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German Pages 133 Year 1974
FRIEDRICH MÜLLER · BODO PIEROTH
Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach
Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Ernst Friesenhahn · Alexander Hollerbam Hans Maier · Paul Mikat · Klaus Märedorf · Ulrich Scheuner
Band4
Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach Eine Fallstudie zu den Verfanungafragen aeiner Veraetzungaerheblichkeit
Von
Friedrich Müller und Bodo Pieroth
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
@ 1974 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1974 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlln 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03089 3
Vorwort Die Arbeit analysiert und dokumentiert eine komplexe staatskirchenrechtliche Problematik: die Frage, ob der vom Grundgesetz als "ordentliches Lehrfach" bestimmte Religionsunterricht an öffentlichen Schulen in der Rechtsetzungs- und Verwaltungspraxis der Bundesländer als versetzungserheblich behandelt werden darf. Indem ein jüngst vom Bundesverwaltungsgericht entschiedener Präzedenzfall durch alle Stadien vom Lebenssachverhalt bis zur Rechtskraft verfolgt wird, nimmt die Studie die Form einer "Längsschnittanalyse" an, deren rechtspolitische Ansatzpunkte - für das Staatskirchenrecht kennzeichnend - vor allem in die Zeit von Weimar zurückgehen; die aber wegen der methodischen Verklammerung der hier untersuchten verfassungs-und verwaltungsrechtlichen Normprogramme und Normbereiche zugleich auf den heutigen Diskussionsstand einer im Umbruch stehenden pädagogischen Theorie und Praxis hinführt. Die Arbeit bietet damit auch einen Beispielsfall der Bedeutung gesellschaftlicher Realität für eine in den Grenzen rechtsstaatlicher Formgarantien grundsätzlich wandelbare Verfassung.
Inhaltsverzeichnis FALLBERICHT
13
GUTACHTEN
22
Erster Teil Bestimmt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen als versetzungserhebliches Lehrfadl?
22
A. Der grammatische Gesichtspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
B. Der genetisch-historische Gesichtspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
I. Art. 149 Abs.1 Satzl der Weimarer Reichsverfassung (WRV) . . . .
22
1. Verwertbarkeit des Art. 149 Abs. 1 Satz 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . .
22
2. Die Bedeutung des Begriffs "ordentliches Lehrfach" nach den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtslage vor 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die erste Lesung im Verfassungsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die weitere Behandlung durch die Weimarer Nationalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 24 25 26
3. Die Interpretation des Art. 149Abs. 1 Satz 1 WRV in der Literatur zur Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4. Systematische!' Gesichtspunkt aus der Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5. Folgerungen aus Art. 149 Abs. 1 Satz 1 WRV für die Frage der Versetzungserheblichkelt des Religionsunterrichts . . . . . . . . . . . . 27 li. Die Entstehung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
C. Systematische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
I. Die Einordnung der Normierung des Religionsunterrichts in Art. 7 und in den Grundrechtsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Der Religionsunterricht vor dem Hintergrund des staatskirchenrechtlichen "Systems" des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Sinn und Zweck der Einfügung des Art. 7 Abs. 3 Satz l GG ·..... .
31
8
Inhaltsverzeichnis IV. Der Zusammenhang von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG mit Satz 2
33
1. Die überwiegend vertretene Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
3. Konsequenzen für die Versetzungserheblichkelt des Religionsunterrichts aus der Auffassung v. Drygalskis . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4. Kritik der Auffassung v. Drygalskis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
V. Der Zusammenhang von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 mit Art. 7 Abs. 2 GG 38 1. Grundsätzliches zu Art. 7 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2. Religionsunterricht als "Wahlfach" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
D. Dogmatische Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . .
40
li. Die dem Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
E. Normbereichselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Die Versetzungserheblichkelt der Note in der schulischen Praxis . 43 li. "Ordentliches Lehrfach" und Versetzung in der pädagogischen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
III. Der Religionsunterricht in der Religionspädagogik . . . . . . . . . . . . . .
45
IV. Der Religionsunterricht in der schulischen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . .
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F . Ergebnis zum Ersten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil Ist der Religionsunterricht an Höheren Schulen Nordrhein-Westfalens versetzungserhebliches LehrfaCh?
52
A. Die rechtliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
I. Verfassungsrechtliche und gesetzliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . .
52
li. Untergesetzliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
III. Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
IV. Kirchenvertragliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
B. Die Gültigkeit der Runderlasse des Kultusministers . . .. . .·. . . . . . . . . . . .
58
I. Die Runderhisse als Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Inhaltsverzeichnis II. Verwaltungsvorschriften und Vorbehalt des Gesetzes III. Der Inhalt der Runderlasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 59
60
IV. Der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 C. Rechtslage bei Annahme der Gültigkeit der Runderlasse des Kultusministers im Verhältnis zu den Schülern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Die Qualifizierung des Religionsunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
II. Das Fach Religionslehre in der Systematik der Versetzungsordnung 62 1. Ziffer 2. der Versetzungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
2. Ziffer 4. der Versetzungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahlfreies Fach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wissenschaftliches Fach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62 63 64
3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
D. Ergebnis zum Ersten und Zweiten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
Dritter TeH
Verstößtdie Versetzungserheblicbkeit des Fachs Religionslehre im übrigen gegen Bundesverfassungsrecbt? A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes. . . . . . . . . . . . . .
68 68
I. Der Gesichtspunkt des "säkularen" Staats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
1. Die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
2. Verfassungsrechtliche Bedeutung der Qualifikation "säkularer Staat" nach dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Verfassungsrechtliche Bedeutung der Qualität des Staats des Grundgesetzes als "weltanschaulich neutraler" Staat . . . . . . . . . . 70 4. Der Zusammenhang von Art. 7 GG mit der vorliegenden landesrechtliehen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Der staatskirchenrechtliche Gesichtspunkt der "Trennung von Staat und Kirche" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Das Argument in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
2. Einzelne Elemente einer Trennung von Staat und Kirche nach dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Bedeutung und verfassungsrechtliche Tragweite von Art. 137 Abs. 1 WRV iVm. Art. 140 GG .. . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . .. . . . . 79 B. Verfassungswandel im Staatskirchenrecht unter dem Grundgesetz? . .
82
I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Der Begriff "Verfassungswandel" und die Frage seiner Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
10
Inhaltsverzeichnis 1. Definitionen
82
2. Verfassungswandel im vorliegenden Fall? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
C. Verstoß gegen Art. 4 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
I. Art. 4 GG als Grundelement objektiver Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . .
86
II. Art. 4 GG als subjektives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
1. Die Fragestellung; Allgemeines zu Art. 4 Abs. 1 GG . . . . . . . . . .
87
2. Verstößt die Versetzungserheblichkelt als solche gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Verstößt eine mögliche Nötigung zur nicht religiös motivierten Abmeldung vom Religionsunterricht gegen Art. 4 GG? . . . . . . . . 95 III. Ergebnis zu C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
D. Verstoß gegen den Gleichheitssatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
I. Fragestellung ... .. . .... . . .. . . . . ...._. . .. . . .. . ... _. . . ... . .._... . . . .
97
li. Maßstabsnormen
....................................... .......
97
111. Verstoß gegen Art. 3 Abs.l GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
1. Der Allgemeine Gleichheitssatz als Willkürverbot . . . . . . . . . . . .
97
2. Der Allgemeine Gleichheitssatz als sozialstaatliches Gebot der Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Methodisches Vorgehen bei der Prüfung einer Regelung am Allgemeinen Gleichheitssatz .... . ... ... .................. . ... 100 4. Prüfung der Versetzungserheblichkeit des Fachs Religionslehre am Allgemeinen Gleichheitssatz .... ... ................. ... ... 101 5. Parallelfälle aus dem geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 IV. Ergebnis zu D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 E. Ergebnis zum Dritten Teil .. , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 URTEIL DES BUNDESVERWALTUNGSGERICHTS
105
ANHANG
Die Versetzungserheblichkeit der Note im Fach Religionslehre - Eine Vbersicht zur Praxis in den Bundesländern
112
Li teraturverzelchnis
117
Sachwortregister
128
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
ABI. KM; Amtsblatt
Amtsblatt des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen
Anm.
Anmerkung
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
ArchKathKR
Archiv für Katholisches Kirchenrecht
BaWüVBl. BayVBl.
Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Bayerische Verwaltungsblätter
BayVfGH
Bayerischer Verfassungsgerichtshof
Bd.
Band
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BI.
Blatt
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
ders.
derselbe (Autor) Die Öffentliche Verwaltung
DÖV DVBI. Erl.
Deutsches Verwaltungsblatt Erläuterung
FamRZ
Zeitschrüt für das gesamte Familienrecht
Fn.
Fußnote Gemeinsames Amtsblatt des Kultusministeriums und des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen
GABl.; Gern. Amtsblatt GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.Mai 1949
GMBl.
Gemeinsames Ministerialblatt
GV;GVBl.
Gesetz- und Verordnungsblatt
Hess. StGH
Hessischer Staatsgerichtshof
12
Abkürzungsverzeichnis
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
idF
in der Fassung
iVm. Jg.
Jahrgang
JöR
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart
in Verbindung mit
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
N.F.
NeueFolge
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NRW;NW
Nordrhein-Westfalen
OLG
Oberlandesgericht
OVG
Oberverwaltungsgericht
RdJ
Recht der Jugend und des Bildungswesens
Rdnr.
Randnummer
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RWS
Recht und Wirtschaft der Schule
s.; S.
siehe; Seite Erstes Gesetz zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen vom 8. April1952
SchOG Sp.
Spalte
u.a.
und andere; unter anderem
u.ö.
und öfters
VerwRspr.
Verwaltungsrechtsprechung
VGH
Verwaltungsgerichtshof
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960
WRV
Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919
Zentralblatt
Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen
ZevKR
Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht
Fallbericht Die am 12. Juli 1951 geborene Sonja F. besuchte von Oktober 1962 bis Juli 1969 den neusprachlichen Zweig eines von einer katholischen Schwesternkongregation unterhaltenen privaten Mädchengymnasiums. Sie wiederholte im Schuljahr 1968/69 die 10. Klasse (Untersekunda), wurde aber am Ende dieses Schuljahrs nicht versetzt und erhielt ein Abgangszeugnis mit folgenden Noten: Religionslehre: mangelhaft, Französisch: mangelhaft, Mathematik: mangelhaft, Musik: mangelhaft, Geschichte: ausreichend, Latein: ausreichend, Physik: ausreichend, Chemie: ausreichend, Biologie: ausreichend, Leibesübungen: ausreichend, Deutsch: befriedigend, Englisch: befriedigend, Kunst: befriedigend. Auf den Widerspruch der Eltern der damals minderjährigen Sonja F. wies das Schulkollegium beim Regierungspräsidium in Düsseldorf die Schule an, für Sonja ein neues Abgangszeugnis mit der Note "ausreichend" in Französisch auszustellen; im übrigen wies das Schulkollegium den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Zensuren in Mathematik, Religion und Musik beständen zu Recht. Daraufhin erhoben die Eltern Klage. Das Verwaltungsgericht Köln
(1 K 247/70) hat am 1. Oktober 1970 entschieden:
"Die Beklagte wird verpflichtet, über die Versetzung der Tochter Sonja der Kläger von Unter- nach Obersekunda nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben, obwohl es sich bei der Beklagten um eine Privatschule handelt. Da sie jedoch
Fallbericht
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eine vom Kultusminister genehmigte Ersatzschule im Sinne der §§ 36 Abs. 2, 37 des Ersten Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen (SchOG) in der Fassung vom 5. 5.1968 (GV NW S. 430) darstellt, sind ihre Versetzungsentscheidungen als Verwaltungsakte anzusehen (Redeker- v. Oertzen, VwGO, 3. Aufl., Rdnr. 54 zu§ 42 VwGO). Für die Beklagte gilt auch die Versetzungsordnung für die Gymnasien des Landes Nordrhein-Westfalen (VersetzungsO) vom 7. 4. 1959 (ABI. KM S. 60)/2. 5. 1968 (ABI. KM S. 178). Denn als Ersatzschule untersteht sie gemäß § 41 Abs. 1 SchOG der staatlichen Schulauf.,. sieht. Bei der Versetzungsordnung handelt es sich aber gerade um einen Ausfluß dieser staatlichen Schulaufsicht. Die von den Klägern angefochtene Entscheidung enthält lediglich die Nichtversetzung ihrer Tochter Sonja von Unter- nach Obersekunda, nicht hingegen eine Entlassung im Sinne von Nr. 9 VersetzungsO. Zwar könnten der Hinweis im Personalbogen Sonjas auf Nr. 9 VersetzungsO (BI. 34 der Gerichtsakte) und die Formulierungen im Protokoll der Klassenkonferenz vom 29.8.1969 (Verwaltungsvorgang BI. 24) auf den Willen der Beklagten, auch die Entlassung im Sinne der Nr. 9 VersetzungsO auszusprechen, hindeuten. Doch kann es auf diese rein intern gebliebenen Meinungsäußerungen nicht ankommen. Entscheidend ist vielmehr, daß nach außen hin die Schule nicht von einer Entlassung gesprochen hat. So enthält das Abgangszeugnis vom 21. 1. 1970 (Gerichtsakte BI. 24) nicht den in Nr. 9 VersetzungsO für den Fall der Entlassung zwingend vorgeschriebenen Vermerk:" ... verläßt die höhere Schule." Die Klage ist auch begründet. Nach Nr. 4 a 2 VersetzungsO ist ein Schüler dann in der Regel nicht zu versetzen, wenn seine Leistungen in zwei wissenschaftlichen Fächern mangelhaft sind; nach Nr. 4 c VersetzungsO können Minderleistungen in den wahlfreien und musischen Fächern die Entscheidung über die Versetzung nur dann beeinflussen, wenn diese Fächer für den Schultyp bezeichnend oder die Minderleistungen nicht auf Unvermögen zurückzuführen sind. Nach der Heraufsetzung der Französisch-Note durch das Schulkollegium auf "ausreichend" hatte Sonja im Zeugnis vom 21. 10. 1970 noch in Mathematik, Musik und Religionslehre die Zensur "mangelhaft". Bei Mathematik handelt es sich um ein wissenschaftliches Fach; die Berechtigung der Note "mangelhaft" in diesem Fach wird von den Klägern mit Recht auch nicht mehr in Abrede gestellt. Die Zensur "mangelhaft" in Musik hätte gemäß Nr. 4 c VersetzungsO die Entscheidung über die Versetzung nur dann beeinflussen können, wenn dieses Fach für den Schultyp bezeichnend oder die Minderleistung nicht auf Unvermögen zurückzuführen wäre. Für ein neusprachliches
Fallbericht
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Gymnasium, wie die Beklagte, ist Musik kein für den Schultyp bezeichnendes Fach. Es ist auch nicht genügend dafür vorgetragen worden, daß die Minderleistung Sonjas in Musik nicht auf Unvermögen beruht hätte. Die Note in Musik darf also bei der Entscheidung über die Versetzung keine- weder eine positive noch eine negative- Rolle spielen. Es kann dahingestellt bleiben, ob Religionslehre als wissenschaftliches Fach im Sinne von Nr. 4 a 2 der VersetzungsO anzusehen ist (dafür: die Auskunft des Kultusministers vom 3. 9.1970 [BI. 64 der Gerichtsakte]; dagegen: v. Mangoldt- Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Band I, S. 283/4; Scheffler, Die öffentliche Verwaltung [DÖV] 1970, S. 336). Selbst falls Religionslehre auf Untersekunda ein wissenschaftliches Fach darstellen sollte, dürften Minderleistungen in diesem Fach nur unter den Voraussetzungen der Nr. 4 c VersetzungsO bei der Versetzungsentscheidung berücksichtigt werden, da Religionslehre als "wahlfreies Fach" im Sinne von Nr. 4 c VersetzungsO angesehen werden muß. Zwar ist dieses Fach für den Lehrplan der Schule Pflichtfach, da es nach Art. 7 III 1 Grundgesetz (GG) ordentliches Lehrfach sein muß. Doch ist Religionslehre für den einzelnen Schüler Wahlfach (v. Mangoldt- Klein, a. a. 0., S. 286; noch weitergehend: Friesenhahn, zitiert nach Scheffler, a. a. 0., der im Hinblick auf die Freiwilligkeit der Teilnahme sogar die Benotung in diesem Fach für unzulässig hält). Denn nach Art. 7 Abs. 2 GG haben die Erziehungsberechtigten das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Nach der Vollendung des 14. Lebensjahres steht gemäß § 5 Satz 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGBL S. 939) dem Kind selbst die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Aus dieser Entscheidungsbefugnis folgt das Recht des religionsmündigen Schülers, selbst über seine Teilnahme am Religionsunterricht zu bestimmen (vgl. § 34 SchOG). Nach allem kann die Zuordnung des Fachs "Religionslehre" zu den "wahlfreien" Fächern nicht zweifelhaft sein. Ist dem aber so, so darf gemäß Nr. 4 c VersetzungsO die Note "mangelhaft" in Religionslehre die Entscheidung über die Versetzung nur dann beeinflussen, wenn dieses Fach für den Schultyp bezeichnend oder die Minderleistung nicht auf Unvermögen zurückzuführen wäre. Die VersetzungsO stellt insoweit also nicht auf den Schulträger, sondern auf den Schultyp ab. Im vorliegenden Zusammenhang muß mithin unerheblich bleiben, daß die beklagte Schule von einer katholischen Schwesternkongregation getragen wird; maßgeblich ist vielmehr allein, daß die Schule ihrem Typ nach ein neusprachliches Gymnasium ist. Für ein solches stellt Religionslehre kein für den Schultyp bezeichnendes Fach im Sinne der Nr. 4 c VersetzungsO dar. Da auch nichts dafür vorgetragen worden ist, daß die Minderleistung Sonjas in Religionslehre nicht auf Unvermögen beruht hätte, darf die
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Fallbericht
Note in Religionslehre bei der Entscheidung über die Versetzung keine Rolle spielen. Bei seiner ursprünglichen Entscheidung über die Nichtversetzung war das beklagte Gymnasium davon ausgegangen, daß Sonja auch in Französisch "mangelhaft" war. Nach dem Vortrag seines Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung hat das Gymnasium nach der Heraufsetzung der Französisch-Note durch das Schulkollegium noch einmal über die Versetzung Sonjas beraten und ist bei seiner früheren, für die Schülerin negativen Entscheidung verblieben. Die Versetzungskonferenz der Untersekunda des Schuljahres 1968/9 wird nunmehr noch einmal zusammentreten müssen, um über die Versetzung Sonjas unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Dabei wird sie die Minderleistungen Sonjas in Religion und Musik nicht berücksichtigen dürfen. Nur wenn ganz besondere Umstände eine Nichtversetzung allein auf Grund der Note "mangelhaft" in Mathematik rechtfertigen würden, dürfte die Konferenz Sonja die Versetzung versagen. Solche Umstände sind bisher nicht ersichtlich. Vielmehr wird zugunsten Sonjas berücksichtigt werden müssen, daß sie nicht nur in Kunst, sondern auch in Deutsch und Englisch befriedigende Leistungen gezeigt hat. Die Kostenentscheidung beruht auf § 151 Abs. 1 VwGO." Auf Berufung der Beklagten hin hat das Oberverwaltungsgericht Münster (VA 1219/70) am 15. Juni 1971 entschieden: "Die Berufung wird zurückgewiesen. Das beklagte Gymnasium trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat das beklagte Gymnasium zu Recht verpflichtet, über die Versetzung der Tochter Sonja der Kläger von Unternach Obersekunda erneut zu entscheiden. Grundlage für die Versetzungsentscheidung an höheren Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen ist die durch Runderlaß des Kultusministers bekanntgegebene Versetzungsordnung vom 7. April1959, ABI. KM S. 60, idF vom 2. Mai 1968, ABI. KM S. 178 (VersO). Dieser Runderlaß stellt zwar keine Rechtsnorm dar. Er bindet aber die Schulbehörden auf Grund der Weisungsbefugnis der vorgesetzten Dienststelle sowie der Verwaltungsübung, die mit seiner Veröffentlichung eingeführt werden sollte und inzwischen eingetreten ist. Nach Nr. 3 b VersO ist ein Schüler zu versetzen, wenn von ihm trotz gewisser Mißerfolge erwartet werden kann, daß er in der nächsten Klasse
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erfolgreich mitarbeiten wird; wieweit hierbei über unzureichende Leistungen in einzelnen Fächern hinweggesehen werden kann, ist von der Klassenkonferenz zu beurteilen und zu entscheiden. Nach Nr. 4 a VersO sind bei unzureichenden Leistungen in einzelnen Fächern folgende Richtlinien zu beachten: "Ein Schüler wird in der Regel nicht zu versetzen sein: 1. wenn seine Leistungen in einem Fach mit schriftlichen Arbeiten ungenügend sind, 2. wenn seine Leistungen in zwei wissenschaftlichen Fächern mangelhaftsind, 3. wenn seine Leistungen in einem Fach mit schriftlichen Arbeiten mangelhaft und in den anderen wissenschaftlichen Fächern nur ausreichend sind." Minderleistungen in den wahlfreien und musischen Fächern können gemäß Nr. 4 c VersO die Entscheidung nur dann beeinflussen, wenn diese Fächer für den Schultyp bezeichnend oder die Minderleistungen nicht auf Unvermögen zurückzuführen sind. Die Entscheidung über die Nichtverset7.ung beruht auf pädagogischwissenschaftlichen Leistungsbewertungen und kann deshalb nur beschränkt, und zwar daraufhin überprüft werden, ob das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist und ob die Lehrkräfte von falschen Tatsachen ausgegangen sind oder allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet haben oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen. (Vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April1959, BVerwGE Bd. 8, 272.) Im vorliegenden Falle ist die Entscheidung, die Schülerin nicht zu versetzen, nicht frei von Beurteilungsfehlern getroffen worden. Der Konferenzbeschluß ist davon ausgegangen, daß bei mangelhaften Leistungen in den Fächern Religionslehre, Französisch, Mathematik und Musik ein Regelfall der Nichtversetzung gemäß Nr. 4 a 2 VersO vorliege. Nach der Heraufsetzung der Französischnote durch das Schulkollegium auf ausreichend ist ein solcher Regelfall jedoch nicht mehr gegeben. Denn nunmehr bleibt als beachtliche mangelhafte Leistung, deren Berechtigung auch von den Klägern nicht in Abrede gestellt wird, allein diejenige in dem Fach Mathematik übrig. Die Religionszensur und die Musikzensur können einen Regelfall der Nichtversetzung nicht begründen. I. Minderleistungen in dem Fach Religionslehre dürfen die Versetzungsentscheidung der Klassenkonferenz nicht negativ beeinflussen, weil es dem säkularen Staat verwehrt ist, Mitarbeit und Leistungen in einem Unterricht, der- neben seinen wissenschaftlichen Bereichen- jedenfalls zum großen Teil Glaubenslehre vermittelt und in der Beteiligung 2 Müller1Pieroth
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der Schüler am Unterricht Glaubensbekenntnis fordert, zu Kriterien der Versetzung zu machen, und weil sich aus der Regelung, die die Teilnahme am Religionsunterricht als nicht obligatorisch ausweist, weitere Gründe gegen die Berücksichtigung der Religionsnote ergeben. 1. Nach der Trennung von Staat und Kirche ist die religiöse Erziehung nicht mehr eigenständige staatliche Aufgabe. (Vgl. Hecke! in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 5, S. 115.) Die glaubensmäßige Erziehung ist vielmehr Sache der Erziehungsberechtigten und der Religionsgemeinschaften, die der Staat im Religionsunterricht nur stellvertretend - und gemäß Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jeweiligen Religionsgemeinschaft wahrnimmt. Das bedeutet, daß der Religionsunterricht die Aufgabe hat, nicht nur Wissen, sondern auch Glaubenssätze als Wahrheiten zu vermitteln; er soll bei dem Jugendlichen eine bestimmte Glaubenseinstellung und sittliche Haltung herbeiführen. (Vgl. von Mangoldt- Klein, Das Bonner Grundgesetz, Art. 7 Anm. IV 3; Peters in Bettermann- Nipperdey- Scheuner, Die Grundrechte, 1960, Bd. IV Halbband 1, S. 414, 417 und 427; Haugg, "Zur Rechtssituation des Religionsunterrichtes" in Recht und Wirtschaft der Schule 1961, S. 200; Friesenhahn, "Religionsunterricht und Verfassung" in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 5, S. 38 und 77 .) Mit dieser Zielsetzung ist es zunächst einmal schwer vereinbar, eine echte Leistungsbewertung der Schüler vorzunehmen, zumal die Mitarbeit gerade hier auf einer unehrlichen opportunistischen Haltung beruhen bzw. die Ausgestaltung des Religionsunterrichtes eine solche Einstellung des Schülers herausfordern kann, während der Unterricht in den anderen Fächern eine reine Wissens- bzw.- in den Leibesübungen - Leistungsvermittlung zum Inhalt hat, deren Erfolg klar bewertbar ist. Zum andern steht es dem säkularen Staat nicht an, die Bewertung der Leistungen in einem inhaltlich- wenigstens teilweise- glaubensmäßigen Unterrichtsfach zum Anlaß zu nehmen, um die Nichtversetzung als pädagogische Maßnahme auf einem Bildungsweg anzuordnen, der ein für alle Glieder der Gesellschaft gleiches und glaubensmäßig nicht gebundenes Bildungsziel anstrebt. (Vgl. Scheffler in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 5, S. 113.) Die eigene und eigentliche schulische Erziehungsaufgabe des Staates liegt im religionsfreien Bereich. Die Leistungsbewertung in Religionslehre darf deshalb keinen negativen Einfluß auf den schulischen Werdegang des Schülers nehmen.
2. Nach Art. 7 Abs. 2 GG haben die Erziehungsberechtigten das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen; darüber hinaus können die Kinder mit der Vollendung des 14. Lebensjahres selbst über ihr religiöses Bekenntnis (§ 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921, RGBI. S. 939) und damit auch
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über ihre Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden (§ 34 des Schulordnungsgesetzes idF vom 5. März 1968, GV NW S. 36 -8chOG-). Daraus folgt, daß Religionslehre für den Schüler nicht obligatorisch ist und deshalb mit von Mangoldt- Klein (a. a. 0., Art. 7 Anm. IV 2, 4 und 5 b) als "persönliches Wahlfach" bezeichnet werden kann. Wegen dieser Freiwilligkeit der Teilnahme am Religionsunterricht hält Friesenhahn (a. a. 0., S. 77) sogar eine Benotung für unzulässig. (A. A.: von MangoldtKlein, a. a. 0., Anm. V 2; Maunz- Dürig, Grundgesetz, 2. Aufl. 1970, Art. 7 Rdnr. 48; Peters, a. a. 0., S. 413; Schladoth, "Der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen aus der Sicht des katholischen Religionspädagogen" in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 5, S. 38.) Der Senat braucht dem indessen nicht nachzugehen, weil wegen der Freiwilligkeit der Teilnahme am Religionsunterricht eine Parallele zu den Wahlfächern- nicht etwa zu den Pflichtwahlfächern - gezogen werden muß. Zwar ist insofern ein Unterschied vorhanden, als bei den Wahlfächern die Teilnahme am Unterricht von einer Wahl des Faches durch den Schüler, während in Religionslehre die Nichtteilnahme am Unterricht von der Abmeldung abhängt. (Vgl. Peters, a. a. 0., S. 414.) Gemeinsam ist jedoch, daß die Teilnahme am Unterricht nicht obligatorisch ist. Die Leistungen der Schüler in den Wahlfächern erfahren keine echte Leistungsbewertung. Nach Nr. 5.3 des Runderlasses des Kultusministers vom 5. März 1965, ABI. KM S. 94, wird vielmehr lediglich bescheinigt, daß der Schüler an der zusätzlichen Unterrichtsveranstaltung "mit sehr gutem Erfolg", "mit gutem Erfolg", "mit befriedigendem Erfolg", "mit Erfolg" oder nur teilgenommen hat. Minderleistungen in den Wahlfächern können dementsprechend auch nicht die Versetzung gefährden, sondern nach Nr. 5. 2 Satz 2 des Runderlasses nur zum Ausschluß des Schülers von der Teilnahme an der Unterrichtsveranstaltung führen. Diese Sonderregelungen bei den Wahlfächern resultieren daraus, daß die Teilnahme des Schülers am Unterricht nicht vorgeschrieben, sondern freiwillig ist. Eine entsprechende Behandlung muß auch für das Fach Religionslehre gelten, weil es ebenfalls nicht obligatorisch ist. Daß ein Ausschluß des Schülers wegen unzureichender Leistungen nicht in Betracht kommt, weil der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach ist (Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG), steht dieser notwendigen Gleichbehandlung im wesentlichen gleicher Sachverhalte nicht entgegen. Im Zusammenhang mit dem nichtobligatorischen Charakter des Faches ist ferner zu berücksichtigen, daß eine Versetzungserheblichkeit der Note in Religionslehre die Entscheidung der Erziehungsberechtigten oder der Schüler über die Teilnahme an dem Unterricht, die ausschließlich dem in Glaubensdingen freien Gewissen überlassen sein soll, beeinträchtigen
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könnte. Schlechter benotete Schüler könnten gezwungen sein, nach anderen als Glaubensgesichtspunkten zu entscheiden und damit ihr Glaubensleben sogar nach den eigenen Vorstellungen zu beeinträchtigen, indem sie sich vom Religionsunterricht abmelden. Die in Nr.lO VersO vorgeschriebene Unterrichtung der Erziehungsberechtigten über nichtausreichende Leistungen in diesem Fach würde in vielen Fällen nicht zu einem Leistungsansporn, sondern zu der Abmeldung des Schülers vom Religionsunterricht führen und damit eine Folge haben, welche den Sinn der Unterrichtung in sein Gegenteil verkehren würde und welche die Benachrichtigung in keinem anderen Fach auslösen könnte. Wegen des nichtobligatorischen Charakters des Faches Religionslehre würde eine Versetzungserheblichkeit der Note schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit für die Schüler bedenklich sein. Erziehungsberechtigte schwacher Schüler bzw. diese selbst würden - wie oben unter dem Gesichtspunkt der Glaubensfreiheit schon erwähnt- das Fach teilweise abwählen, um der Gefahr zu entgehen, daß schlechte Leistungen in Religionslehre für eine drohende Nichtversetzung mitursächlich werden. Diesen Schülern gegenüber würden solche religionstreuen Schüler ungerecht behandelt werden, deren Mitarbeit den Anforderungen ebenfalls nicht genügt, für die die Teilnahme am Religionsunterricht jedoch auf einer zwingenden Glaubensentscheidung beruht, die noch dazu von der Religionsgemeinschaft mit aller Deutlichkeit gefordert wird. Diesen Gründen gegenüber ist unerheblich, daß der Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG ordentliches Lehrfach ist. Hierdurch werden die Schulen lediglich verpflichtet, Religionsunterricht zu erteilen und das Fach Religionslehre gegenüber den anderen Fächern organisatorisch nicht zu benachteiligen. (Vgl. Friesenhahn, a. a. 0., S. 74.) 3. Auch das beklagte Gymnasium als eine von einer katholischen Schwesternkongregation getragene Privatschule ist gehalten, die Religionsnote der Tochter der Kläger bei der Versetzungsentscheidung unberücksichtigt zu lassen. Die Erteilung des Unterrichtsam Gymnasium ist grundsätzlich Aufgabe des Staates. Private Gymnasien stellen insoweit nur einen Ersatz für öffentliche Schulen dar (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG; § 36 Abs. 3 SchOG). Sie unterliegen deshalb den gleichen Einschränkungen, denen die öffentlichen Schulen in bezug auf Ausgestaltung des Unterrichts und Bewertung der Leistungen der Schüler unterworfen sind. Obwohl die beklagte Schule von einer katholischen Schwesternkongregation getragen wird und dem Fach Religionslehre - wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen-nach dem Selbstverständnis der Schule im Rahmen des Gesamtlehrplans eine Kernbedeutung zukommt, ist dieses Fach dennoch nicht für den Schultyp bezeichnend. Schultyp ist vielmehr "neusprachliches Gymnasium".
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II. Auch die Musikzensur konnte keinen Regelfall der Nichtversetzung begründen, weil Musik kein wissenschaftliches, sondern ein musisches Fach ist. Daß die mangelhaften Leistungen in diesem Fach ein Abweichen von den Regelbestimmungen der Nr. 4 a VersO rechtfertigen, ist angesichts der befriedigenden Leistungen in den Hauptfächern Deutsch und Englisch nach den allgemeinen Bewertungsmaßstäben kaum zu vertreten. Das beklagte Gymnasium müßte wegen der Mißerfolge in den Fächern Mathematik und Musik die hiernach bestehende Erwartung widerlegen, daß die Tochter der Kläger in der nächsten Klasse erfolgreich mitarbeiten werde (Nr. 3 b VersO). Das Verwaltungsgericht hat mithin der Klage in dem oben angegebenen Umfang zu Recht stattgegeben. Es hat auch im wesentlichen zutreffend dargelegt, welche Erwägungen die Klassenkonferenz bei ihrer erneuten Entscheidung anzustellen hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf das angefochtene Urteil verwiesen. Hinsichtlich der Musiknote wird die Klassenkonferenz bzw. der Fachlehrer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats entscheiden müssen, ob diese Zensur zu Recht erteilt worden ist und ob sie bezüglich der Versetzung angesichts der befriedigenden Leistungen in den Fächern Deutsch und Englisch den Ausschlag geben kann. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob auf Grund des Art. 7 Abs. 2 und 3 GG Minderleistungen in dem Fach Religionslehre mitursächlich für die Nichtversetzungsentscheidung sein können(§ 132 Abs. 2 Nr.1 VwGO)."
Gutachten Erster Teil
Bestimmt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG den Religionsunterriebt an öffentlichen Schulen als versetzungserhebliebes Lehrfach? A. Der grammatische Gesichtspunkt
Der Normtext des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG erlaubt keine unmittelbare Antwort auf die Frage, ob der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen ein versetzungserhebliches Lehrfach ist. Erstens läßt sich aus dem Wortlaut nur folgern, daß Religionsunterricht kein nicht-ordentliches oder außer-ordentliches Lehrfach sein darf; nicht jedoch, welche der folgenden Begriffe vom Normtext erfaßt werden: Pflichtfach, Kernfach, Hauptfach, Nebenfach, Wahlfach, Wahlpflichtfach, wahlfreies Fach, Grundkurs, Leistungskurs. Zweitens ist mit der Entscheidung, ob "ordentliches Lehrfach" zu einem oder mehreren der genannten Begriffe konkretisiert werden kann, in kaum einem denkbaren Fall zugleich darüber entschieden, ob und in welchem Umfang die Note im Religionsunterricht bei der Versetzung berücksichtigt werden muß. B. Der genetisch-historische Gesichtspunkt I. Art. 149 Abs. 1 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV)
1. Verwertbarkeit des Art.149 Abs.1 Satz 1 WRV Art. 149 Abs. 1 Satz 1 WRV lautet: "Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach der Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen."
Diese Fassung unterscheidet sich von dem heute geltenden Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG in drei Punkten: Die bekenntnisfreien Schulen sind als "weltliche" durch eine Klammer näher bezeichnet; es ist von "Schulen" und nicht wie in Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG von "öffentlichen Schulen" die Rede; die Beziehung zwischen Lehrfach und Schule ist durch einen geni-
B. Der genetisch-historische Gesichtspunkt
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tivus subjectivus und nicht durch eine Umstandsbeschreibung mit "in" gekennzeichnet. Die beiden ersten Änderungen sind für die Frage der Versetzungserheblichkeit ohne Belang. Etwas anderes könnte vielleicht für die dritte Änderung gelten. Man könnte versucht sein, in der Verwendung der Präposition "in" eine rein örtliche Verweisung zu sehen: Der Religionsunterricht hat in den Räumlichkeiten der Schule stattzufinden. Das wäre jedoch eine zu starke Hervorhebung des Wortes "in". Um eine bloß örtliche Bedeutung zu haben, hätte die Bestimmung etwa lauten müssen: "Der Religionsunterricht wird in den Schulen erteilt." Im Zusammenhang mit der Apposition "Lehrfach" ergibt sich dagegen kein inhaltlicher Unterschied zwischen "Lehrfach in den Schulen" und "Lehrfach der Schulen" 1 • Eine weitere Änderung des Normtexts im Grundgesetz im Vergleich mit der Regelung der Weimarer Reichsverfassung besteht darin, daß Satz 2 des Art. 149 Abs. 1 WRV ("Seine Erteilung wird im Rahmen der Schulgesetzgebung geregelt") weggefallen ist. Eine inhaltliche Änderung für den Begriff "ordentliches Lehrfach" ergibt sich aber auch daraus nicht; für Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG muß ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die nähere Ausgestaltung in der Schulgesetzgebung2 erfolgt3 • Art.149 Abs.1 WRV kann daher unter genetischen Gesichtspunkten bei der Konkretisierung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG herangezogen werden.
2. Die Bedeutung des Begriffs "ordentliches Lehrfach" nach den Beratungen der WeimarerNationalversammlung a) Die Rechtslage vor 1919 Die vorrepublikanische Rechtslage zum Religionsunterricht war sehr unterschiedlich. Doch kann als übereinstimmendes Merkmal festgehalten werden, daß es in keinem Gliedstaat des Deutschen Reiches eine vollkommene Überlassung des Religionsunterrichts an die Religionsgesellschaften gab4 • Auch in der Frage, ob der Besuch des staatlichen Religionsunterrichts obligatorisch sei oder nicht, war die Rechtslage in den einzelnen deutschen Staaten verschieden. Während z. B. in Baden und Württemberg kein Zwang zum Besuch des staatlichen Religionsunterrichts bestand, war in Preußen die Teilnahme am Religionsunterricht ebenso obligatorisch wie die Teilnahme am Gesamtunterricht5 • 1 Ebenso: v. D111ga!.ski, S. 61; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Arun. V 2; SchmoeckeZ, Religionsunterricht, S. 61. 2 Vgl. §§ 31-35 nordrhein-westfälisches Schulordnungsgesetz (SchOG). 3 Gleiches Ergebnis: Fischer, Trennung, S. 255. 4 Dackweiler, S. 230; DeuschZe, S. 114; Lande, S. 181 f.
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1. Teil: Versetzungserheblichkelt nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
b) Die erste Lesung im Verfassungsausschuß Weder im Preuß'schen noch im Regierungsentwurf, noch im Entwurf des Staatenausschusses der Nationalversammlung war der Religionsunterricht erwähnt6 • Die Formulierung: "Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach in den Schulen" wird erstmals vom Zentrum in die Beratungen eingebrache. Was hiermit gemeint war, ist von dem Abgeordneten Gröber in seiner Begründung dieses Antrags deutlich gesagt worden: "Wenn wir hier den Ausdruck ,ordentliches Lehrfach' gebrauchen, so ist es nicht bloß von redaktioneller Bedeutung. Wir betrachten es vielmehr als eine Notwendigkeit, den Religionsunterricht als Pflichtfach für die Schule zu bezeichnen, in dem Sinne, daß die Schule verpflichtet ist, dieses Fach lehren zu lassen, aber nicht in dem Sinne, daß die Schüler genötigt sind, den Religionsunterricht zu besuchen8 ." Im gleichen Sinn führte der Abgeordnete Mausbach aus: "Besonders wichtig ist die Kennzeichnung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehr.:. fachs in den Schulen. Sie hat den Sinn, daß dieses Fach zur wesentlichen Ordnung der Schule gehört, also ein verpflichtendes ist, abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen9." Mausbach berichtete später, der Ausdruck "Pflichtfach" sei für die Verfassung deshalb vermieden worden, weil eine Agitation gegen den Religionsunterricht als "Pflicht- und Zwangsfach" getrieben worden seP 0 • Daß "ordentliches Lehrfach" Pflichtfach hieß und nicht als Wahlfach verstanden werden sollte, wird weiter durch folgendes dokumentiert: Die Sozialdemokraten waren der grundsätzlichen Auffassung, die Erteilung des Religionsunterrichts sei den Religionsgesellschaften zu überlassen. Sie waren allerdings bereit, der Schule ein gewisses Maß des Entgegenkommens und der Rücksichtnahme auf diesen Unterricht zuzugestehen. Ihr Antrag in der ersten Lesung des Verfassungsausschusses lautete daher: "Der Religionsunterricht als ordentliches, jedoch nicht verbindliches Lehrfach wird in der Schule durch die Religionsgemeinschaften erteilt11 ." Zur Begründung führte der Abgeordnete Dr. Quarck aus: "Eine Trennung des Religionsunterrichts von der Kirche ist ganz 5 Deuschle, S. 13, 113; Dieckmann, S. 73, 79 f.; Hildebrand, S. 15 ff.; in den Ministerial-Erlassen wurde meist vom "schulplanmäßigen Religionsunterricht" gesprochen, vgl. Rechtslage, S. 16 ff. 6 Vgl. Lüdemann, S. 3 f. 7 Antrag Nr. 91, zitiert bei Lande, S. 183 mit Fn. 667. 8 Verfassungsausschuß S. 209, zitiert bei Lande, S. 185 Fn. 672, bei Lüdemann, S. 6 und bei Westhoff- Scharnagl, S. 18. 9 Verfassungsausschuß S. 226, zitiert bei Lande, S. 186 Fn. 672 und bei Westhoff- Scharnagl, S. 18. 10 Joseph Mausbach, Kulturfragen in der Deutschen Verfassung, 1920, S. 118; zitiert nach Ebers, Staat und Kirche, S. 282 Anm. 3; Ähnliches berichtet auch Westhoff- Rieder, S. 203. 11 Antrag Nr. 119, zitiert bei Lande, S. 184 mit Fn. 669.
B. Der genetisch-historische Gesichtspunkt
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undenkbar. Nur entspricht es nicht unseren Wünschen und Anschauungen, daß der Religionsunterricht in der Schule, d. h. in den Schulräumen erteilt wird. Aber wir haben leider keinerlei Aussicht, diesen Standpunkt hier durchzusetzen, und sind deshalb in diesem Nebenpunkt zu einer Einigung bereit, um die Hauptsache durchzusetzen. Deshalb wollen wir den Religionsunterricht als fakultatives Lehrfach im Lehrplan zugeben12." Zur Kennzeichnung des Religionsunterrichts als fakultativem Lehrfach war also ein ausdrücklicher Zusatz: "jedoch nicht verbindliches" (Lehrfach) für die Verfassungsbestimmung erforderlich. Die erste Lesung im Verfassungsausschuß endete mit der Annahme des Vermittlungsantrags des Abgeordneten Naumann: "Die Erteilung des Religionsunterrichts, der ordentlicher Lehrgegenstand der Schulen ist, wird im Rahmen der Schulgesetzgebung geregelt13." Die Auffassung, die diesem Vermittlungsantrag zugrundelag, wurde vom Abgeordneten Weiß dargelegt: "Wir wollen deshalb den Religionsunterricht als ordentlichen Lehrgegenstand aufgenommen wissen, das heißt als ein wesentliches Stück des Lehrplans, dessen Besuch verbindlich ist, soweit hierfür nicht besondere gesetzliche Ausnahmen bestehen14 ." Daraus geht klar hervor, daß vom Verfassungsausschuß "ordentlicher Lehrgegenstand" als Pflichtfach (abgesehen von den besonderen gesetzlichen Ausnahmen) und nicht alsWahlfachverstanden wurde. c) Die weitere Behandlung durch die Weimarer Nationalversammlung
In der zweiten Lesung des Verfassungsausschusses versuchten die Sozialdemokraten erneut, den Religionsunterricht ganz an die Religionsgesellschaften zu verweisen; doch drangen sie mit ihrem Antrag nicht durch15• Die Änderungen, die die Fassung der ersten Lesung nach der zweiten Lesung erfuhr, bezogen sich dann nur noch auf den Einfluß der Religionsgesellschaften auf die Gestaltung des Religionsunterrichts und die Stellung der Lehrer zum Religionsunterricht, nicht aber auf seine Stellung als ordentlichen Lehrgegenstand13• Der spätere Art.149 Abs. 1 Satz 1 WRV lautete nunmehr: "Der Religionsunterricht ist ordentlicher Lehrgegenstand der Schulen." An dieser Fassung wurde durch die zweite und dritte Lesung in der Nationalversammlung nur noch zweierlei geändert. Im Ersten Weimarer Schulkompromiß wun;len diesem Satz die Worte hinzugefügt: "mit 12 Verfassungsausschuß S. 223, zitiert bei Lande, S. 187 Fn. 673 und bei Westhoff- Scharnagl, S. 17 f. 13 Antrag Nr. 122, zitiert bei Lande, S. 184 mit Fn. 670. 1• Verfassungsausschuß S. 225, zitiert bei Lande, S.189 Fn. 675 und bei Westhoff- Scharnagl, S. 19. 1s Vgl. Lande, s. 193. 18 Vgl. Lande, S. 190 -193; Lüdemann, S. 15-17.
1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
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Ausnahme der bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen"17• Im Zweiten Weimarer Schulkompromiß wurde der Ausdruck "ordentlicher Lehrgegenstand" in "ordentliches Lehrfach" geändert. Diese Änderung kam auf Betreiben des Zentrums zustande, dem der Ausdruck "Lehrgegenstand" nicht stark genug war; es wurde darauf hingewiesen, daß sehr wohl etwas Lehr"gegenstand" im Rahmen eines andern Fachs sein könne, ohne damit selbständiges Lehrfach zu sein. Der Ausdruck Lehr"fach" sollte den Religionsunterricht als selbständige Disziplin kennzeichnen18 • Damit wird das für die Fassung nach der ersten Lesung im Verfassungsausschuß gegebene Ergebnis bekräftigt. d) Ergebnis "Ordentliches Lehrfach" hieß nach dem Verständnis der Weimarer Nationalversammlung: "Pflichtfach (nicht: Wahlfach) -abgesehen von den besonderen gesetzlichen Ausnahmen." 3. Die Interpretation des Art.149 Abs.l Satz 1 WRV in der Literatur zur Weimarer Reichsverfassung
Fast einhellig wird in der rechtswissenschaftliehen Literatur der Begriff "ordentliches Lehrfach" so ausgelegt, wie es dem "Willen des Verfassungsgebers" entsprach: "Wesentlicher Teil des gesamten Unterrichts; Besuch verpflichtend, soweit nicht gesetzliche Ausnahmen bestehen" 10 ; "obligatorisches Lehrfach für die Schule, im Gegensatz zu den Wahlfächern, jedoch nicht obligatorisch für die einzelnen Lehrer und Schüler"20; "Haupt- und gleichzeitig Pflichtfach, es sei denn, daß die Einschränkung des Abs. 2 des Art. 149 zutrifft" 21 ; "wesentliches Stück des Lehrplans; Besuch verbindlich, soweit hierfür nicht besondere gesetzliche Ausnahmen bestehen"::; "obligatorisches Lehrfach bis auf die in Abs. 2 statuierte Ausnahme, d. h. er (sc.: der Religionsunterricht) soll in allen anderen Beziehungen, abgesehen von der Verbindlichkeit für Lehrer und Schüler, den obligatorischen Lehrfächern gleichstehen, nicht den fakultativen" 23 ; "bis auf die in Art.149 Abs. 2 WRV statuierte Ausnahme zum obligatorischen Lehrfach erklärt und unterscheidet sich von den übrigen Pflichtfächern nur dadurch, daß eine Befreiung davon sowohl für Lehrer als auch für Schüler gesetzlich vorgesehen ist"u; "objektiv 11
Vgl. Lande, s. 193.
ts Dackwef.ler, S. 232; Lande, S. 205 f.; Lü.demann, S. 24.
Ebers, Staat und Kirche, S. 282. zo Liidemann, S. 94. zt Dackweiler, S. 233. 22 Hildebrand, S. 39. za Lande, s. 207. 24 Westhoff- Rieder, S. 203. 11
B. Der genetisch-historische Gesichtspunkt
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obligatorisch . . . grundsätzlich auch subjektiv verbindlich, bloß ausnahmsweise im Falle der Abmeldung ... nicht verbindlich" 25 • In dieselbe Richtung, wenn auch nicht so deutlich, gehen alle Kommentatoren der Reichsverfassung, z. B.: "Pflichtfach für die Schule, aber nicht für die einzelnen Lehrer und Schüler"28 ; "für den Lehrplan, nicht auch für die einzelnen Lehrer und Schüler obligatorisches Pflichtfach "27 ; "als selbständige Disziplin in den Lehrplan einzustellen; inwieweit seine Erteilung Pflicht für den Lehrer, sein Besuch Pflicht für den Schüler ist, bemißt sich nach Abs. 2" 28 •
4. Systematischer Gesichtspunkt aus der Weimarer Reichsverfassung Daß die Interpretation durch die Kommentatoren der Reichsverfassung zu undifferenziert ist, ergibt ein Vergleich mit Art.148 Abs. 3 Satz 1 WRV. Dort heißt es: "Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht sind Lehrfächer der Schulen." Hierzu wird genau wie zu Art. 149 Abs. 1 Satz 1 WRV ausgeführt, diese Lehrfächer seien "für den Lehrplan sämtlicher Schulen obligatorisch"tt. Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich aber, daß "ordentliches Lehrfach" in Art.149 Abs.1 Satz 1 WRV mehr bedeutet als die bloße Verpflichtung der Schule, Religion als Lehrfach anzubieten; denn dafür hätte genügt, es als "Lehrfach" zu bezeichnen30 • 5. Folgerungen aus Art.149 Abs.l Satz 1 WRV
für die Frage der Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts
In der Literatur zu Art.149 Abs. 1 Satz 1 WRV wird, soweit ersichtlich, nirgends auf die Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts eingegangen. Das erklärt sich daraus, daß sich diese Folge für die damalige Praxis ohne weiteres aus der Stellung als ordentlichem Lehrfach ergab. Das zeigt sich deutlich an der preußischen Schulpraxis: Auch der von den Geistlichen erteilte Religionsunterricht wurde "als integrierender Bestandteil des Schulunterrichts überhaupt" behandelt31 • Nach den Richtlinien des preußischen Unterrichtsministers gehörte Religion zu den "Kernfächern" des Unterrichts und der Erziehung in allen höheren Schulen32 • Gemäß § 1 der Versetzungsordnung vom 11.8.192733 war ein zs Giese, Religionsunterricht, S. 52. Anschütz, Art. 149 Anm. 1. Giese, Reichsverfassung, Art. 149 Anm. 1. 24 Gebha-rd, Art. 149 Anm. 2 a. u Giese, Reichsverfassung, Art. 148 Anm. 1. 30 Lande, s. 206. 31 Vorbrodt - Herrmann, Stichwort "Religiöse Erziehung" G. am Ende. 31 Vgl. Vorbrodt- Herrmann, Stichwort "Höhere Lehranstalten" A. II. 33 Zentralblatt 1927, S. 259.
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1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
Schüler zu versetzen, wenn erwartet werden konnte, daß er in der nächsten Klasse erfolgreich mitarbeitete. Bei dieser Ermessensentscheidung waren die Noten in den Kernfächern zu berücksichtigen. So war Religion für die Schüler, die am Religionsunterricht teilnahmen, auch Prüfungsfach bei der Reifeprüfung34 • II. Die Entstehung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG
Bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates tauchte in einem der ersten Anträge der Begriff "ordentliches Lehrfach" wieder auf35 : "Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach in allen Schulen." Der Wortlaut dieser Vorschrift wurde zwar in den verschiedenen Stadien der Beratungen noch einige Male geändert36, doch ist die Stellung des Religionsunterrichts als ordentlichen Lehrfachs (Abgeordneter Heuss: "traditionelles Recht der Kirchen" 37) nie grundsätzlich angegriffen worden. Die Debatten betrafen in erster Linie das Elternrecht und die Gestaltung der Schulen (Simultan-, Konfessions- oder weltliche Schulen) sowie die Frage nach dem Umfang des Einflusses der Kirchen auf den Religionsunterricht. In einem Fall wandte sich die SPD-Fraktion im Parlamentarischen Rat dagegen, den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach auch auf die Berufsschulen zu erstrecken, da dies in der Mehrzahl der Länder bereits anders geregelt sei und daher andernfalls in die Zuständigkeit der Länder eingegriffen würde38• In diesem Zusammenhang gebrauchte der Abgeordnete Dr. Süsterhenn, um die Bedenken der SPD-Fraktion zu zerstreuen, den Begriff "fakultatives Lehrfach", was sich aus der Nennung der Berufsschulen im Hinblick auf das Gesetz über die religiöse Kindererziehung ergebe39 • Über diese Bedenken wurde jedoch bei den Abstimmungen hinweggegangen40 • Die anderen Einwendungen, die von der SPD gegen den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach vorgebracht wurden, betrafen dessen Einführung in allen Schulen: Im Auftrag des Bremischen Senats wies der Abgeordnete Ehlers auf den Widerspruch zu Art. 32 Abs. l der Bremischen Verfassung hin41 • Diesen Bedenken wurde im interfraktionellen Fünferaus34 Vgl. den Ministerialerlaß, betr. die Religion als Prüfungsfach in höheren Schulen vom 12. 12. 1922 (Zentralblatt 1923, S. 9, abgedruckt bei Ebers, Staatskirchenrecht, S. 256 und in: Rechtslage, S. 66). 35 CDU-Antrag in der 24. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 23. 11. 1948, zitiert bei v. Doemming - Füsslein -Matz, S. 103 mit F'n. 7 - 9. 36 Vgl. v. Doemming- Füsslein -Matz, S. 105 Mitte und unten, 106, 109 Mitte und unten, 111. 37 v . Doemming- Füsslein- Matz, S. 103 mit Fn. 10. 38 v. Doemming - Füsslein - Matz, S. 106 mit Fn. 37. 39 v . Doemming - Füsslein- Matz, S. 106 mit Fn. 38. 40 v . Doemming - Füsslein- Matz, S. 108 mit Fn. 47. 41 v . Doemming - Füsslein - Matz, S. 107 mit Fn. 48 und 49.
C. Systematische Gesichtspunkte
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schuß durch den Einschub "mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen" Rechnung getragen42 • Hieran wurde auch in den weiteren Beratungen nichts mehr geändert (vgl. auch Art. 141 GG). Im ganzen läßt sich feststellen, daß das Normprogramm des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG (bis auf die gezeigten43 kleinen Abweichungen) beinahe identisch aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen worden ist. Auch die im Parlamentarischen Rat überstimmte Fraktion hat sich im Gegensatz zum Verlauf der Beratungen in der Weimarer Nationalversammlung - nicht grundsätzlich gegen die Stellung des Religionsunterrichts als eines ordentlichen Lehrfachs gewandt.
C. Systematische Gesichtspunkte I . Die Einordnung der Normierung des Religionsunterrichts in Art. 7 und in den Grundreclltsteil
Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG ist nach herrschender Meinung eine institutionelle Garantie44 • Die Auffassung, Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG habe die Bedeutung eines subjektiven Rechts, ist nur vereinzelt vertreten worden45. Es ist aber fraglich, ob hier ein Entweder-Oder angebracht ist. Die Meinungsverschiedenheit wird durch eine Sicht überbrückt, die den Doppelcharakter der Grundrechte betont: einerseits als subjektive Rechte, andererseits als Grundelemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens46. Die Differenz wirkt sich nicht auf die Konkretisierung des Begriffs "ordentliches Lehrfach" aus, sondern allenfalls auf die Frage, ob/von wem/ in welchem Verfahren die Erteilung des Religionsunterrichts verlangt werden kann. Die Frage der Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts wird davon nicht berührt. Die Stellung des Art. 7, der das Schulwesen regeW7 , unter den Grundrechten erklärt sich in erster Linie entstehungsgeschichtlich. Nach dem ursprünglichen CDU-Antrag im Parlamentarischen Rat sollten das v. Doemming - Filsslein- Matz, S. 109 mit Fn. 66. Vgl. oben Teil! B. I. 1. 44 Umfassende Nachweise bei Schmoeckel, Religionsunterricht, S. 36 Fn. 12; außerdem noch: Deuschle, S. 122; v. Drygalski, S. 57; Hesse, Staatskirchenrecht, S. 64; Fischer, Trennung, S. 266 ; Geiger, Schule, S. 85; Keim, 42
43
S.146.
45 Heckel, H., S. 206 f.; Maunz, in: Maunz- Dilrig- Herzog, Art. 7 Rdnr. 47; vgl. auch BGH in VerwRspr. Bd. 13, S. 441. 48 Vgl. z. B. Hesse, Grundzüge, S. 116 f.; ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem "Lüth-Urteil", BVerfGE 7, 198, 205; vgl. zuletzt das "Hochschul-Urteil" vom 29. 5. 1973, BVerfGE 35, 79, 114. 47 Grundsätzlich zu Art. 7 Abs. 1 GG vgl. jetzt BVerfGE 34, 165, 181 ff.
SO
1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
Elternrecht und die Erziehung (inklusive Religionsunterricht) gemeinsam in einem Artikel geregelt werden48 • Die Mehrheit des Parlamentarischen Rates lehnte es jedoch ab, die Schule primär unter dem Gesichtspunkt des Elternrechts zu sehen. Sie spaltete daher die Materie in zwei Artikel (Art. 6 und Art. 7 GG) auf48 • Hieraus und aus der Einbettung der Regelung des Religionsunterrichts in einen Artikel, der in seinem ersten Satz bestimmt: "Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates", sowie weiter daraus, daß in Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG hinsichtlich des Einflusses der Religionsgemeinschaften auf den Religionsunterricht noch einmal das staatliche Aufsichtsrecht betont wird ("Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes .. ."),ergibt sich, daß der Religionsunterricht integrierender Teil der staatlichen Schule sein soll und daher zu den staatlichen Aufgaben gehört. Das ist auch herrschende Meinung5°. Damit ist der Argumentation des OVG Münster51 der Boden entzogen. Wenn es dort heißt: "Nach der Trennung von Staat und Kirche ist die religiöse Erziehung nicht mehr eigenständige staatliche Aufgabe", so widerspricht das der Normierung des Art. 7 Abs. 3 GG. Die Berufung des OVG Münster auf M. HeckeP2 geht fehl. Hecke! führt dort aus: "Es ist eben das Seltsame, daß der Staat hier eine Funktion ausübt und regelt, deren (religiösen) Inhalt er nicht mehr bestimmen und nicht mehr zu verantworten hat nach der Abschichtung von Kirche und Staat." Auch Hecke! sagt also, der Religionsunterricht sei eine "Funktion" des Staats. Die eigene und eigentliche schulische Erziehungsaufgabe des Staates liegt eben nicht nur, wie das OVG Münster behauptet, im religionsfreien Bereich. Durch Art. 7 Abs. 3 GG hat der Staat den Religionsunterricht in seine Erziehungsaufgabe einbezogen. II. Der Religionsunterridlt vor dem Hintergrund des staatskirdlenrechtliclten "Systems" des Grundgesetzes
Es soll hier noch nicht auf das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes eingegangen werden53• Im Hinblick auf die Versuche, v . Doemming - Füsslein- Matz, S. 103 mit Fn. 7 - 9. v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. li 2; Peters, Elternrecht, S. 402. 50 v. Campenhausen, Erziehungsauftrag, S. 144; ders., Religionsunterricht I, S. 37; ders., Religionsunterricht li, S. 115; Deuschle, S. 131; v. Drygalski, S. 61; Fischer, Trennung, S. 257; Friesenhahn, S. 78; Geiger, Schule, S. 83, 85; Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 418; Hofmann, Kindererziehung, S. 62; Keim, S.146 und 153; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. V 2; Schmoeckel, Religionsunterricht, S. 56; ders., Grundgesetz, S. 296; Schorn, Sp. 842; Weber, H., Religionsgemeinschaften, S.129; Weber, W., Religionsunterricht, Sp. 1036. 48
48
Urteil vom 15. Juni 1971 (vgl. oben im Fallbericht). Diskussionsbeitrag in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Band 5, Münster 1971, S. 115. 53 Dazu im einzelnen unten Teil 3 A., insbes. II. 1. 51
51
C. Systematische Gesichtspunkte
31
unter Berufung auf ein angebliches System die Interpretation des Art. 7 Abs. 3 GG kurzzuschließen, muß aber an dieser Stelle schon gesagt werden, daß bei einer solchen Deutung nie die "Einheit der Verfassung" aus dem Auge verloren werden darf. Durch das Grundgesetz ist einerseits die Staatskirche verboten (Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 1 WRV) und die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit gewährleistet (Art. 4 Abs.1 GG); andererseits hat das Grundgesetz auf verschiedenen Gebieten eine Verschränkung von Staat und Kirche normiert. Eine Argumentation jeweils nur von einem Teilbereich her ist unzulässig. Als eine solche Argumentation erscheint es zum Beispiel, wenn E. Fischer schreibt: "Die Systemwidrigkeit des Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen ist evident und ergibt sich zwangsläufig aus dem durch das Grundgesetz geordneten Verhältnis von Staat und Kirche. Aber auch aus den Verfassungsbestimmungen über den Religionsunterricht selbst ergibt sich sein Ausnahmecharakter ... ergibt sich, daß der Religionsunterricht nicht nur systemwidrig ist; er ist auch ein Fremdkörper im Lehrplan der Schule54 ." Hat man erst einmal den Ausnahmecharakter einer Norm festgestellt55, ist man gewöhnlich schnell mit dem abstrakten Satz bei der Hand: "Ausnahmevorschriften sind eng auszulegen58." Demgegenüber ist Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG als "normal gültige" verfassungsrechtliche Regelung eines Teilbereiches des Verhälnisses von Staat und Kirche ernst zu nehmen. Methodisch fragwürdig ist aber auch eine Auffassung, die behauptet, "daß die WRV eng auszulegen ist, wenn es um die der Kirche zugestandenen Rechte geht57, das GG weit" 58. Begründet wird dies folgendermaßen: "Das GG aber will trotz der Aufrechterhaltung der Trennung den Einfluß der Kirchen stärken; es will ihnen helfen vom Tiefpunkt im Dritten Reich wieder zu voller Entfaltung zu gelangen, genauso wie auch die Kirchen mit als die ersten Organisationen im neuen Staat geholfen haben, die Bundesrepublik entstehen zu lassen59." Derartige Behauptungen entbehren der normativen Begründung. 111. Sinn und Zweck der Einfügung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG
Es ist die Auffassung vertreten worden, der Religionsunterricht werde deshalb als staatliche Angelegenheit angesehen, weil die Pflege Fischer, Trennung, S. 260. 55 Mit "Grundsatz und Ausnahme" argumentiert auch v. Drygalski, vgl. S. 60 zu Fn. 21, S. 64 u. ö. sowie v. Zezschwitz, Erziehung, S. 13 f. se Hiergegen: Müller, Methodik, S. 150 f. 57 Die Beliebigkeit einer solchen Aussage wird daran deutlich, daß Giese, Religionsunterricht, S. 63, behauptet, daß "der die Religionsschule statuierende Satz 1 des Art. 149 I eine weite Auslegung verträgt, ja erfordert". 58 Deuschle, S. 116. 5' Deuschle, S. 116. 54
82
1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
der Religion auch von seiten des Staates als ein erzieherisch wichtiger Faktor bewertet werde60• Ähnlich wird unter Bezug auf Vorschriften der Landesverfassungen, die die Ehrfurcht vor Gott, die Achtung vor der religiösen Überzeugung anderer, Selbstbeherrschung und Verantwortungsbewußtsein, Hilfsbereitschaft und sozialen Sinn, Duldsamkeit, Wahrhaftigkeit, Nächstenliebe und verwandte Eigenschaften als oberste Erziehungsziele für alle Schulen verbindlich festlegen61 , darauf aufmerksam gemacht, daß "die Verfassungen der von der religiösen Überzeugung bestimmten sittlichen Erziehung um der Zukunft des Gemeinwesens willen" große Bedeutung zuerkennten62 • Oder mit anderen Worten: "Der Religionsunterricht verhilft der Schule dazu, ihre Aufgabe voll zu erfüllen ... Der Religionsunterricht ist eine Aufgabe der Schule als solcher63." Von hier aus ließe sich dann folgendermaßen argumentieren: Wenn die Pflege der Religion als erzieherisch wichtiger Faktor bewertet wird, muß sie in vollem Umfang an schulischen Erziehungspraktiken und -mechanismen teilnehmen; und ein wesentlicher Teil dieser Erziehungspraktiken ist die Versetzung oder Nichtversetzung. Diese Argumentation kommt von einem unrichtigen Ausgangspunkt her. Die Erteilung des Religionsunterrichts in der staatlichen Schule ist keine "Zwangsläufigkeit, die sich aus dem Wesen der Schule ergibt" 6\ sondern ein Dienst des Staates an der Kirche, ein Vorrecht der Kirche. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte; denn die Garantie des Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen durch die Verfassung ist geschichtlich die Reaktion auf die laizistischen Strömungen um die Jahrhundertwende, die auf Entkonfessionalisierung des Schulwesens und auf Abschaffung des Religionsunterrichts abzielten65 • Dasselbe ergibt sich auch aus dem Grundgesetz: Wäre der Religionsunterricht eine 80
Haugg, Religionsunterricht, S. 199.
Vgl. Landesverfassungen von Baden-Württemberg Art. 21; Bayern Art. 131; Bremen Art. 26; Hessen Art. 55 und 56; Nordrhein-Westfalen Art. 7; Rheinland-Pfalz Art. 33; Saarland Art. 30. 62 v. Campenhausen, Erziehungsauftrag, S. 146. 63 v. Campenhausen, Religionsunterricht Il, S. 115 und 123. 64 So aber v. Campenhausen, Erziehungsauftrag, S. 147. 65 Weber, W., Religionsunterricht, Sp. 1034. -Diese laizistische Strömung hatte kurz nach der Revolution einen Höhepunkt in der Amtsführung des preußischen Kultusministers Adolph Hoffmann, der am 29. 11. 1918 in dem sog. Schulerlaß (Zentralblatt 1918, S. 917; abgedruckt in: Giese, Quellen, S. 237 und in: Rechtslage, S. 33) u.a. verordnete: "... 2. Eine Verpflichtung der Schüler seitens der Schule zum Besuch von Gottesdiensten oder andern religiösen Veranstaltungen ist unzulässig ... 3. Religionslehre ist kein Prüfungsfach . .. 5. Kein Schüler ist zum Besuch des Religionsunterrichts gezwungen ..." Auf Grund massiver Proteste wurde die Durchführung dieses Erlasses jedoch schon durch Erlaß vom 8. 1. 1919 (abgedruckt in: Rechtslage, S. 36) suspendiert und durch Erlaß vom 1. 4. 1919 (Zentralblatt 1919, S. 427; abgedruckt in: Rechtslage, S. 44) endgültig aufgehoben. Vgl. zum ganzen Motschmann, S. 30, 48 f., 52. 61
C. Systematische Gesichtspunkte
88
sich aus dem "Wesen" der Schule ergebende Zwangsläufigkeit, so könnte er nicht in den bekenntnisfreien Schulen ausgespart bleiben. Auch könnte dann die Teilnahme an ihm nicht einer Entscheidung der Schüler bzw. Eltern überlassen bleiben66 • Der Hinweis auf die landesverfassungsrechtlichen Erziehungsziele ändert an diesem Befund nichts; denn erstens sind die Landesverfassungen nachrangiges Recht (Art. 31 GG) und zweitens sagen diese Vorschriften nicht, zur Erreichung dieser Erziehungsziele sei Religionsunterricht erforderlich. Die Feststellung, daß die Erteilung des Religionsunterrichts an der staatlichen Schule ein Vorrecht der Kirche ist, darf nicht mißverstanden werden. Diese Feststellung hat einmal die Genese der hier behandelten Verfassungsvorschriften und zum andern die durch die bisherige Praxis mitkonstituierte Rechtslage im Auge. Das schließt aber nicht aus, daß der Religionsunterricht in Zukunft einzig und allein von der Schule her konzipiert wird, daß auch die Kirchen eine nur pädagogische (und nicht katechetische, kerygmatische usw.) Legitimation des Religionsunterrichts anerkennen. Diese Fragen werden gegenwärtig diskutiert87 • Aber selbst wenn sich derartige Tendenzen der Religionspädagogik gegenüber den beharrenden Kräften durchsetzen sollten, wäre die Mitbestimmung der Religionsgemeinschaften z. B. bei der Erstellung der Lehrpläne zwar durchaus gerechtfertigt (besonders auch unter dem Gesichtspunkt moderner Curriculum-Theorie, die u. a. eine stärkere gesellschaftliche Legitimation der Lehrpläne fordert), aber insofern, als eine verfassungsrechtliche Absicherung derartiger Mitwirkungsbefugnisse lediglich für die Religionsgemeinschaften besteht, immer noch ein "Vorrecht"; im übrigen bewirkt auch eine schulische Legitimation noch keine schulische "Zwangsläufigkeit". IV. Der Zusammenhang von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG mit Satz 2
1. Die überwiegend vertretene Meinung Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG lautet: "Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt." Das ist nach der überwiegend vertretenen Meinung wie folgt zu verstehen: Der Religionsunterricht sei "in konfessioneller Positivität und Gebundenheit" 68 zu erteilen. Er sei nicht simultane, überkonfessionelle, vergleichende Betrachtung der christlichen oder sonstiger religiöser Lehren. Er sei nicht Morallehre, Sittenunterricht, Religionskunde, Religions- oder 86 87 88
Darauf weist auch Weber, H ., Schule, S. 503 hin. Dazu näher unten Teil 1 E. III. Anschiitz, Art. 149 Anm. 4.
3 MüllertPieroth
34
1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
Bibelgeschichte. Er sei vielmehr bekenntnisgebundener, dogmatischer Unterricht; sein Gegenstand sei der Bekenntnisinhalt, seien die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaften. Aufgabe des Religionsunterrichts sei es, diese Glaubenssätze als bestehende Wahrheiten zu vermitteln, sie dürften nicht lediglich berichtend zur Diskussion gestellt werden, sondern seien mit absolutem Geltungsanspruch vorzutragen88•
2. Kritik Diese Ansicht begeht den Fehler, eine bestimmte Auffassung der Kirchen über Inhalt und Ziel des Religionsunterrichts zur verfassungsrechtlich geltenden zu erheben70 • Eine bestimmte zeit- und entwicklungsgeschichtliche Auffassung auf seiten der Religionsgemeinschaften kann nicht die Bedeutung des Begriffs "Religionsunterricht" von Verfassungs wegen festlegen. Das ergibt sich allgemein schon aus verfassungstheoretischen und methodischen Gründen: Verfassungsrecht hat im Hinblick auf die Bewältigung der Vielfalt sich wandelnder Problemlagen "in die Zeit hinein offen" zu bleiben71 ; juristischer Methodik entspricht es nicht, die Interpretation als Rekonstruktion eines vom Normgeber Gewollten im Sinn der Ermittlung seines "Willens" bzw. des "Willens" der Rechtsnorm zu verstehen72 • Daß der Parlamentarische Rat von einem Religionsunterricht wie oben beschrieben "ausging", reicht nicht aus, die Konkretisierung dieses Begriffs auch heute in diesem Sinn festgelegt zu sehen. Die Norm ist nicht mit dem Normtext identisch. Veränderungen der vom Normtext "angesprochenen" sozialen Wirklichkeit sind in den Vorgang der Konkretisierung einzubeziehen; veränderte Auffassungen und veränderte Praxis hinsichtlich Durchführung, Gestaltung und Inhalt des Religionsunterrichts können vom Interpreten nicht übergangen werden. Hier kommt im übrigen noch ein spezieller Grund hinzu, der eine inhaltliche Festlegung des Begriffs "Religionsunterricht" im Sinn der referierten überwiegenden Meinung in der juristischen Literatur verbietet: Der Religionsunterricht ist gemäß Art. 7 ,Abs. 3 Satz 2 GG "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften" zu erteilen. Da diese Grundsätze von den 89 Brinkmeier, S. 45; v. Campenhausen, Religionsunterricht II, S. 114; Deuschle, S.117 f., 120, 124, 131, 140; Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 417; Hofmann, Kindererziehung, S. 62; Keim, S.145; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. IV 3; Maunz, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 7 Rdnr. 29; Peters, Elternrecht, S. 417; Schmoeckel, Religionsunterricht, S.130 -135; ders., Grundgesetz, S. 297; Schom, Sp. 842; Westhoff, Sp. 1199; grundsätzlich so schon zu Art. 149 WRV: Lande, S. 200 f.
70 Grundsätzlich zur Frage, inwieweit das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgesellschaften für die Auslegung der Verfassung relevant ist: Schlaich, S. 202 ff.; speziell zu Art. 7 Abs. 3 GG: S. 207 Fn. 325. 71 Hesse, Grundzüge, S. 12, im Anschluß an Bäumlin. 12 Müller, Methodik, S. 116.
C. Systematische Gesichtspunkte
35
Religionsgemeinschaften eigenverantwortlich erarbeitet werden, ist der Staat insoweit an sie gebunden: Was danach für den Inhalt und die Methode des Religionsunterrichts maßgeblich ist, hat der Staat zu akzeptieren73 • Oder im Sinn der Curriculum-Theorie: Der Staat darf über Inhalte und Aufgaben des Religionsunterrichts nicht ohne Berücksichtigung und Beteiligung der Religionsgemeinschaften bestimmen74 • Die Grundsätze der Religionsgemeinschaften sind aber weder generell noch in Anwendung auf den Religionsunterricht unwandelbar: "Die Bekenntnisse der Kirche, an die die Juristen denken, sind ebenso einer Interpretation und Veränderung bedürftig wie alles geschichtlich Vorgegebene75." Der Begriff "Religionsunterricht" ist demnach für Veränderung "offen". Auch ein Religionsunterricht, der nicht mehr "Glaubenssätze als bestehende Wahrheiten" vermittelt, ist Religionsunterricht im Sinn des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG78 • Ob dies auch für einen bikonfessionellen oder überkonfessionellen Unterricht gilt77 , kann hier offenbleiben. Inwieweit tatsächlich in religionspädagogischer Wissenschaft und Praxis eine solche Wandlung, was den Inhalt und die Methode des Religionsunterrichts angeht, erfolgt ist, soll hier noch nicht untersucht werden78 • Denn zwar wird darauf aufmerksam gemacht, daß verfassungspolitisch der Neuinterpretation des Religionsunterrichts der Vorzug zu geben sei, da es den Religionsunterricht als ordentliches Fach im staatlichen Schulsystem "kompromittieren" müsse, wenn er verstanden werde als Glaubensvermittlung und als Verkündigung78 ; konkrete FolGeiger, Schule, S. 84. n Kaufmann, Lehrplan, S. 108. 75 Stock, Thesen, S. 76. 7~ Anders insbesondere Fischer, Trennung, S. 213, der die (sich in den höheren Gymnasialklassen abzeichnende) Tendenz, daß der Religionsunterricht .,im Begriffe ist, sich zu einem wissenschaftlichen Fach zu entwickeln" als .,Dilemma" bezeichnet, das .,nicht de constitutione lata, sondern nur de constitutione ferenda zu lösen" sei; dieser Schluß beruht auf der Ansicht Fischers, daß .,wissenschaftlicher Unterricht" und .,Unterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften" unvereinbare Gegensätze seien; nur so ist auch seine Feststellung zu verstehen, daß in Anbetracht der erwähnten Tendenz "der Religionsunterricht dem Einflußbereich der Religionsgesellschaften zu entgleiten droht". Demgegenüber kann darauf hingewiesen werden, daß die Tendenz - wie oben belegt - aus dem kirchlichen Raum selbst kommt. - Anders als hier auch Deuschle, S. 122: .,Die Frage, welches Verständnis des Religionsunterrichts de lege lata gilt, ... ist völlig unabhängig von den religionspädagogischen Gesichtspunkten und Theorien." Dagegen Stock, Thesen, S. 75: "Bärendienst an der Kirche ... archaisch ..." - Für eine Neuinterpretation des Art. 7 Abs. 3 GG weiter z. B. Gloy, S. 194; Kaufmann, Ende, S. 191. 77 Otto, Ende, S. 104, meint, dies ließe sich durchaus mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbaren, er "vermag aber nur den Juristen Fragen zu stellen"; andernfalls plädiert er für eine Verfassungsänderung. Dafür auch Cremer, S. 238 und Stock, Thesen, S. 78. 78 Vgl. dazu unten Teil1 E. III. und IV. 71 So Geiger, Schule, S. 84. 73
1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
36
gerungen für die Konkretisierung des Begriffs "ordentliches Lehrfach" und insbesondere für die Frage der Versetzungserheblichkeit werden aber im allgemeinen aus der inhaltlichen Neubestimmung des Religionsunterrichts nicht gezogen80. Dies gilt allerdings nicht für v. Drygalski, dessen Ausführungen hier erörtert werden sollen.
3. Konsequenzen für die Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts aus der Auffassung v. Drygalskis v. Drygalski geht von einem wie folgt definierten Trennungsprinzip aus: "Im Interesse der Wesenserhaltung von demokratischem Staat und christlichen Kirchen ergibt sich also aus der kontradiktorischen Verschiedenheit der elementaren Kategorien ihrer Lebensbereiche das Gebot einer Trennung ihrer Gewalt repräsentierenden Organe an sich selbstverständlich und zwingend81 ." Aus diesem Trennungsprinzip ergibt sich die Alleinkompetenz des Staates für den Religionsunterricht82 und das Verbot, den Religionsunterricht als Verkündigung zu betreiben: "Ein demokratischer Staat (darf) auch und gerade von seinen heranwachsenden Bürgern ein sacrificium intellectus nicht fordern83." Der Staat ist daher zur "Unterrichtskonzeption" verpflichtet: Religionsunterricht "ist weder Gottesdienst noch lediglich Vermittlung reinen Wissens ... Er ist nicht als kirchliche Unterweisung richtig oder gut ... Er ist nicht Unterweisung im Glauben, sondern Unterricht über ein spezifisches Bekenntnis und dessen Glaubenslehren" 84 . Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG hat dann nur den Sinn, dem Staat die Übereinstimmung des Unterrichts mit dem Dogma zur Pflicht zu machen; die Kirchen haben daher "nur die Möglichkeit zur mittelbaren Einwirkung auf den Inhalt des Religionsunterrichts"85. Nur in dieser Form und mit diesem Inhalt ist Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in der Verfassung gewährleistet. Unter diesen Voraussetzungen sind "die Leistungen der Schüler ... nach den üblichen Notenstufen zu bewerten und bei Zeugniserteilung, Versetzung und Prüfung zu berücksichtigen"s6 • Anders jedoch für ein System der kirchlichen oder religionsgemeinschaftliehen Unterweisung in öffentlichen Schulen, das verfassungsrechtlich zulässig sei87 • Ein solches System findet sich z. B. in Baden-Württemberg auf Grund des 80 Wohl wird hieraus von Religionspädagogen die verfassungspolitische Forderung abgeleitet, dann müsse auch die Abmeldebefugnis nach Art. 7 Abs. 2 GG fallen; vgl. z. B. Halbfas, S. 180; Stock, Thesen, S. 78. 81 v. Drygalski, S. 41. v. Drygalski, S. 95. v. Drygalski, S. 69. s4 v. Drygalski, S. 70 und 72. 85 v. Drygalski, S. 72. se v. Drygalski, S. 61. 87 Vgl. v. Drygalski, S. 98 ff. 82
83
C. Systematische Gesichtspunkte
37
Art.18 der Verfassung88 ; es wird aber auch für zulässig gehalten, "den Staat entsprechend erklärtem Verzicht einer Religionsgemeinschaft aus seiner Pflicht nach Art. 7 GG zu entlassen" 88 • In einem solchen Fall wäre Religionsunterricht kirchliche Unterweisung durch Verkündigung "mit Gebet, Lied und Andacht"; Zensurengebung und damit auch eine Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts ist hier nicht möglich90 •
4. Kritik der Auffassung v. Drygalskis Zunächst erweckt, worauf schon in anderem Zusammenhang hingewiesen wurde9 t, das methodische Vorgehen Zweifel. v. Drygalski kristallisiert aus dem Grundgesetz ein "Trennungsprinzip" als obersten Leitsatz heraus, mit dessen Hilfe andere grundgesetzliche Normierungen, besonders Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG, zu "Ausnahmen" werden92 • Das führt zu einem Ergebnis, das normwidrig ist: Religionsunterricht nach der "Unterrichtskonzeption" und nach der "Verkündigungskonzeption" werden nach Inhalt, Durchführung und pädagogischen Auswirkungen geschieden; das, was nach des Verfassers Ausführungen den Charakter eines ordentlichen Lehrfachs ausmacht, soll nur für den Religionsunterricht nach der "Unterrichtskonzeption" gelten. Jedoch: auch die "Verkündigungskonzeption" ändert nichts daran, daß es sich um Religionsunterricht handelt, und der ist nach dem Wortlaut der Verfassung "ordentliches Lehrfach". Ein weiterer Einwand gegen die Argumentation v. Drygalskis ist folgender: Wenn nur der Religionsunterricht nach der "Unterrichtskonzeption" verfassungsmäßig wäre, also die "objektive" Darstellung des Dogmas, dann wäre das in Art. 7 Abs. 2 und 7 Abs. 3 Satz 3 GG garantierte Recht der Eltern bzw. Lehrer über Teilnahme oder Nichtteilnahme bzw. Erteilung oder Nichterteilung ohne Sinn. Objektive Unterrichtung kann niemandes Glauben oder Gewissen beeinträchtigen. 5. Ergebnis
Aus dem systematischen Zusammenhang von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG mit Satz 2 ergibt sich weder, daß Religionsunterricht im verfassungsrechtlichen Sinn nur die Verkündigung von Glaubenssätzen (so die überwiegend vertretene Meinung) ist; noch, daß nur die objektive Darstellung des Dogmas (so v. Drygalski) "Religionsunterricht" im Sinn des Art. 7 Abs. 3 GG ist. Vielmehr kann beides oder auch anderes, das vom Staat in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemein'" 88 89 90 91 92
Dazu näher Rumpf, S. 166 f. v. Drygalski, S. 102. Vgl. v. Drygalski, S. 103. Vgl. oben Teil1 C. li., sowie unten Teil 3 A. II. 1. Vgl. v . Drygalski, S. 60, 64, 68 u. ö.
88
1. Teil:
Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
schaften als Religionsunterricht erteilt wird, "Religionsunterricht" im Sinn des Art. 7 Abs. 3 GG sein. V. Der Zusammenbang von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 mit Art. 7 Abs. 2 GG
1. GrundsätzlicheszuArt. 7 Abs.2GG Art. 7 Abs. 2 GG lautet: "Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen." Art. 7 Abs. 2 GG ist unbestritten eine Konsequenz aus der Bekenntnisfreiheit93, Das war schon für das Verhältnis von Art. 149 Abs. 2 zu Art.135/136 WRV anerkannt94 • Es ist weiterhin herrschende Meinung, daß gemäß § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung ab dem 14. Lebensjahr das Kind allein über seine Teilnahme am Religionsunterricht entscheidet95 • Auf weitere Streitfragen im Zusammenhang mit diesem Gesetz, wie z. B. ob es als Bundes- oder Landesrecht fortgilt und ob ihm widersprechende landesverfassungsrechtliche Regelungen gültig sind, braucht hier nicht näher eingegangen zu werden98 •
2. Religionsunterricht als "Wahlfach" Für die Frage der Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts ist in erster Linie auf die Auffassung einzugehen, die aus Art. 7 Abs. 2 GG den Schluß zieht, der Normtext "ordentliches Lehrfach" umfasse auch den Begriff "Wahlfach". Diese Ansicht ist besonders von v. Mangoldt Klein vertreten worden: "Pflichtfach für den Lehrplan der Schule, dagegen persönliches Wahlfach für den einzelnen Schüler und Lehrer97." Dem hat sich eine Reihe von Autoren angeschlossen98 • In eine analoge Richtung geht die Auffassung, die Teilnahme am Religionsunterricht erfordere eine Anmeldung99 , 93 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 110; Deuschle, S. 162; v. Drygalski, S. 75; Friesenhahn, S. 84; Keim, S. 146; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. IV 1; Maunz, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 7 Rdnr. 29; Peters, Elternrecht, S. 425; Schmoeckel, Religionsunterricht, S.101; Schorn, Sp. 844; Wernicke, Anm. li 2 a; ebenso: EKD-Stellungnahme, S. 123 (III.6.) und S. 126 (VI.l.). 94 Anschütz, Art. 149 Anm. 2; Giese, Religionsunterricht, S. 62; Lande, S. 208 f.; Westhoff- Rieder, S. 223. 95 Deuschle, S. 171; v. Drygalski, S. 82; Friesenhahn, S. 85 f.; Haugg, Reli.,. gionsunterricht, S. 301; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. IV 4; Maunz, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 7 Rdnr. 32; Peters, Elternrecht, S. 426; SchmoekA.A.: Brinkmeier, S.100; Feuchte, kel, Religionsunterricht, S. 166 f. S. 661 ff.; Hofmann, Kindererziehung, S. 65. 98 Vgl. im einzelnen Summerer. 97 v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. IV 2. 98 Fischer, TrennungS. 260; ders., Religionsunterricht, S. 421; Friesenhahn, S. 84; Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 48; Wernicke, Anm. li 3 a; Zinn- Stein,
Art. 57 Anm. 2.
ea v. Drygalski, S. 75; Wernicke, Anm. II 2 d.
C. Systematische Gesichtspunkte
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3. Kritik Diese Auffassung widerspricht der unter historisch-genetischen Gesichtspunkten gewonnenen Konkretisierung des Begriffs "ordentliches Lehrfach" als "Pflichtfach (nicht Wahlfach)- abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen". Wie gezeigt wurde100, sollte nach der Weimarer Verfassung der Religionsunterricht Pflichtfach und nicht Wahlfach sein; daran hat sich auch durch das Grundgesetz nichts geändert101 • Die Wendung, Religionsunterricht sei "Pflichtfach für die Schule", mit welcher der Normierung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG Genüge getan werden soll, ist irreführend. Denn die Option gegen Religionsunterricht als Wahlfach war nicht im Hinblick auf die Schulen, sondern auf die Schüler getroffen worden. An eine "Abwahl" des Religionsunterrichts durch die Schule war nicht gedacht, wie es überhaupt kein "Wahlfach für die Schulen" gibt. Zwar haben die Schulen schon seit längerem die Möglichkeit, aus eigenem Antrieb "freiwillige Unterrichtsveranstaltungen" anzubieten; und im Rahmen der Reform der gymnasialen Oberstufe ist ein Wahlbereich dazu ausersehen, "neue Fächer, vor allem des technischen und des wirtschaftlichen Bereichs, in das gymnasiale Curriculum einzuführen und so in pragmatischer Weise die Kooperation von allgemeinen und berufsbezogenen Bildungsgängen einzuleiten und eine mögliche spätere Integration zu erproben" 10t. Doch ist auch in diesem Zusammenhang nie von "Wahlfächern für die Schule" die Rede: Es besteht kein irgendwie fixiertes Angebot, aus dem die Schule zu "wählen" hätte. Die kritisierte Auffassung beruht demnach auf einer Begriffsspielerei. Anders ausgedrückt, wird diese Auffassung der Konkretisierung der Verfassung im Sinn einer "praktischen Konkordanz" 103 nicht gerecht. Danach müssen verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt. Die kritisierte Auffassung läuft aber darauf hinaus, über den Art. 7 Abs. 2 den Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG seiner Bedeutung (Pflichtfach auch für die Schüler - abgesehen von der Möglichkeit des Art. 7 Abs. 2 GG) zu berauben. Der entscheidende systematische Gesichtspunkt ist darüber hinaus folgender: Die Existenz des Art. 7 Abs. 2 GG selbst beweist, daß "ordentliches Lehrfach" Pflichtfach heißt. Der moderne Staat, der den Religionsgemeinschaften ein solches Vorrecht einräumt, gleichzeitig aber Grundrechten verpflichtet ist, muß im Rahmen des staatlichen ReligionsVgl. oben Teill B. I. 2. Vgl. oben Teill B. II. und C. I.- IV. 102 Ziffer 2.3 des Einführenden Berichts der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz vom 7. 7.1972 (vgl. Fn.l36); näher dazu vgl. unten Teil2 1oo tol
A.III. 103
Vgl. dazu Hesse, Grundzüge, S. 28 f. u. ö . .
40
1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
unterrichts die Möglichkeit der Nichtteilnahme als Konsequenz aus der Glaubens- und Gewissensfreiheit vorsehen. Wäre dieses Vorrecht nicht eingeräumt worden und wäre der Religionsunterricht dementsprechend nicht Pflichtfach, dann wäre die Norm des Art. 7 Abs. 2 nicht erforderlich; für ein Wahlfach brauchte nicht eigens normiert zu werden, daß man es abwählen kann. 4. Ergebnis
Aus Art. 7 Abs. 2 GG darf nicht gefolgert werden, der Wortlaut "ordentliches Lehrfach" decke auch den Begriff "Wahlfach" 104 • Weiter folgt aus dieser Zusammenschau von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 und Art. 7 Abs. 2 GG, daß für die Nichtteilnahme eine Abmeldung erforderlich ist105• Dieses Ergebnis steht auch stellvertretend für den systematischen Zusammenhang zwischen Art. 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 GG, da Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG eine dem Art. 7 Abs. 2 analoge Bestimmung für die Lehrer enthält. D. Dogmatische Elemente I. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG in Rechtsprechung und Literatur
Zur Frage der Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts sind bisher106 - soweit ersichtlich - keine Gerichtsentscheidungen ergangen. Aus der Kommentar-, Aufsatz- und monographischen Literatur lassen sich zu dieser Frage keine einheitlichen Aussagen herleiten: Teils wird verneint, daß der Religionsunterricht bei Versetzungen zu berücksichtigen sei107 , teils wird es bejaht108, teils wird folgendermaßen differen10' So auch deutlich: Deuschle, S. 131; Geiger, Schule, S. 82; Mikat, S. 335; Peters, Elternrecht, S. 414; Schmoeckel, Religionsunterricht, S. 101; ders., Grundgesetz, S. 297; Westhoff, Sp. 1200. 105 H. M.: Brinkmeier, S. 99; Deuschle, S. 163 f; Dürig, Rechtsstellung, S. 55; Friesenhahn, S. 84; Hamel, S. 63; Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 561 f.; Keim, S. 147; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. IV 4; Maunz, in: Maunz- DürigHerzog, Art. 7 Rdnr. 32; Peters, Elternrecht, S. 415; Schmoeckel, Religionsunterricht, S. 102 f.; ders., Grundgesetz, S. 297; Schorn, Sp. 844; Westhof!,
Sp.l200; zu den beiden Gegenstimmen vgl. oben zu Fn. 99. In der Weimarer Zeit war diese Frage umstritten, jedoch stand die Rechtsprechung einhellig auf dem Standpunkt, daß eine Abmeldung erforderlich sei, Nachweise hierzu bei Giese, Religionsunterricht, S. 51 f. Fn. 304. Nach der EKD-Stellungnahme, S. 127 (VI. 4.) bedarf die Abmeldung keiner Begründung; "von einer Erschwerung des Verfahrens über die schriftliche Abmeldung hinaus wird abgeraten". 106 Vgl. jetzt aber die unten wiedergegebene Entscheidung des BVerwG, auch in: NJW 1973, S. 1815 und in: DVBl. 1973, S. 809. 107 Fischer, Trennung, S. 266; ders., Religionsunterricht, S. 422: "Die Leistungen im Religionsunterricht bei der Versetzung zu berücksichtigen, ist daher abwegig"; Kern, S. 134. 108 v. Drygalski, S. 61 jedoch nur für den Religionsunterricht nach der "Unterrichtskonzeption", vgl. oben Teil1 C. IV. 3.; Maunz, in: Maunz- DürigHerzog, Art. 7 Rdnr. 48; Ramm, S. 150.
D. Dogmatische Elemente
4:1
ziert: "Es ist unzulässig, die Religionsnote bei der Versetzung nur deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es sich um dieses Fach handelt ... Dagegen ist es zulässig, die Note des Religionsunterrichts unter denselben Voraussetzungen wie die anderer Fächer bei der Versetzung nicht zu beachten ... " 109• Auch für die Konkretisierung des Begriffs "ordentliches Lehrfach" als "Pflichtfach- abgesehen von den normierten Ausnahmen" läßt sich in der Literatur keine einheitliche Linie finden. Zwar wird der Religionsunterricht ganz überwiegend als "Pflichtfach" oder "obligatorisches" Fach bezeichnet110 ; vielfach schließt sich hieran jedoch die Einschränkung, Religionsunterricht sei Pflichtfach nur für die Schule, er sei dagegen freiwilliges oder Wahlfach für Schüler und Lehrer111 • Nach herkömmlichem Schulrecht und herkömmlicher Schulpraxis112 beruht die Versetzungsentscheidung im wesentlichen auf einem Zeugnis, das aus den in den verschiedenen Fächern erteilten Zensuren oder Noten besteht. Die Verknüpfung von Notengebung und Versetzungsentscheidung ist zwar nicht untrennbar: Es gibt Noten, die nicht (oder jedenfalls nicht negativ) für die Versetzung zählen (z. B. in Kunst, Musik und Sport); andererseits beruht die Versetzung nicht ausschließlich auf den Noten. In der Regel enthalten die Vorschriften über die Versetzung Klauseln in dem Sinn, daß bei günstiger Prognose für die Mitarbeit in der nächsten Klasse über unzureichende Leistungen in einzelnen Fächern hinweggesehen werden kann113• Immerhin sind in der Praxis Notengebung und Versetzungsentscheidung sehr eng miteinander verknüpft. Ob das unter Berücksichtigung neuerer pädagogischer Erkenntnisse gerechtfertigt ist, mag bezweifelt werden114 ; immerhin wird den "Lernzielkontrollen" insoweit ihre Berechtigung nicht versagt, als sie dazu dienen herauszufinden, "wie weitergelernt werden soll" 115• Diesen Fragen braucht hier nicht nachgegangen zu werden, da jedenfalls - wie auch von kritischen Pädagogen eingeräumt wird - heute noch die Beurteilungsaufgaben im Vordergrund stehen, die im Rahmen des Berechtigungswesens vom Lehrer ausgeübt werden müssen118• Deuschle, S. 132 f. Deuschle, S. 131; v. Drygalski, S. 61 und 67; Feuchte, S. 666; Fischer, Trennung, S. 260; Friesenhahn, S. 84; Geiger, Schule, S. 82; Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 480; Keim, S. 147; Kern, S. 134; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. IV 2; Schmoeckel, Religionsunterricht, S. 62 und 101; ders., Grundgesetz, S. 296 f.; Stein, Probleme, S. 658; Wernicke, Anm. II 3 a; Westhoff, Sp. 1200. 111 Vgl. oben Teil1 C. V. 2. m Zur Abwendung von dem System der Jahrgangsklassen mit jährlicher 109
110
Versetzungsentscheidung vgl. unten Teil2 A. 111. 113 So z. B. Ziffer 3. b) der Versetzungsordnung für die höheren Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. 4. 1959 (Amtsblatt 1959, S. 60). 114 Vgl. insbes. Ingenkarrtp, Fragwürdigkeit. 115 Heuss, S. 38. 118 Ingenkamp, Schulleistungstests, S. 150. Zum "Berechtigungswesen" vgl. auch BVerfGE 27, .195, 206 ff.
42
1. Teil: Versetzungserheblichkelt nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
Daraus folgt, daß Aussagen über die Notengebung im Religionsunterricht für die Frage der Versetzungserheblichkeit mit herangezogen werden können. Es ist ein hierfür beachtliches dogmatisches Konkretisierungselement, daß fast einhellig aus der Normierung "ordentliches Lehrfach" gefolgert wird, im Religionsunterricht müsse eine Note gegeben werden117• Die Gegenposition118 beruft sich teils ohne nähere Begründung pauschal auf Art. 4 GG, teils gibt sie sich offen als verfassungspolitische Argumentation zu erkennenm. II. Die dem Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmun,g en in der Literatur
Sechs Landesverfassungen schreiben in nur leicht variierenden Formulierungen den Religionsunterricht als "ordentliches Lehrfach" vor. Es sind dies: Art.18 Satz 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art.136 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 57 Abs.1 Satz 1 der Verfassung des Landes Hessen, Art.14 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 34 Satz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalzund Art. 29 Abs. 1 Satz 1 der Saarländischen Verfassung. Gleiches bestimmte auch Art. 39 Satz 1 der Verfassung für Württemberg-Baden. In den Kommentaren wird der Religionsunterricht einhellig als Pflichtfach gekennzeichnet120 • Teils wird auch hier aus dem Abmeldungsrecht gefolgert, der Religionsunterricht sei "persönliches Wahlfach" 111 • Überwiegend wird eine solche Konsequenz jedoch nicht gezogen. Vielmehr wird sogar ausdrücklich gesagt, Religionsunterricht sei kein echtes Wahlfach122, er müsse "bei der Bewertung der Klassen- und Prüfungsleistunm v. Campenhausen, Erziehungsauftrag, S. 143; ders., Religionsunterricht I, S. 36; ders., Religionsunterricht II, S. 115; ders., Staatskirchenrecht, S. 109; Deuschle, S. 132; v. Drygalski, S. 61- anders jedoch für den Religionsunterricht nach der "Verkündigungskonzeption", vgl. oben Teil 1 C. IV. 3. und v. Drygalski, S. 103; Dürig, Rechtsstellung, S. 55; Fischer, Trennung, S. 266; Geiger, Staat, S. 103; ders., Schule, S. 82; Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 481; Kern, S.134; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. V 2; Maunz, in: Maunz- DürigHerzog, Art. 7 Rdnr. 48; Peters, Elternrecht, S. 413; Ramm, S. 150; Schmoeckel, Religionsunterricht, S. 63; Schorn, Sp. 482. 118 Friesenhahn, S. 77; Obermayer, Anmerkung; Scheffler, S. 113; ebenso in seinem Bericht über die 5. Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche in: DOV 1970, S. 336; v. Zezschwitz, Erziehung, S. 13 Fn. 5. UD Friesenhahn, S. 77: "Streng genommen folgt aus der Qualifizierung des Religionsunterrichts als ordentlichen Lehrfachs, daß die Leistungen in diesem Lehrfach benotet werden müssen." 120 GelZer- Kleinrahm- Fleck, Art. 14 Anm. 2 a; Nawiasky- Leusser, Art. 136 Erl. zu Abs. II; Nebinger, Art. 39 Anm.1; Süsterhenn- Schäfer, Art. 34 Anm. 2 b; Zinn- Stein, Art. 57 Anm. 2. 121 Zinn - Stein, Art. 57 Anm. 2. 122 GelZer -Kleinrahm -Fleck, Art. 14 Anm. 2 a mit Fn. 3 a.
E. Normbereichselemente
gen" berücksichtigt werden113, oder: "für die Schüler Pflichtfach ... sofern nicht die Ausnahmevorschrift des Satzes 3 in Betracht kommt" 124• E. Normbereichselemente
Unter Normbereich wird der Ausschnitt sozialer Wirklichkeit in seiner Grundstruktur verstanden, der mitkonstituierend zur Norm gehört, der ein die Normativität mitbegründender Faktor ist. Denn die Norm ist nicht mit dem Normtext identisch; sie ist vielmehr einsachgeprägtes Ordnungsmodell, in dem das Ordnende und das zu Ordnende notwendig zusammengehören und einander in der Praxis der Rechtsverwirklichung gegenseitig ergänzen und abstützen125• Bei der Berücksichtigung solcher Elemente der "Sache selbst" ist jedoch darauf zu achten, daß aus rechtsstaatlich-normativen Gründen der mögliche Wortsinn die Grenze normorientierter Verfassungsinterpretation bildet: Entscheidungen, die den Wortlaut der Verfassung überspielen, sind unzulässig128• In diesem Rahmen sind einige für die Konkretisierung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG relevante Aspekte der pädagogischen Praxis und der pädagogischen, insbesondere religionspädagogischen Theorie zu untersuchen. I. Die Versetzungserheblichkelt der Note in der schulischen Praxis
Insoweit kann auf die im Anhang abgedruckte Enquete verwiesen werden, als deren Ergebnis festgehalten werden kann, daß in sechs von zehn Bundesländern127 die Note im Fach Religionslehre bei Versetzungsentscheidungen berücksichtigt wird; daß in drei weiteren Bundesländern zwar Noten erteilt werden, die aber nicht versetzungserheblich sind, und daß nur in einem Land auch keine Noten im Fach Religionslehre erteilt werden. II. "Ordentliches Lehrfach" und Versetzung in der pädagogischen Literatur
Beim Begriff "ordentliches Lehrfach" handelte es sich im Jahr 1919 um einen im Schulrecht neuen Begriff128 • Die überkommenen Begriffe waren: obligatorisches bzw. Pflicht- und fakultatives bzw. Wahlfachtt8 • us Süsterhenn - Schäfer, Art. 34 Anm. 2 b. Nebinger, Art. 39 Anm. 1. 125 Zu diesem Begriff: Müller, Methodik, S. 107 f., 109 f. m Müller, Methodik, S. 140 f. 127 Bremen scheidet im Hinblick auf Art. 141 GG aus. tts Lande, s. 206. m Lande, s. 207.
m
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1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
Auch in der pädagogischen Literatur wurden und werden die Begriffe Pflicht- und Wahlfach als Gegensatzpaar behandelt130 • Die moderne pädagogische Literatur schließt sich dabei allerdings ohne weiteres an die Begriffsprägungen der Kultusminister und Unterrichtsverwaltungen an. So beruht die Verwendung des Begriffs im wesentlichen auf den Vereinbarungen der Kultusminister der Länder 131 • Die Wahlfreiheit des Unterrichts, schon vor 1919 immer wieder diskutiert, u. a. unter dem Stichwort: System von Kern und Kursen, wurde vor allem unter zwei Gesichtspunkten befürwortet: "Die Wahlfreiheit des Unterrichts verfolgt . . . Nützlichkeitsziele, indem sie dem Schüler die für bestimmte Lebensberufe nötige Vorbildung vermitteln will" 132• Und: "Wahlfreiheit der Unterrichtsfächer erscheint... als der einzig gangbare Weg zur Entlastung der Schüler von dem immer größer werdenden Zuviel sowohl an Lehrstoffen wie an Lehrstunden133." Daß Religionsunterricht nicht unter die Wahlfächer in diesem Sinn fallen würde, war damals vorherrschende Ansicht unter den Pädagogen; so heißt es etwa in Ausführungen zum Lehrplan: "Das Kernstück jedes Lehrplans jeder Erziehungsschule bildet Religion .. .'' 134• Heute sieht man in der Differenzierung von Pflicht- und Wahlbereich die Möglichkeit, den Unterricht schwerpunktmäßig zu vertiefen, die Erziehung zu geistiger Selbständigkeit und Verantwortung zu fördern, die Lernmotivation zu erhöhen und die Zusammenführung von allgemeinund berufsbildendem Schulwesen zu erleichtern135• Dementsprechend enthält die "Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II" der Kultusministerkonferenz136 eine Aufteilung von Pflichtbereich zu Wahlbereich im Verhältnis 2: 1. Religionslehre gehört zum Pflichtbereich137• Andererseits plädieren manche Religionslehrer dafür, ihren Unterricht in ein reines Wahlfach umzuwandeln; auch in pädagogischer Literatur liest man, dies sei die "pädagogisch sinnvollste Alternative" 138• Allerdings wird hinzugefügt, diese Lösung widerspreche jedoch der gängigen Inter130 Vgl. z. B. Wehrmann, S. 538 f.: "obligate Fächer fakultative Fächer"; Heckel- Seipp, S. 71: "verbindliche und wahlfreie Fächer"; Holzapfel, S. 246:
"Pflichtfächer- Wahlfächer". 131 Dazu näher unten Teil 2 A. 111. m Schmidt, Sp. 1035. 133 Weimer, Sp. 518. 184 Rein, S. 550. us Vgl. Deutscher Bildungsrat, Empfehlungen der Bildungskommission: Zur Neugestaltung der Abschlüsse im Sekundarschulwesen, Bonn 1969. 136 Als Sonderdruck: Neuwied, August 1972; abgedruckt in: Kultus und Unterricht 1972, S. 1327, im Gern. Amtsblatt 1973, S. 62 und bei Seipp- Hochstetter, I EI, S . 111- 112 u. 137 Dazu näher unten Teil 2 A. 111. 138 Havers, S. 229.
E:. Normbereichselemente
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pretation des Grundgesetzes und werde auch kaum die Zustimmung der Kirchen finden. In der Tat wird insoweit eine verfassungspolitische Forderung erhoben, die zwar registriert werden muß, die aber gegenüber den systematischen und genetischen Konkretisierungselementen sowie den übrigen Normbereichselementen de lege lata keine durchschlagende Bedeutung erlangen kannut. Ähnliches gilt für das System der Versetzung überhaupt. So besteht140 in der heutigen pädagogischen Literatur weitgehende Übereinstimmung darüber, daß eine vom System der Versetzung beherrschte Schule mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt: Die Schüler stehen unter dauerndem Druck, die Lernmotivation ist einseitig durch Notengebung und Zeugnisse beeinflußt; die Lehrer neigen dazu, in der Versetzung oder Nicht-Versetzung ein bequemes Mittel erzieherischer Einflußnahme zu sehen und andere individuelle und organisatorische Möglichkeiten der Lern- und Bildungsförderung zu vernachlässigen. - Auch hier jedoch ist der juristische Interpret an die geltende Rechtslage gebunden. 111. Der Religionsunterricht in der Religionspädagogik
Wie bereits ausgeführt141 , dürfen Inhalt und Methode des Religionsunterrichts nicht zum entscheidenden Konkretisierungselement für die hier behandelte Problematik herangezogen werden. Jedoch ist die Frage nach der Konzeption des Religionsunterrichts wohl entscheidend dafür, ob der Religionsunterricht auch in Zukunft "ordentliches Lehrfach" bleiben wird. Sei es, daß die Tendenzen in der Öffentlichkeit, die auf Abschaffung des Religionsunterrichts dringen, stärker werden; sei es, daß die Abmeldequote eines Tages Überhand nehmen und die Kirche von sich aus auf den Pflichtcharakter des Religionsunterrichts verzichten sollteauf jeden Fall befindet sich der Religionsunterricht in einer kritischen Situation142• Die Konsolidierung des Religionsunterrichts in der gesellschaftlichen Wirklichkeit hängt für die Kirchen davon ab, ob es gelingt, eine Konzeption für die inhaltliche Gestaltung des Religionsunterrichts zu finden, die der Kritik in Öffentlichkeit und bei den Betroffenen143 begegnen kann. 139 Zu Möglichkeiten und Grenzen verfassungspolitischer Argumentation vgl. Müller, Methodik, S. 178 ff. 140 Nach Maier, S. 306. 141 Vgl. oben Teil! C. IV. 2. und 5. 142 Das ist der einhellige Tenor des neueren religionspädagogischen Schrifttums; vgl. insbes. die Aufsatzsammlungen: Religionsunterricht- Konflikte und Konzepte, Hrsg.: Norbert Schneider, Harnburg 1971; Religionsunterricht- wohin? Hrsg.: Klaus Wegenast, Gütersloh 1971; Zum Religionsunterricht morgen, Bd. I- IV, Hrsg.: Wolfgang G. Esser und Wolfgang Schulz, München 1970-73. Vgl. ferner: Havers; Lange; Nipkow; Otto, Schule; Schladoth; Stock, Religionsunterricht; Wegenast, Religionsunterricht.
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1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
Die Kritik1u hat wesentlich an der bereits beschriebenen Konzeption des Religionsunterrichts als Glaubenswerbung angesetzt. In der Tat hieß das bis in die 60er Jahre herrschende religionspädagogische Programm: "Religionsunterricht ist Kirche in der Schule" 145 ; der Lehrer war dementsprechend Bekenner, Verkündiger, Zeuge, Missionar. Seitdem hat sich jedoch in der Religionspädagogik eine "totale Wende" 146 vollzogen. Statt der rein theologischen Begründung wurde eine pädagogische Begründung des Religionsunterrichts erarbeitet (die allerdings- solange er von den Kirchen mitverantwortet wird- immer auch theologisch gerechtfertigt werden muß; hier beginnen die Auseinandersetzungen). Religionsunterricht ist danach die Verwirklichung eines Bildungsauftrags, nicht eines Verkündigungsauftrags; Religionsunterricht ist Dienst der Kirche an der Schule. Information statt Verkündigung, Belehrung statt Bekehrung heißen die Schlagwörter. Wie im einzelnen die pädagogische Begründung auszusehen hat, ist nach wie vor im Streit. Es werden im wesentlichen drei Richtungen unterschieden147 : die kulturgeschichtliche, die das Verstehen des Christentums als einer der prägenden geistigen Überlieferungen in den Mittelpunkt rückt; die anthropologische, die darauf abhebt, zum vollen Menschsein gehöre undispensierbar auch die Fähigkeit zur Religiosität; die gesellschaftlich-politische, die gegenüber gesellschaftlicher Anpassung, Instrumentalisierung und beruflicher "Verzweckung" den Religionsunterricht als Hort der Selbständigkeit und Freiheit begreifen möchte. Darüber hinaus werden neue Erkenntnisse der Didaktik (problemorientierter Unterricht, Unterricht nach dem Kontexttypus) und der Curriculum-Theorie148 für den Religionsunterricht fruchtbar gemacht. Zur Veranschaulichung sollen je eine prononcierte Stellungnahme eines evangelischen und eines katholischen Religionspädagogen im Wortlaut wiedergegeben werden: "Die Elemente des Religionsunterrichts sind die unterrichtliche Arbeit im Medium der Information, der kritischen Informationsverarbeitung und der Aneignung oder Ablehnung. Religionsunterricht ist nicht Indoktrination, sondern Dialog, in dem die Fragen des Schülers und seine Skepsis ebenso ihr Recht haben müssen wie die Reflexion des Anspruchs 143 Havers, S. 228, berichtet in seiner eingehenden empirischen Untersuchung, daß die Mehrheit der von ihm befragten Schüler für die Abschaffung des Religionsunterrichts in der öffentlichen Schule sei. 144 Vgl. z. B. Fischer, Trennung, S. 255 ff. 145 Zum folgenden genauer Nipkow, S. 132 ff., 145 ff.; Wegenast, Schule, S.182 ff. 14o Herrmann, S. 202. 147 Zum folgenden ExeleT, S. 328 ff.; vgl. auch die Zusammenfassung aller drei Richtungen als Teilziele des "Curriculum-Elements-Religion" bei Gloy, S.198ff. 148 Zur Einführung etwa: Klose; Nipkow, S. 213 ff.
E. Normbereichselemente
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der verhandelten Sache149." "Dieser Religionsunterricht postuliert von seinen Schülern kein Glaubensbekenntnis. Weder Zustimmung noch Ablehnung christlicher Gegebenheiten durch die Schüler sollten für seine Konzeption grundlegend sein. Zu verlangen ist vom Schüler nur die Bereitschaft zum kritischen Mitdenken. Doch darum verfolgt der Religionsunterricht ebensowenig konfessionelle bzw. kirchliche oder sonstwie ideologische Interessen. Er hat keinen missionarischen Auftrag. Ihm obliegt die sachliche, methodisch angelegte und stets kritisch kontrollierte Auseinandersetzung mit den christlichen und religiösen Überlieferungen der Menschheit, zumal unseres eigenen Geschichtsraumes. Der Schüler soll in ernsthafter Arbeit zum Verstehen dieser Überlieferungen angeleitet werden150." Mag auch noch viel über die Gestaltung im einzelnen gestritten, mag auch über neue Formen der Kooperation zwischen evangelischem und katholischem Religionsunterricht, über bikonfessionellen und überkonfessionellen Religionsunterricht diskutiert werden - es ist jedenfalls festzustellen: Die Abkehr von der kirchlich-katechetischen Begründung des Religionsunterrichts und seine Begründung von der Schule her sind in der heutigen Religionspädagogik "nahezu unbestritten" 151 • IV. Der Religionsunterriebt in der schulischen Praxis
Eine solche Aussage läßt sich über die in den verschiedenen Ländern für den Religionsunterricht erlassenen Lehrpläne151 und über die durch sie geprägte schulische Praxis nicht machen. Deren Gesichtspunkte werden unter dem gleichen - im wesentlichen verfassungspolitischen Blickwinkel in die Konkretisierung der Norm des Art. 7 Abs. 3 GG einbezogen wie die religionspädagogische Diskussion. Die Ergebnisse dieser Diskussion sind noch kaum bis in die Lehrpläne durchgedrungen153• So lauten die noch gültigen "Richtlinien für den Unterricht in katholischer Religionslehre" in Nordrhein-Westfalen154 : "Als Verkündigung richtet sich der Religionsunterricht an den geistlichen Menschen und steht damit im übernatürlichen Raum der Erfah148
150 151 1 52
Wegenast, Religionsunterricht, S. 28 f. Halbfas, S. 176. So Baudler, S. 282. Vgl. den vollständigen Oberblick bei Schultze.
153 Einen kurzen Oberblick über die verschiedenen Länderregelungen für das Zustandekommen der Lehrpläne für den Religionsunterricht im Zusammenwirken von staatlichen und kirchlichen Stellen gibt Kaufmann, Ende, S. 183. - Eine Schilderung der einzelnen Stadien der Erarbeitung von Lehrplänen im innerkirchlichen (katholischen) Raum bei Miller. 154 Runderlaß des Kultusministers vom 22. 3. 1963, abgedruckt bei Seipp Haugg, Leitziffer 31 C, S. 101 ff.
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1. Teil: Versetzungserheblichkeit nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
rung des Menschen mit Gott und mit der göttlichen Gnade. Weil Glauben seinem Wesen nach Lebenshaltung ist, soll der Religionsunterricht den jungen Menschen zur Gottbegegnung führen, ihn in der Kirche verwurzeln und zum apostolischen Zeugnis befähigen. Die personale und sakramentale Frömmigkeit bleibt immer Bezugspunkt der religiösen Unterweisung . . ." Und die noch gültigen "Richtlinien für den Unterricht in Evangelischer Religionslehre (Evangelische Unterweisung)" in Nordrhein-Westfalen155 bestimmen: "Grund und Inhalt der Evangelischen Unterweisung ist die Offenbarung Gottes in Jesus Christus, wie sie in den Schriften des Alten und Neuen Testaments bezeugt und in den altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnisschriften und der Theologischen Erklärung von Barmen bekannt wird156 • Es ist die Aufgabe Evangelischer Unterweisung, die Botschaft von Jesus Christus verstehen zu lernen. Dadurch wird den jungen Menschen auch der Weg gewiesen, als Glieder der Kirche in allen Gemeinschaften zu leben, in die sie in der Welt gesteilt sind .. ." In neuerer Zeit werden jedoch verstärkt Bemühungen deutlich, die Forderung nach Unterscheidung von Katechese und schulischem Unterricht auch in den Lehrplänen zu erfüllen. So heißt es in den "Lehrplanrichtlinien des Kultusministeriums in Kiel für den evangelischen Religionsunterricht an den Gymnasien des Landes Schleswig-Holstein" vom August 1969157 : "Aufgabe und Inhalt des Lehrfaches ,Religion' ergeben sich aus dem Auftrag der Schule. Sie soll Überlieferung und gegenwärtiges Leben darstellen und auslegen (Lehr- und Lernauftrag der Schule) sowie die Schüler mit Möglichkeiten konfrontieren, die Welt zu verstehen und verantwortlich in ihr zu leben (Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule). Dazu ist die Kenntnis der Kräfte notwendig, die die Vergangenheit entscheidend geprägt haben und die Gegenwart formen. Im Rahmen dieses Auftrages geht es im Lehrfach ,Religion' um die Vergegenwärtigung der die menschliche Existenz bestimmenden religiösen und philosophischen Dimensionen. Im abendländischen Kulturkreis sind dafür vor allem die Begegnung und Auseinandersetzung mit der Bibel und der kirchlichen Überlieferung unerläßlich. Hinzu kommen die Begegnung und Auseinandersetzung mit den dem Christentum widerstreitenden Weltanschauungen des 19. und 20. Jahrhunderts, ferner mit den Religionen und philosophisch-weltanschauWie Fn. 154, S. 201 ff. Dazu Mann, S. 218: "In diesem Grundsatz dokumentiert sich geradezu klassisch jene Haltung, welche der in der heutigen pluralistischen Gesellschaft selbstverständlichen Auffassung vom Auftrag der Schule diametral entgegensteht." 157 Abgedruckt in: Zum Religionsunterricht morgen, Bd.II, Hrsg.: Wolfgang G. Esser, München 1971, S. 293 ff. 1ss 1se
E. Normbereichselemente
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liehen Systemen anderer Kulturkreise, mit denen wir heute konfrontiert sind." Eine neue Sprache sprechen auch die "Empfehlungen für den Kursunterricht im Fach katholische Religionslehre" des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen158, die in den Schulen, an denen die Oberstufenreform nach der "Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II" eingeführt ist, an die Stelle der oben genannten Richtlinien treten können: " 1.1 Der Religionsunterricht hat im Rahmen des Auftrags der Schule die Aufgabe, die religiöse Frage, die Frage nach Gott und nach dem Sinn menschlicher Existenz im Hinblick auf den einzelnen, die interpersonalen Bezüge und die Gesellschaft zu reflektieren. 1.2 Der katholische Religionsunterricht informiert über Religionen und Weltanschauungen, über Sinn- und Wertsysteme und leitet zur kritischen Auseinandersetzung mit ihnen an. Er bringt vor allem den katholischen Glauben zur Sprache. Dabei beachtet er die Geschichtlichkeit seiner Lehre, seiner Riten und Institutionen, deren konkrete Ausprägungen Interpretationen seines Grundgehaltes sind, und berücksichtigt die anderen konfessionellen Ausprägungen des christlichen Glaubens. 1.3 Der Religionsunterricht enthält über die Information hinaus ein Identifikationsangebot, das selbständige Entscheidungen ermöglicht und Handlungsmotivationen schafft. Auf diese Weise leistet er einen spezifischen Beitrag zur Erfüllung der allgemeinen schulischen Aufgabe eines emanzipatorischen Unterrichts." Die neuen Tendenzen haben sich auch schon in kirchenamtlichen Stellungnahmen niedergeschlagen. So heißt es in der "Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zu verfassungsrechtlichen Fragen des Religionsunterrichtes" vom 7. Juli 1971: "Die Bindung an das biblische Zeugnis von J esus Christus schließt nach evangelischem Verständnis ein, daß der Lehrer die Auslegung und Vermittlung der Glaubensinhalte auf wissenschaftlicher Grundlage und in Freiheit des Gewissens vornimmt ... Das theologische Verständnis der ,Grundsätze der Religionsgemeinschaften' korrespondiert mit einer pädagogischen Gestaltung des Unterrichts, der zugleich die Fähigkeit zur Interpretation vermittelt und den Dialog und die Zusammenarbeit einübt150. " Diese Stellungnahme ist in der Entschließung der vierten Synode der EKD vom 12. November 1971 "Zum Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach 158 Schulreform NW Sekundarstufe II, Arbeitsmaterialien und Berichte, Hrsg.: Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 11 II: Curriculum Gymnasiale Oberstufe, Katholische Religionslehre, 1973 (2. Ausgabe). 159 EKD-Stellungnahme, S. 124 (IV. 3. und 5.).
4 MüllerJPieroth
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1. Teil: Versetzungserheblichkelt nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG?
an öffentlichen Schulen" 180 mit Zustimmung zur Kenntnis genommen worden. Auch in den Erklärungen der Deutschen Bischofskonferenz zum Religionsunterricht läßt sich ein gewisser Wandel von der kirchlich-katechetischen zur schulischen Begründung ablesen181 • Allerdings gibt es auch gewichtige Stimmen, die am überkommenen Verständnis des Religionsunterrichts festhalten. In einem Rundschreiben des Bischofs von Aachen182 heißt es z. B.: "Neben dem Bemühen um das Kognitive verfolgt gerade der Religionsunterricht in besonderem Maße den Zweck, den jungen Menschen zu religiösem Leben und zu verantwortlichem Handeln in Kirche und Gesellschaft zu befähigen. Darum geht es keineswegs um ein einseitiges Training des Intellektes, sondern um die Formung der Gesamtpersönlichkeit, insbesondere um Charakterbildung und um die Entfaltung der religiösen Kräfte im Menschen. Was wir benötigen, ist die Weckung und Entfaltung echten spirituellen Lebens . . . Zur Erreichung dieser religiösen Zielsetzung bedarf es der rechtzeitigen Beheimatung in der Gemeinschaft der Kirche. Der Religionslehrer wird daher in möglichst enger Verbindung mit den Eltern und den Pfarrseelsorgern nach Kräften mitsorgen, daß seine Schüler in das kirchLiche, insbesondere in das gottesdienstliche und sakramentale Leben eingeführt werden. Ich denke vor allem an die rechtzeitige und regelmäßige Hinführung der Kinder zur Eucharistie und zum Bußsakrament." Nach allem hat sich in der schulischen Praxis das Verständnis des Religionsunterrichts als eines von der Schule her zu begründenden und von kirchlicher Katechese zu unterscheidenden Unterrichts noch nicht einheitlich durchgesetzt.
F. Ergebnis zum Ersten Teil Überblickt man die Ergebnisse der verschiedenen Konkretisierungselemente, so zeigt sich folgendes: Während das grammatische Element einen weiten Rahmen läßt, ergibt der genetisch-historische Gesichtspunkt, daß "ordentliches Lehrfach" heißt: "Pflichtfach (nicht :Wahlfach} - abgesehen von den normierten Ausnahmen". Unter den systematischen Gesichtspunkten ergeben mehrere weder etwas für noch etwas gegen diese Konkretisierung; der Zusammenhang zwischen Art. 7 Abs. 2 160 Abgedruckt in: Die evangelische Kirche und die Bildungsplanung. Eine Dokumentation, Hrsg.: Kirchenkanzlei der evangelischen Kirche in Deutschland, Heldeiberg 1972, S. 104. 161 Vgl. MiUer, S. 435 f. Die Erklärung vom 22. 12. 1969 ist z. B. abgedruckt bei Friesenhahn, S. 68 mit Fn. 3. Die Erklärung vom 23. 11. 1972 ist z. B. abgedruckt bei Pohlschneider, S. 3. 162 Pohlschneider, S. 6 f.; Hervorhebung im Original.
F. Ergebnis zum Ersten Teil
51
und Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG jedoch unterstützt die Aussage, daß "ordentliches Lehrfach" nicht auch den Begriff "Wahlfach" umfaßt. Das gleiche gilt für die Normbereichselemente der schulischen Praxis und der pädagogischen Literatur. In der juristischen Literatur wird das besonders in monographischen Untersuchungen deutlich. Andererseits ist damit auch der Inhalt der Normierung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG erschöpft. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG normiert darüber hinaus nicht auch noch, der Religionsunterricht müsse bei Versetzungen positiv oder negativ berücksichtigt werden. Diese Folgerung ergibt sich aus dem Begriff "Pflichtfach" nämlich nicht. Das zeigt ein Blick auf die Liste der Pflichtfächer in den verschiedenen Bundesländern, die alle z. B. auch die Fächer Leibesübungen, Kunst und Musik enthalten, die ihrerseits aber bei Versetzungen in aller Regel nicht (jedenfalls nicht negativ) berücksichtigt werden183• Es zeigt sich ferner daran, daß nach neuerer curricularer Entwicklung teilweise von dem System der J ahrgangsklassen abgegangen wird, womit auch die Versetzung entfälltu•. Da gleichzeitig aber das Prinzip der Pflichtfächer beibehalten wird, ergibt sich auch insoweit, daß die Versetzungserheblichkeit kein notwendiges Attribut des Pflichtfachs darstellt185• Die Ausgangsfrage ist daher dahin zu beantworten, daß Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG nicht bestimmt, der Religionsunterricht habe ein versetzungserhebliches Lehrfach zu sein.
183 Vgl. für Nordrhein-Westfalen die Versetzungsordnung für die höheren Schulen, Ziffer 4. c) bei Seipp - Haugg, 6. Band, Leitziffer 54, S. 401, und für Baden-Württemberg die Schulordnung für die Gymnasien, Bekanntmachung vom 31. Juli 1959 (Kultus und Unterricht 1959, S. 658) in Verbindung mit der Bekanntmachung vom 26. Mai 1961 (Kultus und Unterricht 1961, S. 304). tu Vgl. dazu unten Teil 2 A. III. 185 übereinstimmend heißt es in der EKD-Stellungnahme, S. 123 (III. 4.), daß in der Sekundarstufe II dem Anspruch des "ordentlichen Lehrfaches" genügt werde, wenn der Religionsunterricht in den Pflichtbereich einbezogen werde. Vgl. ferner Geiger, Vorschlag, S. 114 f., der die Abschaffung der "jährlichen Entscheidung über Versetzung oder Nichtversetzung" mit der Beibehaltung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach für vereinbar hält.
...
Zweiter Teil
Ist der Religionsunterricht an Höheren Schulen Nordrhein·Westfalens versetzungserhebliches Lehrfach? A. Die rechtliche Regelung I. Verfassungsrechtliche und gesetzliche Bestimmungen
Art.14 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen enthält eine ausführlichere Regelung des Religionsunterrichts als das Grundgesetz in Art. 7 Abs. 3. Zwar heißt es in Art.14 Abs. 1 Satz 1 inhaltsgleich mit dem Grundgesetz: "Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen, mit Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekenntnisfreien Schulen)." Dann wird jedoch weiter normiert, daß der Lehrer für die religiöse Unterweisung der Bevollmächtigung durch die Kirche oder die Religionsgemeinschaft bedarf (Abs.l Satz 2); daß die Lehrpläne und Lehrbücher für den Religionsunterricht im Einvernehmen mit der Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen sind (Abs. 2); daß die Kirchen oder die Religionsgemeinschaften das Recht haben, nach einem mit der Unterrichtsverwaltung vereinbarten Verfahren sich durch Einsichtnahme zu vergewissern, daß der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit ihren Lehren und Anforderungen erteilt wird (Abs. 3). Ohne sachlichen Unterschied zu Art. 7 Abs. 2 und 3 GG wird ferner bestimmt, daß kein Lehrer gezwungen werden darf, Religionsunterricht zu erteilen (Abs. 1 Satz 3) und daß die Befreiung vom Religionsunterricht von einer schriftlichen Willenserklärung des Erziehungsberechtigten oder des religionsmündigen Schülers abhängig ist (Abs. 4). An dieser letzten Vorschrift ist bemerkenswert, daß sie zwei Unklarheiten des Art. 7 Abs. 2 GG in zulässiger Weise166 ausräumt: Für die Nichtteilnahme am Religionsunterricht ist eine Abmeldung des Schülers erforderlich, und die Abmeldung kann auch vom religionsmündigen Schüler selbst erklärt werden. Allerdings ist der Ausdruck "Befreiung" etwas mißverständlich167; denn irgendeiner Genehmigung oder eines sonstigen Mitwirkungsakts der Schule bedarf es nicht; das folgt nach einhelliger 166 Vgl. oben Teill C. V. 1. und 4. 167 Ebenso: GeHer- Kleinrahm- Fleck, Art. 14 Anm. 5; Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 561.
A.
Die rechtliche Regelung
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Meinung aus Art. 4 GG188• Die weitere Frage, ob das Erfordernis der Schriftform für die Abmeldung dem Grundgesetz konform ist169 , braucht hier nicht erörtert zu werden. Auch auf die über Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG hinausgehenden Ausgestaltungen des Art.14 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen ist hier nicht einzugehen; damit auch nicht auf die Frage, ob etwa das Er~ fordernis der "missio canonica" bzw. der "vocatio" für die Religionslehrer grundgesetzwidrig ist170 ; denn es wurde schon dargelegt171 , daß sich aus dem systematischen Zusammenhang von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG mit Satz 2 keine Folgerungen für den Begriff "ordentliches Lehrfach" ziehen lassen. In den §§ 31-35 des nordrhein-westfälischen Schulordnungsgesetzes findet der Religionsunterricht eine eingehende Regelung. Im wesent1.ichen handelt es sich dabei um eine Wiederholung und nähere Ausgestaltung des Art.14 der Verfassung. An drei Stellen taucht der Begriff "ordentliches Lehrfach" auf.§ 31 Abs. 2lautet: "Er ist ordentliches Lehrfach an allen allgemein bildenden Schulen und an allen Schulen, durch deren Besuch der Schulpflicht genügt wird. Ausgenommen sind die Weitanschauungsschulen und bekenntnisfreien Schulen." § 31 Abs. 3 bestimmt: "In Schulen, die einer besonderen Fachausbildung dienen, ist der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach, soweit er an diesen Schulen zur Berufsausbildung gehört. Im übrigen ist er auf Begehren von mindestens 12 Schülern eines Bekenntnisses einzurichten." § 33 Abs. 1 Satz 1 schließlich bestimmt: "Der Religionsunterricht unterliegt als ordentliches Lehrfach der staatlichen Schulaufsicht." Der Begriff "ordentliches Lehrfach" hat hier den gleichen Inhalt wie in den verfassungsrechtlichen Vorschriften. Darüber hinausgehende gesetzliche Vorschriften, die die Frage der Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts betreffen, bestehen nicht. ß. Untergesetzliche Bestimmungen
Um die Frage der Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen zu klären, muß in erster Linie auf untergesetzliche Vorschriften zurückgegriffen werden. Es handelt sich dabei aus168 Brinkmeier, S. 98; Deuschle, S.172 f.; v. Drygalski, S. 80; Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 561; Keim, S.147; v. Mangoldt- Klein, Art. 7 Anm. IV 4; Maunz, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 7 Rdnr. 32; Peters, Elternrecht, S. 426; Schmoeckel, Religionsunterricht, S. 101. 169 Zweifel bei Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 560; für Verfassungsgemäßheit z. B. Friesenhahn, S. 87. 170 Vgl. Fischer, Trennung (1. Aufl. 1964), S. 329; anders jetzt aber S. 123. 171 Vgl. oben Teill C. IV.
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2. Teil: Landesrechtliche Normierung der Versetzungserheblichkeit
nahmslos um sogenannte "Runderlasse des Kultusministers", die in aller Regel im Amtsblatt des Kultusministeriums veröffentlicht sindm. Einschlägige Vorschriften finden sich (1.) speziell zum Religionsunterricht, (2.) im Rahmen der Schulaufsicht173 in den Bekanntmachungen verbindlicher Stundentafeln und Lehrpläne, sowie (3.) im Rahmen der Schulordnung174 in der Versetzungsordnung. 1. Speziell den Religionsunterricht betrifft ein Runderlaß vom 31. 7. 1956 betr. Religionsunterricht an Schulen aller Art, Eintragung in das Zeugnis. Dort heißt es175 : "In den Zeugnisvordrucken der Schulen aller Art wird künftighin das Unterrichtsfach ,Religion' mit ,Religionslehre' bezeichnet. Die Benotung ist unter Verwendung der für Schulzeugnisse vorgesehenen Notenstufen vorzunehmen ... Bei Schülern, die von der Teilnahme am Religionsunterricht befreit sind (§ 34 SchOG), wird die Nichtteilnahme in der Spalte des Unterrichtsfaches Religionslehre im Zeugnisvordruck durch einen Strich ausgedrückt ..." 2. Der erste Runderlaß des Kultusministers über Stundentafeln der höheren Schulen vom 25. 3. 1950176 sah für alle Schultypen in den Klassen Sexta bis Obersekunda nur Pflichtfächer vor, worunter (an erster Stelle) auch Religion fiel. Bei den Stundentafeln für die Primen rechnete Religion zu den "verbindlichen Kernfächern". Davon unabhängig konnten 4-6 Stunden "Wahlfächer" belegt werden. Wie sich aus der Aufzählung unter den Wahlfächern ergibt, wurde im gleichen Sinn der Ausdruck "wahlfreie Kurse" benutzt117• Nach dem Stand der Festlegung der Stundentafeln für Gymnasien vom 30. 5. 1969178 ist Religionslehre an allen 13 Schultypen Pfiichtfachm. Die meisten Schultypen haben ein Wahlpflichtfach in der Unter- und Oberprima; in neusprachlichen Gymnasien müssen die Schüler z. B. eins der folgenden drei Fächer wählen: Physik, Chemie oder Biologie180• Das Wahlpflichtfach ist ordentliches Lehrfach181 • Strikt davon zu trennen sind die "freiwilligen Unterrichtsveranstaltungen", "zusätzlichen Unterrichtsveranstaltungen", "freiwilligen zusätzlichen UnterrichtsveranstalZur Frage der Rechtsgültigkeit dieser "Runderlasse" vgl. unten Teil2 B. Zu diesem Begriff: Hecket- Seipp, S. 120- 124, insbesondere S. 122. 174 Zu diesem Begriff: Heckel - Seipp, S. 374- 376. m Abgedruckt bei Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 482. 176 Amtsblatt 1950, S. 75- 77. 177 Vgl. Amtsblatt 1950, S. 76 unter 111 7. 178 Seipp- Haugg, Band 4, Leitziffer 30, S. 51- 52 j . 179 Zu diesem Ausdruck: Runderlaß des Kultusministers vom 6. 3. 1961 (Amtsblatt 1961, S. 73). 180 Ziffer 1.1 des Runderlasses des Kultusministers vom 5. 3. 1965 (Amtsblatt 1965, S. 94); ab dem Schuljahr 1969/70 hat sich die Fächerkombination, nicht jedoch das Prinzip selbst geändert, vgl. den Runderlaß vom 21. 1. 1969 (Amtsblatt 1969, S. 73 und bei Seipp - Haugg, 6. Band, Leitziffer 67, S. 509 ff.). 181 So I 1. des Runderlasses vom 6. 3. 1961 (Amtsblatt 1961, S. 73). 172
173
A. Die rechtliche Regelung
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tungen" oder "freiwilligen Arbeitsgemeinschaften" (der Ausdruck wechselt von Schultyp zu Schultyp), die ab Obersekunda eingerichtet werden können. Die Teilnahme an diesen Unterrichtsveranstaltungen ist freiwillig. Für sie gelten nicht die üblichen Notenskalen, sondern es wird in den Zeugnissen bescheinigt, der Schüler habe "mit sehr gutem Erfolg", "mit gutem Erfolg" usw. teilgenommen; doch .kann die Klassenkonferenz einen Schüler wegen unzureichender Leistungen zu jeder Zeit von der weiteren Teilnahme ausschließen181• Mit dem Beginn des Schuljahrs 1973/74 traten neue Stundentafeln für die Sekundarstufe I (am Gymnasium die Klassen 5 bis 10 oder Sexta bis Untersekunda) in Kraft183• Auch danach gehört Religionslehre zum Pfiichtunterricht, der als "der nach Stundenzahl und Lernbereichen für jeden Schüler verbindliche Unterricht" definiert wird1M. 3. Die Versetzungsordnung für die höheren Schulen des Landes Nordrhein-W estfalen185 bestimmt:
" ...
2. Die Klassenkonferenz entscheidet über die Versetzung auf Grund der im letzten Schulhalbjahr erbrachten Leistungen des Schülers, wobei seine Gesamtentwicklung während des ganzen Schuljahrs angemessen zu berücksichtigen ist. Leistungen in den Fächern, die im nächsten Schuljahr nicht mehr als Pflichtfächer gelten oder nicht mehr unterrichtet werden, sind mitzubewerten ... 4. Bei unzureichenden Leistungen in einzelnen Fächern sind folgende Richtlinien zu beachten: a) Ein Schüler wird in der Regel nicht zu versetzen sein: 1. wenn seine Leistungen in einem Fach mit schriftlichen Arbeiten ungenügend sind, 2. wenn seine Leistungen in zwei wissenschaftlichen Fächern mangelhaft sind, 3. wenn seine Leistungen in einem Fach mit schriftlichen Arbeiten mangelhaft und in den anderen wissenschaftlichen Fächern nur ausreichend sind ... c) Befriedigende und bessere Leistungen in den Leibesübungen, den wahlfreien und musischen Fächern sowie in der Hauswirt-
- -- - 182 Ziffer 5.2 und 5.3 des Runderlasses des Kultusministers vom 5. 3. 1965 (Amtsblatt 1965, S. 94). 183 Runderlaß des Kultusministers vom 23. 3. 1973 (Gern. Amtsblatt 1973, 5.199). 184 Vgl. Anmerkung 1. zu "2. Vergleichende übersieht". 185 Runderlaß des Kultusministers vom 7. 4.1959 (Amtsblatt 1959, S. 60); diese Versetzungsordnung ist durch die Runderlasse vom 17. 7. 1967, 16. 1. 1968, 2. 5. 1968, 19. 6. 1969 und zuletzt 19. 6. 1969 (Gern. Amtsblatt 1971, S. 343) geändert worden. Die Änderungen betreffen jedoch nicht die hier einschlägigen Ziffern 2. und 4. der Versetzungsordnung.
56
2. Teil: Landesrechtliche Normierung der Versetzungserheblichkelt schaft können bei der Entscheidung mitgewertet werden, Minderleistungen in diesen Fächern dagegen die Entscheidung über die Versetzung nur dann beeinflussen, wenn diese Fächer für den Schultyp bezeichnend oder die Minderleistungen nicht auf Unvermögen zurückzuführen sind.
" 111. Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz
Zwei Beschlüsse der "Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland" 188 sind für die Fragen des Religionsunterrichts einschlägig: zunächst die sogenannte "Saarbrücker Rahmenvereinbarung" (Rahmenvereinbarung zur Ordnung des Unterrichts auf der Oberstufe der Gymnasien vom 29. 9. 1960187) und sodann die "Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe !I" vom 7. 7.1972188• Die "Saarbrücker Rahmenvereinbarung" enthielt bezüglich des Religionsunterrichts keine eigenständige Regelung; im Abschnitt II 4. sowie im Abschnitt III 5. wurde für den Unterricht und die Prüfung in der Religionslehre auf die "in den Ländern jeweils geltenden Bestimmungen" verwiesen. Demgegenüber enthält die Vereinbarung zur Sekundarstufe II vom 7. 7.1972 bezüglich des Religionsunterrichts für alle Länder verbindliche Festlegungen. Zum Verständnis der einschlägigen Bestimmungen dieser Vereinbarung sei vorweggeschickt, daß damit eine recht einschneidende Reform der gymnasialen Oberstufe unternommen und vor allem von dem traditionellen deutschen System der Jahrgangsklassen abgerückt worden ist. Danach wird die gymnasiale Oberstufe in einen Pflichtbereich und einen Wahlbereich gegliedert, die etwa im Verhältnis 2:1 stehen sollen; in beiden Bereichen wird der Unterricht in 2-3stündigen Grundkursen und in 5-6stündigen Leistungskursen erteilt, von denen der Schüler mindestens 2 pro Halbjahr belegen muß. Die Oberstufe wird nicht mehr nach Gymnasialtypen gegliedert. Die Dauer des Durchgangs der Oberstufe beträgt zwischen 2 und 4 Jahren; jedoch braucht das Kurssystem erst von der Jahrgangstufe 12 an "voll entfaltet" zu sein. An die Stelle der Versetzungen tritt spätestens ab der Jahrgangstufe 12 ein differenziertes Punktsystem, mittels dessen die Voraussetzungen für die Erteilung des Abiturs errechnet werden189• Zur Rechtsnatur dieser Beschlüsse Knoke, S. 49 ff. Abgedruckt z. B. in: Kultusrecht, B I 13 und im Amtsblatt 1960, S. 152. 188 Wie Fn. 136. 189 Vgl. im einzelnen Ziffer 9 ("Leistungsbewertung und Entscheidung über den erfolgreichen Besuch der gymnasialen Oberstufe") der Vereinbarung. 186
187
A. Die rechtliche Regelung
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Für den Religionsunterricht ist entscheidend, daß er gemäß Ziffer 4.1 der Vereinbarung vom 7. 7.1972 zum Pflichtbereich zählt. Gemäß Ziffer 7.5.1 iVm. Ziffer 4.1 ist den einzelnen Ländern die Festlegung der Zahl der insgesamt während der Oberstufe zu belegenden W ochenstunden pro Halbjahr freigestellt. Die "Umsetzung" dieser Beschlüsse erfolgt in Nordrhein-Westfalen durch die bereits erwähnten "Runderlasse des Kultusministers". Da gemäß Ziffer 10.1 die Durchführung der Vereinbarung vom 7. 7.1972 in allen Schulen erst mit dem Schuljahr 1976/77 beginnen muß, wird die neugestaltete gymnasiale Oberstufe in Nordrhein-Westfalen erst schrittweise eingeführt; so wurde im Schuljahr 1972/73 erst an 65 Gymnasien nach den neuen Prinzipien unterrichtet. Demgemäß ergehen die der Umsetzung der Vereinbarung vom 7. 7. 1972 dienenden Runderlasse auch unter der Überschrift "Vorbereitung der Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II; hier Planungseinheit: .. :noo. Als eine solche Planungseinheit ist mit Runderlaß des Kultusministers vom 5.1.1973181 eine "vorläufige Versetzungsordnung für den Eintritt in die Jahrgangstufe 12" erlassen worden. Darin heißt es: "2.3 ... Unter den versetzungswirksamen zwei Leistungsfächern und sechs Grundkursen müssen sein: Deutsch, eine Fremdsprache, Mathematik, ein naturwissenschaftliches und gesellschaftswissenschaftliches Fach, Religionslehre und Sport. 2.4 Hat sich ein Schüler gemäß § 34 Schulordnungsgesetz vom Religionsunterricht abgemeldet, so muß er aus dem Angebot der Schule im Rahmen der Pflichtwochenstundenzahl von 30 Wochenstunden einen anderen Grundkurs wählen, um die Versetzungsbedingungen (2.3) zu erfüllen." In Ausfüllung der dargestellten Regelung der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz vom 7. 7.1972 sind in der Jahrgangsstufe 11 im 1. Halbjahr ein zweistündiger, im 2. Halbjahr ein dreistündiger Grundkurs in Religionslehre im Pflichtbereich vorgeschrieben102 • In den Jahrgangstufen 12/13 sind von jedem Schüler, der sich nicht vom Religionsunterricht abgemeldet hat, mindestens zwei Grundkurse in Religionslehre zu belegen193• Da die Gesamtqualifikation für das Abitur 190 Vgl. den Runderlaß des Kultusministers vom 19. 4. 1972 (Gern. Amtsblatt 1972, S. 170) mit den jeweils als "Anlage" hierzu ergangenen Folgeerlässen. 191 Gern. Amtsblatt 1973, S. 41. 19~ Ziffer 5.7 und 9. der Planungseinheit: Jahrgangsstufe 11, Anlage 1 zum Runderlaß des Kultusministers vom 19. 4. 1972 (Gern. Amtsblatt 1972, S. 170). Ebenso die Neufassung der Planungseinheit: Jahrgangsstufe 11 durch den Runderlaß des .Kultusministers vom 30.10.1973 (Gern. Amtsblatt 1973, S. 604). 193 Ziffer 1. 5. des Runderlasses des Kultusministers vom 28. 3. 1973 (Gern. Amtsblatt 1973, S. 188).
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2. Teil: Landesrechtliche Normierung der Versetzungserheblichkelt
sich aus den Punkten ergibt, die ein Schüler in den Leistungsfächern, in den Grundkursen und in der Abiturprüfung erreicht hat, ist auch die Note im Religionsunterricht dabei zu berücksichtigen. Das gilt natürlich erst recht, wenn - was möglich ist194 - Religionslehre als ein Leistungsfach, als drittes schriftliches Fach oder als mündliches Fach in der Abiturprüfung gewählt wird. IV. Kirchenvertragliche Regelungen
Der Vertrag des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhl vom 14. Juni 1929m und der Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen vom 11. Mai 1931 ue enthalten keine schulrechtlichen Bestimmungen, damit auch keine Vorschriften über den Religionsunterricht197. Den Religionsunterricht betreffende Vorschriften finden sich jedoch im Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933 (Reichskonkordat). Die Fragen, ob und mit welchem Rang es fortgilt und inwieweit die Länder an es gebunden sind198, brauchen hier nicht erörtert zu werden. Auch Art. 21 und 22 des Reichskonkordats qualifizieren den katholischen Religionsunterricht als "ordentliches Lehrfach". Sie weichen von der gesetzlichen Regelung für die hier diskutierten Fragen nicht wesentlich ab199• B. Die Gültigkeit der Runderlasse des Kultusministers I. Die Runderlasse als Verwaltungsvorschriften
Alle aufgeführten200 Runderlasse sind in der Form von "Verwaltungsvorschriften" ("Verwaltungsverordnungen", "Verwaltungsanordnungen", "Verwaltungsanweisungen") ergangen. Das ergibt sich schon aus folgendem: Die unter 1. und 3. aufgeführten Runderlasse geben keine Rechtsgrundlage für ihren Erlaß an; die unter 2. aufgeführten Lehrpläne enthalten regelmäßig folgenden Eingangssatz: "Unter Bezugnahme auf § 1 Schulverwaltungsgesetz setze ich folgende Stundentafeln 194 Vgl. Ziffer 8. 3. 2. der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz vom 7. 7.1972. 195 Preußische Gesetzessammlung, S. 151. n• Preußische Gesetzessammlung, S. 107. 197 Näheres hierzu bei Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 422 f. 198 Vgl. BVerfGE 6, 309 ff. und Müller, Reichskonkordat, bes. S. 18 ff., 50 ff. 199 Text dieser Artikel in BVerfGE 6, 313, bei Haugg, Schulordnungsgesetz, S. 423 und Weber, W., Konkordate, S. 14 ff. 2oo Teil 2 A . II. und III.
B. Die Gültigkeit der Runderlasse des Kultusministers
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fest: " Dieser § 1 lautet: ,.Schulen im Sinne dieses Gesetzes sind Bildungsstätten, in denen Unterricht unabhängig vom Wechsel der Lehrer und Schüler nach einem von der Schulaufsichtsbehörde unter Anführung dieser Vorschrift festgesetzten oder genehmigten Lehrplan erteilt wird." Damit erfüllen alle hier zu erörternden Runderlasse nicht die formellen Voraussetzungen, die verfassungsrechtlich beim Erlaß von Rechtsverordnungen geboten sind (Art. 80 Abs.l GG, Art. 70 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen). Die Qualität von Rechtsverordnungen scheitert für einen Teil der Runderlasse schon daran, daß in ihnen keine Rechtsgrundlage angegeben ist; für den andern daran, daß die Rechtsgrundlage nicht Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt. Ferner ist keiner der Erlasse im Gesetz- und Verordnungsblattverkündet worden, wie es Art. 71 Abs. 2 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen für Rechtsverordnungen vorschreibt101. Auch daraus ergibt sich, daß die Runderlasse des Kultus.., ministerskeine Rechtsverordnungen sind101. 11. Verwaltungsvorscllriften und Vorbehalt des Gesetzes
Alle Runderlasse würden dann gegen die genannten Verfassungsbestimmungen verstoßen und wären nichtig, wenn die Materie, die sie regeln, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes hätte geregelt werden müssen; mit anderen Worten, wenn hier der Vorbehalt des Gesetzes eingreifen würde. In diesem Zusammenhang spielt es eine Rolle, daß es sich bei dem Verhältnis Schule-Schüler um ein sogenanntes Besonderes Gewaltverhältnis handelt. Indem die "Besonderen Gewaltverhältnisse" zum Innenbereich der juristischen Person ,.Staat" erklärt, teilweise vom ,,Recht" ausgenommen und als dem Gesetzesvorbehalt nicht unterworfen angesehen wurden, hielt man es auch in der Weimarer Zeit für möglich, den gesamten Bereich der ,.Besonderen Gewaltverhältnisse" durch Verwaltungsverordnungen zu regelnzoa. Unter der Geltung des Grundgesetzes ist mittlerweile anerkannt, daß es ein ,.selbständiges Rechtsverordnungsrecht" der Verwaltung nicht gibt; mit anderen Worten: daß das ,.Besondere Gewaltverhältnis" kein rechtsexemter Bereich ist, sondern daß auch hier grundsätzlich der Vorbehalt des Gesetzes gilt104 • Ver! 01 Im Gegensatz etwa zur Regelung des Art. 63 Abs. 2 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg ist eine anderweitige gesetzliche Regelung (Verkündung "ausnahmsweise" im Staatsanzeiger, so § 1 des baden-württembergischen Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen) durch Art. 71 Abs. 2 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht zugelassen. 101 Zum Erfordernis der Veröffentlichung ausführlich VGH Baden-Württemberg in: BaWüVBl. 1972, S. 187 f. toa Repräsentativ: Jacobi. 104 Im einzelnen ist hier allerdings noch sehr vieles umstritten; hierher gehören die (problematischen) Unterscheidungen von Grund- und Betriebs-
2. Teil: Landesrechtliche Normierung der Versetzungserheblichkelt
60
waltungsvorschriften sind nur insoweit zulässig, als sie lediglich die "Innensphäre der Verwaltung" 205, "den organschaftliehen Funktionsablauf zwischen Organwaltern, Organen und Organismus" 208 betreffen. Dagegen gilt für den "Außenbereich", das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, das über die "Innensphäre der Verwaltung" hinausgeht, der Vorbehalt des Gesetzes207 • 111. Der Inhalt der Runderlasse
Nach diesen Kriterien sind die hier interessierenden Runderlasse zu prüfen208 • Während der "Runderlaß betr. den Religionsunterricht an Schulen aller Art" sich nur an die Schulverwaltung wendet und eine innerdienstliche Formalität vorschreibt, die keine Regelung im Verhältnis zum Schüler darstellt und daher als Verwaltungsvorschrift erlassen werden durfte, ist dies hinsichtlich der Lehrpläne und Stundentafeln schon zweifelhafter209 • Ganz sicher bleibt aber die Versetzungsordnung nicht in der Innensphäre der Verwaltung. Die Entscheidung über Versetzung oder Nichtversetzung ist eine Regelung im Verhältnis StaatBürger (Schüler) und hat nichts mit irgendeiner Organ- oder OrganwaUerstellung des Schülers zu tun. Zumindest die Versetzungsordnung durfte daher nicht als Verwaltungsvorschrift erlassen werden, sondern bedurfte der gesetzlichen Ermächtigung. Da sie die Voraussetzungen einer Rechtsverordnung nicht erfüllt, ist sie nichtig210 • verhältnis, echten und unechten Besonderen Gewaltverhältnissen usw. Vielfach wird zwar der Rechtssatzcharakter von Regelungen im "Besonderen Gewaltverhältnis" anerkannt, daraus aber noch nicht die Geltung des Gesetzesvorbehalts gefolgert; so hat Böckenförde, Organisationsgewalt; S. 69 einen entsprechenden Schluß als "klassischen Fall von Verfassungswandlung durch Begriffsvertauschung" bezeichnet. Eine übersieht über den neuesten Stand der Diskussion bietet Hennecke, S. 122 ff. 205
206
Wolf!, S. 107.
Rupp, S. 34.
H. M.: Nachweise bei Wolf!, S. 107; vgl. insbes. Rupp, S. 78 f. Anders als die hier gewählte Prüfungsreihenfolge (zunächst formelle, dann materielle Qualifizierung) wird in der Rechtsprechung häufig zunächst geprüft, ob die entsprechende Regelung inhaltlich eine Rechtsvorschrift darstellt (vgl. z. B. VGH Baden-Württemberg in: DVBI. 1961, S. 523 sowie in: BaWüBVI. 1972, S. 185): Das hängt aber mit der Art des Verfahrens zusammen, in dem diese Entscheidungen ergangen sind: Ein Antrag nach§ 47 VwGO ist nur .dann zulässig, wenn die Prüfung einer im Range unter dem Landesgesetz .stehenden Rechtsvorschrift begehrt wird. Einen sachlichen Unterschied verursacht die Prüfungsreihenfolge nicht. 209 Diese Frage wird gegenwärtig stark debattiert; aktueller Anlaß ist vielfaCh die Einführung des Unterrichts in Sexualkunde. Eine Übersicht über den Stand der Meinungen bringt Hennecke, S. 132 ff. und 155 ff., der selbst die Lehrpläne und Stundentafeln als dem Gesetzesvorbehalt unterfallend ansieht, S. 139 ff.; begründet wird dies u. a. damit, daß die "Intention der Schule primär auf Formung der individuellen Persönlichkeit, auf Eingriffe in die geistige Struktur des Individuums" (S. 144) gerichtet sei und daher eine besonders intensive Form des Eingriffs in die persönliche Freiheit darstelle. 207
208
B . Die Gültigkeit der Runderlasse des Kultusministers
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IV. Der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nach der Rechtspredlung des Bundesverwaltungsgeridlts
Auch das Bundesverwaltungsgericht hat es abgelehnt, den Prüfungsrichtlinien, die als Verwaltungsvorschrift erlassen sind, unmittelbare rechtsnormative Außenwirkung zuzuerkennen211 • Die Frage, ob derartige Versetzungsrichtlinien von einem Kultusminister ohne gesetzliche Grundlage als Verwaltungsvorschrift wirksam erlassen werden können, taucht erst in einer späteren, gleichgelagerten Entscheidung auf und wird dort unentschieden gelassen212 • Denn auch im Fall der Nichtigkeit, so fährt die Entscheidung fort und so wurde das Problem auch in der früheren Entscheidung gelöst, wären die in der Praxis angewendeten Grundsätze bei der Prüfung der Frage, ob der Gleichheitssatz gewahrt ist, zugrunde zu legen. Eine Abweichung von der ständigen Verwaltungsübung wäre ein Verstoß gegen Art. 3 GG -wodurch mittelbar die vorher verneinte Außenwirkung herbeigeführt ist. Dieser Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, der auch auf anderen Rechtsgebieten (Steuerrichtlinien, Beihilfevorschriften) praktiziert wird, ist ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Auch andere oberste Bundesgerichte haben sich ihr angeschlossen213 • Auf eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Konstruktion kann hier verzichtet werden214 • Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung wird im folgenden von der Außenwirkung der aufgeführten Runderlasse, die in der Verwaltungspraxis den Entscheidungen der Schulbehörden zugrunde gelegt werden, ausgegangen. Die Runderlasse werden im Ergebnis funktionell wie Rechtsverordnungen behandelt.
210 Ebenso: Evers, S. 163; Fuss, S. 201 ff., 213 ff.; Heckel- Seipp, S. 123 und 374; dort auch die Widerlegung der untauglichen Rettungsversuche wie: Art. 7 Abs. 1 GG als Ermächtigung, stillschweigende oder gewohnheitsrechtliche Ermächtigung (so aber VGH Baden-Württemberg in: DVB1.1961, S . 524) usw.; auch die Konstruktion von "Sonderverordnungen" durch Wolf!, S. 121- 123, für die eine gewohnheitsrechtliche Ermächtigung bestehen soll, stellt sich insoweit als unzulässige Umgehung des Art. 80 GG dar. Auch Hennecke, S. 159 ff., kommt zu der Feststellung, daß "die Regelung der didaktischen Inhalte zwar kraft Gesetzes oder auf Grund gesetzlicher Ermächtigung erfolgen muß, aber tatsächlich des formellen Gesetzescharakters entbehrt"; trotzdem scheut er wegen der weitgehenden Folgen vor dem Verdikt der "Verfassungswidrigkeit" zurück und versteht seine Ausführungen nur als "Postulat". 211 BVerwG in: NJW 1959, S. 1843. 212 BVerwG in: DÖV 1963, S. 474. 213 Nachweise bei Wolf!, S. 108; für den schulischen Bereich vgl. neuerdings OVG Lüneburg in: RdJ 1972, S. 54. 214 Vgl. dazu etwa: Rupp, S. 120 ff. mit weiteren Nachweisen.
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2. Teil: Landesrechtliche Normierung der Versetzungserheblichkeit C. Rechtslage bei Annahme der Gültigkeit der Runderlasse des Kultusministers im Verhältnis zu den Schülern I. Die Qualifizierung des Religionsunterrichts
In Ausführung der "Saarbrücker Rahmenvereinbarung"m sind in Nordrhein-Westfalen neue Stundentafeln durch Runderlaß des Kultusministers festgelegt wordenua. In den "Erläuterungen zu den neuen Stundentafeln nach der Rahmenvereinbarung" 117 heißt es, daß "die Zahl der Pflichtfächer auf 9 ... herabgesetzt" wird. Ein Vergleich mit den Stundentafeln zeigt, daß Religionslehre in diesen neun Fächern mitgezählt ist. Religionslehre ist folglich als Pflichtfach qualifiziert. Daranhat sich durch die neuesten Stundentafeln nichts geändert. Wie dargestellt218, wird sie auch in Zukunft in der neugestalteten Sekundarstufe II im "Pflichtbereich" bleiben. Hieraus ergibt sich, daß die Leistungen in Religionslehre wie die in jedem andern Pflichtfach benotet werden. Darüber hinaus ist das auch durch den Runderlaß des Kultusministers vom 31.7.1956218 ausdrücklich vorgeschrieben. II. Das Fach Religionslehre in der Systematik der Versetzungsordnung
1. Ziffer 2. der Versetzungsordnung Die Qualifizierung des Faches Religionslehre als Pflichtfach ist auch für die Versetzungsordnung von Belang. Die Bezeichnung "Pflichtfach" wird dort jedoch nur einmal verwendet, und zwar in Ziffer 2.220 • Wenn es dort heißt, Leistungen in den Fächern, die im nächsten Schuljahr nicht mehr als Pflichtfächer gelten, seien mitzubewerten, so kann daraus gefolgert werden, daß erst recht die Fächer mitzubewerten sind, die im nächsten Schuljahr Pflichtfächer bleiben. Da nach den Stundentafeln Religionslehre in allen Klassen aller Oberschulen Pflichtfach ist, muß es gemäß Ziffer 2. der Versetzungsordnung bei den Versetzungen mitbewertet werden.
2. Ziffer 4. der Versetzungsordnung Die Versetzungsordnung gibt in Ziffer 4. Richtlinien, die bei unzureichenden Leistungen in einzelnen Fächern zu beachten sind. Es hanVgl. oben zu Fn. 187. us Amtsblatt 1961, S. 53. m Runderlaß des Kultusministers vom 6. 3. 1961 (Amtsblatt 1961, S. 73). tts Vgl. oben Teil 2 A. III. tu Vgl. oben Teil2 A. li. 1. 22o Text vgl. oben Teil2 A. II. 3.
115
C. Rechtslage bei Gültigkeit der Runderlasse
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delt sich also um eine Spezialregelung gegenüber Ziffer 2. der Versetzungsordnung. a) Wahlfreies Fach Wäre Religionslehre "wahlfreies Fach" im Sinn von Ziffer 4. c) der Versetzungsordnung, so könnten befriedigende und bessere Leistungen bei der Versetzungsentscheidung mitgewertet werden; Minderleistungen jedoch nur dann, wenn Religionslehre für den Schultyp bezeichnend oder wenn Minderleistungen nicht auf Unvermögen zurückzuführen sind. "Wahlfreies Fach" ist nur ein anderer Ausdruck für "Wahlfach"m. In neuerer Zeit wird in gleicher Bedeutung der Ausdruck "zusätzliche Unterrichtsveranstaltung" gewähW22 - wahrscheinlich zur besseren Abhebung gegenüber dem "Wahlpflichtfach", wo zwar auch eine Wahlmöglichkeit besteht, die Teilnahme an einem der zu wählenden Fächer aber Pflicht ist. Demgegenüber ist das Charakteristikum der "zusätzlichen Unterrichtsveranstaltung" (gleich: Wahlfach, gleich: wahlfreies Fach), daß die Teilnahme freiwillig ist. Religionslehre ist kein wahlfreies Fach. Das ergibt sich aus folgendem: Zunächst (und das würde zur Begründung ausreichen) ergibt sich aus Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG, daß der Religionsunterricht nicht als Wahlfach behandelt werden darf223 • Das gleiche folgt aus den (inhaltlich durch Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG geprägten) Normierungen des Art.14 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und der §§ 31-35 des nordrhein-westfälischen Schulordnungsgesetzes. Es folgt aber auch aus den Runderlassen des Kultusministers. In diesen Erlassen wird an verschiedenen Stellen deutlich, daß auch hier "Pflichtfach" und "Wahlfach" (wahlfreies Fach, zusätzliche Unterrichtsveranstaltung) als Gegensatz betrachtet wird124• Die Qualifizierung des Faches Religionslehre als Pflichtfach durch diese Erlasse schließt es daher aus, Religionslehre als wahlfreies Fach anzusehen. Das wird weiter daran deutlich, daß zusätzliche Unterrichtsveranstaltungen nach den Stundentafeln aller höheren Schulen erst ab Obersekunda abgehalten werden, Religionsunterricht jedoch ab Sexta auf dem Lehrplan steht; daß bei zusätzlichen Unterrichtsveranstaltungen die Leistungen nicht mit den normalen Notenstufen bewertet werden, dies jedoch kraft ausdrücklicher Anordnung zu Vgl. oben Teil 2 A. li. 2. am Anfang. Auch das OVG Münster geht in seinem Urteil vom 15. Juni 1971 (vgl. oben im Fallbericht) ohne weiteres davon aus, daß "Wahlfach", "wahlfreies Fach" und "zusätzliche Unterrichtsveranstaltung" gleichbedeutend sind. zza Vgl. oben Teill. !24 Vgl. I und III des Runderlasses des Kultusministers vom 25. 3. 1950 (Amtsblatt 1950, S . 76 rechts) ; I 1. des Runderlasses des Kultusministers vom 6. 3. 1961 (Amtsblatt 1961, S. 73); V. 1. des Runderlasses des Kultusministers vom 5. 3. 1965 (Amtsblatt 1965, S. 34). 121
M
2. Teil: Landesrechtliche Normierung der Versetzungserheblichkeit
beim Fach Religionslehre der Fall ist225 ; daß ein Schüler wegen unzureichender Leistungen von der Teilnahme an einer zusätzlichen Lehrveranstaltung ausgeschlossen werden kann, im Fach Religionslehre jedoch eine derartige Möglichkeit nicht besteht. Eine solch klare Normierung auf allen Ebenen, von der Verfassung bis zu den Runderlassen des Kultusministers, kann nicht dadurch umgangen werden, daß unter Berufung auf den Satz, wesentlich gleiche Sachverhalte müßten notwendig gleich behandelt werden226 , das Fach Religionslehre den Wahlfächern gleichgestellt wird. Ein solches Vorgehen widerspricht Normen, einschließlich einer Verfassungsnorm; es ist juristisch unzulässig. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß Religionslehre nicht "wahlfreies Fach" im Sinn der Ziffer 4. c) der Versetzungsordnung ist. b) Wissenschaftliches Fach Das Fach Religionslehre müßte dann positiv und negativ bei Versetzungsentscheidungen mitbewertet werden, wenn es "wissenschaftliches Fach" im Sinn der Ziffer 4. a) 2. der Versetzungsordnung wäre. Ziffer 4. der Versetzungsordnung enthält folgende Begriffe: "Fach mit schriftlichen Arbeiten", "wissenschaftliches Fach", "Deutsch", "Leibesübungen", "wahlfreies Fach", "musisches Fach", "Hauswirtschaft". Hiervon sind die ersten drei voll, die letzten vier nur im positiven Fall ver~etzungserheblich. Es ist zu beachten, daß die Begriffe sich teilweise überschneiden; so ist z. B. "Deutsch" sowohl "wissenschaftliches Fach" als auch "Fach mit schriftlichen Arbeiten". Alle Fächer können zum wahlfreien Fach werden; denn: "zusätzliche Unterrichtsveranstaltungen können sein: Arbeitsgemeinschaften in Philosophie, in Pädagogik, in allen übrigen Unterrichtsfächern der höheren Schule ..." 227• Hinter den in Ziffer 4. aufgezählten Begriffen steht mithin auch das Gegensatzpaar Pflichtfach - Wahlfach; Wahlpflichtfächer sind als "ordentliche Lehrfächer" insoweit Pflichtfächer228 • Alle Fächer, die nicht wahlfrei sind, sind also Pflichtfächer. Die (möglichen) Pflichtfächer sind in Ziffer 4. erschöpfend aufgezählt; danach kann Religionslehre nur "wissenschaftliches Fach" sein. Anders ausgedrückt: Von den sieben in Ziffer 4. der Versetzungsordnung aufgezählten Begriffen kommt, nachdem "wahlfreies Fach" ausgeschlossen ist, im Sinn einer einfachen Subtraktion nur noch "wissenschaftliches Fach" in Betracht. Dieses Ergebnis folgt aus der Systematik der Versetzungsordnung. Es kann übrigens auch von der Sache her gerechtfertigt werden. Allerdings 22s 228
227 228
Vgl. oben Teil 2 C. I. am Ende. So das OVG Münster (vgl. oben im Fallbericht). Runderlaß des Kultusministers vom 6. 3. 1961 (Amtsblatt 1961, S. 73). Vgl. oben Teil 2 A. II. 2. Mitte.
C. Rechtslage bei Gültigkeit der Runderlasse
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sei dies, da es lediglich ein unterstützendes Argument ist, nur kurz belegt. Nach einer groben Einteilung kann man die Wissenschaftlichkeit eines Schulfachs in zweierlei Hinsicht begreifen: als wissenschaftsorientierten und als wissenschaftspropädeutischen Unterricht, bzw. mit anderen Worten: nach Inhalt und nach Methode. Den Inhalt des Religionsunterrichts bilden Gegenstände, die herkömmmlich als "Wissenschaften" angesprochen werden; genauer: die einen Beziehungspunkt wissenschaftlichen Arbeitens bilden, so: Kirchengeschichte, theologische Dogmatik und Exegese, Religionssoziologie, philosophische Grundlagen der Religionen, vergleichende Religionskunde usw. All dies ist an den Universitäten Gegenstand wissenschaftlicher Beschäftigung. Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des Religionsunterrichts setzen daher auch bezeichnenderweise in erster Linie bei der Unterrichtsmethode an: Der Religionsunterricht, der die Aufgabe hat, Glauben zu vermitteln und in der Beteiligung der Schüler am Unterricht ein Glaubensbekenntnis fordert, sei nicht wissenschaftlich2ze. Ob das richtig ist, sei dahingestellt; denn neue Tendenzen gehen dahin, Glaubensindoktrination im Religionsunterricht abzulehnen und an deren Stelle die allgemeinen schulischen Unterrichtsmethoden zu setzen. Es darf zunächst auf die zitierten230 Äußerungen evangelischer und katholischer Religionspädagogen hingewiesen werden, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Ferner ist das Bemühen erkennbar, Erkenntnisse der schultheoretischen (insbesondere Didaktik- und Curriculum-)Diskussion voll auf den Religionsunterricht anzuwenden231 • Daß ein so verstandener Religionsunterricht nicht nur theoretische Forderung ist, sondern sich auch in der Praxis durchzusetzen beginnt, ist ebenfalls bereits gezeigt worden282 • Die folgenden Thesen zum katholischen Religionsunterricht an Gymnasien, die 1970 vom Verband katholischer Religionslehrer an höheren Schulen Nordwestdeutschlands verabschiedet wurden, belegen, daß der Religionsunterricht mit dem gleichen Maßstab der "Wissenschaftlichkeit" gemessen werden kann, der auch sonst im Schulunterricht angelegt wird: "1. Der Religionsunterricht muß von den Lernzielen und Erziehungsaufgaben der Schule her begründet werden ... 2. Der Religionsunterricht wendet sich an alle Schüler, nicht nur an gläubige. Er ist auf Sachinformation und kritisches Verstehen von Religion, Glaube und Kirche angelegt ... 3. Für den Religionsunterricht gelten die didaktischen und methodischen Prinzipien der Schule ..." 229
2ao 2 31 232
So das OVG Münster (vgl. oben im Fallbericht). Vgl. oben Teil 1 E. III. So vor allem Nipkow. Vgl. oben Teill E. IV.
5 Müller1Pieroth
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2. Teil: Landesrechtliche Normierung der Versetzungserheblichkeit
Folgerichtig kann diesem Religionsunterricht auch nicht mehr entgegengehalten werden, eine echte Leistungsbewertung sei nicht möglich233 • Das zeigt sich in der Erklärung "Zur Frage der Zensuren im Fach Religionslehre", die 1971 von den evangelischen und katholischen Religionslehrerverhänden Nordrhein-Westfalens erarbeitet und der staatlichen Richtlinienkommission für den katholischen und evangelischen Religionsunterricht beim Kultusminister in Düsseldorf vorgelegt wurde. Dort heißt es unter anderem: "I. . . . Der Religionsunterricht ist ein wissenschaftliches Fach. Seine Wissenschaftlichkeit liegt in den Unterrichtsinhalten sowie in den Unterrichtsverfahren. Inhaltlich setzt er sich kritisch auseinander mit den Fragestellungen und Stoffen der christlichen und außerchristlichen Überlieferung, mit den Existenzfragen des Menschen im gegenwärtigen gesellschaftlichen, sozialen und politischen Horizont sowie mit den individuellen Erfahrungen und Lebensfragen. Didaktisch und methodisch gelten für ihn die Prinzipien der wissenschaftsorientierten Schule. Insofern ist er anderen geisteswissenschaftlichen Fächern gleichzustellen. II. Insofern der Religionsunterricht ein wissenschaftliches Lehrfach ist, ergibt sich die Möglichkeit, insofern er ein ordentliches Lehrfach ist, die Notwendigkeit einer Zensurengebung. Die Note im Fach Religionslehre muß demzufolge nach denselben Maßstäben wie die Noten in vergleichbaren wissenschaftlichen Fächern erteilt werden. Die Zensur gibt keine Auskunft über die religiöse, moralische oder politische Haltung oder über die Führung eines Schülers. Der Religionslehrer kann nur die Leistung des Schülers beurteilen, d. h. seine Fähigkeit, methodisch und sachgerecht zu arbeiten. Eine ablehnende Einstellung gegenüber Inhalten des christlichen Glaubens wirkt sich als solche bei der Notengebung nicht aus. Der Glaube des Schülers kann und darf nicht zensiert werden." Daß diese Forderungen nicht nur auf dem Papier stehen, kann daran werden, daß ein Autor, der der Beschönigung des Religionsunterrichts unverdächtig ist, folgendes schreibt: "Inzwischen ging die Schulpraxis ihre eigenen Wege ... Besonders in den oberen Klassen der Gymnasien gehört der klassische Religionsunterricht als Glaubensunterweisung der Vergangenheit an. Mit geringeren oder größeren Abweichungen wird der Unterricht im Sinne der soeben erwähnten Halbfas'schen Konzeption284 erteilt. Der Religionsunterricht ist im Begriff, zu einem wissenschaftlichen Lehrfach zu werden235. " ~rmessen
133 !34 235
So aber das OVG Münster (vgl. oben im Fallberichtl. Vgl. oben zu Fn. 150. Fischer, Trennung, S. 255.
D. Ergebnis zum Ersten und Zweiten Teil
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3. Ergebnis Religionslehre ist nicht wahlfreies, sondern wissenschaftliches Fach im Sinn von Ziffer 4. der Versetzungsordnung. Religionslehre ist voll versetzungserheblich. D. Ergebnis zum Ersten und Zweiten Teil I. Die Lage nadl Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG
1. Fragestellung: Wahlfach, nicht Pflichtfach? Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG läßt es nicht zu, daß der Religionsunterricht als Wahlfach eingerichtet wird. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG normiert, daß der Religionsunterricht als Pflichtfach zu erteilen ist. Dabei gilt die Besonderheit des Art. 7 Abs. 2 GG (iVm. dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung).
2. Fragestellung: Versetzungserheblichkeit? Hierzu ergibt der Geltungsgehalt des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG weder positiv noch negativ eine rechtliche Aussage. Das Grundgesetz hält insoweit, übrigens in Übereinstimmung mit dem bundesstaatliehen Prinzip und der Kulturhoheit der Länder, einen verfassungsrechtlich gewährten normativen Spielraum für landesrechtliche Regelungen auf Verfassungs-, Gesetzes- oder Untergesetzesebene offen. II. Die Lage nach Landesredlt
Dieser normative Spielraum ist durch das Landesrecht von NordrheinWestfalen in dem Sinn ausgenützt worden, daß das Fach Religionslehre an den öffentlichen Schulen des Landes versetzungserheblich ist.
Dritter Teil
Verstößt die Versetzungserheblichkeit des Fachs Religionslehre im übrigen gegen Bundesverfassungsrecht? A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes I. Der Gesichtspunkt des .,säkularen" Staats
1. Die Fragestellung In der staatskirchenrechtlichen Diskussion wird teilweise die pauschale Formel verwendet, der Staat des Grundgesetzes sei ein .,säkularer" Staat. Soweit aus dieser verfassungspolitischen Bezeichnung juristische Folgerungen abgeleitet werden, gehen diese in der Richtung, das Verhältnis dieses Staats zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften sei allein im Sinn der Abgrenzung und der Ausgrenzung zu verstehen, nicht im Sinn zulässiger staatlicher Förderung kirchlicher Zwecke und auch nicht im Sinn einer entweder institutionellen oder informellen Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften. Im hier untersuchten Bereich soll es nach dieser Argumentation dem "säkularen" Staat verwehrt sein, die Leistungen eines Schülers im Fach Religionslehre zu Kriterien seiner Versetzung zu machen. Die einzige Begründung für dieses Ergebnis liegt somit darin, einem Staat, der als "säkular" zu bezeichnen sei, stehe ~in derartiges Verhalten prinzipiell nicht an. Da aber juristische Folgerungen nur aus Normen geltenden Rechts abgeleitet werden können, unterstellt diese Auffassung, das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes, wie es z. B. im Art.140, in Art. 4 oder Art. 7 GG und in sonstigen einschlägigen Vorschriften umschrieben ist, sei in diesem Sinn zu interpretieren; und zwar deswegen, weil es insgesamt einen .,säkularen" Staat verfassungskräftig normiere. Zum einen ist die juristische Stichhaltigkeit dieser Voraussetzung zu prüfen; zum andern die Frage, ob sich- ihre Richtigkeit unterstellt- aus ihr die genannte Folgerung als normative Anordnung des geltenden Staatskirchenrechts herleiten läßt.
A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes
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2. Verfassungsrechtliche Bedeutung der Qualifikation "säkularer Staat" nach dem Grundgesetz "Säkular" ist der bürgerlich-liberale Verfassungsstaat der europäischen Neuzeit insofern, als er sich weder ideell mit einem bestimmten Bekenntnis noch institutionell mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizert. In diesem Sinn ist auch der durch das Grundgesetz konstituierte Staat säkular. Wie Einzelfragen des Staatskirchenrechts im übrigen geregelt sind, ist eine Frage des positiven Verfassungsrechts; ist also eine Frage, die im Rahmen dieses bürgerlich-liberalen Verfassungsstaats westlicher Prägung historisch wie rechtsvergleichend erheblich differiert. "Säkular" kann sowohl der weltanschaulich neutrale Staat als auch der laizistische Staat als auch ein Gemeinwesen sein, in dem Religionsfreiheit und Toleranz herrschen. Für Einzelfragen des Staatskirchenrechts ist damit noch nichts ausgesagt. Der Staat des Grundgesetzes ist "säkular" insofern, als er nach Art. 137 Abs.l WRV iVm. Art.l40 GG eine Staatskirche nicht kennt; insofern, als er nach Art. 4 GG Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit gewährleistet und als er zur weltanschaulichen Neutralität zwischen den verschiedenen Weltanschauungen bzw. Bekenntnissen von Verfassungs wegen verpflichtet ist. Nicht ist er kraft geltendem Verfassungsrecht in dem Sinn "säkular", daß ihm jede Förderung religiöser Zwecke oder kirchlicher Belange verwehrt wäre oder in jenem, daß ihm Kooperation, einzelne institutionelle Verbindungen oder auch das Anknüpfen an religiöse oder weltanschauliche Sachverhalte verwehrt sein müßten. Der Staat des Grundgesetzes ist "säkular" nur im definierten Sinn. Auch er setzt- wie allgemein der Typus des bürgerlich-liberalen Verfassungsstaatsder Neuzeit- die prinzipielle Verschiedenheit der Aufgaben von "säkularem" Staat und "säkularer" Gesellschaft auf der einen Seite, der geistlichen Aufgaben der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf der anderen Seite voraus. Entsprechend seiner Zugehörigkeit zu diesem Verfassungstypus unternimmt es das Grundgesetz - und unternehmen es, ihm folgend, die Verfassungen der Länder - , diese prinzipiell verschiedenen Aufgabenkreise und Aufgabenträger im Sinn einer freiheitlich-rechtsstaatliehen Zuordnung miteinander in Beziehung zu setzen. Dabei beschränkt sich das Grundgesetz auf die Normierung grundlegender Tatbestände. Mehr in die Einzelheiten gehende Regelungen enthalten die Landesverfassungen und das Unterverfassungsrecht, das wegen der Kultuskompetenz der Länder im Bundesstaat des Grundgesetzes überwiegend Landesrecht ist. Dasselbe Verhältnis hat sich in der hier erörterten Frage gezeigt: Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG läßt die Frage der Versetzungserheblichkeit des Fachs Religionslehre offen; d. h. er überläßt es den Ländern, wie die verfassungsrechtlic'1e
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
Normierung "ordentliches Lehrfach" in Fragen der Versetzung und ihrer schulverwaltungsmäßigen Einzelheiten akzentuiert werden soll. Damit erweist sich das eingangs genannte Argument, der "säkulare" Staat dürfe nicht das Fach Religionslehre als versetzungserheblich normieren, als vom Verfassungsrecht des Grundgesetzes her unbegründet.
3. Verfassungsrechtliche Bedeutung der Qualität des Staats des Grundgesetzes als "weltanschaulich neutraler" Staat Das "Säkularitäts"-Argument kann aber auch als ungenaue Formulierung der weltanschaulichen Neutralität des vom Grundgesetz konstituierten Gemeinwesens aufgefaßt werden. Juristische Geltungskraft hat die eingangs formulierte These allerdings auch hier nur dann, wenn diese weltanschauliche Neutralität eine Getrenntheit von staatlicher und kirchlicher Sphäre in dem Sinn zum Inhalt hätte, daß es dem Staatkraft Verfassungsrecht verwehrt sein müßte, die Versetzungserheblichkeit des Fachs Religionslehre anzuordnen bzw.- wie unter dem Grundgesetzdie Frage offenzuhalten und sie den Bundesländern zur Normierung zu überlassen. Nach dem zum Grundsätzlichen und zur Interpretation von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG Gesagten, ist auch dieses Ergebnis am geltenden Recht nicht belegbar. Auch ein "säkularer" bzw. ein "weltanschaulichneutraler" Staat hat die Rechtsetzungsmacht, in seiner Verfassung Einzelfragen des Verhältnisses von Staat und Kirche oder, wie hier, mit kirchlichen Positionen und Aktivitäten zusammenhängende Aspekte des Schulwesens in einem bestimmten Sinn positiv zu regeln. Offen ist nur die Frage, ob der weltanschaulich neutrale Staat des Grundgesetzes, den man im verfassungshistorischen Sinn auch als einen "säkularen" Staat bezeichnen kann, als laizistisches Staatswesen verstanden werden muß. Diese Frage ist jedenfalls aus verfassungstheoretischen Gründen von Interesse. Verfassungsrechtlich wird ihr dadurch die Schärfe genommen, daß auch ein prinzipiell laizistischer Staat wiederum die Rechtsmacht hat, Ausnahmen von seiner grundsätzlichen Haltung verfassungsrechtlich zu normieren. Der mögliche Befund, weltanschauliche "Neutralität" müsse unter dem Grundgesetz laizistisch verstanden werden, könnte aber als verfassungstheoretisches Element der Interpretation von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG Bedeutung gewinnen. Der Staat des Grundgesetzes ist weltanschaulich neutral. Das findet vor allem in Art. 4 GG als einer der fundamentalen Freiheitsnormen und in Art. 3 Abs. 3 GG als einer der fundamentalen Gleichheitsnormen seinen Ausdruck. Diese Neutralität, wie sie vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung herausgearbeitet wurde238 , ist mit einem 238
Vgl. vor allem das Urteil BVerfGE 12, 1, 4; ferner BVerfGE 18, 386;
19, 1, 7 f. u. a.
A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes
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laizistischen Trennungssystem nicht identisch. Nach Art.140 GG iVm. Art.137 Abs.l WRV ist nicht jede denkbare institutionelle Verbindung von Staat und Kirche untersagt. Untersagt ist zum einen die privilegierte Behandlung einer bestimmten Religion als rechtlich herausgehobener Staatsreligion ("Staatskirche") und zum andern eine institutionelle Verbindung zwischen Staat und Kirche im rechtlichen Kernbereich. Dagegen sind jedenfalls nach herrschender Auffassung etwa Anstalts- und Militärseelsorge, Kirchensteuer und Staatsleistungen nicht verfassungswidrig. Entgegengesetzte Interpretationsversuche übersehen tendenziell, daß diese Fragen zulänglich nicht von einem abstrakten staatskirchenrechtlichen Modell aus behandelt werden können. In der vorliegenden Frage tritt zunächst die föderalistische Struktur des Staats des Grundgesetzes in den Vordergrund: Schulgesetzgebung und Schulverwaltung sind prinzipiell Sache der Länder. Die Länder haben das Recht, ihr Schulrecht innerhalb der normativen Grenzen, die das Grundgesetz umschreibt, frei zu gestalten237• Auch die Grundrechte des Art. 4 GG können hierbei nicht so verstanden werden, als hätte das Grundgesetz ein laizistisches Staatswesen begründet. Es hat vielmehr "einen Staat geordnet, den neutrale und tolerante Haltung, zugleich aber die Erhaltung einer Verbindung mit den traditionellen religiösen Kräften des Volkes charakterisieren"238. Die Behauptung einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche, d . h. eine Deutung der säkularen Qualität des Staats oder des Gebots seiner weltanschaulichen Neutralität im laizistischen Sinn, ist aus positivem Verfassungsrecht nicht herleitbar. Sie unterstellt ihre verfassungspolitische Verwechslung von Toleranz und Indifferentismus, von Neutralität und Trennungsdenken als Element geltender Normen238 • Der weltanschaulich neutrale Staat des Grundgesetzes muß mit seiner Rechtsordnung und in dem von ihr konstituierten Raum freiheitlicher Auseinandersetzung und Willensbildung für alle Weltanschauungen und Glaubensüberzeugungen offen sein. Er muß ihnen die Möglichkeit bieten, nach dem Maß ihrer Überzeugungskraft Einfluß zu gewinnen. Dieser verfassungsrechtliche Rahmen ist durchsetzt von spezialgesetzlichen Regelungen von Verfassungs- und Unterverfassungsrang, die traditionelle Rechtsgehalte und die gegenwärtige gesellschaftliche Bedeutung der 237 Vgl. BVerfGE 6, 309, 354; 34, 165, 181; Hesse, Staatskirchenrecht, S. 69; Peters, Elternrecht, S. 404 ff.; Scheuner, Auseinandersetzungen, S. 145 ff. 2as Scheuner, Auseinandersetzungen, S. 146. 139 Die laizistische Ausdeutung durch Fischer, Trennung; ders., Antwort,
wird im Schrifttum zu Recht als verfassungsjuristisch nicht haltbar abgelehnt; vgl. hierzu etwa v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 79 ff.; Hesse, Freie Kirche, S. 337 ff., 340; Hollerbach, Trennung, S. 63 fi.; Marre, S. 10 ff., 13; Scheuner, Auseinandersetzungen; Schlaich, S. 185 f., 214 f. Gegen die Verwechslung von Neutralität und Indifferentismus im Staatskirchenrecht ferner z. B. Arndt, Aufgaben, S. 53 ff., 75; Geiger, Grundlagen, S. 13 ff., 35 f.; Müller, Reichskonkordat, S. 42 ff.; ders., Gemeinschaftsschulen, S. 441 ff.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
Religionsgemeinschaften anerkennen. Angesichts solcher Normen sind Versuche positivrechtlich zum Scheitern verurteilt, das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes einheitlich auf einen laizistischen Nenner zu bringen. Das gilt hier für die Regeln des Art. 7 GG; es gilt beispielsweise auch für die verfassungsrechtliche Qualifizierung von Religionsverbänden als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Wenn das Grundgesetz in Art.137 Abs. 4 und 5 WRV iVm. Art.140 GG eine solche Qualifikation ausspricht, so wird den betreffenden Religionsverbänden kraftpositiven Rechts ein öffentlich-rechtlicher Status zuerkannt, der sie über Privatvereinigungen hinaushebt und der als Spezialnorm eine Absage an ein radikallaizistisches "System" der Trennung von Staat und Religionsverbänden markiert240 • Weder die Säkularität noch die Neutralität des Staats des Grundgesetzes ist mit einer laizistischen Gesamtnormierung des Staatskirchenrechts dieser Verfassung gleichsetzbar. Die verfassungsrechtliche Lage muß nach den je speziell geregelten Sachmaterien ermittelt werden. Der Staat des Grundgesetzes darf sich nicht mit einer Kirche institutionell identifizieren; das schließt aber verfassungsmäßige Formen staatlichkirchlicher Zusammenarbeit unterhalb dieser "Schwelle" nicht aus. Vergleichbar ist die Frage weltanschaulicher Neutralität des Staats: Der Staat darf sich nicht mit seinen hoheitlichen Mitteln zum Zwangsvollstrecker der Lehre einer bestimmten Religionsgesellschaft machen. Das wäre dann der Fall, wenn er sich ohne verfassungsrechtliche Ermächtigung und unter Zwang gegen Andersdenkende mit der Lehre einer Religion oder Religionsgesellschaft identifizierte. Dieser vom Neutralitätsgebot ausgeschlossene Extremfall steht nicht zur Debatte. Im übrigen läßt sich die Frage, was der säkulare Staat des Grundgesetzes dürfe oder nicht dürfe und was unter weltanschaulicher Neutralität dieses Staats zu verstehen sei, nur für die jeweilige Sachmaterie und an ihren Normenbeständen beurteilen. Juristisch nicht beurteilen läßt es sich von pauschalen verfassungspolitischen Begriffen aus, die wegen Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 7 Abs. 5 GG, Art.137 Abs. 5 und 6 WRV iVm. Art.140 GG mit der Normlage nicht übereinstimmen. Normativ erlaubte Verbindungen von Staat und Kirche können informell oder partiell institutionalisiert sein; sie können in Anerkennung, in Delegation von Rechtsmacht, in der Normierung von Zusammenarbeit oder im Offenhalten von Möglichkeiten für staatliche Stellen bestehen, in ihren gesetzgeberischen, administrativen und judiziellen Rechtsakten je nach Art der positiven Regelung auch auf religiöse oder religionsverbandliehe Vorstellungen oder Tatbestände zurückzu240 Vgl. z. B. Albrecht, S. 143; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 95; Dilrig, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 19 III, Rdnr. 39; Hollerbach, Verträge, S. 122 f.; Marre - Schlief.
A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes
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greifen bzw. an solche Tatbestände anzuknüpfen. Das sich aus Art.137 Abs. 1 WRV iVm. Art. 140 GG, aus Art. 4, 3 Abs. 3 und 33 Abs. 3 GG ergebende Neutralitätsgebot ist vielfältiger Differenzierung bedürftig. Es hat keinen staatlichen Oktroi des Laizismus zum Inhalt; keine "monolithisch geschlossene Staatsideologie des weltanschaulichen ,Neutralismus' und der Bindungslosigkeit"; es bedeutet nicht "das Diktat eines Neutralismus im Sinne verordneter Standpunktlosigkeit und eines weltanschaulichen Vakuums" 241 • Nur durch Vertauschung verfassungsrechtlich nicht normierter kulturpolitischer Zielvorstellungen mit der Garantie der Religionsfreiheit und dem Gebot der Neutralität wird diese Neutralität in eine angebliche Verpflichtung des Staates zur Abwehr alles Religiösen verkehrtm. Die staatliche Ordnung beruht nicht selbst auf einem bestimmten Glauben oder Bekenntnis; Glaube, Bekenntnis und Kirche liegen vom Ansatz her jenseits der Aufgaben des weltlichen Staatsverbandes. Nichts anderes bedeutet die Aussage, der Staat des Grundgesetzes sei ein säkularer Staat. Damit werden Glaube und Bekenntnis jedoch nicht in einen außer-staatlichen, von der Verfassung negativ ausgegrenzten Raum verbannt. "Die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staates läßt sich im demokratischen Gemeinwesen des Grundgesetzes nicht mit religiöser und weltanschaulicher Indifferenz in eins setzen. Religionsfreiheit bedeutet in der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes klare Unterscheidung und freiheitliche Zuordnung, nicht abwehrende Distanzierung von Glaube und Bekenntnis24a."
Heckel, M., Staat, S. 100,209. Hesse, Freie Kirche, S. 337 ff., 360. 243 Hesse, Freie Kirche, S. 354 ff., 356. Der Neutralitätsbegriff wird mit Bezug auf das Schulwesen verkannt von Fischer, Trennung, S. 267. Hingegen 241
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wird bei Keim, das S. 126 zunächst in derselben Richtung akzentuierte Neutralitätsgebot im Hinblick auf die geltende Rechtslage unter dem Grundgesetz entscheidend relativiert: Im Verhältnis des Staates zu den Kirchen besage der Grundsatz der Neutralität nicht dasselbe wie Indifferenz gegenüber religiösen Werten, S. 143. S. 145 ff. räumt Keim grundlegende verfassungsgemäße Modifizierungen des idealtypischen Bildes von "Neutralität" gerade im Schulwesen unter dem Grundgesetz ein. - Zur Nichtidentität des Neutralitätsgebots mit durchgängiger staatlicher Indifferenz in Dingen von Religion und Weltanschauung siehe weiter z. B. Albrecht, S. 152 f., 177, 197; Hofmann, Gemeinschaftsschulen, S. 439, 441; Link, S. 297 ff., 302; Maunz, S. 438 ff.; Obermayer, Staatskirchenrecht, S. 9 ff., 16; Scheuner, Auseinandersetzungen, S. 145 ff., 147, 153; Stein, Rechtsprechung, S. 120 ff., 135 und f. Kritisch zu Scheuner: v. Zerschwitz, Schulgebet, S. 337 ff., 339. Wie hier im Text ferner BayVfGH in: DÖV 1968, s.· 171 ff., 172 f.; Heckel, M., Staat, S. 28 f., 100, 129 f., 138 ff., 203 f., 210, 266 f.; Hesse, Freie Kirche, S. 337 ff., 349, 354 ff., 357, 359 f.; Müller, Reichskonkordat, S. 42 ff., 47 ff.; Schlaich, S. 173, 183, 187 f., 198 f.; Toews, S. 69 und f. - Daß gerade auch für den politischen Bereich das Gebot weltanschaulicher Neutralität den Staat nicht zur Wertfreiheit verurteilt, wird etwa von Arndt, Aufgaben, S. 53 ff., 69; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 71 ff., 79 ff.; Peters, Konkordatsprozeß, S. 1478 ff., 1498; Stein, Ek., S. 22 zu Recht hervorgehoben.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
4. Der Zusammenhang von Art. 7 GG mit der vorliegenden landesrechtliehen Regelung Eine pauschale Argumentation aus der "säkularen" Natur des Staats des Grundgesetzes ergibt für den vorliegenden Fall keine normativen Gesichtspunkte. Das verfassungsrechtliche Gebot weltanschaulicher Neutralität des Staates ist für die Problematik insoweit nicht einschlägig. Der Staat des Grundgesetzes kann durchaus die Frage der Versetzungserheblichkeit des ordentlichen Lehrfachs "Religionslehre" in seiner Bundesverfassung offen lassen. In dem normativ offen gehaltenen Spielraum können Gesetzgebung und Verwaltung der Länder eigenverantwortlich entscheiden. Grenzen der Gestaltung durch die Länder können nur in sonstigem Bundesverfassungsrecht liegen; nicht aber in einer dem "säkularen" Staat schlechthin gezogenen Grenze, die - wie dargestellt - des normativen Charakters entbehrt. Auf solche Weise verwirklicht sich hier im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG die Kompetenzverteilung des bundesstaatliehen Aufbaus. Diesem Aufbau ist es angemessen, daß das Grundgesetz Einzelfragen von der Art der Versetzungserheblichkeit nicht unmittelbar und abschließend kraft Bundesverfassungsrechts regelt, sondern daß Regelungen solchen Typs der Gesetzgebung und der Verwaltung der Länder überlassen werden. Ein solches Offenhalten ist die normative Antwort des Art. 7 Abs. 3 GG auf die hier zu prüfende Frage. Den verbliebenen normativen Spielraum hat das Land Nordrhein-Westfalen kraft seiner grundsätzlichen Kompetenz in Kultusangelegenheiten eigenverantwortlich und nach der bisherigen Untersuchung korrekt ausgefüllt.
II. Der staatskirchenrechtliche Gesichtspunkt der "Trennung von Staat und Kirche"
1. Das Argument in der Literatur Das Argument zur "säkularen" Natur des Staats des Grundgesetzes kann schließlich dahin verstanden werden, die Verfassung habe ein System der Trennung von Staat und Kirche konstituiert, in dessen Rahmen positive Förderung religiöser und kirchlicher Belange bzw. das Anknüpfen an religiöse und kirchliche Tatbestände als systemwidrig und verfassungswidrig angesehen werden müßten. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, der Staat des Grundgesetzes lege sich die Verpflichtung auf, den religiösen und weltanschaulichen Bereich von Staats wegen als irrelevant zu behandeln. Für diese Folgerung wird auf Art. 137 Abs.1, Art.136 WRV iVm. Art.140 GG und auf die Normen weltan-
A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes
75
schaulieber Neutralität verwiesen, also auf Art. 3 Abs. 3, Art. 4 und 33 Abs. 3 GG. Die Verleihung von Körperschaftsrechten an die Kirchen nach Art.137 Abs. 5 WRV iVm. Art.140 GG soll in dieser Sicht insofern unerheblich sein, als das Trennungsprinzip im Grundgesetz zwar nicht ausnahmslos, wohl aber grundsätzlich verankert sei. Die Regelung von Staatsleistungen und Anstaltsseelsorge habe hiernach mit der Frage der Trennung ebenfalls nichts zu tun. Art. 7 Abs. 3 GG schließlich enthalte einen durch die Verfassung positivrechtlich gebilligten Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz und weiche, ebenso wie das Besteuerungsrecht der Kirchen, von diesem Prinzip ab144 • Nach den Regeln der auch vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung angewandten systematischen Verfassungsinterpretationm ist eine isolierende, den normativen Zusammenhang der grund-: gesetzlichen Vorschriften übergehende Auslegung nicht haltbar. Die Argumentation mit "Regel" und "Ausnahme" ist insoweit nicht richtig, als sie über das positive Recht hinaus ein "System" oder "Modell" postuliert, das aus dem positiven Recht in dieser Form gerade nicht hervorgeht248. Von einem solchen "System" aus können die spezialgesetzlichen Regeln des Verfassungsrechts nicht einschränkend oder abwertend interpretiert werden. Die Frage des Verhältnisses von Staat und Religionsverbänden ist als Frage des positiven Verfassungsrechts zu stellen und zu beantworten, nicht im Sinn historischer oder logischer Spekulation auf außerverfassungsrechtliche "Prinzipien". Sie ist eine Frage der Gesamtverfassung. Sie muß alle einschlägigen normativen Aussagen des Grundgesetzes berücksichtigen, wenn anders sie nicht mit außerverfassungsrechtlichen, vor allem mit kultur- und verfassungspolitischen Inhalten vermengt werden soll. Es ist das Prinzip der Einheit der Verfassung, das dem Interpreten die allseitige normative Durchdringung komplexer Rechtsprobleme auf dem Boden des geltenden Verfassungsrechts auferlegt247 • In dem hier zu prüfenden Zusammenhang ist weder eine isolierende Sicht des Art. 4 GG noch eine normative Abqualifizierung der durch Art. 140 GG inkorporierten Kirchenartikel noch eine ab1" Diese Auffassung bei Fischer, Trennung (vgl. schon oben Teil 1 C. II. zu Fn. 54); mit zum Teil verschiedenen Akzentuierungen ferner etwa bei Krüger, Rezension, S. 72 ff.; ders., Verfassungswandel, S. 727; Quaritsch, S.175 ff. ua über deren Bedeutung vgl. z. B. BVerfGE 11, 126, 130. ua Vgl. schon oben Teil 1 C. II. 147 Zu diesem Grundsatz, den die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt hat, vgl. BVerfGE 1, 14, 32; 3, 225, 231 f.; 19, 206, 220; Ehmke, S. 77 f.; Hesse, Grundzüge, S. 12, 28, 109 ff., 200 f.; Müller, Normstruktur, S. 115, 124 f., 136, 213, 220; ders., Methodik, S.155 ff.; zur systematischen Interpretation ebendort, z. B. S. 146 ff., 148, 149 ff.; Scheuner, Pressefreiheit, S.l25 f .
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
schwächende oder einseitig festlegende Auslegung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG im Dienst außerverfassungsrechtlicher Postulate zulässigu8 •
2. Einzelne Elemente einer Trennung von Staat und Kirche nach dem Grundgesetz Anders verhält es sich dann, wenn nicht postulativ von einem "System" der Trennung von Staat und Kirche unter dem Grundgesetz gesprochen wird, aus dem einzelne Fragen ungeachtet ihrer spezialgesetzlichen Normierung durch Deduktion gelöst werden sollen; sondern wenn gefragt wird, welche Elemente eines (vom Grundgesetz nicht bzw. noch nicht verwirklichten) Trennungs-"Systems" sich in dieser Verfassung finden. Solche Elemente sind schon in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 festzustellen. Die WRV spricht nicht mehr von "Kirchen", sondern nur noch abstrakt von "Religionsgesellschaften". Sie verbietet eine institutionelle Verbindung von Kirche und Staat im Kernbereich im Sinn des überkommenen Landeskirchenturns (Art. 137 Abs. 1 WRV). Sie gewährleistet die Gründungsfreiheit für Religionsgesellschaften und religiöse Vereine und garantiert das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nur noch in den "Schranken des für alle geltenden Gesetzes" (Art. 137 Abs. 3 WRV). Diese Elemente sind vom Grundgesetz rezipiert worden. Rezipiert wurden aber auch auf der anderen Seite Normen wie die öffentlich-rechtliche Stellung der Kirchen oder das kirchliche Besteuerungsrecht. Das typisch deutsche System der staatlichen Kirchenhoheit über autonome Kirchen hatte durch die Zähigkeit seiner Traditionsbildung 1918/19 den Übergang zu einem System der Trennung verhindert. Dasselbe gilt für die Jahre nach 1945 und für die Bundesverfassunggebung im Jahr 1949. Ein homogenes staatskirchenrechtliches "System" im Sinn eines der geschichtlich und rechtsvergleichend feststellbaren Grundmodelle der Beziehungen zwischen Staat und Kirchen weist das Grundgesetz nicht auf. Die aktuelle Rechtslage läßt sich durch die Grundtypen nicht zureichend erfassen: weder durch die Verbindung von Staat und Kirche im Sinn von Staatskirchenturn oder Kirchenstaatstum, noch (seit 1945) durch das System der staatlichen Kirchenhoheit noch auch durch das Koordinationssystem oder schließlich das System der Trennung von Staat und Kirche. Daher ist die Möglichkeit, das Normiertsein eines die248 Zu diesem Vorrang des geltenden Verfassungsrechts vor außerverfassungsrechtlichen Postulaten oder Prinzipien z. B. Grundmann, S. 193, 195 f.; Hesse, Freie Kirche, S. 337 ff., 353; Link, S. 297 ff., 300 f. zu Art. 4 GG; Maunz, S. 436 ff.; Scheuner, Religionsfreiheit, S. 585 ff.; Schlaich, S. 198 f.; Weber, H., Grundprobleme, S. 38 f.; gleicher methodischer Ansatz insofern in der EKDStellungnahme, S. 120 f. (II. 1.).
A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes
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ser Systeme zu behaupten und ausgehend von dieser Behauptung dann die einzelnen Vorschriften des geltenden Rechts umzuinterpretieren, einer rechtsstaatliehen Methodik verschlossen. Die Auffassung, die staatskirchenrechtliche Ordnung des Grundgesetzes sei im Sinn einer grundsätzlich strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, unterbewertet auf methodisch nicht vertretbare Weise so weitreichende Normierungen wie Art.137 Abs. 5 und 6, Art.138 WRV iVm. Art.140 GG, Art. 7 Abs. 5 und - einschlägig im vorliegenden Fall - Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Staatskirchenrecht des Grundgesetzes kann auch nicht länger als System einer "hinkenden Trennung" oder als "System der vertragsgesicherten autonomen Trennungskirchen" (Ulrich Stutz) verstanden werden; zuviel hat sich durch den veränderten normativen Kontext gegenüber den staatskirchenrechtlichen Regelungen der Weimarer Reichsverfassung geändert. Vielmehr enthält die staatskirchenrechtliche Gesamtregelung des Grundgesetzes neben Elementen der Verbindung und der Trennung auch Elemente der Koordination von Staat und Kirche und ihres Rechts. Diese Gesamtregelung geht - bei prinzipieller Verschiedenheit staatlicher und kirchlicher Sphären - von einem Status voller Selbständigkeit der Kirchen im Sinn der ihnen durch die staatliche Verfassung eingeräumten Freiheiten selbstverantwortlicher Aktivität in der Gesellschaft aus, und zwar auf der Grundlage einer Reihe staatlich eingeräumter, d. h. verfassungsrechtlich normierter oder übernommener Rechtspositionen der Religionsgemeinschaften. Eine Verweisung der Religionsverbände in das Privatrecht nach amerikanischem oder französischem Vorbild, eine Verweisung des Fachs Religionslehre in den originären Verantwortungsbereich der Religionsverbände oder auch die verfassungskräftige Herabstufung dieses Fachs zu einem "ordentlichen Lehrfach zweiter Klasse" sind vom Grundgesetz nicht normiert worden. Die Kirchen sind kraft ihres öffentlich-rechtlichen Status als Korporationen, aber auch darüber hinaus Bestandteile der öffentlichen (nicht: "staatlichen") Ordnung. Einzelne Befugnisse, wie das Besteuerungsrecht oder die Fähigkeit, Beamte einzustellen oder öffentliche Urkunden auszustellen, beruhen auf übertragener staatlicher Vollmacht. Auch der Umstand, daß Staatskirchenrecht weithin Verfasssungsrecht ist, daß die Verfassungen des Bundes und der Länder den Religionsgemeinschaften in der Regel einen ganzenAbschnitt widmen und ihnen bestimmteRechte gewähren, belegt, daß die Kirchen und ihr Recht nach dem staatskirchenrechtlichen Ansatz des Grundgesetzes und der ihm eingeordneten Länderverfassungen nicht die Stellung privater Vereinigungen bzw. die Rolle privaten Vereinsrechts zugeteilt erhalten haben248 • 249
Hierzu vergleiche etwa Scheuner, Erörterungen, S. 108 ff., 129 f.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
So enthält die staatskirchenrechtliche Gesamtregelung des Grundgesetzes Elemente der Sonderung von Staat und Kirche (Art. 137 Abs. 1 WRV iVm. mit Art.140 GG), der Gewährleistung kirchlicher Freiheit im Rahmen der allgemeinen Gesetze (Art. 137 Abs. 3 WRV iVm. Art. 140 GG), der Förderung (Art.137 Abs. 5 und 6, Art.138 WRV iVm. Art.140 GG), der Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften in den durch die Institutionen und Kompetenzen der Verfassung geordneten Bahnen, die Religions-, Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit für einzelne und Gruppen (Art. 4 GG) und einzelne partiell-institutionelle Verbindungs- bzw. Kooperationsformen wie die des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG. Dabei wird die verfassungsrechtliche Vermittlung mit den Grundrechten des Art. 4 GG im letztgenannten Fall durch die Verfassung selbst (Art. 7 Abs. 2, Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG) gewährleistet. Die Elemente der Trennung sind also mit der prinzipiellen Freiheitsverbürgung für die Religionsgesellschaften verbunden, mit ihrer öffentlichen Anerkennung und mit der Gewährleistung institutioneller Positionen und Wirkungsmöglichkeiten. Diesem Sachverhalt versucht die Theorie gerecht zu werden, wenn sie von der "hinkenden" (Ulrich Stutz), der "abgemilderten" (Kern), der "positiven" (Ridder), der Trennung "eigener Art" (Ebers) spricht bzw. wenn sie, dasselbe anders formulierend, von der "gelockerten Fortsetzung der Verbindung von Staat und Kirche" (Scheuner) ausgeht. Eine grundsätzlich laizistische Trennung im Sinn des Verbotes von Rücksichtnahme, Zusammenarbeit, Förderung, Anknüpfung bzw. von einzelnen informellen oder partiell-institutionellen Rechtsformen der Kooperation ist von der Tradition der deutschen Staatskirchenrechtslehre aus gutem Grund nicht behauptet worden250• Dieses Prinzip der "Sonderung" von Staat und Kirche, d. h. normierte Einzelelemente einer Trennung beider Bereiche, sind enthalten in der institutionellen Aussage des Art.137 Abs. 1 WRV iVm. Art.140 GG: "Es besteht keine Staatskirche". Es wird ergänzt durch die Normierungen weltanschaulicher Neutralität des Staats (Unabhängigkeit der öffentlichen Ämter, der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte vom Bekenntnis: Art.33 Abs.3 GG, 136 Abs.1-4 WRV iVm. Art.140 GG, Verbot der konfessionell bedingten Bevorzugung bzw. Benachteiligung: Art. 3 Abs. 3 GG). Durch diese Normen werden die Organisation des Staats wie der Status der Staatsbürger von kirchlicher bzw. konfessioneller Gebundenheit im Sinn der älteren vor-liberalen Tradition befreit. Der Sinn der Trennungselemente ergibt sich ferner aus ihrem Systemzusammenhang mit der individuellen Religionsfreiheit des Art. 4 GG und des Art.136 Abs.1-4 WRV iVm. Art.140 und aus dem Systemzusammenhang mit Art.137 Abs. 2-7, der Gewährleistung der Kirchen150 Hierzu mit weiteren Nachweisen Heckel, M., Kirchen, S. 27 ff.; dort auch zum folgenden.
A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes
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freiheit und kirchlicher Förderung. Im Zusammenhang systematischer Interpretation verbietet sich die Inhaltsbestimmung der einzelnen Elemente des Trennungsprinzips lediglich im Sinn der negativen Religionsfreiheit, also im Sinn laizistischer Verfassungspostulate. Das Verbot der Staatskirche nach Art. 137 Abs.1 WRV iVm. Art.140 GG bedeutet nicht eine totale Bereichsscheidung in einen staatlichen und einen kirchlichen Bereich. Es geht von der Überlagerung kirchlicher Ordnung und Wirksamkeit mit staatlicher Ordnung und Wirksamkeit aus. Durch Art. 137 Abs. 1 WRV iVm. Art. 140 GG ist aber ausgeschlossen, daß sich der Staat mit einer bestimmten Religion ("Staatsreligion") oder einem bestimmten Religionsverband ("Staatskirche") identifiziert. Vom "System der Trennung von Staat und Kirche" kann nur dort gesprochen werden, wo der Staat sich nicht nur unter das Gebot weltanschaulicher Neutralität stellt und sich mit einer Staatsreligion bzw. Staatskirche nicht identifiziert, sondern wo er zugleich die Kirche nicht als öffentlichrechtliche Kraft anerkennt und sie und ihr Recht deswegen in den Status privater Vereinigungen und privaten Vereinssatzungsrechts verweist. Im Trennungssystem sind Religionsverbände private Verbände. Als privatrechtliche Organisationen genießen sie Freiheit im Rahmen des normalen bürgerlichen Rechts. Das Trennungssystem in diesem Sinn wurde von der Bundesverfassung der Vereinigten Staaten von 1787 und in Frankreich mit der Gesetzgebung der Revolution von 1789 eingeführt. Es besteht im Grundsatz in den USA und in Frankreich bis heute251 , daneben etwa in der Sowjetunion und in Mexiko. Am Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland kann es sowenig studiert werden wie am Rechtszustand unter der Weimarer Reichsverfassung, im Kaiserreich oder in den frühkonstitutionellen deutschen Verfassungen des 19. Jahrhunderts251.
3. Bedeutung und verfassungsrechtliche Tragweite von Art.137 Abs.l WRViVm. Art. 140 GG Nach der aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Norm des Art.137 Abs.1 besteht auch unter dem Grundgesetz keine "Staatskirche". Damit wird Abschied vom Staatskirchenturn überkommener Prägung genommen, wie es im deutschen Bereich vor allem in Form des 151 Näher dazu etwa v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 188 ff.; zu den USA ausführlich Schlaich, S. 139 - 152 mit weiteren Nachweisen S. 140 Fn. 45.- Vgl. neuestens Lei sching. 132 In demselben Sinn jeweils mit weiteren Nachweisen - vgl. z. B. Heckel, M., Kirchen, S. 5 ff., 26 ff., 31 ff., 34 ff. ; Hesse, Freie Kirche, S. 355 gegen v. Zezschwitz, Schulgebet, S. 337 ff., 339 und gegen Fischer, Trennung (1. Auß. 1964), S. 32 f., 144, 230 ff., 261 ; Hollerbach, Kirchen, S. 57 ff., 60 ff.; Listl, z. B. S. 6 f., 9 f., 16 f. Wie hier ferner Becker, S. 2005; Hollerbach, Trennung, S. 64 f.; Mayer-Scheu, S. 116 f., 124 ff., 128 f., 137 ff.; Scheuner, Religionsfreiheit, S. 588; Schlaich, S. 182 ff., 214 f. u. a.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
evangelischen Landeskirchenturns jahrhundertelang die bestimmende staatskirchenrechtliche Grundfigur gewesen war. Die Weimarer Reichsverfassung und das Grundgesetz ziehen damit die normative Folgerung aus einer Entwicklung des Auseinandertretens von Staat und Kirche in der europäischen Neuzeit, die spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts deutlich geworden war. Die Ausgangslage ist seither die einer faktischen Differenz von Staat und Religionsverbänden. Die weltliche Organisation Staat und die geistliche Organisation Kirche sind zu sozialen Gegebenheiten geworden, die - anders als vielfach in der Tradition - weder voneinander ableitbar sind noch sich gegenseitig bedingen. Auch ist das von ihnen gesetzte Recht weder im Sinn der Normen eines einheitlichen politischen Gemeinwesens zu verstehen, dem "Staat" und "Kirche" als zwei integrale Bestandteile eingegliedert wären; noch kann es länger als das Recht zweier im politischen Gemeinwesen einander als gleichberechtigt und kommensurabel entgegentretender Partner aufgefaßt werden. Vielmehr ist unter der Weimarer Reichsverfassung wie unter dem Grundgesetz Staatskirchenrecht staatliches Recht; nämlich das vom Staat für die Kirchen und Religionsverbände gesetzte Recht. Staatliches Recht ist Ausgangspunkt und verbindlicher Maßstab für alle staatskirchenrechtlichen Fragen253• Der bürgerlich-liberale Verfassungsstaat der Neuzeit begreift sich in seinem Territorium als die einzige Größe, der Souveränität zukommen kann. Die Mitwirkung der Religionsverbände auf der Ebene politischer Einflußnahme gegenüber Gesetzgebung, Regierung, Verwaltung und Öffentlichkeit (neben Parteien, Gewerkschaften, Verbänden) bringt sie ebensowenig wie jene anderen Verbände rechtlich in das Verhältnis einer "Gleichordnung" zum Staat. Der "Pluralismus" der innerstaatlichen sozialen und politischen Mächte, der die Schlagwörter vom "Parteienstaat" bzw. "Verbändestaat" rechtfertigt, löst rechtlich die Einheit der verfaßten Staatsgewalt nicht auf. Gesetze, Verwaltungsakte, Richtersprüche und sonstige Rechtsakte, durch die politisches Wollen in rechtliche Ordnung transformiert wird, ergehen innerhalb einer verfassungsrechtlich festgelegten Kompetenzordnung. Die Staatsgewalt ist insofern vielfältig beeinflußt, rechtlich aber homogen. Innerhalb dieser Ordnung, der Konzeption des modernen Verfassungsstaats, finden auch die Religionsgesellschaften und die Großkirchen den ihnen vom staatlichen Recht eingeräumten Platz. "Öffentliche Gewalt" im Sinn einer "ursprünglichen Herrschaftsgewalt" der Großkirchen, die der staatlichen Herrschaftsgewalt gleichgestellt sein soll254 , kommt ihnen nicht zu. Mag auch in einem verfassungsrechtlich nicht relevanten Sinn von "öffent253
Vgl. z. B. Obermayer, Staatskirchenrecht, S. 10; Quaritsch, S. 185 ff.; H., Religionsgemeinschaften, S. 18 ff. u. a. So z. B. Peters, Gegenwartslage, S. 187; vgl. auch BGHZ 34, S. 374.
Weber, 254
A. Das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes
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licher Gewalt" der Kirchen gesprochen werden, so ist diese jedenfalls nicht "staatliche Gewalt" 255 • Diese grundsätzlichen Bestimmungen markieren einen verfassungsgeschichtlichen Tatbestand, der zum Ende staatskirchlicher Formen, in Deutschland zum Ende des überkommenen Landeskirchentums, geführt hatte. Art. 137 Abs.1 WRV bedeutet das Verbot der Fortführung oder Wiedereinführung des Landeskirchentums. Der Satz hatte in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 seinen Sinn in der polemischen Orientierung an einer gerade erst überwundenen Stufe staatkirchenpolitischer Entwicklung. Von demselben Verständnis der Bedeutung des Art.137 Abs.1 WRV iVm. Art.140 GG geht das Bundesverfassungsgericht aus, wenn es im Zusammenhang mit dem Neutralitätsgebot davon spricht, es sei die "Einführung staatskirchlicher Rechtsformen" durch das Grundgesetz untersagt und wenn es in derselben Entscheidung - dem KirchensteuerUrteil - auf den durch Art.137 Abs.1 WRV bewirkten Wegfall des Landeskirchenturns alter Gestalt verweist256 • Heute ist Art. 137 Abs. 1 WRV iVm. Art. 140 GG insoweit gegenstandslos. Eine Wiedereinführung des Landeskirchenturns steht in der geschichtlichen Situation der Gegenwart nicht mehr zur Debatte. Ferner bringt die Norm des Art.137 Abs.1 WRV iVm. Art.140 GG, zusammen mit den Garantien der Religionsfreiheit in Art. 4 GG und mit den Geboten weltanschaulicher Neutralität des Staats, zum Ausdruck, daß sich der Staat des Grundgesetzes auch nicht so geriert, als bestehe noch eine Staatskirche. Diese Normen schließen organisatorische Verbindungen von Staat und Kirche im institutionellen Kernbereich aus; nicht dagegen die Möglichkeit staatlich-kirchlicher Verbindungen und Zusammenarbeit dort, wo dieser Kernbereich nicht in Frage steht, und dort, wo (wie beispielsweise bei der Stellung des Religionsunterrichts und der Religionslehre, der Theologieprofessoren und der Theologischen Fakultäten, der Militärgeistlichen und der Militärseelsorge) eine besondere verfassungsrechtliche Legitimation vorhanden ist. Eine solche Legitimation kann sich ergeben (a) aus ausdrücklichen Normierungen der Verfassung, so z. B. aus Art.137 Abs. 5 WRV iVm. Art.140 GG die Staatsaufsicht im dort bezeichneten Umfang oder aus Art. 7 Abs. 3 GG die Stellung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen und die Stellung der Religionslehrer als Staatsbeamte; 255 Vgl. hierzu den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 2. 1965, BVerfGE 18,385. 256 BVerfGE 19, 216, 217 ; aus der Literatur hierzu vgl. z. B. Link, S. 297 fl.
6 Müller/Pieroth
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
(b) oder aus der von der herrschenden Lehre angenommenen stillschweigenden Anerkennung traditioneller Rechtsgestaltungen durch das Grundgesetz, wie im Fall der Anstalts- und Militärseelsorge oder der Theologischen Fakultäten258".
Diese Art der Legitimation zu (b) wird auch in den Fragen des Anbringens religiöser Symbole in Schul- und Behördenräumen diskutiert256". Ein entscheidender Unterschied zwischen diesem letztgenannten Fall und dem Problemkreis der staatlichen Organisation der Anstalts- und Militärseelsorge liegt darin, daß die Seelsorge "im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten" nach der NormierungdesArt.141 WRViVm.Art.140GGvomGrundgesetz alsprinzipiell zulässig vorausgesetzt wird. Dasselbe gilt für die Stellung der Religionslehrer als Staatsbeamte und für die des Religionsunterrichts als eines ordentlichen Lehrfachs an den öffentlichen Schulen kraft der Normierung des Art. 7 Abs. 3 GG. In der schulverwaltungsrechtlichen Detailfrage der Versetzungserheblichkeit dieses ordentlichen Lehrfachs besteht, wie dargelegt, die Entscheidung der Bundesverfassung im Offenhalten der Möglichkeit differierender Gestaltung durch das Landesrecht.
B. Verfassungswandel im Staatskirchenrecht unter dem Grundgesetz? I. Fragestellung
Es ist dem in der Literatur gelegentlich anklingenden Argument nachzugehen, die Rechtslage unter dem Grundgesetz könne sich durch gesellschaftliche Veränderungen, hier: durch Änderungen in den allgemeinen Ansichten über Religion und Kirchlichkeit, von ihrem ursprünglichen Ausgangspunkt entfernt haben. Die Frage geht darauf, ob die durch das Grundgesetz normierte staatskirchenrechtliche Lage nach wie vor die Basis für Rechtsentscheidungen zu sein hat, oder ob hier mit rechtlicher Wirkung "Verfassungswandel" eingetreten sein könnte. II. Der Begriff "Verfassungswandel" und die Frage seiner Anwendbarkeit
1. Definitionen
Unter "Verfassungswandel" verstehen Staatsrechtslehre und Verfassungstheorie solche Änderungen des normativen Geltungsgehalts einer (geschriebenen) Verfassung, die weder im Weg der Verfassungsänderung noch in dem der Verfassungsdurchbrechung erfolgen. "VerVgl. dazu SoZte. Vgl. neuestens zu einem solchen Fall den Beschluß des BVerfG vom 17. 7.1973, abgedruckt z. B. in: NJW 1973, S. 2196 ff. 256"
2 56 "
B. Verfassungswandel im Bereich des Staatskirchenrechts?
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fassungsänderung" ist dabei die Änderung des Textes der Verfassung in den normativ dafür vorgesehenen Verfahren. "Verfassungsdurchbrechung" bedeutet eine Abweichung vom Text der Verfassung im Einzelfall ohne Textänderung durch Verfassungsänderung. Verfassungsdurchbrechungen wurden in der Staatspraxis der Weimarer Republik unter der Voraussetzung des Zustandekoromens der für Verfassungsänderungen erforderlichen parlamentarischen Mehrheiten als zulässig angesehen. Sie sind unter dem Grundgesetz durch Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG ausdrücklich ausgeschlossen. Für Verfassungswandel unter dem Grundgesetz bleibt von vornherein nur ein schmaler Raum übrig: Änderungen des normativen Verfassungsgehalts ohne Durchbrechung der geltenden Verfassung und ohne verfassungsänderndes Gesetzgebungsverfahren257. Verfassungswandel kann dann vorliegen, wenn ohne formelle Änderung des Verfassungstextes, andererseits aber auch ohne Durchbrechung der Verfassung durch staatliche Akte, in der sozialen Grundlage verfassungsrechtlicher Normierungen derart grundsätzliche Veränderungen vor sich gehen, daß die Interpretation und Konkretisierung der fraglichen Verfassungsartikel an dieser Veränderung ohne Verfälschung des juristischen Ergebnisses nicht mehr vorbeigehen kann. Veränderungen des "Normbereichs" führen zum Ergebnis des Verfassungswandels; nicht dagegen schon Veränderungen im "Sachbereich" einer Norm, d. h. allgemein in den sachlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, mit denen die Vorschrift in Berührung tritt258. Das "Normprogramm", das mit den herkömmlichen Mitteln der Interpretation und mit den von der neueren Praxis und Theorie entwickelten Konkretisierungselementen zu ermitteln ist, hebt aus der Gesamtheit der von einer Vorschrift betroffenen Gegebenheiten, aus dem "Sachbereich", den Normbereich als Bestandteil normativer Geltungsqualität der rechtlichen Regelung heraus. Der Normbereich ist insoweit ein Faktor, der die Narrnativität der rechtlichen Anordnung mit begründet. Er ist nicht nur eine Summe von Tatsachen; sondern er bedeutet die Grundstruktur des Regelungsbereichs der Norm, die von dieser vorausgesetzt wird, und ohne den sie einen normativen Sinn nicht entfalten kann. Da die Grundstruktur der von einer Rechtsnorm vorausgesetzten sozialen Wirklichkeit sich langfristig ändern kann, können sich die Ergebnisse der Normkonkretisierung ändern, ohne daß der Normtext (und damit im wesentlichen das "Normprogramm") einem formellen Änderungsverfahren unterworfen wurde. 257 Vgl. Hesse, Grundzüge, S. 16 f.; Hesse, Verfassungswandlung; Müller, Normstruktur, S. 117, 131 f. 258 Zu den Begriffen "Normbereich" und "Sachbereich" vgl. Müller, Methodik, S. 109 f.; ders., Normstruktur, z. B. S. 107 f., 117 f., 125 f., 131 ff., 137 ff., 142 ff., 184 ff., 201 ff.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
Die grundsätzliche Möglichkeit eines Verfassungwandels ändert nichts daran, daß die Konkretisierung der Verfassungsnormen an das geltende Recht gebunden bleibt. Inhalte, Aktionen, Vorstellungen, die im Widerspruch zum geltenden Verfassungsrecht stehen, können als "Verfassungswirklichkeit"- soweit diese eine verfassungswidrige Wirklichkeit ist- nicht gegen das positive Recht ausgespielt werden. Nur dann, wenn die Grundstruktur einer Verfassungsnorm sich in der sozialen Wirklichkeit (nicht nur in Meinungen und Anschauungen über diese) derart gewandelt hat, daß der Norm ihr Gegenstand sozusagen abhanden gekommen ist, muß Verfassungsinterpretation die Möglichkeit eines Verfassungswandels in ihre Überlegungen einbeziehen. Der Interpret darf sich also über die geschriebene Verfassung nicht hinwegsetzen. Andernfalls interpretiert er sie nicht mehr, sondern er ändert sie, was ohne förmliches Verfahren unzulässig ist; oder er durchbricht sie, was ihm durch das Grundgesetz gleichfalls verwehrt wird. Auch wenn der Interpret oder die entscheidende staatliche Stelle der Meinung sein sollte, ein Problem lasse sich auf Grund des geltenden Verfassungsrechts nicht angemessen, nicht "vernünftig" oder nicht mehr im Sinn der gegenwärtigen Lebensanschauungen lösen, bleibt er an die ursprüngliche Normierung der Verfassung gebunden259 •
2. Verfassungswandel im vorLiegenden Fall? Im Staatskirchenrecht ist das Problem des Verfassungswandels vor allem für die Neuordnung durch das Grundgesetz im Jahr 1949 aktuell geworden; und dies insofern, als Art.140 GG einen großen Teil der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung zu inkorporieren unternommen hat. Hierbei handelt es sich allerdings nach den gegebenen Definitionen nicht um "Verfassungswandel". Vielmehr liegt ein Fall neuer Verfassunggebung vor. Daß die aus der Weimarer Reichsverfassung rezipierten Normen im Rahmen des Grundgesetzes nicht einfach dasselbe sagen können wie in ihrem ursprünglichen Zusammenhang, folgt aus den Interpretationsprinzipien der systematischen Auslegung und der Einheit der Verfassung. Die Diskussion zum möglichen Bedeutungswandel der Weimarer Kirchenartikel durch Übernahme in das Grundgesetz (Art.140 GG)260 spielt daher hier keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, daß das Grundgesetz mit Art. 140 GG die fraglichen Normen der Weimarer Reichsverfassung zu unmittelbaren 259
Zu diesen Grenzen von Verfassungswandel und Interpretation vgl.
Hesse, Grundzüge, S. 19 f., 30 f.; Müller, Normstruktur, z. B. S. 160 f. u. ö. 2~0 Hierzu vor allem Smend, S. 4 ff.; Hesse, Staatskirchenrecht, S. 1 ff., 22 ff.; vgl. ferner Scheuner, Erörterungen, S. 108 ff., 112.
B. Verfassungswandel im Bereich des Staatskirchenrechts?
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Bestandteilen der Verfassung erhebt. Diese Normen stehen damit heute nicht nur in einer andern politischen, geistigen, sozialen und damit auch verfassungs- und rechtspolitischen Umgebung; sie stehen vor allem im Kontext anderer Normen, nämlich der Verfassungsvorschriften des Bonner Grundgesetz. In jedem Einzelfall muß ermittelt werden, wie systematische Interpretation der übernommenen Weimarer Artikel, die normales Verfassungsrecht des Grundgesetzes geworden sind, mit den übrigen in Frage kommenden Vorschriften dieses Grundgesetzes zu bewerkstelligen ist. So enthält das Grundgesetz wegen der Qualität der Kirchen als öffentlich-rechtlicher Körperschaften nur in einem eingeschränkten Sinn eine organisatorische Trennung von Staat und Kirche (Art.137 Abs.l WRV). Die Körperschaftsgarantie darf ebensowenig wie die Garantie des ReHgonsunterrichts als ordentlichen Lehrfachs an öffentlichen Schulen auf dem Weg einer isolierenden Interpretation der Glaubens- und Gewissensfreiheit verkürzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht ausgesprochen, daß die rezipierten staatskirchenrechtlichen Artikel der Weimarer Reichsverfassung voll gültiges Verfassungsrecht des Grundgesetzes geworden sind281 • Im vorliegenden Fall könnte allenfalls behauptet werden, die Normen des Grundgesetzes, welche die Annahme eines systematischen laizistischen "Trennungs"-Modells verhindern, seien angesichts der sogenannten "Emigration der Kirche aus der Gesellschaft", seien wegen der auch von den Kirchen eingeräumten Entwicklung "von der Volkskirche zur Gemeindekirche" nicht mehr zeitgemäß. Allerdings ist diese kulturpolitische Position in die im engeren Sinn juristische Argumentation des Staatskirchenrechts bisher nicht vorgedrungen. Als juristische Aussage müßte sie sich auf Verfassungswandel berufen können. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch, wie dargestellt, im Rechtsstaat mit geschriebener Verfassung sehr strikt eingegrenzt. Unter der Weimarer Reichsverfassung können wohl nur die Entwicklung der tatsächlichen Bedeutung der politischen Parteien und unter dem Grundgesetz der Fall der Überlagerung des innerstaatlichen Rechts durch das Recht der Europäischen Gemeinschaften auf der Grundlage von Art. 24 GG als Beispielsfälle für Verfassungswandel genannt werden. Verfassungspolitische Bestrebungen, kulturpolitische Tendenzen, Entwicklungen der öffentlichen Meinung sind dagegen keine Tatbestände, an die Folgerungen in Richtung auf einen "Verfassungswandel" geknüpft werden dürfen. Ein Verfassungswandel der staatskirchenrechtlichen Artikel des Grundgesetzes läge vielleicht erst dann vor, wenn sich die von diesen Normeri betroffenen Religionsgemeinschaften organisatorisch-institutionell aufgelöst hätten; in diesem Fall wären die Voraussetzungen, auf die sich die Verfassungsregelungen beziehen, nach ihrer Grundstruktur 261
BVerfGE 19,206, 218 ff.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
nicht mehr gegeben. Für die Fragen des Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 GG wäre an die Möglichkeit eines partiellen Verfassungswandels etwa dann zu denken, wenn die betroffenen Religionsgemeinschaften jedes praktische Interesse an Religionslehre an öffentlichen Schulen auf Dauer verlören. Dann wäre die Regelung des Art. 7 Abs. 3 Satz 2 insoweit obsolet geworden. Dieselbe Frage wäre dagegen für Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG noch nicht ohne weiteres beantwortet. Derartige Wandlungsvorgänge nicht nur in Anschauungen und Meinungen, sondern in der sachlichen Grundstruktur des von verfassungsrechtlichen Regelungen vorausgesetzten Normbereichs sind in dem hier zu prüfenden Problemkreis nicht aktuell. Änderungen der öffentlichen Meinung im Hinblick auf die Säkularität des Staats oder auf die mögliche Wünschbarkeit einer Trennung von Staat und Kirche de lege ferenda sind Gesichtspunkte, die verfassungspolitische Bedeutung haben und die auf dem Weg der Diskussion und Auseinandersetzung in demokratischer Meinungs- und Willensbildung zu Änderungen des positiven Rechts führen können. Ohne eine solche Änderung - die hier als förmliche Verfassungsänderung auftreten müßte - sind sie angesichts der Bindung jedes Interpreten an das geltende Recht und des Verbots von Verfassungsdurchbrechungen juristisch nicht entscheidend. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß auf dem fraglichen Feld dem allgemeinen staatskirchenrechtlichen Ansatz des Grundgesetzes und der Interpretation seiner staatskirchenrechtlichen Gesamtregelung, besonders im Bereich von Art. 7 Abs. 3 GG - von einem Verfassungswandel nicht gesprochen werden kann. Unter diesem Aspekt jedenfalls ändert sich nichts an den bisherigen Aussagen.
C. Verstoß gegen Art. 4 GG? I. Art. 4 GG als Elemen,t objektiver Ordnung
Der Doppelcharakter der Grundrechte- einerseits: subjektive Rechte der einzelnen, andererseits: Grundelemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens- tritt bei den Rechten des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 deutlich hervor52• Die Tragweite des Art. 4 GG als Grundelement objektiver Ordnung263 ist im wesentlichen schon oben im Zusammenhang mit dem staatskirchenrechtlichen "System" des Grundgesetzes behandelt worden. Art. 4 GG ist eine der Normen, die die "weltanschauliche Neutralität" des Staats des Grundgesetzes mitbegründen264 • Das heißt: eine Vgl. Hesse, Grundzüge, S. 116 ff., 155 f. Wie Fn. 46. zu Vgl. oben Teil3 A. I. 1 und 3.
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C. Verstoß gegen Art. 4 GG?
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Neutralität, die einerseits eine ideelle Identifizierung mit einem bestimmten Bekenntnis und eine institutionelle Identifizierung mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft verbietet285, andererseits aber nicht mit einem grundsätzlichen Laizismus in eins zu setzen und insgesamt vielfältiger Differenzierung auf Grund unterschiedlicher Einzelregelungen des positiven Verfassungsrechts bedürftig ist. Sowenig wie etwa Art. 4 GG im Sinn der insoweit nicht einschlägigen Regel "lex specialis derogat legi generali" aus dem Blick geraten darf, dürfen andere Einzelregelungen im Grundgesetz auf dem Weg einer isolierenden Interpretation des Art. 4 GG in ihrer normativen Bedeutung eingeschränkt werden. Darauf ist im Zusammenhang mit dem Prinzip der Einheit der Verfassung ebenfalls schon hingewiesen worden288 • Ob aus der durch Art. 4 GG mitkonstituierten objektiven Ordnung das verfassungsrechtliche Verbot einer unterverfassungsrechtlichen Norm, die die Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts anordnet, folgen könnte, wurde oben geprüft. Es bleibt die Frage, ob durch eine derartige Norm Art. 4 GG als subjektives Recht verletzt wird. II. Art. 4 GG als subjektives Recht
1. Die Fragestellung; Allgemeines zu Art. 4 Abs. l GG
Die landesrechtliche Regelung bleibt unter zwei ·möglichen Gesichtspunkten an Art. 4 GG zu prüfen. Ausgehend von der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, daß der Staat "den Glauben oder Unglauben seiner Bürger nicht bewerten darf" 267 , kann man fragen, ob die Benotung der Leistungen eines Schülers im Religionsunterricht und die daran anknüpfende eventuelle Nichtversetzung nicht schon als solche den Art. 4 GG verletzen (dazu unten 2.). Zum andern ist zu untersuchen, ob die Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts insofern gegen Art. 4 GG verstößt, als schlecht benotete Schüler genötigt sein könnten (nämlich um versetzt zu werden), sich vom Religionsunterricht abzumelden; und ob solche Schüler durch diese nicht unter Glaubensgesichtspunkten getroffene Entscheidung ihr Glaubensleben nach den eigenen Vorstellungen beeinträchtigen müßten268 (dazu unten 3.). Unter dieser speziellen Fragestellung ist es nicht erforderlich, die Streitfragen der Literatur um Art. 4 GG im einzelnen aufzurollen269 • Vgl. oben Teil3 A. II. 2. und 3. Vgl. oben Teil3 A. I. 1. m BVerfGE 12, 1, 4. 268 So die verschlungene - Argumentation des OVG Münster (vgl. oben im Fallbericht). 269 Aus der neueren Literatur vgl. insbes. Bäumlin; Böckenförde, Gewissensfreiheit; Listl; Herzog, in: Maunz - Dürig - Herzog, Art. 4; Podlech, Gewissensfreiheit; Scholler, Gewissen; Zippelius. :es 188
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
Auch braucht hier keine über den zu prüfenden Fall hinausgehende Tatbestandsabgrenzung der verschiedenen in Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG enthaltenen Rechte vorgenommen ZU werden; hier ist übrigens noch vieles ungeklärt. Während z. B. teils nur religiös oder weltanschaulich motivierte bzw. bekenntnisbezogene Gewissensentscheidungen unter den Schutzbereich der Freiheit des Gewissens gerechnet werden270 oder die Gewissensfreiheit als Spezialfall der Glaubensfreiheit erscheint271 , wird andererseits die Glaubensfreiheit als Ausformung des allgemeineren Grundrechts der Gewissensfreiheit angesehen272 • Hier ist die Glaubensfreiheit unabhängig von diesen Streitfragen einschlägig. Da überdies nach allgemeiner Meinung die Freiheit, zu glauben, nach dem Grundgesetz der Freiheit, nicht zu glauben, gleichwertig ist, kann ohne sachlichen Unterschied insoweit auch von der Bekenntnisfreiheit gesprochen werden. Dem entspricht es, wenn das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit als eine einheitliche Maßstabsnorm heranzieht273• Glaubens- und Bekenntnisfreiheit können auch ebensowenig wie die Gewissensfreiheit auf den Bereich des "forum internum" reduziert werden. Zwar mag es richtig sein, daß durch eine solche Beschränkung das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG noch nicht leerlaufen würde, da sich ohne weiteres Möglichkeiten der Einwirkung auch in den Bereich der Gewissensbildung denken lassen274 • Jedoch sind die Grundrechte des Grundgesetzes Rechte zu aktiver Selbstverwirklichung des Menschen in "individuellen", "gesellschaftlichen" und "staatlichen" Beziehungen, in Tun und Unterlassen, Geben und Empfangen, Mitteilung und Information. Das Grundgesetz schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und "will" eine verantwortliche Gesellschaft freier Menschen; dem würde die Normierung eines nicht konkret nachweisbaren und praktisch nicht effektiv werdenden Schutzbereichs nicht entsprechen. Den Schutz von reinen Überzeugungen, die sich in keiner Weise manifestieren dürfen, könnte auch - wie treffend bemerkt worden ist275 - jeder Diktator gewähren, sofern er sich nur Orwell'scher Methoden enthält276 • Dieser 270 271 272
Listl, S. 96 ff. Schwabe, S . 382. Bäumlin, S. 30; Hesse, Grundzüge, S. 156.
273 z. B. in BVerfGE 30, 415, Leitsatz, 423, 424; BVerfGE 32, 98, 106; vgl. jedoch die unterschiedliche Terminologie bei Herzog, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 4: Glaubensfreiheit als Freiheit des Denkens, Bekenntnisfreiheit als Freiheit des Redens und Verkündens; ähnlich auch Podlech, Gewissensfreiheit, S. 41. 274 Vgl. Bockenförde, Gewissensfreiheit, S. 51; auch Bäumlin, S. 30. 275 Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 51. 278 Daß Art. 4 Abs. 1 GG auch die Gewissensbetätigung schützt, ist ganz überwiegende Meinung; vgl. insbesondere Bäumlin, S. 15 f., 30; Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 50 ff., 83; Herzog, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 4, Rdnr. 129 ff.; Hesse, Grundzüge, S. 156; weitere Nachweise bei Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 53 Fn. 65. A. A.: Zippelius, Rdnr. 44.
C. Verstoß gegen Art. 4 GG?
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Auffassung dürfte auch das Bundesverfassungsgericht sein; für die Glaubensfreiheit hat es jedenfalls ausgesprochen, daß sie "nicht nur die (innere) Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben" umfaßt, sondern auch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten277 • Art. 4 Abs. 1 GG hält Gewissen und Gewissensbetätigung dadurch frei und "unverletzlich", daß die Bildung von Gewissensüberzeugung sich ohne Beeinträchtigung durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt vollziehen soll und daß niemand, in den Grenzen der grundrechtliehen Position, von hoheitlich handelnder öffentlicher Gewalt rechtlich zu einem Tun oder Unterlassen gezwungen werden darf, das dem Gebot des eigenen Gewissens widerspricht278. Folgt der Staat diesen Geboten aus Art. 4 Abs. 1 GG, so hat er insoweit die Möglichkeit "partieller Entpflichtungen"279 entweder durch Verwaltungspraxis und Judikatur als aus Art. 4 Abs. 1 GG folgend im Einzelfall anzuerkennen oder durch allgemeine Normen Weigerungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Auferlegt der Staat anstelle der so vermiedenen gewissensverletzenden Pflichten aus Gesichtspunkten der Gleichbehandlung gewissensneutrale Verhaltensalternativen, so steckt hierin kein Verstoß gegen Art. 4 Abs.1 GG. Dessen Grundrechte schützen nur im genannten Sinn; nicht geben sie Anspruch auf ersatzlose Freistellung280 .
2. Verstößt die Versetzungserheblichkeit als solche gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit? a) Für die Entscheidung dieser Frage kommt es nicht darauf an, nach welcher Konzeption der Religionsunterricht erteilt wird. Andernfalls könnte argumentiert werden, dann, wenn der Religionsunterricht "nicht Unterweisung im Glauben, sondern Unterricht über ein spezifisches Bekenntnis und dessen Glaubenslehren" 281 ist, liege eine Ausübung der Rechte des Art. 4 Abs.1 und Abs. 2 GG gar nicht vor; diese Rechte könnten daher auch nicht durch Benotung und Nichtversetzung beeinträchtigt werden. Demgegenüber kann auf das oben Ausgeführte282 verwiesen werden: Die Anknüpfung an die inhaltliche Gestaltung (Stichworte: "Unter277 BVerfGE 32, 98, 106 unter Hinweis auf BVerfGE 24, 236, 245. Ebenso BVerfGE 33, 23, 28. 278 Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 64. Für die Glaubensfreiheit ebenso das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung: "... gewährt die Glaubensfreiheit dem einzelnen einen von staatlichen Eingriffen freien Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Oberzeugung entspricht" (BVerfGE 32, 98, 106). 278 Arndt, Gewissen, S. 2205. 28° Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 61 f. 281 v . Drygalski, S. 72. 282 Vgl. oben Teil1 C. IV.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
richts- und Verkündigungskonzeption") ist bei der verfassungsrechtlichen Argumentation um den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach durch Art. 7 Abs. 3 Satz 2 versperrt. Sowohl die Verkündigung von Glaubenssätzen als auch die Vermittlung von Wissen als auch sonstige Konzeptionen, die vom Staat in Übereinstimmung mit den Religionsgemeinschaften als Religionsunterricht erteilt werden, fallen unter Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG. Diese Norm verbietet eine Differenzierung der Frage, ob die Versetzungserheblichkeit als solche gegen die Glaubensund Bekenntnisfreiheit verstößt, gemäß der inhaltlichen und methodischen Gestaltung des Religionsunterrichts. b) Die Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts verstößt als solche dann nicht gegen Art. 4 GG, wenn Art. 7 Abs. 2 GG den Art. 4 GG für den Bereich des Religionsunterrichts verfassungskräftig konkretisiert. Hierzu kann auf bereits Gesagtes283 verwiesen werden. Art. 7 Abs. 2 GG zieht bereits die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, daß der dem Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit verpflichtete Staat den Kirchen einen staatlichen Religionsunterricht sozusagen zur Verfügung stellt. Insoweit ist es unzulässig, diese verfassungsrechtliche Regelung eines bestimmten Bereichs durch Rückgriff auf Art. 4 GG wieder aus den Angeln zu heben. Die Respektierung der Glaubens- und Gewissensfreiheit durch die Verfassung hätte auch auf anderm Weg erfolgen können; z. B. dadurch, daß der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen nicht zum ordentlichen Lehrfach gemacht· worden wäre. Nachdem das aber anders normiert wurde, bietet die Abmeldebefugnis nach Art. 7 Abs. 2 GG eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Form der Verwirklichung des Art. 4 GG an. Daß in dieser Konkretisierung gleichzeitig eine gewisse Einschränkung gesehen werden kann, ist das Ergebnis der Konkretisierung eines vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts durch Vermittlung mit anderen Normen von Verfassungsrang. Die Einschränkung wird dann deutlich, wenn man sich folgende weitergehende Respektierung der Glaubens- und Gewissensfreiheit vorstellt: kein Religionsunterricht an öffentlichen Schulen; oder zwar Religionsunterricht, aber nicht im Rang eines ordentlichen Lehrfachs. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit ist, daß die in Art. 7 Abs. 2 GG liegende Konkretisierung durch die Verfassung selbst vorgenommen wird. c) Dasdargelegte Verhältnis von A~t. 4, i Abs. 2 und Abs. 3 GG kann etwa an folgenden Parallelfällen aus dem geltenden Recht veranschaulicht werden: (1) Art. 4 Abs. 3 GG bestimmt: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Wie für Art. 7 2s3
Vgl. oben Teill C. V. 1.
C. Verstoß gegen Art. 4 GG?
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Abs. 2 GG ist es auch für diese Vorschrift anerkannt, daß sie eine Konsequenz aus der Anerkennung der Freiheit des Art. 4 Abs.l GG, in diesem Fall der Gewissensfreiheit, ist284 • Analog stellt auch die Tatsache, daß nur der Kriegsdienst mit der Waffe, nicht aber der Dienst ohne Waffe verweigert werden kann, eine - wie das Bundesverfassungsgericht gesagt hat-"Begrenzung der Gewissensfreiheit" dar285 • DieRegelung des Art.4 Abs. 3 GG wird ergänzt durch Art. 12 a Abs. 2 GG; danach kann, wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Auch hier wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht Art. 4 Abs. 1 gegenüber der konkreten Ausgestaltung der Wehrdienstverweigerung, die das Grundgesetz in den Art. 4 Abs. 3, 12 a Abs. 2 GG normiert hat, dergestalt "durchschlagen" würde, daß auch die Ableistung des Wehrersatzdienstes unter Berufung auf die Gewissensfreiheit verweigert werden dürfte288 • Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen Stellung genommen. Zunächst287 hat es ausgeführt, Art. 4 Abs. 3 GG regle die Wirkungen der Gewissensfreiheit im Bereich der Wehrpfiicht abschließend. Es widerspräche dem offensichtlichen Sinn der Norm, die das Zwangsverbot auf den Kriegsdienst "mit der Waffe" beschränkt, ein Verbot des Zwanges zum Kriegsdienst "ohne Waffe" unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 GG ableiten zu wollen. Später288 hat das Gericht diese Auffassung bekräftigt: Das Ergebnis folge nicht aus einem "formalen Umkehrschluß". Es folge aus einer Auslegung der einschlägigen Art. 4 Abs. 3, 12 a Abs. 2 Sätze 2 bis 4 GG, die auf der Grundlage des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte und des offensichtlichen Sinns den Inhalt und den Umfang des in Art. 4 Abs. 3 GG gewährleisteten Grundrechts bestimmt: "Art. 4 Abs. 3 GG konkretisiert und beschränkt für den Fall der Wehrpflicht abschließend die Reichweite der freien Gewissensentscheidung." Nach dem, was hier zu Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 GG ausgeführt worden ist, wird deutlich, daß ein entsprechendes Verhältnis von Grundrecht und Konkretisierung des Grundrechts durch die Verfassung auch für die vorliegende Problematik gegeben ist. (2) Eine weitere Parallele kann in der auf Art. 137 Abs. 6 WRV iVm. Art.140 GG beruhenden Erhebung von Kirchensteuern gesehen werden, einem der wichtigsten Beispiele für ein partiell-institutionelles Zusammenwirken von Staat und Kirchen unter dem Grundgesetz. Die bloße Tatsache, daß an die Mitgliedschaft in einer Religionsgesellschaft die Steuerpflicht geknüpft ist, führt genausowenig zu einem Verstoß gegen Art. 4 GG wie die Tatsache, daß an die Teilnahme am Religionsunter2s' Vgl. nur Hesse, Grundzüge, S. 157. t8s BVerfGE 23, 127. 288 Näheres hierzu bei Listl, S. 125 ff. 2 87 In BVerfGE 19, 135, 138. 288 In BVerfGE 23, 127, 132.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
richt als ordentlichem Lehrfach die (versetzungserhebliche) Benotung geknüpft wird. Parallel zu Art. 7 Abs. 2 GG als seiner Konkretisierung für den Bereich des Religionsunterrichts wirkt sich Art. 4 GG im Bereich der Kirchensteuer dahin aus, daß eine Zwangsmitgliedschaft nicht Grundlage der Kirchensteuerpflicht sein darf 289 ; daß aber der Glaubensund Bekenntnisfreiheit (überdies auch der negativen Vereinigungsfreiheit) Genüge getan ist, "sofern der Kirchenangehörige jederzeit die Möglichkeit hat, seine Mitgliedschaft zu beenden" 290 • Diese Voraussetzungen erfüllt entsprechend auch Art. 7 Abs. 2 GG. In diesem Zusammenhang wird noch ein mögliches Bedenken hinfällig; das Bedenken nämlich, die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit könne dadurch verletzt sein, daß zur Befreiung vom Religionsunterricht eine ausdrückliche Erklärung verlangt wird und dadurch möglicherweise vonseitendes Staats eine unzulässige "Bewertung des Glaubens" 291 erfolge, obwohl sich der Schüler innerlich bereits von dem betreffenden Glauben gelöst hat292 • In Parallele hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung zur Kirchensteuer ausgeführt: "Das Verlangen nach einer förmlichen Austrittserklärung rechtfertigt sich auch durch das Bedürfnis nach eindeutigen und nachprüfbaren Tatbeständen als Grundlage der Rechtsund Pflichtenstellung des Betroffenen, soweit sie in den weltlichen Rechtsbereich hineinwirkt. Dem trägt auch Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV Rechnung, der die bereits von Art. 4 mitumfaßte und in Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV besonders hervorgehobene Freiheit, die religiöse Überzeugung zu verschweigen, u. a. zugunsten eines Fragerechts der staatlichen Behörden insoweit einschränkt, als von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft Rechte und Pflichten abhängen" 293 • d) Das Ergebnis soll an einer neuerdings vertretenen Interpretation der Gewissensfreiheit überprüft werden; der mögliche Unterschied zwischen Gewissensfreiheit und Glaubens- bzw. Bekenntnisfreiheit kann hier dahingestellt bleiben. Nach dieser "funktionalen Interpretation" verpflichtet die rechtliche Gewährleistung der Gewissensfreiheit die öffentliche hoheitlich handelnde Gewalt, rechtliche Alternativlösungen dann bereitzustellen, wenn eine generelle rechtliche Regelung die einzelnen zu gewissenswidrigem Verhalten verpflichtet; es sei denn, daß es Alternativlösungen nicht gibt oder daß mögliche Alternativlösungen für die staatlich verfaßte Gesellschaft nicht tragbar sind294 • Möglichen BVerfGE 30, 415, 423 f. BVerfGE 30, 415 Leitsatz. 291 Vgl. BVerfGE 12, 1, 4. 292 Vgl. zu diesem Problem Art. 14 Abs. 4 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und oben Teil 2 A. I. 29a BVerfGE 30, 415, 426. 294 Podlech, Gewissensfreiheit, S. 35 im Anschluß an Luhmann. Dieser Sicht des Art. 4 GG haben sich zum Teil angeschlossen Bäumlin, S. 21 f. und Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 61 ff. und 84 (15.). 289
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C. Verstoß gegen Art. 4 GG?
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Bedenken gegen diesen Ansatz- die sich etwa dagegen richten könnten, daß er zu weitgehend normgelöstem und bloßer Einsichtigkeit vertrauendem Abwägen zwischen Gewissensposition und "öffentlichem Interesse" führt295 - soll hier nicht nachgegangen werden. Die Frage nach der Bereitstellung rechtlicher Alternativlösungen bzw. von Verhaltensalternativen kann in zweierlei Hinsicht gestellt werden: einmal gemäß der zitierten Formel als Folge der Gewissensfreiheit und gewissermaßen als Begünstigung desjenigen, der sich auf eine Gewissensposition beruft; in diesem Sinn ist aber Art. 7 Abs. 2 GG die "rechtliche Alternativlösung" und ist die Normierung des Religionsunterrichts in Art. 7 GG unter dem Gesichtspunkt des Art. 4 GG in "funktionaler Interpretation" nicht zu beanstanden. Zum andern kann die bereitzustellende Verhaltensalternative vor allem als "lästige Alternative" verstanden werden, da der Unterlassensanspruch des einzelnen sich nur auf das konkrete gewissenswidrige Tun, nicht aber auf eine ersatzlose Freistellung richte298 • Im vorliegenden Fall bedeutete das Einrichtung eines "Ersatz-Religionsunterrichts", der die Rechte aus Art. 4 GG nicht beeinträchtigen dürfte, für diejenigen, die sich vom "ordentlichen" Religionsunterricht abgemeldet haben. Das Nichtbefolgen einer solchen Pflicht seitens des Staats wäre dann aber nicht mehr eine Frage des Verstoßes gegen Art. 4 GG297 • e) Insoweit zusammenfassend läßt sich bisher folgendes sagen: Das Grundrecht der Gewissensfreiheit gibt das Recht, solchen gesetzlichen Pflichten oder Normkomplexen (Institutionen) den Gehorsam zu verweigern, die mit einer Gewissensentscheidung kollidieren298 • Spezialgesetzliche Ausformungen dieser grundrechtliehen Positionen enthält die Rechtsordnung in Art. 7 Abs. 2 GG wie auch in Art. 4 Abs. 3 GG mit Verfassungsrang, im Unterverfassungsrecht etwa durch die Einrichtung eines Verfahrens zum Kirchenaustritt. Art. 7 Abs. 2 GG ist eine die vorliegend in Frage stehende Schutzrichtung des Art. 4 Abs. 1 GG nochmals aussprechende, genauer: eine sie konkretisierende Norm. Art. 7 Abs. 2 ist eine unmittelbare Folgerung aus den Grundrechten des Art. 4 Abs. 1 und damit die normative Form ihrer Vermittlung mit Art. 7 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2. Insofern nicht Art. 7 Abs. 2 selbst- und das wird hier noch zu Ende zu prüfen sein- grundrechtsverletzende Wirkung entfaltet, ist die Legitimität der durch Art. 7 Abs. 2 mit Art. 4 Abs. 1 GG vermittelten Normen, also vor allem die des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG, vom Verfassungsrecht authentisch ausgesprochen. Mit andern Worten: für Fälle, in denen die Behandlung des Religionsunterrichts als "ordentliches Lehr295 Vgl. Podlech, Gewissensfreiheit, S. 38 ff.; kritisch auch Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 60 Fn. 82. 298 Böckenf örde, Gewissensfreiheit, S. 61. 297 So auch Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 62 und bes. S. 114 f. ; vgl. auch Ipsen, S. 141. 298 Vgl. Herzog, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 4, Rdnr. 134 ff.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
fach", wie Art. 7 Abs. 3 Satz 1 es anordnet, im einzelnen zu Gewissensbelastungen bei Normadressaten führt, liegt der Schutz der Grundrechte aus Art. 4 Abs.1 GG in der Möglichkeit, die Art. 7 Abs. 2 zur Verfügung stellt. Das heißt nicht, es seien im Rahmen des Religionsunterrichts keine einzelnen Maßnahmen (z. B. Schikanen) möglich, die als Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 GG zu werten wären. Aber es heißt, daß das von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG positiv Angeordnete - nämlich die Behandlung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach - wegen Art. 7 Abs. 2 GG nicht als gegen Art. 4 Abs.1 verstoßend angesehen werden kann; insoweit konkretisiert Art. 7 Abs. 2 - wie auch Art. 4 Abs. 3 iVm. Art. 12 a Abs. 2 GG- den Art. 4 Abs. 1 abschließend299 • Nur eine auf solche Weise differenzierende Sicht wird dem Verfassungsrang aller hier einschlägigen Normen und damit dem methodischen Grundsatz der "Einheit der Verfassung" gerecht; nicht dagegen dessen grobes Mißverständnis als eines Instruments, mit dessen Hilfe Rangunterschiede zwischen den Vorschriften der Verfassung postuliert und exekutiert werden könnten. Wird auf dieser rechtsstaatlich und methodisch nicht begründbaren Basis Art. 7 Abs. 3 GG als "schwächere", Art. 4 GG (wie auch Art. 3 GG) als "stärkere" bzw. "höherrangige" Norm qualifiziert, so erledigen sich in der Tat die hier erörterten Probleme mit dem Ergebnis, Art. 7 Abs. 3 GG sei "nur in einem rein formalen Sinne" zu verstehen, nicht aber interpretativ mit dem Geltungsgehalt von Art. 3 299 Etwas anderes kann auch nicht etwa aus BVerfGE 33, 23 ff. gefolgert werden. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, daß eine Glaubensüberzeugung, die auch den ohne Anrufung Gottes geleisteten Zeugeneid aus religiösen Gründen ablehnt, durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützt ist; dem steht danach auch nicht Art. 136 Abs. 4 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG entgegen, wonach niemand zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden darf: "Welche staatsbürgerlichen Pflichten im Sinne des Art. 136 Abs. 1 WRV gegenüber dem Freiheitsrecht des Art. 4 Abs. 1 GG mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden dürfen, läßt sich unter der Herrschaft des Grundgesetzes nur nach Maßgabe der in Art. 4 Abs. 1 GG getroffenen Wertentscheidung feststellen." {BVerfGE 33, 23, 31.) Ginge man davon aus, daß aus Art. 136 Abs. 4 WRV ein Umkehrschluß in dem Sinn gezogen werden könnte, daß jedermann zur Benutzung einer nicht-religiösen Eidesformel gezwungen werden dürfe {so das OLG Düsseldorf in: NJW 1966, 1933 in der gleichen Sache) dann ließen sich aus dieser Entscheidung u. U. Parallelen zu der hier behandelten Problematik ziehen, die einigen der oben getroffenen Feststellungen widersprechen würden. Einen solchen Umkehrschluß hat das BVerfG jedoch gerade nicht für zulässig erachtet {allgemein zur Zweifelhaftigkeit derartiger Schlüsse MüHeT, Methodik, S. 150): Die Aussage, jedermann sei verpflichtet, den Eid ohne religiöse Beteuerung abzulegen, steht so nicht in der Verfassung, sondern könnte allenfalls interpretativ gewonnen werden; in diesen Interpretationsvorgang müssen jedoch alle Konkretisierungselemente, und damit auch der systematische Aspekt {Art. 4 GG), bereits einfließen. Demgegenüber liegt die hier behandelte Problematik zweifach anders: daß der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist, sagt der Wortlaut der Verfassung; ferner trifft das Argument, Art. 136 WRV werde "nach Bedeutung und innerem Gewicht im Zusammenhang der grundgesetzliehen Ordnung von Art. 4 Abs. 1 GG überlagert" {BVerfGE 33, 23, 31), nicht auf den vom Grundgesetz unmittelbar normierten Art. 7 GG zu.
C. Verstoß gegen Art. 4 GG?
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und 4 GG nach den Regeln juristischer Methodik in Beziehung zu setzen299". Nur sind Aussagen über "vorstaatliches" Recht oder über Rangunterschiede zwischen Verfassungsnormen nach der rechtsstaatliehen Verfassungstypik des Grundgesetzes rechtlich unerheblich. Wenn im Einzelfall die eine Verfassungsvorschrift über die andere im Ergebnis "siegt", dann nicht wegen ihrer "höherrangigen" Qualität, sondern wegen der den bestimmten Einzelfall sachlich umfassender, genauer, spezieller, "einschlägig" regierenden Geltungsgehalte. Die Geltungsgehalte so grundlegender Normen wir der Art. 3 und 4 GG sind umfassender als diejenigen organisatorischer oder sonst partiell ansetzender Verfassungssätze. Die "Höherrangigkeit" ist eine Art optischer Täuschung. Für Rangdifferenzierungen unter Verfassungsnormen läßt das Rechtsquellensystemdes Rechtsstaats nach dem Grundgesetz keinen Raum299b. Vielmehr ist eine erheblich mühseligere interpretative Vermittlung der fraglichen Verfassungssätze die Aufgabe, die sich stellt; sie führt hier zu dem erarbeiteten Ergebnis.
3. Verstößt eine mögliche Nötigung zur nicht religiös motivierten Abmeldung vom Religionsunterricht gegen Art. 4 GG? Das in diesem Zusammenhang denkbare Argument300 ist am bisher Gesagten zu überprüfen. Zunächst ist festzuhalten, daß die Abmeldung als solche nicht gegen Art. 4 GG verstößt. Sie ist gerade eine Verwirklichung des Art. 4 GG für den Bereich des Religionsunterrichts. Zudem beruht sie auf der eigenen Entscheidung des Schülers (bzw. auf der seiner Eltern, soweit der Schüler noch nicht "religionsmündig" und eigenverantwortlicher Träger der Grundrechte aus Art. 4 GG ist). Daß ein eigener Willensentschluß den Entscheidenden in seinen Grundrechten soll verletzen können, ist dann auszuschließen, wenn die Norm, die einen solchen Willensentschluß anheim gibt, ihrerseits nicht grundrechtswidrig ist; das ist aber bereits, u. a. unter Hinweis auf Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV, geprüft worden301 • Im übrigen müßte die Auffassung, die Abmeldung als solche könne Rechte aus Art. 4 GG verletzen, unterstellen, daß der Staat zur unbeschränkten Religionsförderung verpflichtet wäre. Er ist dies jedoch nur im dargelegten Umfang im Rahmen des Art. 7 GG. Ferner ist zu untersuchen, ob zwar nicht die Abmeldung als solche, wohl aber eine Nötigung zur Abmeldung gegen die Grundrechte aus Art. 4 GG verstößt. An eine Nötigung wäre dann zu denken, wenn dem m• So Obermayer, Anmerkung, S. 1817 (zu dem unten abgedruckten Urteil des BVerwG). 299" So auch Scheuner, Anmerkung, S. 2315 (zu dem unten abgedruckten Urteil des BVerwG). soo Vgl. oben zu Fn. 268. sot Vgl. Teil 3 C. II. 2. c) (2).
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
Schüler die Nichtversetzung u. a. wegen einer schlechten Religionsnote droht. Bei dieser "Nötigung" sind zwei Aspekte auseinanderzuhalten. Der psychische Druck, den eine mögliche schlechte Note ausübt, ist für alle versetzungserheblichen Fächer gleich groß. Anders als bei den übrigen Fächern gibt es jedoch im Fall des Religionsunterrichts ein "Ventil": die Abmeldung vom Religionsunterricht. Als ein solches "Ventil" war und ist Art. 7 Abs. 2 nicht gedacht. Von der Norm des Art. 7 Abs. 2 GG her stellt sich daher die Frage, inwiefern ein solches Verhalten rechtlich zulässig ist und ob eventuell die ratio legis gesichert, d. h. ob die Echtheit der Gewissens- oder Glaubensentscheidung nach Art. 7 Abs. 2 GG überprüft werden kann. Wenn das gegenwärtig aus verschiedenen Gründen nicht geschieht, so ändert das noch nichts daran, daß es sich bei der nicht religiös motivierten Abmeldung um eine norminadäquate Folge bzw. um einen Mißbrauch handelt. "Mißbrauch" wird hier nicht im Sinn jener Lehre verwendet, die versucht, allen, auch den vorbehaltlos garantierten Grundrechten unter Berufung auf den "Mißbrauchsvorbehalt" eine allgemeine Grenze zu ziehen, sondern im Sinn der Tatbestandsabgrenzung von Gebrauch und Nicht-Gebrauch eines Grundrechts302• Die hier entwickelte Interpretation des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG ist nicht deshalb unrichtig, weil sie einen möglichen Mißbrauch des Art. 7 Abs. 2 praktisch nicht ausschließen kann; andernfalls würden alle andern bisher gewonnenen Konkretisierungsgesichtspunkte, hier vor allem die genetischen und systematischen, diesem einen Gesichtspunkt von nur verfassungspolitischer Herkunft geopfert. Ein solches Vorgehen widerspricht den Regeln rechtsstaatlicher Methodik303• In vergleichbarem, wenn auch allgemeinerem Zusammenhang- bei der Interpretation der Gewissensfreiheit als normativer Grundentscheidung der Verfassung-, ist in demselben Sinn bekräftigt worden, eine Auslegung der Freiheitsrechte unter vorbeugendem Einbau der Ausnahmelage mangelnder Loyalität korrumpiere diese Auslegung im Ansatz; der liberale Verfassungsstaat könne seine eigenen Voraussetzungen nicht garantieren, ohne seine Freiheitlichkeit in Frage zu stellen304• Dasselbe gilt für die Forderung, dieser Verfassungsstaat bzw. die Interpreten seiner Grundrechtsgarantien hätten die einzelnen Freiheitsrechte gegen norminadäquate Inanspruchnahme, gegen subjektiven Mißbrauch zu immunisieren. 111. Ergebnis zu C.
Die fragliche Regelung der Versetzungsordnung des Landes Nordrhein-Westfalen verstößt nicht gegen Art. 4 GG. 30 2 303 304
Dazu näher Müller, Positivität, S. 28 ff. Vgl. etwa Müller, Methodik, S. 186 ff. Böckenförde, Gewissensfreiheit, S. 80.
D. Verstoß gegen den Gleichheitssatz?
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D. Verstoß gegen den Gleichheitssatz? I. Fragestellung
Die Problematik gibt Anlaß, noch zu prüfen, ob die landesrechtliche Regelung der Versetzungserheblichkeit des Fachs Religionslehre gegen die verfassungsrechtlich gebotene Chancengleichheit verstoßen könnte. Rechtskonstruktiv liegt der Fall insoweit ebenso wie bei der Überprüfung des Tatbestandes an den Grundrechten aus Art. 4 GG: Unbeschadet der Tatsache, daß sich die fragliche landesrechtliche Regelung sowohl korrekt an die bundesstaatliche Kompetenzverteilung als auch an den normativen Rahmen hält, der von Art. 7 GG offengelassen wird, ist das Land- wie auch der Bund - innerhalb der jeweiligen Zuständigkeit wegen Art. 1 Abs. 3 GG zur Respektierung der Grundrechte verpflichtet305• II. Maßstabsnormen
Nach der sachlichen Eigenart der hier zu beurteilenden Fallgruppen geht es dabei allein um die Chancengleichheit für die betroffenen Schüler, nicht um Fragen der Gleichstellung der beteiligten Religionsgemeinschaften; insofern also nicht um die das Staatskirchenrecht traditionell beherrschenden Fragen der Parität. Daraus, daß es sich hier in aller Regel um Rechtspositionen minderjähriger Grundrechtsträger handeln wird, erwachsen hier keine besonderen Probleme, da die Schüler für die betreffenden Gleichheitsnormen des Grundgesetzes grundrechtsfähig sind306 • Bei diesen Gleichheitsnormen handelt es sich für die zu untersuchenden Fallgruppen nicht um spezielle Diskriminierungsverbote des Verfassungsrechts, wie sie in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, in Art. 33 Abs. 3 GG und in Art.136 Abs.1 und 2 WRV iVm. Art.140 GG normiert sind. Keines der dort genannten Kriterien ist berührt. Der Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen wird ohne konfessionelle Differenzierungen einheitlich als versetzungserheblich behandelt. Die Gleichheitsproblematik unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit der betroffenen Schüler ist allein eine des Allgemeinen Gleichheitssatzes, d. h. von Art. 3 Abs. 1 GG. 111. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG?
1. Der Allgemeine Gleichheitssatz als Willkürverbot Immer dann, wenn- wie hier- spezielle verfassungsrechtliche Gleichheitsnormen nicht einschlägig sind, wird die Frage nach rechtlicher 305 So das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, z. B. im "Fernseh-Urteil", BVerfGE 12, 205, 249. 308 Vgl. allgemein hierzu: Dürig, in: Maunz- Dürig- Herzog, Art. 19 III, Rdnr. 12 - 28.
7 Müller1Pieroth
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
Gleichsetzung zu einer Frage des Allgemeinen Gleichheitssatzes307 • Diese Norm verbietet es, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln. Die Frage, welche Sachverhalte gleich sind und deshalb nicht ungleich geregelt werden dürfen, und die entsprechende Frage, welche Sachverhalte ungleich sind und deswegen von Staats wegen nicht gleich behandelt werden dürfen, ist immer nur in bezug auf ein oder mehrere Merkmale beantwortbar. Entscheidend ist, welche Merkmale der verglichenen Sachverhalte wesentlich und welche unwesentlich sind. Das wiederum hängt von dem Gesichtspunkt ab, unter dem der Vergleich angestellt wird. Das Kriterium der "Wesentlichkeit" und "Unwesentlichkeit" wird in den speziellen Gleichheitsnormen der Verfassung unmittelbar angesprochen, so z. B. in den Differenzierungsverboten von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, Art. 33 Abs. 1 und 2 GG, Art. 38 GG. Auch für den Allgemeinen Gleichheitssatz liefert das Grundgesetz, je nach Eigenart des Sachzusammenhangs, zusätzliche normative Maßstäbe. Hier spielt Art. 7 Abs. 2 GG diese unterstützende Rolle. Für die Rechtsprechung ist ein Gleichheitsverstoß des Gesetzgebers bzw. der Verwaltung oder der Judikatur dann gegeben, wenn für eine Differenzierung "ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund sich nicht finden läßt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich bezeichnet werden muß" 308 • Diese Definition des Allgemeinen Gleichheitssatzes als Verbot willkürlicher Regelung gilt in gleicher Weise für den umgekehrten Fall: Von Staats wegen dürfen wesentlich ungleiche Fälle nicht gleich behandelt werden, wenn nicht die Staatsgewalt verfassungswidrig handeln will308• Diese Fallgruppe ist hier maßgebend. Es ist zu prüfen, ob die gleiche Behandlung (Versetzungserheblichkeit sowohl für das Fach Religionslehre als auch für die andern Fächer) ungleicher Sachverhalte (nämlich des Fachs Religionslehre und der übrigen ordentlichen Lehrfächer) in Konflikt mit dem Gleichheitssatz als Willkürverbot kommt. Dabei ist die Frage nicht problematisch, ob diese "ungleiche" Behandlung des Fachs Religionslehre gegenüber den andern ordentlichen Lehrfächern durch das Grundgesetz selbst etwa als "willkürlich" im definierten Sinn angesehen werden müsse. Ein solches Willkürurteil nach Art. 3 Abs. 1 enthält keinen subjektiven Schuldvorwurf. Es ist objektiv zu verstehen310• AnBVerfGE 9, 124, 128; 13, 290,296 mit weiteren Nachweisen. Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Voraussetzungen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG: vgl. z. B. BVerfGE 18, 38, 46; 20, 31, 33; 21, 6, 9; 25, 101, 105. In der Entscheidung BVerfGE 23, 135, 143 wird im Anschluß an die in der Weimarer Zeit entwickelte Lehre das Erfordernis der Evidenz der Unsachlichkeit hervorgehoben. aos Zu dieser Fallgruppe vgl. beispielsweise BVerfGE 19, 119, 124 f. mit weiteren Nachweisen. 307
308
D. Verstoß gegen den Gleichheitssatz?
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gesichts der unübersehbaren Vielfalt möglicher Lebenssachverhalte läßt sich nicht bestimmen, welche inhaltlichen Grenzen des Gleichheitssatzes der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt abstrakt gezogen sind. Der inhaltliche Maßstab ist die vom Grundgesetz normierte Ordnung; die Kriterien der Beurteilung lassen sich den "grundsätzlichen Wertentscheidungen und sozialen Ordnungsprinzipien" 311 des Grundgesetzes entnehmen. Zu den die Verfassungsordnung des Grundgesetzesam intensivsten gestaltenden Bestandteilen dieser Ordnung gehören die Grundrechte. In ihnen werden nicht nur Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat negativ formuliert, wie es der Lehre des bürgerlich-liberalen Rechtsstaats im 19. Jahrhundert entsprochen haben mag. Vielmehr normieren die Grundrechte des Grundgesetzes als objektive Regeln zugleich verfassungsrechtliche "Grundentscheidungen", die über Art. 1 Abs. 3 GG in alle Rechtsbereiche hineinwirken312• Vorliegend beruht die Abweichung des Fachs Religionsunterricht von den übrigen Fächern auf der durch die Verfassung eingeräumten Möglichkeit der Abmeldung vom Unterricht. Darin ist der hinreichende "sachliche Grund" dieser Sonderstellung des Fachs Religionsunterricht zu sehen. Er beruht seinerseits auf der durch die Verfassung gewährleisteten Verwirklichung der Grundrechte der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs.1 GG. Ergänzende Ausformungen dieser Freiheitsrechte finden sich in Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG und in Art. 136 Abs. 4 WRV iVm. Art.140 GG. Insoweit erübrigt sich eine weitergehende Prüfung am Allgemeinen Gleichheitssatz oder an den speziellen Gleichheitsgeboten und Diskriminierungsverboten. Diese Sonderstellung des Fachs Religionsunterricht steht bezüglich der Möglichkeit einer Abmeldung beispielhaft für die wechselseitige Konkretisierung grundrechtlicher Garantien auf der Ebene des Verfassungsrechts.
2. Der AUgemeine Gleichheitssatz als sozialstaatliches Gebot der Chancengleichheit Neben der Bedeutung von Art. 3 Abs.1 GG als Verbot willkürlicher staatlicher Maßnahmen wird in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot als zweite Bedeutungsvariante des Allgemeinen Gleichheitssatzes das Gebot der Chancengleichheit herausgearbeitet313• Zu Recht wird dabei 310 So die allgemeine Meinung im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des BVerfG; vgl. z. B. BVerfGE 1, 140, 345 f.; 4, 19, 96; 15, 201; 25,321. 311 BVerfGE 7, 198,215. m Vgl. hierzu BVerfGE 33, 303, 330; 21, 362, 372 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Leitsatz 2 des "Hochschul-Urteils" vom 29. 5.1973: "wertentscheidende Grundsatznorm", BVerfGE 35, 79, ferner 5 . 112, 116. 313 Vgl. hierzu etwa Burmeister, S. 44ff.; Scheuner, Probleme, 5.1 ff.; Scholler, Gleichheitssatz, mit zahlreichen Nachweisen; Werner, S. 9 f.
100
3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
hervorgehoben, Gleichheit bedeute in der gesellschaftlichen Realität vor allem einen Anspruch auf Herstellung von Chancengleichheit in wirtschaftlicher, beruflicher, bildungsmäßiger Hinsicht, d. h. auf staatlich gewährleistete bzw. geförderte Verwirklichung gleicher Startchancen für alle314 • Auch für diese Bedeutungsvariante des Art. 3 Abs. 1 GG kommt man für die "Ungleichbehandlung" des Fachs Religionslehre gegenüber den sonstigen ordentlichen Lehrfächern bezüglich der Abwählbarkeit zu demselben Ergebnis wie unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots. Art. 7 Abs. 2 GG enthält als unmittelbare verfassungskräftige Folgerung aus den grundrechtliehen Garantien des Art. 4 GG einen nicht nur "sachlich hinreichenden", sondern mit der ranghöchsten Geltungskraft der Rechtsordnung versehenen Rechtsgrund für diese ungleiche Behandlung. Diese darf im Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG nicht als "ungleich" bewertet werden. Die durch Art. 7 Abs. 2 GG verfassungskräftig eröffneten Möglichkeiten, am Religionsunterricht teilzunehmen bzw. sich vom Religionsunterricht abzumelden, sollen nach der Systematik der Verfassung gleichwertig sein.
3. Methodisches Vorgehen bei der Prüfung einer Regelung am AUgemeinen Gleichheitssatz Im vorliegenden Fall sollen die beiden Bedeutungsvarianten des Art. 3 Abs. 1 GG als Maßstabsnormen dienen. Die Prüfung einer staatlichen Regelung oder eines Handeins der öffentlichen Hand am Allgemeinen Gleichheitssatz vollzieht sich nach folgendem Aufbau: :Fallgestaltung 1: (1) Liegt eine verfassungsrechtlich relevante Gleichheit der Tatbestände vor? Nur dann, wenn diese Frage mit "ja" beantwortbar ist, folgt (2) die Frage: Werden diese gleichen Tatbestände von staatlichen Stellen auf verfassungsrechtlich relevante ungleiche Weise behandelt? Nur dann, wenn diese Frage mit "ja" zu beantworten ist, folgt (3) die Frage: Gibt es für diese Ungleichbehandlung gleicher Tatbestände einen "sachlichen Grund"? (4) Nur dann, wenn die Frage (3) mit "nein" zu beantworten ist, liegt eine "willkürliche" Regelung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs.1 GGvor. Die herrschende Lehre ist in dieser Hinsicht zurückhaltend; vgl. z. B. S. 9; Dürig, Menschenwürde, S. 145; Lerche, S. 362; grundsätzliche Erörterung bei Podtech, Gleichheitssatz, S. 200 ff., 209 ff. mit weiteren Nachweisen. 314
Badura,
D. Verstoß gegen den Gleichheitssatz?
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Fallgestaltung 2: (1) Liegt eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichheit der Tatbestände vor? Nur dann, wenn die Frage mit "ja" zu beantworten ist, folgt (2) die Frage: Werden diese ungleichen Tatbestände von staatlichen Stellen auf verfassungsrechtlich relevante gleiche Weise behandelt? Nur dann, wenn die Frage mit "ja" zu beantworten ist, folgt (3) die Frage: Gibt es für diese Gleichbehandlung ungleicher Tatbestände einen "sachlichen Grund"? (4) Nur dann, wenn Frage (3) mit "nein" zu beantworten ist, liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs.l GG vor. Hier geht es um die Frage, ob die staatliche Gleichbehandlung des Fachs Religionslehre mit den übrigen ordentlichen Lehrfächern dadurch, daß auch das Fach Religionslehre als versetzungserheblich geführt wird, insoweit gegen das Gebot der Chancengleichheit verstößt, als diese Gleichbehandlung an ungleiche Tatbestände anknüpft. Die "Ungleichheit" liegt darin, daß das Fach Religionslehre gemäß Art. 7 Abs. 3 Satz 1 ein ordentliches (und kraft Landesrecht versetzungserhebliches) Lehrfach ist, von dem kraft Art. 7 Abs. 2 GG (iVm. dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung) Abmeldung möglich ist. Die Prüfung hat also nach dem Schema der Fallgestaltung 2 zu erfolgen.
4. Prüfung der Versetzungserheblichkeit des Fachs Religionslehre am Allgemeinen Gleichheitssatz (a) Sachverhaltsvariante 1: Die miteinander verglichenen Schüler haben im Fach Religionslehre schlechte Noten. Hier könnte gesagt werden, ein Schüler, der von der Möglichkeit des Art. 7 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht hat, der damit also in Zukunft eine schlechte Zeugnisnote vermeidet, sei besser gestellt als ein vergleichbarer Schüler, der sich vom Religionsunterricht nicht abgemeldet hat. Der Gesichtspunkt, das Fach werde nicht aus den von Art. 7 Abs. 2 GG vorausgesetzten Gründen, sondern mißbräuchlich deswegen abgewählt, um schlechte Leistungen in Religionslehre aus Gründen des Notendurchschnitts, der Versetzung usw. zu vermeiden, spielt dabei keine entscheidende Rolle. Grundrechte, verfassungsrechtliche Normen und ganz allgemein Rechtsnormen können nicht so interpretiert werden, daß entweder norminadäquate Folgen oder daß, subjektiv gesehen, mißbräuchliches Ausnutzen einer Rechtsstellung zum Maßstab für die gesamte Interpretation wird. Die Annahme einer mißbräuchlichen Abwahl
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht?
des Fachs Religionslehre ist überdies für die verfassungsrechtliche Prüfung der Versetzungserheblichkeit dieses Fachs an Art. 3 Abs.1 GG nicht konstitutiv. Die soeben als Sachverhaltsvariante 1 formulierte Ausgangslage führt im Tatsächlichen zu einer Ungleichheit, die sich im Notendurchschnitt ausdrückt, die für die Frage der Versetzung in die nächst höhere Klasse erheblich ist und über den Bereich der Schule hinaus für die Frage der Immatrikulation unter den Bedingungen des Numerus clausus315 von erheblicher Auswirkung sein kann. Die Frage, wie weit die Praxis des Numerus clausus mit geltendem Verfassungsrecht überhaupt vereinbar ist, braucht in diesem Zusammenhang nicht erörtert zu werden. Auf Stufe (1) der Gleichheitsprüfung ist nun zu fragen, ob eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichheit der Tatbestände vorliegt oder nicht. Die Tatbestände lauten dabei: - "Schüler A, der von der Möglichkeit des Art. 7 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht hat" und - "Schüler B, der weiterhin am Religionsunterricht teilnimmt". Die Prüfung auf Stufe (2) hinsichtlich der Gleichbehandlung (Versetzungserheblichkeit für Religionsunterricht wie für die andern ordentlichen Lehrfächer) kann erst dann einsetzen, wenn normativ belegt ist, daß auf Stufe (1) nicht nur eine tatsächliche, sich in praktischen Auswirkungen zeigende Ungleichheit vorliegt, sondern eine "Ungleichheit" im entwickelten verfassungsrechtlichen Sinn, d. h . eine verfassungsrechtlich als solche für die Prüfung des Allgemeinen Gleichheitssatzes relevante Ungleichwertigkeit der Tatbestände. Die Besonderheit des hier zu prüfenden Falles liegt nun aber darin, daß die Ungleichheit der Schüler A undBallein darauf zurückzuführen ist, daß der eine von einer verfassungsrechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, der andere nicht; und entscheidend darin, daß die Verfassung mit der Eröffnung einer freien Wahlmöglichkeit zwischen beiden Alternativen (Abwahl des Religionsunterrichts - weitere Teilnahme am Religionsunterricht) nicht nur unterstellt bzw. in Kauf nimmt, sondern es normativ ermöglicht, daß diese Wahlmöglichkeit in Freiheit ergriffen werde. Wird durch die Normadressaten von einer alternativ zur Wahl stehenden verfassungsrechtlichen Möglichkeit frei Gebrauch gemacht, so ergibt sich für die von der Norm geordnete soziale Realität, daß grundsätzlich eine (quantitativ wie immer große) Gruppe von der einen, eine zweite (quantitativ wie immer große) Gruppe von der andern Möglichkeit tatsächlich Gebrauch machen wird. Die einzige "Ungleichheit", die im vorliegenden Fall festgestellt werden kann, ist also gerade diejenige, die ihren Grund in der Eröffnung einer freien Wahl durch die 816
Vgl. dazu insbes. BVerfGE 33, 303 ff.
D. Verstoß gegen den Gleichheitssatz?
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Verfassungsordnung hat. Die Differenz zwischen der Lage des Schülers A und des Schülers B ist also in ihrer (im Augenblick der Verfassunggebung noch potentiellen) Ungleichheit von der Verfassungsordnung "gewollt". Die beiden Alternativen, die sich aus der freien Wahl gemäß Art. 7 Abs. 2 GG faktisch ergeben, sind am Maßstab des positiven Verfassungsrechts gleichwertig. In Respektierung der Grundrechte des Art. 4 GG, die sowohl für religiös gebundene als auch für religiöse Bindung ablehnende Gewissenshaltungen in gleicher Weise volle Schutzgarantie bieten, ist das Verhalten eines Normadressaten, der von der Abwahlmöglichkeit nach Art. 7 Abs. 2 GG Gebrauch macht, für die freiheitlich angelegte Ordnung des Grundgesetzes verfassungsrechtlich gleichwertig der Haltung desjenigen, der von Art. 7 Abs. 2 GG keinen Gebrauch macht. Kraft positiver Norm gleichwertige Modalitäten einer Alternative sind aber nicht im verfassungsrechtlich relevanten Sinn "ungleich". Die Differenz zwischen ihnen ist, einschließlich ihrer praktischen Folgerungen, eine faktische. Sie wird als faktische von der Verfassungsnorm vorausgesehen, unterstellt und - da eine (theoretisch durchaus mögliche) weitere spezielle Normierung der Verfassung etwa zum Problem der Versetzungserheblichkeit nicht vorliegt- als legitim angesehen. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. l GG durch staatliche Gleichbehandlung wesentlich (und d. h.: verfassungsrechtlich relevant) ungleicher Tatbestände ist mangels Ungleichheit der Tatbestände hier nicht gegeben. (b) Sachverhaltsvariante 2:
Die miteinander zu vergleichenden Schüler haben gute Religionsnoten. Hier könnte argumentiert werden, der Schüler A, der sich vom Religionsunterricht abgemeldet hat, werde gegenüber dem weiterhin am Religionsunterricht teilnehmenden Schüler B im Hinblick auf Versetzungsfragen, Notendurchschnitt und Berücksichtigung seines Antrags auf Zuteilung eines Studienplatzes unter den Gegebenheiten des Numerus clausus benachteiligt. Hier gilt bezüglich der Gleichheitsprüfung auf Stufe (1) dasselbe wie zu (a): Eine "Ungleichheit" der Tatbestände im verfassungsrechtlieb relevanten Sinn liegt wegen der Eröffnung der Möglichkeit dieser Ungleichheit durch die grundrechtliche Systematik des Grundgesetzes nicht vor. Die Gleichbehandlung beider Tatbestände durch staatliche Stellen (hier: durch die Versetzungsordnung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen) trifft im Sinn der verfassungsrechtlich relevanten Maßstäbe nicht "ungleiche", sondern nach der Wertung des Verfassungsgesetzes "gleiche" Tatbestände.
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3. Teil: Sonstige Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht? 5. Parallelfälle aus dem geltenden Recht
Die Prüfung zu 4. hat ergeben, daß ein Verstoß gegen die Chancengleichheit durch gleiche Behandlung von Ungleichem mangels "Ungleichheit" der fraglichen Tatbestände nicht gegeben ist. Von den Parallelfällen aus dem geltenden Recht seien hier zwei aus sachlich verwandten Bereichen angeführt: zum einen die praktischen Unterschiede der Lage des den Wehrdienst leistenden Wehrpflichtigen A und des den Ersatzdienst leistenden Wehrdienstverweigerers B; bzw. des den Wehrdienst leistenden Wehrpflichtigen A und des von jedem Dienst Befreiten B (da nach Art. 12 a Abs. 2 GG die Alternative eines Ersatzdienstes- "kann" - nicht zwingend vorgeschrieben ist); zum andem die tatsächliche (wirtschaftliche, finanzielle) Lage des Bürgers A, der von dem Recht des Kirchenaustritts Gebrauch gemacht hat und deswegen nicht mehr kirchensteuerpflichtig ist, verglichen mit der des Bürgers B, der weiterhin Kirchenmitglied und folglich auch kirchensteuerpflichtig bleibt. In beiden Fällen ist die "Ungleichheit" im Sinn der faktischen Differenz der verglichenen Situationen und der verschiedenen praktischen Auswirkungen auf die verglichenen Rechtsträger offenkundig. Auch hier liegen Verstöße staatlicher Stellen gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz schon im Ansatz deswegen nicht vor, weil wiederum das, was an den miteinander zu vergleichenden AusgangsTatbeständen "ungleich" ist, auf dem freien Gebrauchmachen von Wahlmöglichkeiten beruht, die das Grundgesetz kraft positiver Norm gewähren will- so im ersten Fall nach Art. 4 Abs. 3 und 12 a Abs. 2 GG; bzw. auf dem freien Gebrauchmachen von Wahlmöglichkeiten, welche die unterverfassungsrechtliche Rechtsordnung (Recht des Kirchenaustritts) in Konkretisierung verfassungsrechtlicher Grundrechtspositionen (Art. 4 GG) einräumt. IV. Ergebnis zu D.
Die zu prüfende Regelung der Versetzungsordnung des Landes Nordrhein-Westfalen verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). E. Ergebnis zum Dritten Teil Die im Ersten und Zweiten Teil gewonnenen Ergebnisse hinsichtlich der Interpretation des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG und der sich im Rahmen von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG bewegenden Regelung der Versetzungsordnung des LandesNordrhein-Westfalen verstoßen weder gegen das staatskirchenrechtliche "System" des Grundgesetzes noch gegen Art. 4 GG oder gegen den Gleichheitssatz.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Das Bundesverwaltungsgericht (VII C 36.71)1 hat am 6. Juli 1973 entschieden: "Das auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 1970 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1971 werden aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
II. Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), indem es aus dem Grundgesetz herleitet, daß schlechte Leistungen in dem Fach Religionslehre die Versetzungsentscheidung nicht beeinflussen dürften. Grundlage der angefochtenen Versetzungsentscheidung ist die durch Runderlaß des Kultusministers erlassene Versetzungsordnung für die Gymnasien des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. April 1959 (ABI. 1 Veröffentlicht in NJW 1973, S. 1815 und in DVBL 1973, S. 809 mit folgenden Leitsätzen: a) Die im Lande NRW geltende Regelung, daß das Fach Religionslehre an den Gymnasien versetzungserhebliches wissenschaftliches Fach ist, verstößt nicht gegen das GG. b) Das GG gebietet nicht, daß der Religionsunterricht bei der Versetzungsentscheidung berücksichtigt wird, verbietet dies aber auch nicht, sondern läßt insoweit den Ländern als Trägern der Schulhoheit einen Spielraum offen. c) Der nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG zulässige bekenntnisgebundene Inhalt des Religionsunterrichts schließt nicht aus, daß die Leistungen in diesem Fach bewertet und bei der Versetzungsentscheidung berücksichtigt werden. d) Als ordentliches Lehrfach (Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG) ist der Religionsunterricht in der Frage, ob er versetzungserhebliches Fach sein kann, den Pflichtfächern der Schule, nicht den Wahlfächern gleichzustellen; die Befreiungsmöglichkeit nach Art. 7 Abs. 2 GG steht der Zulässigkeit der versetzungserheblichen Benotung des Religionsunterrichts nicht entgegen. e) Die Berücksichtigung des Religionsunterrichts bei der Versetzungsentscheidung verletzt nicht den Grundsatz der Chancengleichheit.
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Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
KM NW S. 60) in der Fassung vom 2. Mai 1968 (ABI. KM NW S. 178). In Betracht kommt hier die Richtlinie Nr. 4 a) 2 der Versetzungsordnung, die vorschreibt, daß ein Schüler in der Regel nicht zu versetzen sein wird, wenn seine Leistungen in zwei wissenschaftlichen Fächern mangelhaft sind. Zu den wissenschaftlichen Fächern im Sinne dieser Versetzungsrichtlinie zählt ohne Einschränkung auch das Fach Religionslehre; dies ergibt sich unstreitig aus der vom Verwaltungsgericht eingeholten Auskunft des Kultusministers vom 3. September 1970, die durch die an den Oberbundesanwalt gerichtete Stellungnahme des Kultusministers vom 31. Juli 19722 bestätigt worden ist. Mit den vom Berufungsgericht für seine Auffassung in erster Linie herangezogenen Gesichtspunkten der Säkularität des Staates und der Trennung von Staat und Kirche läßt sich ein verfassungsrechtliches Verbot der Versetzungserheblichkeit des Fachs Religionslehre nicht begründen, weil für den Religionsunterricht die Sonderregelung des Art. 7 Abs. 3 GG gilt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Damit hat der Verfassungsgeber in Fortführung der Regelung des Art.149 Abs.1 WRV den Religionsunterricht zu einem integrierenden Bestandteil der staatlichen Schulorganisation und Unterrichtsarbeit erhoben. Der Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates (BVerfGE 19, 206 [216]) findet insoweit eine Durchbrechung, als Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG mit verfassungsrechtlicher Garantie den Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen zu einer - jedenfalls auch - staatlichen Aufgabe erklärt. Dies ist einhellige Meinung des Schrifttums (vgl. v. Mangoldt- Klein, Das Bonner Grundgesetz, Art. 7 Anm. V 1 und 2; Maunz - Dürig- Herzog, Grundgesetz, Art. 7 Rdnr. 47f.; H. Peters in Bettermann- Nipperdey- Scheuner, Die Grundrechte, Bd. IV/1 S. 369 [413]; v. Campenhausen, Erziehungsauftrag und staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 143; v. Drygalski, Die Einwirkungen der Kirchen auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, 1967, S. 60 f.; Friesenhahn in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 5, 1971, S. 68 f.; Geiger in Katholische Frauenbildung, 1969, S. 514 ff.; H. Weber, Grundprobleme des Staatskirchenrechts, 1970, S. 66; Schmoeckel, Der Religionsunterricht, 1964, S. 55; Haugg, Kommentar zum Schulordnungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 1962, S. 417 f.) und wird auch von denen anerkannt, die für eine strikte Trennung von Staat und Kirche eintreten und de lege ferenda die Abschaffung des Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen fordern (vgl. Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 2. Auflage 1971, S. 257 ff.; Keim, Schule und Religion, 1967, S.153). Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dem säkularen Staat sei es verwehrt, die Leistungen im Religionsunterricht 2
Vgl. unten im Anhang unter (1).
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zu Kriterien der Versetzung zu machen, weil nach der Trennung von Staat und Kirche der Religionsunterricht keine eigenständige staatliche Aufgabe sei, die eigentliche schulische Erziehungsaufgabe des Staates vielmehr im religionsfreien Bereich liege und für alle Glieder der Gesellschaft ein glaubensmäßig nicht gebundenes Bildungsziel anstrebe, erweist sich hiernach als unrichtig. Die verfassungsrechtliche Qualifizierung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach schließt bundesrechtlich die Möglichkeit der versetzungserheblichen Benotung des Religionsunterrichts ein. Der Begriff "ordentliches Lehrfach" wurde in Art.149 Abs.1 WRV neu eingeführt und nach der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift in der Weimarer Zeit allgemein so ausgelegt, daß der Religionsunterricht nicht fakultatives, sondern obligatorisches Lehrfach bis auf die in Art. 149 Abs. 2 WRV statuierte Ausnahme sein solle, d. h. er solle, abgesehen von der Verbindlichkeit für Lehrer und Schüler in allen anderen Beziehungen, in der Bedeutung für die gesamte Schularbeit und der Bewertung seiner Wichtigkeit, den für das Bildungsziel der Schule als wesentlich geltenden obligatorischen Lehrfächern gleichstehen (vgl. Lande, Die Schule in der Reichsverfassung, 1929, S . 206 f.). Mit diesem traditionellen Inhalt ist der Begriff "ordentliches Lehrfach" in Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG übernommen worden. Als ordentliches Lehrfach gehört der Religionsunterricht somit zu den Pflichtfächern der Schule, die - unbeschadet der weiteren Frage nach Haupt- und Nebenfach - grundsätzlich versetzungserheblich sein können. Demgemäß geht die herrschende Lehre davon aus, daß der Religionsunterricht im Zeugnis zu benoten (vgl. v. Mangoldt- Klein, a. a. 0., Art. 7 Anm. V 2, S. 286; Maunz- DürigHerzog, a. a . 0., Art. 7 Rdnr. 48; Peters, a. a. 0 ., S. 413; v. Campenhausen, a. a. 0., S.143; v. Drygalski, a. a. 0., S. 61; Friesenhahn, a. a. 0., S. 77; Geiger, a. a. 0., S. 517; Schmoeckel, a. a. 0., S. 62 f.; Haugg, a. a. 0., S.481; Zinn-Stein, Die Verfassung des Landes Hessen, 1954 Bd.1, Art. 57 Anm. 2, S. 290; Deuschle, Kirche und Schule nach dem Grundgesetz, jur. Diss. Tübingen 1968, S.132) und bei der Versetzungsentscheidung zu berücksichtigen sei (so ausdrücklich Maunz - Dürig - Herzog, a. a. 0., Art. 7 Rdnr. 48; Geiger, a. a. 0., S. 517; Schmoeckel, a . a. 0., S. 62 f.; v. Drygalski, a. a. 0., S. 61; Deuschle, a. a. 0., S. 132 f.). Zur Frage der Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts ergibt der Normeninhalt des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG allerdings weder positiv noch negativ eine rechtliche Aussage, da ordentliche Lehrfächer (z. B. im nichtwissenschaftliehen Bereich) nicht versetzungserheblich sein müssen. Das Grundgesetz gebietet nicht, daß der Religionsunterricht bei der Versetzungsentscheidung berücksichtigt wird, verbietet dies andererseits aber auch nicht, sondern läßt insoweit den Ländern als Träger der Schulhoheit einen Spielraum offen. Innerhalb dieser Gestaltungsfreiheit
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hat das Land Nordrhein-Westfalen für seinen Bereich in verfassungsrechtlich zulässiger Weise angeordnet, daß das Fach Religionslehre an den Gymnasien versetzungserheblich ist. Der versetzungserheblichen Benotung des Religionsunterrichts steht nicht entgegen, daß nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG, der fast wörtlich dem Art. 149 Abs. 1 Satz 3 WRV entspricht, unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird. Dies bedeutet, daß der Schule die Bestimmung des Lehrinhalts weitgehend entzogen ist. Zulässiger Inhalt des Religionsunterrichts ist die Vermittlung der Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Daraus folgt jedoch nicht, daß, wie das Berufungsgericht meint, der Religionsunterricht einer echten Leistungsbewertung unzugänglich sei. Der zulässige bekenntnisgebundene Inhalt des Religionsunterrichts schließt nicht aus, daß der Religionsunterricht ein auf Wissensvermittlung gerichtetes Lehrfach ist und an den Gymnasien den Charakter eines wissenschaftlichen Faches hat und daß Mitarbeit und Leistungen der Schüler in diesem Unterrichtsfach bewertet werden und bei der Versetzungsentscheidung berücksichtigt werden können. Wie für jedes andere ordentliche Lehrfach -jedenfalls im wissenschaftlichen Bereich- ist auch für den Religionsunterricht die Wissensvermittlung das Wesentliche (vgl. Geiger, a . a. 0., S. 519). Im neueren religionspädagogischen Schrifttum besteht Einigkeit darüber, daß der Religionsunterricht auf wissenschaftlicher Grundlage erteilt werden kann und soll (vgl. Wegenast und Schladoth, beide in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 5, 1971, S. 9 ff. und S. 31 ff.). Ergeben sich hinsichtlich der wissenschaftlichen Gestaltung des Religionsunterrichts Bedenken - etwa aus dem Grunde, daß entsprechend der traditionellen Vorstellung der Kirchen der Religionsunterricht ausschließlich als kirchliche Verkündigung im Sinne einer "Kirche in der Schule" verstanden wird, was nach Auffassung des Senats mit der Zielsetzung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG, daß der Religionsunterricht integrierender Bestandteil der öffentlichen Schule ist, kaum vereinbar sein dürfte, ohne daß auf diese Fragen hier näher eingegangen zu werden braucht -, kann der Staat im Rahmen seiner Schulhoheit solchen Bedenken dadurch Rechnung tragen, daß er die Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts ausschließt. Im vorliegenden Fall fehlt jeder Anhalt dafür, daß in dem für die angefochtene Versetzungsentscheidung maßgeblichen Zeitraum das Fach Religionslehre an der Schule der Beklagten und insgesamt an den Gymnasien des Landes NordrheinWestfalen kein wissenschaftliches Unterrichtsfach gewesen ist. Das Berufungsgericht hat hierzu keinerlei tatsächliche Feststellungen getroffen; seine Bedenken stützen sich auf allgemeine verfassungsrechtliche Erwägungen. Entscheidend ist jedoch, daß das Land Nordrhein-
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Westfalen das Fach Religionslehre als wissenschaftliches versetzungserhebliches Lehrfach an den Gymnasien anerkannt hat, was nach den bereits genannten Stellungnahmen des Kultusministers unstreitig feststeht. Diese im Berufungsurteil nicht festgestellte Tatsache, daß das Fach Religionslehre an den Gymnasien des Landes Nordrhein-Westfalen den Charakter eines wissenschaftlichen versetzungserheblichen Fachs hat, kann vom Revisionsgericht berücksichtigt werden, weil sie unstreitig und ersichtlich richtig ist (BVerwGE 29, 127 [130]; Urteil vom 17. Dezember 1968- BVerwG 11 C 113.65- [Buchholz 237.0 § 150 LBG Bad.-Württ. Nr.1]). Daß im übrigen der Unterricht in dem Fach Religionslehre an den Gymnasien des Landes Nordrhein-Westfalen auch tatsächlich auf wissenschaftlicher Grundlage erteilt wird, wird durch den weiteren Inhalt der Auskunft des Kultusministers und die der Auskunft beigefügten, durch Runderlaß des Kultusministers vom 22. März 1963 in Kraft gesetzten Richtlinien für den Unterricht in der Höheren Schule betreffend evangelische und katholische Religionslehre zumindest nahegelegt. Bei einer wissenschaftlichen Gestaltung des Religionsunterrichts ist aber das vom Berufungsgericht befürchtete opportunistische Verhalten von Schülern während des Unterrichts nicht mehr als in anderen Fächern (etwa in Geschichte, Gemeinschaftskunde oder Sozialkunde) zu erwarten, so daß dieser Gesichtspunkt eine echte Leistungsbewertung des Religionsunterrichts nicht in Frage zu stellen vermag. Aus den Darlegungen zu Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG ergibt sich bereits, daß auch die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, der Religionsunterricht sei im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 GG für die Schüler ein Wahlfach und dürfe deshalb bei der Versetzungsentscheidung nicht berücksichtigt werden, ebenfalls aus dem Bundesverfassungsrecht nicht herzuleiten ist. Die zum Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit in Art. 7 Abs. 2 GG getroffene Regelung, nach der die Erziehungsberechtigten das Recht haben, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen, hat für die Frage, ob die versetzungserhebliche Benotung des Religionsunterrichts verfassungsrechtlich zulässig ist, keine Bedeutung. Art. 7 Abs. 2 GG ist im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG zu sehen, nach dessen ausdrücklicher Vorschrift der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist. Als solches ist der Religionsunterricht, wie ausgeführt wurde, in seiner Bedeutung für die gesamte Schularbeit und seiner Bewertung gegenüber den anderen Lehrfächern und damit auch in der Frage, ob es versetzungserhebliches Lehrfach sein kann, den Pflichtfächern und nicht den Wahlfächern gleichzustellen (vgl. Peters, a. a. 0., S. 414 f.). Für die Schule und die an ihm teilnehmenden Schüler bleibt der Religionsunterricht trotz der Befreiungsmöglichkeit nach Art. 7 Abs. 2 GG ordentliches (Pflicht-)Lehrfach. Für die aus dem Bun-
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desverfassungsrecht gezogene Folgerung des Berufungsgerichts, der Religionsunterricht müsse hinsichtlich der Bewertung der Leistungen entsprechend der im Runderlaß des Kultusministers vom 5. März 1965 (ABI. KM NW S. 94) für zusätzliche Unterrichtsveranstaltungen auf der Oberstufe der Gymnasien mit Freiwilligkeit der Teilnahme getroffenen Sonderregelung behandelt werden, ist daher kein Raum. Die Berücksichtigung des Religionsunterrichts bei der Versetzungsentscheidung verletzt schließlich nicht den durch Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Grundsatz der Chancengleichheit. Diejenigen Schüler, die am Religionsunterricht teilnehmen, haben in gleicher Weise die Möglichkeit, durch ihre Leistungen in diesem Fach die Versetzungsnoten positiv zu beeinflussen; wenn sie diese Chance nicht wahrnehmen, so geht das zu ihren Lasten. Die Bedenken des Berufungsgerichts, daß Schüler, bei denen die Teilnahme am Religionsunterricht auf einer zwingenden Glaubensentscheidung beruhe und für die deshalb auch bei schlechten Leistungen eine Abmeldung von diesem Unterricht nicht in Betracht komme, seien gegenüber den Schülern schlechter gestellt, die diesem Zwang nicht ausgesetzt seien, können die Versetzungserheblichkeit der Religionsnote unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht in Frage stellen. Art. 7 Abs. 3 GG nimmt die zusätzliche Belastung der am Religionsunterricht teilnehmenden Schüler in Kauf. Die Möglichkeit nach Art. 7 Abs. 2 GG, dem Religionsunterricht fernzubleiben, ist nicht geschaffen worden, um der Bewertung von Minderleistungen in diesem Fach auszuweichen. Sie dient dem Zweck, die Glaubens- und Gewissensfreiheit bei einem an sich obligatorischen Lehrfach zu gewährleisten. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, daß die Länder befugt sind, für die am Religionsunterricht nicht teilnehmenden Schüler einen obligatorischen Ersatzunterricht in Philosophie oder Religionskunde einzuführen (vgl. Beschluß des Senats vom 30. Mai 1973 BVerwG VII B 25.72 -). Hiernach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Bundesverfassungsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, daß die Beklagte bei der angefochtenen Versetzungsentscheidung entsprechend der allgemeinen Praxis im Lande Nordrhein-Westfalen das Fach Religionslehre als versetzungserhebliches wissenschaftliches Fach im Sinne der maßgebenden Versetzungsordnungbehandelt hat. Die Klage ist unter Aufhebung auch des erstinstanzliehen Urteils abzuweisen, weil nicht ersichtlich ist, daß die Beklagte bei ihrer Entscheidung über die Nichtversetzung der Klägerin die für den Beurteilungsspielraum pädagogisch-wissenschaftlicher Wertungen gezogenen Grenzen (BVerwGE 8, 272) überschritten hat. Daß die Lehrkräfte der Beklagten die Leistungen der Klägerin in den Fächern Mathematik, Religion
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und Musik mit jeweils der Note mangelhaft fehlerhaft bewertet hätten, nämlich hierbei von falschen Tatsachen ausgegangen seien oder allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sich von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen, wird von der Klägerin selbst nicht gerügt. Derartige Feststellungen hat auch das Berufungsgericht nicht getroffen; dies gilt auch für die Note mangelhaft in Musik. Damit liegen die Voraussetzungen der Nr. 4 a) 2 der Versetzungsordnung vor, die in der Regel die Nichtversetzung rechtfertigen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Minderleistung in dem Fach Musik gemäß Nr. 4 c der Versetzungsordnung zu berücksichtigen ist oder nicht. Für eine ausnahmsweise Abweichung von dem Regelfall der Nichtversetzung sind hier - wie auch die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat bestätigte- keinerlei Anhaltspunkte vorhanden. Die sich aus der Anwendung der landesrechtliehen Versetzungsordnung, also aus irrevisiblen Vorschriften ergebenden Rechtsfolgen, kann der Senat selbst aussprechen, weil das Berufungsgericht sich von seiner Einstellung aus mit der Beurteilung der Rechtslage unter Einbeziehung der Versetzungserheblichkeit der Note in dem Fach Religionslehre nicht befaßt hat, andererseits der entscheidungserhebliche Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht nicht weiter aufklärungsbedürftig ist (vgl. Urteil vom 27. Juni 1966 - BVerwG I C 130.64 - mit weiteren Nachweisen [Buchholz 418.00 Nr. 5]), so daß es einer Zurückverweisung der Sache nicht bedarf. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 154 Abs.l VwGO."
An bang Die Versetzungserheblichkeit der Note im Fach Religionslehre Eine Übersicht zur Praxis in den Bundesländern Um einen Überblick zu gewinnen, wie im Hinblick auf die Versetzungserheblichkeit der Religionsnote die Praxis in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik gehandhabt wird, hatte der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht, dem für sein freundliches Einverständnis mit der Publikation dieses Anhangs hiermit gedankt sei, im Jahr 1972 die zuständigen obersten Landesbehörden angeschrieben. Bis auf Bremen haben alle Bundesländer Auskunft erteilt. Das Ergebnis der Enquete war folgendes: (1) Der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen teilt mit, das Fach Religionslehre zähle in Nordrhein-Westfalen im Bereich des Gymnasiums uneingeschränkt als wissenschaftliches Fach mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Reifeprüfung. Der Minister nimmt Bezug auf die "Richtlinien für den Unterricht an der höheren Schule - Evangelische Religionslehre -" und die "Richtlinien für den Unterricht an der höheren Schule - Katholische Religionslehre -". Einschlägig ist ferner der "Entwurf der Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II". Zur Erläuterung der Richtlinien führt der Kultusminister aus: "Die Richtlinien für katholische Religionslehre und evangelische Religionslehre lassen deutlich erkennen, daß es sich bei diesen Unterrichtsfächern um wissenschaftliche Fächer handelt. Nach den grundsätzlichen Vorbemerkungen zu diesen Richtlinien, die für alle Unterrichtsfächer gelten, ist der Unterricht des Gymnasiums ,auf allen Stufen von der Aufgabe der wissenschaftlichen Grundbildung' bestimmt. Das Gymnasium wird als Schule der wissenschaftlichen Bildung bezeichnet. Weiter heißt es in den Vorbemerkungen: ,Diese Bildung schließt als solche das Religiöse, Ethische und Musische ein.' In den Richtlinien für katholische Religionslehre heißt es ausdrücklich: ,In der Höheren Schule richtet sich der Religionsunterricht als Lehre vor allem an die intellektuellen Kräfte des Schülers. In dieser Hinsicht hat er den Charakter eines wissenschaftlichen Faches.' Zum Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in den Schulen im Lande Nordrhein-Westfalen habe ich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage am 10. 12. 1970 u. a. folgendes ausgeführt: ,Die Landesregierung beabsichtigt nicht, den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach abzuschaffen, auch nicht für bestimmte Schulen. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß der Inhalt des Religionsunterrichts zum Bildungsauftrag der Schule gehört. Kultur
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und Lebensformen unserer Gesellschaft sind durch eine zweitausendjährige christliche Tradition geprägt. Bei einer Ausgliederung des Faches Religion aus der Schule bliebe das Bildungsangebot der Schule ein Fragment.' An späterer Stelle heißt es: ,In Übereinstimmung mit der am Anfang dieses Jahres erfolgten Erklärung der katholischen Bischöfe in der Bundesrepublik zum Religionsunterricht ist die Landesregierung der Auffassung, daß im Religionsunterricht eine sachbezogene Darlegung des Glaubens erfolgen soll, die zu einer existentiellen Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Lebens in der heutigen Gesellschaft hinführen soll. Im Charakter einer sachbezogenen Information liegt es, daß der Religionsunterricht offen bleibt gegenüber der persönlichen Glaubensbestimmung der Schüler. Er kann Glaubensentscheidungen weder voraussetzen noch fordern, sie jedoch ermöglichen.' In dem Entwurf einer ,Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II' der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland vom 2. 7. 1971 ist das Fach ,Religionslehre' dem Pflichtbereich zugeordnet und dort besonders aufgeführt. Nach diesem Entwurf kann ,Religionslehre' sowohl Leistungsfach (6stündig mit schriftlicher Arbeit in der Reifeprüfung) als auch 3. schriftliches Reifeprüfungsfach (3stündig) als auch mündliches Reifeprüfungsfach (3stündig) sein. Das Unterrichtsfach ,Religionslehre' ist damit allen anderen wissenschaftlichen Fächern völlig gleichgestellt. Abschließend möchte ich noch einmal festhalten, daß das Fach ,Religionslehre' im Bereich des Gymnasiums in NW wissenschaftliches Fach auch im Sinne der Nr. 4 a der Versetzungsordnung für die Gymnasien des Landes NW vom 7. 4. 1959 in der Fassung des Runderlasses vom 26. 5. 1971 - II B 4.36 .. 62/0 Nr. 1476/71 (GABI. NW S. 343) ist." (2) Außer im Land Nordrhein-Westfalen kommt der Religionsnote auch in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Schleswig-Holstein Versetzungserheblichkeit zu. a) Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus weist in seiner Auskunft darauf hin, daß nach bayerischem Verfassungsrecht (Art. 136, 137 der Verfassung des Freistaates Bayern) sowie nach den mit den Kirchen getroffenen Vereinbarungen der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach aller Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und höheren Lehranstalten sei. Jede Schule dieser Art - also auch die Privatschule - müsse demnach Religionsunterricht erteilen. Die Bezeichnung als .,ordentliches Lehrfach" bedeute, daß der Religionsunterricht als selbständiges Pflichtfach mit fester Wochenstundenzahl in den Lehrplan aufzunehmen sei. Der Begriff .,ordentliches Lehrfach" beinhalte ferner, daß der Religionsunterricht zu benoten sei, die Note bei der Gesamtbeurteilung im gleichen Umfang wie die übrigen Schulnoten berücksichtigt werden müsse und im Schulzeugnis zu erscheinen habe. Dies gälte auch für die entsprechenden Privatschulen, die staatlich anerkannt seien. Für die Teilnahme der vom Religionsunterricht abgemeldeten Schüler am Unterricht gemäß Art.137 Abs. 2 Bayer. Verfassung gälten besondere Anordnungen des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. b) Der Hessische Kultusminister verweist zur Erteilung von Noten im Religionsunterricht auf seinen Erlaß vom 21. 10. 1962 (ABI. S. 672). Er führt aus: 8 Miiller1Pieroth
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"Unabhängig davon, daß die Teilnahme am Religionsunterricht auf der freiwilligen Entscheidung der religionsmündigen Schüler selbst, im übrigen auf der ihrer Erziehungsberechtigten beruht, wird die Leistung in Religion genauso beurteilt, wie in anderen Unterrichtsfächern auch. Bei der Entscheidung über die Versetzung kommt deshalb der erteilten Note in Religion die gleiche Bedeutung zu, wie der in anderen vergleichbaren Unterrichtsfächern auch, wobei selbstverständlich eine Differenzierung zwischen der Wertigkeit einzelner Fächer in bestimmten Fällen möglich ist (z. B. Kernfächer, Kursfächer, Leistungskurse, Grundkurse). Die Auffassung, daß eine in Religion erbrachte Leistung nicht zu bewerten sei, wird von mir nicht geteilt, um so mehr als der Religionsunterricht nicht in der Vermittlung einer Glaubenslehre bestehen kann. Auch der Umstand, daß die Teilnahme am Religionsunterricht nicht obligatorisch ist, muß insoweit als unerheblich angesehen werden, da dies für zahlreiche andere Fächer (Wahlfächer) gleichfalls gilt und keine Begründung erkennbar ist, die die Berücksichtigung einer Note in einem anderen Wahlfach rechtfertigen, die Leistungsbewertung in Religion jedoch außer acht lassen könnte. Unrichtig ist nach meiner Auffassung auch, daß die Beteiligung am Religionsunterricht Glaubensbekenntnis erfordere. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 136 WRV ist es der Schule ohnehin versagt, das Bekenntnis der Schüler zu erfragen. Mir sind - allerdings nur einige wenige - Einzelfälle bekannt geworden, in denen Angehörige einer anderen Konfession oder Konfessionslose an einem Religionsunterricht teilgenommen haben. Einen Unterschied zwischen den einzelnen Schulformen gibt es in Hessen soweit nicht. Auch ist mir bisher nicht bekannt geworden, daß konfessionelle private Ersatzschulen anders verfahren; sie halten sich auch insoweit an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften." c) Auch der Kultusminister von Rheinland-Pfalzverweist zunächst darauf, daß der Religionsunterricht zufolge Art. 34 der Verfassung für RheinlandPfalz "ordentliches Lehrfach an allen Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und höheren Lehranstalten" ist. Dabei sei - anders als nach der hier vergleichbaren Vorschrift von Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG - kein Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Schulen zu machen. Die sich im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 ergebende Frage, ob eine verfassungsmäßige Garantie auch für den Religionsunterricht an weiterführenden Schulen bestehe, sei in Rheinland-Pfalz damit ausdrücklich zu Gunsten des Religionsunterrichts entschieden. "Ordentliches Lehrfach" bedeute auch in Rheinland-Pfalz, daß der Religionsunterricht in gleicher Weise wie alle anderen ordentlichen Lehrfächer im Rahmen der Schule, namentlich auch bei der Bewertung der Prüfungsleistungen der Schüler und bei der Versetzung, zu berücksichtigen sei. In der Praxis werde die Note des Faches Religion lediglich in den Berufsfach-, Berufsaufbau-, Fachober- und Fachschulen bei der Versetzungsentscheidung nicht berücksichtigt. Dies hänge damit zusammen, daß in den Zeugnissen dieser Schulen gemäß der Zeugnis- und Versetzungsordnung vom 22. 1. 1970 teilweise keine Note, sondern lediglich der Vermerk "teilgenommen" eingetragen werde. In allen anderen Schularten sei das Fach Religion wie jedes andere wissenschaftliche Fach versetzungsrelevant. Für Privatschulen, und zwar auch für konfessionelle Privatschulen, gelte keine andere Regelung. d) Der Minister für Kultus, Unterricht und Volksbildung des Saarlandes teilt mit, an allen Schulformen im Saarland, bei denen das Fach "Religion"
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bzw. "Religionslehre" als ordentliches Unterrichtsfach (Pflichtfach) unterrichtet werde, sei die Jahresnote in diesem Fach versetzungserheblich ("Vorrükkungsfach"). Er nimmt bezug auf die Zeugnis- und Versetzungsordnung für die Gymnasien des Saarlandes vom 1. 6. 1968, GMBI. S.134, und auf die Zeugnis- und Versetzungsordnung für die Realschulen des Saarlandes vom 5. 7. 1968, GMBI. S. 210. Für staatlich anerkannte (konfessionelle) Ersatzschulen gälten nach dem Privatschulgesetz die gleichen Vorschriften. e) Das Landesschulamt Schleswig-Holstein teilt mit: In Schleswig-Holstein sei die Benotung des Unterrichtsfaches Religion in der Sekundarstufe II der Gymnasien versetzungserheblich. Durch Erlaß des Kultusministeriums vom 11. 1. 1971 sei das alternative Wahlpflichtfach Religion/Philosophie eingeführt worden. Eines der Fächer sei für den Schüler obligatorisch. Es sei wissenschaftliches Lehrfach. Die erteilten Noten hätten das gleiche Gewicht wie in anderen wissenschaftlichen Fächern. Bei den anderen Schularten (Grund- und Hauptschulen, Realschulen, Hilfsschulen) sei die Versetzungserheblichkeit der Religionsnote nach Auskunft des Landesschulamtes zweifelhaft. Das Problem der Minderleistungen in Religion scheine in der Praxis kaum aufzutreten, weil nicht ausreichende Noten sehr selten gegeben würden. Schleswig-Holstein habe eine konfessionelle Privatschule, und zwar im Bereich des zweiten Bildungsweges in Form eines Kollegs, was etwa der Sekundarstufe II entspreche. Für das Lehrfach Religion gelte hier das gleiche wie für die Sekundarstufe II der Gymnasien. (3) In Baden-Württemberg, Berlin und Niedersachsen werden für das Fach Religionslehre zwar Noten erteilt, diese sind aber nicht versetzungserheblich. a) Das Kultusministerium Baden-Württemberg teilt mit, der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen des Landes sei ordentliches Lehrfach. Die Versetzungsordnungen für die einzelnen Schularten sähen jedoch vor, daß die Leistungen in Religionslehre für die Versetzung nicht maßgebend seien. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Schularten werde nicht gemacht. Soweit konfessionelle Privatschulen staatlich anerkannte Ersatzschulen seien, seien sie an die Versetzungsordnungen der entsprechenden öffentlichen Schulen gebunden. Für Religionslehre bestehe insoweit keine Sonderregelung. Früher sei in Baden-Württemberg die Religionslehre ebenfalls maßgebliches Fach gewesen. Nach Beratungen im Kulturpolitischen Ausschuß des Landtags und Gesprächen mit den Kirchen sei dies in den Jahren 1957 bis 19591 geändert worden, ohne daß man der Auffassung gewesen sei, hierzu aus rechtlichen Gründen gezwungen zu sein. 1 Diese Angaben sind ungenau. Während es in der Bekanntmachung des Kultusministers vom 3. 6. 1954 (Kultus und Unterricht 1954, S. 231) noch hieß: "1. Maßgebend für die Versetzung in die nächsthöhere Klasse sind die Leistungen in den Fächern Religionslehre, Deutsch ...", wurde diese Bekanntmachung durch die Bekanntmachung des Kultusministers vom 18. 1. 1955 wieder aufgehoben, die bestimmt: "3. Maßgebend für die Versetzung sind allein die Leistungen in Deutsch ...", Religionslehre war hierunter nicht mehr aufgeführt (Kultus und Unterricht 1955, S. 100). Dabei blieb es auch bis zur heute geltenden Versetzungsordnung (Bekanntmachung vom 9. 6. 1971, Kultus und Unterricht 1971, S. 862, in der Fassung vom 29. 6. 1972, Kultus und Unterricht 1972, S. 985, abgedruckt bei Seipp - Hochstetter, III E 11, S. 1- 2 b). - Die Erteilung von Noten beruht im übrigen auf dem Erlaß vom 20. 1. 1962 (Kultus und Unterricht 1962, S. 196).
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b) Der Senator für Schulwesen in Berlin verweist auf die §§ 13 bis 15 des Schulgesetzes für Berlin in der Fassung vom 13. 9. 1966 (GVBl. S . 1485), zuletzt geändert durch § 54 des Gesetzes über die Fachhochschulen im Land Berlin vom 27. 11. 1970 (GVBI. S. 1915). Aus diesen Vorschriften folge, daß die Notengebung im Fach Religionsunterricht für die Versetzungsentscheidung an öffentlichen Schulen im Land Berlin keine Relevanz besitze. Anders sei die Rechtslage bei Privatschulen. Diese hätten das Recht, den inneren und äußeren Schulbetrieb nach einem eigenen pädagogischen, religiösen und weltanschaulichen Leitbild frei zu gestalten. Die Versetzungsentscheidungen anerkannter Privatschulen seien Entscheidungen der Privatschulen und nicht Entscheidungen des Staates. c) In Niedersachsen gibt es nach Auskunft des Niedersächsischen Kultusministers keine Richtlinien oder sonstigen Erlasse, die die Rechtserheblichkelt der Note in Religionslehre für die Versetzung behandeln. An den öffentlichen Schulen aller Schularten werde Religion bei der Entscheidung über die Versetzung unberücksichtigt gelassen. (4) Unbenotet bleiben die Leistungen im Fach Religionslehre in Hamburg. Dort werden nach den "Bestimmungen über die Erteilung von Zeugnissen" im Fach Religion keine Noten erteilt. Hat der Schüler am Religionsunterricht teilgenommen, so wird dies mit der Abkürzung "tg" im Zeugnis vermerkt. Versetzungserheblich ist der Teilnahmevermerk nicht. Eine Ausnahmeregelung gilt für Gymnasien mit Oberstufenreform. Dort hat der Schüler im Pflichtbereich die Wahl zwischen Religion und Philosophie. Hier fließt die erreichte Punktzahl in die Bewertung voll ein. Für konfessionelle Privatschulen gilt keine andere Regelung oder Praxis als für staatliche Schulen. Die konfessionellen Privatschulen schließen sich der staatlichen Regelung an. Die Religionsnote ist auch hier nicht versetzungserheblich, es sei denn, es handele sich um Privatgymnasien mit Oberstufenreform.
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sung des Landes Hessen, Erster Band, Bad Hornburg vor der Höhe und Berlin 1954 Zippelius, Reinhold: Erläuterungen zu Art. 4, in: Banner Kommentar (Zweitbearbeitung), Harnburg 1950 ff.
Sachwortregister Abiturs. Reifeprüfung Abmeldung vom Religionsunterricht 15, 19 f., 33, 36 Fn. 80, 37, 40, 42, 45, 52 f., 57, 67, 87, 90, 93 f., 95 f., 99, 100, 101 ff., 109, 110, 113 Anmeldung zum Religionsunterricht 38 f. Anstaltsseelsorge 71, 75, 82 Arbeitsunterricht 27 Baden 23 Baden-Württemberg 32 Fn. 61, 36 f., 42, 51 Fn. 163, 59 Fn. 201, 115 Bayern 32 Fn. 61, 42, 113 Befreiung vom Religionsunterricht 52 f., 54, 92, 105 Fn. 1, 109 s. a. Abmeldung vom Religionsunterricht bekenntnisfreie Schule 22, 29, 33, 52, 53,92,106 Bekenntnisfreiheit s. Glaubensfreiheit Benotung s. Notengebung Berechtigungswesen 41 Berlin 115 f. Berufsschule 28, 53, 113, 114 "Besonderes Gewaltverhältnis" 59, 60 Fn. 204 Besteuerungsrecht s. Kirchensteuer "Betriebsverhältnis" 59 Fn. 204 Bibelgeschichte 34, 48, 49 Bremen 28, 29, 32 Fn. 61, 43 Fn. 127, 112 bürgerlich-liberaler Verfassungsstaat 69,80, 96,99 Bundesstaat 28, 67, 69, 71, 74, 97 CDU 28 Fn. 35, 29 Chancengleichheit s. Gleichheitssatz Curriculum s. Lehrplan Deutsche Bischofskonferenz 50, 113 Deutscher Bildungsrat 44 Fn. 135 Deutschunterricht 16, 21, 57, 64, 115 Fn.l Didaktik 46, 65, 66 Eidesleistung 94 Fn. 299 "Einheit der Verfassung" 31, 75, 84, 87, 94 EKD 38 Fn. 93, 40 Fn. 105, 49 f., 51 Fn. 165, 76 Fn. 248
Elternrecht 28, 30 Recht der Eltern, über Teilnahme der Kinder am Religionsunterricht zu entscheiden 15, 18, 19 f., 33, 37, 38, 52 f., 95, 109, 113 Ersatzschule s. Privatschule Fachschule 53, 114 fakultatives Lehrfachs. Wahlfach Frankreich 77, 79 freiwillige Unterrichtsveranstaltung 19, 39, 54, 63 f., 110 s. a. Wahlfach Fremdsprachenunterricht 16, 17, 21, 57 Geschichtsunterricht 109 gesellschaftswissenschaftlicher Unterricht 57, 109 Gesetz über die religiöse Kindererziehung 15, 18, 28, 38, 67, 101 Gewissensfreiheit "Doppelcharakter" des Grundrechts der- 86f. Entscheidung über Teilnahme am Religionsunterricht als Folge der - 19 f., 38, 40, 52 f., 90, 93 f., 95 f., 99, 100, 103, 109 f. "funktionale Interpretation" der 92f. - als Teil der staatskirchenrechtlichen Regelung des GG 31, 39 f., 68, 69, 71, 75, 78, 81, 87, 94 f. - als theologisches Gebot 49 - und Gestaltung des Religionsunterrichts 37, 89 - und Kriegsdienstverweigerung 90 f., 104 - und Neutralitätsgebot 69, 70, 73, 75, 86 f. Konkurrenz der - zu den andern Rechten des Art. 4 GG 88, 92 Reichweite der - 88 f., 94 f. Versetzungserheblichkelt des Religionsunterrichts und- 86 ff., 104 Glaubensfreiheit Beeinträchtigung der - durch Abmeldung vom Religionsunterricht 87,95 f. "Doppelcharakter" des Grundrechts der-86f.
Sachwortregister Entscheidung über Teilnahme am Religionsunterricht als Folge der - 19 f., 38, 40, 52 f., 90, 93 f., 95 f., 99, 100, 103, 109 f. - als Teil der staatskirchenrechtlichen Regelung des GG 31, 39 f., 68, 69, 71, 73, 75, 78, 81, 87, 94 f. - und Gestaltung des Religionsunterrichts 37, 89 - und Kirchensteuerpflicht 91 f., 104 - und Neutralitätsgebot 69, 70, 73, 75, 86 f. Konkurrenz der - zu den andern Rechten des Art. 4 GG 88, 92 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur- 87, 88 Reichweite der- 88 f., 94 f. Versetzungserheblichkeit des Religionsunterrichts und- 86 ff., 104 Gleichheitssatz allgemeiner - 20, 61, 97 ff., 105 Fn.l spezielle Diskriminierungsverbote 70,97,98 methodische Prüfung am- 100 ff. Grundkurs 22, 56, 57 f., 114 Grundrecht Art. 7 Abs. 3 GG als - 29 "Doppelcharakter" der ---€ 86, 99 Effektivität der ---€ 88 f. Mißbrauch der ---€ 96, 101 moderner Staat und ---€ 39, 99 Grundschule s. Volksschule "Grundverhältnis" 59 Fn. 204 Gymnasium 13 f., 15, 16, 20 f., 27, 39, 48, 49, 54 ff., 56 ff., 62 ff., 66, 105 f., 108 f., 110, 112 ff. Harnburg 116 Hauptfach 21, 22, 26, 107 Hauptschule s. Volksschule Hauswirtschaftsunterricht 55 f., 64 Hessen 32 Fn. 61, 42, 113 f. Hilfsschule 115 "hinkende Trennung" 77,78 Höhere Schule (Lehranstalt) s. Gymnasium Indifferentismus 71, 73 institutionelle Garantie 29 Interpretation s. Konkretisierungselemente funktionale - 92 f. Jahrgangsklassen System der- 41 Fn. 112, 51, 56 Kaiserreich 23, 79 Kernfach 22, 27 f., 54, 114 9 Müllcr/Pieroth
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Kirchen s. Religionsgemeinschaften sowie Staat und Kirche Kirchenaustritt 92, 93, 104 Kirchensteuer 71, 75, 77, 91 f., 104 Kirchenvertrag 58, 113 Klassenkonferenz 14, 16, 17, 21, 55 Konfessionsschule 28 Konkretisierungselemente genetische- 22 ff., 45, 50, 91, 96 grammatische- 22, 28 f., 34, 37, 38, 43, 50,64,91, 94 Fn. 299 Normbereich 34, 43 ff., 51, 83 f. systematische - 27, 29 ff., 45, 50 f., 53, 64, 68, 70 ff., 75 f., 76 f., 79, 84 f., 90, 94Fn. 299,95, 96,100 verfassungspolitische - 36 Fn. 80, 43, 45, 47 ff., 68, 71, 72, 75, 85, 86, 96 verfassungstheoretische - 70 Kriegsdienstverweigerung 90 f., 104 Kulturhoheit 67, 69, 74, 105 Fn. 1, 107 Kultusministerkonferenz 39 Fn. 102, 44, 56 ff., 62, 113 Kunstunterricht 14, 16, 17, 41, 51, 55, 64 Länderverfassungen Erziehungsziele in den - 32, 33 Regelung des Religionsunterrichts in den- 28, 42, 52 f., 113, 114 Regelung der Teilnahme am Religionsunterricht in den - 38, 52, 92 Fn. 292 Staatskirchenrecht und - 69, 77 Laizismus 32, 69, 70, 71, 72, 73, 78, 79, 85,87 Landeskirchenturn 76, 80, 81 Legitima tion des Religionsunterrichts katechetische - 33 f., 35, 46, 47 f., 50 pädagogische - 33, 46, 48 ff., 65 Lehrbücher 52 Lehrer erzieherische Mittel der - 45 Freiwilligkeit der Erteilung des Religionsunterrichts durch die 25, 26 f., 38, 40, 41, 52, 107 Religionslehrer 27, 44, 46 f., 49, 50, 52, 65, 66,81,82 Lehrgegenstand 25, 26 Lehrplan Aufgaben und Inhalt des Religionsunterrichts nach dem 47 ff., 66, 109, 112 Lehrpläne als Verwaltungsvorschriften 58 f., 60 Mitwirkung der Religionsgemeinschaften bei Erstellung des -s 33, 35, 47 Fn. 153, 52, 66
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Sachwortregister
moderne Lehrplan-Theorie 33, 35, 46,65 Oberstufenreform und - 39, 44 Religionsunterricht als Teil des -s 15, 26 f., 31, 44, 62 f., 113 Leibesübungen s. Sportunterricht Leistungskurs 22, 56, 57 f., 113, 114 Lernzielkontrolle 41 Mathematikunterricht 14, 16, 17, 21, 57, 110 Methodik s. Konkretisierungselemente rechtsstaatliche - 43, 45, 83 f., 86, 94 f., 96 Mexiko 79 Militärseelsorge 71, 81, 82 missio canonica 52 f. mittlere Lehranstalt s. Realschule Morallehre 33, 49 mündliches Fach 58, 113 Musikunterricht 14, 16, 17, 21, 41, 51, 55, 64, 111 musisches Fach s. Kunstunterricht sowie Musikunterricht naturwissenschaftlicher Unterricht 54, 57 Nebenfach 22, 107 Neutralität 69, 70 ff., 73 Fn. 243, 74, 75, 78, 79, 81, 86 f., 106 Nichtidentifikation 69, 71, 79, 87 Niedersachsen 115, 116 Nordrhein-Westfalen Erziehungsziele in der Verfassung von - 32 Fn. 61 Lehrpläne für den Religionsunterricht in- 47 f., 49, 66, 112 f. Oberstufenreform in - 57 f., 113 Regelung des Religionsunterrichts in - 42, 52 ff., 67, 74, 97, 107 ff., 112f. Runderlasse des Kultusministers von - 53 ff., 62 Verkündung von Rechtsverordnungen in-59 Versetzungsordnung von- 14, 16 f., 41 Fn. 113, 55 f., 57, 60 f., 62 ff., 67' 96, 103, 104, 110 f., 113 Normbereich s. Konkretisierungselemente Normtext s. Konkretisierungselemente, grammatische Notengebung Berücksichtigung der Note im Religionsunterricht 15, 19, 22, 28, 36 f., 42 Fn. 119, 43, 58, 66, 87, 89 f., 95 f., 101 ff., 105 Fn. 1, 107, 109 f., 112 ff. freiwillige Unterrichtsveranstaltungen und- 19, 55, 63 f.
gegenwärtige Praxis der - 43 nordrhein-westfälischer Runderlaß zur-54, 62 pädagogische Literatur zur - 45 Zusammenhang von Versetzung und-41f. s. a. Zeugniserteilung Numerus clausus 102, 103 Oberschule s. Gymnasium Oberstufenreform 39, 49, 56 f., 62, 112, 113, 116 obligatorisches Lehrfach s. Pflichtfach Parität 97 Parlamentarischer Rat 28 f., 30, 34 Pflichtbereich 44, 51 Fn. 165, 56, 57, 62, 113 Pflichtfach 15, 22, 24 ff., 38 ff., 41, 42, 43 f., 50 f., 54, 55, 57, 62, 64, 67, 105 Fn. 1, 107, 109 f., 113 Philosophieunterricht 110, 115, 116 Pluralismus 80 "praktische Konkordanz" 39 Preußen 23, 27 f., 58 Privatschule 13 f., 20, 113, 114 f., 116 Realschule 27, 54, 113, 114, 115, 116 Rechtfertigung s. Legitimation des Religionsunterrichts Rechtsprechung - zum Gleichheitssatz 98, 99 Fn. 310 - zur Glaubensfreiheit 87, 88 - zur Rechtswirksamkeit von Verwaltungsvorschriften 61 - zur systematischen Verfassungsinterpretation 75 -zur Oberprüfung von Versetzungsentscheidungen 17, 110 f. - zur Versetzungserheblichkelt des Religionsunterrichts 40 - zur weltanschaulichen Neutralität 70f. Rechtsvergleichung 69, 76 Rechtsverordnung 59, 60 Fn. 208, 61 Reichskonkordat 58 Reifeprüfung 28, 32 Fn. 65, 56, 57 f., 112, 113 Religionsfreiheit 69, 73, 78, 81 s. a. Gewissensfreiheit sowie Glaubensfreiheit Religionsgemeinschaften Aufgaben der - 69, 80 f . gesellschaftliche Bedeutung der 45, 71 f., 80, 82 ff., 85 f. - als Körperschaften des öffentlichen Rechts 72, 75, 76, 77, 85 - als private Verbände 72, 77, 79
Sachwortregister Verantwortung der- für den Religionsunterricht 18, 23, 24, 25, 30, 32 f., 33 ff., 35 Fn. 76, 37 f., 39, 45, 52 f., 77, 86, 108 Religionsgesellschaften s. Religionsgemeinschaften Religionskunde 33, 48, 49, 65, 110 Religionslehrer s. Lehrer Religionspädagogik 18, 33, 35, 43, 45 ff., 65, 66, 89 f., 108 Rheinland-Pfalz 32 Fn. 61, 42, 113, 114 Richtlinien für den Religionsunterricht s. Lehrplan Runderlaß 16, 24 Fn. 5, 53ff., 57, 58ff., 63 f. "Saarbrücker Rahmenvereinbarung" 56,62 Saarland 32 Fn. 61, 42, 113, 114 f. Säkularität 17 f., 68 ff., 71, 72, 73, 74, 86, 106 Schleswig-Holstein 48, 113, 115 schriftliches Fach 17, 55, 58, 64 Schüler Abmeldebefugnis der - vom Religionsunterricht 15, 18 f., 19 f., 24, 26 f., 32 Fn. 65, 33, 38 ff., 41, 42, 52 f., 54, 57, 95 f., 101 ff., 107, 109 "Besonderes Gewaltverhältnis" der -59 Grundrechtsfähigkeit der - 97 Rolle der - im Religionsunterricht 18, 46 f., 48 f., 50, 66, 108 f., 114 Versetzung der - 14 f., 16 f., 28, 36, 37, 45, 55 f., 60, 68, 87, 95 f. Schulentlassung 14 Schulhoheit s. Kulturhoheit Schulkollegium 13, 16, 17 Schulkompromiß Erster Weimarer- 25 f. Zweiter Weimarer- 26 Schulordnung 51 Fn. 163, 54 Schulpraxis Bedeutung der - für Konkretisierung 34 f., 51 gegenwärtige- 43, 47 ff., 50, 65, 66, 110, 112 ff. herkömmliche - 41, 50 - in der Weimarer Republik 27 f., 32 Fn. 65 Schulrecht 23, 27 f., 30, 39, 41, 43 f., 47 ff., 51, 53 ff., 58 ff., 71, 74, 82, 112 ff. Sekundarstufe I 55 Sekundarstufe II 44, 49, 51 Fn. 165, 56 ff., 62, 112, 113, 115 Selbstbindung der Verwaltung 16, 61 Sexualkundeunterricht 60 Fn. 209 Simultanschule 28
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"Sonderverordnung" 61 Fn. 210 Sowjetunion 79 SPD 24, 25, 28 Sportunterricht 41, 51, 55, 57, 64 Staat und Kirche Trennung von - 30, 31, 36 f., 71, 72, 74 f., 76 ff., 85, 86, 106 Verhältnis von - 30 f., 68 ff., 70 ff., 74 ff., 77, 78 f., 80 ff. staatliche Aufgabe Religionsunterricht als - 18, 30, 73, 106 f. staatliches Aufsichtsrecht 14, 29 Fn. 47,30,33,53,54,59, 108 Staatsbürgerkundeunterricht 27 Staatskirche Verbot der - 31, 69, 71, 72, 78, 79, 81 Staatsleistungen 71, 75 Stundentafeln Oberstufenreform und- 57 Religionsunterricht in den 27, 54 f., 62 ff. - als Verwaltungsvorschriften 58 f., 60 theologische Fakultäten 81, 82 Toleranz 69, 71 überkonfessioneller Religionsunterricht 33, 35, 47 "Unterrichtskonzeption" 35, 36 f., 40 Fn. 108, 46 f., 48 ff., 65, 66, 89 f. Vereinigte Staaten von Amerika 77, 79 Verfassungspolitik s. Konkretisierungselemente Verfassungswandel 82 ff. "Verkündigungskonzeption" 18, 33 f., 35, 37, 42 Fn. 117,46, 47f., 50, 65, 66, 89 f., 108 Veröffentlichung von Rechtsnormen 59 Versetzung Berücksichtigung der Note im Religionsunterricht bei der - 15 f., 18 ff., 22, 27, 36 f., 40 f., 42 f., 43, 51, 53 ff., 57 f., 62, 67, 68, 69 f., 74, 82, 87, 89 f., 95 f., 98, 101 ff., 105, 107f., 109f., 112 ff. Entscheidung über die - als Verwaltungsakt 14 gerichtliche Überprüfung der Entscheidung über die - 17 - als schulische Maßnahme 14, 18, 21, 28, 32, 41, 45, 51 Fn. 165, 55 f., 57, 60, 110
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Sachwertregister
Versetzungsordnung baden-württembergische - 115 nordrhein-westfälische - 14, 16 f., 41 Fn. 113, 51 Fn. 163, 55 f., 57, 60 f., 62 ff., 67, 96, 103, 104, 105 f., 110f. preußische - 27 f. rheinland-pfälzische- 114 saarländische -114 Verwaltungsrechtsweg 13 Verwaltungsübung 16, 61 Verwaltungsverordnung s. Verwaltungsvorschrift Verwaltungsvorschrift 58 ff. visitatio 52 vocatio 52 f. Volksschule 27, 50, 54, 112 f., 114, 115, 116 Vorbehalt des Gesetzes 59 f. Wahlbereich 39, 44, 56 Wahlfach 15, 19, 22, 24 ff., 38 ff., 41, 42, 43 f., 50 f., 54, 63 f., 67, 105 Fn. 1, 107, 109, 114 wahlfreies Fach 14, 15, 17, 22, 54, 55, 63 f., 67 s. a. Wahlfach Wahlfreiheit s. Wahlbereich Wahlpflichtfach 19, 22, 54, 63, 64, 115 Wehrersatzdienst 91, 104 Weimarer Nationalversammlung 24 ff. Verfassungsausschuß der - 24 f., 26
Weimarer Reichsverfassung "Auslegung" der - 31 Kirchenartikel der- 75, 76, 77, 80, 84 f., 94 Fn. 299 Normtext des Art. 149 Abs. 1 22 f., 29 rechtswissenschaftliche Literatur zur - 26 f., 107 Schulpraxis unter der - 27 f., 32 Fn. 65 - und Verfassungsdurchbrechung 83 - und Verfassungswandel 85 weltliche Schule 22, 28 wissenschaftliches Fach 14, 15, 17, 35 Fn. 76, 55, 64 ff., 67, 105 Fn. 1, 106, 108 f., 110, 112, 113, 115 Württemberg 23 Württemberg-Baden 42 Zensuren s. Notengebung Zentrum 24 Zeugniserteilung Berücksichtigung des Religionsunterrichts bei der- 36, 54, 113 freiwillige Unterrichtsveranstaltungen und - 19, 55, 63, 110 pädagogische Literatur zur - 45 - im Ausgangsfall13 Zusammenhang von Versetzung und-41 s. a. Notengebung