits in den Vorbereitungen des Bundestagswahlkampfes vorweisen. Die Herausstellung der Bedeutung der Jungwählergruppe führte unter anderem dazu, dass die Bundesgeschäftsstelle zur Bundestagswahl 1980 erstmals einen eigenen Wahlkampf für diese Gruppe veranstaltete. Mit dem groß angelegten Zielgruppenwahlkampf, der die Basiskampagne ergänzen sollte, schlug die Parteizentrale nach Aussage von Bundesgeschäftsführer Ulf Fink41 ein „neues Kapitel in der Geschichte der Bundestagswahlkämpfe“ auf. Neben den sechs Millionen wahlberechtigten Jungwählern wurde auch für die Gruppen der Frauen sowie der Arbeitnehmer ein eigenständiger Zielgruppenwahlkampf durchgeführt. Mit diesen auf die einzelnen Zielgruppen zugeschnittenen Kampagnen habe die Partei die Möglichkeit, „detaillierter auf die jeweils besonders interessierenden Probleme einzugehen“.42 Bemerkenswert an diesem neuen Fokus auf die Zielgruppe der Jugend durch die CDUBundesgeschäftsstelle ist die Tatsache, dass sie sich „unter Umgehung ihrer Parteijugend direkt an die junge Generation“ wandte.43 Dies wurde von der Jungen Union im Wahlkampf teilweise auch kritisiert, da unter anderem die Abstimmung zwischen den einzelnen Kampagnen und Aktionen der Jugendorganisation und der Parteizentrale nicht immer funktionierte. In die Organisation der parteieigenen Jugendkampagne sei die JU nicht vollumfänglich eingebunden gewesen, wie es aus einigen Ortsverbänden hieß. So hätten JU-Funktionäre von Wahlkampfveranstaltungen bei ihnen vor Ort teilweise erst kurz vorher erfahren. Im Großen und Ganzen aber tolerierte die JU dieses Vorgehen.44 Wie von der Studie empfohlen, war von Seiten der CDU zunächst geplant, während des Wahlkampfes ein besonderes Augenmerk auf die Themen zu legen, die für die junge Generation eine größere Bedeutung hatten.45 Allerdings wurde im Laufe des Wahlkamp 39 Vgl. Schreiben von Matthias Wissmann an Heiner Geißler, 5.3.1980, ACDP 07-001-5375. 40 Vgl. Schreiben von Kurt Biedenkopf an die Delegierten des 37. Landesparteitages der CDU Westfalen-Lippe, 26.6.1981, ACDP 07-001-22213. 41 Ulf Fink (geb. 1942), Volkswirt; 1970 – 1977 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der CDU/CSU-Fraktion, 1977 – 1979 Hauptabteilungsleiter in der CDU-Bundesgeschäftsstelle, 1979 – 1981 CDU-Bundesgeschäftsführer, 1981 – 1989 Senator für Gesundheit und Soziales in Berlin, 1987 – 1993 Bundesvorsitzender der CDA, 1991 – 1993 Landesvorsitzender der CDU Brandenburg, 1994 – 2002 MdB. 42 Bericht der Bundesgeschäftsstelle. Anlage zum Bericht des Generalsekretärs. 28. Bundesparteitag, 19./20.5.1980 in Berlin, S. 92. 43 Krabbe: Parteijugend in Deutschland, S. 201. 44 Vgl. Astrid Hölscher: „Ein Kandidat wird inspiziert: ,Der ist schon in Ordnung‘“, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 31.8.1980. 45 Die Absicht, im Bundestagswahlkampf besonders auf die Themen zu setzen, die die Jugend interessierten, wurde in der CDU/CSU-Fraktion sogar noch vor der Vorlage der Studie erklärt. Vgl. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 16.1.1979, ACDP 08-001-1055/1, S. 28; 6.2.1979, ebd., S. 14.
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fes eine Schwerpunktverschiebung zugunsten der Außen-, Deutschland- und Sicherheitspolitik vorgenommen, die vor allem mit der Verschärfung des Ost-West-Konfliktes nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan zusammenhing. Damit legten die Wahlkampfplaner der CDU-Bundesgeschäftsstelle genau auf die Themen einen starken Fokus, die laut ihrer eigenen Studie in der Jugend eine eher geringe Bedeutung hätten. Trotz dieser Schwerpunktverschiebung hielt die Parteizentrale an ihrem zielgruppenspezifischen Wahlkampf fest und startete im Frühjahr 1980 eine groß angelegte Jugendkampagne.46 Dabei sollte – wiederum angelehnt an die Erkenntnisse aus der Studie – die Sympathiewerbung für die Union im Vordergrund stehen.47 Den Auftakt der „umfassenden zentralen Jugend-Informationskampagne“ bildete eine Veranstaltung am 31. Mai 1980 in Mainz.48 Ursprünglich war geplant gewesen, die Kampagne in Essen starten zu lassen – aus „Furcht vor Krawallen“, insbesondere in Bezug auf den polarisierenden CSUKanzlerkandidaten Franz Josef Strauß49 – wurde die Veranstaltung dann aber nach Mainz verlegt.50 Parteiintern wurde diese Entscheidung vereinzelt kritisiert, Matthias Wissmann hielt die Gründe für die Absage für „nicht sehr überzeugend“51. Laut dem nordrheinwestfälischen Abgeordneten Werner Schmöle hätte die Union durch das Veranstaltungsformat in Essen auch einmal eine gewisse Risikobereitschaft zeigen und mit der Jugend in lockerer Atmosphäre ins Gespräch kommen können.52 Während in den Printmedien der Auftakt der Jugendkampagne lokal und überregional neutral und zum Teil durchaus wohlwollend thematisiert wurde,53 kritisierte die Union vor allem die Fernsehberichterstattung. Hier war nach Aussage von Matthias Wissmann durch die Auswahl der Bilder ein „Eindruck [entstanden], der der Wirklichkeit nicht entspricht“. Denn trotz der hohen Teilnehmerzahl „mit sechs- oder siebentausend Teilnehmern“ – in den Printmedien war von knapp 5.000 die Rede – habe das ZDF „leere Bänke gezeigt […] und zwei ältere Herren“. Damit war nach Auffassung der Union der Versuch unternommen worden, einen für die Öffentlichkeit erfolgreichen Start ihrer Zielgruppenkampagne zu torpedieren.54 Fortgesetzt wurde die besondere Veranstaltungsform für junge Wähler Ende Juli mit einer groß angelegten Zelttournee unter dem Titel „Treffpunkt ’80“, die durch über 100 Städte in der ganzen Bundesrepublik Deutschland führte. Auf diesen Veranstaltungen waren keine Auftritte von bekannten Bundespolitikern geplant, sondern die der örtlichen Bundestagskandidaten, „die sich sozusagen im Show-Gewand darstellen können“. 46 Vgl. Anlage zum Bericht des Generalsekretärs vor dem Bundesausschuss am 8.12.1980, Stand 4.12.1980, ACDP 07-001-713. 47 Vermerk Heiner Lueg an Gert Hammer über Vorgaben an die Agentur Admenting zur Jugendkampagne, 20.12.1979, ACDP 07-001-5365. 48 Pressemitteilung der CDU, 14.2.1980. 49 Zu Strauß allgemein vgl. Horst Möller: Franz Josef Strauß. Herrscher und Rebell. München u. a. 2016. 50 „CDU plant Jugend-Treffen mit Strauß jetzt in Mainz“, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 15.2.1980. 51 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 28.1.1980, S. 2200. 52 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 15.4.1980, ACDP 08-001-1061/1, S. 32. 53 Vgl. u. a. Eckhart Kauntz: „Die Union hat in Mainz ihre ,Jungwähler-Kampagne‘ begonnen“, in: FAZ, 2.6.1980; Claus Bienfait: „Schiff fährt nach links, Kapitän schaut nach rechts und grüßt die Landschaft“, in: Die Welt, 2.6.1980; „CDU wirbt um die Jugend. Viel Beifall für F. J. Strauß“, in: Kölnische Rundschau, 2.6.1980; Joachim Worthmann: „Die Parteigrößen werben um die jungen Stimmen“, in: Stuttgarter Zeitung, 2.6.1980; Reinhard Noll: „Das CDU-Jugendfestival in Mainz. Kein Beifallsdefizit für Strauß“, in: Mannheimer Morgen, 2.6.1980. 54 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 11.6.1980, ACDP 08-001-1061/1, S. 13.
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I. Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre
Organisiert wurde die Zelttournee ausschließlich von der CDU, die CSU führte in Bayern eigene Aktionen durch.55 Insgesamt widmete die Schwesterpartei in Bayern der Zielgruppe Jugend und jugendspezifischen Themen im Wahlkampf nicht die gleiche oder ähnliche Aufmerksamkeit wie die CDU. Stattdessen lassen Aussagen des Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß eher darauf schließen, dass er der Jugendpolitik einen geringen Stellenwert beimaß und auch inhaltlich von den Vorstellungen der CDU abwich, indem er beispielsweise seinem Kultusminister Hans Maier gegenüber betonte, er wünsche sich eine stärkere Hinwendung zu „,liberal-konservativen‘ Positionen als Ziel staatlicher Jugendpolitik“.56 Eine Ausnahme in der mäßigen Beachtung der Jugendpolitik durch die CSU bildete die bereits erwähnte Interpellation der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag im Juli 1980 – also mitten in Wahlkampfzeiten. Bis auf einen zu verstärkenden Dialog mit der Jugend brachte die Debatte im Landtag allerdings keine neuen Impulse für die Jugendpolitik der Staatsregierung. Das Herausstellen der bisherigen Erfolge in diesem Bereich sollte Zeichen genug sein für das Bemühen um diese Zielgruppe.57 Ein weiterer „wichtiger Teil der geplanten Maßnahmen“ des Zielgruppenwahlkampfes war eine Anzeigenkampagne in überwiegend von jungen Leuten genutzten Medien im Comic-Stil.58 Diese Darstellungsform wurde auch mit Blick auf ein Ergebnis der Studie aus der Bundesgeschäftsstelle gewählt, dass zur Ansprache der Jugendlichen „[n]icht die Inhalte, sondern die Methoden“ wichtiger seien.59 In der Partei schien diese Strategie nicht überall anzukommen. Der RCDS-Vorsitzende Stefan Dingerkus hielt es für fraglich, ob den Jugendlichen die Themen durch diese Anzeigen überhaupt nähergebracht werden könnten60, und auch in Teilen der JU-Basis wurden die „Comics […] als ‚albern‘ abgelehnt“.61 Neben den verschiedenen Anzeigen im Comic-Stil gab die CDU-Bundesgeschäftsstelle eine Broschüre heraus, die sich ausschließlich an die Jungwähler richtete. Zwar waren solche Broschüren bereits zu den vorherigen Bundestagswahlen veröffentlicht worden, doch orientierte sich dieses Heft an den Hinweisen, die die Autoren der Studie zur besseren Ansprache der Jugendlichen gegeben hatten. So wurde der Text in einfacher Sprache gehalten, gab Beispiele zu jugendorientierter Politik der CDU in den unionsgeführten Bundesländern und versuchte insgesamt, die Partei positiv darzustellen.62 Ein großer Teil der Broschüre gab wortwörtlich einen Antrag der Jungen Union wider, den diese auf dem Bundesparteitag der CDU im Mai 1980 in Berlin eingebracht hatte.63 Dieser Antrag mit dem Titel „Orientierung und Verständnis – Antworten an die junge Generation“ ging zurück auf das ebenfalls seit Ende der 1970er Jahre verstärkte Bemühen innerhalb der CDU-Jugendorganisation, die Kontakte zu den Jungwählern 55 Rüdiger von Woikowsky: „Bei Pop-Musik und Disco-Sound im Zirkuszelt blieb Franz Josef Strauß die Stimme weg“, in: Die Welt, 28.7.1980. 56 Vgl. „Oberster Sinnvermittler will auch Kandidat Strauß nicht sein. CSU-Chef antwortet als erster Parteivorsitzender auf Vorstellungen des Bundesjugendringes“, in: Frankfurter Rundschau, 9.8.1980. 57 Vgl. CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag (Hg.): Die Jugend und ihre Zukunftschancen. 58 „Jugendkampagne ’80“, in: UiD-Öffentlichkeitsarbeit, Nr. 20, 4.6.1980, S. 3. 59 Junge Union Deutschlands/CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Black Book. 60 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 23.6.1980, S. 2437. 61 Astrid Hölscher: „Ein Kandidat wird inspiziert: ,Der ist schon in Ordnung‘“, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 31.8.1980. 62 Vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Jungwähler. 63 Vgl. ebd., S. 9 – 14.
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und Jugendverbänden zu verbessern, und sollte den Startpunkt auf dem Parteitag setzen, über das Thema Jugend intensiv zu diskutieren. Kohl goutierte den Vorschlag der JU und wollte dem Thema – abgekoppelt vom Wahlprogramm, dem das Hauptaugenmerk dieses Bundesparteitages galt – durchaus Raum bieten. Dagegen stellte sich allerdings der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth, der es für schädlich hielt, die „Dramatik der Jugendpolitik neu zu erörtern“, insbesondere auf einem Parteitag, der ein „Kampfparteitag für den Wahlkampf“ sein müsste und ein solcher „Kampfparteitag ist wahnsinnig ungeeignet dazu, besonders eine sehr vielschichtige, kontrovers diskutierende Partei darzustellen“.64 So kamen in der – recht kurzen – Aussprache über den JU-Antrag auf dem Parteitag mehrheitlich Fachpolitiker zu Wort, und mit Vertretern der einzelnen Jugendorganisationen äußerten sich diejenigen zu dem Antrag, die ihn sowieso unterstützten. Als einziger Spitzenpolitiker schaltete sich Richard von Weizsäcker in diese Diskussion ein, der aber ebenfalls keine kontroversen Standpunkte zur Sache vorbrachte.65 Der JU-Antrag wurde letztlich einstimmig angenommen, gleichzeitig wurde aber auch davor gewarnt, mit der Beschlussfassung über den Text das Thema als „abgehakt zu betrachten“. Vielmehr sollte er Anlass geben – wie ja auch von der JU intendiert –, „das Verhältnis der Union zur jungen Generation intensiv und selbstkritisch unter die Lupe zu nehmen“66 – allerdings erst nach der Bundestagswahl. Die Aussagen aus der Studie der Bundesgeschäftsstelle waren nicht allen in der Partei bekannt, da diese – wie erwähnt – vollständig nur ausgewählten Personen in der Partei vorgelegt worden war. In der Jungen Union wollte man nicht bis nach der Bundestagswahl warten und setzte die Aussagen aus dem Antrag im eigenen Wahlkampf ein. So diente er unter anderem als Grundlage für die Diskussionen auf ihrem Deutschlandtag Mitte Juni 1980 in Böblingen. Auf diesem erprobte die Jugendorganisation zudem erstmals ein neues Format: In Workshops, Foren und einer abschließenden Podiumsdiskussion gab es verschiedene Möglichkeiten der Diskussion und des Austauschs. Neu war vor allem die Mitwirkung von Nicht-Mitgliedern – unter anderem der DGB-Jugend und Naturschutzverbänden –, die sich mit eigenen Messeständen auf dem Deutschlandtag präsentierten.67 Die Durchführung dieses Formats war in der Jungen Union lange nicht sicher: Sollte sie mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl das übliche Konzept beibehalten, um möglichen kontroversen Themen aus dem Weg zu gehen und damit das Bild einer geschlossen stehenden Union nach außen zu tragen? Oder sollte sie den Versuch wagen, um insbesondere kritischere Jugendliche möglicherweise besser zu erreichen?68 Nach eigener Analyse war das Experiment dieses Deutschlandtages mit einem sehr offenen und kontroversen Dialog mit der Jugend letztlich gelungen und sollte daher bei zukünftigen Veranstaltungen fortgeführt werden.69 Als besonders erfolgreich wertete die JU die breite Berichterstattung in der Presse, welche sie auf die neuartige Form zurückführte. Dadurch habe die JU nach mehreren Jahren ihre inhaltliche und programmatische Arbeit wieder einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren können.70 64 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 17.3.1980, S. 2303. 65 Vgl. 28. Bundesparteitag der CDU, 19./20.5.1980 in Berlin, S. 147 – 149. 66 Ebd., S. 144, 158, Zitate auf S. 144. 67 Vgl. „Jugend gestaltet Zukunft – Junge Union auf neuen Wegen“, in: UiD, Nr. 22, 18.6.1980, S. 13. 68 Vgl. Protokoll der 4. Sitzung der Kommission Jugendpolitik, 16.12.1979, ACDP 04-007-372/4. 69 Vgl. „Jugend gestaltet Zukunft – Junge Union auf neuen Wegen“, in: UiD, Nr. 22, 18.6.1980, S. 13 f. 70 Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Kommission Jugendpolitik, 26.7.1980, ACDP 04-007-373/1.
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I. Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre
Insgesamt richtete die Junge Union ihren Wahlkampf – anders noch als 1976 – ausschließlich auf die Zielgruppe Jugend aus. Dabei wurde sie von der Mutterpartei allerdings nicht in deren Zielgruppenwahlkampf integriert, sondern führte eine eigenständige Kampagne durch, die sie ebenfalls auf die Ergebnisse der Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle stützte.71 Eine Einbindung der eigenen Jugendorganisation in den Wahlkampf um die Zielgruppe Jugend erschien von außen betrachtet zunächst logisch; der Verzicht ist vor dem Hintergrund der Absicht der Bundesgeschäftsstelle, die gesamte Partei als dialogfähig im Umgang mit der Jugend darzustellen, zumindest teilweise verständlich. Die beiden anderen CDU-nahen Jugendorganisationen hielten sich im Bundestagswahlkampf im Gegensatz zur Jungen Union aus ihrem eigenen Selbstverständnis heraus stärker zurück. Die Schüler Union war in den Wahlkampf der JU integriert,72 während der RCDS – wie bereits zu den vorherigen Bundestagswahlen – keine Wahlempfehlung abgab und seine Thesen und Forderungen zur Bundestagswahl nicht nur in der Union, sondern in allen Parteien zur Diskussion stellte.73 Jedoch kündigte der RCDS-Vorsitzende Stephan Eisel in einem Schreiben an den CDU-Bundesvorstand angesichts der erneut zunehmenden Polarisierung an den Universitäten an, das Engagement des Verbandes „für christdemokratisches Gedankengut an den Hochschulen [zu] intensivieren“.74 Diese Polarisierung war eng mit der Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß verknüpft, der in der linken Studentenschaft eine Reizfigur darstellte, aber auch im RCDS für große Spannungen sorgte, weshalb sich Eisel darum bemühen musste, den Verband über den Wahlkampf hinweg „irgendwie zusammenhalten“.75 In der Nachwahlanalyse zur Bundestagswahl 1980, bei der die Union ihr bis dato schlechtestes Ergebnis in der Gruppe der Jungwähler erzielte,76 wurde von verschiedenen Seiten das schlechte Abschneiden vor allem mit der Person des Kanzlerkandidaten Strauß begründet.77 In den Wahlkampfveranstaltungen sei eine Diskussion über „Sachprobleme“ kaum möglich gewesen, „weil das Thema Strauß nahezu alles blockiere, alle Energien beanspruche und alle Phantasien aufzehre“.78 Bereits die Nominierung von Franz Josef Strauß zum Kanzlerkandidaten der Union sorgte parteiintern und in den einzelnen Organisationen teilweise für große Bedenken. In der Jungen Union sprach sich im Frühjahr 1979 zunächst ein Großteil für Ernst Albrecht aus, der von Helmut Kohl vorge 71 Vgl. Papier „Bilanz eines engagierten Wahlkampfes“ der JU, Mitte Oktober 1980, ACDP 07-001-12299. Dabei setzte die Junge Union drei Schwerpunkte: junge Arbeitnehmer und Auszubildende, Jugend und Soziale Marktwirtschaft sowie das Thema Menschenrechte. Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 28.1.1980, S. 2200. 72 Vgl. Papier „Bilanz eines engagierten Wahlkampfes“ der JU, Mitte Oktober 1980, ACDP 07-001-12299. 73 Vgl. Entwurf „Thesen und Forderungen des RCDS zur Bundestagswahl 1980“ zur Einarbeitung in die RCDS-Prüfsteine zur Bundestagswahl von Stefan Dingerkus, o. D., ACDP 04-006-073/1. 74 Schreiben von Stephan Eisel an den CDU-Bundesvorstand, 21.2.1980, ACDP 07-001-1011. 75 Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). 76 In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen holte die Union 34,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, was im Vergleich zur Bundestagswahl 1976 einem Minus von 5,8 Prozent entsprach. Selbst zum Ergebnis der Wahl von 1972 betrug die Differenz noch knapp einen Prozentpunkt. Vgl. „Das Wahlverhalten nach Alter und Geschlecht bei der Bundestagswahl 1980“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 7, 26.2.1981, S. 10. Auch im Gesamtergebnis fuhr die Union Verluste ein und erzielte 44,5 Prozent und damit 4,1 Prozentpunkte weniger als 1976. 77 Vgl. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 437. 78 Hans-Joachim Noack: „Ein Parteizirkus fast ohne Strauß“, in: Frankfurter Rundschau, 28.7.1980.
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schlagen worden war,79 die gesamte Jugendorganisation trug die Entscheidung über den gemeinsamen Kanzlerkandidaten Strauß letztlich aber mit.80 Im Vorfeld dieser Entscheidung erklärte Matthias Wissmann im CDU-Bundesvorstand aber noch einmal die allgemeinen Sorgen seiner Jugendorganisation, dass ein Kanzlerkandidat Strauß im Gegensatz zu Ernst Albrecht in der wichtigen Gruppe der Jungwähler kein gutes Standing habe. Auch hätte er im Falle einer Kanzlerkandidatur von Strauß innerhalb der Jungen Union „wahrscheinlich erst mal ein Dreivierteljahr zu kämpfen […], um überhaupt auch nur 80 bis 90 Prozent der Truppe an Bord zu halten für den Wahlkampf“.81 So entstand nach außen hin während des Wahlkampfes öfter der Eindruck, als streite die JU „für ihren Kandidaten vorwiegend lustlos“.82 Elisabeth Noelle-Neumann sah in ihrer Nachwahlanalyse ebenfalls einen Teil der Verantwortung für das miserable Jungwählerergebnis bei der Person des Kanzlerkandidaten. So seien mit der Entscheidung der Unionsparteien, wer 1980 Kanzlerkandidat würde, von den „jungen Leuten […] über Nacht zehn Prozent, ein Viertel aller jungen Leute, die CDU-Anhänger waren, weggewischt“ gewesen.83 Die alleinige Schuld am schlechten Abschneiden der CDU konnte nach Ansicht von JU und RCDS Strauß aber nicht angelastet werden.84 Vielmehr müsse die Union „davon abkommen, in der regelmäßigen Demontage von erfolglosen Kanzlerkandidaten einen Ersatz für die Suche nach innerparteilichen Inhalt-, Struktur- und Persönlichkeitsmängeln zu sehen“85, so eine Analyse aus der RCDSZeitschrift Sonde. Die stärkere Polarisierung in der Jugend rund um die Kanzlerkandidatur von Strauß führte zudem nicht dazu, dass mehr Jungwähler ihre Stimme abgaben, sondern sorgte eher für die Entscheidung, überhaupt nicht zur Wahl zu gehen, wie es Eisel mit Blick auf die Studenten in seinem Brief an den CDU-Bundesvorstand bereits Anfang 1980 prophezeit hatte.86 Auch in der CSU machte man die geringe Wahlbeteiligung für den Stimmenrückgang mitverantwortlich. Allerdings betonte CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber, dass es „weder bei Frauen und Jungwählern noch bei den Katholiken und Protestanten“ Einbrüche für die CSU gegeben habe. Zudem unterscheide sich das Jungwählerverhalten in Bayern deutlich vom Bundesdurchschnitt, da die CSU mit einem Stimmenanteil von 53 Prozent weit vor den anderen Parteien liege.87 Doch auch die bayerische Schwesterpartei sah für ihre politische Arbeit die Notwendigkeit, mehr im Bereich der Ju 79 Vgl. Schwarz: Helmut Kohl, S. 248. 80 Vgl. Vorlage von Elmar Brok an Klaus Döhl zur 1. Sitzung der JU-Wahlkampfkommission, 6.10.1979, ACDP 04-007-459/4; „Junge Union: Nicht wegen des Pfarrers die Kirche verlassen. Entscheidung für Strauß akzeptiert“, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 6.7.1979. 81 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 18.6.1979, S. 1833. 82 „,Da rieselt der geistige Kalk‘. Parteijugend in der Krise: Mitgliederschwund bei Jungsozialisten, Jungdemokraten und Junger Union“, in: Der Spiegel, Nr. 40, 29.9.1980. 83 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 12./13.12.1980, S. 118. 84 Vgl. Protokoll der 9. Sitzung der Kommission Jugendpolitik, 18.10.1980, ACDP 04-007-373/1. 85 Stefan Dingerkus/Stefan Eisel/Günther Heckelmann: „Gedanken zur Lage der Union im Herbst 1980“, in: Sonde 4 1980, S. 68. 86 Vgl. Schreiben von Stephan Eisel an den CDU-Bundesvorstand, 21.2.1980, ACDP 07-001-1011. Die Wahlbeteiligung der 18- bis 24-Jährigen lag 1980 bei 79,6 Prozent und damit 9 Prozentpunkte unter der gesamten Wahlbeteiligung. Vgl. „Das Wahlverhalten nach Alter und Geschlecht bei der Bundestagswahl 1980“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 7, 26.2.1981, S. 2. 87 CSU-Landesgruppe 1972 – 1983, 29.10.1980, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CSU-LG, 9. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/csu-lg-09_1980-10-29-t2010_EP.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022).
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I. Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre
gendpolitik und die sie betreffenden Politikbereiche zu investieren und Aktionen für diese Zielgruppe zu starten.88 An die Anstrengungen, die die CDU betrieb, um das Verhältnis zur Jugend zu verbessern, reichten diese Maßnahmen aber nicht heran. Nach der Bundestagswahl 1980 schien die Kluft zwischen CDU und einem großen Teil der Jugend nach wie vor sehr groß zu sein. Matthias Wissmann machte für diese bestehenden Imageprobleme seiner Partei die mangelnde Kommunikation eigener politischer Ideen verantwortlich. So habe sich die CDU „zu stark darauf konzentriert, nur zu sagen, wogegen sie ist, und zuwenig deutlich gemacht, welches eigenständige, zukunftsweisende Konzept sie vertritt“. Denn den Jugendlichen reiche es nicht aus zu wissen, „was die CDU alles ablehnt, sondern gerade junge Leute wollen wissen, mit welchem eigenen Programm Parteien antreten“.89 Eine andere Themenauswahl, die im Bundestagswahljahr mehr den Interessen der Jugendlichen entsprochen hätte – mit den dazugehörigen Konzepten der CDU – hätte möglicherweise zu einem anderen Ergebnis im Jungwählerbereich geführt. Gerade Themen wie die Friedens- oder Umweltpolitik hätten unter dem Stichwort der Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation von der Union im Wahlkampf gut aufbereitet werden können.90 Doch die Strategie für den Wahlkampf hatte nun einmal vorgesehen, dass sich die Unionsparteien auf die „harten Themen“ fokussieren sollten. Wie bereits nach der Bundestagswahl 1972 wurde 1980 das schlechte Abschneiden bei den Jungwählern zum Anlass genommen, in der Nachwahlanalyse über das Verhältnis der CDU zur Jugend zu diskutieren, allerdings nicht in derselben Ausführlichkeit wie noch vor acht Jahren.91 So wurde unter anderem die Form der Ansprache der Jugend diskutiert wie auch abermals der Verlust des Kontaktes zu den konfessionellen Jugendverbänden konstatiert, den es wieder aufzubauen gelte.92 Zudem wurde das Thema „Chancen und Zukunft der Jugend“ als eines der sechs Schwerpunkthemen in die Parteiarbeit für die kommenden zwei Jahre aufgenommen.93 Auf der institutionellen Ebene gab es 88 Vgl. „Minister Maier hält seiner Partei den Spiegel vor“, in: Münchner Merkur, 17.10.1980. Im Mai und im Juni 1981 veranstaltete die CSU zwei Jugendforen, um den Dialog mit der Jugend zu fördern. Auf diesen Veranstaltungen waren aber nur wenige Spitzenpolitiker der CSU vertreten. Vgl. „CSUFraktion hört Jugend an. Sechsstündige Diskussion mit Politikern“, in: Süddeutsche Zeitung, 18.5.1981; „Das Jugendforum der CSU-Landtagsfraktion in Nordbayern verlief ausgeglichener als das Pendant in München“, in: Nürnberger Nachrichten, 29.6.1981. 89 „Interview mit Matthias Wissmann zur künftigen Jugendpolitik der CDU“, in: Kommentarübersicht BPA, 11.3.1981. 90 Mit Blick auf den Wahlkampf der JU kritisierte der damalige Bundesgeschäftsführer des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Wilhelm Staudacher, dass diese an der Jugend vorbeireden würde. Als Beispiel führte er die Diskussionen auf dem Evangelischen Kirchentag an, die sich insbesondere mit dem Thema Frieden befasst hatten, während die anwesenden Vertreter der JU von Verteidigungsund Sicherheitspolitik gesprochen hätten. Vgl. Papier „Wie christlich ist die Junge Union?“ von Wilhelm Staudacher, 27.11.1980, ACDP 04-007-373/2. Hier einen Widerspruch zu sehen, verkennt allerdings auch die Tatsache, dass eine sinnvolle Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Frieden sichern kann. 91 In der Diskussion über das Wahlergebnis der Bundestagswahl 1980 blieb die Entwicklung der Jungwähler dennoch ein zentrales Thema und wurde immer wieder aufgegriffen. Zur Wahlanalyse von Elisabeth Noelle-Neumann mit der anschließenden Diskussion vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 12./13.12.1980, S. 98 – 135. 92 Vgl. ebd., S. 128, 159 f. 93 Vgl. ebd., S. 226. Die anderen fünf Themen waren „Europa“, „Nord-Süd-Konflikt“, „umweltfreundliches Wachstum“, „Vollbeschäftigung“ und „Wahlfreiheit für Männer und Frauen in Familie und Beruf“. UiD, Nr. 44, 17.12.1980, S. 2.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
ebenfalls eine Parallele zu 1972/73, da auch nach der Bundestagswahl 1980 über die Einrichtung eines Gremiums nachgedacht wurde, dass sich speziell mit Jugendfragen befassen sollte. Im Gegensatz zur Diskussion nach der Bundestagswahl 1972 ging es nicht mehr um die generelle Institutionalisierung der Jugendpolitik in der Partei, vielmehr diskutierte der CDU-Bundesvorstand auf seiner Klausurtagung im Dezember 1980 die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, „die eben anders als die Fachausschüsse ein bißchen freier ist von den Proporzmechanismen“. Über diese Arbeitsgruppe Zukunftskommission sollte nach den Vorstellungen von Wissmann „ein bißchen was von dem für die Parteiarbeit häufig verloren gegangenen wissenschaftlichen und intellektuellen Potential uns wieder“ zugeführt werden.94 Eine eingehende Analyse des schlechten Abschneidens der CDU bei den Jungwählern nahm die Bundesgeschäftsstelle in einem zweiten Teil der Studie „Jugend und Union“ vor, den sie im Mai 1981 veröffentlichte. Während der erste Teil die „Grundlage für neue Formen der Jugendansprache im Bundestagswahlkampf 1980 und für eine gewachsene Sensibilität der Partei gegenüber der Jugend“ hatte bilden sollen, berücksichtigte der zweite Teil „besonders die Ergebnisse der repräsentativen Wahlstatistik der Bundestagswahl 1980“ sowie die „Ergebnisse einer Reihe von Forschungen zum Thema Jungwählerverhalten […], die erst nach Erscheinen der ersten Studie zur Verfügung gestanden haben“.95 Dabei war es nicht die Absicht der Autoren, mit dem zweiten Teil der Studie Lösungsvorschläge anzubieten, sondern „zur Kenntnis [zu] nehmen, was die Jugend bewegt, wie sie denkt und wie sie handelt“.96 Eine ähnliche Absicht hatte die Bundesgeschäftsstelle zwar bereits mit dem ersten Teil der Studie verfolgt, doch stellte sie die Ereignisse im zweiten Teil mithilfe der Erkenntnisse aus den neuen Studien prononcierter in Form von Thesen dar. Untermauern konnte der zweite Teil anhand der Ergebnisse aus der repräsentativen Wahlstatistik zudem die Aussage der vorherigen Studie, dass die erste Wahlentscheidung bedeutend für das künftige Wahlverhalten sei und sich somit das schlechte Jungwählerergebnis der CDU in die oberen Altersstufen verstetige.97 Die Autoren der Studie machten mit ihren neuen Erkenntnissen deutlich, wie schwer es für die CDU sein werde, diese einmal gegen die Partei getroffene Entscheidung umzukehren. Daher widmete der zweite Teil in seiner Analyse des Wahlverhaltens der Jungwähler den jüngeren Altersgruppen unter den Jugendlichen mehr Aufmerksamkeit und untersuchte, wie und vor allem wann junge Menschen ihre Parteipräferenzen festlegen. Hier lag der „Hauptverdienst dieser zweiten Jugendstudie“98, die anhand vorliegender Daten die Lebensspanne „zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr“ als das bedeutende Zeitfenster zur Gewinnung der Jugend für die CDU ausmachte. Eine zentrale Aufgabe der Partei müsse es daher sein, herauszufinden, welche „Einflußfaktoren“ es in diesem Lebensabschnitt 94 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 12./13.12.1980, S. 172. Zur Einsetzung dieser Zukunftskommission und deren Aufgaben vgl. das Kapitel „,Mit der Jugend‘ – Der Jugendparteitag der CDU“. 95 Vorwort des CDU-Bundesgeschäftsführers Ulf Fink in Jugend und Union. Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU. Teil II, Stand 20.5.1981, ACDP 07-001-8910. 96 Ebd. 97 Hierzu These 1: „Gegenwärtig sind keine Fakten erkennbar, welche den berechtigten Schluß zuließen, der für die Union negative Trend im Jungwählerbereich sei gebrochen.“ Ebd., S. 1. 98 „Jugend auf Distanz zur CDU“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 6, Juni 1981.
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I. Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre
auf die Parteipräferenz gab.99 Hier kam laut den vorliegenden Daten vor allem dem Elternhaus, dem Freundeskreis, den Zeitungen und dem Fernsehen eine weitaus größere Bedeutung zu als Institutionen wie den Parteien, wobei die Rangfolge der Einflussfaktoren je nach Alter unterschiedlich ausfiel.100 In einem abschließenden Abschnitt stellte der zweite Teil der Studie „Perspektiven für die Zielgruppenarbeit ‚Jungwähler‘“ vor, der insbesondere die Konsequenzen betraf, die die CDU aus dem neuen Datenmaterial nach Ansicht der Autoren zu ziehen habe. An erster Stelle rangierte hierbei die Kontinuität der Zielgruppenarbeit, „deren Hauptbotschaft darin besteht, daß die CDU sich nicht lediglich wahlwirksam punktuell für Jugend und Jugendthemen interessiert, sondern eine permanent präsente und für junge Leute attraktive politische Alternative darstellt“. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Einsicht in die Notwendigkeit von Selbstkritik. Denn bevor überhaupt eine sinnvolle Ansprache der wichtigen Altersgruppen unter den Jugendlichen gestartet werden könne, sei es die „gesamte Partei selbst, die intensiv dafür sensibilisiert werden muß, wie unter den gegebenen Verhältnissen mit Jugendlichen umzugehen ist“. Daher gelte es für die CDU, zunächst einmal an sich selbst zu arbeiten und in einer „Stufe der retrospektiven Analyse […] die gesicherten Fakten aus der Jugendsozialisationsforschung und den Jungwähleranalysen“ aufzuarbeiten und umzusetzen sowie die „parteispezifischen Defizite der Union im Jungwählerbereich offen und umfassend zur Kenntnis“ zu nehmen.101 So müsse die CDU nach ihrer mantraartig vorgetragenen Aussage, auf die Jugend zugehen zu wollen, dazu „bereit sein, sich auch auf jugendkulturelle Formen soweit einzulassen, daß dies von den Jugendlichen nicht als ‚aufgesetzt‘ und ‚gezwungen‘ empfunden wird“. Dies bedeutete in den Augen der Autoren für „eine Partei wie die CDU […] einen erheblichen Veränderungsprozeß. Lange Zeit habe sie den jugendkulturellen Aktivismus fast ausschließlich der SPD überlassen und sich durch einen betont präferierten kulturellen Konservatismus von der Jugendgeneration abgekoppelt.“102 Mit dieser recht schonungslosen Analyse rief der zweite Teil der Studie innerhalb der Partei ganz unterschiedliche Reaktionen hervor. Für Generalsekretär Heiner Geißler ließ sich für die Arbeit der CDU aus der Untersuchung unter anderem der Schluss ziehen, sich in Zukunft verstärkt auf die „weichen Themen“ zu fokussieren und hier Antworten auf aktuelle Probleme zu finden. So habe die CDU „im Umweltschutz […] wenig anzubieten“ und in der Frage der Kriegsdienstverweigerung keine klare Position. Seiner Ansicht nach hätte sich die Partei „alles in allem in den letzten Jahren eher rational, ökonomisch, perfektionistisch, ‚kalt‘“ dargestellt und müsse dies mit Blick auf eine Verbesserung des Verhältnisses zur Jugend klar ändern.103 In der Umsetzung ähnlich sah es auch Matthias Wissmann, wobei er darüber hinaus grundlegende Kritik an der Veröffentlichung des zweiten Teils der Studie erhob. Die Untersuchung lasse „konkrete Vorschläge […] vermissen“, und die Thesen seien „vielfach zu pauschal und träfen so nicht
99 Jugend und Union. Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU. Teil II, Stand 20.5.1981, ACDP 07-001-8910, S. 1. 100 Vgl. ebd., S. 29, 32, 34. 101 Ebd., S. 56 f. 102 Ebd., S. 35. 103 „Nach den Wahlen setzt die CDU auf die ‚Emo-Schiene‘. Wie die Union mit Gefühl und weichen Themen Jungwähler zurückgewinnen will“, in: Frankfurter Rundschau, 16.12.1980.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
zu“.104 Klare Worte zu den Ergebnissen der Studie fand der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß, der die Analyse für das Verhältnis der CSU zur Jugend umgehend zurückwies. Mit der Studie werde die CDU „kein Verständnis“ bei der Jugend finden, da derjenige, welcher „selbst seine Unattraktivität beklage“, nicht erwarten könne, „daß einem die Jugend zulaufe“.105 In der Presse wurden die Ergebnisse aus dem zweiten Teil der Studie breit diskutiert.106 Dies war vor allem möglich, da der zweite Teil im Gegensatz zur vorangegangenen Studie direkt veröffentlicht wurde. Genau daran stießen sich einige in der Partei, allen voran Helmut Kohl, der laut eigener Aussage nicht über die Veröffentlichung der Studie informiert worden war.107 In einer ersten Reaktion verschickte er „verärgert an alle Kreisverbände der Union eine Erhebung des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts, das ein weit freundlicheres Bild vom Verhältnis CDU – Jungwähler zeigte“. Die Kritik an der Studie zielte so insbesondere darauf ab, weshalb man mit „Hiobsbotschaften“ die „eigene Basis entmutigen“ wolle.108 Aber auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung war nach Ansicht der Kritiker äußerst unglücklich gewählt, denn die aktuell auftretenden Differenzen innerhalb der Bundesregierung müssten von der CDU vor allem dazu genutzt werden, um den Koalitionsparteien ein Bild der Geschlossenheit entgegenzusetzen. Eine offene und kontroverse Diskussion in der Partei, wie sie nach Auffassung der Bundesgeschäftsstelle auf Grund der Ergebnisse der Studie geführt werden sollte, könne dieses Bild stören.109 Hier bestand die größte Sorge der Kritiker, dass „ohne Not interne Debatten vom Zaun“ gebrochen würden und die Partei damit „jenen größten Trumpf, den sie derzeit hat, nämlich das Bild der Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit“, verspiele.110 Diese unterschiedlichen Auffassungen – einerseits Geschlossenheit und auf der anderen Seite die kontroverse Debatte – ließen einen „Gegensatz prinzipieller Art“ hervortreten: Als Parteivorsitzender war Kohl, der die mediale Aufmerksamkeit für die unionsinternen Querelen rund um die Frage nach der Kanzlerkandidatur vor zwei Jahren noch sehr gut im Gedächtnis hatte,111 darum bemüht, die CDU „als möglichst geschlossen hinzustellen und das Unions-Einigkeitsimage sorgfältig zu pudern“. Anders dagegen sein Generalsekretär Heiner Geißler, der das weitgehend wahlfreie Jahr 1981 dazu nutzen 104 dpa-Meldung, 22.5.1981. 105 CSU-Landesgruppe 1972 – 1983, 3.6.1981, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CSU-LG, 9. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/csu-lg-09_1981-06-03-t1330_EP.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 106 Vgl. u. a. Rudolf Bauer: „Unlust der Jungen“, in: Rheinische Post, 22.5.1981; Manfred Schell: „Jugend läuft den Unionsparteien weg“, in: Die Welt, 22.5.1981; „Der CDU läuft die Jugend enttäuscht in hellen Scharen davon“, in: Frankfurter Rundschau, 22.5.1981; Karl Feldmeyer: „Freundlichkeit genügt nicht. Die Union schaut der Jugend nach“, in: FAZ, 22.5.1981; Volker Jacobs: „Die Jugend läuft der CDU davon“, in: Saarbrücker Zeitung, 27.5.1981. 107 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 10.6.1981, S. 434. 108 Thomas Löffelholz: „In Betrachtung der gebeutelten Regierung versunken“, in: Stuttgarter Zeitung, 25.6.1981. 109 Vgl. Rudolf Strauch: „Geißler will selbstkritische Diskussion in der CDU“, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 2.6.1981. 110 Thomas Löffelholz: „In Betrachtung der gebeutelten Regierung versunken“, in: Stuttgarter Zeitung, 25.6.1981. 111 Vgl. zu den Querelen um die Spitzenkandidatur von CDU und CSU zur Bundestagswahl 1980 Schwarz: Helmut Kohl, S. 244 – 254.
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I. Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre
wollte, „Fehler der CDU wettzumachen und die Partei weiter nach vorn zu bewegen, auch wenn damit als Preis das Eingeständnis von Mängeln verbunden ist“.112 Die Veröffentlichung der Studie liefere daher, so Geißler, einen „,wahrheitsgetreuen und realistischen Beitrag‘ zu dem Auftrag des Bundesparteitages“ im März 1981:113 Das auf diesem verabschiedete Arbeitsprogramm forderte vom CDU-Bundesvorstand, stärker in einen offenen und auch öffentlich geführten Dialog mit der Jugend einzutreten.114 Hinter der Strategie von Geißler stand auch die Junge Union, die in dem Glauben, dass nur das Bild von Geschlossenheit zum Erfolg führen würde, einen „Irrtum“ sah.115 Bezogen auf das Image der CDU in der jungen Generation empfanden einige in der JU die Strategie des Parteivorsitzenden sogar als „Problem“, da die Jugend eher mit einer größeren Vielfalt an Meinungen und Stimmungen in einer Partei zu gewinnen wäre – so, wie es in der SPD der Fall sei.116 Eine grundlegende Diskussion über die Veröffentlichung des zweiten Teils der Studie aus der Bundesgeschäftsstelle fand auf der Sitzung des CDU-Bundesvorstands am 10. Juni 1981 statt. Kohl nahm den Tagesordnungspunkt zum Etat der Bundesgeschäftsstelle zum Anlass, um über die „Politik des Hauses“ zu sprechen. Er rief den anwesenden Mitgliedern nochmals in Erinnerung, dass der Bundesvorstand das Beschlussorgan für die laufenden Geschäfte der Partei sei. Daher müssten Inhalte, wie sie in der Studie dargelegt wurden, vorab von diesem diskutiert werden. Dabei stellte sich Kohl auch gegen vereinzelt vorgebrachte Kritik, er würde, um das Bild der geschlossenen Partei aufrechtzuerhalten, interne Diskussionen unterbinden. Stattdessen habe er in der Vergangenheit immer dafür gesorgt, dass solche stattfinden, wie er anhand verschiedener Beispiele darzulegen versuchte.117 Anders argumentierte Heiner Geißler in direkter Replik auf die Äußerungen von Kohl und stellte im Hinblick auf das geforderte Bild der Geschlossenheit die „etwas provokante These auf […], daß die CDU ihre Probleme, die aus dem Wahlergebnis und der Zeit davor auch resultieren, nicht schon deswegen gelöst hat, weil die anderen miserabel sind, sondern diese Probleme sind nach wie vor vorhanden“. Deshalb, so verdeutlichte er seine Vorgehensweise noch einmal, komme es jetzt „besonders darauf an […], das wahlfreie Jahr bis zum Sommer 1982 für eine intensive Diskussion wichtiger politischer Themen zu nutzen“ und die Union „als eine offene und sensible Partei für die Probleme der Bürger“ darzustellen, die „mit allen Schichten unseres Volkes dialog- und diskussionsfähig bleibt“.118 Die unterschiedlichen Strategien des Parteivorsitzenden und seines Generalsekretärs für die richtige Oppositionspolitik lassen die Vermutung zu, dass beide in „unterschiedlichen Zeitvorstellungen“ dachten. Geißler, der die Union für die nächsten Bundestagswahlen im Jahr 1984 vorbereiten wollte, konzentrierte sich dabei insbesondere auf die 112 Rudolf Strauch: „Geißler will selbstkritische Diskussion in der CDU“, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 2.6.1981. 113 Manfred Schell: „Opfert sich Fink, um CDU-Spitze zu einen?“, in: Die Welt, 4.6.1981. 114 Vgl. Arbeitsprogramm – Aufgaben der 80er Jahre, in: 29. Bundesparteitag der CDU, 9./10.3.1981 in Mannheim, S. 253 f. 115 Papier „Ideen zur jugendpolitischen Arbeit der Union“ von der Kommission Jugendpolitik, Januar 1982, ACDP 04-007-373/2. 116 Papier „Zum Wahlverhalten von Jungwählern“ von Jürgen Fuchs, 16.8.1981, ebd. 117 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 10.6.1981, S. 434 – 436. 118 Ebd., S. 442 f.
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Zielgruppe der Jugend und hier vor allem auf die starken Jahrgänge, die 1984 ins wahlfähige Alter kamen. Eine offene und kontrovers diskutierende CDU hatte seiner Ansicht nach die größten Chancen, diese Zielgruppe zu gewinnen. Kohl hingegen könnte mit seiner Vorgehensweise auf einen vorzeitigen Machtwechsel in Bonn spekuliert haben, denn dann wäre die „einzig vernünftige Strategie, sich als möglichst geschlossene, möglichst handlungsfähige Alternative darzustellen, mit der die umstrittenen Schlüsselfragen der deutschen Politik ohne allzu große Schwierigkeiten zu lösen wären“.119 Die Veröffentlichung des zweiten Teils der Studie hatte personelle Konsequenzen. Der Hauptverantwortliche in der CDU-Bundesgeschäftsstelle für die Erarbeitung, Bundesgeschäftsführer Ulf Fink, wurde nach dem Wahlsieg Richard von Weizsäckers in Berlin als Senator für Gesundheit und Soziales dorthin „wegbefördert“.120 In Bezug auf die Anstrengungen für ein besseres Verhältnis der CDU zur Jugend kann das Ergebnis der Bundestagswahl der Partei im Jungwählerbereich insgesamt als Blaupause betrachtet werden. Der bereits Ende der 1970er Jahre einsetzende Trend innerhalb der CDU, die Jugend verstärkt als eigene Zielgruppe wahrzunehmen und entsprechend auf diese einzugehen, wurde im Wahlkampf aufgenommen und nach dem schlechten Abschneiden der Partei bei den Jungwählern verstärkt fortgesetzt. Die Parteistrategen setzten neben der Darstellung der CDU als diskussionsfreudige Partei vermehrt auf innerparteiliche, aber auch in der Öffentlichkeit geführte Debatten über Themen, die stärker bei den Jugendlichen verfingen – auch gegen Widerstände ihres Parteivorsitzenden. Dieser Prozess wurde jedoch nicht nur von innen heraus vorangetrieben, auch die politischen und gesellschaftspolitischen Ereignisse in der Bundesrepublik Anfang der 1980er Jahre wie die ausbrechenden Jugendunruhen oder die intensivere Debatte über die neuen sozialen Bewegungen gaben verstärkt jugendbewegende Themen vor, mit denen sich die Partei befassen musste.
119 Thomas Löffelholz: „In Betrachtung der gebeutelten Regierung versunken“, in: Stuttgarter Zeitung, 25.6.1981. 120 Ebd.
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II. Zwischen Aussteigertum und Hausbesetzung – Die CDU und der neue Jugendprotest Seine letzte Ausgabe im Jahr 1980 betitelte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mit einem Thema, das in dieser Zeit in aller Munde war: „Jugendkrawalle“ brachen in der Nacht des 13. Dezember im West-Berliner Stadtteil Kreuzberg aus und erreichten eine Eskalationsstufe, „wie sie sich ähnlich nicht einmal in den wildesten Jahren der Apo zugetragen“ hatte. Die „Bilanz der zwölfstündigen Straßenkämpfe […] scheint, so ein Polizeiführer, „eine neue Stufe der Gewaltbereitschaft“ zu markieren. Dabei überraschte die Berichterstatter wie auch die politisch Verantwortlichen vor allem die „große Zahl und die grobe Zerstörungswut der Plünderer und Straßenkämpfer“, die nur kurze Zeit später auch in anderen West-Berliner Stadtteilen auftauchten.1 Die gewalttätigen Ausschreitungen in West-Berlin fügten sich ein in eine Entwicklung, die zuvor schon in anderen westdeutschen Städten zu beobachten gewesen war, aber auch in westeuropäischen Ländern wie der Schweiz, Großbritannien oder den Niederlanden bereits ein größeres Ausmaß erreicht hatte.2 Die unmittelbaren Auslöser der Proteste in der Bundesrepublik schienen schnell ausgemacht zu sein. Während es insbesondere in West-Berlin die zum Teil prekäre Wohnungssituation war, entzündeten sich die Proteste in Städten wie Bremen an der allgemeinen Ablehnung der Bundeswehr oder wie in Brokdorf am Widerstand gegen die Kernenergie.3 Dabei zeigte dieser neue Jugendprotest neben dem Ausbruch von offener Gewalt ganz unterschiedliche Erscheinungsformen. Aus CDU-Sicht zählten hierzu unter anderem „Jugendunruhen, Wohnhausbesetzungen, Ausschreitungen bei öffentlichen Gelöbnisfeiern, Demonstrationen gegen Kernenergie und Waffenhandel, Leistungsverweigerung, Rückzugsbewegungen der ‚Alternativen‘, Flucht von Jugendlichen in Drogen, Alkohol, zu Sekten und Subkulturen“.4 War es für die Verantwortlichen in der Politik aufgrund dieser unterschiedlichen Anlässe und der Vielfalt der Protestformen überhaupt möglich gewesen, den Ausbruch eines neuen Jugendprotestes Anfang der 1980er Jahre vorauszusehen oder zu erahnen? Laut eines Memorandums aus der CDU-Bundesgeschäftsstelle hatten die Unruhen die Gesellschaft wie auch die Behörden unvorbereitet getroffen und kämen aus dem Grund überraschend, dass bislang insbesondere über die Apathie innerhalb der Jugend geklagt worden sei. Daher sei ein Protest in der Form, wie er sich 1980/1981 in der Bundesrepublik zeigte, nicht erwartet worden, weil Politiker mehrheitlich der Ansicht gewesen seien, die Jugend sei zum größten Teil angepasst. Als „Aussteiger“ habe man nur Randgruppen
1 „,Da packt dich irgendwann ’ne Wut‘“, in: Der Spiegel, Nr. 52, 22.12.1980. 2 Einen guten Überblick über die verschiedenen Protestformen und die unterschiedlichen Ursachen in anderen westeuropäischen Ländern gibt der Bericht der Enquête-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat“ vom 27. Januar 1983. Vgl. BT-Drs. 9/2390, 27.1.1983. 3 Vgl. u. a. Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 643 f.; Jäger: Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1974 – 1982, S. 149; „Brokdorf. Mit allen Mitteln“, in: Der Spiegel, Nr. 9, 23.2.1981. 4 Helga Wex: „Unruhe in der Jugend – Signal und Chance für die Politik“, in: DUD, Nr. 29, 12.2.1981.
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bezeichnet, deren Zahl allerdings sehr gering eingeschätzt worden war. Aus der vorgeblichen Ruhe innerhalb der Jugend wären somit die falschen Schlüsse gezogen worden: nicht Angepasstheit, sondern Resignation hätte sich in der jungen Generation breit gemacht, so das Ergebnis des Memorandums.5 Der Einschätzung aus der CDU-Parteizentrale, nach der der neue Jugendprotest nicht vorhersehbar gewesen sei, kann jedoch nicht vollumfänglich zugestimmt werden. Ein Hauptaugenmerk in der Ursachenanalyse der Jugendunruhen wurde auf eine stark gewachsene Orientierungslosigkeit und Verunsicherung innerhalb der jungen Generation gerichtet, deren Wurzeln bereits mehrere Jahre zuvor gelegt worden waren. Einen großen Anteil daran hatte der schon in den 1960er Jahren einsetzende Wertewandel in den westlichen Gesellschaften, der sich im Verlauf der 1970er Jahre dann noch „intensivierte und beschleunigte“.6 Dabei war dieser Wandel nicht auf einzelne Gruppen wie die junge Generation begrenzt gewesen, vielmehr „erfasste [er] offensichtlich weite Teile der Gesellschaft“.7 Wie bereits die Analyse des ersten Teils der Studie „Jugend und Union“ aus dem Jahr 1979 feststellte, ist unter diesem Wertewandel eine Abkehr von traditionellen Werten wie Disziplin, Pflichtgefühl oder bürgerlichen Moralvorstellungen zu verstehen, wie sie zuvor weit verbreitet gewesen waren.8 Das Problem dieser „Entnormativierung“ war jedoch, dass gleichzeitig keine neuen, verbindlichen Werte geschaffen wurden, an denen sich die gesamte Gesellschaft hätte orientieren können.9 Hinzu kam ab Mitte der 1970er Jahre der allmähliche Verlust des längere Zeit bestehenden Sicherheitsgefühls in vielen westlichen Ländern. Die wohlige Gewissheit, dass der in den Nachkriegsjahren erarbeitete materielle Wohlstand beibehalten werden könne, wurde insbesondere durch den Ölpreisschock 1973 und die aufkeimenden Strukturkrisen in den westeuropäischen Ländern stark erschüttert. Aber auch eine tiefer gehende Fortschritts- und Zukunftsangst machten sich breit, die neben den wirtschaftlichen Krisen auch durch Warnungen wie die des Club of Rome mit seiner Studie über die „Grenzen des Wachstums“ genährt wurde.10 In Teilen der Jugend beförderten die krisenhaften wirtschaftlichen Entwicklungen im Verlauf der 1970er Jahre, aber auch der allmähliche Wandel von einer Industrie- hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft die Ausprägung sogenannter postmaterieller Werte. Damit waren vor allem solche Werte gemeint, die eine stärkere Selbstentfaltung zum Ziel hatten und so mehr auf eine Individualisierung der Gesellschaft hinsteuerten. In der zunehmenden Orientierungslosigkeit und Unsicherheit fanden diese Werte einen breiten Nährboden, da sie „schlicht […] Sinn stifteten und Lebensziele jenseits des Materiellen bereithielten“.11 Der scheinbare Trend weg von „materialistischen“ hin zu „postmaterialistischen“ Werten veranlasste den amerikanischen Soziologen Ronald Inglehart 1977 zur Aufstellung seiner These von einer „stillen Revolution“, die in allen „westlichen
5 Vgl. Memorandum zum gegenwärtigen Jugendprotest, o. A., o. D., ACDP 07-001-17032. 6 Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 554. 7 Geyer: Rahmenbedingungen, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 68. 8 Vgl. Jugend und Union. Eine Studie der CDU-Bundesgeschäftsstelle über das Wahlverhalten der jungen Generation und ihr Verhältnis zur CDU, 1980, ACDP 07-001-8910, S. 22; vgl. auch Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 554 f.; Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 29; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 622. 9 Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 559. 10 Vgl. u. a. ebd., S. 545, S. 555; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 620. Zur Studie des Club of Rome vgl. Meadows u. a. (Hg.): Die Grenzen des Wachstums. 11 Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 555.
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Überflussgesellschaften“ zu beobachten sei. Wesentliche Faktoren, die den Wandel hin zu postmateriellen Werten begünstigen würden, seien eine „hohe materielle Versorgung der Bevölkerung, die Anhebung des Bildungsniveaus, die Ausbreitung der Massenkommunikation und die gestiegene Mobilität“.12 All die aufgezeigten Veränderungen wie der Wertewandel und die Ausbildung einer Alternativszene mit Tendenzen zum „Aussteigertum“ können unter dem Begriff einer „kulturellen Krise“ subsumiert werden, die neben den weiter oben bereits erwähnten politischen und ökonomischen Krisen vor allem mit der Jugend in Verbindung gebracht wurde. Die Jugendunruhen Anfang der 1980er Jahre in der Bundesrepublik bildeten in dieser kulturellen Krise mit ihrem „Protest und Ablehnung gegenüber den Werten und der Ordnung der Gesellschaft einen dramatischen Höhepunkt“.13 Wie aber wurde auf diese sich bereits früh abzeichnenden Entwicklungen von den Verantwortlichen in der Politik eingegangen? Der Journalist und Redakteur des ARD-Magazins Monitor, Claus Richter, warf im Jahr 1979 den Politikern in deren Reaktion „Arroganz“ und „Ohnmacht“ vor. Das Thema Jugend hätte „an Attraktivität verloren, seit weite Teile einer ganzen Generation ins gesellschaftliche Abseits getrieben werden“. So sprach er im Zusammenhang mit der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt oder der Orientierungsund Vertrauenskrise vieler Jugendlicher von einer „überflüssigen Generation“, an der die politisch Verantwortlichen kein Interesse hätten. Richter hatte auch Verständnis für das „Fehlverhalten und [die] verschiedenen Folgen der Verweigerung“, die eine immer größer werdende Zahl von Jugendlichen angesichts eines Gefühls der Ohnmacht zeigen würden.14 Schwer wog für ihn dabei, dass Politik und Gesellschaft keine Antwort fänden auf die vielfältigen Probleme der jungen Generation und es in seinen Augen „nur wenige Anzeichen [gebe], daß die Verantwortlichen die sich abzeichnenden Konflikte überhaupt verstehen“. Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, würden sich „an vorgestrigen Vorstellungen“ orientieren, so Richter.15 Waren die Vorwürfe Richters an die Adresse der Politiker in Bezug auf deren Ratlosigkeit und Untätigkeit tatsächlich berechtigt? In der CDU/CSU gab es bereits früh vereinzelt Diskussionen über den zu beobachtenden Wertewandel und die damit verbundene Orientierungslosigkeit. So konstatierte der Donaueschingener Abgeordnete Hansjörg Häfele auf einer Sitzung der Bundestagsfraktion im Februar 1973, dass vor allem in der jungen Generation seit ein paar Jahren „ein neuer Hunger […] nach grundsätzlicher Orientierung“ feststellbar sei. Hier könne laut Häfele gerade die Union mit ihrem C im Namen diesen „grundsätzlichen Hunger […] stillen“.16 Ähnlich argumentierte KrollSchlüter 1974 in einer Ausarbeitung zur Situation der Jugend in der Bundesrepublik. Der zunehmenden Orientierungssuche in großen Teilen der Jugend müssten CDU und CSU zuallererst damit begegnen, indem sie „sich wieder auszeichnen durch prinzipiellen Schwung bzw. prinzipielle Standfestigkeit“. Diese Prinzipien oder Werte „wie Freiheit 12 Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 622. Vgl. Inglehart: The silent revolution, S. 3, 18. 13 Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 667. 14 Richter: Die überflüssige Generation, S. 3 f. 15 Ebd., S. 8. 16 CDU/CSU-Fraktion 1972 – 1976, 5.2.1973 (1. Sitzung), in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CDU/CSU, 7. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/cdu-csu-07_197302-05-t1012_WZ.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022).
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und Solidarität, Chancengleichheit und transparente Demokratie“ sollten „eindeutig und unverwechselbar unser konkretes politisches Handeln bestimmen“, dessen „tiefste und radikalste Begründung […] im ‚C‘“ liege.17 Auch Friedbert Pflüger betonte ein Jahr später auf dem Mannheimer Bundesparteitag der CDU, dass „gerade Werte christlich demokratischer Grundlage benötigt werden, um die Probleme der Zukunft zu meistern“. In seinem Redebeitrag versuchte sich Pflüger gleichzeitig an einer Ursachenanalyse der Orientierungs- und Wertesuche vieler Jugendlicher, die unter anderem darin liege, dass „diese Gesellschaft zunehmend technisiert ist und zunehmend automatisiert wird, weil alles undurchschaubarer wird und weil mächtige Bürokratien dem einzelnen Menschen in seinem Wert nicht mehr gerecht werden können“. Hier sei es Aufgabe der CDU klar zu betonen, dass sie „wieder Werte setzen“ wolle, da diese „dringend notwendig sind“.18 Neben Einzelstimmen in der Partei befasste sich auch der CDU-Bundesvorstand Mitte der 1970er Jahre vermehrt mit der zunehmenden Resignation unter Jugendlichen. Dabei wurde häufig der Zusammenhang mit den schlechten Zukunftschancen der jungen Generation hergestellt und der notwendige Handlungsbedarf betont.19 In den unteren Parteiebenen beschäftigte sich der Landesverband Hamburg der Jungen Union bereits im Mai 1973 in seinem jugendpolitischen Programm mit der zunehmenden Orientierungslosigkeit. Diese entstehe insbesondere durch die „Schnelligkeit“ der Entwicklung der „Ideenwelt der Jugend und der Normen der Gesellschaft“ und verstärke sich dabei „durch die enorme Ausweitung unpersönlicher Kommunikationsträger der pluralistischen Gesellschaft“, „die Krise der Sozialisationsinstanz Schule“ sowie eine „Krise der Familie“. Dadurch ergab sich für die JU Hamburg die Notwendigkeit, der Jugend – statt „therapeutisch“ die Symptome zu behandeln – durch eine „präventive Jugendpolitik“ einen „Orientierungsrahmen“ und „soziale Sicherheit und Geborgenheit […] zu bieten“.20 Allgemein ist in vielen Äußerungen aus der CDU zum Thema Wertewandel und Orientierungslosigkeit innerhalb der Jugend die Absicht erkennbar, dass die Partei die Sinnsuche der Jugend vor allem nutzen sollte, die eigenen Wertevorstellungen gezielter zu vermitteln und damit gleichzeitig das eigene Image in der jungen Generation zu verbessern. Auch in der SPD war man sich schon früh der Veränderungsprozesse innerhalb der jungen Generation bewusst. Aus einem internen Memorandum von Mai 1973 geht hervor, dass sich die Sozialdemokraten bereits zu diesem Zeitpunkt damit befassten, wie der zunehmenden Orientierungslosigkeit und der damit verbundenen Verschiebung des Fokus auf bestimmte Themen in großen Teilen der Jugend begegnet werden könne. Insbesondere die Erkenntnis, dass Leistungsbereitschaft kein festgeschriebener Wert in dieser Altersgruppe mehr sei, müsse die SPD in ihrer Ansprache der Jugendlichen stärker berücksichtigen und vornehmlich auf Themen mit Zukunftsperspektive setzen, wobei das Prinzip Hoffnung eine größere Rolle spielen sollte.21 Drei Jahre später näherten sich die 17 Ausarbeitung „Zur Situation der Jugend und der Jugendarbeit in der BRD“ von Hermann KrollSchlüter, o. D., ACDP 07-001-1658. 18 23. Bundesparteitag der CDU, 23. – 25.6.1975 in Mannheim, S. 263. 19 Vgl. u. a. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1973 – 1976, Sitzung am 20.10.1975, S. 1551; ebd., Sitzung am 14.1.1976, S. 1641, 1649; ebd., Sitzung am 16.2.1976, S. 1778. 20 Jugendpolitisches Programm der Jungen Union Hamburg. Beschlossen auf dem außerordentlichen Landestag vom 26.5.1973, ACDP 04-007-098. 21 Vgl. Ausarbeitung „Zur Situation der Jugend und der Jugendarbeit in der BRD“ von Hermann Kroll-
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Analysen der Sozialdemokraten über die Entwicklungen innerhalb der jungen Generation denen der CDU an, wobei andere Konsequenzen daraus gezogen wurden. Auch in der SPD sah man einen „extremen Leistungsdruck, Angst vor Schulversagen und allgemeine Existenzangst“, die Verhaltensweisen wie den „Rückzug ins ‚Private‘“, „kritiklose Anpassung an gesellschaftliche Realitäten“, „politische Apathie“ oder auch „Verzicht auf Ansprüche und Forderungen“ zur Folge hätten. Zur Auflösung dieser Erscheinungen müsse die SPD stärker auf „emotionale Grundbedürfnisse“ der Jugendlichen eingehen und nicht wie die CDU „durch irrationale Lösungsansätze eine Politik nach rückwärts […] fördern“.22 Die Vorwürfe von Richter waren also in Teilen durchaus berechtigt. Zwar erkannten die Parteien die vorhandenen Probleme der Jugend und lieferten entsprechende Lösungsansätze, doch blieben diese eben in Ansätzen stecken und wurden nicht in politische Programme umgesetzt. Wie ist nun die Aussage des CDU-Memorandums zu bewerten, dass der gewaltsame Ausbruch des Jugendprotestes nicht vorhersehbar gewesen sei und daher nicht früher hätte reagiert werden können? Auch hier hatte es bereits Jahre zuvor Stimmen in der CDU gegeben, die vor einem wachsenden Protestpotential in der jungen Generation gewarnt hatten. Vor allem Bezug auf die steigende Jugendarbeitslosigkeit, die schlechten Aussichten vieler Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt und die allgemein von der CDU prognostizierten düsteren Zukunftschancen der jungen Generation würden, wie Friedbert Pflüger auf dem Bundesparteitag der CDU im Mai 1976 feststellte, die „Gefahr einer neuen Radikalität innerhalb der Jugend“ ansteigen lassen. Wenn die jungen Menschen merkten, dass ihre Möglichkeiten zur Teilhabe in der Gesellschaft immer stärker eingeschränkt würden, war nach Ansicht Pflügers die „Gefahr sehr groß, daß die Jugendlichen das Vertrauen in unsere demokratische Gesellschaftsordnung als Ganzes verlieren“ könnten.23 Mahnende Stimmen vor einer neuen Radikalisierung innerhalb der Jugend schienen vornehmlich aus den Jugendorganisationen der CDU zu kommen. So warnte beispielsweise der RCDS-Bundesvorsitzende Hans Reckers im Januar 1977 vor neuen Protesten Studierender. Würde der verstärkte Leistungsdruck, ausgelöst unter anderem durch den Numerus clausus oder die verschlechterten Berufsaussichten, anhalten, drohe mit Beginn der 1980er Jahre eine neue Radikalisierung.24 Einen genauen Zeitpunkt für den Ausbruch neuer Proteste wollte der spätere Jugendreferent in der CDU-Bundesgeschäftsstelle, Jürgen Fuchs, noch nicht prognostizieren. Das Vorhandensein eines erheblichen Unruhepotentials unter Jugendlichen konstatierte Ende 1977 aber auch er und sah dessen Ursache insbesondere „in strukturellen und kaum veränderbaren Gegebenheiten unserer industrialisierten Gesellschaft“.25 Vereinzelt äußerten sich auch führende Vertreter in der CDU zu den beunruhigenSchlüter, o. D., ACDP 07-001-1658. Hermann Kroll-Schlüter verwendete das interne SPD-Memorandum für seine Ausarbeitung über die Situation der Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland und wertete es für seine Zwecke aus. 22 Vorlage für die Sitzung des Parteipräsidiums am 30.11.1976, Referat Jugendpolitik betreffend „Möglichkeiten der Mobilisierung junger Menschen für die SPD“, Kommission Jugendpolitik, 26.11.1976, AdsD Bestand SPD-Parteivorstand Präsidiumsvorlagen Jugendpolitik, ohne Signatur. 23 24. Bundesparteitag der CDU, 24. – 26.5.1976 in Hannover, S. 109. 24 Hans Reckers: „Zum Standort des RCDS“, in: Die Entscheidung, Nr. 1, Januar 1977, S. 20 f. 25 Jürgen Fuchs: „Tendenzwende? Bemerkungen zum politischen Verhalten und zu politischen Einstellungen von Jugendlichen“, ebd., Nr. 12, Dezember 1977, S. 26.
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den Tendenzen und Veränderungen in der Altersgruppe der jungen Generation. In seiner Rede vor dem Zukunftskongress der CDU im Oktober 1977 zeichnete der Parteivorsitzende Helmut Kohl ein stark widersprüchliches Bild der jungen Generation, die in ihrer Orientierungslosigkeit „sprachlos in lärmerfüllten Diskotheken, gelangweilt in ihrer Freizeit, gestreßt in den Schulen, hinter radikalen Parolen auf den Straßen, als schweigende, passive Mehrheit an den Universitäten, verzweifelt in den Zentren der Drogenberatung, einsam unter Vielen“ auftreten würde. Als auffälligste „Verhaltensmuster“ konstatierte Kohl den „resignierte[n] Rückzug ins Private“, das „Aufbegehren im ziellosen Protest“ sowie das „tastende Suchen nach Sinnerfüllung in anderen Kulturen oder die nostalgische Rückbesinnung auf ein einfaches Leben“. Die möglichen extremen Ausformungen des Protestes gegen die vorherrschenden Zustände sah er allerdings nur auf einige „Minderheitsgruppen“ beschränkt, die Mehrheit der jungen Generation reagiere vor allem mit Resignation. Von seiner Partei forderte Kohl eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Ursachen dieser Resignation. Dabei riss er schon einige Themen an, die vier Jahre später von der CDU als ausschlaggebend für den Ausbruch des Jugendprotestes gewertet wurden. Neben den 1977 virulenten Themen der „Arbeitslosigkeit und Inflation, [der] Überlastung unseres sozialen Sicherungssystems und [der] Minderung der materiellen Zukunftschancen der jungen Generation [als] schwerwiegende Folgen sozialistischer Reformexperimente“ sah Kohl eine „Entwicklung zu immer mehr Staat“ sowie „Zweifel und Mißtrauen […] gegen die inneren Ordnungsprinzipien der nach dem Krieg in der Bundesrepublik entstandenen Gesellschaft“.26 In den folgenden Jahren setzten sich die Unionsparteien dann auch vereinzelt mit Vorschlägen zur Lösung der Probleme vieler Jugendlicher auseinander. Kroll-Schlüter schlug beispielsweise zur Abwendung der in seinen Augen besorgniserregenden Veränderungen in der Jugend im September 1978 vor, die „erste Erziehungseinrichtungsgemeinschaft“ – die Familie – zu stärken, um entsprechenden Entwicklungen vorbeugen zu können. Ein klassischer CDU-Ansatz also. Aber auch die CDU selbst könne dazu beitragen, Jugendlichen bessere Orientierungshilfen zu geben. Damit meinte Kroll-Schlüter allerdings nicht die bereits vorhandenen Programme der Partei zur Jugendthematik, sondern die insbesondere in der jungen Generation stärker vorhandene Personifizierung der Politik. Hier lag seiner Ansicht nach ein größeres Problem der Christlichen Demokraten, da diese in der Vergangenheit innerparteilich vorhandene Sachprobleme vermehrt in „Streitigkeiten öffentlicher Natur“ umgewandelt und damit kein geschlossenes Bild abgegeben hätten. Allerdings, so sein zunächst folgenloser Befund, brauche die Jugend Persönlichkeiten, die die aktuell fehlenden Zukunftsperspektiven personifizieren und damit Orientierung geben könnten.27 Auch in der CSU nahm man sich der Orientierungskrise in der jungen Generation an, wenn auch etwas später. Anfang 1979 beschloss die CSU-Landesgruppe auf ihrer Klausurtagung zum Thema „Jugend und Zukunft“ die Bildung einer Arbeitsgruppe, die sich mit dem Themenkomplex befasste. Ihre Hauptaufgabe lag in der Erarbeitung eines Papiers, das verschiedene Punkte zu den Entwicklungen innerhalb der Jugend enthalten sollte. Dabei standen zentrale Aussagen zur „Bewußtseinskrise der Jugend“ – der Termi 26 Rede Helmut Kohl auf dem Kongress „Zukunftschancen der Jugend“, 21./22.10.1977, ACDP 07-0018913. 27 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 19.9.1978, ACDP 08-001-1053/1, S. 22.
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nus „Orientierungskrise“ wurde vermieden – im Mittelpunkt, die „nicht nur ein Reflex auf die immer unüberschaubarer werdende wissenschaftlich-technische Umwelt, sondern weitgehend auch das Ergebnis verloren gegangener Bildungs- und Erziehungsinhalte“ sei. Damit lag die CSU in ihren Schlussfolgerungen aus der aktuellen Situation der Jugend denen der CDU relativ nah. Neben der Stärkung der Familie, die auch Kroll-Schlüter als Lösungsansatz präsentiert hatte, wollte die CSU vermehrt die freien Verbände, die Kirchen, Schulen und Universitäten in die Pflicht nehmen, um die „Summe allen Wissens zu geistig-moralischem Wertbesitz zusammenzuführen“.28 Insgesamt wird deutlich, dass die CSU stärker auf die Mitverantwortung der Jugendlichen zur Lösung ihrer Probleme setzte und ihnen keine vorgefertigten Antworten präsentieren wollte. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung befasste sich noch kurz vor dem Ausbruch der gewaltsamen Proteste in West-Berlin mit den Entwicklungen innerhalb der Jugend. Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass ein „neues Aufbegehren der Jugend […] für die 80er Jahre in der Bundesrepublik“ zu erwarten sei.29 Insbesondere müsse nachdenklich stimmen, dass sie zwar keine Staats- oder Parteienverdrossenheit zeige, wohl aber eine allgemeine Gleichgültigkeit bis hin zur Ablehnung des politischen Systems. Für eine größere Zahl von Jugendlichen, deren Umfang auf etwa eine Million beziffert wurde, vermutete die Studie ein verstärktes Protestpotential, dessen Folgen allerdings eher in Distanz und mangelndem Engagement gesehen wurden.30 Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Parteien bereits früh durchaus die Veränderungen innerhalb der jungen Generation wahrgenommen und zumindest ansatzweise versucht hatten, darauf zu reagieren. Dies allerdings vor allem mit der Zielsetzung, aus den Entwicklungen für ihre Zwecke Gewinn zu schlagen und das eigene Image in der Jugend zu verbessern. Nachhaltigen Nutzen oder Konsequenzen konnten die vorgenommenen Überlegungen und zum Teil eingeleiteten Maßnahmen jedoch nicht entfalten. Ganz sicher aber sahen die politisch Verantwortlichen das ganze Ausmaß und die Formen des neuen Jugendprotestes nicht voraus. Dies beweist noch einmal die erwähnte Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung Ende 1980, die selbst kurz vor den Ereignissen in West-Berlin noch von einem zwar voraussehbaren, aber mehrheitlich „verinnerlichten“ Protest ausging. Mit dem Ausbruch der gewalttätigen Ausschreitungen in West-Berlin wurde eine Kette weiterer Vorkommnisse in anderen westdeutschen Städten ausgelöst. Dabei ist festzustellen, dass es sich bei den beteiligten Jugendlichen nur um einen kleinen Teil der jungen Generation handelte, der die offene Konfrontation suchte. Die Mehrheit der Jugend lehnte die Gewaltexzesse ab, verstand aber die Ursachen der Proteste und zeigte somit zumindest in Teilen Verständnis für die Formen des Protestes. Prägnante Beispiele des neuen Jugendprotests und der Reaktion der Politik waren die Aktionen der militanten Hausbesetzerszene in West-Berlin sowie die Vorkommnisse in Nürnberg am 5. März 1981. Nürnberg steht dabei als Synonym für die Angespanntheit der politisch Verantwortlichen, wie auf die neuen Protestformen zu reagieren war. Das selbstverwaltete Jugendzentrum KOMM (Kommunikationszentrum) veranstaltete an diesem Tag eine 28 Entschließung der CSU-Landesgruppe zur Einsetzung einer Arbeitsgruppe zum Thema „Jugend und Zukunft“, 13.1.1979, ACSP LG 1979:1. 29 „,Neue Rebellion unserer Jugend ist zu erwarten‘“, in: Die Welt, 4.11.1980. 30 Bruno Heck: „Politikverdrossenheit der Jugend als Herausforderung für Staat und Gesellschaft“, in: Eichholz Brief, Nr. 1, 1981.
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Filmvorführung zur Hausbesetzerszene in den Niederlanden, an deren Anschluss eine Demonstration durch die Nürnberger Innenstadt stattfand. Aus den Reihen der überwiegend jungen Teilnehmer, deren Zahl die Polizei auf etwa 200 schätzte, kam es während der Demonstration zu Sachbeschädigungen. Nach dem Ende der Demonstration versammelten sich die Teilnehmer erneut im Jugendzentrum, das von der Polizei abgeriegelt wurde mit der Aufforderung an die Demonstranten, das Gebäude zu verlassen. Mit der Aussicht auf eine lediglich erkennungsdienstliche Erfassung folgten die Teilnehmer den Anweisungen der Polizei, wobei es schließlich zu einer „Massenverhaftung“ von 141 Anwesenden kam.31 Als Grund nannte die Polizei laut dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ den Verdacht eines „gemeinschaftlich begangenen Vergehens des Landfriedensbruchs“.32 Gegen diese Polizeiaktion regte sich bundesweit Kritik, die nicht auf die jungen Alterskohorten begrenzt blieb, sondern auch von den Oppositionsparteien im bayerischen Landtag, Gewerkschaften und Rechtsexperten geäußert wurde, die in dem Vorgehen der Landesregierung einen Rechtsbruch zu erkennen meinten.33 Bei den öffentlichen Protesten gegen das Vorgehen kam es teilweise ebenfalls zu Sachbeschädigungen, gewaltsame Exzesse blieben allerdings aus. CSU-Politiker hingegen sahen die Reaktion der Justiz als angemessen an, insbesondere, um ähnliche Verhältnisse zu verhindern, wie sie beispielsweise in West-Berlin durch die Hausbesetzerszene vorherrschen würden. Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß sprach mit Blick auf das Vorgehen gegen die Demonstranten in Nürnberg sogar davon, den „,Kern einer neuen terroristischen Bewegung‘ zerschlagen“ zu haben.34 Gegen diesen Vergleich von jungen Demonstranten und Terroristen gab es aus der Schwesterpartei CDU allerdings Einwände. So waren laut dem rheinland-pfälzischem Justizminister Carl-Ludwig Wagner „keine Hinweise“ auf eine terroristische Unterwanderung der Jugendproteste vorhanden, sodass eine solche Gleichsetzung ihm zufolge „,tunlichst nicht vorgenommen werden‘“ sollte.35 CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sprach sich ebenfalls dagegen aus, junge Demonstranten „mit Gewalttätern in einen Topf“ zu werfen; gleichzeitig ließ er Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Reaktion der bayerischen Justiz erkennen.36 Die Härte des Vorgehens in Bayern war in den Augen der CSU ein Signal gegen die bislang zu nachlässige Gangart vor allem sozialdemokratisch geführter Regierungen gegen die Hausbesetzerszene. Diese waren eine der meistbeachteten Protestformen der neuen Jugendunruhen und richtete sich zunächst gegen die Wohnungspolitik in vielen Städten, vor allem in West-Berlin, da trotz akuter Wohnungsnot viele Häuser meist aus Spekulationsgründen leer standen. So sympathisierte auch ein Großteil der bundesdeutschen Bevölkerung mit den Hausbesetzern und ihren Aktionen, da diese mit ihrem Protest auf ein allgegenwärtiges Problem aufmerksam machten. Dabei wurde über die gewaltsamen Ausformungen, die der Protest der Hausbesetzerszene annahm, häufig hinweggesehen. Neben zahlreichen Sachbeschä 31 Willems: Jugendunruhen und Protestbewegungen, S. 210 f., Zitat auf S. 211. 32 Gerhard Mauz: „Nach der Hetzkampagne …“, in: Der Spiegel, Nr. 6, 7.2.1983. 33 Vgl. u. a. „,Sind wir denn hier in Südamerika?‘“, in: ebd., Nr. 12, 16.3.1981; Willems: Jugendunruhen und Protestbewegungen, S. 211. 34 „,Sind wir denn hier in Südamerika?‘“, in: Der Spiegel, Nr. 12, 16.3.1981. 35 Ebd. 36 Erich Hauer: „,Junge Demonstranten nicht mit Terroristen in einen Topf werfen‘“, in: Westfälische Rundschau, 14.3.1981.
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digungen während Demonstrationen suchte ein Teil der Protestierenden immer wieder gezielt die direkte Konfrontation mit der Polizei.37 Der Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus im April 1981 stand bei allen Parteien ganz im Zeichen des Umgangs mit der Hausbesetzerszene. Der Spitzenkandidat der CDU, Richard von Weizsäcker, betonte vor dem CDU-Bundesvorstand, dass „nicht die Frage der Zukunftsperspektiven durch Ausbildung und Arbeitsplatzsicherung […] das entscheidende Thema“ sein könne, sondern die Frage nach der Einhaltung des Rechts in Bezug auf die Hausbesetzungen. Hier engte von Weizsäcker den Begriff der Zukunftschancen allerdings zu sehr auf die Bildungspolitik ein, denn dieses von CDU-Seite im Jahr 1977 breit aufgestellte Thema umfasste auch den Bereich der Wohnungspolitik und hätte somit gut in den Wahlkampf um die Hausbesetzerszene eingebunden werden können. Die CDU müsse im Wahlkampf eine „außerordentliche Anstrengung“ unternehmen, um insbesondere den jungen Wählern zu erklären, „warum gerade in unserem Sinne das Recht die Grundlage für die Freiheit ist“.38 Dies hieß allerdings nicht, dass sich SPD und FDP für mehr Nachsicht gegenüber den Protestierenden aussprachen. Wie Bundesjustizminister Jürgen Schmude von der SPD in einer Bundestagsdebatte im März 1981 betonte, brauche es bei der Verfolgung von strafrechtlichen Aktionen „keine Politik der harten Hand“ oder „schärfere […] Gesetze“, sondern verhältnismäßige Reaktionen der Ermittlungsbehörden und der Polizei, deren „Wirksamkeit auf lange Sicht“ gewährleistet sein müsse.39 Die Forderungen nach einer härteren Gangart gegen die Hausbesetzer in WestBerlin und der Durchsetzung gültigen Rechts trugen mit dazu bei, dass die CDU erstmals seit knapp 26 Jahren wieder den Regierenden Bürgermeister stellte. Ein Jahr nach der Wahl betonte von Weizsäcker vor dem CDU-Bundesausschuss, dass sich die neue Regierung des Problems dann auch unmittelbar angenommen und vor allem Maßnahmen gegen den Leerstand in Berlin vorgenommen habe, die die Probleme bislang zwar nicht alle restlos gelöst, aber doch schon zu einem „sehr großen Teil“ beseitigt hätten.40 Auflösungserscheinungen begann die Hausbesetzerszene ab dem Moment zu zeigen, in dem sich die Beteiligten über ihre Ziele nicht mehr einigen konnten. Während ein Teil in den Hausbesetzungen eine gezielte Aktion gegen das politische System sah und aktiv neue Formen des Zusammenlebens und der Kollektivierung austesten wollte, war ein anderer Teil bestrebt, die Hausbesetzungen legalisieren zu lassen, was den bisherigen Protest quasi beendet hätte.41 Neben Überlegungen der Parteien, wie dem neuen Jugendprotest politisch beizukommen sei, beschäftigten sich die verschiedenen Parteizentralen mit der Ursachenforschung, um den Protest besser verstehen und in der Folge den protestierenden Teil der Jugend wieder in die Gesellschaft integrieren zu können. Die Erklärungsansätze knüpften dabei nahtlos an die bereits in den Jahren zuvor geäußerten Bedenken angesichts einer zunehmenden Werte- und Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft an. Helmut Kohl spitzte die aktuelle Lage zu und sah in dem, „was sich gegenwärtig abspielt in der Bundesrepublik, die tiefgreifendste geistig-moralische Krise dieser Republik […] seit den Tagen der 37 Vgl. Willems: Jugendunruhen und Protestbewegungen, S. 273 f., 279. 38 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 5.4.1981, S. 361. 39 Sten. Ber. BT, 9. WP, 19.3.1981, S. 1211. 40 Bundesausschuss der CDU, Sitzung am 10.5.1982, ACDP 07-001-715. 41 Vgl. Willems: Jugendunruhen und Protestbewegungen, S. 274, 278 f.
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Begründung der Bundesrepublik Deutschland“. Es gebe bislang allerdings „keine politisch-geistige Kraft, die dieses Thema offensiv angehen kann“, es sei aber „unsere Pflicht, das zu tun“. Die „Sozialdemokraten können es nicht tun aus ihrem Ideologie-Verwobensein und aus ihrer Zerrissenheit in der Ideologie. Die Freien Demokraten können es nicht tun, weil sie aus ihrem opportunistischen Partei- und Liberalismusverständnis dazu inzwischen leider unfähig geworden sind. Das heißt also: Das ist unsere Chance.“ Daher würden die Unionsparteien zeitnah „ein Arbeitsprogramm vorlegen, in dem eben die Frage der jungen Generation zentral angesprochen ist“.42 Bereits eine Woche vor diesen Äußerungen Kohls in der Sitzung der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag war der Jugendprotest ein Thema des Bundesparteitages der CDU in Mannheim. Der Vorsitzende der Jungen Union, Wissmann, kritisierte die bisherige Reaktion seiner Partei auf die Unruhen, die sich seiner Ansicht nach zu einseitig auf den „Punkt Demonstrationstrafrecht“ konzentrierte. So entstünde doch der Eindruck, dass die Union nur mit „einfachen Antworten“ auf die Proteste reagiere und ansonsten „nichts Konkretes“ beizutragen habe. Es sei daher notwendig, dass CDU und CSU auch selbstkritisch „ernsthafter nach den Ursachen fragen“. Wissmann selbst sah die „zentrale Ursache alles dessen, was sich hier abspielt, darin, daß viele Jugendliche sich in einer immer komplexeren, unüberschaubareren, anonymeren, kälteren, ja aggressiveren Gesellschaft immer weniger geborgen fühlen, immer weniger Mitmenschlichkeit spüren, immer weniger Spielraum für eigene Initiativen haben“, zusammengefasst also die Orientierungslosigkeit, die seit Anfang der 1970er Jahre bereits beobachtet worden war.43 Vorab hatten bereits Helmut Kohl und Heiner Geißler in ihren Reden die Ursachen des neuen Protestes zu erklären versucht und waren dabei zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen. Vor allem Geißler ging ausführlich auf die unmittelbaren Auslöser der Unruhen, aber auch die tiefer liegende Verunsicherung in der jungen Generation ein.44 Die Union müsse Orientierung schaffen, die Jugend brauche Sicherheit, brauche hierzu auch wieder einen leichteren Einstieg, einen besseren Zugang. Wissmann sah letztlich die Aufgabe der Unionsparteien darin, zunächst in den von ihnen regierten Bundesländern dafür zu sorgen, „überschaubare Einheiten“ beispielsweise in der Schule oder im Wohnungsbau zu schaffen beziehungsweise zu erhalten. Zugleich appellierte der JU-Vorsitzende an seine Partei, dem Eindruck entgegenzuwirken, „nur dann sensibel zu sein, uns nur dann zu engagieren, wenn die nächste Fensterscheibe eingeworfen wird“, sondern sich „ein bißchen stärker um die [zu] kümmern, die nicht auf der Straße stehen, die nicht laut schreien“, um so den Jugendkrawallen von morgen am besten vorzubeugen.45 In den folgenden Monaten beschäftigte man sich in der CDU auf unterschiedlichen Ebenen intensiv mit den Ursachen des Jugendprotests und dessen Folgen für die Politik der Partei. Inhaltlich gab es dabei keine großen Differenzen, lediglich der Fokus der Analysen wurde anders gelegt. So befasste sich eine ganze Ausgabe der RCDS-Zeitschrift 42 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 17.3.1981, ACDP 08-001-1063/1, S. 2. Bereits ein halbes Jahr zuvor hatte sich Kohl ähnlich auf einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands geäußert. Eine wichtige Aufgabe der CDU sei es, „die Jugend, die irritiert ist, die orientierungslos geworden ist, mit einer geistigen Orientierung zu versehen, die dann unsere Vorzeichen trägt.“ Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 6.10.1980, S. 20. 43 29. Bundesparteitag der CDU, 9./10.3.1981 in Mannheim, S. 90. 44 Vgl. ebd., S. 41 f., S. 53 – 58. 45 Ebd., S. 90 f.
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Sonde mit dem Jugendprotest. Besonders hervorzuheben sind dabei die Beiträge von Warnfried Dettling und Thomas de Maizière, die in ihren Analysen neben der Ursachenforschung versuchten, eine Antwort auf die Frage nach dem politischen Umgang mit den Jugendunruhen zu geben.46 Auch die ausgewiesene Jugendpolitikerin Irmgard Karwatzki kam zu ähnlichen Schlüssen wie ihre Parteikollegen und sah als notwendige Maßnahme insbesondere eine größere Ehrlichkeit und Offenheit der Politik.47 Mit einem stärkeren Blick auf die Kommunalpolitik veröffentlichten die Kommunalpolitischen Blätter eine umfassende Analyse der Jugendproteste, in der sich neben den erfragten Erfahrungswerten von haupt- und ehrenamtlichen Kommunalpolitikern mit der jungen Generation auch mit den weitreichenderen Ursachen der Proteste befasst wurde.48 Untersucht wurde in den verschiedenen Ausarbeitungen zudem der Zusammenhang des neuen Jugendprotestes mit den Studentenunruhen Ende der 1960er Jahre. Dabei traten in diesem Vergleich deutliche Unterschiede hervor, da die Voraussetzungen, Inhalte und Ausformungen der Proteste sehr verschieden waren.49 Warnfried Dettling, Leiter der Hauptabteilung Politik in der CDU-Bundesgeschäftsstelle stellte bereits im Hinblick auf die Ziele eklatante Abweichungen fest. So hätten die Beteiligten der Studentenunruhen vor allem eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“ erreichen wollen, während der „zweite Protest zunächst geradezu ziellos“ erscheine. Bei genauerem Hinsehen sei aber erkennbar, dass es sich „um eine Bewegung gegen den technisch-ökonomischen Fortschritt“ handele.50 Dettling charakterisierte die Studentenunruhen Ende der 1960er Jahre darüber hinaus als eine „politische Bewegung“, die sich auf „herausragende Führungsfiguren“ gestützt hätte und von einer „kleine[n] gebildete[n] Elite“ getragen worden sei. Der aktuelle Protest artikuliere sich hingegen hauptsächlich durch „eine Gleichgültigkeit gegenüber politischen Vorschlägen“ und habe keine „herausragenden Führer“ vorzuweisen. Andererseits erfasse die neue Jugendbewegung die „gesamte Bundesrepublik, das heißt auch kleine Städte und Gemeinden“ und sei nicht wie die Studentenproteste vor allem auf die Universitätsstädte begrenzt. Ein weiterer großer Unterschied liege zudem im theoretischen Unterbau der Protestbewegungen. Die Studentenbewegung „fand ihr theoretisches Fundament in der neomarxistischen Kapitalismuskritik“, wohingegen der neue Protest „keine umfassende Theorie kenne“ und damit „im wirklichen Sinne […] sprach-los“ sei.51 Die Feststellung, dass der Studentenprotest Ende der 1960er Jahre vor allem von einer kleinen Elite gebildet worden war, veranlasste Matthias Wissmann zur Annahme, dass es in dieser Bewegung mehrheitlich „um reformerische Verbesserungen und strukturelle Veränderungen von einer gesicherten und erträglichen Ausgangslage“ aus gegangen war. Der neue Protest und die darin artikulierten Probleme seien mithin „ernster, 46 Vgl. Warnfried Dettling: „Der zweite Protest – eine Herausforderung für die Politik“, in: Sonde 2/3 1981, S. 15 – 29; Thomas de Maizière: „Jugendprotest – Ursachen und Konsequenzen“, in: ebd., S. 30 – 36. 47 Vgl. Irmgard Karwatzki: „Jugendprotest im demokratischen Staat“, in: Frau & Politik, Nr. 7, Juli 1982, S. 4 f. 48 Vgl. Michael Maiworm: „Jugend in der Kommune: Auflehnung und Apathie“, in: Kommunalpolitische Blätter, Nr. 7, Juli 1981. 49 Zur Abgrenzung beider Protestbewegungen vgl. auch Kraushaar: 1968, S. 312. 50 Warnfried Dettling: „Der zweite Protest – eine Herausforderung für die Politik“, in: Sonde 2/3 1981, S. 16. 51 Ebd., S. 15 f.
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weil sie aus Not und Mangel geboren“ seien und sich „ein relevanter Teil der Jugendlichen überhaupt noch eine gewisse Chance für Arbeit und Leben“ zu erhalten versuche.52 Mit dieser Aussage brachte der JU-Vorsitzende ein gewisses Verständnis gegenüber den Ursachen des Protestes auf, nicht aber gegenüber dessen Ausformungen. Auch in Teilen der Presse versuchten sich die Journalisten an einem Vergleich der Zielsetzungen der beiden Protestbewegungen. Dabei wurde unter anderem herausgestellt, dass Ende der 1960er Jahre noch verstärkt außenpolitische Themen wie der Vietnam-Krieg angeprangert worden waren, während die neue Bewegung Anfang der 1980er Jahre egozentrischer veranlagt sei und es mehr um Selbstverwirklichung gehe.53 Eingehend debattiert wurde der Jugendprotest in verschiedenen Veranstaltungen auf unterschiedlichen Parteiebenen. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Sachverständigendiskussion der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 25. Mai 1981, die Sitzung des JU-Deutschlandrats am 30. Mai 1981 sowie die Fachausschusssitzung der Kommunalpolitischen Vereinigung Nordrhein-Westfalen im Oktober 1981. In deren Nachgang wurden eigene Papiere und Beschlüsse veröffentlicht, die neben der Ursachenanalyse des Jugendprotests auch Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Jugendlichen beinhalteten. Dass die verschiedenen Analysen der Ursachen des Protests zu ähnlichen Ergebnissen kamen, liegt daran, dass zum größten Teil die im November 1980 erschienenen Thesen zu den Jugendunruhen der Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen aus der Schweiz hinzugezogen wurden.54 Ein besonderes Augenmerk legten diese auf den fehlenden Dialog zwischen der Politik und der Jugend und stellte die Behauptung auf, dass die „Jugendunruhen nicht ausgebrochen“ wären, wenn „wir nicht zwischen und auch innerhalb der Generationen verlernt hätten, miteinander zu reden“. In ihrer Ursachenanalyse bestätigte die Kommission letztlich die Motive, die in der Union bereits in der Debatte über die Orientierungslosigkeit in der jungen Generation ausgemacht worden waren. So stellte die Junge Union in ihrem auf der Sitzung des Deutschlandrats Ende Mai 1981 verabschiedeten Beschluss zu den Jugendunruhen fest, dass die „Entfremdungsphänomene“, die der Deutschlandrat als tiefere Ursachen für den Protest ausmachte, von dem bereits 1980 verabschiedeten JU-Beschluss „Orientierungskrise und Jugendpolitik“ und dem Thesenpapier der Eidgenössischen Kommission „in verblüffend ähnlicher Weise beschrieben“ würden.55 Den Fokus ihrer Ursachenforschung legte die Eidgenössische Kommission vor allem auf zwei Aspekte, wie die von der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU herausgegebenen Kommunalpolitischen Blätter zusammenfassten: auf den immer enger werdenden „Spielraum zur individuellen Entfaltung“ sowie die „dunkle[n] Zukunftsaussichten“ der Jugend, da der „materielle Wohlstand […] nicht gesichert; der eigene Beitrag dazu […] nicht als sinnvoll empfunden“ werde. Die Erklärung für das Ausmaß der Aggressivität bei einem Teil der Jugend erschien laut der Kommunalpolitischer Blätter allerdings arg konstruiert: Die Kommission versuche die gewalttätigen Proteste damit 52 Wissmann: Rezepte gegen die Resignation, S. 32. 53 Vgl. u. a. Dieter Pienkny: „,Verantwortung proben‘“, in: Berliner Volksblatt, 12.4.1981. 54 Auch in der SPD wurden die Thesen in der Ursachenanalyse hinzugezogen. Vgl. u. a. Sozialdemokratischer Pressedienst, 19.1.1981. 55 Beschluss des Deutschlandrates vom 30.5.1981 in Mainz „Weder Anbiederung noch Verhärtung. Stellungnahme der Jungen Union Deutschlands zu den gegenwärtigen Jugendunruhen“, in: JU-digest, Nr. 7/8 1981, S. 1 – 4.
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zu rechtfertigen, dass die „Jugendlichen in einer Welt aufwachsen, in der sie dauernd mit Gewalt, auch mit legitimierter, konfrontiert“ seien.56 Ein größerer Nachteil des Thesenpapiers liege zudem darin, dass die Kommission „zwar scharfe Gesellschaftskritik übt, konkrete Schuldzuweisungen aber peinlich vermeidet“ und damit die geforderte stärkere Ehrlichkeit und Offenheit der Politik zum Teil konterkariere.57 In ihren Lösungsansätzen kamen die verschiedenen Ausarbeitungen aus der CDU übereinstimmend zum Schluss, dass ein neuer Dialog mit der jungen Generation dringend notwendig sei, in dem die Politik die Sprache der Jugend verstehen lernen müsse.58 Konkrete Handlungsvorschläge für die Frage, wie CDU-Mitglieder den Teil der Jugend ansprechen könnten, der sich von der Politik abgewendet hatte, gab eine Zusammenfassung der Diskussion der Fachausschusssitzung der Kommunalpolitischen Vereinigung Nordrhein-Westfalen am 23. Oktober 1981. Die darin aufgestellten neun Thesen waren dabei ganz „bewußt provokativ formuliert […], um damit einen Anstoß zur Aufnahme und Weiterbehandlung dieser für die Partei wichtigen Thematik zu geben“. So brauche die CDU beispielsweise „verstärkt Ecken und Kanten“, müsse „Widerspruch und Kritik […] in der Partei“ enttabuisieren und zu „brutaler Ehrlichkeit finden“. Auch seien „völlig neue Formen der Parteiarbeit [zu] entwickeln und [zu] praktizieren“, um mehr Menschen anzusprechen sowie die eigene Politik stärker zu personifizieren.59 Solcherlei Forderungen waren in politischen Parteien allgemein und speziell mit Blick auf die jugendpolitische, innerparteiliche Debatte in der CDU mit Sicherheit nicht neu, fielen aber just in die Zeit, in der von der Parteispitze ein geschlosseneres Bild verlangt wurde und kontroverse Diskussion über Sachthemen nach außen hin möglichst vermieden werden sollten.60 Die Ursachenanalyse beschränkte sich nicht ausschließlich auf den Blick in die Vergangenheit oder auf akute Auslöser von Protestaktionen. Ein Blick in die Zukunft wurde von CDU-Spitzenpolitikern ebenso gewagt und dabei auf problematische Entwicklungen in der Wirtschaft und bei den Arbeitslosenzahlen hingewiesen. Durch das Drängen der geburtenstarken Jahrgänge auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt verschärfe sich das Problem der Jugendarbeitslosigkeit erneut, wie Kohl Mitte Februar 1981 vor der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion betonte. Dabei verwies er auf entsprechende Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit, die einen besorgniserregenden Trend insbesondere in Bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit verdeutlichten.61 Das Thema Jugendarbeitslosigkeit rückte die Union dann vor allem im kurzen Bundestagswahlkampf 1983 stark in den Vordergrund. Seit dem erfolgreichen Konstruktiven Misstrauensvotum vom 1. Oktober 1982 stellte sie die führende Regierungspartei und mit Helmut Kohl den neuen Bundeskanzler. So versuchte die neue Bundesregierung in der kurzen Zeitspanne bis zu den Bundestagswah 56 Michael Maiworm: „Jugend in der Kommune: Auflehnung und Apathie“, in: Kommunalpolitische Blätter, Nr. 7, Juli 1981, S. 602. 57 Ebd., S. 605. 58 Vgl. u. a. ebd., S. 602, 611; Beschluss des Deutschlandrates vom 30.5.1981 in Mainz „Weder Anbiederung noch Verhärtung. Stellungnahme der Jungen Union Deutschlands zu den gegenwärtigen Jugendunruhen“, in: JU-digest, Nr. 7/8 1981, S. 1 – 5; Arentz: Wege zur Jugend, S. 12. 59 Arentz: Wege zur Jugend, S. 18 – 22. 60 Vgl. hierzu das Kapitel „Die Basis ,unserer politischen Existenz‘ – Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre“. 61 Vgl. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 10.2.1981, ACDP 08-001-1062/2, S. 8. Vgl. auch Franz Schmedt: „,… dann würde der DGB über Generalstreik diskutieren‘“, in: Osnabrücker Zeitung, 21.3.1981.
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len im März 1983 der Jugendarbeitslosigkeit mit entsprechenden Maßnahmen wie einer Ausbildungsplatzgarantie entgegenzuwirken.62 Zuvor hatten sich die sozial-liberale Bundesregierung und die Koalitionsparteien ebenfalls intensiv mit den Auswüchsen und den Ursachen des neuen Jugendprotestes beschäftigt. Damit waren SPD und FDP nicht so untätig gewesen, wie Kohl als Oppositionsführer auf der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Mitte März 1981 behauptet hatte. In der SPD hatten sich bereits kurz nach Aufflammen der Proteste zwei Arbeitsgruppen auf unterschiedlichen Ebenen gebildet, die zum Thema „Jugend und öffentliche Gewalt“ Arbeitspapiere erarbeiten sollten. Während die Arbeiten in der adhoc-Arbeitsgruppe Jugend beim Parteivorstand Ende März 1981 noch nicht begonnen hatten, stand ein Konzept der Kommission der Berliner SPD, das sich vor allem mit dem Problem der Hausbesetzungen befasste, zum gleichen Zeitpunkt bereits kurz vor dem Abschluss, was mit großer Wahrscheinlichkeit der Dringlichkeit des Problems und den kurz bevorstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus geschuldet war.63 Die Arbeitsgruppe Jugend beim Parteivorstand unter dem Vorsitz der Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Antje Huber, legte schließlich im Juni jugendpolitische Thesen vor, die als Grundlage für die parteiinterne Diskussion über die Jugendpolitik dienen sollten.64 Neben dem Versuch einer Charakterisierung der protestierenden Jugend sowie der Ursachenanalyse, zog die SPD in ihren Thesen ähnliche Konsequenzen aus dem Jugendprotest wie die CDU. So war auch aus Sicht der SPD ein neuer Anlauf des Dialogs mit der Jugend notwendig, der allerdings nicht als Anbiederung an die jungen Menschen verstanden werden solle, sondern nur glaubwürdig erscheinen könne, wenn gleichzeitig die eigene Politik überprüft und gegebenenfalls geändert würde.65 In der FDP trugen die Jugendproteste dazu bei, dass sich die Freien Demokraten stärker als bisher um die junge Generation bemühen wollten. Vom Bundesvorstand wurde im Herbst 1981 für diesen Zweck eine Jugendkommission eingerichtet, die unter anderem Fragen zum Verhältnis der FDP zur Jugend klären sollte, etwa, welche Zielgruppe innerhalb der Jugend überhaupt für die Partei ansprechbar sei und auf welche Weise sie den Dialog mit der jungen Generation durchführen könne.66 Die Bundesregierung versuchte anhand verschiedener Ausarbeitungen ebenfalls, sich den unterschiedlichen Ursachen und deren Bekämpfung zu nähern.67 Auch direkte Gespräche mit Jugendverbänden zu diesem Thema – unter anderem durch die zuständige Fachministerin Huber – sollten dazu beitragen, die entstandene Kluft zwischen der Politik und vielen Jugendlichen zu überwinden.68 In ihren Schlussfolgerungen lagen die Auswer 62 Vgl. hierzu das Kapitel „,Mit der Jugend‘ – Der Jugendparteitag der CDU“. 63 Vgl. „Parteien grübeln über Jugendrevolte“, in: Münchner Merkur, 26.3.1981. 64 Vgl. PPP, 10.6.1981. 65 Vgl. Vorstand der SPD (Hg.): SPD und Jugendprotest. 66 Vgl. Protokoll der konstituierenden Sitzung der FDP-Jugendkommission, 6.11.1981, ADL Bestand Kommissionen, Kommission Liberale Jugendpolitik 4253. 67 Vgl. u. a. Vermerk Jürgen Linde an Herbert Wehner über die Situation der Jugend, 16.2.1981, BArch B 189/22203; Ausarbeitung „Zur aktuellen Situation der Jugend in der Bundesrepublik Deutschland – Analyse und mögliche Folgerungen anhand der Ministergespräche zu jugendpolitischen Fragen“, o. A., 26.3.1981; BArch B 189/22204; Kurzfassung der Ausarbeitung „Jugend in der Bundesrepublik heute – Aufbruch oder Verweigerung“, o. A., November 1981, BArch B 189/22204. 68 Vgl. Kurzbericht Steiniger über Besprechung zwischen Antje Huber und Vertretern des DBJR über Jugendprobleme am 24.2.1981, o. D., BArch B 189/22203.
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tungen der Bundesregierung nicht weit von denen der Unionsparteien entfernt. So sahen die Koalitionsparteien wie die Union ein gewachsenes Desinteresse der Jugend, sich politisch zu engagieren, eine gewissen Fortschrittsangst in der jungen Generation sowie eine Abneigung vieler Jugendlicher gegenüber verstärkten Verplanungs- und Bürokratisierungstendenzen von Staat und Gesellschaft.69 Auf Vorschlag der Bundestagsfraktionen von SPD und FDP sollte sich neben parteiinternen Überlegungen auch das Parlament mit den tieferliegenden Ursachen der Jugendproteste und deren Lösungen befassen. Zu diesem Zweck beantragten beide Fraktionen die Einrichtung einer Enquête-Kommission, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen sollte.70 Zur Begründung führte der SPD-Abgeordnete Rudolf Hauck an, dass die Probleme, die die Unruhen ausgelöst hatten, zwar allgemein bekannt und alle Parteien auch um deren Lösung bemüht seien, es aber „keine Patentrezepte“ gebe und es daher „doch folgerichtig und legitim [sei], daß sich der Gesetzgeber bemüht, Ursachen und Formen dieser Entwicklung zu untersuchen und sich durch die einzusetzende Kommission Entscheidungshilfen“ verschaffe.71 Aufgabe der Enquête-Kommission sollte es sein, „Ursachen, Formen und Ziele des Protestes junger Menschen, der sich beispielsweise in Demonstrationen, Gewaltanwendungen, bewußtem Hinwenden zu alternativen Lebensformen oder teilweise auch in der resignativen Abwendung von der Gesellschaft äußert, zu untersuchen“. Neben dem Ausloten von „Möglichkeiten für eine Verbesserung des Verständnisses zwischen den Generationen, zwischen Jugend und Politik sowie für eine Förderung von Demokratie- und Staatsverständnis der jungen Menschen“ sollte sie prüfen, „welche Wege möglich und notwendig sind, um die Lage der Jugend zu verbessern und Spannungen abzubauen“ und die Frage klären, ob hierfür „gesetzgeberische Maßnahmen insbesondere in den Bereichen der Jugend-, Familien-, Bildungs-, Wohnungs-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Rechtspolitik erforderlich sind“.72 In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sprachen sich die Abgeordneten grundsätzlich für die Einrichtung der Enquête-Kommission aus, da eine Verweigerungshaltung laut Kroll-Schlüter auch aus dem Grund „keinen Sinn“ ergebe, weil ein „solcher Beschluß mit 25% des Parlaments durchgesetzt werden kann“ und es in der Öffentlichkeit gerade bei einem solchen Thema nicht gut aufgenommen werden könnte, sollten sich die Unionsparteien auf die „Negativ-Seite“ schlagen. Stattdessen solle die Fraktion zur konstruktiven Mitarbeit bereit sein, allerdings, wie Kroll-Schlüter mit Blick auf den Titel der Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat“ einschränkend hinzufügte, „unter den Voraussetzungen, daß es jetzt nicht nur […] um Jugendprotest geht, […] sondern wenn schon eine Enquête-Kommission, dann etwas breiter angelegt“.73 Die Sorge einiger Abgeordneter bestand nämlich darin, dass durch die Einengung des Kommissionsauftrags auf die Analyse des Jugendprotests eine Untersuchung der „,Werte-Frage‘ in diesem Zu 69 Auf die Tatsache, dass die Bundesregierung zu ähnlichen Ergebnissen wie die CDU in ihrer Ursachenanalyse kam, weist unter anderem eine handschriftliche Notiz „Zu viel geklaut?“ von Steiniger neben einem Redeentwurf von Antje Huber für den Deutschen Städte- und Gemeindebund hin. Weiterer Entwurf einer Rede von Antje Huber vor dem Deutschen Städte- und Gemeindebund über Jugendprobleme, 17.3.1981, BArch B 189/22203. 70 Vgl. BT-Drs. 9/310, 7.4.1981. 71 Sten. Ber. BT 9. WP, 10.4.1981, S. 1654. 72 BT-Drs. 9/310, 7.4.1981. 73 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 7.4.1981, ACDP 08-001-1063/1, S. 25.
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sammenhang“ nicht erfolgen und die Kommission im Ergebnis „von seiten der anderen um eine Analyse der jetzigen Situation herumkommen“ würde.74 Mit ihrem Ansinnen drang die Union allerdings nicht durch, sodass es bei der Bezeichnung der Kommission blieb und diese vom Deutschen Bundestag Ende Mai eingesetzt wurde.75 Mit dem Vorsitz wurde der JU-Vorsitzende Matthias Wissmann betraut,76 der darin auch die Möglichkeit sah, die „Rolle der JU innerhalb der gesellschaftlichen Diskussion [zu] stärken“.77 Gegen diese Personalentscheidung regte sich innerhalb der CSU Widerstand, was zum einen an der Person Wissmann lag, an dem Strauß „Zweifel“ anmeldete, wobei er diese nicht genau spezifizierte,78 aber auch an dem Umstand, dass die SPD im Gegenzug den Vorsitz der noch einzusetzenden Kommission Kernenergie erhielt. Diese sahen einige in der CSU thematisch bedeutender an als eine Kommission, die sich mit Jugendfragen befasste.79 Einen Zwischenbericht ihrer bisherigen Arbeit legte die Enquête-Kommission ein Jahr später dem Deutschen Bundestag vor.80 Auf der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion am 25. Mai 1982 stellte Wissmann wesentliche Punkte aus diesem vor der Debatte im Bundestag vor und wies dabei auf ein „gewisses öffentliches Interesse“ hin mit der Bitte an seine Parteikollegen, „daß wir auch ein parlamentarisches Interesse daran dokumentieren“ und den Zwischenbericht nicht in der Schublade verschwinden lassen. Denn trotz der aus Sicht der Union vorhandenen „Hypothek“ des Kommissionstitels war es laut Wissmann dennoch „gelungen, an vielen Stellen des Zwischenberichts immer wieder darauf hinzuweisen, daß wir nicht nur die Anliegen einer Minderheit sehen, sondern auch die Anliegen der Mehrheit akzentuieren müssen“. So kamen „in diesem Bericht viel stärker als in vergleichbaren anderen Berichten die Themen ‚Jugend und Ausbildung‘, ‚Jugend und Arbeitslosigkeit‘, ‚Jugend und Schule‘, und damit die Anliegen einer Mehrheit von Jugendlichen zur Geltung“.81 Zentrale Erkenntnis des Zwischenberichts war – wie bereits in den vorgenannten Untersuchungen der CDU –, dass das „Bild des gegenwärtigen Protestes stark von Jugendlichen geprägt [ist]“, man aber anhand „vorliegender Untersuchungsergebnisse und Erfahrungsberichte […] indes davon ausgehen [muss], daß es in der Sache weniger um Probleme der Jugend als um solche der gesamten Gesellschaft und um die Folgen einer verbreiteten Sinn- und Orientierungskrise geht“.82 Für die weitere Diskussion in der Enquête-Kommission sah Wissmann eine wichtige Aufgabe darin, bevorstehende und bereits absehbare Probleme direkt anzusprechen und 74 Ebd., S. 27. 75 Den Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Umbenennung der Enquête-Kommission in „Jugend im demokratischen Staat“ und der damit intendierten breiteren Untersuchungsgrundlage lehnte die Bundesregierung mit der Begründung ab, dass die Jugendberichte für die allgemeine Analyse der Situation der Jugend gedacht seien. Vgl. Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit am 6.5.1981, PA-DBT 3116 A9/13 – Prot. 8. 76 Vgl. Sten. Ber. BT 9. WP, 26.5.1981, S. 2056. 77 Wissmann: Interesse an Lösungen, S. 163. 78 CSU-Landesgruppe 1972 – 1983, 3.6.1981, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CSU-LG, 9. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/csu-lg-09_1981-06-03-t1330_EP.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 79 Vgl. ebd., 6.4.1981. 80 Vgl. BT-Drs. 9/1607, 28.4.1982. 81 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 25.5.1982, ACDP 08-001-1067/1, S. 32. 82 BT-Drs. 9/1607, 28.4.1982.
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Lösungsansätze zu suchen. Vor allem die Integration ausländischer Arbeitnehmer, die Jugendarbeitslosigkeit oder auch die Werte- und Orientierungsvermittlung in der Bildung seien Themenfelder, die besonders ins Blickfeld genommen werden müssten.83 Diese Punkte wurden im Abschlussbericht der Kommission aufgenommen und zusammen mit den bereits im Zwischenbericht getroffenen Aussagen zu den Ursachen und politischen Konsequenzen des Jugendprotestes weiter ausgeführt.84 Bei der Vorstellung des Kommissionsberichts auf einer Pressekonferenz im Februar 1983 – also nach dem Regierungswechsel im Oktober 1982 – betonte Wissmann den grundsätzlichen überparteilichen Konsens in den Ergebnissen. Lediglich zu den Themen Sicherheitspolitik und Wehrdienstverweigerung habe es kontroverse Ansichten insbesondere zwischen den Unionsparteien und der SPD gegeben, womit sich auch im Abschlussbericht die allgemeine politische Lage in der Bundesrepublik rund um die Gründe für den Regierungswechsel widerspiegelte.85 Irmgard Karwatzki, unter dem neuen Bundeskanzler Helmut Kohl zur Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit ernannt, stellte in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Abschlussbericht der Kommission heraus, dass die Koalitionsparteien diesen Bericht „in seiner Anlage und in der Vielfalt seiner Gesichtspunkte als ein grundlegendes jugendpolitisches Dokument“ ansehen würden.86 Diese Bewertung macht indirekt deutlich, welchen Einfluss die Jugendunruhen Anfang der 1980er Jahre auf die Bedeutung der Jugendpolitik innerhalb der Parteien gehabt hatten. Einsetzung, Aufgabe, Arbeit und Ergebnisse der Enquête-Kommission sowie die Debatten im Deutschen Bundestag markierten einen „qualitativen Sprung hinsichtlich Stellenwert, Funktion, Struktur und Thematik wie auch hinsichtlich der Adressaten und Akteure der Jugendpolitik“. Die wesentliche Erkenntnis aus der Arbeit der Kommission, dass es sich bei den Jugendunruhen nicht um ein jugendspezifisches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem handele, machte zudem die Notwendigkeit für die Kommission deutlich, „einen neuen Begriff von Jugendpolitik [zu] entwickeln, der weit über Ressortpolitik hinausreicht […] und die Gestalt einer umfassenden Gesellschaftspolitik annehmen“ musste.87 In dieselbe Richtung hatten bereits die kurz nach dem Ausbruch der Jugendunruhen veröffentlichten parteiinternen Ausarbeitungen hingewiesen. So hieß es beispielsweise in einem Ergebnispapier zur Sachverständigen-Diskussion in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ende Mai 1981, dass es „für die politischen Konsequenzen darauf an[komme], nicht über die Jugend zu reden, sondern die sie bewegenden Themen und Fragen aufzunehmen und Jugendpolitik als wichtigen Bestandteil der Gesamtpolitik zu behandeln“. Damit sollte sich die Jugendpolitik „zu einer ‚jugendgerechten‘ Politik in allen Bereichen“ weiterentwickeln.88 In gleicher Weise betonte die sozial-liberale Bundesregierung, dass sich Jugendpolitik „nicht auf Erziehungs- und Bildungsprobleme beschränken“ dür 83 Vgl. u. a. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 25.5.1982, ACDP 08-001-1067/1, S. 33; Rolf Clement: „,Nicht warten, bis Hungrige protestieren‘“, in: Mainzer Allgemeine Zeitung, 20.8.1982. 84 Vgl. BT-Drs. 9/2390, 17.1.1983. 85 Vgl. Eberhard Nitschke: „Die Kontroverse kam in der Sicherheitspolitik“, in: Die Welt, 3.2.1983. 86 Sten. Ber. BT 10. WP, 24.10.1985, S. 12574. 87 Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 671 f. 88 Papier „Mögliche politische Konsequenzen aus der Sachverständigen-Diskussion“, o. A., 1.6.1981, ACDP 07-001-8261.
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fe, sondern es vielmehr die jugendpolitische Aufgabe der Koalitionsparteien sei, „in allen Bereichen der Politik die Auswirkungen von Entscheidungen auf die jungen Menschen und ihre Zukunft zu bedenken und die Gründe für ihr Handeln besonders jungen Menschen zu verdeutlichen“.89 Diese Betrachtung von Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe war allerdings keineswegs neu, sondern lediglich offenkundiger Ausdruck dafür, dass das Interesse an Jugendpolitik angesichts tagespolitischer Ereignisse wieder einmal anstieg. Zu unterstreichen ist dennoch, dass die Jugendproteste Anfang der 1980er Jahre dazu beitrugen, eine neue breite politische und gesellschaftliche Debatte über die Jugendpolitik anzustoßen und damit ihren Stellenwert zumindest zeitweise enorm anzuheben.90
89 Sprechzettel für den Regierungssprecher zur jugendpolitischen Kabinettsdiskussion am 7.10.1981, o. A., o. D., BArch B 189/22206. 90 Vgl. hierzu auch Entwurf Vorlage zu TOP 8 der Jugendministerkonferenz am 14.5.1981 zum Thema „Hausbesetzung und Jugendunruhen“, 8.5.1981, BArch B 189/22204.
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III. „Frieden schaffen mit weniger Waffen“ – Die Reaktion der CDU auf die neuen sozialen Bewegungen Einen weiteren entscheidenden Einfluss auf die jugendpolitische und gesamtgesellschaftliche Debatte seit Anfang der 1980er Jahre hatten die unterschiedlichen Ausformungen der sogenannten neuen sozialen Bewegungen, deren Entwicklung bereits zu Beginn der 1970er Jahre eingesetzt hatte. Die Entstehung dieser neuen sozialen Bewegungen wurde dabei zu einem nicht unerheblichen Teil von den Studentenprotesten Ende der 1960er Jahre beeinflusst. Eine Erkenntnis der Aktivitäten der Außerparlamentarischen Opposition war unter anderem, dass politische oder gesellschaftliche Veränderungen nicht allein durch die bestehenden Institutionen wie den Parteien hervorgerufen werden konnten, sondern dass sich jeder Einzelne „ganz unmittelbar und anlassbezogen für politischen und gesellschaftlichen Wandel einsetzen konnte, nicht zuletzt im lokalen Umfeld“.1 Die so entstandenen neuen sozialen Bewegungen – ein Begriff, den bereits Zeitgenossen verwendeten, um diese von der „alten“ sozialen Arbeiterbewegung abzugrenzen2 – wurden als „Sammelbegriff […] für eine Vielzahl von Bürgerinitiativen, Protest- und Alternativgruppen [verstanden] […], die in den 1970er Jahren mit bewegungsförmigen Netzwerken eine gesellschaftliche Dynamik jenseits der etablierten Institutionen entfalten“.3 Die Zusammensetzung der unterschiedlichen Initiativen und Protestgruppen war dabei äußerst heterogen, neben wertkonservativen Umweltschützern fanden sich auch neue Linke und überkonfessionelle kirchliche Gruppierungen zusammen.4 Mit ihren verschiedenen Aktionen und ihrem gesellschaftlichen Engagement außerhalb der bestehenden Institutionen trugen die neuen sozialen Bewegungen dazu bei, dass sich das politische Leben in der Bundesrepublik ausweitete und lockerte.5 In den Unionsparteien suchte man zunächst noch nach Ansatzpunkten zum Dialog mit den engagierten Kräften in den neuen sozialen Bewegungen. Ein solcher Ansatzpunkt war aus Sicht des JU-Bundesvorstandsmitglieds Friedbert Pflüger vor allem der „Wunsch nach mehr Subsidiarität“6, da insbesondere aus den Reihen der alternativen Bewegungen die „Übersichtlichkeit, Vertrautheit und Selbstverantwortlichkeit im menschlichen Nahbereich“ wiederhergestellt werden sollte.7 Eine umfassendere Analyse der neuen sozialen Bewegungen legte die sozial-liberale Bundesregierung im Frühjahr 1981 vor, in der die verschiedenen Erscheinungsformen und Zielsetzungen dieser Bewegung dargestellt wurden. Neben der Ökologiebewegung 1 Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 354. 2 Vgl. Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 213. 3 Hockerts: Rahmenbedingungen, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5, S. 153. 4 Vgl. Doering-Manteuffel/Raphael: Nach dem Boom, S. 50. 5 Vgl. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 355. 6 Papier mit Formulierungsvorschlägen und Gedanken für die Zukunftskommission Jugend zum Fragenkatalog von Friedbert Pflüger, 9.5.1982, ACDP 07-001-8919. 7 Matthias Wissmann: „Die Leiden des jungen G. Wir erleben die dritte Jugendbewegung unseres Jahrhunderts“, in: Die Entscheidung, Nr. 2, Februar 1980, S. 5.
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zählten hierzu vor allem die Friedens- und Frauenbewegung und die Jugendzentrumsbewegung. Deren Zusammensetzung, Potential und Größenordnung wurden in der Studie beschrieben und abschließend mögliche Konsequenzen für die Politik aufgezeigt.8 Allerdings ging sie kaum auf die Ursachen der Ausbildung alternativer Lebensformen in der Bundesrepublik ein und „verschweigt“ nach Auffassung von Heiner Geißler geradezu, dass es „politische Fehler und Fehlentwicklungen des letzten Jahrzehnts waren, die zu ihrer Bildung maßgeblich beigetragen“ hätten.9 Aus Sicht der Opposition natürlich ein selbstverständlicher Befund. Insgesamt aber „lobte“ die Union die Vorlage der Studie durch das Bundesministerium, da sich in dieser laut Kroll-Schlüter „,Einsicht und Zustimmung‘ zur Jugendpolitik der Union“ fänden und die „Ministerin offensichtlich jetzt der Auffassung der Opposition zu[stimmt], ,daß der Tendenz großräumiger, bürokratischer Entwicklungen entgegengewirkt werden muß‘“.10 Bezogen auf die verschiedenen Themen, die von den unterschiedlichen Initiativen innerhalb der neuen sozialen Bewegungen nach vorne gebracht wurden, waren es vor allem die Jugendorganisationen der Unionsparteien, die ihre Mutterpartei dazu aufforderten, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und sie aufzugreifen. So habe die Union das Thema Umweltschutz „allzu lange vernachlässigt“11, wie Wissmann befand, obwohl entsprechende Programme „in den Schubladen der Funktionärsschreibtische“ schlummerten.12 Aufgabe aus Sicht der Jungen Union war es daher, so eine Forderung schon im Herbst 1978, „den Motor der Partei […] in Richtung Umweltschutz anzuwerfen, d. h. wir müssen die Ansätze, die ohne Zweifel in diesem Bereich gemacht worden sind, den Bürgern und insbesondere jungen Leuten verdeutlichen“.13 Denn die „Bewahrung unserer Natur, der Schutz der Bürger gerade in den Städten vor menschenfeindlicher Planung, vor übermäßigem Lärm und schlechter Luft muß auch für CDU und CSU ein zentrales Anliegen sein“.14 Auch der RCDS sah den Schutz und Erhalt von Umwelt und Natur als äußerst wichtiges Anliegen insbesondere in der jungen Generation an. So habe die CDU in ihrem Grundsatzprogramm dem Umweltschutz bereits Vorrang eingeräumt – dies auf besonderes Betreiben der Jungen Union.15 In der zukünftigen Strategie der Union müsse die Partei nun vermehrt auf die Förderung alternativer Energieformen eingehen und Anreize für die Nutzung und Weiterentwicklung „z. B. von Sonnenenergie, Wasserstoff, die Entwicklung der Biochemie und eine umweltfreundliche Kohleverwendung“ schaffen. Darüber hinaus müssten auch „diejenigen Themen offensiv [diskutiert werden], die Jugendliche besonders ansprechen (Menschenrechte, internationale Solidarität, Friedenssicherung, Zukunft unserer Gesellschaftsordnung, Sicherung indivi-
8 Vgl. Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit: „Zur alternativen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland“, S. 3 – 15. 9 Heiner Geißler: „Die alternative Kultur als politische Herausforderung“, S. 16. 10 dpa-Meldung, 15.4.1981. 11 Matthias Wissmann: „Der Kommentar“, in: Die Entscheidung, Nr. 8/9, August/September 1978, S. 7. 12 Hans-Dieter Gärtner: „Umweltschutz: Aufgabe der jungen Generation“, in: ebd., S. 31. 13 Ebd. 14 Matthias Wissmann: „Der Kommentar“, in: ebd., S. 7. 15 Vgl. „Junge Union faßte in Hannover zukunftsorientierte Beschlüsse“, in: UiD, Nr. 41, 29.11.1979, S. 13. Die entsprechenden Ziffern 87 und 89 im Grundsatzprogramm betreffen den Umweltschutz und die Energieversorgung. Vgl. CDU: Grundsatzprogramm der Christlich-Demokratischen Union Deutschland, S. 31, 33.
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III. Die Reaktion der CDU auf die neuen sozialen Bewegungen
dueller Freiheitsrechte etc.)“ und die CDU damit „stärker ihren moralischen Anspruch betonen“.16 Die Notwendigkeit der Hinwendung zu den Themen, die die neuen sozialen Bewegungen vorbrachten, wurde in der CDU durchaus auch gesehen. Auf einer Bundesvorstandssitzung im März 1979 betonte Helmut Kohl, dass vor allem die Umweltfrage eine „zutiefst im besten Sinne des Wortes konservative Aufgabe“ sei und „all das, was junge Leute hier anspricht, was auch in kirchlichen Kreisen in die junge Generation dringt, von uns nicht so einfach weggeschoben werden kann“.17 Das galt nach Ansicht des nordrheinwestfälischen Bundestagsabgeordneten Horst Waffenschmidt ebenfalls für das Thema Frieden, das die Union „in der verbalen Darstellung der politischen Gegenseite überlassen“ habe. Hier müsse die CDU „gerade mit Blick auf die junge Generation“ und auf die nächsten Wahlen sich „darstellen als die Partei für den Frieden“.18 Diese Fokussierung der CDU auf die „weicheren Themen“ wurde wie bereits dargestellt nach der Bundestagswahl 1980 im verstärkten Umfang wieder aufgegriffen. Einen sichtbaren Erfolg im Dialog mit den jungen Aktiven brachte dieser neue Fokus also zunächst nicht. Kritisch beurteilten daher einige aus den Reihen der Jungen Union die „,Sonntagsreden‘“ von Politikern aller Parteien in den letzten Jahren, die zwar „immer wieder auf die Bedeutung von Bürgerinitiativen“ hingewiesen hätten, durch die fehlende politische Einbindung dieser engagierten Kräfte aber nun Gefahr liefen, den Anschluss an die jungen Menschen zu verpassen.19 Erfolgreicher war hier eine Partei, die aus den verschiedenen neuen sozialen Bewegungen heraus entstand und mit ihren Themen und den Formen der politischen Beteiligung vor allem die junge Generation ansprechen konnte: die Grünen.20 Zur Erklärung des Aufstiegs und der Etablierung der Grünen als Partei in der Bundesrepublik gibt es mehrere Ansätze. Der soziostrukturelle Erklärungsversuch geht davon aus, dass die etablierten Parteien im Deutschen Bundestag, also CDU, CSU, SPD und FDP, zwar die „gesellschaftlichen Konfliktlinien der Vergangenheit (Industrialismus, Konfession) politisch“ abgebildet, jedoch nicht mehr dem „Zeitgeist“ entsprochen hätten. Ein anderer Ansatz sieht den Aufstieg der Grünen in enger Verbindung mit offensichtlichen Mängeln der „herrschenden politischen Eliten, Parteien und Institutionen“ in der Bundesrepublik.21 Mit Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in den 1970er Jahren – vor allem bezogen auf den Wertewandel und die damit verbundene verstärkte Hinwendung zu „postmaterialistischen“ Werten –, die fast zeitgleich seit Beginn des Jahrzehnts viele westliche Industriegesellschaften erfassten, versucht der soziokulturelle Ansatz den Aufstieg grüner Parteien in diesen Ländern zu erklären.22 In der Bundesrepublik gestaltete sich dieser Aufstieg überaus „dynamisch“, da hier die „Krise der Industriegesellschaft 16 Wulf Schönbohm u. a.: „18 Thesen zur Strategie der Union“, in: Sonde 4 1978, S. 20 f., 23 f. 17 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 19.3.1979, S. 1593. 18 Ebd., S. 1602. 19 Dirk Metz: „1968: Aktion! 1979: Resignation? Energievergeudung statt politischer Auseinandersetzung“, in: Die Entscheidung, Nr. 10, Oktober 1979, S. 22. 20 Vgl. u. a. Kraatz/Peters: Zwischen Abgrenzung und Annäherung, S. 122; Broschüre zur Jugendpolitik der Grünen: Alles verändert sich, wenn du es veränderst, o. D., AGG B.II.2 Bundestagsgruppe Bündnis 90/Die Grünen 1990 – 1994:212. 21 Jäger: Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1974 – 1982, S. 159. 22 Vgl. ebd.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
und des Fortschrittsdenkens besonders intensiv wahrgenommen, […] auch kulturell besonders stark als Krise der technisch-industriellen Moderne insgesamt empfunden“ wurde.23 Die Gründung der Partei der Grünen am 13. Januar 1980 in Karlsruhe stellte vor diesem Hintergrund den „entscheidenden Schritt“24 in der nach Andreas Wirsching „tiefgreifendste[n] Veränderung [dar], die sich im bundesdeutschen Parteiensystem seit den 1950er Jahren“ vollzog.25 Mit dem Auftreten alternativer oder grüner Listen zu den Landtagswahlen 1978 in Niedersachsen, Hessen und Bayern sowie 1980 in RheinlandPfalz und Nordrhein-Westfalen und dem erstmaligen Einzug einer Grünen Liste in ein Landesparlament nach der Bremer Bürgerschaftswahl 1979 wurde den etablierten Parteien noch deutlicher bewusst, dass sie sich mit den Inhalten dieser neuen politischen Bewegungen auseinandersetzen mussten. Mit Blick auf die ersten Erfolge der Listen bei diesen Landtagswahlen setzten die Parteien in ihrer Programmatik zunehmend auf Umweltfragen. In direkter Reaktion auf das Auftreten grüner Listen zur bayerischen Landtagswahl 1978 fügte die CSU in ihr Aktionsprogramm einen eigenen Punkt zu einer „Aktive[n] Umweltpolitik“ ein. Mit dem Versprechen, sich stärker für den Umweltschutz und die damit zusammenhängenden Themen einzusetzen, hielt die CSU in Bayern anschließend grüne Listen für „überflüssig“.26 In der CDU verabschiedete der zuständige Bundesausschuss am 10. Dezember 1979 ein eigenes umweltpolitisches Programm, mit dem man „an eine lange umweltpolitische Tradition“ anschließe und die Union „als erste deutsche Partei ein umfassendes Konzept [vorlegt], das konkret aufzeigt, wie in den 80er Jahren die drängenden Probleme der Daseinsvorsorge durch aktives Handeln im Interesse der Bürger unseres Landes zu lösen“ seien. Im Programm bezog sich die CDU zwar nicht direkt auf das Aufkommen alternativer und grüner Listen, betonte aber eine „bedeutsame Umwertung und Gewichtsverlagerung“ der Ziele „für die Gestaltung und Erfüllung des eigenen Lebens“, die insbesondere in der jungen Generation auftreten würden und die eine neue Betrachtung der Umwelt, auch der sozialen, nötig machten.27 Die verstärkte Behandlung der Themen, die durch den Erfolg der alternativen und grünen Listen in den Vordergrund rückten, ist zu einem großen Teil mit der Tatsache zu begründen, dass diese Gruppierungen eine große Anziehungskraft auf die Jungwähler hatten.28 Bereits im Mai 1978 verwies der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg auf einer Sitzung des CDU-Präsidiums auf den starken „Zulauf von Jugendlichen zu den ‚Grünen Listen‘“ und die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die „,Grünen Listen‘ über die Landtagswahlen hinaus auch bei der Bundestagswahl 1980 antreten werden, möglicherweise kombiniert mit anderen Protestparteien, für deren Argumente die Bevölkerung der Bundesrepublik in zunehmenden Maße zugänglich ist“. Daher halte er es für „dringend erforderlich, politisch relevante Themen noch intensiver und nachhaltiger durch programmatische Aussagen zu besetzen“.29 Gerd Langguth untermauerte die Berichte über den rasanten Zulauf der grünen Listen auf einer Bundestagsfraktions 23 Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 502. 24 Kraatz/Peters: Zwischen Abgrenzung und Annäherung, S. 122. 25 Wirsching: Abschied vom Provisorium, S. 117. 26 Aktionsprogramm zur Landtagswahl 1978, S. 12. 27 „Das Umweltpolitische Programm der Union“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 44/45, 20.12.1979, S. 1 f. 28 Vgl. u. a. Wirsching: Abschied vom Provisorium, S. 119; Winkler: Der lange Weg nach Westen, Bd. 2, S. 351 f. 29 Präsidium der CDU, Sitzung am 22.5.1978, ACDP 07-001-1411.
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III. Die Reaktion der CDU auf die neuen sozialen Bewegungen
sitzung zusätzlich mit Zahlen einer Umfrage von INFAS, die einen Jungwähler-Stimmenanteil der Grünen Listen in Niedersachsen und Hamburg von 14 beziehungsweise 24 Prozent aufwiesen. Als Reaktion auf diese Zahlen verwies der niedersächsische Abgeordnete Horst Schröder darauf, dass „in vielen Gebieten Niedersachsens die Jungwähler, insbesondere die Erstwähler, mit einem geradezu leidenschaftlichen Engagement für die Grüne Liste Umweltschutz tätig waren“. Zusammen mit den Zahlen von INFAS müsse dies der CDU „sicher auch zum Nachdenken Anlaß geben“.30 Ähnliche Ergebnisse einer anderen Umfrage stellte der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth auf einer Bundesvorstandssitzung im Juni 1979 vor, deren Zahlen – bezogen auf BadenWürttemberg – belegen sollten, dass „weite Teile der jungen Generation den Grünen nahestehen“ würden.31 Auf die Union sahen die Parteistrategen durch diese Entwicklungen zunächst jedoch keine größeren Probleme zukommen. Die Gründung der Grünen auf Bundesebene wurde eher als „vorübergehendes Phänomen in der deutschen Parteienlandschaft“ gewertet und nicht als „ernsthafte politische Konkurrenz“.32 Erste Annäherungsversuche und neugierige Gesprächsversuche gab es – zumindest aus den Reihen der Jugendorganisationen – dennoch bereits recht früh. Im RCDS wollte man angesichts der großen Erfolge grüner Hochschulgruppen an den Universitäten Ende der 1970er Jahre die „Herausforderung der Grünen annehmen“.33 In Marburg ging der christlich-demokratische Studentenverband beispielsweise nach dem Erdrutschsieg der dortigen grünen Hochschulgruppe zu den Studentenparlamentswahlen ein Bündnis mit diesem ein, was auf der Bundesvorstandssitzung, auf der der RCDS-Vorsitzende Stefan Dingerkus das Vorhaben verkündete, für Verblüffung und „[g]roße Heiterkeit“ sorgte.34 Diese Bündnisse im universitären Sektor wurden auch deshalb verstärkt eingegangen, um damit die bisherige starke Position der Hochschulgruppen von Jusos und Marxistischem Studentenbund Spartakus zu schwächen.35 So sahen viele in der CDU die Gefahr einer politischen Konkurrenz zunächst vor allem für die FDP und in Teilen auch für die SPD erwachsen. Gerade die FDP verlor mit Blick auf die liberalen Jungwähler Stimmen an die Grünen, die in einigen Wahlkreisen bereits vor den Freien Demokraten lagen.36 Für die CDU-Parteizentrale lag hier zunächst der taktische Vorteil, den das Aufkommen der Grünen mit sich brachte, denn die „koalitionsunwilligen und aus Sicht vieler sozial- wie christdemokratischer Politiker koalitionsunfähigen Grünen […] [würden] eine Sperrminorität gegen die SPD“ bilden und somit „für die Union eine verlockende Option auf den verschiedenen politischen Ebenen“ darstellen.37 Die Einschätzung der Unionsparteien zum Einfluss der alternativen und grünen Listen auf das Jungwählerverhalten wurden insbesondere von der FDP geteilt, die Ende der 30 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 6.6.1978, ACDP 08-001-1053/1, S. 13, 15, Zitat auf S. 15. 31 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 25.6.1979, S. 1888. 32 Kraatz/Peters: Zwischen Abgrenzung und Annäherung, S. 122. 33 Detlef Stronk: „Alternativen mit der CDU. Die Herausforderung der Grünen annehmen“, in: Sonde 3/4 1979, S. 71. 34 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 23.6.1980, S. 2436. 35 Vgl. Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). 36 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 11.6.1979, S. 1740. Vgl. auch Gespräch mit Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). 37 Kraatz/Peters: Zwischen Abgrenzung und Annäherung, S. 125.
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1970er Jahre mit wachsender Sorge auf deren Erfolge in verschiedenen Wahlen schaute. So hatte die Grüne Liste bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein im April 1979 die Freien Demokraten in der gesamten Wählergunst bereits überflügelt.38 Bei der zwei Monate später stattfindenden Europawahl konnten die Grünen insbesondere bei den Jungwählern punkten und lagen bei den 18- bis 25-Jährigen ebenfalls vor der FDP.39 In der SPD hingegen sahen die Parteistrategen in den alternativen und grünen Listen zunächst keine direkte Konkurrenz. Der Erfolg dieser Listen sei vor allem auf die Unzufriedenheit mit den großen Parteien zurückzuführen und weniger auf die Attraktivität der neuen politischen Gruppierungen. Die SPD müsse, da sie wie die Union von einer baldigen Auflösung der Partei ausging, gerade mit den jugendlichen Anhängern der Grünen in einen stärkeren Dialog eintreten und ihnen zeigen, dass man sich erfolgreich für deren Themen einsetze.40 Die bisherige Strategie der SPD hatte unter anderem darin bestanden, die Grünen als „rechtskonservative Ökofaschisten“ zu diffamieren und die Gefahr aufzuzeigen, dass, wer grün wähle, eigentlich die Unionsparteien wähle.41 Aus den eigenen Reihen wurde diese Vorgehensweise früh kritisiert, wie die Süddeutsche Zeitung aus internen Kreisen der SPD erfuhr. So sei es völlig falsch, „auf die ‚Grünen‘ einzudreschen“, stattdessen müsse sich die SPD mit ihnen „sachlich-argumentativ auseinandersetzen“.42 Trotz ihrer Erfolge gerade in der jungen Generation konnten die Grünen in ihrer Programmatik lange keinen eigenen Punkt zu jugendpolitischen Vorstellungen vorweisen. Stattdessen wurde man im Programm der Grünen „mit dem Hinweis vertröstet, ein Jugendprogramm müsse noch erarbeitet werden“. Vor dem Hintergrund der Wahlerfolge unter den Jungwählern sei dies wahrlich „kein Ruhmesblatt“ für die Partei, wie es parteiintern hieß.43 Eine Broschüre mit Aussagen zur Jugendpolitik erschien dann auch erst gegen Ende der 1980er Jahre. Darin betonten die Grünen, dass sie sich „nicht auf das Ghetto einer ‚speziellen‘ Jugendpolitik“ einlassen, sondern „alle Politikbereiche auch an den spezifischen Interessen von Jugendlichen messen“ wollten. Daher machten die Grünen laut eigener Aussage „keine Politik ‚für‘ Jugendliche, sondern ‚mit‘ Jugendlichen“44 – ein Terminus, der von der CDU bereits in den 1970er Jahren verwendet worden war. Eine weitere bedeutende Kraft, aus der sich der Erfolg der Grünen speiste, war die Friedensbewegung in der Bundesrepublik. Diese Initiative entwuchs wie auch die verschiedenen ökologischen Bündnisse den neuen sozialen Bewegungen und gewann durch Aktionen insbesondere der protestantischen Kirche im Bereich der Friedensthematik Ende der 1970er Jahre rasch an Dynamik.45 Zur „größte[n] außerparlamentarische[n] Protestbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik“ entwickelte sich die Friedensbewegung Anfang der 1980er Jahre vor allem im Rahmen der Debatte um den NATODoppelbeschluss und die damit verbundene Stationierung von amerikanischen Mittel 38 Vgl. jugendpolitischer dienst, 25.3.1980. Auch in ACDP 04-007-372/4. 39 Vgl. „Grüne überflügelten FDP in der Gunst der Jungwähler“, in: UiD, Nr. 40, 22.11.1979, S. 10. 40 Vgl. Protokoll der Sitzung der Kommission Jugendpolitik, 28.8.1980, AdsD Bestand SPD-Parteivorstand 2/PVDK000026. 41 Ebd. 42 „SPD läßt sich von der Jugend den Kopf waschen. Offene Diskussion bei einem Kongreß in Nürnberg“, in: Süddeutsche Zeitung, 14.4.1980. 43 Jugendpolitische Blätter, o. D., AGG B.II. 1 – Die Grünen im Bundestag 1983 – 1990:3833. 44 Vgl. Broschüre zur Jugendpolitik der Grünen: Alles verändert sich, wenn du es veränderst, o. D., AGG B.II.2 Bundestagsgruppe Bündnis 90/Die Grünen 1990 – 1994:212. 45 Vgl. Nehring/Ziemann: Führen alle Wege nach Moskau?, S. 84 f.
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streckenraketen.46 Die Themenpalette der Friedensbewegung erstreckte sich allerdings noch weiter – zum Teil mit Überschneidungen zu anderen Initiativen innerhalb der neuen sozialen Bewegungen –, über die Ablehnung der Aufrüstung, Kritik an der Bundeswehr, Fortschrittsangst bis hin zum Protest gegen die zivile Nutzung der Kernenergie – ein bunter Strauß postmaterialistischer Gemütsbewegungen bis Mitte der 1980er Jahre.47 Innerhalb der Friedensbewegung lassen sich nach Andreas Rödder drei Grundströmungen herausfiltern, die diese Bereiche abdeckten: Eine „religiös-kirchliche und pazifistische Richtung rekrutierte sich in besonderem Maß aus dem Protestantismus; unabhängige Linke und Grüne knüpften an die Tradition der Anti-Atomtod- und der OstermarschBewegung der fünfziger und sechziger Jahre und die Konzepte von Neutralität und Drittem Weg an […]; als dritte Strömung kamen kommunistisch beeinflusste und organisierte Gruppen hinzu“.48 Damit unterstreicht Rödder, dass die Friedensbewegung nicht ausschließlich kommunistisch ferngelenkt war, sondern „in der Substanz eine originär bundesdeutsche, aus ihrer Gesellschaft heraus erwachsene Bewegung“ darstellte.49 Zeitgenössisch kategorisierten auch einige in der CDU die Friedensbewegung in unterschiedliche Grundströmungen, die sich in Teilen mit den Ergebnissen der späteren Forschungsliteratur überschneiden. Manfred Wörner unterteilte die Friedensbewegung einmal in einen „wachsende[n], wirklichkeitsblinde[n] Pazifismus in Teilen der jungen Generation, in Teilen der Kirchen, in Teilen der Intellektuellen“ sowie in einen „wachsende[n] Anti-Amerikanismus“.50 Letzterer knüpfe an „latente Perzeptionsmuster an, die in der bundesrepublikanischen Gesellschaft weit verbreitet“ seien und sorge so für eine breitere Akzeptanz der Ziele der Friedensbewegung.51 Einen „besonderen Handlungsdruck“ durch den zunehmenden Erfolg der Friedensbewegung spürte die CDU gerade deshalb, da diese Bewegung „vor allem jüngere, gebildete und kirchennahe Menschen“ ansprach. Entsprechend versuchte die Partei, mit einer Doppelstrategie auf die Friedensbewegung einzugehen: Einerseits grenzte sie sich inhaltlich, teilweise auch mit scharfen Angriffen, von den Zielen der Friedensbewegung klar ab.52 Gleichzeitig versuchte sie mit eigens organisierten Großdemonstrationen und Kongressen zu diesem Thema den Anhängern der Friedensbewegung eine gangbare Alternative anzubieten.53 Der Forderung „Frieden schaffen ohne Waffen“, wie sie mehrheitlich von kirchlichen Gruppen vorgebracht wurde,54 stellte die CDU die Aussage „Frieden schaffen mit weniger Waffen“ gegenüber. Denn nach Auffassung der Christlichen Demokraten sei ein einseitiger, absoluter Gewaltverzicht, wie ihn die Verfechter eines dogma 46 Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 540. Zum NATO-Doppelbeschluss vgl. ders.: Modernitätsskepsis; Gassert/Geiger/Wentker (Hg.): Der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive. 47 Vgl. Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 646. 48 Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 67 f. 49 Ebd., S. 68. Vgl. auch Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 647; Nehring/Ziemann: Führen alle Wege nach Moskau?, S. 96. 50 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 10.2.1981, ACDP 08-001-1062/1, S. 15. 51 Nehring/Ziemann: Führen alle Wege nach Moskau?, S. 90. 52 Dieser Umgang mit der Friedensbewegung hatte laut Heiner Geißler allerdings einen „altertümlichen Anstrich“ der CDU offenbart, der ihr gerade in der jungen Generation einen Ansehensverlust beigefügt habe. Gespräch mit Heiner Geißler (am 23. Februar 2016). 53 Vgl. Bösch: Macht und Machtverlust, S. 218 f. 54 Vgl. Nehring/Ziemann: Führen alle Wege nach Moskau?, S. 89.
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tischen Pazifismus wollten, kurzsichtig, gefährlich und realitätsfern. Dagegen könne ein „bewaffneter Frieden“ bei gleichzeitigem Schutz der Freiheit bewahrt werden. Ein solcher Frieden war nach Ansicht der CDU ebenfalls nicht ohne Risiko, würde aber anhand der bisherigen Erfahrungswerte eher erhalten bleiben können. Dafür müsse die bundesrepublikanische Bevölkerung auch dazu bereit sein, die „schwere, mühselige und vermutlich langwierige Aufgabe“ anzugehen, die „Rüstung unter Kontrolle zu bringen und gleichgewichtig zu vermindern“.55 Die Bemühungen der CDU, eine eigene Friedensbewegung zu etablieren, gingen zudem auf die Feststellung zurück, dass sich die Partei den Begriff „Frieden“ habe stehlen lassen. So drängte Helmut Kohl darauf, dass die CDU das „Wort sofort wieder zurücknehmen“ und mit eigenem Inhalt füllen müsse.56 Eine größere Veranstaltung organisierte beispielsweise die Junge Union gemeinsam mit der „Aktion für Frieden und Menschrechte“ anlässlich des Besuchs des sowjetischen Partei- und Staatschefs Leonid Breschnew in der Bundesrepublik Deutschland am 22. November 1981.57 In einem gemeinsamen Brief von Generalsekretär Geißler und dem JU-Vorsitzenden Wissmann an die Kreisvorsitzenden und Kreisgeschäftsführer der CDU betonten beide, dass sich die Demonstration „Für Frieden und Menschenrechte in Ost und West“ nicht gegen Breschnew wende, sondern eine Aktion sei „für die Durchsetzung der Menschenrechte und für die Sicherung des Friedens in der ganzen Welt“. Für die CDU sei es daher „wichtig, daß wir glaubwürdig unseren Willen zur Freiheit, unser Eintreten für die Menschenrechte und unsere Bereitschaft zur Abrüstung öffentlich dokumentieren“.58 Laut eigener Auffassung war die Veranstaltung in Bonn „die größte Demonstration [außerhalb WestBerlins, Anm. d. Verf.] gewesen, die die CDU seit ihrer Existenz auf die Beine gebracht hat. Die Bereitschaft, hier mitzumachen, ist außerordentlich groß gewesen. Wir sind von 20.000 Teilnehmern ausgegangen in der ersten Prognose, die Sache hat sich verdoppelt, und wenn ein ähnliches Thema noch einmal kommt und wir noch mehr Zeit zur Vorbereitung haben, sind wir glatt in der Lage, auch die doppelte Anzahl auf die Beine zu bringen.“59 Dennoch gelang es der CDU mit ihren Veranstaltungen in dieser Zeit nicht, an die Massenproteste der Friedensbewegung anzuknüpfen und eine „echte Eigendynamik“ zu entwickeln.60 Intensiv beschäftigte sich die CDU auf einer Sitzung des Bundesausschusses im Juni 1981 mit der Friedensthematik, an deren Ende eine Resolution verabschiedet wurde, die den Startpunkt einer umfassenden Diskussion in allen Parteigliederungen darstellen sollte.61 Der baden-württembergische Innenminister Roman Herzog forderte seine Par 55 Jürgen Fuchs: „Frieden in Freiheit. Eine Stellungnahme zur aktuellen Friedensdiskussion“, in: JUdigest, Nr. 5 1981, S. 8. 56 Präsidium der CDU, Sitzung am 28.11.1980, Protokollauszug, ACDP 07-001-1413. 57 Vom 22. bis 25. November 1981 besuchte der Generalsekretär des ZK der KPdSU die Bundesrepublik. Vgl. zum Besuch AAPD 1981, Dok. 334 – 342. 58 „Demonstration für Frieden und Menschenrechte in Ost und West“, in: UiD, Nr. 35, 19.11.1981, S. 14. 59 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 23.11.1981, S. 672. Ähnlich äußern sich im Rückblick auch Franz Josef Jung und Stephan Eisel, die die Demonstration ebenfalls als großen Erfolg der CDU werten. Vgl. Gespräche mit Franz Josef Jung (am 1. September 2016) und Stephan Eisel (am 24. Oktober 2016). 60 Bösch: Macht und Machtverlust, S. 219. 61 Vgl. „Frieden und Freiheit. Resolution zur aktuellen Friedensdiskussion“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 20, 19.6.1981, S. 3.
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tei dazu auf, sich mit der Friedensbewegung „rückhaltlos auseinanderzusetzen“, da sich diese zu einer „Bewegung […] vereinigen [könnte], die eines Tages durchaus das Attribut ‚machtvoll‘ verdienen könnte, wenn wir nicht zur Stelle sind“. Dabei müsse der CDU insbesondere die Entwicklung in beiden Kirchen Anlass zu „größten Sorgen“ bereiten, der man nur mit einer klaren argumentativen Auseinandersetzung an der Basis begegnen könne. In allen Diskussionen, die die CDU zu diesem Thema führte, musste sie laut Herzog immer betonen, dass „wir mit unseren politischen Gegnern nicht darum streiten, ob es in dieser Welt Frieden geben soll, sondern allein und ausschließlich darum, auf welchem Wege er sichergestellt werden kann“.62 Wie bereits beim Ausbruch der Jugendproteste versuchte die CDU intensiv, die Gründe des Erfolgs der Friedensbewegung genauer zu erforschen. Kroll-Schlüter brachte in seiner Analyse die Ursachen des Jugendprotests mit denen der Friedensbewegung zusammen und attestierte insbesondere den jugendlichen Anhängern der Friedensbewegung „Realitätsferne“ und „Wirklichkeitsverlust“. Diese seien in den 1970er Jahren mit Schlagworten wie „Entspannung, Abrüstung, Friedenspolitik, Friedenspolitik ohne Alternative etc., etc.“ aufgewachsen und würden nun auf einmal mit Begriffen wie „Neutronenbombe, Nachrüstung, Aufrüstung, 70 Millionen für ein Flugzeug etc., etc.“ konfrontiert, was bei den jungen Leuten in der Folge zu einer gewissen Verwirrung führen und den starken Zulauf der Friedensbewegung erklären könnte. Aufgabe der Union sei es daher, „in der Diskussion mit diesen Kreisen […] sie wieder hinzuführen zu den Tatsachen, sie wieder hinzuführen zu den Zusammenhängen, sie wieder hinzuführen zu den geschichtlichen Tatsachen, und sie wieder hinzuführen in die Fähigkeit, mit den Tatsachen und mit den bitteren Belastungen zu leben“.63 Eine dagegen weniger auf Konfrontation und Bedenken ausgelegte Haltung gegenüber der Friedensbewegung vertrat die Junge Union. Bereits im Mai 1980 stellte die Kommission Jugendpolitik fest, dass das Thema Frieden in den Jugendverbänden eine immer größere Bedeutung erlangte, sodass aus Sicht der Kommission die Notwendigkeit bestehe, dass sich die Junge Union an dieser Diskussion beteiligen müsse, um hier den Anschluss nicht zu verlieren.64 Die Forderung der Kommission nach einem stärkeren Engagement der JU in der Friedensbewegung wurde auch vom Bundesvorstand der JU unterstützt. Dessen Mitglied Christoph Böhr hielt es 1981 für „unverzichtbar“, dass sich die Junge Union in der Friedenswochen- und Pazifismusbewegung präsent zeige, sah aber gleichzeitig die Schwierigkeiten, die damit für die JU einhergingen. Denn die CDU-Jugendorganisation stoße auf entsprechenden Veranstaltungen unmittelbar auf viel Gegenwind, wenig Verständnis beziehungsweise Sympathien, müsse diese Reaktion aber „aushalten“, um ihre eigene Position nachdrücklich darzustellen.65 Mit ihrer Präsenz und dem Willen zum Dialog mit der Friedensbewegung zeigte sich die JU „[d]eutlich distanziert zur Haltung führender CDU-Politiker“ und signalisierte gleichzeitig, dass sie diese „ernst nehme und nicht von vornherein als kommunistische
62 Bundesausschuss der CDU, Sitzung am 15.6.1981, Rede Innenminister Roman Herzog, ACDP 07-001628. 63 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 23.6.1981, ACDP 08-001-1064/2, S. 11 f. 64 Vgl. Kurzprotokoll der 7. Sitzung der Kommission Jugendpolitik, 11.5.1980, ACDP 04-007-373/1. 65 Schreiben Christoph Böhr an Theodor Westermann über Aktionen der JU zur Friedenspolitik, 23.4.1981, ACDP 04-007-238/1.
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Tarnorganisation abtue“.66 Die Vorgehensweise der Jungen Union gab einigen in der Union nach einer Meldung des SPD-Pressedienstes daher Anlass zur Kritik, da sich diese in ihrer „Strategie […] zur Rückgewinnung kritischer Jugendlicher“ den jungen Vertretern in der Friedensbewegung anbiedere. Auf Widerspruch stieß dabei unter anderem die ablehnende Haltung der JU zum Vermummungsverbot und zur Gewissensprüfung für Wehrdienstverweigerer.67 Zu einer größeren Auseinandersetzung zwischen der JU und ihrer Mutterpartei kam es wegen einer Bemerkung des Bundesvorsitzenden Helmut Kohl anlässlich einer Friedensdemonstration in Bonn Mitte Oktober 1981. Aus Sicht der JU hatte der Parteivorsitzende die Teilnehmer der Demonstration pauschal als „Volksfront“ bezeichnet, was angesichts der ebenfalls dort anwesenden Vertreter der JU somit als Verurteilung und Verunglimpfung der eigenen Leute gewertet wurde.68 Auf dem kurz darauf stattfindenden Deutschlandtag in Köln kam es wegen dieses Volksfrontvorwurfs zu einer längeren Debatte, in der sich die Kritik an der Aussage Kohls „als Katalysator von Unzufriedenheit und Selbstkritik“ entwickelte, da manche in der Jungen Union seit einiger Zeit das Gefühl hatten, „die Union habe ihre Dialogfähigkeit mit breiten Schichten unzufriedener Jugendlicher eingebüßt“.69 In seiner Rede forderte Heiner Geißler seine Partei daher wieder einmal „zur offenen Diskussion auf“, in der es „auf eine differenzierte Erörterung der Probleme“ ankomme und sich „Antworten mit dem Holzhammer verbieten“ würden. In Bezug auf den Volksfrontvorwurf Kohls unterstützte Geißler „ausdrücklich“ die Aussage Wissmanns „zugunsten einer ,differenzierten Politik‘“.70 Kohl, der sich zum Zeitpunkt des Deutschlandtags in den Vereinigten Staaten befand, wurde auf der Veranstaltung vom stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Gerhard Stoltenberg mit den Worten verteidigt, der „Oppositionsführer habe den Begriff sicherlich nicht auf alle Kundgebungsteilnehmer angewendet wissen wollen. Generell treffe der Vorwurf der Volksfront aber auf die Form organisierter Zusammenarbeit zwischen linken Sozialdemokraten und Kommunisten zu.“71 Auf einer kurz darauf stattfindenden Sitzung der Bundestagsfraktion wurde Wissmann vom Oppositionsführer in „altväterlich-autoritärer Manier […] für seine Kritik abgekanzelt“.72 Kohl stieß sich unter anderem daran, dass Wissmann ihn öffentlich dazu aufgefordert habe, sich „von etwas zu distanzieren, was ich nie gesagt habe“. Er habe nie einen pauschalen Vorwurf gegen alle Teilnehmer der Friedensdemonstration ausgesprochen, sondern lediglich von einem „Erlebnis der Volksfront“ gesprochen. Der Parteivorsitzende kritisierte vor allem die Art und Weise der öffentlichen Austragung der Auseinandersetzung seitens der Jungen Union, denn „[w]enn ich mit Ihnen [Wissmann] ein Hähnchen oder ein Hühnchen zu rupfen habe, rufe ich Sie an […] [oder] schreibe 66 „JU fordert Dialog mit Friedensbewegung. Jugendorganisation der CDU legt Thesen zum Hamburger Parteitag vor“, in: Süddeutsche Zeitung, 1.9.1981. 67 PPP, 7.7.1981. 68 In seinen Erinnerungen bekräftigt Kohl seine Einschätzung, bei der „sogenannten[n] Friedensbewegung“ handele es sich in der Mehrzahl um eine „Volksfront mit Kommunisten“. Kohl: Erinnerungen 1930 – 1982, S. 599. 69 „Engagierte und selbstkritische Töne auf dem Deutschlandtag“, in: UiD, Nr. 31, 22.10.1981, S. 11. Vgl. auch Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 450 f. 70 „Kritik der Jungen Union an Kohl. Volksfrontvorwurf gegen Friedensdemonstranten ‚eine undifferenzierte Äußerung‘“, in: Süddeutsche Zeitung, 19.10.1981. 71 Ebd. 72 „Abgekanzelt“, in: Bremer Nachrichten, 21.10.1981.
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ich Ihnen einen Brief oder ich sage Ihnen, was ich davon halte“.73 In dieser Äußerung Kohls wurde – abgesehen von der durchaus vorhandenen Reizbarkeit des Parteivorsitzenden – abermals die unterschiedliche Strategie des Parteivorsitzenden und seines Generalsekretärs deutlich. Letzterer hatte sich nämlich klar hinter den JU-Vorsitzenden gestellt. Kohl hingegen wollte seine Partei als möglichst „unzerstritten […], auf einheitlichem Kurs befindlich“ darstellen, und in dieses „Image paßt Kritik aus den eigenen Reihen nicht“. Doch für Außenstehende konnte sich durch dieses Vorgehen auch ein ganz anderes Bild ergeben: Was für eine Aussagekraft hatte die „sooft offerierte Gesprächsbereitschaft“ insbesondere an die Jugend, wenn schon der eigene JU-Vorsitzende davon nicht Gebrauch machen konnte?74 Die ihrem Vorsitzenden auf der Fraktionssitzung entgegengebrachte Kritik hielt die Junge Union für „,völlig unangebracht‘“. Wissmann und auch Geißler blieben nach der Rüge des Parteivorsitzenden bei ihrem Standpunkt und sahen in der Friedensdemonstration keine „,Volksfrontveranstaltung‘“. Stattdessen müsse die Union sich bemühen, in der Friedensdiskussion weiter mitzureden und den Dialog mit den jungen Aktivisten suchen.75 Eine weitere gegensätzliche Position vertraten Junge Union und Unionsparteien zu einem Thema, das in der Friedensbewegung eine große Rolle spielte: der Wehrgerechtigkeit. Selbst innerhalb der Union gab es keine übereinstimmende Aussage hierüber. Das Thema entwickelte sich im Laufe der 1970er Jahre zu einem Reizthema vor allem unter Jugendlichen, die davon unmittelbar betroffen waren. In der Bundesrepublik galt laut Grundgesetz für Männer ab dem vollendeten 18. Lebensjahr die allgemeine Wehrpflicht. Allerdings durfte niemand zum Dienst an der Waffe gegen sein Gewissen verpflichtet werden, weshalb in solchen Fällen ein Ersatzdienst geleistet werden musste.76 Hierfür musste der Wehrpflichtige seine Gewissensentscheidung vor einer Kommission begründen. Allerdings zeigte die Erfahrung, dass eine solche behördliche Untersuchung der Gewissensentscheidung nur schwer überprüfbar war. Auch überstieg die Zahl der Kriegsdienstverweigerer allmählich die Zahl der eingezogenen Wehrpflichtigen, gleichzeitig gab es nicht genügend Plätze für die jungen Männer, die ihren Ersatzdienst leisten wollten. So kam es vor, dass einige Wehrpflichtige eines Jahrgangs überhaupt nicht zu einem Dienst verpflichtet wurden. Gegen diese Wehrungerechtigkeit regte sich allmählich laute Kritik in der Jugend.77 In der Union versuchte unter anderem Heiner Geißler recht früh, das Thema zu behandeln und zu besetzen. Bereits Anfang 1978 trug der Generalsekretär dem Bundesfachausschuss Jugendpolitik auf, das Thema „Jugend und Ersatzdienst“ in sein Arbeitsprogramm aufzunehmen.78 Die Differenzen in der Auffassung über die Wehrdienstverweigerung zwischen JU und Union wurden bereits zu Beginn der Diskussion deutlich. 1973 gab die JU ein Flug 73 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 20.10.1981, ACDP 08-001-1065/1, S. 24 f. 74 „Abgekanzelt“, in: Bremer Nachrichten, 21.10.1981. 75 „Wissmann steckt nicht zurück. Junge Union streitet mit der CDU weiter um Friedensbewegung“, in: Stuttgarter Nachrichten, 22.10.1981. 76 Vgl. Art. 12a GG a.F. 77 Vgl. „Wehrgerechtigkeit für alle jungen Bürger“, in: UiD, Nr. 37, 25.11.1982, S. 5 f. 78 Vgl. Protokoll der 6. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 15.3.1978, ACDP 07-001-8909. Bereits fünf Monate später legte Kroll-Schlüter dem Bundesfachausschuss ein entsprechendes Papier vor, in dem er auch auf das Spannungsverhältnis zwischen Wehrdienst und Kriegsdienstverweigerung einging. Vgl. Papier über Jugend im Wehr- und Ersatzdienst von Herrmann Kroll-Schlüter, 8.8.1978, ACDP 07-001-8917.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
blatt heraus, mit dem sie die „Abschaffung des Anerkennungsverfahrens für Wehrdienstverweigerer“ forderte.79 Auf dem Parteitag der CDU Westfalen-Lippe im Juli 1981 stellte der dortige Landesverband der Jungen Union einen Antrag zu mehr Wehrgerechtigkeit und zur Abschaffung der Gewissensprüfung. Von den Parteitagsdelegierten wurde dieser Antrag jedoch abgelehnt.80 Wie Helmut Kohl während der Diskussion über die Friedensthematik auf der Bundesausschusssitzung am 15. Juni 1981 betonte, war es nach Auffassung der Union eine „Verfälschung der Verfassungsidee, wenn bei uns die völlige Gleichgewichtigkeit von Wehrdienst und Ersatzdienst zur Debatte steht“.81 Der eigenen Jugendorganisation wurde in der Debatte über die Wehrgerechtigkeit und die Wehrdienstverweigerung zwar „eine wichtige Aufgabe“ zugestanden, doch müsse die Partei auch darauf achten, dass dem eigenen Nachwuchs in dieser Frage die Antworten vermittelt werden, „die nach unserer Überzeugung richtig sind“.82 Dem Gesetzentwurf, den die Anfang Oktober 1982 ins Amt gekommene neue schwarz-gelbe Bundesregierung bereits im November zur Sicherung der Wehrgerechtigkeit einbrachte,83 stimmte die JU letztlich zu, allerdings mit dem Einschub, „eine Überprüfung der Neuregelung im Lichte der alten Beschlüsse und der anfallenden neuen Erfahrungen in Aussicht“ zu haben, wenn das „ohnehin zeitlich terminierte Gesetz in einigen Jahren wieder zur Diskussion steht“.84 Mit der Zustimmung des Deutschen Bundestages am 22. November 1983, amerikanische Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren,85 verlor die Friedensbewegung schließlich eines ihrer stärksten Mobilisierungsthemen und damit rasch an Zugkraft.86 Ihre Bedeutung ist dennoch nicht zu unterschätzen, „reicht sie […] [doch] weit über die frühen 1980er Jahre und das konkrete rüstungspolitische Anliegen hinaus“.87 Der Einfluss der Friedensbewegung auf die Themensetzung der CDU in ihrer Jugendpolitik war sehr groß – wie auch insgesamt die unterschiedlichen Motive der verschiedenen Initiativen innerhalb der neuen sozialen Bewegungen die Debatte um die Ausgestaltung der Jugendpolitik zu Beginn der 1980er Jahre bestimmten. Wie bereits in der Analyse der Jugendproteste aufgezeigt, trugen auch die neuen sozialen Bewegungen 79 Zitiert nach Sten. Ber. BT, 7. WP, 20.6.1975, S. 12762. 80 Vgl. „Parteitag der CDU Westfalen-Lippe. Junge Union entfacht Wehrdienstdebatte“, in: Süddeutsche Zeitung, 6.7.1981. 81 „Unsere Friedenspolitik: Weder rot noch tot“, in: UiD, Nr. 20, 19.6.1981, S. 5 f. 82 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 10.6.1981, S. 466 f. 83 Vgl. BT-Drs. 9/2124, 24.11.1982. In dem Gesetzentwurf der beiden Koalitionsparteien zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes wurde die Gewissensprüfung in ihrer bisherigen Form abgeschafft und „von der Behörde wegverlagert in die Person“. Die Zahl der Zivildienstplätze sollte erhöht werden, bei gleichzeitiger Verlängerung des Zivildienstes auf 20 Monate im Vergleich zur Dauer des Wehrdienstes von 15 Monaten. „Wehrgerechtigkeit für alle jungen Bürger“, in: UiD, Nr. 37, 25.11.1982, S. 7 f., Zitat auf S. 8. Dem Gesetzentwurf stimmte der Deutsche Bundestag auf seiner Sitzung am 16. Dezember schließlich zu. Vgl. Sten. Ber. BT, 9. WP, 16.12.1982, S. 8923. 84 „Für die Junge Union gilt die Parole: Einsteigen statt aussteigen“, in: UiD, Nr. 37, 25.11.1982, S. 11. 85 Vgl. Sten. Ber. BT, 10. WP, 22.11.1983. Vgl. auch Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 623; Wambach: Rainer Barzel, S. 814 – 816. 86 Vgl. u. a. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 540; Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969 – 1990, S. 68; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 648; Münkler: Die CDU im Kreuzfeuer von Oppositionsbewegungen, S. 567. 87 Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 540.
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III. Die Reaktion der CDU auf die neuen sozialen Bewegungen
und die in diesen besonders engagierten jungen Menschen dazu bei, dass sich die CDU in ihrer Jugendpolitik thematisch breiter aufstellte, als sie es vorher getan hatte. Insbesondere von Heiner Geißler und den Jugendorganisationen der CDU wurde die Notwendigkeit gesehen, stärker die Themen aufzugreifen, die die Jugend bewegten und in den Dialog – auch auf die Gefahr stark divergierender Ansichten hin – einzutreten. Dabei musste es nach Ansicht der Verfechter dieser Strategie möglich sein, Positionen zu vertreten, über die es in der eigenen Partei noch keine einheitliche Meinung gab. Der Parteivorsitzende wollte solche innerparteilichen Diskussionen nicht unterbinden, nach außen hin aber das Bild einer geschlossenen Partei erhalten. Diese unterschiedlichen Ansätze führten mitunter zur offenen Konfrontation zwischen der JU und Helmut Kohl. Eine Abkehr seiner bisherigen Strategie zeigte Kohl mit der Ausrichtung des 30. Bundesparteitages im November 1981. Dieser sollte sich zunächst ausschließlich mit bildungspolitischen Aspekten beschäftigen;88 allerdings setzten die „diskussionsfreudigeren“ Kräfte die Aufnahme weiterer, vor allem in der jungen Generation virulenter Fragen zur Behandlung auf der als „Jugendparteitag“ bezeichneten Veranstaltung durch und fügten der Tagesordnung unter anderem Themen wie die Friedensdiskussion und das allgemeine Verhältnis der Bürger zum Staat, worunter unter anderem Fortschrittssorgen und die immer weiter fortschreitende Bürokratisierung fielen, hinzu.
88 Vgl. u. a. Präsidium der CDU, Sitzung am 27.10.1980, ACDP 07-001-1413.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU Einen Höhepunkt in der Debatte rund um die seit Ende der 1960er Jahre verstärkt auf der Tagesordnung stehende Verbesserung des Verhältnisses der CDU zur jungen Generation bildete der sogenannte Jugendparteitag Anfang November 1981. Der Wille zum Dialog mit der Jugend wurde mit dieser Veranstaltung in aller Deutlichkeit öffentlichkeitswirksam umgesetzt und ähnliches in der Folge auf den verschiedenen Parteiebenen intensiver praktiziert. Als reiner Jugendparteitag war der 30. Bundesparteitag der CDU in Hamburg zunächst aber gar nicht vorgesehen. Vielmehr sah Helmut Kohl den „seltenen Glücksfall“ der wahlfreien Zeit zwischen Oktober 1980 und Juni 1982 als Möglichkeit, einen Sonderparteitag „über unsere Bildungspolitik im weitesten Sinne des Wortes“ zu planen. Die Wahl für dieses Thema fiel laut Kohl vor allem deshalb, da die CDU hier „Probleme auch intern [hat], weil wir Entscheidungen, die wir früher mal beschlossen hatten, zurücknehmen müssen“.1 Ein besonderer Fokus auf die Jugend war bei der Behandlung des bildungspolitischen Themas dabei zunächst nicht geplant. Stattdessen schlug Kohl auf Wunsch des JU-Vorsitzenden Matthias Wissmann vor, auf dem Bundesparteitag im Mai 1980 das Thema junge Generation einzubinden und „vernünftig“ abzuhandeln.2 Eine größer angelegte Debatte über den JU-Antrag „Orientierung und Verständnis – Antworten an die junge Generation“ fand im Frühjahr 1980 wie beschrieben allerdings nicht statt und die notwendige Diskussion über das Verhältnis der CDU zur Jugend wurde auf die Zeit nach der Bundestagswahl 1980 verschoben.3 Weitaus mehr Raum wurde den Fragen und Problemen der Jugend auf dem nachfolgenden Bundesparteitag in Mannheim im März 1981 gegeben, dies vor allem unter dem Eindruck der aktuellen Jugendproteste und der Suche nach den Ursachen für die Unzufriedenheit vieler Jugendlicher, gleichzeitig aber auch mit Blick auf das schlechte Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl 1980. Wieder wurde in vielen Redebeiträgen gefordert, den Dialog mit der Jugend zu verstärken und auf allen Parteiebenen umzusetzen, um insbesondere die Jungwähler für die CDU zu gewinnen.4 Dem Arbeitsprogramm, das die CDU auf diesem Parteitag verabschiedete, stellte sie eine Präambel voran, in der jener Dialog sowie die verstärkte Behandlung von Themen, die die Jugend beschäftigten, explizit gefordert wurde. Zudem wurde der Bundesvorstand der CDU beauftragt, für den Herbst 1981 einen Bundesparteitag vorzubereiten, „auf dem u. a. unter dem Thema ‚Zukunftschancen der Jugend‘ vor allem Fragen der Bildungspolitik und ihre Auswirkungen auf die künftigen Berufschancen junger Menschen behandelt werden soll“.5 Eine Aufforderung, Jugendliche und junge Erwachsene in diese Diskussion 1 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1976 – 1980, Sitzung am 17.3.1980, S. 2298 f. 2 Ebd., S. 2303. 3 Vgl. auch Kapitel „Die Basis ‚unserer politischen Existenz‘ – Das Verhältnis der CDU zur Jugend Ende der 1970er Jahre“. 4 Vgl. u. a. Redebeiträge von Heiner Geißler, Christian Wulff, Matthias Wissmann, Norbert Lammert, Stefan Dingerkus und Franz Josef Jung, in: 29. Bundesparteitag der CDU, 9./10.3.1981 in Mannheim, S. 53, 86, 88, 95 – 97, 218. 5 Arbeitsprogramm – Aufgaben der 80er Jahre, in: ebd., S. 251, 253, Zitat auf S. 253.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
auf dem Parteitag miteinzubinden, erging aus diesem Auftrag jedoch nicht. Es bestätigte sich vielmehr die Sorge einiger Parteitagsdelegierter, dass „zu viel über die Jugend“ geredet wurde, „statt mit der Jugend zu reden“.6 Auf seiner Sitzung am 5. April 1981 beschloss der CDU-Bundesvorstand schließlich die Durchführung des 30. Bundesparteitages vom 3. bis 5. November 1981 unter dem Thema „Zukunftschancen der Jugend“.7 Für Kohl fiel unter diesen Begriff „das Gesamte, was junge Leute beschäftigt“. Hierzu würden insbesondere Fragen zählen nach der „Schule, Frage nach dem Zustand der Hauptschule, nach der Beruflichen Bildung wie nach dem Zustand der Oberstufenreform bis hin zu so ketzerischen Fragen, warum wir neben einem weiteren Land in der Welt die einzigen sind, die halt neun Jahre die Gymnasiasten in die Schule schicken“. Dem Eindruck, dass ein reiner „Schulparteitag“ geplant werde, wollte er dabei gleich entgegenwirken und betonte, dass unter den Themen des Parteitags auch die „berufliche Perspektive enthalten [sein muß] aufgrund der Tatsache, daß wir ja Jugendarbeitslosigkeit haben“. Ziel des Parteitags sollte es sein, „ein[en] Aufruf der CDU Deutschlands als eine Art Manifest für und an die junge Generation“ zu präsentieren, in dem „in einer verständlichen Sprache Praktisches“ stehen müsse, beispielsweise zur Schule und Beschäftigungspolitik. Gleichzeitig müsse sich die CDU „als eine dialogfähige, aber entschiedene Partei dar […] stellen, fähig zum Gespräch und zum Angebot in der Sache, aber als eine Partei, die nicht aus Zeitgeistüberlegungen jungen Leuten nachläuft, sondern die auch jungen Leuten etwas abfordert“.8 Gleich zu Beginn seiner Ausführungen im Bundesvorstand machte der Parteivorsitzende keinen Hehl daraus, wie wichtig ihm diese Veranstaltung war und er sich daher „aus einer Reihe von Gründen sehr persönlich bei diesem Parteitag in der Vorbereitung“ engagieren wolle. Zu diesen Gründen zählte insbesondere, dass Kohl „diesen Parteitag für einen der wichtigsten Parteitage im Ablauf unseres Parteigeschehens im Vor und im Zurück [hielt], im Blick auf die Öffentlichkeit und auf das Bild der CDU, inwieweit die CDU fähig ist zur politischen und zur geistig moralischen Führerschaft“.9 Diese Motive spiegelten sich auch in der von ihm geplanten inhaltlichen Gestaltung wider. Zunächst sollte auf dem Parteitag dargelegt werden, „was unser geistiger Anspruch ist und was wir der jungen Generation als Herausforderung anbieten, sie aber auch auffordern zu leisten“. So könne die CDU ihre „geistige Führung, d. h. die geistig-moralische Herausforderung für die junge Generation“ unter Beweis stellen und sich als klare Alternative zur Bundesregierung präsentieren. Anschließend sollte der Parteitag die Fragen der jungen Generation behandeln, die sie vor allem beschäftigten und angingen, wozu laut Kohl eben die vielen Themen der Bildungspolitik zählten, „von der Schule, der Universität über die Ausbildungsfragen bis hin zum Arbeitsmarkt eigentlich alles, was junge Leute betrifft, ihre Lebenschancen, Zukunftschancen.“10 Diese grundsätzliche Einengung des Begriffs der Zukunftschancen auf die Bildungspolitik irritiert, hatte die CDU Ende der 1970er Jahre doch bereits weitere Politikberei 6 29. Bundesparteitag der CDU, 9./10.3.1981 in Mannheim, S. 220. 7 Vgl. Ergebnisprotokoll des CDU-Bundesvorstandes, Sitzung am 5.4.1981, ACDP 07-001-1025. 8 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 5.4.1981, S. 354 – 356. 9 Ebd., S. 354. 10 Ebd., Sitzung am 11.5.1981, S. 404.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
che unter diesem zusammengefasst. Auch deshalb regte sich bald deutliche Kritik gegen den starken Fokus auf die Bildungspolitik bei der Gestaltung des Parteitags. Sehr klar äußerte sich beispielsweise der JU-Bundesvorstand auf seiner Sitzung Ende Mai gegen die ausschließliche Behandlung bildungspolitischer Themen und forderte stattdessen eine breit angelegte Diskussion über eine Vielzahl von Fragen, die nicht unbedingt jugendspezifisch ausgerichtet sein müssten. Dabei sollten in der inhaltlichen Vorbereitung nach Auffassung der JU insbesondere die Ursachen der aktuellen Jugendunruhen einbezogen, aber auch Themen aus der Umwelt- und Friedensdiskussion aufgenommen werden. Mit dieser breiteren Aufstellung des Parteitags und einer Verdeutlichung des Gesamtzusammenhangs der verschiedenen Jugendprobleme mit den gesellschaftspolitischen Problemen könne der Parteitag mehr Jugendliche erreichen, als es allein mit der Bildungspolitik möglich wäre.11 Helmut Kohl zeigte sich nicht abgeneigt gegenüber den Vorstellungen der JU, wie er auf der am selben Tag stattfindenden Sitzung des JU-Deutschlandrates bekundete.12 Zweifel an der inhaltlichen Beschränkung des Parteitags auf die Bildungspolitik ließ auch Gerhard Stoltenberg durchblicken. Er sah unter anderem „kein ersprießliches Ergebnis, wenn wir das zum Hauptthema eines Parteitages machen“.13 Der Titel des Parteitages zu den „Zukunftschancen der jungen Generation“ gebe zudem die einseitige Behandlung der Bildungspolitik überhaupt nicht vor. Darüber hinaus müssten Themen der beruflichen Chancen, der Wirtschaftspolitik und der Ökologie miteinbezogen werden, um dieser Fragestellung gerecht zu werden.14 Die inhaltliche Vorbereitung des Parteitags blieb aber trotz dieser gegenläufigen Anregungen primär auf die von Kohl vorgegebenen Themen ausgerichtet. Hierbei sollte eine vom Bundesvorstand einberufene Kommission dazu beitragen, die inhaltliche Gestaltung weiter zu konkretisieren und voranzubringen.15 Mit ihrem Ende Juni vorgelegten Bericht wollte die Kommission die innerparteiliche Diskussion einleiten und anregen, wobei sich der Bericht „weder als Parteitagsantrag noch gar als beschlußreife Formulierung“ verstanden wissen wollte.16 Am Aufbau des Berichts wird deutlich, dass Kohl seine Vorstellungen über die inhaltliche Gestaltung des Parteitags durchgesetzt hatte.17 So beschäftigte sich der erste Teil des Berichts mit der „Zukunft als Chance und Herausforderung“, worunter eine allgemeine Analyse der gegenwärtigen und künftigen Entwicklung in der Bundesrepublik und der Welt zählte. Der zweite Teil befasste sich mit den „Zukunftschancen der Jugend in Bildung und Beruf“. Diese Beibehaltung des Fokus auf der Bildungspolitik begründeten die Verfasser des Berichts in der Einleitung damit, dass der Parteitag auf „einem für die Zukunftschancen der jungen Generation zentralen Gebiet (Bildung und Beruf) eine 11 Vgl. Notiz Hans-Georg Warken über Anregungen zum Bundesparteitag, o. D., ACDP 07-001-22226. 12 Vgl. ebd. 13 Präsidium der CDU, Sitzung am 28.11.1980, Protokollauszug, ACDP 07-001-1413. 14 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 11.5.1981, S. 407 f. 15 Vgl. ebd., Sitzung am 11.5.1981, S. 414; Pressemitteilung der CDU, 1.7.1981. 16 „Zur Diskussion gestellt: Zukunftschancen der jungen Generation“, in: Deutsches Monatsblatt, Nr. 7/8, Juli/August 1981, Dokumentation. 17 Auf der konstituierenden Sitzung der Kommission am 15. Mai 1981 gab Kohl vor, den Bericht in zwei Teile zu gliedern. Dazu zählten die „geistigen und moralischen Herausforderungen unserer Zeit“ sowie „Lösungsvorschläge für Probleme der Jugend (in Bildung, Beruf etc.)“. Vermerk Warnfried Dettling, 19.5.1981, ACDP 07-001-22227.
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Politik beraten und beschließen [muß], die geeignet ist, die ‚Zukunftschancen der jungen Generation‘ zu erhalten und auszubauen“.18 Die Reaktionen auf den Kommissionsbericht fielen gemischt aus, in der Tendenz jedoch eher kritisch. Vor allem aber fällt auf, dass das Interesse an der Thematik nicht sonderlich groß zu sein schien, da Ende August noch vergleichsweise wenige Stellungnahmen zum Bericht in der CDU-Bundesgeschäftsstelle eingegangen waren.19 Grundkonsens in der Mehrheit der Stellungnahmen war, „daß sich die CDU nun endlich den Fragen und Erwartungen der jungen Generation stellen möchte“, jedoch wurde gleichzeitig „von vielen die Gefahr gesehen, daß bei der Aufbereitung dieses Themas in der vorliegenden Form die Union in der Diskussion keinen Schritt nach vorne, sondern einen Schritt zurück“ machen würde.20 Unter den Stellungnahmen sind die der Jungen Union, des Bundesfachausschusses Jugendpolitik sowie der CDA besonders hervorzuheben. Neben der Kritik an der Sprache des Berichts, die der Bundesfachausschuss als „inadäquat“, die CDA als „krampfhaft an die Jugend“ gewandt bezeichnete, forderten Junge Union und Bundesfachausschuss in ihren Stellungnahmen eine „Weiterfassung des Parteitagsthemas“ zu den die Jugend interessierenden Themen.21 Gerade solche Themen wie die Friedensbewegung und das Problem der Wehrdienstverweigerung würden in dem Bericht unerwähnt bleiben und insgesamt seien laut Bundesfachausschuss die „Formulierungen […] ‚zu onkelhaft‘“, um bei der Jugend „Gehör zu finden“.22 In die gleiche Richtung wies die Stellungnahme der CDU-Jugendorganisation, die den Bericht als einen „,nur schwer verdaubare[n] Aufguß des CDU-Grundsatzprogramms‘“ bezeichnete, der „zuwenig vom einzelnen Jugendlichen und seiner Lebenssituation“ ausgehe.23 Insgesamt sei der Kommissionsbericht „ausgesprochen dünn“, weshalb die JU eigene Vorschläge als Gegenposition veröffentlichte und betonte, dass sie einen „ausschließlich schulpolitisch orientierten Parteitag“ ebenso ablehne „wie einen überstürzt einberufenen Grundsatzparteitag über die Zukunftschancen des ganzen Volkes“.24 Damit spielten die CDU-Junioren auf eine Stellungnahme von Kurt Biedenkopf zum Kommissionsbericht an, in der dieser vorschlug, die Fragen nach den Zukunftschancen nicht auf die Jugend zu beschränken, sondern auf die gesamte Bevölkerung anzuwenden. Gleichzeitig forderte Biedenkopf in seinem ausführlichen Papier, die Themenpalette des Parteitags zu erweitern und sachpolitische Entscheidungen zu Schwerpunkten christlichdemokratischer Politik für Frieden und Freiheit, zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft sowie zur Erneuerung der sozialen Verantwortung herbeizuführen.25
18 Bericht der Kommission zur Vorbereitung des 30. Bundesparteitages „Zukunftschancen der jungen Generation“, 25.6.1981, ACDP 07-001-22216. 19 Stellungnahmen zum Kommissionsbericht kamen insbesondere von mit der Materie vertrauten Einzelpersonen, Gremien und Parteigliederungen. Vgl. Vermerk Stefan Dingerkus an Heiner Geißler über Stand der Stellungnahmen zum Bericht der Kommission, 24.8.1981, ACDP 07-001-22237. 20 Ebd. 21 Ebd.; Stellungnahme der CDA zum Kommissionsbericht, 31.8.1981, ebd. 22 Peter Rall: „Wider das Onkelhafte oder: Die CDU und die Jugend“, in: Frankfurter Rundschau, 8.7.1981. 23 Rudolf Großkopff: „Junge Union nennt CDU-Jugendpapier lebensfern“, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 10.7.1981. 24 „Der Parteinachwuchs will kein Lippenbekenntnis“; in: Nürnberger Nachrichten, 1.9.1981. 25 Vgl. Papier von Kurt Biedenkopf, 18.8.1981, ACDP 07-001-22228.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
Im Vorfeld einer Veranstaltung der CDU zur inhaltlichen Vorbereitung des Bundesparteitages Anfang Juli 1981 ging Kohl auf die doch lauter geäußerte parteiinterne Kritik an der thematischen Ausrichtung ein und betonte, dass der Parteitag „kein bildungspolitischer Kongreß werden“ sollte.26 Leiser wurde die Kritik dadurch allerdings nicht. Grundtenor der Diskussionen auf diesen vorbereitenden Veranstaltungen27 und deren Nachbesprechungen blieb weiterhin die Forderung, den Bundesparteitag insbesondere um die Themen Friedens- und Umweltdiskussion sowie Ursachen der aktuellen Jugendproteste zu erweitern. Auf der Ferienklausur der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Juli kritisierten die eingeladenen Jugendlichen, dass sich die Unionsparteien „mit den falschen Fragen“ beschäftigen würden, da statt über Bildungspolitik zu diskutieren die Union insbesondere zur Friedensthematik „Flagge zeigen“ müsse.28 Die Junge Union bezeichnete das zwei Monate später stattfindende Hearing als „etwas unglücklich […]“, da der Schwerpunkt der Diskussion nach wie vor auf der Bildungspolitik liege.29 In seiner Rede auf dem Hearing zum Thema „Zukunftschancen der jungen Generation“ erklärte Helmut Kohl noch deutlicher als in seiner Reaktion auf die Kritik am Kommissionsbericht, dass der Parteitag „natürlich der gesamtpolitischen Entwicklung Rechnung tragen“ werde, die sich so vor der Sommerpause noch nicht dargestellt habe.30 Hierzu zählte unter anderem das Thema „Friede in Freiheit“31, aber auch die wirtschaftliche Lage sowie das Verhältnis von Bürger und Staat sollten Themenschwerpunkte des Parteitages werden. Aus diesem Grund kamen Kohl und Geißler schließlich überein, das ursprüngliche Leitthema des Bundesparteitages – „Zukunftschancen der jungen Generation“ – zu ändern und die breitere Themenpalette stattdessen unter den Titel „Mit der Jugend – Unser Land braucht einen neuen Anfang“ zu subsumieren.32 26 dpa-Meldung, 3.7.1981. 27 Die Durchführung von zwei Veranstaltungen zur inhaltlichen Vorbereitung des 30. Bundesparteitages wurde bereits auf der Sitzung des CDU-Bundesvorstandes entschieden, auf der auch der Sonderparteitag zur Jugend beschlossen wurde. Vgl. Ergebnisprotokoll des CDU-Bundesvorstandes, Sitzung am 5.4.1981, 07-001-1025. Eine Ferienklausur der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 7. und 8. Juli 1981 zum Thema „Zukunftschancen der jungen Generation“ sollte dem „Erfahrungsaustausch der Abgeordneten über die Einstellungen und Haltungen junger Menschen zu den zentralen Problemen, Zukunftsaussichten und politischen Gestaltungsaufgaben unserer Zeit“ dienen. CDU-Pressemitteilung, 3.7.1981. Auf einem Hearing zum selben Thema am 11. September 1981 stand die Diskussion mit Jugendlichen, Eltern und Verbandsvertretern über den Kommissionsbericht im Vordergrund. Vgl. CDU-Pressemitteilung, 2.9.1981. 28 Alfons Pieper: „Jugendliche: Union befaßt sich mit falschen Fragen“, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 9.7.1981. 29 „Seriöser Vertreter engagierter Jugendpolitik“, in: Die Entscheidung, Nr. 11, November 1981, S. 21; vgl. auch u. a. Klaus J. Schwehn: „Die Union erbat sich viel Kritik“, in: Nürnberger Nachrichten, 12.9.1981; Rolf Clement: „Union handelte sich Arbeit und Kritik ein“, in: Mainzer Allgemeine Zeitung, 12.9.1981; „,Für die Wirtschaft Ordnung und für die Jugend Hoffnung‘“, in: Neue Osnabrücker Zeitung, 12.9.1981. 30 „Unser Land braucht einen neuen Anfang“, in: DUD, Nr. 166, 11.9.1981. 31 Die Erweiterung der inhaltlichen Gestaltung des Parteitags um das Thema der Friedensdiskussion stellte Heiner Geißler auf einer eigenen Pressekonferenz Ende August 1981 vor. Vgl. Vermerk Peter Radunski an Heiner Geißler über Pressekonferenz zum Bundesparteitag, 2.9.1981, ACDP 07-00122213. 32 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 7.9.1981, S. 496. Mit dem Schlagwort eines „neuen Anfangs“ stellte sich die CDU bewusst gegen die Bundesregierung und deren Politik. In seiner Rede zur Begründung des Konstruktiven Misstrauensvotums am 1. Oktober 1982 betonte Rainer Barzel eben jenen „neuen Anfang“, der mit dem Wechsel in der Kanzlerschaft zu Helmut Kohl gewählt werde. Sten. Ber. BT, 9. WP, 1.10.1982, S. 7167.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
Den plötzlichen Wandel in der thematischen Ausrichtung des Parteitages wollten der Parteivorsitzende und der Generalsekretär möglichst kaschieren. Auf einer Pressekonferenz zur aktuellen Planung des Bundesparteitages Anfang September 1981 versuchte Geißler dem Eindruck entgegenzuwirken, „er oder der CDU-Vorsitzende Kohl hätten jemals den Parteitag unter rein bildungspolitischen Gesichtspunkten führen wollen“. Stattdessen seien sich die Verantwortlichen von Beginn an klar darüber gewesen, „daß sich der Parteitag auf die ‚zentralen Fragen unseres Landes‘ konzentrieren müsse, die auch die Themen der Jugend seien.“33 Parteiintern gab Geißler allerdings unumwunden zu, dass der Parteitag „in der ursprünglichen Konzeption mal als reiner Bildungsparteitag in der Diskussion“ gewesen war. Die inhaltlichen Änderungen seien aufgrund der politischen Lage, insbesondere aber auch aus der Erkenntnis heraus vorgenommen worden, da „nach wie vor Jungwähler für uns ein ganz besonders kritisches Wählerpotential bedeuten“. Dabei war es ihm wichtig zu betonen, dass die CDU diesen Jungwählern nicht hinterherlaufen wolle, „sondern zu den Themen, über die junge Leute, aber halt nicht nur junge Leute, diskutieren und zwar richtig diskutieren, klare Aussagen machen“ werde.34 Im Hinblick auf die thematische Erweiterung des Bundesparteitages wollten Kohl und Geißler zudem den Eindruck zerstreuen, dass die Änderungen auf das erwähnte „Biedenkopf-Papier“ zurückzuführen waren.35 Auffällig ist allerdings, dass sich die vier Hauptthemen des Parteitags, die auf der Sitzung des Bundesvorstandes Anfang September 1981 beschlossen wurden, stark an den Vorschlägen Biedenkopfs orientierten.36 Der ehemalige Generalsekretär und Vorsitzende der CDU Westfalen-Lippe war in seinem Landesverband sehr aktiv in den Bemühungen um eine Verbesserung des Dialogs mit der Jugend und lancierte in den Vorbereitungen auf den Bundesparteitag wiederholt Spitzen gegen das Führungspersonal der CDU – insbesondere gegen Helmut Kohl.37
33 „Die CDU will um die Jugend werben“, in: FAZ, 3.9.1981. Einen ursprünglich geplanten Bildungsparteitag spricht Kohl in seinen Erinnerungen überhaupt nicht an, stattdessen sei der Parteitag darauf ausgelegt gewesen, den „Wertewandel innerhalb der jüngeren Generation aufzugreifen“ und Themen wie die neuen sozialen Bewegungen und „Ängste und Sehnsüchte“ in der Jugend aufzugreifen. Kohl: Erinnerungen 1930 – 1982, S. 600. An der sprunghaften inhaltlichen Planung des Parteitages regte sich vor allem in der Jungen Union deutliche Kritik. So hätten sich in den Vorbereitungen „[s]elten […] Ungewißheit und neue Planungen über einen Parteitag so überschlagen […]: Wird die Bildung das Übergewicht bekommen, darf Jugend von außerhalb der Partei mitreden (wenn ja, wo?), kommt als neuer Schwerpunkt ein BiedenkopfPapier zum Friedensthema, wann würde der Leitantrag geschrieben, wann würde er in die Parteigliederungen kommen?“ Wolff, Karin: „Zukunftschancen der Jugend?“, in: JU-digest, Nr. 11 1981, S. 5. 34 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 7.9.1981, S. 501 f. 35 Vgl. „Die CDU will um die Jugend werben“, in: FAZ, 3.9.1981. 36 Die Bundesvorstandsmitglieder einigten sich auf die Themen „Sicherung von Frieden und Freiheit“, „Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft“, „Zukunftschancen der Jugend in Bildung und Beruf“ und „Bürger und Staat“. Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 7.9.1981, S. 495 f., 527. Biedenkopf schlug in seinem Papier die drei Schwerpunkte „Unsere Politik für Frieden und Freiheit“, „Zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft“ sowie „Zur Erneuerung der sozialen Verantwortung“ vor. Papier von Kurt Biedenkopf, 18.8.1981, ACDP 07-001-22228. 37 Bereits ein Jahr zuvor hatte Biedenkopf für eine stärkere Berücksichtigung junger Menschen in der Parteiarbeit plädiert. Seiner Ansicht nach bestand die Gefahr, dass die „Union aus der Mehrheit herauswächst“ und deshalb „ganz unten wieder anfangen [müsse], bei den 16-, 17-, 18jährigen, die die Wähler beim nächsten Mal sind.“ Daher sei die „thematische Darstellung der CDU in den kommenden Monaten so entscheidend.“ Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 6.10.1980, S. 22.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
Auf der erwähnten Bundesvorstandssitzung vom 7. September 1981 wurde ausführlich über die endgültige Gestaltung und Tagesordnung des Parteitages diskutiert. Zu Beginn der Diskussion betonte Geißler nochmals, dass diejenigen Themen in den Vordergrund des Bundesparteitages rücken sollten, die junge Menschen beschäftigten und dazu gehörten „nicht nur die Bildung oder die Schule, sondern das ist erstens der Friede, das ist die Frage der Zukunft, d. h. die Frage der Arbeitsplätze, der Studienplätze, es ist die Frage, wie kann wirtschaftliches Wachstum und technologischer Fortschritt auch in der Zukunft vereinbart werden mit der Erhaltung unserer natürlichen, unserer kulturellen, unserer sozialen Umwelt […] [sowie] der ganze Bereich der überschaubaren Lebensbereiche“.38 Um über diese Themen abweichend von der bisherigen Struktur der Parteitage diskutieren zu können, sollte der zweite Tag der Veranstaltung in einer offenen Form gestaltet werden. So sollten die Hauptthemen in vier getrennten Foren behandelt werden, zu denen sich die Delegierten und Gäste anmelden konnten. Unter anderem der Parteinachwuchs hatte auf seinem Deutschlandtag im Jahr 1980 dieses Vorhaben bereits erfolgreich erprobt. Das Konzept der offeneren Gestaltung eines Parteitages war nicht völlig neu. So konnten auf dem Bundesparteitag 1964 wie erwähnt parteinahe Jugendliche mit Bundeskanzler Ludwig Erhard abseits der Parteitagsdiskussionen ins Gespräch kommen, ein Jahr später behandelte die CDU auf ihrem Düsseldorfer Parteitag verschiedene Themen in Arbeitskreisen.39 Dennoch stellten die Themenauswahl sowie die Möglichkeit für Gäste, an der Diskussion in den Foren teilzunehmen, ein Wagnis für die Partei dar. Zu den Gästen auf dem Bundesparteitag sollte eine bestimmte Anzahl an Jugendlichen gehören, die persönlich eingeladen wurden und in den Foren volles Rederecht erhalten sollten. In der bisherigen Geschichte der Bundesparteitage der CDU war – neben der Abhaltung von Diskussionsforen – eine weitere Besonderheit. Auf diesen Umstand wies der Generalsekretär ausdrücklich hin, erklärte aber gleichzeitig, dass es bestimmte Regelungen geben werde, die die Auswahl der Jugendlichen einschränken würden, denn „wir können natürlich nur solche Leute auf diesem Parteitag haben und einladen, die sich an die demokratischen Spielregeln in der Diskussion halten, die also diskussionsund dialogbereit sind“. Daher sollten die vorgesehenen „300 bis 400 jungen Leute zu einem Teil aus Gastdelegierten der einzelnen Landesverbände bestehen und zu einem anderen Teil über die Verbände eingeladen werden. Neben der laut Geißler dadurch unter Beweis gestellten Dialogbereitschaft der CDU stelle diese große Zahl junger Leute gleichzeitig einen „optische[n] Gesichtspunkt“ in der Außendarstellung der Partei dar, da diese den Altersdurchschnitt eines normalen CDU-Bundesparteitages deutlich nach unten zögen.40 Im Verlauf der Diskussion über die Planung des Parteitages regte sich unter den Teilnehmern der Bundesvorstandssitzung teils deutliche Kritik. Etwas verhalten äußerte sich zunächst noch Lothar Späth, der mit Blick auf die Gestaltung des zweiten Tages die weiterhin zu starre Form der einzelnen Foren beanstandete und warnte, den „Parteitag nicht in die belehrende Form“ zu bringen, da ihm die „jetzige Form zu sehr wieder die Stromlinie, die reibungslose Form [ist], wo wir uns alle produzieren, wie gut wir wären, wenn 38 Ebd., Sitzung am 7.9.1981, S. 495. 39 Vgl. 12. Bundesparteitag der CDU, 14. – 17.3.1964 in Hannover, S. 522 – 547; 13. Bundesparteitag der CDU, 28. – 31.3.1965 in Düsseldorf, S. 142 – 448. 40 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 7.9.1981, S. 497.
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wir könnten“. Stattdessen sollten sich die Delegierten „einfach mal hinsetzen und die 300 jungen Leute kritische Fragen stellen [lassen] und mit denen diskutieren“.41 Einen besonderen Schlagabtausch lieferten sich der RCDS-Vorsitzende Johannes Weberling und Helmut Kohl. Nach Ansicht Weberlings konnte sich ein Parteitag, der „Fragen der Jugend neuerdings [in] die Fragen des ganzen Volkes“ ummünze, nicht mehr als Jugendparteitag bezeichnen. Insgesamt sei der RCDS mehr als „überrascht gewesen […] über diesen […] Eiertanz, der mit dem Parteitag getrieben worden ist“. Stark kritisierte Weberling zudem das Vorhaben der Partei, Jugendliche nur nach bestimmten Vorgaben zum Parteitag einladen zu wollen. Durch diese „Garnierung mit Jugendlichen“ würden von der CDU keine kritischen Stimmen zugelassen, sondern nur solche jungen Leute in den Landesverbänden ausgewählt, die sich „verdient gemacht haben um die Partei“. Darüber hinaus befürchtete der RCDS-Vorsitzende, dass die Diskussion über die verschiedenen Themen „innerparteilich mit dem Hamburger Parteitag abgeschlossen“ sein werde und weitere notwendige, kritische Debatten nach dem Jugendparteitag unterbunden werden könnten. Zusammengefasst urteilte Weberling, dass der „Parteitag zumindest unsere Erwartungen nicht erfüllen“ könne, wenngleich der RCDS dennoch natürlich an diesem „teilnehmen und konstruktiv mitarbeiten“ werde.42 Kohl konterte Weberlings Kritik mit drastischen, erbosten Worten. Dabei stieß er sich insbesondere an dessen Aussage, dass mit dem Parteitag die Diskussion über Jugendprobleme abgehandelt sei. Das wäre ja wohl „absolute[r] bare[r] Unsinn!“ Deutlich hielt er dem RCDS-Vorsitzenden vor, dass er es „überhaupt nicht“ akzeptiere, „daß wir untereinander so reden im Parteivorstand“. Auch den Vorwurf Weberlings, nur parteikonforme Jugendliche zum Parteitag zuzulassen, wollte Kohl so nicht stehen lassen und verwies nochmals auf die Aussage Geißlers, kritische Jugendliche einladen zu wollen, die sich an die Spielregeln in Diskussionen halten konnten. Schließlich werde sich die mediale Aufmerksamkeit mit einem besonderen Licht auf diesen Parteitag richten, weshalb Kohl den RCDS-Vorsitzenden mit der rhetorischen Frage konfrontierte, ob er es für sinnvoll erachte, „daß wir das Mikrophon dort Leuten überantworten, die nicht Gegnerschaft im Sachinhalt, sondern totale Feinde unserer Einrichtung und Partei sind“.43 An dieser heftigen Reaktion Kohls ist deutlich zu erkennen, wie wichtig dem Parteivorsitzenden die Ausrichtung und Gestaltung dieses Parteitags war. Dies mochte auch daran liegen, dass er selbst im Jugendparteitag die Möglichkeit sah, sein eigenes Image 41 Ebd., S. 505. 42 Ebd., S. 509 – 511. Gemeinsam mit der Jungen Union und der Schüler Union organisierte der RCDS ein Ergänzungsprogramm auf dem Bundesparteitag. Hierzu gab es einen eigenen Stand der Jugendorganisationen, der an den verschiedenen Tagen des Parteitages zu unterschiedlichen Themen informieren sollte. So sollte am ersten Tag mit den Delegierten unter anderem über die verschiedenen Formen der Friedensbewegung, am zweiten Tag über soziale Probleme von Studenten und am dritten Tag über das Verhältnis zwischen CDU und RCDS diskutiert werden. Um die Themenschwerpunkte herum wurde ein „buntes Programm“ angeboten, im Rahmen dessen Auftritte von Schriftstellern und Liedermachern geplant waren. RCDS-Pressemitteilung über Beschluss des RCDS-Bundesausschusses über Ergänzungsprogramm zum Bundesparteitag, 28.10.1981, ACDP 07-001-22213. Gegen das Vorhaben des Studentenverbandes regte sich allerdings auch Kritik. Aus einem parteiinternen Schreiben geht hervor, dass der RCDS ohne Rücksprache und Befugnis seitens der Partei Einladungen unter anderem an Schriftsteller und Liedermacher für den Bundesparteitag verteilt habe. Vgl. Schreiben Karl Schumacher an Johannes Weberling, 2.11.1981, ebd. 43 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 7.9.1981, S. 511, 514.
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in der Öffentlichkeit aufzubessern und die CDU gerade mit Blick auf die schwächelnde Bundesregierung als diskussions- und risikofreudige Partei darzustellen – letztlich also die Strategie seines Generalsekretärs in Teilen übernahm. Aus diesem Grund war ihm Weberlings Vorwurf, kontroverse parteiinterne Debatten unterbinden zu wollen, ein besonderer Dorn im Auge. Den letzten Punkt griff Bernd Neumann, Landesvorsitzender der CDU Bremen, auf und betonte, dass das „erste Ziel“ dieses Bundesparteitages sein solle, „die Gelegenheit zu nutzen, in einer für die Regierung schwierigen Situation das Bild der Union optimal unter Zuhilfenahme auch junger Leute darzustellen“.44 Offiziell verfolgte die CDU mit dem 30. Bundesparteitag zwei Ziele: Er sollte eine Veranstaltung „des Gesprächs und der Toleranz und ein Parteitag der Vorbereitung auf die Regierung werden“.45 In erster Linie diente der Parteitag aber vor allem dazu, um „optisch und politisch mit der Jugend den Dialog zu führen“.46 Die Erweiterung der Themenpalette auf dem 30. Bundesparteitag zog – neben parteiinternen Diskussionen – eine weitere Konsequenz nach sich: Ursprünglich war geplant gewesen, die im Mai 1981 eingesetzte Kommission mit der Formulierung eines Leitantrages für den Parteitag zu beauftragen. Wohl aufgrund der mehrheitlich kritischen Stellungnahmen zu ihrem ersten Bericht, der ja stark auf Bildungspolitik ausgerichtet gewesen war, entschieden sich die Verantwortlichen der Partei gegen die Beauftragung der Kommission. Stattdessen übernahmen Heiner Geißler und Helmut Kohl die Federführung.47 Sinn des Leitantrages war es laut Geißler, das Grundsatzprogramm der CDU zu den vier Hauptthemen des Parteitages zu konkretisieren und die Positionen der Partei für die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik Deutschland im Herbst 1981 zu beschreiben.48 Dies betonte auch Helmut Kohl, indem er herausstellte, dass es nicht Anspruch des Leitantrages sein könne, „alle Spezialitäten der deutschen Politik und die Lösungsvorschläge der CDU“ aufzulisten, sondern „in die konkrete Situation hinein“ zu sprechen, „immer mit dem Blick auch auf junge Leute“.49 Dabei sollte der Leitantrag gerade verdeutlichen, dass die CDU die Probleme der Jugend ernstnehme, weshalb in der vorangestellten Präambel zu den einzelnen Themen die jeweiligen Fragen aus der besonderen Sicht der Jugend angesprochen wurden.50 44 Ebd., S. 526. 45 CDU-Pressemitteilung, 28.10.1981. 46 Vermerk über Sitzung zur Vorbereitung des 30. Bundesparteitages, o. A., o. D., ACDP 07-001-22213. 47 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 21.9.1981, S. 533. 48 Erläuterungen und Erklärungen zu den vier Kapiteln des Leitantrages in Bezug auf das Grundsatzprogramm der CDU wurden in vier Ausgaben der UiD-Dokumentation vorgenommen. Vgl. „Mit der Jugend. Unser Land braucht einen neuen Anfang. Zum Leitantrag des Bundesvorstandes (I)“, in: UiDDokumentation, Nr. 29, 8.10.1981; „Mit der Jugend. Unser Land braucht einen neuen Anfang. Zum Leitantrag des Bundesvorstandes (II)“, in: ebd., Nr. 30, 15.10.1981; „Mit der Jugend. Der Jugend in Bildung und Beruf neue Zukunftschancen schaffen. Zum Leitantrag des Bundesvorstandes (III)“, in: ebd., Nr. 31, 22.10.1981; „Mit der Jugend. Unser Ziel: Eine menschliche und überschaubare Ordnung in Staat und Gesellschaft. Zum Leitantrag des Bundesvorstandes (IV)“, in: ebd., Nr. 32, 29.10.1981. 49 Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 21.9.1981, S. 532. 50 Vgl. Begleitschreiben Heiner Geißler an Bundesvorstand, Landesverbandsvorsitzende, Kreisverbandsvorsitzende und Bundesvorsitzende der Vereinigungen über Übersendung des Leitantrages, 23.9.1981, ACDP 07-001-22216. Abdruck des auf der Bundesvorstandssitzung am 21. September 1981 beschlossenen Leitantrages in „Leitantrag des CDU-Bundesvorstandes zum 30. Bundesparteitag in Hamburg, beschlossen am 21. September 1981“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 27, 24.9.1981.
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Die parteiinternen Stellungnahmen zum Leitantrag fielen gemischt aus. Während die Frauenvereinigung in ihm ein „diskussionsoffenes Angebot“ sah, das sie nutzen wolle, um eigene Innovationen einzubringen, die für einen neuen politischen Anfang wichtig seien,51 war es wiederum die Jungen Union, die den Antrag kritisch beurteilte. Der JU-Vorsitzende Wissmann resümierte, der Leitantrag sei „zwar insgesamt nutzbar, weise jedoch ‚erhebliche Defizite‘ auf“, womit er insbesondere die Bereiche Jugendpolitik, Umweltschutz und Entwicklungspolitik meinte. Die CDU „dürfe sich nicht vor unbequemen Fragen drücken“, sondern müsse „Alternativen deutlich sichtbar entwickeln“, was mit dem Leitantrag jedenfalls nicht umgesetzt worden sei.52 Neben Kritik an den Vorbereitungen und der inhaltlichen Gestaltung des 30. Bundesparteitages gab es in der CDU zudem Stimmen, die ganz grundsätzliche Bedenken gegen die Ausrichtung eines Jugendparteitages äußerten. In einem im Mai 1981 veröffentlichten Beitrag gingen die zwei jungen CDU-Mitglieder Hans-Josef Vogel und Michael Sagurna mit der Jugendpolitik ihrer Partei hart ins Gericht.53 Dabei urteilten sie, dass ein eigener Bundesparteitag zum Thema der Zukunftschancen der Jugend „überflüssig“ sei, da dort in üblicher Weise nur über die Jugend gesprochen werde, statt ihr zuzuhören. Der CDUGeneralsekretär könne das „Geld besser ausgeben“ für lokale Projekte, die tatsächlich der Jugend helfen würden. Doch die Autoren stellten schon fast resigniert fest, dass der 30. Bundesparteitag in seiner geplanten Form so oder so stattfinden werde; daher schlugen sie polemisch das aus ihrer Sicht treffendere Motto „Es gibt viel zu tun, heften wir es ab“ vor.54 Höchst pikant an der Veröffentlichung ist die Tatsache, dass diese in der ersten Ausgabe eines Polit-Magazins erschien, das von Kurt Biedenkopf herausgegeben wurde – ohne distanzierenden Begleitkommentar. Das Gewährenlassen solcher Aussagen mochte daran liegen, dass Biedenkopf das Verhältnis der CDU zu den jüngeren Wählern als eines der Hauptprobleme seiner Partei ausmachte, das es anzugehen galt, und ihm die Planungen der Bundespartei nicht weit genug gingen. Für den Parteitag seines Landesverbandes CDU Westfalen-Lippe Anfang Juli 1981 verfasste Biedenkopf ein Thesenpapier, das eine ausführliche Analyse des Verhältnisses der jungen Generation zu wichtigen politischen Fragen lieferte. Dabei bezog er jene Themen ein, die die Jugend aktuell interessierten und beschäftigten – immerhin zu einer Zeit, in der in der Parteispitze noch über eine monothematische Ausrichtung des Jugendparteitages zur Bildungspolitik diskutiert wurde.55 In der anschließenden Diskussion über 51 Gemeinsame Pressekonferenz Helga Wex und Dorothee Wilms über Stellungnahme der Frauenvereinigung zum Leitantrag des CDU-Bundesvorstandes zum 30. Bundesparteitag, 27.10.1981, ACDP 01-379-030/3. 52 „Wissmann: CDU vernachlässigt Jugendpolitik“, in: Die Welt, 9.10.1981. 53 So kritisiere die CDU das Engagement der Jugend in der Jugendzentrumsbewegung oder in der Entwicklungshilfe, wobei gerade hier das an anderen Stellen immer wieder gepriesene Subsidiaritätsprinzip voll zum Tragen käme. Vor allem Politiker aus der Union hätten nach Ansicht der beiden studentischen Autoren „Angst, an die Front des Themas zu gehen“, da sie „keinen Standpunkt in der Sache haben und glauben, sie müßten einen mitbringen“ – der eigenen Jugendorganisation unterstellten die beiden Autoren sogar „totales Versagen“ in der Jugendpolitik. Hans-Josef Vogel/Michael Sagurna: „Heften wir es ab!“, in: Westfalen-Echo. Das Polit-Magazin, Heft Nr. 1, Mai 1981. 54 Ebd. 55 Dazu zählten Friedens- und Umweltpolitik, eine gewisse Fortschritts- und Technikangst sowie der starke Bedeutungszuwachs immaterieller Werte. Letzter Punkt war für Biedenkopf einer der Hauptgründe für den schwierigen Dialog seiner Partei mit der Jugend, da viele „CDU-Anhänger dem überkommenen ‚materiellen‘ Wertesystem eher nahestehen“ würden. Papier an die Delegierten des
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
die Rede Biedenkopfs auf dem Landesparteitag gingen nur zwei Redner auf das Thesenpapier näher ein, darunter der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union Westfalen-Lippe, Norbert Lammert. Er unterstützte die Forderung seines Landesvorsitzenden, dass gemeinsame Aktionen der CDU mit Jugendlichen etwa auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe mehr Ertrag für ein besseres Verhältnis versprächen als der immer wieder vorgebrachte Ruf nach besseren Verständigungswegen, wenn diese „doch nur immer wieder zur Audienz entarteten“.56 Allen kritischen Stimmen zum Trotz fand der 30. Bundesparteitag in der von Kohl und Geißler letztendlich vorgesehenen Form vom 2. bis 5. November 1981 in Hamburg statt. Insbesondere das Vorhaben, eine größere Anzahl Jugendlicher als Gastdelegierte zum Parteitag einzuladen, wurde wie geplant umgesetzt. Insgesamt erhielten etwa 500 Jugendliche eine Einladung, sodass dieser Bundesparteitag mit seinen dann erwarteten 2.700 Teilnehmern, die sich zusätzlich aus 781 Delegierten, ungefähr 1.000 Vertretern von Presse, Rundfunk und Fernsehen sowie 138 Verbandsvertretern und Gästen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Partei zusammensetzten, der bis dahin größte Parteitag in der Geschichte der CDU war.57 Bei der Einladung der Jugendlichen wurde an dem zuvor kritisierten Vorgehen festgehalten, rund die Hälfte der Jugendlichen durch die CDU-Landesverbände einzuladen und die restlichen durch Jugendverbände.58 Unter den wenigen Absagen von Jugendverbänden zum Bundesparteitag sticht ein Schreiben der Katholischen Jungen Gemeinde hervor. Die Bundesleiterin begründete die Weigerung ihres Verbandes an einer Teilnahme damit, dass sie die Dialogbereitschaft der CDU für „unglaubwürdig und widersprüchlich“ halte angesichts der Positionen der Partei zur Friedens- und Sicherheitspolitik. Als Bumerang erwies sich hier der Volksfrontvorwurf Helmut Kohls gegenüber einigen Teilnehmern der kurz zuvor stattgefundenen Friedensdemonstration, von dem die Katholische Junge Gemeinde aufgrund ihrer Teilnahme sich unmittelbar betroffen fühlt und somit keinerlei Diskussionsgrundlage mit der CDU sehe.59 Auf das „Wagnis“, eine so große Zahl von jugendlichen Gastdelegierten einzuladen, ging Kohl in seiner Eröffnungsrede des 30. Bundesparteitages ein und stellte heraus, dass er weder die Befürchtungen der „Kleingläubige[n]“, die in der großen Zahl ein Risiko gesehen hatten, noch die Sorgen anderer teile, die glaubten, die Einladungen seien „handverlesen“. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er „diesen Parteitag so gewollt [habe], weil ich um die Stärken der CDU weiß“.60 Mit diesen Worten unterstrich Kohl nochmals das eigentliche Ziel dieses Parteitages, nämlich die CDU einerseits als diskussionsfreudige Partei, vor allem aber als Alternative für die Jugend zur Bundesregierung darzustel37. Landesparteitages der CDU Westfalen-Lippe von Kurt Biedenkopf, 26.6.1981, ACDP KAS-PD. Diese Überlegungen flossen auch in die knapp zwei Monate später verfasste Stellungnahme Biedenkopfs zum Kommissionsbericht ein. Vgl. Papier von Kurt Biedenkopf, 18.8.1981, ACDP 07-001-22228. 56 Hasso Ziegler: „Auf neuen Wegen der Jugend entgegen“, in: Stuttgarter Zeitung, 6.7.1981. 57 Vgl. Vermerk Karl Schumacher an Wolter von Tiesenhausen, Walter Brückmann und Peter Radunski über Anmeldestand zum Bundesparteitag, 26.10.1981, ACDP 07-001-22213; Mitteilung der Pressestelle der CDU über Informationen zum 30. Bundesparteitag, 28.10.1981, ebd. 58 Zur Auswahl der Jugendverbände vgl. Mitteilung der Pressestelle der CDU über Informationen zum 30. Bundesparteitag, 28.10.1981, ebd. Aus dieser Mitteilung geht auch hervor, dass nach bisherigem Anmeldestand die meisten Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahre alt und rund 58 Prozent nicht CDU-Mitglied waren. Vgl. ebd. 59 Schreiben Gabi Bollinger an die CDU-Bundesgeschäftsstelle, 28.10.1981, ebd. 60 30. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.11.1981 in Hamburg, S. 11.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
len. Hierfür hatte Kohl zu Beginn der Planungen des Bundesparteitages bereits gefordert, dass die CDU ihren Willen zur „geistigen Führung“ unter Beweis stellen solle. Zu dieser Forderung schlug Heiner Geißler in seiner Rede auf dem Parteitag einen Bogen, indem er fünf Punkte aus dem Leitantrag herausgriff, die seiner Ansicht nach verdeutlichten, was die CDU unter geistiger Führung verstehe. Hierzu würden neben dem Bewusstsein um gemeinsame Werte und deren Verteidigung auch das Wissen um die eigene Wirtschaftlichkeit und die solidarischen Pflichten gegenüber dem Nächsten und anderen Völkern zählen. Als letzten Punkt führte Geißler an, dass ein Volk wissen müsse, „was zu tun ist, damit seine Jugend eine lebenswerte Zukunft hat“. Antworten liefere der Leitantrag bereits, allerdings noch längst nicht auf alle aktuell brennenden Fragen, weshalb es ein Irrtum sei, anzunehmen, „mit diesem Leitantrag würden wir das Ende der Diskussion bestimmter Probleme schaffen“.61 Die am zweiten Tag stattfindenden Diskussionsforen sollten dazu beitragen, solche Fragen zu erörtern und gegebenenfalls Aufträge an die Partei zu erteilen – womit den Befürchtungen der Skeptiker in der Partei, die Diskussion über jugendrelevante Themen wäre nach dem Parteitag beendet, der Wind aus den Segeln genommen werden sollte. Die Inhalte der vier Foren wurden analog zu den vier Kapiteln des Leitantrags bestimmt: Forum I widmete sich dem Thema „Für neue Zukunftschancen in Bildung und Beruf“. Hier wurde „intensiv über die Bildungsziele und die Erziehungsziele“ sowie über den „eigenständigen Stellenwert der Hauptschule und der beruflichen Bildung“ diskutiert,62 wobei von einigen der anwesenden Journalisten behauptet wurde, in diesem Forum habe es mehrheitlich eine unionsinterne Auseinandersetzung über die künftige Linie ihrer Bildungspolitik gegeben statt einer tatsächlichen Diskussion mit den jugendlichen Teilnehmern.63 Dies trifft nicht vollumfänglich zu, denn eine hitzige Debatte entzündete sich insbesondere an der Aussage des baden-württembergischen Kultusministers Gerhard Mayer-Vorfelder, die „Schülervertretung sei nur Kampfplatz linker Ideologen“. Hier bestand die Forderung der anwesenden jungen Teilnehmer darin, dass sich die CDU vermehrt dafür einsetzen solle, die Mitverantwortung der Schülervertretungen zu stärken, damit „die Funktion des Klassensprechers im wesentlichen [nicht] die ist, am Ende der Stunde die Tafel abputzen zu dürfen“.64 Die Diskussion in Forum II zum Thema „Für Soziale Marktwirtschaft im Dienst des Menschen“ wurde vorwiegend beherrscht von den „aktuellen Zielkonflikten in der Wirtschaftspolitik“. Schwerpunkte in der Debatte des etwas spärlicher besetzten Forums waren vor allem Fragen nach einem angemessenen Wachstum, einer Priorisierung von Effektivität vor Menschlichkeit sowie der Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und Umweltschutz.65
61 Ebd., S. 69, 71. 62 Ebd., S. 195 f. Im Protokoll des Bundesparteitages sind lediglich die Zusammenfassungen der Berichterstatter aus den einzelnen Foren aufgeführt, nicht aber die eigentlichen Diskussionen. Für das Forum I berichtete Ernst Albrecht. 63 Vgl. u. a. „Jugendliche beklagten bürgerfremde Politik“, in: Frankfurter Rundschau, 5.11.1981. 64 30. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.11.1981 in Hamburg, S. 197 f. 65 „Jugendliche beklagten bürgerfremde Politik“, in: Frankfurter Rundschau, 5.11.1981. Einen zusammenfassenden Bericht über die Diskussion in Forum II lieferte Walther Leisler Kiep auf dem Bundesparteitag. Vgl. 30. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.11.1981 in Hamburg, S. 155 – 158.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
Auf das größte Interesse stieß Forum III mit dem Titel „Für eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht“, in dessen Mittelpunkt das Subsidiaritätsprinzip stand.66 Hauptkritikpunkt in den Diskussionsbeiträgen war vor allem die Umsetzung dieses Subsidiaritätsprinzips durch die CDU, mithin also die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Partei.67 Aber auch aktuelle Themen wie die Hausbesetzungen und die „Stimmung vieler Jugendlicher – Angst, Sehnsucht, Erwartung“ wurden in Redebeiträgen angesprochen.68 Es wurde leidenschaftlich, aber fair diskutiert. In der vierstündigen Diskussion sei „kein einziges Mal geschrien worden“, wie der Chef der CDU-Sozialausschüsse, Norbert Blüm, in seinem Bericht über das Forum III betonte.69 Dieser „Diskussionsstil leidenschaftlicher Sachlichkeit“ wurde von allen der anwesenden Parteitagsdelegierten goutiert und von manch einem auch mit einem „Stoßseufzer“ bedacht.70 Anders als an den drei genannten Foren konnten am letzten, nachmittags stattfindenden Forum IV zum Thema „Wie sichern wir Frieden und Freiheit“ unter der Leitung Helmut Kohls alle Parteitags- und Gastdelegierten im Plenum teilnehmen. Die einleitende Rede von Richard von Weizsäcker wurde von vielen Jugendlichen als im Ton „wohltuend“ empfunden. Diese habe es ermöglicht, anschließend auch gegensätzliche Meinungen äußern zu können. So lag der Schwerpunkt der Diskussion in Forum IV in der von der JU unterstützten Forderung nach einer Änderung des Wehrpflichtgesetzes und damit einhergehende Abschaffung der Gewissensprüfung. Insgesamt beteiligten sich an diesem Forum besonders viele Jugendliche mit Wortbeiträgen, während die anwesenden Parteitagsdelegierten lediglich als Zuhörer auftraten.71 In seiner Schlussrede griff Helmut Kohl die Ziele seiner Partei nochmals auf und unterstrich, dass die CDU mit diesem Parteitag ihre Dialogfähigkeit mit der jungen Generation bewiesen habe und sie diesen Dialog fortführen werde. Er sah vor allem die unteren Parteiebenen in der Pflicht, den Weg, der in Hamburg beschritten worden war, ebenfalls umzusetzen und weiterzugehen. Der 30. Bundesparteitag habe die CDU auf dem Weg zur Regierungsübernahme „ein großes Stück“ vorangebracht, da die Partei ihre „Fähigkeit zur Diskussion und zur Integration, unsere Grundsatztreue, die nicht vom Zeitgeist umgeworfen wird, unsere Fähigkeit zum menschlichen Miteinander, zur Toleranz“ untermauert habe.72 Im Ergebnis zeigte die CDU mit der Durchführung dieses Jugendparteitages eine bemerkenswerte Offenheit in ihrer Programmdebatte.73 So enthielt der auf dem Parteitag verabschiedete Leitantrag Aussagen zur Reform der Bildungspolitik, die unter anderem
66 Vgl. 30. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.11.1981 in Hamburg, S. 237. Vgl. auch „Die Jugend redete der CDU ins Gewissen“, in: Der Tagesspiegel, 5.11.1981. 67 Vgl. „Die Jugend redete der CDU ins Gewissen“, in: Der Tagesspiegel, 5.11.1981. 68 30. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.11.1981 in Hamburg, S. 238. 69 Ebd., S. 236. 70 Kurt Reumann: „Miteinander reden“, in: FAZ, 9.11.1981. Eine Zusammenfassung der CDU-Positionen zu den in den Foren diskutierten Themen wurde in einer eigenen Broschüre abgedruckt. Vgl. CDUextra: Mit der Jugend – Unser Land braucht einen neuen Anfang, November 1981. 71 „Die jungen Gäste des Hamburger CDU-Parteitags kritisch und für Sachlichkeit dankbar“, in: FAZ, 5.11.1981. 72 30. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.11.1981 in Hamburg, S. 292 f. 73 Vgl. Bösch: Macht und Machtverlust, S. 43.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
in der Diskussion im Forum I auftraten.74 Neben der Stärkung und der Forderung des Ausbaus der dualen Berufsbildung in Betrieb und Schule beinhaltete der Beschluss ein Plädoyer für den Erhalt der Einheit des Gymnasiums. Unter diesen Punkt fiel zudem die Forderung der CDU, das Gymnasium auf acht Jahre zu verkürzen.75 Eine tatsächliche Wende in ihrer bisherigen Haltung vollzog die CDU mit ihrem Beschluss zum Wehr- und Ersatzdienst. Darin hieß es, dass „[a]nstelle des bisherigen Anerkennungsverfahrens für Wehrdienstverweigerer […] der Ersatzdienst so ausgestaltet werden [soll], daß er […] u. a. um 6 Monate länger dauern muß als der Wehrdienst“.76 Mit dieser Verlängerung sollte aus Sicht der CDU sichergestellt werden, dass tatsächlich nur diejenigen einen Ersatzdienst leisteten, die dies aus Gewissensgründen machen wollten.77 Mit seinen leidenschaftlichen Diskussionen und zahlreichen Beschlüssen sendete der 30. Bundesparteitag insgesamt ein „wichtiges politisches Signal an die Partei und die Öffentlichkeit in der Endphase der sozial-liberalen Koalition“.78 Von der CDU – insbesondere vom Parteivorsitzenden – wurde der Jugendparteitag als großer Erfolg gewertet. In einer Nachlese auf einer Sitzung der Bundestagsfraktion Mitte November 1981 ging Kohl nochmals auf die vielen skeptischen Stimmen im Vorfeld der Veranstaltung ein, die damit gerechnet hatten, dass „dieser Parteitag schiefgehen müsse, so, wie er angelegt war“. So sehe er sich jetzt „in der glücklichen Lage – nach dem Parteitag –, daß alle für den Parteitag waren“. Das Experiment, 500 junge Leute als Gastdelegierte einzuladen sei geglückt und solle nach Ansicht Kohls – wie er es bereits in seiner Schlussrede auf dem Parteitag gefordert hatte – auf den unteren Parteiebenen fortgesetzt werden. Denn die CDU könne sich zwar „an diesem Erfolg erfreuen. Aber wir sollten nicht darauf sitzenbleiben und sagen, das war so, sondern wir sollten daraus lernen für die praktische Arbeit und sollten das fortsetzen.“79 Diese Forderung stützten die Ergebnisse einer Umfrage, die unter den Jugendlichen auf dem Parteitag geführt wurde. So gaben 96 Prozent der 237 befragten jungen Gäste an, dass die CDU „diese Art von Dialog mit Jugendlichen fortführen“ sollte. Auf dem Jugendparteitag selbst war es neben den Themen der Foren – hier gaben 68 Prozent der Befragten an, dass die Themen „sehr interessant“ gewesen seien – vor allem die Möglichkeit zu vielen Gesprächen mit Politikern am Rande der Veranstaltung, die den Jugendlichen den Eindruck vermittelte, dass ihre Anliegen von der CDU tatsächlich ernstgenommen 74 Abdruck des Auszugs aus dem Beschluss „Unser Land braucht einen neuen Anfang“ in CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Zum Thema: Bildungspolitik – Der Jugend in Bildung und Beruf neue Zukunftschancen schaffen. 75 Vgl. ebd. Von der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag wurde der Beschluss zur Bildungspolitik als Anlass gesehen, ihre Anstrengungen auf diesem Gebiet weiter fortzusetzen und auszubauen. Die Umsetzung des Beschlusses in konkrete Gesetzesinitiativen bezeichnete der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Anton Pfeifer, als ein Beispiel „für die Entschlossenheit der Union im Bundestag, die Beschlüsse des CDU-Bundesparteitages mit Engagement und ausbildungs- und wissenschaftspolitischer Überzeugung in die Wirklichkeit umzusetzen.“ Anton Pfeifer: „Der Jugend neue Zukunftschancen schaffen. Bundestagsfraktion will Hamburger Beschluss zur Bildungspolitik verwirklichen“, in: DUD, Nr. 214, 19.11.1981. 76 30. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.11.1981 in Hamburg, S. 389. 77 Vgl. Zwischenbericht der Unterkommission zur Vorbereitung der Sitzung am 13.5.1982, o. D., ACDP 07-001-8919. 78 Hintze: Die CDU-Parteiprogramme, S. XXI. 79 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 10.11.1981, ACDP 08-001-1065/1, S. 3 f.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
worden seien.80 Im Umkehrschluss war es diese neue Form des Dialogs mit der Jugend, die nach Ansicht des CDU-Bundesgeschäftsführers Peter Radunski der Partei ein neues politisches Selbstbewusstsein und neuen Schwung in der politischen Arbeit verliehen habe.81 Zudem habe die Vorbereitung und die inhaltliche Gestaltung des Parteitages gezeigt, dass die seit der Bundestagswahl 1980 auftretenden strategischen Differenzen in der Herangehensweise an jugendpolitische Inhalte und Ziele zwischen Kohl und Geißler beigelegt worden seien, da sich beide auf ein gemeinsames Konzept hätten einigen können. Radunski bewertete den Parteitag aber vor allem als den „Parteitag Helmut Kohls“, insbesondere, da wegen des Erfolgs der Veranstaltung – dies auch im Hinblick auf die dort demonstrierte Einigkeit der Partei in ihren politischen Grundlagen – Personaldiskussionen um die Führung der CDU zunächst unterbunden worden seien.82 Innerhalb der Partei gab es aber auch kritische Stimmen zum Jugendparteitag. Jürgen Fuchs, jugendpolitischer Referent in der Bundesgeschäftsstelle, bescheinigte dem Parteitag zwar eine „lebhafte Resonanz“ aufgrund der Teilnahme vieler Jugendlicher, betrachtete den Beschlusstext des Parteitages aber als „weniger bemerkenswert“, da dieser „kaum mehr als die altbekannten Thesen“ enthalte. Dabei monierte Fuchs insbesondere, dass ein Ergänzungsantrag der Jungen Union zum Leitantrag, ein eigenes Kapitel zur Jugendarbeit und Jugendpolitik aufzunehmen, von den Delegierten nicht angenommen wurde.83 Kurt Biedenkopf sah in der Rückschau insgesamt die Bezeichnung der Veranstaltung als Jugendparteitag irreführend an, da seiner Ansicht nach die Mehrzahl der anwesenden Gäste eher dem Alter junger Erwachsener zuzurechnen war als dem von Jugendlichen.84 Für ihn handelte es sich eher um ein „Jugendfest“ ohne klare politische Absichten als um einen Parteitag der CDU.85 In der Schwesterpartei CSU sah die Parteiführung keine Veranlassung, ein ähnliches Format auf ihren Parteitagen einzuführen. Parteichef Franz Josef Strauß und sein Generalsekretär Edmund Stoiber betonten, dass ihre bisherige Vorgehensweise, das direkte Gespräch mit der Jugend abseits von Großveranstaltungen zu suchen, die bessere sei und daher beibehalten werde.86 Zudem setz 80 Vorläufiges Endergebnis der Umfrage unter den jugendlichen Gästen auf dem 30. Bundesparteitag, o. A., o. D., ACDP 07-001-22213. 81 Ähnlich betrachtet es rückblickend auch Heiner Geißler, der die symbolische Bedeutung des Jugendparteitages darin sieht, dass es in der CDU kurzzeitig zu einer „Veränderung des Stils, des Zusammenlebens der Partei, des Diskussionsstils“ gekommen sei. Gespräch mit Heiner Geißler (am 23. Februar 2016). 82 Vgl. Vermerk Peter Radunski über Ergebnisse des Bundesparteitages, 9.11.1981, ACDP 07-001-22213. Die Stärkung und Stabilisierung der Stellung Kohls innerhalb der CDU nach dem Bundesparteitag wurde auch in der CSU registriert. Angesichts des „desolaten Zustandes der Koalition“ könne diese Tatsache nur begrüßt werden. CSU-Landesgruppe 1972 – 1983, 9.11.1981, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CSU-LG, 9. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/csulg-09_1981-11-09-t1930_EP.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 83 Schreiben Jürgen Fuchs an Kommission Jugendpolitik über Rückschau auf die Arbeit des vergangenen Jahres, 16.12.1981, ACDP 04-007-374/1. 84 Hier ist die Auslegung der Frage nach der zeitlichen Eingrenzung des Lebensabschnitts der „Jugend“ von Bedeutung. Biedenkopf schien dies enger auslegen zu wollen, während die damals Verantwortlichen in der Bundesgeschäftsstelle einen hohen Anmeldestand von Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren als Erfolg verbuchten. Vgl. Mitteilung der Pressestelle der CDU über Informationen zum 30. Bundesparteitag, 28.10.1981, ACDP 07-001-22213. 85 Vgl. Gespräch mit Kurt Biedenkopf (am 21. April 2016). 86 Vgl. „Kohl: Bald Regierungswechsel“, in: Welt am Sonntag, 8.11.1981; Ulrich Zimmermann: „Warum Strauß an sein 80er Programm glaubt“, in: Bild am Sonntag, 8.11.1981.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
te Strauß in einem Zeitungsinterview noch einen wohlgezielten Nadelstich, indem er feststellte, auf dem Hamburger CDU-Parteitag habe „nicht ein Dialog mit der Jugend stattgefunden“, da zur Jugend „nicht nur rednerisch geschulte Schüler und Studenten, sondern auch Lehrlinge, Gehilfen, Facharbeiter, Handwerksmeister, Polizisten und Soldaten“ gehören würden.87 Besonders kritisch sah die CSU den Beschluss des Hamburger Parteitags zum Wehrdienst. Für seine Partei betonte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Friedrich Zimmermann, „ausdrücklich, daß die CSU diese Aushöhlung [Abschaffung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerung bei gleichzeitiger Verlängerung des zivilen Ersatzdienstes, Anm. d. Verf.] der allgemeinen Wehrpflicht nicht mitmachen könne“. Hier habe die CDU „offenbar in einer Phase der Begeisterung etwas beschlossen […], dessen Konsequenzen nicht überdacht wurden“.88 Unter den vielen Beschlüssen des 30. Bundesparteitages war ein Beschluss zur weiteren Behandlung der Jugendpolitik in der Partei besonders hervorzuheben. Die auf dem vorherigen Bundesparteitag bereits beschlossene Zukunftskommission89 wurde in Hamburg beauftragt, „in Zusammenarbeit mit dem Bundesfachausschuß Jugendpolitik ein Jugendpolitisches Programm zu erarbeiten.“ Dieses Programm sollte gleichzeitig eine Fortschreibung des Jugendprogramms von 1978 sein und bereits ein Jahr später verabschiedet werden.90 Neben der Erarbeitung eines neuen jugendpolitischen Programms bestand die Aufgabe der von Heiner Geißler geleiteten Kommission vor allem darin, die Ursachen der Unruhe, des Protestes und der Verweigerung vieler Jugendlicher zu erforschen. Dabei erwartete die CDU von der Kommission „wichtige Anregungen für die Lösung [dieser] Probleme […], die für Staat und Gesellschaft, vor allem aber für die jungen Menschen, von großer Bedeutung sind“.91 Diese Aufgabe ging die Zukunftskommission Jugend bereits zwei Monate nach ihrer Konstituierung im März 1982 mit der Vorlage eines Zwischenberichts an, in dem sie eine erste Analyse der aktuellen Situation der Jugend und 87 Ulrich Zimmermann: „Warum Strauß an sein 80er Programm glaubt“, in: Bild am Sonntag, 8.11.1981. 88 CSU-Landesgruppe 1972 – 1983, 9.11.1981, in: Editionsprogramm „Fraktionen im Deutschen Bundestag“, CSU-LG, 9. Wahlperiode, online. www.fraktionsprotokolle.de/csu-lg-09_1981-11-09-t1930_EP.xml (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). 89 Der CDU-Bundesvorstand wurde vom 29. Bundesparteitag beauftragt, eine Kommission bestehend aus Wissenschaftlern und Politikern einzurichten, „deren Aufgabe es ist, zu ausgewählten Zukunftsproblemen u. a. Sicherung des Generationenvertrages, Neue Soziale Frage, Analysen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.“ 29. Bundesparteitag der CDU, 9./10.3.1981 in Mannheim, S. 253 f. Die Einrichtung einer solchen Kommission ging auf eine Vorlage der Jungen Union von Herbst 1980 zurück, in der sie die Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft Zukunftsfragen beim CDU-Bundesvorstand forderte. Vgl. Beschlussvorlage „Für eine Erneuerung der Union“ für den Deutschlandrat der Jungen Union am 28./29.11.1980, o. A., o. D., ACDP 04-007-508/2. Auf Grundlage dieser Vorlage beschloss der CDU-Bundesvorstand auf seiner Klausurtagung Ende 1980 die Einrichtung einer solchen Zukunftskommission voranzutreiben. Vgl. CDU-Pressemitteilung, 16.12.1980. Im weiteren Prozess der Einrichtung dieser Kommission wurde diese in zwei Unterkommissionen unterteilt. Eine Unterkommission sollte sich ausschließlich mit den Fragen rund um die Sicherung des Generationenvertrages befassen, während sich die zweite Unterkommission mit den Problemen und Zukunftsperspektiven der jungen Generation auseinandersetzen sollte. Letztere firmierte fortan unter der Bezeichnung „Zukunftskommission Jugend“. Vgl. Vermerk Warnfried Dettling an Heiner Geißler über Zukunftskommission, 12.1.1982, ACDP 07-001-8919. 90 30. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.11.1981 in Hamburg, S. 385. Die konstituierende Sitzung der Zukunftskommission Jugend fand am 4. März 1982 statt. Vgl. CDU-Pressemitteilung, 3.3.1982. 91 CDU-Pressemitteilung, 3.3.1982.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
vereinzelt bereits konkrete Lösungsvorschläge präsentierte.92 Der vom 30. Bundesparteitag erteilte Auftrag zur Erarbeitung eines neuen jugendpolitischen Programms gestaltete sich in der Umsetzung dagegen schwieriger. Dies lag vor allem daran, dass der Parteitagsbeschluss keinen Hinweis darauf gab, wie die genaue Arbeitsaufteilung zwischen der Zukunftskommission und dem Bundesfachausschuss Jugendpolitik auszusehen habe.93 Noch vor der Konstituierung der Zukunftskommission diskutierten die Mitglieder des Bundesfachausschusses bereits über mögliche Themenschwerpunkte des neuen Jugendprogramms. Dabei kamen sie zum Ergebnis, dass dieses die Bereiche Bildung und Ausbildung ausklammern solle, da diese nicht in der Kompetenz des Gremiums liegen würden. Stattdessen sollten in einem ersten Analyseteil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Jugend in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt und dabei Aussagen zur aktuellen Problemlage der Jugend, die sich seit 1978 verschoben habe, getroffen werden. Der darauf aufbauende Maßnahmenkatalog des neuen Jugendprogramms solle sich schließlich auf den Bereich der Jugendpolitik im engeren Sinne beschränken, was aber nur die Jugendhilfe umfasse. Diese Einschränkung auf den Bereich der Jugendhilfe begründeten die Mitglieder der im Bundesfachausschuss Jugendpolitik gebildeten „Unterkommission Jugendprogramm“ damit, dass so die eigene Fachkompetenz ausreichend abgedeckt sei und auch die Auftragslage durch den Bundesparteitag keine weitere Ausdehnung der Thematik zulasse.94 Auf seiner Sitzung vom 29. Oktober 1982 beschloss der Bundesfachausschuss Jugendpolitik schließlich seinen Entwurf für ein neues jugendpolitisches Programm der CDU.95 Bis zu diesem Zeitpunkt lag allerdings noch kein eigener Entwurf der Zukunftskommission Jugend vor,96 weshalb auch das vom Bundesfachausschuss verabschiedete Programm zunächst nur für den parteiinternen Gebrauch verwendet wurde. Inhaltlich gliedert sich der Entwurf des Bundesfachausschusses in drei Hauptkapitel. Dabei gab das erste Kapitel Fragen junger Menschen wieder, die diese bewegten und interessierten – im weiteren Verlauf des Programms wurde auf diese unterschiedlichen Fragestellungen allerdings kurioserweise nicht mehr Bezug genommen, da nach Ansicht des Gremiums „die Aussagen der CDU zu diesen wichtigen Bereichen in anderen programmatischen Veröffentlichungen der Partei (z. B. zur Friedenspolitik, zur Bildungspolitik, zur Umweltpolitik, zur Energiepolitik, zur Ausländerpolitik) enthalten sind“.97 Eine Verbindung dieser vielfältigen gesellschaftspolitischen Fragen mit dem jugendpolitischen Bereich wäre angesichts 92 Vgl. Zwischenbericht der Unterkommission zur Vorbereitung der Sitzung am 13.5.1982, o. A., o. D., 07-001-8919. 93 Vgl. Protokoll der 2. Sitzung der Unterkommission des Bundesfachausschusses Jugendpolitik zur Erstellung eines jugendpolitischen Programms, 29.1.1982, ACDP 07-001-8920. 94 Vgl. ebd.; Protokoll der 4. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 27.11.1981, ebd. 95 Vgl. Jugend in einer freien und solidarischen Gemeinschaft, Beitrag des Bundesfachausschusses Jugendpolitik zu einem jugendpolitischen Programm der CDU – Beschluß des Bundesfachausschusses Jugendpolitik der CDU vom 29. Oktober 1982, ebd. 96 Im Herbst 1982 legte die Unterkommission der Zukunftskommission Jugend erst einen Zwischenbericht vor. Vgl. Vermerk Heiner Lueg an Renate Hellwig und Warnfried Dettling, 22.7.1982, ACDP 07001-8919. Durch die vorgezogenen Neuwahlen zum Deutschen Bundestag am 6. März 1983 wurde auch die Zukunftskommission Jugend dazu aufgefordert, ihre Arbeit bis nach den Wahlen zu unterbrechen. Vgl. Schreiben Renate Hellwig an die Mitglieder der Zukunftskommission Jugend, 28.10.1982, ebd. 97 Jugend in einer freien und solidarischen Gemeinschaft, Beitrag des Bundesfachausschusses Jugendpolitik zu einem jugendpolitischen Programm der CDU – Beschluß des Bundesfachausschusses Jugendpolitik der CDU vom 29. Oktober 1982, ACDP 07-001-8920.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
der inzwischen verbreiteten Auffassung von Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe und der häufigen Betonung sicherlich sinnvoll gewesen. Stattdessen beschränkte der Bundesfachausschuss die Definition von Jugendpolitik erneut auf deren engere Bedeutung – die der Jugendhilfe. Insgesamt eher ein Rückschritt. Eine Begründung lieferte die Diskussion auf der zweiten Sitzung der Unterkommission zur Erarbeitung des neuen Jugendprogramms. Hier wurde deutliche Kritik am Jugendprogramm von 1978 geübt, da in diesem die „Behandlung des Bereichs Jugendpolitik im engeren Sinne […] unzureichend und vor allem in seiner Gedankenführung sehr unsauber und unsystematisch“ sei. So stehe das neue jugendpolitische Programm der CDU vor der Aufgabe, Jugendpolitik im engeren Sinne überhaupt erst einmal grundsätzlich zu formulieren. Eine völlige Ausklammerung anderer Ressorts finde nach Ansicht der Mitglieder der Unterkommission zudem nicht statt, da die drängenden Fragen der Jugend im Programm schließlich Erwähnung gefunden hätten. Eine detailliertere Analyse mit entsprechenden daran anknüpfenden Maßnahmen ließe das neue Jugendprogramm allerdings zu abstrakt wirken. Als Ergebnis der Diskussion kam die Unterkommission zu der Erkenntnis, dass angesichts „der Tatsache, daß es eine Fülle von programmatischen Darstellungen der CDU-Politik in einem weiten Sinne gibt, […] das zu erarbeitende jugendpolitische Programm sich in seinem Kernprogramm mit Jugendpolitik im engeren Sinne beschäftigen“ solle.98 In den beiden übrigen Kapiteln des Entwurfs wurden zum einen die Grundsatzpositionen der CDU zur Erziehung und Entwicklung junger Menschen in einer freien und solidarischen Gesellschaft beschrieben, während das letzte Kapitel schließlich konkrete Aussagen zur Jugendhilfe traf, was Bereiche wie die Jugendarbeit, Erziehungshilfen, Jugendschutz, aber auch aktuelle Probleme junger Menschen wie die Jugendarbeitslosigkeit umschloss.99 In der laufenden Legislaturperiode bis zur Bundestagswahl 1983 wurde ein neues jugendpolitisches Programm der CDU nicht mehr veröffentlicht, vermutlich aufgrund des kurz zuvor vollzogenen Regierungswechsels und der damit verbundenen Verschiebung der Prioritäten in der Partei. Für den Bundestagswahlkampf 1983 bat das JU-Bundesvorstandsmitglied Roland Koch Heiner Geißler um die Veröffentlichung des vom Bundesfachausschuss Jugendpolitik verabschiedeten Programms, da dieses wesentliche Argumentationshilfen für Funktionsträger der Union gerade für das Gespräch mit der Jugend liefere.100 In seinem Antwortschreiben erwiderte Geißler jedoch, dass er eine Veröffentlichung des Programms ohne eine vorherige Überarbeitung nicht für sinnvoll erachte, vor allem in Anbetracht des zeitlich und thematisch stark konzentrierten Wahlkampfes. Er gehe davon aus, dass sich nach der Bundestagswahl der Bundesfachausschuss Jugend 98 Zusammenfassung der Diskussion auf der 2. Sitzung der Unterkommission über Arbeitsschwerpunkte, o. D., ebd. 99 Vgl. Jugend in einer freien und solidarischen Gemeinschaft, Beitrag des Bundesfachausschusses Jugendpolitik zu einem jugendpolitischen Programm der CDU – Beschluß des Bundesfachausschusses Jugendpolitik der CDU vom 29. Oktober 1982, ebd. 100 Koch sprach in diesem Zusammenhang nicht von einem jugendpolitischen Programm, sondern von jugendpolitischen Leitsätzen, was entweder an Unkenntnis der tatsächlichen Bezeichnung oder aber an einer in der Zwischenzeit vorgenommenen Umwertung der eigentlichen Bedeutung des Papiers lag. Vgl. Schreiben Roland Koch an Heiner Geißler mit Bitte um Veröffentlichung der jugendpolitischen Leitsätze im laufenden Wahlkampf, 1.2.1983, ACDP 04-007-373/3.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
politik wie auch die Zukunftskommission Jugend erneut konstituieren würden und sich dann mit der Überarbeitung des Papiers befassen könnten.101 Zu einer solchen Überarbeitung kam es allerdings in der zehnten Legislaturperiode nicht mehr. An die Zukunftskommission Jugend erging stattdessen der neue Arbeitsauftrag, ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu erstellen und dieses bis Ende 1983 dem Bundesausschuss zur Verabschiedung vorzulegen.102 Der vom Bundesfachausschuss Jugendpolitik verabschiedete Entwurf für ein neues Jugendprogramm wurde letztlich fast wortgleich für eine Broschüre mit dem Titel „Leitlinien zur Jugendhilfe“ verwendet, die die Bundesgeschäftsstelle Anfang 1984 veröffentlichte.103 Im Vorwort wies Generalsekretär Geißler auf die Verbindung hin und bedankte sich beim Bundesfachausschuss Jugendpolitik für die „Vorarbeiten für die vorliegende Orientierungshilfe“.104 Mit dem neuen Titel wurde ein Bezug zur aktuellen Diskussion über die Jugendhilfe hergestellt. Die Broschüre erschien fast zeitgleich mit dem in Bremen stattfindenden siebten Deutschen Jugendhilfetag, außerdem wurde wieder einmal über eine Novelle des Jugendwohlfahrtsgesetzes diskutiert, da die notwendige Neuregelung der Jugendhilfe auch unter der neuen schwarz-gelben Bundesregierung laut Pressemeldungen nicht so schnell möglich war.105 Nach dem 30. Bundesparteitag waren die Erwartungen nicht nur bei den jugendlichen Gästen, sondern auch in der Öffentlichkeit besonders hoch, die Diskussionen auf Orts- und Kreisverbandsebene weiterzuführen.106 Um diese Erwartungen zu erfüllen und dabei gleichzeitig den Auftrieb zu nutzen, den die CDU mit dem Parteitag nun erlebte, verschickte die Bundesgeschäftsstelle im Anschluss an die Veranstaltung verschiedene Aktionsvorschläge an die Parteigliederungen.107 Hierzu zählten neben dem Leitantrag die wichtigsten Reden, die Parteitagsbroschüre sowie eine Aktionszeitung, die die grundsätzlichen Argumente auflistete, die in Hamburg zur Sprache kamen.108 Bereits einen Monat später berichteten verschiedene Landesverbände über ihre Erfolge in dem gestarteten Dialog mit der Jugend und machten in ihrem Erfahrungsaustausch deutlich, wie unterschiedlich die Herangehensweisen an das Gespräch mit den Jugendlichen sein konnten und mussten. Dabei gebe es „kein Patentrezept“, da das „Gespräch […] auf vielen Ebenen mit immer wiederkehrenden kleinen Ansätzen geführt werden“ müsse.109 Unter den gesammelten Vorschlägen und Ideen der einzelnen Landesverbände finden sich viele, die bereits in früheren Diskussionen über eine Verbesserung des Verhältnis 101 Schreiben Heiner Geißler an Roland Koch, 23.2.1983, ebd. 102 Protokoll der 1. Sitzung der Zukunftskommission Jugend, 6.7.1983, ACDP 01-365-093/1. Im Februar 1984 beschloss der Bundesausschuss das von der Zukunftskommission Jugend erarbeitete Programm. Vgl. „Programm der CDU zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 7, 23.2.1984. Vgl. auch das Kapitel „,Geistig-moralische Wende‘ in der Jugendpolitik? – Ein Ausblick“. 103 CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Leitlinien zur Jugendhilfe. 104 Ebd. 105 Vgl. u. a. „Jugendpolitik als Vorsorge für die Zukunft“, in: Südwestdeutsche Zeitung, 11.8.1984; von Gero Randow: „Passt bloß auf!“, in: Jugendpolitische Blätter, Nr. 6 1984; „Leitlinien der CDU zur Jugendhilfe“, in: Jugendhilfe Informationen, Nr. 6 1984. 106 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 23.11.1981, S. 672. 107 Vgl. Schreiben Peter Radunski an die Teilnehmer der Landesgeschäftsführerkonferenz über Echo auf dem 30. Bundesparteitag, 20.11.1981, ACDP 07-001-539. 108 Vgl. „Das Gespräch mit der Jugend führen“, in: UiD-Öffentlichkeitsarbeit, Nr. 35, 19.11.1981. 109 Papier „Dialog mit der Jugend im Nachgang zum 30. Bundesparteitag der CDU in Hamburg“ von der CDU-Bundesgeschäftsstelle, 15.12.1981, ACDP 07-001-22213.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
ses zur Jugend vorgebracht worden waren. Hierzu zählten unter anderem die Suche des Gesprächs mit den Jugendlichen vor Ort, die gelegentliche Öffnung von Parteigremien für interessierte Jugendliche, die als Gäste teilnehmen konnten, oder die stärkere Einbindung der Kommunalpolitik in das Gespräch mit der Jugend.110 Ein großer Unterschied zu den bisherigen Dialogaufrufen mit der Jugend war die wichtige fachliche Begleitung durch die Bundesgeschäftsstelle. Ein im Sommer 1982 veröffentlichter Zwischenbericht listete detailliert die Aktivitäten seit dem Hamburger Parteitag auf den unterschiedlichen Parteiebenen auf.111 In seinem Resümee zu den Gesprächen mit der Jugend führte Bundesgeschäftsführer Peter Radunski an, dass die CDU die „Erfahrung gemacht [hat], daß bei der Jugend ein neuer Sinn für Realität entsteht, der die Aufgeschlossenheit gegenüber sachbezogenen Standpunkten wachsen läßt und die Grundlage für die Diskussion zwischen der Partei und der Jugend werden kann“. Dabei liege die „politische Herausforderung für die CDU im Gespräch mit der Jugend […] bei interessierten jungen Menschen in Fragestellungen, die von den Grünen und Alternativen ausgehen, sowie andererseits in dem weitverbreiteten Desinteresse, das große Teile der deutschen Jugend noch immer gegenüber Politik und Parteien hegen“. Gleichzeitig verschwieg Radunski nicht, dass der Dialog mit der Jugend „keine Idylle“ sei und Politiker fortlaufend „getestet und provoziert“ würden, weshalb diejenigen, die das direkte Gespräch mit der Jugend suchten „mehr können [müssen], als die in parteipolitischer Arbeit erlernten Formalien der Diskussion“. An vorderster Stelle zeige die in der Dokumentation „dargestellte Fülle der Parteiaktivitäten“, dass der „Hamburger Parteitag der Auftakt für einen intensiven und kontinuierlichen Dialog der CDU mit der Jugend geworden ist“.112 In Zahlen bemaß sich der Erfolg darin, dass zu den erfassten Veranstaltungen der verschiedenen Parteigliederungen im ersten Halbjahr 1982 rund 15.000 Jugendliche gekommen waren. Von noch größerer Bedeutung für die CDU war die Auswirkung der verschiedenen Aktionen auf das Verhältnis zu den Jungwählern. Hier schien sich laut Radunski ein positiver Trend abzuzeichnen, wie beispielsweise die Landtagswahlen in Niedersachsen zeigten.113 Zudem konnte Radunski auf eine Umfrage des Allensbach-Institutes verweisen, nach deren Zahlen die Union bei den 18- bis 29-jährigen bundesweit bei 37 Prozent lag, wohingegen die SPD bei 30 Prozent, die FDP bei 10 Prozent und die Grünen bei 21 Prozent zu verorten waren.114 Neben der Auflistung der unterschiedlichen Aktivitäten sollte die Dokumentation vor allem „Anregung sein für die Verbände, die bisher noch keine Aktionen durchgeführt haben oder noch in der Vorbereitung sind“. Implizit wurde somit Druck auf diejenigen Verbände ausgeübt, die bislang im Hinblick auf einen verstärkten Dialog mit der Jugend wenig unternommen hatten. Die CDU-Parteizentrale wollte sicherstellen, dass diese Aktion tatsächlich in allen Parteigliederungen weitergeführt wurde und der Hamburger Parteitag nicht als „Eintagsfliege“ im Gedächtnis blieb.115 110 Vgl. ebd. 111 Vgl. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Zwischenbericht über die Aktivitäten der Partei seit dem Hamburger Parteitag. 112 CDU-Pressemitteilung, 2.8.1982. 113 Laut repräsentativer Wahlstatistik war die CDU mit 40,8 Prozent die stärkste Partei bei den 18- bis 25-Jährigen bei einem Gesamtergebnis von 50,7 Prozent. Vgl. ebd. 114 Vgl. ebd. 115 CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): Zwischenbericht über die Aktivitäten der Partei seit dem Hamburger Parteitag.
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IV. „Mit der Jugend“ – Der Jugendparteitag der CDU
Welche konkreten Auswirkungen auf den Stellenwert der Jugendpolitik innerhalb der Partei und das Verhältnis zur Jugend hatte das verstärkte Bemühen der CDU um die junge Generation aber tatsächlich seit dem Jahr 1979 und insbesondere seit dem Jugendparteitag im November 1981? Gab es hier die von der Parteiführung gewünschten Fortschritte? In seiner ersten Regierungserklärung am 13. Oktober 1982 räumte der neue Bundeskanzler Helmut Kohl der Jugend und der Jugendpolitik einen gewissen Raum ein. So stellte Kohl explizit zu den Themen, die die Jugend stark bewegten, Initiativen der neuen Bundesregierung in Aussicht. Hierzu zählten neben der von ihm attestierten weiterhin verbreiteten Orientierungslosigkeit der Jugend das Verhältnis von Staat und Bürger, die Umweltpolitik sowie die Friedensthematik und darunter insbesondere die Frage nach der Wehrgerechtigkeit.116 In seiner Erklärung zeichnete er das Bild einer engagierten Jugend und stellte sich damit gegen das gesellschaftlich weit verbreitete allgemeine Klagen über die jungen Menschen. Die Anerkennung und Betonung dieses Engagements waren laut Kohl auch „ein Stück Beitrag zum Gespräch mit der jungen Generation“. Daher wolle sich die neue Bundesregierung mit dieser engagierten Jugend „konstruktiv auseinandersetzen“ und sie „ernst nehmen“.117 Ein besonderes Augenmerk in Bezug auf die Belange junger Menschen wollte Kohl auf die Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit legen und stellte entsprechende Maßnahmen zur Schaffung von mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in Aussicht.118 Im Bundestagswahlkampf 1983 legte die CDU – im Gegensatz zum Wahlkampf von 1980 – keinen großen Fokus auf die Zielgruppe der Jugend, wie der Landesvorsitzende der JU Bayern, Alfred Sauter auf einer Sitzung der Bundestagsfraktion mit Sorge feststellte: Der Wahlkampf im Hinblick auf die Jugend zähle nicht zu den „im Sinne des Vorsitzenden […] ‚großen‘ Themen“.119 Stattdessen stünden wirtschaftspolitische Probleme klar im Vordergrund der Wahlkampfstrategie der Parteizentrale und darunter insbesondere die Arbeitslosigkeit als „beherrschende Sachfrage“.120 Die dazu zählende Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit war eines der wenigen jugendrelevanten Themen im Wahlkampf,121 dafür aber ein gewichtiges, wie Helmut Kohl vor dem Bundesvorstand im Februar 1983 deutlich machte.122 So waren seiner Aussage aus der Regierungserklärung, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen und mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für Jugendliche zu schaffen, bald Gespräche mit führenden Vertretern der deutschen Wirtschaft gefolgt. Nach deren Abschluss konnte Kohl Anfang Februar eine „Lehrstellengarantie für jeden ausbildungsbereiten und ausbildungsfähigen Jugendlichen“ in Aussicht stellen.123 Im Wahlkampf sollte der Jugend damit gezeigt werden, dass die Partei hier aktiv für ein drängendes Thema einstehe.124 116 Vgl. Sten. Ber. BT, 10. WP, 13.10.1982, S. 7215, 7218, 7223 – 7225. 117 Ebd., S. 7226. 118 Vgl. ebd. 119 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 26.10.1982, ACDP 08-001-1068/2, S. 26. 120 „Bundestagswahlkampf ’83. Wahlkampfbericht der Bundesgeschäftsstelle“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 20/21, 27.5.1983, S. 3. 121 Zum kurzen Wahlkampf und den diesen bestimmende Themen vgl. u. a. Schwarz: Helmut Kohl, S. 321 – 326; Bösch: Macht und Machtverlust, S. 222 f.; Kohl: Erinnerungen 1982 – 1990, S. 77 – 79. 122 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 21.2.1983, S. 1089. 123 Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 4.2.1983. Vgl. zur Ankündigung der Initiative Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 17.1.1983, S. 1034 f. 124 Vgl. Protokolle CDU-Bundesvorstand 1980 – 1983, Sitzung am 21.2.1983, S. 1089.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
Trotz einer fehlenden Kampagne für die Jugend gab es vereinzelt Veranstaltungen, die sich in erster Linie an diese Zielgruppe richteten. Hierzu zählte eine „Zielgruppenveranstaltung ‚Jugend‘“ am 30. Januar 1983 in Köln. Neben Reden bundesweit bekannter CDU-Politiker konnten die Jugendlichen an insgesamt 13 Diskussionsforen zu ausgewählten Themen teilnehmen, darunter zur Bildungs- und Umweltpolitik, zur Friedensthematik, zum Jugendprotest und zur Wehrgerechtigkeit sowie zu Radikalismus von rechts und links.125 Analog zum beherrschenden Thema der Arbeitslosigkeit im Wahlkampf fand das Forum „Auf die Plätze – fertig – arbeitslos?“ unter Leitung von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm den größten Zulauf unter den jugendlichen Teilnehmern.126 Überrascht war die Partei von der großen Resonanz auf diese Veranstaltung: Statt der erwarteten 4.000 Jugendlichen kamen fast dreimal so viele in die Messehallen nach Köln und sorgten für eine ausgelassene Stimmung.127 Mit Blick auf das Ergebnis der Bundestagwahl 1983 hatten sich die starken Bemühungen der CDU um die Jugend vor allem in Bezug auf das Erstwähler- und Jungwählerergebnis positiv ausgewirkt.128 Bei den Wählern zwischen 18 und 25 Jahren lag die Union zwar immer noch hinter der SPD, konnte ihr Ergebnis im Vergleich zur Bundestagswahl 1980 aber um 3,6 Prozentpunkte auf 38 Prozent verbessern,129 bei den Erstwählern lag die Union mit 46 Prozent sogar vor der SPD mit 41 Prozent.130 Allerdings können diese Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Differenz des Jungwählerergebnisses zum Gesamtergebnis mit 7,3 Prozentpunkten weiterhin im negativen Bereich lag.131 So waren aus der Partei auch weiterhin Beteuerungen zu hören, den Dialog mit der Jugend uneingeschränkt fortzusetzen und sich jugendspezifischer Themen anzunehmen.132 Angesichts des bald einziehenden Alltags der Regierungsarbeit ist daher die Frage zu klären, ob die CDU den Schwung seit 1979 und insbesondere seit dem Jugendparteitag 1981 im Hinblick auf den stärkeren Fokus auf jugendrelevante Themen sowie die Jugend als Zielgruppe mitnahm und in Regierungsverantwortung in praktische Politik umsetzen konnte – und wollte.
125 Vgl. Programm der Zielgruppenveranstaltung „Jugend“ am 30.1.1983 in Köln, verteilt auf der Sitzung der Landesgeschäftsführerkonferenz, 13.1.1983, ACDP 07-001-543. 126 Vgl. Eberhard Nitschke: „Geißler fand vor der Jugend den richtigen Ton“; in: Die Welt, 31.1.1983. 127 Vgl. „Mehr Jugend als erwartet. 12 000 feierten Helmut Kohl“, in: Frankfurter Neue Presse, 1.2.1983. 128 Vgl. Beschluss des Bundesfachausschusses Jugendpolitik über „Mit der Jugend Politik gestalten“, 9.9.1985, ACDP 07-001-8923. 129 Vgl. Schreiben Hans Peter Bergner über Schwerpunkte der CDU-Jugendpolitik und Ergebnis in Bundestagswahlen bei Jungwählern, 31.3.1983, ACDP 07-001-19505. Damit bewahrheitete sich die Prognose des Allensbach-Instituts, auf die sich Peter Radunski mit Blick auf einen angenommenen positiven Trend im Jungwählerergebnis für die CDU bezog. Vgl. CDU-Pressemitteilung, 2.8.1982. 130 Vgl. „Ein herausragender Wahlerfolg für die Union“, in: UiD, Nr. 11, 17.3.1983, S. 8. 131 Vgl. Beschluss des Bundesfachausschusses Jugendpolitik über „Mit der Jugend Politik gestalten“, 9.9.1985, ACDP 07-001-8923. 132 Vgl. u. a. Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 8.3.1983, ACDP 08-001-1070/1, S. 21; Schreiben Hans Peter Bergner über verstärkte Berücksichtigung der CDU von jugendpolitischen Themen, 12.4.1983, ACDP 07-001-19505.
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V. „Geistig-moralische Wende“ in der Jugendpolitik? – Ein Ausblick Mit der Regierungsübernahme der CDU/CSU unter dem neuen Bundeskanzler Helmut Kohl stellte ab Oktober 1982 die CDU den Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit. Das Amt übernahm Generalsekretär Heiner Geißler, der sich nach der gewonnenen Bundestagswahl 1983 mit einem deutlichen Appell an seine Fraktionskollegen im Deutschen Bundestag wandte: Die Partei dürfe sich keinesfalls auf dem guten Wahlergebnis bei den Jungwählern ausruhen, sondern jeder Abgeordnete müsse mit Blick auf die Ansprache der Jugend „in seinem Wahlkreis überlegen, wo er möglicherweise noch weiße Flecken hat“. Die CDU müsse weiterhin aktiv in der Ansprache der jungen Generation bleiben und ihre Jugendarbeit verbessern und dabei insbesondere auch auf die jungen Menschen in den Vereinen und Verbänden zugehen und damit den vorpolitischen Raum der jungen Generation für die Union langfristig erschließen.1 Vor allem in den im Deutschen Bundesjugendring zusammengeschlossenen Jugendverbänden stieß die neue schwarz-gelbe Bundesregierung auf Vorbehalte, da sich diese in den 1970er Jahren eher sozialdemokratischen Positionen angenähert hatten. Hier musste dementsprechend ein enger Austausch gesucht werden.2 In der Ansprache der Jugend wollte die neue Bundesregierung einen anderen Weg als die sozial-liberale Bundesregierung gehen, wie bereits eine Aussage aus den Reihen der FDP vom Abgeordneten Burkhard Hirsch in der Aussprache über die Regierungserklärung von Helmut Kohl im Oktober 1982 zeigte. So wollten die Koalitionsparteien „um die Mitarbeit der jungen Menschen am Staat werben“ und ihnen damit eine klar formulierte Aufgabe erteilen.3 Das Ziel der aktiven Beteiligung der Jugend wandelte Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung nach der Bundestagswahl 1983 in den programmatischen Ansatz der Jugendpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung um: „Unser Staat braucht die zupackende Mitarbeit der jungen Generation.“4 Diese Mitarbeit sei vor allem gefragt vor dem Hintergrund der schlechten Ausbildungs- und Arbeitsplatzsituation für viele Jugendliche in der Bundesrepublik, aber auch angesichts des nach wie vor zu beobachtenden Rückzugs eines nicht unerheblichen Teils der jungen Generation aus der Gesellschaft, da sich diese in ihren Hoffnungen und Erwartungen aus der Vergangenheit getäuscht sehen würden. Das Bild einer „abseits stehenden jungen Generation“ wollte Kohl – wie bereits in seiner Erklärung aus dem vorangegangenen Jahr – nicht so stehen lassen, stattdessen hob er diejenigen Jugendlichen hervor, die sich bereits auf vielfältige Art und Weise in der Gesellschaft engagierten.5 Eingehend äußerte sich Kohl zur Situation der Bildungspolitik sowie zur Bekämpfung des Ausbildungs- und Arbeitsplatzman-
1 Protokoll der CDU/CSU-Fraktionssitzung, 8.3.1983, 08-001-1070/1, S. 21. 2 Vgl. Popp: Jugendpolitik, S. 905. In den folgenden Jahren entwickelte sich das Verhältnis zum DBJR allerdings in keine bessere Richtung. Vgl. ebd. 3 Sten. Ber. BT, 9. WP, 14.10.1982, S. 7354. 4 Sten. Ber. BT, 10. WP, 4.5.1983, S. 64. 5 Ebd.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
gels – letzteres war das beherrschende Jugendthema in dieser Zeit.6 Vorhaben, die dem enger gefassten Bereich der Jugendpolitik zuzuordnen waren, wurden von Kohl nicht angesprochen – was allerdings angesichts einer nach wie vor ausstehenden Reform des Jugendhilferechts angebracht gewesen wäre. Die Schwerpunktsetzung im jugendpolitischen Bereich wurde den Fachpolitikern überlassen, die in den entsprechenden Partei- und Regierungsgremien die Details konkreter Maßnahmen ausarbeiten sollten. Hinter dem programmatischen Ansatz der geforderten Mitarbeit der Jugend stand ein neues Leitbild von Jugendpolitik, das sich von dem der Vorgängerregierung deutlich unterschied. Jugendpolitik und ihre Maßnahmen müssten eine Antwort auf die „,Integrationsschwäche‘“ der Gesellschaft geben, wie Heiner Geißler formulierte.7 Die Aufgabe der Bundesregierung sei es daher, die „,soziale Integration‘“ der Jugend voranzutreiben, wofür eine Stärkung der „traditionellen Erziehungsmächte, Familie, Kirche und Schule“ notwendig sei und eine von der SPD seit Jahren betriebene „,Destruktion der Familie‘“ beendet werden müsse.8 In einem Schlagwort zusammengefasst war dieses Leitbild der neuen Bundesregierung nach Walter Hornstein das einer „integrativ-protektive[n] Jugendpolitik“, die sich von der in den 1970er Jahren praktizierten „emanzipativen Jugendpolitik“ der sozial-liberalen Koalition klar absetzte.9 Rückblickend bezeichnete Geißler die 1970er Jahre als ein „Jahrzehnt der Entpflichtung“ für die Jugend, was die teilweise ablehnende Einstellung eines Teils der jungen Generation zum Staat begünstigt habe. 10 Drei wesentliche Elemente der von der schwarz-gelben Bundesregierung betriebenen integrativ-protektiven Jugendpolitik waren laut Hornstein eine „positive […] Sichtweise auf die Jugend“, der Ruf nach ihrer „,zupackenden‘ Mitarbeit“ und schließlich „die starke Rolle der traditionellen Erziehungsmächte“, zu denen insbesondere die Eltern, die Familie und die Schule zählten.11 Nach diesem Verständnis bestand eine gute Jugendpolitik vor allem darin, eine „gute Politik für alle“ zu sein, insbesondere aber „in einer guten Wirtschaftspolitik“.12 Eine solche „gute Wirtschaftspolitik“ war zu Beginn der Regierungsarbeit der schwarzgelben Koalition zunächst von Haushaltsdisziplin gekennzeichnet.13 Um das vorgestellte Schwerpunktprogramm zur Überwindung der wirtschaftlichen Krise – darunter „Abbau der Arbeitslosigkeit, Wiedergewinnung eines angemessenen Wachstums, weitere Sanierung der öffentlichen Finanzen und Sicherung der Renten“14 – umsetzen zu können, musste nach Ansicht der Unionsparteien und der FDP auch in der Sozialpolitik rigide
6 Vgl. ebd., S. 63 f. 7 Redemanuskript Heiner Geißler „Neue Jugendreligionen – die Freiheit des Einzelnen schützen“, o. D., S. 6, zitiert nach Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 257. Der Inhalt der Rede lässt laut Hornstein auf das Jahr 1985 schließen. Vgl. Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 257, Anm. 13. 8 Redemanuskript Heiner Geißler „Neue Jugendreligionen – die Freiheit des Einzelnen schützen“, o. D., S. 8, zitiert nach Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 257. 9 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 257 f. 10 Schreiben Heiner Geißler über negative Einstellung der Jugend zum Staat, 27.7.1983, ACDP 07-00119505. 11 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 258. 12 Ders.: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 7, S. 541. 13 Das Credo für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik lautete nun wieder weniger Staat und mehr individuelle Freiheit – die Grundsätze der Subsidiarität sollten wieder in den Fokus rücken. Vgl. Schulz: Die Entwicklung der Sozialen Marktwirtschaft und der Regierungswechsel 1982, S. 135 f. 14 Sten. Ber. BT, 10. WP, 4.5.1983, S. 58.
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V. „Geistig-moralische Wende“ in der Jugendpolitik? – Ein Ausblick
gespart werden. Dabei waren Maßnahmen wie die Senkung des Mutterschaftsgeldes, einkommensabhängige Kürzungen beim Kindergeld vom zweiten Kind an und die Abschaffung des Schüler-Bafögs auch an der Unionsbasis nur schwer zu vermitteln – eine „Wende“ in der Politik war damit für viele zunächst nicht verbunden.15 Die CDU versuchte allerdings, die Familienpolitik von den sozialpolitischen Einschnitten, soweit es ging, auszunehmen.16 Nachdem die Haushaltslage es wieder zuließ, konnten vor allem Familien stärker von sozialpolitischen Vergünstigungen profitieren. Damit entsprach die Union „weiterhin ihrer Programmatik und ihrer christlich-sozialen Weltanschauung“.17 In Bezug auf die immer wieder aufkommende Frage nach dem Verhältnis von Jugend- und Familienpolitik ließ sich demnach im Hinblick auf die Regierungsarbeit der schwarz-gelben Koalition eine klare Bevorzugung der Familienpolitik erkennen. Einen ersten Hinweis auf die programmatische Bedeutung der Familie für die zukünftige Politik der Bundesregierung gab Helmut Kohl bereits in seiner Regierungserklärung im Oktober 1982: Familie sei ein „zentraler Punkt“ der neuen Regierungspolitik, da die Menschen in dieser „Tugenden und Verhaltensweisen [lernen], die unserer Gesellschaft ein menschliches Gesicht geben: Liebe und Vertrauen, Toleranz und Rücksichtnahme, Opferbereitschaft und Mitverantwortung.“18 Deutlich wurde die Nachordnung der Jugendpolitik auch in der Stellungnahme der Bundesregierung zum siebten Jugendbericht aus dem Jahr 1986, der sich mit dem Thema „Jugendhilfe und Familie – die Entwicklung familienunterstützender Leistungen der Jugendhilfe und ihre Perspektiven“ befasste. Im Vorwort wurde die Jugendhilfe, also der enger gefasste Teil der Jugendpolitik, als „abhängige Größe“ der Familienpolitik bezeichnet.19 In politischen Maßnahmen ausgedrückt bedeutete diese Feststellung, dass die „Jugendpolitik die Familie bei ihren Anstrengungen um die Erziehung der Jugend zu unterstützen“ habe.20 Insgesamt aber wollte die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme in Bezug auf die Forderungen des siebten Jugendberichts betonen, dass sie mit ihren bisherigen Leistungen und Maßnahmen die „Jugend- und Familienpolitik wieder in den Mittelpunkt gerückt“ habe.21 Diese Aussage galt zu Beginn der Regierungsarbeit vor allem im Hinblick auf die von der Unionsseite postulierte „geistig-moralische Wende“ in der Politik.22 Darin nahm die Jugendthematik einen zentralen Platz ein, denn es galt: „Gesellschaftliche Erneuerung ist nicht möglich ohne die Jugend; auch deshalb: Ringen um die Jugend!“23 Bereits 1977 15 Vgl. u. a. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 587; Bösch: Die Krise als Chance, S. 306. 16 Vgl. Bösch: Die Krise als Chance, S. 306. 17 Ders.: Macht und Machtverlust, S. 51. 18 Sten. Ber. BT, 9. WP, 13.10.1982, S. 7226. 19 BT-Drs., 10/6730, 10.12.1986. 20 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 272. 21 BT-Drs., 10/6730, 10.12.1986. 22 Zur Bedeutung und Inhalt des Begriffs der „geistig-moralischen Wende“ vgl. u. a. Kleinmann: Geschichte der CDU, S. 458 f.; Bösch: Macht und Machtverlust, S. 44 – 47; Schwarz: Helmut Kohl, S. 326 – 341; Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 584 – 586; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 688 f. 23 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 259. Aus SPD-naher Sicht wurde die Jugend, indem sie zu einem „hervorragenden Objekt der proklamierten ‚geistig-moralischen Wende‘“ gemacht wurde, allerdings zugleich von der neuen schwarz-gelben Bundesregierung „ideologisch funktionalisiert“. Beate Brüggemann/Rainer M. Riehle: „Vier Jahre ‚geistig-moralische Wende‘. CDU/CSUJugendpolitik zwischen Problemverschiebung und Problemproduktion“, in: Die Neue Gesellschaft/ Frankfurter Hefte, Nr. 7, Juli 1987, S. 820. In einer Fundamentalkritik an der Jugendpolitik der unions-
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hatte Heinrich Köppler in seiner Rede auf dem Zukunftskongress der CDU auf die Notwendigkeit einer „geistig politischen Wende in Schule und Erziehung […], […] eine Wende in den Lehrinhalten und den Lerninhalten“ hingewiesen. Dabei kritisierte Köppler den aus seiner Sicht falschen Ansatz der „emanzipatorischen Pädagogik“, mit der „junge Menschen immer nur einseitig auf ihre höchstpersönlichen Ansprüche an diese Gesellschaft verwiesen würden und dieser Jugend nicht mehr in der nötigen Form gesagt werde, daß Ansprüche an den Staat und an diese Gesellschaft auch die Kehrseite nötig machten, nämlich Beiträge, um nicht zu sagen Opfer, auch für diese Gemeinschaft und für diesen Staat zu bringen“.24 Mit diesen Worten nahm Köppler die wesentliche Interpretation von Jugendpolitik der neuen schwarz-gelben Bundesregierung unter dem Aspekt der geistigmoralischen Wende bereits vorweg und zeigte den roten Faden im Verständnis der Jugendpolitik seiner Partei auf. Die neue jugendpolitische Strategie und Programmatik der unionsgeführten Bundesregierung bedeutete schließlich eine „Abkehr von einem umfassend wohlfahrtsstaatlichen Verständnis der Staatsaufgaben auf die Selbstverantwortung des Einzelnen, auf Eigeninitiative, auf Tüchtigkeit und Leistung“ bei gleichzeitiger Einbindung der Jugend „in die durch die alten Werte der Familie, der Zusammengehörigkeit, des Vertrauens wiederbelebte soziale Ordnung“.25 Für die Praxis der Jugendpolitik der CDU in Regierungsverantwortung bedeuteten diese Grundsätze, dass die Partei sich nicht mehr so sehr um einen Dialog mit der Jugend bemühen konnte, wie sie dies noch zu Oppositionszeiten getan hatte. Vielmehr setzte die neue Bundesregierung auf die Mitarbeit der Jugend in der Gesellschaft und wollte ihr zeigen, dass sie gebraucht wurde.26 Welche konkreten politischen Vorhaben und Maßnahmen wollte die neue Bundesregierung vor dem Hintergrund der geistig-moralischen Wende in ihrer Jugendpolitik genau ergreifen? Um den eigenen besonderen Einsatz und das Versagen der Vorgängerregierung in diesem Politikbereich hervorzuheben, war es für die jugendpolitischen Fachexperten wichtig zu betonen, dass es sich bei der Jugendpolitik nicht um ein isoliertes Fachthema handelte, sondern um einen zentralen Bereich nationaler Politik. Auch ein weiteres Schlagwort wiederholte sich im Vokabular der Union: Primäre Aufgabe der Jugendpolitik sei es demnach, „die Zukunftschancen der jungen Generation zu verbessern und sichern zu helfen“27 und jugendpolitische Themen und Probleme vieler Jugendlicher auf die politische Agenda zu setzen, deren Lösung in den vergangenen Jahren „sträflich vernachlässigt […]“ worden wäre.28 Die Novellierung des Jugendschutzes, die Novellierung des Jugendarbeitsschutzes, die Bekämpfung der zunehmenden Drogen- und Alkoholsucht, die Bekämpfung ansteigender links- und rechtsextremer Tendenzen in der Jugend sowie die Sorge um benachteiligte junge Menschen, junge Arbeitslose und Kinder ausländischer Arbeitnehmer und Menschen mit Behinderung bildeten für die Union in geführten Bundesregierung stellten die Autoren fest, dass es in diesem Politikbereich „weniger um die Jugendlichen selbst als vielmehr um die Herstellung von Akzeptanz und Loyalität“ gehe. Ebd., S. 828. 24 Rede Heinrich Köppler auf dem Kongress „Zukunftschancen der Jugend“, 21./22.10.1977, ACDP 07001-8913. 25 Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 7, S. 538 f., 552. 26 Vgl. ebd., S. 552. 27 Papier „Jugendpolitik: nicht isoliertes Fachthema, sondern zentraler Bereich deutscher Politik“ von der AG Jugend, Familie und Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 28.6.1983, ACDP 08001-150/1. 28 Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 2.3.1983.
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den ersten Regierungsjahren die Schwerpunkte ihrer parlamentarischen Arbeit im Bereich der Jugendpolitik.29 Das zentrale Thema der zehnten Legislaturperiode – und noch darüber hinaus – blieb die Bekämpfung der Ausbildungskrise und der Jugendarbeitslosigkeit. Hier bestand der „stärkste Handlungsdruck auf die Bundesregierung“30, und hier wurden schnell Maßnahmen ergriffen, um die eigene Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.31 Der sprunghafte Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit Anfang der 1980er Jahre war vor dem Hintergrund der allgemein stark zunehmenden Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu sehen. Nach der zweiten Wirtschaftsrezession Ende der 1970er Jahre stieg die Zahl der Arbeitslosen von rund einer Million im Herbst 1980 auf über zwei Millionen bereits ein Jahr später.32 Von dieser Entwicklung waren junge Menschen, die einen Einstieg in den Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt suchten, besonders stark betroffen. Welche Bedeutung die CDU dem Thema Jugendarbeitslosigkeit beimaß, zeigte dessen Behandlung auf dem 31. Bundesparteitag Ende Mai 1983 in Köln. Zusammen mit der Bekämpfung der allgemeinen Arbeitslosigkeit war der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit für die Union die „vordringlichste politische Aufgabe der Gegenwart“, da neben der schweren wirtschafts- und finanzpolitischen Belastung gerade junge Menschen vor der Erfahrung bewahrt werden sollten, ihren Berufseinstieg mit Enttäuschung und Frust beginnen zu müssen.33 Der seit einigen Jahren oft beschriebene Rückzug einiger Jugendlicher aus der Gesellschaft würde durch diese Erfahrung nur begünstigt werden. Um diesem Thema die nötige Aufmerksamkeit sowohl in der Partei als auch nach außen zu geben, sollte sich der zweite Tag des Kölner Bundesparteitages ausschließlich mit der Jugendarbeitslosigkeit befassen und in einer offenen Form abseits der Parteitagsordnung geplant werden. Hierbei knüpfte die CDU an die positiven Erfahrungen des Hamburger Jugendparteitages 1981 an, da auf den Diskussionsforen „nicht nur die Delegierten des Parteitages, sondern auch eine Reihe hierzu eingeladener Gäste aus Organisationen und Verbänden teilnehmen und Rederecht erhalten sollen“.34 Die Anträge und Ergebnisse aus den Redebeiträgen der Diskussionsforen zum Problem der Jugendarbeitslosigkeit wurden im Nachgang des Parteitages weiterbearbeitet, analysiert und nutzbar gemacht. Hierfür beauftragte der Parteitag die Zukunftskommission Jugend, ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu erarbeiten, in dem konkrete Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden sollten.35 Bereits ein knappes Jahr später, im Frühjahr 1984, lag dem CDU-Bundesausschuss dieses Programm zum Beschluss vor.36 Damit erfülle die CDU nicht nur den Auftrag des 31. Bundesparteitages, sondern beabsichtigte nach Auffassung von Heiner Geißler gleichzeitig, „eine Antwort 29 Vgl. Schreiben Hans Peter Bergner an Josef Niehues, 8.3.1983, ACDP 07-001-19505. 30 Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 7, S. 541. 31 Siehe dazu die erfolgreichen Gespräche Helmut Kohls mit Vertretern aus der Wirtschaft zur Schaffung und Garantie von Lehrstellen für ausbildungsbereite Jugendliche. Vgl. Kap. C, Anm. 123. 32 Vgl. u. a. Conze: Die Suche nach Sicherheit, S. 677 – 680; Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 705 f.; Geyer: Rahmenbedingungen, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6, S. 96; Winkler: Der lange Weg nach Westen, Bd. 2, S. 371. 33 Vgl. Präsidium der CDU, Sitzung am 25.4.1983, Beschlussvorlage der Bundesgeschäftsstelle für die Bundesvorstandssitzung am 25.4.1983, 21.4.1983, ACDP 07-001-1416. 34 Präsidium der CDU, Sitzung am 25.4.1983, Ergebnisprotokoll, ebd. 35 Vgl. 31. Bundesparteitag der CDU, 25./26.5.1983 in Köln, S. 280. 36 Vgl. Bundesausschuss der CDU, Sitzung am 20.2.1984, Ergebnisprotokoll, ACDP 07-001-632.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
[…] auf eines der dringendsten Probleme unserer Zeit zu geben“. Dabei könne das Programm natürlich, wie Geißler einschränkend bemerkte, keine „[s]pektakuläre[n] Maßnahmen“ bieten, da es „zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit kein Patentrezept und keine isolierte Lösung“ gebe, sodass es sich also bei dem vorliegenden Programm um „ein Programm der vielen kleinen Schritte“ handele. Im Vordergrund der Regierungsarbeit stehe, so Geißler weiter, nach wie vor die Sanierung der öffentlichen Haushalte, sodass aus diesem Grund mit dem Programm nicht der große Wurf gemacht werden könne, wie er eventuell von einigen Stellen erwartet worden war.37 Erste Erfolge bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit lagen bereits Ende 1983 vor. Neben der Beseitigung ausbildungshemmender Vorschriften waren durch die erwähnten Zusicherungen aus der Wirtschaft im Jahr 1983 laut Geißler über 40.000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen worden.38 Allerdings gab Helmut Kohl hier gleichzeitig zu bedenken, dass eine solche „Kraftanstrengung“ für die kommenden Jahre nicht mehr möglich sei, das Problem, genügend Lehrstellen für Schulabgänger zur Verfügung zu stellen, aber weiterhin bestehen bleibe. Daher müsse das Thema in der Öffentlichkeit auch in Zukunft breit diskutiert werden, weshalb Kohl unter anderem die Durchführung weiterer öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen seiner Partei zur Problematik vorschlug.39 Das von der Jungen Union bereits zu Oppositionszeiten erkannte „Schlüsselproblem“ der Ausbildungsnot und der Jugendarbeitslosigkeit40 sei als solches somit von der schwarz-gelben Bundesregierung aufgegriffen worden, wie die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Irmgard Karwatzki, in der Debatte über den Abschlussbericht der Enquête-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat“ im Oktober 1985 betonte. Maßnahmen zur Beseitigung dieser Probleme listete sie auf und nannte unter anderem Programme der Bundesregierung, die dazu beigetragen hätten, dass im Ausbildungsjahrgang 1984/85 „bis zu 95% der Jugendlichen, die eine berufliche Ausbildungsstelle suchten, auch eine solche erhalten haben“. Auch die Anstrengungen des Bundes zur Förderung arbeitsloser Jugendlicher seien stark ausgeweitet und von den Betroffenen gleichzeitig in steigender Zahl genutzt worden.41 Weitere Maßnahmen ihrer jugendpolitischen Arbeit dokumentierte die CDU/CSUBundestagsfraktion in einem „Rechenschaftsbericht“ zur Jugendpolitik im Frühjahr 1986, worin einzelne Schwerpunkte und deren Umsetzung in der Regierungsarbeit aufgelistet wurden. Dabei wurde das Feld der Jugendpolitik wiederum recht breit aufgestellt und reichte von Erfolgen in der Bildungspolitik, der Novellierung des Jugendschutzgesetzes 37 Ebd. Abdruck des Programms in „Programm der CDU zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit“, in: UiD-Dokumentation, Nr. 7, 23.2.1984. 38 Vgl. Rundschreiben Heiner Geißler an Mandats- und Funktionsträger der CDU über erste Zwischenbilanz der Regierungstätigkeit, 5.12.1983, ACDP 07-001-1338. 39 Für das Frühjahr 1984 schlug Kohl beispielsweise die Durchführung eines Fachkongresses über die „Zukunftschancen der jungen Generation im Blick auf die Ausbildungsplätze 1984/85 und das drängende Problem der Zunahme der Akademikerarbeitslosigkeit“ vor. Präsidium der CDU, Sitzung am 26.9.1983, Ergebnisprotokoll, ACDP 07-001-1416. 40 Vgl. dazu „Der Chronist notierte“, in: Junge Union Deutschlands (Hg.): Deutschlandtag ’79; Vorlage für die Sitzung des Deutschlandrates am 30./31.5.1981 über Stellungnahme der JU zu gegenwärtigen Jugendunruhen, o. A., 12.5.181, ACDP 04-007-373/2; „CDU fragt nach den Chancen der Jugend“, in: Süddeutsche Zeitung, 22.10.1977. 41 Sten. Ber. BT, 10. WP, 24.10.1985, S. 12574.
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über die bereits erwähnten Erfolge in der Ausbildungs- und Beschäftigungspolitik bis hin zu jugendrelevanten Themen wie der Friedensthematik und dem Jugendprotest, wobei bei letzterem eher eine Bestandsbeschreibung vorgenommen wurde. In seinem Vorwort konstatierte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Alfred Dregger, dass sich das Bild der Jugend gewandelt habe: Statt „Null-Bock-, Krawall- und Aussteiger-Mentalität“ seien vermehrt „Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft, ein realistischeres Weltbild und Gemeinsinn […] in den Vordergrund getreten“. Hierbei bekräftigte Dregger den zu Beginn der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene ausgegebenen programmatischen Grundsatz der Mitarbeit der Jugend in Staat und Gesellschaft, welche der freiheitliche Rechtsstaat brauche. Es sei gelungen, dieses Leitbild der Jugendpolitik in praktische Politik erfolgreich umzusetzen und gleichzeitig die Jugend zu mehr Engagement zu bewegen.42 Eine gute öffentlichkeitswirksame Möglichkeit für die Bundesregierung, sich besonders im jugendpolitischen Bereich handlungsfähig zu zeigen, bot das von den Vereinten Nationen ausgerufene „Internationale Jahr der Jugend“ 1985. Unter dem Motto „Mitwirkung, Entwicklung, Frieden“ sollte weltweit die Aufmerksamkeit auf die Lage der Jugend, ihre Probleme und Hoffnungen gelenkt werden. Die schwarz-gelbe Koalition wollte das Jahr dementsprechend nutzen, um die Jugendprobleme im eigenen Land zu analysieren und zusätzliche Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.43 Hierfür richtete sie Anfang 1984 eine Nationale Kommission unter der Leitung des zuständigen Bundesministers Heiner Geißler ein, deren Aufgabe es sein sollte, die einzelnen Vorhaben auf Bundesebene zu koordinieren und die vielfältigen Angebote in den Ländern und Kommunen voranzubringen und zu beraten.44 Dabei sollte das „Internationale Jahr der Jugend“ nach Ansicht des Bundesfachausschusses Jugendpolitik gleichzeitig ein Anlass für die Bundesregierung sein, „um ihre beabsichtigten jugendpolitischen Vorhaben zügig voranzubringen“ und eine „Gesamtschau aller jugendpolitischen Leistungen, insbesondere im Bereich der Jugendhilfe“ zu veröffentlichen. Für die CDU selbst biete dieses Jahr „in besonderer Weise die Chance, die Gesamtpartei für die Situation von Jugendlichen zu sensibilisieren und die Zielgruppenansprache der Partei zu überprüfen und zu intensivieren“. So müsse das Jahr der Jugend der „CDU auch über das Jahr 1985 hinaus wichtige Impulse zu einer offensiven Jugendpolitik vermitteln“.45 Eine Idee des Bundesfachausschusses sah vor, einen Aktionsplan für die Partei zu entwerfen, der die positiven Ansätze des Jugendparteitages von 1981 aufgreifen und fortführen sollte.46 Trotz der Vorschläge und eindringlichen Appelle aus den eigenen Gremien legte die CDU in ihrer Partei- und Koalitionsarbeit wiederum keinen Schwerpunkt auf das Thema „Jugend“ für die Jahre 1984 und 1985.47 Auch die Arbeit der Nationalen Kommission 42 Seiters/Bötsch (Hg.): Jugend und Politik. Vgl. dazu auch Hornstein: Jugendpolitik, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 7, S. 552. 43 Vgl. Pressedienst des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit über das Internationale Jahr der Jugend 1985, 16.1.1984, ACDP 07-001-8922. 44 Vgl. Irmgard Karwatzki: „Keine Erwartungen wecken, die nicht einzulösen sind“, in: Die Entscheidung, Nr. 3, März 1985, S. 24. 45 Beschluss des Bundesfachausschusses Jugendpolitik über die Empfehlungen zum Internationale Jahr der Jugend, 13.11.1984, ACDP 07-001-8922. 46 Vgl. Protokoll der 5. Sitzung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik, 20.9.1984, ebd. 47 Vgl. u. a. Präsidium der CDU, Sitzung am 27.8.1984, Ergebnisprotokoll, ACDP 07-001-1417.
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D. Das Bemühen um die Zielgruppe der jungen Generation (1979 – 1982)
zeigte keine nachhaltige Wirkung, es entstand vielmehr der Eindruck, dass das „Engagement und die Bereitschaft, aus dem Anlass politisch etwas zu machen, eher gering“ war.48 Befördert wurde diese Wahrnehmung durch Aussagen wie der von Irmgard Karwatzki, dass das „Internationale Jahr in der Tat nicht unbedingt nötig [ist], um jugendpolitische Probleme aufzugreifen“. Zudem wolle die Bundesregierung mit diesem Jahr „keine neuen Erwartungen wecken, die nicht einzulösen sind“.49 Ein neuer Impuls für eine offensive Jugendpolitik, wie sie der entsprechende Bundesfachausschuss von der Partei forderte, war nach solchen sehr zurückhaltenden Aussagen über die Wirkung des Internationalen Jahres der Jugend nicht zu erwarten. So sahen es auch Teile in der Jungen Union, die das Jahr der Jugend insgesamt als „Farce“ betrachteten, da die Betroffenen selbst, also die Jugendlichen, keine Mitsprachemöglichkeiten hätten, um Maßnahmen und Aktionen verantwortlich mitgestalten zu können. Auch die Nationale Kommission hatte nach Ansicht von Teilen der JU, ihre „oft vertretene Parole, man solle mit den Jugendlichen und nicht über die Jugendlichen hinweg diskutieren, […] gänzlich vernachlässigt, denn Jugendliche saßen nicht am grünen Beratungstisch!“50 Das „Internationale Jahr der Jugend“ hatte nach dieser Auffassung entsprechend nicht dazu geführt, dass die CDU einen erneuten Anlauf für einen intensiven Dialog mit der Jugend unternahm. Dabei wären neue Initiativen in diesem Bereich seitens der Partei laut einer Analyse aus dem Bundesfachausschuss Jugendpolitik durchaus nötig gewesen. Unter dem Titel „Mit der Jugend Politik gestalten“ kam eine kleine Studie des Gremiums zu der Feststellung, dass die CDU nach wie vor kein hohes Ansehen insbesondere bei den Jungwählern habe und verwies dabei auf einzelne Ergebnisse von Landtagswahlen seit 1983. So „konnte die CDU in keiner Wahl bei den Jungwählern ihr durchschnittliches Gesamtergebnis erreichen“. Auch der Blick auf das gute Ergebnis bei der Bundestagswahl 1983 sei kein Grund, sich auszuruhen, da das erreichte Niveau in der Folge „nicht stabilisiert“ werden konnte. Die CDU dürfe insgesamt die Bedeutung der Gruppe der Jungwähler nicht unterschätzen, komme es doch „für die Zukunft der Partei auf sie an“. Daher listete die Studie nach der eingangs durchgeführten Situationsanalyse Möglichkeiten für die Partei auf, wie sie ihr Verhältnis zu den jungen Menschen verbessern könne. Einschränkend gaben die Autoren dabei zu bedenken, dass die CDU nie alle Jugendlichen werde erreichen können, sich stattdessen vor allem auf diejenigen in der jungen Generation konzentrieren solle, die den sogenannten postmateriellen Werten anhingen sowie unent 48 Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 261. 49 Irmgard Karwatzki: „Keine Erwartungen wecken, die nicht einzulösen sind“, in: Die Entscheidung, Nr. 3, März 1985, S. 24. 50 Peter Henseler: „,Es gibt viel zu tun, lassen wir es liegen!‘“, in: Die Entscheidung, Nr. 3, März 1985, S. 18 – 20, Zitat auf S. 18. Die Junge Union selbst befasste sich intensiver mit eigenen Kampagnen rund um das Internationale Jahr der Jugend. Auf mehreren Sitzungen der Kommission Jugendpolitik wurden Vorschläge diskutiert sowie Thesenpapiere erarbeitet, die sich mit den Themen des von den Vereinten Nationen ausgerufenen Mottos des Jugendjahres befassten. Vgl. u. a. Kurzprotokolle der Sitzungen der Kommission Jugendpolitik, 26.5.1984, 13./14.10.1984, 19./20.1.1985, 18./19.5.1985, ACDP 04-007-374/2; Entwurf Martin Apfel für die Kommission Jugendpolitik über das Thema „Mitwirkung“ zum Internationalen Jahr der Jugend, Januar 1985, ebd. Aktionen der JU zum Internationalen Jahr der Jugend 1985 waren unter anderem die Durchführung eines Jugendcamps, die Veröffentlichung einer Sondernummer der JU-Zeitschrift „Die Entscheidung“ zum Themenbereich Jugend im März 1985, eine Zusammenfassung der jugendpolitischen Beschlüsse der JU sowie die Erstellung eines neuen Black Books mit Aktionshinweisen. Vgl. Kurzprotokoll der Sitzung der Kommission Jugendpolitik, 13./14.10.1984, ebd.
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V. „Geistig-moralische Wende“ in der Jugendpolitik? – Ein Ausblick
schlossene und Nicht-Wähler. Diese Gruppen seien für die CDU ansprechbar, wenn die Partei unter anderem den Grundwertebezug ihrer Politik verdeutliche und neue Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten für Jugendliche eröffne. Auf eine Formel gebracht hänge der „künftige Wahlerfolg der CDU als Volkspartei […] davon ab, daß sie offen und sensibel bleibt für neue Entwicklungen in der Gesellschaft und auch für veränderte Wertorientierungen der Menschen“. Um diese Offenheit zu erreichen, sei es „erforderlich, daß sich die Partei auf allen Ebenen erneut um das Gespräch mit der Jugend bemüht“.51 Damit brachten die Autoren implizit zum Ausdruck, dass der seit 1979 intensiver betriebene Dialog mit der Jugend nach der Übernahme der Regierungsverantwortung auf Bundesebene von der Partei vernachlässigt worden sei. Die Analyse des Bundesfachausschusses Jugendpolitik legte nahe, dass der zu Beginn der Regierungsarbeit von Union und FDP postulierte neue programmatische Ansatz der eingeforderten Mitarbeit der Jugend in Politik und Gesellschaft sich daher nicht positiv auf das Verhältnis der CDU zur jungen Generation ausgewirkt hatte. Die Empfehlungen aus der kleinen Studie zum Verhältnis der Jugend zur CDU schienen in der Partei allerdings auf keine große Resonanz zu stoßen. Die große Aufbruchsstimmung nach dem Jugendparteitag war einige Jahre später fast gänzlich verblasst und auch in der Jugendpolitik der Regierungsarbeit wurden in der laufenden Legislaturperiode keine größeren Akzente mehr gesetzt.52 In seiner Regierungserklärung vom 18. März 1987 machte Helmut Kohl deutlich, dass eine Veränderung im Zugehen auf die Jugend in der neuen Legislaturperiode nicht geplant sei. Stattdessen betonte der Bundeskanzler, dass Politik und Gesellschaft weiterhin die Mitarbeit der Jugend, ihren „Idealismus, den Mut und die Tatkraft“ benötigten und die Jugendlichen umgekehrt „ihre eigene Verantwortung erkennen“ müssten.53 Einen neuen Aufruf zu einem verstärkten Dialog mit der Jugend bedeutete diese Aussage nicht, die mahnenden Worte aus den zuständigen parteieigenen Gremien wurden überhört – bis zur nächsten, die Jugend betreffenden Krise oder schlechten Wahlergebnissen im Jungwählerbereich.
51 Beschluss Bundesfachausschuss Jugendpolitik über die Analyse „Mit der Jugend Politik gestalten“, 9.9.1985, ACDP 07-001-8923. 52 Vgl. Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 273. 53 Sten. Ber. BT, 11. WP, 18.3.1987, S. 72 f.
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„Jugendpolitik ist Gesellschaftspolitik für junge Menschen.“1 Dieses Ergebnis der Diskussion auf dem Zukunftskongress der CDU im Oktober 1977 unterstrich ein sich seit den 1960er Jahren allmählich wandelndes Verständnis dieses Politikbereichs – auch in der CDU. Aus Jugendpolitik als reiner Jugendhilfepolitik mit nur einem begrenzten Wirkungsraum wurde Jugendpolitik als Querschnittspolitik. Damit konnte „diese Begrenztheit in Richtung von Mitsprache und Einmischung in bildungs-, ausbildungs-, wehrpolitischen u. a. Zuständigkeiten überwunden werden“.2 Von großer Bedeutung für die Ausgestaltung von Jugendpolitik war insbesondere, welcher Stellenwert ihr von den politischen Akteuren und im Rahmen der Programme der politischen Parteien beigemessen wurde. Für die Zeit vor 1969 lässt sich allgemein festhalten, dass der Stellenwert von Jugendpolitik in den unionsgeführten Bundesregierungen eher gering war. Die Jugend wurde zwar vor allem in den Nachkriegsjahren als mit Krisenphänomenen verbunden wahrgenommen – Jugendberufsnot und Jugendarbeitslosigkeit waren in dieser Zeit drängende Probleme –, allerdings hatte dies keine Auswirkungen auf eine stärkere Berücksichtigung der Jugendpolitik, auch direkte Kontakte zu Jugendlichen wurden von der CDU nicht gesucht. Eingeengt auf die Definition der Jugendpolitik als reine Jugendhilfepolitik galt die Aufmerksamkeit in den 1950er Jahren vor allem der Überwindung der Jugendnot und der Heranführung der Jugendlichen an die Demokratie und an Europa als wichtiges Ziel der politischen Bildungsarbeit – die Jugendfürsorge stand für die CDU und die von ihr getragene Bundesregierung entsprechend im Mittelpunkt. Mit der zunehmenden Verbesserung der wirtschaftlichen Lage vieler Jugendlicher in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre rückte die Jugendförderung stärker in den Fokus. Den Jugendlichen sollten sinnvolle Möglichkeiten geboten werden, an der Gesellschaft teilhaben zu können. Bis in die 1960er Jahre erfolgten keine großen Änderungen in der Jugendpolitik, sie wurde lediglich verwaltet. In der Union war der niedrige Stellenwert von Jugendpolitik in den ersten Jahren nach Gründung der Bundesrepublik zudem mit einer klaren Dominanz der Familienpolitik zu begründen – eine Vorrangstellung, die in der Folgezeit nie richtig aufgegeben wurde. Einen starken Wandel machte das Verständnis von Jugendpolitik in allen Parteien im Verlauf der 1960er Jahre durch. Die nun vermehrt an die Oberfläche drängenden gesellschaftlichen Veränderungen führten zum einen zu einer stärkeren Wahrnehmung der Jugend als aktiver Teil der Gesellschaft und verbreiterten gleichzeitig die bisherige Definition der Jugendpolitik als reine Jugendhilfepolitik – andere Politikbereiche wie die Bildungspolitik wurden nun hinzugezogen. Die Geschwindigkeit, mit der die Parteien und auch deren Jugendorganisationen auf diese Entwicklung reagierten, war unterschiedlich. Während in der SPD bereits früh eine stärkere Mitbestimmung und Mitverantwortung der Jugend in Politik und Gesellschaft gefordert wurde, war man in der Union zurückhaltender. Erst gegen Ende der 1960er Jahre fand, angestoßen durch die sich seit einigen Jahren verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse, in den Unionsparteien ein Umdenken statt, der Jugend mehr Teilhabe zu ermöglichen, mit ihr in einen intensiveren Dialog einzutreten und in Bezug auf Jugendpolitik den bisherigen eingeengten Blick auf die Jugendhilfe zu weiten.
1 Ergebnis Arbeitskreis 5: Verantwortung und Freiheit – Ziele unserer Jugendpolitik, 22.10.1977, ACDP 07-001-8913. 2 Schefold: Jugendpolitik, S. 255.
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In den nachfolgenden 1970er und frühen 1980er Jahren waren es politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen in Deutschland, die maßgeblich zu einer stärkeren Beachtung dieses Politikbereichs beitrugen. In diesen Wandlungsprozessen war die Jugend ein bedeutender Faktor, da sie selbst Akteur oder aber unmittelbar von den Auswirkungen betroffen war. Hierzu zählte neben den allgemeinen Reformbestrebungen auf politischer Ebene, die Anfang der 1970er Jahre auch innerhalb der CDU stark forciert wurden, die Entwicklung verschiedener nationaler und internationaler Krisen, die im politischen, ökonomischen und kulturellen Bereich einen wesentlichen Einfluss auf die junge Generation hatten. Besondere Beachtung in der öffentlichen Wahrnehmung fanden dabei die Jugendarbeitslosigkeit und die schlechte Ausbildungssituation ab Mitte der 1970er Jahre. Hinzu kam eine bereits seit längerem zu beobachtende Werte- und Orientierungslosigkeit, die unter einer nicht geringen Zahl von Jugendlichen die Ausformung alternativer Lebensstile, Protestverhalten oder gar die Abkehr vom Staat zur Folge hatte. Dieser fokussierte Blick auf die junge Generation forderte gleichsam eine Reaktion der Politik heraus, die mit entsprechenden Maßnahmen auf diese Krisen – ebenso wie auf das Drängen nach notwendigen Reformen und Veränderungen – antworten musste. Folglich stieg in solchen Phasen der Stellenwert der Jugendpolitik bei den politischen Akteuren an. Insbesondere Oppositionspolitiker nutzten Rückbezüge auf die Jugend gerne, um sich dieser als bessere Alternative zur aktuellen Regierung anzubieten. Ein linearer Anstieg des Interesses an jugendpolitischen und jugendrelevanten Themen bei den Parteien war im Untersuchungszeitraum allerdings nicht zu beobachten. Vielmehr war der Stellenwert von Jugendpolitik konjunkturellen Schwankungen unterworfen und stieg besonders dann an, wenn jugendpolitische und mit ihr verwandte Themen die politische Agenda und die öffentliche Diskussion verstärkt bestimmten.3 Dass Jugendpolitik und Jugendthemen offensichtlich vor allem in Krisensituationen Konjunktur hatten, bemängelte im März 1982 der Parlamentarische Staatssekretär Fred Zander (SPD) auf einer Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit.4 In der CDU hingen diese Schwankungen des Stellenwerts von Jugendpolitik in ihren Oppositionsjahren auf Bundesebene von 1969 bis 1982 neben den verschiedenen Wandlungsprozessen auch mit einem weiteren Faktor zusammen: Für eine politische Partei sind Wahlergebnisse von höchstem Interesse. Weichen diese in einer bestimmten Zielgruppe stark vom Gesamtergebnis ab, rückt diese Gruppe naturgemäß verstärkt in den Fokus der Parteistrategen. So lassen sich für die Oppositionsjahre vier Phasen identifizieren, in denen Jugendpolitik und mit ihr verwandte Bereiche auf der politischen Agenda der CDU weiter oben zu finden waren. Außerdem ist markant, dass in diesen Phasen selbst noch einmal unterschiedliche Stufen des Stellenwerts erreicht wurden. Die erste Hochphase setzte direkt nach der Bundestagswahl 1969 ein und bezog das schlechte Abschneiden der CDU unter den Jungwählern ebenso ein wie die stärkere Aufmerksamkeit für die Jugend und ihre Forderungen nach mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen in den 1960er Jahren. Diese erste Phase hielt etwa zwölf Monate an – wobei auf den unterschiedlichen Parteiebenen vereinzelt von dieser zeitlichen Eingrenzung abgewichen werden muss. Der
3 Vgl. Hornstein: Programm und Praxis der Jugendpolitik, S. 253. 4 Vgl. Kurzprotokoll der 29. Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit am 10.3.1982, BArch B 189/22204.
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Zusammenfassung
nächste Zeitraum, in dem Jugendpolitik stärkere Berücksichtigung fand, begann ebenfalls nach einer Bundestagswahl, derjenigen im Jahr 1972. Hier lag der Hauptgrund in einem sehr schlechten Jungwählerergebnis und der Erkenntnis, dass Jugendpolitik künftig institutionell stärker in der Partei verankert werden musste. Einen Endpunkt für diese Hochphase auszumachen ist schwierig, stattdessen war der Übergang in die nächste Phase fließend. Diese begann im Jahr 1975 analog zum Auftreten einer hohen Jugendarbeitslosigkeit und eines akuten Lehrstellenmangels in der Bundesrepublik. Bereits im September 1974 veröffentlichte die Bundesanstalt für Arbeit Zahlen, die bei den jugendlichen Arbeitslosen einen Anstieg von 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr belegten. Mit der Besetzung des Themas der Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation durch die CDU und dessen Ausgestaltung dauerte diese Phase bis ins Jahr 1978 hinein an. In diesem Jahr legte die Bundespartei ein erstes Jugendprogramm vor; gleichzeitig wurde die institutionelle Verankerung von Jugendpolitik in der Partei mit der Einsetzung eines hauptamtlichen Referenten für diesen Politikbereich in der Bundesgeschäftsstelle vorläufig abgeschlossen. Der bei weitem deutlichste und langanhaltende Anstieg des Stellenwerts von Jugendpolitik trat ab 1979 ein. Auslöser waren sehr negative Jungwählerergebnisse in einzelnen Landtagswahlen, die die Parteizentrale der CDU dazu bewegten, sich intensiv mit dem eigenen schlechten Verhältnis zur jungen Generation auseinanderzusetzen und gleichzeitig aktive Maßnahmen und Schritte zu ergreifen, die zu einer Verbesserung führen sollten. Zum anderen waren es äußere Faktoren, die den Fokus auf die Jugend lenkten, da insbesondere mit dem Ausbruch neuer Jugendunruhen und dem starken Auftreten der Friedensbewegung Themen in der Öffentlichkeit breit diskutiert wurden, die diese Zielgruppe beschäftigten. Die vierte Phase kulminierte in der Durchführung eines Jugendparteitages der CDU im November 1981, dessen Nachwirkungen mit Blick auf den geforderten stärkeren Dialog mit der Jugend auf allen Parteiebenen bis in das darauffolgende Jahr zu spüren waren. „Mit der Jugend ins Gespräch kommen“ war über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg die Forderung, mit der sich der Stellenwert von Jugendpolitik in der CDU auf eine konkrete Formel bringen lässt. Sobald die Zielgruppe Jugend aufgrund der oben beschriebenen Erscheinungen in den Fokus der Partei rückte, wurde der Ruf nach einem stärkeren Dialog mit ihr lauter. Erstmals zu beobachten war diese Forderung mit dem Gang in die Opposition nach der Bundestagswahl 1969 und dem erstmalig schlechten Abschneiden in der Gruppe der Jungwähler, wodurch die erste Phase eines erhöhten Stellenwerts von Jugendpolitik eingeleitet wurde. Über das schlechte Jungwählerergebnis diskutierte die Partei auf ihrem Bundesparteitag in Mainz im November 1969 intensiv. Dabei stand insbesondere das Verhältnis zur Jugend im Mittelpunkt sowie die Frage, wie dieses verbessert werden könne. Ein verstärkter Dialog mit den Jugendlichen, insbesondere im vorpolitischen Raum, erschien den Delegierten in Mainz als bestes Mittel, um im Ringen um die Jugend insbesondere gegen die SPD bestehen zu können. Diese Aufgabe durfte nach Ansicht von Generalsekretär Bruno Heck nicht allein den eigenen Jugendorganisationen überlassen werden, hier müsse die Partei selbst die Initiative ergreifen. Forciert wurde diese Vorgehensweise im Umgang mit der jungen Generation aber auch durch die forsche Gangart der neuen Bundesregierung. In seiner Regierungserklärung unterstrich Bundeskanzler Willy Brandt sein neues Verständnis von Mitsprachemöglichkeiten der Jugend in Politik und Gesellschaft und versprach einen intensiveren 259
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Austausch mit jungen Menschen. Die Diskussion auf dem Parteitag der CDU in Mainz machte gleichzeitig einen Wandel im bisherigen Verständnis von Jugendpolitik deutlich: Die Themenpalette erweiterte sich, die Jugendhilfe stand nicht mehr alleine im Zentrum dieses Politikbereichs. Mancher Delegierte auf dem Bundesparteitag meinte sogar hoffnungsfroh, dass die CDU damit den Weg einer neuen Jugendpolitik beschreiten werde. Das Bemühen um die Jugend war für die CDU auch deshalb von größerer Bedeutung, da die Gruppe der Jungwähler bei der nächsten Bundestagswahl sprunghaft wachsen würde – ein Gesetz zur Herabsetzung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre stand noch aus der vorangegangenen Legislaturperiode aus und sollte nach dem Willen aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien umgesetzt werden. Die Herabsetzung des Wahlalters – bei gleichzeitiger Diskussion über eine Herabsetzung des Volljährigkeitsalters – fügte sich ein in eine allgemeine Reformeuphorie in Teilen der Bevölkerung, die mit dem Wechsel von einer Großen Koalition hin zu einer sozial-liberalen Koalition auf Bundesebene enormen Schwung erhielt. In seiner Regierungserklärung griff Brandt diese allgemeine Aufbruchsstimmung auf und verknüpfte sie eng mit der bevorstehenden Arbeit der neuen Bundesregierung. Dass die Belange der Jugendlichen ein relevanter Teil dieser Politik der Bundesregierung sein würden, sollte die Umbenennung des bisherigen Ministeriums für Familien und Jugend verdeutlichen: Mit der wörtlichen Voranstellung im neuen Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit wurde die große Bedeutung der Jugend symbolhaft unterstrichen. Die Aufbruchsstimmung, die auf dem Bundesparteitag der CDU im Herbst 1969 auch in Bezug auf den künftigen Umgang mit der Jugend spürbar war, konnte die Partei im Anschluss allerdings nicht dauerhaft aufrechterhalten und in konkrete Maßnahmen umsetzen. Zwar führte die Partei im Rahmen ihrer selbst auferlegten Aufgabe eines stärkeren Dialogs mit der Jugend häufiger Gespräche mit Jugendverbänden und probierte neue Formate in der Ansprache Jugendlicher aus. Nachhaltig waren diese Maßnahmen allerdings nicht, das Verhältnis zur Jugend blieb nach eigenen Analysen weiterhin schwierig, und im Bundestagswahlkampf 1972 wurde eine eigene Kampagne der Partei für diese Zielgruppe – wie angesichts der hohen Zahl an Erstwählern zu vermuten gewesen wäre – nicht durchgeführt. Das abermals schlechte Abschneiden der CDU unter den Jungwählern bei der Bundestagswahl 1972 sorgte für einen neuerlichen und stärkeren Anstieg des Stellenwerts der Jugendpolitik in der Partei. In den Nachwahlanalysen wurde intensiver als bisher über Maßnahmen zur Verbesserung des Verhältnisses der Partei zur jungen Generation diskutiert. Dabei stand wiederum der Dialog und dessen bessere Ausgestaltung an erster Stelle. Gleichzeitig beförderte die verlorene Bundestagswahl stark den Willen und die Bereitschaft zu notwendigen Parteireformen, darunter auch solche zur Jugendpolitik unter Einbezug der Jugendarbeit. Die bisherige Abgrenzung dieser beiden Bereiche konnte in der Folgezeit nicht aufrechterhalten werden, da die Begriffe mehr und mehr vermischt wurden: Zur Gewinnung der Jugend durch Jugendarbeit ist eben auch eine gute Jugendpolitik vonnöten. Im Zuge der Diskussion über Reformen und die künftige Parteiarbeit, Strukturen und Programmatik wurden erste Schritte zu einer Institutionalisierung von Jugendpolitik in der CDU vorgenommen. Unter den zehn Kommissionen, die nach Ansicht der Partei die wichtigen innen- und gesellschaftspolitischen Themen abbildeten, war auch eine zum Thema „Jugend“. Die Hauptaufgabe der Kommission „Jugend“ war die Erarbeitung 260
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eines ersten jugendpolitischen Programms der CDU, das im September 1974 unter dem Titel „Jugendpolitische Leitsätze“ veröffentlicht wurde. Die Abschwächung der Bezeichnung auf „Leitsätze“ ist darauf zurückzuführen, dass das Papier keine grundlegenden Aussagen zur Jugendpolitik der CDU enthielt, sondern sich insbesondere mit der Jugendhilfe auseinandersetzte. Damit behandelten die Leitsätze ein in dieser Zeit unter jugendpolitischen Fachleuten stark diskutiertes Thema – die Neuregelung des Jugendhilferechts in der Bundesrepublik Deutschland. Diese von der sozial-liberalen Bundesregierung als „Kernstück der Jugendpolitik“ ausgerufene Reform machte die ideologischen Gräben in diesem Politikbereich vor allem zwischen Union und SPD deutlich. Während die Sozialdemokraten in der Jugendhilfe eher den Staat in der Verantwortung sahen, pochten CDU und CSU mit Blick auf das von ihnen propagierte Subsidiaritätsprinzip auf den Vorrang der freien Träger. Ebenso stand für die Unionsparteien bei allen Maßnahmen in der Jugendhilfe das Elternrecht an erster Stelle; anders die SPD, die auch hier den staatlichen Einfluss verstärken wollte. Über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg konnte das in seinen Grundzügen seit 1922 bestehende Jugendwohlfahrtsgesetz aufgrund dieser ideologischen Gegensätze nicht reformiert werden, erst 1990 setzte sich mit dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes die Position der Unionsparteien durch. Neben der stärkeren Berücksichtigung jugendpolitischer und jugendrelevanter Themen konnte die CDU in einigen Landtagswahlen nach 1972 wieder positive Ergebnisse im Bereich der Jungwähler vermerken. Dieser Umschwung zugunsten der Christlichen Demokraten war allerdings mehr auf den Unmut über die Arbeit der sozial-liberalen Bundesregierung zurückzuführen als auf die in Teilen der Union erhoffte „konservative Tendenzwende“ unter den Jugendlichen oder auf bereits erfolgreiche Maßnahmen im Dialog mit der Jugend. In Bezug auf die Jugendorganisationen der Union schien sich der Eindruck einer solchen Tendenzwende zunächst aber zu bestätigen. Insbesondere die Junge Union konnte mit Blick auf ihre Mitgliederentwicklung große Erfolge vorweisen, was auch an einem Imagewechsel der Jugendorganisation lag: Hatte die JU bis Ende der 1960er Jahre noch weithin als „Karriereverein“ innerhalb der Union gegolten, wollte sie dieses Bild nach der Bundestagswahl 1969 ablegen und ging vermehrt auf kritische Distanz zu ihrer Mutterpartei. Gemeinsam mit dem RCDS, der aus seinem Selbstbild heraus diese Distanz zuvor bereits gewahrt hatte, sah sich die Junge Union als „Speerspitze“ und „Motor“ der innerparteilichen Reformen. Besonders intensiv war dieser Konfrontationskurs in der Zeit zwischen 1972 und 1974 – nahm allerdings nie die Ausmaße wie in der Auseinandersetzung zwischen SPD und FDP und ihren Jugendorganisationen an – und fiel mit dem starken Mitgliederzuwachs bei JU und RCDS zusammen. 1972 gelang der Jungen Union mit der Gründung der Schüler Union auf Bundesebene zudem der Erfolg, in das bisher von allen Parteien wenig beachtete Feld der Schülerarbeit vorzudringen. Mit Blick auf die demographische Entwicklung und das kontinuierliche Vorrücken der geburtenstarken Jahrgänge in das wahlfähige Alter war die Arbeit der Schüler Union von nicht zu unterschätzendem Wert. Der Erfolg gab ihr vorerst recht: Die Mitgliederzahlen stiegen in den ersten Jahren rasant an, die Jugendorganisationen von SPD und FDP schauten zunächst nur zu und machten es dann nach. Doch auch hier konnte die anfängliche Euphorie nicht aufrechterhalten werden und die Schüler Union nahm mehr und mehr das Bild an, das die Junge Union abstreifen wollte: das eines Karrierevereins. 261
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Konträr zur intensiven Schülerarbeit erhielt die Gruppe der jungen Arbeitnehmer eine geringe Beachtung in der JU. Dies verwundert vor allem vor dem Hintergrund, dass dieser Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine beachtete Größe darstellte. Eine Zusammenarbeit mit der Jungen Arbeitnehmerschaft, der Jugendorganisation der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, wäre vor diesem Hintergrund sicherlich sehr sinnvoll gewesen. Allerdings kam es über den gesamten Untersuchungszeitraum zu keiner engeren Zusammenarbeit zwischen der JA und den anderen Jugendorganisationen der CDU – was womöglich auch an der einseitigen, teils auch naheliegenden Fokussierung von Junger Union, RCDS und Schüler Union auf Studenten und Schüler lag. Aus dem eigenen Verständnis heraus waren insbesondere JU und RCDS für die Jugendarbeit verantwortlich, wollten die Jugend für die eigenen Ziele gewinnen. Für die Ausgestaltung der Jugendpolitik wiederum war nach Ansicht des JU-Vorsitzenden Jürgen Echternach in erster Linie die Mutterpartei zuständig. Konsequent durchziehen ließ sich diese Abgrenzung allerdings nicht, denn auch in der JU wurde der Zuständigkeitsbereich der Jugendpolitik nun breiter ausgelegt und die Jugendarbeit Anfang der 1970er Jahre in einigen Landesverbänden der Jungen Union bereits als wesentlicher Bestandteil der Jugendpolitik angesehen. Das Bild des Motors, als den sich die CDU- und CDU-nahen Jugendorganisationen für den innerparteilichen Reformprozess ansahen, prägte die Wahrnehmung der Jugend gegen Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre. Das Aufkommen verschiedener Krisen insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, von denen sich die junge Generation im besonderen Maße betroffen fühlte, führte zu einer Veränderung in der bisherigen Betrachtung der Jugend als Motor des gesellschaftlichen und politischen Wandels. Die CDU reagierte auf die seit 1974 immer stärker grassierende Jugendarbeitslosigkeit und die alarmierende Lehrstellensituation mit dem Einbringen eines Dringlichkeitsprogramms in den Deutschen Bundestag. In diesem wurden neben den konjunkturellen Ursachen – auf die sich die sozial-liberale Bundesregierung konzentrierte – insbesondere strukturelle Veränderungen beschrieben, die das Problem aus Sicht der CDU weiter verschärften. Aus dieser Betrachtung heraus entwickelte die CDU ein Thema, das sie für längere Zeit erfolgreich besetzen sollte: die Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation. Eine Hauptaufgabe sollte es dabei sein, der resignativen Stimmung in Teilen der Jugend angesichts ihrer schlechten Chancen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt positiv entgegenzutreten und ihr neue Möglichkeiten aufzuzeigen. Jugendpolitik erfuhr eine bis dato unbekannte Aufmerksamkeit. Im Jahr 1977 stand die Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation ganz oben auf der politischen Agenda der CDU: Mehrere öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zu dieser Fragestellung wurden durchgeführt und die Veröffentlichung eines ersten Jugendprogramms unter starker Berücksichtigung der Thematik angekündigt. Mit ihren Aktivitäten auf diesem Feld wollte sich die CDU als der neue Partner der Jugend darstellen, der die SPD in ihren Augen nicht mehr sein konnte. Zum anderen machte das breite Spektrum der Themen zur Verbesserung der Zukunftschancen das Verständnis von Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe deutlich. Zu den jugendpolitischen Aspekten in dieser Frage mussten ebenfalls politische Maßnahmen im Bereich der Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie mit Blick auf die demographische Entwicklung unternommen werden. Einen prominenten Platz erhielt der Themenkomplex im neuen Jugendprogramm, das die Partei unter dem Titel „Der Weg in eine gesicherte Zukunft. Programm zur Sicherung 262
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der Zukunftschancen der Jugend“ im Sommer 1978 veröffentlichte. In diesem wurden aus Sicht der CDU wichtige Maßnahmen zu fünf Schwerpunktbereichen aufgezeigt, die die Zukunftschancen der Jugend langfristig sichern sollten. Neben Aussagen zur Jugend- und Familienpolitik wurden hier auch Maßnahmen in der Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungspolitik aufgezählt. Zusätzlich zu diesem tagesaktuellen Bezug forderte das Programm ein neues „geistig-moralisches Klima“, in dem sich die Bedeutung von Werten wieder bewusst gemacht werden sollte. Damit riss die CDU frühzeitig eine Diskussion an, die einige Jahre später im Zuge der neuen Jugendbewegungen von einer breiten Öffentlichkeit geführt wurde. Deutlich formulierte die CDU in ihrem Programm, dass zu diesen Werten die Vorrangstellung der Familie gehöre, deren Bedeutung als wichtigster Sozialisationsfaktor für die Jugend betont wurde. Ebenfalls fixiert wurde in dem Jugendprogramm der klare Zusammenhang zwischen Jugendpolitik und Jugendarbeit, da aus Sicht der CDU eine gute staatliche Jugendpolitik eine erfolgreiche Jugendarbeit bedang. Der Partei gelang es, ihren Anspruch als neuer Partner der Jugend zu untermauern und sich öffentlichkeitswirksam als die treibende Kraft für die Bekämpfung der Probleme der Jugend darzustellen. Einen durchschlagenden Erfolg konnte die CDU mit der Veröffentlichung ihres ersten Jugendprogramms aber nicht erzielen. Ein nicht unerheblicher Teil in der CDU erkannte immer noch nicht die Notwendigkeit einer stärkeren und langfristigen Beachtung und Bearbeitung des Themas. Das Desinteresse an Jugendpolitik und mit dieser verwandten Themen war nach wie vor verbreitet und zeigte, dass die wiederholten Appelle für einen höheren Stellenwert der Jugendpolitik innerhalb der CDU nicht fruchteten. Diese Feststellung lässt sich untermauern mit einem Blick auf die Anwesenheit in Fraktions- oder Bundestagssitzungen, die sich mit solchen Themen befassten. Oft fanden diese zu später Stunde und daher meist vor leeren Rängen statt, oder es bestand eben grundsätzlich kein Interesse an der jeweiligen jugendpolitischen oder jugendrelevanten Thematik. So blieb die Jugendpolitik über weite Strecken den „Fachidioten“ überlassen und konnte nicht nachhaltig an der Parteibasis verfangen. Die Erarbeitung eines eigenen Jugendprogramms der CDU wäre nicht möglich gewesen ohne die fortschreitende Institutionalisierung von Jugendpolitik in der Partei. Auch dies ist ein signifikanter Ausweis ihres Bedeutungszuwachses. Nach der befristeten Einsetzung verschiedener Kommissionen zur Thematik seit Ende der 1960er Jahre kam es 1975 zur Konstituierung eines Jugendbeirates, dessen Aufgabe es war, die Jugendpolitik in der Partei zu aktivieren und zu koordinieren. Kompetenzstreitigkeiten mit der Jungen Union, die ihre primäre Aufgabe durch die stärkere Verankerung von Jugendpolitik und Jugendarbeit in der Partei gefährdet sah, sollten durch deren Einbindung in das Gremium verhindert werden. Dies schien auch zu gelingen, kritische Stimmen gegen die fortschreitende Institutionalisierung in der CDU von Seiten der JU waren in der Folge nicht mehr zu hören. Stattdessen richtete die Jugendorganisation 1979 eine eigene Kommission Jugendpolitik ein – in einem Bereich also, den sie zu Beginn der 1970er Jahre noch allein im Zuständigkeitsbereich der Mutterpartei gesehen hatte. Durch die Einrichtung des Bundesfachausschusses Jugendpolitik im Jahr 1977 wurde die Institutionalisierung auf Gremienebene innerhalb der CDU abgeschlossen, personell erhielt die Jugendpolitik mit der Einsetzung eines für diesen Themenbereich zuständigen Referenten in der Bundesgeschäftsstelle auch hier die lange Zeit geforderte Beachtung. Die fortschreitende Verankerung von Jugendpolitik trieb das Ziel insbesondere der jugendpolitischen Experten in der Partei voran, jugendpolitische und jugendrelevan263
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te Themen in der CDU kontinuierlich zu diskutieren und nachhaltig in die Parteiarbeit zu integrieren. Beschleunigt wurde die Institutionalisierung zudem durch die erwähnte stärkere Betrachtung der Jugend als Krisenphänomen und die damit verbundene Einsicht, Jugendpolitik und mit ihr verbundenen Themen mehr Raum in der Programmatik der Partei einzuräumen. Die Verankerung von Jugendpolitik in der Partei hatte einen deutlichen Effekt in der Phase, in der der Stellenwert dieses Politikbereichs in der CDU für längere Zeit auf hohem Niveau lag. Denn die Strukturen für das Einbringen jugendpolitischer und jugendrelevanter Themen in die Programmarbeit waren nun ebenso vorhanden wie das Bewusstsein insbesondere in der Parteispitze für die Bedeutung der Thematik. Auslöser für die starke Berücksichtigung von Jugendpolitik war die Beschäftigung mit dem Verhältnis der Jugend zur CDU in der Bundesgeschäftsstelle angesichts der schlechten Jungwählerergebnisse bei den Landtagswahlen im Jahr 1978. Mit der Vorlage einer Studie über dieses Verhältnis konnte die Parteizentrale eine detaillierte Analyse der Gründe für das schlechte Image der CDU in großen Teilen der jungen Generation sowie verschiedene Vorschläge zu dessen Verbesserung präsentieren. Eine der wichtigsten Aussagen war die Feststellung, dass die Wahlentscheidung vieler Erstwähler sich in den folgenden Wahlen verfestigen werde. Daher müsse sich die CDU, wie es ein zweiter Teil der Studie forderte, insbesondere um die Jugendlichen bemühen, die das Wahlalter noch nicht erreicht hatten. Ihrer eingangs formulierten Aufgabenstellung, die Bedeutung der Zielgruppe „Jugend“ für den Bundestagswahlkampf 1980 hervorzuheben, wurde die Studie gerecht: Die Bundesgeschäftsstelle führte erstmals einen Zielgruppenwahlkampf für die junge Generation durch. Für diesen war in den vorangegangenen Wahlkämpfen in erster Linie die Junge Union verantwortlich – 1980 war sie zwar ebenfalls mit eigenen Aktionen aktiv, doch erreichte die Kampagne der Mutterpartei öffentlich mehr Aufmerksamkeit. Der in der Studie vorgelegte Maßnahmenkatalog zur Gewinnung von Jungwählern für die CDU führte allerdings nicht zum Erfolg. Im Gegenteil, die Partei erzielte ihr bis dato schlechtestes Jungwählerergebnis bei einer Bundestagswahl. Die Gründe für dieses schlechte Abschneiden waren vielfältig und reichten über den polarisierenden Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß bis hin zur falschen Themensetzung im Wahlkampf mit zu starker Betonung insbesondere außen- und sicherheitspolitischer Aspekte. Im Ergebnis diente die Bundestagswahl 1980 als Blaupause im Ringen der CDU um ein besseres Verhältnis zur Jugend: Das bisherige punktuelle Bemühen um die junge Generation sollte in eine dauerhafte Strategie zur Verbesserung des Verhältnisses zur Jugend überführt werden. Die Ausgestaltung dieser Strategie führte dabei insbesondere vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Herangehensweisen des Parteivorsitzenden und seines Generalsekretärs zu Konflikten. Während Geißler die CDU vor allem durch die öffentliche Austragung kontroverser Themen für die Jugend attraktiv machen wollte, setzte Kohl angesichts von Querelen innerhalb der sozial-liberalen Bundesregierung auf das Bild der CDU als einer geschlossenen, einigen Partei. Kontroverse Themen innerhalb der Partei waren jedoch durchaus vorhanden, vor allem der Umgang mit der aufkommenden und von großen Teilen der Jugend gestützten Friedensbewegung war umstritten. Auf der einen Seite nahm die Junge Union mit Unterstützung des Generalsekretärs teilweise selbst an deren Demonstrationen teil und fühlte sich dabei durch Äußerungen des Parteivorsitzenden, der in den Demonstrationsteilnehmern eine Volksfront mit Kommunisten sah, gleichermaßen verunglimpft. Andererseits forderten einige Politiker in der Partei 264
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eine klare Distanzierung von den in ihren Augen radikalen Tendenzen der Friedensbewegung. Die CDU konnte bei der Jugend in dieser Frage nicht punkten. Mit dem Versuch eigener Aktionen zur Friedensthematik war die CDU nicht erfolgreich und konnte der Massenbewegung, die von vielen Vertretern aus der jungen Generation getragen wurde, nichts Adäquates entgegensetzen. Insgesamt stieg Anfang der 1980er Jahre der äußere Druck auf die Partei, auf jugendspezifische Themen noch stärker einzugehen. Neben den Themen der neuen sozialen Bewegungen, unter denen außer der Friedensthematik auch solche zur Ökologie stark vertreten waren, waren es die neuen Jugendunruhen, die den Fokus auf diese Zielgruppe lenkten. Die Proteste stellten den Höhepunkt einer kulturellen Krise dar, die auf eine seit über einem Jahrzehnt zu beobachtende Werte- und Orientierungslosigkeit in Teilen der Gesellschaft und hier insbesondere unter Jugendlichen zurückzuführen war. Das Fehlen beziehungsweise der Verlust gemeinsamer verbindlicher gesellschaftlicher Grundsätze sowie die allgemeine Sorge vor dem Verlust des erreichten Wohlstandniveaus führten neben Resignation und einem Rückzug aus der Gesellschaft zu Beginn der 1980er Jahre auch zu gewaltsamen Protesten. Überparteilich wurde nach den Ursachen dieser Werte- und Orientierungslosigkeit geforscht und nach Wegen gesucht, ihr entgegenzutreten. Politisch stieg der Druck insbesondere mit der Gründung einer neuen Partei, der Grünen. Dieser gelang es unter anderem mit der Fokussierung auf die virulenten Fragen der Friedens- und Umweltthematik vor allem junge Menschen anzusprechen. Entsprechend gute Ergebnisse der Grünen im Jungwählerbereich ließen die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien aufschrecken, beschleunigten zusätzlich die intensive Auseinandersetzung mit den die Jugend interessierenden Themen und sorgten für einen weiteren Anstieg des Stellenwerts von Jugendpolitik. Der Wille innerhalb der CDU, sich den Themen der neuen Jugendbewegungen zu stellen und die große Bedeutung jugendpolitischer Fragen zu betonen, wurde mit der Durchführung eines eigenständigen „Jugendparteitags“ besonders deutlich. Anfangs von Helmut Kohl entgegen späteren Aussagen noch als reiner Bildungsparteitag geplant, setzten sich letztlich die Stimmen durch, die die Themenpalette des Parteitags um Fragen ergänzt wissen wollten, die aktuell in der Jugend stark diskutiert wurden, zu denen die Friedensthematik und das Verhältnis von Staat und Bürgern zählten. Um sich öffentlichkeitswirksam als moderne und dialogfähige Partei darzustellen, erprobte die CDU auf diesem Parteitag ein bisher selten praktiziertes Format: Die bisherige Praxis von Reden und Diskussion unter den Delegierten wurde erweitert um die Durchführung von Diskussionsforen, in denen mit den anwesenden jugendlichen Gastdelegierten über die Themen Frieden, Bildungspolitik, Soziale Marktwirtschaft und Alternativen zu einem anonymen und bürokratischen Staat gesprochen wurde. Hier präsentierte sich die CDU in einem neuen, modernen Gewand. In der Folge des Parteitages, der nicht nur parteiintern als Erfolg gewertet wurde, sollte das Gespräch mit der Jugend auf allen Parteiebenen fortgeführt werden, um diese nachhaltig für die CDU gewinnen zu können. Mit der engen Begleitung durch die Bundesgeschäftsstelle wurde diese Arbeit an zentraler Stelle koordiniert und gleichzeitig der Druck auf die bisher weniger aktiven Verbände erhöht, auch entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Hieran zeigt sich deutlich, wie wichtig im Bereich der Jugendpolitik eine kontinuierliche Beschäftigung ist, um ein positives Image zu etablieren und vor allem zu stabilisieren, denn in der Folge dieses auf allen Ebenen umgesetzten Dialogs erhielt die Partei aus der Jugend messbar mehr Zuspruch. Diese 265
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Kärrnerarbeit, wie sie im Nachgang des Jugendparteitags betrieben wurde, ist gerade im Umgang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen mühsam und langwierig. Daher wich die anfängliche Euphorie, die in allen Phasen im Untersuchungszeitraum auftrat, wie immer auch einer erneuten Lethargie im Umgang mit der jungen Generation. Ob hier ein direkter Zusammenhang mit dem Regierungswechsel im Bund im Oktober 1982 bestand, kann nur vermutet werden. Für einige Zeit standen jugendpolitische und jugendrelevante Themen noch relativ hoch im Kurs, doch allgemein begann der Stellenwert der Jugendpolitik mit Regierungsantritt allmählich wieder zu sinken und auch die Umsetzung eines langfristigen Dialogs mit der Jugend wurde entgegen früheren Bekundungen und Beteuerungen nicht fortgeführt. Dass dieser Übergang nicht abrupt verlief, lag zum einen an der von der Union postulierten „geistig-moralischen Wende“, die ohne die „zupackende Mitarbeit“ der jungen Generation nur schwerlich umzusetzen war. Zum anderen war durch die erneute schlechte Wirtschaftslage in der Bundesrepublik die Jugendarbeitslosigkeit wieder in aller Munde. Hier ergriff die neue schwarz-gelbe Bundesregierung unmittelbar nach Amtsantritt Maßnahmen, die zur Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen führten. Das schnelle Handeln in diesem Bereich, zusammen mit der noch nicht lange zurückliegenden starken Aktivität der CDU, in einen intensiven Dialog mit der Jugend zu treten, waren mit ein Grund dafür, dass die Union bei der Bundestagswahl 1983 unter den Jungwählern wieder besser abschnitt, bei den Erstwählern sogar wieder vor der SPD lag. Insgesamt erfuhr das Leitbild der Jugendpolitik unter der unionsgeführten Bundesregierung ab 1982 einen signifikanten Wandel: Die von der sozial-liberalen Koalition praktizierte „emanzipative Jugendpolitik“ wurde nun ersetzt durch eine „integrativ-protektive“. Damit einher gingen eine stärkere Eigenverantwortung der Jugendlichen und ein starker Bedeutungszuwachs der traditionellen Erziehungsbereiche wie Familie und Schule. So setzte die CDU ihre in der Oppositionszeit entwickelten Vorstellungen von Jugendpolitik um und trug auf der anderen Seite maßgeblich dazu bei, dass der Stellenwert dieses Politikbereichs allmählich sank, da er sich insbesondere der Familienpolitik unterordnen musste. Ein Rückfall in die 1950er und 1960er Jahre war dadurch allerdings nicht gegeben, schließlich waren die institutionellen Strukturen inzwischen stark verfestigt und aus diesen sollte es in der Folgezeit immer wieder Vorstöße geben, diesem Politikbereich mehr Beachtung zu schenken. Dennoch muss konstatiert werden, dass es der CDU nicht gelang, ihre jahrelangen Vorarbeiten und den Schwung ihrer erfolgreichen Aktionen um einen verbesserten Dialog mit der jungen Generation aus den frühen 1980er Jahren langfristig in ihre Regierungsarbeit mitzunehmen. Ein positiveres Image und ein besseres Verhältnis zur Jugend konnten dadurch nicht dauerhaft etabliert und stabilisiert werden. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Jugend immer dann in den Fokus der CDU rückte, wenn es um Wählerstimmen ging oder der Druck von außen es unumgänglich machte, sich mit den Themen der jungen Generation zu befassen. Die immer wieder auftretenden Forderungen nach einem intensiveren Dialog mit der Jugend, einer verständlichen Vermittlung der eigenen Politik und einer generellen Verbesserung des Verhältnisses zur jungen Generation zeigen deutlich, dass die konjunkturellen Schwankungen des Stellenwerts von Jugendpolitik eine nachhaltige Wirkung unterbanden. Kontinuierliche Beschäftigung hätte mutmaßlich zu nachhaltigerem Erfolg führen können. Es gelang der CDU in den knapp 13 Jahren Oppositionszeit dennoch, gewisse Schwerpunkte in ihrer jugendpolitischen Thematik zu setzen und diese teilweise öffent266
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lichkeitswirksam zu präsentieren und in ihrer Programmatik stärker um- beziehungsweise festzusetzen. Neben dem geforderten Dialog entwickelte sich mit dem Schlagwort der Politik mit der Jugend ein eindeutig christlich-demokratisch geprägter Begriff, in dem sich der Subsidiaritätsgedanke äußerte: Es wurde nicht nur etwas für die Jugend gemacht, um deren Drang nach mehr Selbstständigkeit zu fördern, wie es die sozial-liberale Bundesregierung in ihrem Regierungshandeln anstrebte. Sondern die Jugend wurde aktiv miteingebunden, sie musste selbst etwas beitragen, war aktiver und (eigen-)verantwortlicher Partner. Ein Bild, dass auch erst durch die seit den 1960er Jahren verstärkt auftretenden Forderungen nach mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung der Jugend entstehen konnte. Noch in der Zeit vor 1969 war in der CDU zwar punktuell auch von einer Einbindung der Jugend die Rede, allerdings ohne dieser dabei eine aktive Rolle zuzugestehen. Die Partei bewies in den Oppositionsjahren, dass sie zu Weiterentwicklungen ihrer Jugendpolitik willens und in der Lage war, dabei eigene Themen im jugendpolitischen Diskurs setzte und wichtige Kern-Grundsätze immer im Auge behielt. Hierzu zählte insbesondere der Subsidiaritätsgedanke, aber auch die starke Stellung und Bedeutung der Familie beziehungsweise des Elternrechts blieben wichtige Eckpfeiler in den jugendpolitischen Vorstellungen der CDU.
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Abkürzungsverzeichnis AAPD Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland ACDP Archiv für Christlich-Demokratische Politik ACSP Archiv für Christlich-Soziale Politik ADL Archiv des Liberalismus AdsD Archiv der sozialen Demokratie AGG Archiv Grünes Gedächtnis APO Außerparlamentarische Opposition APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament) ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands Art. Artikel BArch Bundesarchiv (Koblenz) Bd. Band BDKJ Bund der Deutschen Katholischen Jugend BIOS Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebenslaufanalysen BR Bundesrat BRD Bundesrepublik Deutschland BT Deutscher Bundestag CDA Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft CDU Christlich-Demokratische Union Deutschlands CSU Christlich-Soziale Union in Bayern DBJR Deutscher Bundesjugendring DDR Deutsche Demokratische Republik Drs. Drucksache DUD Deutschland-Union-Dienst ebd. ebenda FDJ Freie Deutsche Jugend fdk tagesdienst Pressedienst der Bundestagsfraktion der FDP FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FDP Freie Demokratische Partei INFAS Institut für angewandte Sozialwissenschaft JA Junge Arbeitnehmerschaft JHG Jugendhilfegesetz Jg. Jahrgang JU Junge Union Judos Jungdemokraten Jusos Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD JWG Gesetz für Jugendwohlfahrt 270
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Abkürzungsverzeichnis
KAS Konrad-Adenauer-Stiftung KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz KOMM Kommunikationszentrum (Nürnberg) KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion LISA Liberale Schüleraktion NATO North Atlantic Treaty Organization NL Nachlass Nr. Nummer o. A. / o. D. / o. O. ohne Autor / ohne Datum / ohne Ort PPP Parlamentarisch-Politischer Pressedienst (der SPD) PV Parteivorsitzender RAF Rote Armee Fraktion RCDS Ring Christlich-Demokratischer Studenten RJWG Reichsjugendwohlfahrtsgesetz SDS Sozialistischer Deutscher Studentenbund SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sten. Ber. Stenographische(r) Bericht(e) SU Schüler Union Deutschlands SZ Süddeutsche Zeitung TO Tagesordnung TOP Tagesordnungspunkt UiD Union in Deutschland Vgl. Vergleiche WP Wahlperiode ZK Zentralkomitee
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Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin (ACDP) 01-365 Nachlass Gerd Langguth 01-379 Nachlass Helga Wex 01-432 Nachlass Dietrich Rollmann 01-684 Nachlass Hans Katzer 04-006 Bestand RCDS 04-007 Bestand Junge Union 07-001 Bestand Bundespartei 08-001 Bestand CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag 08-007 Bestand Arbeitskreis VI der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technik) Pressedokumentation Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung, München (ACSP) Bestand CSU-Grundsatzkommission, 1973 – 1974 Bestand CSU-Landesgruppe, 1969 – 1981 Bestand Rednerdienste zu Wahlen, 1961 – 1982 Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn-Bad Godesberg (AdsD) Bestand SPD-Parteivorstand, 1970 – 1983, nur tw. verzeichnet Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Gummersbach (ADL) Bestand Bundesjugendausschuss, 1964 – 1965 Bestand Deutsche Jungdemokraten, Bundesverband, 1974 – 1978 Bestand Kommissionen, Kommission Liberale Jugendpolitik, 1980 – 1982 Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin (AGG) B II.1 Die Grünen im Bundestag, 1983 – 1990 B II.2 Bundestagsgruppe Bündnis 90/Die Grünen, 1990 – 1994 Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages, Berlin (PA-DBT) PA-DBT 3116 A7/13 Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit PA-DBT 3116 A8/13 Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit PA-DBT 3116 A9/13 Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit PA-DBT 3109 A6/5 Rechtsausschuss PA-DBT 4200 Rechtsausschuss 272
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Pressedokumentation Sacharchiv Bundesarchiv, Koblenz (BArch) B 189 Bestand Bundesministerium für Familie, Frauen, Jugend und Gesundheit Zeitzeugengespräche Gerold Tandler, Generalsekretär der CSU 1971 – 1978, Bayerischer Staatsminister des Innern 1978 – 1982 (23. September 2015, Neuötting) Dr. Heiner Geißler, Generalsekretär der CDU 1977 – 1989, Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit 1982 – 1985 (23. Februar 2016, telefonische Auskunft) † Matthias Wissmann, Bundesvorsitzender der Jungen Union 1973 – 1983 (16. März 2016, telefonische Auskunft) Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, Generalsekretär der CDU 1973 – 1977 (7. April 2016, Dresden) † Christian Wulff, Bundesvorsitzender der Schüler Union 1978 – 1980 (21. April 2016, Berlin) Dr. Konrad Kraske, Generalsekretär der CDU 1971 – 1973 (7. Juli 2016, Freiburg i. Br.) † Hermann Kroll-Schlüter, jugendpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag 1976 – 1987, Vorsitzender des Bundesfachausschusses Jugendpolitik 1977 – 1982 (22. Juli 2016, Bonn) Dr. Wulf Schönbohm, Bundesvorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten 1967 – 1968, Mitglied der Kommission „Jugend“ 1973 – 1974 (13. August 2016, Bonn) † Dr. Dorothee Wilms, stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der CDU 1974 – 1976, Leiterin der Hauptabteilung II (Politik) in der Bundesgeschäftsstelle der CDU 1974 – 1976 (29. August 2016, schriftliche Auskunft) Dr. Franz Josef Jung, Mitglied des Bundesvorstandes der Jungen Union 1973 – 1983, stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungen Union 1981 – 1983 (1. September 2016, Berlin) Stephan Eisel, Bundesvorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten 1979 – 1980 (24. Oktober 2016, Bonn) Christoph von Bülow, Bundessprecher der Schüler Union 1974 – 1977 (8. November 2016, telefonische Auskunft) In Privatbesitz Tagebuchaufzeichnungen Dr. Konrad Kraske, 1973 Periodika Augsburger Allgemeine Badische Zeitung Braunschweiger Zeitung Christ und Welt Der Spiegel Der Tagesspiegel Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt Deutsches Monatsblatt Deutschland-Union-Dienst
Die Entscheidung Die Rheinpfalz Die Welt Die Zeit Hamburger Abendblatt Hannoversche Allgemeine Zeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Neue Presse 273
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Frankfurter Rundschau Kieler Nachrichten Kölner Stadt-Anzeiger Kölnische Rundschau Kommentarübersicht BPA Mannheimer Morgen Mainzer Allgemeine Zeitung Münchner Merkur Neue Osnabrücker Zeitung Nürnberger Nachrichten Rheinische Post Ruhr-Nachrichten
Saarbrücker Zeitung SpiegelOnline Stuttgarter Zeitung Süddeutsche Zeitung SZ-online Union in Deutschland Vorwärts wahl.tagesschau.de Weser Kurier Westdeutsche Allgemeine Zeitung Westfälische Nachrichten
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Gedruckte Quellen und Literatur
Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland. Hg. im Auftrag des Auswärtigen Amts von Hans-Peter Schwarz u. a., 1981, 3 Bde. Bearbeitet von Daniela Taschler, Matthias Peter und Judith Michel. München 2012. Aktionsprogramm zur Landtagswahl 1978 auf der Grundlage der Stellungnahmen der Bayerischen Staatsminister zu den politischen Schwerpunkten für die kommende Legislaturperiode. o. O., o. D. Aly, Götz: Unser Kampf 1968. Frankfurt am Main 2008. Ambrosius, Gerold: Sektoraler Wandel und internationale Verflechtung: Die bundesdeutsche Wirtschaft im Übergang zu einem neuen Strukturmuster, in: Raithel, Thomas/Rödder, Andreas/Wirsching, Andreas (Hg.): Auf dem Weg in eine neue Moderne? Die Bundesrepublik Deutschland in den siebziger und achtziger Jahren. München 2009, S. 17 – 30. Apel, Hans: „Die SPD und die Jugend“, in: Recht der Jugend und des Bildungswesens. Zeitschrift für Jugenderziehung und Jugendförderung, für Recht und Verwaltung, Soziologie und Wirtschaft des Bildungs- und Unterrichtswesens, Jg. 16, Heft 6. Berlin 1969, S. 174 – 178. Arentz, Hermann-Josef: Wege zur Jugend (Kommunalpolitische Vereinigung der CDU in Nordrhein-Westfalen e. V.). o. O., Februar 1982. Art. 12a GG in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 1968 (BGBI. I S. 710). Assmann, Aleida: Die Last der Vergangenheit, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 4 (2007), H. 3. Online abrufbar unter www.zeithistorische-forschungen.de/3-2007/4398. Druckausgabe: S. 375 – 385. Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex, erw. und. aktual. Auflage. Hamburg 1998.
Baring, Arnulf: Machtwechsel. Die Ära Brandt-Scheel. Stuttgart 1983. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hg.): Jugendprogramm. München 1974. Bösch, Frank: Das konservative Milieu. Vereinskultur und lokale Sammlungspolitik in ost- und westdeutschen Regionen 1900 – 1960. Göttingen 2002. Ders.: Die Krise als Chance. Die Neuformierung der Christdemokraten in den siebziger Jahren, in: Jarausch, Konrad (Hg.): Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte. Göttingen 2008, S. 296 – 309. Ders.: Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU. Stuttgart/München 2002. Brauksiepe, Aenne: „Jugendpolitische Vorstellungen und Ziele der CDU für die nächste Legislaturperiode“, in: Recht der Jugend und des Bildungswesens. Zeitschrift für Jugenderziehung und Jugendförderung, für Recht und Verwaltung, Soziologie und Wirtschaft des Bildungs- und Unterrichtswesens, Jg. 16, Heft 6. Berlin 1969, S. 178 – 181. Breßlein, Erwin: Die Vorbereitungen in der Bundesrepublik Deutschland, in: APuZ 22 (1973). Online abrufbar unter www.bpb.de/apuz/25251/die-vorbereitungen-in-derbundesrepublik-deutschland (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Buchhaas, Dorothee: Die Volkspartei. Programmatische Entwicklung der CDU 1950 – 1973 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 68). Düsseldorf 1981. Bülow, Christoph von: Die demokratischen Schüler im Vormarsch, in: Wissmann, 275
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Matthias/Schönbohm, Wulf (Hg.): Für eine humane Gesellschaft. Beiträge zum Programmdenken der jungen Generation. Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1976, S. 131 – 139. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Bonn 1954, 1972, 1975. Bundesanstalt für Arbeit (Hg.): Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit. Arbeitsstatistik 1974 – Jahreszahlen, 23. Jg., Sondernummer, Nürnberg 30.5.1975. Online abrufbar unter https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/197412/ anba/arbeitsstatistik/arbeitsstatiarbe-d-0-pdf.pdf (zuletzt abgerufen am 1.7.2020). Dies.: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit. Arbeitsstatistik 1978 – Jahreszahlen, 27. Jg., Nürnberg 5.7.1979. Online abrufbar unter www.statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/197812/anba/arbeitsstatistik/arbeitsstatistik-d-0-pdf. pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Dies.: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit. Arbeitsstatistik 1982 – Jahreszahlen, 31. Jg., Nürnberg 12.8.1983. Online abrufbar unter www.statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/198212/anba/arbeitsstatistik/arbeitsstatistik-d-0-pdf. pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit: „Zur alternativen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland“, in: APuZ 39 (1981), S. 3–15. Dass. (Hg.): Diskussionsentwurf eines Jugendhilfegesetzes. Geleitwort. o. O., 8.3.1973. Bundessekretariat der Jungen Union Deutschlands (Hg.): Beschlüsse des Deutschlandtages 1969 der Jungen Union Deutschlands. o. O., o. D. Busemeyer, Marius: Wandel trotz Reformstau. Die Politik der beruflichen Bildung seit 1970 (Schriften aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Bd. 65). Frankfurt am Main 2009.
CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.): 4. Bundesparteitag der CDU, 18. – 22.4.1953 in Hamburg. Bonn 1953. Alle Bundesparteitage online abrufbar unter www.kas.de/de/ web/geschichte-der-cdu/protokolle-bundesparteitage-1950-1990 (zuletzt abgerufen am 21.1.2022). – 6. Bundesparteitag der CDU, 26. – 29.4.1956 in Stuttgart. Bonn 1956. – 7. Bundesparteitag der CDU, 11. – 15.5.1957 in Hamburg. Bonn 1957. – 9. Bundesparteitag der CDU, 26. – 29.4.1960 in Karlsruhe. Bonn 1960. – 11. Bundesparteitag der CDU, 2. – 5.6.1962 in Dortmund. Bonn 1962. – 12. Bundesparteitag der CDU, 14. – 17.3.1964 in Hannover. Bonn 1964. – 16. Bundesparteitag der CDU, 4. – 7.11.1968 in Berlin. Bonn 1968. – 17. Bundesparteitag der CDU, 17. – 18.11.1969 in Mainz. Bonn 1969. – 18. Bundesparteitag der CDU, 25. – 17.1.1971 in Düsseldorf. Bonn 1971. – 19. Bundesparteitag der CDU, 4. – 5.10.1971 in Saarbrücken. Bonn 1971. – 20. Bundesparteitag der CDU, 9. – 11.10.1972 in Wiesbaden. Bonn 1972. – 21. Bundesparteitag der CDU, 12.6.1973 in Bonn. Bonn 1973. – 22. Bundesparteitag der CDU, 18. – 20.11.1973 in Hamburg. Bonn 1973. – 23. Bundesparteitag der CDU, 23. – 25.6.1975 in Mannheim. Bonn 1975. – 24. Bundesparteitag der CDU, 24. – 26.5.1976 in Hannover. Bonn 1976. – 25. Bundesparteitag der CDU, 7. – 9.3.1977 in Düsseldorf. Bonn 1977. – 26. Bundesparteitag der CDU, 23. – 25.10.1978 in Ludwigshafen. Bonn 1978. 276
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Anhang
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Anhang
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Personenregister Zahlen mit * verweisen auf eine Anmerkung auf der betreffenden Seite
Adenauer, Konrad 23, 25, 33, 91, 148 Albrecht, Ernst 183 f., 234*
Baring, Arnulf 19 Barzel, Rainer 9, 37*, 41, 43, 56*, 57, 61, 63*, 66, 69, 75*, 78, 79*, 91, 103, 147*, 227* Benda, Ernst 69 Biedenkopf, Kurt 19, 84, 87, 98*, 134, 142, 146, 179, 226, 228, 232 f., 237 Blüm, Norbert 75, 82, 123, 124*, 235, 244 Böhr, Christoph 217 Böswald, Alfred 105 Bollinger, Gabi 233 Brandt, Willy 55 – 57, 59, 63 f., 66, 68, 104*, 113, 121 f., 124*, 134, 176, 259 f. Brauksiepe, Aenne 43 Breidbach, Ferdinand 63, 68 Breschnew, Leonid 216 Bülow, Christoph von 100, 103* Burger, Alfred 95*
Carstens, Karl 152 – 154 Damm, Carl 60 Dettling, Warnfried 201 Dingerkus, Stefan 181, 213, 223* Does, Karl-Josef 88* Dregger, Alfred 168, 251 Dufhues, Josef-Hermann 37
Echternach, Jürgen 9, 58 f., 74 f., 78 f., 81, 89, 91, 93, 97, 103, 139, 262 Eisel, Stephan 66*, 95*, 96, 183 f., 216* Eisenacher, Walter 9, 61 Erhard, Ludwig 35, 37, 229 Even, Bert 137
Filbinger, Hans 61, 155 Fink, Ulf 10*, 179, 190 Focke, Katharina 64, 110 Fuchs, Jürgen 150, 195, 237
Gaulle, Charles de 33 Geißler, Heiner 19, 150, 151*, 158, 162 – 164, 168, 175, 187–189, 198, 200, 210, 215*, 216, 218 f., 221, 227 – 231, 233 f., 237 f., 240 f., 245 f., 249 – 251, 264 Gerster, Johannes 34 Gewandt, Heinrich 30* Gluchowski, Peter 88* Göbel, Dorothea 139, 143, 157 Görtemaker, Manfred 42* Gradl, Johann Baptist 61
Haaßengier, Dieter 65 Häfele, Hansjörg 193 Hahn, Wilhelm 72, 73* Hassel, Kai-Uwe von 29, 75 Hasselmann, Wilfried 65 Hauck, Rudolf 116*, 205 Heck, Bruno 9, 34, 43, 47, 58 – 60, 91, 93, 137 f., 148 f., 174, 259 Heck, Dieter Thomas 65, 74, 76 Heinemann, Gustav 25 Helmes, Peter 31*, 78, 79*, 149 Herzog, Roman 216 f. Hieronymi, Ruth 146 Hintze, Peter 46* Hirsch, Burkhard 245 Höcherl, Hermann 69 Hornstein, Walter 10, 16, 246 Huber, Antje 204, 205*, 210 Huck, Bernd 173
Inglehart, Ronald 77, 192 f. Jaeger, Richard 69, 71 Jung, Franz Josef 19, 95*, 103*, 216*, 223* 289
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Kaase, Max 77 Kaltefleiter, Werner 77 Karwatzki, Irmgard 160, 201, 207, 250, 252 Katzer, Hans 95, 128 Kemmer, Emil 27 Kiep, Walther Leisler 234* Kiesinger, Kurt Georg 43 f., 56*, 66 Kleinmann, Hans-Otto 48 Klepsch, Egon 49, 91 Koch, Roland 240 Könen, Willy 67 Köppler, Heinrich 30*, 79, 141 f., 144, 159, 168, 248 Kohl, Helmut 48, 62, 64, 66*, 83, 85 – 87, 91 f., 104*, 108, 114 f., 122*, 125, 128 – 131, 133, 139*, 141 f., 147, 151, 152*, 153 – 156, 158, 160 f., 166, 168, 174*, 175, 182 f., 188 – 190, 196, 199 f., 203 f., 207, 211, 216, 218 – 221, 223 – 225, 227 f., 230 f., 233 – 237, 243, 245 – 247, 249*, 250, 253, 264 f. Kraske, Konrad 19, 44*, 57, 68*, 74 f., 78 f., 81, 93, 149 Kroll-Schlüter, Hermann 71, 82, 95*, 97, 110 f., 116, 129, 130*, 133 f., 140, 145*, 146, 150, 159, 162, 168, 174, 178, 193, 195*, 196 f., 205, 210, 217, 219*
Nikles, Bruno 10*, 16 Noelle-Neumann, Elisabeth 184, 185*
Lamers, Karl 48, 89
Sauter, Alfred 243 Schanzenbach, Marta 66 Scheel, Walter 55 Schelsky, Helmut 35 Schlottmann, Norbert 173 Schmidt, Helmut 88, 115 f., 122, 127*, 134, 154, 160 f. Schmöle, Werner 180 Schmude, Jürgen 199 Schönbohm, Wulf 44*, 46*, 50*, 79, 89, 103, 107 Schröder, Gerhard 24, 26, 29 Schröder, Horst 60 f., 213 Schuchardt, Helga 165 Schwarzhaupt, Elisabeth 30* Schwarz-Schilling, Christian 173* Simon, Klaus 75 Simon, Uwe-Rainer 92
Lammert, Norbert 223*, 233 Langguth, Gerd 17, 44, 46*, 65, 77, 79 – 82, 85, 88, 90 f., 96, 104*, 139, 148*, 156, 212 Lemmer, Ernst 69 Löwenstein, Hubertus Prinz zu 28 Lorenz, Peter 78
Maier, Hans 181 Maizière, Thomas de 201 Majonica, Ernst 27 Mann, Thomas 95*, 147 Marx, Werner 77 Mayer-Vorfelder, Gerhard 234 Meyers, Franz 30* Müller, Adolf 75 Neumann, Bernd 231
Ohnesorg, Benno 42 Pahlewi, Mohammed Reza (Schah von Persien) 42 Pfeifer, Anton 125, 153, 161, 164, 236* Pflüger, Friedbert 131, 194 f., 209 Picard, Walter 67 Prangenberg, Heinz-Jürgen 123, 126 Probst, Albert 127
Radunski, Peter 175, 237, 242, 244* Rau, Johannes 10* Reckers, Hans 195 Reifenberg, Wolfgang 47 Richter, Claus 193, 195 Riesenhuber, Heinz 59*, 60, 95 Rödder, Andreas 215 Rohde, Helmut 126 f., 153 Rollmann, Dietrich 17, 45, 46*, 47 f., 57, 63 f., 67, 71, 74, 76, 78 f., 83 – 85, 97, 103 – 105, 107, 111 – 114, 134, 138 f., 148 – 150 Rommerskirchen, Josef 77 Roth, Wolfgang 130 Sagurna, Michael 232
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Personenregister
Soenius, Heinz 59 Späth, Lothar 182, 213, 229 Stark, Anton 71 Staudacher, Wilhelm 185* Steinhauer, Waltraud 125 Stingl, Josef 30* Stoiber, Edmund 184, 237 Stoltenberg, Gerhard 30*, 39, 212, 218, 225 Strauß, Franz Josef 176*, 180 f., 183 f., 188, 198, 206, 237 f., 264 Strobel, Käte 57, 63*, 111 f. Stronk, Detlef 60 Stücklen, Richard 62, 68–70
Vogel, Bernhard 60, 142, 151 f., 174 Vogel, Hans-Josef 232
Wahl, Jürgen 47 Weberling, Johannes 230 f. Weisert, Hartmut 97 Weizsäcker, Richard von 182, 190, 199, 235 Westphal, Heinz 63, 67*, 68 Wilke, Ursula 27 Wirsching, Andreas 212 Wissmann, Matthias 19, 46*, 94, 96 f., 98* f., 107, 131*, 142, 151*, 154 – 156, 164, 166, 168, 173, 178, 180, 184 – 187, 200 – 202, 206 f., 210, 216, 218 f., 223, 232 Wörner, Manfred 62, 64, 215 Wolters, Leo 59*, 60 Wuermeling, Franz-Josef 34, 36* Wüster, Kurt 165 Wulff, Christian 19, 223*
Waffenschmidt, Horst 211
Zander, Fred 258
Wagner, Carl-Ludwig 198
Zimmermann, Friedrich 238
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Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 1. Hans Günter Hockerts: Sozialpolitische Entscheidungen im Nachkriegsdeutschland. Alliierte und deutsche Sozialversicherungspolitik 1945 bis 1957. Stuttgart 1980, 463 S., ISBN 3-12-912910-3 2. Die CDU/CSU im Parlamentarischen Rat. Sitzungsprotokolle der Unionsfraktion. Eingeleitet und bearbeitet von Rainer Salzmann. Stuttgart 1981, XLIV + 701 S., ISBN 3-12-912930-8 3. Franz J. Bauer: Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik in Bayern 1945 – 1950. Stuttgart 1982, 444 S., ISBN 3-608-91066-2 4. Bibliographie zur Geschichte der CDU und CSU 1945 – 1980. Erstellt von Gerhard Hahn. Stuttgart 1982, LXVIII + 961 S., ISBN 3-12-912940-5 5. Christian Hacke: Die Ära Nixon-Kissinger 1969 – 1974. Konservative Reform der Weltpolitik. Stuttgart 1983, 319 S., ISBN 3-608-91228-2 6. Ulrich Reusch: Deutsches Berufsbeamtentum und britische Besatzung. Planung und Politik 1943 – 1947. Stuttgart 1985, 419 S., ISBN 3-608-91231-2 7. Wulf Schönbohm: Die CDU wird moderne Volkspartei. Selbstverständnis, Mitglieder, Organisation und Apparat 1950 – 1980. Stuttgart 1985, 343 S., ISBN 3-608-91233-9 8. Adenauer: ,,Es mußte alles neu gemacht werden. „Die Protokolle des CDUBundesvorstandes 1950 – 1953. Bearbeitet von Günter Buchstab. Stuttgart 1986, 1. u. 2. Aufl., XXIX + 700 S., ISBN 3-608-91426-9 9. Der Weg in die Soziale Marktwirtschaft. Referate, Protokolle, Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath 1943 – 1947. Bearbeitet von Christine Blumenberg-Lampe. Stuttgart 1986, 633 S., ISBN 3-608-91399-8 10. Wolfgang Krieger: General Lucius D. Clay und die amerikanische Deutschlandpolitik 1945 – 1949. Stuttgart 1987, 560 S., ISBN 3-608-91443-9 11. Im Zentrum der Macht. Das Tagebuch von Staatssekretär Lenz 1951 – 1953. Bearbeitet von Klaus Gotto, Hans-Otto Kleinmann und Reinhard Schreiner. Düsseldorf 1989, XLIV + 757 S., ISBN 3-7700-0763-8 12. Horstwalter Heitzer: Die CDU in der britischen Zone 1945 – 1949. Gründung, Organisation, Programm und Politik. Düsseldorf 1988, 814 S., ISBN 3-7700-0755-7 13. Die CDU/CSU im Frankfurter Wirtschaftsrat. Protokolle der Unionsfraktion 1947 – 1949. Bearbeitet von Rainer Salzmann. Düsseldorf 1988, 481 S., ISBN 3-7700-0756-5 14. Margaret Lavinia Anderson: Windthorst. Zentrumspolitiker und Gegenspieler Bismarcks. Aus dem Amerikanischen von Christa Dericum und Hildegard Möller. Düsseldorf 1988, X + 466 S., ISBN 3-7700-0774-3 15. Bibliographie zur Geschichte der CDU und CSU 1981 – 1986. Mit Nachträgen 1945 – 1980. Erstellt von Brigitte Krahe und Michaela Seibel. Düsseldorf 1990, XIX + 687 S., ISBN 3-7700-0798-0 16. Adenauer: ,,Wir haben wirklich etwas geschaffen.“ Die Protokolle des CDUBundesvorstands 1953 – 1957. Bearbeitet von Günter Buchstab. Düsseldorf 1990, XXXVII + 1.380 S., ISBN 3-7700-0799-9 292
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Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte
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Anhang
35. Michael Borchard: Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Zur politischen Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage 1949 – 1955. Düsseldorf 2000, 349 S., ISBN 3-7700-1883-4 36. Ralf Thomas Baus: Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in der sowjetisch besetzten Zone 1945 bis 1948. Gründung – Programm – Politik. Düsseldorf 2001, 590 S., ISBN 3-7700-1884-2 37. Alexander Troche: ,,Berlin wird am Mekong verteidigt.“ Die Ostasienpolitik der Bundesrepublik in China, Taiwan und Süd-Vietnam 1954 – 1966. Düsseldorf 2001, 518 S., ISBN 3-7700-1885-0 38. Niels Hansen: Aus dem Schatten der Katastrophe. Die deutsch-israelischen Beziehungen in der Ära Konrad Adenauer und David Ben Gurion. Ein dokumentierter Bericht. Düsseldorf 2002, 891 S., ISBN 3-7700-1886-9 39. Torsten Oppelland: Gerhard Schröder (1910 – 1989). Politik zwischen Staat, Partei und Konfession. Düsseldorf 2002, 797 S., ISBN 3-7700-1887-7 40. Guido Hitze: Carl Ulitzka (1873 – 1953) oder Oberschlesien zwischen den Weltkriegen. Düsseldorf 2002, 1.439 S., ISBN 3-7700-1888-5 41. Bernhard Forster: Adam Stegerwald (1874 – 1945). Christlich-nationaler Gewerkschafter, Zentrumspolitiker, Mitbegründer der Unionsparteien. Düsseldorf 2003, 748 S., ISBN 3-7700-1889-3 42. Winfried Herbers: Der Verlust der Hegemonie. Die Kölner CDU 1945/46 – 1964. Düsseldorf 2003, 666 S., ISBN 3-7700-1890-7 43. Dagmar Nelleßen-Strauch: Der Kampf um das Kindergeld. Grundanschauungen, Konzeptionen und Gesetzgebung 1949 – 1964. Düsseldorf 2003, 317 S., ISBN 3-7700-1891-5 44. Heinrich Krone: Tagebücher. Zweiter Band 1961 – 1966. Bearbeitet von Hans-Otto Kleinmann. Düsseldorf 2003, XXX + 575 S., ISBN 3-7700-1892-3 45. Guido Hitze: Verlorene Jahre? Die nordrhein-westfälische CDU in der Opposition 1975–1995. Teil I: 1975 – 1985; Teil II: 1985 – 1990; Teil III: 1990 – 1995. 3 Bde. Düsseldorf 2010, 3.592 S., ISBN 978-3-7700-1893-2 46. Matthias Stickler: ,,Ostdeutsch heißt Gesamtdeutsch.“ Organisation, Selbstverständnis und heimatpolitische Zielsetzungen der deutschen Vertriebenenverbände 1949 – 1972. Düsseldorf 2004, 511 S., ISBN 3-7700-1896-6 47. Andreas Grau: Gegen den Strom. Die Reaktion der CDU/CSU-Opposition auf die Ost- und Deutschlandpolitik der sozial-liberalen Koalition 1969 – 1973. Düsseldorf 2005, 556 S., ISBN 3-7700-1897-0 48. Rainer Moltmann: Reinhold Reinen (1894 – 1969). Ein christlicher Politiker, Journalist und Verleger. Düsseldorf 2005, 373 S., ISBN 3-7700-1898-2 49. Birgit Ramscheid: Herbert Blankenhorn (1904 – 1991). Adenauers außenpolitischer Berater. Düsseldorf 2006, 460 S., ISBN 3-7700-1901-6 50. Kiesinger: ,, Wir leben in einer veränderten Welt.“ Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1965 – 1969. Bearbeitet von Günter Buchstab unter Mitarbeit von Denise Lindsay. Düsseldorf 2005, XL + 1.566 S., ISBN 3-7700-1899-0 51. Stefan Marx: Heinrich Köppler (1925 – 1980). Politik aus christlicher Verantwortung. Düsseldorf 2006, 348 S., ISBN 3-7700-1902-4 52. Peer Oliver Volkmann: Heinrich Brüning (1885 – 1970). Nationalist ohne Heimat. Eine Teilbiographie. Düsseldorf 2007, 883 S., ISBN 978-3-7700-1903-8 294
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Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte
53. Kordula Kühlern: Hans Kroll (1898 – 1967). Eine diplomatische Karriere im 20. Jahrhundert. Düsseldorf 2008, 697 S., ISBN 978-3-7700-1904-5 54. Heinrich Klippers: Johannes Hoffmann (1890 – 1967). Biographie eines Deutschen. Düsseldorf 2008, 603 S., ISBN 978-3-7700-1905-2 55. Ernst Majonica: Das politische Tagebuch 1958 – 1972. Bearbeitet von Hans-Otto Kleinmann und Christopher Beckmann. Düsseldorf 2011, LXXVI + 765 S., ISBN 978-3-7700-1906-9 56. Barzel: ,,Unsere Alternativen für die Zeit der Opposition.“ Die Protokolle des CDUBundesvorstands 1969 – 1973. Bearbeitet von Günter Buchstab mit Denise Lindsay. Düsseldorf 2009, LII + 1.593 S., ISBN 978-3-7700-1907-6 57. Niels Hansen: Franz Böhm mit Ricarda Huch. Zwei wahre Patrioten. Düsseldorf 2009, 540 S., ISBN 978-3-7700-1908-3 58. Christian Schwießelmann: Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in Mecklenburg und Vorpommern. Von der Gründung bis zur Auflösung des Landesverbandes (1945 – 1952). Düsseldorf 2011, 512 S., ISBN 978-3-7700-1909-0 59. Ingrid Jander: Politische Verfolgung in Brandenburg 1949 bis 1953. Der Kampf gegen Ost-CDU, Bauern und Kirchen im Spiegel der Akten von SED und Staatssicherheit. Düsseldorf 2012, 628 S., ISBN 978-3-7700-1910-6 60. Matthias Stenger: Transnationale Parteienzusammenarbeit. Die Beziehungen der deutschen und portugiesischen Christlichen Demokraten von der Nelkenrevolution bis zum Vertrag von Maastricht (1974 – 1992). Düsseldorf 2011, 492 S., ISBN 978-3-7700-1911-3 61. Georg S. Schneider: Alois Mertes (1921 – 1985). Das außenpolitische Denken und Handeln eines Christlichen Demokraten. Düsseldorf 2012, 571 S., ISBN 978-3-7700-1912-0 62. Christoph von Hehl: Adolf Süsterhenn (1905 – 1974). Verfassungsvater, Weltanschauungspolitiker, Föderalist. Düsseldorf 2012, 679 S., ISBN 978-3-7700-1913-7 63. Stefan Marx: Der Kreßbronner Kreis. Die Protokolle des Koalitionsausschusses der ersten Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD. Düsseldorf 2013, 301 S., ISBN 978-3-7700-1914-4 64. Helmut Kohl: Berichte zur Lage 1989 – 1998. Der Kanzler und Parteivorsitzende im Bundesvorstand der CDU Deutschland. Bearbeitet von Günter Buchstab und Hans-Otto Kleinmann. Düsseldorf 2012, LXXXI + 1.150 S., ISBN 978-3-7700-1915-1 65. Helmut Kohl: Berichte zur Lage 1982 – 1989. Der Kanzler und Parteivorsitzende im Bundesvorstand der CDU Deutschland. Bearbeitet von Günter Buchstab und Hans-Otto Kleinmann. Düsseldorf 2014, LXXV + 814 S., ISBN 978-3-7700-1916-8 66. Hanns Jürgen Küsters (Hg.): Deutsche Europapolitik Christlicher Demokraten. Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel (1945 – 2013). Düsseldorf 2014, 431 S., ISBN 978-3-7700-1918-2 67. Kohl: ,,Wir haben alle Chancen.“ Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1973 – 1976. Bearbeitet von Günter Buchstab. 2 Teilbände. Düsseldorf 2015, LIII + 2.203 S., ISBN 978-3-770-1920-5 68. Kohl: ,,Stetigkeit, Klugheit, Geduld und Zähigkeit.“ Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1976 – 1980. Bearbeitet von Günter Buchstab. 2 Halbbände. Düsseldorf 2017, LXII + 2531 S., ISBN 978-3-7700-1922-9 69. Peter Molt: Die Anfänge der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland –
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in der Ära Adenauer. Düsseldorf 2017, 385 S., ISBN 978-3-7700-1923-6 70. Kohl: ,,Gelassenheit und Zuversicht.“ Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1980 – 1983. Bearbeitet von Günter Buchstab. Düsseldorf 2018, XLVIII + 1145 S., ISBN 978-3-7700-1924-3 71. Arno Richter: ,,Keiner vom Parkett.“ Heinrich Krone – Eine politische Teilbiographie. Düsseldorf 2019, 245 S., ISBN 978-3-7700-1925-0 72. Winfried Herbers: Der CDU-Politiker Otto Schmidt (1902 – 1984). Zwischen religiöser Motivation und Sachpolitik. Düsseldorf 2020, 248 S., ISBN 978-3-7700-1926-7 73. Natalia Urigüen López de Sandaliano: Deutsche Christliche Demokraten und die Transition Spaniens. Von der Franco-Diktatur zur Demokratie 1975 bis 1982. Düsseldorf 2021, 306 S., ISBN 978-3-7700-1927-4 74. Kim Wambach: Ringen um die junge Generation. CDU-Jugendpolitik 1969 – 1982. Darmstadt 2023, 296 S., ISBN 978-3-534-45048-0
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Ringen um die junge Generation
Kim Wambach
Ringen um die junge Generation CDU-Jugendpolitik 1969 – 1982
Titelbild: 30. Bundesparteitag in Hamburg vom 2. – 5. November 1981. Heinrich Windelen, Helmut Kohl, Heiner Geißler, Ernst Albrecht (v. l. n. r.) (Bildnachweis KAS/ACDP 21-030-119: Fotoagentur Sven Simon.)
Kim Wambach
Kim Wambach, geboren 1988 in Langen (Hessen), studierte in Bonn und Rouen Geschichte und Romanistik; Promotion 2021; seit 2022 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Edition der Kabinettsprotokolle der Bundesregierung im Bundesarchiv, Koblenz.
Nicht erst die Studentenproteste der Jahre 1967/68 ließen die jüngere Generation als zunehmend wichtigere Zielgruppe für die politischen Parteien in der Bundesrepublik erscheinen. Schon in den frühen 1960er Jahren hatte ihre Bedeutung spürbar zugenommen und zu Beginn der 1970er Jahre rückte „die Jugend“ endgültig ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit: Neben stark steigenden Zahlen an Jungwählern waren es auch die tiefgreifenden gesellschaftlichen Um- und Aufbrüche dieses Jahrzehnts, die den Fokus auf die junge Generation lenkten. In der CDU, die seit 1969 erstmals im Bund in der Opposition war, etablierte sich Jugendpolitik bis zur Mitte der 1970er Jahre als eigenständiger Politikbereich und beanspruchte ihren Platz als fester Bestandteil der Parteiarbeit. Die nach zwanzigjähriger Regierungsarbeit von Teilen der jüngeren Bevölkerung als „altmodisch“ wahrgenommene CDU wollte und musste sich in Abgrenzung zu SPD und FDP künftig als neuer Partner der Jugend profilieren und versuchte durch bewusste Themensetzung die Jugend für sich zu gewinnen. Die Untersuchung analysiert auf breiter Quellenlage die Entwicklung und zunehmende Etablierung der Jugendpolitik in der CDU in den Oppositionsjahren von 1969 bis 1982. Sie zeigt auf, welche Leitlinien und Schwerpunkte die Partei und ihre Führung dabei setzten.
ISBN 978-3-534-45048-0
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