Religiose Symbole in Staatlichen Einrichtungen ALS Grundrechtseingriffe 9783161548642

Auch zwanzig Jahre nach dem "Kruzifixbeschluss" hat die Frage nach der Zulassigkeit religioser Symbole in staa

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
A. Ausgangssituation
B. Vorüberlegungen
I. Der Eingriff als Basis der grundrechtlichen Zulässigkeitsprüfung
II. Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation als Ausgangspunkte des Eingriffs
1. Symbolbegriff
a) Die Repräsentationsfunktion von Symbolen
b) Die Interpretation als Zugang zum Symbolinhalt
c) Erforderlichkeit einer Verkörperung
d) Religiöse Symbole
e) Zusammenfassung
2. Wirkungen der Symbolkonfrontation nach der Rechtsprechung
3. Die tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation als bislang fehlendes Bindeglied in der grundrechtlichen Prüfung
III. Formen des Grundrechtseingriffs durch die Symbolkonfrontation
1. Grundrechtseingriff durch Emotionen und Einstellungsänderungen als von der Rechtsprechung benannte Folgen der Symbolkonfrontation
2. Grundrechtseingriff durch die Symbolkonfrontation im Übrigen
IV. Untersuchungsabfolge
C. Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen
I. Die Wahrnehmung des Symbols als Grundvoraussetzung etwaiger Wirkungen
II. Wirkungen der Konfrontationssituation
1. Emotionsauslösung durch die Konfrontationssituation
a) Begriff und Entstehung von Emotionen
b) Die Symbolkonfrontation als Emotionsauslöser
aa) Die Vorerfahrung mit dem Symbol als Faktor der Emotionsentstehung
bb) Häufigkeit und fehlende Ausweichmöglichkeit keine zwangsläufig intensitätssteigernden Faktoren
c) Erkennbarkeit emotionaler Reaktionen als Voraussetzung einer rechtlichen Bewertung
d) Die emotionsauslösende Wirkung der Konfrontation mit religiösen Symbolen
2. Einstellungsänderung durch die Konfrontationssituation
a) Einstellungsbegriff
b) Herkunft von Einstellungen
c) Änderung von Einstellungen
aa) Einstellungsverändernde Prozesse
(1) Klassische bzw. Operante Konditionierung
(2) Mere-Exposure-Effekt
(3) Interne menschliche Zustände und externe Merkmale der Persuasionssituation
(4) Modelllernen
(5) Kognitive Reaktion
(6) Zwei-Prozess-Modelle der Persuasion
(7) Zusammenfassung
bb) Übertragung der Erkenntnisse zur Einstellungsänderung auf die Symbolkonfrontation
(1) Kopplung von Konfrontationssituation und Umweltreiz als Voraussetzungen der Konditionierung
(2) Geringe Bedeutung des Mere-Exposure-Effekts bei komplexen Einstellungen
(3) Geringe Ergiebigkeit der Grundsätze zur heuristischen Verarbeitung
(a) Der interpretationsabhängige appellative Charakter von Symbolen als möglicher Ausgangspunkt einer Botschaftsübermittlung
(b) Einstellungsänderung durch heuristische Verarbeitung des Appels nur begrenzt möglich
(4) Die Vorbildperson als zur Konfrontationssituation hinzutretende Voraussetzung des Modelllernens
(5) Aktives und eigengesteuertes Denken als Voraussetzung der kognitiven Reaktion
cc) Änderung religiöser Einstellungen als Produkt der Konfrontation mit religiösen Symbolen
(1) Der religiöse Glaube als innere Einstellung
(a) Glaubensbegriff aus der Sicht der Psychologie und Soziologie bzw. verwandter Wissenschaften
(b) Glaubensbegriff in der Theologie
(c) Der Glaube in der verfassungsrechtlichen Literatur
(2) A- bzw. anti-religiöse Haltungen als innere Einstellungen
(3) Änderung religiöser Einstellungen
(a) Entstehung einer religiösen Einstellung
(aa) Lernbarkeit religiöser Einstellungen
α) Fremdsozialisation
β) Selbstsozialisation
γ) Die Bekehrung als nur scheinbarer Ausnahmefall
(bb) Lehrbarkeit religiöser Einstellungen
(cc) Zusammenfassung
(b) Identität zwischen den Prozessen zur Änderung religiöser Einstellungen und zur Änderung sonstiger innerer Einstellungen
(4) Allgemeine Erkenntnisse zur Einstellungsänderung durch die Symbolkonfrontation übertragbar auf die Änderung religiöser Einstellungen
d) Erkennbarkeit innerer Einstellungen als Voraussetzung einer rechtlichen Bewertung
3. Sonstige Wirkungen der Symbolkonfrontation
a) Handlungszwang durch die Symbolkonfrontation
b) Herabsetzung durch die Symbolkonfrontation
III. Ausblick zur Einordnung in die grundrechtliche Prüfung
D. Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen
I. Subjektiver Maßstab als Ausgangspunkt zur Bestimmung des religiösen Charakters eines Symbols
II. Vorauswahl potentiell relevanter Grundrechte
1. Emotionen als Konfrontationswirkung
2. Einstellungsänderungen als Konfrontationswirkung
3. Sonstige Wirkungen der Konfrontationssituation
III. Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen
1. Die emotionale Integrität als grundrechtliches Schutzgut
2. Grundrechtliche Anknüpfungspunkte für einen Schutz der emotionalen Integrität
a) Regelmäßig kein Schutz durch die Menschenwürdegarantie
b) Kein Schutz durch die Religionsfreiheit
aa) Kein Schutz nach dem Wortlaut und aus der Entstehungsgeschichte
bb) Kein Schutz aus systematischer Sicht
cc) Kein Schutz nach dem Sinn und Zweck
c) Schutz durch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit
aa) Schutz der menschliche Psyche nur bei Vergleichbarkeit der Einwirkung mit körperlichen Beeinträchtigungen
(1) Regelmäßig keine Vergleichbarkeit konfrontationsbedingter Emotionen mit körperlichen Beeinträchtigungen
(2) Keine Erweiterung des Schutzes auf das psychische Wohlbefinden
bb) Eröffnung des Schutzbereichs im Fall der Symbolkonfrontation aufgrund nicht auszuschließender mit körperlichen Einwirkungen vergleichbarer Beeinträchtigungen im Einzelfall
d) Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung
aa) Regelmäßig keine Hemmung der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung durch konfrontationsbedingte Emotionen
bb) Eröffnung des Schutzbereichs im Fall der Symbolkonfrontation aufgrund nicht auszuschließender entfaltungshemmender Wirkungen im Einzelfall
3. Fazit: Schutz der emotionalen Integrität nur im Fall spezieller Auswirkungen des emotionsauslösenden Faktors
IV. Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen
1. Regelmäßig kein Schutz durch die Menschenwürdegarantie
2. Schutz durch die Glaubensfreiheit
a) Die Glaubensfreiheit als Strukturelement der Religionsfreiheit
b) Das Schutzgut der Glaubensfreiheit
aa) Selbstbestimmung in Fragen religiöser Einstellungen als Zweck der Glaubensfreiheit
(1) Entstehungs- und Erhaltungsprozesse religiöser Einstellungen als Anknüpfungspunkt der Selbstbestimmung
(2) Kein vorrangiger Schutz durch ein Grundrecht auf innere Geistesfreiheit
bb) Selbstbestimmung bei der Bildung und Erhaltung religiöser Einstellungen in tatsächlicher Hinsicht
(1) Der freie Wille als Instrument menschlicher Selbstbestimmung
(a) Kein unbedingt freier Wille
(b) Der bedingt freie Wille als Lösungsansatz
(2) Bedeutung des bedingten Willens bei der Bildung und Erhaltung religiöser Einstellungen
(a) Der Wille im Hinblick auf die verschiedenen Einstellungskomponenten
(b) Die affektive Komponente der religiösen Einstellung als Einfallstor der Willensbeeinflussung
(c) Erforderlichkeit einer Differenzierung zwischen den affektiven und kognitiven Wirkungen eines Einflusses auf Eingriffsebene
(3) Die Auswahlfreiheit hinsichtlich religiöser Informationen als zur Willensfreiheit zählendes Element
(a) Kein Schutz vor der bloßen Kenntnisnahme der Information im öffentlichem Raum
(b) Kein Schutz vor der bloßen Kenntnisnahme der Information in staatlichen Einrichtungen
(c) Schutz vor dem Zwang zur gedanklichen Auseinandersetzung mit der Information
(aa) Kein Zwang bei bestehender Möglichkeit zum geistigen Ausweichen
(bb) Kognitive Prozesse ebenfalls potentielle Anknüpfungspunkte von Willensfreiheitsverkürzungen im Fall eines gedanklichen Zwangs
cc) Die Willensfreiheit in Fragen religiöser Einstellungen als Schutzgut der Glaubensfreiheit
(1) Aufspaltung der Willensfreiheit in die Auswahlfreiheit und die Willensfreiheit im engeren Sinne
(2) Erforderlichkeit eines religiösen Bezugs der Willensprozesse zur Abgrenzung der Glaubensfreiheit von sonstigen Grundrechten
dd) Die Abgrenzung zwischen positiver und negativer Glaubensfreiheit
ee) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Glaubensfreiheit im Fall der Konfrontation mit einstellungsändernden Symbolen
3. Schutz durch das elterliche Recht zur religiösen Erziehung
4. Schutz vor Einstellungsänderungen durch die Informationsfreiheit
a) Die Informationsfreiheit als der Glaubensfreiheit strukturell ähnliches Grundrecht
b) Bestimmung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit in Abweichung zum herrschenden Verständnis
c) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit durch die Konfrontation mit einstellungsändernden religiösen Symbolen
5. Schutz vor Einstellungsänderungen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung
V. Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation
1. Schutz durch die negative Bekenntnisfreiheit
a) Kein Schutz vor dem äußeren Eindruck der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bekenntnis
b) Zwang zur Preisgabe des Bekenntnisses durch die Symbolkonfrontation
c) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Bekenntnisfreiheit durch die Symbolkonfrontation
2. Schutz durch die negative Religionsausübungsfreiheit
a) Inhalte der negativen Religionsausübungsfreiheit und Bezug zur Symbolkonfrontation
aa) Schutz vor Zwang zu religiösen Handlungen durch die negative Religionsausübungsfreiheit
bb) Regelmäßig kein Zwang zu religiösen Handlungen durch die Konfrontationssituation
(1) Trennung von dem bloßem Anblick und der Verwendung des Symbols
(2) Religiöse Prägung sonstiger Handlungen durch die Symbolkonfrontation nur bei besonderer Präsenz des religiösen Symbols
(3) Kein Zwang durch den Anblick eines menschlichen Symbolträgers
b) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der negativen Religionsausübungsfreiheit durch die Symbolkonfrontation
3. Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre
a) Schutz vor Herabsetzung als Element des Ehrenschutzes
b) Die Konfrontation mit religiösen Symbolen als Herabsetzung des Symbolbetrachters
aa) Etwaige staatliche Bevorzugung einer Religion keine Herabsetzung
bb) Herabsetzung durch den Symbolinhalt nur unter besonderen Voraussetzungen
(1) Keine Herabsetzung allein wegen des religiösen Inhalt eines Symbols
(2) Erforderlichkeit einer plausiblen Darstellung des herabwürdigenden Inhalts sowie einer konkreten Betroffenheit zur Feststellung der Herabsetzung
cc) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre
4. Kein Schutz durch ein subjektives Recht auf staatliche Neutralität
VI. Zusammenfassung
E. Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche durch die tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation
I. Ausgangssituation
II. Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation
1. Terminologie
2. Kein Eingriff nach dem klassischen Eingriffsbegriff
3. Die Symbolkonfrontation im Kontext des erweiterten Eingriffsbegriffs
a) Inhalte des erweiterten Eingriffsbegriffs
aa) Kausalität als Verknüpfung zwischen staatlichem Akt und der Freiheitsverkürzung
bb) Unzulänglichkeit einzelner Merkmale der klassischen Eingriffsbegriffs als Zurechnungskriterien
cc) Der Schutzzweck des im Einzelfall betroffenen Grundrechts
dd) Staatliche Verantwortung für die Freiheitsverkürzung
ee) Anforderungen an die Grundrechtsverkürzung
(1) Bagatellvorbehalt
(2) Grundrechtsgefährdung als Grundrechtsverkürzung
b) Allgemeine Definition des erweiterten Eingriffsbegriffs
c) Eingriffsbezogene Probleme der Symbolkonfrontation
aa) Das Problemfeld der Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten
bb) Das Problemfeld der Zurechnung
III. Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation
1. Durch die emotionsauslösenden Symbolkonfrontation betroffene Grundrechte
a) Keine Verletzung der Menschenwürde
b) Kein Eingriff in die Religionsfreiheit
c) Eingriff in die körperliche Unversehrtheit
aa) Verkürzung des Grundrechts auf körperlichen Unversehrtheit durch die emotionsauslösende Konfrontation
(1) Notwendigkeit einer psychischen Erkrankung bzw. mit physischen Erkrankungen vergleichbarer Wirkungen
(2) Keine Gleichstellung der Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit mit einer vollendeten Freiheitsverkürzung .
bb) Zurechnung einer feststehenden Freiheitsverkürzung zum Staat
(1) Das aufgrund staatlicher Anordnung angebrachte Symbol
(a) Finales oder äquivalent kausales Handeln als Kriterien im Fall einer staatlicher Alleinverursachung der Freiheitsverkürzung
(b) Staatliche Nebenverursachung statt staatlicher Alleinverursachung im Fall der Symbolkonfrontation
(c) Regelmäßige Unterbrechung des Kausalzusammenhangs aufgrund eines wertungsmäßig besonders bedeutsamen Beitrages des Bürgers zu der Freiheitsverkürzung
(2) Das von Staatsbediensteten getragene Symbol
(a) Die Konfrontation als abwehrrechtliche Problematik oder als Gegenstand einer Schutzpflicht
(b) Bedeutung der Grundrechtsträgereigenschaft von Staatsbediensteten für die Charakterisierung der Konfrontation
(aa) Die Grundrechtsberechtigung der Staatsbediensteten als Abgrenzungskriterium
(bb) Kein Eingriff durch die staatliche Duldung des Symboltragens
α) Keine Begründung der Zurechnung durch die Konvergenztheorie
β) Keine zurechnungsbegründende Funktion der Duldung aufgrund einer vorgelagerten Eingriffshandlung
(cc) Exkurs: Konfliktlösung über staatliche Schutzpflichten
(3) Das von Mitbürgern getragene Symbol
(4) Das von Staatsbediensteten oder Mitbürgern angebrachte Symbol
cc) Fazit: Kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit
d) Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
e) Zusammenfassung
2. Betroffene Grundrechte bei der einstellungsändernden Symbolkonfrontation
a) Regelmäßig keine Verletzung der Menschenwürde durch die Konfrontationssituation
b) Eingriff in die Glaubensfreiheit
aa) Freiheitsverkürzung durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen
(1) Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne durch einstellungsändernde Prozesse
(a) Keine Freiheitsverkürzung durch gedankenanregende Prozesse
(b) Verkürzungen der Willensfreiheit durch affektiv wirkende Prozesse
(aa) Niederschlag der Konditionierung in der religiösen Einstellung allenfalls bei extremen Umweltreizen
(bb) Keine relevante Verkürzung des freien Willens durch den Mere-Exposure-Effekt
(cc) Verkürzung des freien Willens durch das Modelllernen nur im Fall einer stark emotional geprägten Beziehung zwischen Betrachter und Modellperson
(2) Verkürzung der Auswahlfreiheit durch einstellungsändernde Prozesse regelmäßig nur bei auffälligen Symbolen
(3) Die eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung als Lösung für tatsächliche Schwierigkeiten bei der Prognose des Kausalverlaufs
(a) Drohende Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne nur ausnahmsweise eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung
(b) Drohende Verkürzung der Auswahlfreiheit nur ausnahmsweise eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung
bb) Zurechnung möglicher Verkürzungen der Willensfreiheit
(1) Zurechnung im Fall staatlich angeordneter Symbole möglich
(2) Keine Zurechnung im Fall der von Staatsbediensteten und Mitbürgern getragenen und angebrachten Symbole
cc) Zusammenfassung
c) Eingriff in das elterliche Recht zur religiösen Erziehung
aa) Eingriff durch Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne des Kindes
bb) Eingriff durch Verkürzung der Auswahlfreiheit des Kindes
d) Eingriff in die Informationsfreiheit
e) Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
3. Sonstige durch die Konfrontation betroffene Grundrechte
a) Eingriff in die negative Bekenntnisfreiheit nur bei rechtlicher Widerspruchsmöglichkeit oder faktischem Zwang zum Widerspruch
b) Eingriff in die negative Religionsausübungsfreiheit
aa) Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit regelmäßig nur bei besonderer Präsenz staatlich angeordneter Symbole
bb) Rückgriff auf die Figur der Grundrechtsgefährdung nicht erforderlich
c) Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre nur bei konkreter Betroffenheit von herabsetzenden Inhalten
d) Verletzung der Menschenwürde durch die Konfrontationssituation nur im Fall staatlich bezweckter Erniedrigung
IV. Ergebnis
F. Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung festgestellter Grundrechtseingriffe und zur Reichweite grundrechtlicher Schutzpflichten
I. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Eingriffe
1. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage
2. Rechtfertigung nur aufgrund verfassungsrechtlicher Befugnisse des Staates
a) Bestehen eines Grundrechtskonflikts
b) Sonstige verfassungsrechtliche Befugnisse des Staates
3. Regelmäßig keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Grundrechtseingriffe
II. Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten
1. Staatliche Schutzpflicht aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
a) Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern getragenen Symbole
b) Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Staatsbediensteten getragenen Symbole
c) Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern angebrachten Symbole
d) Zusammenfassung
2. Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
3. Staatliche Schutzpflicht aus der Glaubensfreiheit
a) Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern getragenen Symbole
b) Staatliche Handlungspflicht im Fall symboltragender Staatsbediensteter
aa) Schutzpflicht im Fall der konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen
bb) Schutzpflicht im Fall der bloß abstrakten Gefährdung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung
cc) Schutzpflicht im Fall der gezielten Verkürzung der Glaubensfreiheit durch Staatsbedienstete
c) Umfang einer staatlichen Schutzpflicht im Fall eines von Mitbürgern angebrachten Symbols
d) Zusammenfassung
4. Staatliche Pflicht zum Schutz des elterlichen Erziehungsrechts aus der grundrechtlichen Schutzpflicht bzw. aus dem Ordnungs- und Ausgestaltungsauftrag des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG
5. Staatliche Schutzpflicht aus der Informationsfreiheit
6. Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
7. Staatliche Schutzpflicht aus der negativen Bekenntnisfreiheit
8. Staatliche Schutzpflicht aus der negativen Religionsausübungsfreiheit
9. Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre durch die Symbolkonfrontation
10. Zusammenfassung zum Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten
III. Ergebnisse
G. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Studien und Beiträge zum Öffentlichen Recht Band 30

Sarah Röhrig

Religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen als Grundrechtseingriffe

Mohr Siebeck

Sarah Röhrig, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Köln, 2011 erste Staatsprüfung; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kirchenrecht und rheinische Kirchenrechtsgeschichte der Universität Köln; seit 2014 Referendariat am Landgericht Köln, daneben wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Kirchenrecht und rheinische Kirchenrechtsgeschichte.

e-ISBN PDF 978-3-16-154944-1 ISBN 978-3-16-154864-2 ISSN 1867-8912 (Studien und Beiträge zum Öffentlichen Recht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver­ wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Neuffen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.

Meinem Vater

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemerster 2015/2016 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie geringfügig überarbeitet und aktualisiert, wobei Rechtsprechung und Literatur bis Ende Juni 2016 berücksichtigt werden konnten. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Stefan Muckel. Er hat das Thema angeregt, die Arbeit in all ihren Schritten interessiert begleitet und mir stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Darüber hinaus hat er es mir ermöglicht, während der Promotionszeit am Institut für Kirchenrecht und rheinische Kirchenrechtsgeschichte der Universität zu Köln als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig zu sein. Dadurch konnte ich mich nicht nur in fachlicher wie in persönlicher Hinsicht weiterentwickeln, sondern hatte auch das große Glück, in einem Umfeld arbeiten zu dürfen, das ich als sehr bereichernd empfunden und in dem ich mich sehr wohl gefühlt habe. Meinen herzlichen Dank aussprechen möchte ich auch Herrn Professor Dr. Wolfram Höfling, M. A., für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, die hilfreichen Korrekturen und die Beratung zur Veröffentlichung der Arbeit. Petra Bretfeld und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Kirchenrecht danke ich von Herzen für ihr Interesse, ihre Hilfsbereitschaft, ihren Humor und den freundschaftlichen Zusammenhalt. Aufrichtig bedanken möchte ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden, die mich mit ihrer Herzlichkeit und ihrer Ermutigung auch durch die schwierigen Zeiten der Promotion getragen haben. Ohne sie hätte die Arbeit in dieser Form nicht entstehen können. Stellvertretend für alle möchte ich Thomas Traub, Julia Hauk, Sebastian Pieper, Swantje Besecke, Anna Röhrig, Bärbel Röhrig und Dr. Cathérine Röhrig nennen, die mich mit ihrer steten Diskussionsbereitschaft, ihrem emotionalen Rückhalt und der Hilfe bei den Korrekturarbeiten sehr unterstützt haben. Meiner Schwester Anna Röhrig gebührt in diesem Zusammenhang zudem großer Dank für ihren religionspädagogischen Sachverstand. Erwähnen möchte ich auch meine Oma Anneliese Lieschied, deren Warmherzigkeit und Fürsorge mich seit jeher stärken. Widmen möchte ich die Arbeit meinem Vater Walter Röhrig, der – nicht nur während meines Promotionsstudiums – zu jeder Zeit für mich da war und

VIII

Vorwort

hierfür eigene Belange stets zurückgestellt hat. Sein kluger Rat, sein liebevolles Verständnis und sein Vertrauen in meine Fähigkeiten haben mir stets den Mut und die Kraft gegeben, neue Ziele in Angriff zu nehmen und zu verwirklichen. Wie dankbar ich ihm bin, lässt sich nicht in Worte fassen. Köln, im Juli 2016

Sarah Röhrig

Inhaltsübersicht A. Ausgangssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Vorüberlegungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 I. Der Eingriff als Basis der grundrechtlichen Zulässigkeitsprüfung  . . . . 6 II. Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation als Ausgangspunkte des Eingriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Formen des Grundrechtseingriffs durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 IV. Untersuchungsabfolge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

C. Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Die Wahrnehmung des Symbols als Grundvoraussetzung etwaiger Wirkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Wirkungen der Konfrontationssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Ausblick zur Einordnung in die grundrechtliche Prüfung  . . . . . . . . . . . 81

D. Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I. Subjektiver Maßstab als Ausgangspunkt zur Bestimmung des religiösen Charakters eines Symbols  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 II. Vorauswahl potentiell relevanter Grundrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 III. Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 IV. Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen  . . . . . . . . . . . . . . 107

X

Inhaltsübersicht

V. Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 VI. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

E. Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche durch die tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation  . . 166 I. Ausgangssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . 167 III. Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . 187 IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

F. Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung festgestellter Grundrechtseingriffe und zur Reichweite grundrechtlicher Schutzpflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Eingriffe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II. Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten  . . . . . 242 III. Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

G. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Stichwortverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Inhaltsverzeichnis A. Ausgangssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Vorüberlegungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 I. Der Eingriff als Basis der grundrechtlichen Zulässigkeitsprüfung  . . . . 6 II. Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation als Ausgangspunkte des Eingriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1. Symbolbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Repräsentationsfunktion von Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Interpretation als Zugang zum Symbolinhalt  . . . . . . . . . . . . . . c) Erforderlichkeit einer Verkörperung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Religiöse Symbole  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungen der Symbolkonfrontation nach der Rechtsprechung  . . . . . 3. Die tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation als bislang fehlendes Bindeglied in der grundrechtlichen Prüfung  . . . . . . . . . . . . .

8 8 11 12 13 13 14 19

III. Formen des Grundrechtseingriffs durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1. Grundrechtseingriff durch Emotionen und Einstellungsänderungen als von der Rechtsprechung benannte Folgen der Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Grundrechtseingriff durch die Symbolkonfrontation im Übrigen  . . . . . 20

IV. Untersuchungsabfolge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

C. Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Die Wahrnehmung des Symbols als Grundvoraussetzung etwaiger Wirkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Wirkungen der Konfrontationssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

1. Emotionsauslösung durch die Konfrontationssituation  . . . . . . . . . . . . . 26 a) Begriff und Entstehung von Emotionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Die Symbolkonfrontation als Emotionsauslöser  . . . . . . . . . . . . . . . 28

XII

Inhaltsverzeichnis

aa) Die Vorerfahrung mit dem Symbol als Faktor der Emotionsentstehung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Häufigkeit und fehlende Ausweichmöglichkeit keine zwangsläufig intensitätssteigernden Faktoren  . . . . . . . . . . . . . . c) Erkennbarkeit emotionaler Reaktionen als Voraussetzung einer rechtlichen Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die emotionsauslösende Wirkung der Konfrontation mit religiösen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstellungsänderung durch die Konfrontationssituation  . . . . . . . . . . . a) Einstellungsbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Herkunft von Einstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Änderung von Einstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einstellungsverändernde Prozesse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Klassische bzw. Operante Konditionierung  . . . . . . . . . . . . (2) Mere-Exposure-Effekt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Interne menschliche Zustände und externe Merkmale der Persuasionssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Modelllernen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Kognitive Reaktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zwei-Prozess-Modelle der Persuasion  . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung der Erkenntnisse zur Einstellungsänderung auf die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kopplung von Konfrontationssituation und Umweltreiz als Voraussetzungen der Konditionierung  . . . . . . . . . . . . . . (2) Geringe Bedeutung des Mere-Exposure-Effekts bei komplexen Einstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Geringe Ergiebigkeit der Grundsätze zur heuristischen Verarbeitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der interpretationsabhängige appellative Charakter von Symbolen als möglicher Ausgangspunkt einer Botschaftsübermittlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einstellungsänderung durch heuristische Verarbeitung des Appels nur begrenzt möglich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Vorbildperson als zur Konfrontationssituation hinzutretende Voraussetzung des Modelllernens  . . . . . . . . . (5) Aktives und eigengesteuertes Denken als Voraussetzung der kognitiven Reaktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Änderung religiöser Einstellungen als Produkt der Konfrontation mit religiösen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der religiöse Glaube als innere Einstellung  . . . . . . . . . . . . (a) Glaubensbegriff aus der Sicht der Psychologie und Soziologie bzw. verwandter Wissenschaften  . . . . .

30 33 34 34 36 37 39 41 41 41 43 44 45 47 47 49 50 50 53 54 55 56 56 58 59 60 61

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(b) Glaubensbegriff in der Theologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Der Glaube in der verfassungsrechtlichen Literatur  . . . (2) A- bzw. anti-religiöse Haltungen als innere Einstellungen  . (3) Änderung religiöser Einstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Entstehung einer religiösen Einstellung  . . . . . . . . . . . . (aa) Lernbarkeit religiöser Einstellungen . . . . . . . . . . . . α) Fremdsozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . β) Selbstsozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . γ) Die Bekehrung als nur scheinbarer Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Lehrbarkeit religiöser Einstellungen . . . . . . . . . . . . (cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Identität zwischen den Prozessen zur Änderung religiöser Einstellungen und zur Änderung sonstiger innerer Einstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Allgemeine Erkenntnisse zur Einstellungsänderung durch die Symbolkonfrontation übertragbar auf die Änderung religiöser Einstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erkennbarkeit innerer Einstellungen als Voraussetzung einer rechtlichen Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Wirkungen der Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handlungszwang durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . b) Herabsetzung durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 63 64 67 67 68 68 70 72 74 75 77 78 78 80 80 80 81

III. Ausblick zur Einordnung in die grundrechtliche Prüfung  . . . . . . . . . . . 81

D. Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I. Subjektiver Maßstab als Ausgangspunkt zur Bestimmung des religiösen Charakters eines Symbols  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 II. Vorauswahl potentiell relevanter Grundrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Emotionen als Konfrontationswirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Einstellungsänderungen als Konfrontationswirkung  . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Sonstige Wirkungen der Konfrontationssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

III. Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Die emotionale Integrität als grundrechtliches Schutzgut  . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtliche Anknüpfungspunkte für einen Schutz der emotionalen Integrität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelmäßig kein Schutz durch die Menschenwürdegarantie  . . . . . b) Kein Schutz durch die Religionsfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 92 92 94

XIV

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aa) Kein Schutz nach dem Wortlaut und aus der Entstehungsgeschichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein Schutz aus systematischer Sicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kein Schutz nach dem Sinn und Zweck  . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz durch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit  . . . .

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aa) Schutz der menschliche Psyche nur bei Vergleichbarkeit der Einwirkung mit körperlichen Beeinträchtigungen  . . . . . . . 101 (1) Regelmäßig keine Vergleichbarkeit konfrontationsbedingter Emotionen mit körperlichen Beeinträchtigungen  101 (2) Keine Erweiterung des Schutzes auf das psychische Wohlbefinden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Eröffnung des Schutzbereichs im Fall der Symbolkonfrontation aufgrund nicht auszuschließender mit körperlichen Einwirkungen vergleichbarer Beeinträchtigungen im Einzelfall  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 d) Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung  104 aa) Regelmäßig keine Hemmung der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung durch konfrontationsbedingte Emotionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Eröffnung des Schutzbereichs im Fall der Symbolkonfrontation aufgrund nicht auszuschließender entfaltungshemmender Wirkungen im Einzelfall  . . . . . . . . . . . 106 3. Fazit: Schutz der emotionalen Integrität nur im Fall spezieller Auswirkungen des emotionsauslösenden Faktors  . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

IV. Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen  . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Regelmäßig kein Schutz durch die Menschenwürdegarantie  . . . . . . . . 2. Schutz durch die Glaubensfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Glaubensfreiheit als Strukturelement der Religionsfreiheit  . . . b) Das Schutzgut der Glaubensfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Selbstbestimmung in Fragen religiöser Einstellungen als Zweck der Glaubensfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entstehungs- und Erhaltungsprozesse religiöser Einstellungen als Anknüpfungspunkt der Selbstbestimmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein vorrangiger Schutz durch ein Grundrecht auf innere Geistesfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Selbstbestimmung bei der Bildung und Erhaltung religiöser Einstellungen in tatsächlicher Hinsicht  . . . . . . . . . . . (1) Der freie Wille als Instrument menschlicher Selbstbestimmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kein unbedingt freier Wille  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der bedingt freie Wille als Lösungsansatz  . . . . . . . . . .

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113 114 115 116 118 119 121

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XV

(2) Bedeutung des bedingten Willens bei der Bildung und Erhaltung religiöser Einstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (a) Der Wille im Hinblick auf die verschiedenen Einstellungskomponenten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (b) Die affektive Komponente der religiösen Einstellung als Einfallstor der Willensbeeinflussung  . . . . . . . . . . . . 124 (c) Erforderlichkeit einer Differenzierung zwischen den affektiven und kognitiven Wirkungen eines Einflusses auf Eingriffsebene  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (3) Die Auswahlfreiheit hinsichtlich religiöser Informationen als zur Willensfreiheit zählendes Element  . . . . . . . . . . . . . . 126 (a) Kein Schutz vor der bloßen Kenntnisnahme der Information im öffentlichem Raum  . . . . . . . . . . . . . 127 (b) Kein Schutz vor der bloßen Kenntnisnahme der Information in staatlichen Einrichtungen  . . . . . . . . 129 (c) Schutz vor dem Zwang zur gedanklichen Auseinandersetzung mit der Information  . . . . . . . . . . . 129 (aa) Kein Zwang bei bestehender Möglichkeit zum geistigen Ausweichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (bb) Kognitive Prozesse ebenfalls potentielle Anknüpfungspunkte von Willensfreiheitsverkürzungen im Fall eines gedanklichen Zwangs . 131 cc) Die Willensfreiheit in Fragen religiöser Einstellungen als Schutzgut der Glaubensfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) Aufspaltung der Willensfreiheit in die Auswahlfreiheit und die Willensfreiheit im engeren Sinne  . . . . . . . . . . . . . . 131 (2) Erforderlichkeit eines religiösen Bezugs der Willensprozesse zur Abgrenzung der Glaubensfreiheit von sonstigen Grundrechten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 dd) Die Abgrenzung zwischen positiver und negativer Glaubensfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 ee) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Glaubensfreiheit im Fall der Konfrontation mit einstellungsändernden Symbolen  . . 134 3. Schutz durch das elterliche Recht zur religiösen Erziehung  . . . . . . . . . 135 4. Schutz vor Einstellungsänderungen durch die Informationsfreiheit  . . . 137 a) Die Informationsfreiheit als der Glaubensfreiheit strukturell ähnliches Grundrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Bestimmung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit in Abweichung zum herrschenden Verständnis  . . . . . . . . . . . . . . . . 140 c) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit durch die Konfrontation mit einstellungsändernden religiösen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

XVI

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5. Schutz vor Einstellungsänderungen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

V. Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Schutz durch die negative Bekenntnisfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Schutz vor dem äußeren Eindruck der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bekenntnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwang zur Preisgabe des Bekenntnisses durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Bekenntnisfreiheit durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz durch die negative Religionsausübungsfreiheit  . . . . . . . . . . . . . a) Inhalte der negativen Religionsausübungsfreiheit und Bezug zur Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz vor Zwang zu religiösen Handlungen durch die negative Religionsausübungsfreiheit  . . . . . . . . . . . . . bb) Regelmäßig kein Zwang zu religiösen Handlungen durch die Konfrontationssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Trennung von dem bloßem Anblick und der Verwendung des Symbols  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Religiöse Prägung sonstiger Handlungen durch die Symbolkonfrontation nur bei besonderer Präsenz des religiösen Symbols  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein Zwang durch den Anblick eines menschlichen Symbolträgers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der negativen Religionsausübungsfreiheit durch die Symbolkonfrontation  . . . . . 3. Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre  . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor Herabsetzung als Element des Ehrenschutzes  . . . . . . . . b) Die Konfrontation mit religiösen Symbolen als Herabsetzung des Symbolbetrachters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Etwaige staatliche Bevorzugung einer Religion keine Herabsetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Herabsetzung durch den Symbolinhalt nur unter besonderen Voraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Herabsetzung allein wegen des religiösen Inhalt eines Symbols  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erforderlichkeit einer plausiblen Darstellung des herabwürdigenden Inhalts sowie einer konkreten Betroffenheit zur Feststellung der Herabsetzung  . . . . . . . .

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XVII

cc) Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4. Kein Schutz durch ein subjektives Recht auf staatliche Neutralität  . . . 161

VI. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

E. Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche durch die tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation  . . 166 I. Ausgangssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . 167 1. Terminologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Eingriff nach dem klassischen Eingriffsbegriff  . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Symbolkonfrontation im Kontext des erweiterten Eingriffsbegriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalte des erweiterten Eingriffsbegriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kausalität als Verknüpfung zwischen staatlichem Akt und der Freiheitsverkürzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unzulänglichkeit einzelner Merkmale der klassischen Eingriffsbegriffs als Zurechnungskriterien  . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Schutzzweck des im Einzelfall betroffenen Grundrechts  . . dd) Staatliche Verantwortung für die Freiheitsverkürzung  . . . . . . . ee) Anforderungen an die Grundrechtsverkürzung  . . . . . . . . . . . . . (1) Bagatellvorbehalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Grundrechtsgefährdung als Grundrechtsverkürzung  . . . . . . b) Allgemeine Definition des erweiterten Eingriffsbegriffs  . . . . . . . . c) Eingriffsbezogene Probleme der Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . aa) Das Problemfeld der Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten  . bb) Das Problemfeld der Zurechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Durch die emotionsauslösenden Symbolkonfrontation betroffene Grundrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Verletzung der Menschenwürde  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Eingriff in die Religionsfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eingriff in die körperliche Unversehrtheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verkürzung des Grundrechts auf körperlichen Unversehrtheit durch die emotionsauslösende Konfrontation  . . . . . . . . . . . . . . (1) Notwendigkeit einer psychischen Erkrankung bzw. mit physischen Erkrankungen vergleichbarer Wirkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Gleichstellung der Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit mit einer vollendeten Freiheitsverkürzung  .

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XVIII

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bb) Zurechnung einer feststehenden Freiheitsverkürzung zum Staat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (1) Das aufgrund staatlicher Anordnung angebrachte Symbol  . 192 (a) Finales oder äquivalent kausales Handeln als Kriterien im Fall einer staatlicher Alleinverursachung der Freiheitsverkürzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (b) Staatliche Nebenverursachung statt staatlicher Alleinverursachung im Fall der Symbolkonfrontation  . 193 (c) Regelmäßige Unterbrechung des Kausalzusammenhangs aufgrund eines wertungsmäßig besonders bedeutsamen Beitrages des Bürgers zu der Freiheitsverkürzung  . . . . 194 (2) Das von Staatsbediensteten getragene Symbol  . . . . . . . . . . 195 (a) Die Konfrontation als abwehrrechtliche Problematik oder als Gegenstand einer Schutzpflicht  . . . . . . . . . . . . 195 (b) Bedeutung der Grundrechtsträgereigenschaft von Staatsbediensteten für die Charakterisierung der Konfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (aa) Die Grundrechtsberechtigung der Staatsbediensteten als Abgrenzungskriterium . . . . . 197 (bb) Kein Eingriff durch die staatliche Duldung des Symboltragens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 α) Keine Begründung der Zurechnung durch die Konvergenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 β) Keine zurechnungsbegründende Funktion der Duldung aufgrund einer vorgelagerten Eingriffshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (cc) Exkurs: Konfliktlösung über staatliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (3) Das von Mitbürgern getragene Symbol  . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (4) Das von Staatsbediensteten oder Mitbürgern angebrachte Symbol  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 cc) Fazit: Kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit  . . . . . . . 205 d) Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . 206 e) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Betroffene Grundrechte bei der einstellungsändernden Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Regelmäßig keine Verletzung der Menschenwürde durch die Konfrontationssituation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Eingriff in die Glaubensfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Freiheitsverkürzung durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne durch einstellungsändernde Prozesse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

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(a) Keine Freiheitsverkürzung durch gedankenanregende Prozesse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verkürzungen der Willensfreiheit durch affektiv wirkende Prozesse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Niederschlag der Konditionierung in der religiösen Einstellung allenfalls bei extremen Umweltreizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Keine relevante Verkürzung des freien Willens durch den Mere-Exposure-Effekt . . . . . . . . . . . . . . (cc) Verkürzung des freien Willens durch das Modelllernen nur im Fall einer stark emotional geprägten Beziehung zwischen Betrachter und Modellperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verkürzung der Auswahlfreiheit durch einstellungsändernde Prozesse regelmäßig nur bei auffälligen Symbolen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung als Lösung für tatsächliche Schwierigkeiten bei der Prognose des Kausalverlaufs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Drohende Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne nur ausnahmsweise eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Drohende Verkürzung der Auswahlfreiheit nur ausnahmsweise eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurechnung möglicher Verkürzungen der Willensfreiheit  . . . . (1) Zurechnung im Fall staatlich angeordneter Symbole möglich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Zurechnung im Fall der von Staatsbediensteten und Mitbürgern getragenen und angebrachten Symbole  . . . cc) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eingriff in das elterliche Recht zur religiösen Erziehung  . . . . . . . . aa) Eingriff durch Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne des Kindes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingriff durch Verkürzung der Auswahlfreiheit des Kindes  . . . d) Eingriff in die Informationsfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige durch die Konfrontation betroffene Grundrechte  . . . . . . . . . . a) Eingriff in die negative Bekenntnisfreiheit nur bei rechtlicher Widerspruchsmöglichkeit oder faktischem Zwang zum Widerspruch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriff in die negative Religionsausübungsfreiheit  . . . . . . . . . . . .

XIX 208 208 209 211

212 215 218 219 221 221 221 222 223 223 224 225 227 227 228 228 229

XX

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aa) Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit regelmäßig nur bei besonderer Präsenz staatlich angeordneter Symbole  . . 229 bb) Rückgriff auf die Figur der Grundrechtsgefährdung nicht erforderlich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre nur bei konkreter Betroffenheit von herabsetzenden Inhalten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 d) Verletzung der Menschenwürde durch die Konfrontationssituation nur im Fall staatlich bezweckter Erniedrigung  . . . . . . . . . . . . . . . . 233

IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

F. Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung festgestellter Grundrechtseingriffe und zur Reichweite grundrechtlicher Schutzpflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Eingriffe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage  . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung nur aufgrund verfassungsrechtlicher Befugnisse des Staates  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehen eines Grundrechtskonflikts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige verfassungsrechtliche Befugnisse des Staates  . . . . . . . . . 3. Regelmäßig keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Grundrechtseingriffe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

236 237 238 239

242

II. Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten  . . . . . 242 1. Staatliche Schutzpflicht aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern getragenen Symbole  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Staatsbediensteten getragenen Symbole  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern angebrachten Symbole  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht  . . . 3. Staatliche Schutzpflicht aus der Glaubensfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern getragenen Symbole  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatliche Handlungspflicht im Fall symboltragender Staatsbediensteter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzpflicht im Fall der konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen  . . . . . . . . . . . . . .

243 244 247 249 249 250 251 251 253 254

Inhaltsverzeichnis

XXI

bb) Schutzpflicht im Fall der bloß abstrakten Gefährdung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung  . . . . . . . . . . . . . 257 cc) Schutzpflicht im Fall der gezielten Verkürzung der Glaubensfreiheit durch Staatsbedienstete  . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 c) Umfang einer staatlichen Schutzpflicht im Fall eines von Mitbürgern angebrachten Symbols  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 d) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4. Staatliche Pflicht zum Schutz des elterlichen Erziehungsrechts aus der grundrechtlichen Schutzpflicht bzw. aus dem Ordnungsund Ausgestaltungsauftrag des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG  . . . . . . . . . . . . . . 262 5. Staatliche Schutzpflicht aus der Informationsfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . 263 6. Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht  . . . 264 7. Staatliche Schutzpflicht aus der negativen Bekenntnisfreiheit  . . . . . . . 264 8. Staatliche Schutzpflicht aus der negativen Religionsausübungsfreiheit 265 9. Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre durch die Symbolkonfrontation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 10. Zusammenfassung zum Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

III. Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

G. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Stichwortverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

A. Ausgangssituation Religiöse Symbole bewegen die Gemüter. Das zeigte sich insbesondere an dem sogenannten Kruzifixbeschluss aus dem Jahr 19951. Damals stellte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer bayrischen Schulrechtsnorm2 fest, die anordnete, dass in jedem Klassenzimmer bayrischer Volksschulen ein Kreuz anzubringen sei. Die entsprechende Norm verstieß nach Ansicht der Richter gegen die in Art. 4 Abs. 1 GG verankerte Religionsfreiheit. Wenn der Beschluss auch teilweise begrüßt wurde3, löste er jedoch vor allem eine bis dahin nicht gekannte Welle der Entrüstung in der Bevölkerung aus4. Nicht erst5 aber vor allem seit dem Kruzifixbeschluss, beschäftigen religiöse Symbole die Gerichte. Das gilt nicht nur für Deutschland. Zahlreiche Entscheidungen des EGMR verdeutlichen, dass um die Zulässigkeit religiöser Symbole auch in anderen europäischen Ländern gestritten wird6. Insbesondere diskutiert wird dabei die Zulässigkeit religiöser Symbole in staatlichen Einrichtungen7. Die Diskussion konzentriert sich vor allem auf zwei Kernfragen, und zwar einerseits auf die dem Kruzifixbeschluss zugrunde liegende Frage, ob religiöse Symbole durch staatliche Anordnung in staatlichen Einrichtungen angebracht werden dürfen8, andererseits aber auch auf die Frage, ob Bedienstete staatlicher Einrichtungen religiöse Symbole tragen dürfen bzw. ob ihnen das Tragen religiöser Symbole untersagt werden kann9. Der Diskurs um religiöse Symbole 1 

BVerfGE 93, 1. § 13 Abs. 1 Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern (Volksschulordnung – BayVSO) v. 21. Juni 1983 (GVBl. S. 597). 3  Czermak, NJW 1995, 3348 (3348 ff.); Renck, NVwZ 2002, 955 (957). 4 Vgl. Jeand’Heur/Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 104 m. N. in Fn. 92; Muckel, KuR 1996, 65 (65 f.); Isensee, ZRP 1996, 10 (15), sowie die N. bei Würtenberger, in: Merten/ Schmidt/Stettner, FS Knöpfle, S. 397 (397 f. m. Fn. 7) sowie die sehr umfangreiche Darstellung der Reaktionen auf den Beschluss bei Ihli, Lernen mit dem Kreuz, S. 71–128. 5  Bereits im Jahr 1973 entschied das BVerfG über die Zulässigkeit eines Kreuzes im Gerichtssaal: BVerfGE 35, 366. 6  Zur Rspr. in den USA Vollrath, Religiöse Symbole, insb. ab. S. 91 (4. Kapitel). 7  Vgl. dazu die N. in den folgenden Fn. 8  Für Deutschland vgl. etwa den Kruzifixbeschluss; für andere europäische Länder vgl. etwa EGMR, Entsch. v. 3. 11. 2009  – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien), in: BeckRS 2010, 90137; vgl. aber auch EGMR, Urt. v. 18. 3. 2011 – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien); vgl. auch ÖstVerfGH, Urt. v. 9. 3. 2011 – G 287/09, NVwZ 2011, 1512 (LS); BeckRS 2011, 81109. 9  Hierzu etwa BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 2 

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A. Ausgangssituation

hat damit auch zwanzig Jahre nach dem Kruzifixbeschluss nicht an Aktualität verloren10. Für die Zulässigkeit religiöser Symbole in staatlichen Einrichtungen in Deutschland kommt es entscheidend darauf an, ob die Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen in Grundrechte eingreift. Zwar dürfte unumstritten sein, dass die Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen das staatliche Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität berührt11, wenngleich die Frage, ob sie gegen das Gebot verstößt, differenziert

1359; BVerfGE 108, 282; zur Rechtmäßigkeit eines Kopftuchverbots für eine Lehrerin an einer Berliner Grundschule ArbG Berlin, Urt. vom 14. 4. 2016 – 58 Ca 13376/15; zur Unzulässigkeit eines Kopftuchverbots für Rechtsreferendarinnen VG Augsburg, Urt. v. 30. 6. 2016 – Au 2 K 15.457; zur Abmahnung einer Kindergärtnerin eines öffentlichen Kindergartens wegen religiöser Bekundung durch ein Kopftuch: BAG, NZA-RR 2011, 162; zum Verbot des Unterrichtens mit islamischen Kopftuch für eine Lehrerin an einer Schweizer Grundschule: EGMR, Entsch. v. 25. 2. 2001 – Nr. 42393/98 (Dahlab ./. Schweiz), abgedr. in: NJW 2001, 2871; zum Kopftuchverbot an türkischen Universitäten EGMR, Urt. v. 10. 11. 2005  – 44774/98 Leyla Sahin ./. Türkei, abgedr. in: NVwZ 2006, 1389; zum Kopftuchverbot für französische Schüler im Sportunterricht: EGMR, Urt. v. 4. 12. 2008  – 27058/05 Dogru ./. Frankreich, abgedr. in: NJOZ 2010, 1193. Vgl. hierzu auch die Entscheidungen zum Tragen religiöser Symbole an Arbeitsplätzen, die keine staatlichen Einrichtungen sind: Für Deutschland: Zur Kündigung einer Verkäuferin wegen des Tragens eines islamischen Kopftuchs BAG, NJW 2003, 1685 (1687); vgl. zu dem Sonderfall kirchlicher Einrichtungen auch BAG Urt. vom 24. 09. 2014, Az.: 5 AZR 611/12 (becklink 1034777). Auf europäischer Ebene: EGMR, Urt. v. 15. 1. 2013 – 48420/10, 59842/10, 51671/10, 36516/10 (Eweida [u. a.] ./. United Kingdom), abgedr. in: NJW 2014, 1935. Teilweise wird ein entsprechendes Verbot auch für Bürger in Betracht gezogen, die sich in den entsprechenden Einrichtungen aufhalten, vgl. dazu EGMR, Urt. v. 4. 12. 2008 – 27058/05 Dogru ./. Frankreich, abgedr. in: NJOZ 2010, 1193. Vgl. auch die umfangreichen Literaturnachweise zum Streit und das Kopftuch bei Muckel, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 96, Rn. 88 m. Fn. 309. 10  Jüngst entschied das BVerfG über die Verfassungsbeschwerden einer angestellten Lehrerin und einer angestellten Sozialpädagogin muslimischen Glaubens aus Nordrhein-Westfalen gegen das ihnen aufgrund des mittlerweile aufgehobenen § 57 Abs. 4 SchulG NRW v. 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102) in der Fassung bis zum 4. Juli 2015 (GV. NRW. S. 309), auferlegte Verbot, im Schuldienst ein Kopftuch bzw. eine Mütze als „Kopftuchersatz“ zu tragen (BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359). Kürzlich zurückgenommen wurde die zeitweise beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde eines verbeamteten Lehrers gegen die aufgrund von Art. 7 Abs. 3 BayEUG in Klassenzimmern angebrachten Kreuze bzw. Kruzifixe (2 BvR 391/10). Vgl. auch die Große Anfrage der Fraktion Die Linke im Landtag NRW zur finanziellen Ausstattungen der Kirchen und der zugrunde liegende Abkommen mit den Kirchen in Nordrhein-Westfalen (Drucksache 15/4167): Nr. 12 der Anfrage betrifft „Sakrale Symbole“. Die Anfrage hat sich gem. § 109 GeschO Ltg NRW a. F. durch Beendigung der Wahlperiode erledigt. 11  Das gilt jedenfalls im Falle staatliche angebrachter Symbole wie dem Kreuz im Klassenzimmer, vgl. Huster, Ethische Neutralität des Staates, S. 130 ff. m. w. N. in Fn. 11; Ipsen, in: Ziemske/Langheid/Wilms/Haverkate (Hrsg.), FS Kriele, S. 301 (317 ff.); Jestaedt, JRP 1995, 237 (244); Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 119; Muckel, KuR 1996, 65 (72), ders., in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 96, Rn. 68; Heckmann, JZ 1996, 880 (881); früher schon Böckenförde, in: ZevKR 20 (1975), S. 119 (120 f.).



A. Ausgangssituation

3

beantwortet wird12. Da der subjektive Gehalt des staatlichen Neutralitätsgebots jedoch zweifelhaft ist13, spielt eine eventuelle Grundrechtsrelevanz der Symbolkonfrontation vor allem für den Bürger eine wichtige Rolle. Soweit die Symbolkonfrontation einen oder mehrere Grundrechtseingriffe begründet, kann der Bürger Verfassungsbeschwerde erheben, wenn er in einer staatlichen Einrichtung mit dem Symbol konfrontiert wird, und sich damit gegen die Symbolkonfrontation wehren14. Auch im Hinblick auf gesetzliche Regelungen, die religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen anordnen, ist die Frage nach dem Eingriffscharakter als elementar zu bewerten: Greift die Symbolkonfrontation in ein oder mehrere Grundrechte ein und können die Eingriffe verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden, so sind die sie anordnenden Regelungen verfassungswidrig. Für staatliche Stellen von besonderem Interesse ist auch die Grundrechtsrelevanz der Symbolkonfrontation, die dadurch entsteht, dass Staatsbedienstete oder Bürger in staatlichen Einrichtungen religiöse Symbole tragen. Zwar liegt in diesem Fall nicht zwangsläufig ein Grundrechtseingriff vor, da es unter Umständen an einer staatlichen Maßnahme mangelt. Gleichwohl können hier grundrechtliche Interessen miteinander kollidieren: Die Bürger und Staatsbediensteten können sich aufgrund ihrer Bekenntnis- oder Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) verpflichtet sehen, religiöse Symbole zu tragen. Der Symbolbetrachter verfügt hingegen unter Umständen über ein grundrechtlich geschütztes Interesse, vor der Symbolkonfrontation verschont zu bleiben. Das Wissen um die Grundrechtsrelevanz der Symbolkonfrontation ermöglicht es dem Staat, etwaige eigene Schutzpflichten abzuschätzen und den kollidierenden Interessen seiner Bürger Rechnung zu tragen. Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage des bzw. der Grundrechtseingriffe durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen. Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen näheren Voraussetzungen es zu Eingriffen 12 

Speziell zum Fall des Schulkreuzes: Muckel, KuR 1996, 65 (77 ff.), ders., Religiöse Freiheit, S. 179, der in den vom Staat verbindlich angeordneten Schulkreuzen einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot sieht, da das Kreuz nicht vollständig von seinem Bezug zum Christentum abgelöst werden könne; ähnl. Simon, in: ZevKR 1997, S. 155 (155); zust. Renck, NVwZ 2002, 955 (957); teilweise wird ein Neutralitätsverstoß aufgrund einer säkularen Deutung des Kreuzes abgelehnt, so etwa Link, NJW 1995, 3353 (3355 f.), ähnl. Jestaedt, JRP 1995, 237 (249), der betont, die in der verbindlichen Anordnung des Kreuzes liegende Identifikation des Staates mit dem Christentum könne sich auch auf die Bejahung des Christentums als prägender Kultur- und Bildungsfaktor beschränken, was einen Neutralitätsverstoß ausschließe; so auch Isensee, ZRP 1996, 10 (13). 13 Abl. Isensee, ZRP 1996, 10 (11); so auch Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 141. 14  Zwar überprüft das BVerfG im Fall einer zulässigen Verfassungsbeschwerde auch den Verstoß des Akts der öffentlichen Gewalt gegen objektives Verfassungsrecht, vgl. Huster, Ethische Neutralität des Staates, S. 163; Czermak, in: Brugger/Huster, Streit um das Kreuz in der Schule, S. 16. Steht ein bloßer Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot in Rede, dürfte eine Verfassungsbeschwerde aber regelmäßig unzulässig sein, weil es schon an der Möglichkeit eines Grundrechtseingriffs fehlt. Etwas anderes gilt nur, soweit dem Neutralitätsgebot ein subjektiver Gehalt zukommt, dazu Kapitel D.

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A. Ausgangssituation

kommt, ist nach wie vor nicht hinreichend geklärt15. Das dürfte vor allem darin begründet liegen, dass Grundrechtseingriffe von den tatsächlichen Wirkungen der Konfrontationssituation abhängen und über diese Wirkungen bislang keine Einigkeit besteht. Einige Entscheidungsbegründungen deuten beispielsweise an, dass die Konfrontationssituation die religiösen Anschauungen des Betrachters beeinflussen, also missionierend wirken oder aber Emotionen bei dem Betrachter auslösen könne16. Problematisch ist, dass es sich bei der Frage nach den Wirkungen der Symbolkonfrontation nicht um eine rein rechtliche Frage handelt. Um sie zu beantworten, bedarf es auch der Erkenntnisse anderer wissenschaftlicher Fachrichtungen. Die Subsumtion unter grundrechtliche Schutzbereiche bzw. unter den Eingriffsbegriff kann erst erfolgen, soweit die Wirkungen der Symbolkonfrontation feststehen. Da die Arbeit die Frage beantworten will, ob die Symbolkonfrontation in Grundrechte eingreift, zielt sie zunächst darauf ab, mithilfe soziologischer, psychologischer und gegebenenfalls religionspädagogischer Erkenntnisse die Wirkung der Symbolkonfrontation festzustellen. Die erkannten Wirkungen der Konfrontationssituation werden sodann auf ihre Grundrechtsrelevanz untersucht. Steht fest, dass grundrechtliche Schutzbereiche im Fall der Symbolkonfrontation eröffnet sind, gilt es zu prüfen, ob die Wirkungen einen Eingriff in die entsprechenden Grundrechte begründen können. Im Rahmen der Analyse sollen Kriterien aufgestellt werden, anhand derer im Einzelfall festzustellen ist, ob ein Grundrechtseingriff vorliegt. In der Arbeit wird überwiegend die Bezeichnung „Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen“ verwendet. Der Begriff der religiösen Symbole erfasst allerdings genau betrachtet nicht alle relevanten Fälle: So wird sich gegen die Konfrontation mit religiösen Symbolen häufig der Bürger wehren, der eine aoder anti-religiöse Überzeugung bzw. eine Weltanschauung17 vertritt. Dieser Bürger ist einer eventuellen Gefahr missionierender Wirkungen eines religiösen Symbols ausgesetzt. Hingegen dürfte der religiöse Bürger regelmäßig begehren, vor der Konfrontation mit a- oder anti-religiösen bzw. weltanschaulichen Symbolen geschützt zu werden, jedenfalls soweit von solchen Symbolen a- oder anti-religiös-missionierende Wirkungen ausgehen. Das Grundgesetz behandelt religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gleich. Das ergibt sich schon aus Art. 4 Abs. 1  GG, der die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses enthält: Eine solche Freiheit ist ohne die Freiheit zur Bildung der entsprechen15 

Vgl. auch Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 117. Vgl. die Nachw. in Kapitel B. 17  Gemeint sind damit metaphysische Gedankensysteme, die über eine ähnliche Geschlossenheit und Breite verfügen wie die im abendländischen Kulturkreis bekannten Religionen, ohne dass eine Gottesvorstellung zu fordern wäre, Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 67 m. w. N. 16 



A. Ausgangssituation

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den Überzeugung nicht denkbar18. Zudem sind Religion und Weltanschauung nicht eindeutig voneinander abzugrenzen19. Ohne an dieser Stelle bereits auf die Details der grundrechtlichen Schutzbereiche eingehen zu wollen, spricht jedenfalls einiges dafür, dass die Religionsfreiheit und die Weltanschauungsfreiheit jeweils auch eine negative Seite aufweisen20. Insgesamt zeigt sich damit ein qualitativ gleicher Schutz von Religion und Weltanschauung sowie – unter Umständen als Ausfluss der jeweiligen negativen Freiheitskomponenten – solcher Anschauungen, die sich nicht bereits als Religion oder Weltanschauung zu qualifizieren sind, gleichwohl aber einen religiös-weltanschaulichen Bezug aufweisen. Dazu zählt auch die religiös-weltanschauliche Indifferenz21. Soweit sich den Grundrechten ein Schutz vor der Konfrontation mit Symbolen entnehmen lässt, spielt es danach für den grundrechtlichen Schutzumfang keine Rolle, um welche Art von Symbol es sich handelt, solange sich dem Symbol ein religiösweltanschaulicher Bezug entnehmen lässt22. Sämtliche Symbole werden von dem hier verwendeten Begriff des „religiösen Symbols“ umfasst.

18  Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 67; Muckel, Religiöse Freiheit, S. 139; vgl. auch Zacharias, in: Muckel (Hrsg.), FS Rüfner, S. 987 (992 f.): „Deshalb ist auch die Überzeugung eines Atheisten, dass es keinen Gott gibt, als Glaube i. S. des Art. 4 Abs. 1 GG zu werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er [der Atheist] eine Vorstellung davon hat, welchen anderen Ursachen- und Wirkungszusammenhängen als der göttlichen Macht er unterstellt ist, d. h. wenn er einem Konkurrenzentwurf zu deistischen Glaubensvorstellungen anhängt.“ 19  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 136 ff.; anders Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 175 ff. 20  Dazu noch Kapitel D. 21  Vgl. auch Muckel, Religiöse Freiheit, S. 143. 22  Zur Deutung von Symbolen noch Kapitel B und D.

B. Vorüberlegungen I.  Der Eingriff als Basis der grundrechtlichen Zulässigkeitsprüfung In Zusammenhang mit den rechtlichen Kontroversen um religiöse Symbole wird die Figur des Konfrontationsschutzes diskutiert1. Ein Konfrontationsschutz könnte den Bürger davor bewahren, mit bestimmten Aussagen2 und unter Umständen auch mit Objekten wie Symbolen, die möglicherweise Aussagen transportieren, in Berührung zu geraten. Unklar ist allerdings, inwieweit es der Figur des Konfrontationsschutzes bedarf, wenn die Frage beantwortet werden soll, ob religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen zulässig sind. Einerseits könnte die Figur das Ergebnis eines grundrechtlichen Abwehrprozesses beschreiben3: Ein nicht gerechtfertigter Grundrechtseingriff verpflichtet den Staat, die den Eingriff verursachenden Maßnahmen zu unterlassen. Stellt sich die Konfrontationssituation als nicht gerechtfertigter Grundrechtseingriff dar, kann der Staat in der Folge verpflichtet werden, den Bürger vor der Konfrontationssituation zu schützen, also einen Konfrontationsschutz zu schaffen. Ob es insoweit der – inhaltlich dann allein deskriptiven – Figur des Konfrontationsschutzes bedarf, ist zweifelhaft.4 Andererseits könnte der Konfrontationsschutz auch ein eigenes Recht des Bürgers darstellen, dessen Reichweite durch den Eingriff und die verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu bestimmen wäre5. Dass der Figur des Konfrontationsschutzes tatsächlich ein materieller und nicht nur ein deskriptiver Gehalt zukommt, ist allerdings zu bezweifeln: Letztlich führt der ihr zugrunde liegende Gedanke zu der Frage, ob die Konfrontationssituation einen Eingriff in grundrechtliche Schutzgüter begründet6. Ein Schutz vor Konfrontation kann 1  Vgl. BVerwG, NJW 1999, 805; dazu Lindner, NVwZ 2002, 37 (37 ff.); Heckmann, JZ 1996, 880 (883 ff.); Isensee, ZRP 1996, 10 (12 ff.); Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 134 ff. 2  Vgl. zum Verbot politischer und religiöser Werbung an Taxen BVerwG, NJW 1999, 805. 3  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 147. 4  Vgl. die Kritik an dem Begriff „Freiheit von Konfrontation“ bei Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 147: „Wenn er [scil. der Begriff] nur dazu hinreicht, das Ergebnis des Prozesses zu beschreiben, ist er überflüssig.“ 5  In diese Richtung wohl BVerwG, NJW 1999, 805, das auch auf BVerfGE 93, 1 (16) verweist (S. 805). 6 Ähnlich Lindner, NVwZ 2002, 37 (38); einen Konfrontationsschutz lehnt auch Mückl, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 4, Rn. 123, ab.



I.  Der Eingriff als Basis der grundrechtlichen Zulässigkeitsprüfung

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kein Selbstzweck sein. Der Konfrontationsschutz kann nur dann ein auch etwa im Kollisionsfall mit anderen Grundrechten durchsetzungsfähiges Recht vermitteln7, wenn er einen grundrechtlichen Anknüpfungspunkt aufweist. Durch die Konfrontation müssen folglich grundrechtliche Schutzgüter berührt werden. Fraglich ist also, ob durch die Konfrontationssituation bzw. deren Wirkungen grundrechtliche Schutzbereiche eröffnet werden und, soweit das der Fall ist, ob durch sie auch in die Schutzbereiche eingegriffen wird. Damit bleibt es bei einer deskriptiven Funktion der Figur des Konfrontationsschutzes. Ein materieller Schutzgehalt, der den Inhalt eines Rechts bilden könnte, ergibt sich allein aus dem berührten grundrechtlichen Schutzgut und dem sich aus dem Schutzgut sowie dem Eingriffsbegriff ergebenden Schutzumfang. Der Konfrontationsschutz kann diesen Schutzgehalt nur beschreiben. Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Symbolkonfrontation kommt es also allein auf die betroffenen grundrechtlichen Schutzgüter an. Ein Rückgriff auf den Begriff des Konfrontationsschutzes ist nicht notwendig. Keinesfalls darf die Figur des Konfrontationsschutzes als Instrument genutzt werden, sich von der Prüfung zu entbinden, ob und inwieweit grundrechtliche Schutzgüter durch die Konfrontation tatsächlich berührt werden – eine, wie sich zeigen wird, nicht einfach zu beantwortende Frage. Es gilt mithin die grundrechtlichen Schutzgüter zu erfassen, die durch die Konfrontationssituation berührt werden. Dazu sind die Wirkungen der Konfrontationssituation festzustellen. Die Wirkungen können den erforderlichen Bezug zu den grundrechtlichen Schutzgütern herstellen und eventuelle Grundrechtseingriffe begründen. Vorhersehbare, nachvollziehbare und damit insgesamt tragfähige Entscheidungen zur grundrechtlichen Zulässigkeit religiöser Symbole in staatlichen Einrichtungen können erst getroffen werden, wenn die Zusammenhänge zwischen der Symbolkonfrontation, deren Wirkungen und einer eventuellen Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter hinreichend geklärt sind. Erforderlich ist damit eine Analyse, inwieweit aus den Wirkungen der Symbolkonfrontation grundrechtsrelevante Nachteile resultieren. Dadurch lässt sich die potentielle Eingriffswirkung der Symbolkonfrontation feststellen.8 Gerade der Kruzifixbeschluss bringt diesbezüglich allerdings wenig Klarheit9: Wenn das Bundesverfassungsgericht ausführt, das Kreuz gewinne im Zusammenhang mit den emotionalen und affektiven Anlagen der Schüler seine Bedeutung10 und weise die von ihm symbolisierten Inhalte als vorbildhaft und befolgungswürdig gegenüber Personen aus, die aufgrund ihrer Jugend in ihren 7 

Etwa in dem Fall, in dem der Symbolträger sich auf seine Bekenntnisfreiheit beruft. Heckmann, JZ 1996, 880 (882). 9 Vgl. Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 117; Muckel, KuR 1996, 65 (75 f.); Ipsen, in: Ziemske/Langheid/Wilms/Haverkate (Hrsg.), S. 301 (314). 10  BVerfGE 93, 1 (20); vgl. auch Ihli, Lernen mit dem Kreuz, S. 60. 8 Vgl.

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B. Vorüberlegungen

Anschauungen noch nicht gefestigt seien, und daher einer mentalen Beeinflussung besonders leicht zugänglich seien11, lassen sich daraus zwar Rückschlüsse ziehen, welche Wirkungen das Gericht dem Symbol zuspricht. Das Gericht bleibt in dem Beschluss aber sowohl einen Nachweis der Wirkungen schuldig als auch eine Erklärung, durch welche psychischen oder physischen Prozesse die Konfrontationssituation – das Lernen „unter dem Kreuz“12 – diese Wirkungen überhaupt hervorrufen soll.

II.  Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation als Ausgangspunkte des Eingriffs 1. Symbolbegriff Soll die potentielle Eingriffswirkung von Symbolen festgestellt werden, muss zunächst der Symbolbegriff geklärt werden, also untersucht werden, was Symbole wie das Kreuz und das Kopftuch inhaltlich auszeichnet. Aus dem festgelegten Symbolbegriff können sich sodann Rückschlüsse auf die Wirkungen von Symbolen in der Konfrontationssituation ziehen lassen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit die staatlichen Einrichtungen als Konfrontationsort bestimmte Wirkungen der Konfrontationssituation erst begründen oder verstärken. Der Blick auf Kreuz und Kopftuch als zwei beispielhafte Symbole, deren Zulässigkeit in staatlichen Einrichtungen höchstrichterlich diskutiert wurde, verdeutlicht eine besondere Eigenschaft von Symbolen: Sie sind mehrdeutig. Das Kreuz und das Kopftuch können zunächst schlicht als geometrische Figur bzw. als Stück Stoff verstanden werden. Eine solche Deutung beider Gegenstände bietet allerdings keine Grundlage für einen Streit um ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit in staatlichen Einrichtungen. Anders sieht es hingegen möglicherweise aus, wenn Kreuz und Kopftuch als Transportmittel für religiöse Ideen gedeutet werden.

a)  Die Repräsentationsfunktion von Symbolen Die Fähigkeit von Symbolen, etwas anderes zu repräsentieren, wird in unterschiedlichen Fachrichtungen betont. Sie lässt sich etymologisch herleiten: Der sprachliche Ursprung des Ausdrucks Symbol wird allgemein in dem griechischen Begriff symbállein (=zusammenfügen) gesehen. Im alten Griechenland war es unter Freunden, die voneinander Abschied nehmen mussten, üblich, eine 11  BVerfGE 93, 1 (20); vgl. auch Muckel, in: Friauf/Höfling, BK-GG, Bd. I, Art. 4  GG, Rn. 45. 12  BVerfGE 93, 1 (18), Anführungszeichen im Original.



II.  Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation

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Tonscherbe, einen Ring oder ähnliches in zwei Teile zu zerbrechen, von denen jeder Freund dann eines mitnahm. Die Freunde selbst oder auch ihre Nachkommen konnten sich später durch das Zusammenfügen der Stücke ausweisen.13 Für die Freunde, die Abschied voneinander nahmen, repräsentierte der Teil der Scherbe oder des Rings die Freundschaft, den Abschiedsschmerz und die Treue. Er stand aber auch für das Wiedersehen und fungierte – im Hinblick auf spätere Generationen  – als Zeuge des vergangenen Ereignisses.14 In der philosophischen und soziologischen Literatur werden Symbole so denn auch häufig als Sinnbild bezeichnet15. Es handele sich bei Symbolen um über sich hinaus weisende Gegenstände16, deren Gehalt sich nicht allein aus ihrem äußeren Erscheinungsbild erschließen lasse17. Symbole verknüpften vielmehr die äußere Welt der Dinge mit der inneren Welt des Bewusstseins der Individuen18. Mit ihnen könnten Erfahrungen ausgedrückt werden, die nicht oder nur schwer begrifflich ausgedrückt werden können, sondern eines bildlichen Ausdrucks bedürften.19 Eco führt hierzu aus, dass Symbole sich durch ihre Vagheit, Offenheit und die Unfähigkeit, eine endgültige Bedeutung auszudrücken, auszeichneten20. Auch wenn die Frage, ob Symbole der Gruppe der Zeichen zuzuordnen sind, uneinheitlich beurteilt wird21, besteht aber Einigkeit darüber, dass Symbole im 13  Amstutz, in: Gesellschaft für Symbolforschung (Hrsg.), Symbolforschung, S. 9 ff.; Vonessen, in: Lurker (Hrsg.), Beiträge zu Symbolen, Symbolbegriff und Symbolforschung, S. 11; Hülst, Symbol und soziologische Symboltheorie, S. 31 f., S. 76 f. Das frühe Christentum nutzte das lateinische Wort symbolum und einen entsprechenden Brauch ebenfalls: Das griechische Wort ichthys (Fisch) wurde als Passwort gebraucht, mit dem sich ein fremder Christ dem anderen zu erkennen geben und Einlass in dessen Haus erhalten konnte. Dabei standen die Buchstaben des Worts für unterschiedliche Bedeutungen: I für Iesos (Jesus), CH für Christos (Christus), TH für Theou (Gottes), Y für Hyios (Sohn) und S für Soter (der Retter). Wer angab, Christ zu sein, wurde geprüft, in dem man ihn bat, die Bedeutung des ersten Buchstabens zu sagen. Anschließend nannte man selbst die Bedeutung des 2. Buchstabens usw. Dieser Vorgang ähnelt dem des Zerbrechens des Rings bzw. der Tonscherbe. Das lateinische Wort für Glaubensbekenntnis lautet symbolum, was deutlich macht, dass die Glaubensbekenntnisse früher Erkennungszeichen waren, dazu ausführlich Amstutz, in: Gesellschaft für Symbolforschung (Hrsg.), Symbolforschung, S. 11 m. w. N. 14  Amstutz, in: Gesellschaft für Symbolforschung (Hrsg.), Symbolforschung, S. 9; Lurker, in: Lurker (Hrsg.), Beiträge zu Symbolen, Symbolbegriff und Symbolforschung, S. 99. 15  Ignatow, in: Lurker (Hrsg.), Beiträge zu Symbolen, Symbolbegriff und Symbolforschung, S. 49; http://www.duden.de/rechtschreibung/Symbol; Heckmann, JZ 1996, 880 (881); vgl. die Nachw. bei Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 14. 16  Tillich, Symbol und Wirklichkeit, S. 4. 17  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 14 m. w. N.; vgl. auch Lauf, in: Gesellschaft für Symbolforschung (Hrsg.), Symbolforschung, S. 37. 18  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, ebd.; vgl. auch Lauf, in: Gesellschaft für Symbolforschung (Hrsg.), Symbolforschung, ebd. 19  Amstutz, in: Gesellschaft für Symbolforschung (Hrsg.), Symbolforschung, S. 14.; Heckmann, JZ 1996, 880 (881); vgl. auch Tillich, Symbol und Wirklichkeit, S. 4. 20  Eco, Semiotik und Philosophie der Sprache, S. 193. 21  Dafür z. B. Peirce, Phänomen und Logik der Zeichen, S. 64; dagegen etwa Eco; Semiotik und Philosophie der Sprache, S. 193.

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B. Vorüberlegungen

Wege ihrer Repräsentationsfunktion bestimmte Inhalte übermitteln können, darunter auch komplexe Ideen22. Im Zuge der Symbolbetrachtung findet ein Kommunikationsprozess statt, in dem eine Nachricht an einen Empfänger übermittelt wird23. In der juristischen Literatur finden sich nur vereinzelte Aussagen zur Symboltheorie24. Zudem sind die vorhandenen juristischen Definitionen des Symbolbegriffs insgesamt uneinheitlich. Festzustellen ist allerdings, dass sämtliche Definitionen einen gemeinsamen Kern aufweisen: Symbole sind danach Sonderformen der Zeichen, die in kommunikativen Zusammenhängen verwendet werden und die verborgene Werte transportieren und repräsentieren und dadurch erkennbar machen.25 Der Gedanke, dass Symbole etwas repräsentieren, findet sich somit auch in den juristischen Symboldefinitionen wieder. Gleiches gilt mit Blick auf die Rechtsprechung. Im Kruzifixbeschluss sah das Bundesverfassungsgericht durch das Kreuz die christliche Glaubenseinstellung repräsentiert. Es führte aus, beim Kreuz handele es sich um das christliche Glaubenssymbol schlechthin. Unter Rückgriff auf ein theologisches und ein evangelische Lexikon spezifizierte das Gericht den Inhalt des Kreuzes weiter dahingehend, dass es die im Opfertod Christi vollzogene Erlösung des Menschen von der Erbschuld, zugleich aber auch den Sieg Christi über Satan und Tod und seine Herrschaft über die Welt, Leiden und Triumph in einem versinnbildliche.26 In der ersten Kopftuchentscheidung von 2003 betonte das Bundesverfassungsgericht, dass dem Kopftuch unterschiedliche Aussagen zugesprochen werden könnten27. Das Kopftuch kann danach verschiedene Inhalte transportieren. Das Bundesarbeitsgericht, das über die Kündigungsschutzklage einer muslimischen Verkäuferin entschied, die nach ihrem Erziehungsurlaub darauf bestand, während der Arbeit ein Kopftuch zu tragen, führte schließlich zum islamischen Kopftuch aus, es stelle ein Symbol für bestimmte religiöse Überzeugungen dar und gelte als Sinnbild einer bestimmten Glaubensüberzeugung28.

22  Vgl. auch Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 14 ff., sowie Heckmann, JZ 1996, 880 (881) m. N. zur soziologischen und philosophischen Literatur. 23  Helle, Soziologie und Symbol, S. 26; vgl. auch Eco, Semiotik und Philosophie der Sprache, S. 204, sowie Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 25. 24  Krausnick, in: Schlögl/Giesen/Osterhammel (Hrsg.), Wirklichkeit der Symbole, S. 135 m. N. 25 Ausführlich Krausnick, in: Schlögl/Giesen/Osterhammel (Hrsg.), Wirklichkeit der Symbole, S. 137 ff., speziell S. 148 f. 26  BVerfGE 93, 1 (19). 27  BVerfGE 108, 282 (304). 28  BAG, RdA 2003, 240 (244 f.); vgl. aber dazu auch die Anmerkung von Preis/Greiner, RdA 2003, 244 (245), die kritisieren, dass das BAG den Symbolinhalt scheinbar objektiv zu bestimmen versuche, dazu noch Kapitel D.



II.  Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation

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Als wesentliche Eigenschaft von Symbolen ist damit festzuhalten, dass sie über sich hinausweisen und etwas anderes repräsentieren, also bestimmte Inhalte übermitteln können.

b)  Die Interpretation als Zugang zum Symbolinhalt Einigkeit besteht in unterschiedlichen Fachrichtungen auch darüber, dass der repräsentierte Inhalt eines Symbols durch Interpretation zu erschließen ist. Die semiotische Forschung betont, Zeichenprozesse  – und damit gegebenenfalls Symbolprozesse – könnten nicht ohne Beteiligung des individuellen menschlichen Geistes bzw. Organismus ablaufen. Ein Zeichen funktioniere nur dann als solches – und nicht als beliebiges Objekt – wenn es beim Rezipienten eine solche Reaktion auslöse.29 Davon gehen auch Vertreter der Auffassung aus, dass Symbole nicht der Kategorie der Zeichen zuzuordnen sind30. Der Mensch wird also gerade dadurch zum „animal symbolicum“31, dass er in der Lage ist, Objekte zu interpretieren und ihnen die im Wege der Interpretation entnommene Bedeutung zuzuweisen. Auch der Kruzifixbeschluss verdeutlicht die Notwendigkeit der Interpretation: Das Bundesverfassungsgericht leistet im Beschluss selbst Interpretationsarbeit, indem es die Bedeutung des Kreuzes darstellt und dabei theologische bzw. kirchliche Lexika zu Rate zieht. In der abweichenden Meinung zum Beschluss wird zudem betont, das Kreuz könnte aus Sicht der nichtgläubigen Schüler nicht die Bedeutung eines Symbols für christliche Glaubensinhalte haben, sondern nur die eines Sinnbilds für die Zielsetzung der christlichen Gemeinschaftsschule32. Danach kann das Symbol in verschiedenen Kontexten unterschiedlich verstanden werden. Überdies zeugen schon die beschriebenen voneinander abweichenden Ansichten im Beschluss33 und in der abweichenden Meinung zum Beschluss von einer unterschiedlichen Interpretation des Kreuzes. In die gleiche Richtung deutet das bereits genannte Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Danach rechtfertigen die Auffälligkeiten des Kopftuchs mit den – das ist hier entscheidend – „sich daraus ergebenden Assoziationen zum Islam“ es nicht, von einer im Rahmen von Art. 12 GG relevanten Störung auszugehen34. 29 

Hülst, Symbolbegriff und soziologische Symboltheorie, S. 62. Eco, Semiotik und Philosophie der Sprache, S. 203, gibt an, der Inhalt eines Symbols könne nur durch fortschreitende Interpretation erfasst werden 31  Cassirer, An essay on Man, S. 31. 32  BVerfGE 93, 1 (32). 33  Vgl. auch etwa die die Stellungnahme des bayerischen Ministerpräsidenten für die Bayrische Staatsregierung, nach der das Kreuz im Rahmen des Religionsunterrichts oder des Schulgebets seinen allgemeinen Symbolcharakter ablege und sich in ein spezifisches Glaubenssymbol wandele, BVerfGE 93, 1 (8 f.). 34  BAG, RdA 2003, 240 (244); vgl. auch die Anmerkung von Preis/Greiner in: RdA 2003, 244; vgl. auch EGMR, Entsch. v. 3. 11. 2009 – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien), in: BeckRS 30 

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B. Vorüberlegungen

Die interpretierende Handlung stellt eine vom Symbolbetrachter zu erbringende Eigenleistung dar. Bestimmte persönliche Eigenschaften des Symboladressaten, wie Vorbildung, Erziehung, kultureller Hintergrund und die eigene Einstellung, können in die Interpretation mit einfließen35. Deshalb kann die vom Symboladressaten interpretierte Bedeutung von dem abweichen, was der Symbolproduzent eigentlich ausdrücken wollte36. Unterschiedliche Adressaten können hinsichtlich des gleichen Gegenstandes abweichende Assoziationen haben.37

c)  Erforderlichkeit einer Verkörperung Nach den Erkenntnissen soziologischer Forschungen müssen Symbole nicht gegenständlich verkörpert sein. Auch sprachliche und schriftliche Gebilde sowie nichtmaterielle Existenzen wie soziale Riten und Sozialbeziehungen können danach symbolische Funktionen übernehmen.38 In der Tat kann nicht nur Gegenständen, sondern auch Handlungen, Worten und praktisch sämtlichen anderen Ereignissen ein tieferer Sinn zugesprochen werden. Soll die (verfassungs-)rechtliche Zulässigkeit von Symbolen beurteilt werden, stellt sich ein derart weiter Symbolbegriff allerdings als problematisch dar. Legte man ihn zugrunde, könnte praktisch jedes Ereignis einen Symbolcharakter aufweisen. Sein Anwendungsbereich wäre damit nahezu konturenlos. Ein inhaltlich eingegrenzter Symbolbegriff ist aber erforderlich, um einerseits etwaige Wirkungen der Konfrontationssituation tatsächlich feststellen zu können und um andererseits über die Zulässigkeit von religiösen Symbolen in Einzelfall in tragfähiger Weise entscheiden zu können39. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass sich hinsichtlich der Wirkungen der Konfrontationssituation Unterschiede daraus ergeben, ob ein Symbol gegenständlich verkörpert ist oder nicht. Das gilt vor allem im Hinblick auf etwaige geistige Vorgänge, die in Zusammenhang mit den Wirkungen ablaufen bzw. die Wirkungen mit konstituieren. Überdies zeigt der Blick auf die bisher beschriebenen rechtlichen Kontroversen, dass sich 2010, 90137, Rn. 55: „The presence of the crucifix may easily be interpreted by pupils of all ages as a religious sign (…)“ [eigene Hervorhebung]; zu Deutungsmöglichkeiten des Kreuzes vgl. auch Geis, in: Schlögl/Giesen/Osterhammel (Hrsg.), Wirklichkeit der Symbole, S. 444. 35  Vgl. die N. zur soziologischen Literatur bei Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 14 m. Fn. 58. 36  Eco, Semiotik und Philosophie der Sprache, S. 193; Hülst, Symbolbegriff und soziologische Symboltheorie, S. 54, 72 ff.; vgl. auch Borowski, Glaubensfreiheit, S. 473. 37  Vgl. die Nachw. bei Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 14 m. Fn. 58., S. 25 m. Fn. 116. 38 Vgl. Hülst, Symbol und soziologische Symboltheorie, S. 21; vgl. auch Heckmann, JZ 1996, 880 (881). 39 Zu den Nachteilen eines konturenlosen Symbolbegriffs vgl. auch Geis, in: Schlögl/ Giesen/Osterhammel (Hrsg.), Wirklichkeit der Symbole, S. 440.



II.  Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation

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die Konflikte um Symbole gerade auf verkörperte Gegenstände bezogen. Um tatsächlich brauchbare Lösungswege für die beschriebenen und für ähnlich gelagerte Konstellationen entwickeln zu können, beschränkt sich die Bearbeitung daher auf gegenständlich verkörperte Symbole.

d)  Religiöse Symbole Bei religiösen Symbolen handelt es sich um Symbole, die religiöse Ideen repräsentieren40. Symbole erfahren in der Religion besondere Bedeutung41: Sie können ausdrücken und transportieren, was begrifflich nicht oder nur schwer auszudrücken ist42. Da die Religion Fragen nach Herkunft und Ziel des Daseins, der Stellung des Menschen in der Welt sowie dem abstrakten Sinn des Lebens betrifft43 und einen transzendenten Bezug aufweist, sich folglich mit Dingen beschäftigt, die die rationale Seinswelt und den Verstand des Menschen übersteigen44, stellen Symbole ein ideales Ausdrucksmittel der Religion dar. Um ein Symbol als religiöses Symbol einordnen zu können, muss der Betrachter allerdings zumindest ein gewisses Grundwissen zu der jeweiligen Religion bzw. zu Religion allgemein besitzen, also über ein religiöses Vorverständnisses verfügen.45

e) Zusammenfassung Bei Symbolen handelt es sich nach allem um Bedeutungsträger, die über sich selbst hinausweisen. Ihr Bedeutungsgehalt muss vom Symboladressaten durch Interpretation erschlossen werden. Der Interpretationsvorgang und sein Ergebnis werden auch von persönlichen Eigenschaften des Symboladressaten mitbestimmt, etwa von dessen Vorerfahrungen. Auch wenn das Symbol als bedeutungsoffen verstanden werden kann, ist davon auszugehen, dass es regelmäßig eines gewissen Vorverständnisses bedarf, damit die Inhalte des Symbols erfasst werden können und der Interpretationsvorgang stattfinden kann. Der Begriff

40  Im Kruzifixbeschluss wurde beispielsweise das Kruzifix/Kreuz als religiöses Symbol eingeordnet. Es versinnbildliche die im Opfertod Christi vollzogene Erlösung des Menschen sowie den Sieg Christi über Satan und Tod und dessen Herrschaft über die Welt, vgl. BVerfGE 93, 1 (19). 41  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 16. 42  Vgl. Fn. 19. 43  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 132 m. w. N. 44  Vgl. die Nachw. bei Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 30 m. Fn. 13, sowie bei Muckel, Religiöse Freiheit, S. 136 m. Fn. 71. 45 Zum Ganzen ausführlich Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 23 f.; vgl. auch Geis, in: Schlögl/Giesen/Osterhammel (Hrsg.), Wirklichkeit der Symbole, S. 442 f.

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B. Vorüberlegungen

der religiösen Symbole im Sinne dieser Arbeit meint somit körperliche Gegenstände, denen im Wege der Interpretation religiöse Ideen entnommen werden können.

2.  Wirkungen der Symbolkonfrontation nach der Rechtsprechung Hinsichtlich etwaiger Wirkungen der Symbolkonfrontation ist zunächst festzuhalten, dass sie zumindest auch auf einer Eigenleistung des Symbolbetrachters beruhen. Denn die Inhalte des Symbols eröffnen sich dem Betrachter nur, wenn er das Symbol interpretiert. Ansonsten stehen nicht Symbolwirkungen bzw. Wirkungen der Konfrontationssituation in Rede, sondern allenfalls die Frage, ob der Gegenstand bestimmte Eigenwirkungen entfaltet46. Den Entscheidungen, die sich mit religiösen Symbolen befassen, lassen sich Hinweise auf verschiedene von Symbolen bzw. von der Konfrontationssituation ausgehende Wirkungen entnehmen: So führte das Bundesverfassungsgericht aus, das Kreuz gewinne im Zusammenhang mit den emotionalen und affektiven Anlagen der Schüler seine Bedeutung47. Offenbar geht das Gericht davon aus, dass die Symbolkonfrontation Emotionen bei den Bürgern auslöst. In die gleiche Richtung deutet das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Kreuzen in italienischen Schulen aus dem Jahr 2009. Dort bezeichnete der EGMR das Kreuz als „powerful external symbol“48. Es könne auf nicht-christliche oder nicht-religiöse Kinder emotional verstörend wirken49.50 Einige Entscheidungen deuten zudem an, dass die Konfrontationssituation die religiösen Anschauungen des Betrachters51, also dessen religiöse Einstellung beeinflussen könne52. So führte das Bundesverfassungsgericht – wie 46 Vgl.

Heckmann, in: JZ 1996, 880 (882). BVerfGE 93, 1 (20); vgl. auch Ihli, Lernen mit dem Kreuz, S. 60. 48  EGMR, Entsch. v. 3. 11. 2009  – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien), in: BeckRS 2010, 90137: „… they [the cruzifixes] (…) may therefore be considered “powerful external symbols”. 49  EGMR, Entsch. v. 3. 11. 2009  – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien), in: BeckRS 2010, 90137, Rn. 55, 57: „The presence of the crucifix may easily be interpreted by pupils of all ages as a religious sign, and they will feel that they have been brought up in a school environment marked by a particular religion. What may be encouraging for some religious pupils may be emotionally disturbing for pupils of other religions or those who profess no religion. That risk is particularly strong among pupils belonging to religious minorities“; vgl. zur Urteilsbegründung auch Kalb, in: ÖARR 2010, S. 386 f. 50  Für die Emotionsauslösung als Symbolwirkung auch: Loewenstein, in: Constantopoulos/Wehberg, FS Laun, S. 561; Geis, in: Schlögl/Giesen/Osterhammel (Hrsg.), Wirklichkeit der Symbole, S. 442; Oebbecke, in: Muckel (Hrsg.), FS Rüfner, S. 593 (595). 51 Vgl. Berkmann, Urteil Lautsi, NomoK@non-Webdokument: http://www.nomokanon. de/abhandlungen/027.htm, Rn. 34. 52  Vgl. aber EGMR, Urt. v. 18. 3. 2011  – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien), abgedr. in: NVwZ 2011, 737 (740 f.), wonach keine Anhaltspunkte für einen möglichen Einfluss des 47 



II.  Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation

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bereits erwähnt  – aus, das Kreuz weise die von ihm symbolisierten Inhalte als vorbildhaft und befolgungswürdig gegenüber Personen aus, die aufgrund ihrer Jugend in ihren Anschauungen noch nicht gefestigt seien und daher einer mentalen Beeinflussung besonders leicht zugänglich seien53. Einen dezidierten Nachweis suggestiver oder indoktrinierender Wirkungen des Kreuzes blieb das Bundesverfassungsgericht allerdings schuldig54. Auch der EGMR schloss in der Entscheidung Dahlab ./. Schweiz nicht aus, dass das Kopftuch bekehrend auf die Schüler wirken könne55. Zögerlicher argumentierte das Bundesverfassungsgericht im Kopftuchurteil von 2003, in dem es ausführte, dass eine religiöse Beeinflussung der Schüler durch das Kopftuch aus entwicklungspsychologischer Sicht derzeit noch nicht durch gesicherte Erkenntnisse belegt werden könne56. In der abweichenden Meinung zum Kopftuchurteil betonten die Richter allerdings wiederum, Lehrerinnen und Lehrer prägten als Person und als Persönlichkeit  – gerade in der Grundschule und in der Funktion des Klassenleiters  – die Kinder maßgeblich. Trage eine Lehrerin auffällige Kleidung, sporne das zur Nachahmung an.57 Gestützt auf den Gedanken der Nachahmung lässt sich ein Bezug zu religiösen Einstellungen herstellen: Die Nachahmung kann sich nicht nur darin äußern, dass die Schüler die Kleidung der Lehrkraft übernehmen, sondern auch darin, dass sie sich etwaige in der Kleidungswahl deutlich werdende innere Einstellungen der Lehrerin ebenfalls zu eigen machen. Ähnlich der abweichenden Meinung zum Kopftuchurteil von 2003 urteilte schließlich das Bundesarbeitsgericht im Fall der Erzieherin einer Kindertagesstätte, die sich weigerte, während ihres Dienstes ihr Kopftuch abzunehmen und die gegen eine daraufhin von ihrem Arbeitgeber ausgesprochene Abmahnung gerichtlich vorging: Das Gericht erkannte die Sorge der Eltern vor einer ungewollten religiösen Beeinflussung ihrer Kinder als berechtigt an. Eine Kindergärtnerin könne auf die Kinder einen stärkeren Einfluss ausüben als eine Lehrkraft an der Schule. Das gelte insbesondere im Rahmen einer Ganztagsbetreuung vor dem Hintergrund, dass die Kindergärtnerin einerseits als erste Bezugsperson außerhalb des Elternhauses fungiere und andererseits Kindergartenkinder einfacher zu beeinflussen seien und sich eher Symbols auf die Schüler bestünden, sodass nicht angenommen werden könne, dass Kreuze Wirkungen auf die Schüler entfalteten; ähnlich BVerfGE 93, 1 (33) (abw. Meinung der Richter Seidl, Söllner und Haas); VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (770). 53  BVerfGE 93, 1 (20); vgl. auch Muckel, in: Friauf/Höfling, BK-GG, Bd. I, Art. 4  GG, Rn. 45. 54  So auch Muckel, KuR 1996, 65 (76); Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 117. 55  Der EGMR führt aus „Wie könnte man unter diesen Umständen von vornherein jede bekehrende Wirkung ausschließen, die das Tragen des Kopftuchs haben kann (…)“, vgl. NJW 2001, 2871 (2873); vgl. auch Berkmann, Urteil Lautsi, NomoK@non-Webdokument: http:// www.nomokanon.de/abhandlungen/027.htm, Rn. 34. 56  BVerfGE 108, 282 (306). 57  BVerfGE 108, 282 (330).

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B. Vorüberlegungen

am Verhalten der Kindergärtnerin orientierten als Schulkinder an ihren Lehrern.58 59 Einen durch die Konfrontationssituation begründeten Zwang zu bestimmten Handlungen lehnte das Bundesverfassungsgericht allerdings ausdrücklich ab: Es betonte, mit der Anbringung des Kreuzes in Klassenzimmern gehe kein Zwang zur Identifikation oder zu bestimmten Ehrbezeugungen und Verhaltensweisen einher60. Schon in einer früheren Entscheidung zum Kreuz im Gerichtssaal hatte es in dieser Weise entschieden61. Allerdings führte das Bundesverfassungsgericht auch aus, die Schüler seien während des Unterrichts von Staats wegen und ohne Ausweichmöglichkeit gezwungen, „unter dem Kreuz“ zu lernen62. Diese Formulierung gibt Anlass zu der Frage, ob nicht zumindest die Handlungen, die im Rahmen eines verpflichtenden Aufenthalts in staatlichen Einrichtungen vorgenommen werden – also etwa die mit Teilnahme am Schulunterricht –, durch dort vorhandene religiöse Symbole einen religiösen Charakter erhalten. Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, spielt unter Umständen der Ort der Konfrontation eine Rolle für deren Wirkungen. Denkbar ist hiernach, dass die genannten Wirkungen der Symbolkonfrontation dadurch verstärkt oder erst konstituiert werden, dass die Konfrontation in staatlichen Einrichtungen stattfindet. Der Begriff der staatlichen Einrichtung im Sinne dieser Arbeit ist weit zu verstehen. Er ist nicht identisch mit dem kommunalrechtlichen Begriff der öffentlichen Einrichtung etwa in § 8 GO NRW63. Er umfasst die von staatlichen Stellen geschaffenen bzw. ihnen zuzurechnenden räumlichen Institutionen, in denen sich der Bürger aufhalten kann oder sich aufzuhalten verpflichtet ist, unabhängig davon, ob sie als Instrumente der Daseinsvorsorge für die Nutzung durch die Öffentlichkeit bestimmt sind oder nicht. Er geht also in gewissen Aspekten über den kommunalrechtlichen Begriff der öffentlichen Einrichtung hinaus, bleibt andererseits aber auch hinter ihm zurück64. Zu den staatlichen 58 

BAG, NZA-RR 2011, 162 (164). Für eine einstellungsändernde Funktion auch Geis, in: Schlögl/Giesen/Osterhammel (Hrsg.), Wirklichkeit der Symbole, S. 442. 60  BVerfGE 93, 1 (20); ähnlich VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (770); vgl. auch EGMR, Urt. v. 18. 3. 2011 – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien), abgedr. in: NVwZ 2011, 737 (741). 61  BVerfGE 35, 366 (375): „Denn das bloße Vorhandensein eines Kreuzes verlangt (…) weder eine eigene Identifizierung mit den darin symbolhaft verkörperten Ideen oder Institutionen noch ein irgendwie geartetes aktives Verhalten.“ 62  BVerfGE 93, 1 (18), Anführungszeichen im Original. 63  Eine öffentliche Einrichtung i. S. d. § 8 GO NRW meint eine Zusammenfassung personeller Kräfte und sächlicher Mittel, die von der Gemeinde zur Daseinsvorsorge durch Widmung bereit gestellt und unterhalten wird, zum Zweck der bestimmungsgemäßen Nutzung jedenfalls durch die Einwohner (Burgi, in: Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht NRW, § 2, Rn. 328; vgl. auch Köster, KommJur 2007, 244 [245]). 64  So kann etwa auch die Linkliste einer Gemeinde-Homepage als öffentliche Einrichtung verstanden werden, Burgi, in: Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht NRW, § 2, 59 



II.  Symbolbegriff und tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation

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Einrichtungen im Sinne dieser Arbeit zählen also neben öffentlichen Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern  – die auch als Einrichtungen i. S. d. § 8 GO NRW verstanden werden können65  – auch etwa Gerichtsräume und Einrichtungen der Bundeswehr, wie etwa Kasernen,66 sowie die Räume sonstiger staatlicher Stellen. Ein zumindest aus bestimmten staatlichen Einrichtungen resultierender Faktor, der die Wirkungen der Konfrontationssituation hervorrufen oder verstärken könnte, ist die Dauerhaftigkeit. Je nach Art der Einrichtung wird der Bürger rechtlich67 oder faktisch verpflichtet sein68, sich dort über einen längeren Zeitraum aufzuhalten. Das Bundesverfassungsgericht scheint im Kruzifixbeschluss davon auszugehen, dass die längere Dauer der Konfrontation die Wirkung des Kreuzes verstärke69. Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang möglicherweise auch die Frage, ob der Bürger dem religiösen Symbol bzw. der Konfrontationssituation ausweichen kann. Im Fall des rechtlich oder faktisch verpflichtenden Aufenthalts ist das zweifelhaft; unter diesen Umständen kann sich der Bürger etwaigen Wirkungen der Konfrontationssituation gegebenenfalls nicht entziehen. Der Grund des Aufenthalts in der öffentlichen Einrichtung – etwa ein rechtlicher oder faktischer Zwang – wirkt sich möglicherweise überdies auf die Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit des Bürgers aus. Im Schulunterricht wird von den Schülern beispielsweise erwartet, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf die Lehrperson ausrichten70. Trägt die Lehrkraft ein Symbol, führt das möglicherweise dazu, dass die Konfrontation einen andauernden Charakter erhält und unausweichlich erscheint. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich in vielen staatlichen Einrichtungen regelmäßig zahlreiche Menschen aufhalten, die miteinander in Kontakt treten. Gerade im Fall eines längeren Aufenthalts können zwischen ihnen soziale Geflechte und Beziehungen entstehen. Auch daraus können Einflüsse resultieren, die etwaige Wirkungen der Konfrontationssituation verstärken oder (mit-)konstituieren. So weist etwa auch die abweichende Meinung zum Kopftuchurteil Rn. 325 m. w. N. Wie sich sogleich zeigen wird, umfasst der hier verwendete Begriff der staatlichen Einrichtungen aber nur räumliche Institutionen, die sich zum Aufenthalt von Menschen eignen. 65 Vgl. Burgi, in: Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht NRW, § 2, Rn. 325; vgl. auch § 107 Abs. 2 Nr. 2 erster Spiegelstrich GO NRW. 66  Vgl. dazu Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV. 67  Etwa im Fall der Schulpflicht, vgl. dazu § 43 SchulG NRW v. 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 2015 (GV. NRW. S. 499). 68  Etwa wenn im konkreten Fall keine der staatlichen Universität vergleichbare nichtstaatliche Bildungsangebote vorhanden sind 69  BVerfGE 93, 1 (18): „Nach Dauer und Intensität ist die Wirkung von Kreuzen in Unterrichtsräumen noch größer als diejenige von Kreuzen in Gerichtssälen.“ 70  Vgl. wiederum BVerfGE 108, 282 (330).

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B. Vorüberlegungen

von 2003 darauf hin, dass eine Lehrperson als Vorbild für die Schüler fungieren kann71. Die Vorbildfunktion dürfte regelmäßig gerade aus einer sozialen Beziehung resultieren: Häufig nimmt die Lehrperson aufgrund ihrer Funktion für sich eine gewisse Autorität gegenüber den Schülern in Anspruch und strebt aus pädagogischen Gründen eine enge emotionale Bindung zu den Schülern an. In der Folge übernehmen die Schüler unter Umständen die sichtbar gewordenen Einstellungen der Lehrperson.72 Darüber hinaus können die sozialen Beziehungen und der Grund des Aufenthalts in der staatlichen Einrichtung die Emotionsbzw. Stimmungslage des Menschen prägen. Die Emotionslage eines Menschen kann wiederum beeinflussen, ob und wie er bestimmte äußere Einflüsse verarbeitet. In jedem Fall ist der Ort der Konfrontation entscheidend für die Frage, ob etwaige Wirkungen der Konfrontationssituation dem Staat zugerechnet werden können. Nur wenn die Zurechnung gelingt, kann überhaupt ein Grundrechtseingriff angenommen werden73. Sind religiöse Symbole aufgrund einer gesetzlichen Regelung in staatlichen Einrichtungen angebracht74 oder dort aufgestellt, ist die Konfrontationssituation dem Staat regelmäßig zurechenbar. Möglicherweise gilt gleiches auch dann, wenn der Bürger sich einer Person gegenüber sieht, die ein Symbol trägt. Nahe liegt der Gedanke, wenn es sich bei dem Symbolträger um einen Staatsbediensteten handelt, der in der staatlichen Einrichtung tätig ist. Unter Umständen ist das Tragen eines Symbols durch den Staatsbediensteten aber auch von der Erfüllung seiner Dienstpflichten zu trennen75. Ob die Konfrontationssituation dann dem Staat zugerechnet werden kann, ist zweifelhaft. Scheitert die Zurechnung, sind staatliche Schutzpflichten in Betracht zu ziehen.76 71 

Gleiches kann etwa in Kindergärten gelten, vgl. BAG, NZA-RR 2011, 162 (164). BVerfGE 108, 282 (330) (Abweichende Meinung); vgl. auch die abweichende Meinung zu BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1370 f.). 73  Nach dem klassischen Eingriffsbegriff sind Eingriffe nur finale und unmittelbar wirkende Akte des Staates, die rechtliche, nicht bloß tatsächliche Wirkung haben und die mit Befehl und Zwang durchgesetzt werden (Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 259; Dreier, in: Dreier [Hrsg.], GG, Bd. I, Vorb., Rn. 124.). Der moderne Eingriffsbegriff weitet die Kriterien des klassischen Eingriffsbegriffs aus: Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, erschwert oder unmöglich macht. Es kommt dabei nicht darauf an, ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt. Sie muss aber von einem zurechenbaren Verhalten des Staates ausgehen (Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 261 ff.; Jeand’Heur/Korioth, Staatskirchenrecht, S. 91; ausführlich zum Eingriff noch Kapitel F). 74  So im Fall des § 13 Abs. 1 Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern v. 21. Juni 1983 (vgl. Kapitel A., dort Fn. 2), der im Kruzifixbeschluss für unvereinbar mit Art. 4 Abs. 1 GG erklärt wurde. 75 Vgl. Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 133. 76  Ausführlich Kapitel F. 72 



III.  Formen des Grundrechtseingriff durch die Symbolkonfrontation 

19

3.  Die tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation als bislang fehlendes Bindeglied in der grundrechtlichen Prüfung Die Frage, ob und inwieweit die von der Rechtsprechung ins Auge gefassten Wirkungen – Emotionen, Einstellungsänderungen und gegebenenfalls eine Art von Handlungszwang – tatsächlich in der Folge der Symbolkonfrontation entstehen, ist rein juristisch nicht zu beantworten. Bei den Wirkungen handelt es sich nicht um rechtliche, sondern um tatsächliche Vorgänge. In diesen tatsächlichen Vorgängen bildet sich eine etwaige Einschränkung grundrechtlicher Freiheiten ab. An sie muss die verfassungsrechtliche Bewertung folglich anknüpfen. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die Wirkungen der Symbolkonfrontation auch anhand soziologischer und (religions-)psychologischer Erkenntnisse zu untersuchen77. Dass diese Wirkungen noch nicht hinreichend geklärt sind und infolgedessen die Basis für die Prüfung der Grundrechtsrelevanz religiöser Symbole fehlt, kann die bislang wenig zufriedenstellende Aufarbeitung des Eingriffs durch die Symbolkonfrontation erklären. Die tatsächlichen Wirkungen bilden das notwendige Bindeglied zwischen der Symbolkonfrontation als Lebenssachverhalt und den Grundrechten als Abwehrrechten des Bürgers. Solange sie nicht feststehen, erscheint die oftmals proklamierte grundrechtliche Relevanz als ungesichert und nicht nachvollziehbar.

III.  Formen des Grundrechtseingriff durch die Symbolkonfrontation Nach allem lassen sich bei der Symbolkonfrontation verschiedene Konstellationen auseinander halten, die jeweils Grundrechtseingriffe darstellen könnten.

1.  Grundrechtseingriff durch Emotionen und Einstellungsänderungen als von der Rechtsprechung benannte Folgen der Symbolkonfrontation Zunächst ist zu analysieren, ob Emotionen und Einstellungsänderungen als mögliche Wirkungen der Konfrontationssituation einen Grundrechtseingriff darstellen können. Dazu müssten Emotionen und Einstellungsänderungen tatsächlich durch die Symbolkonfrontation ausgelöst bzw. verursacht werden können. Stehen sie als Wirkungen der Symbolkonfrontation fest, ist zu untersuchen, ob die Grundrechte den Bürger vor ihnen schützen – und im Ergebnis damit möglicherweise vor der Symbolkonfrontation. Dafür ist zu klären, ob und

77 

Vgl. dazu Würtenberger, in: Merten/Schmidt/Stettner, FS Knöpfle, S. 397 (401 f.).

20

B. Vorüberlegungen

welche grundrechtlichen Schutzbereiche durch Emotionen und Einstellungsänderungen eröffnet sind und ob ein Eingriff in sie vorliegt.

2.  Grundrechtseingriff durch die Symbolkonfrontation im Übrigen Neben Emotionen und Einstellungsänderungen lassen sich weitere Wirkungen der Konfrontationssituation in Betracht ziehen, die grundrechtlich relevant sein können. Wie bereits erwähnt, können sich Anhaltspunkte beispielsweise aus der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts ergeben, nach der die Schüler gezwungen seien, „unter dem Kreuz“ zu lernen78: Möglicherweise prägt die Konfrontation mit religiösen Symbolen die Handlungen, die in ihrem engen räumlichen Zusammenhang vorgenommen werden, in einem religiösen Sinne. Zudem stellt sich die Frage, welche Folgen die Interpretation des Symbols durch den Betrachter und seine daran gekoppelten Empfindungen nach sich ziehen können. Bereits dargelegt wurde, dass Symbole überhaupt nur durch Interpretation erfasst werden können. Der Symbolbetrachter könnte die staatlich zurechenbare Konfrontation mit einem Symbol, das er als Zeichen einer ihm fremden Religion deutet, auch etwa als Herabsetzung seiner eigenen Religion deuten, also möglicherweise als Ehrbeeinträchtigung. Für die Frage, ob der Symbolkonfrontation solche Wirkungen tatsächlich zugesprochen werden können, kommt es einerseits darauf an, ob im Rahmen der Konfrontation Faktoren zutage treten, die eine Herabsetzung möglich erscheinen lassen und andererseits darauf, inwieweit die Grundrechte eine Interpretationshoheit des Symbolbetrachters gewährleisten. Erwähnt wurde bereits, dass die Symbolkonfrontation jedenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Neutralitätsverstoßes diskutiert wird79. Soweit sich das Neutralitätsgebot (auch) aus Grundrechten herleiten und sich darüber hinaus als subjektives Recht verstehen lässt, könnte die Symbolkonfrontation eine Verkürzung dieser Grundrechte bzw. des subjektiven Rechts darstellen.

IV. Untersuchungsabfolge Im folgenden Kapitel C sind die Wirkungen der Konfrontationssituation zu untersuchen. Soweit nötig, sind die Erkenntnisse anderer Fachrichtungen, vor allem der Sozialpsychologie, zu berücksichtigen. In dem sich anschließenden Kapitel D ist zu analysieren, ob die insoweit aufgezeigten tatsächlichen Wirkungen der Konfrontationssituation grundrechtliche Schutzbereiche berühren, ob die Grundrechte also grundsätzlich einen Schutz vor ihnen bieten. Als eventuell 78  79 

BVerfGE 93, 1 (18), Anführungszeichen im Original. Vgl. Kapitel A.



IV. Untersuchungsabfolge

21

betroffene Grundrechte kommen neben der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2  GG auch weitere Freiheitsrechte in Betracht, etwa das in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht. Kapitel E wird sich sodann mit der Frage beschäftigen, ob die Konfrontationssituation, soweit sie grundrechtliche Schutzbereiche berührt, auch einen Eingriff in die entsprechenden Grundrechte darstellt bzw. darstellen kann. Kapitel F gibt schließlich einen Überblick zu einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung etwaiger Eingriffe. Ob eine Konfrontation mit religiösen Symbolen tatsächlich aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig ist, kann zwar regelmäßig nur im und für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Liegt ein Eingriff durch die Konfrontation vor, hängt es von dem zugrunde liegenden Sachverhalt ab, ob eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung möglich erscheint, so dass es schwierig sein dürfte, dazu allgemeine Aussagen zu treffen. Aus der Erkenntnis, unter welchen Umständen von einem Eingriff auszugehen ist, lässt sich aber möglicherweise rückschließen, ob und falls ja welche Rechtfertigungsmöglichkeiten im Einzelfall in Betracht kommen.

C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen I.  Die Wahrnehmung des Symbols als Grundvoraussetzung etwaiger Wirkungen Um etwaige Wirkungen überhaupt entfalten zu können, muss die Konfrontationssituation zunächst bestehen, d. h. der Betroffene muss das Symbol und gegebenenfalls dessen räumlichen Kontext wahrnehmen1. Bei der Wahrnehmung handelt es sich um einen psychophysischen Prozess, der in der Aufnahme, Selektion, Verarbeitung, Gliederung und Strukturierung sensorischer Informationen besteht2. Aufgenommene Informationen werden bei der Wahrnehmung zu inhaltlich bedeutsamen und sinnhaften Sachverhalten verarbeitet3. Regelmäßig laufen neben der Wahrnehmung noch weitere Prozesse ab, unter anderem das „Erkennen“. Erkennen ist die Fähigkeit, Objekte in bestimmte Kategorien einzuordnen, welche dem Objekt seine Bedeutung verleihen4. Nicht nur tatsächlich vorliegende Informationen bestimmen die menschliche Wahrnehmung. Vielmehr wird die Wahrnehmung eines Menschen auch durch andere Faktoren, beispielsweise durch Wissen, Erwartungen, Bedürfnisse und Erinnerungen, beeinflusst.5 Eine besondere Rolle bei der Wahrnehmung spielt die Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit bezeichnet einen Zustand intensiver Wahrnehmung. Sie hat eine selektive Funktion und wirkt wie ein Filter, der die Menge der zu verarbeitenden situativen Stimuli reduziert. Viele der zahlreichen ins sensorische Gedächtnis gelangenden Informationen gehen schnell wieder verloren, wenn die Aufmerksamkeit nicht auf sie gerichtet bleibt.6 Die Aufmerksamkeit kann 1 Vgl.

Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 23, 30 ff.; sowie Loewenstein, in: Constantopoulos/Wehberg (Hrsg.), FS Laun, S. 559 (560 f.). 2  Hajos, in: Herrmann/Hofstätter/Huber/Weinert (Hrsg.), Handbuch psychologischer Grundbegriffe, S. 528 (528). 3  Cassels/Green, in: Einführung Kognitionspsychologie, S. 42. 4  Goldstein, Wahrnehmungspsychologie, S. 6. 5  Banyard/Cassels/Gree/Hartland/Hayes/Reddy, in: Einführung Kognitionspsychologie, S. 43, sprechen sogar von „Verzerrung“; vgl. auch Krech/Crutchfield, Grundlagen der Psychologie, S. 63. 6  Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 173.



I.  Die Wahrnehmung des Symbols als Grundvoraussetzung etwaiger Wirkungen

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dabei in unterschiedlicher Weise fokussiert werden: Einerseits kann der Mensch seine Aufmerksamkeit bewusst auf eine bestimmte Informationsquelle richten. Andererseits können auch sensorische Informationen die Aufmerksamkeit steuern. Bestimmte Geräusche kann der Mensch beispielsweise nicht ignorieren, sondern nimmt sie unabhängig von einem eventuell darauf gerichteten Willen wahr.7 Für etwaige Wirkungen der Symbolkonfrontation kann es bedeutsam sein, ob der Mensch seine Aufmerksamkeit auf das Symbol richtet oder nicht. Bei der Wahrnehmung von Symbolen sind zwei Ebenen in den Blick zu nehmen: Die Ebene der physischen Wahrnehmung einerseits und der Ebene der sinnbildlichen Wahrnehmung andererseits. Auf der Ebene der physischen Wahrnehmung wird der Gegenstand als solcher wahrgenommen8, ein Holzkreuz also als zwei übereinander liegende Balken bzw. als Kreuz im Sinne einer geometrischen Figur9. Auf der Ebene der sinnbildlichen Wahrnehmung kann der Gegenstand darüber hinaus als Symbol erfasst werden, ein Kreuz also beispielsweise als Sinnbild für das Christentum. Symbole erfassen zu können ist Ausdruck eines charakteristischen Wesenszuges des menschlichen Geistes10. Bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang die Bezeichnung des Menschen als „animal symbolicum“ durch Cassirer11. Ob tatsächlich jeder Mensch ein Symbolverständnis aufweist, kann nicht allgemein vorhergesagt werden. Gerade bei kleinen Kindern bestehen insoweit Zweifel. Eine allgemeingültige Aussage zu Altersgrenzen, vor deren Erreichen symbolisches Denken nicht möglich ist, kann allerdings nicht getroffen werden, wie Haupt dargelegt hat, sodass stets auf den Einzelfall abzustellen ist.12 Zur sinnbildlichen Wahrnehmung kommt es nur, wenn neben der reinen Verarbeitung des visuellen Reizes weitere Prozesse stattfinden, nämlich Vorgänge auf höheren kognitiven Ebenen. Da der Inhalt eines Symbols durch Interpretation erschlossen wird13, muss ein Interpretationsvorgang stattfinden. Der Mensch muss zunächst erkennen, dass der Gegenstand ein Sinnbild ist und für etwas 7  Hagendorf/Krummenacher/Müller/Schubert, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, S. 8, mit dem Beispiel einer zuschlagenden Tür. 8 Vgl. Heckmann, JZ 1996, 880 (882). 9  Vgl. auch Jakobs, Kreuze in der Schule, S. 29. 10  Wehrle, Bedeutung des Symbols, S. 13. 11  Cassirer, An Essay on Man, S. 31. 12  Haupt hat das Symbolverständnis von Kindern im Kindergartenalter umfassend untersucht. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass eine verallgemeinernde, altersmäßige Festlegung solcher Fähigkeiten nicht möglich ist, obgleich Forschungsergebnisse zeigen, dass Kindern in diesem Alter die Deutung von Symbolen schwer fällt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass schon Kleinkinder ein Symbolverständnis aufweisen. Wahrscheinlich ist es, dass zumindest die Aufmerksamkeit bzw. die Neugier der Kinder durch Symbole erregt werden kann, insbesondere wenn diese Symbole eine auffällige visuelle Form haben. Gerade bei Kleinkindern ist dann zu erwarten, dass sie dann entsprechende Nachfragen anstellen, vgl. Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, Kapitel 2, C, insb. S. 40. 13  Vgl. dazu Kapitel B.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

anderes steht als nur für sich selbst. Anschließend muss er sich gewahr werden, welche Inhalte das Symbol transportiert. In den Interpretationsprozess können Erlebnisse, Erfahrungen und vorhandenes Wissen einfließen. Der Mensch hat möglicherweise gelernt, dass ein Kreuz für das Christentum steht und kann ihm daher eine entsprechende Bedeutung zuweisen. Ein bestimmtes Vorwissen ist also ein entscheidender Faktor für die Frage, ob ein Symbol als solches wahrgenommen wird14. Im Hinblick auf etwaige grundrechtlich relevante Wirkungen der Symbolkonfrontation gilt es zu klären, ob und unter welchen Umständen der Mensch die Wahrnehmung eines Symbols und damit gegebenenfalls etwaige Symbolwirkungen verhindern kann. Sowohl die physische als auch die sinnbildliche Wahrnehmung des Symbols wird der Mensch regelmäßig nicht vermeiden können. Die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, die eigene Aufmerksamkeit zu steuern, verhindert eine erste Wahrnehmung des Symbols regelmäßig nicht. Denn solange der Symbolbetrachter von der Existenz bestimmter Objekte  – etwa einem Symbol – keine Kenntnis hat, kann er seine Aufmerksamkeit nicht dergestalt ausrichten, dass die Wahrnehmung bestimmter Objekte vermieden wird. Es hängt dementsprechend häufig vom Zufall ab, ob das jeweilige Objekt in das Wahrnehmungsfeld des Menschen gelangt und dieser gerade über die Kapazitäten verfügt, den entsprechenden Sinneseindruck zu verarbeiten. Darüber hinaus können bestimmte sensorische Informationen die Aufmerksamkeit des Menschen unabhängig von dessen Willen gerade auf sich ziehen15, sodass Wahrnehmungsprozesse in Gang gesetzt werden. Jedenfalls soweit die Konfrontation überraschend erfolgt, kann sich der Symbolbetrachter der Kenntnisnahme des Symbols also nicht entziehen. Gleiches gilt für die sinnbildliche Wahrnehmung des Symbols. Soweit der Symbolbetrachter über bestimmte Dispositionen verfügt, vor allem das oben beschriebene Vorwissen, läuft der Interpretationsvorgang nämlich zumeist selbstständig und vom menschlichen Willen unbeeinflusst ab. Der Interpretationsvorgang lässt sich als automatische Vorstellungsreaktion verstehen16. Nicht gesagt ist damit allerdings, dass es für den Menschen genauso unvermeidbar ist, eine geistige Auseinandersetzung mit dem Symbol zu vermeiden, also beispielsweise nicht weiter über das Symbol nachzudenken. Ist die bloße unvermeidbare Kenntnisnahme des Symbols als grundrechtlich relevant einzustufen, stellt sich die Symbolkonfrontation hiernach als problematisch dar. Lässt sich allerdings erst ein eventueller Zwang, sich gedanklich näher mit dem Symbol auseinanderzusetzen, als grundrechtsrelevant einstufen, dürfte sich die Problematik abschwächen. Denn der der Symbolbetrachter kann 14 

Heckmann, JZ 1996, 880 (882). Hagendorf/Krummenacher/Müller/Schubert, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, S. 8. 16  Loewenstein, in: Constantopoulos/Wehberg (Hrsg.), FS Laun, S. 559 (561). 15 



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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sich seine Fähigkeit zunutze machen, seine Aufmerksamkeit auf einen neuen Sachverhalt zu lenken und so eine gedankliche Auseinandersetzung vermeiden. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass Symbole bzw. die Konfrontationssituation gerade auch die Fähigkeit des Einzelnen unterbinden können, sich dem Symbol gedanklich zu entziehen. Daran ist beispielsweise zu denken, wenn sich ein Symbol als besonders auffällig darstellt – etwa in einer Weise, die es mit akustischen Reizen vergleichbar macht17. Darüber hinaus erscheint es möglich, dass sonstige Reize, die während der Konfrontationssituation stattfinden, die Gedanken des Betrachters über die Kenntnisnahme hinaus auf das Symbol lenken.

II.  Wirkungen der Konfrontationssituation Als mögliche Wirkungen der Konfrontationssituation kommen nach der Rechtsprechung insbesondere Emotionen und Einstellungsänderungen in Betracht. Bei Emotionen handelt es sich um komplexe Muster körperlicher und mentaler Veränderungen18. In den Emotionen bildet sich inhaltlich ab, wie der Mensch die jeweilige Situation bewertet, in der er sich befindet19. Emotionen stellen eine alltägliche Reaktion des Menschen auf seine Umgebung dar. Sollten sie durch die Symbolkonfrontation verursacht werden können, stellt sich in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Frage, ob bestimmte Grundrechte den Bürger davor schützen, Emotionen erleben zu müssen. Der Bürger dürfte insoweit insbesondere einen Schutz vor negativen Emotionen begehren, da er solche Emotionen zumeist als unangenehm empfinden wird. Unter einer inneren Einstellung wird eine psychologische Tendenz verstanden, die durch die Bewertung einer speziellen Entität20 mit einem bestimmten Ausmaß der Zustimmung oder Ablehnung ausgedrückt wird21. Möglicherweise kann die Symbolkonfrontation solche Tendenzen hervorrufen oder verändern. Ist das der Fall, und kann etwa der religiöse Glaube als innere Einstellung verstanden werden, läge eine missionierende Wirkung in der Tat nahe. Aus grundrechtlicher Sicht wäre eine solche Wirkung jedenfalls im Hinblick auf die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verankerte Religionsfreiheit, die die Freiheit des Glaubens umfasst, als problematisch zu bewerten. 17  Etwa in einer Weise, die es mit akustischen Geräuschen vergleichbar macht, vgl. dazu Hagendorf/Krummenacher/Müller/Schubert, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, S. 8, mit dem schon oben (Fn. 7) erwähnten Beispiel einer zuschlagenden Tür. 18  Gerrig, Psychologie, S. 458. 19 Vgl. Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 118. 20  Größe, Einheit, vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Entitaet (abgerufen am 9. 1. 2013). 21  Bierhoff, Sozialpsychologie, S. 327 m. w. N.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

1.  Emotionsauslösung durch die Konfrontationssituation Um die Frage zu beantworten, ob ein Symbol tatsächlich Emotionen beim Menschen auslösen kann, ist es zunächst erforderlich, den Begriff der Emotionen zu bestimmen. Anschließend soll untersucht werden, wie Emotionen, insbesondere solche negativer Art, entstehen. Zuletzt wird der Zusammenhang zwischen Emotionen und der Symbolkonfrontation herzustellen sein.

a)  Begriff und Entstehung von Emotionen Zu den zentralen Formen menschlicher Selbsterfahrung gehören Gefühle wie Ärger, Angst, Freude und Stolz22. Gefühle stellen eine Komponente der Emotion dar23. Der Ausdruck Emotion bezieht sich auf einen aufgewühlten Zustand des Organismus24. Emotionen stellen komplexe Muster körperlicher und mentaler Veränderungen dar – darunter physiologische Erregung, kognitive Prozesse und Reaktionen im Verhalten – als Antwort auf eine Situation, die als persönlich bedeutsam wahrgenommen wurde25. Es lassen sich damit verschiedene Komponenten der Emotion unterscheiden, die die unterschiedlichen Veränderungen nach sich ziehen: Dazu gehören die kognitive Komponente, die handlungsbezogene Komponente und die Komponente des subjektiven Erlebens. Kognitive Prozesse sind allgemein bestimmend dafür, dass Emotionen entstehen26. Das bewusste oder unbewusste Denken und Einschätzen sowie verinnerlichte und spontane Werturteile – also kognitive Prozesse  – steuern insgesamt die Emotion27. Entscheidend für die Frage, ob und in welcher Form eine Emotion entsteht, ist, wie eine Person einen bestimmten Aspekt bewertet, das heißt wie bedeutsam sie ihn für sich persönlich einschätzt28. Die handlungsbezogene Komponente der Emotionen bezieht sich auf die Frage, welche Handlungstendenzen die Aspekte, die als emotional relevant wahrgenommen

22  Krech/Crutchfield, Grundlagen der Psychologie, S. 221; vgl. auch Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 104. 23 Vgl. Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 116. 24  Krech/Crutchfield, Grundlagen der Psychologie, S. 221. 25  Gerrig, Psychologie, S. 458. Die körperlichen und mentalen Veränderungen zeigen sich nach außen: Beispielsweise empfindet ein Mensch, der sich ärgert, regelmäßig nicht nur subjektiv eine unangenehme Erregung, sondern errötet gleichzeitig auch und verflucht denjenigen, der ihn geärgert hat, vgl. Krech/Crutchfield, Grundlagen der Psychologie, S. 221. 26  Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 108 f.; vgl. auch Esser, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 145. 27  Stavemann, Therapie emotionaler Turbulenzen, S. 32. 28 Vgl. Esser, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 145. Dafür, dass ein Mensch überhaupt einen Aspekt bewertet, sorgen bestimmte neuronale Verbindungen und hormonelle Vorgänge, die die Bewertung anregen, vgl. Esser ebd.



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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werden, veranlassen29. Mit den Handlungstendenzen ist oft die Frage nach der sogenannten expressiven Komponente verbunden, das heißt die Frage, in welcher Weise eine Emotion ausgedrückt wird. Das kann etwa durch Mimik oder Gestik geschehen.30 Die Komponente des subjektiven Erlebens macht schließlich das eigentliche, bewusste Gefühl aus31: Der Mensch „empfindet“ Freude oder „fühlt“ sich ärgerlich. Bei einer Emotion handelt es sich danach um einen im Inneren des Menschen ablaufenden Prozess, der vor allem darauf basiert, dass der Mensch das, was er in seiner Umwelt wahrnimmt, für sich persönlich bewertet. Der Prozess ist zumindest teilweise für den Menschen spürbar und kann sowohl als angenehm – im Fall etwa der Freude – als auch als unangenehm – im Fall der Angst oder Wut – empfunden werden. Emotionen können auf zwei unterschiedlichen Wegen entstehen: Neben dem bewussten oder unbewussten Bewerten eines Ereignisses im Hinblick auf seine Relevanz für den Bewertenden auch dadurch, dass ein früheres emotional bedeutsames Ereignis erneut empfunden wird. Die soziologische Forschung spricht in diesem Zusammenhang davon, dass das Ereignis „wiederhergestellt“ wird32. Derartige Reaktionsgeflechte können den Erlebenden selbst überraschen und nach außen irrational erscheinen33. Erlernt werden sie vor allem durch die sogenannte klassische Konditionierung34. Unter der sogenannten klassischen Konditionierung wird eine Form des Lernens verstanden, bei der ein Organismus Reize miteinander assoziiert35. Hierbei wird ein Reiz, welcher eine bestimmte Reaktion hervorruft, wiederholt von einem zunächst neutralen 29  Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 107. Emotionen können dafür sorgen, dass der Mensch in spezifischer Weise handelt bzw. sich hierzu bereit zeigt. Insbesondere trifft dies auf negative Emotionen zu. Treten diese auf, liegt eine Diskrepanz von Ist- und Sollzustand vor. Die Emotion führt dann dazu, dass der Mensch versucht, durch sein Handeln die wahrgenommene Diskrepanz zu reduzieren. Nicht jede Emotion führt zu einer Handlung – wenn aber eine Handlung ausgeführt wird, so liegt der Grund für diese direkt oder indirekt in einer Emotion Mees, ebd., S. 112). 30  Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 107. 31  Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 107. 32  Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 118. Beispielsweise löste der Bericht im Radio über die missglückte Entschärfung einer Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg, die den Tod dreier Sprengmeister verursachte, bei einem Soldaten, der während eines Afghanistaneinsatzes eine Bombenexplosion überlebt hat, eine schwere Angstreaktion aus, die der Reaktion während der Explosion ähnelt, vgl. dazu http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ bundeswehr-traumatisierter-afghanistan-veteran-kaempft-um-anerkennung-a-827828.html (abgerufen am 19. 7. 2012) sowie das Beispiel bei Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 118. 33  Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 118. 34  Lefrançois, Psychologie des Lernens, S. 30; vgl. auch Myers, Psychologie, S. 295; Edelmann/Wittmann, Lernpsychologie, S. 48 f.; Gerrig, Psychologie, S. 203; sowie Esser, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 145. 35  Myers, Psychologie, S. 291, Gerrig, Psychologie, S. 203; vgl. auch Edelmann/Wittmann, Lernpsychologie, S. 45.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

Reiz begleitet, welcher die Reaktion nicht auslöst. Aufgrund der Kopplung ruft schließlich der ursprünglich neutrale Reiz allein die Reaktion hervor.36 Konditionierungsprozesse liegen voraussichtlich den sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen zugrunde37. Eine derartige Störung entsteht beispielsweise, wenn ein ursprünglich neutraler Reiz mit einem Schmerzreiz zusammengebracht wird und sich dadurch selbst zu einem Angstreiz entwickelt. Er wird dann zu einem sogenannten Trigger, einem Schlüsselreiz38, für die konditionierte Reaktion.39 Anders ausgedrückt erlangt ein Reiz, der einer Angst auslösenden Situation vorausging oder der über längere Zeit zusammen mit einem Angstauslöser gegeben war, unter Umständen selbst die die Fähigkeit, Angst auszulösen40. Hinsichtlich der Frage, wie Emotionen entstehen, lässt sich also verallgemeinernd festhalten: Ein Reiz, der einmal oder wiederholt einer bestimmten Emotion vorausgegangen ist oder längere Zeit zusammen mit einem Emotionsauslöser gegeben war, kann die Fähigkeit erlangen, selbst die entsprechende Emotion – positiver oder negativer Art – auszulösen.

b)  Die Symbolkonfrontation als Emotionsauslöser Nach den bisherigen Erkenntnissen kann ein Symbol unter anderem Emotionen auslösen, wenn der Mensch, der es anblickt, zu der dahinter stehenden Idee eine 36  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 219; Myers, Psychologie, S. 294 f.; vgl. auch Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 277 f.; vgl. auch Haddock/Maio, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 201. Unterschieden wird zwischen der Konditionierung erster Ordnung und der zweiter bzw. höherer Ordnungen Bei der Konditionierung erster Ordnung wird ein neutraler Reiz mit einem unbedingten Reiz – einem Reiz, der ohne vorangegangenes Lernen eine bestimmte Reaktion auslöst – gepaart. Bei der Konditionierung höherer Ordnung wird hingegen der unbedingte Reiz durch einen bedingten Reiz ersetzt, das heißt durch einen Reiz, der durch Lernen entstanden ist und bereits eine konditionierte Reaktion auslöst. Ein vormals neutraler Reiz kann dann die Reaktion auslösen, die zuvor ein unbedingter Reiz verursachte, obwohl er niemals mit dem unbedingten Reiz gemeinsam dargeboten wurde. Zu Konditionierungen höherer Ordnung kommt es also durch Substitution des unbedingten Reizes durch bedingte Reize (Schermer, Lernen und Gedächtnis, S. 29 f.; vgl. auch Emminger, Physikum, S. 1006; sowie Edelmann/ Wittmann, Lernpsychologie, S. 53 f.). 37  Maercker, Posttraumatische Belastungsstörungen, S. 63. 38  Amberger/Roll; Psychatriepflege und Psychotherapie, S. 378. 39  Maercker, Posttraumatische Belastungsstörungen, S. 63. 40  Fürntratt, Angst und instrumentelle Aggression, S. 57; vgl. auch Edelmann/Wittmann, Lernpsychologie, S. 50 f. Mit der sogenannten Gegenkonditionierung können konditionierte Reaktion allerdings auch wieder gelöscht werden (Schulte, in: Petermann/Reinecker, Handbuch der klinischen Psychologie und Psychotherapie, S. 150). Dabei wird eine emotionale Reaktion auf einen bestimmten Reiz durch eine andere emotionale Reaktion ersetzt. Die Psychotherapie nutzt die Gegenkonditionierung etwa zum Abbau von Ängsten, in dem sie in angstauslösenden Situationen einen zur Angst antagonistischen Zustand, etwa einen Zustand der Entspannung, schafft (Schneider/Margraf, Lehrbuch der Verhaltenstherapie, S. 520; vgl. auch Edelmann/Wittmann, Lernpsychologie, S. 54 f.).



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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positive oder negative Ansicht hat und diese in dem Moment abruft, in dem er das Symbol erkennt41. Unter Umständen unbewusst schätzt der Mensch ein, wie bedeutsam das Symbol für ihn persönlich ist und fällt darauf basierend ein bewertendes Urteil. Das führt dazu, dass positive oder negative Emotionen entstehen. Die Fähigkeit von Symbolen, Emotionen auslösen zu können, bestätigen auch Experimente42. Die soziologische Forschung nimmt zudem an, dass Aggressionen43 mit höherer Wahrscheinlichkeit auftreten, wenn eine Person an aggressive Inhalte erinnert wird. Eine solche Erinnerung kann auch durch „aggressive Symbole“44, das heißt durch bestimmte negative Hinweisreize, 41  Heckmann, JZ 1996, 880 (882); Vgl. Ipsen, in: Ziemske/Langheid/Wilms/Haverkate (Hrsg.), FS Kriele, S. 301 (315): „Gerade Vertreter eines nicht-christlichen Glaubens oder einer das Christentum ablehnenden Weltanschauung empfinden das Kreuz als „Ärgernis“ (Anführungszeichen im Original); Ipsen verweist hier auch auf 1. Kor. 1, 23. 42  Vgl. dazu etwa die folgenden Experimente: Im ersten Experiment untersuche eine amerikanische Universität im Rahmen einer Studie, wie sich sogenannte Social-Media-Symbolen, in diesem Fall „Facebook-“ und „Twitter-Symbolen“, auf Online-Kaufentscheidungen von Konsumenten auswirken. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Probanden sich weniger häufig für den Kauf „blamierender“ Produkte entscheiden, wenn neben den Produkten ein Social-MediaSymbol eingeblendet wurde, die Probanden bei schmückenden Produkten hingegen häufiger zum Kauf neigen. Die Studienveranstalter schlossen daraus, dass man sich beim Vorhandensein entsprechender Symbole von den sozialen Netzwerken überwacht fühlt. Die Probanden verspüren, wenn sie ein bestimmtes Symbol im Kaufkontext wahrnehmen, offenbar Scham bzw. Stolz. Sie bewerten, bewusst oder unbewusst, das Ereignis  – Kauf eines bestimmten Artikels im Zeichen des Symbols –, nehmen ihre daraus resultierenden Gefühle wahr und handeln entsprechend annährungs- oder vermeidungsmotiviert (Bericht der Universität zu Studie: http://bus.miami.edu/news-and-media/recent-news/townsend-social-media-12.html [abgerufen am 9. 12. 2014]; vgl. auch: http://digitalstrategie.com/studie-facebook-und-twittersymbole-beeinflussen-kaufentscheidung/ [abgerufen am 9. 12. 2014]). In einem weiteren Experiment wiesen Wissenschaftler der Technischen Universität Delft, Niederlande, sowie der Universität Bamberg einen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Fadenkreuzen und erhöhter Gewaltbereitschaft nach. Hintergrund war das Facebookprofil der Republikanerin Sarah Palin, auf dem auf einer Landkarte die Sitze demokratischer Abgeordneter mit Fadenkreuzen gekennzeichnet waren. Darunter befand sich der Sitz von Gabrielle Giffords, die später von einem Attentäter niedergeschossen wurde (vgl. dazu http:// www.stern.de/politik/ausland/attentat-in-arizona-im-fadenkreuz-von-sarah-palin-1641513. html, abgerufen am 18. 12. 2012). In dem Experiment wurde den Probanden eine fiktive Geschichte über eine Fuchsplage in den Niederlanden unterbreitet. Ihnen wurde mitgeteilt, es gebe zwei Möglichkeiten, die Plage zu bekämpfen, nämlich zum einen, die Füchse zu erschießen, oder zum anderen, sie einzufangen, zu sterilisieren und wieder auszusetzen. Die Zentren der Fuchsplage wurden auf einigen Landkarten mit Kreisen, auf anderen mit Fadenkreuze markiert. Die meisten Teilnehmer, denen eine Landkarte mit Fadenkreuzen vorgelegt worden war, entschieden sich dafür, die Füchse erschießen zu lassen. Bei den Probanden, die einfache Kreise auf der Karte gesehen hatten, war das nicht der Fall. Die Probanden, auf deren Karten Fadenkreuze abgebildet waren, reagierten also aggressiver als diejenigen, denen nur Kreise gezeigt worden waren (http://idw-online.de/de/news419289, abgerufen am 19. 7. 2016). 43  Aggression meint ein gegen einen Organismus oder ein Organismussurrogat gerichtetes Austeilen schädigender Reize, wobei teilweise betont wird, es komme dabei in der Person des Aggressors auf die Absicht zur Schädigung an, vgl. Bierhoff, Sozialpsychologie, S. 168 m. w. N. 44  Bierhoff, Sozialpsychologie, S. 176.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

wachgerufen bzw. verstärkt werden. Vermutlich erinnern solche Symbole die Person auf der kognitiven Ebene an Angst und Stress45. Da Angst und Stress regelmäßig negativ bewertet werden, können aggressive Symbole insoweit dazu beitragen, dass negative Emotionen erlebt werden46.

aa)  Die Vorerfahrung mit dem Symbol als Faktor der Emotionsentstehung Die bisherigen Erkenntnisse und Experimente zeigen47, dass Symbole regelmäßig Emotionen auslösen, wenn der Symbolbetrachter über Vorerfahrungen bzw. über ein Vorwissen zu der symbolisierten Idee verfügt, das Symbol also durch Interpretation einem bestimmten Kontext zuordnen kann48, oder ihm zumindest Informationen vorliegen, anhand derer er das Symbol als solches erkennen und bewerten kann. Der mit dem Symbol konfrontierte Betrachter muss mit der assoziativen Bedeutung des Symbols also vertraut sein49. Dieses Vorwissen entsteht beispielsweise durch Bildung und Erziehung50. 45 

Bierhoff, Sozialpsychologie, S. 177. Bierhoff, Sozialpsychologie, S. 176 f. Die Ergebnisse des „Fadenkreuz-Experiments“ (oben Fn. 42) lassen sich deshalb so erklären, dass die Fadenkreuze als „aggressive Symbole“ die Probanden an Angst und Stress erinnerten, was negative Emotionen bei den Probanden auslöste. In der Folge verhielten sie sich deshalb ungleich aggressiver als die Probanden der Vergleichsgruppe. 47  Vgl. Fn. 42. 48  Ein unbefangener Betrachter verbindet mit dem Fadenkreuz keinen Akt der Gewalt, sondern erkennt darin lediglich ein Muster oder etwas Ähnliches. Viele Menschen sind insoweit aber bereits vorgeprägt, was sich auf die Symbolinterpretation auswirkt: Das Fadenkreuz wird teilweise als Gewaltsymbol verstanden – es wird Deutschland beispielsweise am Anfang des Vorspanns zum Krimi „Tatort“ gezeigt. Im Jahr 2010 sahen durchschnittlich 7,93 Millionen Zuschauer die Ausstrahlungen am Sonntagabend http://www.daserste.de/unterhaltung/ krimi/tatort/specials/zahlen-daten-fakten-100.html, abgerufen am 19. 7. 2016). In den Sendungen geht es zumeist um die Aufklärung eines oder mehrere Morde. Den Zuschauern ist damit bewusst, dass dem Fadenkreuz Mord und Totschlag folgen. Auch der Ausdruck „jemanden im Fadenkreuz haben“ weist in diese Richtung: Er wird als Synonym für die Beobachtung bzw. die Observation eines anderen Menschen verwendet (http://www.duden.de/rechtschreibung/ observieren, abgerufen am 19. 7. 2016). Der Mensch ist insofern konditioniert darauf, dass der Wahrnehmung eines Fadenkreuzes Gewalt folgt. Aufgrund dieser Erfahrungen wird ein Fadenkreuz mithin vielen Menschen in Deutschland „aggressive Hinweisreize“ liefern. 49 Vgl. Loewenstein, in: Constantopoulos/Wehberg (Hrsg.), FS Laun, S. 559 (561). 50  Heckmann, JZ 1996, 880 (882); Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 14 m. N. in Fn. 58, vgl. auch S. 39 f. m. Fn. 183, wonach es keine Rolle spielt, worauf das Vorwissen beruht – ob auf Auskünften über das Symbol, auf den Umgang mit ihm, auf Erfahrungen mit dem Symbolträger oder auf anderen Informationsquellen. Lediglich die Neugier des Individuums – sofern man diese als Emotionen versteht (vgl. Bohner, in: Stroebe/Jonas/ Hewstone [Hrsg.], Sozialpsychologie, S. 201, Abbildung „Zweidimensionale Darstellung von Emotionsbezeichnung“: „interessiert“; vgl. zum Verständnis von „Neugier“ und „Interesse“ als Emotion auch die Nachw. bei Hamker, Emotion und ästhetische Erfahrung, S. 63, Fn. 147) – setzt kein Vorwissen voraus. Die Neugier sorgt dafür, dass das Individuum, das sie empfindet, sich näher mit dem Gegenstand beschäftigt, der sie ausgelöst hat. Bei Symbolen stellt sich allerdings immer die Frage, ob es der Gegenstand selbst ist, der die Neugier auslöst, oder der 46 



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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Auch für den zweiten Weg zur Emotionsentstehung ist eine Vorerfahrung mit dem Symbol unabdingbar. Hier kann das Symbol im Wege einer Konditionierung zu einem Trigger werden, wenn es über eine bestimmte Zeit mit einem Emotionsauslöser zusammen gegeben war51. In Anlehnung an ein in der soziologischen Forschung von Mees genanntes Beispiel52 ist deshalb etwa davon auszugehen, dass der Anblick eines Kruzifixes bei demjenigen Angst und Wut, also emotionale Reaktionen, auslösen, der als Kind zur Strafe in einen Raum eingesperrt wurde, in dem ein Kruzifix hing. Als Folge des Einsperrens wird das Kind regelmäßig Angst und Wut, also negative Emotionen verspürt haben. Die vom Anblick des Symbols ausgehenden zunächst neutralen Reize wurden in diesem Fall mit negativen Emotionen gekoppelt. In der Folge erlernte das Kind eine Assoziation zwischen dem Symbol und den negativen Emotionen. Die Symbole entwickelten sich dadurch von neutralen Reizen zu bedingten Reizen, die selbst die negativen Emotionen auslösen können, die ursprünglich allein durch das Einsperren verursacht wurden53. Die Konfrontationssituation stellt dann die Emotionen wieder her, die der Symbolbetrachter – hier das Kind – in der traumatischen Situation empfunden hat. Welche Emotionen durch die Symbolkonfrontation entstehen, hängt damit von der Voreinstellung und der Vorprägung des Symbolbetrachters ab. Hält der Betrachter die symbolisierte Idee für richtig und befolgungswürdig, bewertet er die Symbolkonfrontation regelmäßig positiv, was dazu führt, dass eine positive Emotion entsteht. Eine negative Emotion entsteht hingegen, wenn der Betrachter der symbolisierten Idee ablehnend gegenüber steht und sie etwa für unwahr und abwegig hält, oder wenn er in der Konfrontationssituation ein nicht-neutrales Verhalten des Staates erblickt, durch das er sich als Angehöriger einer nicht symbolisierten Religion benachteiligt fühlt. Eine „emotional verstörende Wirkung“, die der EGMR der Konfrontation mit dem Kreuz in der Schule zugeschrieben hatte54, kommt allerdings praktisch nur in den Fällen in Betracht, in dem der Betrachter eine extrem einseitig-negative Einstellung gegenüber dem Symbol hegt, eine Benachteiligung durch den Staat als besonders Gegenstand in seiner Eigenschaft als Symbol. Möglicherweise erkennt der Neugierige dass es sich bei dem Gegenstand um ein Symbol handelt, und versucht, dessen tieferen Sinn näher zu erforschen. 51  Vgl. Fn. 40; vgl. dazu auch Grom, Religionspsychologie (1992), S. 40. 52  Vgl. auch oben Fn. 32. 53  Voraussetzung dafür, dass ein Symbol einen neutralen Reiz darstellt, ist, dass es anfangs keine Bedeutung im Kontext der unbedingten Reaktion vorweist (Gerrig, Psychologie, S. 204 f.), also nicht selbst schon die unbedingte Reaktion (das heißt die Angstreaktion) auslöst oder schon vorher im Zusammenhang mit dieser Situation auftrat. Das Kreuz und das Kopftuch dürfen beispielsweise selbst noch nicht mit der Situation des Eingesperrtseins bzw. des Bestraftwerdens „gekoppelt“ worden sein und entsprechende Reaktionen auslösen. Sonst wären sie selbst schon Schlüsselreize und könnten sich nicht mehr zu solchen entwickeln. 54  Vgl. EGMR, Entsch. v. 3. 11. 2009  – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien), in: BeckRS 2010, 90137, Rn. 55.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

gravierend empfindet oder aber wenn er zuvor in einer für ihn traumatischen Situation mit dem Symbol konfrontiert wurde. Im Kontext einer vermuteten Emotionsauslösung durch religiöse Symbole gilt es allerdings zu prüfen, ob es tatsächlich die Symbole sind – also die Gegenstände in ihrer über sich hinaus weisenden Bedeutung – die die Emotion hervorrufen, oder ob lediglich die Gegenstände an sich die Emotion auslösen. Bei den bekannten Experimenten von Pavlov zur klassischen Konditionierung wurden einfache Reize, wie beispielsweise Glocken, Lichtsignale und Metronome55, als zunächst neutrale Reize eingesetzt. Symbole stellen sich hingegen als komplexer dar. Um ein Symbol überhaupt als solches zu erkennen, bedarf es bereits eines kognitiven Aufwands – nämlich der interpretierenden Reaktion – auf Seiten des Symbolbetrachters. Wird das Symbol nicht erkannt, kann zwar der Gegenstand als solcher Emotionen auslösen56, nicht jedoch das Symbol selbst57. Woraus genau die Emotionen resultieren, kann für die Frage bedeutsam sein, welches Grundrecht im Einzelfall Schutz vor den Emotionen bietet: Die Religionsfreiheit dürfte nur heranzuziehen sein, wenn die Symbolkonfrontation einen religiösen Bezug aufweist. Für einen Schutz vor den Eigenwirkungen des Gegenstandes kann demgegenüber auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abzustellen sein. Auf beiden genannten Wegen zur Emotionsentstehung  – der Emotionsentstehung als Folge der persönlichen Bewertung eines Ereignisses einerseits bzw. als Folge der Wiederherstellung eines früheren emotional bedeutsamem Ereignisses andererseits  – ist das Symbol zwar der eigentliche Auslöser der Emotion, nicht jedoch der alleinige Grund dafür, dass sie entsteht. Ohne ein entsprechendes Hintergrundwissen und eine darauf basierende Voreinstellung bzw. ohne entsprechende Vorerfahrungen führte die Konfrontation nicht dazu, dass Emotionen entstehen. Das ist zu berücksichtigen, wenn die Emotionsauslösung grundrechtlich bewertet wird. Darüber hinaus ist insbesondere zu untersuchen, ob Emotionen als Folgen einer Symbolkonfrontation dem Staat überhaupt zugerechnet werden können, wenn der Bürger doch selbst aufgrund seiner Vorprägung daran beteiligt ist, dass sie entstehen.

55 

Gerrig, Psychologie, S. 204. Im Verfahren zum Kruzifixbeschluss führten die Beschwerdeführer beispielsweise an, ihre Tochter fürchte sich vor dem sterbenden menschlichen Körper am Kreuz. Das könnte darauf hindeuten, dass es hier zumindest auch um die Eigenwirkung des Gegenstands Kruzifix ging, nicht jedoch ausschließlich um dessen religiöse Bedeutung. 57  Vgl. auch Heckmann, JZ 1996, 880 (882). 56 



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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bb)  Häufigkeit und fehlende Ausweichmöglichkeit keine zwangsläufig intensitätssteigernden Faktoren Negative Emotionen regen zumeist Handlungen an, die darauf gerichtet sind, den aktuellen als unangenehm empfundenen Ist-Zustand so zu verändern, dass er sich zu einem als angenehm empfundenen Zustand entwickelt58. Regelmäßig weicht der Mensch daher der Quelle, die negative Emotionen auslöst, also etwa der Symbolkonfrontation, gezielt aus59. Eine etwaige durch die Emotionen verursachte Freiheitsverkürzung scheint insoweit grundsätzlich vermeidbar. Dauert die Symbolkonfrontation länger an und stellt sie sich als unausweichlich dar, könnten die Dinge wiederum anders liegen. Jedenfalls das Bundesverfassungsgericht schätzte unter diesem Gesichtspunkt die Wirkungen des Kreuzes in Unterrichtsräumen intensiver ein als die des Kreuzes in Gerichtssälen60. In der Tat scheint sich die häufige Konfrontation mit einem Symbol, die negative Emotionen verursacht, als unangenehmer und belastender darzustellen als der einmalige Kontakt. Zu beachten ist allerdings, dass sich der Mensch an Emotionen gewöhnen kann, was deren Intensität abschwächt. Es entsteht dann eine sogenannte Emotionstoleranz.61 Wurde die Emotion zunächst als sehr intensive Beeinträchtigung empfunden, wird sie mit fortschreitender Zeit als immer weniger beeinträchtigend wahrgenommen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, unter welchen Umständen die Symbolkonfrontation überhaupt als unausweichlich bewertet werden kann: Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Bürger sein Blickfeld verändern sowie seine Aufmerksamkeit und seine Gedanken zumindest teilweise steuern kann. Zwar ist die Kenntnisnahme des Symbols für ihn kaum zu vermeiden. Abhängig von den äußeren Umständen kann es ihm aber durchaus möglich sein, nach der Kenntnisnahme seinen Blick zu verlagern. Dadurch können andauernde Emotionen vermieden werden. Scheiden visuelle Ausweichmöglichkeiten aus, kommt immer noch die Möglichkeit in Betracht, sich dem Symbol gedanklich zu entziehen und auf die Weise zu vermeiden, dass Emotionen entstehen. Wie bereits erwähnt, wird eine solche Möglichkeit vor allem davon abhängen, ob das Symbol sich als besonders auffällig darstellt oder nicht62. Insofern stellt sich die andauernde, unausweichliche Symbolkonfrontation nicht zwangsläu58 

Mees, in: Schützeichel, Emotionen und Sozialtheorie, S. 112. Zwar wird schon das Erkennen des Symbols bzw. der Konfrontationssituation regelmäßig ausreichen, damit Emotionen entstehen. Durch ein Ausweichen könnte der Bürger dann aber immerhin vermeiden, dass die negativen Emotionen anhalten oder immer wieder neu hervorgerufen werden. 60  BVerfGE 93, 1 (18); vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1371). 61  Lammers, Emotionsbezogene Psychotherapie, S. 175. 62 Vgl. Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 118, der anführt, ein unauffälliges Holzkreuz könne von jedem ignoriert werden, sowie Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 41. 59 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

fig als belastender für den Bürger dar als die nur einmalige, kurzzeitige Konfrontation.

c)  Erkennbarkeit emotionaler Reaktionen als Voraussetzung einer rechtlichen Bewertung Die Entscheidung, ob die emotionsauslösende Symbolkonfrontation im Einzelfall grundrechtsrelevant ist, erfordert gegebenenfalls den Beweis, dass emotionale Reaktionen tatsächlich stattgefunden haben. Da Emotionen eine expressive Komponente aufweisen können, also nach außen sichtbar werden können – ein wütender Mensch läuft beispielsweise rot an und ballt die Fäuste63 – ist der Nachweis in der konkreten Situation mitunter möglich. Theoretisch erscheint es also nachprüfbar, ob ein Mensch tatsächlich durch eine Konfrontationssituation emotional belastet wird oder ob er das nur vorgibt. Im Rechtstreit dürfte es an einem belastbaren Nachweis jedoch häufig fehlen. Denn einerseits müsste die Situation, in der der Symbolbetrachter mit dem Symbol konfrontiert wurde, sehr genau nachgestellt werden, um den Nachweis der Emotion tatsächlich führen zu können. Ist seit der Symbolkonfrontation einige Zeit vergangen und dauerte sie länger an, kann bereits eine Emotionstoleranz entstanden sein. Dann scheitert der Nachweis im Wege einer Nachstellung der Situation, weil die konfrontationsbedingte Emotion nicht mehr in gleicher Art und Weise auftreten kann. Andererseits treten nicht alle Emotionen sichtbar nach außen auf. Der Mensch wird sie ebenso vorspielen wie unterdrücken können. Der Rückgriff auf physische Symptome allein reicht daher regelmäßig nicht aus. Alternativ besteht nur die Möglichkeit, den Symbolbetrachter seine Vorerfahrungen mit dem Symbol schildern und ihn insoweit seine Vorprägung darlegen zu lassen. Das ermöglicht immerhin Rückschlüsse darauf, ob das Entstehen einer Emotion im konkreten Fall plausibel erscheint oder nicht.

d)  Die emotionsauslösende Wirkung der Konfrontation mit religiösen Symbolen Nach den bisherigen Erkenntnissen ist grundsätzlich jedes Symbol geeignet, Emotionen auszulösen, soweit der Symbolbetrachter über eine bestimmte Einstellung oder zumindest über gewisse Vorinformationen zur symbolisierten Idee verfügt. Denn das ermöglicht ihm, die Symbolkonfrontation zu bewerten. Die Bewertung bildet die Grundlage dafür, dass Emotionen entstehen. Für religiöse Symbole zeigen sich hier keine Unterschiede: Sie können Emotionen auslösen, wenn der Betrachter sie als Transportmittel religiöser Aussagen erkennt und diesen Aussagen positiv oder negativ gegenüber steht oder über positive oder 63 Vgl.

Krech/Crutchfield, Grundlagen der Psychologie, S. 221.



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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negative Vorerfahrungen mit ihnen verfügt64. Gerade bei Symbolen, die komplexe Ideen wie religiöse Zusammenhänge und Anschauungen repräsentieren, bedarf es allerdings häufig eines speziell auf die Religion ausgerichteten Vorwissens. Erst damit kann das Symbol als Transportmittel religiöser Aussagen erkannt werden. Hat ein Mensch keine Vorstellung von Religion, erkennt er ein religiöses Symbol nicht als solches65. Wen die Konfrontation mit einer Religion verärgert, etwa weil er selbst diese oder jedwede Religion ablehnt, den wird ein religiöses Symbol, das ihm nicht oder nicht als solches bekannt ist, nicht schon emotional erregen, wenn er es nur wahrnimmt und als irgendein Symbol einordnet. Vielmehr betrifft ihn die Konfrontation erst dann emotional, wenn er vom religiösen Charakter des Symboles erfährt, etwa durch Erklärungen oder durch Nachforschungen. Regelmäßig müssen also bereits bestimmte religiöse Lernprozesse stattgefunden haben, damit die Symbolkonfrontation Emotionen auslöst. Erkennt der Symbolbetrachter das Symbol, und steht er den symbolisierten Aussagen positiv gegenüber, etwa weil er selbst der entsprechenden Religion angehört, wird der Anblick des Symbols zumeist positive Emotionen auslösen. Lehnt der Betrachter hingegen die spezifische Religion oder auch Religionen generell ab, entstehen negative Emotionen. Je gefestigter die Voreinstellung des Symbolbetrachters ist, desto stärkere Emotionen wird die Symbolkonfrontation regelmäßig auslösen. Wie erwähnt, kommt eine emotionale Verstörung66 allerdings praktisch nur in Betracht, soweit das Symbol einst in traumatische Erfahrungen des Betrachters eingebunden war. Religiöse Symbole können aber auch aus einem anderen Gesichtspunkt heraus emotionsauslösend sein. Die Religion beschäftigt sich mit der Herkunft und dem Ziel des menschlichen Daseins, der Stellung des Menschen in der Welt und dem abstrakten Sinn des Lebens67. An solche Fragen kann die Symbolkonfrontation erinnern. Das verunsichert gegebenenfalls den Symbolbetrachter. In diesem Fall erlebt er möglicherweise Emotionen wie Furcht oder Angst. Unter diesem Aspekt hindert eine neutrale oder schwach ausgeprägte Voreinstellung die Emotionsentstehung nicht. Im Übrigen ist denkbar, dass die Konfrontation in ihrem spezifischen Kontext zu Emotionen führt: Befindet sich das Symbol in staatlichen Einrichtungen, kann der Bürger darin eine Identifikation des Staates mit einer bestimmten Religion erblicken, die Konfrontation also als nicht-neu64  Vgl. dazu Loewenstein, in: Constantopoulos/Wehberg (Hrsg.), FS Laun, S. 559 (561), wonach als emotional aufgeladene Symbole insbesondere solche Symbole in Betracht kommen, die Bezug auf bestimmte Werte nehmen, insbesondere auf religiöse oder politische Werte; vgl. auch Heckel, DVBl. 1996, 453 (470): „Nichtchristen dürfen sich am Kreuze ‚ärgern‘“ (Anführungszeichen im Original). 65 Vgl. Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 23 f. 66  EGMR, Entsch. v. 3. 11. 2009  – 30.814/06 (Lautsi [u. a.] ./. Italien), in: BeckRS 2010, 90137, Rn. 55. 67  Muckel, in: Friauf/Höfling, BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 12.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

trales Verhalten des Staates deuten. Unter Umständen fühlt er sich in der Folge vom Staat benachteiligt, was ebenfalls negative Emotionen bei ihm hervorrufen kann. Es bleibt allerdings insgesamt dabei, dass die Konfrontation mit religiösen Symbolen zwar ein Auslöser von Emotionen sein kann, nie jedoch als der alleiniger Verursacher der Emotionen fungiert. Sie regt lediglich innere menschliche Prozesse an, die zwar in der Emotionsbildung gipfeln können, aber auch von weiteren inneren und äußeren Faktoren beeinflusst werden. Hinsichtlich des Kruzifixbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts ist an dieser Stelle festzuhalten, dass es nach den bisherigen Erkenntnissen keinen Hinweis darauf gibt, dass der Anblick des Symbols bei Kindern aufgrund deren noch nicht gefestigter Anschauungen besonders intensive Emotionen auslöst und damit gegebenenfalls eine schwere Grundrechtsverkürzung darstellt. Denn die Konfrontation löst vor allem dann starke Emotionen aus, wenn der Betrachter bereits über eine einseitige und gefestigte Voreinstellung zum Symbol verfügt; gerade in diesem Fall stellt sich die Gefahr einer emotionalen Verstörung, die der EGMR der Konfrontationssituation entnahm. Eine einseitige und gefestigte Voreinstellung dürfte bei Kindern aber nicht der Regelfall zu sein. Die Emotion als Konsequenz eines im Symbol erblickten Neutralitätsverstoßes kommt bei Kindern ebenfalls kaum in Betracht: Dass gerade junge Kinder schon ein Neutralitätsverständnis aufweisen, ist ebenso zweifelhaft wie die Annahme, dass sie sich bereits so intensiv mit der Religion beschäftigt haben, dass sie über eine gefestigte Einstellung verfügen. Auch traumatische Vorerfahrungen mit dem Symbol stellen sich bei Kindern eher als Ausnahme dar.68

2.  Einstellungsänderung durch die Konfrontationssituation Löst die Symbolkonfrontation eine Emotion aus, geschieht das häufig dadurch, dass der Betrachter das Symbol bzw. die Konfrontationssituation bewertet. Die nötigen Informationen entnimmt er zumeist einer schon gebildeten Voreinstellung zum Symbol. Eine solche Voreinstellung wird abgerufen, wenn die Bewertungsprozesse anlaufen; die Emotion stellt also die Folge eines Abrufs innerer Einstellungen des Menschen dar. Fraglich ist, ob die Symbolkonfrontation über den Abruf innerer Einstellungen hinaus diese auch verändern kann. Vor allem die Rechtsprechung äußert die Befürchtung, die Symbolkonfrontation könne religiöse Einstellungen des Menschen beeinflussen69. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist anhand soziologischer und psychologischer Forschungsergebnisse 68 Vgl. Jestaedt, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), FS Listl, S. 259 (281); Heckmann, JZ 1996, 880 (883) geht allerdings von einer höheren emotionalen Schutzbedürftigkeit jüngerer Kind aus. 69  Vgl. insoweit die Nachw. in Kapitel B.



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zu untersuchen70. Für das Verständnis der dort beschriebenen einstellungsändernden Prozesse ist es zunächst erforderlich, wiederum einige wichtige Begriffe zu erläutern. Anschließend sind die für Einstellungsänderungen relevanten Prozesse selbst zu untersuchen. In einem weiteren Schritt sollen die daraus resultierenden Ergebnisse schließlich auf die Symbolkonfrontation übertragen werden.

a) Einstellungsbegriff Unter einer inneren Einstellung wird eine psychologische Tendenz verstanden, die durch die Bewertung einer speziellen Entität71 mit einem bestimmten Ausmaß der Zustimmung oder Ablehnung ausgedrückt wird72. Jedes wahrnehmbare oder auch bloß vorstellbare Objekt kann Gegenstand einer Einstellung sein, wie Sachen, Institutionen, Handlungen und Ereignisse, rechtlich-politisch-gesellschaftliche Zustände, Personengruppen, einzelne Personen oder Persönlichkeitsmerkmale73. Selbstbezogene Einstellungen werden als Selbstwertgefühl bezeichnet, Einstellungen in Bezug auf soziale Gruppen als Vorurteile, Einstellungen in Bezug auf abstrakte Gegenstände als Wertvorstellungen74. Einstellungen üben eine Wissens- und Orientierungsfunktion aus. Sie stellen bewährte Reaktionsmuster bereit, ersparen also dem Menschen, der bekannten Objekten begegnet, eine stets neue Prüfung des jeweiligen Gegenstands. So ermöglichen sie eine entsprechende Abbildung von der Wirklichkeit, die zwar subjektiv gefärbt ist, innerhalb derer Individuen aber gleichwohl eine ausreichende Verhaltenssicherheit entwickeln können.75 Einstellungen fördern auch die soziale Identität. Durch sie können bestimmte Werte und damit ein Teil der Persönlichkeit zum Ausdruck gebracht werden; außerdem kann die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen belegt werden76. Ein wesentliches Merkmal von Einstellungen ist, dass sie in drei Komponenten strukturiert werden können. Unterschieden wird zwischen der affektiven, der kognitiven und der behavioralen77 Komponente einer Einstellung.78 Die 70 Ähnl.

Würtenberger, in: Merten/Schmidt/Stettner, FS Knöpfle, S. 397 (402). Größe, Einheit, vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Entitaet (abgerufen am 9. 1. 2013). 72  Bierhoff, Sozialpsychologie, S. 327. 73  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 85, mit weiteren Beispielen; zum religiösen Glauben vgl. Kapitel D. 74  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 267; Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 85. 75  Schimmel Einstellungen gegenüber Glauben, S. 87. 76  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 87. 77  Behavioral meint verhaltensbasiert. 78  Vgl. nur Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 83 f. m. w. N., S. 107; Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 267; Haddock/Maio, in: Stroebe/ Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 199. 71 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

affektive Komponente umfasst die Gefühle und Bewertungen, die mit dem Einstellungsobjekt verbunden sind79. Das Werturteil „finde ich gut bzw. schlecht“ steht in der Mitte der affektiven Komponente. Es deckt allerdings nicht alle Konnotationen ab. Letztere lassen sich häufig nur schwer verbalisieren.80 Verbunden ist die affektive Komponente mit dem Wissen, den Meinungen, den Überzeugungen und den Vorstellungen des bewertenden Menschen gegenüber dem Gegenstand, also mit kognitiven Elementen. Diese bilden die kognitive Komponente der Einstellung.81 Aus der affektiven und der kognitiven Komponente resultiert eine Verhaltenstendenz bezüglich des Gegenstandes, die behaviorale Komponente der Einstellung.82 Die verschiedenen Komponenten sind untereinander verknüpft. So verleiht beispielsweise die affektive Komponente der kognitiven Komponente emotionale Bedeutung, während die kognitive Komponente auftretende Emotionen bzw. Gefühle rechtfertigen kann.83 Obwohl alle Einstellungen aus solchen affektiven, kognitiven und behavioralen Komponenten bestehen, können einzelne Einstellungen besonders stark auf einer bestimmten Erfahrungsart beruhen. Es gibt also Einstellungen, die jeweils überwiegend affektiv, kognitiv oder verhaltensbasiert sind.84 Bei einer solchen Dominanz einer einzelnen Komponente wird die Einstellung als ambivalente Einstellung bezeichnet. Sind die einzelnen Komponenten ähnlich stark ausgeprägt, wird von einer homogenen oder balancierten Einstellung gesprochen.85 Kognitiv basierte Einstellungen basieren überwiegend auf den Tatsacheninformationen zum Einstellungsobjekt. Der Zweck dieser Art von Einstellungen ist es, die Vor- und Nachteile eines Objekts zu klassifizieren. Das ermöglicht eine schnelle Entscheidung darüber, ob es das Objekt wert ist, sich mit ihm zu beschäftigen.86 Affektive Einstellungen hingegen basieren mehr auf Emotionen und Werturteilen als auf der objektiven Bewertung von Vor- und Nachteilen87. Der Zweck dieser Einstellungen liegt weniger darin, ein exaktes Situationsbild zu schaffen, als darin, ein eigenes Wertsystem auszudrücken und zu 79  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 107; Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 267; Haddock/Maio, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 201. 80  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 107. 81  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 83; Haddock/Maio, in: Stroebe/Jonas/ Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 200. 82  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 83. 83  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 84 m. w. N. 84  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 218 ff. 85  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 84 m. w. N. 86  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 218, mit dem Beispiel, dass sich solche Einstellungen etwa gegenüber Haushaltsgegenständen finden. 87  So kann einem Menschen beispielsweise ein Auto unabhängig von der Frage, wie viel Benzin es verbraucht, gefallen, Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 218.



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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bestätigen.88 Behavioral basierte Einstellungen entspringen der Beobachtung, wie man sich selbst einem Objekt gegenüber verhält. Nach der sogenannten Selbstwahrnehmungstheorie wissen Menschen unter bestimmten Umständen nicht, was sie empfinden, bevor sie ihr eigenes Verhalten betrachten. Die Einstellungen fußen daher mehr auf der Beobachtung des eigenen Verhaltens als auf Kognitionen oder Affekten.89

b)  Herkunft von Einstellungen Verschiedene Studien haben gezeigt, dass es für den Versuch, eine Einstellung zu ändern, entscheidend ist, deren Herkunft zu kennen: Kognitive Einstellungen können beispielsweise am besten durch Argumente verändert werden, affektive mit emotionalen Appellen.90 Plastisch ausgedrückt wird also „‚Feuer am besten mit Feuer‘ bekämpft“91. Studien zur Zwillingsforschung legen nahe, dass Einstellungen eine erbliche Komponente aufweisen92. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass es spezifische Gene gibt, welche die Einstellungen bestimmen93. Die Einstellungen können aber Nebenprodukte anderer teilweise erblicher Persönlichkeitsfaktoren sein94 und beispielsweise mit Temperament und Persönlichkeit zusammenhängen, die wiederum auf die Gene zurückgeführt werden können95. Für die meisten Einstellungen spielt die erbliche Komponente allerdings keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Regelmäßig sind Einstellungen nicht angeboren, sondern erworben worden. Das geschieht durch unterschiedliche Prozesse.96 Ob bestimmte Einstellungen entstehen und wie sie inhaltlich ausgeprägt sind, hängt im Kindesalter insbesondere davon ab, wie sich Eltern und Familienmitglieder verhalten. Bestimmte Einstellungen von Eltern sind bei ihren sehr jungen Kindern noch nicht vorhanden. Sie ent88 

Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 219. Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 221. Die Forschung interessiert sich unter anderem deshalb besonders für Einstellungen, weil man davon ausgeht, dass diese das Verhalten steuern. Wird etwa eine positive Einstellung zum Gesundheitsschutz geschaffen, kann dies dazu beitragen, Suchtverhalten abzubauen, genauso wie positive Einstellungen zum Umweltschutz umweltschützendes Verhalten fördern können; vgl. Bohner, in: Stroebe/Jonas/ Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 266; Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 232. 90  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 233. 91 Vgl. Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 233. 92  Bohner/Wänke, Einstellungen, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 404; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 218. 93  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 218. 94  Bohner/Wänke, Einstellungen, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 404. 95  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 218. 96  Bohner/Wänke, Einstellungen, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 404 f. 89 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

wickeln sich aber, wenn die Kinder älter werden, die elterlichen Ansichten kennen lernen und elterlicher Anleitung unterworfen sind, das heißt Lob, Belehrungen und Strafen. Auch gesellschaftliche Gruppen, zu denen ein Mensch gehört, können dessen Einstellungen beeinflussen: Identifiziert sich ein Mensch mit neuen sozialen Gruppe, so kann dieser Schritt dazu führen, dass sich seine Einstellungen ändern, wenn die neue Gruppe entsprechende Einstellungen vertritt. Die Einstellungen einer bestimmten Gruppe lassen auf die des einzelnen Mitglieds schließen.97 Bedeutsam für die Entwicklung von Einstellungen ist also insbesondere das Erlernen von allgemeinen Wertvorstellungen im Rahmen sozial vermittelter Lernprozesse, beispielsweise der primären Sozialisation98. Relevant sind aber auch Lernerfahrungen im unmittelbaren Umgang mit einem Einstellungsobjekt.99. Auch die Persönlichkeit des Menschen kann, wie oben angedeutet, eine Rolle für die Entwicklung bestimmter Einstellungen spielen100. Im Rahmen dieser Lernprozesse und Lernerfahrungen lassen sich verschiedene Lernformen unterscheiden, die in unterschiedlichem Maße zum Tragen kommen101: Die kognitiven Komponenten der Einstellung entstehen primär durch Kommunikationsprozesse, beispielsweise durch kognitives Lernen oder durch ModellLernen102. Kognitiv basierte Einstellungen entwickeln sich also insbesondere dadurch, dass Fakten aufgenommen, verarbeitet und geprüft werden103. Emotionale Komponenten gegenüber dem Einstellungsobjekt werden vor allem über die systematische Assoziation des Objektes mit bestimmten affektiv wirkenden Verstärkern erworben104. Affektiv basierte Einstellungen können somit beispielsweise über die klassische und die operante Konditionierung entstehen105. Verhaltensbasierte Einstellungen entstehen, wie oben bereits angedeutet, vor allem daraus, dass das eigene Verhalten beobachtet wird106. 97 

Krech/Crutchfield, Grundlagen der Psychologie, S. 495 f. „Sozialisation“ bezeichnet das Hereinwachsen in soziale Beziehungsnetze, wobei es nicht lediglich um Anpassung, sondern auch um aktive Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Einflüssen geht, vgl. Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 80, Man unterscheidet zwischen mehreren Sozialisationsphasen im Leben eines Menschen. Zur „primären Sozialisation“ kommt es bei Kindern etwa durch Familienbeziehungen und durch den Kindergarten. Vgl. hierzu Gudjons, Pädagogisches Grundwissen, S. 153. 99  Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 236. 100  Krech/Crutchfield, Grundlagen der Psychologie, S. 495. 101  Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 236. 102  Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 237. 103  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 218 f. 104  Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 237; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 219. 105  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 219; Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 237. 106  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 221. Aus seinem eigenen Verhalten schließt man danach allerdings nur unter bestimmten Bedingungen auf eine eigene Einstel98 



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Die Zuordnung von Einstellungskomponenten und Lernprozessen kann allerdings nicht als absolute Kategorisierung verstanden werden, sondern lediglich als akzentuierende. So können beispielsweise Emotionen gegenüber Einstellungsobjekten auch über kognitives Lernen vermittelt werden.107 Ist eine Einstellung durch einen der benannten Prozesse entstanden, bedarf es zu ihrer Veränderung aber jedenfalls eines Prozesses, der dem Prozess ähnelt, in dem sie entstanden ist.

c)  Änderung von Einstellungen Unter dem Wandel von Einstellungen bzw. der Änderung von Einstellungen kann ein Prozess verstanden werden, in dessen Verlauf sich die Bewertung eines bestimmten Objekts ändert. Stand der Mensch diesem zunächst zustimmend gegenüber, lehnt er es nun ab, und umgekehrt108. Intensiviert sich das Empfinden eines Menschen gegenüber einem bestimmten Objekt – lehnt er es beispielsweise emotional stärker ab oder stimmt er ihm stärker zu – wird davon gesprochen, dass sich die Einstellung verstärkt oder abschwächt.109

aa)  Einstellungsverändernde Prozesse Die beschriebenen Lernprozesse, in deren Rahmen Einstellungen entstehen und auch verändert werden können110, verdeutlichen, wie komplex Einstellungsänderungsprozesse sein können. Relevant ist hier insbesondere die Frage, ob und inwieweit die Symbolkonfrontation in derartig komplexe Lernprozesse eingebunden sein kann. Um ihre Rolle abschätzen zu können, sollen die verschiedenen Lernprozesse und -formen im Folgenden in ihren Grundzügen dargestellt werden.

(1)  Klassische bzw. Operante Konditionierung Positive oder negative Einstellungen lassen sich erzeugen, indem Einstellungsobjekte wiederholt mit bestimmten anderen Reizen dargeboten werden, die lung, nämlich dann, wenn die anfängliche Einstellung schwach ausgeprägt oder mehrdeutig ist und wenn es keine anderen plausiblen Erklärungen für das eigene Verhalten gibt. 107  Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 237. 108  Prozesse der Einstellungsänderung können im alltäglichen Geschehen etwa im Hinblick auf das Wahlverhalten von Bürgern beobachtet werden, vgl. die Ausführungen zu den Zustimmungswerten des US-Präsidenten Obama in Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 223. 109 Vgl. Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 415. 110  „Feuer mit Feuer bekämpfen“, s. o. C. II.2.b).

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

selbst positiv oder negativ bewertet werden111. Es handelt sich hierbei um den schon beschriebenen Prozess der klassischen Konditionierung112. Bei der operanten Konditionierung als weiterer Konditionierungsprozess werden bestimmte freiwillige Verhaltensweisen dadurch gefördert oder gehemmt, dass sie belohnt bzw. bestraft werden. Ein belohntes Verhalten tritt Zukunft häufiger auf, ein bestraftes seltener.113 Belohnende und bestrafende Mechanismen sind etwa befürwortende oder ablehnende Äußerungen, die mit einfachen Gesten wie zustimmendem Kopfnicken oder gelangweiltem Schweigen kombiniert werden.114 Die Einstellungen von Menschen zu bestimmten Objekten können also beeinflusst werden, wenn eine enge räumlich-zeitliche Verbindung zwischen dem Einstellungsobjekt und positiven oder negativen Reizen bzw. zwischen dem Verhalten gegenüber dem Einstellungsobjekt und Verstärkungen hergestellt wird.115 Da eine Einstellung am ehesten auf dem Weg zu ändern ist, auf dem sie auch entstanden ist, eignen sich die klassische und die operante Konditionierung insbesondere zur Änderung von Einstellungen, die durch solche Konditionierungen entstanden sind. Da bei der Konditionierungen vor allem positive 111  Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 415; vgl. auch Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 277 m. w. N.; vgl. auch Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 202; vgl. auch oben unter C. II.1.a): Die dortigen Ausführungen zur Konditionierung als Weg der Emotionsentstehung lassen sich weitgehend übertragen. Schließlich geht es auch dort um die Schaffung einer Bewertungsgrundlage, also einer Einstellung. 112  So lassen sich etwa positive bzw. negative Einstellungen zu Vornamen hervorrufen, wenn diese mit positiven bzw. negativen Adjektiven dargeboten werden Den Veranstaltern eines Experiments riefen beispielsweise negative Einstellungen bezüglich der Namen „Ed“ und „George“ hervor, indem sie diese Namen mit positiven bzw. negativen Adjektiven darboten. In einem späteren, angeblich davon unabhängigen Experiment, ließen sie die Probanden mit zwei Konfidenten diskutieren, die sich als Ed und George vorstellten. Die Auswirkungen der Konditionierung spiegelten sich nach der Diskussion darin wieder, wie die Probanden die Konfidenten und diese das Verhalten der Probanden ihnen gegenüber beurteilten (Beispiel und Erklärungen von Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone [Hrsg.], Sozialpsychologie, S. 277 f.). Die positiven bzw. negativen Adjektive stellten für die Probanden Reize dar, die sie im Laufe des Experiments mit den Namen assoziierten. Dadurch bildete sich eine innere Einstellung. Die späteren Einstellungsobjekte, die Vornamen, stellten zunächst neutrale Reize dar. Später lösten die Vornamen die positiven oder negativen Reaktionen aus, wie sie ursprünglich von den Adjektiven hervorgerufen wurden. 113  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 219. 114  Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 415; Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 277 f.; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 219. Die Autoren betonen, dass im Alltag bestimmte Einstellungsobjekte häufig mit negativen oder positiven Kontexten verbunden sind: Ein Kind, das miterlebt, wie seine Bezugspersonen ablehnend auf Mitglieder bestimmter ethnischer Gruppen reagieren, kann aufgrund dieser Erlebnisse negative Einstellungen gegenüber diesen Gruppen entwickeln. 115  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 277.



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und negative Emotionen verarbeitet werden, kommt nahezu ausschließlich eine Änderung affektiver Einstellungen in Betracht.

(2) Mere-Exposure-Effekt Die sogenannte Mere-Exposure-These besagt, dass sich die Einstellung einer Person zu einem Reiz verbessert, wenn sie ihn mehrfach dargeboten bekommt116. Durch die wiederholte Präsentation eines Reizes bildet sich ein positiver Affekt gegenüber dem Reiz117. Der Effekt tritt nicht nur bei unbekannten Objekten auf, sondern kann auch bei solchen Stimuli auftreten, zu denen eine Voreinstellung besteht118. Das gilt nach bisherigen Erkenntnissen nicht nur bei anfänglich positiv, sondern auch bei anfänglich negativ bewerteten Einstellungsobjekten119. Die genaue Ursache für den Mere-Exposure-Effekt ist noch nicht endgültig geklärt120. Die bloße Wahrnehmung der dargebotenen Objekte reicht jedenfalls nicht aus, um Einstellungen zu verbessern und kann den Effekt insofern nicht allein erklären121. In Betracht kommen hier vor allem einfache Lernprozesse wie die schon beschriebene klassische Konditionierung: Einige Erklärungsversuche beziehen sich auf die Umgebung, in der die Experimente stattfanden. Die typische Laborsituation, in der die Experimente zum Effekt stattgefunden hatten, stelle für die Versuchspersonen regelmäßig eine angenehme Situation dar, so dass die dort angebotenen Reize mit der angenehmen Situation assozi116  Six/Schäfer, Einstellungsänderung, S. 94; Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 203: Aus dem Alltag wird etwa das Phänomen bekannt sein, dass einem Radiohörer ein neues Musikstück mit mehrfachem Hören immer besser gefällt. 117  Winkel/Petermann/Petermann, Lernpsychologie, S. 82. In Experimenten zur Mere-Exposure-These wurden den Versuchspersonen sinnlose Wörter oder chinesische Schriftzeichen nach einem zuvor festgelegten Häufigkeitsschema für kurze Zeit dargeboten. Für die Experimente wurden mit den sinnlosen Wörtern und chinesischen Schriftzeichen vor allem Reize ausgewählt, die den Teilnehmern unbekannt waren, um zu verhindern, dass der behauptete Effekt durch Drittvariablen künstlich produziert wurde. Die Ergebnisse dieser Versuche bestätigten die These: Ein öfter dargebotener Reiz wurde von den Probanden insgesamt positiver bewertet als ein weniger häufig dargebotener Reiz. Allerdings trat der Effekt nur unter bestimmten Bedingungen auf: Das angebotene Reizmaterial durfte erstens nicht zu einfach strukturiert sein, zweitens durfte Reiz nicht ununterbrochen dargeboten werden – üblicherweise wurden verschiedene Reize unterschiedlich häufig dargeboten –, und drittens durften Darbietung und Beurteilung der einzelnen Reize nicht unmittelbar aufeinander folgen – vielmehr durfte die Bewertung erst dann angeregt werden, wenn alle Reize dargeboten worden waren. Dann aber zeigte sich der Effekt nicht nur bei den vorgelegten Wörtern und Schriftzeichen, sondern auch bei präsentierten Fotos und Postern sowie bei vorgeführten Musikstücken (ausführlich: Six/Schäfer, Einstellungsänderung, S. 94 ff.; vgl. auch Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie [2014], S. 203). 118  Eder, Mere-Exposure-Effekt, S. 30 m. w. N. 119  Eder, Mere-Exposure-Effekt, S. 31. 120  Winkel/Petermann/Petermann, Lernpsychologie, S. 82 f. 121  Eder, Mere-Exposure-Effekt, S. 43.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

iert würden.122 Andere Erklärungsversuche stellen hingegen auf die Beziehung zwischen Darbietungshäufigkeit und Urteilsverhalten ab. Ein neuartiger Reiz rufe zunächst einen Spannungszustand hervor. Die häufige Darbietung führe dazu, dass sich eine Gewohnheit bildet und die bestehende Spannung abgebaut werde.123

(3)  Interne menschliche Zustände und externe Merkmale der Persuasionssituation Auch Emotionen bzw. Gefühle als Komponenten des subjektiven Erlebens der Emotion können als Informationsquelle dienen, aus der eine Beeinflussung von Einstellungen resultieren kann124. Eine Möglichkeit, innere Einstellungen zu bilden und zu verändern, besteht darin, sich beim Zusammentreffen mit dem Einstellungsobjekt auf sein Gefühl zu verlassen125. Auch durch andere subjektive Erfahrungen werden Einstellungen beeinflusst. Beispielsweise führt die erlebte Leichtigkeit, mit der Erinnerungen wachgerufen oder Informationen verarbeitet werden können, zu einer positiveren oder negativeren Einstellung zum Einstellungsobjekt, je nachdem ob die Verarbeitungshandlung dem Menschen leicht oder schwer fällt.126 Man bezeichnet den Prozess, bei dem eigene Gefühle und andere subjektive Erfahrungen die Grundlage für Einstellungsurteile bilden, als heuristische Verarbeitung. Heuristiken sind einfache Regeln – der Mensch fragt sich etwa, was ihm sein Gefühl sagt.127 Nicht nur innere, sondern auch äußere Hinweisreize können im Hinblick auf Einstellungen bedeutsam sein128. Solche äußeren Hinweisreize sind beispielsweise die Länge einer Bot122 

Six/Schäfer, Einstellungsänderung, S. 98 f. Six/Schäfer, Einstellungsänderung, S. 99 f. 124  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 277 f. 125  Es ist allerdings mitunter schwierig, zwischen Gefühlen, die ein Einstellungsobjekt auslöst, und Gefühlen, die aus anderen Gründen empfunden werden, zu unterscheiden. Die Stimmung beeinflusst fast alle Urteile des Menschen, also auch Einstellungen, vgl. Mees, in: Schützeichel (Hrsg.), Emotionen und Sozialtheorie, S. 120; sowie Bohner, in: Stroebe/Jonas/ Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 278. Fußt die Stimmung aber auf Gefühlen, die nicht das Einstellungsobjekt ausgelöst hat, und wird die Aufmerksamkeit des Menschen darauf gerichtet, so kann dieser die gefällten Urteile korrigieren. Personen, die aufgrund schönen Wetters in guter Stimmung waren, bewerteten ihr Leben positiver als an regnerischen Tagen befragte Personen, die wegen des schlechten Wetters negativ gestimmt waren. Ließ man die Personen ihre Aufmerksamkeit zuerst auf das Wetter und dann auf die Zufriedenheit mit ihrem Leben richten, blieb zwar ihre Stimmung erhalten, die Urteile über die Lebenszufriedenheit wurden davon aber nicht mehr beeinflusst, vgl. Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 278. 126  Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 415 f.; Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 278. 127  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 279; Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 415 f. 128  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 278. 123 



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schaft oder die Eigenschaften des Kommunikators129. Der Mensch greift dann auf eine Heuristik zu, wenn er ein relevantes Hinweismerkmal, also einen inneren oder äußeren Hinweisreiz, wahrnimmt und wenn er eine anwendbare Heuristik aus dem Gedächtnis abrufen kann.130 Einfluss üben Heuristiken vor allem dann aus, wenn ein Mensch zu wenig motiviert ist bzw. über zu geringe Fähigkeiten verfügt, um sich auf andere, zeitintensivere Verarbeitungsformen einzulassen131. Die heuristische Verarbeitung ist danach vor allem dazu geeignet, affektiv basierte Einstellungen zu verändern. Werden wahrgenommene Botschaften anhand der Frage, inwieweit sie von anderen Menschen vertreten werden, auf ihre Plausibilität und Gewissheit überprüft, können aber auch kognitive Prozesse ablaufen132.

(4) Modelllernen Nach der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura133, die auch einen Einstellungserwerb erklären kann134, geht es beim Modelllernen135 nicht nur um den Erwerb neuer Verhaltensweisen durch Hinweisreize, die wie Reiz-Reaktionsverbindungen wirken136, also um Konditionierungsprozesse. Tatsächlich findet Lernen auch in solchen Situationen statt, wo es im Rahmen der traditionellen Konditionierungstheorien nicht vorhergesagt werden könnte, weil der Lernende keine aktive Reaktion gezeigt hat oder keinen greifbaren Verstärker erhalten hat. Allein aufgrund der Beobachtung fremden Verhaltens verhält sich der Beobachter später in ähnlicher Weise oder sieht hiervon ab.137 Beim Modelllernen macht sich der Mensch also seine Fähigkeiten zum Erinnern und zum Schlussfolgern zunutze138. Es spielt deshalb insbesondere beim Erwerb neuer und komplexerer Verhaltensweisen eine Rolle139. Der Aufbau bestimmter Einstellungen

129  Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 416; Menschen können etwa auf Heuristiken wie „Expertenaussagen treffen zu“ und „Die Mehrheit hat meistens Recht“ zurückgreifen. Dies führt regelmäßig dazu, dass sie eher mit Experten und Mehrheiten übereinstimmen als mit Laien und Minderheiten (Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone [Hrsg.], Sozialpsychologie, S. 279). 130  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 279. 131  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 279. 132  Grom, Religionspsychologie, S. 269 f.; ders. Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 92 f. 133  Vgl. dazu Bandura, Sozial-kognitive Lerntheorie, 1979. 134  Obwohl sie sich insbesondere für die Übernahme von motorischen, sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten interessiert, vgl. Grom, Religionspädagogische Psychologie, S. 253. 135  Dazu ausführlich Bandura, Sozial-kognitive Lerntheorie, S. 31 ff. 136  Grom, Religionspädagogische Psychologie, S. 253. 137  Gerrig, Psychologie, S. 232; Bandura, Sozial-kognitive Lerntheorie, S. 31. 138  Gerrig, Psychologie, S. 231 f.; Bandura, Sozial-kognitive Lerntheorie, S. 34 ff. 139  Mummendey/Otten in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 362.

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ist auf die Beobachtung und Nachahmung anderer Personen angewiesen140. Eine Einstellungsänderung ist deshalb auf diesem Weg ebenso möglich. Im Rahmen des Modelllernens können die Vorbildwirkungen, die von Modellpersonen ausgehen, dem Beobachter eine bestimmte Einstellung nahebringen141. Das kann dazu führen, dass der Beobachter die Einstellung der Modellperson übernimmt. Lernen am Modell bedeutet allerdings regelmäßig keine Totalidentifizierung mit einem Vorbild. Vielmehr bestimmt der Lernende häufig selbst anhand seiner Interessen, welcher Modellperson er welcher Kompetenz wegen seine Aufmerksamkeit schenkt142. Die soziale Umwelt eines Menschen kann allerdings die Auswahlmöglichkeiten eines Heranwachsenden durch ein einseitiges Angebot von Modellpersonen beschränken und bestimmte Einflüsse verstärken143. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass stark emotional geprägte Beziehungen zumindest aus objektiver Sicht eine freie Entscheidung für oder gegen ein Modell hemmen können. Als Modell werden vor allem Personen wahrgenommen, die wegen ihrer Freundlichkeit und Wärme, ihres Status und Ansehens, wegen der Konsequenz ihres Verhaltens – gleichem Handeln in ähnlichen Situationen – oder der Ähnlichkeit mit dem Beobachter – nach Alter, Geschlecht und Wertüberzeugung – geschätzt werden144. Je positiver das Verhältnis zwischen der Modellperson und dem Lernenden ausprägt ist, desto eher orientiert sich der Lernende an der Modellperson145. Das Modelllernen scheint sowohl zur Änderung affektiv basierter Einstellungen als auch zur Änderung kognitiv basierter Einstellungen geeignet: Eine von positiven oder negativen Emotionen geprägte Beziehung zwischen Modellperson und Beobachter dürfte eher dazu führen, dass der Beobachter entsprechende Emotionen gegenüber dem Einstellungsobjekt ausbildet. Der Beobachter kann allerdings dem Verhalten der Modellperson auch Informationen und Argumente entnehmen, und diese in seine Einstellungsprozesse einbeziehen. 140 

Grom, Religionspädagogische Psychologie, S. 252; vgl. auch Myers, Psychologie, S. 321 ff. 141  Grom, Religionspsychologie, S. 267; vgl. auch ders., Religionspädagogische Psychologie, S. 90 ff. 142  Werden Modelle etwa aufdringlich und moralisierend vorgestellt, ist die Darbietung in aller Regel wenig erfolgreich. Art und Bedeutung des Modelllernens wandeln sich zudem mit Alter und Entwicklung: Bei jüngeren Kindern ist die Erwartung, von Erwachsenen vieles Abschauen zu können, aufgrund des Kompetenzvorsprungs eher groß, während sich Jugendliche und Erwachsene eher in speziellen Bereichen für einen Anstoß empfänglich zeigen, der sie nachdenklich macht und ermutigt (Grom, Religionspädagogische Psychologie [2000], S. 90; vgl. auch Bandura, Sozial-kognitive Lerntheorie, S. 37 ff.). 143  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 90. 144  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 91; vgl. auch Bandura, Sozialkognitive Lerntheorie, S. 37 ff. 145 Vgl. Grom, Religionspsychologie (1992), S. 34.



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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(5)  Kognitive Reaktion Eine wichtige Rolle im Prozess der Einstellungsänderungen spielt nach dem Ansatz der kognitiven Reaktion das aktive Denken. Das aktive Denken ist insbesondere in Situationen entscheidend, in denen eine persuasive146 Botschaft übermittelt und deren Inhalt verarbeitet wird147. Nach dem Ansatz der kognitiven Reaktion setzen Menschen, denen eine persuasive Botschaft übermittelt wurde, deren Inhalt aktiv mit ihrem vorhandenen Wissen und ihrer Einstellung gegenüber dem Gegenstand der Botschaft in Beziehung.148 Dadurch generieren sie neue Gedanken – es kommt also zu „kognitiven Reaktionen“ –, die zustimmend, ablehnend oder neutral sein können. Über die kognitiven Reaktionen werden Einstellungsänderungen vermittelt: Je größer der Anteil zustimmender kognitiver Reaktionen ist, desto mehr ändert sich die Einstellung inhaltlich in Richtung der in der Botschaft vertretenen Position, bzw. bildet sich dahingehend aus149. Überdies lässt das Nachdenken über ein Einstellungsobjekt die auf das Objekt bezogenen Einstellungen häufig intensiver werden.150 Da bei der kognitiven Reaktion neue Informationen und vorhandenes Wissen zueinander in Beziehung gesetzt werden, eignet sich die kognitive Reaktion insbesondere dazu, kognitiv basierte Einstellungen zu ändern, die aus Kommunikationsprozessen – etwa dem Erhalt einer Botschaft – und der Verarbeitung von Fakten entstehen151.

(6)  Zwei-Prozess-Modelle der Persuasion Seit den Achtzigerjahren beruht ein Großteil der Persuasionsforschung auf dem Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit sowie dem heuristisch-systematischen Modell. Beide Modelle beinhalten Annahmen des Ansatzes der kognitiven Reaktion über die kognitiv aufwändige Verarbeitung, beschäftigen sich aber ebenso auch mit einer Form von Persuasion, die auf einer kognitiv 146 

Persuasion meint die Bildung und Änderung von Einstellungen, gewöhnlich in Reaktion auf Argumente bzw. auf andere Informationen, vgl. Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 276; Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 232. 147  Werden Einstellungen durch die Konditionierung verändert, spielt es hingegen keine Rolle, ob eine Botschaft übermittelt wurde, deren Inhalt verarbeitet werden könnte. 148  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 280 f.; vgl. auch Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 235 ff. 149 Vgl. Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 416. Die Autoren führen als Beispiel an, dass das Improvisieren einer Rede auf der Grundlage vorgegebener Argumente zu einer stärkeren Einstellungsänderung als das reine Lesen der Argumente führe. 150  Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 416. 151  Vgl. oben unter C. II.2.b).

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

weniger aufwändigen Verarbeitung beruht.152 Sie kombinieren daher zum Teil die bereits vorgestellten Prozesse. Nach dem Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit gibt es zwei Wege, auf denen persuasive Kommunikation zu einer Einstellungsänderung führen kann: Sind Menschen aus bestimmten Gründen motiviert, den Fakten in einer Botschaft Aufmerksamkeit zu schenken, sind sie am ehesten dann von der Botschaft zu überzeugen, wenn die in der Botschaft enthaltenen Fakten logisch und schlüssig sind. Bei entsprechender Motivation denken sie nämlich über den Inhalt der Botschaft nach, durchforsten die Argumente und Informationen und verarbeiten diese geistig. Sie reagieren also mit hohem kognitiven Aufwand. Dieser Weg wird als zentrale Route zur Überzeugung bezeichnet.153 Zum zweiten Weg, der peripheren Route der Überzeugung, gehören mehrere Mechanismen, die nur mit geringem Aufwand verbunden sind, wie Konditionierung, soziale Identifikation und auch die Verwendung von Heuristiken154: Ist das Publikum einer Botschaft nicht motiviert, den Fakten zu folgen, nimmt es oberflächliche Merkmale der Botschaft wahr, beispielsweise die Person des Vortragenden und die Länge der Botschaft. Anhand dieser Kriterien, also beispielsweise anhand der Sachkunde oder Attraktivität des Vortragenden, oder daran, ob es sich um eine lange oder kurze Botschaft handelt, wird das Publikum von der Botschaft überzeugt, sofern die entsprechenden Merkmale die Botschaft schlüssig erscheinen lassen.155 Die Fähigkeit, Fakten zu verarbeiten, und die darauf gerichtete Motivation bestimmen über die Elaborationswahrscheinlichkeit, das heißt darüber, ob Menschen eine Botschaft verarbeiten oder nicht. Je höher Motivation und Fähigkeit sind, desto öfter verarbeitet der Mensch Botschaften über die zentrale Route.156 Für die Motivationsstärke ist insbesondere entscheidend, wie relevant das Thema für den Betroffenen persönlich ist: Je relevanter das Thema ist, desto eher ist er

152  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 282; vgl. auch Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 237 ff. 153  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 226; Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 282; Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 240. 154  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 283; Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 240. 155  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 226. Aufgrund ihrer begrenzten Zeit und ihren begrenzten Ressourcen können Menschen nicht jede persuasive Botschaft, der sie ausgesetzt werden, bis in Detail verarbeiten. Periphere Prozesse stellen daher den Normalfall dar. Einstellungen, die nicht über die periphere, sondern über zentrale Route zustande gekommen sind, sind nach den Annahmen des ELM allerdings stabiler und widerstandsfähiger als die über die periphere Route entstandenen Einstellungen (Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone [Hrsg.], Sozialpsychologie, S. 283; Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone [Hrsg.], Sozialpsychologie [2014], S. 246 f.). 156  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 283; Aronson/ Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 227.



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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motiviert, sich mit den Fakten einer Botschaft auseinander zu setzen157. Eine Rolle spielt auch das sogenannte Kognitionsbedürfnis. Hierbei handelt es sich um ein bestimmtes Persönlichkeitsmerkmal, das beschreibt, wie viel und wie gerne Menschen über bestimmte Themen bzw. Probleme nachdenken. Menschen mit hohem Kognitionsbedürfnis tendieren bei der Konfrontation mit einer persuasiven Botschaft eher dazu, über den Inhalt der Botschaft nachzudenken, als Personen mit niedrigem Kognitionsbedürfnis.158 Das Heuristisch-systematische Modell (HSM) geht von einem kognitiv nicht aufwändigen heuristischen und einem aufwändigen systematischen Verarbeitungsmodus aus. Die systematische Verarbeitung erfordert ein hohes Maß an Motivation und Verarbeitungskapazität. Bei geringer Motivation und Verarbeitungskapazität überwiegt die heuristische Verarbeitung. Das HSM und das ELM weisen somit Ähnlichkeiten miteinander auf. Die heuristische Verarbeitung wird allerdings enger definiert als die periphere Route beim ELM: Sie besteht aus der Verwendung von Heuristiken. Sie ist nicht mit einem besonderen kognitiven Aufwand verbunden, sondern findet bereits statt, wenn ein heuristischer Hinweisreiz vorhanden ist.159

(7) Zusammenfassung Es lassen sich verschiedene Prozesse unterscheiden, die Einstellungsänderungen herbeiführen können und die durch die Symbolkonfrontation (mit-) verursacht werden könnten. Einige der Prozesse erfordern lediglich geringen kognitiven Aufwand. Hierunter fallen beispielsweise die operante und die klassische Konditionierung sowie regelmäßig auch der Mere-Exposure-Effekt.160 Andere Prozesse verlangen hingegen, dass der Mensch den Inhalt einer Botschaft verarbeitet und sich mit ihm kognitiv auseinandersetzt, etwa die kognitive Reaktion. Die Höhe des kognitiven Aufwands, den die Prozesse erfordern, entscheidet darüber, welche Art von Einstellung der jeweilige Prozess überhaupt oder jedenfalls am effektivsten verändern kann. Mitunter beeinflussen Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen seine Einstellungen bzw. deren Änderungen. Bestimmende Faktoren sind hier die Motivation und die Fähigkeit eines Menschen, Botschaften aufzunehmen und zu verarbeiten, sein Kogniti157  Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 227 f.; Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 287. 158  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 288; vgl. auch Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 242; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 227 f.; vgl. auch Bierhoff, Sozialpsychologie, S. 344; jeweils m. w. N. 159  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 288 ff.; vgl. auch Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 247 f. 160 Vgl. Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 277 ff.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

onsbedürfnis sowie auch die Stimmungslage zu dem Zeitpunkt, in dem der einstellungsändernde Prozess abläuft.

bb)  Übertragung der Erkenntnisse zur Einstellungsänderung auf die Symbolkonfrontation Eine Einstellungsänderung beruht, wie soeben gezeigt, auf komplexen Prozessen. Die reine Wahrnehmung eines Symbols bzw. das Erkennen der Konfrontationssituation reicht nach den bisherigen Erkenntnissen nicht aus, um eine Einstellung zu verändern. Die Konfrontationssituation wirkt nur einstellungsverändernd, soweit sie in die beschriebenen Prozesse, nach denen Einstellungen gebildet und verändert werden können, mit eingebunden werden kann. Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, ob sich die Symbolkonfrontation in die genannten Prozesse integrieren lässt. Da sich die Prozesse inhaltlich voneinander unterscheiden, erfolgt die Untersuchung der einzelnen Prozesse getrennt voneinander.

(1)  Kopplung von Konfrontationssituation und Umweltreiz als Voraussetzungen der Konditionierung In den Konditionierungsprozess können das Symbol bzw. die Konfrontationssituation auf zwei unterschiedliche Arten in den Konditionierungsprozess eingebunden werden: Einerseits kann ein aufgrund einer Vorprägung bereits emotionsauslösendes Symbol einen vorhandenen neutralen Reiz zu einem emotionsauslösenden Reiz verändern. Hierzu muss es mit dem zunächst neutralen Reiz gekoppelt werden, was insbesondere durch eine räumliche Nähe geschehen kann. Der dem Symbol gegenüber positiv eingestellte Betrachter kann in einem solchen Fall das durch das Symbol ausgelöste positive Empfinden auf den neutralen Reiz übertragen. Hierdurch entwickelt er eine positive Einstellung gegenüber dem neutralen Reiz. Beispielsweise fühlt er sich in einem Raum, in dem er die Symbolkonfrontation erlebt hat, fortan besonders wohl, weil ihm das Symbol vertraut ist und er diese Empfindung nunmehr mit dem Raum assoziiert161. Auch eine schon bestehende Voreinstellung etwa zu dem Raum kann sich auf diese Weise verändern, sich etwa von einer negativen zu einer positiven Einstellung wandeln. Ob es zu letzterem kommt, hängt allerdings davon ab, wie stark der von der negativen Voreinstellung gegenüber dem Raum ausgehende negative Reiz und der von der Symbolkonfrontation ausgehende positive Reiz im Vergleich zueinander sind.

161  Denkbar ist z. B. auch, dass der Symbolbetrachter einen Menschen, an dem er das Symbol erkennt, fortan besonders positiv bewertet.



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Andererseits  – und dieser Fall scheint hier besonders relevant  – kann ein Symbol, zu dem keine oder lediglich eine schwach ausgeprägte Einstellung besteht162, selbst zum positiv besetzten Reiz werden, wenn es in einen positiv empfundenen Kontext eingebettet wird. Ein Schüler, der sich während eines Unterrichts, der ihn positiv anspricht163, in einem Raum befindet, in dem ein Symbol hängt, kann etwa eine Assoziation zwischen den durch den Unterricht verursachten positiven Emotionen und dem Symbol erlernen164. Dadurch entsteht eine positive Einstellung gegenüber dem Symbol. Eine negative Einstellung gegenüber dem Symbol entsteht umgekehrt, wenn eine Assoziation zwischen dem Symbol und negativen Emotionen erlernt wird. Ein ähnlicher Prozess kann ablaufen, wenn ein Symbol Gegenstand bewertender Reaktionen anderer Menschen ist, die jeweils an positive oder negative Verstärkungen, wie Belohnungen und Bestrafungen, gekoppelt sind165. Dann liegt ein Fall der operanten Konditionierung vor. Die positiven oder negativen Verstärkungen wirken als Reize, die mit dem Symbol assoziiert und dadurch auf das Symbol übertragen werden. Beschäftigt sich ein Mensch interessiert mit einem Symbol, und wird dieses Interesse von einer außenstehenden Person belohnt oder bestraft, kann sich hieraus eine positive oder negative Einstellung dem Symbol gegenüber entwickeln166. Eine Konditionierung findet also nur statt, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind. Voraussetzung für eine Konditionierung ist eine enge räumlich-zeitliche Verbindung zwischen der Symbolkonfrontation und bestimmten Reizen bzw. an Verstärkungen gekoppelten Reaktionen167. Fehlt eine entsprechende Verbindung, findet eine Reizassoziation nicht statt. Erst wenn die Symbolkonfrontation in den speziellen Kontext eingebettet wird, der die Basis für eine Assoziation schafft, kann in ihrem Rahmen also eine Einstellungsänderung stattfinden168. Dabei bedarf es regelmäßig einer Wiederholung der gleichzeitigen Konfrontation zwischen der Symbolkonfrontation und dem 162  Etwa weil es dem Symbolbetrachter noch unbekannt ist oder der Betrachter ihm aus anderen Gründen indifferent gegenübersteht 163  Beispielsweise weil er dort Erfolgserlebnisse hat und sich entsprechend wohlfühlt. 164 Vgl. Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 99. 165 Vgl. Isensee, ZRP 1996, S. 14. 166  Auf Seiten des Belohnenden bzw. Bestrafenden wird man in diesem Fall aber regelmäßig gewisse erklärende Aussagen oder Gesten für notwendig halten müssen. Sonst kann unklar bleiben, ob tatsächlich die Einstellung zur symbolisierten Idee belohnt oder bestraft werden soll oder ob nur die Beschäftigung mit dem Symbol im aktuellen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang Gegenstand von Lob oder Tadel sein soll. Tadelt ein Lehrer einen Schüler, der dem Unterricht nicht aufmerksam folgt, weil er ein Symbol im Klassenraum betrachtet, ist für den Schüler regelmäßig erkennbar, dass es dem Lehrer nicht darum ging, die symbolisierte Idee abzuwerten, sondern nur darum, die Beschäftigung mit ihr zu dem jeweiligen Zeitpunkt zu kritisieren. 167  Bohner in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 277. 168  Vgl. dazu Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), S. 277 f.

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anderen Reiz. Ein einmaliges Zusammentreffen reicht nach den Erkenntnissen der Konditionierungstheorien häufig nicht aus.169 Zumeist begründen erst die Wiederholung oder das längere Andauern der Symbolkonfrontation damit eine Konditionierung. Diese Erkenntnis liegt auf der Linie des Bundesverfassungsgerichts, wenngleich das Gericht zumindest die Häufigkeit als wirkungsintensivierendes, nicht aber als wirkungsbegründendes Kriterium ansah170. Ist ein Symbol bereits positiv oder negativ emotional besetzt, also eine entsprechende Einstellung schon vorhanden, muss der von außen kommende Reiz eine gewisse Stärke aufweisen, um die Voreinstellung überhaupt verändern zu können. Das gilt sowohl bei der klassischen als auch bei der operanten Konditionierung, und zwar jedenfalls in den Fällen, in denen der äußere Reiz inhaltlich in eine andere Richtung weist als die Voreinstellung – der Reiz also etwa negativ besetzt ist, die Voreinstellung zum Symbol aber positiv. Ob der äußere Reiz stark genug ist, die Voreinstellung zum Symbol zu verändern, hängt von der Herkunft und der Stabilität der schon vorhandenen Einstellung zum Symbol ab. Insofern kann eine Prognose nicht generell, sondern nur bezogen auf den jeweiligen Einzelfall gestellt werden. Die ersten Experimente zur klassischen Konditionierung wurden von Pavlov an Hunden durchgeführt. Es ist heute weitgehend anerkannt, dass sich die dabei entdeckten Wirkungsmechanismen auch bei Menschen entfalten können171. Allerdings wurden die Hunde in den Experimenten gezielt mit den Reizen konfrontiert172. Das menschliche Alltagsleben unterscheidet sich selbstredend von einer solchen Versuchssituation. Damit es überhaupt zu einer Konditionierung kommen kann, muss das Symbol im Wege einer Orientierungsreaktion173 zunächst wahrgenommen und erkannt werden. Das Erkennen eines Symbols im Rahmen einer ersten Orientierungsreaktion erfordert im Vergleich zu der Wahrnehmung einfacher Gegenstände, wie sie bei Pavlovs Experimenten verwendet wurden, einen erhöhten kognitiven Aufwand. Ist ein Individuum verschiedensten Reizen ausgesetzt, wie beispielsweise ein Schüler während des Unterrichts im Klassenzimmer, wird überdies eine hinreichend enge räumlich-zeitlichen Verbindung zwischen dem Symbol und einem Reiz zumindest nicht dauerhaft bestehen, auch wenn sich das Symbol in räumlicher Nähe befindet. Der Schüler kann nicht sämtliche Reize gleichzeitig verarbeiten; überdies besteht die Möglichkeit, dass besonders starke Reize ihn von anderen schwächeren Reizen

169  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 277; vgl. auch Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 238. 170  Darauf deutet zumindest der Wortlaut des Beschlusses hin, vgl. BVerfGE 93, 1 (18). 171 Vgl. Myers, Psychologie, S. 298, wonach die klassische Konditionierung für praktisch alle Organismen eine Lernform darstellt. 172  Vgl. auch das oben in Fn. 112 geschilderte „Ed/George-Experiment“. 173 Vgl. Gerrig, Psychologie, S. 204.



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ablenken. Sind verschiedene Reize vorhanden, dürfte das die Wahrscheinlichkeit einer Konditionierung entsprechend senken.174 Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich mit Blick auf eine etwaige Grundrechtsrelevanz der Konditionierung die Frage, wie der Assoziationsprozess als innerer menschlicher Vorgang zu bewerten ist. Tragen innere menschliche Vorgänge (auch) zu einer Einstellungsänderung bei, kann das Zweifel daran begründen, dass die Einstellungsänderung dem Staat zurechenbar ist. Scheidet eine solche Zurechenbarkeit aus, dürfte ein Grundrechtseingriff ausscheiden. Hierauf wird noch einzugehen sein.

(2)  Geringe Bedeutung des Mere-Exposure-Effekts bei komplexen Einstellungen Nach dem Mere-Exposure-Effekt verbessert sich die Einstellung einer Person zu einem Reiz, wenn sie den Reiz mehrfach dargeboten bekommt175. Auf den ersten Blick bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Einstellung des Menschen zu einem Symbol unter solchen Umständen verbessert werden kann. Das gilt vor allem, weil sich mit dem Effekt sowohl Einstellungen gegenüber Objekten verbessern lassen, zu denen noch keine Voreinstellung besteht, als auch gegenüber Objekten, zu denen der Mensch bereits eine Haltung gebildet hat. Allerdings zeigten einige Experimente, dass bei anhaltender Darbietungsfrequenz der Reiz zwar zunächst besser, gegen Ende der Darbietung jedoch negativer bewertet wird. Wird der Mere-Exposure-Effekt durch die Beziehung zwischen Spannungsabbau und Gewohnheit erklärt, resultiert die negative Bewertung daraus, dass sich nach längerer Darbietung der Faktor Langeweile bemerkbar macht.176 Die andauernde Konfrontation mit einem Symbol, etwa bei einem Schüler in einem Unterrichtsraum, kann deshalb zwar zunächst eine positive Einstellung hervorrufen. Die positive Einstellung schwächt sich aber in der Folge der dauerhaften Konfrontation gegebenenfalls wieder ab und entwickelt sich zu einer negativen Einstellung. Als problematisch dürfte sich die Symbolkonfrontation deshalb vor allem für die Menschen darstellen, die der symbolisierten Idee an sich folgen möchten, aber durch die dauerhafte Konfrontation dem Risiko ausgesetzt würden, das Symbol irgendwann als langweilig zu empfinden.

174  Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Konditionierung kommt, wird demgegenüber regelmäßig höher sein, wenn beispielsweise der Lehrer bewusst darauf abzielt, bei den Schülern bestimmte Assoziationen hervorzurufen und die Umgebung bzw. sein Verhalten auf das Symbol ausrichtet. 175  Vgl. C. II.2.c)aa)(2). 176  Six/Schäfer, Einstellungsänderung, S. 99, die auch darlegen, dass zwischen der Gewohnheitsbildung und der Langeweile eine umgekehrt U-förmige Beziehung besteht.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

Insgesamt ist damit zwar nicht auszuschließen, dass sich eine Einstellung im Wege des Effekts verändert. Diese Einstellungen können aber instabil sein, was ihre grundrechtliche Relevanz gegebenenfalls abschwächt. Darüber hinaus ist fraglich, ob der Effekt überhaupt komplexe Einstellungen wie beispielsweise religiöse Einstellungen verändern kann, zumal selbst von der andauernden Konfrontation regelmäßig keine starken affektiven Reize ausgehen. Zumindest wenn eine gefestigte Voreinstellung vorhanden ist, die nicht durch den Effekt, sondern aufgrund anderer Prozesse entstanden ist, ist es unwahrscheinlich, dass dieser Fall eintritt. Das würde dem oben dargestellten Prinzip widersprechen, dass Einstellungen am effektivsten auf dem Weg geändert werden können, auf dem sie auch entstanden sind177 („Feuer mit Feuer bekämpfen“178). Ob der Mere-Exposure-Effekt im Alltag auftritt, hängt davon ab, ob der Mensch seine Aufmerksamkeit auf das Symbol richtet. Ein an der Wand hängendes Symbol wird dem Betrachter nicht wie im Rahmen eines Experiments direkt vorgehalten. Außerdem wird das Symbol im Alltag nicht in einem den Experimenten entsprechendem Darbietungssystem gezeigt  – bei den Experimenten wurden verschiedene Reize unterschiedlich häufig dargeboten; zudem folgten Darbietung und Bewertung nicht unmittelbar aufeinander.179 Insofern ist nicht auszuschließen, dass der Mensch, etwa weil er abgelenkt ist, das Symbol nicht wahrnimmt, obwohl die Möglichkeit hierzu besteht, oder aber dass der Effekt trotz Wahrnehmung des Symbols nicht auftritt, weil ein den Experimenten ähnliches Darbietungssystem nicht eingehalten wird. Auf verfassungsrechtlicher Ebene ist hiernach einerseits fraglich, ob ein solcher Vorgang überhaupt grundrechtlich relevant sein kann, soweit er nur zu einer kurzfristigen Änderung innerer Einstellungen führt. Andererseits ist – wie im Fall der Konditionierung – unklar, ob der Effekt tatsächlich eine dem Staat zurechenbare Grundrechtsverkürzung darstellen kann, weil der Einstellungsänderung innere menschliche Prozesse vorgeschaltet sind. Der Effekt regt diese Prozesse lediglich an; erst die Anregung führt dazu, dass sich die Einstellung ändert. Die bloße Wahrnehmung bewirkt hingegen noch keine Einstellungsänderung180. Auch hierauf wird noch einzugehen sein.

(3)  Geringe Ergiebigkeit der Grundsätze zur heuristischen Verarbeitung Die Orientierung an inneren Hinweisreizen, etwa an den beim Anblick des Symbols entstehenden Emotionen, dürfte eine Einstellungsänderung nur nach sich ziehen, wenn zum Objekt noch keine Voreinstellung besteht. Im Übrigen ist zweifelhaft, ob die beim Anblick empfundenen Gefühle tatsächlich kom177 

Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 233. Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 233. 179  Vgl. oben Fn. 117. 180  Eder, Mere-Exposure-Effekt, S. 43. 178 



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plexe Einstellungen verändern können. Insoweit kann auf die Ausführungen zum Mere-Exposure-Effekt verwiesen werden. Äußere Hinweisreize ergeben sich grundsätzlich aus der Länge einer übermittelten Botschaft oder aus der Person des Kommunikators181. Dementsprechend können sie im Fall der Symbolkonfrontation nur insoweit auftreten, als in deren Rahmen eine Botschaft übermittelt wird.

(a)  Der interpretationsabhängige appellative Charakter von Symbolen als möglicher Ausgangspunkt einer Botschaftsübermittlung Das Bundesverfassungsgericht hat dem Kreuz bzw. Kruzifix im Kruzifixbeschluss einen „appellativen Charakter“ zugesprochen182. Unter einem Appell wird ein Aufruf, eine auffordernde, aufrüttelnde Mahnung verstanden183. Wiesen Symbole einen appellativen Charakter auf, müssten sie sich aktiv an den Symbolbetrachter wenden und ihn dazu aufrufen und ermahnen, der symbolisierten Idee zu folgen. Da ein sprachlicher Kommunikationsprozess zwischen Symbol und Symbolbetrachter allerdings nicht in Betracht kommt, kann eine den Aufruf beinhaltende Kommunikation zwischen Symbol und Betrachter nur im Zuge der Interpretation des Symbols stattfinden. Der Symbolbetrachter kann das Symbol so verstehen, dass es eine bestimmte Botschaft enthält, etwa die Aufforderung, der symbolisierten Idee zu folgen bzw. eine positive Einstellung ihr gegenüber zu entwickeln. Er kann das Symbol aber auch passiv deuten, das heißt lediglich als Hinweis darauf, dass bestimmte religiöse Ideen existieren. Ob dem Symbol ein appellativer Charakter entnommen werden kann, hängt also allein davon ab, wie der Betrachter das Symbol interpretiert184. Symbolen ist deshalb nicht generell ein appellativer Charakter zuzusprechen185. Allerdings ist denkbar, dass einzelne Menschen oder auch größere Bevölkerungsteile bestimmte Symbole als appellativ interpretieren und diesen Symbolen insoweit ein appellativer Charakter zukommt. Soweit es für die Grundrechtsrelevanz der Symbolkonfrontation (auch) auf das subjektive Empfinden des Einzelnen ankommt, wäre eine entsprechende Interpretation im Einzelfall zu berücksichtigen. Kann dem Symbol hiernach ein appellativer Charakter entnommen werden, stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein solcher Charakter eine 181 

Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 416; Menschen können etwa auf Heuristiken wie „Expertenaussagen treffen zu“ und „Die Mehrheit hat meistens Recht“ zurückgreifen. Dies führt regelmäßig dazu, dass sie eher mit Experten und Mehrheiten übereinstimmen als mit Laien und Minderheiten (Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone [Hrsg.], Sozialpsychologie, S. 279). 182  BVerfGE 93, 1 (20); vgl. auch die abweichende Meinung zu BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1371). 183  http://www.duden.de/rechtschreibung/Appell. 184 Vgl. Isensee, ZRP 1996, S. 14; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 41. 185  Vgl. schon oben Kapitel B.

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Einstellungsänderung beim Menschen verursachen kann. Unabhängig davon ist aber an dieser Stelle schon festzuhalten, dass der Symbolbetrachter augenscheinlich eine gewichtige Ursache einer eventuellen Einstellungsänderung selbst setzt, indem er das Symbol als appellativ interpretiert.

(b)  Einstellungsänderung durch heuristische Verarbeitung des Appels nur begrenzt möglich Äußere Hinweisreize einer übermittelten Botschaft – beispielsweise die Botschaftslänge – eignen sich im Fall der Symbolkonfrontation nur sehr begrenzt zur Erklärung von Einstellungsänderungen. Bei Botschaften, die durch Symbole transportiert werden, wird dem Symbolbetrachter keine zeitlich messbare Botschaft vorgetragen, so dass er sich nicht an deren Länge orientieren kann. Möglich wäre es allenfalls, einen menschlichen Symbolträger als Botschaftsüberbringer anzusehen. Dessen Person und die Beziehung zwischen Symbolträger und Symbolbetrachter können als Heuristiken fungieren.186

(4)  Die Vorbildperson als zur Konfrontationssituation hinzutretende Voraussetzung des Modelllernens Trägt ein Mensch ein Symbol und ahmt ein anderer ihn darin nach, ist das nicht zwangsläufig als Zeichen dafür zu verstehen, dass sich auf Seiten des Nachahmenden eine innere Einstellung verändert hat. Dass ein Mensch einen anderen Menschen in seinem Äußeren nachahmt, kann auch andere Gründe haben  – beispielsweise modischer Art. Ob der Symbolbetrachter tatsächlich eine Einstellung der vermeintlichen Vorbildperson übernimmt, hängt von zwei Faktoren ab: Erstens muss er das Symbol, das die Vorbildperson trägt, als Ausdruck ihrer Einstellung verstehen. Trägt ein Mensch ein Symbol am Körper, deutet das regelmäßig darauf hin, dass er der symbolisierten Idee zustimmend gegenübersteht. Gleiches gilt, wenn er durch Gesten oder Äußerungen eine besondere Verbindung zum Symbol deutlich macht187. Zweitens muss der Symbolbetrachter die Einstellung der Vorbildperson für erstrebenswert erachten. Erst dann wird er die Einstellung der Modellperson übernehmen. Einstellungen der Modellperson erscheinen häufig dann erstrebenswert, wenn der Symbolbetrachter sich mit der Modellperson emotional positiv verbunden fühlt oder wenn der Symbolbetrachter den Eindruck erhält, die Einstellung wirke für die 186  Ähnliches wurde bereits bei den Ausführungen zur Konditionierung und insbesondere zum Modelllernen festgestellt. 187  In diesem Zusammenhang sind auch die Fälle zu erwähnen, in denen das Symbol als einer staatlichen Institution, etwa der Schule, zugehörig erkannt wird. Auch dem Staat kann eine Autoritäts- bzw. Vorbildfunktion zugesprochen werden (vgl. Vollrath, Religiöse Symbole, S. 28).



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Modellperson befriedigend oder haltgebend188. Gewinnt der Symbolbetrachter hingegen den Eindruck, die Einstellung belaste die Vorbildperson besonders, kann ihn das davon abhalten, die Einstellung zu übernehmen189.190 Vergleichbare Schwierigkeiten wie bei der Konditionierung und dem MereExposure-Effekt können sich ergeben, wenn prognostiziert werden soll, ob in bestimmten Alltagssituationen ein Modelllernen stattfindet: Trägt etwa eine Grundschullehrerin ein Symbol, das als Zeichen einer bestimmten Einstellung gedeutet werden kann, ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der (pädagogisch gewünschten) emotionalen Bindung die Einstellungen ihrer Schüler beeinflusst werden191. Die kausale Zuordnung einer geänderten Einstellung des Schülers wird allerdings dadurch erschwert, dass die Schüler nicht nur mit ihrer Lehrerin agieren, sondern auch mit einem größeren sozialen Umfeld, wobei ihren Eltern im Kontext des Modelllernens regelmäßig eine besondere Rolle zukommt192. Wahrscheinlich ist, dass sich ein Kind zunächst an der Person orientiert, mit der es sich emotional besonders verbunden fühlt193. Mit zunehmender geistiger Reife wird es sein soziales Umfeld weniger als Vorbild und stärker als Informationsquelle nutzen, um herauszufinden, welche Positionen in bestimmten Fragen vertreten werden können und welche davon ihm selbst zusagen194. Schwierigkeiten bei der kausalen Zuordnung ergeben sich auch, wenn der der Symbolbetrachter selbst schon eine Einstellung zu der symbolisierten Idee entwickelt hat. Auch in diesem Fall kann die Intensität der Beziehung zu der jeweiligen Modellperson jedoch verstärkend wirken: Bloße Sympathie wird eine gefestigte Einstellung kaum verändern können, eine nicht gefestigte Einstellung umgekehrt aber häufig dem Druck einer starken emotionalen Bindung nicht standhalten können. Eine wenig gefestigte Einstellung und intensive emotionale Beziehungen zur Modellperson stellen sich damit als tendenziell förderliche Faktoren für das Modelllernen dar. Ob eine Einstellungsänderung stattfinden kann, muss aber im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Dabei ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, wie die Beziehung von Symbolbetrachter und Modellperson ausgeprägt ist und wie sich das soziale Gefüge darstellt, in dem der Symbolbetrachter steht. Das Modelllernen erfordert im Vergleich zur Konditionierung einen höheren kognitiven Aufwand auf Seiten des Symbolbetrachters. Ein von der Modellperson getragenes Symbol transportiert zunächst lediglich deren Einstellung nach außen. Das eigentliche Modelllernen und damit die Einstellungsänderung 188 

Grom, Religionspsychologie, S. 267. Grom, Religionspsychologie, S. 267. 190  Vgl. dazu C. II.2.c)aa)(4). 191  BVerfGE 108, 282 (330). 192  BVerfGE 108, 282 (331). 193  Vgl. BAG, NZA-RR 2011, 162 (164). 194  Vgl. auch Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 90. 189 

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resultieren daraus, dass der Symbolbetrachter die Einstellung der Vorbildperson für sich selbst bewertet. Die Symbolkonfrontation liefert mithin einen Hinweis auf die Einstellung, verursacht die Einstellungsänderung jedoch nicht allein. Das ist bei der verfassungsrechtlichen Bewertung des Modelllernens zu berücksichtigen.

(5)  Aktives und eigengesteuertes Denken als Voraussetzung der kognitiven Reaktion Die kognitive Reaktion erklärt, wie Einstellungen durch übermittelte Informationen geändert werden können. Informationen werden auch während der Symbolkonfrontation übermittelt: Indem der Symbolbetrachter das Symbol interpretiert, entnimmt er ihm Informationen. Mit solchen Informationen  – unter Umständen in Form einer appellativen Botschaft  – wird er sich regelmäßig gedanklich auseinandersetzen, wodurch es zu einer kognitiven Reaktion kommen kann195: Er denkt dann aktiv über die Information bzw. über die Botschaft nach, sucht gegebenenfalls Argumente, die die in der Botschaft enthaltene Aussage stützen oder gegen sie sprechen, und wägt die Argumente gegeneinander ab, setzt also die dem Symbol entnommenen Informationen in Beziehung zu seinem eigenen Werte- und Vorstellungssystem. Gelangt er gedanklich zu dem Ergebnis, dass ihn eine symbolisierte Botschaft überzeugt, verändert sich seine innere Einstellung entsprechend. Argumente, die im Rahmen einer solchen kognitiven Reaktion entstehen, sind aber regelmäßig nicht in der von dem Symbol ausgehenden Botschaft selbst enthalten und fließen folglich nicht von außen in den Einstellungsänderungsprozess ein. Der Mensch generiert die Argumente, die für oder gegen die Botschaft sprechen, vielmehr regelmäßig selbst, in dem er das Symbol interpretiert. Das Symbol betreibt also keine Eigenwerbung. Die Häufigkeit, mit der ein Symbol und damit unter Umständen eine von ihm transportierte Botschaft wahrgenommen werden, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts für eine besondere Intensität der Symbolwirkung sorgt196, kann mit der Wahrscheinlichkeit einer kognitiven Reaktion korrelieren. Bei längerer Konfrontationszeit dürfte die Wahrscheinlichkeit höher sein, dass der Mensch irgendwann seine Aufmerksamkeit bewusst auf das Symbol richtet, anders als bei einem nur flüchtigen Zusammentreffen197. Häufiges Nachdenken über ein Symbol und dessen Appell muss aber nicht dazu führen, dass sich der Appell schließlich in Form einer geänderten Einstellung durchsetzt. Sprechen nach Ansicht des Symbolbetrachters die besseren Argumente dafür, dem Appell 195 

Oben C. II.2.c)aa)(5). Vgl. BVerfGE 93, 1 (18); so auch Heckmann, JZ 1996, 880 (883). 197  Freilich kann es zu einer solchen auch schon beim ersten Zusammentreffen mit dem Symbol kommen. 196 



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nicht zu folgen, wird auch ein häufiges Nachdenken keine Einstellungsänderung nach sich ziehen. Vielmehr kann sich eine schon vorhandene Einstellung durch mehrmaliges intensives Nachdenken sogar intensivieren, anstatt sich zu verändern198. Auch eine fehlende Ausweichmöglichkeit vor dem Symbol, wie sie im Kruzifixbeschluss betont wurde, führt deshalb nicht zwangsläufig dazu, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Einstellungsänderung erhöht. Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht umfassend gefolgt werden, soweit eine kognitive Reaktion in Rede steht.199 Nach allem wirkt die Symbolkonfrontation auch dann nicht direkt auf innere Einstellungen des Menschen ein, wenn ihr ein appellativer Charakter zukommt. Die Einstellungsänderung stellt sich vielmehr lediglich als direkter Ausfluss innerer menschlicher Vorgänge dar. Die Betrachtung eines Symbols im Wege der Symbolkonfrontation löst eine gedankliche Reflexion über die durch es vermittelten Inhalte aus200, die Symbolkonfrontation liefert einen Denkanstoß201. Die Denkprozesse, auf die die Konfrontationssituation dergestalt einwirkt, dass sie sie anstößt, werden selbst zusätzlich auch durch andere Faktoren beeinflusst. Welche Argumente der Mensch beispielsweise im Wege der kognitiven Reaktion generiert, hängt auch von seiner Persönlichkeit, seinen Erfahrungen und seinen sonstigen Einstellungen ab202. Das gilt entsprechend auch für das Resultat der Denkprozesse. Die Symbolkonfrontation wirkt folglich an der Änderung innerer Einstellungen des Menschen lediglich mit. Ob die staatlich zurechenbare Symbolkonfrontation einen Grundrechtseingriff begründen kann, wenn sie lediglich einen Denkanstoß gibt, dessen Resultate auch von anderen Faktoren beeinflusst werden, wird zu prüfen sein. Die herausragende Rolle der Person des Symbolbetrachters im Rahmen der Einstellungsänderungsprozesse lässt jedenfalls Zweifel daran entstehen.

cc)  Änderung religiöser Einstellungen als Produkt der Konfrontation mit religiösen Symbolen Für die hiesige Problemstellung besonders bedeutsam ist die Frage, ob die Symbolkonfrontation dazu beitragen kann, dass sich religiöse Einstellungen des Menschen verändern, ob sie also eine missionierende Wirkung entfalten 198 

Siehe oben dazu C. II.2.c)aa)(5). Ein häufiges Zusammentreffen mit einem unbekannten Symbol könnte allerdings Neugier bei dem Symbolbetrachter erwecken. Die Neugier kann dazu führen, dass er sich mit dem Symbol beschäftigt, nachforscht und Informationen einholt, und sich schließlich eine Einstellung zur symbolisierten Idee bildet. 200  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 144 f. 201 Nach Geis ist dies auch gerade der Zweck eines Symbols (Geis, in: Schlögl/Giesen/ Osterhammel [Hrsg.], Die Wirklichkeit der Symbole, S. 442). 202  Beispielsweise werden sich die Einstellungen eines Menschen, die ähnliche bzw. sich überschneidende Themengebiete betreffen, im Regelfall nicht widersprechen. 199 

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kann. Hiervon wäre auszugehen, wenn die Symbolkonfrontation daran mitwirkt, dass sich der religiöse Glaube eines Menschen oder eine a- oder anti-religiösen Einstellung verändert oder neu bildet. Die bisherigen Erkenntnisse zur Einstellungsänderung durch die Symbolkonfrontation lassen sich aber nur auf die Situation religiöser Symbole übertragen, wenn der Glaube bzw. a- oder antireligiöse Überzeugungen tatsächlich als innere Einstellungen zu verstehen sind.

(1)  Der religiöse Glaube als innere Einstellung Der Glaube wird begrifflich im Grundgesetz, insbesondere in Art. 4 Abs. 1 GG erwähnt. Für eine Definition des Glaubensbegriffs liegt es nahe, zunächst die verfassungsrechtlichen Ausgangspunkte zu betrachten. Schließlich soll die inhaltliche Bestimmung dazu dienen, die Grundrechtsrelevanz der Konfrontationssituation festzustellen. Sie muss deshalb mit einem eventuellen verfassungsrechtlichen Glaubensverständnis kompatibel sein. Schnell zeigt sich aber das Problem, dass es sich beim Glauben nicht nur um einen Begriff des Verfassungsrechts, sondern auch um ein außerrechtliches, dem Verfassungsrecht vorgelagertes Phänomen handelt. Der Glaube wird nicht durch die Verfassung geschaffen, vielmehr handelt es sich bei ihm um eine gesellschaftliche Erscheinung.203 Der Rechtsbegriff des Glaubens führt insofern ein Eigenleben204. In der Konsequenz mag der Glaube zwar juristisch beschreibbar sein und auch beschreibbar sein müssen, wenn er als Schutzgut bzw. als Teil eines Schutzguts handhabbar sein soll205. Was den Glauben inhaltlich charakterisiert, wie er entsteht und wie er sich verändert, kann allerdings nur mithilfe der Forschungsergebnisse anderer wissenschaftlicher Fachrichtungen bestimmt werden, die sich mit der psychischen Dimension von Religion und mit menschlichem Denken in religiösen Fragen beschäftigen, das heißt mit religionspsychologischen, religionspädagogischen, religionswissenschaftlichen, sozialpsychologischen und philosophischen Erkenntnissen. Gleiches gilt für die Frage, inwieweit die Symbolkonfrontation in die Entstehungs- oder Veränderungsprozesse des Glaubens mit eingebunden werden und damit im Ergebnis missionierend wirken kann. Ist der Glaube danach inhaltlich bestimmt, ist zu klären, ob das Grundgesetz ein derartiges Verständnis des Glaubens inhaltlich zulässt oder ob es in dieser Hinsicht Grenzen aufzeigt.

203 

Mückl, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 4, Rn. 71. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 122. 205 Vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 16; Mückl, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 4, Rn. 71: „Was sich nicht beschreiben lässt, lässt sich auch nicht schützen.“ 204 



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(a)  Glaubensbegriff aus der Sicht der Psychologie und Soziologie bzw. verwandter Wissenschaften Da es schwierig sein kann, die genannten Fachrichtungen – Religionspsychologie, Religionspädagogik, Religionswissenschaften, Sozialpsychologie und Philosophie – trennscharf voneinander abzugrenzen, eine genaue Abgrenzung sich für die hier zu untersuchende Frage aber auch als nicht weiterführend erweist, weil der Gesamtcharakter des Glaubens zu bestimmen ist, werden die Ansätze hier einheitlich dargestellt und auf eine Einteilung nach unterschiedlichen Fachrichtungen verzichtet. Der Glaube wird in den genannten Fachrichtungen häufig als Einstellung bzw. als Haltung bezeichnet206 bzw. im Sinne des Einstellungskonzepts beschrieben207. Der Theologe Fowler, der sich auch mit der Glaubensentwicklung beschäftigte208, sieht etwa den Glauben aus den Begriffen „belief“ und „faith“ zusammengesetzt. Dabei stehe der Begriff „belief“ für das Für-wahr-Halten von Inhalten und stelle eine rein kognitive Größe dar, während der Begriff „faith“ die affektive Seite des Glaubens enthalte209. Glaube zeichnet sich nach Fowler also nicht nur dadurch aus, dass bestimmte Inhalte für wahr gehalten werden, sondern auch dadurch, dass er mit bestimmten Emotionen verbunden ist und bestimmte Gefühle bei Menschen verursacht. Grom widmet sich in seinem Werk zur Religionspsychologie der Frage, ob der Glaube bzw. die Religiosität sowohl emotions- als auch kognitionsbestimmt sind210. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass Glaube bzw. Religiosität in beiden Prozessen verwurzelt sein kann211. Einige Menschen behalten nach Grom ihren Glauben zwar ausschließlich um des emotionalen Gewinns willen und unterdrücken Zweifel212, anderen legen wiederum großen Wert darauf, ihren Glauben kognitiv abzustützen213. Ähnlich argumentiert der Religionsphilosoph Tilghman: Beim Gottesglauben handle es sich um eine umfassende Einstellung gegenüber der Welt, die nicht mit einer Meinung oder einem Fürwahrhalten von Aussagen verwechselt werden dürfe. Ein Urteil werde in diesem Bereich weniger auf Beweise und Argumente als vielmehr auf unwägbare Indizien gestützt, ähnlich wie es im Bereich der 206 

Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 289, vgl. auch S. 284. Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 289 m. N. 208  Vgl. etwa Fowler, Stufen des Glaubens, 1991. 209  Fowler, Stufen des Glaubens, S. 27; ders. Glaubensentwicklung, S. 81; vgl. die Darstellung bei Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 118 ff. 210  Grom, Religionspsychologie, S. 146 ff.: „Nur emotions- oder auch kognitionsbestimmt?“. 211  Grom, Religionspsychologie, S. 147; für die die Religiosität wurde bereits oben festgestellt, dass sie sowohl aus kognitiven wie auch aus affektiven (sowie behavioralen) Komponenten besteht. 212  Grom, Religionspsychologie, S. 147, der hier das Beispiel einer Frau anführt, die sagte, sie würde sich „lieber zu Tode hoffen, als Gott aufzugeben“. 213  Grom, Religionspsychologie, S. 147, vgl. auch S. 146. 207 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

zwischenmenschlichen Beziehungen der Fall sei.214 Auch Wiegand gelangt nach theologischen, religionswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Überlegungen zum Modell der sozialen Einstellung als Modell der religiösen Entwicklung215. Er legt dar, dass sich im Glauben eine kognitive, eine affektive und eine behaviorale Komponente wiederfinden216. Soweit sich Glauben und Religiosität gleichsetzen lassen  – wovon nach Wiegand viele Autoren ausgehen217 – stützen auch die Aussagen, nach denen Religiosität eine Einstellung darstellt, die These vom Glauben als Einstellung. Dafür, den Glauben als Einstellung zu verstehen, lassen sich dann auch die Ausführungen von Oerter heranziehen. Oerter schildert in seinem Werk zur Entwicklungspsychologie die Entwicklung der religiösen Gesinnung als Entwicklung von Einstellungen218. Die Religiosität sieht er, wie Haltungen bzw. Einstellungen allgemein219 aus einer kognitiven, einer affektiven und einer Handlungskomponente zusammengesetzt220. Zu erwähnen sind in diesen Zusammenhang auch die Ausführungen von Fraas. Fraas beschreibt die religiöse Erziehung  – die grundsätzlich mit der Intention erfolgen wird, Glaube oder Religiosität zu wecken – als Konditionierung spezifischer Haltungen. Die religiösen Haltungen bestehen seiner Ansicht nach ebenfalls aus einer kognitiven, einer affektiven und einer Handlungskomponente.221 Der Verhaltenskomponente von Glaube bzw. Religiosität können religiöse Bräuche und Gewohnheiten wie Gebete zugeordnet werden222. Die affektive Komponente umfasst religiös-emotionales Erleben. Dieses Erleben schließt die gesamte Bandbreite menschlicher Gefühlslagen ein223; alltägliche Gefühle werden durch ihre Bezogenheit auf Gott zu religiös relevanten Gefühlen.224 Bei der Entstehung der affektiven Komponente werden also an sich neutrale Emotionen an religiöses Handeln gebunden und dadurch auf eine religiöse Vorstellungswelt hin gedeutet225. Die kognitive Komponente des Glaubens beinhaltet das 214  Tilghman, in: International Journal for Philosophy of Religion, 1998, 17 (21); vgl. auch Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 121. 215  Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 273. 216  Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 119, 135 m. Fn. 4. 217  Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 136, der selbst allerdings Differenzierungsmöglichkeiten sieht, die jedoch nicht darin bestehen sollen, dass eines der beiden Phänomene als Einstellung zu verstehen sei, das andere jedoch nicht. 218  Oerter, Entwicklungspsychologie, S. 287 ff. 219  Oerter, Entwicklungspsychologie, S. 233. Oerter benutzt den Begriff „Haltung“ für „Einstellung“. 220  Oerter, Entwicklungspsychologie, S. 288. 221 Vgl. Fraas, Religiöse Erziehung, S. 124 ff. 222  Oerter, Entwicklungspsychologie, S. 288. 223  Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 299; Oerter, Entwicklungspsychologie, S. 288. 224  Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 299. 225  Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 299 ff.



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handlungsleitende Wissen und Denken226. Sie ermöglicht es, Distanz zu gewinnen, sich den Sozialisationsprozess, in dessen Rahmen Religiosität und Glaube entstehen227, bewusst zu machen und kritisch aufzuarbeiten228. Die Untersuchung religionspsychologischer, religionspädagogischer, religionswissenschaftlicher, sozialpsychologischer und philosophischer Literatur ergibt mithin, dass der religiöse Glaube als innere Einstellung, wie sie die soziologische Forschung kennt229, verstanden werden kann. In der Konsequenz dürften sich die dort beschriebenen Prozesse zur Einstellungsänderung als auf den Glauben anwendbar darstellen, was eine missionierende Wirkung der Symbolkonfrontation möglich erscheinen lässt230.

(b)  Glaubensbegriff in der Theologie Bislang wurde der Glaube schwerpunktmäßig als psychisch-geistiger Prozess untersucht. Eine Begriffsbestimmung, die aus theologischer Sicht nicht nachzuvollziehen ist, läuft allerdings in praktischer Hinsicht Gefahr, nicht akzeptiert zu werden. Das wiederum ist problematisch, wenn der Glaubensbegriff für rechtliche Entscheidungen bedeutsam ist, also etwa in Fällen, in denen Schutz vor einer vermeintlichen Glaubensbeeinflussung gesucht wird. Deshalb soll hier untersucht werden, ob aus theologischer Sicht ein Widerspruch zu den bisherigen Erkenntnissen besteht. Um die Untersuchung in einem angemessenen räumlichen Umfang zu halten, beschränkt sich die Arbeit allerdings auf Literatur zur christlichen Theologie. Auch in theologischen Werken wird der Glaube als Einstellung verstanden: Ratzinger fragt etwa in seinem Werk „Einführung in das Christentum“, „was für eine Einstellung überhaupt damit gemeint ist, wenn christliche Existenz sich zunächst einmal im Wort ‚Credo‘ ausdrückt und damit – was keineswegs selbstverständlich ist – den Kern des Christlichen darin bestimmt, dass es ein ‚Glaube‘ sei.“231. Aus fundamentaltheologischer Sicht232 beschreibt Loichinger den Glauben als eine „Gesamthaltung (…), die wir der Welt und unserem eigenen Leben gegenüber einnehmen“233. Auch Schäfer legt dar, dass der Glaube aus theologischer  – und auch aus soziologischer Sicht  – als Einstellung ver226 

Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 309. Dazu noch später C. II.2.c)cc)(3)(a). 228 Vgl. Fraas, Religiöse Erziehung, S. 165. 229  Dazu II.2. 230  Dazu sogleich C. II.2.c)cc)(3). 231  Ratzinger, Einführung in das Christentum, S. 25.; vgl. auch Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 120 m. Fn. 44. 232  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 120, Fn. 45. 233  Loichinger, Ist der Glaube vernünftig?, Bd. I, S. 378, vgl. auch die Ausführungen zu kognitiven und Glaubensinhalten und zu den emotionalen Gehalten des Glaubens (S. 380 ff. sowie 386 ff.); vgl. überdies Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 120, Fn. 45. 227 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

standen werden kann234. Aus der Zeit der altlutherischen Orthodoxie stammt die Unterscheidung zwischen notitia, assensus und fiducia als Elemente des Glaubens. Notitia credendorum meint die Zurkenntnisnahme der Glaubensinhalte, ihre Wahrnehmung und Benennung sowie ihr Verstehen; assensus i. e. judicum intellectus approbans meint die Zustimmung zu den Glaubensinhalten, die Prüfung und Anerkennung als dem eigenen Wahrheitsbewusstsein entsprechend und damit verbunden die Auskunftsfähigkeit über den eigenen Glauben; fiducia, actus eiusmodi, quo voluntas acquiescit in Christo mediatore meint den Akt des Sich-Anvertrauens, des Zur-Ruhe-Kommens des Willens in Christus.235 Auch die verschiedenen Elemente dieser Beschreibung des Glaubens lassen sich zumindest zwei der drei Komponenten einer Einstellung zuordnen. Notitia und assensus können dem Verstand zugeordnet werden236 und deuten auf eine kognitive Komponente des Glaubens hin. In fiducia, dem Akt des Sich-Anvertrauens237, wird die emotionale Komponente deutlich. Beim Vertrauen handelt es sich um eine emotionale Grundtendenz238. Auch aus theologischer Sicher weist der Glaube mithin die Kriterien auf, die die sozialpsychologische Forschung als charakteristisch für innere Einstellungen betrachtet. Zu den religionspsychologischen, religionspädagogischen, sozialpsychologischen und philosophischen Begriffsbestimmungen besteht folglich insoweit kein Widerspruch.

(c)  Der Glaube in der verfassungsrechtlichen Literatur Der Begriff des Glaubens findet sich im Grundgesetz an verschiedenen Stellen. Den in Art. 4 Abs. 1 GG genannten Glauben versteht die verfassungsrechtliche Literatur als subjektive Überzeugung in Bezug auf eine Religion239, als subjektive Gewissheit von einer überweltlichen Macht, die in einer persönlichen oder unpersönlichen Gottheit oder in der Wirksamkeit einer überweltlichen Kausa234 

Schäfer, Praxis – Theologie – Religion, S. 29 ff.; ausführlich dazu Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 122: Schäfer liefere einen nicht nur soziologisch, sondern auch theologisch fundierten Entwurf, Glaube als Einstellung zu verstehen. Er gehe zwar nicht vom psychologisch geprägten Begriff der Einstellung aus, sondern von dem des Habitus, bei dem es sich aber um ein ähnliches Konstrukt wie eine Einstellung handele. Es handele sich in beiden Fällen um soziologisch erworbene Dispositionen, die Wahrnehmung und Denken strukturieren. Auch der Habitus weise affektive, kognitive und konative Komponenten auf. 235  Schröder, Religionspädagogik, S. 209. 236  Coors, Scriptura efficax, S. 295. 237  Vgl. auch Coors, Scriptura efficax, S. 295. 238  Wiegand, Religiöse Erziehung, S. 302. 239  Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 12; vgl. auch Muckel, Religiöse Freiheit, S. 139, ders. in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, Art. 4, Rn. 20; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 10 f.; Hellermann, Negative Seite der Freiheitsrechte, S. 140.



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lität bestehen könne240. Dieser Glaube kann von vernunftgemäßer Erkenntnis abgegrenzt werden, das Geoffenbarte sei nach christlichem Selbstverständnis für wahr zuhalten, ohne dass es im Licht der Vernunft vollständig durchschaut werden könnte241. Religiöser Glaube könne auf eine Bindung an Gott oder ein irgendwie geartetes höchstes Wesen gerichtet sein.242 Beim Glauben handele es sich also um eine innere Überzeugung, ein inneres Gedankensystem243, die Freiheit des Glaubens dürfte entsprechend die Freiheit der inneren Überzeugung244, die Freiheit der Gedanken in Fragen des Glaubens245 meinen. Ebenfalls erwähnt wird der Begriff des Glaubens in Art. 3 Abs. 3 GG, wonach niemand wegen seines Glaubens benachteiligt werden darf. Art. 3 Abs. 3 GG nennt als absolute Differenzierungsverbote neben dem Glauben auch „religiöse Anschauungen“. Möglicherweise besteht aus juristischer Sicht eine Tautologie zwischen den Begriffen Glauben und religiöse Anschauungen246. Überwiegend wird davon ausgegangen, beide Merkmale flössen juristisch ineinander und könnten nicht getrennt werden247. Selbst wenn dagegen Zweifel angemeldet werden248, wird in diesem Zusammenhang nicht in Frage gestellt, dass der Begriff des Glaubens innere Vorgänge, das heißt innere Überzeugungen umfasst249. Dass darüber hinaus Eingriffe in die negative Glaubensfreiheit in Drohungen und psychischen Eingriffen wie Hypnose, Narkoanalyse und Plauderdrogen250, in religiös oder antireligiös motivierter Manipulation und Suggestion251 gese240 

Preuß, in: AK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 14. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 10; Schwander, Von den Religionsdelikten, S. 73, führt aus, dass nicht nur der Glaube im Sinne der christlichen Bekenntnisse, sondern wohl der Glaube der meisten übrigen Religionen ein Offenbarungsglaube sei. 242  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 10. 243  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 10. 244  Vgl. die Nachw. von Fn. 239. 245  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 139. 246 Vgl. Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 303. 247  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 3, Rn. 402 m. w. N. 248  Hoffmann hingegen sieht in den „religiösen Anschauungen“ aufgrund deren systematischen Nähe zu den politischen Anschauungen solche Ideen, die sich mit der Ordnung der Gesellschaft befassen, ihren Ursprung aber in einer religiösen Überzeugung haben (Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 305). Er versteht – unter Hinweis auf die historische Genese des Art. 3 Abs. 3 GG – den Begriff des Glaubens zum einen als inneren Vorgang, der als Anknüpfungspunkt für eine Diskriminierung dienen könne, zum anderen aber auch als eine objektive Manifestation des inneren Vorgangs, die einen solchen Anknüpfungspunkt ebenfalls darstellen könne (S. 303). Der Begriff des Glaubens i. S. d. Art. 4 Abs. 1 GG müsse insofern enger verstanden werden als in Art. 3 Abs. 3 GG, weil Art. 4 Abs. 2 GG das Bekenntnis ausdrücklich nenne (ebd.). 249 Vgl. Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 307. 250  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 35; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 72. 251  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 139. 241 

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hen werden,252 verdeutlicht, dass es sich beim Glauben (auch) um einen geistig-psychisches Prozess handeln muss, da die beschriebenen Methoden gerade darauf abzielen, Geist bzw. Psyche des Menschen zu beeinflussen. Der verfassungsrechtlichen Literatur lässt sich somit ein Verständnis des Glaubens als geistiges Phänomen entnehmen, das aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzt ist: Der Glaube stellt sich danach als Produkt menschlicher Gedanken dar und lässt sich als Überzeugung und Gewissheit bezeichnen. Wer glaubt, hält bestimmte Dinge – etwa die Existenz Gottes – für wahr. Insbesondere die Begriffe Gewissheit und Überzeugung lassen darauf schließen, dass der Glauben – auch – als kognitiver Prozess anzusehen ist253. Dass neben dem Glauben aber auch das Bekenntnis und die Religionsausübung in Art. 4 GG geschützt werden bzw. dem Glaubensbegriff in Art. 3 Abs. 3 GG eine externe Komponente, also eine Manifestation nach außen, zugeordnet werden kann254, deutet zumindest darauf hin, dass schon das Grundgesetz vom Glauben offenbar annimmt, dass er zum Handeln führt bzw. sich im Handeln äußert. Es spricht dem Glauben damit eine Handlungskomponente zu. Wenn in der Literatur weiterhin betont wird, eine religiöse Überzeugung sei mit der personalen Identität des Menschen verknüpft und für ihn in besonderer Weise verbindlich, weil sie Fragen nach Herkunft und Ziel des Daseins, der Stellung des Menschen in der Welt und dem abstrakten Sinn des Lebens zum Gegenstand habe255, kann dies als Hinweis auf eine affektive Komponente des Glaubens verstanden werden. Die benannten Fragen sind zumindest regelmäßig mit Emotionen wie Freude und Zuversicht, aber auch mit Angst oder Verzweiflung, verbunden. Die Zusammensetzung aus einer kognitiven, einer behavioralen und einer affektiven Komponente ist, wie bereits beschrieben, charakteristisch für soziale Einstellungen, wie sie in der Sozialpsychologie beschrieben werden. Das Grundgesetz selbst und auch die verfassungsrechtliche Literatur schreiben dem Glauben folglich die Charakteristika zu, die inneren Einstellungen eigen sind. Der Befund zum Glaubensbegriff spricht also ebenfalls dafür, dass Glaube als Einstellung verstanden werden kann256. Er bildet die vorgestellten Forschungsergebnisse aus anderen Fachrichtungen damit ab. 252 

Vgl. auch Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art., Rn. 63; Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 130 f. 253  Die kognitive Komponente einer Einstellung besteht, wie oben unter C. II.2.a) m. Fn. 81 erwähnt, nach Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 83, aus Meinungen, Überzeugungen und Vorstellungen gegenüber einem Gegenstand. 254  Vgl. die Ansicht von Hoffmann, Fn. 248. 255  Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 12. 256 Vgl. dazu auch Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 138; Muckel, in Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 4 GG, Rn. 21; Hellermann, Negative Seite der Freiheitsrechte, S. 140 f.; vgl. i. Ü. für die ebenfalls durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Gewissensfreiheit Herdegen, Ge-



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(2)  A- bzw. anti-religiöse Haltungen als innere Einstellungen Auch a- bzw. anti-religiöse Haltungen, die inhaltlich in unterschiedlichster Weise ausgeprägt sein können, können sich als Einstellungen darstellen. Vorstellbar ist, dass auch solche Haltungen zumindest teilweise auf einer kognitiven Komponente beruhen – etwa in der Hinsicht, dass von der Existenz einer transzendenten Macht gerade nicht ausgegangen wird. Eine Haltung, die auf der kognitiven Ebene bestimmte Fakten und Erklärungen umfasst, wird häufig auch einen Bezug zu bestimmten emotionalen Grundtendenzen, etwa Vertrauen und Sicherheit, aufweisen. Diese Emotionen können die kognitive Komponente abstützen. Relevant kann die Natur a- und anti-religiöser Haltungen insbesondere in Fällen sein, in denen geltend gemacht wird, sie würden durch den Symbolkontakt verändert. Für die grundrechtliche Relevanz des Symbolkontakts spielt es allerdings nicht zwangsläufig eine Rolle, ob die a- bzw. anti-religiöse Haltung im Sinne einer Einstellung strukturiert ist. Verfügt der Mensch über eine a- bzw. anti-religiöse Einstellung und wird er einer religiösen ­ ildung eines religiösen Glaubens Missionierung ausgesetzt, so steht die (Neu­)B in Rede. Die Grundsätze zu Einstellungen bzw. zur Einstellungsentstehungen und -änderungen müssen entsprechend anwendbar sein. Gleiches gilt, wenn der umgekehrte Fall beklagt wird, der Mensch sich also Einflüssen ausgesetzt sieht, die ihm seinen bestehenden religiösen Glauben nehmen. In diesem Fall droht der vormals bestehende religiöse Glaube hin zu einer a- oder anti-religiösen Haltung verändert zu werden. Auch hier können die Grundsätze zur Einstellungsänderung herangezogen werden. In anderen Fällen ist es erforderlich, die in Rede stehende Haltung daraufhin zu untersuchen, ob sie sich in die drei für Einstellungen charakteristischen Komponenten ausdifferenzieren lässt  – die kognitive, die affektive und die behaviorale Komponente –, ob sie also die Merkmale einer Einstellung aufweist. Dann sind ebenfalls die Grundsätze zur Einstellungsbildung und -änderung anwendbar.

(3)  Änderung religiöser Einstellungen Einstellungen werden am erfolgreichsten durch solche Vorgänge verändert, die den Vorgängen ihres Entstehens ähneln („Feuer mit Feuer bekämpfen“).257 Eine konditionierte Einstellung ändert sich insofern am ehesten durch eine erneute Konditionierung, also eine Gegenkonditionierung258. Gründet eine Einstellung vor allem auf Fakten und Argumenten, kann sie am ehesten dadurch verändert werden, dass überzeugende Gegenargumente präsentiert werden. Um zu erfaswissensfreiheit, S. 142 ff., der dem Gewissen eine kognitive und eine affektive Komponente zuspricht. 257  Vgl. oben Fn. 178. 258  Schneider/Margraf, Lehrbuch der Verhaltenstherapie, S. 520.

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sen, wie der religiöse Glaube geändert werden kann und ob Symbole hieran beteiligt sein können, wie sich also eine missionierende Wirkung der Symbolkonfrontation inhaltlich darstellt, ist es insofern notwendig, die Entstehung des religiösen Glaubens zu untersuchen.

(a)  Entstehung einer religiösen Einstellung Bei der Untersuchung sind neben soziologischen, psychologischen und pädagogischen Aspekten auch theologische Forschungsergebnisse zu berücksichtigen. Widersprechen die sonstigen wissenschaftlichen Ansätze den theologischen Überlegungen, kann das dazu führen, dass auf ihnen basierende rechtliche Maßnahmen nicht akzeptiert werden. Anzustreben ist daher ein Konsens sämtlicher Ansätze, um die Akzeptanz rechtlicher Maßnahmen zu steigern.

(aa)  Lernbarkeit religiöser Einstellungen Die Fragestellung, ob religiöse Einstellungen durch äußere Einflüsse – hier im Besonderen die Symbolkonfrontation – verändert werden können, erfordert ein Vorverständnis, ob religiöse Einstellungen lern- bzw. lehrbar sind. Nur in diesem Fall können solche Einstellungen durch äußere Einflüsse gezielt hervorgerufen oder verändert werden. Von der Lernbarkeit des Glaubens auszugehen, kann aus christlich-theologischer Sicht problematisch sein. So ist zwar anerkannt, dass der Glaube aus der Eingliederung in das Erziehungswerk Gottes und der Kirche hervorgeht und somit jedenfalls in engem Zusammenhang mit Lernprozessen steht259. Gerade aus evangelischer Sicht stellt sich der Glaube allerdings als Geschenk Gottes dar, zu dessen Empfang der Mensch nichts beitragen kann.260 Nach der dialektischen Theologie ist der Glaube das unverfügbare, unvermittelte Ereignis des Gehorsams, das Gott selbst im Glaubenden bewirkt. Auf dieses Ereignis kann der Menschen keinen Einfluss nehmen, es vollzieht sich in einer Tiefe, die von Entwicklungs- und Lernprozessen nicht erreicht wird.261 Insgesamt sprechen aber überzeugende Gründe dafür, dass Lernprozesse für den christlichen Glauben bzw. allgemein für religiöse Einstellungen bedeutsam sind: Religiöse Einstellungen setzen voraus, dass der Mensch über gewisse Kenntnisse der Glaubenseinsichten verfügt und diesen Einsichten zustimmt262. 259 

Werbick, in: Baumgartner/Wehrle/Werbick (Hrsg.), Glauben lernen, S. 3 (9). Schröder, Religionspädagogik, S. 204; vgl. auch Kunstmann, Religionspädagogik, S. 37; Schweitzer, Religionspädagogik, S. 115. 261  Werbick, in: Baumgartner/Wehrle/Werbick (Hrsg.), Glauben lernen, S. 3 (10); Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (158 f.). 262 Vgl. Schröder, Religionspädagogik, S. 210; Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/ Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (160 f.). 260 



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Solche Kenntnisse werden jedenfalls auch durch Lernprozesse erlangt263. Das belegen insbesondere die Untersuchungen, die zeigen, dass die Haltung der Familie, vor allem der Eltern, zu religiösen Fragen entscheidend für spätere religiöse Einstellungen der Kinder ist264. Die Übernahme der elterlichen Einstellungen durch die Kinder lässt sich auf ein kindliches Lernverhalten zurückführen. Das bedeutet noch nicht, dass der Glaube als reiner Lernprozess zu verstehen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass religiöse Einstellungen sich nur dann entwickeln, wenn der Mensch über eine religiöse Disposition oder Anlage verfügt.265 Ist das der Fall, können Lernprozesse aber die Glaubensentwicklung vorantreiben266 oder gegebenenfalls sogar bedingen. Bestätigt wird diese Erkenntnis letztlich auch durch den von den Religionsgemeinschaften veranstalteten Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 3 GG) und die schon länger bestehende christliche Lehrpraxis. Letztere erwiese sich als sinnlos, wenn Lernprozesse für den Glauben keine Rolle spielten.267 Glaube ist also demnach zumindest teilweise lernbar268.269 Erlernt werden religiöse Einstellungen im Laufe der religiösen Sozialisati270 on , die in die Fremd- und die Selbstsozialisation aufgeteilt werden kann271. Die Fremdsozialisation beschreibt den Einfluss äußerer Faktoren auf die Entwicklung272. Beim religiösen Lernen spielen unabhängig vom Sozialisations263 Vgl. Schröder, Religionspädagogik, S. 210; Ruster/Reis, Herder Korrespondenz Spezial 2013, 14 (14); Kunstmann, Religionspädagogik, S. 38. 264  Grom, Religionspsychologie (1992), S. 22; vgl. ders., Religionspsychologie, S. 263; ders., Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 86 f.; vgl. auch Schröder, Religionspädagogik, S. 334 f., 430 ff.; Weidmann, in: Baumgartner/Wehrle/Werbick (Hrsg.), Glauben lernen, S. 19 (24); Biesinger/Hiller/Stehle, in: Biesinger/Edelbrock/Schweitzer, Auf die Eltern kommt es an!, S. 20; Würtenberger, in: Merten/Schmidt/Stettner, FS Knöpfle, S. 397 (402); vgl. auch den folgenden Abschnitt. 265  Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (142 ff., 162). 266  Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (159 ff.); 267  Kunstmann, Religionspädagogik, S. 37. 268  Vgl. auch Ruster/Reis, Herder Korrespondenz Spezial 2013, 14 (14 ff.); Kunstmann, Religionspädagogik, S. 38; Schweitzer, Religionspädagogik, S. 115. 269  Diese Auffassung begründet auch keinen Widerspruch zu den Annahmen der evangelischen Theologie. Diese schließen hinaus eine Lernbarkeit des Glaubens nicht zwangsläufig aus: Das menschliche Individuum lernt, gleich ob Gott oder ein menschlicher Pädagoge als Lehrer gedacht wird (Schröder, Religionspädagogik, S. 204). 270  Deusinger/Deusinger, in: Moosbrugger/Zwingmann/Frank (Hrsg.), Religiosität, Persönlichkeit und Verhalten, S. 131; vgl. auch Grom, Religionspsychologie, S. 263 ff.; Büttner/ Dieterich, Religion als Unterricht, S. 51; Czell, in: Arndt, Religiöse Sozialisation, S. 45; vgl. für die Gewissensfreiheit Herdegen, Gewissensfreiheit, S. 148 ff. 271  Grom, Religionspsychologie, S. 265; ders., Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 86 ff. 272 Vgl. Niederbacher/Zimmermann, Grundwissen Sozialisation, S. 65.

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ansatz verschiedene Lernmechanismen eine Rolle273. Ob ein Mensch durch gezielten Einsatz der Lernmechanismen zur Religiosität bzw. zum Glauben geführt werden kann, ob Religion und Glaube also lehrbar sind, ist allerdings umstritten274 und wird noch zu untersuchen sein. Inwieweit konstitutionsbedingte, etwa vererbbare Einflüsse für den Erwerb von Religiosität eine Rolle spielen, wird derzeit noch wissenschaftlich untersucht275. Die individuelle Verarbeitung äußerer Einflüsse, also die Selbstsozialisation, spielt aber jedenfalls eine entscheidende Rolle dafür, dass eine religiöse Einstellung entsteht276.

α)  Fremdsozialisation Wie bereits erwähnt, ist die Haltung der Familie und insbesondere der Eltern zu religiösen Fragen, regelmäßig entscheidend für den Zugang der Kinder zu religiösen Glaubenseinstellungen, persönlicher Gebetspraxis und Teilnahme an Veranstaltungen der Glaubensgemeinschaft, wie etwa Gottesdiensten277. Fand in der Familie eine intensive religiöse Sozialisation statt, werden übernommene religiös-kirchliche Verhaltensweisen im Erwachsenenalter häufig aufrecht erhalten, obwohl das religiös-kirchliche Leben mit zunehmender Ablösung von den Eltern auch von anderen Faktoren abhängig wird – etwa von der religiöskonfessionellen Homogenität des späteren Bekannten- und Freundeskreises oder auch von Medien278. Spielt Religion für Eltern nur eine geringe Rolle, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kinder im späteren Leben von der Religion abwenden279. Dass jemand ohne Einfluss der Familie, also etwa durch die andere sozialen Kontakte, gläubig wird, ist zwar möglich, geschieht aber nur ausnahmsweise280. Die primäre Sozialisation durch das Elternhaus spielt 273 Vgl. Grom, Religionspsychologie, S. 263 ff. Die folgende Darstellung wird insbesondere auf die Forschungsergebnisse Groms aufgebaut, die v. a. in dessen Werken Religionspsychologie und Religionspädagogische Psychologie beschrieben sind. Seine Ausführungen werden von zahlreichen anderen Autoren aufgegriffen und beschrieben bzw. befürwortet, vgl. Biesinger/Hiller/Stehle, in: Biesinger/Edelbrock/Schweitzer, Auf die Eltern kommt es an!, S. 21; Tautz, Interreligiöses Lernen, S. 317 ff. 274  Dazu unten C. II.2.c)cc)(3)(bb). 275  Deusinger/Deusinger, in: Moosbrugger/Zwingmann/Frank (Hrsg.), Religiosität, Persönlichkeit und Verhalten, S. 131. 276 Vgl. Büttner/Dieterich, Religion als Unterricht, S. 51. Dazu auch unten: C. II. 2.c)cc) (3)(a)(aa)β). 277  Grom, Religionspsychologie (1992), S. 22; vgl. ders., Religionspsychologie, S. 263; ders., Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 86 f.; vgl. auch Schröder, Religionspädagogik, S. 334 f., 430 ff.; Weidmann, in: Baumgartner/Wehrle/Werbick (Hrsg.), Glauben lernen, S. 19 (24). 278  Grom, Religionspsychologie (1992), S. 22; Grom, Religionspsychologie, S. 263  ff. m. N. auch zu neueren Studien; Schweitzer, Religionspädagogik, S. 105 f. 279  Grom, Religionspsychologie, S. 263 f. m. w. N.; ders., Religionspädagogische Psychologie, S. 22. 280  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 86.



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mithin die entscheidende Rolle für das religiöse Denken und Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen der Fremdsozialisation lassen sich verschiedene Einflüsse – sogenannte soziale Lernprozesse – beschreiben, die für die Entwicklung der Religiosität von Bedeutung sind281. Grom unterscheidet zwischen drei verschiedenen Lernprozessen: Dem Lernen am Modell, dem Lernen durch Unterweisung sowie dem Lernen durch Fremdverstärkung und soziale Bestätigung282. Beim Modelllernen können die Vorbildwirkungen, die von Modellpersonen ausgehen, dem Beobachter eine bestimmte Einstellung nahebringen283.Wer bei einem anderen Menschen beobachtet, dass religiöser Glaube erfüllend und haltgebend sein kann, lernt Religiosität als positive Erlebnismöglichkeit kennen. War er bisher areligiös, gleichgültig oder zweifelte er, so kann er durch die Beobachtung zur Religiosität ermutigt werden. Umgekehrt kann der Lernende durch seine Beobachtungen auch von der Religiosität abgehalten werden, etwa wenn er erlebt, dass zwanghafte Religiosität einen anderen belastet.284 Das Modelllernen erklärt insoweit die erwähnte besondere Bedeutung der Eltern für die religiöse Sozialisation ihrer Kinder und verdeutlicht, warum Kinder die religiösen Einstellungen ihrer Eltern umso eher übernehmen, je positiver sie das Verhältnis zu ihnen einstufen und von Zuneigung und partnerschaftlichem Verhalten gekennzeichnet sehen. Die religiösen Einstellungen der Eltern wirken dann überzeugend und erstrebenswert.285 Im ethisch-religiösen Bereich wie auch in anderen Bereichen findet das Modelllernen vor allem statt, wenn die Modellperson aufgrund besonderer Eigenschaften von dem Beobachter geschätzt wird, etwa aufgrund ihrer Freundlichkeit, ihres Status oder ihrer Ähnlichkeit mit dem Beobachter286. Schriftliche und mündliche Unterweisungen können ebenfalls die religiöse Entwicklung beeinflussen287. Von einem geeigneten Instruktionsangebot hängen die Möglichkeiten Heranwachsender ab, ethisch-religiöse Inhalte kennenzulernen, sich über sie eigene Gedanken zu machen und sich von ihnen emotional und praktisch bewegen zu lassen288. Eine Unterweisung kann überwiegend kognitiv ausgerichtet sein und darauf abzielen, Glaubenswissen zu vermitteln. 281 

Grom, Religionspsychologie, S. 265 f. Grom, Religionspsychologie, S. 264 ff.; ders. Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 90 ff. 283  Grom, Religionspsychologie, S. 267; ders., Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 90 ff.; vgl. auch Fraas, in: Adam/Lachmann (Hrsg.), Religionspädagogisches Kompendium, S. 152.; Wegenast, in: Religionspädagogisches Kompendium, S. 343. 284  Grom, Religionspsychologie (1992), S. 33 f. 285  Grom, Religionspsychologie (1992), S. 34. 286  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 91; vgl. auch Bandura, Sozialkognitive Lerntheorie, S. 37 ff. 287  Grom, Religionspsychologie, S. 267. 288  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 92 f. 282 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

Sie kann aber auch den emotionalen Bereich betreffen, in dem sie etwa versucht, eine moralische Selbstkontrolle anzuregen.289 Beim Lernen durch Fremdverstärkung und soziale Bestätigung wird die Religiosität vonseiten der sozialen Umwelt gestützt. Unter die Fremdverstärkung fallen die klassische sowie die operante Konditionierung290. Durch klassische Konditionierung können etwa bestimmte Begriffe, Riten, Lieder und auch Symbole emotional positiv oder negativ besetzt werden, wenn sie zusammen mit bestimmten positiv oder negativ empfundenen Ereignissen wie etwa Familienfesten verknüpft wurden291. Hier spielt ebenfalls die familiäre Atmosphäre eine Rolle. Zwang kann beispielsweise kontraproduktiv wirken292, da er häufig an emotionale Kälte und Feindseligkeit gekoppelt ist und in der Folge auf der affektiven Ebene negative Emotionen hervorruft.293 Durch die operante Konditionierung, bei der Bezugspersonen ein religionsbezogenes Handeln loben oder bestrafen, kann ein bestimmtes religiöses Verhalten verstärkt oder abgeschwächt werden. Wird der eigene Glauben durch Eltern, Freunde, Partner oder die Bezugsgruppe sozial anerkannt, so wirkt das als ein Verstärker für den eigenen Glauben, der die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass religiöse Einstellungen beibehalten werden.294 In der Fremdsozialisation lassen sich mit der Konditionierung und dem Modelllernen die bereits erläuterten Lernprozesse, die zur Entstehung und zur Änderung innerer Einstellungen beitragen, wiederfinden. Insgesamt stützen damit die Erkenntnisse zur Fremdsozialisation das Verständnis des religiösen Glaubens als innere Einstellung. Damit scheinen auch mögliche glaubensändernde Prozesse vorgezeichnet, die nach den Ergebnissen der Einstellungsforschung mit den glaubensbildenden Prozessen regelmäßig korrelieren. Diese Erkenntnisse deuten bereits an, an welcher Stelle missionierende Einflüsse ansetzen müssen, um im Ergebnis tatsächlich eine Glaubensänderung hervorrufen zu können.

β)  Selbstsozialisation Ob und wie sich Religiosität entwickelt, scheint stark vom Verlauf der Fremdsozialisation abzuhängen, also von den Angeboten und Einflüssen der Eltern, 289 

Grom, Religionspsychologie, S. 268. Grom, Religionspsychologie, S. 268; vgl. auch Fraas, in: Adam/Lachmann (Hrsg.), Religionspädagogisches Kompendium, S. 152. 291  Grom, Religionspsychologie, S. 268 f.; vgl. auch Wegenast, in: Adam/Lachmann (Hrsg.), Religionspädagogisches Kompendium, S. 343. 292  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 99; ders, Religionspsychologie, S. 271; Oser/Bucher, in: Oerter/Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie, S. 1052. 293 Vgl. Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 100. 294  Grom, Religionspsychologie, S. 269. 290 



II.  Wirkungen der Konfrontationssituation

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Lehrer, Betreuer und Freunde295. Bereits beim Modelllernen wurde aber darauf hingewiesen, dass der Einzelne häufig selbst bestimmen kann, welcher Modellperson er welcher Kompetenz wegen seine Aufmerksamkeit schenkt. Allgemein werden von außen kommende Einflüsse von dem einzelnen Menschen individuell verarbeitet und verinnerlicht296. Die beschriebenen Lernprozesse der Fremdsozialisation regen individuelle Lernprozesse an297. Diese Selbstsozialisation, in deren Rahmen äußere Einflüsse innerlich verarbeitet werden, ist für die religiöse Entwicklung elementar298. Zu den Mechanismen der Selbstsozialisation gehören das Lernen durch Einsicht, das Lernen durch Selbstverstärkung sowie das Lernen durch eigenes Handeln299. Lernen durch Einsicht bezeichnet die Situation, in der ein Problem dadurch gelöst wird, dass über eine Aufgabe nachgedacht und deren Struktur und Lösungsprinzip erkannt werden300. Ein bloßes inhaltliches Wissen über Religion reicht regelmäßig noch nicht aus, damit sich der Glaube entwickelt. Der Mensch muss vielmehr über die Religion bzw. den Glaube nachdenken.301 In diesem Rahmen können auch kognitive Reaktionen entstehen. Das Lernen durch Einsicht erklärt, warum Kinder mit zunehmender kognitiver Kompetenz ethisch-religiöse Gedankengänge verstehen und anwenden und anhand eigener Vorlieben und Schwerpunkten ihr religiöses Erleben pflegen können302. Neben entsprechenden Instruktionsangeboten können lebensbedeutsame Erfahrungen, Erlebnisse und Schicksale den Menschen dazu anregen, über Religion und Glaube nachzudenken303. Ein Verhalten, das übernommen und beibehalten wird, weil es – unabhängig von äußeren Verstärkern  – innere Befriedigung verschafft, oder das umgekehrt nicht mehr ausgeführt, weil es als unbefriedigend empfunden wird, beruht auf dem Lernen durch Selbstverstärkung, auf sogenannter intrinsischer Motivation304. Machen äußere Sozialisationseinflüsse deutlich, dass aus ethisch-religiösem Verhalten eine innere Erfüllung resultieren kann, so befähigen sie am ehesten zur Selbstverstärkung.305 Umgekehrt können leidvolle

295 

Grom, Religionspsychologie, S. 265. Grom, Religionspsychologie, S. 265; Büttner/Dieterich, Religion als Unterricht, S. 51; vgl. auch Fiedler, Strukturen und Freiräume religiöser Sozialisation, S. 168 ff. 297  Grom, Religionspsychologie, S. 270. 298 Vgl. Büttner/Dieterich, Religion als Unterricht, S. 51. 299  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 110. 300 Vgl. Grom, Religionspsychologie, S. 270; ders. Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 110. 301  Kunstmann, Religionspädagogik, S. 225. 302  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 110. 303 Vgl. Kunstmann, Religionspädagogik, S. 237. 304  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 110. 305  Grom, Religionspsychologie, S. 271. 296 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

Erfahrungen dazu führen, dass der Mensch Zuflucht im Glauben sucht306. Während das Lernen durch Einsicht vor allem auf der kognitiven Ebene stattfinden wird, dürfte beim Lernen durch Selbstverstärkung vor allem die affektive Ebene berührt werden. Da äußere Einflüsse individuell verarbeitet und verinnerlicht werden, können trotz gleicher oder ähnlicher Lebens- und Umweltbedingungen bei Menschen unterschiedliche religiöse Einstellungen entstehen307. Eine Rolle spielt dabei auch das religiös-intellektuelle Interesse des Einzelnen308. Auch in der Selbstsozialisation lassen sich mithin die Ergebnisse der allgemeinen Einstellungsforschung wiederfinden. Dort wurde bereits erläutert, dass die Entstehung von Einstellungen auch mit der Persönlichkeit des Menschen, etwa mit seinem Kognitionsbedürfnis309, zusammenhängt. Die Einstellungsbildung, und in der Konsequenz auch die Einstellungsänderung, hängen damit stets auch von Faktoren ab, die in der Person des Betroffenen liegen.

γ)  Die Bekehrung als nur scheinbarer Ausnahmefall Während die oben beschriebene Einübung von Religion im Kindes- und Jugendalter als Normalfall beschrieben werden kann, lässt sich die Bekehrung als Ausnahmefall der religiösen Entwicklung in Betracht ziehen. Bekehrung soll hier verstanden werden als eine plötzliche und auffallende Neuorientierung im religiösen Leben310. Bei genauerer Untersuchung zeigt sich allerdings, dass die Bekehrung keine so deutlichen Unterschiede zu der regelmäßigen religiösen Entwicklung aufweist, wie sich auch den ersten Blick vermuten ließe: Selbst wenn sich die Bekehrung scheinbar plötzlich ereignet, bildet sie aus (sozial-) psycho­logischer Sicht gleichwohl das Resultat eines längeren, allmählich fortschreitenden Prozesses. Der Prozess wird vorbereitet und begleitet durch bestimmte Problem-, Krisen und Frustrationserfahrungen.311 Auch der Bekehrung geht insofern ein längerer, teilweise unbewusster Entwicklungsprozess voraus, obgleich sie als plötzliche Einstellungsänderung erscheinen kann. In den Art und Weise ihrer Entstehung bildet die Bekehrung folglich keine Ausnahme zur sonstigen religiösen Entwicklung. 306  Vgl. wiederum Kunstmann, Religionspädagogik, S. 237; Grom, Religionspsychologie, S. 73 ff., der auch das Stichwort der „Schützengrabenreligion“ anführt (S. 88). 307  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 110. 308  Grom, Religionspsychologie, S. 270 f. 309  Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 288; vgl. auch Stroebe, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 242; Bierhoff, Sozialpsychologie, S. 344; jeweils m. w. N. 310 Vgl. Wagner, in: Krause/Müller (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie Bd. 5, S. 477 m. w. N. 311  Wagner, in: Krause/Müller (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie Bd. 5, S. 477 m. w. N.



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(bb)  Lehrbarkeit religiöser Einstellungen Kontrovers diskutiert wird im Zusammenhang mit der Lernbarkeit des Glaubens die Frage, ob Glaube auch lehrbar ist312. Wäre dies der Fall, so könnte bei Menschen ein religiöser Glauben dadurch hervorgerufen oder verdrängt werden, dass entsprechende Lernangebote geschaffen und eingesetzt würden. Religiöse Symbole könnten selbst Lernangebote oder Teile davon darstellen. Während von der Lernbarkeit religiöser Einstellungen nach allem durchaus auszugehen ist, sprechen die bisherigen Erkenntnisse dagegen, dass religiöse Einstellungen umfassend lehrbar sind. Zwar enthalten religiöse Einstellungen  – auch aus theologischer Sicht  – verschiedene Momente, die nicht nur lernbar, sondern auch lehrbar sind – etwa die narrative und rituelle Dimension von notitia und assensus.313 So wurde auch bereits betont, dass die Möglichkeiten Heranwachsender, ethisch-religiöse Inhalte kennenzulernen, sich über sie eigene Gedanken zu machen und sich von ihnen emotional und praktisch bewegen zu lassen, von einem geeigneten Instruktionsangebot abhängen314. Eine umfassende Lehrbarkeit des Glaubens lässt sich aber weder mit der Sicht der Theologie, nach der der Glaube ein Geschenk Gottes darstellt, auf dessen Empfang der Menschen keinen Einfluss hat, noch mit dem pädagogisch-psychologischen Verständnis des Glaubens vereinbaren. Aus pädagogisch-psychologischer Perspektive handelt es sich beim Lernen, also dem durch die Lehre angesprochenen inneren Prozess, um einen multifaktoriellen Vorgang, dessen Ergebnisse zwar planbar, nicht jedoch zielgerichtet und nachprüfbar zu erreichen sind. Das gilt vor allem bei komplexen Aufgaben wie der Entwicklung von daseins- und werteorientierten Einstellungen wie dem religiösen Glauben.315 Das zeigten schon die Ausführungen zur Selbstsozialisation. Ein und dieselbe Information kann von verschiedenen Menschen sehr unterschiedlich angeeignet werden316 Lernen ist als Selbsttätigkeit zu verstehen, es erfolgt in einem selbstreferentiellen System317. Was das Individuum lernt, hängt vor allem mit seiner subjektiven Disposition, seiner Beziehung zum Lehrenden und dem es umgebenden Kontext zusammen318. Die religiöse Einstellung gerade als Haltung des Vertrauens zu einer höheren Instanz kann insofern nicht ohne weiteres von außen her312 Vgl. Schröder, Religionspädagogik, S. 202 ff.; Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/ Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (155 ff.). 313  Schröder, Religionspädagogik, S. 211; vgl. auch Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (160 f.). 314  Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 92 f. 315  Schröder, Religionspädagogik, S. 211; Kunstmann, Religionspädagogik, S. 37 ff.; Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (159 ff.). 316  Seidel/Siebert, in: Malwitz-Schütte (Hrsg.), Lernen im Alter, S. 59. 317  Eberwein, in: ders., Handbuch Lernen, S. 67; vgl. Ruster/Reis, Herder Korrespondenz Spezial 2013, 14 (15 f.). 318  Schröder, Religionspädagogik, S. 209.

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

gestellt werden319. Glaube ist lehrbar, sofern er Wissen um Inhalte, um Formen und religiöse Verhaltensweisen erfasst. Nicht oder nur sehr begrenzt lehrbar ist er allerdings als innere Einstellung und als Form von Bewusstheit.320 Oben wurde bereits erläutert, dass die Entstehung von Einstellungen auch mit der Persönlichkeit des Menschen, etwa seinem Kognitionsbedürfnis, zusammenhängt. In religiösen Fragen spielt in diesem Zusammenhang die religiöse Anlage eines Menschen eine Rolle321. Insgesamt entsprechen sich damit das pädagogische Wissen um die Unverfügbarkeit von Lernprozessen und die theologische Einsicht in die Unverfügbarkeit des Glaubens grundsätzlich322. So wie es aus theologischer Sicht vermessen ist, Menschen durch Lehr-Lern-Prozesse zum Glauben bringen zu wollen, ist es auch aus pädagogischer Sicht aussichtslos, einen Menschen durch ebensolche Prozesse zum Glauben hin- bzw. von diesem wegzuführen323. Auch Bekehrungserlebnisse bedürfen der aktiven Aufarbeitung und Gestaltung durch das Individuum324. Mit Sicherheit planmäßig herbeigeführt werden kann der Glaube – auch durch Druck, Zwang, Manipulation und Indoktrination – nicht325. Bemüht sich also eine Lehrperson, ihren Schülern eine religiöse Einstellung näher zu bringen, wird das vor allem zum Erfolg führen, sofern die Anlagen und die Bereitschaft des Schülers ebenfalls auf die entsprechende religiöse Einstellung ausgerichtet sind. Da der Glaube gewisser Lernprozesse bedarf, ist aber nicht auszuschließen, dass es beispielsweise im – wenn auch nicht zwangsläufig durch – Religionsunterricht zu Initialzündungen des Glaubens kommt326. Die religiöse Anlage jedes Menschen kann stimuliert und gefördert werden. Dies belegen alle empirischen Studien zur religiösen Sozialisation, etwa solche, die den oben be319 Vgl.

Kunstmann, Religionspädagogik, S. 37. Kunstmann, Religionspädagogik, S. 38; Englert, in: Böhnke/Söding (Hrsg.), In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (159 ff.). 321  Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (142 ff., 162), vgl. auch Kunstmann, Religionspädagogik, S. 38, sowie im Hinblick auf die Gewissensfreiheit Herdegen, Gewissensfreiheit, S. 149 („‚biologisches‘ Gewissen“; Hervorhebung im Original). 322  Schröder, Religionspädagogik, S. 211. 323  Schröder, Religionspädagogik, S. 211, vgl. auch Ruster/Reis, in Herder Korrespondenz Oktober 2013, 14 (15); Kunstmann, Religionspädagogik, S. 38 f. 324  Wagner, in: Krause/Müller (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie Bd. 5, S. 478. 325 Vgl. Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 99 f.; ders. Religionspsychologie, S. 271 m. w. N.; Englert, in: Dirscherl/Dohmen/Englert/Laux, In Beziehung leben. Theologische Anthropologie, S. 131 (160, 162); Oser/Bucher, in: Oerter/Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie, S. 1052; für die Bekehrung: Wagner, in: Krause/Müller (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie Bd. 5, S. 478. 326  Schröder, Religionspädagogik, S. 212; aus Studien folgert allerdings Ziebertz, in: Herder Korrespondenz Oktober 2013, 10 (14), dass Religionsunterricht sich mittlerweile nicht mehr als verlängerter kirchlicher Arm zum Zwecke der Glaubensbildung eigne. 320 Vgl.



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schriebenen Einfluss der Familie nachweisen.327 Der Glaube kann insofern zwar grundsätzlich nicht planmäßig gelehrt, aber dennoch von außen angestoßen werden328. Dies geschieht vor allem dadurch, dass in positiver Atmosphäre329 eine förderliche Umwelt, etwa durch anregende Angebote, geschaffen wird, die Phantasie und Nachdenken anregt und Raum für Nachahmungen und andere Formen des eigenständigen Ausdrucks lässt330. Die Unverfügbarkeit menschlicher Lernprozesse bedeutet auch nicht, dass der Einzelne keinesfalls in Glaubensfragen indoktriniert oder beeinflusst werden könnte. Die Erkenntnisse zur Lehrbarkeit religiöser Einstellung belegen nur, dass es nicht möglich ist, religiöse Einstellungen planmäßig hervorzurufen oder zu verändern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass durch die typischerweise als Eingriffe in die Glaubensfreiheit geschilderten Prozesse wie die Gehirnwäsche und die Verabreichung von Drogen331 auch Persönlichkeitsfaktoren sowie bestimmte innere Anlagen und Bereitschaften des Menschen verändert werden können. Aufgrund der geschilderten Umstände gilt lediglich, dass hier ein Ergebnis nicht ex ante mit Sicherheit prognostiziert werden kann.

(cc) Zusammenfassung Religiöse Einstellungen entstehen im Wege der Fremd- und der Selbstsozialisation, in deren Rahmen verschiedenste Lernprozesse ablaufen und zusammenwirken. Einflüsse, die von außen an den Menschen herantreten, ermöglichen ihm häufig überhaupt erst den Zugang zur Religiosität.332 Ob ein solcher Zugang dazu führt, dass ein Mensch tatsächlich religiös wird, hängt allerdings entscheidend davon ab, wie der Mensch die äußeren Einflüsse aufnimmt und verarbeitet, also davon, wie die Selbstsozialisation verläuft. Hier spielen beispielsweise das religiös-intellektuelle Interesse des Einzelnen und seine emotionale Empfindsamkeit eine besondere Rolle. Religiöse Einstellungen sind folglich nicht in einem umfassenden Sinne durch äußere Instanzen lehrbar. Das schließt allerdings nicht aus, dass es im Einzelfall gleichwohl zu Beeinflussungen kommen kann. Wie die Ausführungen zum Sozialisationsprozess bereits andeuteten, setzt sich der religiöse Glaube aus zwei Prozessen zusammen, dem Prozess des ‚Zum-Glauben-Findens‘ und des ‚Im-Glauben-Bleibens‘. Religiöse Einstellungen haben eine Vor- und Wirkungsgeschichte, die jeweils mit Lern-

327 Vgl.

Kunstmann, Religionspädagogik, S. 39. Kunstmann, Religionspädagogik, S. 38. 329  Fraas, in: Adam/Lachmann (Hrsg.), Religionspädagogisches Kompendium, S. 155. 330  Kunstmann, Religionspädagogik, S. 236. 331  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 35; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 72. 332  Vgl. auch Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 92 f. 328 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

prozessen verwoben sind.333 Hat sich eine Einstellung gebildet, bleibt sie nicht von selbst starr bestehen. Vielmehr überdauert sie nur, wenn sich der Mensch sie immer wieder vergegenwärtigt, sie hinterfragt und überdenkt, also stetig aktualisiert.334

(b)  Identität zwischen den Prozessen zur Änderung religiöser Einstellungen und zur Änderung sonstiger innerer Einstellungen Für eine Glaubensänderung bedarf es in aller Regel eines Zusammenspiels von äußeren und inneren Faktoren, die zusammen einen einstellungsändernden Prozess bilden. Als einstellungsändernde Prozesse kommen die in den Ausführungen zur Sozialisation beschriebenen Vorgänge in Betracht, insbesondere die Konditionierung, das Modelllernen, und  – je nach Stärke der kognitiven Ausrichtung des Glaubens – die kognitive Reaktion. Dabei handelt es sich um Vorgänge, die auch allgemein als einstellungsändernde Prozesse angesehen werden.

(4)  Allgemeine Erkenntnisse zur Einstellungsänderung durch die Symbolkonfrontation übertragbar auf die Änderung religiöser Einstellungen Danach lassen sich die allgemeinen Erkenntnisse zur Einstellungsänderung durch die Symbolkonfrontation auf die Änderung religiöser Einstellungen infolge der Symbolkonfrontation übertragen. Da religiöse Einstellungen nach den bisherigen Ausführungen zwar lernbar, nicht aber umfassend lehrbar sind, führt jedoch selbst ein gezielter Einsatz von Symbolen nicht zwangsläufig dazu, dass Menschen zum Glauben finden, diesen ändern oder ihn ablegen. Symbole können folglich nicht als generell erfolgversprechende Lehrmittel betrachtet werden. Die Symbolkonfrontation wirkt also nicht per se missionierend. Vor allem bei religiösem Interesse und der inneren Bereitschaft des Symbolbetrachters, sich auf den Glauben einzulassen, ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Symbolkonfrontation eine Initialzündung zum Glauben335 gibt. Symbole können, wie sich oben gezeigt hat, in Einstellungsänderungsprozesse mit eingebunden werden. Welcher der Einstellungsprozesse dabei im Einzelfall für eine Änderung religiöser Einstellungen in Betracht kommt – sodass die Symbolkonfrontation in der Folge gegebenenfalls grundrechtliche 333 Vgl. Schröder, Religionspädagogik, S. 210; vgl. für die Bekehrung Wagner, in: Krause/ Müller (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie Bd. 5, S. 478: „Das empfangene Bekehrungserlebnis bedarf der aktiven Aufarbeitung und Gestaltung durch das Individuum“. 334 Vgl. Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 98, sowie ders., Religionspsychologie (1992), S. 39 f., der darauf hinweist, dass sich eine religiöse Einstellung im Alltag etwa gegen Bequemlichkeit durchsetzen muss. 335  Vgl. oben Fn. 326.



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Schutzgüter berührt –, hängt davon ab, ob religiöse Einstellungen überwiegend affektiv oder aber kognitiv basiert sind, da einige Einstellungsänderungsprozesse sich besonders zur Änderung affektiv basierter Einstellungen eignen, andere hingegen vor allem kognitiv basierte Einstellungen modifizieren. Ob religiöse Einstellungen überwiegend affektiv oder kognitiv basiert sind, hängt vom jeweiligen Individuum ab. Wie sich gezeigt hat, behalten einige Menschen ihren Glauben ausschließlich um des emotionalen Gewinns willen und unterdrücken Zweifel336, andere legen hingegen großen Wert darauf, ihren Glauben kognitiv abzustützen337. Insgesamt stellen sich die Konditionierung, der Mere-Exposure-Effekt, das Modelllernen sowie die kognitive Reaktion als Prozesse dar, die im Kontext der Konfrontation mit religiösen Symbolen stattfinden können. Die Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen kann insoweit an der Veränderung religiöser Einstellungen zumindest mitwirken, was eine grundrechtliche Relevanz ihrerseits zumindest nahelegt. Festzuhalten ist jedoch, dass es auch im Hinblick auf religiöse oder anti-religiöse Einstellungen nicht die Symbolkonfrontation alleine ist, die die Einstellungsänderung verursacht338. Damit es zu einer Einstellungsänderung kommen kann, müssen vielmehr weitere Faktoren hinzutreten. Beim Symbolbetrachter müssen bestimmte geistige Prozesse ablaufen. Er muss bei der Konditionierung etwa Reize miteinander assoziieren bzw. bei der kognitiven Reaktion über die symbolisierte Idee nachdenken und neue Gedanken generieren. Darüber hinaus hängt die Einstellungsänderung auch von der räumlichen Nähe des Symbols zu bestimmten Reizen oder von der Art der Beziehung zwischen Symbolbetrachter und Symbolträger ab. Gezeigt hat sich ferner, dass selbst optimale Bedingungen für den Ablauf einstellungsändernder Prozesse nicht zwangsläufig dazu führen, dass sich religiöse oder anti-religiöse Einstellungen bilden oder verändern. Aus lernpsychologischer und theologischer Sicht liegt das in der Unverfügbarkeit von Lernprozessen bzw. in der Unverfügbarkeit des Glaubens begründet. Wenn das Bundesverfassungsgericht betont, die dem Kreuz ausgesetzten Schüler seien aufgrund ihres Alters in ihren Anschauungen noch nicht gefestigt339, ist das nach allem insoweit berechtigt, als es zumindest möglich er336 

Grom, Religionspsychologie, S. 147. Grom, Religionspsychologie, S. 147, vgl. auch S. 146. 338  Zacharias beschreibt die Problematik unter Verwendung des sog. Black-Box-Modells aus der klassischen Psychologie: Eine Maßnahme, vorliegend etwa ein Symbol, wirkt als Input auf die im Verborgenen, in einer Blackbox ablaufenden, inneren Informationsprozesse ein. Der Glaube ist Output der Denkvorgänge, er bleibt ebenfalls im Verborgenen, nämlich in einer zweiten, an die erste gekoppelte Black-Box. Nach außen manifestiert er sich erst etwa durch das Bekenntnis. Zwischen dem Symbol einerseits und dem Glauben andererseits besteht somit keine unmittelbare, sondern nur eine mittelbare Verbindung, nämlich über die erste Black-Box (Zacharias, in: Muckel [Hrsg.], FS Rüfner, S. 987 [996]). 339  BVerfGE 93, 1 (20). 337 

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

scheint, dass die Symbolkonfrontation zu einer Einstellungsänderung beiträgt. Ist eine Einstellung weniger gefestigt, kann es leichter sein, sie zu verändern. Die äußeren Einflüsse, etwa negative emotionale Reize, müssen in diesen Fällen weniger stark sein um den gleichen einstellungsändernden Effekt zu erzielen. Auch eine kognitive Reaktion wird eher dazu führen, dass sich eine Einstellung verändert, wenn sich der Mensch während des aktiven Nachdenkens bewusst wird, dass seine bisherige Einstellung auf einer unsicheren Basis gründet. Dann wird er schneller dazu neigen, die eigene Einstellung kritisch zu hinterfragen.

d)  Erkennbarkeit innerer Einstellungen als Voraussetzung einer rechtlichen Bewertung Innere Einstellungen existieren, wie aus dem Begriff schon deutlich wird, in der menschlichen Gedankenwelt, sind also nach außen zumindest nicht direkt sichtbar. Insofern ist es mitunter schwierig festzustellen, ob ein Mensch eine bestimmte Einstellung vertritt oder nicht, und dementsprechend auch, ob sich eine seiner bisherigen Einstellungen verändert hat. Sicherlich können entsprechende Informationen dadurch eingeholt werden, dass der Mensch befragt wird340. Ob der Mensch aber tatsächlich offenlegt, wie er empfindet, oder ob er Angaben macht, die seinen Einstellungen nicht entsprechen, kann kaum nachvollzogen werden. Für die rechtliche Bewertung gilt es deshalb, eine Beurteilung auf möglichst objektiver Basis anzustreben, um Missbrauchsmöglichkeiten zu minimieren, gleichzeitig aber zu berücksichtigen, dass hier subjektive Prozesse in Rede stehen. Als sinnvoll stellt sich insoweit neben der Befragung des Menschen ein Blick auf seine Vorgeschichte und sein soziales Umfeld dar. Das liefert Hinweise, ob und in welcher Form die Lernprozesse, die zur Bildung von Einstellungen führen, stattfinden konnten.

3.  Sonstige Wirkungen der Symbolkonfrontation Neben Emotionen und Einstellungsänderungen lassen sich, wie in Kapitel B erwähnt, weitere Wirkungen der Symbolkonfrontation in Betracht ziehen, die grundrechtlich relevant sein können341.

a)  Handlungszwang durch die Symbolkonfrontation Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass das Bundesverfassungsgericht im Kruzifixbeschluss grundsätzlich richtig lag, wenn es ausführte, mit der An340  Zur Messung von Einstellungen vgl. Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 111 ff. m. w. N.; Haddock/Maio, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (2014), S. 212 ff. 341  Oben B. III.b).



III.  Ausblick zur Einordnung in die grundrechtliche Prüfung

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bringung des Kreuzes gehe kein Zwang zur Identifikation mit dem Symbol oder zu bestimmten Ehrbezeugungen und Verhaltensweisen einher342. Dem das Symbol interpretierenden Betrachter steht es frei, einem dem Symbol entnommenen Appell zu folgen oder nicht. Ehrbezeugungen oder religiöse Handlungen stellen sich vielmehr lediglich als Resultat einer durch die Konfrontation mitverursachten Einstellungsänderung dar. Erst die geänderte Einstellung kann entsprechende Handlungstendenzen beim Bürger hervorrufen. Gleichwohl kommt ein Handlungszwang unter einem anderen Gesichtspunkt in Betracht: So könnte ein im Raum vorhandenes Symbol den dort ausgeführten – an sich religiös neutralen  – Tätigkeiten wie der Teilnahme am Schulunterricht einen religiösen Charakter verleihen343. Gerade soweit dem Symbol eine besondere Präsenz zukommt – es sich gleichsam als „räumlicher Blickfang“ darstellt –, entsteht gegebenenfalls aufgrund der dadurch begründeten optischen Verbindung zwischen Symbol und Handlung der Anschein, die Handlung geschehe unter dem Eindruck und im Zeichen der symbolisierten Idee.

b)  Herabsetzung durch die Symbolkonfrontation Grundrechtlich relevante Freiheitsverkürzungen können sich schließlich auch aus der Interpretation der Symbolkonfrontation und ihrer äußeren Umstände durch den Bürger ergeben. Wie bereits erwähnt344, kann der Symbolbetrachter die in staatlichen Einrichtungen stattfindende Konfrontation mit einem Symbol, das er als Zeichen einer ihm fremden Religion versteht, als Benachteiligung seiner Religion bzw. der Angehörigen seiner Religion durch den Staat deuten – und damit unter Umständen auch als Benachteiligung seiner Person. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn seine eigene Religion in der Einrichtung nicht durch Symbole repräsentiert wird.

III.  Ausblick zur Einordnung in die grundrechtliche Prüfung Die Konfrontation mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen kann beim Bürger Emotionen hervorrufen. Die Konfrontationssituation ist aber nie alleiniger Verursacher der Emotionen. Sie regt lediglich innere menschliche Prozesse an, die zwar in der Emotionsbildung gipfeln können, die aber neben der Konfrontationssituation noch von weiteren inneren und äußeren Faktoren beeinflusst werden. Aus grundrechtlicher Perspektive führt das zunächst zu der 342  BVerfGE 93, 1 (20); vgl. auch Öst. VerfGH BeckRS 2011, 81109 (LS in: NVwZ 2011, 1512), dort. 2.5. 343  Vgl. insoweit die Formulierung bei BVerfGE 93, 1 (18) zum Lernen „unter dem Kreuz“. 344  Oben B. III.b).

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C.  Tatsächliche Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen

Frage, ob die Grundrechte dem Bürger überhaupt einen Schutz davor gewähren, unerwünschte Emotionen erleben zu müssen, und, falls dies der Fall ist, zu der Frage, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass die Symbolkonfrontation eventuelle Emotionen nicht allein verursacht. Letzteres kann insbesondere für die Beurteilung relevant sein, ob eine an sich dem Staat zuzuordnende Konfrontationssituation ihm auch – im Sinne eines Grundrechtseingriffs – zuzurechnen ist. Die Konfrontation mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen kann überdies dazu führen, dass sich religiöse Einstellungen des Bürgers verändern. An einer Einstellungsänderung wirken neben der Symbolkonfrontation allerdings – wie im Fall der Emotionsauslösung – weitere Faktoren mit. Auch der Symbolbetrachter selbst leistet einen Beitrag zur Einstellungsänderungen. Bei der Konditionierung regen etwa die äußeren Reize den Assoziationsvorgang im menschlichen Inneren erst an. Die veränderte Einstellung bildet das Resultat des angeregten Assoziationsvorgangs. Gleiches gilt im Hinblick auf die kognitive Reaktion. Hier resultiert die Einstellungsänderung regelmäßig aus den vom Symbolbetrachter selbst gesteuerten gedanklichen Prozessen. Auch bei der Einstellungsänderung kann deshalb bezweifelt werden, dass sie überhaupt als Grundrechtseingriff anzusehen ist. Denkbar erscheint hier allerdings eine Differenzierung: So könnte für die Zurechnung einer Einstellungsänderung zum Staat daran angeknüpft werden, ob der Symbolbetrachter seinen Verursachungsbeitrag selbst beeinflussen und steuern kann oder nicht. Ersteres wäre bei der kognitiven Reaktion zu bejahen, regelmäßig jedoch nicht bei der Konditionierung, die zumeist unbewusst abläuft345. Hinsichtlich der sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation kommt es wie im Fall der Emotionsauslösung und der Einstellungsänderung nicht nur darauf an, welchen inhaltlichen Schutz die einzelnen Grundrechte bieten. Zu untersuchen ist auch, ob für ihre Beeinträchtigungen auf das subjektiven Empfinden Einzelner oder auf objektive Maßstäbe abzustellen ist und inwieweit sie einer eventuellen symbolbezogenen Interpretationshoheit des Symbolbetrachters Grenzen setzen. Bedeutsam für die Grundrechtsrelevanz stellt sich auch der Umstand dar, dass sich die Symbole in staatlichen Einrichtungen befinden. Dieser Umstand kann nicht nur die für den Eingriff notwendige Zurechnung zum Staat begründen, sondern auch für die Wirkungen der Konfrontationssituation bedeutsam sein. Die Gründe, aus denen öffentliche Einrichtungen aufgesucht werden  – etwa Pflichten oder persönliche Wünsche –, und die Art des Aufenthalts können als angenehm oder unangenehm empfunden werden. Solche Emotionen können sich im Rahmen einer Konditionierung auswirken. Grund und Art des Aufent345 

Gründer/Benkert, Handbuch der Psychopharmakotherapie, S. 581.



III.  Ausblick zur Einordnung in die grundrechtliche Prüfung

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halts dürften überdies auch darüber mitbestimmen, ob der Bürger dort Personen trifft, die für ihn als Vorbilder im Rahmen des Modelllernens fungieren. Schließlich können durch die Dauer des Aufenthalts und fehlende Ausweichmöglichkeiten vor dem Symbol, die ebenfalls aus der Art der Einrichtung resultieren, bestimmte Wirkungen erst hervorgerufen oder gesteigert werden. Die räumliche Umgebung der Symbolkonfrontation kann insoweit ebenfalls Ursachen für gegebenenfalls grundrechtsrelevante Freiheitsverkürzungen setzen. Vor dem Hintergrund dieser durchaus komplexen Gesamtproblematik, wie sie sich in der Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Gegebenheiten der Konfrontationssituation abzeichnet, soll im Folgenden der Versuch einer – entsprechend differenzierten – grundrechtlichen Bewertung unternommen werden.

D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen der Konfrontation mit religiösen Symbolen I.  Subjektiver Maßstab als Ausgangspunkt zur Bestimmung des religiösen Charakters eines Symbols Als Vorfrage zur Untersuchung, inwieweit die Symbolkonfrontation als grundrechtsrelevant einzustufen ist, gilt es zu klären, wann ein Symbol als religiöses Symbol zu verstehen ist1. Wie in Kapitel B und C aufgezeigt, muss der Inhalt eines Symbols durch Interpretation erschlossen werden. Unklar ist bislang allerdings, welcher Maßstab bei der Interpretation des Symbols anzusetzen ist2. In Betracht kommt zunächst ein objektiver Maßstab. Danach ist zu fragen, wie das Symbol aus Sicht und nach Wahrnehmung eines gedachten objektiven Beobachters zu deuten ist3. Eine vom Symbolbetrachter vorgebrachte inhaltliche Interpretation wäre folglich daraufhin zu untersuchen, ob sie mit einer solchen objektiven Deutung kompatibel ist. Wird statt eines objektiven Maßstabs ein subjektiver Maßstab angelegt, hängt der Charakter des Symbols hingegen allein von dem Verständnis des jeweiligen Symbolbetrachters oder des Symbolverwenders ab4. Ein objektiver Maßstab ermöglicht es, unabhängig vom jeweiligen Einzelfall festzulegen, welche Symbole als religiöse Symbole zu klassifizieren sind. Dadurch kann verhindert werden, dass Symbolbetrachter sich rechtsmissbräuchlich verhalten und etwa trotz gegenteiliger Empfindungen eine religiöse Deutung des Symbols vorgeben, um grundrechtlichen Schutz beanspruchen zu können. Ein objektiver Maßstab ist allerdings unter mehreren Gesichtspunkten problematisch: So ist schon fraglich, auf welcher Grundlage die Deutung durch den gedachten objektiven Beobachter erfolgen sollte. Zwar scheint es theoretisch möglich, hierzu auf herrschende Ansichten der Bevölkerung ab1  Dazu, dass unter den Begriff der religiösen Symbole im Sinne dieser Arbeit sämtliche Symbole zu fassen sind, die einen Bezug zum religiös-weltanschaulichen Bereich aufweisen, vgl. Kapitel A a. E. 2 Vgl. Huster, Ethische Neutralität des Staates, S. 154. 3  Vollrath, Religiöse Symbole, S. 45; vgl. auch Borowski, Glaubensfreiheit, S. 473. 4 Vgl. Vollrath, Religiöse Symbole, S. 47 ff.



I.  Subjektiver Maßstab als Ausgangspunkt

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zustellen. Nicht gesagt ist aber, dass diese stets ohne weiteres zu erforschen sind bzw. festgelegt werden können5. Überdies deutet das Wesen der Symbole in Richtung eines subjektiven Maßstabs. Symbole weisen, wie in Kapitel B festgestellt wurde, gerade keine objektive und unverrückbare Deutung auf, sondern leben von Deutungsvielfalt und einer gewissen Subjektivität6. Wie das Symbol gedeutet wird, hängt in hohem Maße von dem persönlichen Hintergrund des Symbolbetrachters ab7. Während des Interpretationsvorgangs wirken die Erfahrungen des Symbolbetrachters mit seinen Persönlichkeitsmerkmalen zusammen. Der Symbolbetrachter kann während der Interpretation eigene gedankliche Ansätze entwickeln und fortentwickeln.8 Ein subjektiver Maßstab wird den Eigenheiten der Symbole deshalb eher gerecht. Für einen subjektiven Maßstab spricht auch, dass es im grundrechtlichen Kontext entscheidend auf die Auswirkungen der Symbolkonfrontation auf den Einzelnen ankommt9. Die Symbolwirkungen hängen gerade auch von der individuellen Symbolinterpretation ab. Der Einzelne kann bestimmte Wirkungen der Symbolkonfrontation erfahren, von denen andere Symbolbetrachter nicht betroffen werden, weil sie das Symbol abweichend interpretieren. Für den Einzelnen werden etwaige Konfrontationswirkungen nicht deshalb aufgehoben, weil eine Mehrheit anderer Personen das Symbol inhaltlich anders begreift10. Ein objektiver Maßstab bietet deshalb möglicherweise keinen ausreichenden Schutz vor den Konfrontationswirkungen. Wäre ein Symbol nach dem objektiven Maßstab nicht als religiöses sondern etwa als säkulares Symbol anzusehen, stünde Menschen, die das Symbol anders deuteten, mangels eines Bezugs zur Religion der Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht zur Verfügung. Gleichwohl wären sie etwaigen Konfrontationswirkungen ausgesetzt. Ein objektiver Maßstab verkürzt deshalb unter Umständen den Freiheitsschutz vor allem für religiöse Minderheiten, deren Symbole in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind11. Im Rahmen eines subjektiven Maßstabs stellt sich die Frage, ob ein Symbol aus der subjektiven Perspektive des Verwenders oder des Betrachters zu deuten ist. Gegen die Perspektive des Verwenders spricht der zuvor ausgeführte 5  Vgl. dazu Vollrath, Religiöse Symbole, S. 46 f., im Hinblick vor allem auf die Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Courts; Borowski, Glaubensfreiheit, S. 476. 6  Vollrath, Religiöse Symbole, S. 47; vgl. auch das Zitat von Eco, oben B. II.1.a) m. Fn. 20. 7  Vollrath, Religiöse Symbole, S. 47; Jestaedt, JRP 1995, 237 (246). 8  Prägnante Zusammenfassung bei Vollrath, Religiöse Symbole, S. 47: „(…) [Dem] Wesen eines Symbols wird man nicht gerecht, wenn man versucht, ein Symbol in ein objektiviertes ‚Korsett‘ zu zwingen.“ 9  Oebbecke, in: Muckel (Hrsg.), FS Rüfner, S. 593 (603); Borowski, Glaubensfreiheit, S. 477. 10 Vgl. Borowski, Glaubensfreiheit, S. 477, vgl. auch S. 478. 11 Vgl. Vollrath, Religiöse Symbole, S. 57.

86 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen Gedanke, dass es im grundrechtlichen Kontext entscheidend um die Auswirkungen der Symbolkonfrontation auf den Einzelnen geht. Etwaige Wirkungen der Symbolkonfrontation sind nicht schon deshalb unbeachtlich, weil der Symbolverwender dem Symbol eine bestimmte – aus grundrechtlicher Sicht unproblematische – Deutung zugrunde legt12. Jedenfalls in den Fällen, in denen durch die Wirkungen der Konfrontationssituation grundrechtliche Freiheiten berührt werden können, muss die Interpretation des jeweiligen Symbolbetrachters deshalb den Anknüpfungspunkt für die Symboldeutung darstellen13. Maßgeblich ist hier also das Selbstverständnis des Einzelnen14. Möglicherweise sind der subjektiven Symboldeutung aber Grenzen zu setzen. Das Risiko eines subjektiven Maßstabs besteht darin, dass der grundrechtliche Schutzbereich durch ihn stark ausgeweitet werden kann15. Das eröffnet Missbrauchsmöglichkeiten auf Seiten des Grundrechtsträgers16. Wird die Freiheit auf der einen Seite stark erweitert, kann das zudem dazu führen, dass Dritte in ihren Freiheiten beschränkt werden17. Solchen Bedenken kann allerdings bei der Symboldeutung begegnet werden. Auch wenn in der Tat praktisch jedes Symbol als religiöser Akt interpretiert werden kann18, bedeutet die Symboldeutung anhand eines subjektiven Maßstabs noch nicht, dass auch alle weiteren Kriterien des in Rede stehenden grundrechtlichen Schutzbereichs allein anhand subjektiver Maßstäben zu beurteilen wären. So kann etwa die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit ein Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet wird, unabhängig vom Selbstverständnis des Betroffenen beantwortet werden. Der Umfang des Schutzbereichs wird durch eine subjektive Symboldeutung also nicht in die alleinige Disposition der Grundrechtsträger gestellt. Vielmehr verbleibt sein Umfang in der Definitionskompetenz des staatlichen Rechts und der staatlichen 12  Borowski, Glaubensfreiheit, S. 477; vgl. auch Huster, Ethische Neutralität des Staates, S. 155. 13  So auch Borowski, Glaubensfreiheit, S. 477; Goerlich, NVwZ 1995, 1184 (1186); Heckel, DVBl. 1996, 453 (470). 14  Goerlich, NVwZ 1995, 1184 (1186); Vollrath, Religiöse Symbole, S. 48 ff. Dem Selbstverständnis des Einzelnen (zu dem Begriff vgl. Muckel, Religiöse Freiheit, S. 5 m. Fn. 3.) kommt allgemein vor allem im Bereich der Religionsfreiheit eine besondere Bedeutung zu. Den Grund dafür stellt der Befund dar, dass das, was für die Gläubigen in religiöser Hinsicht wichtig ist, nur in Abhängigkeit von ihrem Interpretationssystem bestimmt werden kann (Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 81). Bestimmte Begriffe muss der Grundrechtsträger deshalb anhand seines Selbstverständnisses definieren können. Der Prüfungsumfang der Gerichte beschränkt sich – auch im Fall der Symbolkonfrontation – danach grundsätzlich auf die Subsumtion unter die subjektive Definition; zum Ganzen Vollrath, Religiöse Symbole, S. 50. 15 Vgl. Vollrath, Religiöse Symbole, S. 50. 16  Vgl. dazu Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 80; Huster, Ethische Neutralität des Staates, S. 155. 17  Vgl. die Beispiele bei Vollrath, Religiöse Symbole, S. 59. 18 Vgl. Vollrath, Religiöse Symbole, S. 50.



I.  Subjektiver Maßstab als Ausgangspunkt

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Organe. Die Öffnung des Schutzbereichs für verschiedene Selbstverständnisse gelingt dadurch, dass die im Rahmen des Schutzbereichs verwendeten Maßstäbe so formal und so offen sind, dass sie unterschiedlichen Selbstverständnissen Rechnung tragen können.19 Der subjektive Maßstab zwingt auch nicht zu der Annahme, dass grundrechtliche Schutzbereiche bereits dann eröffnet sind oder schon dann in sie eingegriffen wird, wenn der Symbolbetrachter lediglich angibt, er fühle sich durch die Konfrontation mit einem als religiös verstandenem Symbol beeinträchtigt20. Zwar stellt das als religiös verstandene Symbol überhaupt erst den Bezug etwa zur Religionsfreiheit her. Der Charakter des Symbols stellt aber nur einen von mehreren Faktoren dar, aus deren Summe sich anhand der Vorgaben des staatlichen Rechts ergeben kann, dass grundrechtliche Schutzbereiche eröffnet sind bzw. ein Grundrechtseingriff vorliegt. Gefahren des Missbrauchs, die ein subjektiver Maßstab darüber hinaus noch begründen kann, kann überdies durch eine Plausibilitätskontrolle begegnet werden, die objektivierend wirkt21. Hierbei muss gefragt werden, ob die Interpretation des Betrachters plausibel ist. So kann etwa der Blick auf das soziale Umfeld des Symbolbetrachters oder der Konfrontationssituation Aufschluss darüber geben, ob eine ganz bestimmte Interpretation plausibel erscheint22. Das wird etwa der Fall sein, wenn im sozialen Umfeld des Symbolbetrachters 19  Huster, Ethische Neutralität des Staates, S. 132 f.; vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 115: „Subjektivität allein konstituiert keinen Schutzbereich“. 20 Vgl. Ipsen, in: Ziemske/Langheid/Wilms/Haverkate (Hrsg.), FS Kriele, S. 301 (315). 21  Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 405. 22  Unklar insoweit LG Bonn, Urt. vom 12. 11. 2014 – 1 O 364/14, BeckRS 2014, 22736: Das Gericht urteilte über den Antrag auf Erlass einer einstweilige Verfügung, mit der die Verfügungsklägerinnen erreichen wollten, von ihrer Privatschule auch mit Kopftuch zum Unterricht zugelassen zu werden. Im Tatbestand des Urteils wird der Vortrag der Klägerinnen wie folgt geschildert: „Die Verfügungsklägerinnen vertreten die Rechtsansicht, dass ihnen aus den Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben, der Drittwirkung von Grundrechten, insbesondere Art. 4 GG, sowie den Vorschriften von § 2 SchulG NRW gegen die Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf das Tragen des Kopftuches zustünde. Sie tragen dazu – im Tatsächlichen zwischen den Parteien unstreitig – vor, bei dem Kopftuch handele es sich nicht um ein religiöses Symbol, sondern um ein Kleidungsstück, dessen Tragen Ausdruck einer für verbindlich gehaltenen Normkultur sei, der sich nicht allein in seinem Normcharakter erschöpfe, vielmehr ein Maßstab für den Umgang mit Intimität in der Öffentlichkeit und des damit verbundenen Schamempfindens sei.“ Nach Ansicht des LG stellt das Kopftuch „entgegen der Rechtsansicht der Verfügungsklägerinnen ein Symbol für eine bestimmte religiöse Überzeugung dar, weil dieses nicht ohne spezifischen Bezug zu den Glaubensinhalten des Islams gesehen und auf ein lediglich allgemeines, kulturelles Zeichen einer ethnischen Gruppe reduziert werden (…) [könne]“. Das Kopftuch gelte „wegen der Bedeutung, die ihm Muslime beilegen, als Sinnbild einer bestimmten Glaubensüberzeugung, als Ausdruck des Bekenntnisses der Trägerin zum islamischen Glauben und damit als sichtbares Zeichen für die Ausübung ihrer Religion“. Nicht deutlich wird hier insbesondere, ob das Gericht den Vortrag der Klägerinnen, nach dem das Kopftuch kein religiöses Symbol darstelle, für nicht plausibel hielt, oder aber ob nach seiner Auffassung die Symboldeutung generell nach einem objektiven Maßstab zu erfolgen hat.

88 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen gleiche oder ähnliche Ansichten vertreten werden. Ein entsprechendes soziales Umfeld stellt ein Indiz für die Plausibilität einer Symbolinterpretation dar. Für die Symboldeutung ist damit auf die Perspektive des Symbolbetrachters abzustellen23. Etwas anderes kann nur gelten, wenn nicht grundrechtliche Wirkungen der Symbolkonfrontation in Rede stehen, sondern objektives Verfassungsrecht berührt wird, etwa bei der Frage, ob ein staatlich angeordnetes Symbol den Grundsatz der religiös-weltanschaulichen Neutralität berührt wird24.

II.  Vorauswahl potentiell relevanter Grundrechte Der Frage, ob grundrechtliche Schutzbereiche eröffnet sind, wenn der Bürger mit einem religiösen Symbol konfrontiert wird, kann sich unter verschiedenen Ansätzen genährt werden, die an die unterschiedlichen festgestellten Wirkungen der Konfrontationssituation anknüpfen.

1.  Emotionen als Konfrontationswirkung Hinsichtlich eines Schutzes vor der Konfrontation mit Symbolen, die Emotionen auslösen, gestaltet es sich zunächst schwierig, einen grundrechtlichen Anknüpfungspunkt für ein etwaiges Schutzbegehren zu finden. Die unterschiedlichen Gewährleistungen der Religionsfreiheit bieten sich jedenfalls ihrem Wortlaut nach nicht direkt als Schutzinstrument vor negativen Emotionen an. Negative Emotionen bzw. Gefühle betreffen unmittelbar weder den Glauben noch das Bekenntnis oder die Religionsausübung. In Betracht kommt auf den ersten Blick allenfalls eine Berührung des Schutzbereichs der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass negative Emotionen zumindest die psychische Integrität des Menschen beeinträchtigen. Zu klären ist deshalb, inwieweit die körperliche Unversehrtheit den Menschen vor psychischen Beeinträchtigungen stützt. Sofern negative Emotionen auch – gegebenenfalls infolge ihrer psychischen Wirkungen – die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen beschränken, kann ein Schutzverlangen auch auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützt werden. Zumindest in Extremfällen ist auch ein Schutz aus der in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG verankerte Menschenwürdegarantie vor negativen Emotionen nicht auszuschließen. Überdies ist an einen indirekten grundrechtlichen Schutz vor negativen Emotionen zu denken. Gerade bei Emotionen ist denkbar, dass diese nicht (nur) 23  24 

So auch Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 31. Dazu noch unten D. V.4.



II.  Vorauswahl potentiell relevanter Grundrechte

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selbst Gegenstand grundrechtlichen Schutzes sind, sondern (auch) als Anzeichen für die Betroffenheit sonstiger grundrechtlicher Schutzgüter fungieren25. Gehen negative Emotionen beispielsweise mit der vom Bürger erkannten Gefahr von Einstellungsänderungen durch die Konfrontationssituation einher, folgt ein Schutz vor ihnen auch aus den Grundrechten, die den Bürger vor Einstellungsänderungen schützen, wozu beispielsweise die Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1  GG zählen könnte26. Zu denken ist auch an ein eventuelles subjektives Recht auf staatliche Neutralität. Liegt in der staatlich zurechenbaren Symbolkonfrontation ein Verstoß gegen das Gebot religiös- und weltanschaulicher Neutralität und erlebt der Bürger aufgrund des erkannten Neutralitätsverstoßes negative Emotionen – etwa weil er sich als Angehöriger einer nicht symbolisierten Religion durch den Staat benachteiligt fühlt –, könnte er mithilfe eines subjektives Rechts auf staatliche Neutralität die Beseitigung der emotionsauslösenden neutralitätswidrigen Situation erreichen.

2.  Einstellungsänderungen als Konfrontationswirkung Hinsichtlich eines Schutzes vor Einstellungsänderungen kommt zuvörderst die in Art. 4 Abs. 1 GG verankerte27 Glaubensfreiheit in Betracht. Da der Glaube als religiöse Einstellung zu verstehen ist, kann die Glaubensfreiheit als Freiheit religiöser Einstellungen verstanden werden. In der Folge ist sie thematisch einschlägig, soweit Einstellungsänderungen bzw. der Schutz vor der Symbolkonfrontation, die an Einstellungsänderungen mitwirkt, in Rede stehen. Im Folgenden ist deshalb das Schutzgut der Glaubensfreiheit näher zu spezifizieren, um den Umfang und die Reichweite der Glaubensfreiheit und eines Schutzes vor Einstellungsänderungen festlegen zu können: Als Schutzgut in Betracht ziehen lassen sich hier einerseits die religiösen Einstellungen selbst, andererseits die menschliche Geistesfreiheit in Form einer Willens- bzw. Gedankenfreiheit als ein den Einstellungen vorgelagerter bzw. mit ihnen einhergehender Prozess. Eine als Willens- oder Gedankenfreiheit verstandene Glaubensfreiheit könnte auch das Recht des Bürgers beinhalten, selbst darüber zu bestimmen, welche religiösen Informationen er aufnehmen und verarbeiten und damit in die Bildung seiner religiösen Einstellung miteinfließen lassen möchte. Je nach Ergebnis der Analyse können die in Kapitel C vorgestellten Prozesse zur Einstellungsänderung bei der späteren Prüfung eines Grundrechtseingriffs differenziert zu bewerten sein. Zeigen die Prozesse in der Art und Weise ihrer Wirkung Unterschiede, sind möglicherweise einzelne von ihnen als aus grundrechtlicher Sicht unbedenklich zu bewerten, andere hingegen als Eingriffe in 25 Vgl.

Cornils, AfP 2013, 199 (207). zu den Grundrechten, die vor Einstellungsänderungen schützen können, unten D. II.2. (nächster Abschnitt). 27  Zur inneren Struktur des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unten D. IV. 2.a). 26  Ausführlich

90 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen die Glaubensfreiheit. Im Ergebnis wird sich deshalb möglicherweise feststellen lassen, dass die Glaubensfreiheit nur unter bestimmten Umständen Schutz vor der einstellungsändernden Konfrontation mit religiösen Symbolen bietet. In Zusammenhang mit einer eventuellen Verkürzung der Glaubensfreiheit ist auch an das elterliche Recht zur religiösen Erziehung aus Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu denken, das jedenfalls in den Fällen heranzuziehen sein könnte, in denen die Konfrontationssituation Kinder betrifft, also etwa in öffentlichen Schulen oder Kindergärten. Ein Schutz vor einstellungsändernden Wirkungen der Konfrontationssituation könnte darüber hinaus auch aus der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG verankerten Informationsfreiheit folgen. Das kommt jedenfalls in Betracht, soweit die negative Informationsfreiheit darauf gerichtet ist, die freie Meinungsbildung zu schützen. Soweit die freie Glaubensbildung beeinträchtigt wird, könnte damit gleichzeitig auch die freie Meinungsbildung beeinträchtigt werden. Die einstellungsändernden Wirkungen der Konfrontation könnten sich zudem auf die Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung des Einzelnen auswirken und damit in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG fallen. Ein zumindest indirekter Schutz vor Einstellungsänderungen folgt möglicherweise auch aus der Bekenntnis- und der Religionsausübungsfreiheit, was einen eventuellen direkten grundrechtlichen Schutz noch verstärken könnte. So könnte etwa die negative Seite der Religionsausübung das Recht beinhalten, keine Religionsausübung im positiven Sinne vorzunehmen zu müssen, und entsprechend keine religiösen Symbole betrachten zu müssen28.

3.  Sonstige Wirkungen der Konfrontationssituation Möglicherweise verleiht die sich in einer staatlichen Einrichtung ereignende Symbolkonfrontation den in ihrer räumlichen Nähe stattfindenden Ereignissen einen religiösen Charakter. In diesem Fall kann nach außen der Eindruck entstehen, der an den Ereignissen beteiligte Bürger nehme religiöse Handlungen vor29. In der Folge wirkte die Symbolkonfrontation als Zwang zu einem bestimmten religiösen Bekenntnis oder zu religiösen Handlungen. Dann käme ein Schutz über die in Art. 4 Abs. 1 GG bzw. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 WRV verankerte Bekenntnisfreiheit bzw. über die aus Art. 4 Abs. 2  GG bzw. Art. 140  GG i. V. m. Art. 136 Abs. 4 WRV resultierende Religionsausübungsfreiheit in Betracht. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Symbolkonfrontation die Ehre des Bürgers tangiert. In diesem Fall steht eine Berührung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in 28 Vgl. 29 Vgl.

Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 41. Koch, Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, S. 361 f.



III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen

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Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre in Rede. Überdies könnte sich (auch) aus grundrechtlichen Normen ein subjektives Recht auf staatliche Neutralität herleiten lassen. Ein solches Recht wird unter Umständen ebenfalls durch die Symbolkonfrontation beeinträchtigt.

III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen Zunächst ist somit zu analysieren, ob sich grundrechtliche Freiheiten auch auf den emotionalen Zustand des Bürgers beziehen30, ob sie also dem Bürger einen Schutz davor bieten, unerwünschte Emotionen – und damit gegebenenfalls eine emotionsauslösende Symbolkonfrontation – erleben zu müssen. Das erfordert zunächst eine Untersuchung dahingehend, worin genau die Grundrechtsverkürzung besteht, wenn der Bürger negative Emotionen erlebt. In diesem Rahmen lässt sich herausfiltern, welches Schutzgut bzw. welche Schutzgüter durch die Emotionsentstehung berührt werden.

1.  Die emotionale Integrität als grundrechtliches Schutzgut Die Freiheitsverkürzung kann zunächst in dem Auftreten der Emotion selbst erblickt werden31. Die Emotion weist eine subjektiv spürbare Komponente – das Gefühl – auf. Gerade bei negativen Emotionen verspürt der Mensch Empfindungen wie Druck, Spannung und Enge32. Als tangiertes Schutzgut wäre danach die emotionale Integrität des Bürgers im Sinne eines Zustands zu verstehen, in dem nur die vom Bürger erwünschten Emotionen vorherrschen. Für die Frage, wann die emotionale Integrität des Bürgers in freiheitsrechtlich relevanter Weise tangiert würde, käme es entsprechend auf das Empfinden des Bürgers an. Regelmäßig wäre davon auszugehen, dass ausschließlich bzw. zumindest überwiegend negative Emotionen als beeinträchtigend empfunden würden. In seinem Urteil zur sogenannten Schockwerbung betonte das Bundesverfassungsgericht allerdings, ein „vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt“ des Bürgers sei kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken dürfe33. Das spricht dafür, die emotionale Integrität des Bürgers nicht als grundrechtlich geschütztes Gut anzusehen, das im Kollisionsfall mit anderen Grundrechtspositionen in Einklang zu bringen wären. In diesem Fall käme allenfalls ein indirekter Schutz des Bürgers vor negativen Emotionen in

30 Vgl.

Stern, Strafgrund der Bekenntnisbeschimpfung, S. 85. Stern, Strafgrund der Bekenntnisbeschimpfung, S. 88. 32 Vgl. Stern, Strafgrund der Bekenntnisbeschimpfung, S. 88. 33  BVerfGE 102, 347 (364). 31 Vgl.

92 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen Betracht, soweit Emotionen sich als Anzeichen einer Freiheitsverkürzung darstellten, die sich in andere grundrechtliche Schutzkategorien einordnen lässt34.

2.  Grundrechtliche Anknüpfungspunkte für einen Schutz der emotionalen Integrität Für einen Schutz der emotionalen Integrität des Bürgers lassen sich jedoch, wie erwähnt, unterschiedliche verfassungsrechtliche Normen in Betracht ziehen: Die in Art. 1 Abs. 1  GG verankerte Menschenwürdegarantie, die körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sowie das Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu entnehmende allgemeine Persönlichkeitsrecht. Entstehen negative Emotionen im Kontext einer Konfrontation mit religiösen Symbolen, so ist auch eine Berührung der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht auszuschließen, obgleich die Religionsfreiheit ihrem Wortlaut nach, wie erwähnt, nicht auf einen solchen Schutz hindeutet.

a)  Regelmäßig kein Schutz durch die Menschenwürdegarantie Die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschenwürdegarantie, deren Sicherung letzter Zweck aller Grundrechte ist35, die aber auch selbst als Grundrecht anzusehen ist36, schützt den Bürger möglicherweise davor, unerwünschte Emotionen, insbesondere die zumeist als belastend empfundenen negativen Emotionen, durchleben zu müssen. Die Menschenwürdegarantie gewährleistet den sozialen Wert- und Achtungsanspruch des Menschen, der jedem Menschen deshalb zukommt, weil er ein Mensch – im Sinne eines Gattungswesens – ist37, und der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen und ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt38. Obgleich diese sogenannte Objektformel den Rechtsanwender inhaltlich mitunter vor Schwierigkeiten stellt, weil sie als vage und offen gelten kann39, verdeutlicht sie, dass Art. 1 Abs. 1  GG nicht alles ausdenkbare Gute, Angenehme und Nützliche garantieren will. Die Menschenwürdegarantie fordert vom Staat nicht, dem Menschen alles angenehm zu machen, ihn etwa 34 Vgl.

Cornils, AfP 2013, 199 (207). Potz/Schinkele, Religionsrecht im Überblick, S. 25. 36  So die heute herrschende Meinung, vgl. nur Stern, Menschenwürde als Fundament der Grundrechte, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, § 58, S. 26 f. m. w. N. in Fn. 112; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1, Rn. 5 ff. m. w. N. in Fn. 15; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, Art. 1, Rn. 29. 37  BVerfGE 87, 209 (228). 38  BVerfGE 87, 209 (228). 39  Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 1, Rn. 55 m. w. N.; Herdegen, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. I, Art. 1, Rn. 36; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 390; vgl. auch Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1, Rn. 15. 35 Vgl.



III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen

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von jeglichem Schmerz und jeglicher Angst zu befreien oder ihm die Folgen eigener falscher Entscheidungen abzunehmen.40 Sie markiert vielmehr eine Tabugrenze41. Aus der Menschenwürdegarantie lässt sich damit nicht das Erfordernis herleiten, den Menschen vor sämtlichen negativen Emotionen zu schützen, die er als unangenehm empfindet. Der Wert- und Achtungsanspruch des Menschen, der die Tabugrenze markiert, ist grundsätzlich nicht berührt, wenn der Mensch aufgrund staatlicher Maßnahmen negative Emotionen erlebt. Negative Emotionen stellen regelmäßig keinen Bruch der Tabugrenze dar. Etwas anderes kommt lediglich unter besonderen Umständen in Betracht, etwa wenn staatliche Stellen gezielt negative Emotionen bei einem Bürger hervorrufen, um ihm seelische und körperliche Schmerzen zu verursachen42. Ein grundrechtlicher Schutz nicht direkt der emotionale Integrität, aber doch bestimmter emotionaler Zustände des Bürgers, wird unter dem Aspekt des Schutzes eines Sicherheitsgefühls bzw. eines Grundrechts auf Freiheit vor Furcht diskutiert43. Für einen Schutz des emotionalen Zustands des Bürgers lassen sich aus der Diskussion aber keine Rückschlüsse ziehen, da in diesen Konstellationen nicht der direkte Schutz des Bürgers vor negativen Emotionen bzw. des emotionalen Zustands in Rede steht. Vielmehr geht es um die Frage, ob die Emotion als Zeichen einer Verletzung des Wert- und Achtungsanspruchs des Menschen fungiert.44 Die emotionsauslösende Symbolkonfrontation tangiert die Menschenwürde folglich nur, soweit sich aus den Umständen ergibt, dass die Konfrontationssituation eine Verletzung des Wert- und Achtungsanspruchs des Menschen darstellt. Dazu kommt es nicht allein, weil der Mensch Emotionen erlebt. Denkbar 40 

Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 1 Abs. 1, Rn. 15. Pieroth/Schlink, Grundrechte (2010), Rn. 373, vgl. auch Poscher, JZ 2004, 756 (758 ff.). 42 Vgl. Heckmann, JZ 1996, S. 885. 43 Dazu Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, 1983; Schewe, Das Sicherheitsgefühl und die Polizei, S. 186 ff.; Thiel, „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, S. 154 ff. Inhaltlich wird ein entsprechendes Grundrecht auch aus der Menschenwürde hergeleitet. Zur Begründung wird ausgeführt, die Menschenwürde gründe auch auf der menschlichen Fähigkeit zur Selbstbestimmung, Selbstgestaltung und dem Wissen des Menschen darum, dass seine Person prinzipiell für andere unverfügbar sei, andere also auch nicht dadurch über ihn disponieren dürften, dass sie ihn angriffen und schädigten. Nicht nur im Fall eines tatsächlichen Angriffs verliere der Menschen das Wissen um die Unverfügbarkeit seiner selbst, sondern auch dann, wenn er jederzeit mit Angriff – etwa terroristischer Art – rechnen müsse. Sehe der Mensch sich bestimmen Gefahren hilflos gegenüber, werde er zum Objekt degradiert. Ein Grundrecht auf Freiheit vor Furcht könnte den Menschen in solchen Situationen schützen, indem es furchteinflößende staatliche Maßnahmen verhinderte oder im Falle nicht-staatlichen Furchtverursacher staatliche Schutzmaßnahmen verlangte (ausführlich Schewe, Das Sicherheitsgefühl und die Polizei, S. 194 ff. m. w. N.) 44  Vgl. auch Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 26: „Staatsrechtlich wie auch staatstheoretisch erheblich ist daher nicht die Furcht an sich, sondern der objektive Grund zu berechtigter Furcht, also die Gefahr, – oder deren Abwesenheit: eben die Sicherheit.“ 41 

94 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen ist lediglich, dass sich die Verletzung gerade – auch – darin zeigt, dass beim Menschen Emotionen ausgelöst werden45. Die Emotion fungiert dann als Indikator der Verletzung, nicht jedoch als deren Ursache46. Die emotionale Integrität allein wird demnach von der Menschenwürdegarantie nicht umfasst.

b)  Kein Schutz durch die Religionsfreiheit Mit Blick auf einen eventuellen Schutz der emotionalen Integrität des Menschen durch die Religionsfreiheit47 ist  – unabhängig von der inneren Struktur des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG48 – zu fragen, woraus sich der gegenständliche Bezug der Religionsfreiheit zur emotionalen Integrität ergeben kann. Die durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen ausgelösten Emotionen unterscheiden sich nicht zwangsläufig inhaltlich von den Emotionen, die durch die Konfrontation mit politischen Symbolen ausgelöst werden49. Denkbar ist allerdings, dass sich der mit einem religiösen Symbol konfrontierte andersgläubige Bürger „für seinen Gott“ empört50. Der Bezug zur Religion folgt in diesem Fall aus den Umständen der Konfrontationssituation. Der Konfrontationssituation kann das Begehren des Bürgers auf einen Schutz der „Gefühlsbefindlichkeit[en] in religiösen Dingen“51 entspringen.

aa)  Kein Schutz nach dem Wortlaut und aus der Entstehungsgeschichte Aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ergeben sich keine Hinweise auf einen Schutz der emotionalen Integrität. Zwar betrifft der in Art. 4 Abs. 1 GG genannte Glaube innere menschliche Prozesse, wie sie auch Emotionen darstellen. Jedoch stellt der Glaube eine innere Einstellung dar. Emotionen sind keine inneren Einstellungen, sondern entstehen lediglich im Zusammenhang mit inneren Einstellungen oder als ihr Resultat52. Auf sie wird folglich in Art. 4 Abs. 1 GG nicht direkt Bezug genommen. In den Beratungen des Parlamentari45  Vgl. auch Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 1, Rn. 24: „Besondere individuelle Empfindlichkeit kann nur dann zur Annahme eines Würdeverstoßes führen, wenn staatliches Handeln, von diesbezüglicher Kenntnis getragen, gerade hierauf abzielt; der einzelne wird dann wegen seiner Empfindlichkeit verächtlich gemacht, ist nicht schon deshalb verletzt, weil er empfindlich ist.“ 46 Vgl. Cornils, AfP 2013, 199 (207). 47  Gemeint ist hier stets auch die Weltanschauungsfreiheit. Zum qualitativ gleichen Schutz von Religion und Weltanschauung vgl. Kapitel A. 48  Dazu unten D. IV. 2.a). 49  Vgl. auch Stern, Strafgrund der Bekenntnisbeschimpfung, S. 84. 50 So mit Blick auf blasphemische Äußerungen Stern, Strafgrund der Bekenntnisbeschimpfung, S. 85. 51  Cornils, AfP 2013, 199 (207). 52  Vgl. auch Stern, Strafgrund der Bekenntnisbeschimpfung, S. 84: „Glaube und religiöse Überzeugungen sind also keine Gefühle.“



III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen

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schen Rates zur Religionsfreiheit lassen sich keine Hinweise auf einen Schutz vor negativen Emotionen finden. In der Zeit, in der das Grundgesetz entstand, war allerdings eine nennenswerte religiöse Pluralität in der Gesellschaft noch nicht zu verzeichnen, anders als es heute der Fall ist. Der Fall der Konfrontation mit einer fremden Religion, die den Bürger in so unangenehmer Weise berührt, dass er sich gegen sie wehren möchte, lag insoweit nicht auf der Hand. Es erscheint infolgedessen nachvollziehbar, dass über einen entsprechenden grundrechtlichen Schutz nicht nachgedacht wurde.53

bb)  Kein Schutz aus systematischer Sicht Möglicherweise lassen sich einem systematischen Rückschluss aus der in Art. 4 Abs. 1 GG verankerten Bekenntnisfreiheit Hinweise auf einen Schutz vor negativen Emotionen entnehmen. Das offene Bekennen einer Religion kann zu negativen Emotionen bei demjenigen führen, der das Bekennen zur Kenntnis nimmt, selbst aber einer anderen Religion angehört. Die Freiheit, den eigenen Glauben zu bekennen, kann insofern mit dem einem anderen zustehenden Schutz vor negativen Emotionen in Konflikt geraten. Das spricht gegen einen Schutz vor negativen Emotionen durch die Glaubensfreiheit. Würde ein Schutz vor negativen Emotionen anerkannt, bestünde die Bekenntnisfreiheit praktisch ausschließlich unter dem Vorbehalt, dass sie im nahezu ständig stattfindenden Kollisionsfall gewichtiger zu bewerten wäre als die den Schutz vor negativen Emotionen statuierenden Grundrechte. Das kann jedoch nicht generell angenommen werden. Der beschriebene Konflikt betrifft allerdings ohnehin Streitigkeiten und Rechtsverhältnisse zwischen Privaten, nicht aber zwischen Staat und Bürger. Wird die Bekenntnisfreiheit so verstanden, dass Private sich untereinander nicht daran hindern können, ihren Glauben zu bekennen, auch wenn das zu negativen Emotionen auf Seiten Andersgläubiger führt, sind damit noch keine Aussagen dazu getroffen, was in staatlichen Einrichtungen gilt54. Aus der Bekenntnisfreiheit lassen sich insoweit keine direkten Rückschlüsse auf einen Schutz vor negativen Emotionen ziehen, die durch religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen verursacht werden. Fraglich ist, ob sich aus anderen Verfassungsvorschriften, in deren Kontext Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 GG eingebettet ist, Rückschlüsse darauf ziehen lassen, ob die Religionsfreiheit bzw. deren tatbestandliche Komponenten55 den Bürger davor schützen, negative Emotionen erleben zu müssen. In Betracht kommen hier 53 Vgl. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 121, 122 f. m. w. N., u. a. dem Hinweis auf BVerfGE 36, 342 (362), wonach ein Gesetz klüger sein könne als seine Väter. 54 Vgl. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 125. 55  Zur Struktur der Religionsfreiheit unten D. IV. 2.a), zur Glaubensfreiheit näher D. IV. 2.a), zur Bekenntnisfreiheit D. V. 1. sowie zur Religionsausübungsfreiheit D. V. 2.

96 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen die Regelungen der Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV, die den Religionsunterricht sowie die Anstalts- und Militärseelsorge statuieren. Beide implizieren eine Berührung von Bürger und Religion, und zwar selbst in dem Fall, in dem der Bürger nicht am Unterricht oder der Seelsorge teilnimmt. Der Schüler der öffentlichen Schule, der den Religionsunterricht nicht besucht, wird zumindest in Situationen, in denen er die Schule oder den Klassenraum wegen des Unterrichts verlässt, seine Mitschüler aber dort verbleiben, an Religion erinnert. Wer sich in einem öffentlichen Krankenhaus oder einer Kaserne befindet, wird regelmäßig zumindest auf bestehende seelsorgerische Angebote hingewiesen und so ebenfalls mit der Existenz von Religion in öffentlichen Räumen konfrontiert. Der Verfassunggeber konnte nicht davon ausgehen, dass die Aufmerksamkeit des sich in den Einrichtungen aufhaltenden Bürgers in diesen Fällen stets so gering ist, dass er sich niemals mit den Veranstaltungen näher beschäftigen würde. Auch wenn der Bürger nicht verpflichtet ist, den Veranstaltungen beizuwohnen, werden seine Gedanken schon dadurch auf Religion gelenkt, dass er die Veranstaltung nur zur Kenntnis nimmt. Das hat regelmäßig zur Folge, dass eine – positive, negative oder auch neutrale – Emotion entsteht. Art. 7 Abs. 2 GG bestimmt, dass die Erziehungsberechtigten über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu entscheiden haben. Ob ein Kind teilnimmt oder nicht, hängt insoweit von ihrem Willen, nicht vom Willen des Staates ab. Art. 7 Abs. 2  GG liegt das Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG)56 und deren Religionsfreiheit sowie die Religionsfreiheit der religionsmündigen Schüler zugrunde57. Dass der Verfassunggeber Art. 7 Abs. 2 GG schuf, weist darauf hin, dass er den Teilnahmezwang für verfassungsrechtlich unzulässig hielt. Dass keine Regelung dazu erfolgte, wie etwaige Berührungen mit dem Religionsunterricht zu gestalten sind, deutet darauf hin, dass er die bloße Kenntnisnahme vom Religionsunterricht im Gegensatz zum Teilnahmezwang hingegen nicht als problematisch ansah. Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV ist bei der Anstalts- und Militärseelsorge jeder Zwang fernzuhalten. Gemeint ist damit staatlicher Zwang zur Teilnahme an den von den Religionsgemeinschaften veranstalteten seelsorgerischen Aktivitäten58. Die regelmäßig emotionsauslösende Konfrontation mit Religion stellt hingegen keinen Zwang im Sinne der Vorschrift dar. Da es kaum zu vermeiden sein dürfte, dass der sich in den Einrichtungen befindende Bürger von den religiösen Veranstaltungen Kenntnis nimmt – ob er an ihnen teilnimmt oder nicht – erschiene es unmöglich, einen derartigen Zwang vom Bürger fernzuhalten. In diesem Fall wäre es allerdings sinnlos, überhaupt zu erwähnen, dass der Zwang fernzuhalten sei. Die Konfrontation mit Religion kann demnach nur unterhalb des Zwangs anzusiedeln 56 

Dazu noch unten D. IV. 3. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 7, Rn. 83. 58  Ennuschat, Militärseelsorge, S. 121 f. 57 Vgl.



III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen

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sein. Offenbar sieht Art. 141 WRV, wie auch Art. 7 Abs. 3 GG, die emotionsauslösende Konfrontation als grundrechtlich nicht problematisch an. Gegen die Annahme, aus Art. 7 Abs. 3  GG und Art. 141  WRV ließe sich schlussfolgern, dass die Glaubensfreiheit keinen Schutz vor konfrontationsbedingten negativen Emotionen statuieren könne, könnte allerdings angeführt werden, es handele sich bei den von der Norm umfassten Fällen im Gegensatz zu typischen Symbolfällen jedenfalls nicht um eine direkte Konfrontation mit der Religion. Bei der Konfrontation mit Symbolen werde der religiöse Gegenstand direkt wahrgenommen. Im Hinblick auf Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 141 WRV sei das nicht der Fall, da der Bürger den religiösen Aktivitäten nicht beiwohnen müsse. Allerdings führt die Ankündigung des Religionsunterrichts oder einer seelsorgerischen Veranstaltung genauso wie der Kontakt mit dem religiösen Symbol dem Bürger vor Augen, dass eine Religion existiert, der Menschen angehören. Die Symbolkonfrontation wirkt, wie sich in Kapitel C gezeigt hat, aus sich heraus auch nicht zwangsläufig aktiv und unterscheidet sich damit nicht von den genannten Ankündigungen. Zwar kann ein Symbol nach der menschlichen Interpretation einen appellativen Charakter entfalten. Auch die Tatsache, dass Religionsunterricht und Militär- und Anstaltsseelsorge angeboten werden, dürfte aber als staatlich unterstützter Appell zumindest der Religionsgemeinschaften aufgefasst werden können, der Religion zu folgen und sich am religiösen Leben zu beteiligen59. So wie die Symbolkonfrontation können auch die Ankündigungen der Veranstaltungen bei Menschen positive oder negative Emotionen hervorrufen, je nachdem ob die Adressaten der Ankündigung dem Phänomen der Religion zustimmend oder kritisch gegenüber gegenüberstehen. Stört einen Menschen die Präsenz von Religion, werden sowohl ein Symbol als auch der Hinweis auf religiöse Veranstaltungen bei ihm negative Emotionen hervorrufen. Stört sich ein Bürger hingegen nicht an der Präsenz von Religion, spielt es für ihn keine Rolle, ob sich die Religion in Form eines Symbols oder in Form einer Ankündigung zeigt. Damit besteht kein sachlicher Unterschied zwischen der Konfrontation mit einem Symbol und der Konfrontation mit religiösen Sachverhalten, wie sie Art. 7 Abs. 3  GG und Art. 140  GG i. V. m. Art. 141 WRV betreffen. Gegen die Annahme, aus Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 141 WRV folge, dass die Glaubensfreiheit keinen Schutz vor konfrontationsbedingten negativen Emotionen statuieren könne, ließe sich auch einwenden, der Bürger sei vor negativen Emotionen nur in den Fällen nicht geschützt, in denen die Verfassung einen solchen Schutz selbst ausschließe – indem sie etwa wie in Art. 7 Abs. 2 bzw. 3  GG und Art. 140  GG i. V. m. Art. 141  WRV erst im Zwang zur Teilnahme eine Freiheitsverkürzung erblicke, nicht jedoch im ungeregelten Fall der emo59  Der Religionsunterricht ist schließlich bekenntnishaft gestaltet, vgl. Badura, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. II, Art. 7, Rn. 70.

98 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen tionsauslösenden Konfrontation mit Symbolen. In Fällen des Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 141  WRV könnte eine andere Beurteilung deshalb angezeigt sein, weil praktisch nur durch den Verzicht auf Religionsunterricht und Seelsorge als in öffentlichen Räumen stattfindende Veranstaltungen vermieden werden kann, dass auch nicht teilnehmende Bürger von ihnen Kenntnis erhielten. Das würde allerdings dem Grundgedanken der Vorschriften zuwider laufen, die Möglichkeit zur Religionsausübung auch unter den besonderen Bedingungen einer staatlich geschaffenen Erschwerung der Grundrechtswahrnehmung zu bewahren60, also insgesamt die Religionsfreiheit des Bürgers zu stärken. Näher liegt deshalb ein anderes Verständnis: Danach wollte der Verfassunggeber mit den Vorschriften in Art. 7 Abs. 2 und 3 sowie 141 WRV nicht den Schutz vor negativen Emotionen bzw. eine Ausnahme davon regeln. Es ging ihm lediglich darum, dem Bürger in staatlichen Einrichtungen Freiräume für dessen religiöses Leben zu schaffen, die sich dem Bürger ohne verfassungsrechtliche Normierung nicht zwangsläufig eröffnen würden. Dass Zwang fernzuhalten bzw. die Teilnahmeentscheidung durch den Bürger zu treffen ist, bedurfte an sich keiner gesonderten Regelungen im Grundgesetz, sondern folgt bereits aus Art. 4 Abs. 2 GG – gegebenenfalls i. V. m. Art. Art. 6 Abs. 2 GG – bzw. aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 4 WRV61. Das verdeutlicht, dass es dem Verfassunggeber vor allem darauf ankam, an das Verbot des Teilnahmezwangs zu erinnern und dieses damit zu betonen. Anhaltspunkte dafür, dass er zusätzlich darauf abzielte, die Berührung von Mensch und Religion in staatlichen Einrichtungen außerhalb des zwanghaften Kontakts zu regeln, liegen nicht vor. Vielmehr legen die Normen nahe, dass die Emotionsauslösung als alltägliche, kaum vermeidbare Folge des Zusammenlebens in einer religiös-pluralen Gesellschaft62 keine Verkürzung eines grundrechtlichen Schutzguts darstellen kann, zumal dem Einzelnen im gesellschaftlichen Leben sogar Räume geschaffen werden, um sich religiös zu betätigen. Nennenswerte Unterschiede zwischen der Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV zugrunde liegenden Situation und der Konfrontation des Bürgers mit einem religiösen Symbol bestehen auch dann nicht, wenn der Staat das Anbringen eines religiösen Symbols anordnet. In diesem Fall tritt der Staat zwar praktisch als Veranstalter des religiösen Geschehens auf. Auch der Religionsunterricht i. S. d. Art. 7 Abs. 3 GG stellt aber eine staatliche Veranstal60 

Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140  GG i. V. m. Art. 141  WRV, Rn. 1; so auch v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 197; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 378. 61  Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV, Rn. 2; vgl. auch Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 7, Rn. 83. 62 Vgl. Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (343); ders., in Religiöse Freiheit, S. 1 ff. zum religiös-weltanschaulichen Pluralismus in Deutschland; vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 73.



III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen

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tung dar, für die der Staat verantwortlich zeichnet63. Aus systematischer Sicht spricht mithin vieles dafür, davon auszugehen, dass die Religionsfreiheit nicht die emotionale Integrität des Bürgers schützt.

cc)  Kein Schutz nach dem Sinn und Zweck Hintergrund des durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Schutzes des religiösen Leben der Bürger ist die Erkenntnis, dass religiöse Fragen für den Einzelnen in besonderer Weise verbindlich sind64. Das resultiert vor allem daraus, dass die Religion Fragen nach Herkunft und Ziel des Daseins, der Stellung des Menschen in der Welt und dem abstrakten Sinn des Lebens betrifft, sie sich also auf letzte Wahrheiten bezieht65. Infolge dessen berührt die Religion die personale Identität und Individualität des Menschen unmittelbar66. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Ziel der Religionsfreiheit darin zu erblicken wäre, alle denkbaren Anliegen Gläubiger unter den religionsfreiheitlichen Schutz zu stellen67. Auch das Verständnis von Art. 4 Abs. 1 und 2  GG als einheitliches und umfassendes Grundrecht der Religionsfreiheit68 ist nicht dahingehend zu deuten69. Die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, das Grundrecht der Religionsfreiheit gebe dem Einzelnen das Recht, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und gemäß seiner Glaubensüberzeugung zu handeln70 kann vielmehr auch im Sinne einer weiten Auslegung der Religionsausübungsfreiheit verstanden werden71. Auch Vertreter eines umfassenden Verständnisses der Religionsfreiheit richten ihre inhaltliche Darstellung der Religionsfreiheit an den unterschiedlichen Gewährleistungen aus72. Das 63  Vgl. BVerwGE 110, 326 (338) ff.; Link, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts², Bd. II, S. 459 ff.; Hildebrandt, Grundrecht auf Religionsunterricht, S. 236 ff.; Thiel, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 7, Rn. 59. 64  Dazu und zum Folgenden Fleischer, Der Religionsbegriff der Grundgesetzes, S. 141 ff.; Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 12; v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), S. 135 (151). 65  Isensee, in: Isensee (Hrsg.), Religionsbeschimpfung, S. 121. 66  Fleischer, Der Religionsbegriff der Grundgesetzes, S. 141 ff.; Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 12. 67  Dazu insgesamt Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 160; vgl. auch Kästner, in: ZevKR 41 (1996), S. 241 (261). 68  BVerfGE 24, 236 (245); 32, 98 (106); 33, 23 (28); 83, 341 (354); 108, 282 (297); jüngst auch BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1360 f.); v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 54 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 78 ff.; Jeand’Heur/Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 73 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 4, Rn. 1 ff. 69  Zur inneren Struktur des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG noch unten D. IV. 2.a). 70  BVerfGE 32, 98 (106), 33, 23 (28), 41, 29 (49), 108, 282 (297). 71  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 160. 72 Dazu Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 9; vgl. etwa die Vorgehensweise bei Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 81 ff., sowie bei Starck, in: v. Mangoldt/

100 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen zeigt, dass sich der Schutzgehalt der Religionsfreiheit inhaltlich nur aus den Gehalten der jeweiligen Gewährleistungen – der Glaubens-, der Bekenntnis- und der Religionsausübungsfreiheit – ergeben kann. Die Gewährleistungen bilden zumindest die Eckpfeiler des Schutzgehalts der Religionsfreiheit. Hieraus allerdings einen Schutz der emotionalen Integrität zu entnehmen, liegt nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch mit Blick auf die materiellen Gehalte der Glaubens-, Bekenntnis- und der Religionsfreiheit fern, ohne dass insoweit bereits erforderlich wäre, letztere näher zu spezifizieren73. Auch in dem Fall, in dem sich der Einzelne über die Symbolkonfrontation „für seinen Gott“ empört74, unterscheiden sich die durch die Konfrontationssituation entstandenen Emotionen inhaltlich nicht von den Emotionen wie sie etwa als Reaktion auf nicht geteilte politische oder sonstige Äußerungen erfolgen. Die Religion mag im Vergleich zu anderen Meinungen oder Themenfeldern aufgrund ihres Bezugs zu identitätsprägenden Fragen eine gewisse Privilegierung erfahren. Das heißt aber nicht, dass der Bürger vor der durch einen religiösen Bezug ausgelösten Missliebigkeit stärker zu schützen wäre als vor sonstigen Missliebigkeiten. Sofern nicht die Glaubensfreiheit als Freiheit religiöser Einstellungen, die Bekenntnisfreiheit oder die Religionsausübungsfreiheit direkt betroffen sind, ist kein Grund für eine Privilegierung der Religion ersichtlich.75 Ein Schutz der emotionalen Integrität lässt sich nach allem der Religionsfreiheit nicht entnehmen. Die Religionsfreiheit schützt den Bürger nicht vor Emotionen, die durch Sachverhalte mit religiösem Bezug ausgelöst würden, also auch nicht vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen.

c)  Schutz durch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit Ein Schutz der emotionalen Integrität könnte sich allerdings aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergeben, der neben dem Recht auch auf Leben das Recht auf körperliche Unversehrtheit statuiert. Die körperliche Unversehrtheit beinhaltet jeden-

Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 32 ff.; und Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 26 ff.; 32 ff.; 57 ff. 73 Vgl. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 163. 74 Vgl. Stern, Strafgrund der Bekenntnisbeschimpfung, S. 85, allerdings mit Blick auf blasphemische Äußerungen. 75 Vgl. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 186; Cornils, AfP 2013, 199 (208). Über Grundrechte, die etwa auf den Schutz persönlichkeitsprägender Merkmale des Menschen zielen – beispielsweise das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG –, kann sich der besondere Persönlichkeitsbezug der Religion allerdings auswirken. Überdies ist auch ein aus anderen Grundrechten folgender – allgemeiner – Schutz der emotionalen Integrität nicht auszuschließen.



III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen

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falls die Gesundheit im biologisch-physiologischen Bereich76, das heißt die Integrität der körperlichen Substanz77.

aa)  Schutz der menschliche Psyche nur bei Vergleichbarkeit der Einwirkung mit körperlichen Beeinträchtigungen Über die Integrität der körperlichen Substanz hinaus wird verbreitet78 auch der geistig-seelische Bereich, also das psychische Wohlbefinden, in den Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit mit einbezogen, soweit die Einwirkung zu körperlichen Schmerzen oder mit anderen körperlichen Beeinträchtigungen vergleichbaren Wirkungen führt79. Hierzu können auch Einwirkungen gezählt werden, die psychische Erkrankungen auslösen, da diese sich von physischen Bedingungen regelmäßig nicht völlig ablösen lassen80.

(1)  Regelmäßig keine Vergleichbarkeit konfrontationsbedingter Emotionen mit körperlichen Beeinträchtigungen Emotionen, die durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen ausgelöst werden, wirken sich regelmäßig nicht in einer Weise aus, die mit körperlichen Schmerzen vergleichbar ist. Eine solche Wirkung kommt lediglich in Fällen mit Bezug zu einem erlebten Trauma in Betracht, wenn infolge einer engen Verknüpfung zwischen Symbol und Trauma das Symbol das traumatische Ereignis wieder in Erinnerung ruft und der Betrachter deshalb das Ereignis emotional erneut durchlebt81.

76  BVerfGE 56, 54 (73 ff.); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 2, Rn. 34; Höfling, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 2, Rn. 125. 77  Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck OK-GG, Art. 2, Rn. 62; Di Fabio, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 55; Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 2, Rn. 449. 78  Höfling, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 2, Rn. 126; Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck OK-GG, Art. 2, Rn. 62. 79  BVerfGE 56, 54 (75); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 55 m. w. N.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, Art. 2 Rn. 83; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 225; Höfling, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 2, Rn. 125; Fink, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 88, Rn. 34; vgl. auch Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 2, Rn. 453. 80  Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 149; Fink, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 88, Rn. 34. 81  Vgl. Kapitel C, Fn. 32.

102 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen (2)  Keine Erweiterung des Schutzes auf das psychische Wohlbefinden Traumatische Vorerfahrungen mit dem Symbol und entsprechende starke psychische Reaktionen auf das Symbol dürften aus praktischer Sicht eine Ausnahme sein. Regelmäßig wirkt sich die Symbolkonfrontation lediglich auf die aktuelle Stimmung des Menschen aus, beeinträchtigt also allenfalls sein – gegenwärtiges – psychisches Wohlbefinden. Das wirft die Frage auf, ob die körperliche Unversehrtheit den Menschen auch vor dieser Art von Beeinträchtigungen des emotionalen Zustands schützen will, die von ihrer Intensität her nicht mit körperlichen Beeinträchtigungen gleichzustellen sind. Das OVG Rheinland-Pfalz entnahm Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein Recht auf „psychisches Wohlbefinden“82. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Hauseigentümer eine an ihn gerichteten Verfügung angefochten, die ihn aufforderte, eine von ihm angebrachte Fassadenbemalung zu entfernen. Das OVG führte aus, dass die „dunkle Farbgebung und die teilweise aggressiven Muster“ der Fassadenbemalung als bedrohlich empfunden werden könnten und deshalb die Psyche der gegenüber wohnenden Nachbarn beeinflussen könnten. In der Folge hielt es eine „Abwägung zwischen dem Recht des Klägers aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und den Rechten seiner Nachbarn auf ‚psychisches Wohlbefinden‘ (Art. 2 Abs. 1 GG)“ für geboten.83 Gegen ein derart weites Verständnis der körperlichen Unversehrtheit, das auch einen Schutz vor den Normalformen der Emotion erfassen könnte, sprechen jedoch mehrere Gründe: Der Verfassunggeber hat in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gerade den Begriff der körperlichen Unversehrtheit, nicht aber den der Gesundheit verwendet. Dabei war ihm der Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1946 bekannt, nach dem Gesundheit den „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“84 beschreibt und aus dem ein weitergehender Schutz der menschlichen Psyche abgeleitet werden könnte. Dass der Parlamentarische Rat den Begriff nicht verwendete, spricht dafür, dass er die körperliche Unversehrtheit nicht in dieser Weite verstanden wissen wollte.85 Überdies deutet schon der Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 S. 1  GG darauf hin, dass nur der körperliche Aspekt durch

82 

OVG Rheinland-Pfalz, NJW 1998, 1422. OVG Rheinland-Pfalz, NJW 1998, 1422 (1423). Im Ergebnis überwog dennoch die durch Art. 5 Abs. 3  GG geschützte Kunstfreiheit, die das Recht zur Fassadenbemalung umfasste. 84  Präambel der Satzung der WHO, abzurufen über die Internetpräsenz der WHO (http:// apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/constitution-en.pdf?ua=1; abgerufen am 24. 6. 2015). 85  Vgl. BVerfGE 56, 54 (74 f.); zum Ganzen auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Bd. I, Rn. 57; vgl. auch Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 2, Rn. 453. 83 



III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen

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Art. 2 Abs. 2 GG geschützt werden sollte, andere Aspekte, also etwa die psychische Befindlichkeit, hingegen durch andere Grundrechte86. Gegen ein das psychische Wohlbefinden umfassendes Verständnis des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG spricht sodann, dass der Schutz vor negativen Emotionen sich als praktisch kaum durchführbar gestalten würde. Das gilt nicht nur im Verhältnis der Bürger untereinander87, sondern auch im Verhältnis der Bürger zum Staat. So könnte etwa schon der bloße Anblick eines Polizisten im Vorbeigehen beim Bürger ein Unbehagen auslösen. Der Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit wäre damit praktisch stets eröffnet. Zwar könnte hier ein Filter auf der Eingriffsebene Abhilfe schaffen. Es wäre beispielsweise denkbar, nur besonders starke Emotionen als Grundrechtseingriff anzusehen. Hier stellte sich jedoch das Problem, dass die Intensität einer Emotion von der Persönlichkeit und der subjektiven Wahrnehmung des Einzelnen abhängt und deshalb objektiv nur eingeschränkt nachzuweisen ist. Selbst wenn insoweit auf Perspektiven eines durchschnittlichen Bürgers abgestellt würde – was mit Blick auf die freiheitssichernde Funktion der Grundrechte bedenklich sein könnte  – träten weitere Schwierigkeiten auf: So bedarf jeder Grundrechtseingriff einer gesetzlichen Grundlage88. Mag die durch Art. 2 Abs. 1  GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Bürgers noch gesetzlich fassbar erscheinen, gilt das für Regelungen zum psychischen Wohlbefindens des Bürgers nicht. Da sich Emotionen als alltägliche Reaktion des Menschen auf Ereignisse darstellen und überdies stark von der Persönlichkeit und den Erfahrungen des Einzelnen abhängen, wäre eine kaum überschaubare Fülle an gesetzlichen Regelungen notwendig, um eine Rechtfertigung der zahlreichen Grundrechtseingriff überhaupt zu ermöglichen. Zumindest aus der ex ante-Perspektive wäre es praktisch unmöglich, sämtliche Sachverhalte zu erfassen, die emotionsauslösend wirken könnten und entsprechend einer gesetzliche Regelung bedürften. Eine Zielvorstellung des Grundgesetzes stellt überdies die Gemeinschaft des Menschen mit anderen in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft dar89. Dieser verfassungsrechtlichen Zielvorstellung wiederspräche es, wenn sämtliche Emotionen als Grundrechtsverkürzungen verstanden würden. Denn das könnte – in der Schutzpflichtendimension der Grundrechte gedacht – staatliche Stellen zu weitreichenden Schutzmaßnahmen verpflichten, um den Bürger vor dem emotionsauslösenden Verhalten anderer Bürger zu schützen. Solche Schutzmaßnahmen lähmten unter Umständen den Kontakt und den Austausch 86  Murswiek, in Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 149, der ebenfalls aufzeigt, dass der Gesundheitsbegriff nicht nur über den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1  GG hinaus geht, sondern in anderer Hinsicht auch als zu eng bewertet werden kann (Rn. 150). 87  Hier wäre eine staatliche Schutzpflicht in Betracht zu ziehen. 88  Vgl. nur Lerche, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V (1992), § 122, Rn. 2. 89  Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (343).

104 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen der Bürger untereinander. Ein Schutz des Bürgers vor dem emotionsauslösenden Verhalten anderer Bürger kommt damit nicht in Betracht. Gleiches gilt auch im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Das Grundgesetz sieht den Bürger nicht nur als in die Gesellschaft eingebundenes Subjekt an, sondern stattet ihn mit staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten aus90. Insoweit sieht es auch den Kontakt zwischen Bürger und Staat als selbstverständlich an. Das zugrundeliegende verfassungsrechtliche System wäre in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt, würde jeglicher Kontakt zwischen Staat und Bürger als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff angesehen – was die Folge eines weitreichenden Schutzes der emotionalen Integrität wäre.

bb)  Eröffnung des Schutzbereichs im Fall der Symbolkonfrontation aufgrund nicht auszuschließender mit körperlichen Einwirkungen vergleichbarer Beeinträchtigungen im Einzelfall Wird der Bürger mit religiösen Symbolen konfrontiert, die Emotionen – etwa Ärger oder Wut – auslösen, dürfte das dessen Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit regelmäßig nicht schmälern. Etwas anderes gilt, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass die ausgelöste Emotion ausnahmsweise einen Ausprägungsbzw. Intensitätsgrad erreicht, der ihre Folgen mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Integrität vergleichbar erscheinen lässt. Unter welchen Umständen das genau der Fall ist, ist auf der Eingriffsebene zu klären. Insgesamt schützt die körperliche Unversehrtheit damit in gewissem Rahmen auch die emotionale Integrität. Der Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit ist folglich auch im Fall der Symbolkonfrontation eröffnet. Es deutet sich jedoch an, dass Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur unter besonderen Umständen zu erwarten sind.

d)  Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung Möglicherweise lässt sich ein Schutz des emotionalen Zustandes des Bürgers aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ableiten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Integrität der Persönlichkeit nicht wie Art. 2 Abs. 2 S. 1  GG vor allem in körperlicher, sondern insbesondere in geistig-seelischer Beziehung91. In Betracht kommt insofern ein verstärkter Schutz der menschlichen Psyche durch das allgemeine 90  Vgl. nur Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV; dazu Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140 i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV, Rn. 2 ff. 91 Vgl. Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 61, wobei beide Aspekte, wie oben erwähnt, nicht vollständig voneinander zu trennen sind, da der Mensch eine Einheit von Leib, Seele und Geist ist (BVerfGE 56, 54 [74 f.]).



III.  Grundrechtlicher Schutz vor Emotionen

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Persönlichkeitsrecht. Dessen Schutzbereich könnte das psychische Wohlbefinden erfassen und damit einen Schutz vor Emotionen liefern, die die Schwelle einer dem körperlichen Schmerz zumindest vergleichbaren Beeinträchtigung nicht erreichen.

aa)  Regelmäßig keine Hemmung der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung durch konfrontationsbedingte Emotionen Gegen die Annahme, das allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1  GG begründe einen Schutz des Bürgers vor negativen Emotionen, sprechen allerdings schon die soeben aufgezeigten Schwierigkeiten, einen solchen Schutz praktisch umzusetzen. Davon abgesehen umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht schon aus seinem Sinn und Zweck heraus nicht den Schutz vor (negativen) Emotionen. Es will die Integrität der Persönlichkeit des Menschen92, die freie und selbstbestimmte Persönlichkeitsentfaltung93 sichern, d. h. dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung bewahren, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann94. Emotionen stellen sich jedoch gerade als Ausdruck der Persönlichkeit eines Menschen dar. Emotionen, gleich ob positiver oder negativer Art, spiegeln die inneren Einstellungen des Menschen wieder. Sie zeigen, wie der Mensch Situationen bewertet und einschätzt. Emotionen bilden mithin die Persönlichkeit des Menschen nach außen ab. Die inneren Einstellungen eines Menschen und die von ihm vorgenommenen Bewertungen unterscheiden ihn von anderen Menschen. Der Mensch entfaltet seine Persönlichkeit gerade dadurch, dass er Emotionen entwickelt und nach außen trägt. Werden Emotionen beim Menschen ausgelöst, wird seine eigene Persönlichkeit also regelmäßig gerade angesprochen, nicht jedoch in ihrer Entfaltung gehemmt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb die emotionale Integrität zumindest nicht in der Weise schützen, dass es einen Schutz vor sämtlichen Emotionen beinhaltete95.

92 

Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 59, 61. Enders, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 89, Rn. 6. 94  BVerfGE 79, 256 (268) unter Verweis auf BVerfGE 35, 202 (220). 95  Im Gegenteil dürfte sogar zu bezweifeln sein, dass staatliches Bestreben, den Menschen vor negativen Emotionen zu bewahren – sofern das praktisch überhaupt durchzuführen wäre – langfristig das psychische Wohlbefinden des Bürgers sichern würde, selbst wenn dieses einen Schutzgegenstand des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bildete. Allein aufgrund des Phänomens der Emotionstoleranz (dazu Kapitel C, dort II.1.b)bb)) ist davon auszugehen, dass der Mensch regelmäßig einen Wechsel seiner Emotionen benötigt, um sie subjektiv empfinden zu können. Folglich dürfte ein gewisses Maß an negativen Emotionen notwendig sein, um positive Emotionen und ein darauf gründendes psychisches Wohlbefinden empfinden zu können. Für die geistig-seelische Gesundheit des Menschen könnte damit zumindest ein Wechsel zwischen den Emotionen erforderlich sein. 93 

106 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen bb)  Eröffnung des Schutzbereichs im Fall der Symbolkonfrontation aufgrund nicht auszuschließender entfaltungshemmender Wirkungen im Einzelfall Das allgemeine Persönlichkeitsrecht dürfte im Fall der Symbolkonfrontation nur in den Fällen berührt sein, in denen die Emotion eine derartige Intensität aufweist, dass sie sich in einem seelischen Schockzustand ausprägt. Denn ein seelischer Schockzustand kann die Entwicklung menschlicher Individualität hemmen und bisherige Entwicklungsergebnisse zurückdrängen. Welche Umstände dafür im Einzelfall erforderlich sind, ist eine Frage des Grundrechtseingriffs. Da in Fällen seelischer Schockzustände nach den bisherigen Erkenntnissen auch der Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit eröffnet ist, ist eine Abgrenzung zwischen beiden Grundrechten erforderlich. Gegen eine Spezialität des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in Konstellationen, in denen sich der seelische Schockzustand als mit körperlichen Beeinträchtigungen vergleichbare psychische Krankheit einordnen lässt, spricht, dass beide Grundrechte unterschiedliche Schutzgüter umfassen. Während Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG darauf abzielt, den Menschen in seiner Körperlichkeit zu schützen – und deshalb nur solche psychischen Beeinträchtigungen miteinbezieht, die zu körperlichen Schmerzen oder zu mit anderen körperlichen Beeinträchtigungen vergleichbaren Wirkungen führt – will Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG den Menschen in geistigseelischer Beziehung schützen. In der Folge sind beide Grundrechte nebeneinander anwendbar.

3.  Fazit: Schutz der emotionalen Integrität nur im Fall spezieller Auswirkungen des emotionsauslösenden Faktors Hinsichtlich der Frage, welche grundrechtlichen Schutzbereiche eröffnet sind, wenn die Symbolkonfrontation dazu führt, dass beim Bürger Emotionen entstehen, lässt sich nach allem Folgendes feststellen: Die Menschenwürdegarantie umfasst den Schutz des emotionalen Zustands nicht. Gleiches gilt für die Religionsfreiheit. Deren Schutzbereich wird durch die emotionsauslösende Symbolkonfrontation nicht eröffnet. Hingegen sind der Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eröffnet, wenn der Bürger als Folge der Konfrontation mit religiösen Symbolen Emotionen erlebt. Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Konfrontationssituation kommen allerdings nur unter besonderen Umständen in Betracht. Der emotionale Zustand ist nur in speziellen Facetten grundrechtlich geschützt, nämlich in Fällen, in denen sich die unerwünschte Emotion in einer schweren seelischen Beeinträchtigung in Form etwa eines Schockzustands auswirkt. Ein speziell auf den emotionalen Zustand zielender grundrechtlicher Schutz besteht demnach nur sehr eingeschränkt.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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Abgesehen von den benannten Sonderfällen, in denen Grundrechtseingriffe nicht auszuschließen sind, bleibt zu prüfen, ob Emotionen als Anzeichen einer sonstigen Betroffenheit grundrechtlicher Schutzgüter fungieren96. Ist das der Fall, kann sich ein indirekter Schutz vor Emotionen aus den Vorschriften ergeben, die die jeweiligen direkt betroffenen Schutzgüter umfassen. So könnte die Konfrontation mit einem religiösen Symbol etwa deshalb Emotionen auslösen, weil sie bekanntermaßen suggestiv oder indoktrinierend wirkt. Bieten grundrechtliche Normen einen Schutz vor Einstellungsänderungen, schützen sie in der Konsequenz den Bürger mittelbar auch davor, die Emotionen erleben zu müssen, die aus der Erkenntnis resultieren, mit einem einstellungsändernden Symbol konfrontiert zu werden. Ein Verständnis der Emotion lediglich als Anzeichen für eine sonstige Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten entspricht auch der Natur der Emotion: Emotionen entstehen als Folge einer bewusst oder unbewusst vorgenommenen situativen Bewertung, also nicht aus sich heraus, sondern aus der Einordnung bestimmter Ereignisse. Emotionen geben Zeugnis von der Bewertung eines bestimmten Sachverhalts z. B. als beeinträchtigendes, für die eigene Persönlichkeit als negativ befundenes Ereignis. Auch wenn die Emotion selbst in Form ihrer subjektiven Komponente als Belastung empfunden werden kann, liegt die eigentliche Belastungsursache in der Situation, auf die sich die Bewertung bezieht. Infolgedessen ist weiterhin zu prüfen, inwieweit grundrechtliche Normen einen Schutz vor Einstellungsänderungen beinhalten. Da für die einstellungsändernde Konfrontation ebenfalls ein indirekter Schutz aus bestimmten Grundrechten in Betracht kommt, wird sich dem indirekten grundrechtlichen Schutz vor Emotionen und Einstellungsänderungen deshalb im Anschluss daran zu widmen sein97.

IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen Hinsichtlich eines Schutzes des Bürgers vor Einstellungsänderungen scheint die in Art. 4 Abs. 1 GG verankerte Glaubensfreiheit von besonderer Relevanz zu sein. Das folgt daraus, dass der Glaube, wie in Kapitel C bereits dargelegt, sowohl aus sozial- und religionspsychologischer als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht als innere Einstellung zu verstehen ist. Art. 4 Abs. 1  GG schützt seinem Wortlaut nach also gerade die Freiheit innerer religiöser Einstellungen98. Auch nach ihrer Systematik ist Glaubensfreiheit auf die innere Seite 96 

Cornils, AfP 2013, 199 (207). Vgl. unter D. V. 98  Sowie weltanschaulicher bzw. allgemein dem religiös-weltanschaulichen Bereich zuzuordnender Einstellungen, vgl. Kapitel A. 97 

108 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen des religiösen menschlichen Lebens gerichtet. Die weiteren in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG genannten Komponenten, die Bekenntnis- und die Religionsausübungsfreiheit, betreffen nach außen sichtbare Verhaltensweisen99. Der Schutz auch der Glaubensfreiheit rundet insoweit den Schutz des religiösen Lebens des Bürgers ab: Bekenntnis oder Religionsausübung sind nur dann ein Ausdruck einer Verhaltensfreiheit, wenn ihnen ein frei gebildeter Handlungsentschluss vorausgeht100. Ein solcher Entschluss kann einer religiösen Einstellung entspringen. Ein Schutz vor Einstellungsänderungen könnte sich auch bereits aus der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1  GG) herleiten lassen. Ebenso ist an einen aus der negativen Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) resultierenden Schutz zu denken. In Betracht kommt überdies, wie erwähnt101, auch ein mittelbarer Schutz vor Einstellungsänderungen aus grundrechtlichen Normen, die nicht direkt auf den Schutz vor Einstellungsänderungen zielen, sondern an andere Umstände anknüpfen, etwa an eine Neutralitätswidrigkeit des Symbols102.

1.  Regelmäßig kein Schutz durch die Menschenwürdegarantie Zu untersuchen ist zunächst ein möglicher Schutz vor Einstellungsänderungen durch die in Art. 1 Abs. 1  GG statuierte Menschenwürdegarantie. Der Menschenwürdegarantie liegt, wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, die „Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen (…), das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich zu entfalten“103 zugrunde. Eine Verletzung der Menschenwürde kommt jedoch, wie oben104 ausgeführt, nur in Betracht, wenn durch die einstellungsändernde Konfrontationssituation den Wert- und Achtungsanspruchs des Menschen verletzt wird. Es ist nicht auszuschließen, dass bestimmte Formen staatlich- bzw. allgemein fremdverursachter Einstellungsänderungen als menschenwürderelevant zu bewerten sind. Auch wenn es für eine Verletzung der Menschenwürde des Einzelnen grundsätzlich nicht darauf ankommt, dass sie subjektiv beabsichtigt ist105, liegt es für einstellungsändernde Maßnahmen nahe, eine entsprechende Intention zu verlangen. Kapitel C hat bereits aufgezeigt, wie mannigfaltig die Möglichkeiten 99 Vgl.

Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 112. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 85; vgl. auch Beckermann, in: Barton (Hrsg.), „… weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!“, S. 301. 101  Vgl. insb. oben D. III.3. 102  Unten D. V. 103  BVerfGE 45, 157 (227); vgl. auch Borowski, Glaubensfreiheit, S. 269 m. w. N. in Fn. 417. 104  D. III.2.a). 105  Vgl. dazu Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 1, Rn. 24. 100 



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

109

sind, durch die sich menschliche Einstellungen ändern können. Eine zumindest kausale Mitwirkung des Staates oder auch anderer Bürger hieran scheint in unterschiedlicher Art und Weise und an verschiedenen Stellen möglich. Dem Charakter der Menschenwürde als Tabugrenze106 wird jedoch nur ein Verständnis gerecht, das hier differenziert. Lediglich in Fällen, in denen der Staat oder ein anderer Bürger bewusst darauf abzielen, den Menschen zu manipulieren, also seine Selbstbestimmung aufzuheben, erhält ein einstellungsändernder Vorgang den Charakter einer Maßnahme, die den Menschen zum Objekt degradiert. Der Menschenwürdeschutz muss um seiner Geltung willen elementar verstanden werden107. Im Fall der Symbolkonfrontation dürfte sich eine Intention des – staatlichen oder auch nicht-staatlichen – Symbolverwenders, die Einstellungen des Symbolbetrachters zu manipulieren, regelmäßig nicht erkennen lassen. Das gilt bereits deshalb, weil nach den bisherigen Erkenntnissen zu bezweifeln ist, dass Einstellungsänderungen eine objektiv voraussehbare und wahrscheinliche Folge der Symbolkonfrontation bilden108. Denn die Symbolkonfrontation stellt ein Produkt verschiedener zusammentretender Faktoren dar, die regelmäßig nicht sämtlich von derselben Person oder derselben Institution und z. T. auch nicht bewusst geschaffen bzw. hervorgerufen werden. Damit steht schon die grundsätzliche Eignung der Konfrontation als gezielte Eingriffsmaßnahme in Frage. Ein Manipulationswille kann dem Symbolverwender hiernach nicht ohne weiteres unterstellt werden. Insgesamt ist damit zwar nicht auszuschließen, dass einstellungsändernde Einflüsse die Menschenwürdegarantie berühren können. Davon ist aber nur unter den aufgezeigten Umständen auszugehen, die bei der Symbolkonfrontation regelmäßig nicht nachweisbar sind.

2.  Schutz durch die Glaubensfreiheit Wie bereits dargelegt, weist die Glaubensfreiheit schon ihrem Wortlaut nach einen Bezug zu inneren Einstellungen und damit auch zu Einstellungsänderungen auf. Um das Schutzgut der Glaubensfreiheit genau erfassen zu können, ist es allerdings zunächst erforderlich, die innere Struktur der Religionsfreiheit zu untersuchen, aus der die Glaubensfreiheit abzuleiten ist. Aus den entsprechenden Erkenntnissen werden sich Rückschlüsse auf die Reichweite eines eventuellen 106  Pieroth/Schlink, Grundrechte (2010), Rn. 373; vgl. auch Poscher, JZ 2004, 756 (756 ff.). 107  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 1 Abs. 1, Rn. 15. 108  Überdies verdeutlichte das vergangene Kapitel, dass Einstellungsänderungen im Wege unterschiedlicher Prozesse zustande kommen. Eine pauschale Bewertung der Symbolkonfrontation, ohne dass nach den einzelnen Prozessen differenziert würde, erscheint daher ohnehin nicht angezeigt.

110 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen Schutzes der Glaubensfreiheit vor Einstellungsänderungen ziehen lassen. Das ermöglicht die Feststellung, ob der Schutzbereich der Glaubensfreiheit eröffnet ist, wenn der Bürger mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen konfrontiert wird.

a)  Die Glaubensfreiheit als Strukturelement der Religionsfreiheit Bei einer ersten Betrachtung des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG lassen sich der Norm verschiedene Gewährleistungen entnehmen: Die Glaubens-, die Bekenntnisund die Religionsausübungsfreiheit. In der Tat werden die in Art. 4 Abs. 1 und 2  GG enthaltenen Tatbestände in der rechtswissenschaftlichen Literatur differenziert betrachtet109. Wie oben bereits erwähnt, erblicken das Bundesverfassungsgericht110 und andere Teile der Literatur111 in Art. 4 GG allerdings ein einheitliches Grundrecht der Religionsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, das Grundrecht der Religionsfreiheit gebe dem Einzelnen das Recht, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und gemäß seiner Glaubensüberzeugung zu handeln112. Für einen einheitlichen Schutzbereich wird von der dem Bundesverfassungsgericht folgenden Literatur im Wesentlichen angeführt, die in Art. 4 Abs. 1 und 2  GG enthaltenen Trias von Aspekten ließen sich zwar an den Begriffen der beiden Absätze analytisch festmachen, jedoch nicht trennscharf voneinander abgrenzen113. Für ein differenziertes Verständnis sprechen hingegen der Wortlaut114 und die Entstehungsgeschichte mit dem vor allem dort zum Ausdruck kommenden Zusammenhang des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG mit den ins Grundgesetz inkorporierten Artikeln der WRV115. Hinzu kommt, dass durch ein differenziertes Verständnis eher ver109 So Muckel, Religiöse Freiheit, S. 127 f.; ders. in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 4, Rn. 5 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 5 ff.; speziell im Hinblick auf die Weltanschauungsfreiheit Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 103. 110  BVerfGE 24, 236 (244 f.); 32, 98 (106); 33, 23 (28); 83, 341 (354); 108, 282 (297). 111  v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 54 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 78 ff.; Jeand’Heur/Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 73 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 4, Rn. 1 ff.; weitere Nachw. bei Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 5 m. Fn. 46–48. 112  BVerfGE 32, 98 (106); 33, 23 (28); 41, 29 (49); 108, 282 (297). 113  Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 80; v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 54; vgl. auch Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 14. 114  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 127; ders., in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 4, Rn. 6; Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 11; Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 66; für die Weltanschauungsfreiheit Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 94 ff. 115  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 127; ders., in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 4, Rn. 6; Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 11; Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 66; für die Weltanschauungsfreiheit Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 94 ff.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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mieden werden kann, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG konturenlos wird und sich zu einem allgemeinen Freiheitsrecht entwickelt116. Für die hier zu beantwortende Frage nach dem grundrechtlichen Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen könnte es bedeutsam sein, welchem Verständnis des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gefolgt wird. Auf den ersten Blick spricht einiges dafür, dass ein Grundrecht, das dem Einzelnen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG das Recht gibt, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und gemäß seiner Glaubensüberzeugung zu handeln117, einen sehr weiten Schutzbereich aufweist und in der Folge auch ein Recht beinhalten dürfte, zumindest vor der staatlich zurechenbaren Konfrontation mit religiösen Symbolen geschützt zu werden118. Insbesondere wenn betont wird, dass es für die Frage, welche Verhaltensweisen dem Schutzbereich der Religionsfreiheit zuzuordnen sind, besonders auf das religiöse Selbstverständnis des einzelnen Bürgers ankommt119, lässt sich die Formulierung so interpretieren, dass die Religionsfreiheit dem Einzelnen Schutz davor gewährt, mit unerwünschten und deshalb als missliebig empfundenen Ereignissen wie etwa Symbolen in Berührung zur geraten.120 Schon die Einführung zu diesem Kapitel hat jedoch gezeigt, dass ein Schutz vor den Symbolwirkungen auch in Betracht kommt, wenn direkt an einzelne Rechte – etwa die Glaubensfreiheit oder die Religionsausübungsfreiheit – angeknüpft wird, ohne insoweit auf ein einheitliches Grundrecht abzustellen121. Das führt zu der Frage, ob und inwieweit sich bezüglich der Konfrontation mit religiösen Symbolen je nach Verständnis des Art. 4 GG überhaupt unterschiedliche Schutzgehalte ergeben könnten. Umso mehr gilt das, wenn das mit einer weiten Auslegung des Art. 4 GG verfolgte Ziel des Bundesverfassungsgerichts nicht darin erblickt wird, alle denkbaren Anliegen der Gläubigen in den Schutzbereich der Religionsausübung aufzunehmen, sondern vielmehr darin, auch Verhaltensweisen dem Schutz der Religionsfreiheit zu unterstellen, die nach dem Verständnis des Gläubigen aus seiner Religion hervorgehen, mangels eines Kultcharakters jedoch objektiv betrachtet nicht mit der Religionsausübung zusammen hängen122. Auch ein weites Verständnis der (negativen) Religionsausübungsfreiheit muss aus systematischen und teleologischen Gründen nicht zu 116  Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 6; Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 67 m. w. N. 117  BVerfGE 32, 98 (106), 33, 23 (28), 41, 29 (49), 108, 282 (297). 118 Vgl. Heckel, DVBl. 1996, 453, 475. 119 Vgl. dazu v. Ungern-Sternberg, in: Rensen/Brink; Linien der Rechtsprechung des BVerfG, S. 251 f. 120 Vgl. Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 6 a. E. 121 Vgl. Böckenförde, Der säkularisierte Staat, S. 20, Fn. 14, wonach der Schutzbereich der Religionsfreiheit trotz der Abgrenzung in unterschiedliche Teilverbürgungen weit verstanden werden kann. 122  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 160.

112 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen einem Recht des Einzelnen führen, stets vor der Konfrontation mit missliebigen Symbolen bewahrt zu werden. Allerdings sprechen mit den oben beschriebenen Argumenten gute Gründe für ein differenziertes Verständnis des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Die Inhalte der Religionsfreiheit treten dabei deutlicher hervor, als es bei einem einheitlichen Verständnis des Grundrechts der Fall ist, was die inhaltliche Handhabung der Religionsfreiheit erleichtern kann. Letzteres zeigt sich insbesondere daran, dass auch Vertreter des weiten Verständnisses die einzelnen in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verankerten Aspekte jeweils näher konkretisieren123. In der Tat ist deshalb davon auszugehen, dass auch die Annahme, die einzelnen Verbürgungen des Art. 4 Abs. 1 und 2  GG bildeten ein einheitliches Grundrecht, jedenfalls nicht von dem Erfordernis entbindet, den Schutzbereich durch ein genaues Verständnis der verwendeten Begriffe zu erfassen124. Dass es mitunter schwierig sein kann, die einzelnen Gewährleistungen der Art. 4 Abs. 1 und 2  GG voneinander abzugrenzen, rechtfertigt es nicht, von einer Abgrenzung gänzlich abzusehen. Hiervon ausgehend können die unterschiedlichen Ansichten zur inneren Struktur des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, wie bereits angedeutet, durchaus zu gleichen Ergebnissen führen. Auch Vertreter eines einheitlichen Verständnisses müssen sich fragen, an welcher Stelle sich in der Konfrontationssituation eine Freiheitsverkürzung ergibt, wie sich diese gestaltet und ob sie sich dem Bereich zuordnen lässt, den die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthaltenen Begriffe – Glaube, Bekenntnis und Religionsausübung – jeweils als Eckpfeiler vorgeben.125 Da überzeugende Gründe dafür sprechen, die einzelnen Gewährleistungen in Art. 4 GG differenziert und nicht im Sinne eines einheitlichen Grundrechts zu betrachten, wird sich die folgende Prüfung hieran ausrichten. Substantielle Unterschiede im Ergebnis sind dadurch allerdings nicht zu erwarten.

123 

So auch Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 9; vgl. i. Ü. Fn. 72. Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 11. 125  Der Kruzifixbeschluss des BVerfG erfüllt die obigen Maßstäbe allerdings nicht: Zwar lassen sich dem Beschluss Hinweise auf bestimmte Wirkungen der Konfrontationssituation entnehmen (vgl. B. II.2.). Ob und inwieweit diese Wirkungen in Beziehung zu den in Art. 4 Abs. 1 und 2  GG enthaltenen Gewährleistungen in Beziehung gesetzt werden können, und worin genau der Eingriff bestehen soll, bleibt aber unklar. Das Gericht führt hier aus: „Art. 4 Abs. 1 GG überläßt es dem Einzelnen zu entscheiden, welche religiösen Symbole er anerkennt und verehrt und welche er ablehnt. Zwar hat er in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben. Davon zu unterscheiden ist aber eine vom Staat geschaffene Lage, in der der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluß eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist.“ (BVerfGE 93, 1 [16]). Diese Formulierung bringt keine inhaltliche Klarheit, sondern eröffnet lediglich Deutungsmöglichkeiten. 124 So



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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b)  Das Schutzgut der Glaubensfreiheit Um zu verstehen, was eine „Freiheit der religiösen Einstellung“ inhaltlich kennzeichnet und wie eine solche Freiheit beeinträchtigt werden kann, ist zunächst zu fragen, aus welchem Grund und mit welchem Zweck das Grundgesetz die Glaubensfreiheit schützt. Hierdurch lassen sich das Schutzgut der Glaubensfreiheit und dessen Umfang näher präzisieren. Stehen die verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine „Freiheit des Glaubens“ fest, gilt es zu untersuchen, ob und inwieweit es notwendig ist, auf religions- und sozialpsychologische Erkenntnisse zurückzugreifen, um die Freiheit des Glaubens weiter zu konkretisieren. Beim Glauben handelt es sich, wie bereits beschrieben, um ein vorrechtliches Phänomen. Für das inhaltliche Verständnis einer „Freiheit der religiösen Einstellung“ kann es deshalb hilfreich sein, sich religions- und sozialpsychologische Erkenntnisse zu vergegenwärtigen. Unter Umständen lässt sich sogar erst dadurch der verfassungsrechtlich vorgegebene Schutzumfang der Glaubensfreiheit tatsächlich aufzeigen. Gelingt die Bestimmung des Schutzumfangs, lassen sich auch Eingriffsmöglichkeiten in die Glaubensfreiheit abschätzen.

aa)  Selbstbestimmung in Fragen religiöser Einstellungen als Zweck der Glaubensfreiheit Der Gedanke, dem Menschen eine Freiheit seiner religiösen Einstellungen zu gewähren, resultiert aus der in Art. 1 Abs. 1  GG verankerten Garantie der Menschenwürde. Die Menschenwürdegarantie liegt allen Grundrechten voraus; der letzte Zweck aller Grundrechte besteht in der Sicherung der Menschenwürde126. Zugrunde liegt ihr, wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, „die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen (…), das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich zu entfalten“127. Der Zusammenhang zwischen der Religionsfreiheit und der Menschenwürdegarantie wird besonders betont128. Das Bundesverfassungsgericht betrachtet die Religionsfreiheit „als spezifische[n] Ausdruck der in Art. 1 Abs. 1  GG garantierten Menschenwürde“129. Die Religionsfreiheit stehe „in enger Beziehung zur Menschenwürde als dem obersten Wert im System der Grundrechte“130. Die enge Beziehung resultiert vor allem daraus, dass religiöse Einstellungen Fragen nach Herkunft und Ziel des Daseins, der Stellung des Menschen in der Welt und 126 

Potz/Schinkele, Religionsrecht im Überblick, S. 25. BVerfGE 45, 157 (227), vgl. auch Borowski, Glaubensfreiheit, S. 269. 128  Borowski, Freiheit des Glaubens, S. 270 m. w. N. zu Lit. und Rspr. 129  BVerfGE 33, 23, (28 f.); vgl. auch Ganz, Das Tragen religiöser Symbole in der öffentlichen Schule, S. 61. 130  BVerfGE 35, 367 (376) mit Verweis auf BVerfGE 24, 236 (246); vgl. auch Borowski, Freiheit des Glaubens, S. 270. 127 

114 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen dem abstrakten Sinn des Lebens zum Gegenstand haben131, sie sich also auf letzte Wahrheiten beziehen132. Infolge dessen sind religiöse Einstellungen für den Menschen in besonderer Weise verbindlich und berühren seine personale Identität und Individualität unmittelbar133. Liegt der Menschenwürde also die Vorstellung des Menschen als selbstbestimmtes Wesen zugrunde, stellt sie sich als Quelle einer ohne Zwang gefassten – also selbstbestimmten – religiösen Haltung dar134. Sie verlangt, dass der sich der Mensch in religiösen Angelegenheiten frei entscheiden können muss135. Der Zweck der Glaubensfreiheit ist dementsprechend darin zu erblicken, die Selbstbestimmung des Menschen speziell in Glaubensfragen, also in Fragen religiöser Einstellungen zu schützen136. Unter dieser Prämisse ist die Freiheit des Glaubens bzw. die Freiheit der religiösen Einstellungen zu betrachten. Die Glaubensfreiheit setzt nicht nur voraus, dass der Mensch religiöse Einstellungen bilden und haben darf137. Vielmehr verlangt sie, dass dabei die Selbstbestimmung des Menschen gewahrt bleibt. Den Kern der folgenden Untersuchung bildet mithin die Frage, wie sich Selbstbestimmung bei den religiösen Einstellungsprozessen einerseits darstellen und wie sie andererseits zu gewährleisten sind. Die entsprechenden Erkenntnisse werden das Schutzgut der Glaubensfreiheit abbilden.

(1)  Entstehungs- und Erhaltungsprozesse religiöser Einstellungen als Anknüpfungspunkt der Selbstbestimmung Die Selbstbestimmung des Menschen in Glaubensfragen wird dann als gewahrt verstanden werden können, wenn der Mensch sich aus freien Stücken für oder gegen einen bestimmten Glauben bzw. eine bestimmte religiöse Einstellung entscheiden kann. Die Einstellung muss sich als ein dem Mensch zuzurechnendes, von diesem erarbeitetes und von ihm ausgehendes Produkt darstellen138. 131  Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 12; Fleischer, Der Religionsbegriff der Grundgesetzes, S. 141 ff.; vgl. auch v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), S. 135 (151); Müller-Volbehr, JZ 1981, 41 (42). 132  Isensee, in: Isensee (Hrsg.), Religionsbeschimpfung, S. 121. 133  Fleischer, Der Religionsbegriff des Grundgesetzes, S. 141 ff.; Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 12. 134  Scheuner, DÖV 1967, 585 (589); vgl. auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 33. 135  Bohrmann, in: Bohrmann/Küenzlen (Hrsg.), Religion im säkularen Verfassungsstaat, S. 39. 136  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 140 m. w. N.; vgl. auch Jestaedt, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), FS Listl, S. 259 (277: „innere Selbstbestimmung in religiösen Fragen“). 137  Gemeint sind hier auch a- oder anti-religiöse Einstellungen bzw. weltanschauliche Einstellungen, vgl. Kapitel A. 138 Vgl. Bieri, Handwerk der Freiheit, S. 417.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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Genau betrachtet ist es also nicht die Einstellung selbst, an die für die Frage anzuknüpfen ist, unter welchen Umständen die menschliche Selbstbestimmung in religiösen Fragen gewahrt wird. Vielmehr ist bei den Prozessen anzusetzen, in deren Rahmen die Einstellung entsteht und erhalten bleibt139. Mit ihrem selbstbestimmten Ablauf steht und fällt die Selbstbestimmtheit der jeweiligen religiösen Einstellung. Laufen die Einstellungsprozesse selbstbestimmt ab, stellt sich auch die religiöse Einstellung als ihr Produkt als selbstbestimmte Einstellung dar. Setzte der Schutz hingegen nicht bereits bei den Einstellungsprozessen an, sondern erst bei ihrem Ergebnis, also der Einstellung selbst, liefe die Möglichkeit, in Glaubensfragen selbstbestimmt zu entscheiden, im Ergebnis praktisch leer140. In dieser Hinsicht erweist sich die religiöse Einstellung lediglich als mittelbares Schutzgut der Glaubensfreiheit. Das unmittelbare Schutzgut stellen die sie erst hervorrufenden geistigen Prozesse dar, genauer: die Selbstbestimmung des Menschen in diesen geistigen Prozessen.

(2)  Kein vorrangiger Schutz durch ein Grundrecht auf innere Geistesfreiheit Die Frage nach dem Schutz des menschlichen Geistes durch Grundrechte stellt sich nicht lediglich im Rahmen der Glaubensfreiheit. Faber betrachtet die Freiheit des Geistes, des psychischen Zentrums des Menschen als Kernstück und Voraussetzung der Freiheitsrechte, als Axiom aller Grundrechte141. In der Tat liegt es nahe, davon auszugehen, dass sämtliche Grundrechte auch einen geistigen Freiheitsbereich umfassen. Der durch die grundrechtlichen Handlungsfreiheiten eröffnete Freiheitsbereich wäre unvollständig, wenn er nicht auch den Schutz des den Handlungen vorgelagerten menschlichen Willens umfasste. Eine Handlungsfreiheit besteht nur dann, wenn der Mensch nicht nur die Handlung nach Belieben ausführen oder unterlassen kann, sondern auch den inneren Entschluss für oder gegen die entsprechende Handlung in Freiheit treffen kann.142 Dass sich daraus ein Grundrecht auf innere Geistesfreiheit ableiten lässt143, dessen Verhältnis zur Glaubensfreiheit dann zu klären wäre, steht damit allerdings noch nicht fest. Da sämtliche Lebenssachverhalte vom Menschen geistig verarbeitet werden, wäre ein Grundrecht auf Geistesfreiheit von seinem Schutzumfang her kaum einzugrenzen. Eine klare inhaltliche Eingrenzung ist allerdings notwendig, wenn ein Grundrecht praktisch handhabbar sein soll. 139 

Vgl. dazu Kapitel D. dazu Faber, Innere Geistesfreiheit und suggestive Beeinflussung, S. 59, im Hinblick auf die Meinungsfreiheit; Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 113. 141  Faber, Innere Geistesfreiheit und suggestive Beeinflussung, S. 58 f. 142  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 85; vgl. auch OVG Lüneburg, NJW 2006, 391 (392) zu Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG. 143 So Faber, Innere Geistesfreiheit und suggestive Beeinflussung, S. 27 ff., insbes. S. 40 ff. und S. 60 f. 140  Vgl.

116 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen Schon deshalb erscheint es sinnvoller, stattdessen die bestehenden Grundrechte daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie für ihren Bereich die Freiheit geistiger Prozesse schützen144. Das trägt dem Willen des Verfassunggebers, der einen differenzierten Grundrechtskatalog vorgelegt hat, Rechnung. Da durch den Bezug des jeweiligen Grundrechts zu unterschiedlichen Lebensbereichen der sachliche Anwendungsbereich der Geistesfreiheit eingeschränkt ist, dürfte ein solcher Schutz besser zu handhaben sein als ein allgemeines Grundrecht auf Geistesfreiheit. Was die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG anbelangt, ist es ohnehin erforderlich, zunächst auf sie abzustellen, da sie mit dem Glauben einen inneren – also einen geistigen – Prozess ausdrücklich erwähnt und somit augenscheinlich schützen will.

bb)  Selbstbestimmung bei der Bildung und Erhaltung religiöser Einstellungen in tatsächlicher Hinsicht Aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten kann allerdings die Annahme problematisch erscheinen, die Glaubensfreiheit sei darauf gerichtet, die menschliche Selbstbestimmung in Glaubensfragen zu sichern, und die selbstbestimmte Einstellungsbildung bilde infolgedessen das Schutzgut der Glaubensfreiheit. Das liegt darin begründet, dass der Prozess, in dem religiöser Einstellungen gebildet werden – also der Prozess der religiösen Sozialisation, wie er in Kapitel C beschrieben wurde  – insgesamt nicht als vom Menschen vollständig selbstbestimmter Prozess verstanden werden kann145. Gerade mit Blick auf die Fremdsozialisation zeigt sich, dass der Mensch zumindest auf einige Grundbedingungen seiner religiösen Sozialisation keinen Einfluss hat. So spielt mit dem familiären Umfeld, in das der Mensch hineingeboren wird, ein Umstand eine entscheidende Rolle in der religiösen Sozialisation, über den der Menschen zumindest anfangs nicht bestimmen kann und auf den er auch nicht einwirken kann. Gleiches gilt etwa für die Vorbildpersonen, mit denen er zusammen trifft146, für die Gesellschaft, in der er sich bewegt und auch für emotional bedeutsame Situationen, in die er gerät. Überdies ist zweifelhaft, ob der Mensch sämtliche Persönlichkeitsfaktoren, die für die religiöse Sozialisation zumindest teilweise als bedeutsam angesehen werden147, selbst bestimmen oder verändern kann. Wenn aber schon die Grundbedingungen der Sozialisation durch Umstände verursacht werden, die vom Menschen teilweise nicht beeinflusst werden können, lässt das daran zweifeln, dass in diesem Rahmen ein Raum für menschliche Selbstbestimmung verbleibt, der durch die Glaubensfreiheit 144 Vgl.

Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 108. So auch Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 114. 146  Das gilt vor allem für die frühen Lebensjahre des Menschen, in denen er zumeist nur eingeschränkt selbstständig Kontakte knüpft. 147  Oben C. II.2.c)cc)(3)(a)(aa)β). 145 



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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geschützt werden könnte. Es ist damit zunächst unklar, inwieweit sich menschliche Selbstbestimmung in der religiösen Sozialisation überhaupt verwirklichen kann.148 Aus verfassungsrechtlicher Sicht erscheint es allerdings nicht zwangsläufig problematisch, dass die Selbstsozialisation zumindest in gewissem Maß durch die Fremdsozialisation gesteuert wird. So enthält das Grundgesetz selbst Bestimmungen, die es einzelnen Personen oder Personenzusammenschlüssen erlauben, Einfluss auf die religiösen Einstellungen Dritter zu nehmen. Das Grundgesetz schützt neben der Glaubensfreiheit auch die Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG, die beispielsweise die Werbung für den eigenen Glauben umfasst149, in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, das auch das Recht zur Verkündigung umfasst, in Art. 7 Abs. 3 GG den Religionsunterricht sowie vor allem in Art. 6 Abs. 1 GG das elterliche Erziehungsrecht, das – zumindest in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1  GG  – auch das Recht erfasst, das Kind in religiösen Fragen zu erziehen. Insbesondere das elterliche Erziehungsrecht erlaubt es den Eltern, daran mitzuwirken, dass ihre Kinder religiöse Einstellungen entwickeln.150 Schon aus verfassungsrechtlicher Sicht ist eine gewisse Fremdbestimmung damit der religiösen Sozialisation immanent151. Bereits aus der Systematik des Grundgesetzes lassen sich mithin Rückschlüsse auf die Inhalte der Glaubensfreiheit ziehen: So gehen die von der Verfassung genannten Möglichkeiten der Fremdbestimmung von anderen Bürgern oder gesellschaftlichen Organisationen152 aus, nicht jedoch von staatlichen Stellen. Das weist darauf hin, dass eine Einflussnahme zwar im Verhältnis der Bürger untereinander vom Grundgesetz vorgesehen ist und deshalb als zulässig zu bewerten sein kann, nicht aber zwangsläufig auch eine Einflussnahme des Staates auf seine Bürger. Befugnisse des Staates, die religiösen Einstellungen seiner Bürger zu beeinflussen, finden sich in den genannten Vorschriften nicht. Insofern dürften die Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme auf die Bürger – soweit sie überhaupt als verfassungsrechtlich zulässig bewertet werden können – zumindest deutlich stärker durch die Glaubensfreiheit beschränkt werden, als es im Verhältnis der Bürger untereinander der Fall ist.153 Wenn gefordert wird, dass religiöse Einstellungen selbstbestimmt entstehen, meint das nach allem nicht, dass sich in der Einstellung keine Einflüsse Au148 Vgl.

Bieri, Handwerk der Freiheit, S. 49 ff., 417 ff. BVerfGE 12, 1 (4); Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 24; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 33; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 84. 150  Vgl. dazu Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 75 m. w. N. 151  Vgl. auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 135, sowie im Hinblick auf die Gewissensfreiheit Herdegen, Gewissensfreiheit, S. 151 f. 152 Zu Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV, Rn. 68. 153  Vgl. dazu Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 74 f. 149 

118 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen ßenstehender niederschlagen dürften. Klar wird aber, dass sich insbesondere staatliche Einflüsse als bedenklich darstellen können.154 Nicht auszuschließen ist überdies, dass auch in dem vom Grundgesetz zugelassenen Rahmen der Fremdbestimmung durch andere Bürger ein Kernbereich menschlicher Selbstbestimmung verbleibt, der selbst der Einflussnahme anderer Bürger entzogen ist. Dafür spricht insbesondere die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschenwürdegarantie. Ihr liegt, wie erwähnt „die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen (…) [zugrunde], das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich zu entfalten“155. Wenn Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG betont, die Menschenwürde sei von der staatlichen Gewalt nicht nur zu achten sondern auch zu schützen, zeigt dies, dass sich der Achtungsanspruch, der sich aus der Würde ergibt, auch an die Mitmenschen richtet156. Schon deshalb dürften aus verfassungsrechtlicher Sicht zumindest Bestrebungen von Bürgern unzulässig sein, die Selbstbestimmung eines Mitbürgers in bestimmten Bereichen vollends zu unterbinden. Dass religiöse Einstellungen teilweise fremdbestimmt sein können, steht also der Annahme nicht entgegen, dass sich menschliche Selbstbestimmung in der religiösen Sozialisation grundsätzlich verwirklichen kann. Folglich ist zu untersuchen, wann genau von einer unzulässige Fremdbestimmung auszugehen ist. Dafür erfordert es, näher zu spezifizieren, worin die menschliche Selbstbestimmung im Prozess religiöser Sozialisation zum Ausdruck kommt.

(1)  Der freie Wille als Instrument menschlicher Selbstbestimmung Als Instrument der Selbstbestimmung in der religiösen Sozialisation kommt der menschliche Wille in Betracht157. Der Wille stellt eine innere Struktur des Menschen dar, die durch dessen Wünsche, Überzeugungen, Überlegungen und Bereitschaften inhaltlich geprägt wird und diese repräsentiert158. Trifft der Mensch anhand eines so verstandenen Willens Entscheidungen oder nimmt er Handlungen vor, so stellen sich diese gerade als dem Menschen zuzuordnende und von diesem ausgehende, mithin also als selbstbestimmte Produkte dar. Im Willen und den darauf basierenden Handlungen verwirklichen sich gerade die dem Menschen eigenen, ihn von anderen Menschen unterscheidenden Neigungen. In der Folge liegt es nahe, davon auszugehen, dass ein Schutz der Selbstbestimmung des Menschen in Glaubensfragen erreicht werden kann, wenn dessen freier Wille in den Entstehungs- und Erhaltungsprozessen der religiösen 154 Vgl.

Herdegen, Gewissensfreiheit, S. 152. BVerfGE 45, 157 (227), vgl. auch Borowski, Glaubensfreiheit, S. 269. 156  Isensee, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 87. Rn. 221. 157 Vgl. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 133; Heckmann, JZ 1996, S. 880 (886). 158 Vgl. Bieri, Das Handwerk der Freiheit, S. 40. 155 



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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Einstellung gewahrt wird159. In diesem Fall stellt sich die entstehende und bleibende religiöse Einstellung gerade als selbstbestimmte Entscheidung dar. Für eine – unter Umständen unzulässige – Fremdbestimmung bedeutet das, dass sie an den menschlichen Willen anknüpfen müsste, den menschlichen Willen etwa verändern oder unterdrücken und dadurch unfrei werden lassen muss.

(a)  Kein unbedingt freier Wille Ob ein freier menschlicher Wille existiert, der beispielsweise durch staatliche Einflüsse unterdrückt werden könnte, ist allerdings zweifelhaft und wird in jüngerer Zeit vor allem aufgrund der Ergebnisse der neueren Gehirnforschung diskutiert. Den Ausgangspunkt hierfür bildet die Erkenntnis, dass ein unbedingt freier menschlicher Wille im Sinne eines von äußeren und inneren Bedingungen völlig unabhängigen Willens eine empirisch unhaltbare Konzeption darstellt.160 Die Idee eines unbedingt freien Willens ist mit der Beobachtung unvereinbar, dass menschliche Entscheidungen und Handlungen – wie alles Übrige in der Welt – Ursachen haben, also von vorauslaufenden Bedingungen und Naturgesetzen abhängen161. Die neuere Gehirnforschung wirft darüber hinaus sogar die Frage auf, ob eine Willensfreiheit überhaupt existieren kann162. Der Grund dafür sind unter anderem Experimente, die den Schluss nahe gelegt hatten, dass im Gehirn eine Handlung schon eingeleitet wird, bevor der Mensch bewusst die Entscheidung fällt, die Handlung auszuführen163. Das könnte bedeuten, dass menschliche Entscheidungen und Handlungen auf hirnphysiologischen Strukturen basieren, also neuronal determiniert sind. In der Folge könnte beim Menschen zwar subjektiv der Eindruck entstehen, er steuere seine Entscheidungen selbst und könne sich auch anders entscheiden164. Objektiv steuerten jedoch die schon angelegten neuronalen Verknüpfungen im Gehirn seine Entscheidungsprozesse. Aus verfassungsrechtlicher Sicht werfen diese Erkenntnisse die Frage auf, in welcher Form menschliche Selbstbestimmung überhaupt bestehen kann, wenn ein freier Wille nicht existiert165. Heun führt dazu aus, der Schutz grundgesetz159 Ähnl. Zacharias, in: Muckel (Hrsg.), FS Rüfner, S. 987 (998 f.); Jestaedt, in: Isensee/ Rees/Rüfner (Hrsg.), FS Listl, S. 259 (277). 160  Goschke, in: Roth/Grün (Hrsg.), Das Gehirn und seine Freiheit, S. 108. 161  Goschke, ebd. 162  Roth, in: Roth/Grün (Hrsg.), Das Gehirn und seine Freiheit, S. 9 ff. m. w. N.; vgl. auch Beckermann, in: Barton, „… weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!“, S. 293; Meyer, Roth und Habermas über Willensfreiheit, S. 1 ff. 163  Vgl. dazu die N. bei Beckermann, in: Barton (Hrsg), „… weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!“, S. 293 m. Fn. 2. 164 Vgl. Goschke, in: Roth/Grün (Hrsg.), Das Gehirn und seine Freiheit, S. 107, 145. 165  Problematisch wäre dann auch etwa die Existenz eines Grundrechts auf Geistesfreiheit, wie Faber es annimmt, vgl. Faber, Innere Geistesfreiheit und suggestive Beeinflussung,

120 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen lich garantierter Autonomie gelte unabhängig von der Frage, ob die Willensbildungsprozesse nach physikalischen Gesetzen neurobiologisch determiniert seien oder nicht. Der grundrechtliche Freiheitsschutz abstrahiere hiervon.166 In der Tat könnte sich eine etwa durch die Menschenwürde geforderte Autonomie in jedem Fall auf menschliche Handlungen beziehen. Die Handlungsfreiheit kann unabhängig von einer etwaigen Willensfreiheit betrachtet werden. Der Mensch wäre immerhin noch insoweit autonom, als er frei darin wäre, zu tun, was immer die neuronalen Determinierungen ihm vorgäben. Problematisch scheint die Verneinung einer Willensfreiheit allerdings hinsichtlich der Grundrechte, die ausdrücklich auf innere menschliche Prozesse gerichtet sind, also auf Prozesse, die keine Handlungen darstellen, sondern den Handlungen vorausliegen. Hierzu zählt die Glaubensfreiheit167. Der Freiheitsgehalt solcher Grundrechte und die darin deutlich werdende menschliche Selbstbestimmung könnten in der Konsequenz einer nicht existierenden Willensfreiheit nur so verstanden werden, dass sie sich lediglich auf die benannten neuronalen Determinierungen bezögen. Die Glaubensfreiheit würde in ihrer abwehrrechtlichen Funktion entsprechend vor staatlichen Maßnahmen schützen, die auf neuronale Determinierungen einwirkten. Um festzustellen, wann die Glaubensfreiheit beeinträchtigt wird, wäre es erforderlich, zu untersuchen, ob und inwieweit überhaupt die Möglichkeit bestünde, neuronale Determinierungen von außen zu beeinflussen. Auch wenn es mithin zwar möglich erscheint, den Grundrechten einen Schutzgehalt auch dann zuzuschreiben, wenn eine Willensfreiheit tatsächlich nicht existiert, zeigt sich doch, dass es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht ohne Belang ist, ob Willensbildungsprozesse nach physikalischen Gesetzen neurobiologisch determiniert sind oder nicht. Erst die genaue Kenntnis einzelner Prozesse ermöglicht es, das Schutzgut der Glaubensfreiheit präzise festzulegen und in der Folge Freiheitsverkürzungen festzustellen. Es muss feststehen, wie eine Maßnahme zu wirken haben muss, damit sie als Eingriff angesehen werden kann, ob sie also auf neuronale Verbindungen im menschlichen Gehirn einwirken muss oder aber ob sie durch ihre Wirkungen verhindern muss, dass Willensprozesse ablaufen – also dass sich der Mensch bei seiner Entscheidung an seinen Neigungen, Erfahrungen und Wünschen orientiert.

S. 27 ff., insbes. S. 44 ff. und S. 60 f. Die Existenz eines freien Willens zu verneinen, wäre insbesondere auch im Hinblick auf das Strafrecht problematisch: Dort würde die Frage aufgeworfen, ob Menschen für ihre Taten bestraft werden könnten, wenn die Taten nicht willentlich gesteuert würden, sondern aufgrund nicht beeinflussbarer neuronaler Determinierungen stattfänden (vgl. wiederum Beckermann, in: Barton (Hrsg.), „… weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!“, S. 293 f.). 166  Heun, JZ 2005, 853 (854 f.); ders., in: Lampe/Pauen/Roth (Hrsg.), Willensfreiheit und rechtliche Ordnung, S. 280. 167  U. U. auch ein Grundrecht auf innere Geistesfreiheit.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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(b)  Der bedingt freie Wille als Lösungsansatz Zwar ist auf der Basis des bisherigen Erkenntnisstandes davon auszugehen, dass hinsichtlich der Willensfreiheit keine allgemein akzeptierte und vor allem keine unangreifbare Konzeption existiert168. Das kann den Entschluss für eine bestimmte Konzeption erschweren und angreifbar erscheinen lassen. Eine Lösungsmöglichkeit bietet aber die folgende Überlegung: Trotz fehlender Übereinstimmung in der Grundfrage ist zumindest von einem weitgehenden Konsens dahingehend auszugehen, dass menschliche Entscheidungen zumindest teilweise durch rationale Überlegungen, Argumente und Gründe beeinflusst werden können169. Selbst die Annahme, dass sämtliche menschlichen Entscheidungen und Handlungen neuronal determiniert sind, schließt keineswegs aus, dass es sich bei diesen Prozessen gleichzeitig um Prozesse des Überlegens handelt170. In solchen rationalen Prozessen kann menschliche Freiheit zum Ausdruck kommen171. Sie zeigt sich darin, dass der Mensch einerseits vor der Entscheidung innehalten und überlegen kann, was er in der gegebenen Situation tun sollte, und dass andererseits in diesem Fall seine Entscheidung durch das Ergebnis dieser Überlegung bestimmt wird172. Im Rahmen seiner Überlegungen kann sich der Mensch an seinen Wünschen und Neigungen orientieren und seine Überzeugungen und Bereitschaften befragen. Er macht sich diese Motive, die er in sich vorfindet, zu eigen, indem er sie in rationale Begründungsstrukturen einbindet173. Dabei ist zu beachten, dass im Alltag nicht sämtliche Einflüsse Gegenstand expliziter Überlegungen sein können. Der Mensch verfügt nicht über die Kapazitäten, alle Einflüsse, die 168  Heun, in: JZ 2005, 853 (859 f.); Heun, in: Lampe/Pauen/Roth (Hrsg.), Willensfreiheit und rechtliche Ordnung, S. 294 ff. 169 Vgl. Heun, in: JZ 2005, 853 (859 m. Fn. 120 und 121); Heun, in: Lampe/Pauen/Roth (Hrsg.), Willensfreiheit und rechtliche Ordnung, S. 294 f. m. Fn. 123 und 124; Beckermann, in: Barton (Hrsg.), „… weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!“, S. 305. 170  Beckermann, in: Barton (Hrsg.), „… weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!“, S. 306. 171  Beckermann, in: Barton (Hrsg.), „… weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!“, S. 307; vgl. auch Meyer, Roth und Habermas über Willensfreiheit, S. 11 ff. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass Prozesse wie Gehirnwäsche oder die Verabreichung von Drogen etc. allgemein als unzulässig angesehen werden; vgl. nur Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2  GG, Rn. 35; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 72; Muckel, Religiöse Freiheit, S. 139. 172 Vgl. Beckermann, in: Barton (Hrsg.), „… weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist!“, S. 304 ff. m. w. N.; Habermas, in: ders., Kritik der Vernunft, S. 277: Selbstbestimmung bedeutet, die Willensstärke zu haben, sich im Handeln von genau den Gründen bestimmen zu lassen, von denen man überzeugt ist (Hervorhebungen im Original). Zur Freiheit, die ein so verstandener Wille aufzeigt, formuliert Bieri, Handwerk der Freiheit, S. 80: „Die Freiheit des Willens liegt darin, dass er auf ganz bestimmte Weise bedingt ist: nämlich durch unser Denken und Urteilen“. Der Mensch besitzt, so Bieri, die Freiheit, das zu wollen, was er für richtig hält, also was er in seinen Urteilen für richtig befunden hat (S. 81). 173  Meyer, Roth und Habermas über Willensfreiheit, S. 14.

122 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen an ihn herantreten, auf diesem Weg zu verarbeiten. Das ist allerdings auch vor dem Hintergrund nicht problematisch, dass explizite rationale Überlegungen nach den geschilderten Erkenntnissen Voraussetzungen eines freien Willens zu sein scheinen. Der menschliche Wille kann sich gerade auch darin zeigen, dass äußere Einflüsse mit dem menschlichen Einverständnis nicht durch den Filter expliziter Überlegungen gehen.174 In manchen Fällen entscheidet sich der Mensch also ganz bewusst dafür, sich mit bestimmten Einflüssen nicht näher zu beschäftigen. Damit bleibt sein bedingt freier Wille dennoch gewahrt. Insgesamt kann damit zwar nicht von einem unbedingt, jedoch von einem bedingt freien Wille gesprochen werden175. Eine Verkürzung der so verstandenen Willensfreiheit liegt nach allem dann vor, wenn dem Menschen die Möglichkeit genommen wird, vor der Entscheidung innezuhalten, zu überlegen, zu hinterfragen und sich von den dabei gewonnenen Erkenntnissen bei der Entscheidung leiten zu lassen.

(2)  Bedeutung des bedingten Willens bei der Bildung und Erhaltung religiöser Einstellungen Abzulehnen ist also ein Verständnis menschlicher Selbstbestimmung als vollständige Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen. Willensfreiheit bedeutet nicht, dass der Mensch auf alle Voraussetzungen seines Willens Einfluss nehmen könnte und müsste. Bestimmte Neigungen in Form von Wünschen, Überlegungen, Überzeugungen und Bereitschaften, die in ihrem Zusammenspiel den Willen bilden176, werden durch nicht oder zumindest wenig beeinflussbare Umstände wie die Lebenssituation und das gesellschaftliche Umfeld sowie die bisherigen Erfahrungen des Menschen geprägt. Das spiegelt sich auch im Grundgesetz wieder, das eine religiöse Prägung des Menschen durch sein Umfeld in gewissem Umfang zulässt. Menschliche Selbstbestimmung in Fragen religiöser Einstellungen besteht insoweit, als es dem Menschen möglich ist und auch möglich sein muss, innerhalb des auch von außen vorgegebenen Rahmens seine Entscheidungen durch rationale Prozesse mitzubestimmen. Treten äußere Sozialisationseinflüsse an den Menschen heran, kann er sich mit ihnen auseinander setzen und über sie anhand seiner Neigungen, Überzeugungen und Wünsche urteilen. Gerade bei komplexen Prozessen wie der religiösen Sozialisation können sich der menschliche Wille und damit die menschliche

174 Vgl. Habermas, in: ders., Kritik der Vernunft, S. 280; vgl. auch Heun, in: Lampe/ Pauen/Roth (Hrsg.), Willensfreiheit und rechtliche Ordnung, S. 286 f. 175  Goschke, in: Roth/Grün (Hrsg.), Das Gehirn und seine Freiheit, passim; vgl. auch Heun, in: JZ 2005, 853 (860). 176 Vgl. Bieri, Handwerk der Freiheit, S. 40.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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Selbstbestimmung überdies darin zeigen, dass der Mensch entscheidet, sich mit bestimmten Einflüssen nicht näher auseinanderzusetzen177. Um das Schutzgut der Glaubensfreiheit weiter zu präzisieren und damit die Grundlage für die Prüfung zu schaffen, wann die Symbolkonfrontation einen Eingriff in die Glaubensfreiheit darstellt, gilt es nun festzustellen, wie genau sich der bedingt freie Wille bei der Entwicklung religiöser Einstellungen zeigt.

(a)  Der Wille im Hinblick auf die verschiedenen Einstellungskomponenten Zu erinnern ist daran, dass innere Einstellungen, auch religiöse Einstellungen, aus verschiedenen Komponenten bestehen: Einer kognitiven, einer affektiven und einer behavioralen Komponente178. Zu betrachten sind hier die kognitive und die affektive Komponente der Einstellung. Die behaviorale Komponente resultiert aus beiden Komponenten179, sodass es für ihre Entstehung darauf ankommt, wie die beiden anderen Komponenten gebildet werden. Die kognitive Komponente umfasst Wissen, Meinungen, Überzeugungen und Vorstellungen des bewertenden Menschen gegenüber dem Einstellungsobjekt180. Sie entwickelt sich insbesondere dadurch, dass Fakten aufgenommen, verarbeitet und geprüft werden181, etwa im Wege einer kognitiven Reaktion182. Die affektive Komponente umfasst die Gefühle und Bewertungen, die mit dem Einstellungsobjekt verbunden sind183. Sie entsteht insbesondere im Wege der systematischen Assoziation des Einstellungsobjekts mit bestimmten affektiv wirkenden Verstärkern184. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass sie sich im Zusammenspiel mit der kognitiven Komponente entwickelt. In diesem Fall bildet die kognitive Komponente die Grundlage für eine Bewertung des Einstellungsobjekts. Die Bewertung löst wiederum Emotionen aus. Hat sich die kognitive Komponente einer Einstellung einmal herausgebildet, dürfte die darauf basierende Bewertung des Einstellungsobjekts inhaltlich stets ähnlich ausfallen, sodass dementsprechend ähnliche Emotionen entstehen werden. Der Wille des Menschen zeigt sich, wie festgestellt, darin, dass der Mensch vor einer Entscheidung innehalten und überlegen kann, was er in der gege177 Vgl.

Habermas, in: ders. Kritik der Vernunft, S. 280. Kapitel C. 179  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 83. 180  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 83. 181 Vgl. Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 218 f. 182  Kapitel C, dort II.2.c)aa)(5). 183  Schimmel, Einstellungen gegenüber Glauben, S. 107; Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 267. 184  Fischer/Wiswede, Sozialpsychologie, S. 237; Aronson/Wilson/Akert, Sozialpsychologie, S. 219. 178  Ausführlich

124 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen benen Situation tun sollte, und dass seine Entscheidung durch das Ergebnis dieser Überlegung bestimmt wird185. Wird die kognitive Komponente einer Einstellung erworben, kann der Wille gerade darin zum Ausdruck kommen, dass aufgenommene Fakten geprüft und verarbeitet werden186. Der Erwerb der kognitiven Komponente kann also willensbasiert erfolgen. Anders kann es bei der affektiven Komponente der religiösen Einstellung aussehen. Das gilt insbesondere, wenn die affektive Komponente durch die Assoziation des Einstellungsobjekts mit bestimmten affektiv wirkenden Verstärkern – zumeist emotionsauslösenden Sachverhalten – erworben wird. Emotionen werden teilweise als Hindernis der Willensfreiheit angesehen187. Auch wenn dem nicht in dieser Deutlichkeit gefolgt werden kann188, ist zu bezweifeln, dass die affektive Komponente, wenn sie aufgrund einer klassischen oder operanten Konditionierung entsteht, als Resultat rationaler Prozesse anzusehen ist. Denn die Konditionierung läuft in der Regel unbewusst ab. Der Mensch nimmt mithin zumeist nicht wahr, dass er eine Assoziation entwickelt. Dann ist es ihm allerdings auch nicht möglich, innezuhalten und zu überlegen, was in der gegebenen Situation zu tun sein könnte oder aber auch bewusst darauf zu verzichten, in diesem Fall explizite Überlegungen anzustellen. Der Wille spielt also unter Umständen gar keine Rolle, wenn die affektive Komponente einer Einstellung entsteht.189

(b)  Die affektive Komponente der religiösen Einstellung als Einfallstor der Willensbeeinflussung Das Einfallstor der Fremdbestimmung in der religiösen Sozialisation bildet also insbesondere die affektive Komponente der Einstellung, bei deren Entstehung der menschliche Wille regelmäßig jedenfalls eine nur eingeschränkte 185 

Vgl. oben Fn. 172. Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 113: „Wenn der Einstellungswandel lerntheoretisch gesprochen das Resultat kognitiver Lernvorgänge ist, sich der Bürger also in geistiger Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Inhalten eine eigene Überzeugung bildet, wird sein Selbstbestimmungsrecht (...) respektiert.“ 187 Vgl. Heun, in: Lampe/Pauen/Roth (Hrsg.), Willensfreiheit und rechtliche Ordnung, S. 286 f. 188  Dazu wiederum Heun, in: Lampe/Pauen/Roth (Hrsg.), Willensfreiheit und rechtliche Ordnung, S. 286 f. 189  Etwas anderes dürfte nur in den Fällen gelten, in denen die affektive Komponente sich aus der kognitiven Komponente der Einstellung heraus bildet. Auch dann beeinflusst der Mensch das Entstehen der Emotion zwar nicht zwangsläufig willentlich. Aber sein Wille spiegelt sich in der Emotion wieder, wenn er – bewusst oder unbewusst – die ihm vorliegende Situation anhand bestehender Neigungen bewertet und diese Bewertung verinnerlicht, sodass der Kontakt mit dem Objekt eine bestimmte Emotion stets aufs Neue auslöst. Die Emotion, ob sie in ihren spürbaren Folgen von Menschen erwünscht ist oder nicht, zeichnet in diesem Fall den Willen des Menschen nach. 186 Vgl.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

125

Rolle spielt190. Vor dem Hintergrund, dass die Glaubensfreiheit einerseits darauf angelegt ist, menschliche Selbstbestimmung zu sichern und dass die Selbstbestimmung andererseits gerade im menschlichen Willen zum Ausdruck kommt, ergeben sich aus dieser Erkenntnis Handlungsbeschränkungen insbesondere für den Staat. Das gilt vor allem hinsichtlich solcher Maßnahmen, die dazu beitragen, dass die affektive Komponente einer Einstellung entsteht – also etwa konditionierender Maßnahmen – und zwar insbesondere, soweit sie eine derartige Intensität aufweisen, dass sie der entstehenden affektiven Komponente ein besonderes Gewicht verleihen. In diesem Fall prägt die affektive Komponente das Gesamtbild der Einstellung und hemmt unter Umständen die kognitive Komponente, sodass die Gesamteinstellung als nicht selbstbestimmt anzusehen ist. Stehen hingegen im Einzelfall Rechtsverhältnisse der Bürger untereinander in Rede, kann zumindest in den von Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 2 GG sowie 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV und Art. 7 Abs. 3  GG erfassten Konstellation allenfalls gefordert werden, dass die religiöse Einstellung eines Bürgers nicht vollends von außen fremdbestimmt wird. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Normen kann es sich auch im Verhältnis der Bürger untereinander anbieten, an eine Verkürzung der Willensfreiheit anzuknüpfen. Ob im Einzelfall tatsächlich eine staatliche Schutzpflicht besteht, die darauf abzielt, den Bürger vor solchen Verkürzungen seines freien Willens durch Dritte zu schützen, hängt jedoch auch davon ab, ob diese Willensverkürzung ursächlich von einem Verhalten des Dritten ausgeht, durch das der Dritte seinerseits grundrechtliche Freiheiten ausübt, etwa seine Bekenntnisfreiheit191.

(c)  Erforderlichkeit einer Differenzierung zwischen den affektiven und kognitiven Wirkungen eines Einflusses auf Eingriffsebene Insgesamt stellt sich die Willensfreiheit im Prozess religiöser Sozialisation als Schutzgut der Glaubensfreiheit dar. Verkürzungen der Willensfreiheit sind zu verzeichnen, wenn dem Bürger die Möglichkeit genommen wird, äußere Einflüsse rational zu verarbeiten und sich dabei an seinen Wünschen, Neigungen, Überzeugungen und Bereitschaften zu orientieren. Danach stellen sich vor allem solche Maßnahmen als bedenklich dar, die dazu führen, dass die affektive Komponente der religiösen Einstellung entsteht. Die affektive Komponente entsteht durch Einflüsse wie die Konditionierung, die regelmäßig nicht willensgesteuert ablaufen. Hingegen scheint der Wille in Prozessen, die kognitiven

190 Ähnlich Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 115 a. E.; vgl. auch Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 93. 191  Dazu noch näher Kapitel f.

126 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen Aufwand erfordern, wie etwa die kognitive Reaktion, grundsätzlich zur Geltung zu kommen192. In der Folge dürfte bei der Prüfung eines Eingriffs in die Glaubensfreiheit als Willensfreiheit danach zu unterscheiden sein, auf welcher Ebene eine Eingriffsmaßnahme wirkt. Eine konditionierende Maßnahme lässt sich nach den bisherigen Erkenntnissen eher als Eingriff in Betracht ziehen als eine lediglich gedankenanregende Maßnahme, die eine kognitive Reaktion auslöst. Dass die Symbolkonfrontation, wie in Kapitel C beschrieben, an den genannten Einstellungsänderungsprozessen zumindest mitwirken kann, spricht dafür, dass sie in Bezug auf die Glaubensfreiheit durchaus grundrechtlich relevant sein kann.

(3)  Die Auswahlfreiheit hinsichtlich religiöser Informationen als zur Willensfreiheit zählendes Element Mit Blick auf das Ziel der Glaubensfreiheit, die menschliche Selbstbestimmung zu schützen, gilt es aber, noch einen weiteren Gedanken zu berücksichtigen, der für die menschliche Selbstbestimmung im Prozess der religiösen Sozialisation bedeutsam sein kann. So können nach den bisherigen Erkenntnissen zwar solche Einflüsse unbedenklich sein, die der Mensch rational verarbeiten kann, auch wenn sie von staatlichen Stellen ausgehen. Ein solches Ergebnis trägt dem grundrechtlichen Ziel aber möglicherweise nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Schließlich prägen auch rational verarbeitete Einflüsse den menschlichen Willen. Gerade für die Entstehung religiöser Einstellungen sind äußere Einflüsse – die in ihrer Gesamtheit die Fremdsozialisation bilden – notwendig. Sie verschaffen dem Einzelnen erst einen Zugang zu religiösen Einstellungen193. Der Mensch ist also in gewissem Umfang darauf angewiesen, dass ihn äußere Einflüsse erreichen, die er aufnehmen und gedanklich verarbeiten kann. Dieser Gedanke verdeutlicht, dass es beispielsweise staatlichen Stellen indirekt doch möglich ist, religiöse Einstellungen zu beeinflussen, auch wenn sie die Willensfreiheit des Bürgers nicht unmittelbar beeinträchtigen194. Indem staatliche Stellen den Bürger gezielt mit bestimmten Einflüssen konfrontieren, andere Einflüsse hingegen unterdrücken, können sie dazu beitragen, dass der Bürger eine bestimmte innere Informations- und Erfahrungsgrundlage ausbildet, die dann als Basis für die Willensbildung und in der Konsequenz als Grundlage für die Bildung religiöser Einstellungen dient. In einem hierauf gründenden Willen und der daraus gebildeten Einstellung zeichnete sich in der Folge die durch die staatlichen Einflüsse geprägte Informationsgrundlage ab,

192 Ähnlich

Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 113. Vgl. Kapitel C; vgl. auch Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 114. 194  Vgl. auch Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 113. 193 



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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auch wenn die Einstellung ansonsten allein oder überwiegend durch rationale Prozesse hervorgerufen worden wären. Auch die Konfrontation mit religiösen Symbolen kann sich in der Informations- und Erfahrungsgrundlage des Bürgers niederschlagen. Das gilt jedenfalls, wenn der Bürger über die Symbolkonfrontation nachdenkt und dabei neue Gedanken generiert195. Um die menschliche Selbstbestimmung in der religiösen Sozialisation zu gewährleisten, liegt es deshalb nahe, zur Willensfreiheit und in der Konsequenz zum Schutzgut der Glaubensfreiheit auch eine Auswahlfreiheit zu zählen, die das Recht umfasst, selbst zu entscheiden, welche Einflüsse gedanklich verarbeitet werden sollen. So kann der Bürger die informative Grundlage der Einstellungsbildung selbstbestimmt (mit)konstituieren196. Eine solche Auswahlfreiheit steht freilich vor der Frage, ob sie praktisch überhaupt umsetzbar ist. Im Alltag sieht sich der Mensch einer sehr hohen Zahl an Ereignissen gegenüber, die Informationen vermitteln. Eine Auswahlfreiheit, die schon das Recht umfasste, sich der bloßen Kenntnisnahme einzelner Informationen zu verschließen, wäre praktisch kaum durchzusetzen197. Hier stünden sich die kollidierenden Interessen der Bürger, die im Rahmen ihrer Meinungs- oder Berufsfreiheit Informationen in die Öffentlichkeit trügen198, und das Interesse anderer Bürger, unerwünschte Informationen nicht zur Kenntnis zu nehmen, gegenüber. Das gilt auch, wenn sich die Auswahlfreiheit lediglich auf Informationen bezöge, die Inhalte mit religiösem Bezug vermittelten. Andere Bürger könnten dagegen immerhin ihre Bekenntnis- und ihre Religionsausübungsfreiheit anbringen.

(a)  Kein Schutz vor der bloßen Kenntnisnahme der Information im öffentlichem Raum Aus dem Grundgesetz ergeben sich allerdings schon selbst Begrenzungen einer Auswahlfreiheit. Das Menschenbild des Grundgesetzes geht davon aus, dass der Einzelne in eine pluralistische Gesellschaft gestellt ist199. Indem das 195  Vgl. dazu auch den Begriff der Information i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG: Der Begriff der Information ist weit gefasst. Information bedeutet so viel wie Nachricht, Auskunft, Aufklärung. Kennzeichen der Information ist die Übermittlung von Wissen bzw. von Daten mit Sinngehalt. Information kann definiert werden als alles, was sinnlich wahrgenommen und mit den Mitteln menschlichen Geistes verarbeitet werden kann (Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 130), dazu noch unter I. 3.b)cc). 196  Für die negative Informationsfreiheit ähnl. Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 90 f. 197 Vgl. Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 131, der – allerdings mit Blick auf die negative Informationsfreiheit – vorbringt, praktisch jede sinnlich wahrnehmbare Information, die einen Sinngehalt habe, könne das Bild des Menschen von seiner Umwelt prägen. 198  Letzteres gilt etwa im Hinblick auf Werbung. 199  Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 73; Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (343).

128 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen Grundgesetz beispielsweise die Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG und die Religionsausübungsfreiheit in Art. 4 Abs. 2 GG statuiert, verdeutlicht es, dass im gesellschaftlichen Bereich nicht schon die bloße Kenntnisnahme des religiösen Bekenntnisses bzw. der Religionsausübung anderer Bürger grundrechtlich problematisch sein kann. Ein solches Recht würde sich in einer religiös heterogenen Gesellschaft nicht durchsetzen lassen.200 Überhaupt stellt sich die Frage, ob die bloße Kenntnisnahme einer Information im Sinne der Wahrnehmung ihrer Existenz den Bürger schon in seiner Auswahlfreiheit beeinträchtigt. Wie gezeigt, soll die Auswahlfreiheit es dem Bürger ermöglichen, selbst zu bestimmen, welche Informationen er zur Grundlage seiner Willensbildung macht. Dazu ist es aber zunächst erforderlich, die jeweilige Information zur Kenntnis zu nehmen. Ansonsten stünde dem Bürger tatsächlich überhaupt keine Auswahlfreiheit zu. Erhielte er keine Kenntnis von einer Information, gelangte er gar nicht in die Situation, entscheiden zu können, ob er sich mit etwas näher beschäftigten möchte oder nicht. Seine Freiheit würde folglich durch eine derart verstandene Auswahlfreiheit nicht erweitert, sondern vielmehr begrenzt.201 Die bloße Kenntnisnahme einer Information beeinträchtigt die Auswahlfreiheit des Bürgers damit nicht202. Das gilt auch dann, wenn sich der Bürger der Kenntnisnahme nicht entziehen kann. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bürger, wenn er Kenntnis von der Existenz der Information genommen hat, deren Informationsgehalt anschließend ausweichen kann, sofern er entscheidet, sich nicht näher mit der Information auseinander setzen zu wollen. Wird der Bürger mit der Information an einem Ort konfrontiert, an dem er sich nicht aufzuhalten verpflichtet ist, ist es ihm regelmäßig möglich, räumlich auszuweichen. Schon dadurch kann er sich einer eventuellen geistigen Anregung durch die Information entziehen. Räumliche Ausweichmöglichkeiten bestehen regelmäßig im öffentlichen Raum. Gegebenenfalls kann sich der Bürger in seine Wohnung zurückzuziehen203.

200 Vgl. Muckel, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 4, § 96, Rn. 67. 201 

Vgl. auch Bieri, Handwerk der Freiheit, S. 420 f. Kloepfer, Produkthinweispflichten als Verfassungsfrage, S. 68 f., wonach die (negative) Informationsfreiheit nicht das „Ansprechen“ des Bürgers verhindere, sondern dieses vielmehr voraussetze. Erst das „Aussprechen“ gegen den Willen des Empfängers, d. h. die erzwungene Aufmerksamkeit, beeinträchtige dessen Grundrecht. Vgl. auch Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 5, Rn. 310. 203  Anders wohl die Pollak-Entscheidung des U. S. Supreme Court, deren Gegenstand die Beschallung mit Musik in einem privaten Verkehrsunternehmen in Straßenbahn und Omnibussen war, s. Supreme Court, Public Utilities Commission of the District of Columbia v. Franklin S. Pollak, 343 US 451, 96 L Ed 1068 (1952); vgl. dazu auch Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (1338). 202 Ähnl.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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(b)  Kein Schutz vor der bloßen Kenntnisnahme der Information in staatlichen Einrichtungen Hier geht es allerdings nicht um die Frage, inwieweit Informationen im gesellschaftlichen Alltag hinzunehmen sind, sondern darum, inwieweit ein Schutz des Bürgers davor besteht, Informationen mit religiösem Bezug – wie sie sich auch aus der Symbolkonfrontation ergeben können – in staatlichen Einrichtungen hinnehmen zu müssen. Kann eine Informationsquelle dem Staat zugeordnet werden, was bei Informationsquellen in staatlichen Einrichtungen nicht unwahrscheinlich erscheint, streiten für den Staat immerhin nicht die Grundrechte auf Meinungs-, Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit, anders als es für die Bürger der Fall ist. Die Auswahlfreiheit als Teil der von der Glaubensfreiheit geschützten menschlichen Willensfreiheit könnte danach insbesondere als Abwehrrecht gegen staatliche Informationen mit religiösem Bezug fungieren. Auch in staatlichen Einrichtungen gilt allerdings der bereits oben beschriebene Grundsatz: Die bloße Kenntnisnahme einer Information im Sinne der Wahrnehmung ihrer Existenz beeinträchtigt die Selbstbestimmung des Bürgers nicht. Vielmehr erweitert die Kenntnisnahme die Selbstbestimmung des Bürgers, in dem sie ihm erst eine Auswahlmöglichkeit eröffnet. Darüber hinaus sprechen die oben bei der Prüfung des Emotionsschutzes bereits ausgeführten systematischen Argumente dafür, den bloßen Kontakt zwischen Bürger und Religion auch in staatlichen Einrichtungen als nicht grundrechtlich problematisch zu bewerten204. Die Konfrontation des Bürgers mit einer Information, die einen religiösen Bezug aufweist, ist aus systematischer Sicht nicht grundrechtsrelevant, soweit vom Bürger keine Aktivität gefordert wird, die über die bloße Kenntnisnahme der Information hinausgeht.

(c)  Schutz vor dem Zwang zur gedanklichen Auseinandersetzung mit der Information Wird der Bürger hingegen über die Wahrnehmung einer Information als existierend hinaus dazu gezwungen, sich mit der Information inhaltlich auseinanderzusetzen, sie also gedanklich zu verarbeiten, entfaltet die Auswahlfreiheit ihren Schutzgehalt. Fraglich ist allerdings, wann überhaupt von einem solchen Zwang auszugehen ist und wie sich der Schutzgehalt der Auswahlfreiheit inhaltlich darstellt.

204  Vgl. dazu die systematischen Argumente zum Schutz vor negativen Emotionen durch die Religionsfreiheit, oben unter D. 2.III.b)bb).

130 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen (aa)  Kein Zwang bei bestehender Möglichkeit zum geistigen Ausweichen Ist es dem Bürger möglich, einer Information räumlich auszuweichen, besteht kein Zwang, sich mit ihr auseinander zu setzen. Das gilt selbstredend für die Konfrontation mit einer Information, die außerhalb staatlicher Einrichtungen stattfindet, aber auch für die in staatlichen Einrichtungen stattfindende Konfrontation. Wie dargelegt, beeinträchtigt Kenntnisnahme der Information allein die menschliche Selbstbestimmung regelmäßig nicht. Anders könnte sich die Situation darstellen, wenn der Bürger der Information nicht räumlich ausweichen kann. Das wird zumindest in bestimmten staatlichen Einrichtungen der Fall sein. Um die Frage zu beantworten, ob eine fehlende räumliche Ausweichmöglichkeit einen Informationszwang begründet bzw. ob allein die Möglichkeit, räumlich auszuweichen, die Auswahlfreiheit unbeeinträchtigt lässt, gilt es zunächst, sich zu vergegenwärtigen, dass bei der Gedankenanregung geistige Prozesse wirken. Auf solche geistigen Prozesse bezieht sich die Auswahlfreiheit. Der Bürger soll durch die Auswahlfreiheit davor geschützt werden, sich mit unerwünschten Einflüssen gedanklich auseinandersetzen zu müssen, die sich in der informativen Grundlage der Willens- bzw. Einstellungsbildung abzeichnen könnten. Letztlich kommt es also bei der Entscheidung, ob die Auswahlfreiheit des Menschen als Teil seiner Willensfreiheit betroffen ist, darauf an, ob sich der Mensch dem Informationsgehalt der jeweiligen Information geistig entziehen kann, wenn er die Information als solche wahrgenommen hat. Schon das verhindert, dass die informative Basis für die Willensbildung beeinflusst wird. Dabei kann zwar nicht geleugnet werden, dass die durch visuelle Informationen verursachte Gedankenanregung vor allem durch räumliche Distanz zur Informationsquelle vermieden werden kann. Das gilt gerade für die durch einen überraschenden Kontakt plötzlich hervorgerufene Gedankenanregung. Nicht außer Acht gelassen werden darf aber, dass der Mensch sein Handeln und auch sein Denken inhaltlich steuern kann. Er kann sich also bewusst dafür entscheiden, eine Informationsquelle nicht anzuschauen und eine bestimmte Information nicht weiter gedanklich zu analysieren. Eine tatsächliche räumliche Distanz ist dafür nicht zwangsläufig erforderlich. In welchen Fällen ein gedankliches Ausweichen möglich ist und wann es doch einer räumlichen Distanz bedarf, um eine Verkürzung der Auswahlfreiheit zu vermeiden, ist eine Frage, die auf der Eingriffsebene zu beantworten ist. Es könnte jedenfalls zu unterscheiden sein zwischen akustischen und visuellen Informationen. Auch kann es eine Rolle spielen, ob und gegebenenfalls welche sonstigen Reize in der Informationsumgebung vorhanden sind, die es dem Bürger ermöglichen können, sich von der Informationsquelle abzulenken.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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(bb)  Kognitive Prozesse ebenfalls potentielle Anknüpfungspunkte von Willensfreiheitsverkürzungen im Fall eines gedanklichen Zwangs Der Ablauf kognitiver Prozesse garantiert folglich entgegen dem oben zunächst entstandenen Eindruck die Willensfreiheit nicht. Die erzwungene kognitive Auseinandersetzung mit einer Information kann eine Willensfreiheitsverkürzung darstellen, auch wenn der Mensch sich dabei mit der Information rational auseinandersetzt. Für die Eingriffsprüfung besteht dennoch das Erfordernis, zwischen der affektiven und kognitiven Wirkung äußerer Einflüsse zu differenzieren, um festzustellen, ob durch den Einfluss im Einzelfall die Auswahlfreiheit oder aber die Willensfreiheit in ihren sonstigen Aspekten betroffen wird.

cc)  Die Willensfreiheit in Fragen religiöser Einstellungen als Schutzgut der Glaubensfreiheit Insgesamt ist damit festzustellen, dass die in Art. 4 Abs. 1 GG verankerte Glaubensfreiheit darauf gerichtet ist, die Selbstbestimmung des Menschen bei der Bildung und der Erhaltung religiöser Einstellungen zu bewahren. Die Selbstbestimmung kommt im menschlichen Willen zum Ausdruck. Als Schutzgut der Glaubensfreiheit lässt sich deshalb die auf religiöse Einstellungen bezogene Willensfreiheit bezeichnen. Die Glaubensfreiheit schützt damit die freie Willensentschließung in Fragen religiöser Einstellungen205.

(1)  Aufspaltung der Willensfreiheit in die Auswahlfreiheit und die Willensfreiheit im engeren Sinne Die Willensfreiheit lässt sich in zwei verschiedene Komponenten unterteilen. Sie umfasst zum einen den Schutz der Auswahlfreiheit bezüglich religiöser Informationen. Ein solcher Schutz stellt die Voraussetzung dafür dar, dass überhaupt eine informative Grundlage gebildet werden kann, die als Basis für die Willens- bzw. Einstellungsbildung dient. Zum anderen umfasst die Glaubensfreiheit einen Schutz vor äußeren Einflüssen, durch die der menschliche Wille umgangen wird, das heißt einen Schutz vor Fremdbestimmung206. Dieser Schutz lässt sich als Schutz der Willensfreiheit im engeren Sinne bezeichnen.

205 Ähnl. 206 

S. 90 f.

Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 126. Für die negative Informationsfreiheit ähnl. Fenchel, Negative Informationsfreiheit,

132 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen (2)  Erforderlichkeit eines religiösen Bezugs der Willensprozesse zur Abgrenzung der Glaubensfreiheit von sonstigen Grundrechten Zu beachten ist, dass die Glaubensfreiheit nicht eine allgemeine Willensfreiheit schützt. Vielmehr will sie, wie erwähnt, die auf religiöse Einstellungen bezogene Willensfreiheit sichern. Ein weiterreichender Schutz der Willensfreiheit lässt sich allenfalls anderen Grundrechten entnehmen: In Betracht kommen hier etwa die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1  GG oder die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs207. Die Willensfreiheit als Schutzgut der Glaubensfreiheit bedarf daher noch einer weiteren Eingrenzung. Relevant im Hinblick auf die Glaubensfreiheit sind nur Informationen, die einen inhaltlichen Bezug zum religiös-weltanschaulichen Bereich aufweisen sowie solche willensbeeinträchtigende Einflüsse, die sich nachweislich oder zumindest mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit im (Zwischen-)Ergebnis des religiösen Sozialisationsprozesses, also in einer religiösen Einstellung, niederschlagen. Dazu kommt es etwa, wenn der Einfluss eine besondere Intensität aufweist. Dann prägt die Verkürzung des Willens die (entstehende) Einstellungskomponente unter Umständen so stark, dass sie sich im Ergebnis auch auf die anderen Komponenten bzw. auf die Gesamteinstellung auswirkt, etwa indem sie diese zurückdrängt.208. Als zutreffend stellt sich daher die Bezeichnung der Glaubensfreiheit als Willensfreiheit in Form der Entscheidungsfreiheit209 dar. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Entscheidung für eine religiöse Einstellung, wie Kapitel C schon gezeigt hat, regelmäßig keine einmalige Willensbetätigung darstellt.

dd)  Die Abgrenzung zwischen positiver und negativer Glaubensfreiheit Zu untersuchen ist sodann, welche Konsequenzen sich für die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Glaubensfreiheit daraus ergeben, dass die Willensfreiheit als Schutzgut der Glaubensfreiheit identifiziert wurde. Der Anerkennung negativer grundrechtlicher Freiheiten liegt der Gedanke zugrunde, dass die durch die Grundrechte gewährleistete Freiheit von Zwang nicht in Zwang zur Freiheit umschlagen darf210. Das wird gewährleistet, wenn die Grundrechte auch Garantien der Nichtbetätigung enthalten211. Die positive Freiheit im grundrechtlichen Sinne ist danach nicht als materiell aufgeladener Freiheitsbegriff zu verstehen, sondern lediglich als Grundrechtsgebrauch, 207 

Vgl. dazu unten D. IV. 4. Wie bereits angedeutet, bietet die affektive Komponente einer Einstellung das Einfallstor für solche Verkürzungen der Willensfreiheit. 209  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 132 ff., 140 ff.; Heckmann, JZ 1996, 880 (882). 210  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 142. 211  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 142. 208 



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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beispielsweise im Sinne eines aktiven Tuns212. Die negative grundrechtliche Freiheit enthält dementsprechend das Recht, von einer grundrechtlich gewährten Freiheit keinen Gebrauch machen zu müssen, das von den Grundrechten statuierte Freiheitsangebot also unbeantwortet und unausgefüllt zu lassen213. Teilweise wird davon ausgegangen, nur solche Grundrechte wiesen eine negative Komponente auf, die auf Handlungen im Sinne von nach außen tretendem Verhalten ausgerichtet seien214. Das hätte zur Konsequenz, dass zwar beispielsweise der Religionsausübungsfreiheit, nicht jedoch der Glaubensfreiheit eine negative Seite zuzusprechen wäre215. Gegen diese Auffassung lässt sich allerdings Kritik äußern: Bei Nicht-Handlungsrechten muss eine negative Seite zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen sein216. Die Glaubensfreiheit stellt sich vor diesem Hintergrund wie folgt dar: Die positive Seite umfasst das Recht, religiöse Einstellungen bilden und innehaben zu können, bzw. genauer: die auf religiöse Einstellungen bezogene Willensfreiheit217. Zur Willensfreiheit zählt auch das Recht, selbst über die informative Grundlage der auf religiöse Einstellungen gerichteten Willensbildung zu bestimmen („Auswahlfreiheit“). Wer die auf religiöse Einstellungen gerichtete Willensfreiheit für sich in Anspruch nimmt, macht vom Grundrecht der Glaubensfreiheit positiv Gebrauch218. Die negative Seite der Glaubensfreiheit muss nach den obigen Maßgaben das Recht umfassen, von dieser grundrechtlich gewährten Freiheit keinen Gebrauch zu machen, sich also gleichsam als Spiegelbild der positiven Seite des Grundrechts darstellen219. Die negative Seite der Glaubensfreiheit umfasst damit vor allem die auf Indifferenz in religiösen Fragen gerichtete Willensfreiheit. Wer sich nicht darum bemüht, eine Religion oder Weltanschauung zu entwickeln, macht von den Möglichkeiten, die ihm Art. 4 Abs. 1 GG in positiver Hinsicht bietet, keinen Gebrauch220. Aus der negativen Glaubensfreiheit folgt dementsprechend das Recht des Bürgers, in Fragen re212 

Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 138. Merten, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 42, Rn. 7 ff.; Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 138. 214  Hellermann, Negative Seite der Freiheitsrechte, S. 130 f.; vgl. auch Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 138. 215  Hellermann, Negative Seite der Freiheitsrechte, S. 139 ff.; vgl. auch Muckel, Religiöse Freiheit, S. 140 f. 216 Ausführlich Muckel, Religiöse Freiheit, S. 142. 217  Vgl. auch Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 138. 218 Vgl. Heckmann, JZ 1996, 880 (889). Aufgrund der Erwähnung des weltanschaulichen Bekenntnisses auch in Art. 4 Abs. 1 GG umfasst die positive Glaubensfreiheit nicht nur den Schutz der Willensfreiheit in Bezug auf religiöse Einstellungen im engeren Sinne, also Einstellungen, die auf eine wie auch immer geartete Gottesvorstellung gerichtet sind, sondern auch a- oder anti-religiöse Einstellungen, die sich als Weltanschauungen darstellen, vgl. Kapitel A. 219 Vgl. Hellermann, Negative Seite der Freiheitsrechte, S. 55. 220  Zacharias, in: Muckel (Hrsg.), FS Rüfner, S. 987 (993) m. w. N. 213 

134 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen ligiöser Einstellungen indifferent zu bleiben. Die negative Komponente sichert die Freiheit des hierauf gerichteten Willens des Menschen. Dazu zählt auch das Recht, über die informative Grundlage für die eigene – auf Indifferenz gerichtete – Willensbildung mitzubestimmen, beispielsweise durch ein gezieltes Ausweichen vor sämtlichen Informationen mit Bezug zu religiösen oder weltanschaulichen Themen. Nicht jedoch erfasst die negative Glaubensfreiheit den Verzicht auf die Willensfreiheit im Bereich religiöser Einstellungen bzw. auf die Indifferenz diesen gegenüber. Im unwahrscheinlichen Fall einer bestehenden Bereitschaft, sich von staatlicher Seite in Fragen in religiösen Angelegenheiten fremdbestimmen zu lassen, ist vielmehr an einen Grundrechtsverzicht zu denken. Im Rahmen eines möglichen Grundrechtsverzichts wäre zu diskutieren, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein Grundrechtsträger in eine Verkürzung seiner grundrechtlichen Freiheiten einwilligen kann221. Ist zu klären, ob die positive und negative Glaubensfreiheit betroffen ist, kommt es nach allem auf die Ausgangseinstellung bzw. -haltung des betroffenen Bürgers an222. Die positive Glaubensfreiheit ist berührt, wenn als Folge einer Verkürzung der Willensfreiheit bzw. der Auswahlfreiheit eine bestehende Einstellung hin zu einer anderen Einstellung oder zu Indifferenz verändert würde oder der Bürger daran gehindert wird, eine religiöse Einstellung zu entwickeln. Demgegenüber ist verlangt die Berührung der negativen Glaubensfreiheit, dass die Einwirkung auf die Willensfreiheit des zunächst Indifferenten bei diesem eine religiöse oder weltanschauliche Einstellung hervorruft223.

ee)  Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Glaubensfreiheit im Fall der Konfrontation mit einstellungsändernden Symbolen Festzustellen gilt es sodann noch, ob im Fall der Konfrontation mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen der Schutzbereich der Glaubensfreiheit eröffnet ist. Das richtet sich danach, ob die Symbolkonfrontation einen thematischen Bezug zur Willensfreiheit aufweist. Da die Symbolkonfrontation einen Informationsgehalt haben kann und es nicht auszuschließen ist, dass die Konfrontation mit religiösen Symbolen die informative Grundlage der religiösen Willensbildung beeinflusst, ist der 221 Vgl. Pieroth/Schlink/Poscher/Kingreen, Grundrechte, Rn. 146. Grundrechtsverzicht meint allerdings nicht die vollständige und dauerhafte Aufgabe eines oder mehrerer Grundrechte im Sinne eines Totalverzichts (Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 168). Vielmehr geht es hier um die Einwilligung eines Grundrechtsträgers in konkrete Beeinträchtigungen eines Grundrechts, das heißt um individuelle Verfügungen über einzelne Grundrechtspositionen (Pietzcker, Der Staat 17 (1978), S. 527 (531); Fischinger, JuS 2007, 808; Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch von Erzieherinnen in öffentlichen Kindergärten, S. 168; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Vorbemerkung, Rn. 131). 222 Vgl. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 139 m. Fn. 254. 223 Vgl. Zacharias, in: Muckel (Hrsg.), FS Rüfner, S. 987 (994).



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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Schutzbereich der Glaubensfreiheit in Form der Informationsauswahlfreiheit regelmäßig eröffnet, wenn der Bürger mit religiösen Symbolen konfrontiert wird224. Das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die Konfrontation an einem Ort stattfindet, an dem der Bürger rechtlich oder faktisch verpflichtet ist, sich aufzuhalten. In diesem Fall ist die räumliche Ausweichmöglichkeit ausgeschlossen. Auf der Eingriffsebene wäre dann zu prüfen, ob im jeweiligen Fall ein gedankliches Ausweichen möglich ist. Hier dürfte es vor allem auf die Gegebenheiten des Einzelfalls ankommen, etwa auf die Auffälligkeit des Symbols, mit dem der Bürger konfrontiert wird, oder den Ort seiner Platzierung. Im Hinblick auf die Willensfreiheit im engeren Sinne ist daran zu erinnern, dass die Konfrontation mit religiösen Symbolen an Einstellungsänderungen zumindest mitwirken kann, wie in Kapitel C gezeigt wurde. Vor dem Hintergrund der Willensfreiheit im engeren Sinne stellen sich insbesondere Einstellungsänderungsprozesse dar als bedenklich dar, die keinen erhöhten kognitiven Aufwand erfordern, sondern auf der affektiven Ebene wirken, wie etwa die Konditionierung. Prozesse wie die kognitive Reaktion scheinen demgegenüber wenig problematisch225. Da im Fall der Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass es zu einstellungsändernden Prozessen kommt, durch die der menschliche Wille um- oder übergangen wird, liegt ein thematischer Bezug der Symbolkonfrontation zur Willensfreiheit vor. Mithin ist der Schutzbereich der Willensfreiheit im engeren Sinne und damit der Glaubensfreiheit eröffnet, wenn der Bürger in staatlichen Einrichtungen mit einem religiösen Symbol konfrontiert wird. Ob und unter welchen Umständen eine eingriffsrelevante Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne tatsächlich anzunehmen ist und wie sie inhaltlich ausgeprägt ist, gilt es auf der Eingriffsebene noch zu untersuchen. Eine Rolle spielen hier insbesondere die Umgebungsreize des Symbols sowie die Frage, ob das Symbol von einem Menschen getragen wird oder beispielsweise an der Wand angebracht ist, zusammenfassend also die Art der zu der Symbolkonfrontation hinzutretenden Reize sowie die näheren Umstände der Konfrontationssituation.

3.  Schutz durch das elterliche Recht zur religiösen Erziehung In Zusammenhang mit der Glaubensfreiheit ist auch das elterliche Erziehungsrecht zu erwähnen. Art. 6 Abs. 2 GG schützt das Recht der Eltern zur „Pflege und Erziehung“ ihrer Kinder. Den Eltern obliegt zuvörderst die Formulierung und auch die nur unbewusste Verfolgung eines Leitbildes für Art und Weise der Betreuung, der Begegnung und des Erlebens mit den Kindern226. Die 224 Vgl.

Jestaedt, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), FS Listl, S. 259 (279). Sie können allerdings mit Blick auf die Auswahlfreiheit problematisch sein. 226  BVerfGE 24, 119 (143); 47, 46; 99, 216 (232); Burgi, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 4, § 109, Rn. 23. 225 

136 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen Eltern sind gegenüber dem Staat die vorrangigen Erziehungsträger227. Ihr Erziehungsrecht umfasst, unabhängig von der Frage der Abgrenzung von Pflege und Erziehung im Einzelfall228, auch die weltanschaulich-religiöse Erziehung der Kinder229. Das gilt jedenfalls für das religionsunmündige Kind230. Art. 6 Abs. 2 GG wird in dieser Hinsicht durch die in Art. 4 Abs. 2 GG verankerte Religionsfreiheit verstärkt231. Das Recht zur religiösen Erziehung erlaubt es den Eltern, ihre Kinder religiös zu prägen232. Die prägenden Maßnahmen der Eltern unterliegen dabei nicht den Beschränkungen, denen Maßnahmen Dritter oder gar Maßnahmen des Staates unterliegen. Unklar ist vor diesem Hintergrund, inwieweit religiöse Beeinflussungen der Kinder durch die Eltern gedeckt sind, die die Kriterien einer Verkürzung der Willensfreiheit erfüllen233. Dabei ist zu bedenken, dass nach den bisherigen Erkenntnissen insbesondere affektive Prozesse im Hinblick auf die Willensfreiheit bedenklich sein können. Es spricht daher einiges dafür, dass sich gewisse Verkürzungen der Willensfreiheit im Eltern-Kind-Verhältnis schon aufgrund der zumeist stark ausgeprägten emotionalen Beziehung praktisch kaum vermeiden lassen. Die Grenze markiert in jedem Fall das Kindeswohl234. Maßnahmen, die üblicherweise als Eingriff in die Glaubensfreiheit genannt werden wie die Verabreichung von Drogen235 – Lüdemann spricht hier von einem „Katalog an Gräueltaten“236 – dürften vom Erziehungsrecht nicht gedeckt sein. Das religiöse Erziehungsrecht der Eltern umfasst unstrittig das Recht, die religiöse Beeinflussung und Indoktrination ihrer Kinder durch Dritte, insbesondere durch den Staat, abzuwehren237. Ein religiös-missionierender Staat würde das elterliche Recht konterkarieren. Wie die Ausführungen zur Glaubensfreiheit 227  Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 6, Rn. 107; Burgi, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 4, § 109, Rn. 23; von Coelln, in: Sachs (Hrsg.), Art. 6, Rn. 54. 228 Vgl. dazu Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 6, Rn. 143; von Coelln, in: Sachs (Hrsg.), Art. 6, Rn. 60. 229  BVerfGE 41, 29 (47 f.); BVerwG, NJW 2014, 804; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 6, Rn. 118; von Coelln, in: Sachs (Hrsg.), Art. 6, Rn. 60; Kokott, in: Sachs (Hrsg.); Art. 4, Rn. 37. 230  Vgl. § 5 RelKErzG v. 15. 7. 1921 (zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2008).; dazu Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 6, Rn. 119. 231  Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 6, Rn. 118. 232  BVerwG, NJW 2014, 804. 233  Hier stellt sich die Frage, inwiefern religionsunmündigen Kindern überhaupt die Fähigkeit zugesprochen werden kann, einen auf religiöse Einstellungen bezogenen Willen zu entwickeln. Dazu im folgenden Abschnitt. 234  Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 6, Rn. 150; von Coelln, in: Sachs (Hrsg.), Art. 6, Rn. 69. 235  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 35; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 72. 236  Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, 112. 237  BVerwG, NJW 2014, 804 (806); Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 6, Rn. 118.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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gezeigt haben, ist es jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Konfrontation mit religiösen Symbolen in öffentlichen Räumen eine Verkürzung der Willensfreiheit nach sich zieht. So besteht die Möglichkeit, dass das Kind etwa im Wege einer Konditionierung hinsichtlich einer bestimmten Religion positiv geprägt wird. Zwar kann zweifelhaft sein, ob ein sehr junges Kind tatsächlich dazu fähig ist, eine religiöse Einstellung zu entwickeln und einen darauf bezogenen Willen zu bilden. Letzteres setzt schließlich die Fähigkeit voraus, rationale Abwägungen vorzunehmen. Dass gerade die Religion der Eltern besonders bedeutsam für die (spätere) Religion ihrer Kinder ist, zeigt aber, dass Kinder durchaus religiös zu beeinflussen sind238. Im Übrigen kommt es in diesem Zusammenhang nicht primär auf die Willensfreiheit des Kindes an. Vielmehr stellt sich hinsichtlich des Elternrechts insbesondere die Frage, ob das Elternrecht dadurch beeinträchtigt wird, dass Prozesse wie die Konditionierung den elterlichen Einfluss zurückdrängen können, der sich grundsätzlich in dem Wissen und in den affektiven Erfahrungen des Kindes niederschlägt. In dieser Hinsicht erscheinen auch die Prozesse, die die Willensfreiheit im engeren Sinne beeinträchtigen können, angesichts des Elternrechts bedenklich. An eine Verkürzung des Elternrechts ist ebenfalls zu denken, wenn das Kind gezwungen wird, sich mit bestimmten (religiösen) Informationen näher auseinander zu setzen. Das Erziehungsrecht schließt auch die Wahl des Erziehungsmittels mit ein239, was sich auch darin äußern kann, dass die Eltern bestimmen, mit welchen Informationsquellen sich das Kind auseinander setzt240. Sofern das Kind durch die Konfrontationssituation dazu gezwungen wird, sich mit dem Symbol näher zu befassen, ist das Eltern damit berührt. Insgesamt ist damit im Fall der Symbolkonfrontation der Schutzbereich des Rechts der Eltern auf religiöse Erziehung aus Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG eröffnet.

4.  Schutz vor Einstellungsänderungen durch die Informationsfreiheit Ein Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen, die an Einstellungsänderungen mitwirken, könnte zudem aus der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG verankerten Informationsfreiheit folgen.

238 

Dazu Kapitel C. Auch das RelKErzG (oben Fn. 231) spricht religionsunmündigen Kinder ab einem Alter von 10 bzw. 12 Jahre eine gewisse Mitbestimmung über seine religiöse Erziehung zu (§ 3 Abs. 2, § 5 S. 2 RelKErzG), was darauf hindeutet, dass auch das religionsunmündige Kind über einen religiösen Willen verfügt. 239  Burgi, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 109, Rn. 26. 240  Vgl. BVerfGE 7, 320 (323 ff.); 83, 130 (139 f.) dazu, dass das elterliche Erziehungsrecht auch die Befugnis umfasst, die Lektüre der Kinder zu bestimmen; dazu auch Burgi, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 109, Rn. 26.

138 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen a)  Die Informationsfreiheit als der Glaubensfreiheit strukturell ähnliches Grundrecht Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG statuiert das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Mit der Gewährleistung der Informationsfreiheit im Grundgesetz reagierte der Verfassunggeber einerseits auf die Erfahrungen mit den Informationssperren im nationalsozialistischen Regime241. Andererseits resultiert die Gewährleistung der Informationsfreiheit auch aus der Erkenntnis, dass Informationen eine wichtige Voraussetzung für die Meinungsbildung darstellen242. Die Informationsfreiheit beinhaltet das Recht, sich zu informieren243. Der Informationsbegriff ist dabei weit gefasst. Information bedeutet so viel wie Nachricht oder Auskunft. Kennzeichen der Information ist die Übermittlung von Wissen bzw. von Daten mit Sinngehalt. Information kann definiert werden als alles, was sinnlich wahrgenommen und mit den Mitteln des menschlichen Geistes verarbeitet werden kann.244 Insgesamt zielt die Informationsfreiheit folglich auf den Schutz der geistigen Freiheit des Menschen245. Sie bildet die Grundlage dafür, dass der Einzelne Meinungen ausbilden kann246. Sie ist damit auch für die Bildung einer öffentlichen Meinung im demokratischen Verfassungsstaat konstitutiv247. Der Schutz der geistigen Freiheit verlangt allerdings nicht nur, dass der Mensch sich überhaupt informieren kann, um Meinungen auszubilden, sondern fordert gerade die freie Unterrichtung und die freie Meinungsbildung248. Deshalb müssen sich der Akt des Sich-Unterrichtens und der darauf aufbauende 241 

BVerfGE 27, 71 (80); Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, § 108, S. 1401 f.; Dörr, in: Merten/ Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 103, Rn. 7. 242  Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, § 108, S. 1402; vgl. auch BVerfGE 20, 162 (174); Dörr, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 103, Rn. 13. 243  Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck OK-GG, Art. 5, Rn. 23. 244  Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 130; Schmidt-Jortzig, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 162, Rn. 35; Dörr, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 103, Rn. 23. 245  Stern, Staatrecht, Bd. IV/1, § 108, S. 1378; vgl. auch Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 90. 246  Vgl. auch die für die fünfte Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rats vom 29. September 1948 vorgeschlagene Fassung des Grundrechts, nach deren Abs. 2 die Beschränkung der freien Unterrichtung und Meinungsbildung aus allgemein zugänglichen Quellen unstatthaft ist, sowie den Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschlusses vom 16. November 1948 (dort ebenfalls Abs. 2), dazu Matz, in: Leibholz/v. Mangoldt, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, N. F./Bd. I, S. 80 f. 247 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 5, Rn. 83. 248  Während der Beratungen des Parlamentarischen Rats wurde die in dem Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschlusses vom 16. November 1948 enthaltene Formulierung „Jede Beschränkung der freien Unterrichtung und Meinungsbildung ist (…) unstatthaft“ dahingehend geändert, dass das Wort „frei“ entfernt wurde. Das resultierte allerdings lediglich aus dem Wunsch heraus, eine Deutung des Wortes „frei“ als „unentgeltlich“ zu vermeiden,



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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Meinungsbildungsvorgang als selbstbestimmte Prozesse darstellen249. Hier lassen sich Parallelen zur Glaubensfreiheit erkennen: Die Glaubensfreiheit schützt, wie zuvor erwähnt, die Willensfreiheit des Menschen im Hinblick auf religiöse Einstellungen. Die Informationsfreiheit zeigt ein ähnliches inhaltliches Ziel. Indem sie dem Menschen nicht nur die Möglichkeit zur Meinungsbildung überhaupt schafft, sondern gerade die Möglichkeit eines selbstbestimmten Informationsprozesses sichern will, kommt es in ihrem Rahmen letztlich auch darauf an, dass in dem Prozess des Informierens als dem Prozess, aufgrund dessen Meinungen gebildet werden, die menschliche Willensfreiheit gewahrt wird. Das setzt voraus, dass eine Auswahlfreiheit hinsichtlich des Informationsgegenstands, der Informationsquelle sowie hinsichtlich der Information selbst besteht250. Unter diesen Umständen sichert die Informationsfreiheit dem Menschen das Recht, nach seinem Willen Informationen zu beschaffen und entgegenzunehmen251, wie auch das Recht, die Aufnahme bestimmter Informationen zu verweigern, die seine Willensgrundlage prägen könnten252. Hier sind die bereits oben bei der Glaubensfreiheit vorgestellten Grundsätze zu beachten253. Diese Auswahlfreiheit als Teil der Informationsfreiheit ist beeinträchtigt, wenn der Mensch daran gehindert wird, sich bestimmte Information zu beschaffen, oder aber wenn er dazu gezwungen wird, sich mit bestimmten Informationen geistig auseinanderzusetzen. Darüber hinaus schützt die Informationsfreiheit – im gängigen Verständnis: auf ihrer negativen Seite – den Menschen vor der Aufnahme solcher Informationen, die potentiell geeignet sind, den Meinungsbildungsprozess in einer dem Rezipienten unerwünschter Weise zu beeinflussen254, also vor Informationen, die gegen oder ohne seinen Willen bei ihm bestimmte Meinungen hervordazu Matz, in: Leibholz/v. Mangoldt (Hrsg.), Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, N. F./Bd. I, S. 82. 249  So mit Blick auf die negative Informationsfreiheit: Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 90 ff.; Stern, Staatrecht, Bd. IV/1, § 108, S. 1417 f.; vgl. auch Degenhart, in: Kahl/ Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 5, Rn. 310 f.; Dörr, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 103, Rn. 63. 250  So mit Blick auf die negative Informationsfreiheit Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 90 f.; so auch Stern, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV/1, § 108, S. 1418; vgl. schon oben die Ausführungen zur Auswahlfreiheit als Teil der Glaubensfreiheit. 251  Stern, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV/1, § 108, S. 1402. 252  Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 90 f. 253  Oben D. IV. 2.b)bb)(3). 254  So zur negativen Informationsfreiheit Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 131, zustimmend Koch, Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, S. 358. Nach Fenchel ist das vor allem bei indoktrinierenden und propagandistischen Botschaften sowie bei suggestiven, manipulierenden Informationen anzunehmen. Allerdings sieht Fenchel auch Mitteilungen mit werbendem Inhalt erfasst. Nach der hier vertretenen Ansicht kommt es allerdings auf die rationale Verarbeitung, nicht aber auf den Inhalt einer Information an (s. o.). Eine werbende Botschaft ist daher nicht per se problematisch, soweit sie nicht die rationale Verarbeitung von Informationen verhindert.

140 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen rufen255. Insoweit kann auch hier auf die oben256 erarbeiteten Grundsätze zur Willensfreiheit verwiesen werden. Eine Relevanz für die selbstbestimmte Meinungsbildung ist allerdings nur zu bejahen, wenn es nicht ausgeschlossen erscheint, dass sich die Willensfreiheitsverkürzung in einer Meinung widerspiegelt257.

b)  Bestimmung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit in Abweichung zum herrschenden Verständnis Die Informationsfreiheit schützt nach ihrem Sinn und Zweck auch die Meinungsbildungsfreiheit258. Ein entsprechender Schutz folgt insoweit nicht aus der (negativen) Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit zielt nicht auf die Meinungsbildung, sondern auf die Äußerung bzw. – in ihrer negativen Seite259 – auf das Verschweigen einmal gebildeter Meinungen; sie ist somit zu begreifen als Meinungsäußerungsfreiheit260. Der Schutz des Menschen vor einer erzwungenen Aufnahme unerwünschter Informationen wird regelmäßig unter dem Gesichtspunkt der negativen Informationsfreiheit diskutiert261. Nach diesem Verständnis umfasst die positive Informationsfreiheit das Recht, sich zu informieren, während die die negative Informationsfreiheit auf das Recht zielt, sich nicht informieren zu müssen, sich also Informationen verschließen zu können, und damit einen Schutz vor aufgedrängten Informationen ermöglicht. Nach der hier vertretenen Auffassung sind die positive und die negative Komponente der Informationsfreiheit inhaltlich allerdings anders zu verstehen. Da die Informationsfreiheit darauf abzielt, die Willensfreiheit im Meinungsbildungsprozess zu wahren, umfasst schon ihre positive Seite nicht nur das Recht, sich zu informieren – im Rahmen der allgemein zugänglichen Quellen262 –, sondern auch das Recht, sich in bestimmten 255 

Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 131, 91 f. zur negativen Informationsfreiheit; so auch Stern, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV/1, § 108, S. 1418. 256  Oben D. IV. 2.b)bb)(2). 257  Vgl. wiederum Fenchel, Negative Informationsfreiheit,131 f. 258  So wohl auch Fenchel, Negative Informationsfreiheit, 1997, vgl. die dazu die Nachw. im vorigen Abschnitt. Vgl. aber Starck, in. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5, Rn. 5, 37, wonach die Meinungsbildung als Vorgang des forum internum nicht in Art. 5 Abs. 1 GG aufgenommen worden sei. 259 Vgl. aber Jestaedt, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 102, Rn. 42. 260  Vgl. wiederum Starck, in. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5, Rn. 22 ff. 261  Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 89 ff.; Stern, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV/1, § 108, S. 1417; Schulze/Fielitz, in: Dreier (Hrsg.) GG, Bd. I, Art. 5, Rn. 84; Kloepfer, Produkthinweispflichten als Verfassungsfrage, S. 58 ff.; Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 5, Rn. 310 f.; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 57 a. 262  Vgl. nur Stern, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV/1, § 108, S. 1405 ff.



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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Fragen nicht zu informieren, sich also der Informationsaufnahme zu verschließen263. Zudem umfasst die positive Informationsfreiheit einen Schutz vor Verkürzungen der Willensfreiheit, in deren Folge der Meinungsbildungsprozess behindert oder verändert wird. Die negative Informationsfreiheit umfasst demgegenüber das Recht, sich – in dem oben bei der Glaubensfreiheit aufgezeigten Rahmen264  – von Informationen fernzuhalten, die  – irgendeine  – Meinungsbildung anregen könnten. Zudem schützt sie den Indifferenten vor meinungsbildungsrelevanten Einflüssen, durch die sein freier Wille umgangen wird.265 Ob die positive oder negative Informationsfreiheit berührt ist, hängt demnach von der innerlichen Ausgangssituation des betroffenen Grundrechtsträgers ab. Auch der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG spricht nicht gegen ein solches Verständnis. Zwar könnte die Formulierung, dass jeder das Recht hat, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren, so verstanden werden, dass sie die positive Komponente der Freiheit umfassend und abschließend abbildet. Dann bliebe für den Inhalt einer negativen Informationsfreiheit in der Tat nur das Recht, sich nicht informieren zu müssen. Im Gegensatz zu der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verankerten Glaubensfreiheit scheint der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG hier eine bestimmte Auslegung vorzugeben. Die besondere Betonung des Rechts, sich informieren zu können, resultiert allerdings aus dem historischen Hintergrund, dem die Vorschrift entsprang. Die Verfassunggeber durfte die der menschlichen Freiheit drohende Gefahr vor allem darin erblicken, dass Informationsmöglichkeiten verhindert würden. Die Gefahr aufgedrängter Informationen erschien hingegen weniger akut266. Insofern spricht der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG nicht gegen das zuvor beschriebene inhaltliche Verständnis von der negativen und der positiven Glaubensfreiheit.

c)  Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit durch die Konfrontation mit einstellungsändernden religiösen Symbolen Aufgrund des weiten Informationsbegriffs, nach dem die Information definiert werden kann als alles, was sinnlich wahrgenommen und mit den Mitteln menschlichen Geistes verarbeitet werden kann267, können auch religiöse Symbole als Informationen verstanden haben. Auch sie können einen Sinngehalt 263  Dazu, dass es sich bei solchen aufgedrängten Informationen nicht zwangsläufig um Informationen handeln muss, die das Kriterium der Allgemeinzugänglichkeit erfüllen: Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 133 ff. 264  Oben D. IV. 2.b)bb)(3). 265  Vgl. die obigen Ausführungen zur Abgrenzung der positiven von der negativen Glaubensfreiheit. 266 Vgl. Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 5, Rn. 272. 267  Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 130.

142 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen übermitteln268. Soweit die Konfrontation mit religiösen Symbolen die Willensfreiheit der Bürgers beeinträchtigt, kann sich deshalb ein Schutz vor ihr auch aus der Informationsfreiheit ergeben. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit ist demnach grundsätzlich eröffnet, wenn der Bürger mit religiösen Symbolen konfrontiert wird. Je nach Ausgangslage können sowohl die positive als auch die negative Informationsfreiheit betroffen sein. Wirken die Einflüsse auf kognitiver Ebene, kommt eher ein Eingriff in die Auswahlfreiheit in Betracht, bei einer Wirkung auf affektiver Ebene hingegen insbesondere ein Eingriff in die auf den Meinungsbildungsprozess bezogene Willensfreiheit im engeren Sinne. Bei der Konfrontation mit religiösen Symbolen stellt sich die Glaubensfreiheit im Vergleich zur Informationsfreiheit allerdings jedenfalls in den Fällen als spezielleres Grundrecht dar, in denen die Bildung oder die Änderung religiöser Einstellungen in Rede steht. Geht es jedoch um die Bildung oder Änderung von Meinungen, die nicht die Breite einer religiösen Einstellung erreichten – ist die Informationsfreiheit heranzuziehen269. Das gilt im Übrigen auch bei politischen Symbolen, die einen Bezug zu politischen Meinungen oder Einstellungen aufweisen. Hier ist die Glaubensfreiheit sachlich nicht einschlägig.

5.  Schutz vor Einstellungsänderungen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung Schließlich könnte das in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht einen Schutz vor Einstellungsänderungen statuieren. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das ein Produkt richterlicher Rechtsfortbildung darstellt270, schützt die Integrität der Persönlichkeit271. Es will die autonome Selbstentfaltung des Menschen in Persönlichkeitsfragen sichern272. Das soll vor allem dadurch erreicht werden, dass ein abgeschirmter Bereich privater Lebensgestaltung gewährleistet wird273 und dem Menschen die Vertrau268 Vgl.

Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 130; vgl. schon oben I. 3.b)aa)(2)(cc). Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 10, wonach unter die Glaubensfreiheit nicht das Für-Wahr-Halten irgendwelcher Einzelheiten wie Ansichten oder Meinungen fällt, zu deren Gunsten vielmehr Art. 5 GG greift; Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 66. 270  Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2, Rn. 69 m. zahl. N. zur Rspr. und Lit. in Fn. 307. 271  Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 59, 61; vgl. auch Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2, Rn. 69. 272  Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2, Rn. 70. 273  Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2, Rn. 71; das BVerfG spricht von einem Raum, in dem der Mensch „unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen verkehren kann“, BVerfGE 90, 255 (260); 269 



IV.  Grundrechtlicher Schutz vor Einstellungsänderungen

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lichkeit seiner Interaktion zugesichert wird274. Zudem umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht die nach außen wirkende Selbstdarstellung des Menschen und bietet Schutz etwa vor verfälschender Präsentation der eigenen Person in der Öffentlichkeit275. Der Sicherung der autonomen Selbstentfaltung des Menschen lässt sich auch der Schutz identitätsstiftender persönlicher Merkmale zuordnen. Dazu zählen sein Personenstand, sein Geburtsname und die Kenntnis seiner eigenen Abstammung.276 Für die Selbstentfaltung des Menschen ist es wesensnotwendig, dass er über die identitätsstiftenden persönlichen Merkmale selbst verfügen kann277. Deshalb schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Menschen vor gezielter Einflussnahme, vor Oktroyierung fremder Auffassungen und Verhaltensmuster278. Die Konfrontation mit religiösen Symbolen, von der einstellungsändernde Wirkungen ausgehen, kann insoweit die autonome Persönlichkeitsentwicklung tangieren. Da religiöse Einstellungen für den Menschen in besonderer Weise verbindlich sind und in der Folge seine personale Identität und Individualität unmittelbar berühren279, stellt die religiöse Einstellung eines Menschen ein identitätsstiftendes persönliches Merkmal dar. Insofern kann die Identität des Menschen beeinträchtigt werden bzw. dem Menschen teilweise genommen werden, wenn seine religiöse Einstellung verändert wird. Auch hier dürfte es aber entscheidend auf den menschlichen Willen ankommen: Die Aufgabe oder der Wechsel religiöser Einstellungen kann gerade auch ein Zeichen selbstbestimmter Persönlichkeitsentfaltung sein. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist deshalb nur berührt, wenn es möglich erscheint, dass die Einstellungsänderung gegen oder zumindest ohne den Willen des Menschen vonstattenging.280 Insgesamt lässt sich dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht also ein zumindest auf persönlichkeitskonstituierende Merkmale bezogener Willensschutz entnehmen. Allerdings schützen schon die Glaubensfreiheit bzw. die Informationsfreiheit den Menschen vor Verkürzungen der Willensfreiheit in der religiösen Sozialisation. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt hier kein den Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG bzw. Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG übersteigender Gehalt zu. Die Glaubensfreiheit ist aufgrund ihres spezifischen Bezugs zur Re274 

Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2, Rn. 69. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2, Rn. 69. 276 Vgl. Enders, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 89, Rn. 6, der u. a. auf die Entscheidung des BVerfG zum Sexualkundeunterricht verweist (BVerfGE 47, 46 [73 f.]). 277  Enders, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 89, Rn. 6. 278  Enders, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 89, Rn. 6, mit Nachw. zur Rspr. des BVerfG, das diesen Gedanken auf verschiedene Grundrechte überträgt. 279  Fleischer, Der Religionsbegriff der Grundgesetzes, S. 141 ff.; Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 4, Rn. 12. 280 Vgl. Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 2, Rn. 453: „Auch Willensbeeinträchtigungen (…) sind primär nur persönlichkeitsrechtlich relevant (…).“ 275 

144 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen ligion gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Informationsfreiheit als spezielleres Grundrecht anzusehen, soweit Änderungen religiöser Einstellungen in Rede stehen281. Ist die Glaubensfreiheit nicht einschlägig, geht auch die Informationsfreiheit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vor. Die Informationsfreiheit stellt sich als spezielleres Grundrecht dar, soweit es um Verkürzungen der Willensfreiheit durch die Aufnahme von Informationen geht.

V.  Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation Neben Emotionen und Einstellungsänderungen lassen sich weitere Wirkungen der Konfrontationssituation in Betracht ziehen, die grundrechtlich relevant sein könnten. Hierzu zählen insbesondere ein möglicher Handlungszwang sowie eine gegebenenfalls durch die Symbolkonfrontation begründete Herabsetzung des Bürgers. Gerade Emotionen können (auch) als Anzeichen für die Betroffenheit sonstiger grundrechtlicher Schutzgüter fungieren282.

1.  Schutz durch die negative Bekenntnisfreiheit Zu untersuchen ist zunächst, ob und inwieweit die in Art. 4 Abs. 1  GG bzw. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 WRV verankerte Bekenntnisfreiheit einen Schutz der Symbolkonfrontation gewährleistet. Zumindest bei Rechten, die auf eine Handlung im Sinne von nach außen tretendem Verhalten ausgerichtet sind, wird das Bestehen einer negativen Seite kaum bezweifelt283. Dem folgend ist hier davon auszugehen, dass die Bekenntnisfreiheit eine negative Seite aufweist.

a)  Kein Schutz vor dem äußeren Eindruck der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bekenntnis Die positive Bekenntnisfreiheit schützt das Verkünden einer religiösen Einstellung sowie das Reden über sie284. Sie umfasst auch die Werbung für einen re281 Vgl. Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Art. 2, Rn. 59: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht „schützt (…) auch die Integrität der Persönlichkeit (…), soweit dieser Schutz sich nicht bereits aus Spezialgrundrechten ergibt“, ferner auch Rn. 66; vgl. auch BVerfGE 99, 185 (193): „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand besonderer Freiheitsgarantien sind, aber diesen in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen“. 282 Vgl. Cornils, AfP 2013, 199 (207). 283  Vgl. oben Fn. 215. 284  Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 24, ders., Religiöse Freiheit, S. 145; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 80 ff.; vgl. auch Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG,



V.  Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation  145

ligiösen Glauben einschließlich des Rechts auf Abwerbung von einem anderen Glauben285. Die negative Bekenntnisfreiheit, die aus Art. 4 Abs. 1 GG286 bzw. aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 WRV287 hergeleitet wird, schützt entsprechend jedenfalls das Recht, seine religiöse Überzeugung nicht offenbaren zu müssen288. Sie bietet insoweit einen Schutz vor Einflüssen, die den Bürger dazu zwingen, seine Überzeugungen zu offenbaren. Fraglich ist, ob die negative Bekenntnisfreiheit den Bürger auch davor schützt, mit bestimmten unerwünschten religiösen Sachverhalten oder Ereignissen, wie beispielsweise religiösen Symbolen, konfrontiert zu werden. Die negative Bekenntnisfreiheit könnte in den Fällen beeinträchtigt sein, in denen der Staat eine Pflicht des Bürgers anordnet, an bestimmten religiösen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Teilnahmepflicht an einer religiösen Veranstaltung wirkt nach außen möglicherweise wie ein Bekenntnis zu der jeweiligen Religion, also als aufgezwungenes Bekenntnis289. Sofern die Konfrontation mit einem religiösen Symbol mit einer Teilnahmepflicht an religiösen Veranstaltungen gleichzusetzen wäre – was jedenfalls bei einer unausweichlichen Konfrontation in Betracht zu ziehen ist – könnte sich ein Schutz vor ihr aus der negativen Bekenntnisfreiheit ergeben. Zweifel bestehen allerdings schon daran, dass die negative Bekenntnisfreiheit überhaupt einen Schutz vor der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen beinhaltet. Nach Art. 140 GG i. V. m. 136 Abs. 3 WRV ist niemand verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Betrachtet man diese Vorschrift als Spezialnorm zu Art. 4 Abs. 1 GG, wofür der eindeutige Wortlaut spricht290, beinhaltetet die negative Bekenntnisfreiheit allein das Recht, seine religiöse Überzeugung nicht nach außen preisgeben zu müssen. Die Teilnahme an einer religiösen Veranstaltung wäre vor diesem Hintergrund nicht erfasst. Sie mag zwar nach außen den Anschein erwecken, der Bürger bekenne sich zu der Religion, auf die sich die Veranstaltung bezieht. Der Bürger wird aber nicht gezwungen, seine tatsächliche, unter Umständen davon abweichende Überzeugung nach außen preiszugeben. Die negative Bekenntnisfreiheit ist vielmehr erst dann beArt. 4, Rn. 32 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 36; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 60; ferner Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 30. 285  BVerfGE 12, 1 (4); Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 24; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 33; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 84. 286  Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 27, die Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 WRV lediglich deklaratorischen Charakter zuspricht. 287 So Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 27. 288  Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 27, ders, Religiöse Freiheit, S. 147; Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 27; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 60. 289 Vgl. Koch, Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, S. 361 f. 290  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 147.

146 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen troffen, wenn dem Bürger eine Wahlmöglichkeit zur Teilnahme eröffnet ist und er das Ergebnis seiner Entscheidung bekannt geben muss. Erst daraus lassen sich Rückschlüsse auf seine tatsächliche Einstellung ziehen291. Der Zwang zur Teilnahme an einer religiösen Veranstaltung berührt mithin thematisch nur die (negative) Religionsausübungsfreiheit. Angesichts der gleichzeitigen Gewährung der Bekenntnis- und der Religionsausübungsfreiheit in Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 GG ist hiervon aus systematischer Sicht auch auszugehen, wenn Art. 136 Abs. 3 WRV nicht als speziellere Norm verstanden wird. Während die negative Bekenntnisfreiheit den Bürger vor der Offenbarung seiner eigenen Überzeugungen schützt, ist die negative Religionsausübungsfreiheit darauf gerichtet, den Bürger davor zu bewahren, auf religiöse Veranstaltungen gerichtete Aktivitäten entfalten zu müssen. Die negative Bekenntnisfreiheit schützt den Bürger folglich nicht davor, nach außen den Eindruck zu erwecken, er gehöre einem bestimmten Bekenntnis an. Ein solcher Eindruck stellt allenfalls eine Begleiterscheinung einer – evt. erzwungenen – Religionsausübung dar.

b)  Zwang zur Preisgabe des Bekenntnisses durch die Symbolkonfrontation Zu erwägen bleibt sodann noch, ob die Symbolkonfrontation den Bürger dazu nötigt, sein Bekenntnis nach außen preiszugeben. Selbst wenn der Betrachter dem Symbol den Appell entnimmt, sich zu der symbolisierten Religion zu bekennen, steht es ihm jedoch frei, dem Appell zu folgen oder nicht. Das Symbol zwingt den Betrachter grundsätzlich nicht dazu, in diesem Zusammenhang seine religiöse Überzeugung zu offenbaren292. Die Konfrontation mit einem religiösen Symbol kann aber zu einer faktischen Verpflichtung führen, sein Bekenntnis preiszugeben. Das kommt insbesondere bei Regelungen in Betracht, die einen Widerspruch gegen das in staatlichen Einrichtungen angebrachte Symbol ermöglichen293 oder aber in Fällen, in denen durch die Symbolkonfrontation sonstige Rechte des Symbolbetrachters verkürzt werden – etwa seine Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG. In beiden Konstellationen ist der Symbolbetrachter regelmäßig zumindest faktisch verpflichtet, seine Überzeugung zu offenbaren, wenn er sich – nachvollziehbarerweise – gegen die Verkürzung dieser Rechte wehren bzw. von seinem Widerspruchsrechtgebrauch machen möchte. Aus der Beschreibung, aus welchem Grund er seine Rechte als verletzt ansieht, sowie aus der Einlegung des Widerspruchs dürften sich regelmäßig 291  Vgl. das Urteil des Hess. Staatsgerichtshof zum Schulgebet, NJW 1966, 31, 34 f.; dazu auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 121. 292  Wirkt ein religiöses Symbol indoktrinierend und entwickelt der Bürger durch die Konfrontation eine neue religiöse Einstellung, so entspricht eine darauf gründende Bekenntnisoffenbarung dem geänderten Willen des Bürgers – und wird entsprechend nicht erzwungen. Auch in diesem Fall ist die Bekenntnisfreiheit damit nicht betroffen. 293  Vgl. etwa Art. 7 Abs. 3 BayEUG.



V.  Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation  147

Rückschlüsse auf seine religiöse Überzeugung ziehen lassen294. Zumindest im Fall einer Widerspruchsmöglichkeit ist allerdings zweifelhaft, ob eine etwaige Verkürzung der Bekenntnisfreiheit überhaupt noch durch die Symbolkonfrontation verursacht wird, oder ob die Beschwer nicht vielmehr in der Regelung liegt, die den Widerspruch ermöglicht. In der Konsequenz begründete  – im Hinblick auf die negative Bekenntnisfreiheit – die Widerspruchsregelung, nicht jedoch die Symbolkonfrontation den Grundrechtseingriff.

c)  Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der Bekenntnisfreiheit durch die Symbolkonfrontation Die Bekenntnisfreiheit entfaltet daher nicht zwangsläufig einen Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen295. Die Konfrontation mit einem religiösen Symbol allein zwingt den Symbolbetrachter nicht generell dazu, sich gegen seinen Willen zu einer Religion zu bekennen. Selbst wenn die Konfrontation mit einem Zwang zur Teilnahme an religiösen Veranstaltungen vergleichbar sein sollte, so stellt der damit einhergehende Eindruck der Offenbarung eines Bekenntnisses allenfalls die Begleiterscheinung einer – eventuell erzwungenen – Religionsausübung dar. In Betracht kommt dann allein eine Verkürzung der Religionsausübungsfreiheit. Ruft die Konfrontation eine Änderung religiöser Einstellungen beim Bürger hervor, entspricht die darauf gründende Bekenntnisoffenbarung dem geänderten Willen des Bürgers; auch sie wird überdies nicht erzwungen. Ein eventueller geistiger Zwang in Form der Gedankenanregung fällt allenfalls unter den Schutzbereich der Glaubensfreiheit, nicht unter den Schutzbereich der Bekenntnisfreiheit. Der Schutzbereich der Bekenntnisfreiheit ist daher im Fall der Symbolkonfrontation nur in den Fällen eröffnet, in denen eine Regelung einen Widerspruch gegen das Symbol ermöglicht296 oder sonstige Grundrechte des Bürgers verkürzt werden.297 294  So kann etwa die Schilderung des Symbolbetrachters, er sehe durch die Konfrontation seine Willensfreiheit als verkürzt an, anzeigen, dass er die symbolisierte Idee nicht teilt. 295  Zu systematischen Argumenten gegen einen Schutz vor dem bloßen Kontakt mit der Religion durch die negative Bekenntnisfreiheit vgl. die oben unter I. 3.a)(2)(bb) gegen einen Emotionsschutz durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG angeführten Argumente. 296 Vgl. Muckel, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 96, Rn. 74. 297  Ein mit der Bekenntnisfreiheit in Zusammenhang stehender Schutz vor Einstellungsänderungen und Emotionen lässt sich überdies aus einem Verständnis der Bekenntnisfreiheit herleiten, dass Missionierungsmethoden, die auf massiven Gruppenzwang oder gar auf gehirnwäscheähnliche Beeinflussungen hinauslaufen, nicht als vom Schutz der Bekenntnisfreiheit umfasst sieht (Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 84). Einer staatlichen Schutzpflicht, die darauf abzielt, solche Aktivitäten zu verhindern – und damit den Schutz der Glaubensfreiheit bezweckt – steht deshalb die Bekenntnisfreiheit der missionierenden Personen nicht entgegen. Damit wird ein Schutz vor Einstellungsänderungen und Emotionen ermöglicht. Ein solches Verständnis gibt auch Hinweise auf die Bedeutung der Glaubensfreiheit

148 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen 2.  Schutz durch die negative Religionsausübungsfreiheit Möglicherweise ergibt sich ein Schutz vor der Symbolkonfrontation aus der negativen Religionsausübungsfreiheit, die Art. 4 Abs. 2 bzw. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 4 WRV entnommen werden kann.

a)  Inhalte der negativen Religionsausübungsfreiheit und Bezug zur Symbolkonfrontation Die positive Religionsausübungsfreiheit ist jedenfalls in Art. 4 Abs. 2 GG verankert. Sie umfasst nicht nur Verhaltensweisen, die in einem kultischen Zusammenhang mit der jeweiligen Religion stehen298, sondern sämtliche Handlungen, die von einer religiösen Überzeugung motiviert werden299. Ob eine Handlung religiös motiviert ist, sodass der Schutzbereich der Religionsausübungsfreiheit berührt ist, richtet sich insbesondere nach dem Selbstverständnis des Grundrechtsträgers300. Die negative Religionsausübungsfreiheit kann sowohl in Art. 4 Abs. 2 GG als auch in Art. 140 GG i. V. m. 136 Abs. 4 WRV verankert gesehen werden. Auf den ersten Blick scheint die Vorschrift des Art. 136 Abs. 4 WRV inhaltlich enger zu sein301. Sie begrenzt das Recht zur Verweigerung der Teilnahme auf bestimmte religiöse Veranstaltungen. Das könnte es nahelegen, auf Art. 4 Abs. 2 GG als schutzintensivere Norm abzustellen302. Der Grundsatz der Spezialität spricht hingegen dafür, die negative Seite der Religionsausübungsfreiheit in Art. 136 Abs. 4 WRV verankert zu sehen303. Unabhängig von der Frage, welche der beiden Normen die negative Religionsfreiheit tatsächlich statuiert, liegen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die negative Seite der Religionsausübungsfreiheit weiter zu verstehen sein müsste als die positive Seite der Religionsausübungsfreiheit. Der Gedanke, dass Freiheitsrechte ihren Charakter als solche verlieren würden, wenn das Recht zum Tätigwerden besser geschützt wäre als das Recht zum Nichttätigwerden, zwischen einzelnen Bürgern: Wenngleich das Grundgesetz eine gewisse Fremdbestimmung des Glaubens als zulässig ansieht, scheint die Grenze jedenfalls bei Einflüssen erreicht zu sein, die den freien Willen des Menschen eindeutig ausschalten. 298  Vgl. dazu Mager, in: v. München/Kunig, GG, Art. 4, Rn. 40. 299  Muckel, Religiöse Freiheit, S. 152 m. Fn. 192, ders., in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 32; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 85 ff.; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 58; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 37. 300  Vgl. nur Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 32 m. N. v. a. zur Rspr. des BVerfG. Zur Plausibilitätsprüfung, der das Selbstverständnis zu unterziehen ist, vgl. Muckel, ebd., m. Fn. 208 und 209. 301  Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 120. 302  Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 120. 303 Vgl. Muckel, Religiöse Freiheit, S. 153, vgl. auch S. 147. Dafür spricht auch die Aussage des BVerfG, dass es sich bei den Normen der WRV um vollgültiges Verfassungsrecht handelt, nicht etwa um Normen minderen Ranges, BVerfGE 19, 206 (219).

V.  Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation  149



muss auch in der umgekehrten Richtung gelten: So wie ein die negative Komponente leugnendes Grundrechtsverständnis die Grundrechte zu Lenkungsvorschriften in Richtung auf blinde Aktivität umdeuten würde, würde ein die negative Seite privilegierendes Verständnis den Bürger in Richtung Untätigkeit lenken. In der Konsequenz ist die negative Komponente genauso weit zu verstehen wie die positive Komponente und auch den gleichen Schranken zu unterstellen.304 Wird die negative Religionsausübungsfreiheit so verstanden, dass sie den Bürger davor schützt, Religionsausübung im positiven Sinne nicht vornehmen zu müssen, könnte sie auch einen Schutz des Bürgers davor beinhalten, religiöse Symbole zur Kenntnis nehmen zu müssen. Das gilt vor allem, wenn die negative Religionsausübungsfreiheit als Kehrseite einer weit auszulegenden positiven Religionsausübungsfreiheit angesehen wird. Zu einer weit auszulegenden positiven Religionsfreiheit kann nicht nur die Freiheit gezählt werden, kultische Handlungen vorzunehmen, sondern auch die Freiheit, äußerlich neutrale Handlungen vorzunehmen, soweit sie nach dem Selbstverständnis des Grundrechtsträgers religiös motiviert sind305. Darüber hinaus kann die Freiheit auch auf Handlungen erstreckt werden, die die eigene Religion nicht als verpflichtend vorschreibt, sondern lediglich empfiehlt306. Wird der positiven Religionsausübungsfreiheit also gleichsam ein Recht des Gläubigen entnommen, sein gesamtes Leben seinen religiösen Vorstellungen gemäß auszugestalten, könnte die negative Religionsausübungsfreiheit entsprechend das Recht beinhalten, nicht mit religiöse Ereignissen bzw. mit Symbolen fremder Religionen in Kontakt zu geraten, soweit das den eigenen Vorstellungen von einem optimalen religiösen Leben nicht entspricht307. Letzteres ist durchaus denkbar, da sich Religionen regelmäßig gegenseitig ausschließen. Gläubige könnten es daher als ihrer Religion dienendes Verhalten verstehen, wenn sie sich von fremden Religionen fernhielten.

aa)  Schutz vor Zwang zu religiösen Handlungen durch die negative Religionsausübungsfreiheit Wird die negative Religionsausübungsfreiheit inhaltlich als Spiegelbild der positiven Religionsausübungsfreiheit verstanden, bietet sie schon auf den ersten Blick zumindest in gewissem Rahmen einen Schutz vor religiösen Symbolen. Das Recht, ein religiöses Symbol zu verwenden, fällt ohne weiteres unter den Schutzbereich der positiven Religionsausübungsfreiheit. Entsprechend dürfte 304 

Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 121. Vgl. dazu BVerfGE 24, 236 (246 ff.); vgl. auch Muckel, Religiöse Freiheit, S. 152 f.; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 92. 306  So ausdrücklich Hillgruber, JZ 1999, 538 (541). 307 Vgl. Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 4, Rn. 6. 305 

150 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen die negative Religionsausübungsfreiheit das Recht umfassen, religiöse Symbole nicht verwenden zu müssen. Fraglich ist allerdings, was hinsichtlich des bloßen Anblicks eines religiösen Symbols, also für die (unausweichliche) Konfrontation mit religiösen Symbolen, gilt. Soll die Reichweite der negativen Religionsausübungsfreiheit bestimmt werden, ist auf die Qualität der in Rede stehenden Handlung bzw. des Unterlassens abzustellen. Die Religionsausübungsfreiheit schützt den Bürger in positiver Hinsicht in der Ausübung seiner Religion und in der Konsequenz in ihrer negativen Ausprägung darin, Religionsausübung zu unterlassen. Das folgt eindeutig aus Art. 136 Abs. 4 WRV, lässt sich aber auch Art. 4 Abs. 2 GG entnehmen. Die Kehrseite der Religionsausübung stellt das Unterlassen der Religionsausübung dar, also das Unterlassen religiöser Aktivität. Im Rahmen der negativen Religionsausübungsfreiheit ist danach stets zu fragen, ob sich das Verhalten oder die Tätigkeit des Bürgers, zu der der Bürger gezwungen wird, als Religionsausübung darstellt. Das folgt auch aus dem Zweck der negativen Religionsausübungsfreiheit. Hinsichtlich der Frage, aus welchem Grund das Grundgesetz die negative Religionsausübungsfreiheit statuiert, ist daran zu erinnern, dass religiöse Einstellungen für den Menschen in besonderer Weise verbindlich sind und seine personale Identität und Individualität unmittelbar berühren308. Die negative Religionsausübungsfreiheit will den Bürger vor einem inneren Konflikt beschützen, der identitätsprägende innere Merkmale betrifft. Wird der Bürger gezwungen, an einer religiösen Veranstaltung teilzunehmen, kann das erhebliche innere Spannungen in ihm hervorrufen. Das gilt vor allem, wenn er sich einer anderen religiösen Instanz verpflichtet fühlt. Religionen schließen sich, wie erwähnt, häufig gegenseitig aus. Nach außen symbolisiert die Teilnahme an einer religiösen Veranstaltung regelmäßig die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Religion. Der gezwungene Gläubige steht also unter dem Druck der Verpflichtung, ein Verhalten zu zeigen bzw. nach außen in einer Weise aufzutreten, die eine Abkehr von der eigenen Religion bzw. eine Zuwendung zu einer neuen Religion impliziert. Er sieht sich damit schlimmstenfalls gezwungen, seine religiöse Identität nach außen zu verleugnen. Bei der negativen Religionsausübungsfreiheit handelt es sich somit um ein Instrument zur religiösen Persönlichkeitsentfaltung, das die religiöse Handlung bzw. das Unterlassen einer religiösen Handlung als entscheidendes Mittel zur Persönlichkeitsentfaltung ansieht. Daraus ergibt sich aber auch, dass die negative Religionsausübungsfreiheit den Bürger vor Zwang zu religiöser Aktivität, also zu religiösem Handeln, bewahren will, nicht jedoch vor jedweder missliebigen Empfindung im religiösen Bereich309. Die Religionsausübungs308  Fleischer, Der Religionsbegriff der Grundgesetzes, S. 141 ff.; Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 12. 309 Vgl. Heckmann, JZ 1996, 880 (886); Zacharias, in: Muckel (Hrsg.), FS Rüfner, S. 987 (1005).



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freiheit schützt nicht vor allem Zwang in religiösen Dingen, sondern nur vor Zwang zu religiösen Dingen310. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der positiven Seite der Religionsausübungsfreiheit. Zwar eröffnet die Religionsausübungsfreiheit dem Bürger dadurch ein breites Handlungsspektrum, dass sie auch nicht-kultische, aber religiös motivierte Handlungen schützt. Das bedeutet aber zunächst einmal lediglich, dass es dem Staat verwehrt ist, den Bürger daran zu hindern, religiöse Handlungen vorzunehmen311. Darüber hinaus kann die Religionsausübungsfreiheit staatliche Schutzpflichten begründen, die den Staat verpflichtet können, in den Fällen schützend einzugreifen, in denen religiöse Handlungen des Bürgers von anderen Bürgern behindert oder unterbunden werden. Aus der Religionsausübungsfreiheit kann sich auch – im Sinne eines leistungsrechtlichen Gehalts – eine staatliche Pflicht ergeben, dem Einzelnen einen Betätigungsraum zu sichern, in dem sich seine Persönlichkeit im religiös-weltanschaulichen Bereich entfalten kann.312 Das gilt, wie der Blick auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV verdeutlicht, jedenfalls in den Fällen staatlich geschaffener Erschwerung der Grundrechtswahrnehmung, wie sie beispielsweise anstaltsunterworfene Bürger erleiden. Eine von ihm geschaffene Erschwerung soll der Staat ausgleichen.313 Ein entsprechender Ausgleichsanspruch zielt allerdings lediglich auf die Kompensation der erlittenen Nachteile. Darüber hinaus begründet die Religionsfreiheit keinen Anspruch auf bestimmte staatliche (Unterstützungs-)Handlungen314. Es kann kein Anliegen der Religionsausübungsfreiheit – auch nicht einer weit verstandenen Religionsausübungsfreiheit sein – dem Bürger einen Anspruch gegen den Staat darauf zu vermitteln, sämtliche äußere Umstände so zu gestalten, dass religiöse Handlungen bestmöglich ausgeführt werden können. Eine so verstandene Religionsausübungsfreiheit hätte zur Folge, dass der Staat letztlich doch für das emotionale Wohlbefinden des Bürgers im religiösen Bereich zu sorgen hätte. Es sind nämlich regelmäßig Emotionen, die handlungssteuernd wirken315. Der Schutz des emotionalen Wohlbefindens ist in einer religiös-weltanschaulich pluralen Gesellschaft schon aufgrund der unterschiedlichsten Interessen verschiedener Bürger, die allesamt Ausflüsse eines Grundrechtsgebrauchs sein können, nicht zu bewerkstelligen316. 310  Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 140  GG i. V. m. Art. 136 Abs. 4 WRV, Rn. 110. 311  Vgl. BVerfGE 93, 1 (16). 312  BVerfGE 93, 1 (16). 313  Vgl. zu Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 197; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 140 GG i. V. m. 141 WRV, Rn. 1. 314  Vgl. auch etwa Link, NJW 1995, 3353 (3356): „Sicherlich gibt Art. 4 GG keinen grundrechtlichen Anspruch auf das Kreuz im Klassenzimmer.“ 315  Mees, in: Schützeichel (Hrsg.), Emotionen und Sozialtheorie, S. 112. 316  Zur religiös-pluralen Gesellschaft vgl. Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (343).

152 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen bb)  Regelmäßig kein Zwang zu religiösen Handlungen durch die Konfrontationssituation Einen Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen entfaltet die negative Religionsausübungsfreiheit mithin nur, soweit sich die Konfrontation als Zwang zu einer religiösen Handlung darstellt. Eine aufgrund der Konfrontation entstehende Missliebigkeit ist lediglich indirekt vom Schutz der negativen Religionsausübungsfreiheit umfasst, soweit sie als Folge eines Handlungszwangs auftritt. Ein Handlungszwang durch die Symbolkonfrontation ist zunächst nur in dem Fall denkbar, in denen verbindliche Vorschriften einer bestimmten Religion es den Angehörigen der Religion verbieten, mit einer fremden Religion und mit deren Symbolen in Berührung zu geraten. Eine solche Überzeugung ist bislang allerdings nicht bekannt317. Darüber hinaus scheint in der Konfrontationssituation ein Handlungszwang praktisch ausgeschlossen. Zwar können Symbole in religiöse Handlungen eingebunden werden. Das Erkennen des Symbols und dessen Anblick stellen sich allerdings nicht selbst als Religionsausübung dar. Sie sind der Religionsausübung vielmehr vorgelagert und bilden allenfalls einen von mehreren Faktoren, die zusammengenommen das Ereignis als Religionsausübung erscheinen lassen. Stellt der Anblick allein noch keine Religionsausübung dar, kann auch der Zwang, das Symbol anzublicken, keinen Zwang zur Religionsausübung darstellen.

(1)  Trennung von dem bloßem Anblick und der Verwendung des Symbols Eine religiöse Handlung liegt nur dann vor, wenn das Symbol tatsächlich verwendet wird. Das ist etwa der Fall, wenn es als Bezugsobjekt religiöser Meditation genutzt wird. Das Symbol zwingt seinen Betrachter jedoch nicht dazu, vor ihm zu meditieren, es anzubeten oder es in sonstige Handlungen einzubinden. Selbst wenn das Symbol als Appell verstanden wird, religiöse Handlungen vorzunehmen, verbleibt dem Betrachter die Freiheit, dem Appell zu folgen318. Die Konfrontationssituation sanktioniert eine etwaige Nichtbefolgung des vermeintlichen Appells nicht. Selbst die unausweichliche Konfrontation mit einem religiösen Symbol ist daher unter dem Blickwinkel der Religionsausübungsfreiheit nicht relevant. Einwenden ließe sich dagegen jedoch, der Anblick des Symbols sei von dessen Verwendung in bestimmten Fällen schwer zu trennen. Vorstellbar ist das etwa bei einer Meditation, in die das Symbol eingebunden wird. In diesen Fällen ist nach außen nicht zwangsläufig ein Unterschied zu erkennen zwischen 317  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 141; Jestaedt, ZRP 1995, 237 (252). 318  Vgl. schon Kapitel C, dort III.1.; vgl. auch BVerfGE 93, 1 (20).



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demjenigen, der das Symbol nur anblickt und demjenigen, der es als Gebetsoder Meditationsstützpunkt nutzt. Nach außen könnte durch die Symbolkonfrontation folglich der Eindruck entstehen, der Bürger übe eine bestimmte Religion aus. Hieran könnte die negative Religionsausübungsfreiheit anknüpfen. Selbst Art. 136 Abs. 4 WRV – dessen Schutzbereich dem Wortlaut nach enger zu sein scheint als der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG – wird schon dann für tatbestandlich einschlägig gehalten, wenn der Zwang lediglich auf die äußere Teilnahme gerichtet ist319. Dafür reicht es aus, dass der Bürger gezwungen wird, der Veranstaltung beizuwohnen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er gezwungen wird, sich aktiv an ihr zu beteiligen. Insgesamt zeigt sich aber auch vor diesem Hintergrund ein qualitativer Unterschied zwischen dem erzwungenen Anblick des Symbols und dem Zwang, religiöse Handlungen vorzunehmen bzw. hieran äußerlich teilzunehmen. Auch wenn das Symbol als Appell interpretiert wird, mangelt es in der Konfrontationssituation an religiöser Aktivität. Wird ein Mensch dazu gezwungen, an einer religiösen Feierlichkeit oder Spendensammlung teilzunehmen oder dieser auch nur beizuwohnen, wird er in einen Rahmen religiöser Tätigkeit und Aktivität eingebunden. Seine eigene Passivität kann dadurch ersetzt werden, dass andere Menschen religiöse Aktivitäten entfalten, also nach außen einen sichtbaren Rahmen religiöser Tätigkeit konstituieren. Die bloße Möglichkeit, dass der Anblick des Symbols in manchen Fällen nicht von einer religiösen Meditation o.ä. nicht zu unterscheiden ist, begründet einen solchen Rahmen allerdings nicht. So wird nach außen regelmäßig durchaus ein Unterschied auszumachen sein zwischen der Verwendung des Symbols und dem bloß unausweichlichen Anblick des Symbols. Bei einem Menschen, der etwa vor dem Symbol meditiert, werden zumindest bestimmte äußerliche Anzeichen auf die Meditation hinweisen. Sichtbar werden dürfte etwa die Konzentration und eine körperliche Hinwendung zum Symbol. Daran fehlt es bei demjenigen, der beispielsweise am Schulunterricht teilnimmt, und seine Aufmerksamkeit deshalb nicht bzw. nicht ausschließlich auf das Symbol richtet. Das gilt auch für die Fälle, in denen sich das Symbol zufällig in seinem Blickfeld befindet, zumal häufig schon eine geringe Verlagerung des Blickfelds es ermöglicht, dem Symbol visuell auszuweichen.

(2)  Religiöse Prägung sonstiger Handlungen durch die Symbolkonfrontation nur bei besonderer Präsenz des religiösen Symbols Von der Einbindung des Bürgers in einen Rahmen religiöser Aktivität könnte in der Konfrontationssituation allenfalls dann auszugehen sein, wenn das sich in 319  Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Art. 140  GG i. V. m. Art. 136 WRV, Rn. 21; ders, Religiöse Freiheit, S. 153.

154 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen einem Raum befindende Symbol sämtliche dort stattfindenden Ereignisse umfassend religiös prägen würde. An dieser Stelle lässt sich möglicherweise der vom Bundesverfassungsgericht im Kruzifixbeschluss aufgeworfene Gedanke des „Lernens unter dem Kreuz“320 heranziehen: Stellten sich alle Tätigkeiten in räumlicher Verbundenheit zu der Konfrontationssituation als Tätigkeiten „unter dem Symbol“ dar, das heißt als Tätigkeiten im Zeichen des Symbols, könnte die Konfrontationssituation einen Zwang zu religiösen Handlungen begründen. Die Teilnahme etwa am Schulunterricht wäre dann nicht mehr als in religiöser Hinsicht neutrale Tätigkeit zu verstehen, sondern vielmehr als religiöse Handlung, zu der der Schüler im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht321 sogar verpflichtet wäre. Auch für sonstige staatliche Einrichtungen, zu deren Besuch zumindest ein faktischer Zwang besteht, ließe sich dieser Gedanke entfalten. Die Annahme, ein in einem Raum angebrachtes religiöses Symbol verleihe sämtlichen in dem Raum stattfindenden Ereignissen einen religiösen Charakter, ist allerdings nur in bestimmten Konstellationen plausibel. Erforderlich ist, dass dem Symbol im Vergleich zu der sonstigen Raumausstattung eine besondere Präsenz zukommt. Eine solche Präsenz kann eine Verbindung zwischen der Symbolkonfrontation und sonstigen im nahen räumlichen Umfeld stattfindenden Handlungen herstellen. Ist eine besondere Präsenz zu verneinen, kommt eine Prägung anderer Handlungen durch das Symbol hingegen nicht in Betracht. Es besteht in diesem Fall keine greifbare Verbindung zwischen ihnen und dem Symbol, die es rechtfertigen würde, den Handlungen einen religiösen Charakter zuzusprechen. In der Folge ist kein Grund ersichtlich, warum gerade das religiöse Symbol andere Gegenstände und Ereignisse prägen sollte und nicht umgekehrt die anderen Gegenstände und Ereignisse das religiöse Symbol. Gerade wenn sämtliche übrigen Gegenstände und Ereignisse keinen religiösen Bezug aufweisen, erscheint es wahrscheinlicher, dass die Räumlichkeit wegen der dann weit überwiegenden Präsenz religiös-neutraler Einflüsse auch einen religiös-neutralen Charakter aufweist.322

(3)  Kein Zwang durch den Anblick eines menschlichen Symbolträgers Trägt ein Staatsbediensteter oder ein anderer Bürger ein Symbol, ist die Religionsausübungsfreiheit regelmäßig ebenfalls nur im Fall einer besonderen Präsenz des Symbols berührt. Aus der Religionsausübung einer fremden Person 320 

BVerfGE 93, 1 (18). Vgl. etwa § 43 SchulG NRW v. 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 2015 (GV. NRW. S. 499). 322  Etwas anderes dürfte nur gelten – vom dem Fall abgesehen, in dem dem Symbol eine besondere Präsenz zukommt –, wenn das sich etwa im Klassenzimmer befindende Symbol zum Gegenstand religiöser Handlungen während des Unterrichts gemacht würde, wenn es also gezielt in religiöse Aktivitäten eingebunden würde. 321 



V.  Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation  155

resultiert im Übrigen kein Zwang, selbst religiöse Handlungen vorzunehmen bzw. sich an der fremden Religionsausübung zu beteiligen. Für einen Zwang wären zusätzliche Aktivitäten erforderlich, etwa in Form von Anordnungen oder Drohungen. Zu bezweifeln ist überdies schon, dass ein Mensch, der kein Symbol trägt, an dem Symboltragen eines anderen teilnehmen kann.

b)  Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs der negativen Religionsausübungsfreiheit durch die Symbolkonfrontation Insgesamt ist festzustellen, dass die negative Religionsausübungsfreiheit an sich keinen Schutz vor dem Kontakt mit einer fremden Religion bzw. vor deren Symbolen statuiert. Ihr Schutz entfaltet sich nur, soweit sich der Kontakt als Zwang zur Religionsausübung darstellt. Die Konfrontation mit einer fremden Religion impliziert einen solchen Zwang nicht automatisch. Ein Zwang zu religiösen Handlungen durch die Symbolkonfrontation ist unter bestimmten Umständen – nämlich im Fall einer besonderen Präsenz des Symbols – möglich, aber keinesfalls von vornherein anzunehmen. Es kommt hier darauf an, wie sich das vorhandene Symbol im (räumlichen) Gesamtkontext darstellt. Dieses Ergebnis passt auch zum systematischen Befund des Grundgesetzes. Art. 7 Abs. 2 und Art. 141 WRV deuten gerade daraufhin, dass die bloße Präsenz der Religion die Religionsfreiheit nicht berührt; eine Freiheitverkürzung vielmehr nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in Betracht kommt323. Die negative Religionsausübungsfreiheit fungiert also nicht als umfassendes Kultusverhinderungsrecht324. Die Frage, wie sich das vorhandene religiöse Symbol im Gesamtkontext darstellt, ist auf der Ebene des Eingriffs zu beantworten. Hier ist insbesondere zu untersuchen, unter welchen Umständen dem Symbol eine derartige besondere Präsenz zukommt, dass die Symbolkonfrontation den in ihrem Rahmen stattfindenden Handlungen einen religiösen Charakter verleiht. Da die Religionsausübungsfreiheit nach den obigen Erkenntnissen berührt sein kann, soweit sich der Kontakt als Zwang zur Religionsausübung darstellt, ist der Schutzbereich der negativen Religionsausübungsfreiheit eröffnet, wenn der Bürger mit religiösen Symbolen konfrontiert wird.325

323  Zu systematischen Überlegungen gegen einen Schutz vor dem bloßen Kontakt mit der Religion durch die negative Religionsausübungsfreiheit vgl. oben unter D. III.2.b)bb). 324 Vgl. Muckel, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 96, Rn. 67. 325  Insoweit kann sich aus der negativen Religionsausübungsfreiheit auch ein indirekter Schutz vor Emotionen und Einstellungsänderungen ergeben.

156 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen 3.  Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre Möglicherweise berührt die Symbolkonfrontation auch die persönliche Ehre des Einzelnen. Im Fall einer solchen Berührung könnte sich ein Schutz vor der Symbolkonfrontation aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergeben, das auch das Recht auf Achtung und Schutz der persönlichen Ehre umfasst326.

a)  Schutz vor Herabsetzung als Element des Ehrenschutzes Um feststellen zu können, ob die Symbolkonfrontation eine Ehrbeeinträchtigung darstellt, ist zunächst zu untersuchen, wie „Ehre“ inhaltlich zu definieren ist. Hervorzuheben sind hier zwei Begriffe, um die sich der Ehrbegriff inhaltlich rankt: Der soziale Geltungsanspruch und die personale Identität327. Der soziale Geltungsanspruch umfasst die soziale Identität des Einzelnen328. Soziale Identität meint das Persönlichkeitsbild, dass der Einzelne durch soziale Interaktion von sich hervorgebracht hat, also sein herausgebildetes Persönlichkeitsprofil329. Der soziale Geltungsanspruch vermittelt einen Schutz gegen unwahre Behauptungen330 – die nicht zwingend herabsetzend sein müssen331 – sowie gegen die Kundgabe privater, nicht für die Öffentlichkeit bestimmter Tatsachen332. Der Schutz der personalen Identität umfasst den Anspruch des Grundrechtsträgers auf Achtung als Person, als Mensch. Dieser Anspruch resultiert aus dem Menschenwürdegehalt des Ehrschutzes und stellt damit den elementaren Kern des Ehrschutzes dar.333 Er schützt den Menschen jedenfalls vor Einflüssen, die die ihm zukommende Menschenwürde bestreiten334. Die Integrität der personalen Identität verlangt aber auch den Schutz des Einzelnen gegen herabsetzende Äußerungen und Verhaltensweisen335. Dem 326  BVerfGE 54, 148 (154); Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 74; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1, Rn. 76; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2, Rn. 35; Tettinger, JuS 1997, 769 (770); vgl. auch Kube, in: AöR 125 (2000), S. 341 (348 f.). 327  Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 74; vgl. auch Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 148, Rn. 61 f. 328  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 173 m. w. N. 329  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 175; vgl. auch Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 7, § 148, Rn. 135 ff. 330  Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 74; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Rn. 170. 331  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 173 m. w. N. 332  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 173. 333  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 174; vgl. auch Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 148, Rn. 61 f. 334 Vgl. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 174 f. mit Beispielen. 335  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 176 m. w. N.; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 74; vgl. auch Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts,



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Einzelnen soll ein Platz im sozialen Miteinander gesichert werden, er soll als gleichberechtigter Partner im Kommunikationsprozess anerkannt werden, um sich im Rahmen der sozialen Beziehungen personal entfalten zu können.336 Teilweise wird nur die personale Integrität dem Ehrbegriff zugeordnet337. Teilweise wird auch zwischen äußerer und innerer Ehre unterschieden, wobei der soziale Geltungsanspruch die äußere und die personale Integrität die innere Ehre betrifft338. Im Hinblick auf das Schutzniveau dürften sich zwischen beiden Ansätzen keine bedeutenden Unterschiede ergeben339. Wird nur die personale Integrität dem Ehrbegriff zugeordnet, wäre im Falle der Verkürzung bzw. Verletzung des sozialen Geltungsanspruchs aber nicht von einer Ehrverkürzung oder Ehrverletzung, sondern von einer Verkürzung oder Verletzung des sozialen Geltungsanspruchs zu sprechen.

b)  Die Konfrontation mit religiösen Symbolen als Herabsetzung des Symbolbetrachters Eine Verkürzung der äußeren Ehre bzw. des sozialen Geltungsanspruchs durch die Symbolkonfrontation scheidet hier allerdings aus: Symbole äußern keine unwahren Tatsachen, die sich auf das vom Einzelnen durch soziale Interaktion geschaffene Persönlichkeitsbild beziehen. Auch werden durch die Symbolkonfrontation nicht private Informationen nach außen getragen. Bleibt es danach bei der Frage, ob die Konfrontation mit religiösen Symbolen eine Herabsetzung, eine Schmähung340 des Einzelnen darstellen kann, so ist zunächst daran zu erinnern, dass der Symbolgehalt anhand eines subjektiven Maßstabs zu bestimmen ist. Wie ein Symbol inhaltlich zu verstehen ist, hängt von der Interpretation des jeweiligen Betrachters ab. Das subjektive Verständnis wird lediglich durch eine Plausibilitätskontrolle begrenzt. Es kommt hier folglich darauf an, ob und inwieweit es plausibel erscheint, die Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen im Einzelfall als herabsetzenden Akt zu werten.

aa)  Etwaige staatliche Bevorzugung einer Religion keine Herabsetzung Eine Ehrverkürzung lässt sich zunächst in Betracht ziehen, wenn in der dem Staat zurechenbaren Konfrontationssituation eine staatliche Bevorzugung einer Bd. VII, § 148, Rn. 63; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Rn. 169 ff. 336  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 177 m. w. N.; Otto, JR 1983, 1 (3). 337  Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 171 ff. 338  Vgl. die Nachw. bei Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 148, Rn. 62 m. Fn. 174. 339  Vgl. wiederum Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 148, Rn. 62 m. Fn. 174. 340  Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 148, Rn. 63.

158 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen Religion erblickt wird. Zumindest in den Fällen, in denen der Bürger in einer staatlichen Einrichtung lediglich mit einem bestimmten Symbol konfrontiert wird, das typischerweise einer speziellen Religion zugeordnet wird, könnte eine staatliche Bevorzugung, eine Parteiergreifung für die jeweilige Religion vorliegen. Das Gebot staatlicher Neutralität in religiösen Fragen dürfte in diesem Fall zweifelsohne berührt sein. Gleichzeitig könnte dieser Akt aber auch als Herabsetzung anderer – nicht bevorzugter – Religionen und unter Umständen auch der Angehörigen anderer Religionen gedeutet werden. Das gilt jedenfalls, wenn der Staat, wie im Fall der Symbolkonfrontation, den Angehörigen die Bevorzugung der anderen Religion direkt vor Augen führt und ihnen gegebenenfalls sogar die Möglichkeit versagt, dem Anblick bzw. der Wahrnehmung der Bevorzugung auszuweichen. Allein die Tatsache, dass der Staat eine bestimmte Religion bevorzugt, stellt allerdings noch keine Herabsetzung anderer Religionen oder deren Angehöriger dar. Zwar ist das Verhältnis zwischen Staat und Bürger anders zu beurteilen als das Verhältnis der Bürger untereinander. Unter Bürgern muss schon allein im Hinblick auf die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1  GG verankerte Meinungsfreiheit gelten, dass ein Kommunikationspartner regelmäßig nicht allein dadurch herabgesetzt wird, dass er mit einer anderen Meinung konfrontiert wird, die der Kommunizierende als vorzugswürdig darstellt. Staatliche Stellen können sich als Grundrechtsverpflichtete allerdings nicht auf die Grundrechte berufen. Dennoch begründet nicht jede staatliche Maßnahme, die vom Bürger als benachteiligend empfunden wird, eine Herabsetzung. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Maßnahme die Symbolbetrachter als Angehörige einer anderen Religion herabwürdigt, verächtlich macht oder erniedrigt. Wird eine bestimmte Religion dadurch bevorzugt, dass ihr eine besondere Präsenz in einer staatlichen Einrichtung eingeräumt wird, weist das zwar daraufhin, dass der bevorzugende Staat sie als besonders positiv und im Vergleich zu anderen als vorzugswürdig bewertet. Dass andere nicht bevorzugte Religionen und ihre Angehörigen im Umkehrschluss so stark negativ bewertet werden, dass von einer Herabwürdigung oder Erniedrigung auszugehen wäre, lässt sich der Bevorzugung aber regelmäßig nicht entnehmen. Im Fall der Symbolkonfrontation müssten vielmehr weitere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die Symbolkonfrontation als Ereignis erschiene, das die nicht symbolisierte Religionen und deren Angehörigen als wertlos oder verachtenswert darstellte. Ansonsten stellt die bloße Bevorzugung allenfalls ein Neutralitäts- bzw. Paritätsproblem341 dar.

341 

Zur Parität vgl. v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 91 f.



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bb)  Herabsetzung durch den Symbolinhalt nur unter besonderen Voraussetzungen Eine Verkürzung der Ehre des Symbolbetrachters durch die Symbolkonfrontation könnte sich aber aus dem Symbolinhalt ergeben. Möglicherweise lassen sich religiösen Symbolen Aussagen entnehmen, die andere Religionen herabwürdigenden. Zwar lässt sich dagegen anführen, einem religiös interpretieren Symbol seien allein inhaltliche Informationen zu der jeweiligen Religion zu entnehmen. Auch wenn das Symbol etwa als Appell verstanden werde, treffe es nur Aussagen zu der symbolisierten Religion, nicht aber zu anderen Religionen, die es gerade nicht repräsentiere. Allerdings liegt der Gedanke, ein Symbol als herabsetzend zu verstehen, jedenfalls in der Situation nicht völlig fern, in der der Bürger ohne Ausweichmöglichkeit mit einem Symbol konfrontiert wird, das er als Zeichen für eine Religion erkennt, der er selbst nicht angehört und deren Inhalte und Lehren er nicht für gültig hält. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Symbolinhalt anhand eines subjektiven Maßstabs zu bestimmen ist. Religionen schließen regelmäßig andere Religionen neben sich aus und beanspruchen für sich alleinige Gültigkeit. Der Bürger sieht sich also möglicherweise nicht nur einem Symbol gegenüber, das andere religiöse Inhalte und Ideen transportiert, als er sie selbst vertritt, sondern wird unter Umständen zusätzlich daran erinnert, dass nach der dem Symbol zugrunde liegenden Idee nur die Inhalte der symbolisierten Religion als wahr und gültig zu betrachten seien, nicht jedoch seine eigene religiösen Ideen.

(1)  Keine Herabsetzung allein wegen des religiösen Inhalt eines Symbols Gleichwohl ist zu bezweifeln, dass die Behauptung, der Symbolinhalt werde als Herabsetzung erfunden, plausibel gemacht werden kann. Zwar ist gerade wegen des subjektiven Interpretationsmaßstabs nicht auszuschließen, dass einem religiösen Symbol durchaus auch ein Bezug zu anderen Religionen entnommen werden kann. Auch hier bleibt es aber dabei, dass der Bürger noch nicht dadurch herabgesetzt wird, dass er damit konfrontiert wird, dass von seiner eigenen Meinung abweichende Ansichten vertreten werden, die von ihren Vertretern als vorzugswürdig angesehen werden. Der Bürger wird dadurch lediglich nicht in die Position desjenigen gestellt, dessen Äußerungen gesteigerter Wert im Vergleich zu den Äußerungen anderer zukommt. In der Konsequenz müssen auch in diesem Fall zusätzliche Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Symbolkonfrontation eine Schmähung darstellt342. Allein die Tatsache, dass die Konfrontation mit einem religiösen Symbol stattfindet, vermag eine Verkür342 Vgl. Isensee, in: Isensee (Hrsg.), Religionsbeschimpfung, S. 122, sowie Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 182.

160 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen zung der Ehre nicht zu begründen. Einen Schutz vor Äußerungen oder Inhalten, die bloß als missliebig empfunden werden, liefert der Ehrschutz nicht.

(2)  Erforderlichkeit einer plausiblen Darstellung des herabwürdigenden Inhalts sowie einer konkreten Betroffenheit zur Feststellung der Herabsetzung Ein herabsetzender Charakter der Symbolkonfrontation ist im jeweiligen Einzelfall von dem betroffenen Bürger plausibel darzulegen. Dabei tritt das Spannungsverhältnis zwischen dem subjektiven Maßstab, nach dem die Inhalte eines Symbols bestimmt werden, und dem Ziel des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das die Ehre des Bürgers schützen will, nicht jedoch den Bürger darüber hinaus vor missliebigen Anblicken bewahren will, zutage: Die Plausibilitätskontrolle hat dafür zu sorgen, dass nicht unter dem Deckmantel des Ehrschutzes letztlich doch ein Instrument zum Schutz vor missliebigen Anblicken geschaffen wird. Der Bürger kann die Inhalte grundrechtlicher Schutzbereiche nicht selbst festlegen. Der Umfang des Grundrechtsschutzbereichs steht nicht zur Disposition der Grundrechtsträger, sondern ist verbindlich durch das staatliche Recht und die staatlichen Organe zu definieren.343 Wann eine Herabwürdigung anzunehmen ist, darf daher nicht allein davon abhängen, ob der Symbolbetrachter sich herabgewürdigt fühlt. Vielmehr hat dieser sein Empfinden dadurch zu untermauen, dass er zusätzliche Umstände darlegt, die in plausibler Weise aufzeigen, warum das religiöse Symbol hier als herabwürdigend interpretiert werden kann. Darüber hinaus hat er darzulegen, dass er selbst von herabsetzenden Inhalten konkret betroffen ist, sich gleichsam als deren Adressat darstellt.344

cc)  Fazit: Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre Nach allem ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre eröffnet, wenn der Bürger mit einem religiösen Symbol konfrontiert wird, da nicht auszuschließen ist, dass das Symbol von seinem Betrachter als herabsetzend interpretiert wird und ihn in der Folge in seiner persönliche Ehre beeinträchtigt. Der Nachweis einer Ehrbeeinträchtigung gelingt aber nur, soweit der Symbolbetracht einen herabsetzenden Inhalt und eine konkrete personale Betroffenheit darlegen kann. 343  Huster, Ethische Neutralität des Staates, S. 132 f.; vgl. auch Isensee, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 115: „Subjektivität allein konstituiert keinen Schutzbereich.“ 344  Vgl. die Diskussion zur Frage, ob der Einzelne durch blasphemische Äußerungen herabgesetzt wird. Hier wird die personale Betroffenheit des Einzelnen als Voraussetzung der Herabsetzung betont (Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 182 m. w. N., Isensee, in: Isensee [Hrsg.], Religionsbeschimpfung, S. 122, jeweils mit Beispielen).



V.  Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation  161

4.  Kein Schutz durch ein subjektives Recht auf staatliche Neutralität Möglicherweise resultiert ein Schutz vor der Symbolkonfrontation aus einem subjektiven Recht auf staatliche Neutralität. Die dem Staat zurechenbare Konfrontation mit religiösen Symbolen in öffentlichen Räumen stellt sich als neutralitätswidriger Akt, soweit sie als Identifikation des Staates mit der dem Symbol zugrunde liegenden Religion bzw. als Parteinahme des Staates für die jeweilige Religion zu verstehen ist345. Der Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates wird im Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt. Gleichwohl ist weitgehend anerkannt, dass er sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Verfassungsnormen ergibt.346 Zu nennen sind hier Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 33 Abs. 3 sowie Art. 140  GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1  GG347. Nicht geklärt ist allerdings, ob es sich beim Neutralitätsgrundsatz lediglich um ein heuristisches Prinzip handelt, das nur eine für die Norminterpretation regulative Idee beinhaltet348, oder ob ihm ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt, sodass er als eigenständiger Satz des Verfassungsrechts anzusehen wäre349. Eine diesbezügliche Entscheidung ist allerdings nur dann erforderlich, wenn sich die Unterscheidung auf die Frage auswirkt, ob ein subjektives Recht auf Neutralität besteht. Wird der Neutralitätsgrundsatz als heuristisches Prinzip verstanden, kommt es für die Anerkennung eines subjektiven Rechts auf die Normen an, die ihn tragen. Der Neutralitätsgrundsatz kann in diesem Fall inhaltlich nur so weit reichen, wie er sich aus den einzelnen Normen ergibt bzw. diesen zugrunde liegt350. Zu begutachten sind folglich die ihn tragenden Normen. Unklar ist, ob und gegebenenfalls inwieweit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in seinem objektiv-rechtlicher Gehalt den Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neu-

345 Vgl. Muckel, in: Häberle/Hattler (Hrsg.), Islam – Säkularismus – Religionsrecht, S. 64, ders., KuR 1996, 77; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. III; Art. 140 GG/137 WRV, Rn. 20; vgl. auch Ipsen, in: Ziemske/Langheid/Wilms/Haverkate (Hrsg.), FS Kriele, S. 301 (318); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 140 GG, Rn. 132. 346  Muckel, in: Häberle/Hattler (Hrsg.), Islam – Säkularismus – Religionsrecht, S. 64. 347  BVerfGE 19, 206 (216); BVerfGE 93, 1 (16 f.); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. III, Art. 140, Rn. 36; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 22; vgl. auch Muckel, Religiöse Freiheit, S. 72 f.; ders. in Häberle/Hattler, Islam – Säkularismus – Religionsrecht, S. 64; vgl. auch Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 118, dessen Ausführungen zu folge der Grundsatz nicht schon aus Art. 4 GG folgt. 348  Heinig, JZ 2009, 1136 (1140); Palm, Berechtigung und Aktualität des BöckenfördeDiktums, S. 42; vgl. auch Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 196; Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 196 f, 230; vgl. auch Holzke, NVwZ 2002, 903 (911); Palm, Berechtigung und Aktualität des Böckenförde-Diktums, S. 42. 349 So Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. III, Art. 140, Rn. 33. 350 Vgl. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 (1348).

162 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen tralität umfasst351. Doch selbst wenn Art. 4 Abs. 1 und 2 GG den Grundsatz insgesamt bzw. jedenfalls in seinem Kern – den das Gebot der Nichtidentifikation bildet352 – enthalten sollte353, ergibt sich daraus nicht notwendig ein Korrelat auf der subjektiven Seite des Grundrechts, d. h. im Hinblick auf dessen abwehrrechtliche Dimension. Erst ein solches Korrelat ermöglichte es dem Bürger, unter Berufung auf eigene Rechte gegen eine staatliche Identifikation mit einem bestimmten Bekenntnis354 vorzugehen, wie sie etwa in der staatlich angeordneten Anbringung eines religiösen Symbols liegen kann. In subjektiver Hinsicht beinhaltet Art. 4 Abs. 1 und 2  GG allerdings kein dem Gebot der Nichtidentifikation entsprechendes Korrelat. Das ergibt sich bereits aus seinem Normtext. Die Vorschrift schützt die Glaubens-, die Bekenntnis- und die Religionsausübungsfreiheit. Wie sich im hiesigen Kapitel gezeigt hat, werden diese Freiheiten werden durch einen Verstoß gegen das Gebot der Nichtidentifikation von Seiten des Staates nicht in jedem Fall berührt. Auch wenn sich der Staat in unzulässiger Weise mit einer bestimmten Religion identifiziert, schränkt er damit nicht zwangsläufig die Glaubensfreiheit in Form der Willensfreiheit im engeren Sinne sowie der Auswahlfreiheit ein. Ebenso wenig ergibt sich aus einer unzulässigen Identifikation ohne weiteres ein Bekenntnis- bzw. Handlungszwang. Freilich ist nicht auszuschließen, dass bestimmte neutralitätswidrige Eingriffe gleichzeitig die Glaubens-, Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit berühren. So ist etwa denkbar, dass eine Identifikationshandlung von staatlicher Seite aus in einer Art und Weise erfolgt, die den Bürger einen inneren Druck verspüren lässt, sich zu einer bestimmten Religion zu bekennen bzw. sich von einer anderen abzuwenden, ähnlich wie im Fall eines ausdrücklichen Bekenntnisverbots. Zwingend ist das allerdings nicht. Aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG folgt mithin lediglich ein subjektives Recht des Einzelnen dahingehend, die Identifikation des Staates mit einer religiösen Position abzuwehren, wenn und soweit diese Identifikationshandlung gleichzeitig die Glaubens-, Bekenntnis- oder Religionsausübungsfreiheit berührt.355 351  Statt vieler vgl. nur BVerfGE 93, 1 (16): „Aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG folgt (…) der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen und Bekenntnissen.“; Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 4 GG, Rn. 46 m. w. N.; a. A.  Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 110. 352 Vgl. Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 140 GG, Rn. 31; ders., in: Häberle/Hattler (Hrsg.), Islam – Säkularismus – Religionsrecht, S. 64; Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 170. 353  So wohl Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4, Rn. 71; vgl. auch Holzke, NVwZ 2002, 903 (909). 354 So beschreibt Herzog den Gehalt des Gebots der Nichtidentifikation (Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4, Rn. 71). 355 Vgl. auch Heinig, JZ 2009, 1136 (1140): „Das gegenwärtig im Staatskirchenrecht dominante Neutralitätskonzept leidet unter einer gefährlichen Verselbstständigung des Neutralitätsparadigmas gegenüber den Einzelnormen, die ihn tragen. (…) Das ist Verfassungs-



V.  Grundrechtlicher Schutz vor sonstigen Wirkungen der Symbolkonfrontation  163

Möglicherweise folgt ein subjektives Recht auf staatliche Neutralität jedoch aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1  WRV. Die Vorschrift bezweckte bei ihrer Einführung im Jahr 1919 die Aufhebung vorhandener Restbestände des Staatskirchenwesens, soweit diese das 19. Jahrhundert überdauert hatten oder das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaft noch prägten, wie im Fall der evangelischen Kirche im Hinblick auf das landesherrliche Kirchenregiment356. Die Norm statuierte damit eine Trennung von Kirche und Staat357. Eine solche Trennung brachte einerseits dem Staat „Freiheit vor der Kirche“ und andererseits der Kirche „Freiheit vom Staat“. Auch unter der Geltung des Grundgesetzes dient das Verbot der Staatskirche der wechselseitigen Freiheit von Kirche und Staat.358 Die durch Art. 137 Abs. 1 WRV angeordnete Trennung von Staat und Kirche besteht nicht nur in organisatorischer Hinsicht, indem sie staatskirchliche institutionelle Verbindungen von Staat und Kirche untersagt359, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht360. Das bedeutet, dass sich der Staat nicht mit bestimmten Glaubensinhalten identifiziert.361 Von einem subjektiv öffentlichen Recht ist auszugehen, wenn ein Satz des objektiven Rechts vorliegt, der dazu bestimmt ist, auch Individualinteressen zu dienen362. Diese als Schutznormtheorie bezeichnete Definition findet nicht nur auf der Ebene des einfachen Rechts Anwendung – womit sie heute überwiegend in Verbindung gebracht wird – sondern auch auf der Ebene des Verfassungsrechts363. Nach der Schutznormtheorie lässt sich Art. 137 Abs. 1  WRV kein subjektives Recht des Bürgers insbesondere auf staatliche Nichtidentifikation mit einer bestimmten Religion entnehmen. Denn Art. 137 Abs. 1 WRV sichert, wie soeben erwähnt, die wechselseitige Freiheit von Staat und Kirche, darüber hinaus gegebenenfalls auch den religiösen Frieden in der Gesellschaft364, dient interpretation nach dem Motto: die Norm in ihrer textlichen Fassung bedeutet nichts, das ungeschriebenen Prinzip bedeutet alles.“; Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 (1348 f.). 356  Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV, Rn. 3; Muckel, in: Friauf/Höfling, BK-GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 127 WRV, Rn. 1. 357  Korioth, ebd., Muckel, ebd. 358  Muckel, in: Friauf/Höfling, BK-GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV, Rn. 1; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV, Rn. 8. 359  Aus früherer Zeit Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, S. 112; heute Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, Art. 140 GG/137WRV, Rn. 18; Heinig, JZ 2009, 1136 (1140). 360  Muckel, in: Friauf/Höfling, BK-GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV, Rn. 2; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV, Rn. 2. 361  Muckel, in: Friauf/Höfling, BK-GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV, Rn. 2; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV, Rn. 2; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, Art. 140 GG/Art. 137 WRV, Rn. 20. 362  Hildebrandt, Grundrecht auf Religionsunterricht, S. 36. 363  Hildebrandt, Grundrecht auf Religionsunterricht, S. 36 f. 364 Vgl. Magen, in: Häberle/Hattler (Hrsg.), Islam – Säkularismus – Religionsrecht, S. 105 unter Berücksichtigung der Rspr. des BVerfG im Hinblick auf das Gebot der Nichtidentifikation.

164 D.  Identifizierung relevanter Schutzbereiche anhand der tatsächlichen Wirkungen damit aber gerade keinen Individualinteressen und bezweckt mithin nicht den Schutz des Einzelnen. Wird der Neutralitätsgrundsatz als heuristisches Prinzip verstanden, lassen sich ihm damit insgesamt keine subjektiven Rechte entnehmen, mithilfe derer der Bürger ein neutrales Verhalten des Staates durchsetzen könnte. Fraglich ist, wie sich die Situation darstellt, wenn der Neutralitätsgrundsatz nicht als heuristisches Prinzip verstanden wird, sondern ihm ein eigener Regelungsgehalt zugesprochen wird. In diesem Fall ist immerhin denkbar, dass der Gehalt des Neutralitätsgrundsatzes inhaltlich über den Gehalt der ihn konstituierenden Normen in ihrer Zusammenschau hinausgeht365. Welcher inhaltliche Zugewinn hiermit genau einhergeht, ist allerdings unklar. Gleichwohl liegt es fern, davon auszugehen, dass aus einem so verstandenen Neutralitätsgrundsatz subjektive Rechte folgen, die den zugrunde liegenden Normen selbst nicht zu entnehmen sind. Das folgt daraus, dass das im Neutralitätsgrundsatz jedenfalls enthaltene Gebot der Nichtidentifikation, das dessen Kern bildet366, wie bereits erwähnt, nicht auf den Schutz von Individualinteressen zielt, sondern vielmehr auf die Interessen der Allgemeinheit und des Staates. Beim Neutralitätsgebot handelt es sich nach allem um eine lediglich objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, nicht um ein subjektives Recht367. Folglich kann der Bürger nicht unter Berufung auf das Neutralitätsprinzip keinen Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen verlangen.

VI. Zusammenfassung Nach allem lässt sich die Frage, ob grundrechtliche Schutzbereiche durch die Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen eröffnet werden, wie folgt beantworten: Die die Schutzbereiche der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1  GG und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sind jedenfalls als eröffnet zu bewerten, soweit die Symbolkonfrontation Emotionen auslöst, was praktisch immer der Fall sein wird. Auf der Ebene des Eingriffs ist allerdings zu beachten, dass die ausgelösten Emotionen nur dann eine relevante Grundrechtsverkürzung darstellen, wenn sie ein 365  Vgl. dazu Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 196, der ein solches Verständnis allerdings ablehnt. 366 Vgl. Muckel, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 140 GG, Rn. 31; ders., in: Häberle/Hattler (Hrsg.), Islam – Säkularismus – Religionsrecht, S. 64; Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 170. 367  Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. III, Art. 140 GG, Rn. 36; Isensee, ZRP 1996, 10 (11); Kästner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 140, Rn. 122; vgl. auch Böckenförde, in: ZevKR 20 (1975), S. 119 (120); a. A. BVerfGE 93, 1 (23 f.), dazu Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 119.



VI. Zusammenfassung

165

gewisses Mindestmaß an Intensität aufweisen, das sie beispielsweise mit einer körperlichen Beeinträchtigung vergleichbar erscheinen lässt. Darüber hinaus stellen sich die Schutzbereiche der Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1  GG, des elterlichen Rechts zur religiösen Erziehung der Kinder aus Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – in seiner Funktion als willensfreiheitsschützendes Recht – als eröffnet dar. Sie gewähren dem Bürger einen Schutz vor einstellungsändernden Einflüssen, die im Zusammenhang mit der Symbolkonfrontation in öffentlichen Räumen entstehen können. Bei der Frage, auf welches der Grundrechte im Einzelfall zurückzugreifen ist, sind Spezialitätsverhältnisse zu beachten. Auf der Eingriffsebene ist außerdem zu berücksichtigen, dass Eingriffe in sämtliche Grundrechte nur in Betracht kommen, wenn zu der Symbolkonfrontation weitere Faktoren hinzutreten  – insbesondere emotional positiv oder negativ besetzte Umweltreize und emotionale Beziehungen im Kontext der Konfrontation, gegebenenfalls besondere Persönlichkeitsmerkmale des Symbolbetrachters, sowie unter Umständen ein auffälliges Erscheinungsbild des Symbols. Hier gilt es zu prüfen, ob und inwieweit sich diese Faktoren im Einzelfall auf die Annahme eines Eingriffs auswirken. Sieht eine gesetzliche Regelung die Möglichkeit vor, gegen die Symbolkonfrontation in einer staatlichen Einrichtung Widerspruch zu erheben, ist der Schutzbereich der negativen Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1  GG bzw. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 WRV) eröffnet. Der Schutzbereich der negativen Religionsausübungsfreiheit ist hingegen unabhängig von einer solchen Widerspruchsmöglichkeit eröffnet, wenn der Bürger mit religiösen Symbolen konfrontiert wird. Ob von einem Eingriff in die negative Religionsausübungsfreiheit auszugehen ist, hängt allerdings davon ab, wie sich die Symbolkonfrontation in ihrem Gesamtkontext darstellt, insbesondere davon, ob dem Symbol in seinem räumlichen Umfeld eine besondere Präsenz zukommt. Ähnliches gilt für den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre aus Art. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG: Der Schutzbereich wird zwar durch die Konfrontation eröffnet. Ein Eingriff kommt allerdings nur in Betracht, soweit der Bürger darlegen kann, dass er von herabsetzenden Inhalten konkret betroffen ist, was auch von der Präsenz des jeweiligen Symbols abhängen kann. Eine Verletzung der Menschenwürde ist nur zu bejahen, wenn staatliche Stellen die Symbolkonfrontation gezielt als Mittel nutzen, um den Bürger zu erniedrigen. Ein subjektives Recht auf staatliche Neutralität lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen.

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche durch die tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation I. Ausgangssituation Nachdem geklärt ist, welche grundrechtlichen Schutzbereiche eröffnet sind, wenn der Bürger mit religiösen Symbolen in öffentlichen Räumen konfrontiert wird, ist nun zu untersuchen, ob die Symbolkonfrontation auch einen Eingriff in die genannten Schutzbereiche darstellt. Bei der Symbolkonfrontation zeigen sich zahlreiche Anknüpfungspunkte, die für die Frage des Eingriffs relevant sein können. Selbst wenn durch die Wirkungen der Konfrontationssituation grundrechtliche Freiheiten verkürzt werden  – worauf die Erkenntnisse des vorherigen Kapitels hindeuten  – stellt sich die Frage, ob und unter welchen Umständen die Wirkungen dem Staat zuzurechnen sind. Werden Symbole von Staatsbediensteten getragen, ist beispielsweise zweifelhaft, ob diese Handlung eine für den Grundrechtseingriff grundsätzlich erforderliche staatliche Maßnahme darstellt. Hiervon ist nur auszugehen, soweit Staatsbedienstete als Grundrechtsverpflichtete anzusehen sind, und zwar gerade auch in der konkreten Verhaltensmodalität des Tragens von Symbolen. Für die Zurechnung bedeutsam ist ebenso die Frage, wie die geistigen Prozesse zu bewerten sind, die auf Seiten des Symbolbetrachters ablaufen, wenn Emotionen entstehen oder innere Einstellungen sich verändern. Unter Umständen unterbrechen sie als vom Symbolbetrachter selbst verursachte Akte einen etwaigen Zurechnungszusammenhang zwischen der Verkürzung des grundrechtlichen Schutzguts und einem staatlichen Handeln. Vor allem bei Einstellungsänderungen kann sich die Situation insoweit verkomplizieren, als auch von Dritten verursachte Reize die Einstellungsänderung mitkonstituieren können. Schließlich stellt sich gerade bei grundrechtlichen Schutzgütern, die geistige Prozesse wie die Willensfreiheit betreffen, die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit es in einem konkreten Fall nach außen zu erkennen ist, dass das Schutzgut gerade beeinträchtigt wird. Ist von außen nicht zu erkennen, dass eine Verkürzung stattfindet, muss geklärt werden, wann und wo ein grundrechtlicher Schutz in der Praxis ansetzen kann und muss. Es dürfte jedenfalls unbefriedigend erscheinen, wenn grundrechtlicher Schutz stets erst dann gewährt werden könnte, wenn die Verkürzung des grundrechtlichen Schutzguts nachweisbar eingetreten ist. Das gilt etwa, wenn



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

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später nicht zweifelsfrei dargelegt werden kann, dass die Verkürzung tatsächlich durch den reklamierten Vorgang – etwa durch die Symbolkonfrontation – verursacht worden ist, und insbesondere in Fällen, in denen die die Verkürzung bzw. deren Folgen nicht oder nur schwer rückgängig zu machen sind.

II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation Im Rahmen der folgenden Untersuchung ist es zunächst erforderlich, den Eingriffsbegriff darzustellen. Der Begriff bildet die Basis für die Analyse der Symbolkonfrontation. Dem Grundrechtseingriff kommt die Schlüsselfunktion als Scharnier zwischen dem Freiheitsraum – das heißt dem Schutzbereich eines Grundrechts – und der staatlichen Rechtfertigungslast zu1. Im Eingriff bilden sich Verkürzungen grundrechtlicher Schutzbereiche ab, die staatlich zu rechtfertigen sind. Unterschieden wird allgemein zwischen Eingriffen, die die Voraussetzungen des sogenannten klassischen Eingriffsbegriffs erfüllen, und Eingriffen nach dem erweiterten oder auch modernen Eingriffsbegriff.2

1. Terminologie Zum besseren Verständnis der folgenden Abschnitte sollen zunächst einige Begrifflichkeiten geklärt werden. Das betrifft insbesondere die Begriffe der Freiheits- oder auch Grundrechtsverkürzung, die häufig anzutreffen sein werden. Diese Begriffe stehen im Zusammenhang mit dem Begriff der Berührung des Schutzbereichs. Während letzterer allerdings eine thematische Verbindung zwischen einer Handlung oder Maßnahme und einem grundrechtlichen Schutzbereich bezeichnet, also aussagt, dass die jeweilige Handlung oder Maßnahme sachlich dem Bereich zuzuordnen ist, auf den sich der Schutz des Grundrechts bezieht, geht der Begriff der Verkürzung darüber hinaus. Verkürzung meint, dass sich der Akt dergestalt auf ein Grundrecht auswirkt, dass er die grundrechtlich gesicherte Freiheit schmälert, beschränkt, oder verhindert3. Er beschreibt also eine Situation, in der die grundrechtliche Substanz vermindert wird4. 1  Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 14; Bethge, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 58, Rn. 9. 2  Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 19; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 259 ff.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Vorb., Rn. 123 ff.; Morlok/Michael, Grundrechte, § 17, Rn. 492 f.; Epping, Grundrechte, Rn. 392 ff.; vgl. auch Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 1, Rn. 78 ff. 3  Welcher Begriff sich eignet, hängt stark von der jeweiligen Freiheit ab. Handlungen dürften eher verhindert werden können, die Willensfreiheit wird im Falle ihrer Verkürzung hingegen um- bzw. übergangen. 4 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 39.

168

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

Aus dem Begriff der Freiheitsverkürzung lassen sich allerdings noch keine Rückschlüsse darauf ziehen, wer für den Akt und damit für die Freiheitsverkürzung verantwortlich zeichnet. Da bei allen Unklarheiten über die Voraussetzungen eines Grundrechtseingriffs jedenfalls feststehen dürfte, dass dieser eine staatliche Verantwortung für die Schmälerung der grundrechtlichen Substanz verlangt5, ist der Begriff der Verkürzung mithin als notwendige, aber nicht als hinreichende Bedingung eines Grundrechtseingriffs anzusehen. Er umfasst nicht nur die Schmälerungen grundrechtlicher Freiheiten, die vom Staat ausgehen, sondern auch solche, die von Privaten verursacht werden. In letzteren Fällen scheidet ein Grundrechtseingriff aus, soweit das freiheitsverkürzende Verhalten nicht (auch) dem Staat zugerechnet werden kann6. Kommt eine Zurechnung nicht in Betracht, kann der Staat allenfalls aus der Schutzpflichtendimension der Grundrechte heraus verpflichtet sein, Maßnahmen zu treffen, um gegenseitige Freiheitsverkürzungen der Bürger untereinander zu unterbinden. Verzichtet wird hier darauf, den Begriff der Beeinträchtigung anstelle des Begriffs der Freiheitsverkürzung zu verwenden, obwohl dieser teilweise zur Beschreibung des Zustands genutzt wird, der oben mit „Verkürzung“ umschrieben wurde7. Der Verzicht dient der Vermeidung von Missverständnissen, da die Bezeichnung „Beeinträchtigung“ auch zur Beschreibung des Eingriffs selbst bzw. einer Eingriffskategorie genutzt wird8.

2.  Kein Eingriff nach dem klassischen Eingriffsbegriff Nach überwiegender Auffassung stützt sich der klassische Eingriffsbegriff auf vier Kriterien: Finalität, Unmittelbarkeit, Rechtsförmlichkeit und Imperativität9. Die Verkürzung eines grundrechtlichen Schutzbereichs ist dementsprechend nur als klassischer Grundrechtseingriff einzuordnen, wenn sie auf einer Maßnahme basiert, die diese Kriterien aufweist. Von zentraler Bedeutung ist

5 Vgl. Bäumerich, DÖV 2015, 374 (376), der allerdings den Begriff der „Beeinträchtigung“ verwendet. 6  An eine solche Zurechnung ist etwa zu denken, wenn der Staat den Privaten zu dem freiheitsverkürzenden Verhalten verpflichtet hat. 7 Vgl. Bäumerich, DÖV 2015, 374 (376). 8  BVerfGE 105, 279 (300 f.): „Das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben“; vgl. dazu auch Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 261. 9  Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 259; Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 19, 22; Morlok/Michael, Grundrechte, § 17, Rn. 492; Epping, Grundrechte, Rn. 392; Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 89; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 1 Abs. 3, Rn. 265; dazu insgesamt Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 84 m. ausf. Nachw. in Fn. 33.



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

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dabei das Kriterium der Imperativität10. Imperative Wirkung weisen vor allem staatliche Befehle auf, die gegenüber dem Bürger erlassen werden. Befehle sind Ge‑ oder Verbote, die zu Handlungen oder Unterlassungen verpflichten, also einseitige verbindliche Verhaltensanordnungen.11 Da für den Bürger nur Rechtsakte verbindlich sind, können Befehle nur Rechtsakte sein. Es bedarf insofern an sich keines eigenständigen Kriteriums der Rechtsförmlichkeit mehr, sobald ein Befehl vorliegt, da der Befehlscharakter die Rechtsqualität bereits einschließt.12 Wird dem Bürger ein bestimmtes Verhalten durch Befehl auferlegt, so werden damit seine grundrechtlichen Freiheiten verkürzt. Aufgrund des Befehls kann er nicht mehr selbst darüber bestimmen, ob und in welcher Form er in der Situation, auf die sich der Befehl bezieht, handeln möchte. Mithin liegt  – unabhängig von der Frage der Verantwortlichkeit für diesen Zustand – eine Verkürzung seiner grundrechtlichen Freiheit – etwa aus Art. 2 Abs. 1 GG – vor. Die Freiheitsverkürzung zeigt sich insofern als Spiegelbild der Regelung im Bereich des Betroffenen. Zwischen ihr und der Regelung besteht eine „Identität“.13 Die Grundrechtseinwirkung ist bereits am Inhalt des Befehls abzulesen14. Auch der Finalität und der Unmittelbarkeit einer Regelung kommen neben der Imperativität keine selbstständige Bedeutung mehr zu15: Mit dem Befehl wird gerade die „regelungsidentische“ Freiheitsverkürzung bezweckt16. Zudem wirken Befehl und Zwang genau in dem Umfang unmittelbar ein, der durch die „Regelungsidentität“ bestimmt wird17. Dass die Symbolkonfrontation die Kriterien des klassischen Eingriffsbegriffs erfüllt, ist nach den bisherigen Ausführungen zweifelhaft: Findet die Konfrontation mit einem religiösen Symbol statt, das von einer Person, etwa einer Lehrkraft als Staatsbedienstete, getragen wird, fehlt es regelmäßig bereits an einem Rechtsakt. Rechtliche Vorgaben, nach denen Lehrer bestimmte religiöse Symbole tragen müssen, sind nicht erkennbar18. Das Tragen des Symbols statuiert auch keine rechtliche Regelung. 10  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 104; Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 23. 11  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 104; vgl. auch Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 9. 12  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 105 m. Fn. 139. 13  Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 12. 14  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 105. 15  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 124 m. w. N. 16  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 117. 17  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 124. 18  Vgl. dazu aber den – durch Gesetz vom 4. Juli 2015 (GV. NRW. S. 499) – aufgehobenen § 57 Abs. 4 SchulG NRW i. d. F. des Gesetzes v. 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), zuletzt

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

Wird die Anbringung von Symbolen in staatlichen Einrichtungen, etwa in Schulen, gesetzlich angeordnet19, liegt zwar ein Rechtsakt vor. In vielen Fällen lässt sich aber bezweifeln, dass der Rechtsakt einen an den Bürger gerichteten Befehl enthält, also den Symbolbetrachtern gegenüber imperativ wirkt. Das ergibt sich bereits daraus, dass die vermeintlich durch die Konfrontation betroffenen Grundrechte zumindest teilweise keine Handlungsrechte darstellen.20 Hierzu zählt etwa die Glaubensfreiheit. Befehle können jedoch nur auf die Verhaltensfreiheit einwirken. Abwehrrechtliche Schutzgehalte anderer Art werden durch Ge- oder Verbote regelmäßig selbst nicht bzw. nur mittelbar beeinträchtigt.21 Überdies stellt sich der Symbolbetrachter nicht als eigentlicher Adressat eines in der Symbolanordnung liegenden Befehls dar. Der aus der Symbolanordnung hervorgehende Befehl richtet sich zunächst an den Träger der Einrichtung, der diese Einrichtung räumlich ausstattet. Hingegen begründet er direkt keine symbolbezogenen Pflichten des sich in den Einrichtungen aufhaltenden Bürgers. Der Bürger wird nicht gesetzlich oder sonst rechtsförmlich verpflichtet, das Symbol zu betrachten oder sich mit ihm auseinander zu setzen22. Stattdessen ergeben sich die Wirkungen der Konfrontationssituation erst aus den Konsequenzen der Anbringung des Symbols: Sie resultieren daraus, dass der Befehl etwa durch die Schulbehörde als Befehlsadressaten tatsächlich befolgt wird – wodurch erst die Konfrontationssituation entsteht –, und aus den Assoziationen, die die Wahrnehmung des Symbols beim Symbolbetrachter hervorruft sowie aus dem Umfeld, in dem die Konfrontation stattfindet. Den Begriff des Befehlsadressaten auch auf solche Personen zu erstrecken, an die der Befehl nicht direkt gerichtet ist, überschritte jedoch den klaren Gehalt des Befehls. Der symbolbetrachtende Bürger stellt gerade kein passives Zuordnungssubjekt eines Befehls dar.23 Vielmehr wird der Bürger hier von Reflexwirkungen24 der Symbolanordnung betroffen25. Reflexwirkungen sind als Folge- und Nebenwirkungen eines geändert durch Gesetz vom 5. März 2015 (GV. NRW. S. 309), der das Tragen religiöser Symbole unter bestimmten Umständen untersagte. 19  Vgl. den aufgehoben § 13 Abs. 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern vom 21. Juni 1983 (dazu Fn. 2) bzw. nun Art. 7 Abs. 4 des Bayrischen Gesetzes über das Erziehungsund Unterrichtswesen (i. d. F. v. 31. Mai 2000, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juni 2015). 20  Etwas anderes würde etwa gelten, wenn das Tragen einer Schuluniform mit einem Symbol angeordnet würde. 21  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 108 f. 22  Sondern allenfalls faktisch, dazu sogleich E. II.2. 23  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 107; zur Adressierung als Kriterium des klassischen Grundrechtsgriffs ausführlich Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 214 ff. 24  Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 13. 25 Vgl. Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 116; vgl. aber auch Öst. VerfGH, BeckRS 2011, 81109 (LS in: NVwZ 2011, 1512): „Die angefochtene Bestimmung des



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

171

Befehls denkbar. Als Folgewirkungen kennzeichnen sie Verkürzungen, die den Befehlsadressaten zusätzlich zu den im Regelungsgegenstand liegenden Nachteilen treffen, als Nebenwirkungen die Verkürzungen der Rechte eines vom Befehlsadressaten zu unterscheidenden Dritten.26 Die Wirkungen des Symbols und der Konfrontationssituation sind insoweit als Nebenwirkungen des Anordnungsbefehls einzuordnen. Zwar kann auch im Fall solcher faktischer Zwangswirkungen das Kriterium der Imperativität erfüllt sein. So kann in bestimmten Konstellationen auch auf Nicht-Handlungsrechte imperativ eingewirkt werden. Das gilt jedenfalls in Fällen, in denen ein Rechtsakt, etwa in Form einer Erlaubnis, eine tatsächliche Zwangseinwirkung, gestattet.27 Der Anordnung, ein Symbol in öffentlichen Einrichtungen anzubringen, ist allerdings eine Erlaubnis, tatsächlichen Zwang anzuwenden – etwa in Form einer Glaubensbeeinflussung –, regelmäßig nicht zu entnehmen. Selbst die staatliche angeordnete Symbolkonfrontation stellt sich mithin gegenüber dem Bürger nicht als imperative Maßnahme dar. Der klassische Eingriffsbegriff kann insoweit für die Konfrontation mit religiösen Symbolen in öffentlichen Einrichtungen nicht fruchtbar gemacht werden. Das gilt unabhängig davon, ob das religiöse Symbol aufgrund einer staatlichen Anordnung angebracht worden ist oder ob es von Personen getragen wird.28

3.  Die Symbolkonfrontation im Kontext des erweiterten Eingriffsbegriffs Der klassische Eingriffsbegriff wurde im Zuge der Entwicklung vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat zunehmend als zu eng empfunden. Kernpunkt der Kritik war insbesondere die Begrenzung des klassischen Eingriffsbegriffs auf imperatives und – nach den obigen Erkenntnissen damit zwangsläufig auch – § 12 Abs. 2 NÖ Kindergartengesetz richtet sich auf Grund ihrer sprachlichen Fassung zwar lediglich an den Betreiber des Kindergartens („In allen Gruppenräumen [...] ist ein Kreuz anzubringen“). Sie ist jedoch ihrem Inhalt und Zweck nach von einer solchen Wirkung auf die Gestaltung des Aufenthalts der Kinder, welche den Kindergarten besuchen, dass damit nicht nur die tatsächliche Situation, sondern auch die  – durch das Grundrecht auf negative Religionsfreiheit geprägte – Rechtssphäre dieser Kinder sowie jene der Eltern, welchen die Erziehung dieser Kinder obliegt, berührt wird. Die Antragsteller sind daher jedenfalls dem Zweck und Inhalt dieser angefochtenen Bestimmung nach als Normadressaten anzusehen.“ 26  Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 13 f., wobei hier freilich zu berücksichtigen ist, dass es sich bei dem Befehlsadressaten – also demjenigen, der die öffentliche Einrichtung räumlich ausstattet – um eine staatliche Stelle handeln kann. Sofern diese kein Grundrechtsträger ist, greift der Befehl nicht direkt in Grundrechte ein. 27 Zum Ganzen: Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 115 f., 127. Bzgl. der tatsächlichen Einwirkung fehlt es allerdings auch hier an einem Rechtsakt, vgl. S. 127. 28 Vgl. auch v. Campenhausen/Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. III, Art. 140 GG i. V. m. 136 WRV, Rn. 48.

172

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

rechtsförmliches Staatshandeln. Es hatte sich gezeigt, dass auch nicht gezielte, tatsächliche und lediglich mittelbar verursachte29 Freiheitsverkürzungen den Bürger empfindlich treffen können.30 In der Folge lösten sich Rechtsprechung und Literatur vom klassischen Eingriffsbegriff und entwickelten einen erweiterten – auch als „modern“ bezeichneten31 – Eingriffsbegriff, der insbesondere faktische und mittelbare Grundrechtsverkürzungen erfassen soll32.

a)  Inhalte des erweiterten Eingriffsbegriffs Damit der erweiterte Eingriffsbegriff die ihm zugedachte Filterfunktion erfüllen kann, muss er inhaltlich umschrieben werden33. Es besteht allerdings keine Einigkeit darüber, welche Kriterien dem erweiterten Eingriffsbegriff zugrunde zu legen sind. Fest steht jedenfalls, dass die Verkürzung eines grundrechtlichen Schutzbereichs dem Staat zurechenbar sein muss, damit sie als Eingriff angesehen werden kann34. Unklar ist aber, unter welchen Umständen hiervon auszugehen ist. Zurechnungsprobleme stellen sich insbesondere, wenn das Handeln des Staats nicht für sich allein genommen, sondern erst im Zusammenspiel mit anderen Faktoren zu einer Grundrechtsverkürzung führt35. Darüber hinaus ist umstritten, in welchen Fällen eine für den Eingriff hinreichende Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten überhaupt anzunehmen ist36. Hier wird beispielsweise erwogen, gewisse Intensitätserfordernisse an die Freiheitsverkürzung zu stellen37. Generell hat sich die Wahl bestimmter Eingriffskriterien an dem Ziel des abwehrrechtlichen Schutzes zu orientieren: Die Abwehrrechte sind darauf

29  Mittelbare verursachte Freiheitsbeschränkungen können etwa solche Freiheitverkürzungen sein, die nicht direkt durch staatliche Handlungen, sondern durch Handlungen Dritter entstehen, wobei diese Dritten der staatlichen Handlung und dem Verlust grundrechtlicher Substanz zwischengeschaltet sind. 30  Zum Ganzen Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 30; Bethge, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 58, Rn. 16; vgl. auch Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 228. 31  Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 261. 32  Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 31 m. w. N. 33 Vgl. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 235. 34  Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 84. 35  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 152; Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 36; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 272. 36 Vgl. Bäumerich, DÖV 2015, 374 (377). 37  Ausführlich zu einer Bagatellgrenze Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 255 ff.; dazu noch sogleich unter II.3.a)ee)(1).



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

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ausgerichtet, die unterschiedlichen grundrechtlichen Freiheiten für den Bürger effektiv zu sichern und zu bewahren.38

aa)  Kausalität als Verknüpfung zwischen staatlichem Akt und der Freiheitsverkürzung In jedem Fall muss sich die staatliche Maßnahme  – ungeachtet eventueller weiterer Zurechnungskriterien – als kausal für die Verkürzung des grundrechtlichen Schutzguts darstellen39. Kausalität ist hier zum einen zu verstehen im Sinne der sogenannten Äquivalenztheorie, also im Sinne eines Bedingungszusammenhangs40. Die „conditio-sine-qua-non-Formel“ stellt sich allerdings als sehr weit da. Sie eröffnet nahezu grenzenlose Möglichkeiten, an irgendein vorausgegangenes Staatshandeln anzuknüpfen. Zum anderen lässt sich die adäquate Kausalität als Zurechnungskriterium heranziehen. Die adäquate Kausalität, die auf die Eliminierung solcher Schadensfolgen zielt, die außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen41, wirkt als zusätzliches Kriterium jedoch kaum einschränkend: Das Ziel der Abwehrrechte, grundrechtliche Freiheiten zu sichern und zu erhalten, fordert es, auch unvorhersehbare und ungewöhnliche Kausalzusammenhänge dem Staat zuzurechnen42. Das gilt jedenfalls, wenn der Staat allein für die Freiheitsverkürzung verantwortlich ist43. In diesem Fall ist ihm als Störer eher zuzumuten, die freiheitsbeschränkende Handlung zu unterlassen, als es dem Bürger zuzumuten wäre, die Freiheitsverkürzung hinzunehmen.44 Beide Kausalitätsarten zeigen sich mithin nur begrenzt taugliche Kriterien zur Eingrenzung. Vor diesem Hintergrund könnten deshalb weitere Zurechnungskriterien erforderlich sein45.

38 Vgl. Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 152, sowie Art. 1 Abs. 3 GG. 39  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 128 m. w. N.; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 21 f.; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 270 ff. 40  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 128. 41  Schiemann, in: Staudinger, BGB, Buch 2, § 249, Rn. 13. 42  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 182 f. 43  Zu den Fällen, in denen der Staat nicht allein verantwortlich ist, vgl. noch II.3.a)dd). 44  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 181 ff. 45  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 128 f.; vgl. auch Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 271.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

bb)  Unzulänglichkeit einzelner Merkmale der klassischen Eingriffsbegriffs als Zurechnungskriterien In Betracht kommt zunächst, Einzelmerkmale des klassischen Eingriffsbegriffs als Zurechnungskriterien heranzuziehen46, namentlich die Imperativität, die Finalität und die Unmittelbarkeit47. Von einer der imperativen Freiheitverkürzung zumindest ähnlichen Freiheitsverkürzung könnte im Falle der befehlsähnlichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme auszugehen sein. Befehlsähnlichkeit kommt etwa bei staatlichen Aufforderungen ohne Befehlscharakter in Betracht, die die Motivation des Bürgers durch sozialen Druck, vermeidbare nachteilige Sanktionen und erreichbare vorteilhafte Folgewirkungen lenken.48 In weit größerem Ausmaß als durch Befehl und Zwang steuert der Staat seine Bürger aber durch schlichte Informationen sowie dadurch, dass er gesellschaftliche Rahmenbedingungen beeinflusst. Eine Beschränkung auf imperative Freiheitsverkürzungen würde folglich weite Teile staatlicher Einflussmöglichkeiten von der Geltung der Grundrechte als Abwehrrechte ausnehmen.49 So liegt auch bei der Konfrontation mit religiösen Symbolen die Annahme einer befehlsähnlichen Wirkung fern: Der Anblick oder darüber hinaus die Auseinandersetzung mit dem Symbol werden direkt nicht positiv oder negativ sanktioniert. Mangels Effektivität eines Grundrechtsschutzes, der an die Imperativität freiheitsverkürzender Maßnahmen anknüpfte, ist auf die Imperativität als Kriterium des erweiterten Eingriffsbegriffs deshalb zu verzichten50. Die Effektivität des Grundrechtsschutzes spricht auch für einen Verzicht auf das Kriterium der Finalität51. Das Kriterium der Finalität bezieht sich auf die Ziele, die durch einen Staatsakt oder von einem Staatsorgan angestrebt werden, wobei die Finalität subjektiv aufgefasst werden kann – bezogen vor allem auf die Absichten des handelnden Organs – oder objektiv – mit Blick auf die schon aus dem Befehl erkennbare Freiheitsverkürzung.52 Die freiheitsverkürzende Wirkung einer Maßnahme hängt allerdings nicht zwangsläufig davon ab, ob 46  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 129 ff. 47  Die Rechtsförmlichkeit scheidet als Merkmal aus, da die Beschränkung auf rechtsförmliche Eingriffe gerade den Kernpunkt der Kritik am klassischen Eingriffsbegriff darstellte. 48 Vgl. Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 132 ff. 49  Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 185. 50  Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 185 f., der auch auf die in Art. 1 Abs. 3 GG verankerte Intention verweist; Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 138, 149, vgl. auch Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 3. 51 Vgl. Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrecht, Bd. IX, § 200, Rn. 93. 52  Gallwass, Faktische Beeinträchtigungen, S. 22 f.; Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 139 f.



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

175

sie absichtlich bewirkt wurde oder vorhersehbar war.53 Gegenüber der etwa in Art. 1 Abs. 3 GG deutlich werdenden überragenden Bedeutung der Grundrechte und – infolgedessen – deren Schutzes tritt zudem ein etwaiger Vorwurf an die grundrechtsbeeinträchtigende Staatsgewalt – wie er vor allem aus subjektiv finalem Verhalten resultieren könnte – zurück.54 Der Eingriffsbegriff dient nicht dazu, Unrecht zu bestimmen und den aus dem Unrecht entstehenden Schaden auszugleichen. Vielmehr soll er identifizieren, was anhand der Verfassung auf seine Grundrechtsmäßigkeit hin zu überprüfen ist.55 Der grundsätzliche Verzicht auf das Kriterium der Finalität bedeutet allerdings nicht, dass die Finalität in der grundrechtlichen Prüfung niemals bedeutsam sein könnte. Vielmehr sind durchaus Fälle denkbar, in denen im Rahmen der Eingriffsprüfung eine staatliche Maßnahme daraufhin zu untersuchen ist, ob sie sich als final darstellt56: So können einzelne Grundrechtsbestimmungen für Eingriffe eine spezifische Motivation verlangen57; beispielsweise setzen Art. 103 Abs. 2 und 3 GG sowie Art. 102 GG voraus, dass ein staatlicher Eingriff gerade mit der Intention erfolgt, den Bürger zu bestrafen58. Überdies kann dem Finalitätskriterium in den Fällen eine zurechenbarkeitsbegründende Wirkung zukommen, in denen sich der Kausalverlauf als so komplex darstellt, dass die Zurechnung einer feststehenden Freiheitsverkürzung zweifelhaft erscheint59. Das gilt etwa bei den sogenannten Kettenverursachungen, also in Fällen, in denen die öffentliche Gewalt ein Verhalten nicht-staatlicher Akteure verursacht, das wiederum zur Schmälerung grundrechtlicher Freiheit führt60. Hier kann das durch staatliche Stellen bewusst und gewollt herbeigeführte freiheitsverkürzende Handeln anderer61 die Zurechnung zum Staat begründen. Das entspricht den Vorbildern anderer Rechtsbereiche: Eine Verantwortung des Hintermanns für das von ihm gezielt veranlasste Verhalten wird im Strafrecht etwa bei der Anstiftung und der mittelbaren Täterschaft und im Polizeirecht für

53 

Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 194 f. Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 152. 55  Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 266 f., der auch darauf hinweist, dass der Ausgleich eines aus unrechtmäßigem staatlichen Handeln resultierenden Schadens über die staatshaftungsrechtlichen Regelungen zu erfolgen hat. 56  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 118; ähnl. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 196 57  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 142 f.; vgl. für die Unerheblichkeit subjektiver Motive eines militärischen Vorgesetzten im Rahmen des für Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV auch. BVerwGE 73, 247 (249 f.) 58  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 118, 142 f. 59  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 181. 60  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 186. 61  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 189. 54 

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

die Figur des Zweckveranlassers angenommen.62 Für die Frage, ob die Konfrontation mit religiösen Symbolen in öffentlichen Räumen einen Eingriff in Grundrechte darstellt, kann sich die Finalität danach als bedeutsam erweisen. Zumindest den Einstellungsänderungen als Verkürzungen der etwa von Art. 4 Abs. 1  GG geschützt Willensfreiheit liegen häufig Kausalverläufe zugrunde, deren Komplexität es erschwert, sie und ihre Folgen einer speziellen Instanz zuzuschreiben. Als unzulängliches Zurechnungskriterium stellt sich die Unmittelbarkeit dar63. Beim klassischen Eingriffsbegriff folgt die Zurechnung aus der engen Verbindung zwischen dem staatlichen Befehlsakt und der Freiheitsverkürzung, die sich aus der Regelungsidentität ergibt. Ein ähnlicher Zusammenhang kommt zwar bei der Verkürzung immaterieller Persönlichkeitsgüter wie der Ehre in Betracht, bei der Kränkungsakt und Kränkungserfolg kaum zu trennen sind. Bei sonstigen materiellen Schutzgegenständen, wie etwa bei der körperlichen Unversehrtheit, ist die Verknüpfung von Verletzungsakt und Erfolg allerdings zumeist davon abhängig, wie faktische Bedingungszusammenhänge unterschiedlichster Komplexität bewertet werden.64 Von Unmittelbarkeit kann in diesem Zusammenhang kaum gesprochen werden. Überdies lassen sich die Reflexwirkungen einer Regelung mit dem Unmittelbarkeitskriterium nicht erfassen. Das zeigt sich etwa bei staatlich angeordneten Symbolen: Die mit dem religiösen Symbol konfrontierten Bürger sind nicht Adressaten der Regelung, das Symbol anzubringen. Gleichwohl legen die Erkenntnisse des Kapitels D nahe, dass die Wirkungen der Konfrontationssituation grundrechtliche Freiheiten dieser Bürger einschränken können. Das Kriterium der Unmittelbarkeit dürfte insgesamt einen Großteil nicht-imperativer Maßnahmen aus dem Eingriffsbegriffs aussondern. Das trägt dem Ziel der Abwehrrechte, die grundrechtlichen Schutzgüter effektiv zu schützen, ebenfalls nicht in ausreichendem Maße Rechnung.65 Insgesamt erweisen sich die Merkmale des klassischen Eingriffsbegriffs damit als untauglich, den erweiterten Eingriffsbegriff hinlänglich zu definieren. Lediglich die Finalität und die Imperativität eignen sich in Einzelfällen als Zurechnungskriterien. Letztere spielt allerdings bei der hier zu prüfenden Kon62  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 189; vgl. etwa zur Anstiftung Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 26, Rn. 1 ff.; zur mittelbaren Täterschaft Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25, Rn. 6 ff., sowie zur Figur des Zweckveranlassers Dietlein, in: Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht NRW, § 3, Rn. 80. 63  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 143 ff.; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 212 f. 64  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 146 f. 65  Vgl. zum Ganzen auch: Bethge, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 58, Rn. 27.



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

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frontation mit religiösen Symbolen keine Rolle, da es an einer Befehlsähnlichkeit mangelt.

cc)  Der Schutzzweck des im Einzelfall betroffenen Grundrechts Auch über den Schutzzweck der Grundrechte wird versucht, den unter alleiniger Berücksichtigung der Kausalität sehr weiten modernen Eingriffsbegriffs einzugrenzen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die allgemeine Eingriffsdogmatik die sich in der Formulierung der einzelnen Schutzbereiche und Schrankenvorbehalte zeigende unterschiedliche Ausgestaltung einzelner Freiheitsrechte nicht nivellieren darf66. In dem Fall, in dem eine Freiheitsverkürzung feststeht, wäre in der Folge stets zu prüfen, ob die in Rede stehende Freiheitsverkürzung gerade Ausdruck derjenigen Gefahren ist, gegen die das Grundrecht Schutz bieten will67. Fraglich ist allerdings, ob und gegebenenfalls inwieweit aus dem Schutzzweck der Grundrechte allgemeine Zweckkriterien hergeleitet werden können, die als Zurechnungskriterien fungieren könnten68. Genannt werden in diesem Zusammenhang etwa die Zielrichtung der staatlichen Maßnahme und deren Intensität69. Ein finales Handeln scheint zumindest vom Normzweck einiger Grundrechte gefordert, wie oben70 festgestellt wurde. Als allgemeiner Schutzzweckgesichtspunkt kommt zudem die Intensität der Freiheitsverkürzung in Betracht, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Grundrecht bestimmt werden kann71. Allerdings lassen sich durchaus Einwände gegen das Intensitätskriterium vorbringen: So kann es schwierig sein, rechtlich exakt zu beantworten, wann eine Freiheitsreduktion derart gewichtig ist, dass sie nicht mehr als geringfügig zu bewerten ist. Zudem besteht die Gefahr, dass Maßnahmen künstlich unter die Bagatellgrenze gedrückt werden.72 Die Problematik kann an Schärfe verlieren, soweit die grundrechtlichen Schutzbereiche inhaltlich präzise erfasst werden73, da sich daraus gegebenenfalls Rückschlüsse darauf ziehen lassen, unter welchen Umständen der Freiheitsgehalt des jeweiligen Schutzguts geschmälert wird. Je 66 

Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 269. Ramsauer, in: VerwArch 72 (1981), S. 89 (102). 68 Vgl. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 268 f., wonach sich bestimmte Kriterien nicht als allgemeine Schutzzweckgesichtspunkte eignen; vgl. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. XI, § 191, Rn. 120, der anführt, dass die Kriterien vornehmlich im Einzelfall ermittelt werden müssen. 69  Ramsauer, in: VerwArch 72 (1981), S. 103 ff. 70  E. II.3.a)bb). 71  Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 269. 72  Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 49. Gegen eine Erheblichkeitsschwelle Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 95. 73  Vgl. dazu auch Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 243 ff. 67 

178

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

nach Schutzgut und nach Art des Lebenssachverhalts, durch den das Schutzgut verkürzt wird, verbleibt jedoch das Problem, anhand welcher Kriterien die Schwelle der hinreichenden Intensität zu bestimmen ist. Außerhalb der eindeutig als Bagatellen einzuordnenden Vorfälle – etwa des bloßen Vorbeigehens eines uniformierten Polizisten – stellt sich das Intensitätskriterium mithin nicht als stets taugliches Begrenzungskriterium dar. Immerhin verdeutlicht die Diskussion um die Intensitätsfrage, dass im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Schutzzweck eines Grundrechts darauf zu achten ist, dass hier nicht Fragen erörtert werden, die eigentlich die korrekte Bestimmung des Schutzbereichs betreffen74.

dd)  Staatliche Verantwortung für die Freiheitsverkürzung Ein Grundrechtseingriff setzt weiter voraus, dass der Staat für die festgestellte Freiheitsverkürzung verantwortlich ist. Dass eine Verkürzung überhaupt von der staatlichen Gewalt ausgeht oder ihr zumindest zurechenbar ist, stellt eine entscheidende Voraussetzung des Grundrechtseingriffs dar75. Das liegt darin begründet, dass die Staatsgewalt grundrechtsverpflichtet ist, der Bürger jedoch nicht76. Ein Grundrechtseingriff setzt also einen staatlichen Verursachungsbeitrag voraus. Das bedeutet nicht, dass Privatpersonen bei einem Grundrechtseingriff lediglich als von der Freiheitsverkürzung Betroffene auftreten könnten. Vielmehr können sie Verkürzungen grundrechtlicher Freiheit selbst mitverursachen, also in die Kausalitätskette mit eingebunden sein, an deren Ende die Freiheitsverkürzung steht.77 Auch in solchen Fällen kann die abwehrrechtliche Dimension eines Grundrechts betroffen sein. Die Beteiligung Privater an einer grundrechtlich relevanten Freiheitsverkürzung führt nicht zwangsläufig dazu, dass die Grundrechtsverkürzung ausschließlich anhand der Schutzpflichtendimension der Grundrechte zu beurteilen wäre78; sie muss die Zurechnung der Freiheitsverkürzung zum Staat nicht hindern. Ist eine staatliche Maßnahme lediglich mitursächlich für eine Grundrechtsverkürzung, befreit das den Staat also nicht zwangsläufig von seiner Verantwortung79. Sind neben dem Staat auch Private an einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten beteiligt, wirft 74 

Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 268. Vgl. oben Fn. 34. 76  Vgl. nur Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 84. 77  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 183 ff.; Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 36. 78  Zum Abwehrrecht und der staatlichen Schutzpflicht als gegenläufigen Funktionen eines Grundrechts: Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch Staatrecht, § 191, Rn. 1 ff. 79  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 184 ff. m. w. N., der anführt, dass auch in anderen Rechtsbereichen der neben anderen verantwortliche Störer nicht aus seiner Haftung entlassen wird. 75 



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

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das allerdings komplexe Zurechnungsfragen auf80. Im Hinblick auf die Symbolkonfrontation sind solche Zurechnungsfragen deshalb interessant, weil an einer konfrontationsbedingten Freiheitsverkürzung gerade auch Einflüsse mitwirken können, die nicht (direkt) von staatlichen Stellen ausgehen81. Unter dem abwehrrechtlichen Aspekt der Grundrechte sind verschiedene Konstellationen denkbar, in denen Private in grundrechtsverkürzende staatliche Maßnahmen eingeschaltet werden können: So kommt erstens eine staatliche Nebenverursachung der Freiheitsverkürzung in Betracht. Hierbei führen der Staatsakt und das für die Verkürzung mitursächliche Verhalten einer Privatperson nur kumulativ zum Verkürzungserfolg, in dem sich die bis dahin getrennten Kausalverläufe treffen.82 Bei der Kettenverursachung löst – zweitens – ein staatlicher Akt einen Mitverursachungsbeitrag von privater Seite aus, der zur Freiheitsverkürzung führt. Das staatliche Handeln kann hier sowohl regelnder als auch tatsächlicher Art sein83. Drittens kann der von der Grundrechtsverkürzung Betroffene selbst dazu beitragen, dass die Grundrechtsverkürzung entsteht. Dann liegt ein Fall der Selbstbeeinträchtigung – in der hiesigen Terminologie: Selbstverkürzung– vor.84 In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und inwieweit die entstehende Grundrechtsverkürzung dem Staat zuzurechnen ist. In Bezug auf die Eingriffsrelevanz der Symbolkonfrontation können sämtliche beschriebene Konstellationen bedeutsam sein: So wurde bereits angedeutet, dass Symbole innere Prozesse beim Menschen anregen können, die dann eine Freiheitsverkürzung  – zum Beispiel eine Einstellungsänderung  – (mit-) konstituieren können. Auch spielen die Vorerfahrungen des Symbolbetrachters bei der Interpretation des Symbols eine besondere Rolle. Wird eine Freiheitsverkürzung danach auch durch Faktoren (mit-)hervorgerufen, die in der Person des Symbolbetrachters liegen, könnte hierin eine Selbstbeeinträchtigung bzw. Selbstverkürzung liegen. Wird das Symbol wiederum von Staatsbediensteten getragen und ist der Staatsbedienstete als Privatperson anzusehen – etwa, weil er auch als Staatsbediensteter grundrechtsberechtigt ist und das Tragen des Symbols als Grundrechtsausübung anzusehen ist – kommen eine Ketten- bzw. eine Nebenverursachung in Betracht. Der staatliche Beitrag zu einer Freiheitsverkürzung könnte dann darin erblickt werden, dass der Staat die Anbringung des Symbols anordnet und damit die Konfrontationssituation verursacht oder 80 

Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 183 ff.; Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 36. 81  Vgl. insbesondere Kapitel C. III. 82  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 169. 83  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 159. 84  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 159. Trotz des grundsätzlichen Verzichts auf den Begriff der Beeinträchtigung werden die Kategorien der Selbst- und Fremdbeeinträchtigung im Folgenden weiterhin als solche bezeichnet. Das liegt darin begründet, dass inhaltlich die Erläuterungen von Sachs zugrunde gelegt werden, der diese Bezeichnungen für die beiden Kategorien gewählt hat.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

dass er seinen Bediensteten das Tragen des Symbols gestattet oder es zumindest duldet. Insgesamt wird es stets von den Umständen des Einzelfalls abhängen, ob der Staat in einer konkreten Situation als verantwortlich für eine Grundrechtsverkürzung angesehen werden kann, oder ob der Beitrag der Privatperson die Zurechnung zum Staat ausschließt, weil er etwa einen völlig neuen Kausalverlauf in Gang setzt. Für die Symbolkonfrontation kann deshalb eine Entscheidung nur mit Blick auf die konkrete Konfrontationssituation und die jeweils betroffenen Grundrechte getroffen werden.

ee)  Anforderungen an die Grundrechtsverkürzung Eingrenzende Kriterien für den erweiterten Eingriffsbegriff könnten sich auch aus speziellen Anforderungen an die Grundrechtsverkürzung selbst ergeben85.

(1) Bagatellvorbehalt Mithilfe eines Bagatellvorbehalts können wenig intensive Grundrechtsverkürzungen aus dem Eingriffsbegriff ausgesondert werden. Ob sich ein Bagatellvorbehalt eignet, den weiten Eingriffsbegriff einzugrenzen, wurde bereits diskutiert86. Da er insgesamt ein sehr unscharfes Kriterium darstellt, ist er jedenfalls nicht als generell geeignet zu beurteilen. Aus dem Schutzzweck eines Grundrechts kann sich allerdings ergeben, dass das Grundrecht nur vor speziellen Freiheitsverkürzungen schützen will. Nicht auszuschließen ist deshalb, dass das Intensitätskriterium zumindest für die Frage bedeutsam sein kann, ob ein Eingriff in bestimmte Grundrechte in Betracht kommt. Die durch die Symbolkonfrontation betroffenen Grundrechte werden daraufhin zu prüfen sein.

(2)  Grundrechtsgefährdung als Grundrechtsverkürzung Fraglich bleibt sodann noch, ob ein Eingriff tatsächlich voraussetzt, dass tatsächlich eine Schmälerung der grundrechtlichen Substanz eingetreten ist87 oder ob auch die bloße Grundrechtsgefährdung  – also das der Schmälerung vorgelagerte Stadium  – im Fall ihrer staatlichen Zurechenbarkeit, einen Eingriff darstellen kann bzw. jedenfalls zumindest wie ein solcher zu behandeln ist88. Für die Konfrontation mit religiösen Symbolen ist die Figur der Grund85 Vgl.

Bäumerich, DÖV 2015, 374 (377). Oben E. II.3.a)cc). 87  Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 76. 88  Vgl. dazu Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 211 f. 86 



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

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rechtsgefährdung bedeutsam. Nach den Ergebnissen der Kapitel C und D ist zumindest bei einigen Grundrechten eine konfrontationsbedingte Schmälerung der Grundrechtssubstanz stets auf eine Kopplung von innermenschlichen Prozessen mit äußeren Umständen zurückzuführen. Da insofern mehrere Faktoren gemeinsam die Freiheitsverkürzung konstituieren, dürfte es im Einzelfall zwar häufig möglich erscheinen, dass die Freiheitsverkürzung in der Konfrontationssituation tatsächlich eintritt. Nicht jedoch wird sie in jedem Fall mit Sicherheit auftreten bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit vorherzusagen sein. Es stellt sich dann die Frage, ob schon die in der Konfrontationssituation bestehende Möglichkeit, dass es zu einer Schmälerung der grundrechtlichen Substanz kommt, einen Grundrechtseingriff darstellt, ob also der Zustand, der als bloße Gefährdung der Glaubensfreiheit oder anderer Grundrechte umschrieben werden kann, bereits als Grundrechtseingriff anzusehen ist. Mithilfe der Figur der Grundrechtsgefährdung könnte unter Umständen verhindert werden, dass in grundrechtsrelevanten Bereichen – beispielsweise in Fragen des religiösen Glaubens – „vollendete Tatsachen“ im Sinne irreversibler Freiheitsverkürzungen geschaffen würden89. Grundrechtsgefährdungen sind nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich im Vorfeld der Grundrechtsverkürzung anzusiedeln90, stellen also keine Grundrechtseingriffe dar.91 Das Bundesverfassungsgericht sieht allerdings auch die Möglichkeit, dass eine theoretisch herleitbare Gefährdung von Leben oder Gesundheit als Grundrechtseingriff angesehen werden kann92. Schon früher hatte es betont, dass Grundrechtsgefährdungen „unter besonderen Voraussetzungen Grundrechtsverletzungen gleichzuachten sein“ können93. Bei Grundrechtsgefährdungen gilt es folglich zu differenzieren: 89 Vgl. Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 94. 90  BVerfGE 52, 324 (326 f.), 66, 39 (58); zust. Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, § 57, Rn. 50. 91 Nach Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 211 f., spricht für diese Annahme auch die Existenz der negatorischen Hilfsrechte, insbesondere des beeinträchtigungsabwehrenden Unterlassungsanspruchs: Dessen Gegenstand ist nicht eine eingetretene Freiheitsverkürzung. Vielmehr soll mit ihm verhindert werden, dass es überhaupt zu einer Freiheitsverkürzung durch ein Staatshandeln kommt. Hier kann zwangsläufig nur ein grundrechtsgefährdendes Handeln vorliegen. Es stellt sich sodann die Frage, inwieweit sich die Grundrechtsgefährdung verdichtet haben muss, um den Unterlassungsanspruch zu aktivieren. Im Hinblick auf Grundrechtsgefährdungen gilt es insoweit zu differenzieren: Gefährdungen können lediglich zur Vorbeugung drohender Freiheitsverkürzungen abzuwehren sein. Gefährdungen können aber auch selbst vollendete Freiheitsverkürzungen darstellen. Im letzteren Fall ist gegen die Begründung einer Gefahr für grundrechtliche Schutzgüter nicht mit dem Unterlassungsanspruch vorzugehen – da die eigentliche Freiheitsverkürzung bereits eingetreten ist –, sondern mit dem Beseitigungsanspruch gegen die bereits bestehende Gefährdung. 92  BVerfG, NVwZ 2010, 702 (703 f.). 93  BVerfGE 51, 324 (346 f.); vgl. auch Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 210 m. w. N. in Fn. 561.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

Sie können – und das ist der Regelfall – im Vorfeld einer Freiheitsverkürzung anzusiedeln sein. Dann stellen sie selbst im Fall ihrer Zurechenbarkeit zum Staat noch keinen Grundrechtseingriff bzw. einen dem Grundrechtseingriff gleichzustellenden Zustand dar. Gefährdungen können aber unter besonderen Umständen und damit ausnahmsweise94 auch selbst vollendete Freiheitsverkürzungen und damit – soweit sie dem Staat zurechenbar sind – Grundrechtseingriffe darstellen.95 Die Notwendigkeit, den Bürger auch vor bloßen Grundrechtsgefährdungen zu schützen, ergibt sich aus dem Gedanken der Effektivität des grundrechtlichen Schutzes96. Als Abwehrrechte wollen die Grundrechte dem Bürger ein Instrument an die Hand geben, sich gegen staatlich verursachte Freiheitsverkürzungen zur Wehr zu setzen. Soweit sich eine bestimmte dem Staat zuzurechnende Freiheitsverkürzung als irreparabel oder als nur schwer rückgängig zu machen erweist, trägt ein erst bei der tatsächlich nachgewiesenen Freiheitverkürzung ansetzender Grundrechtsschutz dem etwa in Art. 1 Abs. 3  GG zum Ausdruck kommenden Willen des Verfassunggebers, die Grundrechte effektiv zu schützen, nicht in ausreichendem Maße Rechnung. In diesem Fall bedarf es eines verfassungsrechtlichen Anspruchs des Bürgers, der es ihm ermöglicht, die Beseitigung des Zustands durchzusetzen, von dem die Gefährdung seines Grundrechts ausgeht, soweit sich nicht aus der Verfassung selbst ergibt, dass dieser Zustand hinzunehmen ist, soweit also die Gefährdung nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Auch aus den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten lässt sich ein Schutz des Bürgers vor Grundrechtsgefährdungen herleiten: Um die grundrechtlichen Schutzgüter effektiv zu sichern, kann es erforderlich sein, die Staatsgewalt Bindungen zu unterwerfen, unabhängig davon, ob sich im Einzelfall bestimmte Freiheitsverkürzungen realisieren.97 Andererseits kann ein Schutz vor Grundrechtsgefährdungen aus dem Postulat des Freiseins von Furcht folgen. Das implizierte einen Schutz zumindest vor Gefährdungen von existentiellem Gewicht, die sich auf die Persönlichkeit des Menschen auswirken.98 Fraglich ist allerdings, unter welchen Umständen eine Grundrechtsrechtsgefährdung – ausnahmsweise – einen Grundrechtseingriff darstellt. Unklar ist zudem, ob Gefährdungen jedweder Grundrechte Eingriffe darstellen können – insbesondere der Grundrechte, die in Kapitel D als im Rahmen der Symbol94 

BVerfG, NVwZ 2010, 702 (703 f.). Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 211 f. 96  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 214, der dabei an die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte anknüpfen will; Lorenz, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrecht (1989), Bd. VI, § 128, Rn. 30. 97  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 214. 98  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, ebd. m. N. zum „Freisein von Furcht“. 95 Vgl.



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

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konfrontation relevant identifiziert wurden – oder ob lediglich Gefährdungen bestimmter Grundrechte hierfür in Betracht kommen. Für die Entscheidung, wann eine Grundrechtsgefährdung als Grundrechtseingriff anzusehen ist, soll es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf Art, Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren sowie auf die Art und den Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts ankommen99: Droht nach der Gesamtschau dieser Kriterien eine vom Staat zu verantwortende, nicht rückgängig zu machende Schädigung fundamentaler Rechtsgüter, liegt in dieser Gefährdung bereits ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff.100 Im Anschluss daran stellt sich insbesondere die Frage, was mit „Art und Rang“ der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter gemeint ist. Zweifellos zählen das Leben und die Gesundheit des Einzelnen zu den in dieser Hinsicht fundamentalen Rechtsgütern101. Ob darüber hinaus auch sämtliche weiteren grundrechtlich geschützten Güter – insbesondere die durch die Symbolkonfrontation berührten – entsprechend einzustufen sind, ist hingegen unklar. Dagegen lässt sich anführen, dass in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts102 immer wieder einzelne Grundrechte als besonders bedeutsam qualifiziert wurden103. Eine konsequente Rangordnung aller verfassungsrechtlichen Rechte und Schutzgüter ist, abgesehen von einer möglichen Sonderstellung des Art. 1 Abs. 1 GG, allerdings bislang auch nicht zu verzeichnen104. Hiernach läge es wiederum nahe, die – hinreichenden – Gefährdungen sämtlicher Grundrechte als Eingriffe anzusehen. Das Kriterium der Irreparabilität der – drohenden – Schmälerung grundrechtlicher Substanz kann in diesem Zusammenhang allenfalls teilweise weiterhelfen105. 99 

Vgl. BVerfGE 49, 89 (142); 51, 324 (346 ff.); NVwZ 2010, 702 (703 f.). insgesamt Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 94; vgl. auch BVerfGE 49, 89 (142 f.); Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts (1989), Bd. VI, § 128, Rn. 30. 101  Vgl. BVerfGE 65, 317 (322): „Die materiellen Freiheitsgarantien des Art. 2 Abs. 2 GG haben unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht“. 102  Vgl. BVerfGE 65, 317 (322) sowie die zahlreichen Nachw. bei Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 81, S. 562 m. Fn. 358. 103 So Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 81, S. 562. 104  Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 81, S. 562 f. vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 519 f. 105  Bei Grundrechten, die innere Zustände schützen wie die körperliche Unversehrtheit und das Leben, ist zwar regelmäßig feststellbar, ob der jeweilige Zustand irreparabel beschädigt wurde. In dieser Hinsicht erscheint vor allem das Leben als fundamentales Rechtsgut, da dessen tatsächliche Beeinträchtigung nicht mehr rückgängig zu machen ist, im Gegensatz zu bestimmten Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit (vgl. Lorenz, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts [1989], Bd. VI, § 128, Rn. 31). Schützen die Grundrechte jedoch Verhaltensweisen, wird eine Einschätzung schwieriger: Zwar macht etwa die faktische Verhinderung einer Versammlung durch staatliche Stellen den Grundrechtsgebrauch in der konkreten Versammlungssituation unmöglich. Je nach Konstellation ist die Versammlung auch nicht ohne weiteres nachholbar – etwa, wenn sie sich auf aktuelle Ereig100  Dazu

184

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

Es deutet sich damit an, dass die Antwort auf die Frage, wann von einer eingriffsgleichen Grundrechtsgefährdung auszugehen ist, vor allem von Wertungsfragen im Einzelfall abhängt. Es wird der Grundstruktur der Grundrechte nicht gerecht, die Freiheitsverkürzung als Eingriffskriterium generell in das Stadium der Gefährdung vorzuverlagern. Die Abwehrrechte schützen grundrechtliche Schutzgüter, wollen aber kein staatliches Handeln sanktionieren. Da dem Bürger mit dem beeinträchtigungsabwehrenden Unterlassungsanspruch überdies ein Instrument an die Hand gegeben ist, gegen Handlungen vorzugehen, die Gefährdungen hervorrufen, fordert auch der effektive Grundrechtsschutz eine solche Ausdehnung des grundrechtlichen Schutzes auf bloße Gefährdungslagen nicht in jedem Fall.106 Soweit irreparable Schäden für grundrechtliche Schutzgüter drohen, folgt aus der Effektivität des Grundrechtsschutzes allerdings die Notwendigkeit, dem Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz vor der Gefährdung zuzusprechen. Ein verselbstständigter Schutz vor Grundrechtsgefährdungen ist dem Grundgesetz auch nicht grundsätzlich fremd. So kann etwa Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 S. 1 WRV als Schutz vor einer Diskriminierungsgefahr verstanden werden.107 Deshalb liegt es nahe, jeweils für einzelne Grundrechte und spezifische Gefahrsituationen zu entscheiden, ob und unter welchen Umständen eine Grundrechtsgefährdung als Eingriff anzusehen ist. Zu beachten ist darüber hinaus, dass sich eine Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten in praktisch keiner Fallgestaltung vollends ausschließen lässt. Es besteht nahezu stets die Möglichkeit, dass sich vom Staat verursachte Geschehensabläufe aufgrund veränderter Umstände zu einer Freiheitsverkürzung entwickeln. Das gilt insbesondere, wenn der staatliche Akt die Freiheitverkürzung nur mitverursacht, soweit das als ausreichend für einen Grundrechtseingriff beurteilt wird. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Grundrechte es nicht gebieten, Grundrechtsgefährdungen mit Sicherheit auszuschließen.108

nisse bezieht. Gleichwohl kann ein Unterschied zu irreparablen Verletzungen des Körpers bzw. des Lebens zu bestehen. Während eine verhinderte Versammlung häufig nachholbar sein kann, bleibt eine irreparable Verletzung der körperlichen Unversehrtheit bestehen. Der Betroffene ist dann nie mehr körperlich unversehrt. 106  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 213. 107  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 213. 108  Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 94; vgl. auch BVerfGE 49, 89 (142 f.); Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts (1989), Bd. VI, § 128, Rn. 30.



II.  Dogmatische Vorüberlegungen zur Symbolkonfrontation

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b)  Allgemeine Definition des erweiterten Eingriffsbegriffs Die bisherige Untersuchung verdeutlicht die Schwierigkeiten, einen allgemeinen (erweiterten) Eingriffsbegriff zu finden, der einerseits sämtliche eingrenzenden Merkmale in sich vereint und andererseits aufzeigt, dass die einzelnen Merkmale nicht in allen denkbaren Konstellationen kumulativ vorliegen müssen, um einen Eingriff zu begründen. Eine Definition kann daher nur aus Oberbegriffen bestehen, die anhand der Gegebenheiten des Einzelfalls näher auszufüllen sind. Danach lässt sich der erweiterte Eingriffsbegriff definieren als dem Staat zurechenbare Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten, das heißt als staatlicher Akt, der eine Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten – oder im Fall der Grundrechtsgefährdung eine entsprechende Gefährdungslage – zumindest kausal verursacht. In diese Richtung lässt sich auch die gängige Definition des erweiterten Eingriffsbegriffs deuten, nach der es sich bei einem Eingriff um eine staatliche Maßnahme handelt, die dem Einzelnen ein grundrechtlich geschütztes Verhalten erschwert oder ganz oder teilweise unmöglich macht109. Zu beachten ist allerdings, dass diese Definition auf Handlungsfreiheiten zugeschnitten ist. Schützen Grundrechte keine Handlungen, sondern innere Zustände wie etwa die körperliche Unversehrtheit, ist die Definition nicht passgenau.110 In diesen Fällen muss sie inhaltlich an die Natur des Schutzguts angepasst werden. Die vorgestellte allgemeine Definition des erweiterten Eingriffsbegriffs bietet ein Grundgerüst, das auf sämtliche Konstellationen anwendbar ist, in denen Verkürzungen grundrechtlicher Freiheiten in Rede stehen. Je nach Sachverhalt und den betroffenen Grundrechten sind die Definitionsmerkmale mit den gegebenen Informationen anzureichern und auszufüllen111. Gerade für die Frage der Zurechenbarkeit ist es elementar, die genauen Sachverhaltsumstände zu kennen. Anhand dieser Maßgaben ist die Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen im Folgenden zu betrachten.

c)  Eingriffsbezogene Probleme der Symbolkonfrontation Nach den bisherigen Erkenntnissen lassen sich die Problemfelder des Eingriffs, die bei Symbolkonfrontation relevant sein können, folgendermaßen zusammenfassen: 109 

Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 261 m. w. N.; Peine, in: Merten/ Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57, Rn. 31; Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, § 200, Rn. 89. 110 Vgl. Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, S. 112. 111 Vgl. Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 269: „[Es wird] letztlich das alleinige Eingriffskriterium nicht mehr geben (…). Es wird sich vielmehr um einen Sammelbegriff handeln müssen, unter dem dann einzelne – und nicht in jedem Fall die gleichen – Subkriterien Anwendung finden.“

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

aa)  Das Problemfeld der Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten Zunächst ist fraglich, ob durch die Symbolkonfrontation überhaupt grundrechtliche Freiheiten verkürzt werden112. Die vorigen Kapitel haben aufgezeigt, welche grundrechtlichen Schutzbereiche durch die Wirkungen der Konfrontationssituation berührt werden. Für dieses Kapitel steht insoweit die Untersuchung aus, inwieweit die Symbolkonfrontation tatsächlich die jeweiligen grundrechtlichen Freiheiten verkürzt. Dabei kann sich die Figur der Grundrechtsgefährdung als bedeutsam erweisen, etwa wenn in Situationen, in denen eine Freiheitsverkürzung zwar tatsächlich möglich erscheint, diese aber für den konkreten Einzelfall nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden kann.

bb)  Das Problemfeld der Zurechnung Problematisch kann sich darüber hinaus die Zurechnung einer durch die Konfrontationssituation verursachten Freiheitsverkürzung zum Staat darstellen. Das gilt beispielsweise, wenn sich die Verkürzung als atypischer Fall darstellt – etwa im Fall der körperlichen Unversehrtheit, deren Beeinträchtigung nur unter dem atypischen Umstand eines vorausgegangenen Traumas in Betracht kommt. In solchen Konstellationen kann die Konfrontationssituation zwar als im Sinne der conditio sine qua non-Formel kausal für die Verkürzung angesehen werden. Zweifeln lässt sich hier aber an der adäquaten Kausalität, die jedenfalls in den Fällen ein taugliches Zurechnungskriterium darstellen kann, in dem der Staat die Freiheitsverkürzung nicht allein verursacht113. Ebenso können neben dem Staat weitere Personen an der konfrontationsbedingten Grundrechtsverkürzung beteiligt sein. Eine Selbstbeeinträchtigung, bzw. in der hiesigen Terminologie eine Selbstverkürzung, durch den Betroffenen kommt in Betracht, soweit die Verkürzung mit inneren menschlichen Prozessen verknüpft ist. An eine Fremdbeeinträchtigung, bzw. Fremdverkürzung, ist zu denken, wenn Staatsbedienstete ein Symbol tragen und insoweit die Konfrontationssituation und deren Folgen zumindest mitverursachen. Vor allem bei der Kettenverursachung, d. h. in Situationen, in denen der Staat ein grundrechtsbeeinträchtigendes Handeln Dritter hervorruft, ist unklar, welche Qualität der staatlichen Maßnahme zukommen muss, damit dem Staat eine entstehende Freiheitsverkürzung zugerechnet werden kann bzw. umgekehrt welche Verursachungsbeiträge einer Privatperson den Zurechnungszusammenhang zum Staat abbrechen.

112 Vgl. 113 

Jestaedt, in: Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg.), FS Listl, S. 259 (275). Oben E. II.3.a)aa).



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation Die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Grundrechtseingriff auszugehen ist, kann nach allem nur mit Blick auf eine konkrete Situation und das konkret betroffene Grundrecht beantwortet werden. Das gilt auch für die Symbolkonfrontation. Deren Eingriffsrelevanz ist mithin anhand konkreter Fallkonstellationen im Hinblick auf die jeweils berührten Grundrechte zu untersuchen.

1.  Durch die emotionsauslösenden Symbolkonfrontation betroffene Grundrechte Zunächst sind dabei die Grundrechte zu betrachten, deren Schutzbereiche durch die emotionsauslösende Konfrontation eröffnet werden

a)  Keine Verletzung der Menschenwürde Wie in Kapitel E bereits beschrieben, stellt es grundsätzlich keinen Eingriff und damit keine Verletzung der Menschenwürde114 dar, wenn der Bürger aufgrund eines staatlichen Akts Emotionen erlebt. Die Menschenwürde schützt den Bürger nicht direkt und vor allem nicht allein davor, negative Emotionen erleben zu müssen. Das gilt auch dann, wenn der Betroffene individuell besonders empfindlich ist und deshalb Emotionen intensiver erlebt als andere Menschen. Eine Würdeverletzung liegt nur vor, wenn der Staat in Kenntnis der besonderen Empfindlichkeit darauf abzielt, beim Menschen negative Emotionen zu verursachen. Dann wird der Mensch gegebenenfalls wegen seiner Empfindlichkeit verächtlich gemacht.115 Generell spielen Emotionen im Zusammenhang mit einer Menschenwürdeverletzung vor allem insoweit eine Rolle, als sie die Verletzung des Wert- und Achtungsanspruchs des Menschen anzeigen können116.

b)  Kein Eingriff in die Religionsfreiheit Wie ebenfalls bereits festgestellt, ist der Schutzbereich der Religionsfreiheit nicht allein deshalb eröffnet, weil der mit einem religiösen Symbol konfrontierte Bürger (negative) Emotionen erlebt. Die emotionale Integrität des Bürgers wird durch die Religionsfreiheit nicht geschützt. Die emotionsauslösende Symbolkonfrontation stellt deshalb keinen Eingriff in die Glaubens-, die Bekenntnis- und die Religionsausübungsfreiheit dar. 114 Vgl. Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 398: „Da somit kein Eingriff in die Menschenwürde gerechtfertigt werden kann, stellt jeder Eingriff zugleich eine Verletzung der Würde dar“. 115 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 1, Rn. 24. 116  Vgl. zum Wert- und Achtungsanspruch BVerfGE 87, 209 (228).

188

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

c)  Eingriff in die körperliche Unversehrtheit In Betracht kommt jedoch ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen, die Emotionen auslöst.

aa)  Verkürzung des Grundrechts auf körperlichen Unversehrtheit durch die emotionsauslösende Konfrontation Dazu müssen die durch die Konfrontation ausgelösten Emotionen zunächst eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit darstellen.

(1)  Notwendigkeit einer psychischen Erkrankung bzw. mit physischen Erkrankungen vergleichbarer Wirkungen Der Schutzbereich der in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verankerten körperlichen Unversehrtheit ist nach den Erkenntnissen des Kapitels D eröffnet, wenn der Bürger mit religiösen Symbolen konfrontiert wird. Das liegt darin begründet, dass Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zumindest unter bestimmten Umständen auch den emotionalen Zustand des Bürgers schützt, nämlich dann, wenn sich die Folgen der Einwirkung auf den emotionalen Zustand als vergleichbar mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Integrität darstellen. Das kommt etwa in Betracht, wenn die entstehenden Emotionen körperliche Schmerzen hervorrufen oder zu einer psychischen Erkrankung führen, deren Auswirkungen auch physischer Natur sein können.117 Zu denken ist insbesondere an einen durch die Symbolkonfrontation ausgelösten seelischen Schockzustand. Wird für eine Freiheitsverkürzung eine derartige Wirkung gefordert, gründet das nicht auf einem Eingriffsverständnis, das generell nur solche Verkürzungen als Eingriffe anerkennt, die eine gewisse Intensität aufweisen. Vielmehr basiert die Forderung nach bestimmten Wirkungen auf dem speziellen Charakter des Schutzguts der körperlichen Unversehrtheit, das den Menschen nur vor Belastungen schützen will, die zumindest einen Bezug zu seiner körperlichen Integrität aufweisen. Praktisch wird es allerdings nur selten vorkommen, dass die Konfrontation mit einem Symbol Folgen wie einen seelischen Schockzustand nach sich zieht. Das kommt lediglich in Betracht, wenn der Symbolbetrachter über extrem negative, gleichsam traumatische Vorerfahrungen mit dem Symbol verfügt118. Dann kann die Symbolkonfrontation die Erinnerung des Symbolbetrachters an 117  BVerfGE 56, 54 (75); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 55 m. w. N.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 83; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 225; Höfling, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 2, Rn. 125; Fink, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 88, Rn. 34; vgl. auch Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 2, Rn. 453; zu psychischen Erkrankungen: Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 149. 118  Vgl. oben D. III.2.c)aa)(2).



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

189

das traumatische Ereignis derart hervorrufen, dass der Symbolbetrachter den traumatischen Zustand emotional erneut durchlebt119. Zu erinnern sei hier an das Beispiel des Soldaten, der während eines Afghanistaneinsatzes eine Bombenexplosion überlebt hat und bei dem ein Bericht im Radio über die missglückte Entschärfung einer Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg eine schwere Angstreaktion auslöste, die der Reaktion während der Explosion ähnelt. Häufig wird hier eine posttraumatische Belastungsstörung zugrunde liegen.120 An eine selbstständige Verkürzung des durch die körperliche Unversehrtheit gewährleisteten Freiheitsgehalts ist im Fall einer Belastungsstörung zu denken, wenn akute Symptome auftreten, die vor dem Beginn der Symbolkonfrontation nicht vorlagen. Dann ist davon auszugehen, dass sich durch die Konfrontation die Intensität der Vorbelastung gesteigert hat.121 Sollte in der Folge einer Symbolkonfrontation tatsächlich ein derartig gelagerter seelischer Schockzustand auftreten, hat der Symbolbetrachter den Nachweis der Kausalität zwischen Symbolkonfrontation und dem seelischen Schockzustand zu führen. Der Nachweis wird ihm regelmäßig gelingen, soweit er entsprechende traumatische Vorerfahrungen mit dem Symbol plausibel darlegen kann.122

(2)  Keine Gleichstellung der Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit mit einer vollendeten Freiheitsverkürzung Zu erwägen ist allerdings, auf den Nachweis eines seelischen Schockzustands unter bestimmten Umständen zu verzichten. Mit Blick auf die Darlegungen zu der Figur der eingriffsgleichen Grundrechtsgefährdung könnte in bestimmten Fallkonstellationen schon der Nachweis der Symbolkonfrontation eine eingriffsrelevante Grundrechtsgefährdung begründen, ohne dass es darüber hinaus 119 

Oben C. II.1.a). Vgl. Kapitel C, Fn. 32. 121  Ansonsten wäre es in der Tat zweifelhaft, ob die durch die Symbolkonfrontation verursachten Wirkungen überhaupt als Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit anzusehen wären, wenn die Störungsursache bereits im menschlichen Inneren als posttraumatische Belastungsstörung angelegt ist. An eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit könnte dann nur im Hinblick auf die Entstehungsgründe der posttraumatischen Belastungsstörung zu denken sein, soweit sie staatlichen Stellen zurechenbar sind. 122  Die Überlegungen zur Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen lassen sich auf die Konfrontation mit anderen Symbolen, beispielsweise mit politischen Symbolen, übertragen: Zwar könnten emotionale Wirkungen bei religiösen Symbolen aufgrund der speziellen Persönlichkeitsrelevanz der Religion besonders intensiv sein, was den Eintritt etwa eines seelischen Schockzustands begünstigen könnte. Gleichwohl erscheinen sie auch bei politischen Symbolen denkbar, zumal politische Einstellungen, die durch die Konfrontation abgerufen werden können, zumindest eng mit einer Weltanschauung des Betroffenen verbunden sein können, wenn sie nicht sogar deren Ausdruck sind (zur Abgrenzung ausführlich Hoffmann, Weltanschauungsfreiheit, S. 54 ff.) 120 

190

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

auf einen zusätzlichen Nachweis eines Schockzustands ankäme. Eine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung ist  – von Zurechnungsfragen zunächst abgesehen – hier in Betracht zu ziehen, weil mit der körperlichen Unversehrtheit ein bedeutsames Rechtsgut in Rede steht, und sich die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit immerhin als denkbare Folge der Symbolkonfrontation darstellt. Wie erwähnt, kommt es für eine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung auf Art, Nähe und Ausmaß möglicher Gefahren sowie auf die Art und den Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts an123. Die Wahrscheinlichkeit, mit der sich die Gefährdung realisiert, muss grundsätzlich höher zu bewerten sein als die an sich immer bestehende abstrakte Wahrscheinlichkeit, durch irgendein Ereignis in grundrechtlichen Schutzgütern  – beispielsweise der körperlichen Unversehrtheit – geschädigt zu werden124. Gerade wenn Lebens- und Gesundheitsgefährdungen drohen, dürfte die Schwelle der Wahrscheinlichkeit für die Prognose eines Schadenseintritts aber umso niedriger liegen, je größer das Risikopotenzial für Leben oder Gesundheit ist125. Gleichwohl hat der Staat nur für solche Gefährdungen einzustehen, die das erlaubte Restrisiko überschreiten126. Gefahren, die zum allgemeinen Lebensrisiko gehören, wie beispielsweise der Straßenverkehr, stellen keine Grundrechtseingriffe dar127. Vor diesem Hintergrund kommt im Fall der Symbolkonfrontation eine eingriffsgleiche Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit nicht in Betracht. Auch wenn mit der körperlichen Unversehrtheit ein bedeutsames Rechtsgut in Rede steht, müssen gewisse Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad auch bei Gefährdungen der körperlichen Unversehrtheit erfüllt sein. Die praktisch immer bestehende abstrakte Gefahr einer Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit reicht dazu nicht aus, weil ansonsten praktisch jeder dem Staat zuzurechnende Akt als Grundrechtseingriff angesehen werden müsste. Diese Anforderungen werden nicht erfüllt, weil eine staatlich zurechenbare Symbolkonfrontation kein für die eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung hinreichendes Risiko begründet. Es gehört vielmehr zum allgemeinen Lebensrisiko, dass (traumatische) persönliche Erfahrungen in bestimmten Situationen wachgerufen werden. Die Symbolkonfrontation unterscheidet sich insoweit nicht von anderen Reizen und Ereignissen. Das gilt auch dann, wenn man der 123 

BVerfGE 49, 89 (142 f.); Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 94; Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts (1989), Bd. VI, § 128, Rn. 30. 124  Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts (1989), Bd. VI, § 128, Rn. 30, unter Verweis auf BVerfGE 51, 324 (348 f.). 125  BVerfG, NVwZ 2010, 702 (703 f.). 126  Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200, Rn. 94. 127  Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts (1989), Bd. VI, § 128, Rn. 35.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

191

Konfrontationssituation nicht ausweichen kann, etwa infolge einer Pflicht, sich in einer bestimmten (staatlichen) Einrichtung aufzuhalten. Damit das traumatische Ereignis wieder hergestellt wird, bedarf es regelmäßig keiner dezidierten Auseinandersetzung mit dem Reiz. Vielmehr kann schon die bloße Kenntnisnahme zu einer entsprechenden affektiven Reaktion führen. Die dauernde Konfrontation kann starke Emotionen aufgrund einer entstehenden Emotionstoleranz sogar abschwächen128. Insgesamt ist der mit einem dem Staat zurechenbaren Symbol konfrontierte Bürger also keiner höheren Gefahren einer Grundverkürzung ausgesetzt, als es üblicherweise latent der Fall ist129. Die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass ein Mensch allein durch den Anblick eines Gegenstands einen seelischen Schockzustand erfährt, weil der Gegenstand Erinnerungen an traumatische Ereignisse hervorruft, ist so eng mit den gesellschaftlichen Bedingungen des Menschseins verbunden, dass hier kein Zustand besteht, in dem von einer Grundrechtsgefährdung auszugehen ist. Das menschliche Zusammenleben wird gerade durch die Aufnahme und Verarbeitung umweltbedingter Reize geprägt.130 Deren Folgen können nicht ohne weiteres als grundrechtsrelevant bewertet werden.

bb)  Zurechnung einer feststehenden Freiheitsverkürzung zum Staat Für einen Eingriff bedarf es nicht nur der Kausalität zwischen der Symbolkonfrontation und der (vollendeten) Freiheitsverkürzung131. Vielmehr muss die Symbolkonfrontation dem Staat auch zurechenbar sein. Bei den in staatlichen Einrichtungen vorkommenden religiösen Symbolen ist zwischen verschiedenen Konstellationen zu differenzieren. So kann das Symbol auf staatliche Anordnung angebracht werden. Diese Konstellation lag dem Kruzifixbeschluss zugrunde132. Außerdem kann das Symbol durch Staatsbedienstete und durch Bürger getragen werden. Bekannt geworden sind hier vor allem die Fälle der Lehrerinnen, die 128 

Vgl. Kapitel C. II.1.b)bb). Deutsch, VersR 1993, 1041 (1042), zum allgemeinen Lebensrisiko als zivilrechtlichem Zurechnungsgrund in Haftungsfragen. Anders könnte es in Fällen sein, in denen die Auseinandersetzung mit dem Symbol eine Beeinträchtigung verursacht. Bestehen in staatlichen Einrichtungen keine Ausweichmöglichkeiten, wäre an eine Risikoerhöhung zu denken. 130  Vgl. dazu Deutsch, VersR 1993, 1041 (1043). Der Blick auf die Grundsätze der zivilrechtlichen Adäquanzlehre (hier geht es allerdings zumeist um Schadenszurechnung) zeigt ein ähnliches Bild: Adäquat ist eine Bedingung nur, wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolg von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat (BGHZ 3, 261; Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16, Rn. 133). 131  Im Fall der Symbolkonfrontation stellt die bloße Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit keinen Eingriff bzw. eingriffsgleichen Zustand dar, wie im Abschnitt zuvor untersucht wurde. Erst die vollendete Verkürzung der körperlichen Unversehrtheit kommt demnach als Eingriff in Betracht. 132  BVerfGE 93, 1. 129 Vgl.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

während des Unterrichts das Tragen eines Kopftuchs begehrten133. Denkbar ist auch, dass Bürger und Staatsbedienstete auf eigene Initiative religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen anbringen. Praktisch relevant dürfte das vor allem in staatlichen Schulen sein, in denen Lehrer und Schüler sowie die Eltern der Schüler die Einrichtung der Klassenzimmer mitgestalten134.

(1)  Das aufgrund staatlicher Anordnung angebrachte Symbol Die aufgrund gesetzlicher Regelung angebrachten religiösen Symbole lassen sich dem Staat direkt zuordnen135. Mit der gesetzlichen Regelung liegt eine staatliche Maßnahme vor.

(a)  Finales oder äquivalent kausales Handeln als Kriterien im Fall einer staatlicher Alleinverursachung der Freiheitsverkürzung Ordnet der Staat durch gesetzliche Regelung an, dass religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen anzubringen sind, kann ihm im Hinblick auf etwaige aus der Konfrontationssituation resultierende Gesundheitsbeeinträchtigungen jedoch regelmäßig kein finales Handeln unterstellt werden, das eine Zurechenbarkeit begründen könnte. Wie oben dargelegt, kommt es tatsächlich aber ohnehin weder auf die Finalität noch auf eine Vorhersehbarkeit etwaiger Folgen an. Das Ziel der Abwehrrechte fordert, auch nicht-finale Freiheitsverkürzungen als Eingriffe anzuerkennen. Nur auf diese Weise kann die Integrität grundrechtlicher Schutzgüter hinreichend bewahrt werden. Es verbleibt folglich die Kausalität als Zurechnungskriterium. Unklar ist allerdings, welche Anforderungen an die Kausalität zu stellen sind. Möglicherweise ist zusätzlich zu der Kausalität im Sinne der conditio sine qua nonFormel eine adäquate Kausalität zu fordern. Die Adäquanztheorie zielt auf die Eliminierung solcher Schadensfolgen, die außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen.136 Adäquat ist eine Bedingung nur, wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolgs in der Art des eingetretenen Erfolgs generell in nicht un133  BVerfGE 108, 282; BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015  – 1 BvR 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359. 134  Vgl. etwa den Fall des Lehrers, der ein Kruzifix in seinem Klassenzimmer durch ein Renaissancegemälde christlichen Inhalts – die „Madonna Tempi” von Raffaello Santi – ersetzte, dazu BayVGH, NVwZ 2002, 1000. 135  Goos, Das Kopftuch der Lehrerin als Rechtsproblem, S. 5. Gleiches gilt für Symbole, die durch Verwaltungsvorschriften angeordnet werden (zu den Verwaltungsvorschriften Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 1 ff.). Stellt der Staat lediglich finanzielle Mittel für Symbole im Haushaltsplan bereit, muss es darauf ankommen, wer über diese Mittel verfügt. In Fällen, in denen die Anordnung nicht durch Gesetz erfolgt, ist allerdings zudem fraglich, ob eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff vorliegt. 136  Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 249, Rn. 13.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

193

erheblicher Weise erhöht137. Im Fall der Symbolkonfrontation kann allerdings bezweifelt werden, dass der seelische Schockzustand noch als adäquate Folge der Symbolkonfrontation einzuordnen ist. Der seelische Schockzustand, der nur eintritt, wenn das spezielle Symbol in traumatische Erfahrungen eingebunden wurde, erscheint hier als Verkettung ungewöhnlicher Umstände138. Das Ziel der Abwehrrechte – der effektive Schutz grundrechtlicher Schutzgüter – fordert allerdings, auch unvorhersehbare und ungewöhnliche Kausalzusammenhänge dem Staat zuzurechnen139. Soweit der Staat als allein verantwortlich für eine Symbolkonfrontation anzusehen ist, die wiederum eine Schmälerung der körperlichen Unversehrtheit verursacht, genügt die äquivalente Kausalität als Zurechnungskriterium. Ist sie gegeben, liegt ein Eingriff vor.

(b)  Staatliche Nebenverursachung statt staatlicher Alleinverursachung im Fall der Symbolkonfrontation Möglicherweise ist der Staat aber in der beschriebenen Konstellation nicht als Alleinverursacher der Freiheitverkürzung anzusehen. Dafür spricht, dass zu der Schmälerung der körperlichen Unversehrtheit auch Ursachen beitragen, die in der Person des Symbolbetrachters liegen. Da die Schmälerung nur eintritt, wenn der Mensch über starke negative Vorerfahrungen verfügt, ist zu fragen, ob diese Vorprägung des Bürgers nicht zumindest als Nebenursache für die Freiheitsverkürzung angesehen werden muss, was deren Zurechnung zum Staat hindern könnte140. Unter Umständen begründet die Vorprägung des Symbolbetrachters eine Selbstbeeinträchtigung. Selbstbeeinträchtigungen sind Verkürzungen abwehrrechtlicher Schutzgegenstände, die der Betroffene mitverursacht141. Auch wenn eine solche Selbstgefährdung hier naheliegt, setzt der Staat selbst in dieser Konstellation eigens eine Ursache für die Freiheitsverkürzung, indem er das Symbol anordnet und damit den Auslöser des freiheitsverkürzenden Zustands schafft. Mithin sind Staat und Bürger nebeneinander verantwortlich.

137  138 

BGHZ 3, 261; Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16, Rn. 133. Vgl. RGZ 133, 126 (127); BGH, NJW 1952, 1010 (1010) zu adäquaten Kausalver-

läufen. 139  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 182 f., vgl. schon oben unter II.2.a)aa). 140  Keine Rolle spielt hier allerdings die Frage, ob die Interpretation des Bürgers, der das Symbol als religiöses Symbol versteht, zu diesen Ursachen gezählt werden kann. Die Inhalte des Symbols spielen für den Eintritt eines Traumas nicht zwangsläufig eine Rolle. 141  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 169.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

(c)  Regelmäßige Unterbrechung des Kausalzusammenhangs aufgrund eines wertungsmäßig besonders bedeutsamen Beitrages des Bürgers zu der Freiheitsverkürzung Auch als Nebenverursacher kann der Staat für eine Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten verantwortlich bleiben. Die Interessenlage unterscheidet sich bei der Nebenverantwortlichkeit nicht grundlegend vom Rechtsgüterschutz zwischen Privaten oder von der polizeilichen Störungsabwehr. Auch dort wird der neben anderen verantwortliche Störer nicht aus seiner Haftung entlassen.142 Dass der Bürger mit seiner Vorprägung die Freiheitsverkürzung mitverursacht, unterbricht den Kausalzusammenhang zwischen staatlicher Maßnahme  – der Anordnung des Symbols – und der Freiheitsverkürzung nicht zwangsläufig.143 Hier darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass sich im Rahmen einer wertungsmäßigen Betrachtung der Beitrag des Bürgers zur entstehenden Verkürzung der körperlichen Unversehrtheit deutlich gewichtiger darstellt als der Beitrag des Staates, unabhängig davon, ob etwaige Beiträge bewusst oder schuldhaft vorgenommen wurden oder nicht. Die Verkürzung ist aufgrund der traumatischen Vorerfahrung mit dem Symbol in dem Bürger nicht nur angelegt, sondern besteht regelmäßig bereits in Form etwa einer posttraumatischen Belastungsstörung. Durch die Symbolkonfrontation wird sie im Einzelfall lediglich in ihrer erlebten Intensität gesteigert. Auch wenn sich insoweit ein Raum dafür öffnet, dem Verursachungsbeitrag des Staates eine eigene messbare Beschwer des Bürgers zuzuordnen, verdrängt in diesem Fall der Verursachungsbeitrag des Bürgers jedenfalls dann den Beitrag des Staates, wenn der Staat die Verkürzung nicht selbst bezweckt. In diesem Fall stellt sich der Beitrag des Staates zu wenig gewichtig dar, als dass es gerechtfertigt erscheinen könnte, ihm die Verkürzung zuzurechnen. Soweit der Staat mit der Anordnung des Symbols die Traumatisierung seiner Bürger bezweckt  – was praktisch auszuschließen sein dürfte  – liegt der Fall hingegen anders. Auch wenn der Eingriffsbegriff nicht dazu dient, Unrecht zu bestimmen144, kann eine bestehende Intention, Grundrechte des Bürgers zu schmälern, zurechnungsbegründend wirken145. Eine Zurechnung kommt überdies in Betracht, soweit der Staat zusätzlich die traumatische Vorerfahrung (mit-)verursacht hat. 142  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 184 m. w. N. 143  In zivilrechtlichen Haftungsfragen wird in der Tat die adäquate Kausalität auch in Fällen angenommen, in denen das Opfer eine Schädigungshandlungen persönliche Besonderheiten wie Vorerkrankungen aufweist, die zu besonderen Auswirkungen der Verletzungshandlung führen, vgl. BGHZ 107, 359 (363); Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16, Rn. 133; Deutsch, VersR 1993, S. 1041 (1045). 144  Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 266 f., der auch darauf hinweist, dass der Ausgleich eines aus unrechtmäßigem staatlichen Handeln resultierenden Schadens über die staatshaftungsrechtlichen Regelungen zu erfolgen hat. 145  Vgl. BVerfGE 110, 177 (191): Epping, Grundrechte, Rn. 747.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

195

Allein die Anordnung des Symbols rechtfertigt es mithin nicht, dem Staat eine konfrontationsbedingte Verkürzung der körperlichen Unversehrtheit zuzurechnen. Ein Eingriff scheidet in diesem Fall mangels Zurechenbarkeit der Grundrechtsverkürzung zum Staat aus.

(2)  Das von Staatsbediensteten getragene Symbol Wird der Bürger nicht mit einem aufgrund staatlicher Anordnung vorhandenen Symbol konfrontiert, sondern wird das Symbol von einem Menschen getragen, kommt ein Fall der Kettenverursachung in Betracht. Bei Kettenverursachungen entsteht die Freiheitsverkürzung nicht direkt durch staatliches Handeln, sondern durch das Verhalten privater bzw. nicht als staatliche Stellen einzuordnende Akteure. Deren Verhalten muss der Staat allerdings verursacht haben146. Unklar ist jedoch, unter welchen Umständen davon auszugehen ist, dass der Staat ein Verhalten anderer verursacht. Möglicherweise reicht die bloß äquivalente Kausalität des staatlichen Beitrags für eine Grundrechtsverkürzung als Zurechnungskriterium nicht aus. Liegt nach der wertungsmäßigen Betrachtung kein staatlicher Beitrag zu einer Kettenverursachung vor, kann sich ein Schutz vor den grundrechtsbeeinträchtigenden Wirkungen der Symbolkonfrontation nur aus staatlichen Schutzpflichten ergeben. Diese können den Staat verpflichten, durch gesetzliche Regelungen oder durch andere Maßnahme zu verhindern, dass seine Bediensteten religiöse Symbole tragen.

(a)  Die Konfrontation als abwehrrechtliche Problematik oder als Gegenstand einer Schutzpflicht Wann ein Sachverhalt eine abwehrrechtliche Problematik aufweist und unter welchen Umständen sich aus ihm staatliche Schutzpflichten ergeben, richtet sich grundsätzlich danach, von wem die Freiheitsverkürzung ausgeht. Staatliche Schutzpflichten werden relevant, wenn ein sogenanntes Grundrechtsdreieck vorliegt. Ist dies der Fall, ist der potentielle Widersacher der grundrechtlichen Freiheit eine Privatperson. Die Privatperson gefährdet oder verkürzt ein grundrechtlich geschütztes Gut und löst in der Folge das Bedürfnis nach Schutz aus.147 Im Gegensatz dazu werden bei einem Eingriff die Gefährdung bzw. die die Freiheitsverkürzungen hingegen vom Staat ausgelöst148. Gerade die staatliche Kettenverursachung weist Ähnlichkeiten zu einem Grundrechtsdreieck auf, sodass sich Abgrenzungsschwierigkeiten stellen. 146  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 186. 147  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX,§ 191, Rn. 5 m. Fn. 8. 148  Vgl. auch Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 388.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

Zu klären ist, ob bei der Konfrontation mit religiösen Symbolen, die vom Staatsbediensteten getragen werden, eine Kettenverursachung oder ein Grundrechtsdreieck vorliegt. Repräsentieren symboltragende Staatsbedienstete in ihrem Handeln ausschließlich den Staat, liegt eine der staatlichen Symbolanordnung vergleichbarer Situation vor. Unter diesen Umständen übte der Beamte während seiner Tätigkeit keine eigenen Freiheitsrechte aus, sondern handelte lediglich im Auftrag der Allgemeinheit und in der Verantwortung des Staates. Er wäre dann selbst grundrechtsverpflichtet, nicht aber grundrechtsberechtigt.149 Ist der Beamte hingegen als grundrechtsfähiges Subjekt anzusehen, könnte das Tragen des Symbols auch als Grundrechtsausübung und damit als Handeln einer Privatperson angesehen werden. Die Entscheidung, ob die Symbolkonfrontation gleichwohl als staatliche Maßnahme anzusehen ist, hängt dann davon ab, ob und inwieweit der Staat dieses Verhalten seiner Bediensteten (mit-)steuert. Ordnet er imperativ an, dass seine Bediensteten religiöse Symbole zu tragen haben, ist ihm Verkürzung der Rechte des Symbolbetrachters zuzurechnen, auch wenn diese direkt nur durch den Staatsbediensteten verursacht wird, der seine grundrechtliche Freiheit ausübt. Die Verantwortung dafür, dass seine eigenen Befehle durch Dritte ausgeführt werden, kann der Staat nicht auf die Befehlsadressaten abwälzen150. In diesem Fall läge in der Tat eine Kettenverursachung vor. Eine höhere praktische Relevanz dürfte aber die Konstellation haben, in der der Staatsbedienstete das Symbol aus eigenem Entschluss trägt151. Verbietet der Staat seinen Bediensteten nicht, religiöse Symbole zu tragen, könnte darin eine staatliche Duldung liegen. Fraglich ist dann, inwieweit eine Duldung als eingriffsrelevant bewertet werden kann, bzw. genauer: ob eine Duldung einen ausreichenden Verursachungsbeitrag bei einer Kettenverursachung liefert.

(b)  Bedeutung der Grundrechtsträgereigenschaft von Staatsbediensteten für die Charakterisierung der Konfrontation Für die Charakterisierung der Konfrontation ist mithin zu klären, ob Staatsbedienstete durch das Tragen religiöser Symbole grundrechtliche Freiheiten verwirklichen können. Steht das fest, kommt es des Weiteren darauf an, wie das sich auf die Grundrechtsausübung beziehende Verhalten des Staates als Dienstherr bzw. als Arbeitgeber des jeweiligen Staatsbediensteten – also beispielsweise die Duldung – aus verfassungsrechtlicher Sicht zu bewerten ist. 149 

Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 74. Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 188 m. w. N. 151  Vgl. etwa die den Kopftuchentscheidungen (BVerfGE 108, 282, und BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359) zugrunde liegenden Sachverhalte. 150 



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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(aa)  Die Grundrechtsberechtigung der Staatsbediensteten als Abgrenzungskriterium Die in staatlichen Einrichtungen tätigen Staatsbediensteten sind regelmäßig Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes. Gerade bei Beamten stellt sich die Frage, ob sie während ihrer Tätigkeit ausschließlich als Repräsentanten des Staates fungieren und damit grundrechtsverpflichtet sind152 oder ob sie während ihres Dienstes eigene grundrechtliche Freiheiten ausüben können, die im Einzelfall gegebenenfalls durch die Belange und Sachnotwendigkeiten des öffentlichen Dienstes beschränkt werden153. Ganz entscheidend dafür, den Beamten nicht nur als Repräsentanten des Staates anzusehen, spricht Art. 33 Abs. 3 S. 2 GG154. Aus der Norm ergibt sich, dass der Staat dem eingestellten Beamten die Ausübung seiner religiösen Freiheitsrechte nicht verweigern darf155. Nach der Wertung des Art. 33 Abs. 3 S. 2  GG kann der Beamte während seiner dienstlichen Tätigkeit also grundrechtliche Freiheiten ausüben. Begrenzt werden kann die Grundrechtsausübung allerdings durch Art. 33 Abs. 5 GG156 sowie selbstredend durch Schranken der Religionsfreiheit157. Insbesondere kommen hier Beschränkungen in Betracht, die dazu dienen, die Funktionsfähigkeit der jeweiligen staatlichen Einrichtung zu erhalten158. Als gesetzliche Grundlagen für solche Eingriffe dienen vor allem die allgemeinen Beamtengesetze159. Die Besonderheiten der zugrundeliegenden Konstellation – mit dem Eintritt ins Beamtenverhältnis wird die typische Distanz zwischen Staat und Bürger zumindest ein Stück weit aufgehoben – können auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung berücksichtigt werden160. Es gilt im Einzelfall anhand des Gewichts der betroffenen Güter zu entscheiden, ob sich die 152 So Hillgruber, JZ 1999, S. 543 f. m. w. N.; vgl. auch die Nachw. bei Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 73 f. 153  So BVerfGE 108, 282 (297); BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1360); Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 76 vgl. auch die Nachw. auf S. 75; jüngst etwa ArbG Berlin, Urt. v. 14. 4. 2016  – 58 Ca 13376/15, Rn. 73, juris (zu § 2 des Gesetzes zu Art. 29 der Verfassung von Berlin). 154  Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (340). 155  Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (340); Battis, in Sachs (Hrsg.), GG, Art. 33, Rn. 11 (Art. 33 Abs. 3 GG als Ergänzung zu Art. 4 GG); Michael, JZ 2003, S. 256 f.: Art. 33 Abs. 3 GG werde zur leeren Hülse, wenn Beamte im Dienst gezwungen werden, alles zu vermeiden, was auf ihre Religionszugehörigkeit rückschließen lasse. 156  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 76; so auch BVerfGE 108, 282 (289); vgl. auch Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 65. 157  In Betracht kommt hier entweder kollidierendes Verfassungsrecht, soweit Art. 4 Abs. 1 und 2  GG als vorbehaltloses Grundrecht verstanden wird (so BVerfGE 33, 23 [39 f.] oder Art. 140  GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1  WRV als Gesetzesvorbehalt (dazu Muckel, Religiöse Freiheit, S. 224 ff.). 158  BVerfGE 39, 334 (367 ff.); vgl. auch Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 190. 159  Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (341). 160  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 76.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

grundrechtliche Freiheit der Staatsbediensteten, etwa der verbeamteten Lehrkraft, gegen kollidierende Rechtsgüter, beispielsweise die Grundrechte der Schüler oder der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung, durchsetzen kann.161 Die Konfliktlösung hat sich an der Richtschnur praktischer Konkordanz zu orientieren162. Was für Beamte gilt, kann übertragen werden auf Angestellte im öffentlichen Dienst163. Üben Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes mit dem Tragen eines Symbols eigene grundrechtliche Freiheiten aus, kann sich ein Grundrechtseingriff nur ergeben, wenn mit dieser Grundrechtsausübung ein staatliches Verhalten verknüpft wird.

(bb)  Kein Eingriff durch die staatliche Duldung des Symboltragens Eine solche Verknüpfung kann sich aus einem staatlichen Befehl an die Bediensteten ergeben, religiöse Symbole zu tragen. In diesem Fall liegt ein Grundrechtseingriff in Form der Kettenverursachung vor. Regelmäßig mangelt es allerdings an einem imperativen Verhalten des Staates, mit dem er seinen Bediensteten das Tragen von religiösen Symbolen vorschreibt. So befiehlt der Staat beispielsweise der Lehrerin das Tragen eines Kopftuchs nicht. Er ermutigt sie nicht einmal hierzu164, sondern duldet ihr Verhalten allenfalls. Es liegt ein also Unterlassen vor165. Dass ein Unterlassen des Staates einen ausreichenden Verursachungsbeitrag bei einer Kettenverursachung darstellt, der dazu führt, dass die am Ende der Kette entstehende Freiheitsverkürzung ihm zuzurechnen ist, erscheint zweifelhaft.

α)  Keine Begründung der Zurechnung durch die Konvergenztheorie Die Zweifel beziehen sich schon auf die Kausalität eines Unterlassens für eine Freiheitsverkürzung166. Eine im Zusammenhang mit dem Unterlassen entstehende Grundrechtsverkürzung kann dem Staat nur zugerechnet werden, soweit die sogenannte Konvergenztheorie zugrunde gelegt wird167: Danach ist 161  Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 202, Rn. 42. 162  Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.) FS Link, S. 331 (341 f.). 163  Vgl. wiederum Haupt, Verfassungsfragen, S. 76 ff.; vgl. nunmehr auch BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10; 1 BvR 1181/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1360). 164  Goos, Das Kopftuch der Lehrerin als Rechtsproblem, S. 5, spricht von nicht vorliegender Ermutigung. 165 Vgl. Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 97; Goos, Das Kopftuch der Lehrerin als Rechtsproblem, S. 5. 166 Dazu Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 179. 167  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 256.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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der Staat notwendig in das grundrechtsbeeinträchtigende Handeln Privater verstrickt, unabhängig davon, ob er das Verhalten erlaubt, es bloß toleriert, sich durch gesetzliche Regeln, behördliche Genehmigung, gerichtlichen Anspruch oder Zwangsvollstreckung an der privaten Rechtsverletzung beteiligt oder einfach untätig bleibt168. Es gilt der Grundsatz: Was der Staat nicht ausdrücklich oder stillschweigend verbietet, erlaubt er. Resultieren aus dem erlaubten Verhalten Grundrechtsverkürzungen Dritter, so folgt aus dieser Erlaubnis die Pflicht des betroffenen Dritten, entsprechende Freiheitsverkürzungen zu dulden. Diese Duldungspflicht soll den Grundrechtsrechtseingriff darstellen. Mit der Konvergenztheorie erweist sich der Rückgriff auf etwaige staatliche Schutzpflichten folglich als unnötig. Da das beeinträchtigende Verhalten privater Dritter einen Eingriff darstellt und insofern die abwehrrechtliche Komponente der Grundrechte auf den Plan ruft, bedarf es einer Schutzpflicht nicht.169 Gegen die Konvergenztheorie spricht allerdings das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip, das durch sie praktisch „auf den Kopf gestellt“ wird170. Die Theorie beruht auf der dogmatischen Prämisse, dass die grundrechtliche Freiheit dem Staat nicht vorgegeben ist, sondern stattdessen auf seiner Delegation beruht171. Viele grundrechtliche Freiheiten werden allerdings nicht durch den Staat gewährt, sondern nur gewährleistet172. Deshalb kann der Staat aber für die Ausübung der von ihm nicht gewährten, sondern vorgefundenen und respektierten Freiheit nicht umfänglich einstehen müssen.173 Gehört das schadensverursachende Verhalten in den Bereich grundrechtlicher Freiheitsausübung, kann es dem Staat daher nicht zwangsläufig unmittelbar zugerechnet werden174. Insbesondere wenn kein aktives Verhalten des Staates in Rede steht – das in einer Erlaubnis oder Anregung unter Umständen noch erblickt werden könnte175 –, sondern ein Unterlassen, vermögen es die Abwehrrechte allein nicht, die Problematik zu lösen: Ob und wie die öffentliche Gewalt Grundrechtsverkürzungen zulässt, billigt oder in Kauf nehmen darf, kann nur aus der gerade vorgelagerten Frage beantwortet werden, ob, wie und in welchem Umfang die öffentliche Gewalt verpflichtet ist, solche Verkürzungen zu verhindern. Dem 168 Dafür: Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213 ff.; Murswiek, NVwZ 1986, 611 (612 ff.); ders., Staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 63 ff., 91 ff. 108 f. 169  Zum Ganzen ausführlich Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 256. 170  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 258. 171  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 258 m. w. N. 172  Vgl. aber Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 3 und 4, 16 a GG. 173  Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 297. 174  Langer, NVwZ 1987, 195 (196). 175  Zu beiden Instrumenten Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 85 ff.; 88 ff.

200

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

Staat als Unterlassendem ist eine Garanten- bzw. Schutzpflicht nachzuweisen, bevor er wegen duldender Untätigkeit zur Verantwortung gezogen werden kann. Allein die Duldung begründet daher keine staatliche Verantwortung.176

β)  Keine zurechnungsbegründende Funktion der Duldung aufgrund einer vorgelagerten Eingriffshandlung Die Duldung begründet im Ergebnis auch dann keine staatliche Verantwortung, wenn ihr eine staatliche Eingriffshandlung vorausgeht, obschon das auf den ersten Blick in Betracht zu kommen scheint, etwa wenn der schulpflichtige Schüler in seiner öffentlichen Schule mit einem symboltragenden Lehrer konfrontiert wird. Aufgrund der Schulpflicht, die der Staat nicht nur statuiert177, sondern deren Nichteinhaltung er auch sanktioniert178, könnte das Dulden des Symbols durch den Staat als abwehrrechtlich relevantes Verhalten zu bewerten sein179. Die Schulpflicht selbst stellt zweifellos einen Eingriff in Grundrechte dar180. Möglicherweise ist sie deshalb als Vorbedingung und Ursache sämtlicher Ereignisse anzusehen, die in der Schule während der Zeit stattfinden, in der der Schüler seine Schulpflicht erfüllt. Wäre das der Fall, könnte die Schulpflicht als andauernder Grundrechtseingriff zu verstehen sein, der sämtliche in ihrem Rahmen stattfindende Ereignisse prägte und für sie eine staatliche Verantwortung begründete, auch wenn diese Ereignisse aktiv allein durch Dritte hervorgerufen würden. In der Konsequenz wären sämtliche Freiheitsverkürzungen, die der Schüler während der Schulzeit erlebte, ohne weiteres dem Staat zuzurechnen und damit als Eingriffe zu verstehen. Das beträfe nicht nur die Fälle, in denen die Lehrkraft ein religiöses Symbol trägt, sondern auch die Fälle, in denen religiöse Symbole von Schülern getragen werden. Genauso könnte das von Mit-

176 Zum Ganzen: Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 96 f. Vgl. auch Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern in: Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 169: „Das auslösende Staatshandeln kann beliebigen Charakter haben, namentlich rechtlich regelnder oder tatsächlicher Art sein. Das weitere (Hervorhebung nur hier) Glied der Kausalkette kann auch ein Unterlassen sein (…).“ Das spricht dafür, dass ein staatliches Unterlassen keinen ausreichenden Verursachungsbeitrag bei einer Kettenverursachung darstellt. 177  Z. B. § 43 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW v. 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 2015 (GV. NRW. S. 499). 178  Vgl. nur §§ 41 Abs. 4 und 5, 126 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SchulG NRW v. 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 2015 (GV. NRW. S. 499). 179 Vgl. Borowski, Glaubensfreiheit, S. 476, Fn. 536: „Es bleibt jedoch dabei, daß der Staat dies [das Tragen des Kopftuchs durch die Lehrerin] bewußt duldet und Verstöße von Schülern und Eltern gegen die Schulpflicht sanktioniert. Dies deutet darauf hin, auch bei der Kopftuchproblematik von einer abwehrrechtlichen Problematik auszugehen.“ 180  Niehues/Rux, Schulrecht, § 2, Rn. 138; vgl. auch Koch, Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, S. 364.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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schülern ausgehende Mobbing eines Schülers, das den Schüler physisch oder psychisch schädigt, als staatlicher Eingriff anzusehen sein.181 Auf den ersten Blick erscheint es auch nicht unlogisch, einen Zurechnungszusammenhang zwischen einem staatlichen Unterlassen und einer Freiheitsverkürzung herzustellen, wenn dem Unterlassen eine staatliche Handlung vorgelagert ist, ohne die die Verkürzung der grundrechtlichen Freiheit nicht stattfinden könnte. Die staatliche Handlung wirkt in diesem Fall möglicherweise im Unterlassen fort. So ließe sich anführen, dass ohne die Schulpflicht die Schüler nicht der Konfrontation mit dem symboltragenden Lehrer ausgesetzt wären. Allerdings ermöglicht die Schulpflicht zwar die dauerhafte, gegebenenfalls unausweichliche Symbolkonfrontation. Gerade für eine Verkürzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit kommt es aber nicht zwangsläufig darauf an, ob die Konfrontation über einen längeren Zeitraum erfolgt und sich als unausweichlich darstellt. Da der Schüler einem religiösen Symbol auch auf der Straße begegnen kann, erhöht die Schulpflicht hier nicht das Risiko, dass es zu einer Verkürzung des Grundrechts kommt. Deshalb liegt es zumindest im Fall des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG fern, eine staatliche Duldungshandlung aufgrund der vorgelagerten Schulpflicht als zurechnungsbegründendes Ereignis anzusehen. Letztlich sprechen ohnehin überzeugendere Gründe dafür, dem bloß duldenden Staat eine entstehende Grundrechtsverkürzung nicht allein deshalb zuzurechnen, weil im Vorfeld der Duldung ein staatlicher Eingriff stattfand. Das gilt zumindest, wenn das schadensverursachende Verhalten Dritter in den Bereich grundrechtlicher Freiheitsausübung fällt182. Auch wenn die Schulpflicht einen Eingriff darstellt, ändert das nichts daran, dass der Staat im konkreten Fall selbst passiv bleibt. Soweit sich die Grundrechtsträger dafür entscheiden, den Raum zu nutzen, der ihnen auch im Rahmen der Schulpflicht für ihre grundrechtlichen Freiheiten verbleibt183, setzen sie einen neuen Kausalverlauf in Gang. Etwaige vorgelagerte staatliche Handlungen wirken in diesem Fall nicht mehr fort. Duldet der Staat, dass seine Bediensteten religiöse Symbole tragen, ist ihm eine davon ausgehende Verkürzung der Grundrechte Dritter daher nicht zuzurechnen. Die Duldung stellt keinen zurechnungsbegründenden Verursachungsbeitrag bei einer Kettenverursachung dar.184 181 

Vgl. auch Goos, Das Kopftuch der Lehrerin als Rechtsproblem, S. 5. Langer, NVwZ 1987, 195 (196); Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 297. 183  Vgl. dazu Thiel, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 7, Rn. 18 f. 184  Anders wohl jedenfalls im Hinblick auf die öffentliche Schule die abweichende Meinung zu BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015  – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1371 f.): „Die spezifische Situation in der Schule ist […] zum einen durch die Unausweichlichkeit, zum anderen durch den appellativen Charakter entsprechend starker religiöser Bekundungen sowie durch das besondere Abhängigkeitsverhältnis geprägt. In dieser Situation liegt es nicht fern, dass Zweifel von Schülern und Eltern an der gebotenen Neutralität der betreffenden Pädagogen aufkommen können. […] Die Würdigung des Senats, nach der es allein angemessen und zumutbar ist, wenn den Pädagogen im Schulverhältnis bei der Wahr182 Vgl.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

Gleichwohl kann sich die vom Staat statuierte und unter Umständen auch zwangsweise durchgesetzte Schulpflicht als bedeutsam für die Grundrechtsrelevanz der Symbolkonfrontation darstellen, nämlich im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten. Eine durch die Symbolkonfrontation entstehende Grundrechtsverkürzung ist zwar dem Staat nicht allein deshalb zuzurechnen, weil er eine Schulpflicht statuiert. Immerhin ermöglicht er mit der Schulpflicht aber Privaten zumindest in gewissem Rahmen, gegenseitig auf ihre Grundrechte einzuwirken. Die Schulpflicht stellt die Schüler in ein enges soziales Geflecht. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit zumindest bestimmter Grundrechtsverkürzungen erhöht. Mit der Schulpflicht schafft der Staat also eine Art grundrechtlicher Gefährdungslage. Hieraus ergeben sich staatliche Schutzpflichten für die Grundrechte der Bürger, die Handlungspflichten des Staates nach sich ziehen können185, die wiederum darauf abzielen, Grundrechtsverkürzungen der Bürger untereinander zu vermeiden bzw. gerecht auszugleichen.186 nehmung des staatlichen Erziehungsauftrags die Inanspruchnahme ihres individuellen Grundrechts auf Glaubensfreiheit in einem Maße zugestanden wird, die erst an der Schwelle zur gezielten Beeinflussung und zu einer hinreichend konkreten Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität halt macht, vernachlässigt [...] die spezifische Situation in der Schule. Denn der Staat verlangt von Schülern und Eltern die Teilnahme an der „Veranstaltung Schule“ zur Heranbildung und Erziehung junger Menschen. […] Eine Bewertung, die allein darauf abstellt, dass der Staat eine ihm unmittelbar nicht zuzurechnende individuelle Grundrechtsausübung seiner Pädagogen nur dulde und die Schüler lediglich eine bestimmte Bekleidung der Pädagogen anzuschauen hätten, die erkennbar auf deren individuelle Entscheidung zurück gehe, greift deshalb zu kurz. Eine solche vereinfachende Differenzierung zwischen dem Staat zurechenbaren Symbolen und individueller religiös konnotierter Bekleidung von Pädagogen blendet die Wirkung aus, die auch die individuelle Grundrechtsausübung einer Lehrperson auf Schülerinnen und Schüler haben kann“. Die Richter gehen in diesem Zusammenhang von einer „Garantenstellung“ des Staates aus (S. 1371). Das könnte es nahelegen, die staatliche Duldung doch als zurechnungsbegründendes Kriterium anzusehen. Dagegen spricht allerdings, dass die Ausführungen der Richter zu der „spezifischen“ Situation in der Schule, aus der sich die Garantenstellung ergeben soll, nicht zu überzeugen vermögen: So begründet die Unausweichlichkeit des Konfrontationssituation schon nicht generell eine Beeinträchtigung der Rechte der Schüler (oben C. II.1.b)bb)). Auch kann der Symbolkonfrontation nicht generell ein appellativer Charakter zugesprochen werden (oben C. II.2.c)bb)(3)(a)). Darüber hinaus sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass zwischen Schüler und Lehrer stets durch ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis gekennzeichnet ist (unten E. III.2.b)aa)(1)(b)(cc)). Es liegen mithin keine Umstände vor, aus denen sich eine „Garantenstellung“ des Staates speziell im Fall der Schule ergeben könnte. Die staatliche Duldung des Symboltragens vermag daher eine Zurechnung der Symbolkonfrontation und ihrer Folgen zum Staat nicht zu begründen. 185  Stern, DÖV 2010, 241 (244). 186  Ähnlich auch Goos, Das Kopftuch der Lehrerin als Rechtsproblem, S. 5, unter Hinweis auf BVerfGE 108, 282 (305 f.): „Duldet der Staat in der Schule eine Bekleidung von Lehrern, die diese aufgrund individueller Entscheidung tragen und die als religiös motiviert zu deuten ist, so kann dies mit einer staatlichen Anordnung, religiöse Symbole in der Schule anzubringen, nicht gleichgesetzt werden (…). Der Staat, der eine mit dem Tragen eines Kopftuchs verbundene religiöse Aussage einer einzelnen Lehrerin hinnimmt, macht diese Aussage nicht schon dadurch zu seiner eigenen und muss sie sich auch nicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.“.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

203

(cc)  Exkurs: Konfliktlösung über staatliche Schutzpflichten Die Konfrontation des Bürgers mit einem symboltragenden Staatsbediensteten berührt nach allem die Schutzpflichtendimension der Grundrechte. Die grundrechtliche Schutzpflicht vermittelt einen status positivus187. Die nach Art. 1 Abs. 3  GG in allen ihren Erscheinungen grundrechtsgebundene Staatsgewalt hat die Unversehrtheit der grundrechtlichen Güter auch zwischen Privaten zu garantieren188. Im Rahmen der Schutzpflichtendimension wird die Staatsgewalt nicht zurückgedrängt, sondern gefordert189. Die Basis der Schutzpflichtenfunktion stellen Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG sowie die objektive Wertordnung der Grundrechte als Wertentscheidungen für den gesamten Bereich der Rechtsordnung dar190. Gegenstand und Maß der jeweiligen Schutzpflicht werden durch die einzelnen Grundrechte näher bestimmt191. Die Frage, ob Schutzpflichten eine subjektiv-rechtliche Berechtigung eines Grundrechtsträgers begründen, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit beantworten192. Die inzwischen überwiegende Meinung193 geht – mit unterschiedlicher Begründung – aber von einem dem Inhalt der Schutzpflicht entsprechenden subjektiven Recht des Grundrechtsträgers auf Schutz aus194. Im Fall der Symbolkonfrontation ist also zunächst zu klären, inwieweit aus den durch sie betroffenen Grundrechten – etwa des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit – grundrechtliche Schutzpflichten zu folgen. Soweit danach eine Schutzpflicht besteht, ist deren Inhalt zu bestimmen. Ansatzpunkt der Schutzpflicht ist, wie bereits erwähnt, ein mehrseitiges Rechtsverhältnis195, das sogenannte Grundrechtsdreieck196. Die Schutzpflicht zielt primär darauf, zukünftige Grundrechtsverkürzungen zu vermeiden197. Dementsprechend entfaltet sie dann Wirkung, wenn die Verkürzung eines grundrechtlichen Schutzguts bereits eingetreten ist oder zumindest droht198. Tat187  188 

219.

189 

Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 3. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 3,

Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 3. BVerfGE 39, 1 (41 f.), 88, 203 (251); Stern, DÖV 2010, 241 (244) m. w. N.; Calliess, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 44, Rn. 5. 191  Stern, DÖV 2010, 241 (244). 192  Stern, DÖV 2010, 241 (248). 193  Vgl. die zahlr. Nachw. bei Calliess, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 44, Rn. 24, Fn. 141. 194  Calliess, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 44, Rn. 24 m. Fn. 141. 195  Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, § 69, S. 946. 196  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), § 191, Rn. 5 m.Fn. 8. 197  Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 236. 198 Vgl. Epping, Grundrechte, Rn. 124; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 218, 222, 235. 190 

204

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

bestandliche Handlung ist also eine gegenwärtige oder drohende Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten durch einen Privaten199. Die Annahme einer Schutzpflicht zieht keine direkten Rechtsfolgen in Form spezifischer Handlungspflichten nach sich, auch wenn im jeweiligen Fall eine Grundrechtsgefährdung oder Verkürzung durch Private verursacht wird. Zwar können Schutzpflichten generell staatliche Handlungspflichten nach sich ziehen200. Ob und wie der Staat bei Gefährdungen oder Verkürzungen konkret zum Handeln verpflichtet ist, ist jedoch eine andere Frage201. Eine bestehende Schutzpflicht gibt dem Staat aber nicht zwangsläufig auf, hinsichtlich jeder noch so unwahrscheinlichen Gefährdung Maßnahmen zu ergreifen202. Grundrechtliche Schutzpflichten können zudem regelmäßig nicht nur durch eine einzige bestimmte Handlung des Staates erfüllt werden. Vielmehr sind dem Staat häufig vielfältige Handlungsoptionen eröffnet. Die Schutzpflicht belässt dem Staat ein Ermessen, welche Option er wählt, um die Schutzpflicht zu erfüllen. Begrenzt wird das staatliche Ermessen durch den Gedanken der effektiven Erfüllung der Schutzpflicht. Letzterer verlangt jedenfalls einen verfassungsrechtlichen Mindeststandard an Grundrechtsschutz. Dieser wird durch das sogenannte Untermaßverbot bestimmt.203 Im Einzelfall kann sich also durchaus ergeben, dass bestimmte Gefahren aus verfassungsrechtlicher Sicht hinzunehmen sind, solange das Untermaßverbot gewahrt bleibt204. Im Rahmen des Untermaßverbots sind die Gedanken zu einer drohenden Überforderung des Staates bei sehr weitreichenden Handlungspflichten und zur grundgesetzlich vorgesehenen geringeren Distanz zwischen den Bürgern genauso zu berücksichtigen wie die geringe Wahrscheinlichkeit205, dass die Symbolkonfrontation zu einer Schmälerung der körperlichen Unversehrtheit führt. Ebenfalls zu beachten sind die Art und Schwere der (drohenden) Freiheitsverkürzung206 sowie insbesondere die betroffenen Grundrechte sowohl auf Seiten des Verursachers der Freiheitsverkürzung als auch auf Seiten des Betroffenen207. 199  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 218, 225; Epping, Grundrechte, Rn. 124. 200  Stern, DÖV 2010, 241 (244). 201  Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 107; vgl. auch Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 240: Die Kernfrage, die dem Problem des Restrisikos zugrunde liegt, ist letztlich die Frage nach Umfang und Grenzen einer Schutzpflicht. 202  Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 240 ff, v. a. 253 ff. 203  Calliess, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 44, Rn. 26; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrecht, § 191, Rn. 300 ff.; Epping, Grundrechte, Rn. 126 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 195. 204 Vgl. Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 240. 205 Vgl. Epping, Grundrechte, Rn. 128. 206  Epping, Grundrechte, Rn. 128 m.Vw. auf BVerfGE 46, 160 (164); vgl. auch Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 255. 207 Vgl. Epping, Grundrechte, Rn. 128; Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 256.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

205

Im Fall der Symbolkonfrontation ist beim Untermaßverbot danach durchaus zu beachten, dass sich das Tragen des Symbols als grundrechtlich geschütztes Verhalten darstellt. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen aber auch die besonderen Möglichkeiten, die Grundrechte der Personen einzuschränken, die sich etwa als Beamte in einem speziellen Näheverhältnis zum Staat befinden. Es gilt zu berücksichtigen, dass Staatsbedienstete gegebenenfalls stärkere Einschränkungen ihrer grundrechtlichen Freiheiten hinnehmen müssen als andere Bürger. Da die Inhaltsbestimmung der grundrechtlichen Schutzpflicht der Untersuchung der verfassungsrechtlichen Eingriffsrechtfertigung ähnelt  – in beiden Fällen sind betroffene Rechtspositionen gegenüber zu stellen und zumindest in gewissem Rahmen gegeneinander abzuwägen hat – ist auf den Inhalt der Schutzpflicht und damit auf den definitiven Schutzanspruch des Bürgers im Fall der Symbolkonfrontation erst im nächsten Kapitel einzugehen208.

(3)  Das von Mitbürgern getragene Symbol An eine staatliche Schutzpflicht ist auch in dem Fall zu denken, in dem der Bürger in öffentlichen Räumen mit Mitbürgern konfrontiert wird, die religiöse Symbole tragen – beispielsweise der Schüler in der öffentlichen Schule mit seinen Mitschülern. An dieser Stelle kann auf die soeben209 aufgezeigten Grundsätze zur staatlichen Schutzpflicht verwiesen werden, wobei etwaige Besonderheiten, wie sie für Staatsbedienstete gelten – etwa die aus dem Status als Staatsbediensteter gegebenenfalls resultierende Pflicht, Beschränkungen der Grundrechtsausübung in größerem Umfang hinzunehmen als andere Bürger – freilich nicht gelten.

(4)  Das von Staatsbediensteten oder Mitbürgern angebrachte Symbol Bezüglich eines von Staatsbediensteten oder Mitbürgern angebrachten Symbols kann mit dieser Maßgabe ebenfalls nach oben210 auf die Grundsätze zur staatlichen Schutzpflicht verwiesen werden.

cc)  Fazit: Kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit Die Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen, die Emotionen auslöst, kann das Grundrecht des Bürgers auf körperliche Unversehrtheit verkürzen. Davon ist auszugehen, wenn die Emotion in einem Zustand spürbar wird, der mit einer körperlichen Beeinträchtigung 208 

Kapitel F, dort unter II. E. III.1.c)bb)(2)(b)(cc). 210  E. III.1.c)bb)(2)(b)(cc). 209 

206

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

vergleichbar ist. Sie kann allerdings selbst im Fall staatlicher Symbolanordnung dem Staat zumeist nicht zugerechnet werden. Die Freiheitsverkürzung beruht hier sowohl auf einem Verursachungsbeitrag des Staates als auch auf einem Verursachungsbeitrag des Bürgers, wobei der Beitrag des Bürgers den des Staates regelmäßig verdrängt. Wird die Konfrontation dadurch verursacht, dass Staatsbedienstete oder Bürger in staatlichen Einrichtungen religiöse Symbole tragen, oder sie in der öffentlichen Einrichtung angebracht haben, kommt ein Grundrechtseingriff ebenfalls nicht in Betracht. Die Konfrontationssituation stellt in diesem Fall keine staatliche Maßnahme dar. Jedoch können sich aus der Schutzpflichtendimension der Grundrechte staatliche Handlungspflichten ergeben, auf die noch einzugehen sein wird211.

d)  Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Ähnlich wie im Fall der körperlichen Unversehrtheit kommt eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur in Betracht, wenn die Emotion einen seelischen Schockzustand hervorruft. Ein seelischer Schockzustand hemmt die gegenwärtige und gegebenenfalls auch die zukünftige Persönlichkeitsentfaltung. Er wird aber nur unter außergewöhnlichen Umständen durch die Symbolkonfrontation hervorgerufen. Tritt ein seelischer Schockzustand als Folge der Symbolkonfrontation auf, kommt ein Grundrechtseingriff aber auch dann nicht in Betracht, wenn das Symbol von staatlichen Stellen angeordnet wurde. Eine Zurechnung des Schockzustands zum Staat scheidet regelmäßig aus, und zwar aus den bei der Prüfung des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit genannten Gründen, vor allem des wertungsmäßig zu geringen Gewichts des staatlichen Beitrags zu dem Schockzustand. Gleiches gilt, wenn das Symbol von Bürgern oder Staatsbediensteten getragen oder angebracht wird.

e) Zusammenfassung Die Konfrontation des Bürgers mit staatlich angeordneten religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen, die negative Emotionen auslöst, stellt in aller Regel keinen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Auch liegen keine Grundrechtseingriffe vor, wenn die emotionsauslösende Symbolkonfrontation dadurch verursacht wird, dass Staatsbedienstete oder Bürger religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen tragen oder anbringen. Im letzteren Fall ist vielmehr die Schutzpflichtendimension der jeweiligen Grundrechte berührt. 211 

Kapitel F, dort unter II.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

207

2.  Betroffene Grundrechte bei der einstellungsändernden Symbolkonfrontation Weiterhin ist zu untersuchen, inwieweit die einstellungsändernde Symbolkonfrontation Grundrechtseingriffe begründen kann.

a)  Regelmäßig keine Verletzung der Menschenwürde durch die Konfrontationssituation Wie bereits in Kapitel D beschrieben, kann die einstellungsändernde Symbolkonfrontation nur dann eine Verletzung der Menschenwürdegarantie begründen, wenn staatliche Stellen sie gezielt dazu nutzen, den Symbolbetrachter ohne oder gar gegen seinen Willen zu manipulieren. Eine entsprechende Intention dürfte allerdings bei staatlich angeordneten Symbolen zumeist nicht vorhanden bzw. nachzuweisen sein. Insgesamt verletzt die einstellungsändernde Symbolkonfrontation die Würde des Symbolbetrachters damit regelmäßig nicht.

b)  Eingriff in die Glaubensfreiheit Die einstellungsändernde Symbolkonfrontation könnte allerdings einen Eingriff in die Glaubensfreiheit darstellen.

aa)  Freiheitsverkürzung durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen Das Schutzgut der Glaubensfreiheit bildet die auf religiöse Einstellungen bezogene Willensfreiheit. Die Willensfreiheit lässt sich in zwei Komponenten aufspalten: Die Auswahlfreiheit, die sich auf die Auswahl religiöser Informationen als Sozialisationseinflüsse bezieht, und die Willensfreiheit im engeren Sinne, die die Verarbeitung dieser Einflüsse betrifft. Nach den bisherigen Erkenntnissen können beide Komponenten der Glaubensfreiheit tatsächlich verkürzt werden. Diese Freiheitsverkürzungen werden allerdings durch unterschiedliche Wirkungen und Folgen der Konfrontationssituation verursacht. Im Folgenden sind deshalb beide Komponenten getrennt voneinander auf Eingriffsmöglichkeiten zu untersuchen.

(1)  Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne durch einstellungsändernde Prozesse Die menschliche Willensfreiheit zeigt sich darin, dass der Mensch seine Entscheidungen zumindest teilweise durch rationale Überlegungen, Argumente und Gründe steuern und beeinflussen kann. Von einer freien Willensentscheidung ist danach auszugehen, wenn der Mensch vor einer Entscheidung innehalten und überlegen kann, was er in der gegebenen Situation tun sollte,

208

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

sich dabei an seinen inneren Motiven orientieren kann und auf dieser Basis zu einem Ergebnis – seiner Entscheidung – gelangt.212 Die für einen Grundrechtseingriff erforderliche Freiheitsverkürzung setzt danach voraus, dass die Fähigkeit des Menschen, sich rationale Prozesse bei seinen Entscheidungen zunutze zu machen, gestört, umgangen oder überwunden wird.

(a)  Keine Freiheitsverkürzung durch gedankenanregende Prozesse Das geschieht insbesondere durch affektiv wirkende einstellungsändernde Einflüsse. Affektive Prozesse sind häufig nicht rational steuer- oder beeinflussbar und können dementsprechend ein rationales Handeln verhindern. Bei einstellungsändernden Einflüssen, die die kognitive Ebene betreffen, sieht es anders aus: So entsteht etwa bei der kognitiven Reaktion die Einstellungsänderung mittels aktiven Denkens. Der Menschen setzt dabei aufgenommene Informationen aktiv mit seinem vorhandenen Wissen und seiner Einstellung gegenüber dem Gegenstand der Botschaft in Beziehung.213 Dadurch generiert er neue Gedanken214 und entwickelt Argumente. Es finden also rationale Prozesse statt. In dem gedanklichen Vorgang, in dem neue Informationen und das vorhandene Wissen zueinander in Beziehung gesetzt werden, kommt der freie menschliche Wille gerade zur Geltung. Die menschliche Willensfreiheit wird mithin nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Mensch durch äußere Einflüsse dazu angeregt wird, aktiv nachzudenken. Vielmehr handelt es sich bei den angeregten gedanklichen Prozessen gleichsam um die Werkzeuge des menschlichen Willens. Auch wenn sich die gedankenanregende Symbolkonfrontation als staatliche Maßnahme darstellt, begründet sie also keinen Eingriff in die Willensfreiheit im engeren Sinne215. Es fehlt in diesem Fall an einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten und damit an einer – neben der staatlichen Verantwortlichkeit in jedem Fall notwendigen – Voraussetzung des Eingriffs.

(b)  Verkürzungen der Willensfreiheit durch affektiv wirkende Prozesse Einstellungsändernde Prozesse, die auf der affektiven Ebene wirken, können die Willensfreiheit im engeren Sinne hingegen verkürzen. Solche Prozesse stel-

212 

Vgl. oben D. IV. 2.b)bb)(2)(a) und (b). Bohner, in: Stroebe/Jonas/Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie, S. 280 f. 214 Vgl. Bohner/Wänke, Einstellungsänderung, in: Bierhoff/Frey (Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie, S. 416. 215  Für die Auswahlfreiheit könnte hingegen eine andere Bewertung angezeigt sein, vgl. unten E. III.2.b)aa)(2). 213 



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

209

len die Konditionierung216, der Mere-Exposure-Effekt217 sowie in gewissem Umfang auch das Modelllernen218 dar.

(aa)  Niederschlag der Konditionierung in der religiösen Einstellung allenfalls bei extremen Umweltreizen Treten im Zusammenhang mit der Symbolkonfrontation positive oder negative Reize auf, können sie mit dem Symbol assoziiert werden. In diesem Fall findet eine klassische oder operante Konditionierung statt, das sogenannte Reiz-­Reaktionslernen. Die Konditionierung verläuft regelmäßig unbewusst219. Rationale Prozesse spielen bei ihr keine oder allenfalls eine untergeordnete Rolle. Da der Mensch den Konditionierungsvorgang zumeist nicht wahrnimmt, kann er sich seiner regelmäßig auch nicht erwehren. Folglich verläuft die Konditionierung vorwiegend ohne den Willen des Menschen, unter Umständen sogar gegen seinen Willen ab. Dementsprechend kann die Konditionierung die menschliche Willensfreiheit verkürzen. Unklar ist allerdings, ob sich solche Verkürzungen des freien Willens tatsächlich in einer religiösen Einstellung niederschlagen können. Religiöse Einstellungen entstehen durch die religiöse Sozialisation und damit in einem komplexen Prozess. Eine Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne und damit der Glaubensfreiheit liegt nur vor, wenn die Konditionierung den komplexen Sozialisationsprozess dergestalt beeinflusst, dass religiöse Einstellungen gebildet oder verändert werden220. Es reicht nicht aus, wenn einzelne Meinungen oder emotionale Empfindungen verändert werden221. Dass die durch die Symbolkonfrontation verursachte Konditionierung sich tatsächlich in der Weise auswirkt, dass sie einen religiösen Glauben hervorruft oder verändert, ist zweifelhaft: Das ergibt sich bereits daraus, dass religiöse Einstellungen auf drei Komponenten basieren und sich die Konditionierungsprozesse daher auf alle Ebenen auswirken müssten222. Dass die Konditionierung als auf der affektiven Ebene wirkender Prozess auch etwa die kognitive Komponente einer religiösen Einstellung verändern kann, ist aber zweifelhaft. Eine Einstellungsänderung käme dann allenfalls bei Personen in Betracht, 216 

Oben C. II.2.c)aa)(1). Oben C. II.2.c)aa)(2). 218  Oben C. II.2.c)aa)(4). 219  Gründer/Benkert, Handbuch der Psychopharmakotherapie, S. 581. 220  Das gilt auch für eine eventuelle eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung: Diese setzt zwar keine vollendete Freiheitsverkürzung voraus, wohl aber die Gefahr einer solchen. 221  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 10; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG; Bd. I, Art. 4, Rn. 66. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2, Rn. 69 m. zahl. N. zur Rspr. und Lit. in Fn. 307. 222  Vgl. Kapitel C, dort II.2.c). 217 

210

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

deren religiöse Einstellung überwiegend affektiv basiert ist. Aber auch davon abgesehen ist zu beachten, dass es sich bei der religiösen Sozialisation um einen vielschichtigen, zum sehr langwierigen Prozess handelt, in dem der Mensch durch sehr verschiedene Einflüsse und Instanzen geprägt wird, vor allem aber von seinem familiären Umfeld. Vor diesem Hintergrund ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine aufgrund der Symbolkonfrontation stattfindende Konditionierung den bereits inhaltlich vor allem durch das familiäre Umfeld geprägten Sozialisationsprozess umlenkt. In diesem Fall müsste die Konditionierung schließlich die Eindrücke und die Lernerfolge sämtlicher vorangegangener Sozialisationsschritte verdrängen. Nimmt ein Schüler am Schulunterricht nur ungern teil, etwa weil ihn der Unterricht langweilt oder überfordert, entwickelt er regelmäßig nicht schon allein deshalb eine a- oder anti-religiöse Einstellung, weil sich im Klassenzimmer beispielsweise ein Kreuz befindet. Zwar lösen die vom Unterricht ausgehenden Reize gegebenenfalls negative Emotionen aus, sodass in der Symbolumgebung negative Reize vorhanden sind und damit theoretisch die Voraussetzungen einer Konditionierung gegeben sind. Gleichwohl dürften diese negativen Reize im Vergleich mit den Reizen etwa des familiären Umfelds regelmäßig nicht so stark sein, dass sie die Eindrücke des familiär geprägten Sozialisationsprozesses unterdrücken können. Eine Änderung religiöser Einstellungen kommt demnach nur unter atypischen Umständen in Betracht. Dazu zählt etwa der Fall, in dem einem Reiz in der Symbolumgebung ein überragendes Gewicht zukommt. Das gilt etwa, wenn die Symbolkonfrontation im Rahmen eines für den Menschen identitätsprägenden Ereignisses stattfindet. Hierzu zählt beispielsweise die drohende strafrechtliche Verurteilung in einem Gerichtsverfahren. Das Beispiel des Schülers, in dessen Klassenzimmer ein Kreuz angebracht ist, lässt sich ebenfalls dahingehend abwandeln: Für einen Schüler, der während des Unterrichts ständig Misserfolge erlebt und der dadurch emotional stark belastet wird, kann der Aufenthalt in der Schule ein emotional einschneidendes Erlebnis darstellen. Je bedeutsamer sich das Erlebnis für ihn darstellt, desto bedeutsamer stellen sich auch die im Zusammenhang mit dem Erlebten auftretenden Reize dar. In der Folge können andere Reize bzw. Lernerfahrungen des Sozialisationsprozesses zurückgedrängt werden. Gegenüber der nach allem dennoch wenig wahrscheinlichen konditionierungsbedingten Wende des religiösen Sozialisationsprozess erscheint die Wahrscheinlichkeit größer, dass die durch die Symbolkonfrontation ausgelöste Konditionierung den bisherigen Sozialisationsverlauf verstärkt. Eine bereits angelegte oder bestehende religiöse Einstellung kann dadurch intensiviert werden, dass ein für die Religion stehendes Symbol in einem positiven Kontext angetroffen wird. Gleiches gilt im umgekehrten Fall. Auch eine Initialzündung der



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

211

Fragen religiöser Einstellungen ist denkbar.223 Vor dem Hintergrund des an den Staat gerichteten Gebots religiös-weltanschaulicher Neutralität  – auf dessen Einhaltung allerdings kein subjektives Recht besteht224 – ist zweifelhaft, ob der Staat seine Bürger in ihrer religiösen Einstellung bestärken darf. Extrem intensivieren wird sich eine religiöse Einstellung allerdings auch in diesem Fall nur unter außergewöhnlichen Umständen. Ansonsten dürfte eine Intensivierung nicht oder kaum messbar sein. Eine Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne ist damit zumeist nicht nachzuweisen. Hinzu kommt, dass die Einstellungsintensivierung bei einem entsprechenden Sozialisationsverlauf vom Symbolbetrachter regelmäßig nicht als Grundrechtsverkürzung empfunden und entsprechend nicht beklagt werden wird. Die durch die Symbolkonfrontation verursachte (klassische) Konditionierung kann damit zwar die auf religiöse Einstellungen bezogene Willensfreiheit des Menschen beeinträchtigen. Hierzu kommt es allerdings nur unter atypischen Umständen. Ein Grundrechtseingriff hängt darüber hinaus zusätzlich davon ab, dass die Symbolkonfrontation dem Staat zurechenbar ist. Hierauf wird noch einzugehen sein225.

(bb)  Keine relevante Verkürzung des freien Willens durch den Mere-Exposure-Effekt Dass der Mere-Exposure-Effekt226 eine Verkürzung der auf religiöse Einstellungen gerichteten Willensfreiheit darstellt, ist zweifelhaft. Zwar dürfte der Effekt unbemerkt und damit willensunabhängig stattfinden, was eine Verkürzung der Willensfreiheit nahelegt. Unwahrscheinlich ist allerdings, dass sich der Effekt tatsächlich auf eine religiöse Einstellung auswirkt. Das liegt schon darin begründet, dass sich der Effekt häufig nach einiger Zeit von selbst wieder aufhebt, da die anfangs als angenehm empfundene Gewohnheitsbildung nach einiger Zeit als langweilig empfunden wird.227 Allenfalls scheint aufgrund des Gewöhnungseffekts durch die andauernde Konfrontation langfristig eine negative Einstellung zu dem Objekt denkbar. Zweifelhaft ist aber insbesondere, ob sich der Effekt tatsächlich auf eine religiöse Einstellung auswirkt, weil es sich bei der religiösen Einstellung um eine komplexe Einstellung handelt. Zwar mögen sich der religiöse Glaube oder andere religiöse Einstellung in einem religiösen Symbol dergestalt abbilden lassen, dass sie ein entsprechendes Interpretationsangebot liefern. Dass der bloß mehrfache Anblick eine neue religiöse Einstellung hervorruft oder eine schon bestehende Einstellung ändert, liegt aber 223 

Vgl. dazu C. II.2.c)cc)(3)(a)(bb) sowie C. II.2.c)cc)(4). Vgl. dazu D. V. 4. 225  Unten E. III.2.b)bb). 226  Oben C. II.2.c)(aa)(2). 227  Oben C. II.2.c)(bb)(2). 224 

212

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

fern. Eine religiöse Einstellung stellt sich als Resultat eines vielschichtigen Prozesses dar. Wie schon bei der Konditionierung erläutert, nehmen einzelne Ereignisse lediglich unter außergewöhnlichen Umständen eine Schlüsselfunktion im Sozialisationsprozess ein. Das gilt namentlich in Fällen, in denen sie an Ereignisse gekoppelt sind, die die Persönlichkeit und gegebenenfalls den weiteren Lebensverlauf des Symbolbetrachters erheblich verändern. Der bloß mehrfache Anblick eines Symbols und eine dabei empfundene Langeweile, die sich infolge der Gewöhnung an das Symbol einstellen kann, begründen keine derartigen außergewöhnlichen Umstände. Aus den gleichen Gründen wird eine schon bestehende Einstellung durch den Mere-Exposure-Effekt nicht verändert werden können, auch wenn es generell nicht ausgeschlossen ist, dass der Effekt auch bei Objekten stattfindet, zu denen schon eine Vorstellung besteht228. Der Mere-Exposure-Effekt stellt damit keine für die Glaubensfreiheit relevante Verkürzung des freien Willens dar. Allein aus der Tatsache, dass eine Konfrontation mehrfach stattfindet, ergibt sich noch keine solche Verkürzung.

(cc)  Verkürzung des freien Willens durch das Modelllernen nur im Fall einer stark emotional geprägten Beziehung zwischen Betrachter und Modellperson Das Modelllernen kann eine Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne nur begründen, wenn es nicht als rein kognitiver, sondern auch als affektiver Prozess anzusehen ist. Tatsächlich kann das Modelllernen zwischen den kognitiven und affektiven Prozessen angesiedelt werden. Neben rationalen Prozessen  – der Mensch macht sich beim Modelllernen etwa seine Fähigkeiten zum Erinnern und zum Schlussfolgern zunutze229 – sind auch emotionale Aspekte für das Modelllernen bedeutsam. Die Aspekte betreffen vor allem das Verhältnis zwischen der Modellperson und dem Lernenden. Ist das Verhältnis emotional positiv oder negativ ausgeprägt, können die auftretenden Emotionen die rationalen Vorgänge beeinflussen. Die rationalen Vorgänge können in der Folge ihren rationalen Charakter (teilweise) verlieren und stattdessen emotional aufgeladen werden. Da das Modelllernen damit jedenfalls auch als affektiver Prozess zu betrachten ist, ist nicht auszuschließen, dass in seinem Rahmen Verkürzungen der Willensfreiheit im engeren Sinne stattfinden können. Eine Willensverkürzung durch das Modelllernen kommt im Zuge der Symbolkonfrontation in Betracht, wenn ein religiöses Symbol von einem Menschen verwendet wird, dem eine Vorbildfunktion zukommt. Wie bereits erwähnt, können getragene religiöse Symbole die Einstellung ihres Trägers nach außen transportieren. Nimmt der Symbolträger eine Vorbildfunktion ein, kann der Beobachtende aufgrund dessen diese Einstellung übernehmen. Unter welchen Um228  229 

Oben C. II.2.c)(aa)(2). Gerrig, Psychologie, S. 231 f.; Bandura, Sozial-kognitive Lerntheorie, S. 34 ff.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

213

ständen es dazu kommt, hängt insbesondere davon ab, wie sich die Beziehung zwischen Symbolbetrachter und Symbolträger darstellt. Ist sie von positiven Emotionen geprägt, ist die Übernahme der symbolisierten Einstellung deutlich wahrscheinlicher als im umgekehrten Fall230. Eine von positiven oder negativen Emotionen geprägte Beziehung zwischen Symbolbetrachter und Symbolträger schließt allerdings noch nicht aus, dass der Lernvorgang (auch) durch rationale Verarbeitung geprägt wird. Je intensiver die Lernvorgänge durch Emotionen geprägt werden, desto eher ist allerdings davon auszugehen, dass ein in ihrem Rahmen stattfindender Einstellungserwerb nicht aus rationalen Erwägungen heraus stattfindet. Im Fall einer stark emotional geprägten Beziehung kann die den Willen kennzeichnende Rationalität zurücktreten. Der Lernende entscheidet sich dann vor allem dafür, eine Einstellung zu übernehmen, weil er sich der Vorbildperson emotional verbunden fühlt, und nur nachgelagert deshalb, weil er die Einstellung inhaltlich für schlüssig, erstrebenswert und seinen Neigungen entsprechend hält. Regelmäßig verfügt der Mensch über ein großes Spektrum an potentiellen Modellpersonen. Wie auch im Fall der Konditionierung kommt eine sich auf religiöse Einstellungen auswirkende Verkürzung des freien Willens daher nur unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht: Die Beziehung zur Modellperson muss eine solche emotionale Intensität aufweisen, dass die Beziehungen zu anderen Modellpersonen und die davon ausgehenden Lernerfahrungen in den Hintergrund gedrängt werden. Dieses Erfordernis reduziert das Spektrum potentieller Modellpersonen und damit die Möglichkeiten einer Willensverkürzung in Fragen religiöser Einstellungen. Eine herausragende Vorbildfunktion kommt vor allem den Eltern zu. Deren Einflussnahme ist wegen des elterlichen Rechts zur religiösen Erziehung aus Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG aus verfassungsrechtlicher Sicht regelmäßig unproblematisch231. Dass eine andere Person eine ähnliche Vorbildfunktion einnimmt, wird nur selten der Fall sein. Solche Fälle sind regelmäßig gekennzeichnet durch ein intensives emotionales Abhängigkeitsverhältnis einer Person zu einer Vorbildperson. Denkbar erscheint etwa, dass ein Kind, dem es an Zuwendung im Elternhaus mangelt, in seinem einfühlsamen Lehrer eine Bezugsperson erblickt und eine intensive emotionale Beziehung zu ihm aufbaut. Dann ist nicht auszuschließen, dass das Kind die erkennbaren Einstellungen des Lehrers übernimmt, wie andere Kinder die Einstellung ihrer Eltern übernehmen. Je stärker eine Person auf die Zuwendung einer anderen Person angewiesen ist – etwa aus einer per230  Schon in Kapitel C, dort II.2.c)aa)(4) sowie II.2.c)cc)(3)(a)(aa)α) wurde darauf hingewiesen, dass das Familienklima bedeutsam für die Frage ist, ob Kinder die religiösen Einstellungen ihrer Eltern übernehmen. Je wärmer die Kinder das Familienklima und je partnerschaftlicher sie die Beziehung zu ihnen einschätzen, umso wahrscheinlicher übernehmen sie den Glauben ihrer Eltern, Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 99 f. 231  Vgl. schon oben D. IV. 2.b)bb).

214

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

sönlichen Unsicherheit oder einer Hilfsbedürftigkeit heraus –, desto eher wird sie sich in Ermangelung von Zuwendung Bezugs- und Vorbildpersonen suchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lernen am Modell stattfindet, dürfte demnach bei jüngeren Kindern häufig größer sein als bei Jugendliche und Erwachsenen, weil sie in größerem Umfang Zuwendung und Unterstützung benötigen. Zwar kann bei jüngeren Kindern bezweifelt werden, dass sie überhaupt schon dazu fähig sind, religiöse Symbole zu erkennen und eigene religiöse Einstellungen zu entwickeln232. Ausschließen lässt sich eine entsprechende Fähigkeit des Kindes, wie Haupt umfassend untersucht hat, jedoch nicht233. Hierfür spricht auch, dass Kinder häufig die religiösen Einstellungen ihrer Eltern übernehmen234. Das verdeutlicht, dass Kinder durch andere Personen religiös geprägt werden können. Was für ein positiv geprägtes Näheverhältnis gilt, gilt im Übrigen umgekehrt auch für eine durch stark negative Emotionen gekennzeichnete Beziehung. Eine solche Beziehung kann dazu führen, dass der Symbolbetrachter eine negative Einstellung gegenüber der symbolisierten Religion entwickelt. Aus praktischer Sicht ist es danach unwahrscheinlich, dass beispielsweise ein Schüler in der Folge der Konfrontation mit seiner kopftuchtragenden Lehrerin deren religiöse Einstellung übernimmt, jedenfalls soweit diese von der Einstellung abweicht, die ihm sein Elternhaus vermittelt. Zwar liegen bislang – soweit ersichtlich – keine Studien vor, wie sich der Einfluss symboltragender Lehrer auf Kinder auswirkt, die von ihren Eltern religiöse oder auch anti-religiös erzogen werden. Dennoch sprechen überzeugende Gründe dafür, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kind anders zu bewerten ist als die Beziehung zwischen Kind und Lehrer. Eltern und Familienmitglieder bauen eine intensive und vielschichtige Beziehung zu dem Kind auf und prägen die Entwicklung des Kindes umfassend. Eine ähnliche Tiefe dürfte das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern regelmäßig nicht aufweisen, auch wenn eine Vorbildfunktion des Lehrers und eine positive emotionale Beziehung aus pädagogischen Gründen vom Lehrer angestrebt werden sollte235. Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen dem Bürger und sonstigen Staatsbediensteten, das regelmäßig nicht einmal einen dem Schüler-Lehrer-Verhältnis ähnlichen Charakter erreichen wird. Wie auch im Fall der Konditionierung kommt nach allem eine glaubensfreiheitsrelevante Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne nur in Extrem232  Zum Symbolverständnis bei Kindern ausführlich Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 29 ff.; vgl. auch Grom, Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 91. 233  Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 40, 144 f. 234  Grom, Religionspsychologie (1992), S. 22; ders., Religionspsychologie, S. 263; ders., Religionspädagogische Psychologie (2000), S. 86 f.; vgl. auch Schröder, Religionspädagogik, S. 334 f., 430 ff., Weidmann, in: Baumgartner/Wehrle/Werbick (Hrsg.), Glauben lernen, S. 19 (24); Biesinger/Hiller/Stehle, in: Biesinger/Edelbrock/Schweitzer, Auf die Eltern kommt es an!, S. 20 f. 235  Vgl. BVerfGE 108, 282 (330).



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

215

fällen in Betracht236. Wann genau ein solcher Extremfall vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

(2)  Verkürzung der Auswahlfreiheit durch einstellungsändernde Prozesse regelmäßig nur bei auffälligen Symbolen Die Glaubensfreiheit, die auf den Schutz der Selbstbestimmung in Fragen religiöser gerichtet ist, gewährleistet nicht nur die Willensfreiheit im engeren Sinne, sondern darüber hinaus auch eine Informationsauswahlfreiheit. Die Auswahlfreiheit umfasst das Recht des Bürgers, selbst zu entscheiden, welche Einflüsse er gedanklich verarbeitet und damit in die informative Willensgrundlage einbezieht, die die Basis seiner religiösen Einstellung bildet. Auch der Symbolkonfrontation ist ein Informationsgehalt zuzusprechen. Eine Verkürzung der Auswahlfreiheit kann insbesondere durch Prozesse erfolgen, die auf der kognitiven Ebene wirken. Obgleich die Intensität einer Maßnahme kein generelles Kriterium für Grundrechtsverkürzungen darstellt, liegt es bei der Auswahlfreiheit dennoch nahe, für ihre Verkürzung an ein Intensitätskriterium anzuknüpfen. Für die Frage, wann die Auswahlfreiheit verkürzt wird, kommt es nämlich darauf an, mit welcher Intensität die Information die gedankenanregende Wirkung fördert bzw. fordert, und ob sie dabei die Stufe eines gedanklichen Zwangs erreicht. Das folgt daraus, dass die Gedankenanregung sich zwar nicht grundsätzlich, aber doch unter gewissen Umständen eine Freiheitsverkürzung begründen kann: Die menschlichen Gedanken konstituieren die Basis für die Willens- und Einstellungsbildung. Die von außen kommende Gedankenanregung durch Information kann sich sowohl als Instrument der Freiheit als auch als Instrument des Zwangs darstellen. Um sich überhaupt Meinungen und Einstellungen bilden zu können, bedarf der Mensch einer gedanklichen Grundlage, die auch durch äußere gedankenanregende Einflüsse konstituiert wird. Dementsprechend darf der grundrechtliche Schutz durch die Auswahlfreiheit nicht so weit gehen, dass er den Menschen vor jeglicher Information bewahrt, weil eine (Auswahl-)Freiheit dann nicht mehr besteht. Indessen muss der Mensch darüber bestimmen können, welche gedankenanregenden Möglichkeiten er nutzen will und mit welchen Informationen er sich nicht näher beschäftigen will. Das unter dem Gesichtspunkt der Informationsund Meinungsfreiheit bestehende Erfordernis, Information zur Kenntnis zu nehmen, darf nicht in einen Zwang zur Informationsverarbeitung umschlagen, das heißt in einen Zwang, sich gedanklich mit Informationen auseinander236  In diesen Fällen stellt sich die Beeinträchtigung des Willens zwar als direkte Konsequenz des Näheverhältnisses dar. Das Symbol fungiert allerdings als Hinweis auf die Einstellung des Symbolträgers, sodass der Symbolkonfrontation eine entscheidende Rolle für eine eventuell stattfindende Einstellungsänderung zukommt. Wann genau ein Extremfall vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

216

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

zusetzen. Wann eine Information zwanghaft wirkt, hängt davon ab, ob und inwieweit der Mensch die gedankenanregende Wirkung beeinflussen kann und dem Informationsgehalt geistig ausweichen kann. Dabei geht es letztlich um die Wirkungsintensität der Information.237 Eine Verkürzung der Auswahlfreiheit liegt damit jedenfalls vor, wenn ein rechtlicher Zwang zur Informationsaufnahme besteht, wie im Fall der Schulpflicht oder der Vorladung zum Verkehrsunterricht238. In diesen Fällen wird der Bürger dazu verpflichtet, sich mit bestimmten Informationen geistig auseinanderzusetzen. Im Fall der Symbolkonfrontation kommt allerdings kein rechtlicher, sondern lediglich ein faktischer Zwang in Betracht239. Die Frage, wann ein solcher Zwang angenommen werden kann, hängt von der Art der Information ab. Ein geistiges Ausweichen wird dem Bürger regelmäßig möglich sein und auch leicht fallen, wenn er nach der Kenntnisnahme der Information vermeiden kann, diese weiterhin wahrzunehmen. Dadurch wird die aus der Wahrnehmung resultierende gedankenanregende Wirkung der Information verringert bzw. gehemmt. Regelmäßig lässt sich die Wahrnehmung visueller Informationen, zu denen religiöse Symbole zählen240, einfacher vermeiden als die Wahrnehmung akustischer Informationen: Während ein Wegsehen häufig schon durch eine nur geringfügige Verlagerung des Blicks möglich ist, erfordert ein Weghören regelmäßig aufwändigere Maßnahmen.241 Solche Maßnahmen können den Menschen zudem daran hindern oder es ihm zumindest erheblich erschweren, daneben andere Tätigkeiten auszuüben242. Aber auch wenn sich die optische Wahrnehmung einer Information nicht vermeiden lässt – etwa weil das Symbol im Klassenraum direkt über der Tafel angebracht ist, die der Schüler während des Unterrichts zu betrachten hat – folgt daraus nicht zwangsläufig, dass ein geistiges Ausweichen unmöglich ist. Der Mensch verfügt grundsätzlich über die Fähigkeit, seine Gedanken zu steuern. Dementsprechend kann er sich auf eine Information konzentrieren oder aber seine Gedanken von ihr weg auf andere Ereignisse lenken. Das gilt vor allem, wenn in der Umgebung weitere Reize vorhanden sind, die es ihm ermöglichen und erleichtern, sich abzulenken. Während des Schulunterrichts sind hier etwa die im Unterricht vermittelten Informationen oder sonstige visuelle Reize im Raum zu nennen. 237 

Vgl. auch Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 138 f. Kloepfer, Produkthinweispflichten als Verfassungsfrage, S. 67; vgl. auch Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 137. 239  Dazu auch Kloepfer, Produkthinweispflichten als Verfassungsfrage, S. 68 ff.; vgl. auch Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 137 f. 240  Vgl. auch Jestaedt, JRP 1995, 237 (248). 241 Ähnl. Kloepfer, Produkthinweispflichten als Verfassungsfrage, S. 68 f.;. vgl. bereits C. I., sowie Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (1341). 242  Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (1342). So wird sich auch etwa die Teilnahme am Unterricht in diesem Fall schwierig gestalten. 238 



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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Inwieweit sich der mit einem religiösen Symbol konfrontierte Bürger von der Konfrontation ablenken kann, hängt insbesondere davon ab, wie auffällig sich das Symbol darstellt. Je auffälliger ein Symbol in visueller Hinsicht ist, desto schwieriger ist es für den Symbolbetrachter, wegzusehen oder sich abzulenken und über etwas anderes nachzudenken. Visuell auffällig kann ein Symbol etwa sein, wenn es eine besonders groß ist243 oder mehrfach im Raum vorhanden ist. Zudem kann der Ort, an dem es platziert ist, bedeutsam sein. Befindet es sich im Schulunterricht über der Tafel, an der für den Unterricht wesentliche Dinge festgehalten werden, ist es regelmäßig schwieriger, wegzusehen oder das Symbol zu ignorieren, als wenn es an der Seite des Klassenraums angebracht ist. Ein unauffälliges Symbol, das außerhalb des typischen räumlichen Blickfelds angebracht ist, stellt daher keine Verkürzung der Auswahlfreiheit dar. Gleiches gilt für unauffällige im Blickfeld des Bürgers angebrachte Symbole.244 Hingegen liegt bei auffälligen, im Blickfeld des Bürgers angebrachten Symbolen eine Verkürzung der Auswahlfreiheit regelmäßig vor. Eine andere Bewertung ist auch nicht angezeigt, wenn Symbole von Staatsbediensteten oder anderen Bürgern getragen werden, mit denen der der Bürger in staatlichen Einrichtungen in Kontakt treten muss bzw. typischerweise in Kontakt tritt245, etwa in der Schule mit der Lehrperson oder im Gerichtssaal mit dem Richter. Der dadurch begründete zumindest faktische Zwang zum Anblick verlangt dem Bürger zwar eine ständige Kenntnisnahme des Symbols ab. Letztlich liegt hier aber keine andere Situation vor als bei einem Symbol, das im Blickfeld des Bürgers angebracht ist. Die dauerhafte Kenntnisnahme der Information zwingt den Bürger noch nicht dazu, sich geistig mit dem Symbol auseinanderzusetzen, es inhaltlich zu bewerten, mit seiner eigenen religiösen Ansicht abzugleichen oder letztere gar zu hinterfragen.246 Auch kann er sich von der Symbolkonfrontation ablenken, indem er sich etwa auf den Schulunterricht

243  Insoweit kann die Argumentation der Beschwerdeführer im Kruzifixbeschluss als plausibel bewertet werden – das Kruzifix hatte hier immerhin eine Höhe von 80 cm, vgl. BVerfGE 93, 1 (3). Gleiches gilt im Hinblick auf die Entscheidung zum Kreuz im Gerichtssaal (hier betrug die Höhe des Kreuzes etwa 75 cm, vgl. BVerfGE 35, 366 [367]). 244 Ähnlich Muckel, KuR 1996, 76; vgl. insoweit auch den Bericht, wie ein Konflikt um das Kruzifix in einer bayrischen Grundschule gelöst wurde: „Christus seitlich. Pragmatische Lösung für das Kruzifix“, in: Die Zeit Nr. 44 v. 27. 10. 1995: Ein an der Stirnwand des Klassenzimmers angebrachtes Kruzifix wurde durch ein korpusloses Keramikkreuz ersetzt; das Kruzifix wurde seitlich und etwas nach hinten versetzt angebracht. 245  Die Fragen der Zurechnung einer eventuellen Beeinträchtigung sollen an dieser Stelle noch zurückgestellt werden, hierzu sogleich F. III.2.b)bb). 246  Etwas anderes gilt nur, wenn die Aufmerksamkeit des Bürgers aktiv auf das Symbol gelenkt wird, beispielsweise durch Erklärungen und Aufforderungen des Lehrers. Auch hier hängt es aber von der Anordnung im Einzelfall ab, ob tatsächlich eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Symbol gefordert wird – so etwa, wenn das Symbol zum Unterrichtsgegenstand gemacht wird, über den sich Schüler informieren müssen.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

oder auf den Verlauf des Gerichtsverfahrens konzentriert.247. Etwas anderes gilt wiederum, soweit das getragene Symbol sich als besonders auffällig darstellt, oder aber wenn zwischen dem Bürger und Symbolträger eine besonderes Näheverhältnis besteht. Dann kann es dem Bürger ungleich schwerer fallen, sich abzulenken. Insoweit ist auf die Grundsätze des Modelllernens zu verweisen. Für die Frage, wann eine Verkürzung der Auswahlfreiheit vorliegt, kommt es hiernach auf die Umstände des Einzelfalls an. Insbesondere darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine eventuelle Verkürzung auch von der Persönlichkeit des Symbolbetrachters und seiner Lebenssituation abhängt. Beides kann beeinflussen, wie der Symbolbetrachter auf die Konfrontation reagiert und ob es ihm leicht oder schwer fällt, sich von einer Information abzulenken. Um eine Verkürzung der Informationsauswahlfreit als Komponente der Glaubensfreiheit von anderen Grundrechten, etwa von der Informationsfreiheit abzugrenzen, ist es erforderlich, den Inhalt der Information zu untersuchen. Weist sie einen religiösen Bezug auf, ist regelmäßig nicht auszuschließen, dass sich ihre erzwungene Verarbeitung auf die gedankliche Grundlage auswirkt, auf der religiöse Einstellungen basieren. Mangelt es an einem religiösen Bezug der Information, ist hingegen die Informationsfreiheit heranzuziehen.

(3)  Die eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung als Lösung für tatsächliche Schwierigkeiten bei der Prognose des Kausalverlaufs Eine Verkürzung sowohl der Willensfreiheit im engeren Sinne als auch der Informationsauswahlfreiheit durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen in öffentlichen Einrichtungen ist nach den bisherigen Erkenntnissen möglich. Sie folgt allerdings nicht allein aus der Konfrontationssituation bzw. aus deren Wahrnehmung, sondern auch aus den Umgebungsreizen, den im Kontext der Symbolkonfrontation auftretenden Personen, deren Beziehung zum Symbolbetrachter sowie aus dem Erscheinungsbild des Symbols. Die Konfrontation stellt zwar einen wichtigen, nicht jedoch einen hinreichenden Faktor für die Grundrechtsverkürzung dar. Das führt in praktischer Hinsicht zu Schwierigkeiten: Eine einmal eingetretene Verkürzung der Glaubensfreiheit kann zwar ein schweres Übel für den Symbolbetrachter darstellen, das mitunter nur schwer rückgängig zu machen ist. Da die Verkürzung von mehreren Faktoren abhängt, dürfte im Einzelfall allerdings schwer zu prognostizieren sein, wann sie konkret droht bzw. bevorsteht. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die unbewusst ablaufenden Einstellungsänderungsprozesse wie die Konditionierung. Hier wird dem Symbolbetrachter 247  Zudem schwächen sich durch das Symbol ausgelöste Emotionen, die ein Ablenken von ihm erschweren können, regelmäßig mit der Zeit ab – es entsteht eine Emotionstoleranz (vgl. C. II.1.b)bb)).



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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regelmäßig nicht bewusst, dass sein freier Wille verkürzt wird. Ein vorbeugender Rechtsschutz, der ihn vor der konfrontationsbedingten Willensverkürzung bewahren könnte, ist daher für den Symbolbetrachter kaum zu erlangen. Der Schutz der auf religiöse Einstellungen bezogenen Willensfreiheit könnte es deshalb erfordern, schon die Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen als Grundrechtseingriff zu begreifen, ohne dass es auf den Nachweis einer tatsächlichen Verkürzung der Willensfreiheit ankäme. Möglich wäre das, wenn sich die Symbolkonfrontation als eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung darstellte.

(a)  Drohende Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne nur ausnahmsweise eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung Dafür spricht möglicherweise die wiederholt betonte Nähe der Religionsfreiheit zur Menschenwürde248. Im Hinblick darauf könnte die Glaubensfreiheit als besonders schutzbedürftiges Recht anzusehen sein, das schon aufgrund seiner Nähe zur Menschenwürde gegen drohende Gefahren abgesichert werden ­müsste. Das Bundesverfassungsgericht erkannte eine Grundrechtsgefährdung in dem Fall an, in dem die Möglichkeit bestand, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens bei der Durchführung des Verfahrens sein Leben verlieren oder schwere gesundheitliche Schäden erleiden würde249. Im konkreten Fall war nicht auszuschließen, dass während des Verfahrens bei dem Beschuldigten, der im Vorfeld schon mehrere Schlaganfälle erlitten hatte, Erregungszustände auftreten könnten, die einen erneuten Schlaganfall auslösen könnten. Eine Gesundheits- oder Lebensgefährdung erschien somit möglich, wobei aber zum einen nicht absehbar war, ob und falls ja in welchem Moment sich die Gefährdung der Gesundheit bzw. des Lebens realisieren würde und zum anderen nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden konnte, ob der Zeitpunkt eines eventuellen Beeinträchtigungsbeginns nach außen erkennbar würde, sodass eventuelle Gegenmaßnahmen hätten eingeleitet werden könnten250. Der Unterschied zwischen der dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Situation und der drohenden Verkürzung des freien Willens durch die Konfrontation mit religiösen Symbolen liegt allerdings nicht nur darin, dass unterschiedliche grundrechtliche Schutzgüter gefährdet sind. Vielmehr zeigt er sich auch hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsgrads251 der zugrunde 248 

Vgl. Kapitel E. BVerfGE 51, 324. 250  Vgl. die Gutachten von Dr. Bleifeld und Dr. Mathey, auf die der zuvor genannte Beschluss Bezug nimmt: Danach kündige sich eine hier zu befürchtende Minderdurchblutung des Herzmuskels meistens rechtzeitig durch Schmerzen an und könne mit Nitropräparaten durchbrochen werden, BVerfGE 51, 324 (334). 251  BVerfGE 51, 324 (349). 249 

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

liegenden Gefährdung: Die Wahrscheinlichkeit einer Gesundheits- oder Lebensgefährdung konnte im Fall des Bundesverfassungsgerichts mit einer statistisch relevanten Höhe beziffert werden252. Da eine Verkürzung der Willensfreiheit im Fall der Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen von zahlreichen Faktoren abhängt, lässt sich ihre Wahrscheinlichkeit demgegenüber kaum näher bestimmen. Es fehlen geeignete Daten für eine Prognose. Zwar kommt es für eine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung nicht zwangsläufig darauf an, dass sich die Gefahr hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit prozentual beziffern lässt. Während in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall die Wahrscheinlichkeit einer Gesundheitsgefährdung des Beschuldigten deutlich erhöht war im Vergleich zu der abstrakt nie auszuschließenden Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte den physischen und psychischen Belastungen eines Strafverfahrens nicht gewachsen ist, begründet die Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen eine Gefahr der Willensbeeinträchtigung aber nicht in einem ähnlich deutlichen Ausmaß. Die sich aus dem Charakter der staatlichen Einrichtung ergebende Pflicht, sich der Konfrontation länger oder dauerhaft auszusetzen, stellt die einzige feststehende Größe dar, die die Gefahr einer Willensverkürzung tatsächlich erhöhen kann: Sie ist nicht nur regelmäßig für eine Konditionierung erforderlich, sondern kann auch dazu beitragen, dass sich in ihrem räumlichen Zusammenhang enge soziale Beziehungsgeflechte ergeben, die wiederum als Grundlage des Modelllernens fungieren können. Auch bei einer längeren Konfrontation steht aber keinesfalls fest, dass es zu einer Verkürzung der Willensfreiheit kommt. Dass sämtliche weitere für eine Willensverkürzung bedeutsame Faktoren gebündelt zusammentreffen, ist auch in diesem Fall so wenig wahrscheinlich, dass es insgesamt nicht zu rechtfertigen wäre, die bloße Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen mit einem Eingriff in die Glaubensfreiheit gleichzustellen. Das gilt trotz der betonten Nähe der Glaubensfreiheit zur Menschenwürde. Das bedeutet allerdings nicht, dass es gänzlich auszuschließen wäre, die dem Staat zurechenbare Symbolkonfrontation als eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung anzusehen. Es müssen allerdings im konkreten Fall über die Konfrontationssituation hinaus besondere Anhaltspunkte vorliegen, die auf die bestehende Gefahr einer Verkürzung der Willensfreiheit hindeuten. Davon ist etwa auszugehen, wenn der Bürger während der Symbolkonfrontation besonderen emotionalen Belastungen ausgesetzt ist, etwa bei einer drohenden strafrechtlichen Verurteilung, oder wenn ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis zwischen Staatsbedienstetem und Bürger besteht, was in der Schule nicht den 252  So wurde die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines erneuten Schlaganfalls bzw. Herzinfarktes mit 30 bis 50 Prozent beziffert, die dann verbleibende Überlebenschance z. T. mit weniger als 50 Prozent bewertet (BVerfGE 51, 324 [334])



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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Regelfall darstellt, aber dennoch denkbar ist. Auch hier kommt es entscheidend auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an.

(b)  Drohende Verkürzung der Auswahlfreiheit nur ausnahmsweise eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung Gleiches gilt hinsichtlich einer durch die Symbolkonfrontation verursachten Verkürzung der Auswahlfreiheit: Die bloße Konfrontationssituation stellt regelmäßig keine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung dar. Eine dem Eingriff gleichzustellende Gefährdung kann aber bestehen, wenn weitere Umstände hinzutreten. Dazu zählt vor allem eine besondere visuelle Auffälligkeit des Symbols.

bb)  Zurechnung möglicher Verkürzungen der Willensfreiheit Die durch die Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen verursachten Grundrechtsverkürzungen und Grundrechtsgefährdungen stellen nur dann Grundrechtseingriffe dar bzw. sind diesen gleichzusetzen, wenn sie dem Staat zurechenbar sind.

(1)  Zurechnung im Fall staatlich angeordneter Symbole möglich Im Fall staatlich angeordneter Symbole ergeben sich Zweifel an einer Zurechenbarkeit daraus, dass an einer entstehenden Verkürzung der Willensfreiheit neben der Symbolkonfrontation weitere Faktoren mitwirken. Die Konfrontationssituation führt nur kumulativ mit der Interpretation des Symbols durch den Betrachter, dessen Assoziationsleistungen sowie unter Umständen dem Verhalten Dritter zu einer Willensverkürzung. Je nach Fallgestaltung könnte folglich von einer Nebenverursachung253 bzw. einer Selbstbeeinträchtigung auszugehen sein254. Dennoch wird der in der Symbolanordnung liegende staatliche Verursachungsbeitrag nicht durch die anderen beeinträchtigenden Faktoren vollständig oder in wertungsmäßig überwiegendem Maße verdrängt, sodass eine Kausalität auszuschließen wäre. Im Hinblick auf eine vermeintliche Selbstbeeinträchtigung spricht dagegen schon, dass die geistigen Prozesse, die auf Seiten des Symbolbetrachter ablaufen und zu einer Willensverkürzung beitragen, von dem Symbolbetrachter entweder nicht wahrgenommen werden können – so bei der Konditionierung – bzw. zumindest regelmäßig nicht von ihm gesteuert werden 253  Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 169. 254  Sachs, ebd.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

können  – so etwa in dem Fall, in dem ein geistiges Ausweichen unmöglich gemacht wird. Der Beitrag des Betroffenen zu seiner Selbstbeeinträchtigung kann jedoch ein staatliches Handeln nur verdrängen, wenn er auf einem willensgesteuerten Verhalten basiert255. Ein willensgesteuertes Verhalten des Betroffenen liegt hier aber gerade nicht vor. Auch im Übrigen leistet der Staat mit der durch die Anordnung verursachten Symbolkonfrontation einen entscheidenden Beitrag zu einer eventuellen Willensfreiheitsverkürzung des Symbolbetrachters, da die Symbolkonfrontation erst die Verbindung zu religiösen Einstellungen herstellt. Darüber hinaus sind die durch andere Menschen verursachten Faktoren, die eine Verkürzung der Willensfreiheit mitkonstituieren können, als typische Folgen der Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen zu bewerten. Soweit die Einrichtungen sich als Ort darstellen, an dem sich regelmäßig Menschen aufhalten, bilden sie die Basis eines in ihnen entstehenden sozialen Gefüges: Treffen Menschen aufeinander, treten sie in Kontakt miteinander und bilden soziale Beziehungen aus. Dabei entstehen natürlicherweise Reize, etwa emotionaler Art. Dass diese Reize in der Konfrontationssituation ebenfalls ihre Wirkungen entfalten bzw. mit der Konfrontationssituation zusammenwirken – was eine Grundrechtsverkürzung begründen kann – stellt also eine zwangsläufige, voraussehbare Folge des Aufenthalts in staatlichen Einrichtungen dar. Angesichts dessen ist kein Grund ersichtlich, im Fall staatlich angeordneter Symbole die Symbolkonfrontation als nicht kausal für eine entstehende Willensfreiheitsverkürzung anzusehen. Eine solche Verkürzung ist dem Staat also zurechenbar. Wird im Fall staatlich angeordneter Symbole infolge der Konfrontationssituation die Willensfreiheit des Bürgers beeinträchtigt, liegt mithin ein Eingriff in die Glaubensfreiheit vor. Eine eingriffsgleiche Gefährdung kommt in Betracht, soweit sich die Glaubensfreiheit nach den oben vorgestellten Maßgaben als gefährdet darstellt256.

(2)  Keine Zurechnung im Fall der von Staatsbediensteten und Mitbürgern getragenen und angebrachten Symbole Wird der Bürger in öffentlichen Einrichtungen mit Symbolen konfrontiert, die von anderen Menschen getragen werden oder angebracht wurden, kann eine eventuell entstehende Verkürzung der Willensfreiheit dem Staat hingegen nicht zugerechnet werden. Das gilt unabhängig davon, ob der Träger des Symbols ein Staatsbediensteter ist oder nicht. Eine eventuell vorliegende staatliche Duldung des Symbols kann eine Zurechnung zum Staat nicht begründen. Ein Grund255 Vgl. Sachs, Die Grundrechtsbeeinträchtigungen, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 78, S. 170. 256  Oben unter E. III.2.b)aa)(3).



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

223

rechtseingriff scheidet daher aus. Aus einer staatlichen Schutzpflicht könnten sich allerdings konfrontationsbezogenen Handlungspflichten des Staates ergeben.257

cc) Zusammenfassung Die Konfrontation mit einem staatlich angeordneten religiösen Symbol in öffentlichen Einrichtungen kann einen Eingriff in die Glaubensfreiheit darstellen. Ein Eingriff kommt hinsichtlich beider Komponenten der Glaubensfreiheit in Betracht, kann also sowohl in die religiöse Informationsauswahlfreiheit als auch in die Willensfreiheit im engeren Sinne erfolgen. Zu seiner Feststellung bedarf es der Darlegung einer geänderten Einstellung. Die Umstände des Einzelfalls können zeigen, ob und inwieweit die entsprechende Behauptung einer geänderten Einstellung plausibel erscheint. Überdies kann die Konfrontation des Bürgers mit einem staatlich angeordneten religiösen Symbol eine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung darstellen. Von einer solchen ist aber nur dann auszugehen, wenn besondere Anhaltspunkte bestehen, die auf die Gefahr einer Willensfreiheitsverkürzung bzw. eines gedanklichen Zwangs, sich mit einer religiösen Information auseinanderzusetzen, hindeuten. Werden religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen hingegen von Staatsbediensteten oder von anderen Bürgern getragen, liegt darin kein Grundrechtseingriff. Konfrontationsabwehrende Handlungspflichten des Staates können sich dann nur aus staatlichen Schutzpflichten ergeben.

c)  Eingriff in das elterliche Recht zur religiösen Erziehung Die Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen könnte weiterhin einen Eingriff in das elterliche Recht zur religiösen Erziehung aus Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG darstellen. Als staatliche Einrichtungen sind hier insbesondere öffentliche Schulen und Kindergärten zu nennen. Ein Eingriff setzt allerdings voraus, dass eine eventuelle Verkürzung des Elternrechts dem Staat zuzurechnen ist. Eine Zurechnung gelingt nur im Fall staatlich angeordneter religiöser Symbole. Aus anderen Gründen angebrachte oder getragene religiöse Symbole können demgegenüber lediglich staatliche Schutzpflichten begründen258.

257  258 

Dazu oben E. III.1.c)bb)(2); zu deren Umfang sogleich Kapitel F. II. Ebd.

224

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

aa)  Eingriff durch Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne des Kindes Eine Verkürzung des elterlichen Rechts zur religiösen Erziehung kommt in Betracht, wenn das – religionsunmündige259  – Kind Einflüssen ausgesetzt ist, die sich als Verkürzungen der Willensfreiheit im engeren Sinne darstellen, soweit das Grundrecht der Glaubensfreiheit zugrunde gelegt und das Kind als dessen Träger betrachtet würde. In diesem Fall wird der elterliche Einfluss auf die religiöse Einstellung des Kindes zurückgedrängt, ohne dass die Eltern darin eingewilligt hätten. Sind die Eltern hingegen mit der Willensbeeinflussung einverstanden – wovon etwa auszugehen ist, wenn die Eltern ihr Kind nicht vom Religionsunterricht abmelden  – liegt keine Verkürzung des Elternrechts vor: Das Elternrecht umfasst auch die Freiheit, die Miterzieher des Kindes zu bestimmen260. Für die Frage, wann das Elternrecht verkürzt wird, ist auf die oben bei der Glaubensfreiheit aufgestellten Kriterien zu verweisen261. Dabei ist daran zu erinnern, dass gerade Kinder religiös geprägt werden können. Das zeigt der zuvor beschriebene besondere Einfluss von Eltern auf die religiösen Einstellungen ihrer Kinder262. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Kinder in religiöser Hinsicht leichter zu beeinflussen sind als Erwachsene263. Das kann etwa darin begründet liegen, dass Kinder in höherem Maße als Erwachsene von ihren Bezugspersonen abhängig sind und deshalb verstärkt an Modellen lernen. Aufgrund der besonderen Rolle der Familie für die religiöse Entwicklung des Kindes scheint es allerdings wenig wahrscheinlich, dass sich eine Konditionierung oder auch das Modelllernen außerhalb der Familie so auswirkt, dass die Früchte des erzieherischen Wirkens der Eltern verdrängt werden. Von einer Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne und damit von einer Verkürzung des Elternrechts ist daher nur unter atypischen Umständen auszugehen. Sowohl ein Eingriff in das elterliche Recht zur religiösen Erziehung als auch eine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung kommt entsprechend nur in Betracht, wenn solche außergewöhnlichen Umstände eine Willensfreiheitsverkürzung wahrscheinlich erscheinen lassen, beispielsweise im Fall einer starken emotionalen Abhängigkeit des Kindes von seinem symboltragenden Lehrer.

259 

Vgl. § 5 RelKErzG (oben Kapitel D, Fn. 231). BVerfGE 105, 313 (354); Burgi, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 109, Rn. 26. 261  Oben E. III.2.b)aa)(1). 262  Vgl. oben C. II. 2.c)cc)(3)(a)(aa)α). 263  Vgl. dazu BVerfGE 93, 1 (20). 260 



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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bb)  Eingriff durch Verkürzung der Auswahlfreiheit des Kindes Darüber hinaus kann ein Eingriff in das Elternrecht auch dann zu verzeichnen sein, wenn das Kind Einflüssen ausgesetzt ist, die an sich eine Verkürzung der Informationsauswahlfreiheit als weitere Komponente der Glaubensfreiheit darstellen. Das Erziehungsrecht umfasst grundsätzlich auch die Freiheit der Eltern, darüber zu bestimmen, mit welchen Informationsquellen sich das Kind auseinandersetzt. Das äußert sich beispielsweise in dem Recht der Eltern, die Lektüre des Kindes festzulegen264. Wird ein religiöses Symbol als Unterrichtsthema gewählt, besteht regelmäßig zumindest ein faktischer Zwang des Kindes, sich damit zu beschäftigen265. Das gilt schon allein im Hinblick darauf, dass die Schüler für ihre Beteiligung am Unterricht durch Noten oder in sonstiger Weise bewertet werden. Den Eltern wird in diesem Zusammenhang die Möglichkeit genommen, selbst darüber zu bestimmen, mit welchen Themen sich ihr Kind auseinandersetzt. Bei der Konfrontation mit dem religiösen Symbol hängt die Verkürzung der Auswahlfreiheit grundsätzlich davon ab, ob es dem Betrachter möglich ist, der Symbolkonfrontation gedanklich auszuweichen. Aus dem Eltern-Kind-Verhältnis können sich in dieser Hinsicht allerdings Besonderheiten ergeben: Ob das Kind über ein von ihm wahrgenommenes religiöses Symbol nachdenkt oder ob es ihm gedanklich ausweicht, hängt regelmäßig von seiner eigenen Entscheidung ab, nicht von der Entscheidung seiner Eltern. Das gilt jedenfalls, wenn die Konfrontation in Abwesenheit der Eltern bzw. ohne deren Kenntnis stattfindet. Fraglich ist zwar, ob und inwieweit jüngere Kinder zu symbolbezogenen gedanklichen Operationen in der Lage sind. Auszuschließen ist es aber selbst bei Kindern im Kindergartenalter nicht, dass sie über ein Symbolverständnis verfügen266. In diesem Fall dürften sie auch dazu fähig sein, gedanklich mit dem Symbol zu operieren. Somit stellt sich die Frage, inwieweit das Elternrecht das Recht umfasst, über gedankliche Operationen des Kindes zu bestimmen. Angesichts dessen ist zunächst zu klären, ob dem Elternrecht entgegen gehalten werden kann, die bloße Kenntnisnahme einer Information sei unproblematisch, sofern das Kind selbst geistig ausweichen könne. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es sich bei Art. 6 Abs. 2 GG um ein Freiheitsrecht handelt, dass die Selbstbestimmung der Eltern267 statuiert. Das legt die Annahme nahe, dass nach dem Elternrecht die Eltern und nicht das Kind darüber 264  BVerfGE 7, 320 (323 f.); 83, 130 (139 f.); dazu auch Burgi, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 109, Rn. 26. 265  Die Problematik beschränkt sich aber auf Fälle außerhalb des Religionsunterrichts – über die Teilnahme am Religionsunterricht haben die Eltern nach Art. 7 Abs. 2 GG zu entscheiden. Sie können also selbst bestimmen, ob sich ihr Kind mit bestimmten religiösen Inhalten auseinander setzen soll oder nicht. Vgl. auch BVerwG, NVwZ 2014, 237. 266 Vgl. Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, Kapitel 2, C, insb. S. 40. 267  Burgi, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 109, Rn. 28.

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

bestimmen können, welcher Information das Kind auszuweichen hat. Würde den Eltern allerdings das Recht zugesprochen, über sämtliche Informationen zu bestimmen, die die Willensgrundlage des Kindes bilden, dürfte das Recht in nahezu allen Fällen verkürzt werden, in denen die Eltern nicht anwesend sind und nicht darüber wachen können, mit welchen Informationen das Kind in Berührung kommt. Soweit die Information dem Staat zuzuordnen wäre, stünde dementsprechend ein Grundrechtseingriff in Rede. Aus dem in Art. 7 Abs. 1 GG verankerten staatlichen Erziehungsauftrag folgten dann zwar weitreichende Rechtfertigungsmöglichkeiten für Verkürzungen der Auswahlfreiheit. Für Einflüsse mit religiös-weltanschaulichem Bezug würde das jedoch nicht ohne weiteres gelten. Vielmehr ergäben sich hier Schwierigkeiten im Hinblick auf das an den Staat gerichtete Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität268. In der Situation, in der sich ein Kind dafür entschiede, sich mit einem Symbol näher auseinanderzusetzen, stellte sich darüber hinaus noch ein anderes Problem: Änderte sich die informative Willensgrundlage des Kindes gegen den Willen seiner Eltern, weil das Kind sich aus eigenem Antrieb mit einem religiösen Symbol beschäftigte, wäre zweifelhaft, ob sich daraus eine dem Staat zuzurechnende Freiheitsverkürzung ergeben könnte. Möglicherweise läge in diesem Fall eine eigenverantwortliche Entscheidung des Kindes vor, die einerseits den staatlichen Verursachungsbeitrag und andererseits das Elternrecht verdrängen könnte. Schließlich soll das Kind nach der Intention des Art. 6 Abs. 2 GG gerade zur mündigen und selbstentscheidungsfähigen Persönlichkeit erzogen werden269. Das könnte es erfordern, eigenständige Entscheidungen des Kindes, soweit sie getroffen werden, zu respektieren. Hier ginge es also auch um ein mögliches Spannungsverhältnis zwischen dem Elternrecht und dem Interesse des Kindes, seine Religionsfreiheit selbstständig auszuüben270. Um das folglich unter mehreren Aspekten bestehende Spannungsverhältnis aufzulösen, ist auf die Religionsmündigkeit des Kindes abzustellen. Das Gesetz zur religiösen Kindererziehung, das die Religionsmündigkeit des Kindes regelt, verteilt die Entscheidungsbefugnisse in religiös-weltanschaulichen Angelegenheiten in zulässiger Weise. Erst das religionsmündige Kind kann in glaubensbezogenen Fragen selbst entscheiden, also etwa sein Bekenntnis formell wählen und unerwünschte missionierende Einflüsse abwählen.271 Solange das Kind noch nicht religionsmündig ist, bestimmen seine Eltern, mit welchen Informationen sich das Kind auseinander setzt. Im Fall des religionsunmündigen Kindes kommt es für die Frage, ob die Auswahlfreiheit verkürzt wird, auf den 268 

Dazu schon Kapitel D. von Coelln, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 6, Rn. 65. 270 Vgl. Borowski, Glaubensfreiheit, S. 366. 271 Vgl. Borowski, Glaubensfreiheit, S. 366, der betont, dass den Eltern allerdings ein Recht zur Pflege und Erziehung verbleiben muss, soweit die Entscheidungen des Kindes erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen (vgl. dazu auch die Nachw. in Fn. 51). 269 



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

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Willen der Eltern an, nicht auf den des Kindes. Entscheidet das Kind, sich mit einem religiösen Symbol auseinanderzusetzen, liegt darin dementsprechend keine eigenverantwortliche Entscheidung, die vorgelagerte staatliche Handlungen verdrängen könnte. Mithin können sich in der Tat sämtliche dem Staat zuzurechnenden Ereignisse, denen das Kind in staatlichen Einrichtungen gegenüber sieht, als Eingriffe in das Elternrecht darstellen. Im Einzelfall kann allerdings auch die Art des in Rede stehenden Einflusses zu berücksichtigen sein, insbesondere dessen Auffälligkeit. Ob die Behauptung der Eltern, im konkreten Fall in ihrem Elternrecht beeinträchtigt zu sein, als plausibel anzusehen ist, hängt von einer Gesamtbetrachtung der jeweiligen Umstände ab.

d)  Eingriff in die Informationsfreiheit Aufgrund der strukturell ähnlichen Schutzgüter der Informationsfreiheit und der Glaubensfreiheit gelten für Eingriffe in die Informationsfreiheit die gleichen Grundsätze wie bei der Glaubensfreiheit. Eingriffe in die Informationsfreiheit erfordern allerdings nicht, dass tatsächlich eine religiöse Einstellung verändert wird. Sie kommen vielmehr schon in Betracht, wenn eine Willensbeeinflussung dazu führt, dass irgendeine Meinung verändert wird. Verändert die Konfrontation mit einem religiösen Symbol in staatlichen Einrichtungen nicht eine religiöse Einstellung, sondern eine sonstige Meinung, liegt darin ein Eingriff in die Informationsfreiheit, nicht in die Glaubensfreiheit. Hinsichtlich der Änderung religiöser Einstellungen ist die Glaubensfreiheit allerdings als spezielles Grundrecht anzusehen. In diesen Fällen tritt die Informationsfreiheit zurück.

e)  Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Wie bereits dargelegt, lässt sich dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein zumindest auf persönlichkeitskonstituierende Merkmale bezogener Willensschutz entnehmen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Menschen in dieser Hinsicht vor gezielter Einflussnahme, vor Oktroyierung fremder Auffassungen und Verhaltensmuster272. Hier weist das allgemeine Persönlichkeitsrecht strukturelle Ähnlichkeiten zur Glaubensfreiheit und zur Informationsfreiheit auf. Deshalb kommt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter den gleichen Voraussetzungen in Betracht wie Eingriffe in die Glaubens- bzw. Informationsfreiheit. Die Informationsfreiheit geht dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht allerdings als spezielles Grundrecht vor, soweit es um Willens272  Enders, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, § 89, Rn. 6, m. N. zur Rspr. des BVerfG.

228

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

verkürzungen durch Informationen geht. Gegenüber der Informationsfreiheit stellt sich wiederum die Glaubensfreiheit als speziell dar, soweit die auf religiöse Einstellungen bezogene Willensfreiheit beeinträchtigt wird.

3.  Sonstige durch die Konfrontation betroffene Grundrechte Neben Emotionen und Einstellungsänderungen lassen sich weitere grundrechtsrelevante Wirkungen der Konfrontationssituation feststellen. In der Folge der Symbolkonfrontation können sich auch die Schutzbereiche der negativen Bekenntnisfreiheit und der negativen Religionsausübungsfreiheit, des allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie der Menschenwürdegarantie als eröffnet darstellen. Im Folgenden ist deshalb zu untersuchen, ob und inwieweit die Symbolkonfrontation einen Eingriff in die entsprechenden Grundrechte darstellen kann.

a)  Eingriff in die negative Bekenntnisfreiheit nur bei rechtlicher Widerspruchsmöglichkeit oder faktischem Zwang zum Widerspruch Ein Eingriff in die Bekenntnisfreiheit kommt zunächst in Betracht, soweit bei einem in staatlichen Einrichtungen angebrachten Symbol rechtliche Regelungen einen Widerspruch gegen das Symbol ermöglichen273. Mit dem Widerspruch kann die Preisgabe des Bekenntnisses einhergehen274: Regelmäßig hat der Widerspruch jedenfalls sinngemäß die Offenbarung zum Inhalt, dass die dort symbolisierte Idee nicht geteilt wird275, was zumindest Rückschlüsse auf das Bekenntnis des Widersprechenden zulässt. Das gilt vor allem, wenn dem Symbol nach der Regelung nur aus „ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberechtigten widersprochen“ werden kann, wie im Fall des Art. 7 Abs. 4 S. 3 BayEUG. Der Bürger, der das Symbol entfernt sehen will und sein Begehren gegebenenfalls sogar auf eine Verkürzung seiner Glaubensfreiheit oder anderer Grundrechte stützen kann, wird dadurch gezwungen, seine eigene – der symbolisierten Idee regelmäßig zuwiderlaufende  – religiöse Einstellung darzulegen, um sein Ziel zu erreichen und damit eine etwaige weitere Schmälerungen seiner grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden. Insofern ist von einem Eingriff in die Bekenntnisfreiheit auszugehen. Allerdings folgt ein solcher Eingriff nicht direkt aus der Konfrontationssituation, sondern erst aus der die Widerspruchsmöglichkeit begründende Regelung. 273 

Vgl. etwa Art. 7 Abs. 3 BayEUG (dazu Fn. 19). Vgl. zu Art. 7 Abs. 3 BayEUG etwa BVerwG, NJW 1999, 3063 (3066); vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4, Rn. 121 zum Urteil des Hessischen Staatsgerichtshof zum Schulgebet (Hess. StGH, NJW 1966, 31 ff.). 275  Vgl. BVerfGE NJW 1999, 3063 (3066) im Hinblick auch auf die Abmeldung vom Religionsunterricht. 274 



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

229

An einen Eingriff in die Bekenntnisfreiheit ist auch zu denken, wenn keine (rechtliche) Reglung zum Widerspruch gegen die Symbolkonfrontation besteht, durch die Symbolkonfrontation aber sonstige Rechte des Symbolbetrachters verkürzt werden – etwa seine Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG. Auch in diesen Fällen ist der Symbolbetrachter regelmäßig zumindest faktisch verpflichtet, seine Überzeugung zu offenbaren, wenn er sich  – nachvollziehbarerweise – gegen die Verkürzung dieser Rechte wehren möchte. Plausibel dargelegt werden können dürfte die Verkürzung sonstiger Rechte häufig nur unter Preisgabe des eigenen Bekenntnisses. Im Übrigen können sich bereits aus der Beschreibung, aus welchem Grund der Symbolbetrachter seine Rechte als verletzt ansieht, Rückschlüsse auf dessen religiöse Überzeugung ziehen lassen276. Ein Eingriff liegt daher jedenfalls vor, soweit die Symbolkonfrontation gleichzeitig einen Eingriff in sonstige Grundrechte des Symbolbetrachters darstellt. In einem solchen Fall liegt der Eingriff auch direkt in der Konfrontationssituation – und nicht erst in der Widerspruchsregelung – begründet. Im Übrigen wird durch die bloße Konfrontationssituation regelmäßig nicht einmal der Schutzbereich der negativen Bekenntnisfreiheit eröffnet, da es an einem Zwang fehlt, das eigene Bekenntnis preiszugeben. Im Fall eines menschlichen Symbolträgers scheitert ein Eingriff schon daran, dass die Konfrontationssituation und die von ihr ausgehenden Freiheitsverkürzungen nicht dem Staat zugerechnet werden können.

b)  Eingriff in die negative Religionsausübungsfreiheit Die bisherigen Erkenntnisse deuteten bereits an, dass eine Verkürzung der negativen Religionsausübungsfreiheit durch die Konfrontationssituation nur unter besonderen Umständen in Betracht kommt: Die Konfrontationssituation muss sich als Zwang zur Religionsausübung darstellen.

aa)  Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit regelmäßig nur bei besonderer Präsenz staatlich angeordneter Symbole Ein solcher Zwang kommt in Betracht, wenn sich ein staatlich angeordnetes Symbol als besonders auffällig darstellt: Die Auffälligkeit kann eine besondere Präsenz des Symbols in der jeweiligen Räumlichkeit begründen. Diese Präsenz kann den Charakter der jeweiligen Räumlichkeit dergestalt prägen, dass sämtliche sich in ihr vollziehende Ereignisse als „unter dem Symbol“277 stattfindende, gleichsam im Zeichen des Symbols stehende Ereignisse darstellen. Dann 276 So zeigt etwa die Schilderung des Symbolbetrachters, die Konfrontation verkürze seine Willensfreiheit, dass er die symbolisierte Idee nicht teilt. 277  Vgl. BVerfGE 93, 1 (18): „Zusammen mit der allgemeinen Schulpflicht führen Kreuze in Unterrichtsräumen dazu, daß die Schüler während des Unterrichts von Staats wegen und

230

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

liegt eine Verkürzung der negativen Religionsausübungsfreiheit vor. Wann das Symbol als so auffällig einzuordnen ist, das es eine entsprechende Präsenz begründet, ist eine Wertungsfrage, die im jeweiligen Einzelfall entscheiden werden kann. Als Kriterien lassen sich die Merkmale heranziehen, die bereits bei der Prüfung des Eingriffs in die Informationsauswahlfreiheit genannt wurden, beispielsweise die Größe des Symbols oder der Ort seiner Platzierung, die den Eindruck hervorrufen können, es handle sich bei dem Symbolen um einen für den Raum besonders bedeutsamen Gegenstand278. Besteht eine entsprechende Präsenz des Symbols, liegt ein Eingriff in die negative Religionsausübungsfreiheit vor, soweit das Symbol staatlich angeordnet wurde. Wird das Symbol hingegen von einer Person getragen, ist eine eventuelle Verkürzung dem Staat nicht zurechenbar, sodass kein Eingriff vorliegt.

bb)  Rückgriff auf die Figur der Grundrechtsgefährdung nicht erforderlich Droht eine Verkürzung der negativen Religionsausübungsfreiheit, ist ein Rückgriff auf die Figur der Grundrechtsgefährdung nicht erforderlich, auch wenn der Religionsfreiheit eine besondere Nähe zur Menschenwürdegarantie zugesprochen werden kann. Das liegt darin begründet, dass durch eine eventuelle Verkürzung der negativen Religionsausübungsfreiheit regelmäßig keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, die Integrität des grundrechtlichen Schutzguts also nicht dauerhaft beeinträchtigt wird. Wird ein Mensch dazu gezwungen, an einer religiösen Veranstaltung teilzunehmen oder ihr beizuwohnen, ist dieser Akt zwar regelmäßig nicht mehr rückgängig zu machen. Für die Vergangenheit bleibt die Teilnahme bestehen. Im Gegensatz zu einem Eingriff in das Grundrecht auf Leben sowie gegebenenfalls auch einem Eingriff in die Willensfreiheit im engeren Sinne, kann der Bürger aber in diesem Fall seine negativen Religionsausübungsfreiheit wieder in gewohnter Weise in Anspruch nehmen, sobald die Freiheitsverkürzung beendet ist. Ein dauerhafter Verlust an grundrechtlich geschützter Substanz ist in diesem Fall nicht zu verzeichnen, anders als bei einer Beeinträchtigung des Lebens bzw. gegebenenfalls der Willensfreiheit.

c)  Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre nur bei konkreter Betroffenheit von herabsetzenden Inhalten Die persönliche Ehre des Symbolbetrachters wird nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass er mit einem Symbol konfrontiert wird, das er als Zeichen einer ohne Ausweichmöglichkeit mit diesem Symbol konfrontiert sind und gezwungen werden, ‚unter dem Kreuz‘ (Anführungszeichen im Original) zu lernen.“ 278  Bei einem Symbol, das z. B. im hinteren Teil des Klassenraums zwischen Materialregalen angebracht ist, entsteht ein solcher Eindruck hingegen regelmäßig nicht.



III.  Grundrechtseingriffe durch die Symbolkonfrontation

231

von ihm abgelehnten Religion deutet. Auch eine etwaige in der Konfrontationssituation liegende Bevorzugung der symbolisierten Religion beeinträchtigt den dieser Religion gegenüber stehenden Symbolbetrachter nicht in seiner Ehre. Eine Ehrbeeinträchtigung kann sich allenfalls aus dem Inhalt des Symbols ergeben, wenn dem Symbol eine herabwürdigende Botschaft zu entnehmen ist. Da der Inhalt eines Symbols nur durch Interpretation erschlossen werden kann, muss der Symbolbetrachter hierzu Tatsachen vorbringen, die in plausibler Weise aufzeigen, warum das Symbol als herabwürdigend interpretiert werden kann. Darüber hinaus hat der Symbolbetrachter darzulegen, dass er selbst von herabsetzenden Inhalten konkret betroffen ist, sich also deren Adressat ist. Ob und unter welchen Umständen das der Fall ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Beide Aspekte, insbesondere aber die konkrete Betroffenheit, dürften schwer darzulegen sein. So begründet etwa der Ausschließlichkeitsanspruch vieler Religionen noch nicht plausibel eine Herabsetzung anderer Religionen, ebenso wenig eine etwaige in der staatlich verursachten Symbolkonfrontation zu erkennende Bevorzugung einer bestimmten Religion. Als Beispiel für eine herabsetzende Symbolkonfrontation – allerdings nicht in Form der Konfrontation mit einem religiösen Symbol – ist die Konfrontation mit einem Hakenkreuz zu nennen. Das Hakenkreuz war während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft allgegenwärtig anzutreffen und bei den menschenverachtenden Maßnahmen der Machthaber häufig räumlich präsent, etwa auf Flaggen und Uniformen. Damit entwickelte es sich vom Zeichen einer politischen Partei zu einem Symbol für schlimmste Herabwürdigung, Unterdrückung und gegen die Menschenwürde gerichtete Taten. Auch heute kann dem Hakenkreuz die Bedeutung als herabwürdigendes Gewaltsymbol kaum abgesprochen werden. Ein anderes Verständnis – etwa aus der Unkenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge – scheint wegen des anzulegenden subjektiven Maßstabs zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, gleichwohl aber nur schwer plausibel zu machen. Ist ein herabwürdigender Inhalt des Symbols plausibel aufgezeigt, hat der Bürger darzulegen, dass der herabsetzende Inhalt des Symbols ihn konkret betrifft. Im Hinblick auf das Hakenkreuz wird ein solcher Nachweis jedenfalls dem Bürger gelingen, der zu einer Personengruppe oder deren Nachkommen zählt, gegen die sich die herabwürdigenden und menschenverachtenden Maßnahmen der Nationalsozialisten insbesondere richteten. Hier ist insbesondere die jüdische Bevölkerung in Deutschland zu nennen279. Insoweit kann sich zu279 

Die Rechtsprechung sah etwa in der Leugnung der Judenverfolgung im Nationalsozialismus eine schwere Persönlichkeitsverletzung der jüdischen Bevölkerung. Das BVerfG nahm in einer seiner Entscheidungen eine Formulierung des BGH auf: „Es gehört zu ihrem personalen Selbstverständnis [der jüdischen Bevölkerung ], als zugehörig zu einer durch das Schicksal herausgehobenen Personengruppe begriffen zu werden, der gegenüber eine besondere moralische Verantwortung aller anderen besteht, und das Teil ihrer Würde ist. Die

232

E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

mindest die gezielte Konfrontation eines Bürgers jüdischen Glaubens mit einem Hakenkreuz als Inbegriff des gegen ihn oder seine Vorfahren gerichteten Terrors als Herabsetzung darstellen, sodass der Bürger in seinem Recht auf persönliche Ehre beeinträchtigt ist280. Die reine Konfrontation mit einem Symbol mit herabwürdigendem Inhalt reicht hingegen zumeist nicht als Beweis dafür, dass der Symbolbetrachter von der Herabsetzung konkret betroffen ist. Sie impliziert nicht zwangsläufig, dass sich die Herabsetzung inhaltlich gerade gegen den Symbolbetrachter richtet. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der Situation, durch die sich das Hakenkreuz zum Symbol der Herabwürdigung entwickelte, um eine historische Ausnahmesituation handelte, also um einen Sonderfall281. Die Adressatenstellung des Bürgers wird deshalb in praktischer Hinsicht im Einzelfall vor allem durch eine besondere Präsenz des Symbols im Raum – wie sie bereits oben beschrieben wurde  – und gegebenenfalls eine Verpflichtung, sich in dem Raum aufzuhalten, begründet. Eine solche Präsenz und eine entsprechende Pflicht kann eine geistig und räumlich wahrnehmbare Verbindung zwischen Symbol und Symbolbetrachter hervorrufen. Das rechtfertigt es, ihn als Adressaten der symbolisierten Botschaft anzusehen282.283 Ein staatlich angeordnetes religiöses Symbol stellt folglich nur unter atypischen Umständen einen Eingriff in die Ehre des Symbolbetrachters dar. Wie auch bei der negativen Religionsausübungsfreiheit ist ein Rückgriff auf die Figur der Grundrechtsgefährdung nicht erforderlich, weil ein eventueller Eingriff nach seiner Beendigung nicht in einer die grundrechtliche Substanz berührenden Weise fortwirkt. Achtung dieses Selbstverständnisses ist für jeden von ihnen geradezu eine der Garantien gegen eine Wiederholung solcher Diskriminierung und eine Grundbedingung für ihr Leben in der Bundesrepublik. Wer jene Vorgänge zu leugnen versucht, spricht jedem einzelnen von ihnen diese persönliche Geltung ab, auf die sie Anspruch haben.“ (BVerfGE 90, 241, [252] m.Vw. auf BGHZ 75, 160, [162 f.]). 280  Das Kreuz im Gerichtssaal, gegen das in der siebziger Jahren ein jüdischer Rechtsanwalt geklagt erfolgreich hatte (BVerfGE 35, 366) dürfte allerdings keine Ehrbeeinträchtigung darstellen. Das gilt zumindest, wenn es als christliches Symbol verstanden wird. Auch wenn den christlichen Kirchen zumindest teilweise der Vorwurf gemacht werden kann, sich während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht hinreichend für deren Opfer eingesetzt zu haben, so ist es nicht plausibel, beim Kreuz als christlichem Symbol von einer dem Hakenkreuz vergleichbaren Aufladung auszugehen. Unter dem Blickwinkel des Ehrschutzes wurde das Kreuz in der genannten Entscheidung allerdings auch nicht betrachtet. 281 Vgl. Rox, Schutz religiöser Gefühle, S. 188 m. w. N. 282 Vgl. insoweit die Argumentation zur Auswahlfreiheit als Komponente der Glaubensfreiheit sowie zur negativen Religionsausübungsfreiheit, oben E. III.2.b)aa)(2) sowie E. III.3.b)aa). 283  Werden Symbole von Personen getragen, scheitert der Eingriff regelmäßig an der erforderlichen Zurechnung der Freiheitsverkürzung zum Staat. Auf die Frage, inwieweit etwa ein Kopftuch eine Verkürzung der Ehre des Symbolbetrachters begründen kann, kommt es damit erst im Zusammenhang mit staatlichen Schutzpflichten an.



IV. Ergebnis

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d)  Verletzung der Menschenwürde durch die Konfrontationssituation nur im Fall staatlich bezweckter Erniedrigung Eine Verletzung der Menschenwürdegarantie durch die Konfrontationssituation kommt nur unter den bereits genannten Voraussetzungen284 in Betracht: Die Konfrontationssituation muss sich als Verletzung des Wert- und Achtungsanspruchs des Menschen darstellen. Davon ist auszugehen, wenn der Staat das Symbol gezielt nutzt, um dem Symbolbetrachter seelischen Schmerz zuzufügen285 oder ihn wegen seiner emotionalen Reaktion auf das Symbol verächtlich zu machen286.

IV.  Ergebnis Die auf einer staatlichen Symbolanordnung basierende Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen kann einen Grundrechtseingriff darstellen. Im Fall der emotionsauslösenden Konfrontation lassen sich Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sowie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 in Betracht ziehen. Regelmäßig liegen die Voraussetzungen eines Eingriffs jedoch nicht vor. Zwar erscheint eine Grundrechtsverkürzung möglich, soweit die Belastungen aus den hervorgerufenen Emotionen einen mit körperlichem Schmerz vergleichbaren Zustand erreichen oder gar in einen seelischen Schockzustand münden. Eine solche Verkürzung ist dem Staat jedoch nicht zuzurechnen, da sein Beitrag zu der Verkürzung wertungsmäßig zu gering ist. Von einer Verletzung der Menschenwürde ist in Zusammenhang mit der emotionsauslösenden Symbolkonfrontation nur auszugehen, wenn der Staat die Konfrontationssituation gezielt dazu nutzt, dem Bürger seelischen Schmerz zuzufügen oder ihn wegen seiner Empfindlichkeit verächtlich zu machen. Die einstellungsändernde Konfrontationssituation kann einen Eingriff in die Glaubensfreiheit begründen. Dabei können beide Komponenten der Glaubensfreiheit betroffen sein, das heißt sowohl die auf religiöse Informationen bezogene Auswahlfreiheit als auch in die Willensfreiheit im engeren Sinne. Eine Verkürzung der Glaubensfreiheit entsteht allerdings nur, wenn weitere Faktoren zu der Symbolkonfrontation hinzu- bzw. in ihrem Zusammenhang auftreten: Zu nennen sind hier eine besondere Auffälligkeit des Symbols, daneben Umweltreize, die auf der affektiven Ebene wirken, sowie emotional geprägte Sozialbeziehungen. 284 

Oben E. III.1.a) bzw. E. III.2.a). Heckmann, JZ 1996, 885. 286 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 1, Rn. 24. 285 

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E.  Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche

Liegen die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Willensfreiheit im engeren Sinne vor und handelt es sich bei dem Betroffenen um ein religionsunmündiges Kind, ist ein Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht zu bejahen. Gleiches gilt, soweit in der Person des Kindes die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Informationsauswahlfreiheit vorliegen. Der Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht erfordert allerdings nicht in jedem Fall eine besondere Auffälligkeit des Symbols. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit zwischen der Glaubensfreiheit und der Informationsfreiheit bzw. bestimmten Aspekten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind Eingriffe in die Informationsfreiheit sowie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter denselben Voraussetzungen zu verzeichnen wie Eingriffe in die Glaubensfreiheit. Ein Eingriff in die negative Bekenntnisfreiheit kommt in zwei Fällen in Betracht: Einerseits kann er durch eine gesetzliche Widerspruchsmöglichkeit verursacht werden – dann resultiert er allerdings nicht direkt aus der Konfrontationssituation an sich. Andererseits ist ein Eingriff anzunehmen, wenn durch die Konfrontationssituation weitere Grundrechtseingriffe begründet werden. Will der Symbolbetrachter sich dieser Eingriffe erwehren, wird er häufig jedenfalls konkludent sein Bekenntnis preisgeben müssen, wenn er die Verkürzung seiner Rechte plausibel darlegen will. Da sich der Betroffene ansonsten gegebenenfalls seiner Möglichkeit begeben würde, die Eingriffe in die sonstigen Grundrechte abzuwehren, besteht in diesen Situationen ein faktischer Zwang zur Offenbarung des Bekenntnisses. Darüber hinaus kann die Konfrontation mit einem auffälligen Symbol einen Eingriff in die negative Religionsausübungsfreiheit nach sich ziehen, soweit durch die Auffälligkeit der Charakter der staatlichen Einrichtung geprägt wird. An einen Eingriff in den ehrschützenden Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Symbolkonfrontation ist zu denken, wenn dem Symbol ein herabsetzender Inhalt entnommen werden kann, der sich an den konkreten Symbolbetrachter richtet. Auch das kommt regelmäßig nur bei einer besonderen Auffälligkeit des Symbols in Betracht; beides kann nur durch einen Nachweis solcher Umstände plausibel gemacht werden. Eine Grundrechtsverkürzung und – im Fall einer staatlichen Verantwortung für diese – einen Grundrechtseingriff begründet die Symbolkonfrontation nach allem regelmäßig nur, wenn in ihrem Zusammenhang weitere Faktoren auftreten, die kumulativ mit ihr zusammenwirken, oder aber wenn die Konfrontation selbst Besonderheiten aufweist, insbesondere wenn ihr ein auffälliges Symbol zugrunde liegt. Grundrechtseingriffe stellen also keine regelmäßige Folge der Symbolkonfrontation dar, sondern bilden nur ein Produkt atypischer Umstände. Insoweit hat im Einzelfall stets eine Prüfung zu erfolgen, ob neben der Symbolkonfrontation die zusätzlichen Faktoren vorliegen, die eine Grundrechtsverkürzung begründen.



IV. Ergebnis

235

Treten solche Faktoren im Zuge der Symbolkonfrontation auf, kann überdies eine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung vorliegen. Der tatsächliche Nachweis einer Grundrechtsverkürzung ist in diesem Fall entbehrlich. Es bedarf nur des Nachweises der die Gefährdung begründenden Umstände, nicht aber der Freiheitsverkürzung selbst. Der Rückgriff auf die Figur der Grundrechtsgefährdung ermöglicht einen grundrechtlichen Schutz auch im Fall komplexer Kausalzusammenhängen zwischen Konfrontationssituation und Freiheitsverkürzung, und mildert die Problematik, dass der objektiv beweisbelastete Symbolbetrachter287 im Einzelfall vor erheblichen, unter Umständen praktisch unauflöslichen Schwierigkeiten des Nachweises steht, etwas ab. Basiert die Symbolkonfrontation nicht auf einer staatlichen Anordnung, sondern darauf, dass ein Dritter das Symbol aus freiem, eigenen Entschluss trägt, kann das zwar eine Verkürzung eines grundrechtlichen Schutzguts darstellen, nicht aber einen Grundrechtseingriff. Denn eine solche Verkürzung kann dem Staat nicht zugerechnet werden, weil eine eventuelle Duldung seitens des Staates keinen Beitrag darstellt, der eine Zurechnung begründen könnte. In diesen Fällen können sich aus staatlichen Schutzpflichten allerdings Handlungspflichten ergeben, die der Staat zum Schutz der beeinträchtigten Güter zu erfüllen hat. Deren Inhalt ist im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen.

287 

Wird eine Beweisaufnahme über eine Tatsache – hier etwa einen Kausalzusammenhang  – durchgeführt, ist aus ihrem Ergebnis die Überzeugung zu schöpfen, aufgrund derer das BVerfG letztlich entscheidet (§ 30 Abs. 1 S. 1 BVerfGG). Ist das Gericht auch nach einer Beweisaufnahme von einer zwischen den Beteiligten streitigen Tatsache nicht überzeugt, muss es nach den Regeln der objektiven Beweislast zum Nachteil desjenigen entscheiden, für den diese Tatsache günstig wäre. (Lenz/Hansel, BVerfGG, § 26, Rn. 12).

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung festgestellter Grundrechtseingriffe und zur Reichweite grundrechtlicher Schutzpflichten I.  Verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Eingriffe Nach den Erkenntnissen des vorherigen Kapitels kann nur die Symbolkonfrontation in öffentlichen Räumen, die auf einem staatlich angeordneten religiösen Symbol gründet, einen Eingriff in Grundrechte darstellen. Werden religiöse Symbole hingegen von Staatsbediensteten oder von anderen Bürgern in öffentlichen Einrichtungen getragen oder dort angebracht, ist nicht die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte, sondern deren Schutzpflichtendimension betroffen.

1.  Erforderlichkeit einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage Ein Eingriff in Grundrechte muss aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes auf einer formell-gesetzlichen Grundlage basieren1. Das gilt nicht nur, wenn das Grundrecht über einen Gesetzesvorbehalt verfügt, sondern auch wenn es lediglich durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden kann2. Die Symbolkonfrontation kann also nur dann einen verfassungsrechtlich gerechtfertigten Grundrechtseingriff darstellen, wenn sie durch Gesetz angeordnet wird, wie es beispielsweise durch Art. 7 Abs. 3 BayEUG geschieht bzw. wie es § 13 Abs. 1 S. 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern vom 21. Juni 19833, vorsah, der allerdings im Kruzifixbeschluss4 für verfassungswidrig erklärt wurde. Die verschiedenen Möglichkeiten zur Grundrechtsbeschränkung stellen allerdings unterschiedliche Anforderungen an das einschränkende Gesetz: Während die körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht den ein1 

Lerche, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 62, Rn. 15. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 1, Rn. 125. 3  Vgl. oben Kapitel A., Fn. 2. 4  BVerfGE 93, 1. 2 



I.  Verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Eingriffe 

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fachen Gesetzesvorbehalten in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG bzw. in Art. 2 Abs. 1 GG5 unterstehen und in der Folge durch jedes formell und materiell verfassungsgemäße Gesetz eingeschränkt werden können6, ist die Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG nur durch allgemeine Gesetze beschränkbar7. Abgesehen von der im Wächteramt des Art. 6 Abs. 2 S. 2 inbegriffenen staatlichen Befugnis, dafür Sorge zu tragen, dass die Eltern ihrer Pflicht, das Kind zu erziehen und zu pflegen, auch nachkommen8, und der Regelung in Art. 6 Abs. 3 GG, die die Trennung von Eltern und Kindern betrifft, kennt Art. 6 Abs. 2 GG hingegen keinen Gesetzesvorbehalt9. Soweit die Symbolanordnung nicht durch 6 Abs. 2 S. 2 GG gedeckt ist, müsste sie daher dem Schutz kollidierenden Verfassungsrechts dienen, um im Hinblick auf das Elternrecht verfassungsgemäß zu sein. Wie die sich aus der Glaubens-, Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit zusammensetzende Religionsfreiheit eingeschränkt werden kann, ist umstritten: In Betracht zu ziehen sind hier sowohl ein Vorbehalt der allgemeinen Gesetze aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV10 als auch die Vorbehaltlosigkeit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG11, die eine Einschränkung nur durch kollidierendes Verfassungsrecht erlaubt. Soweit die Konfrontation des Bürgers mit religiösen Symbolen in öffentlichen Einrichtungen eine Verkürzung der Menschenwürde darstellt, kommt eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung überhaupt nicht in Betracht, selbst wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage basieren sollte.

2.  Rechtfertigung nur aufgrund verfassungsrechtlicher Befugnisse des Staates Eine bestehende gesetzliche Eingriffsgrundlage muss formell und materiell verfassungsgemäß sein12 und gegebenenfalls die Anforderungen erfüllen, die das betroffene Grundrecht für seine Einschränkung aufstellt. Für die Rechtfertigung einer als Eingriff anzusehenden Symbolkonfrontation ist zu beachten, dass ein aufgrund staatlicher Anordnung angebrachtes Symbol nur durch verfassungsrechtliche Befugnisse des Staates gerechtfertigt werden kann13. Die Berufung auf Grundrechte anderer Bürger kann die Rechtfertigung allein nicht begründen14. Die Grundrechte anderer Bürger sind in der verfassungsrechtlichen 5 

Vgl. BVerfGE 65, 1. Vgl. BVerfGE 6, 32. 7  Dörr, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, § 103, Rn. 102. 8  Epping, Grundrechte, Rn. 525;; vgl. auch Burgi, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 4, § 109; Rn. 46. 9 Vgl. Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 380. 10 Dazu Muckel, Religiöse Freiheit, S. 230 ff. 11  Vgl. nur BVerfGE 33, 23 (30 f.) sowie jüngst BVerfG, Beschl. v. Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1362). 12  Vgl. BVerfGE 6, 32. 13  Muckel, KuR 1996, 79; Jestaedt, JRP 1995, 237 (245). 14 Vgl. Jestaedt, JRP 1995, 237 (245): Fördert der Staat beispielsweise bestimmte Bürger 6 

238

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs nur zu berücksichtigen, soweit ein Grundrechtskonflikt besteht, aus dem eine staatliche Schutzpflicht herzuleiten ist15. Erst dann ist der Staat aus verfassungsrechtlicher Sicht zum Eingriff befugt. Eine Befugnis des Staats kann sich zudem aus Normen ergeben, die der Durchsetzung von Regelungen des objektiven Verfassungsrechts dienen. Für die als Eingriff anzusehende Symbolkonfrontation ist mithin zu klären, ob und inwieweit hier tatsächlich ein Grundrechtskonflikt vorliegt bzw. sonstige verfassungsrechtliche Befugnisse die beschriebenen Grundrechtseingriffe rechtfertigen können.

a)  Bestehen eines Grundrechtskonflikts An einen Grundrechtskonflikt wäre zu denken, wenn durch eine unterbleibende staatliche Symbolanordnung Grundrechte berührt bzw. verkürzt würden. Als Grundrechte, die durch eine unterbleibende gesetzliche Symbolanordnung betroffen sein können, kommen auf den ersten Blick die Glaubens- und die positive Religionsausübungsfreiheit in Betracht. Im Ergebnis lässt sich allerdings ein grundrechtlicher Anspruch eines Bürgers gegen den Staat auf die staatliche Anordnung eines religiösen Symbols – und in der Konsequenz gegebenenfalls eine Freiheitsverkürzung durch die unterbleibende Anordnung  – weder aus diesen Grundrechten noch in sonstiger Weise verfassungsrechtlich herleiten. Grundrechtliche Schutzpflichten können dem Staat zwar vorschreiben, gerade in öffentlichen Einrichtungen, in denen der Bürger sich aufzuhalten verpflichtet ist, einen Freiraum für die religiöse Betätigung des Bürgers zu schaffen16. Sie begründen jedoch kein Recht des Bürgers auf einen Akt staatlicher Selbstdarstellung und Identifikation, wie ihn religiöse Symbole darstellen können, unabhängig ob es sich dabei um einen neutralitätswidrigen Akt handelt oder nicht.17 Ein Anspruch besteht auch nicht deshalb, weil die Symbolkonfrontation eine schon vorhandene religiöse Einstellung intensivieren kann, den Bürger also in seiner religiösen Einstellung bestärken kann. Abgesehen davon, dass aufgrund des staatlichen Neutralitätsgebots schon zweifelhaft ist, ob der Staat den Bürger tatsächlich in seiner Religion bestärken darf, kommt es für die Verstärkung der religiösen Einstellung jedenfalls nicht darauf an, dass ein Symbol auf staatliche Anordnung hin angebracht wird. Die Herkunft des angebrachten Symbols spielt in ihrer Grundrechtsverwirklichung, so werden deren Grundrechte dadurch nicht zu Schranken der Grundrechte anderer Bürger. 15 Vgl. Jestaedt, JRP 1995, 237 (245). 16  Hierauf zielen etwa Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV ab, vgl. dazu Kapitel D, dort III.2.b)bb). 17  Zum Ganzen Jestaedt, JRP 1995, 237 (254 f.).



I.  Verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Eingriffe 

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für die Einstellungsänderungsprozesse grundsätzlich keine Rolle. Verstärkend könnte insoweit auch ein religiöses Symbol wirken, das von Bürgern selbst angebracht wird. Etwas anderes gilt lediglich bei getragenen Symbolen, die dem Staat aber ohnehin regelmäßig nicht zuzurechnen sind. Ebenso wenig folgt ein Anspruch auf Anordnung eines Symbols aus der Wertung der Auswahlfreiheit als Komponente der Glaubensfreiheit, obgleich nicht auszuschließen ist, dass der Auswahlfreiheit jedenfalls in gewissem Umfang ein Anspruch auf Informationsmöglichkeiten immanent ist. Zwar stellt das Informationsangebot an den Bürger grundsätzlich einen Freiheitsgewinn dar. Das bedeutet aber nicht, dass der Staat den Bürger zu jeder Zeit aktiv mit Informationen versorgen müsste. Vielmehr kommt es darauf an, dass dem Bürger der Zugang zu Informationen nicht verweigert wird. In staatlichen Einrichtungen muss der Bürger danach in die Lage versetzt werden, sich Informationen zu beschaffen und diese auch in der staatlichen Einrichtung nutzen zu können. Wird eine Informationsquelle wie ein Symbol aufgrund einer staatlichen Anordnung angebracht, erweitert das den grundrechtlichen Freiheitsbereich des Bürgers nicht stärker als es eine vom Bürger beschaffte Information vermöchte. Auch insoweit reicht es deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht, wenn es dem Bürger freigestellt bleibt, selbst Symbole in der Einrichtung anzubringen. Auch ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit scheidet als Grundlage eines Anspruchs auf Anordnung eines Symbols aus. Es ist schon nicht ersichtlich, wie die körperliche Integrität dadurch geschädigt werden sollte, dass der Staat sich weigert, ein religiöses Symbol in öffentlichen Räumen anzuordnen. Für die Informationsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist auf die Ausführungen zur Religionsfreiheit zu verweisen. Insgesamt liegt damit kein Grundrechtskonflikt vor, der eine staatliche Anordnung des Symbols rechtfertigen könnte. Ein Recht des Bürgers auf die staatliche Symbolanordnung lässt sich insoweit nicht feststellen. Der in der Anordnung liegende Eingriff kann folglich nur durch sonstige verfassungsrechtliche Befugnisse des Staates gerechtfertigt werden.

b)  Sonstige verfassungsrechtliche Befugnisse des Staates Eine verfassungsrechtliche Befugnis des Staates, religiöse Symbole in öffentlichen Einrichtungen gesetzlich anzuordnen, könnte für den Bereich der öffentlichen Schule in Art. 7 Abs. 1  GG und in den die Norm ausfüllenden Gesetzen, insbesondere den Schulgesetzen, erblickt werden. Art. 7 Abs. 1 GG erfasst den staatlichen Erziehungsauftrag18. Ein Symbol könnte hier ein op-

18 Vgl. Muckel, KuR 1996, 76 ff.; zum staatlichen Erziehungsauftrag Thiel, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 7, Rn. 22 ff.

240

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

tisches Medium des Schulunterrichts darstellen, also ein Erziehungsmittel19. Zumindest soweit ein Symbol säkular gedeutet wird  – das Kreuz etwa als Ausdruck dafür, dass sich Säkularität und Neutralität geistesgeschichtlich im Nährboden christlich geprägter Kultur herausgebildet haben20 – ergeben sich dagegen auf den ersten Blick keine Bedenken21. Etwas anderes gilt hingegen, wenn das Symbol zumindest auch religiös zu deuten ist. Der Staat hat sich bei der Wahrnehmung seines Erziehungsauftrags in religiös-weltanschaulicher Hinsicht neutral zu verhalten22. Zwar kann dem Staat daran gelegen sein, dass der Bürger Wertvorstellungen und eine sittliche Grundlage entwickelt23. Als neutraler und säkularer Staat kann er die Vermittlung von Werten aber jedenfalls nicht zwangsweise durchsetzen; ihm verbleibt vielmehr insbesondere die Möglichkeit, in seinen Einrichtungen einen Freiraum für die Wertevermittlung schaffen24. Dass die staatliche Erziehung in religiös-weltanschaulicher Hinsicht neutral erfolgt, dürfte überdies ganz entscheidend dazu beitragen, dass sie nicht auf Widerstand stößt und sämtliche Schüler ungeachtet ihres religiösen Hintergrunds tatsächlich erreicht. Verwendet der Staat im Rahmen des Art. 7 Abs. 1  GG bestimmte Erziehungsmittel, darf darin folglich keine Verbundenheit des Staates mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck kommen25. Bei Symbolen handelt es sich allerdings um vieldeutige Gegenstände. Einem rein säkularen Verständnis des Symbols lässt sich eine religiöse Deutung entgegen halten. Ob ein Symbol als zulässiges Erziehungsmittel anzusehen ist, hängt deshalb davon ab, welche Deutung des Symbols im konkreten Fall zugrunde zu legen ist. Soweit das Symbol dem staatlichen Erziehungsauftrag dienen soll und vom Staat angeordnet und verwendet wird, liegt es zunächst nahe, darauf abzustellen, wie der Staat das Symbol deutet. Das fordert möglicherweise auch der subjektive Maßstab, der als Maßstab für die Deutung von Symbolen herausgearbeitet wurde26. Gegen eine solche Deutungshoheit des Staates ergeben sich allerdings unter verschiedenen Gesichtspunkten Bedenken: So ist schon fraglich, ob sich mehrdeutige Mittel überhaupt als staatliche Erziehungsmittel eignen. Bei ihnen ist zu bezweifeln, dass sie überhaupt dazu beitragen können, staatliche Erziehungsziele zu erreichen. Deuten die Schüler ein Symbol anders als der Staat, werden durch das Symbol unter Umständen Lernprozesse 19 Vgl.

Jestaedt, JRP 1995, 237 (248). Jestaedt, JRP 1995, 237 (249). 21  So im Hinblick auf das Kreuz Jestaedt, JRP 1995, 237 (248). 22  Muckel, KuR 1996, 77 m. w. N.; vgl. auch Würtenberger, in: Merten/Schmidt/Stettner, FS Knöpfle, S. 397 (405). 23 Vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 7, Rn. 66. 24  Vgl. das Böckenförde-Diktum: Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann (Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 60). 25  Muckel, KuR 1996, 77 m. w. N. 26  Auf die Deutung des Staates stellt Jestaedt, JRP 1995, 237 (246), ab. 20 



I.  Verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Eingriffe 

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initiiert, die der staatliche Verwender nicht initiieren wollte. Mehrdeutige Erziehungsmittel dienen damit nicht zwangsläufig dem staatlichen Erziehungsauftrag und seinen Zielen, sondern konterkarieren sie unter Umständen sogar. Darüber hinaus resultiert der subjektive Maßstab zur Symboldeutung aus dem verfassungsrechtlichen Ziel, die Integrität grundrechtlicher Schutzgüter zu bewahren und dem Bürger einen ausreichenden grundrechtlichen Schutz zu gewährleisten. Dieses Ziel kann zumindest bei einigen Grundrechten nur verwirklicht werden, wenn auch das Selbstverständnis des Bürgers berücksichtigt wird. Da dem Staat als Grundrechtsverpflichteten kein grundrechtlicher Schutz zusteht, ergibt sich keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines subjektiven Maßstabs.27 Die Frage, wie staatlich angeordnete Symbole zu deuten sind, bemisst sich vielmehr nach dem Zweck, dem der staatliche Erziehungsauftrag dient. Dass der staatliche Erziehungsauftrag und auch das ihn inhaltlich prägende Neutralitätsgebot insgesamt der Allgemeinheit bzw. deren Schutz dienen, spricht dafür, bei der Deutung der Erziehungsmittel deren objektive Aussagen nicht außer Acht zu lassen: Nach der objektiven Deutung kommt es nicht darauf an, wie der Staat oder ein Bürger ein Symbol im Einzelfall verstehen, sondern darauf, welche Deutungen des Symbols allgemein plausibel erscheinen. Lässt sich bei einem Symbol ein religiöser Inhalt aus objektiver Sicht nicht vollständig von ihm ablösen28, liegt objektiv ein nach Art. 7 Abs. 1  GG unzulässiges Erziehungsmittel bzw. ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot vor. Auf eine etwaige anders gelagerte Intention des Gesetzgebers oder des Rechtsanwenders kommt es insoweit nicht an. Beide können ihre Deutung nicht zum alleinigen Maßstab der Beurteilung machen, ob und inwieweit ein Erziehungsmittel den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 GG genügt. Symbolen kann jedenfalls dann ein religiöser Bezug objektiv nicht abgesprochen werden, wenn sie ersichtlich zumindest von bestimmten Bevölkerungsteilen religiös gedeutet werden. In diesem Fall stellen sie regelmäßig keine zulässigen Erziehungsmittel im Rahmen des Art. 7 Abs. 1 GG dar29. Ordnet der Staat die Anbringung solcher Symbole in öffentlichen Schulen gesetzlich an und stellt die darauf basierende Symbolkonfrontation einen Grundrechtseingriff dar, vermag der staatliche Erziehungsauftrag den Eingriff regelmäßig deshalb nicht zu rechtfertigen30.

27 Vgl.

Huster, Ethische Neutralität des Staates, S. 155 f. Dafür, dass eine solche Ablösung beim Kreuz, insbesondere beim Kruzifix, nicht in Betracht kommt: Muckel, KuR 1996, 77. 29  Bedenken dagegen, dass das Anbringen des Kreuzes gegen den Neutralitätsgrundsatz verstößt, äußert auch Ipsen, in: Ziemske/Langheid/Wilms/Haverkate (Hrsg.), FS Kriele, S. 301 (316). 30  So auch Muckel, KuR 1996, 76 ff., insb. S. 79. 28 

242

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

Für öffentliche Kindergärten fehlt es an einer dem Art. 7 Abs. 1 GG entsprechenden Vorschrift. Es ist allerdings nicht ersichtlich, warum es dem Staat hier abweichend von dem Art. 7 Abs. 1  GG zugrundeliegenden Gedanken erlaubt sein sollte, religiöse Symbole als Erziehungsmittel zu verwenden31. Vielmehr ergibt sich aus dem Neutralitätsprinzip, und in diesem Zusammenhang insbesondere aus dem Gebot der Nichtidentifikation, dass der Staat sich nicht mit einem bestimmten religiösen Bekenntnis identifizieren und auch nicht seinen Bürgern ein bestimmtes Bekenntnis nahebringen darf32. Das wäre bei der Verwendung eines religiösen Symbols als Erziehungsmittel allerdings der Fall. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege erfordert ebenfalls nicht, religiöse Symbole in Gerichtssälen anzuordnen. Soll ein Eid mit religiöser Beteuerung geleistet werden, bedarf es eines auf staatliche Anordnung hin dauerhaft angebrachten Symbols nicht: Ein solches Symbol kann vielmehr vom Gericht im jeweils konkreten Fall für die Zeit des Eides zur Verfügung gestellt werden33.

3.  Regelmäßig keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung konfrontationsbedingter Grundrechtseingriffe Die durch staatlich angeordnete religiöse Symbole entstehenden konfrontationsbedingten Grundrechtseingriffe sind damit verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Das gilt unabhängig davon, ob im Einzelfall die Glaubensfreiheit oder andere Grundrechte, etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht, betroffen sind. Es mangelt bereits an einem Grundrechtskonflikt, aus dem staatliche Handlungspflichten hervorgehen könnten, die die Symbolanordnung beinhalteten. Auch im Übrigen fehlen verfassungsrechtliche Befugnisse, auf die der Staat den Grundrechtseingriff stützen könnte. Gleiches gilt für eine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung.

II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten Wird der Bürger in einer öffentlichen Einrichtung mit einem Staatsbediensteten oder einem anderen Bürger konfrontiert, der ein religiöses Symbol trägt, oder befindet sich dort ein Symbol, das Mitbürger oder Staatsbedienstete aus eigener Veranlassung angebracht haben, kommt ein Grundrechtseingriff nicht in Betracht. Etwaige konfrontationsbedingte Grundrechtsverkürzungen sind 31  Fehlt eine Art. 7 Abs. 1 GG entsprechende Regelung, stellt sich überdies bei Eingriffen in vorbehaltlose Grundrechte das Problem, dass diese nur zum Schutz von kollidierendem Verfassungsrecht erfolgen dürfen. 32  Zum Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates ausführlich D. V. 4. 33 Vgl. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 4 WRV, Rn. 119.



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

243

dem Staat nicht zuzurechnen, soweit er das Tragen von Symbolen lediglich duldet34. Es stellt sich aber die Frage, ob und inwieweit sich in diesem Fall aus der Schutzpflichtendimension der Grundrechte staatliche Handlungspflichten ergeben35. Erinnert sei daran, dass grundrechtliche Schutzpflichten regelmäßig nicht nur durch eine einzige bestimmte Handlung des Staates erfüllt werden können. Die Schutzpflicht belässt dem Staat einen weiten Ermessensspielraum. Begrenzt wird das staatliche Ermessen durch den Gedanken der effektiven Erfüllung der Schutzpflicht. Dieser verlangt jedenfalls einen verfassungsrechtlichen Mindeststandard an Grundrechtsschutz. Der Mindeststandard wird durch das sogenannte Untermaßverbot bestimmt.36 Welche Anforderungen der Grundrechtsschutz danach erfüllen muss, hängt einerseits von der Schutzbedürftigkeit und dem Rang des betroffenen Rechtsguts und andererseits vom Gewicht der mit dem Rechtsgut kollidierenden Interessen ab37. Das Untermaßverbot verlangt einen angemessenen und wirksamen Schutz, der auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruht38.

1.  Staatliche Schutzpflicht aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Zu untersuchen ist zunächst, ob sich aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit eine staatliche Schutzpflicht ergibt, die im Kontext der Symbolkonfrontation staatliche Handlungspflichten begründet. Grundrechtliche Schutzpflichten hat das Bundesverfassungsgericht gerade im Hinblick auf den Schutz des Lebens und die körperliche Unversehrtheit entwickelt39. Der Staat hat sich danach „schützend und fördernd“40 vor das Leben und die Gesundheit des Einzelnen zu stellen41.

34 

Vgl. oben E. III.1.c)bb)(2)(b)(bb). Zur Herleitung von Schutzpflichten oben E. III.1.c)bb)(2)(b)(cc). 36  Calliess, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 44, Rn. 26; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrecht, § 191, Rn. 300 ff.; Epping, Grundrechte, Rn. 126 ff.; vgl. auch oben E. III.1.c)bb)(2)(b)(cc). 37 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 41. 38  BVerfGE 88, 203 (254); vgl. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 303. 39  BVerfGE 39, 1 (41 f.), 49, 89 (141 f.), 88, 203 (251); vgl. auch die w. Nachw. bei MüllerTerpitz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 147, Rn. 71 m. Fn. 281. 40  BVerfGE 39, 1 (42). 41 Vgl. auch Müller-Terpitz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 147, Rn. 71; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2, Rn. 229. 35 

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F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

a)  Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern getragenen Symbole Die Symbolkonfrontation berührt das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit. Das folgt daraus, dass sie Emotionen auslösen kann, also einen inneren Zustand, vor dem das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG jedenfalls dann Schutz bietet, wenn er in einem seelischen Schock oder einem vergleichbaren Phänomen gipfelt. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber doch nicht auszuschließen, dass infolge der Symbolkonfrontation ein solcher Zustand eintritt. Mithin kann die Symbolkonfrontation eine Gefährdung bzw. Verkürzung der körperlichen Unversehrtheit begründen. Das gilt nicht nur im Fall staatlich angeordneter Symbole, sondern auch, wenn die Symbolkonfrontation durch einen Bürger begründet wird, der ein Symbol trägt. Unklar ist allerdings, inwieweit die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1  GG infolgedessen staatliche Handlungspflichten in der Konfrontationssituation begründet. Fraglich ist insbesondere, ob aus sich aus ihr eine staatliche Pflicht ergeben kann, das Tragen von Symbolen zu verbieten. Hinsichtlich der Auswahl der einzelnen Schutzmittel steht dem Staat, wie erwähnt, ein weiter Ermessensspielraum zu42. Die Symbolkonfrontation muss in diesem Zusammenhang differenziert betrachtet werden: Werden religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen von anderen Bürgern, die keine Staatsbediensteten sind, getragen, spricht vieles dafür, das Untermaßverbot auch dann nicht als verletzt anzusehen, wenn der Staat das Tragen von Symbolen weder ausdrücklich verbietet noch sonstige die Symbolkonfrontation regelnde Maßnahmen ergreift. Das ergibt sich daraus, dass der Prozess, der zu der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit führt – die emotionsauslösende Verarbeitung äußerer Reize  – einen typischen Prozess des menschlichen (Zusammen-) Lebens darstellt. Die Beeinträchtigung entsteht dadurch, dass der Symbolträger, während er seine Bekenntnis- bzw. Religionsausübungsfreiheit ausübt, in dem sozialen Gefüge agiert, in das auch der Symbolbetrachter eingebunden ist. In einem sozialen Gefüge entstehen typischerweise verschiedene Reize, die der an ihm beteiligte Mensch partiell (mit-)verursacht und die er teilweise aufnimmt und verarbeitet. Letzteres kann unterschiedliche Folgen nach sich ziehen. Die Verarbeitung kann praktisch unbemerkt ablaufen, aber auch in einem seelischen Schock oder einem anderen Zustand gipfeln, der einer körperlichen Beeinträchtigung ähnelt. Auch letztere Wirkung stellt sich als eine zwar seltene, aber dennoch natürliche Folge sozialer Interaktion dar, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb staatlicher Einrichtungen. Fraglich erscheint danach schon, ob staatliche Schutzpflichten tatsächlich auf die Verhinderung solcher natürlichen Folgen sozialer Interaktion zielen können, 42  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 300; Calliess, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 44, Rn. 26.



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

245

und zwar insbesondere dann, wenn die Interaktion auch als Gebrauch grundrechtlicher Freiheiten zu verstehen ist. Zwar stellt ein konfrontationsbedingter emotionaler Zustand, der mit dem Zustand einer körperlichen Beeinträchtigung vergleichbar ist, eine starke Belastung für den Symbolbetrachter dar. Da die Frage nach Art und Umfang grundrechtlicher Schutzpflichten jedoch nicht das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, sondern das Verhältnis der Bürger untereinander betrifft, ist eine andere Bewertung angezeigt als in dem Fall, in dem das Symbol staatlich angeordnet wird: Die Grundrechte fordern in ihrer Schutzfunktion nicht das gleiche Maß an Distanz zwischen den Bürgern wie in ihrer Abwehrfunktion von der Staatsgewalt gegenüber dem Bürger. Sie wollen die Bürger nicht untereinander isolieren.43 Die Gemeinschaft des Menschen mit anderen Menschen in der offenen, pluralistischen Gesellschaft stellt vielmehr eine wesentliche Zielvorstellung des Grundgesetzes dar. Das Grundgesetz will den Menschen deshalb grundsätzlich nicht von Einflüssen fernhalten, die sich aus seiner Gemeinschaftsbezogenheit ergeben.44 Gleichwohl ist im Hinblick auf die soziale Interaktion eine Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen erforderlich. So dürften sich auch zwischenmenschliche Dispute, die etwa in Beleidigungen oder emotionalen Verletzungen gipfeln, als natürliche Folgen sozialer Interaktion darstellen. Gleichwohl kann die Beleidigung als Angriff eines Bürgers auf die Ehre eines anderen Bürgers auch aus verfassungsrechtlicher Sicht als unzulässig zu bewerten sein, weshalb der Gesetzgeber gegebenenfalls gehalten ist, entsprechende Strafvorschriften zu erlassen. Anders als es regelmäßig bei Beleidigungen oder bestimmten emotionalen Verletzungen der Fall ist, kann der seelische Schockzustand durch die Symbolkonfrontation aber auch dann ausgelöst werden, wenn der Symbolträger die Verkürzung der körperlichen Unversehrtheit des Symbolbetrachters nicht bezweckt, und regelmäßig darüber hinaus sogar dann, wenn er die Möglichkeit der Verkürzung überhaupt nicht in Betracht zieht. Soweit der Symbolträger die Verkürzung nicht bezweckt, ergibt eine Gegenüberstellung der betroffenen Rechtsgüter, dass der Grundrechtsausübung des Symbolträgers sowie dem allgemeinen Interesse an sozialer Interaktion der Bürger untereinander regelmäßig ein stärkeres Gewicht zuzusprechen ist als dem Interesse des Betroffenen, nicht durch unbewusstes Verhalten des Gegenübers einen seelischen Schockzustand oder einen vergleichbaren Zustand zu erleiden. Das gilt jedenfalls, soweit der Symbolträger durch das Tragen des Symbols grundrechtliche Freiheiten ausübt. Erinnert sei daran, dass sich in diesem Fall eine die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ausfüllende Maßnahme als Eingriff in die Grundrechte des Symbolträgers darstellen kann – einschlägig ist hier die abwehrrechtliche Komponente der Grundrechte –, sodass 43  44 

Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 239. Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (343).

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F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

sie sich nicht nur am Untermaßverbot, sondern auch am Übermaßverbot45 messen lassen muss. Diese gegenläufigen Maximen müssen in der Abwägung zum Ausgleich gebracht werden.46 Dass das Interesse des Symbolträgers überwiegt, folgt im Übrigen auch daraus, dass der beschriebene Schockzustand regelmäßig nur entsteht, wenn der Symbolbetrachter durch einschlägige Vorerfahrungen bereits seelisch belastet ist. Diese Vorbelastung kann sich nicht ohne weiteres zu Lasten des Symbolträgers auswirken, der lediglich seine grundrechtliche Freiheit ausübt. Auch aus praktischer Sicht erweist sich diese Annahme als sinnvoll. So kann nahezu jeder Reiz in eine traumatische Erfahrung eingebunden werden. Eine Schutzpflicht, die den Bürger davor bewahren wollte, dass traumatische Erfahrungen erneut wachgerufen würden, müsste daher darauf zielen, den Bürger praktisch vor jedem Gegenstand, jeder Äußerung und jedem sonstigen Ereignis zu bewahren. Das wäre tatsächlich nicht durchführbar. Auch eine Regelung speziell der Symbolkonfrontation käme unter diesen Umständen nicht in Betracht. In der beschriebenen Konstellation nimmt das religiöse Symbol im Vergleich zu anderen Gegenständen keine gesonderte Rolle ein, sodass eine allein auf die Symbolkonfrontation bezogene Regelung schon unter Gleichheitsgesichtspunkten keinen Bestand haben könnte. Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Bürger das Symbol gezielt nutzt, um auf Seiten eines anderen Bürgers einen Schockzustand hervorzurufen, etwa im Wissen um traumatische Vorerfahrungen des anderen. In diesem Fall überwiegt das Bedürfnis des betroffenen Bürgers nach einem Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit regelmäßig das Interesse des Symbolträgers an dessen Grundrechtsausübung – soweit ein der gezielten Verletzung eines anderen dienender Akt überhaupt ein grundrechtlich geschütztes Verhalten darstellen kann47. In diesem Fall besteht eine Pflicht des Staates, den Betroffenen vor dem verletzenden Verhalten des anderen Bürgers zu schützen. Welche Maßnahme hier einen effektiven Schutz bietet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein Symbolverbot dürfte jedenfalls in Betracht zu ziehen sein. Soweit mit den Schutzmaßnahmen ein Eingriff in die Grundrechte des Symbolträgers erfolgt, bedarf der Staat zu ihrer Vornahme einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung. In Betracht ziehen lassen sich polizei- und ordnungsrechtliche Vorschriften, etwa die jeweiligen Generalklauseln48. Die Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die diese Normen voraussetzen, ergibt sich aus den in derartigen Situationen in Rede stehenden Verstößen gegen Straftatbestände, 45 Dazu

Grzeszik, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, Rn. 127. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191, Rn. 303; Lang, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 76. 47  Zum Gewaltverbot als Grenze der Grundrechtsausübung Muckel, Religiöse Freiheit, S. 206 ff., welches allerdings psychische Gewalt nicht umfasst (S. 209 f.). 48  Vgl. etwa § 8 PolG NRW sowie § 14 OBG NRW. 46 



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

247

etwa gegen § 223 StGB. Zwar umfasst § 223 StGB regelmäßig keine bloßen emotionalen Reaktionen wie starke Gemütsbewegungen oder Erregungszustände. Im Fall eines seelischen Schockzustandes dürfte aber regelmäßig ein pathologischer und somatisch objektivierbarer Zustand vorliegen, der die Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB überschreitet.49 Mit Einführung der Straftatbestände bzw. der polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften, die im Falle eines Verstoßes gegen Straftatbestände staatliche Maßnahmen ermöglichen, um den Verstoß zu unterbinden, hat der Staat somit seine Schutzpflicht bereits teilweise erfüllt. Zur weiteren Erfüllung der Schutzpflicht sind die Normen nach den obigen Maßgaben im Einzelfall auch tatsächlich anzuwenden.

b)  Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Staatsbediensteten getragenen Symbole Auch im Fall von symboltragenden Staatsbediensteten dürften angesichts des Untermaßverbots nicht zwangsläufig staatlichen Handlungspflichten dahingehend bestehen, den Staatsbediensteten während der Ausübung ihres Amts das Tragen eines Symbols zu verbieten. Das gilt jedenfalls, solange und soweit sich das Tragen eines Symbols als Ausdruck grundrechtlicher Freiheit  – etwa der Bekenntnis- oder der Religionsausübungsfreiheit – darstellt, da die Grundrechte von Staatsbediensteten gerade nicht bereits im Ansatz begrenzt werden50. Gleichwohl muss die besondere Rolle der Staatsbediensteten berücksichtigt werden. So kann es in bestimmten Konstellationen gerechtfertigt erscheinen, dem symboltragenden Staatsbediensteten ein höheres Maß an Zurückhaltung aufzuerlegen als anderen Bürgern51. Diese besondere Pflicht zur Zurückhaltung wäre bei der im Rahmen des Untermaßverbots vorzunehmenden Gegenüberstellung und Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu berücksichtigen. Das Untermaßverbot dürfte staatliche Handlungspflichten erst für den Fall statuieren, in dem der Staatsbedienstete mit seinem Verhalten gerade die Einwirkung auf die Gesundheit anderer Bürger bezweckt. Ein – mit Blick auf eine von Staatsbediensteten gegebenenfalls zu fordernde besondere Zurückhaltung – früher ansetzender Schutz kommt nicht in Betracht. Das folgt daraus, dass schon die bloße Wahrnehmung des Symbols den für eine Verkürzung des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erforderlichen Zustand hervorrufen kann. Es spielt danach keine Rolle, ob dem Staatsbediensteten in der öffentlichen Einrichtung aufgrund seines Amtes eine besondere Präsenz zukommt bzw. ob er aufgrund seiner Funktion in 49 Vgl.

BGH, NStZ-RR 2013, 375 (376). Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 76, dazu schon oben E. III.1.c)bb)(2)(b)(aa). 51  Vgl. BVerfGE 39, 334 (367 ff.); BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359; Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 190; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 65. 50 

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F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

sonstiger Weise im Mittelpunkt steht52 oder nicht. Vielmehr kann das Tragen eines Symbols durch ihn in genau gleicher Weise wie das Tragen eines Symbols durch einen Mitbürger eine Verkürzung des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG auslösen, nämlich schon dadurch, dass das Symbol für den Betroffenen nur einmalig und kurzzeitig wahrnehmbar wird. Diese Erkenntnis rechtfertigt es nicht, von dem Staatsbediensteten eine erhöhte Zurückhaltung bereits in den Fällen zu fordern, in denen er mit dem Tragen des Symbols keine Gesundheitsbeeinträchtigung anderer Personen bezweckt. Auch in diesen Fällen überwiegen das Interesse des Staatsbediensteten an der Grundrechtsausübung einerseits bzw. das allgemeine Interesse an sozialer Interaktion andererseits das Interesse des Betroffenen an einem Schutz von der atypischen Gefahr, infolge der Teilnahme am sozialen Miteinander einen seelischen Schockzustand zu erleiden. Nutzt der Staatsbedienstete das Symbol gezielt, um einen anderen an dessen Gesundheit zu schädigen, ist der Staat jedoch angesichts des Untermaßverbots verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit dieses anderen Bürgers zu ergreifen. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie im Fall des Bürgers, der kein Staatsbediensteter ist und die Gesundheitsschädigung eines anderen bezweckt. In diesen Fällen überwiegt das Interesse des betroffenen Bürgers am Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit regelmäßig das Interesse des Symbolträgers an dessen Grundrechtsausübung. Auch im Fall des Staatsbediensteten hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, welche Schutzmaßnahmen im konkreten Fall dem Untermaßverbot genügen und ob das staatliche Ermessen derart reduziert ist, dass ein Symbolverbot die einzige mögliche ermessensfehlerfreie Maßnahme darstellt. Eingriffsermächtigungen – gegebenenfalls auch für ein Symbolverbot – enthalten jedenfalls die polizeirechtlichen Normen, die ein Eingreifen bei Verstoß gegen Strafgesetze – hier etwa § 223 StGB – ermöglichen. Bei deren Anwendung ist stets zu klären und gegebenenfalls zu berücksichtigen, ob die intentionale Gesundheitsschädigung in Form des Tragens des Symbols gleichzeitig ein grundrechtlich geschütztes Verhalten darstellen kann, da dieser Umstand ermessenslenkend wirken kann. Eingriffsbefugnisse des Staates zur Durchsetzung seiner Schutzpflicht können sich darüber hinaus aus allgemeinen Beamtengesetzen ergeben, die den Beamten zu Mäßigung anhalten53.

52 Vgl.

Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 65. Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (341); vgl. z. B. § 60 Abs. 2 BBG; § 33 Abs. 2 BeamtStG. 53 



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

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c)  Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern angebrachten Symbole Eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit kommt auch bei der Konfrontation mit religiösen Symbolen in Betracht, die in öffentlichen Einrichtungen auf Veranlassung von Bürgern oder Staatsbediensteten angebracht sind. Zweifelhaft ist, ob sich aus der Religionsfreiheit ein Recht des Bürgers ergibt, (eigene) religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen anzubringen. Bedeutsam wäre ein solches Recht für die im Rahmen des Untermaß vorzunehmende Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter  – der körperlichen Unversehrtheit des Symbolbetrachters auf der einen Seite und gegebenenfalls der Bekenntnis- bzw. Religionsausübungsfreiheit des Symbolträgers auf der anderen Seite. An ein Recht zur Anbringung religiöser Symbole lässt sich zumindest denken, wenn der Bürger verpflichtet ist, sich in staatlichen Einrichtungen aufzuhalten und ihm deshalb bestimmte Möglichkeiten, seine Religion auszuüben, genommen sind. Ein Recht des Staatsbediensteten, eigene religiöse Symbole in einer staatlichen Einrichtung anzubringen, kommt demgegenüber vor dem Gebot der Mäßigung bzw. jedenfalls vor dessen Rechtsgedanken kaum in Betracht. Soweit das Anbringen eines Symbols danach Ausfluss der Bekenntnis- und der Religionsausübungsfreiheit sein kann, gelten die oben54 beschriebenen Grundsätze: Für eine Verkürzung der körperlichen Unversehrtheit spielt es keine Rolle, ob die sie verursachende Symbolkonfrontation deshalb stattfindet, weil der Bürger einem menschlichen Symbolträger begegnet oder weil er ein an der Wand angebrachtes Symbol anblickt. Ob eine staatliche Pflicht besteht, Maßnahmen zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit zu ergreifen, hängt davon ab, ob mit dem Anbringen des Symbols die Schädigung der körperlichen Unversehrtheit eines anderen bezweckt wird oder nicht. Der Inhalt solcher Maßnahmen kann wiederum nur mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls bestimmt werden. Ein Symbolverbot kann vor diesem Hintergrund nicht generell als erforderlich erachtet werden.

d) Zusammenfassung Insgesamt ergibt sich damit aus der Schutzpflichtendimension der körperlichen Unversehrtheit keine generelle staatliche Pflicht, die Konfrontationssituation durch ein gesetzliches Symbolverbot zu verhindern. Eine an den Staat gerichtete Pflicht, Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit zu ergreifen, besteht jedoch bei gezielten Gesundheitsverkürzungen durch Staatsbedienstete oder Mitbürger, das heißt in Fällen, in denen die Symbolkonfrontation dazu genutzt wird, bei einem Bürger einen seelischen Schockzustand oder einen vergleichbaren 54 

F. II.1.a).

250

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

Zustand hervorzurufen. Insbesondere die Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts, die ein staatliches Eingreifen im Fall von (drohenden) Verstößen gegen bestehende Strafgesetze zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit ermöglichen, erlauben es dem Staat, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die grundrechtliche Schutzpflicht gebietet dem Staat, die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften im Einzelfall anzuwenden und dabei den Gedanken des effektiven Grundrechtsschutzes zu verwirklichen. Letzteres setzt insbesondere voraus, dass die konkreten Sachverhaltsumstände berücksichtigt werden.

2.  Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Auch die Gewährleistungen des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verpflichten den Staat, sich schützend vor das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen zu stellen55. Im Fall der Symbolkonfrontation kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch durch nicht-staatliche Akteure gefährdet bzw. verkürzt werden, was gegebenenfalls die Schutzpflicht auf den Plan ruft: Die Konfrontation mit einem privaten Symbolträger löst regelmäßig Emotionen aus. Im Fall einer traumatischen Vorerfahrung mit dem Symbol können die Emotionen in einem seelischen Schockzustand gipfeln. An einen solchen Zustand knüpft das allgemeine Persönlichkeitsrecht an. Es schützt den Menschen in geistig-seelischer Beziehung und will seine Persönlichkeitsentfaltung sichern. Befindet sich der Mensch in einem seelischen Schockzustand, wird seine Persönlichkeitsentfaltung gehemmt. Hinsichtlich des konkreten Inhalts einer Schutzpflicht bzw. etwaiger staatlicher Handlungspflichten, durch die die Schutzpflicht erfüllt werden soll, ist allerdings daran zu erinnern, dass die infolge der Symbolkonfrontation entstehende Verkürzung des Persönlichkeitsrechts im sozialen Miteinander wurzelt. Insoweit ist auf die Erkenntnisse zur Schutzpflicht aus der körperlichen Unversehrtheit zu verweisen56. Der Staat ist vor diesem Hintergrund nicht generell verpflichtet, zum Schutz des Persönlichkeitsrechts ein Symbolverbot zu erlassen. Soweit die Verkürzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht bewusst und gezielt herbeigeführt wird, ergibt sich aus der im Rahmen des Untermaßverbots erforderlichen Gegenüberstellung der betroffenen Rechtsgüter, dass das Interesse, ein Symbol zu tragen, das Bedürfnis nach dem Schutz des Persönlichkeitsrechts regelmäßig überwiegt. Staatliche Maßnahmen sind nur bei bewusster und gezielter Verkürzung des Persönlichkeitsrechts erforderlich. Eingriffsermächtigungen ergeben sich hier aus den polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften in Verbindung mit den Strafgesetzen zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit. Das gilt ungeachtet des Befunds, dass das allgemeine 55  56 

Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 148, Rn. 95. Oben F. II.1.



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

251

Persönlichkeitsrecht den Bürger nicht in körperlicher, sondern in geistig-seelischer Hinsicht schützt57. Denn ein seelischer Schockzustand dürfte sich stets auch körperlich in einer Weise auswirken, die einen pathologischen Zustand darstellt, wie ihn § 223 StGB fordert. Eines gesonderten Schutzes des seelischen Zustands durch spezielle Normen bedarf es daher nicht. Die Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gebietet es dem Staat, die Eingriffs­ ermächtigungen im Fall gezielter Verletzungen des Persönlichkeitsrechts anzuwenden, wobei hinsichtlich der Art und Weise der darauf gründenden Maßnahmen die konkret betroffenen Rechtsgüter angemessen zu berücksichtigen sind.

3.  Staatliche Schutzpflicht aus der Glaubensfreiheit Weiterhin ist zu untersuchen, ob und inwieweit der Staat im Hinblick auf mögliche Verkürzungen der Glaubensfreiheit verpflichtet ist, Maßnahmen zu ergreifen, die die Verkürzung verhindern. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verpflichten den Staat nicht nur dazu, verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Eingriffe zu unterlassen, sondern auch dazu, den Grundrechtsberechtigten einen Betätigungsraum zu sichern und sie vor Angriffen Dritter zu schützen58. Die Konfrontation eines Bürgers mit nicht-staatlichen Symbolträgern kann einen solchen Angriff Dritter begründen, weil sie dazu führen kann, dass der Bürger in seiner Entscheidungsfreiheit in Glaubensfragen eingeschränkt wird bzw. einer dahingehenden Gefahr ausgesetzt wird. Gleichwohl ist zu beachten, dass die Glaubens- bzw. insbesondere die Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit Glaubenswerbung und damit in gewissem Umfang gegenseitige Beeinflussung der Bürger untereinander zulassen59. Eine staatliche Schutzpflicht für die Glaubensfreiheit muss diesen Umstand berücksichtigen.

a)  Inhalt einer staatlichen Schutzpflicht im Fall der von Mitbürgern getragenen Symbole Aus dem Untermaßverbot, das für den Inhalt der Schutzpflicht heranzuziehen ist, ergibt sich danach, dass die Schutzpflicht nicht generell staatliche Handlungspflichten begründet und insbesondere kein generelles Symbolverbot fordert. Zwar kann gerade die längere Konfrontation mit einem Symbol ohne Aus57 Vgl. Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 61, wobei beide Aspekte, wie oben erwähnt, nicht vollständig voneinander zu trennen sind, da der Mensch eine Einheit von Leib, Seele und Geist ist (BVerfGE 56, 54 [74 f.]). 58  Mückl, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 4, Rn. 131, 133; vgl. auch Vosgerau, Freiheit des Glaubens, S. 200 ff. 59  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1 und 2, Rn. 135; vgl. auch oben D. IV. 2.b)bb).

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F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

weichmöglichkeit, wie sie in öffentlichen Einrichtungen stattfinden kann, eine solche Verkürzung (mit-)hervorrufen60, weil sie die Grundlage etwa für Konditionierungsprozesse bildet. Glaubensfreiheitsrelevante Willensverkürzungen werden vom Symbolträger allerdings nicht zwangsläufig willentlich beeinflusst. Prozesse wie die Konditionierung können sich als natürliche, unbeabsichtigte Folge sozialer Interaktion darstellen, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb öffentlicher Einrichtungen61. Vor dem Hintergrund des pluralistischen Weltbilds des Grundgesetzes, das die Bürger in einem sozialen Miteinander sieht, und der Erkenntnis, dass die Verfassung die gegenseitige religiös-weltanschauliche Beeinflussung der Bürger in gewissem Rahmen zulässt, ist das Interesse des Symbolträgers an der Grundrechtsausübung in Form des Symboltragens und das allgemeine Interesse an einem sozialen Miteinander zumeist höher zu bewerten als das Interesse des Symbolbetrachters, in sozialen Beziehungen nicht von anderen Menschen – unabsichtlich – in seinen religiösen Einstellungen beeinflusst zu werden. Das Untermaßverbot verlangt deshalb in diesen Fällen keine staatlichen Maßnahmen, die die Konfrontationssituation unterbinden. Etwas anderes gilt nur, soweit das getragene Symbol genutzt wird, um den Symbolbetrachter gezielt und mittels Druck- bzw. Zwangsmitteln oder unter bewusster Umgehung des menschlichen Willens in seinen religiösen Einstellungen zu beeinflussen. Dann überwiegt das Schutzinteresse des von einer derartigen Missionierung betroffenen Bürgers das Interesse des Symbolträgers an der Werbung für seinen Glauben. Je nach Fallgestaltung kann allerdings ohnehin bezweifelt werden, dass der Symbolträger für die zuvor beschriebene Missionierung die Bekenntnis- bzw. Religionsausübungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen kann62. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das bloße Tragen des Symbols regelmäßig noch keine Willensbeeinträchtigung bzw. keinen Druck und Zwang begründet. Hierfür bedarf es vielmehr zusätzlicher Maßnahmen des Symbolträgers. Da bei der Missionierung eine Veränderung innerer menschlicher Prozesse stattfinden soll, kommen hierfür nur Maßnahmen in Betracht, die auf innere menschliche Vorgänge einwirken. Neben bewusst herbeigeführtem emotionalen Druck – etwa in Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhält60  Vgl. BVerfGE 93, 1 (16): „Davon zu unterscheiden ist aber eine vom Staat geschaffene Lage, in der der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluß eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist. Insofern entfaltet Art. 4 Abs. 1 GG seine freiheitssichernde Wirkung gerade in Lebensbereichen, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen, sondern vom Staat in Vorsorge genommen worden sind.“ 61  Außerhalb öffentlicher Einrichtungen stellt sich die Wahrscheinlichkeit einer Willensfreiheitsverkürzung jedoch als geringer dar, da regelmäßig Ausweichmöglichkeiten bestehen. 62 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4, Rn. 84, der entsprechende Maßnahmen als nicht erfasst von Art. 4 Abs. 1 GG ansieht; zum Gewaltverbot als Grenze der Grundrechtsausübung Muckel, Religiöse Freiheit, S. 206 ff., das allerdings psychische Gewalt nicht umfasst (S. 209 f.).



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

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nisses – ist auch an die Maßnahmen zu denken, die typischerweise als Eingriffe in die Glaubensfreiheit gewertet werden, etwa das Verabreichen von Drogen63, wobei auch an deren Erfolgstauglichkeit gezweifelt werden kann, da eine religiöse Einstellung regelmäßig in einem sehr komplexen Sozialisationsprozess entsteht. Von einem gezielten, zwanghaft wirkendenden Missionierungsakt, der staatliche Schutzpflichten begründen kann, dürfte daher nur auszugehen sein, wenn zu dem Tragen des Symbols weitere Umstände hinzutreten, die sich insbesondere aus dem Verhalten des Symbolträgers ergeben können. In diesem Fall kann eine Verkürzung der Glaubensfreiheit des Symbolbetrachters aber auch dadurch vermieden werden, dass es dem Symbolträger untersagt wird, die jeweiligen weiteren Maßnahmen vorzunehmen. Diese Erkenntnis spricht gegen die Annahme, das staatliche Ermessen sei auf ein Symbolverbot reduziert. Regelmäßig besteht in den beschriebenen Konstellationen keine Notwendigkeit, spezielle Eingriffsgrundlagen für staatliche Maßnahmen zum Schutz der Glaubensfreiheit zu schaffen. Das folgt daraus, dass zumeist Verstöße gegen Straftatbestände wie etwa gegen § 240 StGB, unter Umständen auch gegen § 223 StGB in Rede stehen, sodass – zumal vor dem Hintergrund eines gegebenenfalls nur geringfügigen Eingriffs in die Grundrechte des Symbolträgers64 – schon polizeirechtliche Befugnisnormen ausreichen.

b)  Staatliche Handlungspflicht im Fall symboltragender Staatsbediensteter Soweit Symbole von Staatsbediensteten getragen werden, stellt sich die Situation etwas anders dar: So können Beamte aus den in Art. 33 Abs. 5 GG erwähnten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums  – bzw. Angestellte des öffentlichen Dienstes aus dem Gedanken ihrer Staatsnähe und ihrer Eingliederung in den staatlichen Aufgabenbereich65  – verpflichtet sein, sich in ihrer Grundrechtsausübung stärker zurückzuhalten als andere Bürger, soweit die Grundrechtsausübung Rechte Dritter berührt oder durch sie die Funktionsfähigkeit der jeweiligen staatlichen Einrichtung gefährdet wird66. Diese Idee spiegelt sich insbesondere in den beamtenrechtlichen Mäßigungsgeboten wieder67. Eine derartige Pflicht zur Zurückhaltung wäre bei der Gegenüberstellung der betroffenen Rechtsgüter im Rahmen des Untermaßverbots zu berücksichtigen. 63 

Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Rn. 35; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 4, Rn. 72. 64  Schließlich wird nicht das Tragen des Symbols untersagt, sondern nur die aggressive Missionierung mithilfe des Symbols. 65 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015  – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1360). 66  BVerfGE 39, 334 (367 ff.); vgl. auch jüngst BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1364 f.); Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 190. 67  Zu deren Verfassungsmäßigkeit vgl. etwa BVerfG, NJW 1985, 788.

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F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

Im Vergleich zu der Schutzpflicht aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, hinsichtlich derer keine Unterschiede zwischen dem symboltragenden Bürger und dem symboltragenden Staatsbediensteten festzustellen waren, lassen sich bei der Glaubensfreiheit in gewissem Umfang Unterschiede erkennen. Das gilt jedenfalls, soweit dem Staatsbediensteten aufgrund der Funktion, die er in der öffentlichen Einrichtung ausübt, eine für den Bürger erkennbare besondere Präsenz zukommt. Zu denken ist hier etwa an die Lehrkraft der öffentlichen Schule, die den Unterricht leitet und die Schüler beurteilt und in der Folge eine besondere Autorität für sich in Anspruch nimmt.68 Eine solche Präsenz kann nämlich eine gesteigerte Möglichkeit zur Einwirkung auf Grundrechte, hier insbesondere die Glaubensfreiheit, nach sich ziehen. So beeinflusst etwa der Lehrer durch die Art und Weise, wie er seinen Unterricht gestaltet und die Schüler bewertet, die Stimmungslage in der Schulklasse erheblich und schafft damit gegebenenfalls die Grundlage für eine Konditionierung. Der mit seiner Position als Lehrender einhergehende Anspruch auf Autorität erleichtert es darüber hinaus, Näheverhältnisse zu den Schülern zu fördern oder zu vermeiden, die im Rahmen des Modelllernens bedeutsam sein können. Bezogen auf die Glaubensfreiheit können die Position der Lehrkraft und deren Verhalten damit ein erhöhtes Grundrechtsgefährdungs- und in der Konsequenz gegebenenfalls gesteigertes Konfliktpotential bergen.69 Ein solches aus der Position des Staatsbediensteten resultierendes gesteigertes Konfliktpotential ließ sich im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit demgegenüber nicht erkennen.70

aa)  Schutzpflicht im Fall der konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen Das besondere Konfliktpotential kann sich beispielsweise dergestalt realisieren, dass sich Schüler und Eltern in Ansehung der Gefährdung ihrer Glaubensfreiheit bzw. ihres Erziehungsrechts gegen die Lehrkraft auflehnen. Falls die Lehrkraft sich dennoch weigert, das Tragens des Symbols zu unterlassen, wird durch die dann entstehenden Streitigkeiten unter Umständen der Schulfrieden gestört bzw. konkret gefährdet, sodass der in Art. 7 Abs. 1  GG verankerte staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht mehr oder nur noch unzureichend verwirklicht werden kann71. Aufgrund ihrer Funktion  – auch  – als Repräsentant 68  Vgl. die abweichende Meinung zu BVerfGE 108, 282 (330), sowie die abweichende Meinung zu BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1370 f.). 69  Vgl. dazu BAG, NZA-RR 2011, 162 (164); BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1363); Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 65. 70  Besondere Näheverhältnisse spielen hier keine Rolle für die Beeinträchtigung. Der bloße Anblick des Symbols reicht aus, um eine Beeinträchtigung hervorzurufen. 71  Vgl. BVerwGE 141, 223 (235 f.) zum islamischen Gebet eines Schülers in der öffentlichen Schule; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015  – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10,



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

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des Staates ist in dieser Situation häufig der Lehrkraft eher als Eltern und Schülern zuzumuten, durch eigenes Verhalten – d. h. insbesondere durch einen Symbolverzicht  – zur Lösung des Konflikts beizutragen. Das gilt jedenfalls, soweit nach einer wertenden Betrachtung Eltern und Schüler tatsächlich darauf abzielen, ihre Grundrechte zu verteidigen, nicht jedoch aus anderer Motivation heraus handeln, wie etwa in dem Bestreben, einen persönlichen Konflikt mit der Lehrkraft austragen, ihre eigenen Wertvorstellungen vorrangig durchzusetzen oder aber ein – tatsächlich nicht bestehendes72 – subjektives Recht auf staatliche Neutralität geltend zu machen73. In Fällen der tatsächlich angestrebten Grundrechtsverteidigung gebietet die Schutzpflicht dem Staat, die Glaubensfreiheit bzw. das Erziehungsrecht von Schülern und Eltern zu gewährleisten. Inwieweit dem Staat in der konkreten Situation ein Ermessensspielraum verbleibt, den Konflikt durch andere Maßnahmen als ein an den Staatsbediensteten gerichtetes Symbolverbot zu entschärfen, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab, insbesondere davon, inwieweit der Konflikt durch zusätzliche Handlungen von Lehrkraft, Schülern oder Eltern – beispielsweise Anfeindungen oder Drohungen – geprägt wird. Ob Schüler und Eltern im Einzelfall tatsächlich ihre Grundrechte verteidigen wollen  – was nach den Erkenntnissen des vorherigen Absatzes die Basis für staatliche Handlungspflichten schafft  – kann ebenfalls nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Als hilfreich erweist sich in diesem Zusammenhang gegebenenfalls die Untersuchung, ob jeweils Umstände vorliegen, die im Falle eines staatlich angeordneten Symbols eine Grundrechtsgefährdung annehmen ließen, was etwa der Fall ist, wenn der Staatbedienstete eine besonders enge Beziehung zu dem Symbolbetrachter unterhält oder aber ein besonders auffälliges Symbol trägt. Soweit eine konkrete Gefährdung der Glaubensfreiheit objektiv naheliegt, dürften die Schüler und Eltern, selbst wenn sie sich in vehementer und konfliktträchtiger Weise74 gegen das Tragen des Symbols auflehnen, schutzbedürftiger sein als der Staatsbedienstete. Das NJW 2015, 1359 (1364 f.). Eine ähnliche Situation kann sich etwa in Gerichtssälen stellen: Hier kann beispielsweise die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege gefährdet sein. 72  Oben Kapitel D. V. 4. 73  Vgl. zu der zugrunde liegenden Problematik auch Muckel, JA 2015, 476 (478), unter Verweis auf Merkel,  F. A. Z. v. 7. 4. 2015, abzurufen unter http://www.faz.net/aktuell/politik/ staat-und-recht/gastbeitrag-kopftuchurteil-ein-frommer-wunsch-13517986.html (abgerufen am 15. 7. 2015). 74  Vgl. insoweit die Formulierung des BVerfG in seiner Entscheidung vom Januar 2015: Eine Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der Lehrkraft „wäre etwa in einer Situation denkbar, in der – insbesondere von älteren Schülern oder Eltern – über die Frage des richtigen religiösen Verhaltens sehr kontroverse Positionen mit Nachdruck vertreten und in einer Weise in die Schule hineingetragen würden, welche die schulischen Abläufe und die Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags ernsthaft beeinträchtigte“, BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1364).

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F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich Staatsbedienstete regelmäßig freiwillig in die staatliche Einrichtung begeben.75 Verkürzt eine staatliche Schutzhandlung, wie beispielsweise ein Symbolverbot, gleichzeitig die Grundrechte des Staatsbediensteten, bedarf es einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung. Wenn die Gefährdung der Glaubensfreiheit bzw. des Elternrechts nicht in Form einer Missionierung unter gezielter Ausschaltung des menschlichen Willens bzw. mithilfe von Druck- oder Zwangsmitteln erfolgt, lassen sich Straf- bzw. insbesondere Polizeirechtsnormen als Grundlagen der Schutzhandlung nicht heranziehen. Dass die allgemeinen beamtenrechtlichen Mäßigungsgebote angesichts der Schwere des Eingriffs in grundrechtliche Freiheit des Staatsbediensteten ausreichen, ist vor dem Hintergrund des Wesentlichkeitsgrundsatzes76 zweifelhaft77. Der Gesetzgeber ist deshalb gehalten, einen entsprechenden Eingriffstatbestand zu schaffen. Aus der Regelung muss sich ergeben, dass staatliche Stellen das Tragen von Symbolen verbieten dürfen, soweit eine Grundrechtsgefährdung oder -verkürzung und in deren Folge eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung konkret drohen. Die im Hinblick auf die Auswahlfreiheit78 der Schüler erlassene Auflage, ein weniger auffälliges Symbol zu tragen, kann unter Umständen als sogenannte Minusmaßnahme von einer entsprechenden Verbotsnorm gedeckt werden.79 Gegenüber der Lehrkraft, in deren Grundrechte der Staat in diesem Fall selbst eingreift, hat er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Form des Übermaßverbots zu wahren – im Gegensatz zum Untermaßverbot im Rahmen der Schutzpflichtendimension –, wobei die besonderen Mäßigungspflichten des Staatsbediensteten auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sind.

75  Vgl. dazu die abweichende Meinung zum Kopftuchurteil aus dem Jahr 2003, BVerfGE 108, 282 (316). Je nach Fallgestaltung kann ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Schüler und Eltern sogar unabhängig von deren Motivation bestehen, solange nur objektiv von einer konkreten Grundrechtsgefährdung auszugehen ist. 76 Dazu Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK-GG, Art. 20, Rn. 176 f. 77 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12; 2 BvR 1989/12, Rn. 55: „Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird: Je erheblicher diese in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden.“ 78 Der Begriff der Auswahlfreiheit meint hier eine Komponente der Glaubensfreiheit, siehe oben D. IV. 2.b)bb)(3). 79  In einem solchen Verständnis, dass auf eine konkrete Gefährdungslage abstellt, hätte der mittlerweile aufgehobene § 57 Abs. 4 SchulG NRW (Gesetz v. 15. Februar 2005 [GV. NRW. S. 102], in der Fassung bis zum 4. Juli 2015 [GV. NRW. S. 309]) als verfassungskonform verstanden werden können; vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015 – 1 BvR R 471/10; 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 (1364 f.).



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

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bb)  Schutzpflicht im Fall der bloß abstrakten Gefährdung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung Eine staatliche Schutzpflicht kommt darüber hinaus in Betracht, wenn zwar eine konkrete Gefährdung der Grundrechte etwa von Eltern und Schülern besteht, diese sich aber (noch) nicht in einer konkreten Gefahr für die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung verdichtet hat, sondern sich lediglich als abstrakte Gefahr für die Funktionsfähigkeit darstellt. Das gilt allerdings zumeist nur in Fällen, in denen der Bürger zum Aufenthalt in der Einrichtung rechtlich bzw. faktisch verpflichtet ist, und dem Staatsbediensteten aufgrund seiner Funktion in der Einrichtung eine besondere Möglichkeit zur Einflussnahme zukommt. Von letzterem ist insbesondere in öffentlichen Schulen auszugehen. Dem Bürger ist es aufgrund des Zwangs zum Aufenthalt weniger zuzumuten, die Grundrechtsgefährdung hinzunehmen, als es dem Staatsbediensteten zuzumuten ist, auf die Grundrechte des Bürgers Rücksicht zu nehmen80. Das bedeutet jedoch nicht, dass das staatliche Ermessen vor dem Untermaßverbot in diesen Fällen derart reduziert wäre, dass nur ein Symbolverbot als verfassungsgemäße Erfüllung der Schutzpflicht in Betracht käme. Soweit keine konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung vorliegt, verringern sich angesichts des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Möglichkeiten des Staates, von den Bediensteten eine besondere Zurückhaltung zu verlangen. Der Gedanke einer gesteigerten Verantwortlichkeit des Staatsbediensteten für die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung tritt in dieser Konstellation zurück, weil die Funktionsfähigkeit gerade nicht konkret gefährdet oder gestört ist. Ein Symbolverbot und damit eine vollständige Untersagung des Symboltragens als grundrechtlich geschütztes Verhalten – das sich nicht am Unter-, sondern am Übermaßverbot messen lassen muss – kommt deshalb praktisch nicht in Betracht. Möglich erscheint aber eine, gegebenenfalls auf allgemeine Beamtengesetze oder Normen des öffentlichen Dienstes gestützte, Anweisung an den Staatsbediensteten, sein Verhalten derart zu mäßigen, dass sich die konkrete Gefährdung der Grundrechte der Bürger entschärft. Das kann etwa dadurch geschehen, dass der Staatsbedienstete auf auffällige Symbole verzichtet und persönliche Näheverhältnisse sowie ein durch starke emotionale Reize geprägtes Klima vermeidet81. 80  Zu betonen ist, dass sich die Grundrechtsgefährdung als konkret darstellen muss (soweit nicht bereits eine Störung eingetreten ist). Dann erst kann auf die konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung verzichtet werden. Anders insoweit die Regelung des § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. (v. 15. Februar 2005 [GV. NRW. S. 102]), in der Fassung bis zum 4. Juli 2015 (GV. NRW. S. 309), die ausdrücklich weder eine konkrete Grundrechtsgefährdung noch eine konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung voraussetzte. 81  Diese Faktoren können die Gefährdung der Glaubensfreiheit begünstigen.

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F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

cc)  Schutzpflicht im Fall der gezielten Verkürzung der Glaubensfreiheit durch Staatsbedienstete Staatliche Handlungspflichten können auch durch etwaige vom symboltragenden Staatsbediensteten vorgenommene Missionierungsversuche begründet werden, wenn der Staatsbedienstete die Missionierung zwar subjektiv anstrebt, in ihrem Rahmen aber keine willensbeeinträchtigenden Instrumente oder Druck- und Zwangsmittel einsetzt. In staatlichen Einrichtungen, in denen dem Staatsbediensteten über den flüchtigen Kontakt hinaus eine Einflussnahme auf den Bürger möglich ist, ergibt die Gegenüberstellung der betroffenen Rechtsgüter im Rahmen des Untermaßverbots auch hier, dass dem Staatsbediensteten aufgrund seiner Position eine besondere Zurückhaltung auferlegt werden kann. Fraglich ist allerdings, ob der Staat bei einer gezielten Missionierung im Hinblick auf das Untermaßverbot zwangsläufig gehalten ist, ein Symbolverbot zu erlassen oder ob ihm insoweit ein Ermessenspielraum verbleibt. Auch diese Frage kann nur im Einzelfall beantwortet werden. Hier kommt es entscheidend darauf an, in welcher Art und Weise die gezielte Missionierung erfolgt. Da sich eine gezielte Missionierung regelmäßig gerade nicht nur aus dem sichtbaren Tragen des Symbols, sondern darüber hinaus auch aus zusätzlichen Maßnahmen zusammensetzen dürfte, wie z. B. aus mündlicher Werbung für die jeweilige Religion, ist nicht auszuschließen, dass sie auch durch Maßnahmen unterbunden werden kann, die nicht direkt an das Tragen des Symbols anknüpfen, sondern an die sonstigen Handlungen, die die Missionierung im Ergebnis mitbegründen. In solchen kombinierten Missionierungsvorgängen wird ein Symbolverbot nicht zwangsläufig als erforderliches Mittel anzusehen sein, die Grundrechtsgefährdung zu vermeiden. Als gesetzliche Grundlage, die es dem Staat ermöglicht, in Erfüllung seiner Schutzpflicht das gezielte missionierende Verhalten zu unterbinden, kommen die allgemeinen Beamtengesetze in Betracht, die den Beamten zu Mäßigung und Neutralität anhalten82. Aufgrund der Beschränkung staatlicher Eingriffsmöglichkeiten auf Situationen, in denen der Bedienstete seine besondere Position gezielt für eine Missionierung nutzt, stellen sich etwaige Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit der Norm geringer dar als in Fällen, in denen keine gezielte Missionierung stattfindet. Aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit erscheint gleichwohl eine näher spezifizierte Eingriffsermächtigung wünschenswert. Für Angestellte des öffentlichen Dienstes bedarf es einer solchen ohnehin. Eine staatliche Schutzpflicht besteht nach allem selbstredend auch in den Fällen, in denen der Staatsbedienstete mit dem Tragen des Symbols eine Missionierung anstrebt, und hierbei Instrumente verwendet, die den menschlichen 82 

Vgl. oben Fn. 53.



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

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Willen ausschalten oder Druck bzw. Zwang ausüben. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls ist gerade in diesem Zusammenhang ein Symbolverbot als Inhalt der Schutzpflicht denkbar.

c)  Umfang einer staatlichen Schutzpflicht im Fall eines von Mitbürgern angebrachten Symbols Ein aus der Religionsfreiheit folgendes Recht des Bürgers, eigene religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen anzubringen, lässt sich in Betracht ziehen, wenn der Bürger verpflichtet ist, sich in staatlichen Einrichtungen aufzuhalten und er infolgedessen in seinen Möglichkeiten der Religionsausübung beschränkt wird. Dann kann sich das Anbringen eines Symbols als Grundrechtsausübung darstellen. Im Vergleich zur Situation der getragenen Symbole ergeben sich in diesem Fall allerdings andere Möglichkeiten, mithilfe der staatlichen Handlungspflichten einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen zwischen den kollidierenden Grundrechten des Bürgers, der das Symbol angebracht hat, und denen des Bürgers, der infolgedessen mit dem Symbol konfrontiert wird. Dabei sind zwei Gesichtspunkte zu beachten: Die von der Konfrontation mit angebrachten Symbolen ausgehenden grundrechtsverkürzenden Prozesse können sich inhaltlich anders darstellen als die Prozesse, die bei der Konfrontation mit getragenen Symbolen stattfinden. Während im letzteren Fall insbesondere das Modelllernen in Betracht kommt, sind im Fall angebrachter Symbole die Konditionierung und ein etwaiger Handlungszwang bedeutsam. Die willensbeeinträchtigen Prozesse beim Modelllernen hängen hingegen von der Beziehung des Symbolträgers zum Symbolbetrachter ab. Etwaige Wirkungen entfalten sich nur zwischen den jeweiligen Personen. Demgegenüber kann das angebrachte Symbol den Charakter des Raumes prägen. Je präsenter es sich darstellt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirkungen der Konfrontationssituation, beispielsweise eine Konditionierung, sämtliche Personen betreffen, die sich in räumlicher Nähe befinden. Vor der Hintergrund, dass das Tragen eigener Symbole dem Bürger kaum untersagt werden kann, dem Bürger also regelmäßig die Möglichkeit verbleibt, seine Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit durch das Tragen von Symbolen ausüben, liegt es nahe, ihm die Anbringung religiöser Symbole nur zur gestatten, soweit sich die Symbole nicht als besonders auffällig darstellen – sofern im Einzelfall überhaupt ein Anbringungsrecht besteht. Das berücksichtigt sowohl das Interesse der Mitbürger, von willensbeeinträchtigenden Prozessen verschont zu bleiben, als auch das Interesse derjenigen, die ihren grundrechtlichen Freiheiten durch religiöse Symbole Ausdruck verleihen möchten. Der Verweis auf die Möglichkeit, Symbole selbst zu tragen, dürfte regelmäßig eine adäquate Alternative zur Anbringung von Symbolen darstellen. Es ist wahrscheinlich, dass das Tragen von Symbolen eine stärkere eigene Verbindung zur

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F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

Religion deutlich macht als das Anbringen von Symbolen in einem Raum, sodass das Interesse des Grundrechtsträgers, Symbole zu tragen, insgesamt höher sein dürfte als das Interesse, Symbole in einem Raum anzubringen. Sollte der Bürger sich im Einzelfall darauf berufen, das Anbringen des Symbols sei für ihn von elementarer Bedeutung, ist ihm abzuverlangen, sein Begehren plausibel zu machen und insbesondere darzulegen, warum das Tragen eines Symbols keine annehmbare Alternative darstellt. Bringt ein Bürger auffällige religiöse Symbole in einer staatlichen Einrichtung an oder beabsichtigt er dies, besteht mithin eine staatliche Schutzpflicht dahingehend, dieses Verhalten zu unterbinden und damit die übrigen Bürger vor Gefährdungen ihrer Glaubensfreiheit zu schützen. Da auch im Fall eines Verbots, religiöse Symbole anzubringen, dem Bürger regelmäßig die Möglichkeit verbleibt, die Symbole am eigenen Körper zu tragen und insoweit seiner Bekenntnis- bzw. Religionsausübungsfreiheit nachzugehen, verursacht ein Verbot zwar zumeist eine Freiheitsverkürzung von nur geringer Intensität. Gerade im Hinblick auf staatliche Einrichtungen, die zwangsweise aufgesucht werden müssen und bei denen ein Anbringungsrecht nicht auszuschließen ist, ist es gleichwohl erforderlich, entsprechende Eingriffsermächtigungen für staatliche Stellen zu schaffen. Polizei- und strafrechtliche Normen ermöglichen ein Verbot auffälliger Symbole allenfalls, soweit mit deren Anbringung eine Missionierung unter Umgehung des menschlichen Willens bzw. mittels zusätzlicher Druck- und Zwangsmittel angestrebt wird.

d) Zusammenfassung Unter bestimmten Umständen begründet die staatliche Schutzpflicht für die Glaubensfreiheit im Fall der Konfrontation des Bürgers mit einem symboltragenden Staatsbediensteten staatliche Handlungspflichten. Das gilt im Fall der gezielten Missionierung unter Verwendung des Symbols, soweit in diesem Zusammenhang Zwangsmechanismen bzw. Instrumente eingesetzt werden, die den menschlichen Willen ausschalten. In diesen Fällen ist der Staat verpflichtet, Handlungen zum Schutz der Glaubensfreiheit der Bürger vorzunehmen. Regelmäßig verbleibt dem Staat allerdings ein Ermessensspielraum darüber, wie er die Glaubensfreiheit schützen will. Dies kann durch ein Symbolverbot, aber auch durch sonstige an den Staatsbediensteten gerichtete Maßnahmen geschehen. Welche Maßnahme jeweils in Betracht kommt und vor dem Untermaßverbot Bestand hat, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Zu beachten ist, dass nicht nur die Belange des Symbolbetrachters zu berücksichtigen sind, sondern dass die Maßnahme gegenüber dem Staatsbediensteten auch dem Übermaßverbot genügen muss, soweit dieser durch das Symboltragen grundrechtliche Freiheiten ausübt  – in diesem Fall ist schließlich die abwehrrechtliche Komponente des Grundrechts betroffen. Als Eingriffser-



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

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mächtigungen lassen sich die beamtenrechtlichen Mäßigungsgebote – für Angestellte des öffentlichen Dienstes sind gegebenenfalls Regelungen zu schaffen, die diesen Rechtsgedanken aufnehmen – sowie insbesondere polizeirechtliche Vorschriften heranziehen. Um ein im Einzelfall angezeigtes Symbolverbot durchzusetzen, sind hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen aus verfassungsrechtlicher Sicht teilweise als notwendig, insgesamt aber zumindest als wünschenswert anzusehen. Eine staatliche Schutzpflicht besteht überdies, wenn sich im Zuge der Konfrontationssituation Umstände ergeben, die im Fall eines staatlich angeordneten Symbols eine konkrete, eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung oder einen vollendeten Grundrechtseingriff begründen würden. Das gilt auch, wenn die Gefährdung bzw. Störung der Glaubensfreiheit keine konkrete, sondern nur eine abstrakte Gefahr für die Funktionsfähigkeit der jeweiligen öffentlichen Einrichtung verursacht. In diesem Fall ist es dem Staat, der seine Schutzpflicht erfüllt, jedoch nur in eingeschränktem Maße möglich, die Grundrechtsausübung des Staatsbediensteten zu unterbinden. Denn das Übermaßverbot, an dem sich die staatlichen Maßnahmen gegenüber dem Beamten messen lassen muss, verlangt, dass trotz etwaiger Mäßigungspflichten des Beamten dessen Grundrechten größtmöglich Geltung verschafft wird. Eine Regelung, die ein striktes Symbolverbot für Staatsbeamte statuiert, ohne im Einzelfall Raum für mildere Maßnahmen und für eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu eröffnen, ist deshalb als unverhältnismäßig anzusehen. Sie wird, in der Kategorie der grundrechtlichen Schutzpflicht gedacht, vom Untermaßverbot auch nicht gefordert. Das gilt selbst in Situationen, in denen die Grundrechtsgefährdung tatsächlich eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung begründet. Auch dann lässt sich ein Symbolverbot als grundrechtsverhindernde Maßnahme nur dann als verhältnismäßig ansehen, wenn dem Staatsbediensteten nach einer wertenden Betrachtung die Verantwortung für die konkrete Gefahr aufzuerlegen ist. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Bürger die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung durch ein Verhalten gefährdet, das nicht als Verteidigung seiner gefährdeten Grundrechte eingeordnet werden kann. Eine staatliche Pflicht, den Bürger vor der Konfrontation mit symboltragenden Bürgern zu schützen, besteht hingegen regelmäßig nicht, soweit keine Missionierung mittels Druck- oder Zwangsmitteln erfolgt. Der Staat ist allerdings regelmäßig verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Bürger in Ausübung ihrer Grundrechte keine auffälligen Symbole in öffentlichen Einrichtungen anbringen. Diese Pflicht schafft – in Verbindung mit der verbleibenden Möglichkeit, Symbole am Körper zu tragen – einen gerechten Ausgleich zwischen den kollidierenden Grundrechten der einzelnen Bürger.

262

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

4.  Staatliche Pflicht zum Schutz des elterlichen Erziehungsrechts aus der grundrechtlichen Schutzpflicht bzw. aus dem Ordnungs- und Ausgestaltungsauftrag des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG Hinsichtlich des elterlichen Erziehungsrechts lässt sich an einem spezifischen Schutzpflichtgehalt des Grundrechts zweifeln83. Das liegt darin begründet, dass die den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 S. 1  GG eingeräumte Stellung als Erziehungsträger auf Ausgestaltung, Konkretisierung und Absicherung durch gesetzliche Vorschriften angewiesen ist. Die Vorschrift will die Position der Eltern auch gerade gegenüber Dritten absichern. Für den praktisch relevanten Fall, dass nicht grundrechtsberechtigte Dritte das elterliche Erziehungsrecht konterkarieren, geschieht eine solche Absicherung dadurch, dass Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG einfachrechtlich ausgestaltet wird. Die einfachrechtliche Ausgestaltung sorgt dafür, dass die Norm ausübungsfähig wird.84 Letztlich kann hier aber dahinstehen, ob es Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG tatsächlich an einem spezifischen Schutzpflichtgehalt fehlt. Sowohl im Hinblick auf einen möglichen Ordnungs- und Ausgestaltungsauftrag aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als auch auf die Inhaltsbestimmung einer möglichen der Norm entspringenden Schutzpflicht stellen sich an dieser Stelle inhaltlich die gleichen Fragen: Zu klären ist, welche Maßnahmen das elterliche Erziehungsrecht dem Gesetzgeber und dem Rechtsanwender im Hinblick auf die Symbolkonfrontation gebietet. Dabei gelten prinzipiell die oben85 bei der Untersuchung der Glaubensfreiheit aufgeführten Grundsätze: Einflüsse, die sich aus der Gemeinschaftsbezogenheit des Kindes ergeben, will das Grundgesetz grundsätzlich nicht von dem Kind fernhalten86. Das allgemeine Interesse an einem sozialen Miteinander sowie das Interesse des Symbolträgers an der Grundrechtsausübung wiegen daher höher als das Interesse, infolge des sozialen Zusammenlebens nicht zufällig in inneren Einstellungen beeinträchtigt zu werden. In der Konsequenz ist der Staat auch angesichts des Elternrechts nicht verpflichtet, die Konfrontation eines Bürgers mit einem anderen Bürger, der ein religiöses Symbol trägt, zu unterbinden oder sie in sonstiger Weise durch Rechtsnormen zu regeln. Das gilt solange, wie andere Bürger nicht unter Verwendung des Symbols bewusst und mittels Druck oder Zwang eine Beeinflussung des Kindes anstreben. Im letzteren Fall sind staatliche Maßnahmen geboten, die Beeinflussung zu verhindern. Die Schulpflicht an sich begründet einen solchen Zwang zur Beeinflussung allerdings nicht. Vielmehr bildet sich in der Schule nur das pluralistisch-bunte 83  Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 22. 84  Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 12. 85  Oben F. II.3. 86  Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (343).



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

263

gesellschaftliche Umfeld87 ab, auf das die Schüler auch außerhalb der Schule treffen88. Im Fall der symboltragenden Staatsbediensteten gebietet Art. 6 Abs. 1 S. 2  GG in seiner Schutzpflichtendimension bzw. in dem aus ihm folgenden Ordnungs- und Ausgestaltungsauftrag staatliche Schutzmaßnahmen, soweit die Glaubensfreiheit des Kindes konkret gefährdet oder verkürzt wird. In diesen Fällen ist auch das elterliche Erziehungsrecht berührt89. Der Staat ist gehalten, entsprechende Eingriffsermächtigungen zu schaffen – soweit sie nicht den Polizei- und Ordnungsgesetzen bzw. den allgemeinen Beamtengesetzen zu entnehmen sind –, und diese im jeweiligen Fall auch umzusetzen. Durch welche genauen Maßnahmen solche Normen inhaltlich umzusetzen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, beispielsweise davon, ob sich die Gefährdung oder Verkürzung der Glaubensfreiheit – und in der Konsequenz des Erziehungsrechts – in einer konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit einer staatlichen Einrichtung, etwa der Schule, niederschlägt.

5.  Staatliche Schutzpflicht aus der Informationsfreiheit Angesichts neuer Gefährdungslagen und im Sinne eines effektiven Grundrechtsschutzes bestehen staatliche Schutzpflichten auch im Hinblick auf die Informationsfreiheit90. Die Informationsfreiheit weist strukturelle Parallelen zur Glaubensfreiheit auf91. Wie auch die Glaubensfreiheit kann sie im Kontext der Symbolkonfrontation auch durch Private gefährdet bzw. gestört werden. Deshalb kann an dieser Stelle wiederum auf die Ausführungen zur Glaubensfreiheit verwiesen werden92. Soweit eine Verkürzung der auf religiöse Einstellungen bezogenen Willensfreiheit in Rede steht, stellt sich die Glaubensfreiheit als spezielles Grundrecht dar. In diesem Fall kommt es auf die aus ihr resultierende Schutzpflicht an. Anders sieht es hingegen aus, wenn die auf sonstige Einstellungen bezogene Willensfreiheit verkürzt zu werden droht. Dann ist eine entsprechende staatliche Schutzpflicht aus der Informationsfreiheit herzuleiten.

87 

Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (343). Vgl. auch BVerwG, NVwZ 2014, 81 (82, 86). 89  Vgl. oben Kapitel E. III.2.c). 90 Vgl. Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 315. 91  Vgl. oben Kapitel D. IV. 4.a). 92  Oben F. II.3. 88 

264

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

6.  Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Gleiches gilt im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dass die auf besonders persönlichkeitsrelevante Merkmale bezogene Willensfreiheit schützt. Soweit die Verkürzung der Willensfreiheit dadurch erfolgt, dass Informationen verarbeitet werden oder aus diesem Grund eine Verkürzung droht – wie bei der Symbolkonfrontation –, stellen sich die Glaubensfreiheit und die Informationsfreiheit als spezielle Grundrechte dar.

7.  Staatliche Schutzpflicht aus der negativen Bekenntnisfreiheit Im Fall eines staatlich angeordneten Symbols ist von einem Eingriff in die Bekenntnisfreiheit des Bürgers jedenfalls auszugehen, soweit durch die Symbolkonfrontation sonstige Grundrechte des Symbolbetrachters verkürzt werden – etwa seine Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG. In diesen Fällen ist der Symbolbetrachter regelmäßig zumindest faktisch verpflichtet, seine Überzeugung zu offenbaren, wenn er sich gegen die Verkürzung dieser Rechte wehren möchte. Im Übrigen kommt ein Eingriff im Fall einer rechtlich geregelten Widerspruchsmöglichkeit gegen das Symbol in Betracht. Jedenfalls die Verkürzung sonstiger Grundrechte des Bürgers kann auch durch private Dritte verursacht werden. Kommt es hierzu, können diesen privaten Dritten auch Maßnahmen zugerechnet werden, die die Betroffenen in Ansehung der Freiheitsverkürzung vornehmen und mit denen sie gleichzeitig ihr Bekenntnis offenbaren. In diesem Fall kann der Staat gehalten sein, im Rahmen seiner Schutzpflicht93 Maßnahmen zu ergreifen, um die Grundrechtsverkürzung zu unterbinden und in der Folge den Bürger davor zu bewahren, selbst aktiv Maßnahmen zur Verteidigung seiner Rechte ergreifen und im Zuge dessen sein Bekenntnis preisgeben zu müssen. Wann der Staat zum Handeln verpflichtet ist und welchen Inhalt seine dann bestehende Handlungspflicht aufweist, hängt auch bei der Bekenntnisfreiheit von den Umständen des Einzelfalls ab. Das staatliche Ermessen im Rahmen des Untermaßverbots dürfte nur ausnahmsweise und in Extremfällen auf ein Symbolverbot reduziert sein, etwa im Fall der Zwangsmissionierung. Nur ausnahmsweise kommt im Übrigen eine staatliche Handlungspflicht in Betracht, wenn der Bürger nicht mit einem Staatsbediensteten, sondern mit einem anderen Bürger konfrontiert wird. Zu nennen sind hier ebenfalls die Fälle einer gezielten Missionierung mittels Druck und Zwang oder unter Ausschaltung des menschlichen Willens.

93 

Zur Herleitung der Schutzpflicht aus der Bekenntnisfreiheit oben F. II.3.



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

265

8.  Staatliche Schutzpflicht aus der negativen Religionsausübungsfreiheit Die aus der Religionsausübungsfreiheit folgende Schutzpflicht94 kann im Kontext der Symbolkonfrontation nur dann staatliche Maßnahmen gebieten, wenn die Religionsausübungsfreiheit erstens durch die Symbolkonfrontation gefährdet bzw. verkürzt werden kann, und wenn die Gefährdung oder Verkürzung zweitens auch durch Private verursacht werden kann. Die Konfrontation mit Personen, die Symbole tragen, zieht jedoch keine Verkürzung der negativen Religionsausübungsfreiheit nach sich. Das gilt auch, wenn das Tragen des Symbols als Religionsausübung des Symbolträgers verstanden werden muss. Der Anblick des Symbolträgers allein stellt keine erzwungene Religionsausübung und auch keine Teilnahme daran dar. Selbst wenn etwa aufgrund einer emotionalen Nähebeziehung zwischen Symbolträger und Symbolbetrachter ein gewisser Druck für den Symbolbetrachter bestehen sollte, dem Symbolträger nachzueifern, so weist der bloße Anblick des Symbols keine Verbindung zu der religiösen Handlung des Symbolträgers auf, die es rechtfertigen würde, den Anblick als Teilnahme bzw. als Beiwohnen an der Handlung zu qualifizieren. Es mangelt in diesem Fall an einer teilnahmefähigen religiösen Handlung.95 Selbst eine besondere Auffälligkeit des Symbols stellt keine relevante Verbindung zum Symbolbetrachter her.96 Ein getragenes Symbol prägt regelmäßig auch nicht den Charakter des Raumes, in dem sich der Symbolträger aufhält. Hier mangelt es an einer Verbindung zwischen dem Symbol und der jeweiligen Räumlichkeit. Etwas anderes gilt hinsichtlich religiöser Symbole, die von Bürgern in öffentlichen Einrichtungen angebracht werden. Hier besteht jedenfalls im Fall auffälliger Symbole die Gefahr, dass sie den Charakter des Raumes und entsprechend die in ihm stattfindenden Handlungen prägen. Soweit die Bürger nicht von staatlicher Seite zur Anbringung aufgefordert worden sind, entfaltet sich in derartigen Konstellationen eine auf die Sicherung der negativen Religionsausübungsfreiheit zielende Schutzpflicht. Hinsichtlich ihres Inhalts stellt sich die bereits im Rahmen der Glaubensfreiheit gewonnene Erkenntnis als bedeutsam dar, wonach ein gerechter Ausgleich zwischen den kollidierenden grundrechtlichen Interessen dadurch geschaffen wird, dass es Bürgern nicht gestattet wird, auffällige Symbole in öffentlichen Einrichtungen anzubringen. Dieser Gedanke lässt sich auf eine drohende Verkürzung der negativen Religionsausübungsfreiheit übertragen: Ein nicht auffälliges Symbol kann dem Raum, in dem es angebracht ist, keinen religiösen Charakter verleihen. Das Anbringen eines un94 

Oben F. II.3. Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 151 f.; vgl. auch Jestaedt, JRP 1995, 237 (252). 96  Etwas anderes kann gelten, wenn der Symbolträger zusätzliche auf den Symbolbetrachter gerichteten Aktivitäten – wie Aufforderungen oder Drohungen – entfaltet. Diese können eine Verbindung zwischen Symbolbetrachter und dem Akt des Symboltragens begründen. 95 Ähnlich

266

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

auffälligen Symbols verhindert eine Gefährdung oder Verkürzung der negativen Religionsausübungsfreiheit. Gleichzeitig wird es Bürgern oder Staatsbediensteten nicht unmöglich, ihrer Bekenntnis- bzw. positiven Religionsausübungsfreiheit Ausdruck zu verleihen, wenn sie immerhin unauffällige religiöse Symbole in den Räumen anbringen können, in denen sie sich aufhalten97. Aus der Schutzpflicht ergibt sich mithin eine staatliche Pflicht, ein Anbringen auffälliger Symbole zu verhindern. Insoweit bindet das Untermaßverbot die staatlichen Stellen.

9.  Staatliche Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre durch die Symbolkonfrontation Die Frage nach staatlichen Schutzpflichten hinsichtlich einer drohenden oder eingetretenen Verkürzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Symbolkonfrontation führt zu einem ähnlichen Bild: Zwar kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre durch die Symbolkonfrontation durchaus berührt werden, weil nicht auszuschließen ist, dass der Symbolbetrachter durch die Konfrontation herabgesetzt wird. Wenn das Symbol keiner staatlichen Stelle zuzuordnen ist, ist die Schutzpflichtendimension des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen. Allerdings erscheint eine Verkürzung des Rechts durch die Konfrontation mit einem religiösen Symbol, das von einem anderen Menschen getragen wird, aus praktischer Sicht wenig wahrscheinlich. Auf den ersten Blick scheint sich zwar beispielsweise das Kopftuch als herabwürdigendes Symbol in Betracht ziehen zu lassen, wenn es als Zeichen der Unterdrückung der Frau gedeutet wird98. Jedoch dürfte es in der Konfrontationssituation zumeist an einer konkreten Betroffenheit des Symbolbetrachters mangeln. Selbst wenn das Kopftuch als frauenfeindliches Symbol gedeutet werden kann, begründet der Anblick des Symbols allein keine Herabsetzung des Symbolbetrachters, und zwar auch dann nicht, wenn es sich bei dem Symbolbetrachter um eine Frau handelt. Das Symbol bleibt, auch soweit ihm ein entsprechender unterdrückender Inhalt zuzusprechen ist, allein mit seiner Trägerin verbunden. Die Trägerin kann sich selbst als unterdrückte Person darstellen, in dem sie das Kopftuch trägt. Sie kann auch Opfer einer Herabsetzung sein, wenn sie von anderen Personen dazu gezwungen wird, ein Kopftuch zu tragen. Das Kopftuch entfaltet aber keine herabsetzende Bedeutung gegenüber Personen, die es nicht tragen, sondern lediglich anschauen. Selbst wenn sich dem Kopftuch die Botschaft entnehmen ließe, Frauen seien als Menschen weniger wert als Männer, so stellt das einen Hinweis 97  Überdies verbleibt ihnen ohnehin die Möglichkeit, religiöse Symbole am Körper zu tragen. 98 Vgl. Haupt, Verfassungsfragen zum muslimischen Kopftuch, S. 21 bzw. S. 17 ff., zu (unterschiedlichen) Deutungsmöglichkeiten des Kopftuchs.



II.  Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten

267

auf die Einstellung des Symbolträgers dar sowie eine – gegebenenfalls unter die Bekenntnis- bzw. die Meinungsfreiheit fallende – entsprechende Aussage des Symbolträgers. Der bloße Anblick erzeugt jedoch keine Verbindung zwischen dem Symbol und dem Symbolbetrachter, die es rechtfertigen würde, den Symbolbetrachter als Adressaten der Aussage zu verstehen.99 Gerade in Fällen, in denen Symbole durch andere Bürger getragen werden, kann schon aufgrund der in Art. 4 Abs. 1 GG verankerten Bekenntnisfreiheit und der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Alt. 1  GG verankerten Meinungsfreiheit nicht außer Acht bleiben, dass Symbole vieldeutig sind. Beide Grundrechte können es daher gebieten, ein Symbol nicht herabsetzend – und damit im Schutzbereich der Meinungsfreiheit liegend – zu deuten100. Eine Herabsetzung kommt aber in Betracht, wenn sich aus der konkreten Situation Anhaltspunkte ergeben, die darauf hindeuten, dass der einzelne Symbolbetrachter gezielt angesprochen werden soll. Davon ist etwa auszugehen, wenn der Symbolträger entsprechende Aussagen tätigt. Gleiches gilt bei auffälligen Symbolen, die auf Veranlassung von Bürgern in staatlichen Einrichtungen angebracht sind. Soweit der sich im Raum aufhaltende Symbolbetrachter einen herabsetzenden Inhalt des Symbols plausibel darlegen kann, legen die Auffälligkeit des Symbols und seine räumliche Verbindung zum Aufenthaltsort des Symbolbetrachters es nahe, den Symbolbetrachter – und unter Umständen andere Personen, die sich in dem Raum aufhalten – als Adressaten dieses Inhalts zu betrachten. In solchen Fällen kommt eine Gefährdung oder Verkürzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf Schutz der persönlichen Ehre in Betracht. Die aus der Schutzpflicht resultierende staatliche Handlungspflicht – deren Inhalt anhand der Religionsfreiheit des Symbolträgers einerseits und der Ehre des Symbolbetrachters andererseits zu bestimmen ist – gebietet daher dem Staat, es Bürgern und Staatsbediensteten zu untersagen, auffällige religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen anzubringen. Im Übrigen kommt eine Pflicht in Betracht, solche Aussagen zu verhindern, die die – im Hinblick auf den Ehrschutz an sich unbedenkliche – Symbolkonfrontation zu einem herabsetzenden Vorgang wandeln. Als gesetzliche Grundlagen für entsprechende Verbote, die in Erfüllung der Schutzpflicht in die Rechte des Symbolträger eingreifen, lassen sich beamten99  Die Situation lässt sich mit der Situation der Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung vergleichen: Eine solche Beleidigung verliert sich nur dann nicht in der Anonymität, wenn sie sich auf einen deutlich aus der Allgemeinheit hervortretenden Personenkreis bezieht, der klar abgrenzbar und überschaubar ist und dessen Mitglieder sich zweifelsfrei bestimmen lassen (Valerius, in: von /Heinegg, Beck OK-StGB, § 185, Rn. 9). 100 Vgl. Traub, NJW 2015, 1338 (1340); zur meinungsfreundlichen Auslegung mehrdeutiger Aussagen BVerfGE 93, 266; zur Schmähkritik als ggf. außerhalb des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit liegende Äußerung BVerfGE 82, (272 sowie insb. 283 f.).

268

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

rechtlichen Mäßigungspflichten sowie polizei- bzw. ordnungsrechtliche Regelungen heranziehen. Letztere dürften allerdings nur einschlägig sein, soweit die Symbolanbringung gezielt erfolgt, um den Symbolbetrachter herabzusetzen, weil nur in diesen Fällen Verstöße etwa gegen § 185 StGB in Rede stehen, die eine Gefahr oder Störung der öffentlichen Sicherheit begründen können. Vor allem hinsichtlich eines Verbots gegenüber dem Bürger ist der Staat deshalb gehalten, entsprechende Eingriffsermächtigungen zu schaffen.101

10.  Zusammenfassung zum Inhalt konfrontationsbedingter grundrechtlicher Schutzpflichten Werden religiöse Symbole in öffentlichen Einrichtungen von Bürgern getragen, folgen aus der Schutzpflichtendimension der hierdurch gegebenenfalls betroffenen Grundrechte anderer Bürger regelmäßig keine staatlichen Handlungspflichten. Da das Grundgesetz den Menschen an sich nicht vor Einflüssen fernhalten will, die sich aus seiner Gemeinschaftsbezogenheit geben, sondern vielmehr die Gemeinschaft des Menschen mit anderen Menschen in der offenen, pluralistischen Gesellschaft fördern will102, ergibt eine Gegenüberstellung der jeweils betroffenen Rechtsgüter im Rahmen des Untermaßverbots regelmäßig, dass das Interesse des Symbolträgers an dem Tragen des Symbols und an der Teilnahme am sozialen Miteinander das Interesse des Betroffenen überwiegt, als Folge des sozialen Miteinanders keine Grundrechtsverkürzung zu erleiden. In der Folge stellt sich das Untermaßverbot als nicht verletzt dar, wenn der Staat keine Handlungen zum Grundrechtschutz des Bürgers in der Konfrontationssituation vornimmt. Das gilt jedenfalls, soweit die Grundrechtsgefährdung bzw. -verkürzung nicht gezielt und mittels Zwang erfolgt. Im letzteren Fall ist der Staat aus der Schutzpflichtendimension der Grundrechte verpflichtet, grundrechtsschützende Maßnahmen zu ergreifen. Regelmäßig verbleibt den staatlichen Stellen aber ein Ermessensspielraum, wie sie die entsprechenden Handlungspflichten ausfüllen. Eine Reduzierung des Ermessens auf ein Symbolverbot als einzige dem Untermaßverbot genügende Maßnahme ist allenfalls in Ausnahmesituation denkbar. Gleiches gilt häufig auch im Hinblick auf Staatsbedienstete, die religiöse Symbole während ihres Dienstes tragen. Vor dem Hintergrund, dass deren Stellung in staatlichen Einrichtungen eine Grundrechtsgefährdung bzw. -verkürzung unter Umständen begünstigt, und ihnen angesichts ihrer Staatsnähe ein erhöhtes Maß an Zurückhaltung in ihrer Grundrechtsausübung auferlegt werden kann, bestehen hier aber insgesamt weiter reichende staatliche Handlungspflichten. Solche Handlungspflichten kommen insbesondere in Betracht,

101  102 

Vgl. dazu oben F. II.3.c). Muckel, in: de Wall/Germann (Hrsg.), FS Link, S. 331 (343).



III. Ergebnisse

269

soweit das Verhalten des Staatsbediensteten eine konkrete Gefährdung der Grundrechte Dritter begründet. Inhaltlich kommt es in beiden Konstellationen darauf an, dass sich die Maßnahme als im verfassungsrechtlichen Sinne gerechter Ausgleich zwischen den kollidierenden Interessen darstellt, was bedeutet, dass sie dem Untermaßverbot einerseits sowie gegebenenfalls – gegenüber dem Symbolträger – dem Übermaßverbot andererseits genügen muss. Dabei kann sich durchaus ergeben, dass Grundrechtsgefährdungen oder -verkürzungen als Resultate des vom Grundgesetz vorausgesetzten sozialen Miteinanders in gewissem Umfang hinzunehmen sind103. Das gilt insbesondere für unbewusst ausgelöste Prozesse, die in Grundrechtsverkürzungen anderer gipfeln. Gezeigt hat sich aber auch, dass insbesondere die Zwangsanwendung eines Bürgers oder Staatsbediensteten gegenüber einem anderen Bürger die verfassungsrechtlich vorgegebene Zumutbarkeitsgrenze regelmäßig überschreitet. Trotz des im Sinne der Rechtssicherheit nachvollziehbaren Wunsches, abstrakte Kriterien für das Bestehen von Schutzpflichten zu schaffen, wird damit deutlich, dass der wesentliche Inhalt einer Schutzpflicht nur im Einzelfall bestimmt werden kann. Diesen Gedanken hat insbesondere der Gesetzgeber zu berücksichtigen. Er ist einerseits gehalten, entsprechende Eingriffsermächtigungen des Staates für die Erfüllung der Schutzpflichten zu schaffen, hat die Regelungen aber andererseits so auszugestalten, dass sie genügend Raum bieten, die Maßnahmen inhaltlich an den Umständen des Einzelfalls auszurichten.

III.  Ergebnisse Stellt die Symbolkonfrontation im Einzelfall einen Grundrechtseingriff oder eine eingriffsgleiche Grundrechtsgefährdung dar  – was lediglich im Fall staatlich angeordneter Symbole der Fall sein kann –, ist darin regelmäßig eine Grundrechtsverletzung zu sehen. Mangels verfassungsrechtlicher Befugnis des Staates, religiöse Symbole anzuordnen, ist der Eingriff verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Da die Symbolkonfrontation auch von Privatpersonen – zu denen auch Staatsbedienstete zählen können – (mit-)verursacht werden kann, entfaltet sich in ihrem Zusammenhang neben der abwehrrechtlichen Dimension auch die Schutzpflichtendimension der Grundrechte. Aus der Schutzpflichtendimension können sich im Fall von Grundrechtsgefährdungen oder Grundrechtsverkürzungen, die von Privaten ausgehen, staatliche Handlungspflichten ergeben, die darauf gerichtet sind, die Grundrechtsgefährdungen oder -verkürzungen zu verhindern oder jedenfalls abzuschwächen. Der Inhalt der jeweiligen Schutzpflicht 103 Vgl.

Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 240.

270

F.  Überblick zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Nur ausnahmsweise dürfte aufgrund des Untermaßverbots das Ermessen, das dem Staat bei der Erfüllung der Schutzpflicht eingeräumt ist, derart reduziert sein, dass sich eine bestimmte Handlung – etwa ein Symbolverbot – als einzige Handlung darstellt, die die Schutzpflicht in verfassungskonformer Weise ausfüllen könnte. Zumeist dürften dem Staat zahlreiche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die jeweiligen staatlichen Maßnahmen müssen sich auch nicht zwangsläufig direkt auf das Symbol beziehen, sondern können ebenso an andere Umstände oder Handlungen der Beteiligten im Zuge oder im Vorfeld der Symbolkonfrontation anknüpfen.

G. Zusammenfassung Eingangs dieser Arbeit wurde darauf hingewiesen, dass die Frage, ob religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen Grundrechtseingriffe begründen, nur dann überzeugend beantwortet werden kann, wenn die tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation feststehen. In diesem Zusammenhang wurde aufgezeigt, dass zu den tatsächlichen Wirkungen der Symbolkonfrontation bislang keine gesicherten Erkenntnisse bestehen, sodass die Grundrechtsrelevanz der Symbolkonfrontation nicht in rechtlich tragfähiger Weise bestimmt werden kann. Im Verlauf der Arbeit wurde aber deutlich, dass sich die Grundrechtsrelevanz der Symbolkonfrontation und speziell deren Eingriffscharakter insbesondere mithilfe religions- und sozialpsychologischer Forschungsergebnisse konkretisieren lässt. So konnten anhand der Ergebnisse mögliche tatsächliche Wirkungen der Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen festgestellt werden. Diese Wirkungen bildeten die Basis für die Prüfung des Grundrechtseingriffs. Ihre Einordnung in den grundrechtlichen Kontext erforderte teilweise eine sehr dezidierte inhaltliche Ausdifferenzierung der jeweiligen grundrechtlichen Schutzbereiche. Es zeigte sich, dass die festgestellten Wirkungen der Konfrontationssituation zumindest teilweise einen grundrechtlichen Bezug aufweisen und von den Schutzbereichen verschiedener Freiheitsrechte erfasst werden. Für die aus praktischer Sicht wohl relevantesten Wirkungen der Konfrontationssituation – die Emotionen, etwa in Form von Ärger über die Konfrontation – gilt das allerdings regelmäßig nicht. Die Grundrechte schützen den Bürger nur in Einzelfällen davor, Emotionen als solche erleben zu müssen. Die Emotion kann allerdings als Anzeichen einer sonstigen Freiheitsverkürzung fungieren, beispielsweise einer Einstellungsänderung. Vor solchen konfrontationsbedingten Einstellungsänderungen schützen die Grundrechte den Bürger in gewissem Umfang. Die genaue Reichweite dieses Schutzes hängt insbesondere davon ab, ob die menschliche Willensfreiheit bzw. deren informative Grundlage bei der stattfindenden Einstellungsänderung verkürzt wird. Ein grundrechtlicher Schutz besteht überdies gegenüber einer von der Konfrontation mit einem auffälligen religiösen Symbol gegebenenfalls ausgehenden Form des Handlungszwangs. Auch schützen die Grundrechte den Bürger vor einer Herabwürdigung seiner Person, wie sie unter besonderen Umständen durch die Symbolkonfrontation begründet werden kann.

272

G. Zusammenfassung

Es zeigte sich jedoch auch, dass hinter einem Grundrechtseingriff als Folge der Symbolkonfrontation sehr komplexe und vielschichtige Vorgänge liegen können. Die Arbeit möchte insoweit einen ersten grundlegenden Ansatz für die grundrechtliche Bewertung der Konfrontation liefern. Festzuhalten ist, dass ein Grundrechtseingriff keinesfalls ohne weiteres unterstellt werden kann. Während grundrechtliche Schutzbereiche durch die Symbolkonfrontation häufig berührt werden, kommen Eingriffe nur bei staatlich angeordneten Symbolen und auch dann regelmäßig nur unter speziellen, teilweise sogar lediglich unter atypischen Umständen in Betracht. Das erklärt sich insbesondere daraus, dass nicht die Konfrontationssituation alleine die Grundrechtsverkürzung bzw. den Grundrechtseingriff begründet. Vielmehr müssen zusätzliche Faktoren hinzutreten. Zu nennen sind hier beispielsweise Umweltreize sowie in der Person des Symbolbetrachters liegende Umstände, etwa bestimmte Persönlichkeitsmerkmale. Zwar hindert die Erkenntnis, dass der Grundrechtseingriff insoweit auf einer multifaktoriellen Basis gründet, nicht zwangsläufig die Annahme eines Eingriffs als solchem. Es bedarf jedoch stets einer sehr genauen Prüfung der Umstände des Einzelfalls, wobei die sozial- und religionspsychologischen Erkenntnisse zugrunde zu legen sind. Das kann eine umfangreiche und diffizile Untersuchung der jeweiligen Gegebenheiten erfordern. Sollte danach im Einzelfall tatsächlich ein Grundrechtseingriff nachweisbar sein, ist dieser allerdings regelmäßig nicht zu rechtfertigen. Das folgt daraus, dass regelmäßig keine verfassungsrechtlichen Befugnisse des Staates bestehen, religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen anzubringen. Hinsichtlich des Kruzifixbeschlusses1 als Beispiel einer häufig und sehr kontrovers diskutierten Entscheidung zur Symbolkonfrontation in staatlichen Einrichtungen ist festzustellen, dass zumindest einige im Zusammenhang mit dem Urteil bekannt gewordene Fakten dafür sprechen, den Beschluss im Ergebnis als richtig einzustufen. Hierzu zählen etwa die nicht unbeachtliche Größe und Auffälligkeit des Kruzifixes sowie der offenbar auffällige familiäre Hintergrund der betroffenen Schulkinder2. Wie erwähnt, wäre es allerdings erforderlich gewesen, auf die mit diesen Fakten in Zusammenhang stehenden psychologischen Vorgänge und deren Grundrechtsbezug dezidierter einzugehen. Da solche Aussagen fehlen, bleibt der Beschluss in seiner Begründung wenig tragfähig3. Die Schutzpflichtendimension der Grundrechte kann im Zuge der Symbolkonfrontation staatliche Handlungspflichten begründen. Wie der Staat diese Handlungspflichten ausfüllt, liegt regelmäßig in seinem Ermessen. Er hat die Umstände des Einzelfalls zu prüfen und die betroffenen Rechtsgüter einander 1 

BVerfGE 93, 1. Vgl. dazu Ihli, Lernen mit dem Kreuz, S. 41 f. 3 Vgl. Würtenberger, in: Merten/Schmidt/Stettner, FS Knöpfle, S. 397 (402). 2 



G. Zusammenfassung

273

gegenüber zu stellen und abzuwägen. Dabei wird er durch das Untermaßverbot einerseits sowie – gegenüber dem Symbolträger, in dessen Rechte er mit seiner Schutzhandlung gegebenenfalls eingreift – durch das Übermaßverbot andererseits beschränkt. Grundsätzlich lässt sich jedoch festhalten, dass Symbole in staatlichen Einrichtungen getragen werden dürfen. Das gilt auch für Staatsbedienstete, von denen im Vergleich zu anderen Bürgern allerdings eine erhöhte Zurückhaltung gefordert werden kann. Ein Symbolverbot für Bürger oder Staatsbedienstete wird durch das Untermaßverbot nur in Ausnahmefällen gefordert und stellt sich auch in der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte regelmäßig als unverhältnismäßig dar. Der Gesetzgeber ist vor die schwierige Aufgabe gestellt, den staatlichen Stellen Eingriffsermächtigungen an die Hand zu geben, die einerseits einen dem Untermaßverbot genügenden Grundrechtsschutz gewährleisten, andererseits aber ausreichend Raum bieten, um die Umstände der konkreten Situation zu berücksichtigen und auch das gegebenenfalls gleichzeitig zu beachtende Übermaßverbot zu wahren. Vor diesem Hintergrund ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach der die  – zwischenzeitlich aufgehobene  – Regelung des § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F.4, verfassungswidrig ist, im Ergebnis zuzustimmen. Ein Symbolverbot dürfte sich regelmäßig erst bei einer konkreten Gefährdung der Neutralität oder des Schulfriedens als verhältnismäßig darstellen5, wobei die Verhältnismäßigkeit auch in diesem Fall davon abhängt, aus welchen Ereignissen sich die Gefährdung genau ergibt. Soweit die Gefährdung vor allem aus einem aggressiven Auftreten von Schülern und Eltern resultiert, das nicht dazu dient, eigene Grundrechte zu verteidigen, verletzt ein gegenüber der Lehrkraft ausgesprochenes Verbot gegebenenfalls das Übermaßverbot.6 Die bloße Missstimmung des oder der Symbolbetrachter kann nicht zwangsläufig zu Lasten des Staatsbediensteten veranschlagt werden, auch wenn sie den Symbolbetrachter zu Maßnahmen verleitet, die den Betrieb der öffentlichen Einrichtung stören. Das folgt daraus, dass das Interesse eines Bürgers an einer ihn emotional positiv stimmenden Umwelt grundsätzlich kein grundrechtlich geschütztes Gut darstellt. In diesen Fällen ist vielmehr regelmäßig das störende Verhalten des Symbolbetrachters zu unterbinden. Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich auch auf Symbole anderer Art, etwa auf politische Symbole übertragen. Auch die Konfrontation mit derartigen Symbolen kann grundrechtsrelevant sein und einen Grundrechtseingriff begründen, wobei mangels religiösen Bezugs ein Schutz vor der Konfrontation durch die Glaubens-, Bekenntnis- oder Religionsausübungsfreiheit regelmäßig ausschei4  SchulG NRW v. 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), in der Fassung bis zum 4. Juli 2015 (GV. NRW. S. 309). 5  Als ausreichend stellt sich überdies eine konkrete Gefährdung der Grundrechte von Schülern und Eltern dar, vgl. oben F. II.3.b)bb). 6  Vgl. oben F. II.3.b)aa) m. Fn. 73.

274

G. Zusammenfassung

det. Wie bei der Konfrontation mit religiösen Symbolen kann die Frage der Grundrechtsrelevanz nur durch eine sorgfältige Prüfung der Einzelfallumstände beantwortet werden.

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Stichwortverzeichnis Adäquanztheorie  192 Aggressionen  29 Allgemeines Persönlichkeitsrecht – Eingriff durch Symbolkonfrontation  206, 227 f., 230 ff. – Recht auf Schutz der persönlichen Ehre  156 ff. – Recht auf selbstbestimmte Persönlichkeitsentfaltung  142 ff. animal symbolicum  11, 23 Anstalts- und Militärseelsorge  96 ff. Anti- und areligiöse Haltungen – als innere Einstellungen, s. a. Einstellungen 67 Appell  55 Appellativer Charakter von Symbolen  55 f., 59 Äquivalenztheorie s. conditio-sine-qua-nonFormel Assensus 64 Aufmerksamkeit  22 f. Ausweichmöglichkeit – Bedeutung fehlender A. vor dem Symbol 33 f., 59, 83, 128, 130 ff., 159 Bagatellvorbehalt  180 Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz  228, 236 Befehl  169 Bekehrung 74 Bekenntnisfreiheit – Eingriff durch Symbolkonfrontation 228 f. – negative  144 ff., 228 f., 264 – positive  95 ff. Botschaft – Bedeutung bei Einstellungsänderung 47 ff. – Übermittlung durch Symbole  55 f. conditio-sine-quo-non-Formel  173, 186, 192

Effektivität des Grundrechtsschutzes – als Argument bei der Festlegung von Eingriffskriterien  174 – als Argument für die Anerkennung einer eingriffsgleichen Grundrechtsgefährdung 182, 184 – als Ziel der Abwehrrechte  172 f. Ehre – grundrechtliches Schutzgut  156 ff. – sozialer Geltungsanspruch  156 Eingriff – Begriff s. Eingriffsbegriff – Funktion  167 Eingriffsbegriff – s. a. Klassischer Eingriffsbegriff und Erweiterter Eingriffsbegriff – Terminologie  167 f. Eingriffsgrundlage – Anforderungen  237 ff. – Erforderlichkeit bei Grundrechtseingriffen  236 f. Einrichtung – s. Öffentliche Einrichtung Einstellungen – affektive Komponente  38 – Begriff  37 ff. – behaviorale Komponente  38 – Herkunft  39 ff. – kognitive Komponente  38 – Zweck 37 Einstellungsänderung – Begriff  41 – durch den Mere-Exposure-Effekt  43, 53 f. – durch die kognitive Reaktion  47, 58 f. – durch Konditionierung (klassische und operante)  41 ff., 50 ff. – durch Modelllernen  45 f., 56 ff. – durch religiöse Symbole  78 ff. – durch Symbole allgemein  50 ff. Elterliches Recht zur religiösen Erziehung – Eingriff durch Symbolkonfrontation 223 ff.

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Stichwortverzeichnis

– Inhalt  135 ff. Emotionale Integrität – als grundrechtliches Schutzgut  91 ff. Emotionen – als grundrechtliches Schutzgut s. Emotionale Integrität – Begriff und Entstehung  26 ff. – Beispiele 26 – Nachweis 34 Emotionsauslösung durch Symbole  28 ff. Ermessenspielraum bei grundrechtlichen Schutzpflichten  204, 243 Erweiterter Eingriffsbegriff  171 ff. Erziehungsauftrag  226, 239 ff., 254 Fiducia  64 Funktionsfähigkeit der Rechtspflege – Auswirkungen religiöser Symbole in Gerichtsälen  242 – als Grund für Beschränkungen der Grundrechtsausübung durch Staatsbedienstete  197 f., 253 – Bedeutung im Rahmen grundrechtlicher Schutzpflichten  254 ff., 257, 261, 263 Gebot der Nichtidentifikation  162 ff., 242 Gedankenzwang  129 ff. Gesetzesvorbehalt s. Eingriffsgrundlage  236 f. Glaube – affektive Komponente  62 – als innere Einstellung  60 ff. – Begriff s. Glaubensbegriff – kognitive Komponente  62 f. – Lehr- und Lernbarkeit  68 ff., insb. 75 ff. Glaubensbegriff – Sozialpsychologie  61 ff. – Theologie  63 – Verfassungsrecht  64 ff. Glaubensfreiheit – Abgrenzung positive und negative Glaubensfreiheit  132 ff. – als Strukturelement der Religionsfreiheit  110 ff. – Aufspaltung in Auswahlfreiheit/Willensfreiheit i. e. S.  131 – Eingriff durch Symbolkonfronta­tion 207 ff., insb. 223 – Schutzgut  113 ff., insb.  131 f. Grundrecht auf innere Geistesfreiheit  115 f. Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit – Eingriff durch Symbolkonfrontation 188 ff., insb. 205

– Schutzgut  100 ff. Grundrechtsdreieck  195 Grundrechtseingriff s. Eingriff Grundrechtsgefährdung  180 ff. Grundrechtskonflikt  238 f. Grundrechtsverkürzung – Begriff  167 f. Handlungszwang durch die Symbolkonfrontation  80 f., 149 ff. Häufigkeit – Bedeutung der H. der Symbolkonfrontation  33 f., 52, 58 Herabsetzung durch die Symbolkonfronta­ tion  81, 157 ff. Heuristiken  44 f. Heuristisch-systematisch Modell s. ZweiProzess-Modelle Identitätsstiftende persönliche Merkmale – als Schutzgegenstände des allgemeinen Persönlichkeitsrechts  143 – Beispiele  143 Imperativität  169 Indifferenz in religiös-weltanschaulichen Fragen  5, 133 f. Indoktrination  76 f., 136 Information – Begriff  138 – Informationsgehalt religiöser Symbole 141 Informationsfreiheit – Eingriff durch Symbolkonfrontation  227 – negative I.  141 Informationsfreiheit – Schutzgut  140 f. – strukturelle Ähnlichkeit mit der Glaubensfreiheit  138 ff. Innere Einstellungen s. Einstellungen Intensität – als Eingriffskriterium  177 f. Interpretationsvorgang bei Symbolen  13 f., 23 f., 85 Kausalität – adäquate, s. a. Adäquanztheorie  173 – als Eingriffskriterium  173 – äquivalente s. conditio-sine-qua-nonFormel Kettenverursachung – als Eingriffskategorie  179, 195 Klassische Konditionierung s. Konditionierung

Stichwortverzeichnis Klassischer Eingriffsbegriff – Inhalt  168 ff. – Symbolkonfrontation als Eingriff  169 f. Kognitionsbedürfnis  49 Kognitive Reaktion – Begriff 47 – Einstellungsänderung als Folge der k. R.  47 Konditionierung – Begriff der klassischen K.  27 f., 32, 41 ff. – Einstellungsänderung als Folge der K.  41 ff. – Emotionsauslösung als Folge der K.  27 f. – Rolle von Symbolen  50 ff. – Begriff der operanten K.  41 ff. Konfrontationsschutz  6 f. Konvergenztheorie  198 ff. Kopftuch  8 ff., 266 f. Kopftuchurteil – des Bundesverfassungsgerichts v. 2003 15, 17 f. – des Bundesverfassungsgerichts v. 2015  2, 273 Kreuz  8 ff. Kruzifixbeschluss  7 f., 10, 17, 36, 80, 112, 154, 217, 272 Mäßigungsgebote für Beamte  253, 256, 261 Meinungsbildungsfreiheit – als Teil der Informationsfreiheit  138 ff. Menschenbild des Grundgesetzes  127 Menschenwürdegarantie  108 f., 113 f. Mere-Exposure-Effekt – Begriff 43 – Einstellungsänderung durch den M.  43 f. – Rolle von Symbolen  53 f. Missionierung durch die Symbolkonfrontation 4, 25, 59 f., 63, 72, 78 Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit s. Zwei-Prozess-Modelle Modelllernen – Begriff  45 f. – Eigenschaften von Modellpersonen  46 – Einstellungsänderung als Folge des M. 45 f. – Lehrer als Modellperson  213 ff. – Rolle von Symbolen  56 ff. Nebenverursachung – als Eingriffskategorie  179, 193, 221 Neutralität – subjektives Recht auf N.  161 ff. Notitia 64

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Öffentliche Einrichtung  16 Operante Konditionierung s. Konditionierung Persuasion 47 Plausibilitätskontrolle  87 f., 157, 160 Pluralität, religiöse  95, 98, 103, 127, 151, 245, 252, 262, 268 Posttraumatische Belastungsstörung  28, 189, 194 Präsenz des Symbols – besondere P. als Grundlage einer Verkürzung der Glaubensfreiheit  215 ff. – besondere P. als Grundlage eines Handlungszwangs  81, 153 ff., 229 f. – herabsetzende Wirkung einer besonderen P. 232 Reflexwirkungen von Befehlen  170 f. Regelungsidentität  169 Reiz-Reaktionslernen s. Konditionierung Religionsausübungsfreiheit – Eingriff durch Symbolkonfrontation 229 f. – Inhalt  148 ff. Religionsfreiheit – s. a. Glaubensfreiheit, Bekenntnisfreiheit, Religionsausübungsfreiheit – Struktur  110 ff. Religionsmündigkeit 226 Religionsunterricht  96 ff. Religiöse Sozialisation – Bedeutung des Elternhauses  70 f. – Inhalt, s. a. Sozialisation, 69 ff. Religiöse Symbole – als Erziehungsmittel  239 ff. – als Information  141 – Begriffsverwendung i. R. d. Arbeit  5 – Inhalt  13 – Interpretationsmaßstab bei der grundrechtlichen Prüfung  84 ff. – Interpretationsmaßstab bei staatlicher Anordnung  241 Religiosität – Gleichsetzung mit Glauben  62 Schockzustand – als Folge der Symbolkonfrontation  188 f. Schulfrieden  254 ff. Schulpflicht  154, 200 ff., 216, 262 Schutznormtheorie  163 Schutzpflichten – Inhalt  204, 242 ff.

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Stichwortverzeichnis

– Untermaßverbot 204 Schutzzweck eines Grundrechts – als Eingriffskriterium  177 f. Selbstbeeinträchtigung – als Eingriffskategorie  179, 193, 221 f. Selbstbestimmung – als Zweck der Glaubensfreiheit  113 ff., insb. 131 f. – bei der Bildung religiöser Einstellungen 116 ff. Selbstverständnis  86 f., 111, 148, 149, 241 Sozialisation – Fremdsozialisation  70 ff. – religiöse Sozialisation s. Religiöse Sozialisation – Selbstsozialisation  72 ff. Sozialisationsprozess  63, 77, 132, 209 ff., 253 Staatliche Einrichtung – Begriff  16 f. – Beispiele  17 Staatsbedienstete – als Grundrechtsträger  195 f. Symbol – aggressive Symbole  29 f. – anti- und areligiöse Symbole  4 f. – Begriff  8 ff. – Funktion  8 ff. – Inhaltsbestimmung, s. a. Interpretationsvorgang bei Symbolen, 11 f. – politische Symbole  94, 142, 189 (Fn.), 273 – religiöse Symbole s. Religiöse Symbole – weltanschauliche Symbole  4 f. Symbolverbot  246 ff., 253, 255 ff., 264, 268, 270, 273 – Ermächtigungsgrundlage  248 Symbolverständnis  23, 214, 225 Trigger  28, 31

Unverfügbarkeit – des Glaubens  68, 76 f. – von Lernprozessen  75 f. Verfassungsbeschwerde 3 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung – Voraussetzungen 236 Vorbehalt des Gesetzes  236 Vorerfahrung mit dem Symbol – Bedeutung für die Emotionsentstehung 30 f. – Entstehung  30 Vorurteile 37 Wahrnehmung – Begriff 22 – von Symbolen  23 f. Wesentlichkeitsgrundsatz  256 Widerspruchsregelung bei Symbolen  146 f., 228 f. Wille – Bedeutung im Rahmen religiöser Einstellungen  122 f. – bedingt freier Wille  121 f. – Begriff  118 – unbedingt freier Wille  119 f. Willensfreiheit – als Informationsauswahlfreiheit  126 ff. – als Instrument menschlicher Selbstbestimmung  118 ff. Zielvorstellung des Grundgesetzes  103, 245 Zurechnung einer Freiheitsverkürzung – als Eingriffsvoraussetzung  168, 172 – Kriterien  173 ff., 178 ff., 191 ff. Zurechnung einer Freiheitsverkürzung – problematische Gesichtspunkte i.R.d. Konfrontationssituation  166, 186, 191 ff. Zwei-Prozess-Modelle  47 ff.