119 19 24MB
German Pages 252 Year 1992
Beiträge zum Parlamentsrecht
Band 21
Regierungsbildung und Regierungswechsel nach niedersächsischem Verfassungsrecht Eine Untersuchung zum parlamentarischen Regierungssystem in Niedersachsen Von
Dr. Christian Busse
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN BUSSE
Regierungsbildung und Regierungswechsel nach niedersächsischem Verfassungsrecht
Beiträge zum Parlaments recht Herausgegeben von Werner Kaltefleiter, Ulrich Karpen, Wolfgang Zeh in Verbindung mit Peter Badura, Wolfgang Heyde, Joachim Linck Georg-Berndt Oschatz, Hans-Peter Schneider Uwe Thaysen
Band 21
Regierungsbildung und Regierungswechsel nach niedersächsischem Verfassungsrecht Eine Untersuchung zum parlamentarischen Regierungssystem in Niedersachsen
Von
Dr. Christian Busse
Duncker & Humblot . Berlin
Gefördert mit Hilfe von Forschungsmitteln des Landes Niedersachsen
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Busse, Christian: Regierungsbildung und Regierungswechsel nach niedersächsischem Verfassungsrecht : eine Untersuchung zum parlamentarischen Regierungssystem in Niedersachsen / von Christian Busse. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Beiträge zum Parlamentsrecht ; Bd. 21) Zug!.: Göttingen, Univ., Diss., 1990/91 ISBN 3-428-07326-6 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 21 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 3-428-07326-6
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1990/91 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Anfang 1991 eingearbeitet. Herrn Professor Dr. Christi an Starck möchte ich an dieser Stelle für die Anregung und Betreuung der Arbeit sowie seine nachhaltige Förderung danken. Mein Dank gilt weiter Herrn Prof. Dr. Gilbert Gornig, der die Mühe des Zweitgutachtens auf sich genommen hat. Schließlich habe ich Herrn Rechtsanwalt Prof. Norbert Simon für die Aufnahme in die Schriftenreihe "Beiträge zum Parlamentsrecht" zu danken. Göttingen, im Dezember 1991
Christian Busse
Inhaltsverzeichnis Einleitung .............................................................................
17
Erster Teil
Die Bildung der Regierung
21
A. Die Wahl des Ministerpräsidenten ..............................................
21
1. Der Wahlvorschlag ......................................................... 1. Aspekte für die Erforderlichkeit eines Vorschlags ....................
21 22
2. Wahl ohne Vorschlag? .................................................. 3. Ergebnis .................................................................
24 25
II. Das Ausspracheverbot ...................................................... 1. Die These vom erzieherischen Zweck ................................. 2. Der Schutz der Kandidaten ............................................. a) Der Kandidat als Person ............................................
25 26 27 27
b) Das Programm ....................................................... 3. Aspekte aus der Entstehungsgeschichte................................
30 31
4. Folgerungen .............................................................
32
III. Die Abstimmung ...........................................................
33
IV. Persönliche Anforderungen an den Ministerpräsidenten .................
35
B. Die Berufung der Minister und die Bestätigung der Landesregierung........
37
1. Die Berufung der Minister ................................................. 1. Persönliche Anforderungen an die Minister ........................... 2. Die Anzahl der zu berufenden Minister ...............................
38 38 38
II. Die Bestätigung ............................................................. 1. Die Funktion der Bestätigung .......................................... 2. Bestätigung und Ressortzuweisung ....................................
40 41 44
a) Die p~rsonelle Zusammensetzung als alleiniger Gegenstand der Bestattgung .......................................................... b) Die Ressortzuweisung als Gegenstand der Bestätigung...........
45 47
3. Ausspracheverbot auch vor der Bestätigung? .........................
49
III. Der Stellvertreter des Ministerpräsidenten ................................ 1. Ernennung und Auswahl ................................................
50 50
8
Inhaltsverzeichnis 2. Die Bestätigung der Ernennung durch den Landtag a) Versuch einer Rechtfertigung der Praxis .......................... .
53 53
b) Die Angreifbarkeit der Praxis ...................................... .
56
c) Ergebnis ............................................................. .
58
3. Di.e. gesch~~sordnungsrechtliche Regelung der Stellvertretung des Mmlsterprasldenten .................................................... .
58
C. Wiederholung der Regierungsbildung ......................................... .
59
I. Die Wiederholung der Wahl des Ministerpräsidenten ................... .
60
H. Die abgelehnte Bestätigung der Regierung
61
1. Die Erledigung der Ministerberufungen ...............................
61
2. Die Folgen einer Bestätigungsversagung für den designierten Ministerpräsidenten .....................................................
62
a) Die Unanfechtbarkeit seiner Position ..............................
63
b) Die Abwahlmöglichkeit .............................................
65
III. Die Häufigkeit der Wiederholung .........................................
67
D. Die fehlgeschlagene (Mehrheits-) Regierungsbildung .........................
68
I. Entstehungsgeschichte des Art. 21 NdsVerf. .............................
69
1. Frühe Entwürfe aus der Mitte des Landtags ...........................
69
2. Der Regierungsentwurf .................................................
70
3. Vorschläge im Verfassungsausschuß ...................................
71
H. Die geltende Rechtslage ....................................................
72
1. Das Verfahren ...........................................................
73
a) Das Problem des Verfahrensablaufs ......... .......................
73
b) Die Lösung ............ ............... ...............................
73
2. Die Landtagsauflösung ..................................................
76
3. Die Problematik des Minderheitsministerpräsidenten .................
77
4. Die Abgeordnetenmehrheit im Verfahren nach Art. 21 ...............
79
a) Forderung nach Bestätigung seiner Regierung .....................
79
b) Ablehnung dieser Forderung ........................................
80
5. Stimmengleichheit mehrerer Kandidaten ..............................
81
a) Das Losverfahren ....................................................
81
b) Durchführung weiterer Wahlgänge. ................. .......... .....
83
c) Wiederholung des Verfahrens nach Art. 20 und 21 NdsVerf. ....
85
d) Wiederholung allein des Verfahrens nach Art. 21 NdsVerf. ......
85
6. Zusammenfassung .......................................................
88
Inhaltsverzeichnis
9
Zweiter Teil Die Regierung im Amt A. Die Entlassung der Minister durch den Ministerpräsidenten
89
90
I. Die Anforderungen an den Ministerpräsidenten ......................... .
90
11. Die Zustimmung des Landtags zur Entlassung eines Ministers ........ .
1. Überblick über verschiedene Verfassungen .......................... . 2. Zur Kritik an der Niedersächsischen Regelung ...................... .
90 90 91
B. Der Rücktritt eines Ministers .................................................. .
95
I. Die Problematik des Art. 20 IV bei einem Rücktritt .................... .
96
11. Zur Lösung ................................................................ .
97
C. Rücktrittsangebot und Rücktrittsgesuch ....................................... .
100
D. Die Ministeranklage ............................................................ .
103
I. Voraussetzungen ........................................................... .
104
11. Verfahren .................................................................. .
108
III. Art. 31 im Gefüge der Verfassung ....................................... .
110
E. Bestätigung eines neu berufenen Ministers .................................... .
115
F. Der Ressortwechsel und seine Voraussetzungen .............................. .
116
G. Keine Abwahl von Ministern durch den Landtag ............................. .
118
I. Allgemeine und historische Bemerkungen ............................... .
118
11. Die Konsequenz in der Verfassung ...................................... .
119
III. Weitere Ausdrucksformen der Unzufriedenheit mit Ministern ......... . 1. Schlichte Mißbilligungsbeschlüsse .................................... . 2. Entlassungaufforderung ................................................ . a) Die Zulässigkeit von Entlassungsersuchen ........................ . b) Entlassungsersuchen als antizipierte Zustimmung nach Art. 20 IV NdsVerf............................................................. . 3. Rücktrittsaufforderung ................................................. . 4. Streichung des Gehaltes ............................................... .
121 122 124 125
IV. Zusammenfassung ......................................................... .
130
127 128 129
Dritter Teil Das Ende der Regierung
131
A. Der Rücktritt des Ministerpräsidenten ..........................................
131
I. Rücktritt nach einer Landtagswahl ........................................
132
11. Rücktritt nach Art. 24 I NdsVerf. .... ................. ..... ... ...... ......
133
10
Inhaltsverzeichnis
B. Das konstruktive Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten I. Die niedersächsische Regelung ............................................ 1. Der Antrag nach Art. 23 NdsVerf. ..................................... a) Der ,,nachgeschobene" Kandidat ................................... aa) Die Entstehung des Art. 23 NdsVerf. ......................... bb) Keine Folgerungen aus der Entstehungsgeschichte........... b) Der Zweck der 21-Tage-Frist ....................................... c) Abschließende Überlegungen ....................................... d) Ergebnis .............................................................. 2. Die Abstimmung über den Mißtrauensantrag und ihre Folgen.......
a) Die Anwendung von Art. 20 NdsVerf. ............................. b) Unanwendbarkeit von Art. 21 NdsVerf. ........................... aa) Die Entscheidung gegen Art. 21 ............................... bb) Das weitere Verfahren ......................................... 3. Das Zusammentreffen mehrerer Anträge nach Art. 23 NdsVerf. .... 11. Die unterschiedlichen Ausgestaltungen des konstruktiven Mißtrauensvotums in den Ländern..................................................... 1. Vor Inkrafttreten des Grundgesetzes entstandene Verfassungen ..... a) Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland ................................. b) Die Verfassung Bremens ............................................ c) Die Bayerische Verfassung ......................................... 2. Nach dem Grundgesetz entstandene Verfassungen ................... a) Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ..................... b) Die Berliner Variante ............................................... c) Die Verfassungen Hamburgs und Baden-Württembergs .......... 3. Schlußbetrachtung ....................................................... 4. Bewertung der niedersächsischen Regelung des konstruktiven Mißtrauensvotums ...........................................................
c.
134 135 135 136 136 139 140 142 143 144 144 147 148 150 152 153 153 153 156 158 161 161 163 165 166 168
III. Exkurs: Mißbilligung des Ministerpräsidenten ............................
170
Die Auflösung des Landtages ...................................................
174
I. Die Geschichte des Selbstauflösungsrechts in der Verfassung Niedersachsens ..................................................................... 1. Die Regierungsvorlage zur Verfassung mit der zugehörigen Referentenbegründung ........................................................... 2. Die Beratungen des Verfassungsausschusses und des Plenums ...... 3. Die Verfassungsänderung vom 20. April 1970 ........................
11. Das Selbstauflösungsrecht der Landtage in den verschiedenen Landesverfassungen ................................................................ 1. Verfassungen mit besonders strengen Anforderungen an die Selbstauflösung .................................................................... 2. Auflösung mit Abgeordnetenmehrheit ................................. 3. Zusammenfassung.......................................................
177 177 178 182 187 189 190 192
Inhaltsverzeichnis III. Exkurs: Das Auflösungsrecht der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung nach einem Volksentscheid ..........................................
ll 193
IV. Einzelprobleme der niedersächsischen Variante.......................... 1. Das Verhältnis der Landtagsauflösung zum konstruktiven Mißtrauensvotum ............ .... .................................. ......... ......... 2. Das Verhältnis von Art. 7 zu Art. 21 I NdsVerf. .....................
195
V. Exkurs: Keine Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten in Niedersachsen 1. Das Institut der Vertrauensfrage ....................................... 2. Die Vertrauensfrage in den Verfassungen ............................. 3. Die Rechtslage ohne ausdrückliche Regelung der Vertrauensfrage.. a) Verfassung und Vertrauensfrage.................................... b) Kein Recht aus der Geschäftsordnung des Landtages ............. c) Ergebnis..............................................................
200 200 201 204 204 207 208
D. Der ständige Ausschuß nach Art. 12 .................................... . ......
208
I. Der ständige Ausschuß in parlamentsloser Zeit ..........................
210
11. Der ständige Ausschuß während der Legislaturperiode ..................
213
E. Die geschäftsführende Regierung ........................................ . ......
213
196 198
I. Rücktritt und Ausscheiden des Ministerpräsidenten ......................
215
11. Die Pflicht zur Weiterführung der Geschäfte .............................
217
III. Die Befugnisse einer geschäftsführenden Regierung .....................
220
IV. Wechsel im Personalbestand der geschäftsführenden Regierung ........ 1. Der Austausch von geschäftsführenden Ministern .................... a) Die Entlassung ....................................................... b) Die Neuberufung von Ministern.................................... 2. Unmittelbares Ausscheiden des Ministerpräsidenten ..................
222 223 223 224 226
V. Mißtrauensvotum gegen einen geschäftsführenden Ministerpräsidenten?
229
VI. Exkurs: Der geschäftsführende Minister .................................. 1. Der Rücktritt eines Ministers ........................................... 2. Tod oder Amtsverlust des Ministers ...................................
230 230 232
Literaturverzeichnis ................... . ............................................
234
Stichwortverzeichnis ................................................................
245
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
Abs.
Absatz, Absätze
Abg.
Abgeordnete, Abgeordneter, Abgeordneten
AdG a.E.
Archiv der Gegenwart
a.F.
alte Fassung
allg.
allgemein, allgemeine
Alt.
Alternative
AltKomm.
Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Reihe Alternativkommentare )
Anm.
Anmerkung
am Ende
AöR
Archiv des öffentliches Recht
ARSP
Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie
Art.
Artikel, Artikeln
Aufl.
Auflage
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
BayStVwR
Bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht
BayVBI.
Bayerische Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Bayern
BayVerf. BayVerfGHE
Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes
BayVerfGHG
Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof
bearb. BerlVerf.
Verfassung von Berlin
BGBI.
Bundesgesetzblatt
BayVerfGH
bearbeitet
BHE
Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten
BremStGHG
Gesetz über den Bremer Staatsgerichtshof
BremVerf.
Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen
BT
Bundestag
BVerfG BVerfGE
Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerfGG
Gesetz über das Bundesverfassungsgericht
Abkürzungsverzeichnis BWVerf.
Verfassung des Landes Baden-Württemberg
BWStGHG
Gesetz über den Baden-Württembergischen Staatsgerichtshof
bzgl.
bezüglich
CDU
Christlich-Demokratische Union Deutschlands
CSU
Christlich-Soziale Union Deutschlands
ders.
derselbe
d.h.
das heißt
dies.
dieselbe, dieselben
DJT DÖV
Deutscher Juristentag
DP
Deutsche Partei
Drucks.
Drucksache (zitiert nach Wahlperiodellaufender Nummer)
DVBI.
Deutsches Verwaltungsblatt
DZP
Deutsche Zentrumspartei
ebd.
eben da
entspr.
entsprechend
Erg.
Ergebnis
ESVGH
Entscheidungssammlung des Hessischen und des Baden-Württembergischen Verfassungsgerichtshofes
etc.
et cetera
Die Öffentliche Verwaltung
f.
folgende (Seite, Randnummer)
F.D.P.
Freie Demokratische Partei
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
ff.
folgende (Seiten, Randnummern)
FG
Festgabe
Fn.
Fußnote
FR
Frankfurter Rundschau
Frhr.
Freiherr
FS
Festschrift
gern.
gemäß
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
ggfs.
gegebenenfalls
GGK
Grundgesetzkommentar
GOBayLT
Geschäftsordnung des Bayerischen Landtages
GOBayStReg
Geschäftsordnung der Bayerischen Staatsregierung
GOBerlAbgH
Geschäftsordnung des Berliner Abgeordnetenhauses
GOBT
Geschäftsordnung des Bundestages
GOBWLT
Geschäftsordnung des Baden-Württembergischen Landtages
GOHbgBS
Geschäftsordnung der Hamburger Bürgerschaft
13
14
Abkürzungsverzeichnis
GOHessLT
Geschäftsordnung des Hessischen Landtages
GONdsLReg
Geschäftsordnung der Niedersächsischen Landesregierung
GONdsLT
Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages
grds.
grundsätzlich
GS
Gedächtnisschrift
GVBI.
Gesetz- und Verordnungsblatt
Halbs.
Halbsatz
HAZ
Hannoversche Allgemeine Zeitung
HbgVerf.
Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg
HdBDStR
Handbuch des Deutschen Staatsrechts
HdBStR
Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland
HessStGH
Hessischer Staatsgerichtshof
HessStGHG
Gesetz über den Hessischen Staatsgerichtshof
HessVerf.
Verfassung des Landes Hessen
Hrsg.
Herausgeber, Herausgeberin
hrsg.
herausgegeben
i. Erg.
im Ergebnis
i.V.m.
in Verbindung mit
insb.
insbesondere
i. S.
im Sinne
JöR
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart
Jur. Diss.
Juristische Dissertation
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
Komm.
Kommentar
KPD
Kommunistische Partei Deutschlands
krit.
kritisch
LVerfGbk
Landesverfassungsgerichtsbarkeit
Masch.
Maschinenschrift
Materialien
Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13. April 1951, zusammengestellt vom Büro des NdsLT
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
n.F.
neue Folge
nds.
niedersächsisch
NdsLT
Niedersächsischer Landtag, des Niedersächsischen Landtages
NdsLWahlG
Niedersächsisches Landeswahlgesetz
NdsMinG
Niedersächsisches Minstergesetz
NdsStGHE
Entscheidungen des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes
NdsStGHG
Gesetz über den Niedersächsischen Staatsgerichtshof
Abkürzungsverzeichnis NdsStVwR
Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht
NdsVerf.
Vorläufige Niedersächsische Verfassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NPD
Nationaldemokratische Partei Deutschlands
Nr.
Nummer
Nm.
Nummern
NVerw.
Die neue Verwaltung
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NWVerf.
Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen
NWVerfGH
Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen
NWVerfGHG
Gesetz über den Verfassungsgerichtshoffür das Land NordrheinWestfalen
o.ä.
oder ähnliches
o.J.
ohne Jahr
0.0.
ohne Ort
RegE
Regierungsentwurf zu einer Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung (NdsLT, Drucks. I/2073)
RGBI.
Reichsgesetzblatt
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RhPfVerf.
Verfassung für Rheinland-Pfalz
Rn.
Randnummer. Randnummern
RuPrVBI.
Reichsverwaltungsblatt und Preußisches Verwaltungsblatt
S.
Seite, Seiten
SaariABI.
Amtsblatt des Saarlandes
SaariVerf.
Verfassung des Saarlandes
SaariVerfGHG
Gesetz Nr. 645 über den Saarländischen Verfassungsgerichtshof
SHLS
Landessatzung für Schleswig-Holstein
SHVerf.
Landesverfassung für Schleswig-Holstein
sog.
sogenannte, sogenannten
Sp.
Spalte
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
SSW
Südschleswigscher Wählerverband
StenBer.
Stenographischer Bericht (zitiert nach Wahlperiode/Sitzung, Seite bzw. Spalte)
StGB
Strafgesetzbuch
SZ
Süddeutsche Zeitung
u.a.
und andere, unter anderem
u.U.
unter Umständen
v.
von, vom, vor
15
Abkürzungsverzeichnis
16 VerwRspr.
Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland
vgl.
vergleiche
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VR
Verwaltungsrundschau
WRV
Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Reichsverfassung)
z.B.
zum Beispiel
ZgesStW
Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft
ZParl.
Zeitschrift für Parlamentsfragen
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
zust.
zustimmend
Art. ohne nähere Bezeichnung des Gesetzes sind stets solche der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung.
Einleitung Die Vorläufige Niedersächsische Verfassung l ist ein Organisationsstatut, sie enthält also insbesondere keine Grundrechte. 2 Das Verhältnis von Landesregierung und Landesparlament ist damit der Kern der Verfassung. Und das Verfassungsleben in Niedersachsen ist gerade in diesem Bereich über die Jahre hinweg alles andere als eintönig gewesen. Der Niedersächsische Landtag war häufig Schauplatz nahezu dramatischer, oft genug gerade verfassungsrechtlich relevanter Ereignisse, auf die im folgenden einzugehen sein wird. 3 Erwähnt sei hier nur die Selbstauflösung des Landtags nach dem Zerfall der großen Koalition im Jahre 1970 und die Wahl Ernst Albrechts (CDU) zum Ministerpräsidenten im Jahre 1976. Diese Geschehnisse haben jedoch nicht zu Entscheidungen des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes geführt. Eine Konkretisierung der Verfassung durch die Rechtsprechung ist im hier interessierenden Zusammenhang also nicht möglich gewesen. Denn die parlamentarische Praxis hat sich bis zum Eintritt der GRÜNEN in den Landtag stets ohne Anrufung des Staatsgerichtshofes beholfen. 4 Man hatte es bis dahin stets verstanden, die verfassungsrechtlichen Fragen ohne gerichtliche Stellungnahmen zu überbrücken. Das mag den Vorteil haben, daß der Staatsgerichtshof nicht in die politischen Streitigkeiten hineingezogen wurde. Andererseits führt solch ein Verhalten aber auch zu einer gewissen Rechtsunsicherheit. Die Verfassungsorgane wissen ohne eine letztverbindliche gerichtliche Entscheidung in späteren, ähnlichen Fällen nicht, wie sie sich verfassungskonform verhalten können. So entwickelt sich leicht eine der Verfassung nicht gerecht werdende Praxis. Insofern wäre eine häufigere Bemühung des Staatsgerichtshofes glücklicher gewesen. 1 Im folgenden wird aus Gründen der Vereinfachung von der Niedersächsischen Verfassung gesprochen. Das entspricht auch der sonstigen Praxis. Eine sachliche Bedeutung kommt der "Vorläufigkeit" für die hier zu behandelnden Komplexe nicht zu. 2 Man meinte bei ihrer Ausarbeitung, insoweit habe das Grundgesetz annähernd erschöpfende Regelungen getroffen. Würden noch eigene Grundrechte in die Niedersächsische Verfassung aufgenommen - wozu sich vor allem der Kulturbereich angeboten hätte - so ergäben sich allenfalls Probleme, da sich gerade insoweit noch kein Konsens herausgebildet habe; dazu Beutler, JöR 26 (1977), 1 (23f.); Weber, DVBI. 1950, 593 (595). 3 Einen informativen Überblick über die ersten zweieinhalb Jahrzehnte politischen Lebens in Niedersachsen gibt Lehners, in: Porträt, S. 17ff. 4 Zu den von den GRÜNEN vor den Staatsgerichtshof gebrachten Streitfällen siehe NdsStGHE 3, Hf.
2 Busse
18
Einleitung
Denn auch das Schrifttum bietet wenig Hilfe für die Auslegung der Verfassung. Es finden sich dort zwar vereinzelte Stellungnahmen zur Verfassung,5 die aber stets auf einen konkreten Fall beschränkt geblieben sind. Die vorliegende Arbeit versucht, einen Beitrag zum Schließen dieser Lücke zu leisten. Dabei wird in erster Linie auf die historischen Fällen eingegangen. Weiter werden die Normen des niedersächsischen Rechts auf Fälle angewendet, wie sie in anderen Bundesländern vorgekommen sind, um zu sehen, wie sie nach der Niedersächsischen Verfassung zu entscheiden wären. Und letztlich gilt es, mögliche Fallkonstellationen aufzuzeigen, die im Zuge künftiger politischer Entwicklungen eintreten könnten. Das bietet die Möglichkeit, frei von tagespolitischen Ereignissen und politischen Zwängen, also relativ neutral, urteilen zu können. 6 Jedoch begibt sich der Verfasser damit immer in die Gefahr, dem Vorwurf begegnen zu müssen, einzelne vorgestellte Fälle seien abwegig und praxisfremd. Darauf ist schon im Vorfeld zweierlei zu entgegnen: Zum einen sind einige der tatsächlich vorgekommenen Fälle so seltsam, daß man kaum vorher an sie hätte denken können.7 Zum anderen ergeben sich durch das Auftreten neuer Parteien in den Landtagen Möglichkeiten, an die im bisherigen Drei-Parteien-Parlament niemand denken mochte. Schon das Auftreten der NPD im 6. Landtag brachte wesentliche Probleme mit sich, führte erst zur großen Koalition, dann zur Landtagsauflösung. Bereits erwähnt wurde der Einzug der GRÜNEN in den Landtag Anfang der 80er Jahre. Diese vierte Partei läßt die Bildung von Mehrheitsregierungen - auch wegen ihrer inneren Zerstrittenheit - zunehmend schwieriger werden,8 selbst wenn sie seit Juni 1990 gerade in Niedersachsen erstmals an der Regierung beteiligt ist. Und wie sich die Parteienlandschaft in einem vereinten Deutschland entwickeln wird, kann trotz der Fünf-Prozent-Klausel nicht vorhergesagt werden. Die Bildung von Mehrheitsregierungen würde durch mehr Parteien weiter erschwert. Gerade für diese Fälle versucht die Landesverfassung in den Normen über das Verhältnis von Regierung und Parlament Lösungen zu bieten. Eine Landesverfassung zieht wesentlichen Reiz aus dem Vergleich mit und den Abweichungen von anderen Landesverfassungen 9 sowie dem Grundge5 Pöls, Regierungsbildung, S. Hf.; Wettig-Danielmeier, ZParl. 1 (1969170), 269ff.; Toews, AöR 96 (1971), 354ff.; erst im Jahre 1983 erschien erstmals ein Kommentar zur NdsVerf. 6 So auch Starost, FS Zeidler, Band I1, 1199 (1201), allerdings für Verfassungsänderungen; der Gedanke gilt aber auch hier. 7 Beispiele: Auflösung nach der großen Koalition 1970, sog. "Barschel-PfeifferAffäre" in Schleswig-Holstein; auf beides wird im Text eingegangen. 8 Daher ist der Hinweis, daß selbst bei Parlamenten mit nur drei Parteien keine stabile Regierung mehr gewährleistet ist, durchaus zutreffend, vgl. Schütt-Wetschky, ZParl. 18 (1987), 94 (103); ob deshalb aber die Regierungsstabilität der ersten Jahrzehnte in der Bundesrepublik als Übergangsphase bezeichnet werden muß, erscheint zweifelhaft.
Einleitung
19
setz. 10, 11 Gerade hierfür sind die Regelungen über den Bestand der Regierung besonders interessant. Denn jedes Bundesland hat eigene Alternativen gefunden, mit den Problemen, die sich ergeben können, fertig zu werden. Und viele dieser Normen - vor allem auch des Grundgesetzes - sind in den Verhandlungen des Verfassungsausschusses, der die Niedersächsische Verfassung im wesentlichen erarbeitet hat, zur Sprache gekommen, um aus ihnen das Beste herauszulesen oder sich aus bestimmten Gründen gegen eine bestimmte Alternative zu entscheiden. 12 Und da es an Literatur zur Niedersächsischen Verfassung häufig fehlt, hat die Beschäftigung mit ihrer Entstehungsgeschichte einen besonderen Reiz; so haben die Verhandlungen im Verfassungsausschuß13 besondere Berücksichtigung gefunden. Aus ihrer Zielsetzung ergibt sich bereits der Aufbau der Arbeit: Sie setzt bei der Wahl des Ministerpräsidenten und der anschließenden Berufung der Minister an. Dabei wird auf die Besonderheiten zu achten sein, die sich aus dem Erfordernis ergeben, daß der Landtag die Regierung nach Art. 20 III NdsVerf. bestätigen muß, bevor sie ins Amt gelangen kann. Weiter ist der Frage nachzugehen, welche Regelungen die Verfassung vorgesehen hat, wenn eine Mehrheitsregierung nicht gebildet werden kann. Ist die Regierung dann im Amt, so sind die Möglichkeiten des Ausscheidens einzelner Minister zu betrachten. Dies hat vor allem unter dem Aspekt der besonderen Mitwirkung des Landtags zu geschehen. Im letzten Teil sind dann die verschiedenen Alternativen des Regierungsendes anzusprechen. Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang vor allem das konstruktive Mißtrauensvotum über das bereits dreimal vergeblich versucht worden ist, die Regierung zu stürzen. Ähnliches gilt für die Auflösung des Landtages, welche bereits viermal versucht wurde - davon einmal erfolgreich - und mit zeitlicher Verzögerung ebenfalls die Regierungszeit beendet. Letztlich ist dann die geschäftsführende Regierung zu begutachten, um die Kompetenzen der ausgeschiedenen Regierung zu betrachten, solange noch keine neue Regierung im Amt ist. Die Vorläufige Niedersächsische Verfassung 14 hat ihre Gültigkeit an die des Grundgesetzes geknüpft. Sie tritt gemäß ihrem Art. 61 II "ein Jahr nach Ablauf des Tages außer Kraft, an dem das deutsche Volk in freier Entscheidung eine Verfassung beschließt". Diese Formulierung entspricht Art. 146 GG a.F. Da die Wiedervereinigung aber nicht über Art. 146 GG a.F., son9 Einen vergleichenden Überblick über die Landesverfassungen gibt Pestalozza, Einführung, S. 9ff., für den hier interessierenden Bereich S. 22f. 10 Ähnlich Pestalozza, NVwZ 1987,744 (745); Sachs, DVBI. 1987,857 (864). 11 Zur Bedeutung der Landesverfassungen im Bundesstaat vgl. Vitzthum, VVDStRL 46 (1988), S. 7ff.; H.-P. Schneider, NJW 1987, 749ff.; Hufen, BayVBI. 1987, 513ff. 12 Vgl. bzgl. der Stellung des Ministerpräsidenten nur Materialien H, Vorlage 11. 13 Sie sind veröffentlicht in: Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13. April 1951 (Materialien I). 14 Daraus resultiert ihre Bezeichnung als "Vorläufige" Verfassung.
2*
20
Einleitung
dern Art. 23 GG a. F. vollendet worden ist, erscheint es nicht zwingend, daß das Land Niedersachsen sich eine neue Verfassung gibt. Selbst wenn eine Volksabstimmung über das nach der Vereinigung geänderte Grundgesetz stattfinden sollte, so folgt daraus nicht, daß die Niedersächsische Verfassung nach Ablauf eines Jahres außer Kraft tritt. 15 Denn ein geändertes Grundgesetz kann keine Verfassung LS.d. Art. 6111 NdsVerf. sein. 16 Dieser setzt offenbar eine neue Bundesverfassung voraus. Unabhängig von einem verfassungsrechtlichen Erfordernis hat sich jedoch die Einsicht durchgesetzt, daß eine Aktualisierung der Verfassung jedenfalls wünschenswert ist. Deshalb hat der Niedersächsische Landtag einen "Sonderausschuß Niedersächsische Verfassung" eingesetzt. 17 Die Debatten dazu 18 haben gezeigt, daß mit einer Änderung in dem Bereich der Verfassung, der im folgenden behandelt wird, nicht zu rechnen ist. Diese Tendenz wurde auch in einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen durch den Sonderausschuß am 7. 2. 91 deutlich. Sie entspricht dem Vorgehen des Schleswig-Holsteinisehen Landtags,19 der die hier einschlägigen Bestimmungen der alten Landessatzung nahezu unverändert in die neue Landesverfassung übernommen hat. 2o Allein das Mitwirkungserfordernis des Ministerpräsidenten bei der Selbstauflösung des Landtags ist gestrichen21 und die Amtszeit des Ministerpräsidenten begrenzt 22 worden. Dies entspricht der geltenden Niedersächsischen Verfassung. 23 Auch insoweit sind daher keine Neuerungen zu erwarten.
15 Zu den jedenfalls anfangs unterschiedlichen Ansichten im Landtag vgl. Abg. Hruska (F.D.P.), NdsLT, StenBer. XII/5, S. 293; Abg. Remmers (CDU), NdsLT, StenBer. XII/5, S. 295; Abg. Oppermann (SPD), NdsLT, StenBer. XII/5, S. 297; Abg. Kempmann (GRÜNE), NdsLT, StenBer. XII/5, S. 299. 16 So geht auch Maunz, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 146 Rn. 3 davon aus, daß das Grundgesetz nach einem Beitritt gern. Art. 23 weitergilt. 17 NdsLT, Drucks. XIV259; NdsLT, StenBer. XIII7, S. 486. 18 NdsLT, StenBer. XIV5, S. 293ff.; XIV7, S.480ff. 19 Zur Änderung der Landessatzung in die Landesverfassung im Juni 1990 vgl. Rohn, NJW 1990, 2782ff. 20 Vor allem Art. 21ff. SHLS einerseits, Art. 26ff. SHVerf. andererseits. 21 Art. 31 11 SHLS im Gegensatz zu Art. 13 11 SHVerf. 22 Art. 27 I SHVerf. 23 Art. 6 I 3, 24 11 NdsVerf.
Erster Teil
Die Bildung der Regierung A. Die Wahl des Ministerpräsidenten Im Mittelpunkt der Regierungsbildung steht die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten. Da der bisherige Ministerpräsident nach Art. 24 11 1. Alt. NdsVerf. zu Beginn einer neuen Legislaturperiode zurücktreten muß, wird ein neuer Landtag unmittelbar nach seiner Konstituierung gleich mit einer der wichtigsten und weitreichendsten Fragen konfrontiert, die in seiner Wahlperiode zu entscheiden sind: Er muß! versuchen, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen.
I. Der Wahlvorschlag Art. 20 I NdsVerf. schweigt zu der Frage, ob vor der Wahl Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorzuschlagen sind und wer gegebenenfalls berechtigt ist, einen solchen Vorschlag zu unterbreiten. Es fragt sich vor allem, ob eine Wahl auch ohne solche Vorschläge durchgeführt werden darf oder ob diese rechtlich unbedingt erforderlich sind,2 Immerhin ist denkbar, daß jemand zum Ministerpräsidenten gewählt wird, der nicht vorgeschlagen war, wenn eine große Minderheitsfraktion nach interner Absprache, aber ohne offiziellen Vorschlag ihren Vorsitzenden wählt und - aus welchen Gründen auch immer - Unterstützung aus den Reihen anderer Fraktionen erhält. Oder aber die Mehrheitsfraktion hält eine ausdrückliche Nominierung ihres Kandidaten für überflüssig, da schon aus dem vorangegangenen Wahlkampf jedermann entnehmen konnte, wen sie wählen will. Die niedersächsische Praxis verfährt folgendermaßen: Es werden Wahlvorschläge aus der Mitte des Landtags gemacht. Dies geschieht regelmäßig - mit 1 Von dieser Pflicht geht § 41 I GONdsLT aus, wenn er verlangt, die Wahl des Ministerpräsidenten auf die Tagesordnung der Sitzung, die auf die Konstituierung des neuen Landtags folgt, zu setzen. Gleiches gilt für § 41 11 GONdsLT. 2 Keinerlei Zweifel sind hinsichtlich der Zulässigkeit der Vorschläge angebracht; es ist keine Norm ersichtlich, die sie ausschließen würde, insbesondere bezieht sich das Ausspracheverbot nicht auf die Benennung von Kandidaten, sondern allein auf eine Debatte über sie bzw. ihr Programm. Auch das BVerfG geht angesichts der Vorbereitungen, die für eine Wahl erforderlich sind, von der Zulässigkeit von Wahlvorschlägen als selbstverständlich aus, BVerfGE 27,44 (51).
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
bisher nur einer Ausnahme 3 - im Namen einer Fraktion. 4 Häufig werden zwei Kandidaten aufgestellt, nämlich einer von der Mehrheitsfraktion/-koalition und ein Gegenkandidat der jeweiligen großen Minderheitsfraktion5 . Daß auch ein scheinbar aussichtsloser Gegenvorschlag seine praktische Berechtigung haben kann, zeigte sich Anfang 1976, als Ernst Albrecht (CDU) zum neuen Ministerpräsidenten gewählt wurde 6 , obwohl die bisherige Regierungskoalition von SPD und F.D.P. auch nach dem Rücktritt Alfred Kubels (SPD) über eine, wenn auch knappe absolute Mehrheit verfügte und selbst erst den Abgeordneten Helmut Kasimier (SPD), im dritten Wahlgang7 den Bundesminister Karl Ravens (SPD) zur Wahl gestellt hatte. Die Wahlvorschläge werden meist mündlich vor dem Landtag gegenüber dem Landtagspräsidenten gemacht.8 Lediglich einmal gab es einen schriftlichen Vorschlag, den der Landtagspräsident dem Plenum vor der Wahl bekanntgab .9 1. Aspekte für die Erforderlichkeit eines Vorschlags
Eine Regelung wie Art. 63 I GG, der dem Bundespräsidenten vor einer Kanzlerwahl ein Vorschlagsrecht - und eine damit korrespondierende Vorschlagspflicht lO - gibt, kennt Niedersachsen nicht. Sie ist in dieser Form auch gar nicht denkbar, da Niedersachsen wie alle Bundesländer kein eigenes Staatsoberhaupt hat. Es könnte aber sein, daß die Erforderlichkeit eines Kandidatenvorschlags von der Verfassung oder zumindest der Geschäftsordnung des Landtages vorausgesetzt wird. So fordert z. B. § 4 Satz 2 GOBT, daß im Verfahren nach Art. 63 III, IV GG - also wenn der Kandidat des Bundespräsidenten nicht die erforderlichen Stimmen erhalten hat - Wahlvorschläge von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einer Fraktion entsprechender Stärke unter3 NdsLT, StenBer. V/2, Sp. 11: Der Abgeordnete Hoffmeister (SPD) sagte, er mache den Vorschlag ... (Hervorhebung vom Verf.). 4 Z.B. NdsLT, StenBer. II1/2, Sp. 12; IV/2, Sp. 29; IV/55, Sp. 3299f.; VIII/I, Sp. 19; XII, S. 24; XI/I, S. 21. 5 Z. B. NdsLT, StenBer. III/2, Sp. 12; IV/55, Sp. 3299 f.; VIII2, Sp. 15; VIII/32, Sp. 3232; XII, S. 24f.; siehe auch XI/I, S. 21, als der Landtag sich erstmals zwischen drei Kandidaten entscheiden mußte, weil die "kleine" Fraktion der GRÜNEN einen eigenen Vorschlag unterbreitet hatte. 6 NdsLT, StenBer. VIII/33, Sp. 3239. 7 NdsLT, StenBer. VIII/35, Sp. 3320. 8 Z.B. NdsLT, StenBer. III/2, Sp. 12; IV/55, Sp. 3299f.; XI/I, S. 21. 9 NdsLT, StenBer. XII, S. 24f. 10 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 16; Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 63 Rn. 2; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 63 Anm. III 1 b, S. 1228; Steiger, Grundlagen, S. 237; Lippert, Bestellung, S. 278f.; a.A. Schneider, NJW 1953, 1330 (1331).
A. Die Wahl des Ministerpräsidenten
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zeichnet sein müssen. Das aber ist nur sinnvoll, wenn Vorschläge auch rechtlich gefordert sind. Das Verlangen nach einer "Unterzeichnung" macht auch deutlich, daß die Geschäftsordnung des Bundestages davon ausgeht, daß die Vorschläge schriftlich eingereicht werden. So werden Vorschläge verhindert, die von vornherein aussichtslos oder nicht einmal ernst gemeint sind," ohne daß die Hürde hoch genug wäre, um überraschende Ergebnisse zu verhindern. Eine Norm, die Vorschläge ausdrücklich fordert, sie gar als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Wahl aufstellt oder zumindest unausgesprochen von ihnen ausgeht, gibt es im Gegensatz zu den Regelungen im Bund für Niedersachsen jedoch weder in der Verfassung noch in der Geschäftsordnung des Landtags. Eine Vorschlagspflicht könnte sich jedoch dann ergeben, wenn der Vorschlag als Antrag anzusehen wäre, wie das jedenfalls für Baden-Württemberg vertreten wird. 12 Handelte es sich bei den Vorschlägen tatsächlich um Anträge, so müßten sie auch in Niedersachsen von einer Mehrzahl von Abgeordneten oder einer Fraktion ausgesprochen werden,13 was eine Wahl ohne Vorschlag ausschlösse und auf eine Regelung ähnlich der in § 4 S. 2 GOBT hinausliefe. Doch wäre daneben auch die Landesregierung gemäß § 38 GONdsLT antrags-, hier also vorschlags berechtigt. Das jedoch macht keinen Sinn. Denn bei der Wahl- und damit auch den Vorschlägen als ihrer Vorbereitung - handelt es sich um ein Recht des Landtags, auf dessen Ausübung kein Exekutivorgan Einfluß nehmen darf; dies gilt auch und gerade für die zurückgetretene, geschäftsführende Landesregierung, die wahrscheinlich sogar weiter regieren möchte, sich also höchstens selbst vorschlagen würde. Zudem werden Anträge in zwei Beratungen behandelt,14 die Wahl des Ministerpräsidenten und damit auch die Vorschläge dürfen nach Art. 20 I NdsVerf. aber gerade nicht Gegenstand einer Aussprache sein. Auch die niedersächsische Staatspraxis hält Wahlvorschläge nicht für Anträge nach § 38 GONdsLT, da sie sonst nach Absatz 2 der Bestimmung schriftlich eingebracht werden müßten, was aber bis auf die erwähnte Ausnahme 15 nicht geschehen ist. Somit läßt sich eine Pflicht, Vorschläge abzugeben, auch nicht aus dem Zusammenhang der Regelungen der Verfassung und der Geschäftsordnung erschließen. Allerdings könnte aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das verfassungsrechtliche Erfordernis eines Vorschlags herzuleiten sein 16 ; \1 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 35; Schenke, in: Banner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 82. 12 Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 11 unter Hinweis auf § 52 GOBWLT. 13 Vgl. § 38 I GONdsLT. 14 § 39 11, 1. Halbs. GONdsLT. 15 NdsLT, StenBer. XII, S. 24f. 16 So offenbar Neumann, NdsVerf., Art. 20 Rn. 3.
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
denn das Gericht führte im Urteil zur Amtsdauer des Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten 17 aus, die Wahl des Ministerpräsidenten müsse vorbereitet werden, wozu insbesondere ein Wahlvorschlag erforderlich sei. 18 Das könnte bedeuten, daß das Wesen der Wahl einen Kandidatenvorschlag unbedingt verlangt. Das wäre dann wohl auf Niedersachsen zu übertragen und würde einen Vorschlag unabdingbar werden lassen. Es ist jedoch zu beachten, daß diese Passage der Entscheidung im wesentlichen das Verfahren in den Fraktionen betrifft, in denen ein Vorschlag im Rahmen der Vorbereitungen der Ministerpräsidentenwahl erarbeitet werden müsse. Hieraus das verfassungsrechtliche Erfordernis eines solchen Vorschlags vor dem Parlament abzuleiten, ginge zu weit. Sollte man so weitreichende Folgerungen aus der Entscheidung ziehen, wäre es erforderlich gewesen, den kurzen Satz näher zu begründen, was das Bundesverfassungsgericht aber nicht getan hat. Die übrigen in der Entscheidung angesprochenen Vorbereitungen sollen ja gerade nicht im Landtag, sondern in seinen Gliederungen, den Fraktionen, getroffen werden. Dabei bleibt zweifelhaft, was das Gericht meint, wenn es schreibt, es seien "Stellungnahmen" zu den Wahlvorschlägen vorzubereiten. Denn eine Aussprache über die Vorschläge findet doch zumindest im Landtag - auch in Schleswig-Holstein - nicht statt. Die ganz allgemeinen Ausführungen zum Kandidatenvorschlag, die sich auf das Wahlverfahren im Landtag beziehen, können nach alldem keine Pflicht statuieren, Vorschläge zu machen. 19 Es wäre schließlich auch ganz abwegig, die Entscheidung dahin zu deuten, daß die Fraktionen zu Beratungen rechtlich verpflichtet seien, allein weil das Bundesverfassungsgericht auf diese internen Beratungen eingeht. Näher liegt es anzunehmen, das Gericht wollte lediglich Anmerkungen zur Praktikabilität und einer sinnvollen Durchführung des Verfahrens machen. Den so verstandenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ist ohne weiteres zuzustimmen.
2. Wahl ohne Vorschlag? Gibt es also keine Regelung, die eine Vorschlagspflicht statuiert, so ist der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtags doch immerhin ein Indiz für die Möglichkeit einer Wahl ohne Vorschlag zu entnehmen. Denn § 41 GONdsLT bestimmt, daß die Wahl des Ministerpräsidenten nach einem Rücktritt der bisherigen Regierung zwingend auf die Tagesordnungen der Landtagssitzungen zu setzen ist, bis ein Wahlgang erfolgreich abgeschlossen ist. Damit wird die Pflicht des Landtags anerkannt, einen Ministerpräsidenten zu wählen. Diese darf jedoch nicht durch die bloße Unterlassung eines Vor17 Eine dem Art. 27 I SHVerf. entsprechende Norm, die seine Amtszeit an die Legislaturperiode des Landtags bindet, kannte die damals geltende Landessatzung nicht. 18 BVerfGE 27, 44 (51). 19 Neumann, NdsVerf., Art. 20 Rn. 3 hingegen folgert aus der Entscheidung einen Zwang der Fraktionen, Wahlvorschläge vorzubereiten.
A. Die Wahl des Ministerpräsidenten
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schlags umgangen werden können. Damit wird deutlich, daß die Geschäftsordnung von der Möglichkeit einer Wahl ohne Vorschlag ausgeht.
3. Ergebnis Es bleibt also festzuhalten, daß eine Ministerpräsidentenwahl auch ohne Vorschlag zulässig iSt. 20 ,21 Sollten einmal keine Vorschläge gemacht werden, so ist der Landtag dennoch zur Durchführung der Wahl verpflichtet. 22 Damit ergibt sich gleichzeitig, daß Stimmen, die für eine nicht vorgeschlagene Person abgegeben werden, selbstverständlich gültig sind23 und auch ein nicht vorgeschlagener Kandidat zum Ministerpräsidenten gewählt werden kann.
11. Das Ausspracheverbot Art. 20 I NdsVerf. bestimmt, daß die Wahl des Ministerpräsidenten ohne Aussprache zu -erfolgen hat. Virulent geworden ist diese Bestimmung vor der Wahl zu Beginn der Vierten Legislaturperiode, als der Landtagspräsident den Abgeordneten Hoffmeister (SPD) auf das Verbot hinwies. Im Zuge seines Kandidatenvorschlags war Hoffmeister über den sonst üblichen sachlichen Rahmen hinausgegangen, hatte den Vorgeschlagenen als seinen "Freund" bezeichnet und bedachte die voraussichtliche Oppositionsfraktion, mit der er und "seine" Fraktion vorher zwei Jahre lang eine große Koalition gebildet hatte,24 mit einigen ironischen Bemerkungen; dies glaubte der Landtagspräsident angesichts des Art. 20 I nicht dulden zu dürfen. 25 Dieses Vorkommnis läßt es geraten erscheinen, den Sinn des Ausspracheverbots, das sich sowohl im Grundgesetz 26 als auch in mehreren Landesverfassungen27 wiederfindet, zu beleuchten. 20 Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 11; Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 52 Anm. 2. 21 An dieser Stelle ist anzumerken, daß sich in der Arbeit häufig Belege aus Literatur oder Rechtsprechung finden, die nicht unmittelbar die NdsVerf betreffen. Das ist aber stets nur dann der Fall, wenn die Rechtslage mit der niedersächsischen insoweit identisch ist. 22 So auch Geiler / Kleinrahm / Fleck, NWVerf. Art. 52 Anm. 2. 23 Ein Beispiel findet sich in NdsLT, StenBer. 1112, Sp. 20f. 24 NdsLT, Tätigkeitsbericht III, S. 4. 25 Vgl. NdsLT, StenBer. IV/2, Sp. 29. 26 Art. 63 I GG; streitig ist, ob das Verbot auch im Rahmen des weiteren Verfahrens nach Art. 63 III, IV GG gilt; vgl. dazu Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 84; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 28 jeweils m.w.N. 27 Art. 46 I 1 BWVerf.; Art. 101 I 1 HessVerf.; Art. 52 I NWVerf.; Art. 98 II 1 RhPfVerf.; die anderen Landesverfassungen kennen kein Ausspracheverbot, wohl aber § 28 II GOHbgBS, wonach eine Aussprache über die Kandidaten unzulässig ist, kurze allgemeine Erklärungen aber zulässig sind.
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I. Teil: Die Bildung der Regierung
Das Verbot wird unterschiedlich gedeutet: Von vornherein ausschließen läßt sich die für das Grundgesetz vertretene These, die Autorität und das Ansehen des vorschlagenden Staatsoberhauptes sollten nicht durch eine Diskussion über die Person des Vorgeschlagenen beeinträchtigt werden. 28 Denn in Niedersachsen erfolgt der Vorschlag nicht von einern mit höchster Autorität ausgestatteten Verfassungsorgan, sondern "nur" von einer Fraktion oder einern einzelnen Abgeordneten - regelmäßig Parteifreunden des Kandidaten - und ist nicht einmal zwingend erforderlich. 1. Die These vom erzieherischen Zweck
Nach Fritz Münch soll dem Ausspracheverbot ein erzieherischer Zweck zukommen. 29 Es verhindere, daß die Abgeordneten sich öffentlich zu den Kandidaten äußern müssen, sie könnten daher ohne Rücksicht auf die Partei oder ihre Wähler unbeobachtet und eigenverantwortlich entscheiden. Die Bedeutung einer freien und vor allem unbeeinträchtigten Wahlentscheidung30 ist hier sicher zutreffend hervorgehoben. Diese Entscheidungsfreiheit wird dadurch gesichert, daß die Wahl des Ministerpräsidenten geheim stattfindet, was auch Münch erwähnt. Er übersieht jedoch, daß allein das Wahlgeheimnis wirklich geeignet ist, den angesprochenen Zweck zu erreichen. Kein Abgeordneter wäre gezwungen, in einer Aussprache selbst das Wort zu ergreifen und sich zu offenbaren. Vielmehr ist anzunehmen, daß auch vor der Wahl des Ministerpräsidenten allein die führenden Mitglieder der Fraktionen das Wort ergreifen und für die Fraktion insgesamt sprechen würden. So ist es angesichts der stets knappen Zeit üblich. Zudem ist es in keiner Weise gewährleistet, daß, sollte doch einmal eine Vielzahl von Abgeordneten sprechen, alle ihre wirkliche Wahlentscheidung kundtun würden. Denn die Vergangenheit in Niedersachsen31 hat gezeigt, daß es immer wieder Abgeordnete gibt, die von der Fraktionslinie abweichen, selbst wenn fraktionsinterne Probeabstimmungen ein anderes Ergebnis erwarten ließen. 32 Ein Abgeordne28 Steiger, Grundlagen, S. 247; Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 84; Stern, Staatsrecht I, § 22 III 2 a a, S. 981; Langner, Regierungsbildung, S. 112 Fn. 5; Puhl, Minderheitsregierung, S. 36f. 29 Münch, Bundesregierung, S. 138. 30 Dazu allg. Stern, Staatsrecht I, § 22 III 2 a a, S. 983; Schmidt-Bleibtreu I Klein, GG, Art. 42 Rn. 7. 31 In der 3. Wahlperiode verfügten die Regierungsfraktionen von CDUIDP, BHE und F.D.P. über 91 Mandate, ihr Ministerpräsident erhielt jedoch nur 90 Stimmen (NdsLT, Tätigkeitsbericht III, S. 4, 6). In der 6. Wahlperiode erhielt der Ministerpräsident der großen Koalition von SPD und CDU 24 Gegenstimmen, obwohl die Opposition lediglich aus 20 Abgeordneten bestand (NdsLT, Tätigkeitsbericht VI, S. 4, 5). Besonders eklatant war das Beispiel in NdsLT, StenBer. VIII/33 , Sp. 3239, als die CDU nur über 75 Mandate verfügte, ihr Kandidat aber mit 76 Stimmen die absolute Mehrheit der Stimmen erhielt, der Kandidat der nominellen Mehrheitskoalition also sogar durchfiel.
A. Die Wahl des Ministerpräsidenten
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ter, der sich so verhält, würde auch in der Aussprache seine Meinung vermutlich nicht offen äußern, im schlimmsten Falle würden sogar Lippenbekenntnisse abgegeben. Festzuhalten bleibt, daß die These vom erzieherischen Zweck das Ausspracheverbot nicht zu begründen vermag. 2. Der Schutz der Kandidaten Andere sehen den Sinn des Ausspracheverbots vor allem im Schutz der Kandidaten. Das Ansehen des künftigen Regierungschefs solle nicht schon vor seiner Wahl durch Diskussionen über seine Person leiden. 33 Durch solche Debatten würde womöglich die in Koalitionsverhandlungen erreichte Einigung über die Person des Regierungschefs wieder in Frage gestellt. 34 Daneben wird als Rechtfertigung für das Ausspracheverbot angeführt, eine Debatte sei schon deshalb nicht recht möglich, weil man, um über das Programm des Ministerpräsidenten urteilen zu können, erst einmal dessen Regierungserklärung abwarten müsse. 35 Die aber wird erst nach der Wahl abgegeben. a) Der Kandidat als Person
Die Person des Ministerpräsidenten vor seiner Wahl stärker zu schützen als danach, erscheint wenig sinnvoll; jedenfalls ist der Einschnitt qurch die Wahl im vorliegenden Zusammenhang nicht so geartet, daß er eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte, die den Kandidaten besser stellt als den Gewählten. Wieso ein Kandidat nicht der Kritik des Parlaments ausgesetzt sein soll, wohl dann aber der Ministerpräsident, der ganz ohne Zweifel Gegenstand einer Parlamentsdebatte sein darf, leuchtet nicht ein. So ist es denn auch ganz zu Recht als ein "merkwürdiges Schauspiel"36 bezeichnet worden, wenn der Kandidat gänzlich geschont wird, das Parlament aber unmittelbar nach der Wahl und der Abgabe der üblichen Regierungserklärung in die Diskussion über die Person des neuen Regierungschefs eintritt. Der zeitliche Rahmen des Ausspracheverbotes ist so sehr beschränkt, daß man an die wirksame Verhin32 Vgl. die Äußerungen des Abgeordneten Hedergott (F.D.P.), in: NdsLT, StenBer. VIII/33, Sp. 3242. 33 Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 14; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 63 Anrn. III 2 c, S. 1231; Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 101 Anrn. 2 b; Rein, JZ 1969, 573 (574); Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 46 Rn. 6; Küchenhoff, DÖV 1966, 675 (678); Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 210. 34 Friedrich, JöR 30 (1981), 197 (203). 35 Stern, Staatsrecht I, § 22 III 2 a a, S. 981; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 46 Rn. 6; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 28; ähnlich Referentenbegründung, Materialien II, S. 9. 36 H. Schneider, NJW 1953, 1330 (1331).
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
derung eines eventuellen Verlustes an Ansehen des Ministerpräsidenten durch dieses Verbot nicht glauben kann. Sollten sich wirklich einmal erst in der Debatte vor der Wahl Gesichtspunkte ergeben, die eine bestimmte Person als für das Amt des Ministerpräsidenten ungeeignet erscheinen lassen, so sollten diese auch zur Sprache kommen, bevor eine persönlich oder fachlich ungeeignete Person gewählt ist, sei es auch erst im allerletzten denkbaren Moment, nämlich unmittelbar vor der Wahl des Ministerpräsidenten. Hiergegen kann man nicht etwa ins Feld führen, die Presse oder andere Personen würden solche Dinge sowieso rechtzeitig genug vor die Öffentlichkeit bringen. Denn wie kurzfristig einschneidende Ereignisse bekannt werden können, zeigte sich vor der Wahl zum SchleswigHolsteinischen Landtag im September 1987. Damals berichtete "Der Spiegel" einen Tag vor der Landtagswahl über unlautere Wahlkampfmethoden des bisherigen und nach allen Umfragen wahrscheinlich auch zukünftigen Ministerpräsidenten. Ähnliches ist auch unmittelbar vor der Wahl des Ministerpräsidenten denkbar und sollte dann im Parlament diskutiert werden können. So wurde das Ausspracheverbot des damaligen Art. 21 II 1 SHLS im Jahre 1987 wohl auch nur deshalb nicht problematisch, weil der Ministerpräsident in Schleswig-Holstein auch nach dem Zusammentritt eines neuen Landtags weiter im Amt blieb, solange kein neuer Ministerpräsident gewählt war3? Damit erübrigte sich auch erst einmal die Wahl des Ministerpräsidenten. Wäre das anders gewesen, so hätten die Vorwürfe gegen Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) leicht zu Konflikten mit dem Ausspracheverbot führen können. Das hätte, wenn der bisherige Ministerpräsident nach einem Rücktritt erneut vorgeschlagen worden wäre, genauso gegolten, wie wenn ein anderer Kandidat von seiner Fraktion zur Wahl gestellt worden wäre, von dem im Wahlkampf noch nicht die Rede gewesen war. Das Schlagwort vom "Betrug am Wähler" wäre aufgekommen und darüber hätte dann auch vor der Ministerpräsidentenwahl im Landtag debattiert werden sollen. Eine solche Debatte wäre nach geltender Rechtslage in Niedersachsen unzulässig, da sie sich mit der Wahl des Ministerpräsidenten befaßte, auch wenn der eigentliche Anlaß länger zurücklag; es würde nämlich sofort ein Bezug zur anstehenden Wahl hergestellt. Trotz des erzwungenen Schweigens im Parlament würde natürlich in der Öffentlichkeit über die neu aufgetauchten Anschuldigungen oder Tatsachen geredet. Auch die Abgeordneten sind . dann nicht gehindert, außerhalb der Sitzungen ihre Ansicht zu äußern,38 würden dazu vielmehr gedrängt werden. Ihre Bemerkungen wären Anlaß und Gegenstand weiterer Diskussionen in der Öffentlichkeit. Im Landtag dagegen 37 Inzwischen hat sich die Rechtslage insoweit geändert, vgl. Art. 27 I SHVerf.; zur Begründung Schleswig-Holsteinischer Landtag, Schlußbericht, S. 25 ff. 38 Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 63 Rn. 28; Steiger, Grundlagen, S. 248, der auf Diskussionen vor der Wahl Kiesingers (CDU) zum Bundeskanzler hinweist; GeIler I Kleinrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 52 Anm. 2.
A. Die Wahl des Ministerpräsidenten
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könnte eine Debatte in den geordneten Bahnen von Rede und Gegenrede ablaufen, der Kandidat und mit ihm seine Fraktion hätten Gelegenheit, auf die Anschuldigungen zu antworten. Diese Möglichkeit wird dem Betroffenen verwehrt, er ist gezwungen - und wird das in aller Regel tun - sich auf dem gleichen Wege zu rechtfertigen, wie die Vorwürfe erhoben werden, nämlich über die Medien. Dadurch wird nicht nur eine geordnete Debatte, sondern vor allem ein unmittelbares Austauschen der Argumente ausgeschlossen. Gerade dieses unmittelbare Aufeinandertreffen kann aber für die Beteiligten und Beobachter besonders aufschlußreich sein. Das Ausspracheverbot ist zudem ein Fremdkörper in der Verfassung. Das zeigt sich nicht nur an der allgemeinen Norm des Art. 9 I 1 NdsVerf., der grundSätzlich eine öffentliche Verhandlung fordert, und zu der Art. 20 I insoweit eine Ausnahme darstellt. Auch das Demokratieprinzip setzt im Grunde voraus, daß der Souverän, also das Volk, in der Lage ist, den Willensbildungsprozeß im Parlament zu durchschauen und nachzuvollziehen. Nur so ist das erforderliche Vertrauen in die Volksvertretung zu gewährleisten. 39 Wie aber sollen die Bürger diesen Willensbildungsprozeß nur annähernd verstehen, wenn er hinter verschlossenen Türen der Fraktionen und Koalitionen abläuft und sie dann mit dem Ergebnis der Beratungen konfrontiert werden? Eine nachträgliche Debatte ist kein wirklicher Ersatz, sondern erweckt, da die Entscheidung gefallen ist, eher den Anschein einer Spiegelfechterei. Dieser Anschein ist der gerade in Zeiten beginnender Parteiverdrossenheit im Lande, wie sie sich im Auftauchen immer neuer Parteien in den Parlamenten zeigt, zu vermeiden. Wie unwesentlich der Schutz der Kandidaten eigentlich ist, zeigt sich daran, daß bei einem Antrag auf ein konstruktives Mißtrauensvotum eine Besprechung nicht nur (wie etwa im Grundgesetz) erlaubt40 , sondern von der Niedersächsischen Verfassung sogar gefordert ist. Denn mit dem Ende der Besprechung beginnt die Frist des Art. 23 11 2 NdsVerf. zu laufen. Eine solche Besprechung kann sich auch nicht etwa nur auf den alten Amtsinhaber beziehen;41 denn eine Trennung zwischen dem alten Ministerpräsidenten und 39 So grds. auch BVerfGE 40, 296 (327); Steiger, Grundlagen, S. 248 sieht im Ausspracheverbot jedenfalls dann ein dem demokratischen Staat nicht angemessenes Autoritätsverständnis, wenn der Kandidatenvorschlag nicht vom Staatsoberhaupt kommt; zust. GeIler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 52 Anm. 2; krit. auch Friedrich, DVBI. 1980, 505 (506); gegen ihn Stern, Staatsrecht I, § 22 III 2 a a Fn. 171, S. 981 f. 40 Ganz überwiegende Ansicht: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 67 Rn. 4; Münch, Bundesregierung, S. 176; Troßmann, Parlamentsrecht, § 98 Rn. 9f.; Lippert, Bestellung, S. 431; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 67 Rn. 30; Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 67 Rn. 4. 41 So aber v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 67 Anm. II 3 b, S. 1293, i.V.m. Anm. III 3 b u. d, S. 1298f.; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 154; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 480.
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
einem potentiellen Nachfolger wäre weder praktisch durchführbar noch gibt es für sie in der Verfassung irgendwelche Anhaltspunkte. Der amtierende Ministerpräsident ist im Gegenteil selbst in einer Kandidatenposition; denn der Landtag muß sich zwischen ihm und dem Herausforderer entscheiden, was der Situation bei einer "normalen" Wahl entspricht. Und es hat sich auch bereits gezeigt, daß Personaldebatten durchaus in ruhigem, sachlichem Rahmen ablaufen können. Denn als im Niedersächsischen Landtag über die nachträgliche Berufung eines Ministers debattiert wurde 42 , 43 waren keine unsachlichen, persönlichen Angriffe zu registrieren. Damit ist aber auch der Befürchtung, das Parlament könne vor der Wahl in Spekulationen verwickelt werden 44 , die einer sachlichen Grundlage entbehren, die Spitze genommen. Selbst wenn solche Mutmaßungen doch aufkommen sollten, so ist das eigentlich nichts Besonderes bei einer Wahl. Mit ihnen ist im Parlament immer - also bei jeder Debatte - zu rechnen; und sie sind stets gleich unangenehm, wenn sie einer sachlichen Grundlage entbehren. Der Schutz der Person eines Kandidaten kann also als Rechtfertigung für das Ausspracheverbot vor einer Ministerpräsidentenwahl nicht herangezogen werden. b) Das Programm
Nicht zutreffend erscheint auch die Behauptung, über das künftige Regierungsprogramm könne mangels einer Regierungserklärung noch gar nicht gesprochen werden45 • Dieses Argument unterstellt, die Abgeordneten würden für oder gegen einen Kandidaten votieren, ohne dessen Programm zu kennen. Wer es benutzt, verlangt geradezu nach einer "blinden" Abstimmung. Zwar mag der Kenntnisstand der einzelnen Abgeordneten durchaus unterschiedlich sein; sicher wissen die Mitglieder der Fraktion des Kandidaten mehr als die anderen Abgeordneten, denen aber zumindest die Grundgedanken bekannt sein müssen, da sie in der vorangegangenen Wahlperiode bereits praktiziert oder spätestens im Wahlkampf genannt sein dürften. In der Fraktion des Kandidaten wird das Regierungsprogramm auch ausgehandelt und abgesprochen worden sein. 46 Nicht von ungefähr werden die NdsLT, StenBer. I1I/6, Sp. 162ff. Zur Frage der Ausdehnung des Ausspracheverbotes auf die anderen Absätze des Art. 20 ausführlich unten bei B II 3. 44 So Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 28 Fn. 22. 45 So aber Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 63 Rn. 28; Stern, Staatsrecht I, § 22 III 2 a a, S. 981. 46 Nach Duppre, in: Staats- und Verwaltungsrecht, S. 22 (38) beruht das Ausspracheverbot zumindest u. a. auf dieser Praxis; krit. H. Schneider, NJW 1953, 1330 (1331); Bartelt, Regierungsbildung, S. 43 f.; anders Sasse, JZ 1961, 719 (723); Barschell Gebel, SHLS, Art. 21 Anm. C III 1 a, da die Verfassung von solch einem Verfahren ausgehe. 42 43
A. Die Wahl des Ministerpräsidenten
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Regierungserklärungen, die auf den Programmen beruhen, gleich nach der Regierungsneubildung aus der Tasche gezogen. Doch diese interne Diskussion über das Programm, die eine parlamentarische Aussprache vor der Wahl ersetzen muß, wird der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments, einem "Kern des ganzen Systems"47, im Grunde nicht gerecht. Ein solches Aussperren der Öffentlichkeit wurde schon in den Jahren der Weimarer Republik beobachtet und beklagt. 48 Eine verfrühte Festlegung der Kandidaten auf ein bestimmtes Programm ist kaum zu befürchten. Wie bereits angesprochen, werden die Regierungserklärungen abgegeben, unmittelbar nachdem eine neue Regierung ins Amt gelangt ist. Sie stehen also auch vor der Wahl fest, sind häufig eine Wiedergabe der Ergebnisse vorangegangener Koalitionsverhandlungen. Diese können eine erheblich stärkere politische Bindung entfalten als eine Programmerklärung, die vor allem für die Öffentlichkeit gedacht ist. Selbst Verhandlungen zwischen möglichen Koalitionspartnern - die Art ihrer Führung genauso wie ihr Ergebnis - können einen interessanten Stoff für eine Aussprache abgeben; vielleicht entscheidet der eine oder andere Abgeordnete ja auch erst nach einer solchen Aussprache endgültig über die Vergabe seiner Stimme, hält sich nicht an den sog. Fraktionszwang. Das bedeutet nicht notwendigerweise eine unüberlegte Umentscheidung in letzter Minute, sondern der Aussprache kann auch die Bestätigung der bisherigen, vielleicht nicht vollständig gesicherten Meinung folgen. 3. Aspekte aus der Entstehungsgeschichte Im Verfassungsausschuß wurde der Vorschlag, das Ausspracheverbot zu streichen,49 mit einem - angesichts der unterschiedlichen Regelungen in den Ländern50 nicht überzeugenden - Hinweis auf die allgemeine Üblichkeit einer solchen Bestimmung beiseite geschoben. 51 Im weiteren Verlauf der Verhandlungen sprach der Ausschuß zwar häufig und überaus ausführlich über Art. 20 NdsVerf., der Passus des Ausspracheverbots jedoch wurde nicht mehr erörtert. Ihm wurde auch nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen, wie sich aus der Äußerung des Abgeordneten Hofmeister (CDU) ergibt, der unwi47 Schmitt, Verfassungslehre, S. 316; allg. Smend, GS Jellinek, S. I1ff., passim, insb. S. 14ff. 48 Schmitt, Verfassungslehre, S. 319; vgl. auch H. Schneider, NJW 1953,1330 (1331). 49 Abg. Abel (KPD), Materialien I, S. 125. 50 Art. 44 II BayVerf., Art. 107 BremVerf., Art. 34 HbgVerf., Art. 87 SaariVerf. kennen kein Ausspracheverbot; auch die Weimarer Reichsverfassung kann nicht als Vorbild gedient haben, dort war das Verfahren der Reichskanzlerbestimmung ein ganz anderes, er wurde nach Art. 53 vom Reichspräsidenten ernannt. 51 Zwischenruf des Abg. Ellinghaus (SPD), Materialien I, S. 125; Ministerialrat Danckwerts, ebd., S. 210 betont die "anerkannte Zweckmäßigkeit".
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
dersprochen ausführte, es sei im Grunde gleichgültig, ob man das Ausspracheverbot in die Verfassung aufnehme oder nicht. 52 Erst bei den Verfassungsberatungen im Plenum wurden zwei Anträge das Ausspracheverbot zu streichen,53 ohne Debatte abgelehnt. 54 4. Folgerungen
Die Wahl ohne Aussprache ist also ein Fremdkörper im System der Niedersächsischen Verfassung, eigentlich überhaupt in den Landesverfassungen55 . Eine Aussprache vor der Wahl des Ministerpräsidenten ist wünschenswert und erforderlich. Sie findet im Wahlkampf zwar meist statt, das vermag aber die Aussprache im Parlament nicht zu ersetzen. Nur im Landtag ist es möglich, sich ein Bild des oder der Kandidaten im unmittelbaren Vergleich zu machen. Auf Behauptungen der Gegenseite kann sofort geantwortet, die Eigenschaften und Fähigkeiten des oder der Kandidaten können kritisch beleuchtet werden. 56 Das ist wichtig, besonders wenn mehrere Anwärter vorhanden sindY Es gilt dann, die Kompetenz eines jeden Bewerbers nochmals zu untersuchen, damit jeder Abgeordnete in der Lage ist, sich ein Bild zu verschaffen, weiches ihm ermöglicht, seinem Gewissen entsprechend zu entscheiden. So bleibt im Grunde kein anderes Ergebnis, als im Ausspracheverbot eine Regel ohne rechte Bedeutung zu sehen, ihm insbesondere einen einleuchtenden Sinn abzusprechen. Auch wenn man für das Grundgesetz akzeptiert, daß das Ansehen und die Autorität des Bundespräsidenten geschützt werden sollen,58 so heißt das doch nichts anderes, als dem Ausspracheverbot den Sinn abzusprechen, wenn ein solches schützenswertes Staatsorgan nicht vorhanden ist. Diese Folgerung ist unvermeidlich auch für die Autoren, die die Anwendung des Ausspracheverbots nach Art. 63 Abs. 1 GG nicht auf die weiteren Wahlgänge nach Art. 63 Abs. 3 und Abs. 4 GG ausdehnen wollen 59 . Angesichts der Verfehltheit des Ausspracheverbots ist es zumindest als unglücklich zu bezeichnen, daß das Landtagsplenum im Verfassungsgebungsverfahren die Anträge, es zu streichen, abgelehnt hat 6o . Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 540, deutlicher noch S. 639. NdsLT, Drucks. I/2520; I/2587. 54 NdsLT, StenBer. 1/120, Sp. 6630; I/123, Sp. 6799. 55 Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 14. 56 Lippert, Bestellung, S. 306. 57 Steiger, Grundlagen, S. 248; H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 63 Rn. 9; Lippert, Bestellung, S. 306. 58 Z.B. Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 63 Rn. 8; Schenke, in: Banner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 84. 59 Z.B. Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 63 Rn. 8, 14; H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 63 Rn. 9, jeweils m.w.N.; zur Gegenansicht Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 28 m.w.N.; ausdrücklich differenzierend Steiger, Grundzüge, S.247f. 52
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IH. Die Abstimmung Nach Art. 20 I NdsVerf. muß ein Kandidat in geheimer Wahl 61 die Stimmen der "Mehrheit der Abgeordneten", also der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags,62 auf sich vereinigen, um zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Die Mehrheit der anwesenden oder gar nur der abstimmenden Abgeordneten ist nicht ausreichend. Da die Zahl der Mitglieder des Landtags schwankt, stellt der Landtagspräsident bei jeder Wahl ausdrücklich fest, wie viele Stimmen ein Kandidat erhalten muß, um neuer Ministerpräsident zu werden. 63 Das gleiche Mehrheitsquorum kennt neben dem Grundgesetz 64 auch die Mehrzahl der Landesverfassungen65 . In der Referentenbegründung zum Regierungsentwurf einer Niedersächsischen Verfassung 66 wird ausgeführt, die besondere Mehrheit solle der Bedeutung der Ministerpräsidentenwahl Rechnung tragen. 67 Diese Begründung hat nichts von ihrer Berechtigung verloren, auch wenn die Verfassung die Regierung auf Zeit, wie sie im Regierungsentwurf vorgesehen war, 68 nicht übernommen hat. Nach dem Gedanken der Regierung auf Zeit, deutlicher sagt man auf eine bestimmte Zeit, sollte es dem Landtag nicht möglich sein, eine amtierende Regierung zu stürzen. Vielmehr sollte diese unangefochten eine ganze Legislaturperiode im Amt bleiben können, auch wenn die Verhältnisse im Landtag sich grundlegend verändern würden. Diese Regierungsform ist mit Einfügung des konstruktiven Mißtrauensvotums in Art. 23 NdsVerf. hinfällig geworden. Die Wahl des Ministerpräsidenten hat also nicht mehr den endgültigen Charakter, den sie nach dem Regierungsentwurf haben sollte. Die Bedeutung der Wahl des Ministerpräsidenten wird dadurch am Ende jedoch kaum berührt. Schließlich ist es immer noch schwierig genug, den Ministerpräsidenten zu stürzen. Dazu soeben unter 3. Niedersachsen hat neben Nordrhein-Westfalen als einziges Bundesland in der Verfassung selbst (und nicht nur in der Geschäftsordnung des Landtages) eine Bestimmung, die eine geheime Wahl des Ministerpräsidenten vorsieht. So wird gerade bei einer besonders wichtigen Entscheidung die Unabhängigkeit des Abgeordneten verfassungsrechtlich gesichert; kritisch aber Friedrich, JöR 30 (1981), 197 (203); Buschmann / Ostendorf, ZRP 1977, 153 (154f.); anders Klein, ZRP 1976, 81ff.; vgl. dazu auch Seuffert, Abstimmungen, S. 20ff. 62 Art. 57 NdsVerf. 63 Z.B. NdsLT, StenBer. IIl/2, Sp. 13; IV/2, Sp. 31; VIIl/32, Sp. 3234; XII, S. 26; XIII, S. 22. 64 Art. 63 H, IIl, Art. 121 GG. 65 Art. 46 I BWVerf.; Art. 34 I HbgVerf.; Art. 101 I 1 HessVerf.; Art. 52 NWVerf.; Art. 98 II 1 RhPfVerf.; Art. 87 I 1 SaariVerf.; Art. 26 III SHVerf. 66 Abgedruckt in Materialien H. 67 Referentenbegründung, Materialien H, S. 9. 68 NdsLT, Drucks. I12073, auch abgedruckt in Materialien H am Anfang. 60 61
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Mit der qualifizierten Mehrheit erfährt der Ministerpräsident die gerade am Anfang nötige Stärkung durch das Parlament69 , und das Vertrauen zwischen Legislative und Exekutive ist fester als bei anderen, geringeren Mehrheitserfordernissen;7o die damit ebenfalls verbundene Stärkung der Regierung führt zu erhöhter Stabilität,71 Zufallsmehrheiten werden wenn nicht verhindert, so doch unwahrscheinlich. In drei Bundesländern werden an die Wahl des Regierungschefs bzw. der Senatoren geringere Anforderungen gestellt als in Niedersachsen. Dort ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen72 oder die einfache Mehrheit13 ausreichend. Dieser Verzicht auf die Abgeordnetenmehrheit solle verhindern, daß einige wenige Abgeordnete es in der Hand haben, eine erfolgreiche Wahl zu verhindern.74 Die Verfassungen mit den strengeren Mehrheitsanforderungen üben dagegen einen wesentlichen und wichtigen Einigungszwang auf die Fraktionen aus, die sich auf einen Kandidaten einigen müssen, den (fast) alle Fraktions- oder Koalitionsmitglieder zu unterstützen bereit sind. Auch die in einem Kommentar zur Bayerischen Verfassung geäußerte Ansicht, eine "gewollte Minderheitsregierung" gehöre zum parlamentarischen Regierungssystem 75 , ist in dieser Allgemeinheit fragwürdig; denn eine Minderheitsregierung ist, wie Friesenhahn feststellt, ein Notbehelf und deutet stets eine Krisensituation an.76 Eine solche Regierung für wünschenswert zu halten oder nicht wenigstens darauf hinzuwirken, sie zu verhindern, wird der politischen Lage in der Bundesrepublik nach Weimar nicht gerecht. Schon die Fünf-ProzentKlausel in den meisten Bundesländern zeigt, wie hoch stabile, also auf (sichere) Mehrheiten gestützte Regierungen eingeschätzt werden. Die Verfehltheit der Ansicht, die Minderheitsregierungen als grundsätzlich gewollt ansieht, ergibt sich im übrigen auch aus der Bayerischen Verfassung, auf die sie sich vor allem bezieht. Denn Art. 44 BayVerf. zwingt den Bayerischen Ministerpräsidenten zum Rücktritt, wenn eine Zusammenarbeit mit dem Landtag, also dessen Mehrheit, nicht mehr möglich ist. Diese Situation ist bei einer Minderheitsregierung, ob sie gewollt ist oder nicht, latent immer gegeben, bedarf allenfalls noch der Aktualisierung. Im übrigen ist gerade die Bayerische Verfassung besonders auf stabile Mehrheits- und damit Regierungsverhältnisse angelegt. Denn sie normiert in ihrem Art. 14 IV für Landtagswahlen eine Fünf-Prozent-Klausel,77 die damit verfassungskräftig festgeSüsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 3 b. Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 2. n Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 101 Anm. 2 d. 72 Art. 41 I BeriVerf.; Art. 107 II BremVerf. 73 Art. 44 I i.V.m. Art. 23 I BayVerf. 74 Hoegner, Verfassungsrecht, S. 83 unter Berufung auf Nawiasky. 75 Schweiger, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Art. 44 Rn. 3. 76 Friesenhahn, VVDStRL 16 (1958), 9 (49). 69
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legt ist und sich nicht - wie in den anderen Bundesländern - nur aus dem (einfachen) Landeswahlgesetz ergibt. Ein weiteres, hier nur anzudeutendes Problem ist, daß die Beschlußfähigkeit des Parlaments grundsätzlich vermutet wird, so daß eine Ministerpräsidenten- oder Senatorenwahl in Bayern78 und Bremen, die sich insoweit mit einer einfachen Mehrheit begnügen, jedenfalls theoretisch von einer nur geringen Zahl der Abgeordneten durchgeführt und der Regierungschef mit wenigen Stimmen gewählt werden kann. Lediglich für Berlin stellt § 73 GOBerlAbgH, allerdings unterhalb der Verfassungsebene, sicher, daß ein beschlußunfähiges Abgeordnetenhaus nicht wählen darf, selbst wenn die Rüge der Beschlußunfähigkeit unterbleibt. Diese kurze Gegenüberstellung der unterschiedlichen Mehrheitserfordernisse zeigt, daß die Regelung, wie sie in Niedersachsen besteht, geeignet ist, stabile Verhältnisse zu schaffen, indem die Fraktionen gedrängt werden, sich gegebenenfalls zu einer Koalition zusammenzuschließen, um eine Regierungsbildung nach Art. 20 NdsVerf. zu ermöglichen.
IV. Persönliche Anforderungen an den Ministerpräsidenten Anders als andere Landesverfassungen79 stellt die Niedersächsische Verfassung nicht ausdrücklich Anforderungen an die Person des Ministerpräsidenten. Art. 19 In bestimmt lediglich, daß Mitglieder des Bundestages der Landesregierung nicht angehören dürfen. Dadurch soll verhindert werden, daß ein Landesminister im Bundesrat gegen eine Gesetzesvorlage stimmen muß, die er als Bundestagsabgeordneter mit seiner Stimme befürwortet hat. 8o Dieser Konflikt wäre ohne Art. 19 In NdsVerf. möglich, weil die Stimmen eines Bundeslandes im Bundesrat gemäß Art. 51 In GG nur einheitlich abgegeben werden können. Von dieser Ausnahme abgesehen, kann nach dem Wortlaut der Verfassung grundsätzlich jedermann zum Niedersächsischen Ministerpräsidenten gewählt werden. Insbesondere muß er nicht, wie der Nordrhein-Westfälische Minister77 Ursprünglich bestimmte Art. 14 IV BayVerf., daß nur Wahlvorschläge berücksichtigt würden, die in einem Wahlkreis mindestens 10 % der abgegebenen Stimmen erhielten; dazu Meder, BayVerf. (1. Aufl.), Art. 14 Rn. 19. 78 Meder, BayVerf., Art. 23 Rn. H. 79 Art. 46 I 2 BWVerf.; Art. 34 II HbgVerf.; Art. 44 II BayVerf., auch wenn das Erfordernis "Bayer" zweifelhaft ist; da es aber kein Bayerisches Staatsangehörigkeitsgesetz gibt, spielen diese Bedenken z. Z. praktisch keine Rolle, vgl. dazu Weis, Regierungswechsel, S. 23. 80 Diese Möglichkeit ist wegen Art. 51 III 2 GG, der die einheitliche Stimm abgabe der Mitglieder jedes Bundeslandes verlangt, gegeben; vgl. Neumann, NdsVerf., Art. 19 Rn.7m.w.N.
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präsident81 , Mitglied des Landtags sein,82 denn eine solche Beschränkung müßte sich aus der Verfassung ausdrücklich ergeben.8 3 Er darf aber dem Landtag angehören. Dies gilt jedenfalls angesichts des Umstandes, daß auch in der Ersten Wahlperiode, d. h. vor Inkrafttreten der Verfassung, die Regierungsmitglieder dem Landtag angehörten. Hätte man an dieser Kompatibilität etwas ändern wollen, hätte es der Festlegung einer Inkompatibilität in der Verfassung bedurft. Dies gilt umso mehr, als die Verfassung mit Art. 19111 auch eine Inkompatibilitätsregel enthält. Damit ist noch nicht entschieden, daß der Wählbarkeit überhaupt keine Grenzen gesetzt sind. So wird man verlangen müssen, daß der Ministerpräsident das passive Wahlrecht zum Landtag besitzt,84 da er zumindest und erst recht die Voraussetzungen erfüllen muß, die an einen Abgeordneten gestellt werden.85 Art. 4 11 der NdsVerf. überläßt es dem einfachen Gesetzgeber, das Wahlrecht auszugestalten. Von dieser Ermächtigung hat der Landesgesetzgeber im Landeswahlgesetz Gebrauch gemacht. Der Ministerpräsident muß also die Voraussetzungen des § 6 NdsLWahlG, der das passive Wahlrecht zum Inhalt hat, erfüllen. Er muß zum Zeitpunkt seiner Wahl das 21. Lebensjahr vollendet haben - also nicht wie nach der Bayerischen Verfassung das 40. Lebensjahr86 - und seit mindestens einem Jahr Deutscher i.S.v. Art. 116 I GG sein, ohne daß die Ausnahme des § 6 11 Nr. 3 NdsLWahlG (Ausschlagung der deutschen Staatsangehörigkeit) vorliegt. Zudem muß ein Ministerpräsident vor seiner Wahl mindestens sechs Monate seinen Wohnsitz in Niedersachsen haben. Nach § 6 I Satz 2 i.V.m. § 2 Satz 2 NdsLWahlG wird vermutet, daß der Kandidat seinen Wohnsitz am Ort der Hauptwohnung hat, unterhält er mehrere Wohnungen. Diese Regelung erschwert, auch wenn die Vermutung widerlegbar ist, die Möglichkeit, kurzfristig Politiker aus Bonn oder anderen Bundesländern zum Ministerpräsidenten zu wählen, wie schon - vergeblich - versucht wurde.87 Nicht wählbar sind die in § 611 Nr. 1 i.V.m. § 3 bzw. in § 611 Nr. 2 81 Art. 52 I NWVerf.: "Der Landtag wählt aus seiner Mitte . .. den Ministerpräsidenten ... " (Hervorhebung vom Verf.). 82 Anders ohne Begründung Beckers, Aufbau, S. 67, der die Mitgliedschaft im Landtag für den Ministerpräsidenten, nicht aber für die Minister, verlangt. 83 So auch Schenke, in: LVerfGbk III, S. 1 (32) m.w.N.; weitergehend H.-P. Schneider, in: LVerfGbk III, S. 91 (122f.); zur Frage der Kompatibilität allgemein: Schmidt]ortzig, ZStW 130 (1974), 122ff. (136ff.: Gewohnheitsrecht); Achterberg, ZStW 126 (1970),344 (357f.). 84 Vgl. Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 63 Rn. 7; Steiger, Grundlagen, S. 239; Lippert, Bestellung, S. 274. 85 Wie hier Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 23; bemerkenswert deutlich Art. 44 II BayVerf., soweit er die Wählbarkeit an das Wahlrecht knüpft. 86 Art. 44 II BayVerf. 87 NdsLT, StenBer. VIII/35, Sp. 3320, als die SPD den amtierenden Bundesminister Ravens als Kandidat gegen Albrecht (CDU) aufstellte, weil ihr erster Kandidat Kasimier durchgefallen war.
B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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NdsLWahlG aufgeführten Personen, für die allgemein gilt, daß sie aufgrund eines Richterspruchs oder wegen geistiger Mängel als ungeeignet für ein solches Amt angesehen werden. Das erscheint auch deswegen richtig, weil die Mitglieder der Landesregierung nach § 1 NdsMinG in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen. Dazu muß der Ministerpräsident jedes deutschen Bundeslandes nach nahezu einhelliger Ansicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten,8s Dies gilt für Niedersachsen jedenfalls angesichts des nach Art. 22 S. 1 NdsVerf. zu leistenden Bekenntnisses, das von der Eidesleistung, aus der Pflichten nicht ableitbar sind, zu unterscheiden ist. Durch die Abgabe des Bekenntnisses verpflichten sich der Ministerpräsident und die Minister in besonderer, den anderen Landesverfassungen nicht bekannter Weise der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
B. Die Berufung der Minister und die Bestätigung der Landesregierung Auch nach erfolgreicher Wahl und deren Annahme! befindet sich ein neuer Ministerpräsident noch nicht im Amt; er ist designierter oder gewählter Ministerpräsident. 2 Zur tatsächlichen Übernahme der Staatskanzlei und zur Vornahme von Regierungsgeschäften3 ist er erst berechtigt, wenn die Regierung, also er und die von ihm berufenen Minister,4 gemäß Art. 20 III NdsVerf. vom Landtag bestätigt worden sind5 . So wird ein reibungsloser Ablauf der Geschäfte, z. B. bezüglich der Teilnahme an Bundesratssitzungen gewährleistet. Denn für alle Amtsgeschäfte bleibt vorerst die zurückgetretene, geschäftsführende Regierung zuständig. 6
88 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 24 m.w.N.; Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 63 Rn. 7; Steiger, Grundlagen, S. 239; Stern, Staatsrecht II, § 30 II 4 d a, S. 244; einschränkend Lippert, Bestellung, S. 275; kritisch auch Jarass / Pieroth, GG, Art. 63 Rn. 1. 1 Auch § 2 S. 1 NdsMinG sieht die Annahme der Wahl als erforderlich an. 2 Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 16; Spreng / Birn / Feuchte, BWVerf., Art. 46 Anm. 3 sprechen vom designatus. Im folgenden wird vom designierten oder gewählten Ministerpräsidenten gesprochen werden, wenn der gewählte, aber nicht bestätigte Ministerpräsident gemeint ist. 3 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 64 Rn. 36; Neumann, in: Pfennig / Neumann, BerlVerf., Art. 41 Rn. 6. 4 Art. 19 I NdsVerf.; dazu Hedergott, Niedersachsen, S. 6; Dauster, Stellung, S. 73. 5 Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 101 Anm. 12; Maurer, in: BWStVwR, S. 27 (76). 6 Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 101 Anm. 12; ausführlich dazu unten im 3. Teil unter E.
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
I. Die Berufung der Minister 1. Persönliche Anforderungen an die Minister
Im Anschluß an seine Wahl beruft der designierte Ministerpräsident "seine" Minister.7 Bei ihrer Auswahl ist er grundsätzlich frei, muß jedoch beachten, daß keine Inkompatibilitätsvorschriften verletzt werden und alle berufenen Minister die persönlichen Voraussetzungen für die Bekleidung eines Ministeramtes erfüllen. Insoweit bestehen jeweils die gleichen Anforderungen, wie sie auch der Ministerpräsident selbst erfüllen muß.8 Anders ist es hingegen bezüglich der in Art. 44 11 BayVerf. und Art. 52 I NWVerf. genannten Voraussetzungen an einen Ministerpräsidenten. Diese gelten jeweils nur für den Regierungschef selbst, nicht auch für die übrigen Regierungsmitglieder, so daß nur die Ministerpräsidenten, nicht auch die Minister das 40. Lebensjahr vollendet haben bzw. Mitglied des Landtages sein müssen. Im Unterschied zur Regelung in Niedersachsen wird in den genannten Ländern also bei den Voraussetzungen an Ministerpräsident und Minister differenziert. 2. Die Anzahl der zu berufenden Minister
Zweifel können sich bezüglich der Anzahl an Ministern ergeben, die der gewählte Ministerpräsident zu berufen hat. Die Verfassung nennt keine Mindestzahl, geht allein davon aus, daß jedenfalls ein Finanzminister berufen werden muß. Denn dieser ist in Art. 53 I 1 NdsVerf. von der Verfassung selbst ausdrücklich genannt. Dazu spricht die Verfassung stets von den "Ministern"9, setzt also auch voraus, daß noch mindestens ein weiterer Minister amtiert. Anders wäre auch Art. 28 11 Nr. 3 NdsVerf., der die Abgrenzung der Geschäftsbereiche zwischen verschiedenen Ministerien betrifft, nicht verständlich. Die meisten Ministerien sind regelmäßig und in allen Bundesländern eingerichtet, wie z. B. das Justiz- und das Innenministerium. Aus dieser Üblichkeit allein, auch in Verbindung mit einem anzuerkennenden praktischen Erfordernis, kann man jedoch nicht auf den verfassungsrechtlichen Zwang schließen, daß diese Ministerien immer vorhanden sein müßten. So ist es denkbar, die beiden genannten Ressorts zu vereinigen. Andere Ministerien haben einmal existiert und sind aufgelöst oder in andere eingefügt worden. So gab es bis 1967 ein Ministerium für Vertriebene, das in den folgenden Legislaturperioden allmählich in das neue Ministerium für Bundesangelegenheiten eingefügt wurde. 10 Siehe nur NdsLT, StenBer. XII1, S. 22f. Dazu oben A IV. 9 Vgl. nur Art. 19 I, 20 II, 24 I NdsVerf. 10 NdsLT, Tätigkeitsbericht V, S. 6; VI, S. 6; VII, S. 5. 7
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B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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Vielfach wird in der Literatur gefordert, es müßten so viele Minister ernannt werden, daß das Kabinett arbeitsfähig sei. lI Dies Kriterium - so bestechend es auf den ersten Blick sein mag - ermöglicht jedoch keine exakte Folgerung im Hinblick auf eine Mindestzahl. 12 Denn die Arbeitsfähigkeit einer Regierung läßt sich nicht allein nach der Zahl ihrer Mitglieder bemessen, sondern beruht auf vielen Faktoren, wie der Persönlichkeit der Minister, der Anerkennung ihrer fachlichen Qualitäten oder ihrer Belastbarkeit. So kann man aus der Verfassung eine Mindestzahl nicht herauslesen. Deutlich ist nur, daß er mindestens zwei Minister berufen muß, davon einen Finanzminister. Auch das Ressortprinzip des Art. 28 12 NdsVerf. kann mit nur zwei Ministern gewahrt bleiben. Jedenfalls erscheint es willkürlich, unter Hinweis hierauf mindestens vier Minister zu fordern. 13 Diese Freiheit könnte jedoch durch das Grundgesetz eingeschränkt sein. Denn nach Art. 5111 GG hat das Land Niedersachsen (derzeit) sechs Sitze im Bundesrat, die durch Regierungsmitglieder des Landes einzunehmen sind. Daraus könnte sich ergeben, daß das Land Niedersachsen mindestens sechs Regierungsmitglieder haben muß, also den Ministerpräsidenten und fünf Minister. Denn anders als in Bayern besteht die Regierung nur aus diesem Personenkreis; insbesondere gehören Staatssekretäre nicht der Regierung an 14 • Gegen eine solche Auslegung des Art. 51 GG kann nicht schon eingewandt werden, die Zahl der Bundesratsmitglieder des Landes bestimme sich rein schematisch nach der Einwohnerzahl. 15 Denn es kann keinen Unterschied machen, ob die Zahl der Bundesratsmitglieder im Grundgesetz ausdrücklich genannt oder nach einem Schema zu errechnen ist. Ein unzulässiger Eingriff in die Hoheit eines Bundeslandes und die Organisationsgewalt der Landesregierung kann in einer Bestimmung der Mindestzahl der Landesminister durch das Grundgesetz nicht gesehen werden. 16 Denn das Grundgesetz stellt auch durch die geforderte Homogenitätl7 gewisse Ansprüche an die Länder und ihre Verfassungen, die deren Hoheit beschränken. Das ist das gute Vorrecht der Bundesverfassung. So ist anerkannt, daß das Grundgesetz auf die Landesverfassungen einwirkt, sie in mancherlei Hinsicht konkretisiert. 18 Schließlich sind die Landesregierungen auch an die anderen 11 Hedergott, Niedersachsen, S. 6; Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 64 Rn. 47f.; Stern, Staatsrecht II, § 31 II 4 d a, S. 284. 12 Auch Hedergott, Niedersachsen, S. 6f. kann keine nennen. 13 So aber Kleinrahm, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, S. 49 (71). 14 So eindeutig Art. 19 I NdsVerf.; anders Art. 43 II BayVerf. und Art. 45 II S. 2 - 4 BWVerf. 15 So aber Hedergott, Niedersachsen, S. 6f. 16 So aber Hedergott, Niedersachsen, S. 7. 17 Maunz / Dürig, GG, Art. 50 Rn. 6; in Art. 51 Rn. 7 vergleicht er insoweit zutreffend Art. 51 GG mit Art. 28 GG. 18 BVerfGE 1, 208 (232); 27, 44 (55f.); dazu ausführlich Menzel, DÖV 1969, 765ff.
I. Teil: Die Bildung der Regierung
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Bestimmungen des Grundgesetzes, namentlich die Grundrechte gebunden, ohne daß hierin eine Beschränkung ihrer Hoheitsrechte gesehen werden kann. Letztlich ergibt sich die Zulässigkeit einer Forderung des Grundgesetzes nach einer bestimmten Größe der Regierung, auch wenn sie nach Landesverfassungsrecht nicht besteht, aus Art. 31 GG, der der Bundesverfassung jedenfalls den Vorrang vor entgegenstehendem Landesrecht einräumt. Die Länder sind nach Art. 51 I 1 GG gezwungen, die ihnen zustehenden Sitze im Bundesrat zu besetzen. 19 Aufgrund dieser Vorgabe muß der Niedersächsische Ministerpräsident letztlich mindestens fünf Minister (Art. 19 I NdsVerf.) berufen, weil das Land sechs Sitze im Bundesrat hat, er selbst aber lediglich einen besetzen kann. Hiergegen kann nicht angeführt werden, die Stimmabgabe könne jeweils auch ein einzelnes Mitglied für alle Stimmen seines Landes abgeben. 20 Denn diese Möglichkeit ist allein deswegen gegeben, weil die Stimmen jedes Landes nach Art. 51 111 2 GG einheitlich abzugeben sind. Hätte der Grundgesetzgeber zulassen wollen, daß von den Ländern weniger als die nach Art. 51 11 GG zu errechnende Zahl an Mitgliedern bestellt werden, so hätte eine Regelung nahegelegen, die für jedes Land ein Mitglied mit mehreren Stimmen vorsähe. Im übrigen ist der Wortlaut des Art. 51 I 1, 1. Halbs. GG insoweit eindeutig: Er verlangt die Bestellung aller dem Land zustehenden Mitglieder. Der Ministerpräsident ist also insoweit frei, als er nicht mehr als fünf Minister berufen muß. Diese Freiheit wird aber durch das Bestätigungserfordernis des Art. 20 111 NdsVerf. weiter eingeschränkt. Denn wenn er so wenige Minister beruft, daß die Arbeitsfähigkeit zweifelhaft wird, ist es für den Landtag ein leichtes, die Bestätigung zu verweigern und so den gewählten Ministerpräsidenten zur Berufung weiterer Minister zu zwingen. Auf diese Bestimmung ist sogleich näher einzugehen.
11. Die Bestätigung Das Erfordernis einer Bestätigung der Regierung als Voraussetzung für deren Regierungsübernahme oder zumindest ähnliche Normen finden sich in Art 20 111 NdsVerf. und einigen anderen Landesverfassungen. 21 Anders als die Weimarer Reichsverfassung, die unter Betonung des Satzes 2 ihres Art. 54 vermutete, das Vertrauen des Parlaments zur Regierung sei vorhanden, solange kein gegenteiliger Beschluß des Reichstages vorliege,22 ist nach Maunz / Dürig, GG, Art. 51 Rn. 14; lekewitz, in: AltKomm., Art. 51 Rn. 1. lekewitz, in: AltKomm., Art. 51 Rn. 9f.; Seifert / Hömig, GG, Art. 51 Rn. 3. 21 Art. 46 III BWVerf.; Art. 98 II 3 RhPfVerf.; Art. 101 IV HessVerf.; ähnlich Art. 45 BayVerf.; Art. 87 I 2 SaariVerf. 19
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B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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Art. 20 III NdsVerf. also ein positives Vertrauensvotum erforderlich. Daß sich der gewählte Ministerpräsident vor der Bestätigung noch nicht im Amt befindet, ist nicht nur Theorie, sondern hat sich auch im praktischen Verfassungsleben des Landes Niedersachsen gezeigt, als im Januar 1976 die Regierung Kubel (SPD) zurückgetreten und Ernst Albrecht (CDU) zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden war. Damals befand sich die Regierung Kubel gern. Art. 24 IV geschäftsführend weiter im Amt, da eine Übernahme der Geschäfte durch den nur gewählten Ministerpräsidenten mangels Berufung und Bestätigung der Regierung nicht möglich war. Nach außen dokumentiert wurde die weitere Amtsführung der bisherigen Regierung, indem auf der sog. Regierungsbank nicht der gewählte Ministerpräsident, sondern die Regierung Kubel Platz genommen hatte 23 . Dieser verfassungsrechtlichen Lage trägt auch § 2 S. 1 NdsMinG Rechnung, der das Amtsverhältnis des Ministerpräsidenten erst mit der Bestätigung der Regierung beginnen läßt. In der Verfassungspraxis läuft das Bestätigungsverfahren so ab, daß der neue Ministerpräsident nach der Annahme seiner Wahl die Minister in ihre Ämter beruft. Unmittelbar darauf stimmt der Landtag dann offen über die Erteilung der Bestätigung ab. 24 Wird die Regierung von der einfachen Mehrheit der anwesenden Abgeordneten bestätigt, so befindet sich der Ministerpräsident im Amt. 25 Die Minister dagegen haben ihr Amt erst nach der Aushändigung einer entsprechenden Urkunde durch den Ministerpräsidenten inne.26 Diese Amtseinsetzung der Minister durch den Ministerpräsidenten setzt selbstverständlich voraus, daß dieser bereits im Amt ist. 1. Die Funktion der Bestätigung
Die Bestätigung der Landesregierung ist eine wesentliche Kn::ationsfunktion des Landtags;27 allerdings ist er nicht völlig frei in seiner Entscheidung, sondern hat nur die Möglichkeit, die Regierung in ihrer Gesamtheit zu bestätigen oder ihr diese Bestätigung zu versagen. 28 Es ist also nicht möglich, einige Regierungsmitglieder zu bestätigen, andere aber nicht. Der Ministerpräsident hat demnach entweder "sein" Landesministerium oder er kommt gar nicht erst ins Amt. 22 Anschütz, WRV, Art. 54 Anm. 2 f.; Thoma, in: HdBDStR I, S. 503 (507); Schmitt, Verfassungslehre, S. 343f. spricht demgegenüber ausdrücklich davon, daß eine Regierung ohne Vertrauen des Parlamentes ins Amt kommen könne. 23 NdsLT, StenBer. VIII/34 vor Sp. 3243. 24 Vgl. NdsLT, StenBer. IV/55, Sp. 330lf.; V/2, Sp. 13f.; VI/2, Sp. 23f.; VII/2, Sp. 17; VIII/2, Sp. 2lf.; lXII, Sp. 23; XII, S. 26f.; XI/I, S. 22f. 25 § 2 S. I NdsMinG i.V.m. Art. 9 II I NdsVerf. 26 § 3 S. I NdsMinG. 27 Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 29. 28 Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 3 c; Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 29; Maurer, in: BWStVwR, S. 27 (76).
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
Diese Rechtslage steht gewissermaßen zwischen der des Grundgesetzes, das keine weiteren Mitwirkungsrechte des Bundestages bei der Regierungsbildung kennt, ist der Kanzler erst einmal gewählt,29 und der Lage in den Stadtstaaten, in denen alle Regierungsmitglieder einzeln von den jeweiligen Parlamenten zu wählen sind. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen der Regierungsbildung kennzeichnen die gegenüber dem Bundestag starke Stellung des Bundeskanzlers und die relativ schwache Position der Regierungschefs in den Stadtstaaten gegenüber den jeweiligen Parlamenten. Auch wenn in Berlin der gewählte Regierende Bürgermeister den Bürgermeister als seinen Stellvertreter30 und die übrigen Senatoren vorschlägt, so ändert das doch wenig an der überragenden Bedeutung des Abgeordnetenhauses bei der Wahl des gesamten Senats. 3l Insofern ist das parlamentarische Regierungssystem in Niedersachsen strenger als das des Grundgesetzes, aber offener als das Hamburgs, Berlins oder Bremens. Damit wird in den Landesverfassungen der Einfluß des Parlaments auf die personelle Zusammensetzung und die Sachprogramme der Regierung gegenüber dem Grundgesetz in unterschiedlichem Maße verstärkt. Die niedersächsische Regelung verhindert jedenfalls eine allzu "selbstherrliehe" Auswahl des Ministerpräsidenten in Personalfragen,32 da die Zusammensetzung der Regierung mit der Parlamentsmehrheit abzustimmen ist. 33 Also muß der gewählte Ministerpräsident Koalitionsabsprachen personeller Natur jedenfalls faktisch einhalten ,34 will er nicht seine schon (aber auch nur nahezu) sichere Position aufs Spiel setzen. 35 Ein solcher Druck, Abreden einzuhalten, bestünde zwar auch, wenn eine Bestätigung nicht erforderlich wäre. Denn eine Gruppe oder eine Fraktion, die den Ministerpräsidenten in dem Glauben gewählt hat, er würde einen oder mehrere ihrer Abgeordneten bei der Regierungsbildung berücksichtigen, würde Gesetze der neuen Regierung aller Voraussicht nach nicht mittragen. Ohne Bestätigungserfordernis wäre ein mit Mehrheit gewählter Regierungschef, der sich nicht an Vereinbarungen hält, bald nur mehr ein Minderheitsministerpräsident, der zudem an politischer Glaubwürdigkeit verloren hätte. Doch er wäre erst einmal im Amt, und es bedürfte des Zusammenwirkens der 29 Ebenso Art. 52 III NWVerf. und Art. 26 II 2 SHVerf. bzgl. des Ministerpräsiden-
ten.
Art. 40 II BerlVerf. Art. 41 II BerlVerf. 32 Toews, AöR 96 (1971), 354 (381). 33 H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (82); Friedrich, JöR 30 (1981), 197 (200). 34 Rothsprach, in: Parlamentarisches Leben in Niedersachsen, S. 5 (21); H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (82); Spreng / Birn / Feuchte, BWVerf., Art. 46 Anm.3. 35 Grosse-Sender, in: Parlamentsrecht, S. 1719 (1731) meint hingegen, der Landtagsmehrheit stünde vor allem deswegen ein Mitspracherecht zu, weil ihr Erfolg von der Regierung abhänge; es dürfte jedoch gerade anders herum sein: Der Erfolg der Regierung hängt von der Landtagsmehrheit ab. 30 31
B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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zumeist heterogenen Opposition, um ihn wieder abzuwählen. Denn die Abwahl ist nur über ein konstruktives Mißtrauensvotum oder indirekt über eine Parlamentsauflösung möglich. 36 Daß sich sogleich eine Mehrheit gegen einen auf diese Weise ins Amt gelangten Ministerpräsidenten finden würde, um in positiver, also nicht nur ablehnender Weise zusammenzuarbeiten, ist jedoch unwahrscheinlich. Ohne Bestätigungserfordernis wäre der Druck auf den Ministerpräsidenten, sich "absprachetreu" zu verhalten, also schwächer als mit dieser Bedingung für seine Amtsübernahme. Ein neuer Ministerpräsident könnte, befände er sich erst einmal im Amt, aus einer gestärkten Position heraus handeln, selbst wenn er keine Parlamentsmehrheit (mehr) hinter sich haben sollte. Ein nicht "vertragstreuer" Ministerpräsident wird nach niedersächsischer Rechtslage aber gar nicht erst ins Amt gelangen, weil ihm die Bestätigung versagt bleiben wird. Diese ausgeprägte Abhängigkeit der Regierung vom Parlament37 kommt schon in der Referentenbegründung zum Regierungsentwurf zum Ausdruck, wenn dort gesagt wird, die Bestätigung solle dazu beitragen, dem Grundsatz der Volkssouveränität Rechnung zu tragen und eine möglichst breite Übereinstimmung zwischen Volk, Regierung und Parlament herzustellen. 38 Gegenstandslos ist dagegen das Argument geworden, die Vertrauenskundgabe durch die Bestätigung sei erforderlich, weil die Regierung auf eine bestimmte Zeit39 gewählt werde und deswegen bei Beginn ihrer Amtszeit besonderer Wert auf Homogenität zwischen ihr und dem Landtag gelegt werden müsse 40 ; denn die im Regierungsentwurf noch vorgesehene Regierung auf Zeit ist nicht in die Verfassung übernommen worden. Andererseits wird die niedersächsische Regelung der besonderen Bedeutung, die dem Ministerpräsidenten und damit seiner Wah1 41 , zukommt, gerecht. So kann der Landtag keinen Minister gegen den Willen des Ministerpräsidenten wählen, und er kann auch nicht nur einzelnen Ministern die Bestätigung verweigern. Er muß vielmehr immer abwägen, ob er es nicht doch in Kauf nehmen will, daß in einer ansonsten für gut befundenen Regierung ein ungeliebter Minister zu finden ist, auf den der Ministerpräsident nicht verzichten möchte. Diese Situation ist dann leicht vorstellbar, wenn einzelne Abgeordnete einer Koalition skeptisch gegenüberstehen und sich überlegen müssen, ob sie die gesamte Regierungsbildung gegen den Willen der Mehrheit Art. 23 NdsVerf. einerseits, Art. 7 i.V.m. Art. 24 II NdsVerf. andererseits. Die insoweit herausragende Stellung des Landtags betonen auch Groß, JöR 21 (1972), 309 (320) und Schmidt, in: HessStVwR, S. 20 (36f.) für Hessen und Ley, in: RhPfStVwR, Staats- und Verfassungsrecht, Rn. 86 für Rheinland-Pfalz. 38 Materialien II, S. 1. 39 Zum Begriff oben A III. 40 Materialien II, Referentenbegründung, S. L 9. 41 Materialien 11, Referentenbegründung, S. 9; Nawiasky, BayVBI. 1956,355 (356); Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 3 c. 36
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
ihrer Partei scheitern lassen oder ein "schwarzes Schaf" doch noch akzeptieren wollen. Der gewählte Ministerpräsident ist also in der Lage, sich grundsätzlich seine Regierung selbst aussuchen zu können. Er wählt solche Minister, mit denen er meint, eine sinnvolle Politik durchsetzen, die im Programm gesteckten Ziele erreichen und die anstehenden Aufgaben lösen zu können. Dadurch ist auch gesichert, daß eine einheitliche Politik betrieben werden kann und alle Regierungsmitglieder an einem Strang ziehen. Gerade das Vorschlagsrecht des Ministerpräsidenten sichert - wenn auch neben anderen Umständen - die "Geschlossenheit und Schlagkraft" der Exekutivspitze. 42 Die Funktionsfähigkeit der Regierung setzt voraus, daß sich bereits bei ihrer Bildung die Einheit und die Übereinstimmung innerhalb des Landesministeriums auch im Personalbestand manifestiert. Die Legitimation des geWählten Ministerpräsidenten, die Personalauswahl zu treffen, ergibt sich daraus, daß er die Mehrheit und damit das Vertrauen des Landtags hinter sich hat. 43 Damit zeigt sich, daß die Niedersächsische Verfassung, wenn sie die Bestätigung der Regierung durch den Landtag verlangt, bevor diese die Geschäfte übernehmen kann, einen erfreulichen Mittelweg gewählt hat. Einerseits wird· die Abhängigkeit nicht nur des Regierungschefs, sondern der gesamten Regierung vom Landtag deutlich, andererseits ist der Ministerpräsident aber auch frei genug, sich mit Ministern seines Vertrauens - und nur mit solchen - zu umgeben. 2. Bestätigung und Ressortzuweisung
Art. 20 III NdsVerf. fordert vor der Amtsübernahme der Regierung ihre Bestätigung durch den Landtag. Die Vorschrift sagt nicht ausdrücklich, ob sich diese Bestätigung nur auf die berufenen Personen 44 oder auch auf ihre Zuordnung zum einzelnen Ressort 45 bezieht. Eindeutige - wenn auch gegensätzliche - Regelungen finden sich jedoch in anderen Landesverfassungen. So kommt dem Parlament in Bayern, Nordrhein-Westfalen und einigen anderen Ländern bzgl. der Ressortzuweisung kein Mitspracherecht ZU. 46 In RheinlandPfalz hingegen bedarf die Verteilung der Geschäftsbereiche an die Minister der Zustimmung des Landtags. 47 So Nawiasky, BayVBl. 1956,355 (356). Materialien II, Referentenbegründung, S. 9. 44 So Weis, Regierungswechsel, S. 54; wohl auch Beckers, Aufbau, S. 69, der ein Mitspracherecht des Landtags nur über das Haushaltsgesetz annimmt. 45 So Friesenhahn, VVDStRL 16 (1958), 9 (45f. Fn. 103); Kaja, AöR 89 (1964), 381 (400 Fn. 75); Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 29. 46 Art. 50 I BayVerf.; Art. 120 S. 1 BremVerf.; Art. 42 I 1 HbgVerf.; Art. 52 III NWVerf.; Art. 91 12 SaariVerf.; Art. 26 II 2 SHVerf. 47 Art. 105 II RhPfVerf.; Art. 104 II 2 HessVerf.; eingeschränkt auch Art. 45 III BWVerf.; vgl. auch Art. 43 IV 1 BeriVerf. 42 43
B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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Damit stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Bestätigung der Regierung durch den Landtag nach niedersächsischem Verfassungsrecht zukommt. Es ist zu klären, ob sie die Zuweisung der Minister an die Ressorts umfaßt oder sich allein auf die personelle Zusammensetzung der Regierung bezieht. a) Die personelle Zusammensetzung als alleiniger Gegenstand der Bestätigung
Weis will die Verteilung der Ressorts von der Bestätigung getrennJ wissen und beruft sich darauf, daß Berufung und Ressortverteilung nicht identisch seien. 48 Das mag zwar zutreffen, läßt aber außer acht, daß zwischen einem Ressort und der Person, die es übernimmt, ein enger Zusammenhang bestehen kann49 • Außerdem sagt die Differenzierung zwischen dem Ressort und der Person, die es übernimmt, nichts darüber aus, ob die Bestätigung sich auf beide Teile oder nur auf einen beziehen muß. Vielmehr ist diese Trennung Voraussetzung dafür, die hier gestellte Frage überhaupt aufzuwerfen. Die Entstehungsgeschichte der Verfassung gibt jedoch einen kleinen Anhaltspunkt für die Ansicht von Weis: Das Bestätigungserfordernis war in den Regierungsentwurf aufgenommen worden, um die Einrichtung der Regierung auf Zeit50 , die die Rechte des Landtags ja beschränkt, ein wenig zu kompensieren. 51 Da die Regierung nach der endgültigen Form der Verfassung aber nicht auf eine bestimmte Zeit gewählt wird, sondern über das konstruktive Mißtrauensvotum gestürzt werden kann, bedarf es eines solchen Ausgleichs nicht mehr in gleichem Maße. Denn die Bestätigung der Regierung ist in ihrer Wirkung nicht so endgültig wie noch im Regierungsentwurf vorgesehen. Dies gestattet es grundsätzlich, das Bestätigungserfordernis restriktiv auszulegen, also womöglich nur auf die Personen der Minister zu beziehen. Eine solche einschränkende Auslegung des Art. 20 III NdsVerf. könnte daneben durch Art. 28 II Nr. 3 gestützt werden. Danach regelt das Landesministerium - also die Regierung in ihrer Gesamtheit - die Abgrenzung der Geschäftsbereiche. Hieraus könnte zu entnehmen sein, daß die Organisation der Regierung allein deren Sache, der Landtag also von der Ressortverteilung gänzlich ausgeschlossen sei.5 2 Dies trifft aber nicht zu. Denn Art. 28 II Nr. 3 Weis, Regierungswechsel, S. 54. Auf diesen Zusammenhang weisen allgemein hin: Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 140f.; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 33; auch Weis, Regierungswechsel, S. 51 sieht ihn, vernachlässigt ihn dann aber. 50 Dazu allgemein schon oben AlU. 51 Materialien II, Referentenbegründung, S. 8f. 52 So im Ergebnis Dausler, Stellung, S. 92ff.; wohl auch Dronsch, in: Korte I Rebe, Verfassung, S. 279, wie man aus einem Vergleich mit den dort aufgeführten Regelungen anderer Landesverfassungen, die auch die Ressortverteilung betreffen, folgern kann. 48
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
behandelt nicht die Errichtung oder Besetzung der Ministerien, sondern stellt lediglich deren Abgrenzung voneinander in den Aufgabenbereich des Landesministeriums. Es geht dabei - ebenso wie bei der mit Art. 28 11 Nr. 3 in Zusammenhang stehenden Nr. 4 - um die Beilegung von Konflikten innerhalb der Regierung, also um ressortübergreifende Fragen53 , die der Kompetenz eines Ministeriums unterfallen müssen, um klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu ermöglichen. Über die Zuweisung der Ressorts an die Minister allgemein sagt das nichts aus. Diese muß vielmehr bereits erfolgt sein, bevor Art. 2811 Nr. 3 überhaupt zur Anwendung kommen kann. Eine andere Auslegung des Art. 28 ist schon deshalb nicht möglich, weil sie dazu führen müßte, daß nicht der Ministerpräsident, sondern die Gesamtheit des Kabinetts über die Zuteilung der einzelnen Ressorts an die Minister entscheiden würde. 54 Das aber stünde mit der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten, die sich auch in personellen Fragen niederschlägt 55 , nicht in Einklang. Diese Kompetenz gegenüber den Ministern manifestiert sich auch im bereits genannten § 3 NdsMinG, der deren Amtsverhältnis erst mit Aushändigung der Ernennungsurkunde durch den Ministerpräsidenten beginnen läßt. Gegen diese Auslegung des Art. 2811 Nr. 3 NdsVerf. kann auch nicht § 8 GONdsLReg angeführt werden. Wenn er sagt, das Landesministerium lege die Geschäftsbereiche der Minister fest, so kann dies nur eine etwas verunglückte Wiedergabe des Art. 28 11 Nr. 3 sein. Auch § 8 GONdsLReg kann nur die Abgrenzung der Ressorts voneinander meinen, nicht aber ihre Verteilung an die Minister. Soweit sein Wortlaut scheinbar weitergeht, muß man § 8 GONdsLReg zurückhaltend auslegen, weil er als Geschäftsordnungsregel nichts anders regeln kann, als dies die Verfassung getan hat 56 • Die Regierung kann sich durch ihre Geschäftsordnung nicht Kompetenzen zuweisen, die sie nach der Verfassung nicht hat. Im übrigen ist es in der Praxis allein der Ministerpräsident, der schon bei der Berufung der Minister deren Verteilung auf die Ressorts festlegt.57 Das Lan.. 53 Ähnlich H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (79); entspr. auch die einzige Außerung im Verfassungs ausschuß zu Art. 28 II Nr. 3: Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 156. 54 Anders Dauster, Stellung, S. 94, 102, der aber schon übersieht, daß die Minister in Niedersachsen vom designierten Ministerpräsidenten für ein konkretes Ressort berufen werden; statt dessen belegt er seine Ansicht mit der Praxis in Baden-Württemberg. 55 Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 65 Rn. 12; Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 140f.; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 33 f. 56 Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 40 Rn. 2; Maunz / Dürig, GG, Art. 40 Rn. 22; BVerfGE 1, 144 (148); 44, 308 (315); Hesse, Grundzüge, Rn. 577; SchmidtBleibtreu / Klein, GG, Art. 40 Rn. 6. 57 NdsLT, StenBer. III2, Sp. 22; III/2, Sp. 14; IV/2, Sp. 3lf.; IV/55, Sp. 3301; V/2, Sp. 13f.; VII2, Sp. 23; VIII2, Sp. 17; VIII/I, Sp. 21; lXII, Sp. 23; XII, S. 26; XIII, S.22f. .
B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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desministerium als solches nimmt darauf keinen Einfluß. Der Ministerpräsident allein bestimmt auch darüber, ob ein Ministerium aufgelöst, in ein anderes integriert oder neu gebildet wird, indem er entsprechend mehr oder weniger Minister beruft, was dann gegebenenfalls auch organisatorische Veränderungen nach sich zieht. Art. 28 II Nr. 3 kann also nicht herangezogen werden, um den gänzlichen Ausschluß des Landtages von der Organisation der Regierung zu begründen. Er regelt lediglich die "Feinabstimmung" der Geschäftsbereiche innerhalb der amtierenden Regierung. Bei der Bestätigung aber geht es um Fragen, die einen Zeitpunkt betreffen, zu dem die Regierung (noch) nicht amtiert. b) Die Ressortzuweisung als Gegenstand der Bestätigung
Die Staatspraxis - soeben bereits angesprochen - spricht dafür, daß die Zustimmung des Landtags sich auch auf die Ressortverteilung erstreckt; denn bei jeder Regierungsbildung wußte das Parlament, welcher Minister für welches Ressort berufen war. 58 Eine solche Übung allein kann die hier aufgeworfene Frage zwar nicht verbindlich beantworten. 59 Sie ist aber immerhin ein Indiz. Bedenkt man weiter, daß der Ministerpräsident die Ressortverteilung vor der Bestätigung nennt, ohne dazu vom Landtag aufgefordert worden zu sein, so liegt die Annahme nahe, er gehe von einem Bezug der Bestätigung zur Ressortzuweisung an die Minister aus. Denn es ist nicht anzunehmen, daß ein Ministerpräsident, auch wenn er sich grundsätzlich mit dem Landtag einig weiß, diesem ohne Not mehr Kompetenzen zugesteht, als von der Verfassung gefordert. Denn jede Kompetenz eines anderen Organes mindert die eigene Stärke. Die starke Ausprägung der Mitwirkungsrechte des Landtags bei der Regierungsbildung spricht für seine Mitbestimmung auch bei der Zuweisung der Minister an die Ressorts. Die Bedeutung dieser Mitwirkungsrechte zeigt sich ja besonders auch darin, daß jede Entlassung oder Berufung nach einer einmal erteilten Bestätigung der Zustimmung des Parlaments bedarf. 60 Gerade wenn ein einzelner Minister ausgewechselt werden soll, weiß der Landtag um das betroffene Ministerium und kann entsprechend handeln; er kann die Zustimmung erteilen oder versagen, weil er den Betreffenden für das konkrete Amt für geeignet hält oder eben nicht. Der Umfang der Mitwirkung kann für den Landtag aber nicht davon abhängen, ob nur ein Minister oder die gesamte Regierung bestätigt werden soll. Er muß in beiden Fällen gleich sein. Der Landtag hat auch ein schutzwürdiges Interesse daran, die Ressortverteilung vor dem Bestätigungsbeschluß zu kennen; nur dann kann er sein Mit58
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Ebenda. So auch Weis, Regierungswechsel, S. 54. Art. 20 IV NdsVerf.
1. Teil: Die Bildung der Regierung
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spracherecht61 effektiv geltend machen, es personell und sachlich durchsetzen. Die Bestätigung ermöglicht es den Fraktionen, darauf hinzuwirken, daß der Ministerpräsident sich an Fraktions- bzw. Koalitionsabsprachen hält. 62 Inhalt von Koalitionsverhandlungen63 ist häufig auch die personelle Besetzung der Ministerien;64 Personal angelegenheiten können, da mit ihnen Machtfragen verbunden sind, im Rahmen der Koalitionsgespräche sogar eine ganz entscheidende Rolle spielen. Die Kontrolle, die durch das Bestätigungserfordernis von der Verfassung anerkannt und gefordert ist, wäre unvollständig und könnte vom Ministerpräsidenten umgangen werden, beträfe die Bestätigung nicht auch die Ressortverteilung. Um ein kurzes Beispiel anzuführen: Es kann einer Koalitionsfraktion, die ausgehandelt hat, sie solle den Finanzminister stellen, nicht gleichgültig sein, wenn der dafür vorgesehene Minister nach der Bestätigung der Regierung durch das Parlament vom Ministerpräsidenten zum Minister für Bundesangelegenheiten oder zum Minister ohne Geschäftsbereich bestimmt wird. Denn der Einfluß eines jeden Ministers im Kabinett hängt wesentlich auch vom Ressort ab, das er innehat. Dergleichen Fälle mögen für den Normalfall unwahrscheinlich sein. Doch ist die Bestätigungsverweigerung ein angemessenes Mittel zu reagieren, wenn sie gleichwohl einmal vorkommen. Sie läßt die Stellung des Ministerpräsidenten erst einmal unberührt, weist ihn aber sofort deutlich in seine Schranken. Diese Möglichkeit bliebe dem Landtag versagt, müßte er die Bestätigung erteilen oder ablehnen, ohne die Ressortverteilung zu kennen. Ein dem Interesse des Landtags entgegengesetztes, beachtenswertes Interesse des Ministerpräsidenten ist nicht ersichtlich. Da das oben angeführte historische Argument relativ schwach ist - bedenkt man zudem, daß ein konstruktives Mißtrauensvotum nur unter strengen Voraussetzungen Erfolg haben kann, die Regierung also immer noch relativ schwer zu stürzen ist ergibt sich, daß die Bestätigung der Regierung sich auch auf die konkreten Ressortzuweisungen der berufenen Minister beziehen muß.
Dazu Friedrich, JöR 30 (1981), 197 (200). H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (82). 63 Zu Koalitionsverträgen allgemein: Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 9ff.; Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 20ff.; Schüle, Koalitionsvereinbarungen, passim; alle m.w.N. 64 Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 3 c; angedeutet bei H. Schneider, NJW 1953, 1330 (1331); v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 63 Anm. III 2 c, S. 1231 f.; dazu auch Sandschneider, ZParl. 18 (1987), 203 (206ff.). 61
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B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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3. Ausspracheverbot auch vor der Bestätigung?
Im Verlauf der Vorkommnisse um die Wahl des Ministerpräsidenten im Januar 1976 tauchte, eher nebenbei, eine bis dahin anscheinend niemals gestellte Frage auf: Als der von seiner Wahl selbst überraschte designierte Ministerpräsident Albrecht (CDU) nicht in der Lage war, ein neues Kabinett vorzustellen, um es bestätigen zu lassen, wollte der Abgeordnete Kreibohm (SPD) eine Erklärung abgeben. 65 Von diesem Vorhaben ließ er ab, als der Landtagspräsident ihn auf die Unüblichkeit einer Aussprache im Rahmen der Bestätigung der Landesregierung hinwies. Die etwas widersprüchlichen Aussagen des Präsidenten, der einerseits sagte, er stütze sich auf die Verfassung, andererseits aber ausführte, er wolle damit nicht sagen, eine andere Handhabung sei ausgeschlossen, lassen auf eine gewisse Unsicherheit über die Rechtslage schließen. Eine Aussprache wäre allein dann von Verfassungs wegen untersagt, wenn sich ihr Verbot vor der Ministerpräsidentenwahl gemäß Art. 20 I auch auf das Verfahren vor der Bestätigung erstreckte. Eine Klärung der Frage nach dem Ausspracheverbot im Rahmen des Art. 20 III wurde damals nicht herbeigeführt, nachdem der betroffene Abgeordnete auf die Abgabe seiner Erklärung mit dem Bemerken verzichtet hatte, er wolle die bisherige Praxis nicht durchbrechen. 66 Daher erscheint es angebracht, das Problem kurz zu beleuchten. Vorher muß darauf hingewiesen werden, daß sich die angesprochene Übung nur auf die Bestätigung nach Art. 20 III, nicht nach 20 IV bezieht. Denn in dessen Anwendungsbereich nämlich vor der Zustimmung des Landtags zur nachträglichen Berufung eines Ministers - wurde mehrfach die Aussprache eröffnet,67 wenn auch nur einmal das Wort gewünscht wurde und eine Aussprache wirklich stattfand. 68 Das aufgeworfene Problem läßt sich an dieser Stelle recht einfach lösen, da zum Ausspracheverbot nach Art. 20 I bereits ausführlich Stellung genommen wurde. 69 Aus den dort wesentlichen Punkten, die hier nur noch angedeutet werden müssen, ergibt sich die Antwort. So ist wichtig, daß das Ausspracheverbot eine Ausnahme zu Art. 9 I 1 darstellt. Ausnahmevorschriften sind nicht auszudehnen. Hält man sich weiter vor Augen, daß das Ausspracheverbot schon in Art. 20 I eigentlich fehl am Platze ist und einen Fremdkörper im System der Verfassungsordnung bildet, so ist es nur zu begrüßen, daß das VerDies und das Folgende in NdsLT, StenBer. VIII/34, Sp. 3244. An ihr hat sich bis heute nichts geändert, vgl. nur NdsLT, StenBer. XII, S. 27; XII 1, S. 22f. 67 NdsLT, StenBer. III/27, Sp. 1433; III/51 , Sp.2914; III/53, Sp.2989; V/44, Sp. 3440; anders z. B. NdsLT, StenBer. V/50, Sp. 3824; lXI51, Sp. 6545; IXl62 , Sp.8214f. 68 NdsLT, StenBer. III/6, Sp. 162ff. 69 Siehe oben A II. 65
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4 Busse
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
bot nicht auch noch in Art. 20 111 aufgenommen worden ist. Hierin liegt zwar eine gewisse Inkonsequenz, denn wenn vor der Bestätigung der Regierung eine Debatte stattfindet, so sind jedenfalls die Minister bereits vor der Bestätigung möglicher Kritik an ihrer Person ausgesetzt. Auch der Ministerpräsident muß jetzt, zwar gewählt, aber noch nicht im Amt - in das er erst durch die Bestätigung gelangt - mit einer Debatte über seine Person und mutmaßliche Amtsführung rechnen. Diese fehlende Konsequenz, die von den Verfassungsvätern sicher nicht beabsichtigt war, mindert jedoch die unglücklichen Folgen des Art. 20 I insofern etwas, als nach einer Debatte über die gesamte Regierung die Möglichkeit besteht, ihr die Bestätigung zu versagen und so auch den Ministerpräsidenten am Ende wieder aus seiner Position zu entfernen. Auch wenn eine solche Entscheidung in diesem vorgerückten Stadium der Regierungsbildung - noch dazu in offener Abstimmung - nicht leicht fallen wird und daher auch nur in extrem gelagerten Fällen vorstellbar ist, so ist sie als "Notbremse" doch zu begrüßen. Leider hat sich der Landtag einer noch etwas erweiterten Mitsprachemöglichkeit begeben, als zum ersten Mal eine Regierung zur Bestätigung anstand. Es wurde damals diskutiert, ob die Bestätigung der Landesregierung vor oder nach Abgabe der Regierungserklärung durch den Ministerpräsidenten erfolgen solle.7° Obwohl in den Verhandlungen des Verfassungsausschusses sogar der Regierungsvertreter die Ansicht vertreten hatte, die Bestätigung folge der Regierungserklärung zwingend nach, damit nicht hinterher ernste Spannungen zwischen Regierung und Parlament eintreten könnten,?1 verfuhr der Landtag bei der ersten Regierungsbildung nach Inkrafttreten der Verfassung anders und hat diese Praxis bis heute nicht aufgegeben72 • Das ist politisch bedauerlich, weil der Landtag so weniger Einflußmöglichkeiten hat, als er haben könnte. Doch sind in der Verfassung keine Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf hindeuten, daß diese Praxis ihr zuwiderläuft. Die Verfassung erlaubt die der Regierungserklärung nachfolgende Bestätigung ebenso wie eine ihr vorhergehende. Auch eine Änderung der Praxis ist nicht ausgeschlossen. Festzuhalten bleibt, daß das Ausspracheverbot des Art. 20 I NdsVerf. im Vorfeld der Regierungsbestätigung nach Art. 20111 nicht gilt.
III. Der Stellvertreter des Ministerpräsidenten 1. Ernennung und Auswahl
Nach Art. 20 11 2 NdsVerf. ernennt der Ministerpräsident seinen Stellvertreter. Bestimmungen dieses Inhalts finden sich - bei Abweichungen im ein70
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NdsLT, StenBer. II/2, Sp. 22ff. Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 129. NdsLT, StenBer. XIII, S. 22f., 25.
B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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zeinen - in allen Landesverfassungen73 mit Ausnahme der Hessischen 74 und der Saarländischen Verfassung. Die Stellung des Stellvertreters im Kabinett soll hier nicht näher beleuchtet werden.75 Für die vorliegende Arbeit ist sein Verhältnis zum Landtag wesentlich, nicht das zu seinen Ministerkollegen. Daher sei hier nur erwähnt, daß der Ministerpräsident verpflichtet ist, einen Vertreter zu ernennen76 , weshalb es verfassungsrechtlich bedenklich ist, daß in der Zweiten Wahlperiode der Ministerpräsident schon am 13. Juli gewählt und auch seine Regierung bestätigt wurde, er aber erst am 2. November desselben Jahres - also nahezu vier Monate später - einen Stellvertreter ernannte77. Der Ministerpräsident ernennt "seinen" Stellvertreter, wie Art. 20 II 2 sagt, also nur einen,78 nicht mehrere Stellvertreter. Im Hinblick auf das Folgende ist hier auch zu erwähnen, daß dem Stellvertreter bei Eintritt des Vertretungsfalles - weniger bei der Teil- als mehr bei der Gesamtstellvertretung79 - ein ganz erhebliches Maß an Macht zufällt; denn er hat die gleichen Rechte wie der verhinderte Ministerpräsident,80 sogar die Richtlinienkompetenz81 steht ihm zu.B 2 Er darf im Vertretungsfall sogar Minister auswechseln.B3 Letzteres ist aber, zumindest wenn die Regierung nach Art. 20 gewählt ist, 73 Art. 46 II 2 BWVerf.; Art. 46 BayVerf.; Art. 40 II BerlVerf.; Art. 115 I Brem Verf.; Art. 41 I 1 HbgVerf.; Art. 52 III 2 NWVerf.; Art. 105 II 3 RhPfVerf.; Art. 26 11 2 SHVerf.; ähnlich auch Art. 69 I GG. 74 In der Praxis gibt es seit 1954 jedoch auch in Hessen einen Stellvertreter des Ministerpräsidenten, vgl. Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 101 Anm. 8. 75 Allg. dazu Beckmann, Rechtsstellung, passim, vor allem S. 138ff.; Donie, Stellvertretung, S. 49ff., 182ff.; Latinak, Vizekanzler, S. 138ff., S. 188 ff. 76 Barschel/ Gebel, SHLS, Art. 21 Anm. C IV 2 a; Stern, Staatsrecht II, § 31 II 4 b, S.281; Neumann, NdsVerf., Art.20 Rn. 7; Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 52 Anm. 4; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 69 Rn. 4. 77 Vgl. NdsLT, StenBer. 1112, Sp. 20ff. zur Regierungsbildung und NdsLT, StenBer. IIIlO, Sp. 497 sowie Tätigkeitsbericht II, S. 7 zur Ernennung des Stellvertreters. 78 Neumann, NdsVerf., Art. 20 Rn. 7; Stern, Staatsrecht II, § 31 II 4 b, S. 281; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 69 Rn. 6. 79 Zur Unterscheidung: Köhler, BayVBI. 1983, 168 m.w.N.; Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 69 Rn. 4ff.; Stern, Staatsrecht II, § 3111 4 b ß, S. 282 m.w.N. 80 Neumann, NdsVerf., Art. 20 Rn. 7; Spreng / Birn / Feuchte, BWVerf., Art. 46 Anm. 3; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 69 Rn. 20; Donie, Stellvertretung, S. 61; Wahl, Stellvertretung, S. 181ff.; Latinak, Vizekanzler, S. 135, 160ff.; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 46 Rn. 11. 81 Zu ihrer praktischen Anwendung auf Reichs- bzw. Bundesebene Eschenburg, Die Zeit v. 8. 4. 1988, S. 9. 82 Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 69 Rn. 4; Hesse, Grundzüge, Rn. 645; Maunz / Zippelius, Staatsrecht (26. Aufl.), § 42 I 5, S. 401; Beckmann, Rechtsstellung, S. 234ff.; Wahl, Stellvertretung, S. 182 f.; Donie, Stellvertretung, S. 191 ff.; einschränkend v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 69 Anm. III 2 a, S. 1316; Schramm / Schmidt-Troje, Staatsrecht I, S. 128; ausdrücklich anders § 2 I 2 GOBayStReg. 83 A. A. Köhler, BayVBI. 1983, 168 (169), dessen Ausführungen aber wesentlich von § 2 I 2 GOBayStReg bestimmt sind.
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
von der Mitwirkung des Landtags abhängig, was praktisch eine nur in ganz außergewöhnlichen Fällen zu überwindende Hürde sein wird. Anders als das Grundgesetz 84 und andere Landesverfassungen85 verlangt die Niedersächsische Verfassung nicht ausdrücklich, daß der Stellvertreter des Ministerpräsidenten ein Ministeramt innehaben muß.86 Trotzdem gibt es in der Literatur keine Stimme, die die Ansicht vertritt, es sei zulässig, einen externen Stellvertreter zu ernennen. Auch in Niedersachsen haben bisher alle Stellvertreter des Ministerpräsidenten ein Ministeramt innegehabt,87 so daß sich in der Praxis kein Problem aufgetan hat. Deshalb soll nur kurz auf diese Frage eingegangen werden. Die Begründungen, die für das Verlangen nach einem Vertreter aus dem Ministerkreis gegeben werden,88 sind knapp, aber über zeugend. Es ist unbestreitbar, daß der Vertreter, der u. U. einen ganz erheblichen Einfluß auf die Politik des Landes erhalten kann, zumindest einer gewissen parlamentarischen Kontrolle bedarf. Die Verfassung kennt aber keine spezifischen Kontrollmöglichkeiten für den Stellvertreter. So kann beispielsweise das konstruktive Mißtrauensvotum auf ihn keine Anwendung finden 89 , es sei denn der Landtag entscheidet sich im Vertretungsfall, dem amtierenden, verhinderten Ministerpräsidenten selbst das Mißtrauen auszusprechen, was aber nur schwerlich angenommen werden kann. Darum bleibt dem Landtag nur der Weg über die parlamentarische Kontrolle des Stellvertreters in seiner Eigenschaft als Minister90 , wie immer diese im Einzelfall auch aussehen mag 91 . Schon aus der Stellung des Art. 2011 2, der als einzige Norm der Verfassung den Stellvertreter erwähnt, ergibt sich, daß der "Zweite Mann" zur Regierung gehören muß. Dann aber hat er, da er nicht Ministerpräsident ist, Minister zu sein, denn die Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern, wie Art. 19 I unmißverständlich feststellt. Die Ernennung des Stellvertreters ist formlos möglich. 92 Das aber ist nur dann zu verstehen, wenn die Form, der jede Ernennung grundsätzlich bedarf, Art. 69 I GG: "einen Bundesminister". Z.B. Art. 46 BayVerf.; Art. 52 III 2 NWVerf.; vgl. auch Art. 40 11 BerIVerf.; Art. 115 I BremVerf.; Art. 41 I 1 HbgVerf.; Art. 2611 2 SHVerf. 86 Wie in Niedersachsen Art. 4611 2 BWVerf.; Art. 105113 RhPfVerf. 87 Vgl. Korte / Rebe, Verfassung, Anhang 4, S. 779ff. 88 Spreng I Birn I Feuchte, BWVerf., Art.46 Anm. 3; Süsterhenn I Schäfer, RhPfVerf., Art. 105 Anm. 3. 89 Liesegang, in: v. Münch, GGK 11, Art. 69 Rn. 8; H.-P. Schneider, in: AltKomm. Art. 69 Rn. 4; Donie, Stellvertretung, S. 215 ff.; Stern, Staatsrecht 11, § 31 11 4 b ß, S.282. 90 Spreng I Birn I Feuchte, BWVerf., Art. 46 Anm. 3. 91 Näher dazu im 2. Teil unter G 111; in Betracht kommen weiterhin das Untersuchungsrecht nach Art. 11 der Verfassung und das Zitierrecht nach Art. 10. 92 Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 69 Rn. 11; Liesegang, in: v. Münch, GGK 11, Art. 69 Rn. 3; Beckmann, Rechtsstellung, S. 84; Latinak, Vizekanzler, S. 127f.; etwas anders Donie, Stellvertretung, S. 66. 84
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B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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anderweitig gewahrt ist. Das geschieht durch die Aushändigung der Ernennungsurkunde an die Minister nach § 3 Satz 1 NdsMinG. Auch in Niedersachsen gilt also der Satz, nur ein Minister kann Stellvertreter des Ministerpräsidenten sein. 2. Die Bestätigung der Ernennung durch den Landtag Gemäß Art. 20 III NdsVerf. bedarf die Landesregierung zur Amtsübernahme der Bestätigung durch den Landtag. Diese Bestätigung wird in der Praxis vom Landtag erteilt, bevor der Ministerpräsident seinen Stellvertreter ernannt hat. Erst wenn der Ministerpräsident amtiert, gibt er die Ernennung seines Stellvertreters mündlich bekannt oder läßt sie bekanntgeben. 93 Zusätzlich wird eine entsprechende Mitteilung per Landtagsdrucksache an die Abgeordneten verteilt. 94 Die Ernennung des Stellvertreters erfolgt also ganz ohne Mitwirkung des Landtages. Diese Übung, nach der dem Landtag keinerlei Rechte bei der Bestimmung des stellvertretenden Ministerpräsidenten zukommen, bedarf der verfassungsrechtlichen Überprüfung. So hält Beckmann im Rahmen einer allerdings oberflächlichen Stellungnahme eine andere Praxis für geboten. 95 Im folgenden soll daher zuerst untersucht werden, ob diese Praxis sich auf die Verfassung stützen kann. Ist diese Frage zu verneinen, so gilt es festzustellen, ob die Verfassung fordert, daß die Bestätigung der Regierung erfolgt, nachdem der Stellvertreter des Ministerpräsidenten bereits ernannt ist, damit mögliche Mitwirkungsrechte des Landtags gewahrt bleiben. a) Versuch einer Rechtfertigung der Praxis
Das regelmäßig geübte Verfahren könnte von der Verfassung gedeckt sein, weil Art. 20 II 1 und Art. 20 II 2 NdsVerf. eine unterschiedliche Wortwahl treffen. Die zu bestätigenden Minister werden "berufen" und danach bestätigt, der Stellvertreter wird "ernannt" , eine Bestätigung scheint nicht erforderlich zu sein. Diese Differenzierung ist jedoch keineswegs zwingend. Zum einen muß die Verfassung, wenn sie verlangt, daß der Stellvertreter gleichzeitig Minister ist, zwischen der Bestellung zum Minister im allgemeinen und zum Stellvertreter des Ministerpräsidenten im besonderen unterscheiden. Dies leistet die diffe93 NdsLT, StenBer. IUlO, Sp. 497; IV/55, Sp. 3302; VII2, Sp. 27; VIU2, Sp. 20; IXll, Sp. 20; in NdsLT, StenBer. Xll, S. 29; XIIl, S. 39 erfolgte die Bekanntgabe sogar erst nach Abgabe der Regierungserklärung. 94 NdsLT, Drucks. VII9; VIU22; IXl6; XIS. 95 Beckmann, Rechtsstellung, S. 1Of.; ähnlich Ley, in: RhPfStVwR, Staats- und Verfassungsrecht, Rn. 86.
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
renzierende Wortwahl. Zum anderen schließt der Begriff der Ernennung im deutschen Staatsrecht die weitere Erforderlichkeit eines Zustimmungs aktes vor der Amtsübernahme nicht aus. Dies zeigt sich deutlich an Art. 98 RhPfVerf., der im zweiten Satz seines zweiten Absatzes von der "Ernennung" der Minister spricht, und ihre Amtsübernahme dann in Satz drei von der Zustimmung des Landtages abhängig macht. Auch nach Art. 101 11 1, IV HessVerf. "ernennt" der Ministerpräsident die Minister, obwohl ein ausdrücklicher Vertrauensbeschluß des Landtages vor der Amtsübernahme erforderlich ist. 96 Dieses Fehlen einer Differenzierung wird noch durch die Referenten begründung zum Regierungsentwurf gestützt, die die Begriffe "Ernennung" und "Berufung" offenbar gleichsetzt, wenn sie sagt, die nachträgliche Ernennung eines Ministers nach Art. 20 IV NdsVerf. bedürfe der Bestätigung, der Regierungsentwurf aber in der entsprechenden Norm 97 schon von Berufung sprach98 . Aus dem unterschiedlichen Wortlaut der Sätze 1 und 2 des Art. 20 II NdsVerf. läßt sich - zum al auch redaktionelle oder stilistische Gründe für die Differenzierung ausschlaggebend gewesen sein mögen - also nicht herleiten, daß das Bestätigungserfordernis sich nicht auf die Ernennung des stellvertretenden Ministerpräsidenten bezieht. Auch daraus, daß bei der Ernennung zum Stellvertreter keinerlei Formalitäten, wie z. B. das Aushändigen einer Urkunde vorgesehen sind,99 läßt sich nicht schließen, sie erfolge ohne Mitwirkung des Landtags, insbesondere ohne seine Bestätigung. Denn auch die Berufung zum Minister erfolgt formlos; die Ernennungsurkunde wird den Ministern erst nach der Bestätigung der Landesregierung übergeben, wenn die Mitwirkungsrechte des Landtags ausgeschöpft sind. Eine Argumentation, die Stellung des Stellvertreters bedeute lediglich eine latente Funktion, deren Aktualisierung ungewiß sei, wäre denkbar, läge jedoch neben der Sache, wie sich in Schleswig-Holstein gezeigt hat. Denn dort hat der stellvertretende Ministerpräsident Schwarz (CDU) nach dem Ausscheiden des Ministerpräsidenten Barschel (CDU), mehrere Monate lang die Amtsgeschäfte geführt. Der Gesamtstellvertretungsfall kann jederzeit eintreten. Ein letztes Argument für die bisherige Praxis ist denkbar: Da der Stellvertreter aus dem Kreis der Minister kommen muß, ist er in die Bestätigung der 96 Die hessischen Minister erhalten ihre Ernennungsurkunde vor dem Vertrauensbeschluß, der zur Amtsübernahme erforderlich ist (FR v. 24.4.1987, S. 18). 97 Nämlich Art. 20 III 2 RegE. 98 Materialien 11, Referentenbegründung, S. 9; auch Weis, Regierungswechsel, S. 54 benutzt die Begriffe synonym. 99 Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 69 Rn. 11; Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 69 Rn. 3; Latinak, Vizekanzler, S. 127 f.; Beckmann, Rechtsstellung, S. 84.
B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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Regierung einbezogen; eine nachträgliche Ernennung schade also nicht, denn die Mitwirkungsrechte des Landtags seien gewahrt, weil er die Berufung des Stellvertreters zum Minister bereits bestätigt habe. Eine solche Argumentation ließe jedoch wichtige Aspekte außer acht: Zwar ist es zutreffend, daß der Minister X vom Landtag zusammen mit der Regierung bestätigt ist, wenn er zum Stellvertreter ernannt wird. Daraus kann man aber nicht auf das Einverständnis des Landtags zur Ernennung dieses Ministers zum Stellvertreter schließen. Denn selbst wenn der Stellvertreter im allgemeinen im Hintergrund bleiben mag, so darf doch nicht übersehen werden, welch erhebliches Maß an Macht ihm zuwachsen kann, wenn der Stellvertretungsfall eintritt 1OO • Zwar mag es faktische Bindungen geben, an die zu halten er sich mehr oder weniger gezwungen sehen wird. Rechtlich aber ist der Stellvertreter frei. Wenn der Ministerpräsident überraschend sein Amt nicht ausüben kann, weil er einen schweren Unfall erlitten hat, nach einem Attentat einige Zeit bewußtlos ist oder entführt wurde, sitzt ein Mann an zentraler Stelle der Regierung, der zwar als Minister, d. h. als der Kompetenz des Ministerpräsidenten unterworfen, bestätigt worden ist. Er hat aber keine besondere Legitimation des Landtags für die Stellung als amtierender Regierungschef erhalten. Und es ist nicht auszuschließen, daß dieser Mann, voller Ehrgeiz sich zu profilieren, die Politik in eine völlig neue Richtung führt, ohne die bisherige Amtsführung des Ministerpräsidenten zu respektieren und fortzuführen. Eine solche Möglichkeit ist dann umso wahrscheinlicher, wenn das Land sich in einer Krisensituation befindet - der Ministerpräsident beispielsweise entführt wurde - und auf dem Stellvertreter großer Druck lastet, der ihn auch zu Aktionen verleiten könnte, die er in ruhigen Zeiten nicht durchführen würde. Ein Stellvertreter befindet sich schon in "normalen" Zeiten gewissermaßen in einer MittelsteIlung zwischen den Ministern und dem Ministerpräsidenten. Dann ist aber nicht einzusehen, warum er nicht auch und gerade als Inhaber dieser exponierten Stellung bestätigt werden muß. Schließlich ist gegen den Stellvertreter, hat er einmal die (Gesamt-) Vertretung übernommen, kein Mittel ersichtlich, ihm diese Stellung wieder zu nehmen, solange der Ministerpräsident selbst nicht handlungsfähig ist. Wie bereits erwähnt, ist ein konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Stellvertreter nicht zulässig. 101 In Betracht käme allein ein Mißtrauensvotum gegen den verhinderten Ministerpräsidenten. Dies allerdings wäre eine so schwerwiegende Maßnahme, daß die Parlamentsmehrheit, wenn es eine solche denn gibt, nur in ganz extrem gelagerten Fällen von ihr Gebrauch machen wird. Gegen den Stellvertreter selbst können allein solche Kontrollmittel zulässig sein, die wesentlich weniger einDazu oben unter III 1. Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 69 Rn. 8; H.-P. Schneider, in: Alt Komm., Art. 69 Rn. 4; Latinak, Vizekanz1er, S. 135; Donie, Stellvertretung, S. 215ff. 100
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
schneidend sind, beispielsweise Mißbilligungsvoten. 102 Aber auch der Landtag befände sich in einer psychologisch besonders schwierigen Situation, so daß nicht gewährleistet ist, daß er dem Stellvertreter wenigstens auf diese Weise entschieden und geschlossen gegenübertreten kann, nutzt dieser seine durch Eintritt des Vertretungsfalles gewonnene Stellung aus. Dies alles zeigt, daß die Bestätigung der Landesregierung ohne Kenntnis der Person des Stellvertreters auch nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, daß dieser Minister ist und als solcher bestätigt wurde. Das Machtpotential, das hinter dem Amt des Stellvertreters eines Ministerpräsidenten latent steht, fordert unter der Geltung des Art. 20 III vielmehr die Mitwirkung des Landtags bei seiner Bestellung. b) Die Angreifbarkeit der Praxis
Es bleibt zu untersuchen, ob es nicht neben dem zuletzt angeführten Aspekt weitere Gesichtspunkte gibt, die darauf schließen lassen, daß die Stellvertretungsfrage vor der Bestätigung der Landesregierung geregelt sein muß. Die Stellung des Art. 20 II 2 NdsVerf. vor dem Absatz, der die Bestätigung verlangt und im gleichen Absatz, der die Berufung der Minister regelt, deutet darauf hin, daß die Ernennung des Stellvertreters zeitlich mit der Berufung der Minister zusamenfällt und damit vor der Bestätigung liegt. Diese, so kommt darin zum Ausdruck, soll sich eben auch auf die Person des Stellvertreters beziehen. Gleiches gilt für das Zusammenspiel des Art. 20 II 2 mit Art. 20 V. Denn nach Art. 20 V, auf den unten näher eingegangen werden wird,103 ist das Verfahren nach Art. 20 II bis 20 IV zu wiederholen, bestätigt der Landtag die Regierung nicht. Wenn nun Art. 20 Abs. 2 vom Ministerpräsidenten die Ernennung eines Stellvertreters fordert, und später dann verlangt wird, das Verfahren nach Art. 20 II zu wiederholen, falls der Landtag die Bestätigung versagt, so kann das nur bedeuten, daß der Ministerpräsident vor der Bestätigung bereits einen Stellvertreter ernannt haben muß. Sonst hätte die Ernennung des Stellvertreters vom Verlangen nach einer Wiederholung ausgenommen werden müssen. In der Literatur werden Zweifel geäußert, ob jeder Minister, namentlich einer, der von der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet ist,I04 den Regierungschef vertreten darf oder ob es innerhalb der Regierung insoweit 102 Zum Mißbilligungsvotum und ähnlichen Mitteln ausführlich unten im 2. Teil unter G 111. 103 Abschnitt C. 104 Für Niedersachsen geht es dabei vor allem um den Finanzminister, der in Art. 51 I 1 NdsVerf. genannt ist.
B. Berufung der Minister und Bestätigung der Landesregierung
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Inkompatibilitäten gibt. 105 Auf diese Frage soll hier nicht näher eingegangen werden. Die Diskussion zeigt aber erneut, wie bedeutend die Stellung des stellvertretenden Ministerpräsidenten werden kann. Das verlangt eine Mitsprache des Landtags bei seiner Ernennung. Denn der Grund für die Inkompatibilitätsdiskussion kann nur das Bestreben sein, zu viel Kompetenzen in der Hand eines Ministers zu verhindern. Der Landtag soll gerade durch das Bestätigungserfordernis besonders stark an der Regierungsbildung beteiligt werden. Dann kann man davon ausgehen, daß der Landtag, nimmt man mit der herrschenden Meinung keine Inkompatibilität an, doch daran interessiert sein wird, daß bestimmte Ministerposten und die Position des Stellvertreters nicht in einer Hand liegen. So ist denkbar, daß der Landtag verhindern will, daß der Finanzminister zusätzlich das Amt eines Stellvertreters des Ministerpräsidenten erhält. Es kann dem Landtag auch einmal darauf ankommen, die Ernennung eines Ministers zum Stellvertreter aus Gründen, die in dessen Person liegen, zu verhindern. In Verbindung mit anderen Aspekten mag solch eine Motivation durchaus auch einmal zur Versagung der Bestätigung führen, soll diese überhaupt eine praktische Bedeutung haben. Denn die Erteilung bzw. die Versagung der Bestätigung ist das Ergebnis einer Abwägung, die die gesamte Regierung und nicht nur einzelne Minister einbezieht. Diese Überlegung wird auch durch einen Vergleich mit anderen Landesverfassungen gestützt. In den Flächenstaaten 106 ist die Regierungsbildung unterschiedlich geregelt: Manche Verfassungen verlangen eine Bestätigung der Regierung 107 , andere nicht 108 • Es fällt jedoch auf, daß, wenn ein Stellvertreter in der Verfassung erwähnt ist, seine Ernennung den gleichen Bedingungen unterliegt wie die Ernennung der Minister bzw. deren Amtsübernahme. 109 Zwar verbietet sich der Schluß, dies müßte deswegen in Niedersachsen genauso sein; doch zeigen diese Regelungen, wie konsequent und naheliegend es ist, den Stellvertreter als solchen nicht anders zu behandeln als die Minister 105 Dazu ausführlich Wahl, Stellvertretung, S. 167ff.; Latinak, Vizekanzler, S. 104ff.; Donie, Stellvertretung, S. 69ff.; Beckmann, Rechtsstellung, S. 59ff.; Sturm, Inkompatibilität, S. 88 f.; Herzog, in: Maunz! Dürig, GG, Art. 69 Rn. 8; Barschei! Gebel, SHLS, Art. 21 Anm. C IV 2 c; v. Mangoldt! Klein, GG, Art. 69 Anm. III 2f, S. 1318 i.V.m. Art. 62 Anm. III 2 a, S. 1212f.; Plaum, DVBI. 1958, 452ff.; ders., DÖV 1960, 536ff., der weitgehende Inkompatibilitäten annimmt. 106 Die Stadtstaaten sind Sonderfälle, da in ihnen alle Regierungsmitglieder vom Parlament gewählt werden; dabei bestimmen in Berlin die Abgeordneten auch den Vertreter des Regierenden Bürgermeisters mit, Art. 40 II i.V.m. Art. 41 II BerlVerf. In Hamburg und Bremen wird dagegen sogar der Regierungschef vom Senat insgesamt bestimmt, so daß die Bürgerschaften auch keinen Einfluß auf die Auswahl seines Stellvertreters haben, Art. 114f. BremVerf.; Art. 41 I HbgVerf. 107 Art. 46 III BWVerf.; Art. 45 BayVerf. 108 Art. 52 III NWVerf.; Art. 98 II 3 RhPfVerf.; Art. 26 II 2 SHVerf. 109 Art. 45f. BayVerf.; Art. 52 III NWVerf.; Art. 98 II 3, 105 II 3 RhPfVerf.; Art. 26 II 2 SHVerf.; ebenso für das dem niedersächsischen Recht ähnliche badenwürttembergische Verfassungsrecht Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 29.
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
und ihn auch in seiner Funktion als Stellvertreter des Ministerpräsidenten bestätigen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als die systematische Stellung des Art. 20 II 2, wie erwähnt, eine solche Annahme stützt. c) Ergebnis
Berücksichtigt man dies alles, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß die Bestätigung erst erfolgen darf, wenn der Ministerpräsident seiner Pflicht, einen Stellvertreter zu ernennen, nachgekommen ist. Die niedersächsische Praxis entspricht diesem Erfordernis bisher nicht. Das hat zwar noch keine wesentlichen Auswirkungen gehabt, da jeder Ministerpräsident stets in der Lage war, die bedeutenderen Aufgaben selbst zu übernehmen und dafür zu sorgen, daß sein Stellvertreter sich seinen Richtlinien entsprechend verhielt. Um zukünftige Probleme und Konflikte zu vermeiden, die sich ergeben können, wenn eine unvorhergesehene, längere Vertretung eintritt und der Landtag die verfassungsmäßige Ernennung des Stellvertreters (zu Recht) bestreitet, empfiehlt sich eine Änderung der Praxis. 3. Die geschäftsordnungsrechtIiche Regelung der Stellvertretung des Ministerpräsidenten
Die Geschäftsordnung der Niedersächsischen Landesregierung konkretisiert die Vertretungsregelung der Verfassung. Der erste Absatz des einschlägigen § 6 der Geschäftsordnung wiederholt lediglich Art. 20 II 2 NdsVerf. dem Sinne nach. Der zweite Absatz stellt eine Regelung für den Fall auf, in dem sowohl der Ministerpräsident wie auch sein Stellvertreter an der Wahrnehmung der Geschäfte verhindert sind. Diese ist aus Gründen der Rechtsklarheit zu begrüßen. Danach ist derjenige Minister quasi Vertreter des Stellvertreters, der am lebensältesten ist. Da den Mitgliedern des Landtags das Alter der Minister bei der Bestätigung bekannt sein dürfte, kann man annehmen, daß der Landtag mit dieser Regelung grundsätzlich einverstanden ist, wenn er die Regierung bestätigt. Zumindest können sich die Abgeordneten ohne Schwierigkeiten über das Alter der Minister Klarheit verschaffen, so daß diese Notregelung, die nur äußerst selten relevant werden dürfte, nicht gegen das Bestätigungserfordernis verstößt. Wenn § 6 III GONdsLReg dem Ministerpräsidenten die Möglichkeit einräumt, die Vertretung im Einzelfall abweichend von § 6 I, II GONdsLReg zu bestimmen, so ist die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm insoweit fraglich. Denn indirekt korrigiert dieser Absatz der Geschäftsordnung damit auch die Verfassung selbst. Nach dieser muß der Ministerpräsident einen - und zwar genau einen - Stellvertreter bestimmen. Dem könnte es entgegenstehen, wenn die Geschäftsordnung die Möglichkeit einräumt, im Einzelfall andere
C. Wiederholung der Regierungsbildung
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Regierungsmitglieder mit seiner Vertretung zu betrauen. Man wird unterscheiden müssen. Soweit es um eine Gesamtstellvertretung geht, weil der Ministerpräsident z. B. krank ist, kann er nur den Minister mit der Führung der Geschäfte beauftragen, der nach Art. 2011 2 NdsVerf. zum Stellvertreter ernannt worden ist und nach hier vertretener Ansicht vom Landtag bestätigt werden mußte. Denn diese Gesamtstellvertretung hat Art. 20 11 2 im Auge, und allein sie ermöglicht es dem Stellvertreter, die weitgespannten Kompetenzen des Ministerpräsidenten umfassend auszuüben. Soweit es allerdings um eine bloße Teilstellvertretung in einer bestimmten Angelegenheit geht, sei sie auch von besonderem Gewicht, muß anderes gelten. Hier handelt der Teilvertreter auf beschränktem Gebiet und besondere Weisung des Ministerpräsidenten. Dieser hat die Möglichkeit, die Vertretungsmacht zumindest im Innenverhältnis zu beschränken und ihre Einhaltung zu kontrollieren. Insoweit liegt es etwas anders als bei der Gesamtstellvertretung. Bei der Anwendung des § 6 III GONdsLReg hat der Ministerpräsident also stets genau zu prüfen, ob ein Fall der Teil- oder der Gesamtvertretung vorliegt. Im Zweifel ist eine Gesamtstellvertretung anzunehmen, um eine Umgehung des Art. 20 11 2 NdsVerf. zu verhindern. Bei Berücksichtigung dieser Einschränkung ist die genannte Norm, deren Wortlaut ja auch auf den Einzelfall abstellt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
C. Wiederholung der Regierungsbildung Nicht immer ist es dem Landtag möglich, nach dem Rücktritt der alten Regierung sofort erfolgreich eine neue zu bilden. Ein Fehlschlagen der Regierungsbildung ist auf zwei Arten denkbar: Entweder erhält keiner der vorgeschlagenen Kandidaten die erforderliche Mehrheit der Stimmen, oder der Landtag wählt einen Ministerpräsidenten, bestätigt dann aber dessen Regierung nicht, wie es für eine Amtsübernahme des Ministerpräsidenten erforderlich ist. Mit der letztgenannten Alternative einer fehlgeschlagenen Regierungsbildung beschäftigt sich Art. 20 V NdsVerf. Dieser ist nach seinem Wortlaut auf den Fall der versagten Bestätigung beschränkt, scheint also nicht für den Fall vorgesehen, daß bei der Wahl nach Art. 20 I kein Kandidat die erforderliche Abgeordnetenmehrheit auf sich vereinigen kann. Bevor jedoch darauf eingegangen wird, wie sich die Versagung der Bestätigung auf den Fortgang der Regierungsbildung auswirkt, ist zu prüfen, wie der Landtag zu verfahren hat, wenn im ersten Wahlgang kein Ministerpräsident gewählt wird. Denn nur nach erfolgreicher Wahl eines Ministerpräsidenten kann in das nachfolgende Bestätigungsverfahren eingetreten werden. 1 I
H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (83).
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
I. Die Wiederholung der Wahl des Ministerpräsidenten Es ist in der Geschichte des Landes Niedersachsen einmal vorgekommen, daß im ersten Wahlgang kein Kandidat die Stimmen der Mehrheit der Abgeordneten erhielt.2 Die Wahl ist dann in der nächsten Sitzung des Landtags erneut versucht worden. 3 Einen ersten Hinweis auf die Richtigkeit dieses Verfahrens liefert § 41 11 GONdsLT, der verlangt, daß diese Wahl bis zum erfolgreichen Abschluß, nämlich bis der Landtag einen neuen Ministerpräsidenten gewählt hat, Tagesordnungspunkt jeder Landtagssitzung bleibt. Die Verfassung bestätigt diese Geschäftsordnungsregel. Denn anders als andere Landesverfassungen 4 spricht die niedersächsische nicht von einer bestimmten Anzahl von Wahlgängen, sondern legt, insoweit wie die Bayerische und die Baden-Württembergische Verfassungs, eine Frist fest, innerhalb derer die Regierung nach Art. 20 NdsVerf. mit Mehrheit zu bilden ist. Diese Frist beträgt in Niedersachsen 21 Tage. Sie wird nach den Vorschriften der §§ 187ff. BGB berechnet,6 beginnt also nach § 187 I BGB mit Ablauf des Tages, an dem die alte Regierung zuriick- oder ein neuer Landtag zusammengetreten ist. Ihr Ablauf beendet den ersten Abschnitt der Regierungsbildung, selbst wenn kein Ministerpräsident gewählt werden konnte. Ist die Frist ergebnislos verstrichen, wird die Regierung nkht mehr nach Art. 20 als Mehrheits-, sondern nach Art. 21 NdsVerf. als Minderheitsregierung gebildet, worauf noch einzugehen sein wird. Der Vorteil einer solchen Frist liegt nicht nur in dem von ihr ausgehenden Einigungszwang, sondern gerade auch in der Möglichkeit, beliebig viele Versuche zu unternehmen, den Ministerpräsident mit der Mehrheit der Abgeordneten zu wählen. An einer Mehrheitsregierung liegt der Verfassung außerordentlich viel, wie an verschiedenen Stellen deutlich wird;? denn nur sie kann die stabilen Regierungsverhältnisse garantieren, die zur ordentlichen Führung der Staatsgeschäfte erforderlich sind. Als Alternative zu dieser Ansicht ist denkbar, daß lediglich ein Wahlgang für die Wahl des Ministerpräsidenten zulässig wäre, selbst wenn dieser bereits am zweiten Tag der 21-Tage-Frist erfolgte. Diese Möglichkeit ist vor allem deshalb in Erwägung zu ziehen, weil die Verfassung eine erneute MinisterbeNdsLT, Tätigkeitsbericht VIII, S. 7. Für dieses Verfahren: Neumann, NdsVerf., Art. 20 Rn. lohne Begründung; H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (83) will Art. 20 V sinngemäß anwenden. 4 Art. 52 II NWVerf.; Art. 26 IV SHVerf. 5 Art. 47 BWVerf.; Art. 44 V BayVerf. 6 Vgl. Neumann, NdsVerf., Art. 21 Rn. 3 m.w.N. 7 Besonders deutlich wird das an der vereinfachten Landtagsauflösung, wenn die Bildung einer Mehrheitsregierung gescheitert ist (Art. 21 I), aber auch an der von der Verfassung eröffneten Möglichkeit, das Parlament von Splitterparteien frei zu halten (Art. 4 III 3). 2
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C. Wiederholung der Regierungsbildung
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rufung ausdrücklich vorsieht, nicht aber mehrere Versuche der Ministerpräsidentenwahl. Gegen sie sprechen jedoch gravierende Bedenken. So wäre die Zeitspanne, innerhalb derer die Mehrheitsregierungsbildung abgeschlossen sein muß, ganz sinnlos, würde sogar das Gegenteil der Beschleunigung bewirken, die sie u. a. bezweckt. Der Landtag wäre mehr als zwei Wochen lang zur Untätigkeit verurteilt, hätte nur damit zu tun, Möglichkeiten zur Wahl einer Minderheitsregierung nach Art. 21 auszuloten. Er würde eines wesentlichen Aspektes seiner Kreationsfunktion beraubt, da eine nach Ablauf der 21 Tage gewählte Regierung nicht mehr von ihm bestätigt werden muß, sondern ohne eine Bestätigung ins Amt kommt. 8 Damit ergibt sich aus dem Sinn und der Konstruktion der Art. 20 und 21, daß die Wahl der Regierungschefs bei mangelndem Erfolg - insbesondere also, wenn kein Kandidat die erforderliche Mehrheit erhält - innerhalb der Frist des Art. 21 I 1 wiederholt werden darf, ja wiederholt werden soll.
11. Die abgelehnte Bestätigung der Regierung 1. Die Erledigung der Ministerberufungen
Nach wohl einhelliger Meinung sind die Ministerberufungen wirkungslos, wenn die vom geWählten Ministerpräsidenten berufene Regierung nicht vom Landtag bestätigt wird. 9 Die Minister haben vor ihrer Berufung nicht das Vertrauen des Landtages, so daß sie vor der Bestätigung keinerlei verfassungsrechtlich gefestigte Positionen innehaben. Von daher besteht kein Grund, dem gewählten Ministerpräsidenten die Möglichkeit zu nehmen, sie auszuwechseln, also neue Minister zu berufen und dann eine andere Regierungsmannschaft zur Abstimmung nach Art. 20 III zu stellen. Bis zur positiven Bestätigung der Regierung oder dem Ablauf der 21-Tage-Frist des Art. 21 I 1 ist der Ministerpräsident alleiniger Herr des Verfahrens. Eine solche Auswechslung vorgeschlagener Minister muß ein Ministerpräsident nach Art. 20 IV naturgemäß auch dann vornehmen, wenn nur einer Ministerberufung, z. B. nach einer Kabinettsumbildung, zugestimmt werden muß und der Landtag der Berufung des vorgeschlagenen Ministers nicht zustimmt.!O Da die Verfassung den Fall der Auswechslung des potentiellen Ministers nach einer Verweigerung der Zustimmung - die sachlich einer Bestätigung gleichsteht - also kennt, wäre es nicht zu begründen, wollte man im Falle der Regierungsbildung anders entscheiden. Art. 21 II 4. H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S.44 (82); Weis, Regierungswechse1, S. 59f.; Spreng I Birn IFeuchte, BWVerf., Art. 46 Anm. 4; Süsterhenn I Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 3 d; Groß, in: Zinn I Stein, HessVerf., Art. 101 Anm. 11. 10 H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (82). 8 9
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
Der designierte Ministerpräsident hat daneben selbstverständlich die Möglichkeit, die Regierung in gleicher Zusammensetzung erneut zur Bestätigung vorzuschlagen. Welche Alternative er im konkreten Fall wählen wird, ist eine politische Frage, die von den jeweiligen Umständen abhängt. Ist deutlich, daß die Ablehnung nur einen (umstrittenen) Minister betrifft, und glaubt der designierte Ministerpräsident nicht an eine Änderung des Ergebnisses, wird er diesen Minister auswechseln. Denkbar ist auch, daß die Versagung der Bestätigung unabhängig von Personen ist und auf bestimmten, vielleicht unerwarteten Aussagen im Regierungsprogramm beruht. Dann kann es häufig ausreichen, wenn in den Fraktionen klärende Gespräche geführt werden. Allgemein sind hier vielschichtige Gestaltungen denkbar, und es ist Aufgabe des gewählten Regierungschefs, die Situation so zu gestalten, daß er und seine Regierung bestätigt werden, um die Regierungsgeschäfte übernehmen zu können. 2. Die Folgen einer Bestätigungsversagung für den designierten Ministerpräsidenten
Der designierte Ministerpräsident wird nicht einfach wieder aus seiner Position entfernt, wenn seine Regierung nicht vom Landtag bestätigt wird. 11 Denn vor der Regierungsbestätigung ist seine Position im Vergleich zur Stellung der Minister wesentlich gefestigter, da er die Mehrheit des Landtages hinter sich hat, auch wenn dieser seiner Regierung die Bestätigung verweigert hat. Insoweit wirkt die Wahl mit der Mehrheit der Abgeordneten, die den Ministerpräsidenten legitimiert, eine Regierung zu berufen, fort. Nicht ohne weiteres zu beantworten ist die Frage, ob der designierte Ministerpräsident aus seiner Stellung wieder entfernt werden kann. Es können sich immerhin Situationen ergeben, in denen der Landtag, obwohl er einen Ministerpräsidenten mit Abgeordnetenmehrheit gewählt hat, in die Lage kommt, diesen überraschend doch wieder abwählen zu wollen. 12 Das ist z. B. vorstellbar, wenn ein gewählter Ministerpräsident die Koalitionsabsprachen nicht berücksichtigt und sich der ursprünglich vorgesehene Koalitionspartner daraufhin kurzerhand mit einer anderen Fraktion verbündet, wodurch sich die Mehrheitsverhältnisse im Landtag ändern. Es könnten auch einmal Umstände bekannt werden, die es unmöglich erscheinen lassen, daß ein gewählter Ministerpräsident wirklich ins Amt kommt. Als Beispiel sei hier nur die Situation in Schleswig-Holstein nach der Landtagswahl 1987 genannt, auf die oben bereits ausführlich eingegangen worden ist. 13 Werden solche Vorwürfe - seien sie wahr oder nicht - erhoben, wenn ein Ministerpräsident zwar schon gewählt, aber noch nicht im Amt ist, so besteht zumindest eine Möglichkeit, 11
12 13
Unklar insoweit Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 46 Rn. 13. Vgl. auch Weis, Regierungswechsel, S. 61. Unter A II 2 a.
C. Wiederholung der Regierungsbildung
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seinen letzten Schritt ins Amt zu verhindern: Der Landtag kann der Regierung die Bestätigung versagen. In solchen Ausnahmesituationen muß man auch damit rechnen, daß von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Denn keine Partei kann es sich auf Dauer leisten, einen plötzlich für weite Kreise der Bevölkerung unhaltbar gewordenen Ministerpräsidenten zu stützen. Daher wird sich auch die Fraktion des gewählten Ministerpräsidenten womöglich gegen seine Regierung aussprechen. Gerade dies hat sich auch in Schleswig-Holstein gezeigt, als nicht nur der erklärte Koalitionspartner der CDU, nämlich die F.D.P., auf einen Rücktritt des Ministerpräsidenten Barschel drängte, sondern auch seine Parteifreunde aus der CDU ein längeres Amtieren für schädlich hielten. Fraglich ist hingegen, ob der Landtag den designierten Ministerpräsidenten aus seiner gefestigten Position durch ein aktives Tun wieder "abwählen" kann, oder ob er darauf angewiesen ist, die Regierung nicht zu bestätigen und abzuwarten, bis die 21-Tage-Frist des Art. 21 I 1 verstrichen ist. a) Die Unanfechtbarkeit seiner Position
In der Literatur ist die Ansicht zu finden, der designierte Ministerpräsident sei nicht aus seiner Position zu verdrängen. Das soll sich entweder aus dem Vertrauensvotum, das er vom Landtag erhalten hat, ergeben 14 oder daraus, daß die Verfassung zwischen Regierungsbildung und -bestätigung unterscheide 15 • Der designierte Ministerpräsident bleibe in seiner Position, es sei denn, er trete zurück. So ergebe sich zwar die etwas unglückliche Folge, daß ein gewählter, aber noch nicht amtierender Ministerpräsident zurücktreten müsse, um den Weg zur Neuwahl des Ministerpräsidenten zu eröffnen; das sei aber nicht zu vermeiden. 16 An dieser Auffassung ist sicher richtig, daß der designierte Ministerpräsident nicht ohne weiteres wieder aus seiner gefestigten Position als gewählter Regierungschef entfernt werden kann, solange kein actus contrarius zu seiner Wahl vorliegt. Wenig hilfreich wäre es jedoch, im Falle der ausgebliebenen Bestätigung eine Rücktrittsverpflichtung anzunehmen,17 denn damit würde dem gewählten Ministerpräsidenten die Möglichkeit abgeschnitten, doch noch eine annehmbare Regierung vorzustellen. Und Art. 20 V spricht davon, daß 14 Groß, in: Zinn I Stein, HessVerf., Art. 101 Anm. 11; Süsterhenn I Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 3 d. 15 H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (82f.). 16 H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (83). 17 Süsterhenn I Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 3 d meinen, ohne Aussicht auf die Bestätigung werde ein designierter Ministerpräsident ohnehin zurücktreten, was aber in dieser Allgemeinheit nicht gesagt werden kann, da man nie weiß, wie er reagiert und taktiert. Da spielen dann auch Elemente der Persönlichkeit des Einzelnen und seiner Berater eine Rolle.
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I. Teil: Die Bildung der Regierung
das Verfahren nach Art. 20 I - 111 wiederholt werden kann. Das impliziert, daß die Wiederholung des Verfahrens sich auf einzelne Abschnitte beschränken und die Ministerpräsidentenwahl Bestand haben kann. Andererseits kann aber auch durchaus das Bedürfnis bestehen, den gewählten Ministerpräsidenten wieder abzuwählen. 18 Das konstruktive Mißtrauensvotum,19 welches sonst das Institut ist, den (allerdings amtierenden) Ministerpräsidenten zu stürzen, ist in dieser Situation untauglich, da über das konstruktive Mißtrauensvotum erst 21 Tage nach Schluß der zwingend durchzuführenden Besprechung abgestimmt werden darf. Die Regierungsbildung ist dann aber schon in die Phase des Art. 21 eingetreten20 , und die Position des designierten Ministerpräsidenten hat sich durch Zeitablauf erledigt.2 1 Einfach den Ablauf der Frist des Art. 21 11 1 abzuwarten und dann einen anderen, nunmehr genehmen Kandidaten zu wählen,22 liegt zwar nahe, wird jedoch den Grundgedanken der Verfassung nicht gerecht. Denn stünde dem Landtag keine Möglichkeit zur Verfügung, den gewählten Ministerpräsidenten durch einen anderen zu ersetzen, so müßte er zwischen zwei Übeln wählen: Er hätte die Möglichkeit, doch noch eine von diesem designierten Ministerpräsidenten berufene Regierung zu bestätigen oder auf seine Rechte bei der Bestellung der Minister zu verzichten. Denn bestätigt er keine von dem gewählten Ministerpräsidenten vorgeschlagene Regierung, so erfolgt die Auswahl der Minister nach Ablauf der 21-Tage-Frist des Art. 21 I 1 NdsVerf. ohne Mitwirkung des Landtags, wenn dieser sich nicht zu seiner Auflösung entschließt. Schließlich wird nach Ablauf der Frist eine Ministerpräsidentenwahl durchgeführt, bei der derjenige Kandidat gewählt ist, der die meisten Stimmen erhält. 23 Dieser Minderheitsministerpräsident bedarf mit seiner Regierung dann nicht der Bestätigung durch den Landtag. 24 Die verfassungsrechtlich eigentlich vorgesehenen Rechte des Landtages wären also verkürzt. Diese Folge ist umso gravierender, wenn wenige Wochen oder gar nur Tage zuvor ein gewählter Ministerpräsident sein Amt nicht übernehmen konnte, weil seiner Regierung die erforderliche Bestätigung versagt wurde. Die Mitwirkungsrechte des Landtages würden vermindert, weil er sein Recht einmal wahrgenommen und seine Bestätigung verweigert hat. Ein solches Recht darf aber nicht geringer werden oder gar entfallen, weil es einmal ausgeübt worden Siehe soeben unter 2. Art. 23 NdsVerf. 20 Vgl. Art. 23 II 2 einerseits, Art. 21 I 1 andererseits; beide Fristen sind gleich lang, was hier eine Anwendung des Art. 23 praktisch ausschließt. 21 Anders ist die Verfassungslage in Hessen; vgl. Groß, in: Zinn I Stein, HessVerf., Art. 101 Anm. 11. 22 Das schlägt Weis, Regierungswechsel, S. 61 vor. 23 Art. 21 II 2 NdsVerf.; dazu im einzelnen unter D II 3. 24 Art. 2111 4 i.V.m. Art. 20 III NdsVerf. 18 19
C. Wiederholung der Regierungsbildung
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ist; vielmehr wird gerade dann augenfällig, wie wichtig und bedeutend das Mitspracherecht des Parlaments bei der Regierungsbildung ist. b) Die Abwahlmöglichkeit
Als Alternative bietet sich an, dem gewählten Ministerpräsidenten zwar das Recht zuzugestehen, andere Minister zu berufen oder die bereits berufene Regierung erneut zur Bestätigung zu stellen, dieses Recht aber erlöschen zu lassen, wenn der Landtag mit der Mehrheit des Art. 20 I NdsVerf. einen neuen Ministerpräsidenten wählt. Denn damit wäre dem vorher gewählten Ministerpräsidenten die verfassungsrechtliche Grundlage für die Berufungen, nämlich das Vertrauen des Parlamentes, ausdrücklich entzogen. Solches Vorgehen würde nicht nur der grundsätzlichen Forderung der Verfassung nach einer Mehrheitsregierung gerecht, sondern auch die Mitwirkungsrechte des Landtags blieben gewahrt. Darüber hinaus wäre die Abstimmung über eine Parlamentsauflösung nach Art. 21 I 1, welche ganz sinnlos und eher schädlich ist, wenn ein Mehrheitsministerpräsident gewählt werden kann, nicht erforderlich.
Im übrigen findet sich der Gedanke einer Ablösung des amtierenden Regierungschefs in Art. 23 der Verfassung. Angesichts des in dieser Norm ausgedrückten Prinzips kann es aber nicht richtig sein, einen bloß designierten Ministerpräsidenten (wenn auch nur für drei Wochen) für unangreifbar zu hf.ten. Seine Stellung kann nicht beständiger sein als die eines amtierenden Ministerpräsidenten. Die Abwahl des designierten Ministerpräsidenten wäre nach der hier vertretenen Ansicht auch nicht lediglich destruktiv, sondern wie das Mißtrauensvotum nach Art. 23 konstruktiv, d. h. nur bei gleichzeitiger Wahl eines Nachfolgers wirksam. So ist ausgeschlossen, daß lediglich negierende Mehrheiten, die sich selbst nicht auf einen Ministerpräsidenten einigen können, dem immerhin erst einmal mit Mehrheit gewählten Ministerpräsidenten die Möglichkeit nehmen, erneut zu versuchen, eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden. Und schließlich ist noch folgendes zu bedenken: Oben 25 wurde gezeigt, daß es selbstverständlich zulässig ist, die Wahl des Ministerpräsidenten so oft zu wiederholen, bis sie erfolgreich abgeschlossen werden kann. Aus den gleichen Gründen muß ein designierter Ministerpräsident die Möglichkeit haben, mehrere Kabinette vorzustellen. Will man Art. 20 V nicht nur klarstellende Bedeutung beimessen - und es ist nicht anzunehmen, daß die Verfassungsväter im umstrittenen Bereich der Regierungsbildung nur etwas Selbstverständliches klarstellen wollten 26 - so kann man ihm nur folgende Bedeutung zumes25
Siehe unter C I.
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
sen: Das gesamte Verfahren des Art. 20 ist ohne weiteres wiederholbar, wenn die Bestätigung versagt worden ist. Das umfaßt auch die isolierte Neuwahl eines Ministerpräsidenten. Die Regierungsbildung ist zudem ein einheitlicher Vorgang, zwischen dessen einzelnen Elementen ein enger Zusammenhang besteht, selbst wenn Wahl und Bestätigung isoliert betrachtet ganz unterschiedlicher Natur sind. Das bedeutet jedoch auch, daß der gewählte Ministerpräsident um die Bestätigung des Kabinetts ersucht und der Landtag sie abgelehnt haben muß, bevor eine erneute Wahl des Ministerpräsidenten zulässig ist. Alle Schritte des Verfahrens der Regierungsbildung müssen also durchlaufen worden sein. Erst wenn das geschehen ist, hat der Landtag neben dem gewählten Ministerpräsidenten die Möglichkeit, wieder Initiative zu entwickeln. Hier liegt für den Gewählten nicht etwa die Möglichkeit, das Verfahren zu verschleppen oder seine Abwahl zu verhindern. Denn wenn er nicht in der Lage ist, eine Regierung vorzustellen, obwohl dies nach der Tagesordnung einer Landtagssitzung vorgesehen ist,27 kann man das Verfahren als durchlaufen betrachten, da die Weigerung des Ministerpräsidenten einer Ablehnung der Bestätigung gleichzustellen ist. Er hat, hier wie da, seine Möglichkeiten gehabt, aber nicht genutzt. Es entspricht also dem Wortlaut des Art. 20 V NdsVerf. und der Zweckmäßigkeit, wenn eine Neuwahl des Ministerpräsidenten, solange dieser noch nicht im Amt ist, ohne weiteres durchgeführt werden kann. 28 Ein Rücktritt ist nicht erforderlich. Allerdings ist er auch nicht ausgeschlossen;29 mit ihm gibt der designierte Ministerpräsident quasi den Auftrag zur Regierungsbildung zurück, während er ihm bei der Abwahl entzogen wird. Durch den Rücktritt des gewählten Ministerpräsidenten wird der Landtag wieder alleiniger Träger der Initiative. Er steht nunmehr allerdings unter starkem Zeitdruck, da der Lauf der 21-Tage-Frist30 durch das Verfahren nicht gehemmt oder unterbrochen wird, vielmehr weiterläuft. Die Zeit, eine Mehr26 Der Abgeordnete Hofmeister (CDU) betonte als Berichterstatter des Verfassungsausschusses vor dem LandtagspIenum, die Normen der Verfassung zur Regelung der Regierungsbildung seien so aufeinander abgestimmt, daß jede Änderung die gesamte Konstruktion hinfällig mache; man könne "kaum ein Wort, geschweige denn einen Satz herausstreichen ... oder hineinschreiben", ohne den Rest zu zerstören (NdsLT, Sten Ber. I/120, Sp. 6625). 27 Was zwingend erforderlich ist, bis eine neue Landesregierung amtiert; vgl. § 41 II GONdsLT. 28 Das gilt trotz der Bedenken von Weis, Regierungswechsel, S. 60, der nicht genügend berücksichtigt, daß Art. 20 V die Absätze 1 bis 3 nennt. 29 Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 18; Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 3 d; Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 101 Anm. 11 geht ebenfalls von der Möglichkeit eines Rücktritts aus. Daß der zurückgetretene gewählte Ministerpräsident nicht gern. Art. 24 IV NdsVerf. die Geschäfte weiterführt, versteht sich, da er sie noch gar nicht übernehmen konnte, von selbst. 30 Art. 21 I 1 NdsVerf.
C. Wiederholung der Regierungsbildung
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heitsregierung zu bilden, wird also immer knapper. Die wenigen zur Verfügung stehenden Tage gilt es intensiv zu nutzen, um einen neuen Mehrheitsministerpräsidenten und seine Regierung ins Amt zu bringen. Denn zögert der Landtag, besteht die Gefahr, daß doch noch eine Minderheitsregierungsbildung nach Art. 21 erforderlich wird, was der Landtag wegen der geschilderten Nachteile im eigenen Interesse vermeiden wollen wird.
III. Die Häufigkeit der Wiederholung In der Literatur ist man sich nicht einig darüber, wie häufig das Verfahren der Regierungsbildung wiederholt werden darf, bis es erfolgreich abgeschlossen ist. Es finden sich ausdrückliche Bemerkungen, dies sei beliebig oft zulässig3! und solche, aus denen zu entnehmen ist, die Verfassung sehe nur eine Wiederholung vor. 32 In der Entstehungsgeschichte finden sich keine Hinweise auf die Beantwortung dieser Frage, nur der Wortlaut des Art. 20 Abs. 5 wurde einmal im Verfassungsausschuß wiedergegeben33 • Die Geschäftsordnung geht von einer beliebigen Zahl an Wiederholungen aus, da Wahl und Bestätigung der Regierung Tagesordnungspunkte aller Landtagssitzungen sind, bis ein Kabinett zustande gekommen ist oder die 21 Tage abgelaufen sind. 34 Allein diese in § 41 11 GONdsLT zum Ausdruck kommende Auffassung wird dem oben angeführten Sinn der Art. 21, 22 NdsVerf. gerecht, möglichst eine Mehrheitsregierung zu bilden. Vielleicht findet sich nach zwei oder drei vergeblichen Anläufen im nächsten Wahlgang, wenn die Zeit für eine Mehrheitsregierungsbildung knapp wird, die erforderliche Mehrheit, nachdem sich noch eine Koalition bilden konnte. Auch hier gilt es, den Sinn der Verfassung zu wahren und auf die sich aus ihr ergebenden Vorteile nicht leichtfertig zu verzichten. Damit ist nicht gesagt, daß es sonderlich glücklich ist, eine Vielzahl von Versuchen zur Regierungsbildung durchzuführen. Diese verhindert aber auch schon die kurze 21-Tage-Frist. Innerhalb einer solchen Spanne sind zwar mehrere Wahlgänge und Bestätigungsversuche möglich, eine Vielzahl wegen der 31 H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (82); Weis, Regierungswechsel, S. 59f., allerdings beschränkt auf die Bestätigung; für Baden-Württemberg vgl. Braun, BWVerf., Art. 46 Rn. 18; Spreng I Birn I Feuchte, BWVerf., Art. 46 Anm. 4, wobei allerdings die etwas andere Rechtslage zu berücksichtigen ist: Die Frist beträgt dort drei Monate und die Wahl einer Minderheitsregierung ist nicht vorgesehen. 32 Karte, Verfassung, S. 156; Dronsch, in: Korte I Rebe, Verfassung, S. 255: "dieses Wiederholungsverfahren"; Neumann, NdsVerf. (1. Aufl.), Art. 20 Anm. 7: "dieser Versuch"; anders jetzt ders., NdsVerf. (2. Aufl.), Art. 20 Rn. 1: "Regierungsbildung auf Stottern". 33 Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 639. 34 § 41 11 GONdsLT.
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
doch recht kurzen Zeit jedoch kaum. Das läßt die Gefahren, die aus zu vielen Abstimmungen im Rahmen der Regierungsbildung entstehen können - z.B. Staats- und Demokratieverdrossenheit in der Bevölkerung35 - gering erscheinen. Hier haben die Verfassungsväter eine äußerst glückliche Hand gehabt, denn die kurze Frist von 21 Tagen bewirkt einen starken Einigungsdruck auf die Fraktionen36 und läßt eine angemessene, dabei aber flexible Zahl an Wahlgängen zu, ohne daß die Gefahr besteht, daß zuviel Zeit ungenutzt verstreicht und eine Krise überflüssig in die Länge gezogen wird.
D. Die fehlgeschlagene (Mehrheits-) Regiemngsbildung Nicht in jedem Falle ist es möglich, eine ausgeschiedene Regierung durch eine Mehrheitsregierung zu ersetzen. Es kann sich die Konstellation ergeben, daß kein Kandidat die nach Art. 20 Abs. 1, Art. 57 NdsVerf. erforderliche Mehrheit der Abgeordnetenstimmen auf sich vereinigt; oder eine designierte Regierung erhält nicht die Bestätigung, die Art. 20 III vor der Amtsübernahme fordert. Solch ein Problemfall ist in Niedersachsen bisher einmal aufgetreten, und zwar beim Regierungswechsel1976. Ernst Albrecht (CDU) wurde im zweiten (geheimen) Wahlgang zwar mit der erforderlichen Mehrheit gewählt, hatte jedoch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Landtag keine Aussicht auf eine (öffentlich vorzunehmende) Bestätigung seiner Regierung. Solche oder ähnliche Fälle! können sich - zum al bei den in Niedersachsen fast immer knappen Mehrheitsverhältnissen - schnell einmal wiederholen. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, daß es, sollte die neue Partei der "Republikaner" in mehr Landesparlamente einziehen, immer schwieriger werden wird, Mehrheiten für eine Regierungsbildung zu finden. Gleiches kann passieren, wenn nach der Wiedervereinigung womöglich neue Parteien in die Parlamente gewählt werden. Denn die Möglichkeit, daß dann zwei Parteien allein nicht mehr in der Lage sind, eine Mehrheitskoalition zu bilden, liegt auf der Hand. Damit aber kann der Art. 21, der die Minderheitsregierungsbildung betrifft, neue Aktualität erlangen. Zu diesem und ähnlichen Problemen allgemein Sendler, NJW 1989, 1761 (1762ff.) Anders als Art. 47 BWVerf., der eine Frist von drei Monaten für die Regierungsbildung einräumt. . 1 Auch vor der Ministerpräsidentenwahl1955 wurden Überlegungen angestellt, eine Minderheitsregierung zu bilden, da sich die Bildung einer Mehrheitskoalition nach der Landtagswahl schwierig gestaltete, dazu Beyer / Müller, Landtag, S. 571. Über Schwierigkeiten der Regierungsbildung in Berlin, Schleswig-Holstein und im Saarland berichtet Peine, Der Staat 21 (1982), 335 (336f.). Weiter stehen die Begriffe "Hamburger" und "Hessische Verhältnisse" (dazu AdG 1982, 25990; AdG 1983, 26610 f., 27010, 27052, 27160) für solche Probleme. 35
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D. Die fehlgeschlagene (Mehrheits-) Regierungsbildung
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Grundsätzlich bieten sich als Antwort auf eine gescheiterte Mehrheitsregierungsbildung folgende Lösungsmöglichkeiten an, die auch alle in wenigstens einer Landesverfassung verwirklicht sind: Denkbar ist eine Parlamentsauflösung,2 wenn sich keine Mehrheit für einen Regierungschef findet. Man kann die Wahl einer Minderheitsregierung zulassen,3 oder die alte Regierung bleibt nach ihrem Rücktritt dauerhaft geschäftsführend im Amt. 4 Verlangt eine Verfassung nicht den Rücktritt des Ministerpräsidenten nach einer Parlamentswahl,5 so kann aus einer Mehrheits- eine Minderheitsregierung werden, ohne daß diese vom Parlament gewählt wird, weil der alte Ministerpräsident schlicht im Amt bleibt. 6 Die Untersuchung soll im folgenden jedoch im wesentlichen auf die niedersächsische Regelung beschränkt bleiben.
I. Entstehungsgeschichte des Art. 21 NdsVerf. Bei der Betrachtung einer so wesentlichen Norm wie Art. 21 NdsVerf. empfiehlt sich ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte namentlich dann, wenn ihre Ausgestaltung in den Verhandlungen des Verfassungsausschusses einen so breiten Raum eingenommen hat wie bei Art. 21. Immerhin behandelt ein Drittel der Vorlagen zum Verfassungsausschuß7 zumindest auch die Frage, wie zu verfahren sei, wenn ein Ministerpräsident und seine Minister nicht die erforderlichen Mehrheiten nach Art. 20 auf sich vereinigen können. Der Abgeordnete Hofmeister (CDU) bezeichnete dies Problem als das schwierigste, das bei der Arbeit an der Verfassung zu bewältigen sei.8 1. Frühe Entwürfe aus der Mitte des Landtags
Nicht ganz außer acht gelassen werden sollen die von den Fraktionen der Dp9 und der F.D.P.IO vorgeschlagenen Entwürfe. Sie sind vor allem historisch wertvoll, zeigen aber weitere Regelungsmöglichkeiten auf. Art. 47 BWVerf.; Art. 44 V BayVerf.; Art. 87 IV SaarIVerf.; Art. 21 I NdsVerf. Art. 52 II NWVerf.; Art. 21 II NdsVerf. 4 Art. 107 III BremVerf.; Art. 37 I HbgVerf.; Art. 101 LV.m. 113 II, III HessVerf.; Art. 4lf. BerlVerf. 5 Dazu BVerfGE 27, 44ff. 6 So in Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz; a.A. Bernzen / Sohnke, HbgVerf., Art. 34 Rn. 1. 7 Vgl. NdsLT, Materialien II, Vorlagen 3,10,14,15,16,18,22,24. 8 NdsLT, StenBer. I1120, Sp. 6622. 9 NdsLT, Drucks. I1476. 10 NdsLT, Drucks. 1/315. 2
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
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Diese Entwürfe sahen vor, daß der Ministerpräsident nicht vom Landtag gewählt, sondern vom Landtagspräsidenten bzw. dem in ihnen noch vorgesehenen Staatspräsidenten (!) ernannt werden solltell. Der Ministerpräsident sollte zur Amtsführung des Vertrauens des Landtages bedürfen l2 und mußte zurücktreten, wenn ihm dieses entzogen würde. Er sollte dann aber verpflichtet sein, die Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterzuführen. 13 Somit war weder eine Minderheitsregierung noch eine Parlamentsauflösung vorgesehen, wenn eine Regierung nicht (mehr) das Vertrauen des Landtags besaß. Vielmehr sollte es wiederum in der Hand des Landtags- bzw. Staatspräsidenten liegen, einen neuen Ministerpräsidenten zu ernennen, der das Vertrauen des Parlaments besaß. Ernannte er einen Ministerpräsidenten, der ebenfalls nicht das Vertrauen des Landtags hatte, konnte dieser den Staatsoder Landtagspräsidenten zwingen, einen anderen Regierungschef zu ernennen. Dies sollte entweder möglich sein durch eine Verneinung der unmittelbar nach Bildung der Regierung zu stellenden Vertrauensfrage J4 oder durch Ausspruch des Mißtrauens l5 . Allerdings sollte der Ernennende nach dem DP-Entwurf auch das Recht zur Parlaments auflösung haben,l6 wodurch ihm selbst immer noch ein gewisser Gestaltungsspielraum bleiben sollte. Diese Regelungen lehnten sich noch eng an das Vorbild der Weimarer Verfassung an. Sie waren auch mit den Gefahren, die sich aus der Möglichkeit eines einfachen, destruktiven Mißtrauensvotums ergeben können, behaftet. Den Vätern der niedersächsischen Verfassung lag später jedoch dann viel daran, diese Möglichkeiten auszuschließen, so daß diesen Entwürfen im Gesetzgebungsverfahren eine nur untergeordnete Bedeutung zukam. 2. Der Regierungsentwurf
Naturgemäß wesentlich bedeutender für die Diskussion war der Regierungsentwurf für die Niedersächsische Verfassung l7 . Er sah in seinem Art. 22 IV vor, daß der Landtag aufgelöst sei - und zwar, ohne daß es eines besonderen Aktes bedürfe l8 - wenn nicht binnen 30 Tagen nach dem Rücktritt oder dem Ausscheiden des Ministerpräsidenten ein neuer Regierungschef gewählt sei. Art. 133 I DP-Entwurf; Art. 29 F.D.P.-Entwurf. Art. 135f. DP-Entwurf; Art. 30 I-III F.D.P.-Entwurf. 13 Art. 137 DP-Entwurf; Art. 30 V F.D.P.-Entwurf. 14 Art. 135 DP-Entwurf. 15 Art. 30 I F.D.P.-Entwurf. 16 Art. 96 DP-Entwurf; anders der F.D.P.-Entwurf, der ein allgemeines Selbstauflösungsrecht des Landtages vorsah. 17 NdsLT, Drucks. I/2073; abgedruckt auch in Materialien II. 18 Referentenbegründung, Materialien II, S. 10. 11
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D. Die fehlgeschlagene (Mehrheits-) Regierungsbildung
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Die Einsetzung eines Minderheitsministerpräsidenten war also nicht vorgesehen.l 9 Der Ausschluß jeglicher Minderheitsregierung muß als konsequent angesehen werden, wenn man berücksichtigt, daß nach dem Entwurf die Regierung auf Zeit gewählt werden sollte, also nicht von dem Parlament aus dem Sattel gehoben werden konnte, es sei denn durch das letzte Mittel der Parlamentsauflösung. 20 Der damit verbundenen starken, fast unangreifbaren Stellung der Regierung21 wurde Rechnung getragen, wenn sie jedenfalls zu Beginn ihrer Amtszeit auf alle Fälle das ausdrückliche Vertrauen des Landtags besitzen mußte. 3. Vorschläge im Verfassungsausschuß
Im Verfassungsausschuß wurden daneben weitere Vorlagen22 behandelt, die im wesentlichen die folgenden Möglichkeiten umfaßten: Die Vorlage 18, welche von der CDU eingebracht wurde, entsprach dem Regierungsentwurf, verlangte also zur Wahl des Ministerpräsidenten ausnahmslos die Abgeordnetenmehrheit; war diese nicht erreichbar, sollte der Landtag aufgelöst werden. Ähnlich gestaltet war ein Vorschlag der KPD23. Er wich allerdings insoweit ab, als vor der möglichen Landtagsauflösung eine Stichwahl eingeschoben werden sollte. Man hoffte, einer der übrig gebliebenen Kandidaten könne nun die erforderliche Mehrheit erreichen. Schlug auch dieser Wahlgang fehl, sollte der Landtag aufgelöst werden. War es nach einer erneuten Landtagswahl immer noch nicht möglich, einen Ministerpräsidenten mit Abgeordnetenmehrheit zu wählen, sollte wiederum eine Stichwahl stattfinden, bei der derjenige Kandidat gewählt sein sollte, der die meisten Stimmen erhielte. Eine erneute Auflösung des Landtags sollte nicht zulässig sein. So wäre die Chance einer Veränderung der Mehrheitsverhältnisse durch eine Neuwahl gegeben. Würde diese Hoffnung aber enttäuscht, wäre eine dauernde Folge von Neuwahlen ausgeschlossen gewesen, vielmehr gelangte ein Minderheitskabinett ins Amt. Ganz ohne Parlamentsauflösung auskommen zu können, meinten die Vorlagen 324 und 1525 . Nach diesen Vorschlägen sollten drei Wahlgänge möglich Art. 22 RegE. Art. 8 I i.V.m. Art. 22 RegE. 21 So schon Weber, Verfassungsfrage, S. 6; kritisch zur faktischen Unangreifbarkeit der Regierung Abendroth, Verfassungsfrage, S. 9. 22 Sie alle finden sich in Materialien H. 23 Vorlage 16; später favorisierte die KPD offenbar die Auflösungsvariante ohne die anfängliche Einschränkung; siehe NdsLT, Drucks. I12520 u. Abg. Lehmann (KPD), NdsLT, StenBer. I1120, Sp. 6630 sowie NdsLT, Drucks. I12587 u. Abg. Abel (KPD), NdsLT, StenBer. I1123, Sp. 6798f. 24 Vorgelegt vom Regierungsvertreter Danckwerts; vgl. auch Materialien I, S. 190. 19
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
sein, die Anforderungen an die Mehrheit von Wahlgang zu Wahlgang geringer werden. Im ersten Wahlgang sollte zur Ministerpräsidentenwahl die Abgeordnetenmehrheit erforderlich sein, im zweiten die Anwesenheitsmehrheit ausreichen. Sollte eine weitere Abstimmung erforderlich werden, wäre derjenige Kandidat gewählt, der die meisten Stimmen auf sich vereinigen könnte. Diese Variante hatte ihr Vorbild in Art. 5211 NWVerf. Diskutiert wurden stets auch Kombinationen dieser Vorstellungen, wie z. B. einmalig mögliche Parlamentsneuwahl, um dann, wenn die erforderliche Mehrheit zur Ministerpräsidentenwahl wieder nicht erreichbar sein sollte, das weitere Verfahren wie nach Vorlage 3 ablaufen zu lassen. 26 Als eine Einigung im Verfassungsausschuß nach den langen, ergebnislosen Verhandlungen immer weniger vorstellbar erschien, erarbeitete schließlich der vom Verfassungs ausschuß eingesetzte Redaktionsausschuß eigene Vorlagen 27 . In seiner Vorlage 22 wurde zum ersten Mal die Idee eingebracht, der Landtag solle selbst über seine Auflösung beschließen, wenn binnen bestimmter Frist kein neuer Ministerpräsident im Amt sei. Lehnte der Landtag seine Auflösung ab, sollte der Regierungschef mit relativer Mehrheit gewählt werden. Die Vorlage 24 des Redaktionsausschusses beendete schließlich das Ringen um eine Lösung. Sie wurde vom Verfassungsausschuß gebilligt ,28 vom Plenum des Landtages ohne ausführliche Debatte29 in die Verfassung aufgenommen und bis heute nicht geändert.
11. Die geltende Rechtslage Ist die Regierungsbildung auch nach 21 Tagen 30 noch nicht erfolgreich durchgeführt, so beschließt der Landtag gemäß Art. 21 Abs. 1 NdsVerf. über seine Auflösung, damit das Verfahren zur Regierungsbildung nicht endlos verzögert werden kann. 3 ! Entscheidet sich der Landtag für seine Auflösung, so finden binnen bestimmter Frist Neuwahlen statt. Bis zu einer nach der Landtagswahl wieder zu versuchenden Ministerpräsidentenwahl führt die alte Regierung die Geschäfte weiter. Entschließt sich der Landtag gegen eine Auflösung, wählt er einen neuen Ministerpräsidenten. Gewählt ist derjenige KanVorgelegt von der SPD. Z. B. Materialien 11, Vorlage 10, Modell "Kombination". 27 Materialien II, Vorlagen 22 und 24 (letztere mit Ergänzung, ebd., S. 42). 28 Vgl. Materialien I, S. 639f. 29 NdsLT, StenBer. II120, Sp. 6630ff. sowie 1/123, Sp. 6798f. 30 Die Berechnung der Frist erfolgt nach §§ 187ff. BGB, die als allgemeiner Grundsatz anzusehen sind, siehe nur Steiger, Grundlagen, S. 245; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 63 Anm. IV 6, S. 1235; Münch, Bundesregierung, S. 138. 31 H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (83). 25
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D. Die fehl geschlagene (Mehrheits-) Regierungsbildung
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didat, der die meisten Stimmen erhält. Die in der Folge zu bildende Minderheitsregierung ist also im Grundsatz von der Landtagsmehrheit gewollt,32 sie ergibt sich nicht nur aus der Unfähigkeit des Landtags, eine Mehrheitsregierung zu bilden, sondern es bedarf eines aktiven Aktes der Entscheidung für oder gegen die Minderheitsregierung. Das läßt Raum für die Besonderheiten des jeweiligen Falles. Nach dieser allgemeinen und vor einer genaueren Betrachtung des Art. 21 ist klarzustellen, daß Art. 21 I 1 trotz der Aufzählung von nur zwei Fällen jede Erledigung des Amtes eines Ministerpräsidenten erfaßt, wie sich eindeutig aus dem Zusammenspiel mit Art. 24 111 ergibt. Zudem behandelt Art. 21 I 1 die nicht erfolgte Wahl des Ministerpräsidenten und die abgelehnte Regierungsbestätigung zu Recht gleich, da die Amtsgeschäfte jeweils von der alten Regierung weitergeführt werden 33 . 1. Das Verfahren a) Das Problem des Verfahrensablaufs
Über das Verfahren nach Ablauf der 21 Tage scheint Unklarheit zu herrschen. Möglich erscheint die Auslegung, der Landtag habe 14 Tage Zeit, über die Auflösung zu befinden und könne während dieser Zeit mehrfach über sie abstimmen. Erst nach Ablauf dieser Frist, dann aber unverzüglich, finde eine erneute Wahl des Ministerpräsidenten statt. 34 Manche Autoren sind der Ansicht, die Wahl des Minderheitsministerpräsidenten sei Gegenstand der Sitzung, in der über die Auflösung beschlossen und diese abgelehnt worden sei. 35 Diese Meinung geht - unausgesprochen, aber eindeutig - von einer nur einmaligen Abstimmung über die Auflösung aus. Dem entsprach auch das Verhalten des Landtags bei der bisher einzigen Anwendung des Art. 21: Nachdem Ministerpräsident Kubel (SPD) am 14. 1. 76 zurückgetreten war, konnte sich der Landtag nicht auf eine Mehrheitsregierung einigen. Am 6. 2. 76 schließlich lehnte er seine Auflösung ab und wählte noch in der gleichen Sitzung einen Minderheitsministerpräsidenten. 36 b) Die Lösung
Der Wortlaut des Art. 21 NdsVerf. gibt unmittelbar nichts für die eine oder die andere Ansicht her. Art. 21 11, 1. Halbsatz i. V.m. Art. 21 I 1 a. E. kann 32
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Herkner, Stellung, S. 38. Art. 20 III i.V.m. Art. 24 IV. So H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (75, 83). Neumann, NdsVerf., Art. 21 Rn. 3; Karte, in: Korte I Rebe, Verfassung, S. 213. NdsLT, Tätigkeitsbericht VIII, S. 7.
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sowohl meinen "binnen 14 Tagen nicht beschlossen" wie auch "bei einmaliger Abstimmung, für die 14 Tage Zeit ist". § 42 III GONdsLT fordert die Wahl des Ministerpräsidenten in der Landtagssitzung, in der die Auflösung nicht beschlossen wird und ist damit in Bezug auf die hier zu entscheidende Frage nicht ganz eindeutig. 37 Sein Wortlaut deutet zwar eher darauf hin, daß nur eine Abstimmung über die Auflösung stattfinden soll. Er könnte sich jedoch auch allein auf Art. 21 11 beziehen und würde dann nur für die letzte mögliche Abstimmung vor Ablauf der Frist gelten. Und jedenfalls kann die Geschäftsordnung nicht eine Regelung schaffen, die der Verfassung nicht entspricht. Der Hinweis auf die Geschäftsordnung allein kann die aufgeworfene Frage daher selbst dann nicht entscheiden, wenn man die geschäftsordnungsmäßige Regelung für eindeutig hält. Die erwähnte Handhabung im Jahre 197638 kann ebenfalls nicht ausreichen, das einmal praktizierte Verfahren bereits für zutreffend und richtig zu erachten. Die Entstehungsgeschichte des Artikels 21 gibt, da seine letzte Fassung nicht mehr ausführlich diskutiert wurde, ebenfalls keine endgültigen Hinweise. Allerdings legt eine Äußerung des Abg. Hofmeister (CDU) als Berichterstatter des Redaktionsausschusses die Auslegung nahe, nach der nur eine Abstimmung über die Parlamentsauflösung stattfinden solle. 39 Um die aufgeworfene Frage zu entscheiden, sollte man sich einmal die Folgen der beiden Ansichten vor Augen halten: So führt die erstgenannte Ansicht dazu, daß innerhalb eines kurzen Zeitraumes mehrere Abstimmungen über die Auflösung des Parlaments durchgeführt werden können. Eine Mehrzahl dieser Abstimmungen, so wird argumentiert, sei offenbar erwünscht und zwar vor allem deswegen, weil die Verfassung die Auflösung gegenüber einer Minderheitsregierung favorisiere 40 • Dieses Argument kann jedoch nicht greifen. Denn das qualifizierte Mehrheitserfordernis für eine Auflösungsentscheidung in Art. 21 12macht deutlich, daß die Auflösung dem Landtag auch in der schwierigen Situation der fehlgeschlagenen Regierungsbildung nicht zu leicht gemacht werden soll. Das ist schon deswegen sinnvoll, damit nicht mehrere Landtagswahlen binnen kurzer Frist aufeinanderfolgen, weil keine Mehrheitsregierung zu bilden ist. Daher wird für einen Auflösungsbeschluß die gleiche Mehrheit verlangt, die vorher für die Wahl des Ministerpräsidenten erforderlich war, nämlich die Abgeordnetenmehrheit. Eine Bevorzugung der Auflösung gegenüber einer Minderheitsregierung kann auch nicht mit einem Hin37 A.A. Korte, in: Karte / Rebe, Verfassung, S. 213; Neumann, NdsVerf., Art. 21 Rn. 3. 38 NdsLT, StenBer. VIII/35, Sp. 3319. 39 Er sprach von "dieser Gelegenheit" (Hervorhebung vom Verf.), als er dem Verfassungsausschuß die insoweit der Verfassung entsprechende Vorlage 22 vorstellte: Materialien I, S. 540. Dem Verf. vorliegende Akten des Redaktionsausschusses vermögen diese Annahme nicht zu erhärten oder zu widerlegen. 40 H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (75, 83).
D. Die fehlgeschlagene (Mehrheits-) Regierungsbildung
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weis auf die Reihenfolge der Beschlüsse begründet werden. Diese Abfolge, die den Auflösungsbeschluß zeitlich vor der Bildung der Minderheitsregierung sieht, erklärt sich zumindest zum Teil aus der Tatsache, daß ein umgekehrter Ablauf sinnlos wäre. Es wäre unverständlich, würde der Landtag erst mit relativer Mehrheit einen Regierungschef wählen, um sich dann gleich darauf aufzulösen. Wäre die Auflösungsalternative wirklich deutlich favorisiert, so hätte eine Regelung näher gelegen, die den Landtag von Verfassungs wegen auflöst, wie es der Regierungsentwurf vorsah41 . Allenfalls hätte man dem Landtag dann noch die Möglichkeit geben können, diese Auflösung mit Mehrheitsbeschluß zu verhindern. Gerade dieser Weg wurde in der Verfassung jedoch nicht beschritten. Auch der Bericht des Abg. Hofmeister (CDU) vor dem Plenum, in dem er die vorgesehene Regelung in großen Zügen darstellt,42 deutet nicht auf eine Bevorzugung der Auflösungsvariante hin, die ja - wie ausgeführt - unter einem besonders qualifizierten Mehrheitserfordernis (Abgeordnetenmehrheit) steht, also nur erschwert möglich ist. Anders als in Art. 20 V NdsVerf. wird in Art. 21 nicht ausdrücklich gesagt, daß eine Wiederholung einzelner Verfahrensschritte zulässig sein soll. Dies legt einen Ausschluß derartiger Wiederholungen, hier der Abstimmung über die Auflösung, nahe. Zudem wird sich der Zustand im Lande nicht binnen weniger Tage so grundlegend ändern, daß der Landtag Anlaß zu mehreren Abstimmungen über seine Auflösung haben wird. Damit ist es aber durchaus ausreichend, wenn er diesbezüglich einen Willensbildungsprozeß durchläuft und an seiner Entscheidung festgehalten wird. 43 Dazu kommt noch ein Weiteres: Das Ansehen des Parlamentes, das bei seiner Auflösung eine Funktion ausübt, die nach dem Grundgesetz dem Bundespräsidenten, also dem Staatsoberhaupt zukommt44 - und schon deswegen besonders bedeutend ist -, würde erheblich in Mitleidenschaft gezogen, entschiede es binnen kurzem mehrfach über seine Auflösung. Solche Ansehensverluste aber gilt es in einer parlamentarischen Demokratie unbedingt zu verhindern, damit das Volk tatsächlich hinter der Demokratie steht und sie trägt. Zu erwähnen bleibt noch, daß es sich bei der Wahl des Ministerpräsidenten nach Art. 21 nicht unbedingt um einen dritten Wahlgang handeln muß.45 Denn während der 21 Tage können so viele Wahlgänge durchgeführt werArt. 22 IV RegE. NdsLT, StenBer. I1120, Sp. 6625. 43 Zu einer Ausnahme siehe unten D II 4 d. 44 Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 541; ders., NdsLT, StenBer. I1120, Sp. 6624,6625. 45 So aber Neumann, NdsVerf. (1. Aufl.), Art. 21 Anm. 4; indifferent dann Neumann, NdsVerf. (2. Aufl.), Art. 21. 41
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
den46 , wie die Zeit zuläßt. Auch Art. 20 V spricht nicht von einer nur einmalig zulässigen Wiederholung. Das eben ist der Vorteil eines Zeitraumes, innerhalb dessen die Wahl des Ministerpräsidenten erfolgreich abgeschlossen werden muß gegenüber einer vorgeschriebenen Zahl von Wahlgängen. Es ist also festzuhalten, daß der Landtag, nachdem eine Mehrheitsregierungsbildung innerhalb von 21 Tagen seit Erledigung des Amtes des Ministerpräsidenten nicht möglich war, nur einmal über seine Auflösung abstimmt. Mehrfache Abstimmungen hierüber sind nach der Verfassung nicht zulässig. Das gilt jedenfalls, solange noch nicht alle Stadien des Verfahrens durchlaufen sind.47 2. Die Landtagsaunösung
Entscheidet sich der Landtag mit Abgeordnetenmehrheit für eine Auflösung, so stellt sich die Frage, ob Art. 6 I 3 NdsVerf., der das Ende der Wahlperiode nach dem Auflösungsbeschluß um 60 Tage hinausschiebt, auch auf diese Variante der Parlamentsauflösung anzuwenden ist. In der Literatur wird nicht differenziert, eine unterschiedliche Behandlung der Beschlüsse nach Art. 21 I bzw. Art. 7 wird nicht gefordert. 48 Diese Gleichsetzung, die weder begründet noch problematisiert, sondern einfach unterstellt wird, ist gleichwohl zutreffend. Denn Art. 6, der die Dauer einer Wahlperiode behandelt, ist quasi als "Allgemeiner Teil" für die Beendigung einer Wahlperiode anzusehen. Und durch beide Auflösungsbeschlüsse sowohl nach Art. 7 wie nach Art. 21 NdsVerf. - wird die Wahlperiode beendet. Wenn dem so ist, kommt man aber nicht daran vorbei, Art. 6 I 3 auf beide Auflösungsvarianten der Verfassung anzuwenden. Zwar könnte gegen diese Gleichsetzung der Auflösungsalternativen sprechen, daß die Situation, die einer Auflösung nach Art. 21 zugrunde liegt, eine ganz andere ist als die Lage bei einer Landtagsauflösung nach Art. 7. Immerhin hat der Landtag sich im ersten Falle zumeist gerade erst konstituiert, die Regierungskrise beginnt gerade mit der gescheiterten Wahl und ist im anderen Fall sicher schon länger aktuell. Weiter greifen die Gründe, welche für die Änderung des Art. 649 angeführt wurden,5o zumindest teilweise nicht bei einer Landtagsauflösung aufgrund einer Regierungsbildungskrise zu Beginn einer Wahlperiode. Lediglich wenn der Regierungswechsel während der Wahlperiode vorgenommen Dazu schon oben unter C 11; H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (82). Zu einer möglichen Ausnahme unten D 11 4 d. 48 Rebe, in: Korte / Rebe, Verfassung, S. 211, 243; Groschupf, JöR 28 (1979), 381 (387); H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S.44 (74f.); Wettig-Danielmeier, ZParl. 1 (1969/70),269 (280 ff.); Toews, AöR 96 (1971), 354 (385ff.). 49 GVBI. 1970, S. 125. 50 Wie z. B. die Möglichkeit für das Parlament, begonnene Vorhaben nach der Auflösung zu Ende zu führen; eingehend zur Verfassungsänderung und ihren Motiven unten im 3. Teil unter C I 3. 46
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wird und scheitert, ähnelt die Auflösung nach Art. 21 der nach Art. 7 jedenfalls dann, wenn dem Regierungswechsel eine Regierungskrise voranging. Allein diese Vergleichbarkeit ist geeignet, der Gleichbehandlung eine innere Rechtfertigung zu geben. Jedenfalls aber geht die Verfassung von der Geltung des Art. 6 im Rahmen jeder Landtagsauflösung aus. Damit "überlebt" ein Landtag, der sich zu Beginn seiner Legislaturperiode nicht auf eine Regierung einigen kann und sich anschließend nach Art. 21 I für seine Auflösung entscheidet, seine erste Sitzung5! um bis zu 95 Tage 52 , mindestens jedoch um 82 Tage 53 . Auf die Problematik der 60-Tage-Regelung des Art. 6 I 3 soll gleichwohl erst im Zusammenhang mit dem Auflösungsrecht nach Art. 7 der Verfassung näher eingegangen werden. Denn in Zusammenhang mit der Anwendung dieser Norm wurde der genannte Satz in die Verfassung eingefügt.5 4 Hier ist nur auf seine Anwendbarkeit im Rahmen der Landtagsauflösung nach einer gescheiterten Regierungsbildung hinzuweisen.
3. Die Problematik des Minderheitsministerpräsidenten Wird die Auflösung des Landtags nicht beschlossen, so führt der Landtag nach Art. 21 11 1 NdsVerf. unverzüglich die Wahl des Ministerpräsidenten durch, bei der dann derjenige Kandidat gewählt ist, der die meisten Stimmen erhält. Damit entscheidet sich die Verfassung gegen eine dauernde Fortführung der Geschäfte durch eine Geschäftsregierung,55 die nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit in Volk und Parlament besitzt. Sie zieht eine Minderheitsregierung vor, die sich immerhin - anders als die Geschäftsregierung zum Zeitpunkt ihrer Wahl auf die aktuelle relative Mehrheit im Landtag stüt2en kann, also derzeit am ehesten demokratisch legitimiert ist. Eine Minderheitsregierung wird es - insoweit nicht anders als eine geschäftsführende - häufig schwer haben, sich gegen die Mehrheit im Landtag durchzusetzen, auch wenn sie rechtlich einer Mehrheitsregierung gleichsteht56 . Sie muß sich Mehrheiten von Fall zu Fall suchen und hat oft schon bei bloß administrativen Aufgaben Schwierigkeiten, Initiative zu entfaltenY Dazu Art. 6111 NdsVerf. 21 Tage für die Regierungsbildung nach Art. 20 plus 14 Tage maximale Bedenkzeit plus 60 Tage nach Art. 6 I 3. 53 21 Tage plus 1 Tag für den Auflösungsbeschluß plus die 60 Tage des Art. 6 I 3. 54 Dazu ausführlich unten im 3. Teil unter C I 3. 55 Wohl weil man davon ausging, eine Geschäftsregierung sei einer .. echten Regierung" trotz gleicher rechtlicher Befugnisse doch nicht gleichzusetzen; vgl. Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 210. 56 Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 63 Rn. 55; Friauf, in: FG Herrfahrdt, 45 (55f.); Puhl, Minderheitsregierung, S. 181ff. m.w.N. 51
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
Andererseits ist nicht auszuschließen, daß eine Regierung, auch wenn sie im Parlament nicht von der Mehrheit gestützt wird, handlungsfähig ist. 58 Das hängt von den Besonderheiten der jeweiligen Situation ab; in aller Regel sind Minderheitsregierungen in ihrer Aktionsfähigkeit gleichwohl wesentlich gehemmt, was sich deutlich daran zeigt, daß sie, seien es geschäftsführende oder gerade gewählte, in den Bundesländern regelmäßig keine ganze Legislaturperiode überdauern 59 , ohne daß es Neuwahlen gibt oder aber ein Koalitionspartner gefunden wird, der die Minderheits- zur Mehrheitsregierung werden läßt. So war es in Niedersachsen, als ein Jahr nach der Wahl der Minderheitsregierung Albrecht zwischen der CDU und der F.D.P. eine Koalition geschlossen wurde,60 und so war es in Berlin Anfang der 80er Jahre 61 . l;)ie Fähigkeit einer Regierung, ohne Parlamentsmehrheit zu regieren, wird in Niedersachsen auch dadurch vermindert, daß es einen Gesetzgebungsnotstand wie in Art. 81 GG nicht gibt. Denn Art. 35 NdsVerf., der dem Landesministerium, also der Regierung, in bestimmten Fällen ein Notverordnungsrecht zubilligt, erfaßt gerade nicht den Fall, daß ein versammelter Landtag nicht in der Lage ist, Gesetze zu beschließen. Er setzt voraus, daß der Landtag nicht zusammenkommen kann. Der nach Art. 21 gewählte Ministerpräsident ist bereits mit der Annahme seiner Wahl im Amt. 62 Das ergibt sich schon daraus, daß eine Bestätigung der Minderheitsregierung nach Art. 21 II 4, Art. 20 III nicht erforderlich ist. Andernfalls wäre das gesamte Verfahren des Art. 21 im Grunde sinn- und erfolglos,63 da eine solche Bestätigung bei diesen Mehrheitsverhältnissen nicht zu erwarten ist,64 und die Minderheitsregierung wahrscheinlich gar nicht ins Amt gelangen würde. Man kann daher wohl nicht sagen, das Absehen vom Erfordernis der Bestätigung solle die Aktionsfähigkeit der Regierung sichern65 . Es gewährleistet allein, daß überhaupt eine neue Regierung ins Amt kommt. Würde die Bestä57 Friesenhahn, VVDStRL 16 (1958), 9 (49); ähnlich Finkeinburg, Minderheitsregierung, S. 10. 58 Bartelt, Regierungsbildung, S. 59f.; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 59f., jeweils mit Beispielen; differenzierend Finkeinburg, Minderheitsregierung, S. 12f. 59 Letzte Beispiele dafür sind die Auflösung der Hamburger Bürgerschaft (1986) und des Hessischen Landtags (1987). 60 Vgl. NdsLT, Tätigkeitsbericht VIII, S. 8; NdsLT, StenBer. VIII/54, Sp. 5020, als Mitglieder der F.D.P.-Fraktion in das bisherige Minderheitskabinett Albrecht berufen wurden. 61 Vgl. AdG 1981, 24643 (Minderheitsregierung) bzw. AdG 1983,26612 (neue Koalition). 62 § 2 Satz 1 NdsMinG. 63 Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 540, 639f.; Dronsch, in: Korte / Rebe, Verfassung, S. 255f.; Korte, Verfassung, S. 156f.; Dauster, Stellung, S. 87. 64 So jedenfalls im Grundsatz; siehe aber sogleich unter 4. 65 So aber Toews, AöR 96 (1971), 354 (381).
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tigung des Parlaments auch für die Amtsübernahme einer Minderheitsregierung verlangt, gäbe es eine solche eben meist auch dann nicht, wenn ein Ministerpräsident nach Art. 21 11 gewählt und das Parlament bewußt nicht aufgelöst wurde. Über die Fähigkeit zum erfolgreichen Regieren ist damit noch nichts ausgesagt. Sie zeigt sich erst, wenn die Minderheitsregierung amtiert und Politik machen muß. 4. Die Abgeordnetenmehrheit im Verfahren nach Art. 21 a) Forderung nach Bestätigung seiner Regierung
Nach Art. 21113,4 NdsVerf. ist eine Bestätigung des Kabinetts eines Minderheitsministerpräsidenten nicht erforderlich. Trotz des anscheinend keine Ausnahme zulassenden Wortlauts stellt sich die Frage, ob eine Bestätigung nicht ausnahmsweise dann doch erforderlich ist, wenn der Ministerpräsident überraschend die Abgeordnetenmehrheit auf sich vereinigt, nachdem der Landtag seine Auflösung abgelehnt hat. Wollte man diese Frage bejahen, so wäre der Ministerpräsident Albrecht 1976 verpflichtet gewesen, eine Bestätigung seiner Regierung herbeizuführen. Denn im Wahlgang nach Art. 21 11 erhielt er die Stimmen der Mehrheit aller Abgeordneten, nämlich 79 von insgesamt 155. 66 Der Grund für das Absehen vom Bestätigungserfordernis67 greift dann nicht ein, wenn der Regierungschef diese Mehrheit hinter sich hat. Vielmehr ist eine Bestätigung der Regierung in diesem Fall durchaus denkbar. Man könnte sagen, in einem solchen Fall sei sie für die Amtsübernahme der Regierung doch erforderlich, denn die Verfassung verlange von einem mit Mehrheit geWählten Ministerpräsidenten grundsätzlich die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 20. Davon werde nur dann eine Ausnahme gemacht, wenn kein Kandidat - bei zusätzlichem Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21- die Mehrheit der Stimmen aller Abgeordneten auf sich vereinige. Daß eine solche Forderung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich daran, daß dieser Gedanke auch im Verfassungsausschuß unwidersprochen geäußert worden ist: "Dieser Wahlgang [nach Art. 2111] kann natürlich auch so ausfallen, daß er weit mehr als die Mehrheit der Abgeordnetenstimmen erhält; aber erhält er weniger als die Mehrheit, nur die meisten Stimmen, vollzieht sich die Regierungsbildung in diesem Fall nur nach Abs. 2 des Art. 20 [jetzt 21], "68
NdsLT, StenBer. VIII/35, Sp. 3322. Dazu soeben unter 3 am Ende. 68 So der Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 640 als Berichterstatter des Redaktionsausschusses vor dem Verfassungsausschuß (Hervorhebung vom Verf.). 66 67
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
Auch in der Literatur wird offenbar teilweise davon ausgegangen, daß Art. 21 II 4 sich nicht auf solche Regierungen bezieht, deren Ministerpräsident die Mehrheit der Abgeordnetenstimmen erhalten hat; denn so muß man die Wendung verstehen, der Redaktionsausschuß habe die Bestätigung wieder in den Entwurf eingefügt "für Regierungen ... , deren Ministerpräsident mit absoluter Mehrheit gewählt wurde"69. Die Bestätigung entfalle nur, "wenn der Ministerpräsident mit bloß relativer Mehrheit gewählt worden ist"70. Hier ist nicht von den Anforderungen an die Mehrheit die Rede, sondern den tatsächlich erreichten Stimmen. Danach müßten die letzten beiden Sätze des Art. 21 II folgendermaßen gelesen werden: Wird ein Ministerpräsident nach Art. 21 II gewählt, so entfällt das Bestätigungserfordernis des Art. 20 III, es sei denn, er erreicht bei der Wahl die in Art. 20 I vorgeschriebene Mehrheit der Stimmen. b) Ablehnung dieser Forderung
Die soeben dargestellte Ansicht spiegelt sich nicht im Wortlaut des Art. 21 II wider. Dieser unterscheidet nicht danach, wie viele Stimmen ein Ministerpräsident bei der Wahl im Einzelfall erhalten hat. Und er unterläßt eine solche Differenzierung mit Recht. Der Ministerpräsident wird in geheimer Wahl gewählt, damit jeder Abgeordnete seinem Gewissen unbeobachtet und ohne Druck folgen kann. Die Bestätigung dagegen wird offen durchgeführt, d. h. es ist nicht auszuschließen, daß sich ein Abgeordneter zwar für den Ministerpräsidenten entscheidet, der Regierung aber seine Bestätigung nicht geben kann, weil er nicht offen kundtun will, daß er für diesen Ministerpräsidenten gestimmt hat, vielleicht von der Fraktionslinie abgewichen ist7 1 . Kann sich der betreffende Abgeordnete nicht für eine Offenbarung seines Wahlverhaltens entscheiden, wäre man wieder in der Situation, wie sie vor Eintritt in das Verfahren nach Art. 21 bestanden hat, wollte man für die Amtsübernahme der Regierung eine Bestätigung verlangen. Es wäre nichts gewonnen. Da Art. 21 aber eine Beendigung der Unklarheiten zum Ziele hat, muß es dabei bleiben, daß eine Bestätigung nach Art. 20 III in keinem Fall erforderlich ist, erfolgt die Regierungsbildung nach Art. 21. Gerade die Wahl Albrechts offenbart die Richtigkeit dieses Ergebnisses; denn eine Bestätigung war damals gänzlich ausgeschlossen, wenn man bedenkt, daß die Namen der "Abweichler" immer noch nicht bekannt sind und über sie immer noch spekuliert wird.72 Dementsprechend verlangt die Toews, AöR 96 (1971), 354 (380). Toews, AöR 96 (1971), 354 (381). 71 So stellte sich die Situation nach der Wahl des Ministerpräsidenten Albrecht am 6. 2. 76 dar; vgl. NdsLT, StenBer. VIII/35, Sp. 3322. 69
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Verfassung auch ihrem Wortlaut nach keine Bestätigung der neuen Landesregierung durch den Landtag. Der Minderheitsministerpräsident ist in der Bildung seiner Regierung frei, er ist nicht auf die Bestätigung des Landtags angewiesen, um ins Amt zu kommen. Diesen Verlust an Mitwirkungsrechten aber hat der Landtag selbst zu vertreten: Hätte er sich früher mit der gleichen Mehrheit auf einen Kandidaten einigen können, wären seine Rechte bei der Regierungsbildung in vollem Umfang erhalten geblieben. 5. Stimmengleichheit mehrerer Kandidaten
Es ist denkbar, daß bei einer Ministerpräsidentenwahl nach Art. 21 II zwei oder mehr Kandidaten die gleiche Stimmenzahl erhalten, also keiner "die meisten Stimmen" bekommt. Für diesen Fall hat weder die Verfassung noch der Landtag in seiner Geschäftsordnung Vorsorge getroffen. Daher bieten sich mehrere Regelungsmöglichkeiten an. a) Das Losverfahren
Es wird vertreten, in dieser Situation solle das Los entscheiden.?3 Dies ergebe sich daraus, daß ein weiterer Wahlgang nicht vorgesehen sei. 74 Da der Losentscheid auch bei Landtagswahlen und im Kommunalrecht durchgeführt werde,75 sei er zumindest als letzter Ausweg akzeptabel. 76 Dem kann nicht gefolgt werden. Das Losverfahren ist weder einem gewählten Parlament77 noch der Bedeutung des zu wählenden Ministerpräsidenten78 angemessen. Der Landtag würde sich, anstatt selbst eine Entscheidung zu treffen, hinter dem Zufall verstecken. Es könnte ihm kein deutlicheres Unfähigkeitszeugnis ausgestellt werden, als wenn er seine vornehmste Aufgabe dem Glück übertrüge, das dann über die zukünftig verfolgte Regierungspolitik79 entschiede. 72 Der Sachverhalt ist bei der sog. "Spielbank-Affäre" erneut aktuell geworden; dazu dpa/AP-Meldung in FR vom 20.6.88, S. l. 73 lellinek, VVDStRL 8 (1950), 3 (9); ders., DÖV 1949, 381 (382); dagegen schon Merk, VVDStRL 8 (1950), 58 (59f.). 74 lellinek, VVDStRL 8 (1950), 3 (9); ders., DÖV 1949, 381 (382). 75 Vg!. §§ 3111,33 V 2 NdsLWahlG; § 4811 3 NdsGO. 76 So neuerdings Puhl, Minderheitsregierung, S. 43. 77 So auch Barschel / Gebel, SHLS, Art. 22 Anm. eil 2; noch weitergehend Meder, in: Banner Komm. (Erstbearbeitung), Art. 63 Er!. 11 4; Schenke, in: Banner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 92. 78 Neumann, NdsVerf., Art. 21 Rn. 5; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 45. 79 Münch, Bundesregierung, S. 142; Lippert, Bestellung, S. 313.
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Eine analoge Anwendung der Regeln über die Wahl des Parlamentspräsidenten als Argument für das Losverfahren heranzuziehen,Bo ist schon für den Bereich des Bundestages - wo nach § 2 11 4 GOBT am Ende das Los entscheiden kann - zweifelhaft.B 1 Sie kommt in Niedersachsen aber gar nicht in Betracht, weil die Wahl des Landtagspräsidenten, die im übrigen eher eine Abstimmung als eine Wahl ist, kein Losverfahren kennt 82 .B3 Die Wahl des Ministerpräsidenten kann auch nicht mit der Wahl der Abgeordneten verglichen werden, die nach § 3111 NdsLWahlG per Los entschieden werden kann. Ihre Bedeutung ist, ohne die Parlamentswahl im Rang herabzusetzen, eine ganz andere. Bei der Wahl des Ministerpräsidenten werden Entscheidungen über die künftige Politik getroffen, die das ganze Land unmittelbar betreffen. Ein Losverfahren nach Art. 3111 NdsLWahlG ändert hingegen an den Mehrheitsverhältnissen zwischen den Parteien im Landtag nichts, denn nur die personelle Zusammensetzung des Landtages kann durch Los entschieden werden. Nach dieser Norm entscheidet sich nur, ob aus dem Wahlkreis, in dem ein Patt besteht, der Kandidat der X-Partei oder der der Y-Partei in den Landtag einzieht. Die Stärke der Fraktionen bleibt unverändert. Denn die Parteien sind nach dem Verhältnis ihrer Zweitstimmen im Landtag vertreten und das Losverfahren des § 31 11 NdsLWahlG betrifft den Fall der gleichen Erststimmenzahl von Bewerbern. Der Gedanke der Verhältniswahl bleibt trotz des Losens unberührt. Allein über die konkreten Personen, welche für die jeweiligen Parteien am Ende in den Landtag einziehen, wird durch das Los entschieden. Auch das ist aber nicht zwingend: Denn zieht der "weggeloste" Bewerber noch über die Landesliste in den Landtag ein, so hat das Los überhaupt keine praktischen Auswirkungen.B4 Lediglich über den letzten zu verteilenden Sitz des Landtags kann noch per Los entschieden werden.Bs Doch auch dieser ist - selbst wenn er einmal über die Mehrheitsverhältnisse faktisch entscheiden sollte - im Vergleich zur Wahl des Ministerpräsidenten nicht so bedeutend, daß sich eine Gleichbehandlung rechtfertigen ließe. Immerhin hat dessen Wahl unmittelbare Wirkungen, die über das Land selbst hinausgehen; denn die vom Ministerpräsidenten abhänPuhl, Minderheitsregierung, S. 43. Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 93; Münch, Bundesregierung, S. 142. 82 § 5 GONdsLT. 83 Das scheint trotz der unterschiedlichen Bedeutung von Parlamentspräsident und Regierungschef, die als Argument für die Berechtigung des Losverfahrens bei ersterem herangezogen wird (dazu Schenke, in: Bonner Komm. [Zweitbearbeitung], Art. 63 Rn. 93; Lippert, Bestellung, S. 313; Münch, Bundesregierung, S. 142), grundSätzlich die befriedigendere Lösung zu sein. Ein Losverfahren hat auch bei der Wahl des Parlamentspräsidenten einen unangenehmen Beigeschmack, wenn jener auch nicht die überragende politische Bedeutung des Ministerpräsidenten erlangt. 84 Zum Verfahren im einzelnen §§ 1 I, 33 NdsLWahlG. 85 § 33 V 2 NdsLWahlG. 80
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gige Regierung entscheidet z. B. nach Art. 51 GG über das Stimmverhalten im Bundesrat. Das Verfahren im Kommunalrecht hier als Begründung für einen Losentscheid heranzuziehen, verbietet sich eigentlich von selbst, bedenkt man, daß dieses eher dem Verwaltungs- als dem Staatsrecht zuzuorden ist.86 Und schließlich ist zu berücksichtigen, daß sich solche Fälle des Losentscheids lediglich in einfachen Gesetzen finden und dort ausdrücklich angeordnet sind. Eine entsprechende Norm findet sich in der wesentlich bedeutenderen Verfassung gerade nicht. Es muß also eine andere Lösung des angesprochenen Konflikts gefunden werden. b) Durchführung weiterer Wahlgänge
Eine solche andere Lösung wäre, so lange weitere Wahlgänge durchzuführen, bis eine Entscheidung gefallen ist, ein Kandidat also mehr Stimmen erhält als der oder die anderen, und das Patt aufgelöst ist.87 Immerhin ließe sich hierfür anführen, die Wahl sei noch nicht beendet, solange kein Kandidat die meisten Stimmen erhalten habe 88 . Diese Lösung stellt sich vor allem dann als praktikabel und sinnvoll dar, wenn die parlamentarische Situation nicht völlig verfahren und verkrustet ist. In diesem Fall können bisher nicht ins Auge gefaßte Regierungbildungsmöglichkeiten erwogen werden. Der Landtag ist so vielleicht noch in der Lage, eine längere Ungewißheit und Geschäftsregierung zu verhindern. Damit würde man der Forderung der Verfassung nach einer schnellen Regierungsbildung, wie sie in der sofortigen Wahl nach Ablehnung der Auflösung zum Ausdruck kommt, gerecht. So liegt es nahe, die Wahlgänge bis zum Erreichen einer relativen Mehrheit fortzusetzen. Diese Lösung hat aber den gravierenden Nachteil, daß sie - besonders bei einer starken Polarisierung der Blöcke - nicht die Gewähr bietet, daß sich einzelne Abgeordnete oder gar eine Fraktion umentscheiden und in weiteren Wahlgängen einen anderen Kandidaten unterstützen. Genau das ist aber erforderlich, will man ein anderes Ergebnis als im jeweils vorangegangenen Wahlgang erreichen. Zu viele Unbekannte sind zu berücksichtigen. TatsächZ.B. Schmidt-Aßmann, in: Besonderes Verwaltungsrecht, S. 97 (140 f.). So die ganz überwiegende Ansicht: Neumann, NdsVerf., Art. 21 Rn. 5; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 45; Liesegang, in: v. Münch, GGK H, Art. 63 Rn. 15, 20; Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 92; H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 63 Rn. 8; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 63 Anm. VI b, S. 1235; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 514; Steiger, Grundlagen, S. 246; Barschel / Gebel, SHLS, Art. 22 Anm. eH 2. 88 Neumann, NdsVerf., Art. 21 Rn. 5; Lippert, Bestellung, S. 313; H.-P. Schneider, in AltKomm., Art. 63 Rn. 8; Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 92. 86 87
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
lich ist die Wahrscheinlichkeit eines länger andauernden Patts ziemlich groß. Man muß nur bedenken, daß die Parteien vor den Landtagswahlen meist deutlich machen, ob und mit welcher Partei sie eine Koalition bilden wollen. Wenn dann eine Partei nach der Wahl, für die sie auch mit der Koalitionsaussage geworben hat, mit einem anderen Partner eine Koalition eingeht, wird dies schnell als "Verrat"89 bezeichnet. Das wollen alle Parteien schon deswegen vermeiden, weil dieser Vorwurf - der häufig in der Presse zu lesen ist - Stimmen kosten kann. Und es ist nicht damit getan, darauf hinzuweisen, daß bis zur nächsten Landtagswahl noch vier Jahre vergehen. Denn Vorgänge in einem Bundesland wirken sich leicht auf Wahlen in anderen Bundesländern, die vielleicht nur wenig später stattfinden, aus. Einer dauernden Unfähigkeit, sich für einen Kandidaten zu entscheiden, könnte im Rahmen dieses Grundgedankens auf zweierlei denkbare Weise begegnet werden: - Zum einen könnte man von einem unmittelbar folgenden weiteren Wahlgang absehen und den nächsten verschieben, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Es läge dann in der Hand des Landtags, eine angemessene Frist zu bestimmen, nach der weitere Wahlgänge vorzunehmen wären. Hiergegen sprechen allerdings zwei Umstände: Die Verfassung überläßt die Bestimmung derartiger Fristen anders als andere Verfassungen 90 eben nicht dem Parlament, sondern regelt sie in Art. 20,21 selbst. Es fehlt also die Legitimation für dieses Verfahren. Außerdem wird die Entscheidung immer weiter herausgeschoben, ohne daß der Erfolg auch nur einigermaßen gesichert ist. - Eine andere Möglichkeit wäre, anstatt eines auf die bloße Wiederholung hinauslaufenden neuen Wahlgangs eine Stichwahl zwischen den Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl durchzuführen. So könnte der bloßen Wiederholung bisheriger Wahlergebnisse vorgebeugt werden. 91 Dieses Verfahren hat allerdings den Nachteil, daß es nur bei mehr als zwei Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten anwendbar ist. Und erst einmal in der Geschichte des Landes Niedersachsen standen überhaupt drei Kandidaten zur Wah1 92 . Das mag sich zwar - bei geänderter "Parteienlandschaft" - in Zukunft häufiger ergeben, ist jedoch nicht zwingend, so daß die Problematik auch auf diesem Weg nicht zu lösen ist. Und selbst wenn ein dritter Kandidat in weiteren Wahlgängen wegfiele, so wäre nicht gewiß, daß sich am Patt etwas änderte. Immerhin könnten die Abgeordneten, die vorher diesen 89 Über die Berechtigung dieses Vorwurfs soll hier nicht gestritten werden. Erwähnt sei nur das Phänomen der sog. Leihstimmen, bei dem die größere Partei einer beabsichtigten Koalition indirekt auch zur Wahl des kleineren Partners auffordert, z. B. um diesem über die Fünf-Prozent-Hürde zu helfen. 90 Z.B. Art. 52 II NWVerf.; Art. 26 IV SHVerf. 91 Lippert, Bestellung, S. 314. 92 NdsLT, StenBer. XIII, S. 21.
D. Die fehlgeschlagene (Mehrheits-) Regierungsbildung
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Kandidaten unterstützt haben, sich nunmehr der Stimme enthalten. Im übrigen hat sich schon der Verfassungs ausschuß ausdrücklich gegen eine Stichwahl ausgesprochen. 93 Sie ist im Ergebnis daher abzulehnen. c) Wiederholung des Verfahrens nach Art. 20 und 21 NdsVerf.
Auch in anderen Bundesländern kann sich die Konstellation ergeben, daß die Wahl des Ministerpräsidenten letztlich wegen einer Stimmengleichheit scheitert. So kann in Nordrhein-Westfalen bei einer Stichwahl nach Art. 5211 2 NWVerf., in der die Kandidaten gegeneinander antreten, die im zweiten durchzuführenden Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben, ein Patt eintreten. Für diesen Fall wird - ohne nähere Begründung - gefordert, das gesamte Verfahren der Regierungsbildung müsse von vorn beginnen. 94 Das zwingt den Landtag zu erneuten Versuchen, den Ministerpräsidenten zuerst mit Abgeordneten- und Anwesenheitsmehrheit zu wählen. Erst wenn diese Versuche fehlgeschlagen sind, kann eine zweite Stichwahl erfolgen. Diese Lösung ist jedenfalls nicht auf niedersächsische Verhältnisse übertragbar. Denn erneute Wahlen nach Art. 20 I haben praktisch keinerlei Aussicht auf Erfolg, weil man ausschließen kann, daß sich mit einem Male sogar eine Abgeordnetenmehrheit für einen Kandidaten findet und dessen Regierung dann auch noch vom Landtag bestätigt wird. Damit würde der erneute Eintritt in das Verfahren nach Art. 20 NdsVerf. nur Zeitverlust bedeuten. 95 Schließlich würden wieder mehrere Wochen vergehen, ehe es zu einem neuen Wahlgang nach Art. 2111 oder wenigstens gemäß Art. 21 I zu einer Entscheidung über die Auflösung des Landtags kommen könnte. Im übrigen würde die Zäsur, die zwischen den Wahlen nach Art. 20 und Art. 21 liegt, ignoriert. Dieser Einschnitt manifestiert sich in der Aufspaltung in verschiedene Artikel ebenso wie in der zwischenzeitlichen Abstimmung über die Auflösung. 96 d) Wiederholung allein des Verfahrens nach Art. 21 NdsVerf.
Eine letzte, bisher nicht vertretene Möglichkeit bietet sich an, um das aufgezeigte Problem der Stimmengleichheit zu lösen: Der Landtag kann statt der Dazu näher oben unter D 13. Geller / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 52 Anm. 2. 95 Das kann in Nordrhein-Westfalen deswegen anders sein, weil die verschiedenen Wahlgänge dort sehr schnell nacheinander abgehalten werden können; Art. 52 II 1 NWVerf. verlangt immerhin einen zweiten Wahlgang innerhalb von höchstens 14 Tagen. Da sind erfolglose Wahlgänge nach Art. 52 I, II 1 1. Halbs. NWVerf. eher hinzunehmen. 96 Er fehlt ebenfalls in Art. 52 II NWVerf., so daß die Ablehnung der geschilderten Ansicht nicht auch für Nordrhein-Westfalen gilt. Für die Verfassungslage dort bietet diese Meinung die Möglichkeit, relativ zügig noch einmal alle Alternativen einer Regierungsbildung zu nutzen. 93
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1. Teil: Die Bildung der Regierung
bloßen Fortsetzung der Wahlgänge das gesamte Verfahren des Art. 21 - und nur dieses - wiederholen, also zwischen zwei Wahlgängen eine erneute Abstimmung des Landtages über seine Auflösung vornehmen. Dieses Verfahren hat wesentliche Vorzüge. Denn da der Landtag sich nicht einmal mit einfacher Mehrheit auf einen Kandidaten einigen konnte, besteht die Gefahr, daß eine Erstarrung zwischen den einzelnen Fraktionen eintritt und auch weitere Wahlgänge keine Veränderung des Ergebnisses bringen. Dieses Patt mag man zwar schon aufgrund der Mehrheitsverhältnisse befürchtet haben, trotzdem hat sich der Landtag bei der Abstimmung über seine Auflösung nach Art. 21 I nicht für eine solche entscheiden können. Jetzt - das Patt ist eingetreten - steht dem Parlament die Unmöglichkeit der Regierungsbildung klar und endgültig vor Augen. Der Landtag sollte in dieser Situation nochmals die Möglichkeit haben, sich für eine Auflösung zu entscheiden. Das entspricht dem Gedanken der Verfassung, wonach bei fehlgeschlagener Regierungsbildung eine Entscheidung über die Auflösung zu fällen ist. Denn die Regierungsbildung ist wieder, wie vorher schon nach Art. 20, aber jetzt sogar unter erleichterten Bedingungen, mißglückt. Die Situation ist also der Lage nach Ablauf der drei Wochen gemäß Art. 21 I 1 vergleichbar, in denen der Landtag vergeblich versucht hat, einen Mehrheitsministerpräsidenten zu wählen. Hiergegen kann man nicht anführen, der Landtag habe nach Art. 7 ohnehin die Möglichkeit, sich aufzulösen. Denn dieses allgemeine Auflösungsrecht steht dem Landtag zwar auf alle Fälle zu. Es hat in der hier angenommenen Situation aber gravierende Nachteile, so daß der Landtag nicht auf diese Auflösung verwiesen werden sollte. So müssen sich nach Art. 7 zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten für die Auflösung entscheiden, nach Art. 21 I genügt die Abgeordnetenmehrheit, die Art. 7 noch zusätzlich fordert. Ob sich aber zwei Drittel eines polarisierten Landtags für die Auflösung entscheiden können, erscheint sehr zweifelhaft. Zudem ist das Verfahren nach Art. 7 langwieriger, denn zwischen Antrag und Abstimmung müssen wenigstens 13 Tage liegen. 97 Weiterhin sind jedenfalls langwierige Verhandlungen über die Auflösung nötig, um die genannte Zwei-Drittel-Hürde vielleicht doch zu überwinden, so daß nicht gesichert ist, daß ein solcher Auflösungsbeschluß in der gebotenen Kürze ge faßt werden kann. Es besteht aber die Wahrscheinlichkeit, daß immerhin die Abgeordnetenmehrheit eines Landtags, der erkennen muß, daß er nicht einmal in der Lage ist, mit .relativer Mehrheit einen Ministerpräsidenten zu wählen, die Parlamentsauflösung als einzigen Ausweg aus dem Dilemma erkennt. Der Druck, der aus dem Unverständnis der Bürger erwachsen und auf Neuwahlen drän97 Nämlich zwei Tage gemäß § 44 I 2 GONdsLT (Beratung frühestens am dritten Tag) und weitere zehn Tage nach § 44 II GONdsLT.
D. Die fehlgeschlagene (Mehrheits-) Regierungsbildung
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gen wird, darf nicht unterschätzt werden. Erfahrungsgemäß fällt es einer Parlamentsmehrheit wesentlich leichter, sich in solch einer Situation für eine Auflösung zu entscheiden als für einen gemeinsamen Ministerpräsidenten. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein dann neugewählter Landtag in der Lage sein wird, einen Ministerpräsidenten zumindest mit relativer Mehrheit zu wählen, ist groß, da sich dazu die Mehrheitsverhältnisse im Landtag nur geringfügig ändern müssen. Die Verschiebung eines Mandats von einer zu einer anderen Fraktion wird da meist schon ausreichen, um zumindest das Patt bei der Wahl eines Minderheitsministerpräsidenten aufzulösen. Weiter können die Parteien ihre Koalitionsaussagen überdenken, ohne sich den Vorwurf des "Wahlbetruges" gefallen lassen zu müssen. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß nach der Neuwahl dann sogar die Bildung einer Mehrheitsregierung möglich wird. Die hier aufgezeigte Lösung bietet weiter den Vorzug, daß der Landtag in der Lage ist, differenziert nach den Besonderheiten der eingetretenen Situation zu entscheiden. Findet sich doch noch eine Koalitionen oder sind Tolerierungsabsprachen möglich, so kann die Auflösung erneut abgelehnt werden. Ist das nicht der Fall, so kann sich zumindest noch eine Mehrheit finden, die die Auflösung beschließt und damit neue Möglichkeiten schafft. Auch wenn dies selbstverständlich nicht zwingend ist, sollte man dem Parlament doch so viel Vertrauen entgegenbringen, daß man annimmt, es werde sich wenigstens zur Auflösung entschließen, wenn es schon nicht in der Lage ist, konstruktiv eine Regierung zu bilden. Kann es auch das nicht, so ist die hier beschriebene Situation keine Regierungs-, sondern fast eine Staats- und Verfassungskrise, für die das Verfassungsrecht kaum mehr Lösungen bereitzustellen vermag. Die Möglichkeit, mit der hier angeschnittenen Krisenlage auf eine befriedigende Art fertig zu werden, bietet im Grunde von allen Landesverfassungen nur die Verfassung Niedersachsens. Sie folgt aus dem nur in Niedersachsen gegebenen Wahlrecht zwischen Auflösung und Minderheitsregierung, wobei die allgemeine Auflösungsmöglichkeit des Art. 7 speziell für die Regierungsbildungskrise modifiziert ist. Zwar kann sich der Landtag auch in einigen anderen Bundesländern mit den Stimmen der Mehrheit seiner Abgeordneten auflösen 98 und dadurch eine Regierungsbildungskrise ebenso lösen, wie das der Niedersächsische Landtag nach dem hier vorgeschlagenen Weg zu tun vermag. Diese Länder verzichten jedoch für das allgemeine Selbstauflösungsrecht des Landtages auf erschwerte Mehrheitsvoraussetzungen, wie sie die Niedersächsische Verfassung mit der Zwei-Drittel-Anwesenheitsmehrheit in Art. 7 11 2 fordert. Die Flexibilität, in verschiedenen Situationen auch verschiedene Anforderungen an eine Parlaments auflösung zu stellen, bieten diese Verfassungen nicht. 98
Z.B. Art. 80 HessVerf.; Art. 84 RhPfVerf.
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I. Teil: Die Bildung der Regierung
Am Beispiel des Art. 21 NdsVerf. zeigt sich, daß der niedersächsische Verfassunggeber sich erfolgreich bemüht hat, das Fehlen eines Staatsoberhauptes zu kompensieren. Denn im Bund wird zumindest diskutiert, ob der Bundespräsident nach mehreren erfolglosen Wahlgängen gemäß Art. 63 IV GG den Bundestag auflösen kann, wie wenn ein Bundeskanzler mit relativer Mehrheit gewählt worden wäre. 99 6. Zusammenfassung
Ist innerhalb von 21 Tagen nach Rücktritt der Regierung noch keine neue Regierung im Amt, so muß der Landtag binnen weiterer 14 Tage über seine Auflösung abstimmen - und zwar genau ein Mal. Lehnt er die Auflösung ab, weil nicht mehr als die Hälfte seiner Mitglieder für eine Auflösung stimmen, hat er noch in der gleichen Sitzung einen Minderheitsministerpräsidenten zu wählen. Dabei ist der Kandidat gewählt, der mehr Stimmen als der oder die Mitbewerber erhält. Dieser ist dann ohne besondere Bestätigung durch den Landtag amtierender Ministerpräsident, selbst wenn er jetzt die Mehrheit der Abgeordnetenstimmen auf sich vereinigt hat. Auch die folgende Berufung der Minister bedarf keiner Bestätigung durch den Landtag. Erhalten mehrere Kandidaten die gleiche Anzahl an Stimmen, so wird das Verfahren nach Art. 21 NdsVerf. so lange wiederholt, bis entweder der Landtag aufgelöst oder ein Minderheitsministerpräsident gewählt ist.
99 Dazu Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 63 Rn. 94; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 63 Rn. 45; H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 63 Rn. 8; Jarass / Pieroth, GG, Art. 63 Rn. 5.
Zweiter Teil
Die Regierung im Amt Ist die Regierung im Amt, so ist nicht auszuschließen, daß sich das Erfordernis stellt, die Regierung auch einmal umzubilden. Man kann wohl sagen, daß die Änderung des personellen Bestands einer Regierung während der Legislaturperiode die Regel ist. 1 Nur ausnahmsweise einmal wird während der Amtsperiode einer Regierung kein Minister ausgewechselt, wird die Regierung nicht umgebildet. Der Begriff der Umbildung betrifft den Fall des Neueintritts eines Ministers in das Kabinett ebenso wie sein Ausscheiden. 2 In der Regel fallen beide Alternativen zusammen, stehen in einer inneren Beziehung zueinander. Nicht unter den Begriff der Umbildung fällt es, wenn ein neuer Ministerpräsident - aus welchen Gründen auch immer - gewählt, mit seiner neuen Regierung bestätigt wird und ins Amt gelangt. Dabei handelt es sich dann stets um die Neubildung einer Regierung, weil Art. 24 III mit dem Ausscheiden des bis dahin amtierenden Regierungschefs auch das Ausscheiden der gesamten restlichen Regierung von Verfassungs wegen bestimmt3 • Der hier zu behandelnde Komplex ist in verschiedenen Artikeln der Verfassung geregelt, die - zumindest auf den ersten Blick - unterschiedliche Formen des Austauschs von Ministern nennen. Art. 20 IV beschäftigt sich mit dem Ministerwechsel auf Initiative des Ministerpräsidenten, Art. 24 I mit dem Rücktritt eines Ministers, der von diesem selbst ausgeht; Art. 31 behandelt den Amtsverlust eines Ministers aufgrund einer vom Landtag angestrengten Klage, den der Staatsgerichtshof dann unter näher bezeichneten Umständen aussprechen kann. Mit Art. 20 IV schließt sich der Kreis der Umbildung dann wieder; in ihm wird die Mitwirkung des Landtages bei der Neuberufung von Ministern bestimmt. 1 So wurden die Regierungen in der 2.,3.,5.,8.,9.,10. und 11. Wahlperiode umgebildet. War das nicht der Fall, handelte es sich meist um Sonderfälle: So wurde in der 4. Wahlperiode die ganze Regierung neu gewählt, weil Ministerpräsident Kopf (SPD) verstorben war, in der 6. verweigerte der Landtag dem Ministerpräsidenten die Zustimmung zur Entlassung einiger Minister, was eine Umbildung verhinderte. Allein die 7. Wahlperiode lief, soweit es den Bestand der Regierung betrifft, reibungslos ab. 2 Zu eng Ley, in: RhPfStVwR, Staats- und Verfassungsrecht, Rn. 86, der für eine Umbildung den freiwilligen Rücktritt eines Ministers voraussetzt. 3 Anders ohne Begründung Dronsch, in: Korte / Rebe, Verfassung, S. 256.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
A. Die Entlassung der Minister durch den Ministerpräsidenten I. Die Anforderungen an den Ministerpräsidenten Die Entlassung des Ministers durch den Ministerpräsidenten ist die formale Entbindung von allen Rechten und Pflichten aus dem Ministerverhältnis. Sie ist in Art. 20 IV erwähnt und erfolgt nach § 3 NdsMinG. Sie kann mit dem Einverständnis und gegen den Willen des betroffenen Ministers erfolgen. Jedenfalls stehen dem Minister keine verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung, seine Entlassung zu verhindern. Die Gründe für die Entlassung eines Ministers aus seinem Amt können äußerst unterschiedlich sein: 4 Der Ministerpräsident ist mit den Leistungen seines Ministers unzufrieden, er gibt einem Druck von außen (Fraktion, Landtag, Presse) nach, eine neue Koalition hat sich gebildet, weshalb entweder Ministerposten der eigenen Partei an den neuen Koalitionspartner abgegeben werden oder aber die Minister aus der bisherigen Koalitionspartei weichen müssen. Selbst persönliche Differenzen zwischen Ministerpräsident und Minister können zu einer Entlassung führen. Verfassungsrechtliche Grenzen bezüglich der Motivation einer Entlassung sind nicht ersichtlich;5 daher erhebt die soeben vorgenommene Aufzählung von Gründen selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
11. Die Zustimmung des Landtags zur Entlassung eines Ministers 1. Überblick über Verfassungen
Das Entlassungsrecht des Ministerpräsidenten ist nichtsdestotrotz erheblich eingeschränkt. Denn er benötigt für eine wirksame Entlassung die Zustimmung des Landtags,6 dem damit eine weitgehende Einflußmöglichkeit auf den personellen Fortbestand der Regierung und deren Kontinuität eingeräumt ist. Jedenfalls formaF entspricht das Zustimmungserfordernis bei der Entlassung der Mitwirkung des Landtags bei der Berufung der Minister. Weder Landtag noch Regierungschef können ohne Mitwirkung des jeweils anderen VgJ. auch Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 112 Anm. 3. So grundsätzlich auch Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 64 Rn. 50 und 54, der allerdings zu Recht auf die Beachtung der Grundrechte hinweist. 6 Aufgrund allgemeiner Erwägungen anders, aber Art. 20 IV mißachtend: Neumann, Nd&Verf., Art. 20 Rn. 6. 7 Toews, AöR 96 (1971), 354 (381); Weis, Regierungswechsel, S. 47. 4
5
A. Entlassung der Minister durch den Ministerpräsidenten
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Verfassungsorganes die Regierungsmitglieder ins Amt setzen oder sie aus diesem entfernen. 8 Ähnlich spiegelbildlich ist auch die Situation nach Art. 64 I GG. Danach entscheidet der Bundeskanzler ohne Mitwirkung des Parlaments über die erste Zusammensetzung einer neuen Bundesregierung genauso wie über spätere Regierungsumbildungen. Gleiches gilt für einige Landesverfassungen, in denen der Ministerpräsident nach seiner Wahl allein über die weitere Bildung bzw. Umbildung der Regierung entscheidet. 9 Zwischen diesen bei den Positionen - nämlich Niedersachsen und dem Bund bzw. den genannten Ländern - finden sich Mischformen; so kann in Rheinland-Pfalz zwar der Landtag allein, nicht aber der Ministerpräsident ohne Mitwirkung des Landtags einen Minister entlassen. lO In Baden-Württemberg kann sich der Regierungschef jederzeit von seinen Ministern trennen, der Landtag hingegen hat nur unter erschwerten Bedingungen die Möglichkeit, ihn zur Entlassung eines Ministers zu zwingen. Dazu bedarf es immerhin einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. ll In bei den Ländern ist für die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch eine neugebildete Regierung jedoch die Übereinstimmung zwischen Ministerpräsident und Landtag erforderlich. Die Verfassungen dieser Länder sind also zumindest formal nicht so konsequent wie die Niedersächsische Verfassung, da sie an das Einsetzen der Minister und ihre Abberufung unterschiedliche Anforderungen stellen, was die Mitwirkung des Landtags betrifft. In den Stadtstaaten, in denen die Regierungsmitglieder direkt vom Parlament gewählt werden, steht das Recht zu deren Ablösung naturgemäß und konsequent ebenfalls allein dem Parlament ZU,12 worauf hier allerdings nur kurz hingewiesen werden kann. 2. Zur Kritik an der niedersächsischen Regelung Die formale Konsequenz gerade der niedersächsischen Regelung wurde oben erwähnt. Bestritten wird jedoch ihre innere Folgerichtigkeit. 13 Das stützt sich vor allem darauf, daß zwar zur Amtsübernahme die Einigkeit zwischen Ministerpräsident und Parlament gefordert werde, bei einem Verlust des Vertrauens nur beim Ministerpräsidenten oder nur beim Landtag ein Minister jedoch nicht wirksam entlassen werden könne. 14 Der Landtag habe also jetzt Ebenso Art. 45 BayVerf.; Art. 101 IV, 112 HessVerf. So Art. 52 III 1 NWVerf.; Art. 26 II 2 SHVerf. 10 Art. 98 II 4 RhPfVerf. einerseits, Art. 99 RhPfVerf. andererseits. 11 Art. 46 bzw. Art. 56 BWVerf. 12 Vgl. Art. 41f. BeriVerf.; Art. 107 II, 110 BremVerf.; Art. 34ff. HbgVerf. 13 So Weis, Regierungswechsel, S. 47f.; Toews, AöR 96 (1971), 354 (381). 14 Toews, AöR 96 (1971), 354 (38lf.); ähnlich Ley, in: RhPfStVwR, Staats- und Verfassungsrecht, Rn. 90, weil nach Art. 99 II 4 RhPfVerf. der Ministerpräsident gezwungen werden kann, einen unliebsamen Minister zu behalten. 8 9
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2. Teil: Die Regierung im Amt
die Möglichkeit, dem Ministerpräsidenten einen Minister aufzuzwingen, die Homogenität des Kabinetts sei dahin. 15 Zwar ist es richtig, daß der Landtag bei einer Entlassung allein durch den Ministerpräsidenten immer noch die Möglichkeit hätte, den Nachfolger abzulehnen, ihm also auch dieser nicht aufgezwungen werden kann. Es ist also ausgeschlossen, daß ein dem Parlament mißliebiger Minister ins Amt gelangt. Doch bleibt zu bedenken, daß immerhin zwei Verfassungsorgane der Ansicht waren, der bisherige Minister sei zur Amtsführung geeignet. Der Landtag hat dem Kabinett sein Vertrauen ausgesprochen. Da das nur für die Gesamtheit, nicht für einzelne Minister möglich ist, war vielleicht gerade der zu Entlassende in den Augen des Landtags ein wesentliches liberales Gegengewicht gegen einen anderen, wegen besonders rigider Einstellungen bekannten Minister. Denkbar ist auch, daß gerade ein Minister, der dem Ministerpräsidenten ein Dorn im Auge ist, von der kleineren Koalitionspartei unbedingt als Regierungsmitglied gesehen werden will. Würde man hier auf das Erfordernis der Zustimmung verzichten, so hätte der Ministerpräsident die Möglichkeit, sich solch eines Ministers entgegen der getroffenen Absprachen zu entledigen, wenn die Regierung erst einmal amtiert. Zwar müßte ein solchermaßen handelnder Ministerpräsident mit dem Bruch seines politischen Bündnisses rechnen; doch wäre er erst einmal im Amt und müßte vor allem bei einem Mehrparteienparlament nicht fürchten, sogleich abgelöst zu werden. Denn häufig wird absehbar sein, daß die anderen Fraktionen sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten als Nachfolger einigen können. Das aber verlangt Art. 23 für eine Abwahl des amtierenden Ministerpräsidenten. 16 Durch das Erfordernis einer Zustimmung des Landtags auch für die Entlassung eines Ministers wirkt die angestrebte - und bei Amtseinsetzung der neuen Regierung vorhandene - Homogenität zwischen Volk, Landtag und Regierung 17 fort. Dies gilt eben auch für die Kompromisse, die erforderlich werden, hat bei einer Landtagswahl keine Partei allein die Mehrheit der Abgeordnetensitze errungen und wird daraufhin eine Koalitionsregierung gebildet. Wenn Landtag und Ministerpräsident sich in der Auswahl der Minister einig sein müssen, steht ihnen konsequenterweise auch die Abwahl nur zur gesamten Hand zu. Das Zustimmungserfordernis motiviert den Ministerpräsidenten, seine Gründe für die Entlassung anzugeben,18 was jedenfalls der Transparenz dieser Entscheidung auch für den Bürger dienen kann. Der Landtag mag die Argumente des Ministerpräsidenten für nichtig halten und seine Mitwirkung ver15 Toews, AöR 96 (1971), 354 (382) mit Hinweisen auf Aspekte der Entstehungsgeschichte. 16 Zum konstruktiven Mißtrauensvotum im 3. Teil unter B. 17 Referentenbegründung, Materialien II, S. l. 18 Weis, Regierungswechsel, S. 47 .
A. Entlassung der Minister durch den Ministerpräsidenten
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weigern. Durch den Zwang, zusammenzuwirken, wird auf Regierungschef und Parlament Druck ausgeübt, sich die Minister, die nicht so ohne weiteres abgelöst werden können, besonders sorgfältig auszusuchen. Das Argument, die Solidarität innerhalb der Regierung werde durch dem Ministerpräsidenten mißliebige Minister wesentlich gestört,19 greift nicht. Zum einen scheint in den Ländern, in denen von der Regierung - anders als im Bund - in erster Linie VerwaItungsarbeit zu leisten ist, auch die personelle Kontinuität an der Spitze der Ministerien besonders wünschenswert. 20 Zum anderen hat der Ministerpräsident immer die Möglichkeit, von seiner Richtlinienkompetenz21 Gebrauch zu machen, glaubt er sich von einem Minister behindert. Tritt der Fall einer Zustimmungsverweigerung tatsächlich einmal ein - in aller Regel stellt sich der Landtag einer Ministerentlassung ja nicht in den Weg - so kann das natürlich zu sehr unbefriedigenden Situationen führen, wie die Vorkommnisse nach dem Auseinanderbrechen der großen Koalition in Niedersachsen im Jahre 197022 gezeigt haben. Der amtierende Ministerpräsident Diederichs (SPD) war nicht in der Lage, die Minister der CDU zu entlassen, weil der Landtag seine Zustimmung verweigerte. Andererseits war es weder der CDU noch der SPD möglich, eine kleine (Mehrheits-) Koalition zu bilden, weil dies nicht ohne die mit zehn Abgeordneten im Landtag vertretene NPD möglich war. Die F.D.P., die gleichfalls zehn Abgeordnete stellte, war nicht bereit, mit der NPD zusammenzuarbeiten. 23 So war auch der Weg des konstruktiven Mißtrauensvotums nicht gangbar und die Partner der großen Koalition praktisch "aneinandergekettet" . Die Bemerkung, durch Art. 20 IV sei die Lösung dieses Problems, erschwert worden,24 trifft jedoch nicht zu. Denn die Krise war im Grunde nicht lösbar. Allein die Tatsache, daß es zu Beginn der Wahlperiode eine große Koalition gegeben hatte, zeigt, daß schon die Regierungsbildung überaus problematisch gewesen ist. Auf andere Weise waren schon zu diesem Zeitpunkt keine Mehrheiten zu erzielen. Eine wirksame Entlassung der CDU-Minister durch den Ministerpräsidenten nach dem Zerfall der großen Koalition hätte dazu geführt, daß Neuberufungen während der Wahlperiode nicht möglich gewesen wären. Man hätte mit einer personell nur halb besetzten Regierung ohne Parlamentsmehrheit regieren müssen. Denn Neuberufungen hätten, da die Regierung als Mehrheitsregierung ins Amt gelangt war, der Zustimmung des Landtags bedurft. 19
20
21 22 23 24
Toews, AöR 96 (1971), 354 (382). Weber, Materialien I, S. 258. Art. 28 I l. Ausführliche Darstellung bei Wettig-Danielmeier, ZParl. 1 (1969/70), 269ff. Toews, AöR 96 (1971), 354 (356). Wettig-Danielmeier, ZParl. 1 (1969/70),269 (278).
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2. Teil: Die Regierung im Amt
Auch wenn aus der Mehrheitsregierung durch die Entlassung der CDU-Minister faktisch eine Minderheitsregierung geworden wäre, so wäre die Bestätigung neuer Minister nach Art. 20 IV doch unumgänglich gewesen; entscheidend hierfür ist allein, ob der Ministerpräsident nach Art. 20 oder Art. 21 NdsVerf. gewählt worden iSt. 25 Und damals war er nach Art. 20 gewählt. Eine Zustimmung zur Berufung neuer Minister (von der SPD) aber war bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen praktisch ausgeschlossen. Man müßte also, um in einer Situation wie 1970 die Minister zu ersetzen, auch auf die Bestätigung bei der Einsetzung verzichten. Das aber wäre systemwidrig. Nach den Grundgedanken der Verfassung soll der Landtag gerade mitwirken, wenn es gilt, die personelle Zusammensetzung der Regierung festzulegen. 26 Doch selbst ein vollständiger Verzicht der Verfassung auf die Rechte des Landtags bei der Regierungsumbildung hätte in der Konstellation von 1970 nur zu einer Minderheitsregierung führen können, deren Handlungsfähigkeit äußerst beschränkt geblieben wäre. So lief die Auflösung der SPDt F.D.P.-Koalition in Bonn im Jahre 1982 ja auch nicht deshalb so reibungslos, weil das Grundgesetz in Art. 64 I GG dem Bundeskanzler in der Auswahl der Minister ein Alleinentscheidungsrecht gibt, sondern weil sich eine neue Mehrheitskoalition aus CDU und F.D.P. fand. Für Fälle wie 1970 scheint es erfolgversprechend, durch eine Norm wie Art. 20 IV einen Einigungsdruck auf die Fraktionen auszuüben, um die alte Koalition zu erhalten bzw. zu erneuern oder eine neue zusammenzubringen. Im übrigen bietet gerade die Verfassung Niedersachsens auch andere Lösungen an, um die "peinliche Fortsetzung"27 solch eines Schauspieles zu beenden. Die Konfliktlösung ist nicht auf die Alternative der Regierungsumbildung beschränkt: Der Landtag kann sich, wie 1970 im zweiten Anlauf2 8 letztlich doch noch geschehen,29 auflösen. Oder der Ministerpräsident kann zurücktreten, um eine Neuwahl der Regierung insgesamt zu ermöglichen. Oftmals mag schon eine Rücktrittsdrohung die Regierungskoalition zu disziplinieren,3o jedenfalls wenn es gilt, ihre Macht zu bewahren. Wenn die Verfassung auch alternative Möglichkeiten bietet, auf eine Regierungskrise zu reagieren, so ist die richtige Lösung doch von der Situation abhängig. Nicht jedes Mittel greift in allen Fällen. So war in der angesprochenen Krise in Niedersachsen wohl nur eine Parlamentsauflösung mit anschließenden Neuwahlen geeignet, eine Änderung der Verhältnisse zu bewirken, wie es dann ja auch geschehen ist. Dazu im Rahmen des Art. 21 auch schon im 1. Teil unter II 4. Überhaupt kritisch dazu Weber, Verfassungsfrage, S. 6f.; Wettig-Danielmeier, ZParl. 1 (1969170), 269 (278). 27 Toews, AöR 96 (1971), 354 (382). 28 NdsLT, Tätigkeitsbericht VI, S. 6. 29 NdsLT, StenBer. VII78, Sp. 7072ff. 30 Dauster, Stellung, S. 79. 25
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B. Der Rücktritt eines Ministers
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Festzuhalten bleibt hier, daß die Regelung des Art. 20 IV, soweit er die Entlassung eines Ministers von der Zustimmung des Landtages abhängig macht, seinen guten Sinn hat. Er ist für Fälle der Regierungsumbildung die logische Folge aus Art. 20III.
B. Der Rücktritt eines Ministers Art. 24 I NdsVerf. gibt den Ministern ausdrücklich ein jederzeitiges Rücktrittsrecht. 31 So wird dem Grundsatz, daß niemand in ein Amt mit politischer Verantwortung gezwungen werden kann,32 Rechnung getragen. Naturgemäß ist es im Laufe der Jahre bereits mehrfach zu Rücktritten von Ministern gekommen, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen. Auf diese Gründe ist hier jedoch nicht näher einzugehen, da jeder Minister allein darüber befindet, aus welchem Anlaß (mag dieser dienstlicher oder privater Natur sein) er zurücktreten will. Ein Begründungszwang besteht nicht. 33 Das Verfahren beim Rücktritt eines Ministers läuft praktisch so ab, daß der Minister gegenüber dem Ministerpräsidenten als demjenigen, der ihn auch berufen hat,34 den Rücktritt erklärt. Der Ministerpräsident wiederum informiert den Landtag durch eine Drucksache oder über den Landtagspräsidenten, der eine Erklärung des Ministerpräsidenten verliest. Der Wortlaut der Unterrichtung des Landtages ist bisher stets nahezu identisch gewesen, unabhängig davon, welchen Informationsweg der Ministerpräsident jeweils gewählt hat: Der Ministerpräsident hat stets zum Ausdruck gebracht, der betreffende Minister sei gemäß Art. 24 I der Verfassung zurückgetreten und habe um Entlassung nachgesucht; er, der Ministerpräsident, habe diesem Gesuch entsprochen. 35
31 Ebenso Art. 55 I BWVerf.; Art. 41 IV BerlVerf.; Art. 107 V BremVerf.; Art. 35 11 HbgVerf.; Art. 113 I 1 HessVerf.; Art. 62 I NWVerf.; Art. 8711 SaarIVerf.; Art. 44 III 1 BayVerf. und Art. 27 I SHVerf. (anders bisher Art. 21 III 1 SHLS) legen ein solches Recht ausdrücklich nur für den Ministerpräsidenten fest; das Grundgesetz und die Rheinland-Pfälzische Verfassung kennen überhaupt keine solche Norm. 32 Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 55 Rn. 3; Hedergott, Niedersachsen, S. 10; Barschell Gebel, SHLS, Art. 21 Anm. C V 1; Lutz, Geschäftsregierung, S. 23. 33 Geller I Kleinrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 3 a; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 55 Rn. 4. 34 Zum Adressaten: Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 2; Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 8; Barscheil Gebel, SHLS, Art. 21 Anm. C V 1; Geller I K1einrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 3 a. 35 NdsLT, Drucks. 11/1205; III1l2; II1/203; V/543; V/547; IXl2548; X1/3149; X1/3174; auch NdsLT, StenBer. IXl49, Sp. 6265.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
I. Die Problematik des Art. 20 IV bei einem Rücktritt Diese Formulierungen werfen Fragen auf, die lediglich deswegen noch nicht aktuell geworden sind, weil sich im Falle eines Rücktritts bisher alle Beteiligten einig gewesen sind: Wenn der Ministerpräsident in der Unterrichtung davon spricht, der Minister sei gemäß Art. 24 I der Verfassung zurückgetreten, so deutet das an, der Minister habe von seinem Recht, das Amt aufzugeben, Gebrauch gemacht. Er allein habe hierüber entschieden und amtiere auch schon nicht mehr. Jedenfalls ist nach dieser Formulierung weder die Mitwirkung des Landtags noch des Ministerpräsidenten erforderlich. Wenn dagegen im gleichen Satz davon die Rede ist, der Minister habe um seine Entlassung nachgesucht, so wird angedeutet, daß der Minister allein gar nicht aus dem Amt scheiden könne, hierfür vielmehr die Mitwirkung des Ministerpräsidenten erforderlich sei. Dies wird noch unterstützt, wenn weiter ausgeführt wird, der Ministerpräsident habe diesem Gesuch entsprochen und den Minister entlassen. Die beiden angedeuteten Möglichkeiten können aber nicht nebeneinander stehen und gleichzeitig Anwendung finden; sie schließen sich vielmehr aus. Insoweit sind die Unterrichtungen des Landtages über einen Ministerrücktritt widersprüchlich. Weiter verkompliziert wird die Situation durch möglicherweise bestehende Mitwirkungsrechte des Landtags. Eine Ministerentlassung durch den Ministerpräsidenten bedarf nach Art. 20 IV der Zustimmung des Landtags. Und wenn der Ministerpräsident einem Entlassungsgesuch nachkommt, so entläßt er. Die Wirksamkeit dieser Entlassung hängt, so scheint es, von der Zustimmung des Landtages gemäß Art. 20 IV ab. Zumindest möglich erscheint die Auslegung, daß für einen Ministerrücktritt nach Art. 24 I hingegen bereits die Rücktrittserklärung des Ministers ausreicht,36 um aus dem Amt zu scheiden. Eine Entlassung und damit auch eine Zustimmung zu dieser Entlassung könnte nicht erforderlich sein. Die Formulierungen in den Mitteilungen des Ministerpräsidenten an den Landtag sind also in sich widersprüchlich. Dem entspricht es dann nur, wenn auch das Verhalten des Landtags keine gerade Linie aufweist. Nahm er in der Zweiten Legislaturperiode die Demission des Justizministers Krapp (Zentrum) lediglich zur Kenntnis3?, so fand er es in der Dritten und Fünften Wahlperiode offenbar erforderlich, die Rücktritte der Minister zu bestätigen38 . 36 Rothsprach, in: Parlamentarisches Leben in Niedersachsen, S. 5 (24) berichtet von einer Meinungsverschiedenheit zwischen Landtag und Landesregierung in dieser Frage. 37 NdsLT, StenBer. II160, Sp. 3761.
B. Der Rücktritt eines Ministers
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Einen Sonderfall stellt der Rücktritt des Justizministers Puvogel (CDU) am 4. April 197839 dar, da dieser dem Minderheitskabinett Albrecht (CDU) angehörte, das gemäß Art. 21, also ohne Bestätigung des Landtages, ins Amt gekommen war; denn dann erfolgt auch eine Ministerentlassung durch den Ministerpräsidenten ohne Mitwirkung des Landtages. In der Neunten Wahlperiode kam man dann zur ursprünglichen Praxis zurück und begnügte sich damit, einen Rücktritt zur Kenntnis zu nehmen4o . Anders als die Zustimmungen in der Dritten und Fünften Wahlperiode, die als eigene Tagesordnungspunkte geführt wurden, werden die entsprechenden bloßen Mitteilungen zwecks Kenntnisnahme vor Eintritt in die Tagesordnung einer Landtagssitzung bekanntgegeben. 41
11. Zur Lösung Eine Klärung der Verfassungs lage ist angesichts der widersprüchlichen Handhabung offenbar erforderlich. Als Frage formuliert bedeutet dies: Kann ein Minister nach Art. 24 lohne Mitwirkung des Ministerpräsidenten oder des Landtages wirksam zurücktreten? Mit der Antwort hierauf ist auch entschieden, welche der beiden in den Unterrichtungen des Landtages gewählten Formulierungen der Verfassung entspricht, wenn ein Minister seinen Rücktritt erklärt. Die Verfassung gibt den Ministern ein jederzeitiges Rücktrittsrecht, d. h. es liegt in ihrem Ermessen, ob und wann sie ihr Amt niederlegen. Dieses Recht könnte allzu leicht untergraben oder wesentlich behindert werden, hätten der Ministerpräsident und/oder der Landtag irgendwelche Mitwirkungsrechte. Ein Vergleich zwischen Art. 24 I und Art. 20 IV zeigt, daß die Verfassung zwischen Rücktritt und Entlassung differenziert. 42 Wäre der Rücktritt an eine Entlassung durch den Ministerpräsidenten gebunden, so wäre auch die Zustimmung des Landtags erforderlich. Der Minister könnte also gegen seinen Willen im Amt gehalten werden,43 was nach allgemeinen, auch in Niedersachsen gültigen Grundsätzen zu verhindern ist. Der Wortlaut beider Normen ist unterschiedlich: Art. 20 IV spricht von Entlassung und erfaßt damit den Fall des Art. 24 I gerade nicht. Das wird auch dadurch verdeutlicht, daß letzterer den Rücktritt des Ministerpräsiden38 NdsLT, StenBer. III/4, Sp. 72 (Schlüter [F.D.P.]); III/14, Sp. 636f. (Tantzen [F.D.P.)); V/24, Sp. 1614 (Häft [SPD)); V/45, Sp. 3439f. (Mühlenfeld, Graaff, v. Nottbeck, Eilers [alle F.D.P.)). 39 NdsLT, Tätigkeitsbericht VIII, S. 8. 40 NdsLT, StenBer. IX/47, Sp. 6265; IX/62, Sp. 8168. 41 Vgl. die Protokolle der in den vorangegangenen Fußnoten genannten Sitzungen. 42 Anders offenbar H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (84); Dronsch, in: Korte / Rebe, Verfassung, S. 256. 43 Wie H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (84) im Ergebnis annimmt.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
ten und der Minister in einem Atemzug nennt. Ein Rücktritt des Ministerpräsidenten bedarf keinesfalls einer Zustimmung des Landtags. 44 Ebenso steht ein Minister beim Rücktritt - anders als bei der Bestellung und Abberufung von Regierungsmitgliedern auf Initiative des Ministerpräsidenten - vor seiner alleinigen, von anderen unabhängigen Entscheidung. 45 Insofern gilt gleiches wie beim Ministerpräsidenten. Das Zustimmungserfordernis würde hier seinen Sinn, nämlich den Ministerpräsidenten in seiner Personalpolitik zu kontrollieren und zu beschränken, nicht gerecht werden und statt dessen die persönliche Entschließungsfreiheit der Minister einengen. Denn Art. 24 I zeigt deutlich, daß der Ministerpräsident keine Möglichkeit haben soll, seine Kabinettsmitglieder gegen ihren Willen im Amt zu halten. Daraus folgt auch, daß ein Rücktritt nicht erst mit Aushändigung der Entlassungsurkunde wirksam wird, wie § 3 Satz 2 NdsMinG anordnet, sondern bereits mit dem Zugang der Rücktrittserklärung an den Ministerpräsidenten46 . Bei anderer Beurteilung hätte es der Regierungschef in der Hand, einen amtsmüden Minister im Amt zu halten,47 bis ihm ein Ausscheiden besonders günstig erscheint oder jedenfalls ein Abtreten in besonders ungünstig erscheinenden Situationen zu verhindern. 48 Ist der Anlaß für einen Ministerrücktritt so bedeutend, daß der Minister - aus welchen Gründen auch immer - nicht bereit oder in der Lage ist, in der Regierung weiterhin mitzuarbeiten (z. B. bis ein Nachfolger gefunden ist), so muß ihm der Rücktritt offenstehen. Die Aushändigung der Entlassungsurkunde hat im Falle eines Rücktritts entgegen dem Wortlaut des Ministergesetzes ausnahmsweise nicht konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung,49 da die Rechtsfolge des Rücktritts sich bereits aus der Verfassung selbst ergibt. Der zurückgetretene Minister braucht nicht länger als von der Verfassung vorgesehen im Amt zu bleiben. Dieses Ergebnis wird auch durch einen Vergleich mit dem Grundgesetz erhärtet. Denn die Bundesverfassung kennt keinen Satz wie Art. 24 I NdsVerf., sondern bestimmt, daß die Bundesminister auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten entlassen werden. Dadurch wird das Insoweit übereinstimmend H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (84). Anders für Bayern Nawiasky, in: Nawiasky I Leusser, BayVerf., Teil III 6, S. 19, der zwar anscheinend dem Fehlen eines ausdrücklich erwähnten Rücktrittsrechts in der BayVerf. Rechnung trägt; doch der Grundsatz, daß niemand zum Verbleib im Amt gezwungen werden darf (oben B vor I) dürfte allgemein und ohne ausdrückliche Festlegung im Verfassungstext gelten. 46 Zum Adressaten oben B vor I. 47 Süsterhenn I Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 4. 48 Die Bedeutung taktischer Fragen für die Entscheidung über den Zeitpunkt einer Ministerentlassung betont Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 64 Rn. SI. 49 Geiler I Kleinrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Rn. 3 a; a.A. die h.M.: H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (84); Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 8; Süsterhenn I Schäfer, RhPfVerf., Art. 98 Anm. 4; Landsberg I Götz, BerlVerf., Art. 41 Anm. 4, alle ohne Begründung. 44
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B. Der Rücktritt eines Ministers
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Bestreben des Grundgesetzes deutlich, keinen Rücktritt aufgrund alleiniger Entscheidung eines Ministers zuzulassen, sondern jedes Ausscheiden eines Bundesministers - eben auch den Rücktritt - an das Zusammenwirken von Bundeskanzler und Bundespräsident zu binden. Ein Bundesminister kann also den Zeitpunkt seines Ausscheidens nicht wie ein Landesminister in Niedersachsen selbst bestimmen, sondern nur ein Rücktrittsgesuch stellen,50 dem dann allerdings nachzukommen ist. 51 Diese Verfassungslage im Bund mag zu den unglücklichen Formulierungen der Ministerpräsidenten in der niedersächsischen Staatspraxis beigetragen haben. Nun ist aber nicht auszuschließen, daß ein amtierender niedersächsischer Minister um seine Entlassung nachsucht. Dieses Gesuch ist dann auszulegen. Wird es im Zusammenhang mit Formulierungen wie "Rücktritt nach Art. 24 I" oder ähnlichen Ausführungen gestellt, so ist nur eine Auslegung zulässig: Der Minister beruft sich auf die Rücktrittsmöglichkeit, die die Verfassung ausdrücklich nennt. Überhaupt wird man in Zweifelsfällen bei der Auslegung einer Erklärung über den Rücktritt von der Rechtsfolge auszugehen haben, wie sie die Verfassung vorsieht. Das aber ist die Möglichkeit des mit Zugang beim Ministerpräsidenten wirksamen Rücktritts nach Art. 24 I NdsVerf. Soll hiervon im Rahmen des Zulässigen abgewichen werden, ist das unmißverständlich deutlich zu machen. Auf mögliche Auslegungsalternativen wird sogleich im Zusammenhang mit der Rücktrittsangebot einzugehen sein. Auf den ersten Blick mag es befremdlich wirken, daß der Rücktritt eines Ministers nach Art. 24 I unmittelbar mit Zugang an den Ministerpräsidenten wirksam werden SOll.52 Denn der zurückgetretene Minister ist nach Art. 24 IV verpflichtet, die Geschäfte bis zu Übernahme durch einen Nachfolger weiterzuführen. Er wird also trotz der sofortigen Wirksamkeit seines Rücktritts noch einige Zeit geschäftsführend im Amt gehalten, obwohl der Minister für Bürger und Landtag sichtbar erklärt, er wolle aus der Regierung ausscheiden. Dieses faktische Moment und die Formulierung des Art. 24 I, der dem Willen des Ministers rechtlich besonderes Gewicht verleiht, ergeben aber für den Ministerpräsidenten die Pflicht, sich um einen Nachfolger, der auch die Zustimmung des Landtages erhält, zu bemühen. Der damit angesprochenen Verpflichtung wird er im allgemeinen schon aus praktischen Gesichtspunkten nachkommen, um einer homogenen Regierung vorzustehen. Diesem Bedürfnis wird auch in der Praxis Rechnung getragen; denn regelmäßig führt nicht der Ausscheidende, sondern der Ministerpräsident selbst vorerst die 50 Diesen Unterschied zum GG übersieht Dronsch, in: Korte / Rebe, Verfassung, S. 256 bei Fn. SI. 51 Dazu Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 64 Rn. 6; Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 64 Rn. 8a; H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 64 Rn. 6, der - deutlicher - von "Entlassungsverlangen" spricht; a.A. Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 64 Rn. SI. 52 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 64 Rn. 51 Fn. 17.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
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Geschäfte des betroffenen Ministeriums weiter ,53 falls nicht sofort ein Nachfolger zur Verfügung steht. Der Zurückgetretene dagegen wird überhaupt nicht mehr geschäftsführend tätig,54 oder aber allenfalls in der überaus kurzen Phase zwischen Zugang der Rücktrittserklärung an den Ministerpräsidenten und der Übernahme der Geschäfte durch diesen, was praktisch keinen Unterschied machen dürfte. Zusammenfassend ergibt sich folgendes: Ein zurückgetretener Minister ist nicht mehr als vollwertiger Minister, sondern nur noch geschäftsführend im Amt, wenn seine Rücktrittserklärung dem Ministerpräsidenten zugegangen ist. Aus § 3 Satz 2 NdsMinG ergibt sich zwar nicht der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Rücktritts, wohl aber der Anspruch auf Aushändigung einer Urkunde über das Ausscheiden aus dem Amt, wenn sie auch nur deklaratorisch wirkt. Der Landtag braucht dem Rücktritt eines Ministers nicht zuzustimmen, insbesondere steht eine Verweigerung der Zustimmung der Wirksamkeit des Rücktritts nicht entgegen. Dem sollte, schon aus Gründen der Rechtsklarheit, auch weiterhin dadurch Rechnung getragen werden, daß die Zustimmung unterbleibt, eine entsprechende Abstimmung gar nicht erst vorgenommen wird. Allerdings fordert die Verfassung eine Unterrichtung des Landtags über einen Ministerrücktritt durch den Ministerpräsidenten, da das Parlament über personelle Änderungen in der Regierung informiert sein muß, um seinen Aufgaben nachkommen zu können.
c.
Rücktrittsangebot und Rücktrittsgesuch
Es kommt vor, daß ein Minister dem Regierungschef seinen Rücktritt anbietet, ein sog. Rücktrittsangebot macht. Dies geschieht häufig widerwillig,55 manchmal auf Druck von außen oder auch aus besserer Einsicht. Auf Rücktrittsangebote geht die staatsrechtliche Literatur kaum ein, wohl weil man allgemein der Ansicht ist, dieses Angebot berge keine rechtlichen Probleme, da es keine Rechtsfolgen auslöse;56 es sei allein in das Ermessen des Regierungschefs gestellt, ob er den Betreffenden entlasse oder nicht.57 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Das Ausscheiden aus dem Amt beruht auf der Entlassung, die dem Ministerpräsidenten durch das Rücktrittsangebot So NdsLT, Tätigkeitsbericht III, S. 7; V, S. 7; VIII, S. 6 unten. NdsLT, Tätigkeitsbericht III, S. 7; V, S. 7; VIII, S. 8; IX, S. 6. 55 Lutz, Geschäftsregierung, S. 28. 56 Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 2; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 55 Rn. ·k Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 3 a; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 64 Rn. 51. 57 Schenke, in: Bonner Komm. (Zweitbearbeitung), Art. 64 Rn. 38; H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 64 Rn. 6; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 64 Rn. 51. 53
54
C. Rücktrittsangebot und Rücktrittsgesuch
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nahegelegt wird. Jedoch ist auf eine Gefahr hinzuweisen, die sich aus dem Gebrauch des Wortes "Rücktritts-" angebot ergibt. Denn der Ministerpräsident kann immer nur so frei in seiner Entscheidung über den Verbleib eines Regierungsmitgliedes sein, wie er es ohne ein solchen Angebot wäre. Und da er für eine Entlassung die Zustimmung des Landtags braucht, ist sie auch für Entlassungen auf ein Rücktrittsangebot des Ministers hin erforderlich. Das ist vor allem in solchen Fällen relevant, in denen der Ministerpräsident den Minister entlassen will, der Landtag hingegen meint, der Minister könne und solle trotz eines vorausgegangenen Fehlverhaltens, das vielleicht den Anlaß für das Rücktrittsangebot gegeben hatte, weiter im Amt bleiben. Die Gefahr, daß der Ministerpräsident versucht, den Landtag in solchen Fällen zu übergehen, ist zwar gering, doch bietet ein Fall aus Hessen, wo die Rechtslage ähnlich wie in Niedersachsen ist ,58 Anlaß zur Erörterung: Dort hatte Anfang 1987 der Minister Fischer (DIE GRÜNEN) auf einer Parteiveranstaltung indirekt gesagt, er biete dem Ministerpräsidenten Börner (SPD) seinen Rücktritt an. 59 Dieser entließ den Minister daraufhin mit dem Bemerken, er nehme das Angebot an. Um eine Zustimmung des Landtags, wie sie nach Art. 112 HessVerf. bei der Abberufung eines Ministers erforderlich ist, wurde weder nachgesucht noch wurde sie erteilt. Die bloß politische Bedeutung - und womöglich mangelnde Ernstlichkeit des Rücktrittsangebots wurde in diesem Fall noch durch die äußeren Umstände (Parteiveranstaltung) verdeutlicht. Der Ministerpräsident war nicht unmittelbarer Adressat der Erklärung des Ministers, mag dessen Wortwahl auch einen anderen Eindruck erweckt haben. Er war nicht auf diesem Parteitag zugegen, sondern hat über Dritte vom "Rücktrittsangebot" erfahren. Man mag dieses Verhalten politisch bewerten wie man will: Als geschickten Schachzug, um aus der eigentlich ungeliebten Koalition der SPD mit den GRÜNEN herauszukommen oder als ungewollter Anfang vom Ende der SPD-Regierungszeit in Hessen. Darauf kommt es hier nicht an. Verfassungsrechtlich wäre ein solches Verhalten in Niedersachsen (und war es in Hessen), jedenfalls unzulässig. Hier wird der Landtag in seiner Kompetenz beeinträchtigt, Personalentscheidungen des Ministerpräsidenten zu kontrollieren und ggfs. zu unterbinden. Es handelt sich um einen ganz typischen Fall, in dem der Sinn des Art. 20 IV NdsVerf. (bzw. des Art. 112 HessVerf.) eine Mitwirkung des Landtags fordert; für solche Fälle sind die Normen geradezu geschaffen. Diese verfassungsrechtliche Kompetenz entfällt nicht, weil ein Minister ein Rücktrittsangebot macht, wobei es letztlich unerheblich ist, auf welchem Wege dieses Angebot dem Ministerpräsidenten zugeht.
58 59
Art. 112, 113 HessVerf. AdG 1987, 30878 (30880) bei Fn. 3.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
Allerdings wird man die fehlende Zustimmung des Landtags dann als geheilt ansehen können, wenn er der Berufung eines Nachfolgers zustimmt. Denn durch diese Bestätigung erkennt der Landtag an, daß das Ressort des Ministers, der neu ernannt wird, vakant war, und er mit der neuen Besetzung einverstanden ist. Läge ihm an einem weiteren Amtieren des bisherigen Amtsinhabers, so könnte der Landtag dem durch die Versagung der Zustimmung nach der Neuberufung Ausdruck verleihen. Gegen eine solche Heilung kann nicht etwa angeführt werden, daß der Landtag nicht wissen könne, ob der neue Minister den alten ersetzen oder aber zusätzlich ins Kabinett einrücken soll- neben einem noch zu berufenden Nachfolger für den zurückgetretenen Minister. Denn die Minister müssen in Niedersachsen für ein bestimmtes Ressort berufen werden,60 so daß sich aus der Berufung schon ergibt, ob jemand Nachfolger für den aufgrund des Rücktritts angebotes entlassenen Minister ist oder nicht. Solche Zweifel entstünden nämlich nur, wenn die Berufungen nicht für ein konkretes Amt erfolgen müßten. Denn dann wäre für den Landtag nicht ohne weiteres erkennbar, ob ein zusätzlicher Minister in die Regierung aufgenommen werden oder aber nur Ersatz für den - wenn auch nicht wirksam - entlassenen Minister geschaffen werden soll. Doch greift dieses Bedenken auch, solange die Praxis Bestätigungen ohne einen Bezug zur Ressortverteilung akzeptiert. Denn allein der Landtag muß entscheiden können, ob er eine Heilung der fehlenden Zustimmung zur Ministerentlassung akzeptieren will. Hier können schließlich auch Fragen der Machtverhältnisse zwischen Regierung und Parlament berührt werden, die u. U. dazu führen, daß sich der Landtag einmal gegen den Ministerpräsidenten stellt. Das oben bereits angesprochenen Rücktrittsgesuch, das die Verfassung ausdrücklich nicht nennt, ist als eine Aufforderung zur Entlassung anzusehen, wobei der Auffordernde es wie beim Rücktrittsangebot in das Belieben des Regierungschefs stellt, über die Entlassung zu entscheiden. Lediglich die Form des Gesuchs ist stärker als bei einem bloßen Angebot. Es entspricht eher dem Willen des Ministers als ein Rücktrittsangebot, das eher auf Druck von außen abgegeben werden wird. Ein Rücktrittsgesuch steht insofern zwischen dem Rücktrittsangebot und dem Rücktritt nach Art. 24 I, als der Minister zum Ausdruck bringt, er möchte - vielleicht aus dringenden privaten Gründen oder um künftig in einem Wirtschaftsunternehmen zu arbeiten - entlassen werden. Trotzdem will er aber dem Ministerpräsidenten und dem Landtag die Möglichkeit lassen, dem Wunsch nach weiterer Zusammenarbeit Ausdruck zu verleihen, damit er sich diesem unterwerfen kann. Wie nach einem Rücktrittsangebot muß auch hier eine Entlassung mit allen daran anknüpfen60
Oben im 1. Teil unter B 11 2.
D. Die Ministeranklage
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den Erfordernissen (Art. 20 Abs. 4) erfolgen, damit der Minister aus dem Amt scheiden kann. Das Rücktrittsgesuch ist also anders zu bewerten als unter der Geltung des Grundgesetzes, das die Möglichkeit des sofort wirksamen Rücktritts eines Ministers nicht kennt.
D. Die Ministeranklage Eine weitere Möglichkeit, aus dem Amt zu scheiden, findet sich für die Regierungsmitglieder, also für den Ministerpräsidenten und die Minister, in Art. 31 NdsVerf. Der Landtag ist hier zwar nur durch die Einleitung des Verfahrens beteiligt, nichtsdestoweniger ist die damit angesprochene Ministeranklage im Rahmen einer Untersuchung über das Verhältnis von Regierung und Parlament zu erwähnen. Allein der Einleitung eines solchen Verfahrens vor dem Staatsgerichtshof muß angesichts der seltenen Inanspruchnahme eine zumindest politisch weitreichende Bedeutung zugesprochen werden. Die Ministeranklage wurde im konstitutionellen Zeitalter, als die Regierungen noch nicht parlamentarisch verantwortlich waren, entwickelt.! Sie gab der Volksvertretung immerhin eine gewisse Möglichkeit bei ganz besonders schweren Verstößen - namentlich solchen gegen die Verfassung - einen Minister aus dem Amt zu entfernen2 oder wenigstens Druck auf den Monarchen auszuüben, damit dieser den Minister entlasse. 3 Doch weder bis 19194 noch unter der Weimarer Reichsverfassung,5 die die Ministeranklage übernahm und auf den Reichspräsidenten ausdehnte, noch unter den geltenden Landesverfassungen 6 erlangte die Anklage praktische Bedeutung.? Eine Verurteilung ist erst recht nicht bekannt,8 doch gewinnt Art. 31 NdsVerf. einen aktuellen 1 Einen umfassenden Überblick geben Freund, in: LVerfGbk II, S. 307 (316ff.) u. Scholzen, Begriff, S. 29ff.; vgl. auch die Aufstellung bei Scheuner, in: BVerfG und GG I, 1 (32 Fn. 111). 2 Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 57 Rn. 1. 3 Drath, VVDStRL 9 (1952), 17 (26); Braun, BWVerf., Art. 57 Rn. 2. 4 Einen jedenfalls annähernd vollständigen Überblick über die Verfahren gibt Hake, in: LVerfGbk I, S. 25 (63); v. Bieberstein, in: HdBDStR 1,520 (523 Fn. 8) spricht von zehn Verfahren. S Nach Apelt, Geschichte, S. 281 u. Hake, in: LVerfGbk I, S. 25 (89) fand kein Verfahren nach Art. 59 WRV statt. 6 Folgende Landesverfassungen haben die Möglichkeit der Ministeranklage übernommen: Art. 57 BWVerf.; Art. 59 BayVerf.; Art. 111 BremVerf.; Art. 115 Hess Verf.; Art. 63 NWVerf.; Art. 131 RhPfVerf.; Art. 94 SaariVerf. Die Verfassungen der Bundesländer Hamburg, Berlin und Schleswig-Holstein kennen sie ebensowenig wie das Grundgesetz, das aber in Art. 61 ein ähnliches Verfahren, die Anklage des Bundespräsidenten, kennt. 7 In Baden-Württemberg und Hessen sind Versuche, die Ministeranklage zu erheben, bereits im Landtag gescheitert, vgl. Braun, BWVerf., Art. 57 Rn. 4; Groß, in: Zinn I Stein, HessVerf., Art. 115 Anm. 2. 8 v. Bieberstein, in: HdBDStR 1,520 (523 Fn. 8).
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2. Teil: Die Regierung im Amt
Bezug dadurch, daß Mitte 1987 bei der SPD-Opposition im Niedersächsischen Landtag Überlegungen im Gange waren, den Ministerpräsidenten Albrecht (CDU) wegen eines Gesetzesverstoßes anzuklagen bzw. einen auf die Ministeranklage gerichteten Antrag im Landtag einzubringen. 9 Auf diese Weise sollten die Vorgänge um einen schon Jahre zurückliegenden Sprengstoffanschlag auf eine Celler Gefängnismauer geklärt werden, von dem behauptet wird, er sei unter Mithilfe staatlicher Organe durchgeführt worden, um gewisse Vorteile in der Terroristenfahndung zu erlangen. Das Vorhaben der Opposition ist fallengelassen worden, diente aber jedenfalls als politische Drohgebärde.
I. Voraussetzungen Die Verwendung des Begriffes "Ministeranklage" ist ein wenig irreführend, weil auch der Ministerpräsident, nicht nur die Minister vor dem Staatsgerichtshof angeklagt werden können. Erklärt der Staatsgerichtshof einen Ministerpräsidenten seines Amtes für verlustig, so sind die Folgen sogar wesentlich weitreichender, als wenn dasselbe einem Minister widerfährt, da in diesem Fall gemäß Art. 24 III NdsVerf. der Rücktritt der gesamten Landesregierung fingiert wird. Trotzdem soll auch im folgenden von der Ministeranklage gesprochen werden, da dies sich im Laufe der Entwicklung so eingebürgert hat und auch allgemein verstanden wird. Sie bezieht sich ja auch in besonderer Weise auf die Minister, weshalb sie auch bereits an dieser Stelle und nicht erst im Zusammenhang mit dem Ende der Regierung behandelt wird. Die Anklage setzt den Vorwurf einer Verfassungs- oder Gesetzesverletzung voraus. Häufig kann man lesen, daß mit "Verfassung" in Art. 31 I NdsVerf. sowohl die Landesverfassung als auch das Grundgesetz gemeint sei,1O was mit einem engen Bezug der Anklage zu dem nach Art. 22 NdsVerf. geleisteten Eid begründet wird." Diese Verbindung soll nicht grundsätzlich geleugnet werden. Schließlich verpflichten sich die Regierungsmitglieder, neben der Niedersächsischen Verfassung und den Gesetzen auch das Grundgesetz zu wahren und zu verteidigen. Mit dem Hinweis auf den Eid ist die Frage, ob eine Ministeranklage auf einen Verstoß gegen das Grundgesetz gestützt werden kann, aber noch nicht entschieden. Denn gerade die Eidesformel trennt auch zwischen der Niedersächsischen Verfassung und dem Grundgesetz, indem sie beide nebeneinander nennt. Und die Zulässigkeit einer Ministeranklage ergibt sich nicht aus Art. 22 NdsVerf., der den Eid betrifft, sondern eben aus Art. 31. Überhaupt ist der Eid als solcher nicht geeignet, selbständig Pflichten Spoo, FR v. 8. 8. 1987, S. 4. Dronsch, in: Kürte I Rebe, Verfassung, S. 285; Weis, Regierungswechsel, S. 179; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 57 Rn. 4. 11 Dronsch, in: Kürte I Rebe, Verfassung, S. 285. 9
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D. Die Ministeranklage
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zu begründen. 12 Noch deutlicher wird die Trennung zwischen Eidesformel und Ministeranklage dann in § 21 I Buchstabe b NdsStGHG, der von der Verletzung der Verfassung oder eines anderen Landesgesetzes spricht, das Grundgesetz also nicht erwähnt. Ganz klar zeigt sich diese Trennung schließlich auch in § 28 11 1 NdsStGHG, der ausdrücklich nur die Landesverfassung 13 und Landesgesetze nennt. Richtigerweise ist zu differenzieren. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß die Landesverfassungen nicht allein aus ihrem Text bestehen, sondern das Grundgesetz auf sie einwirkt. 14 Solche Artikel oder allgemeine Grundsätze, die über das Grundgesetz in die Niedersächsische Verfassung einfließen,!5 sind deren Bestandteil. Ihre Verletzung kann demgemäß auch Grundlage für eine Ministeranklage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof sein 16 - als Landesverfassungsrecht. Sie durchbrechen dann gleichsam den strikten Kreis, der die jeweiligen Verfassungsbereiche und damit auch Verfassungsgerichtsbarkeiten trennt!? und erlauben ausnahmsweise eine Beschäftigung des Niedersächsischen (Landes-) Staatsgerichtshofes mit Normen des Grundgesetzes. Eine über diesen Einfluß der Bundesverfassung hinausgehende Beurteilung der Verletzung des Grundgesetzes durch einen Landesminister steht dem Staatsgerichtshof nicht ZU. 18 Eine andere Auslegung des Art. 31 NdsVerf. würde auch zu Schwierigkeiten führen, da eine Ausdehnung auf Verletzungen der Verfassungen und womöglich sogar der Gesetze anderer Bundesländer durchaus denkbar, vielleicht gar konsequent wäre. In einem solchen Fall kann aber eine Geltendmachung der Verantwortlichkeit unstreitig lediglich auf politischem Wege über den Ministerpräsidenten erreicht werden. Damit ergibt sich zugleich auch, daß die Ministeranklage nicht auf die Verletzung von Bundesgesetzen gestützt werden kann;19 insofern findet sich also in §§ 21 I Buchstabe b, 28 11 1 NdsStGHG eine KlarsteIlung, die auch in 12 Vgl. nur Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 64 Rn. 30; Liesegang, in: v. Münch, GGK H, Art. 64 Rn. 13. 13 Entsprechend auch § 7 I BremStGHG. 14 BVerfGE 1, 208 (232); 27,44 (55). 15 Vgl. dazu BVerfGE 1,208 (233), wo der Versuch einer Auflistung unternommen wird. 16 So auch Neumann, NdsVerf. (1. Aufl.), Art. 31 Anm.3; anders dann ders., NdsVerf. (2. Aufl.), Art. 31 Rn. 1. 17 Zu der Selbständigkeit der jeweiligen Verfassungsbereiche und Verfassungsgerichtsbarkeiten vgl. BVerfGE 4,178 (189); 6, 376 (38lf.); 22, 267 (270); 41, 88 (118f.); 60,175 (209); Friesenhahn, in: BVerfG und GG I, 748 (768). 18 Wie hier Drath, VVDStRL 9 (1952), 17 (29); wohl auch Geiler / Kleinrahm / Fleck, NWVerf., Art. 63 Anm. 4 a aa: "verfassungsmäßige Ordnung". 19 Anders die h.M.: Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 57 Rn. 4; Freund, in: LVerfGbk H. S. 307 (334); Weis, Regierungswechsel, S. 179; Vogels, NWVerf., Art. 63 Anm. 3; Scholzen, Begriff, S. 75.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
anderen Ländern wünschenswert wäre, aber meist fehlt. 2o Angesichts der in der Entstehungsgeschichte erkennbaren Tendenz, die Verletzung einfacher Gesetze aus Art. 31 NdsVerf. völlig herauszunehmen,21 kann - wie bei Art. 59 WRV als Vorgängernorm - nur die Verletzung formellen, nicht bloß materiellen Rechts gemeint sein. 22 Vergleicht man die niedersächsische Regelung der Ministeranklage mit denen anderer Landesverfassungen, so erscheint sie bemerkenswert deutlich und klar. Nicht nur, daß lediglich vorsätzliche Verletzungen von Art. 31 NdsVerf. erfaßt werden,23 also die häufig schwierige, aber nach einigen Landesverfassungen dennoch erforderliche Abgrenzung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit24 entfällt. Die Niedersächsische Verfassung verlangt weiterhin ausdrücklich, daß die Verfassungs- oder Gesetzesverletzung während der Amtsausübung, also nicht im Privatbereich des Ministers, geschehen muß.25 Auch dies erleichtert die Auslegung der Norm. Durch besondere Weite und Unschärfe zeichnet sich demgegenüber Art. 131 RhPfVerf. aus, der eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Wohlfahrt des Landes neben Verfassungs- und Gesetzesverletzungen stellt,26 schon diese Gefährdung damit zum möglichen Gegenstand einer Ministeranklage erhebt. Auch die niedersächsische Regelung ist jedoch nicht frei von Zweifelsfragen. So ist fraglich, ob die nach Art. 31 NdsVerf. erforderliche Rechtsverletzung erheblich oder jedenfalls von besonderem politischem Gewicht 27 sein 20 §§ 30ff. BWStGHG; Art. 24ff. BayVerfGHG; §§ 25ff. HessStGHG; §§ 35ff. NWVerfGHG; §§ 29ff. RhPfVerfGHG; §§ 28ff. SaarlStGHG. 21 Vgl. Materialien I, S. 163f.; abschließend Abg. Hofmeister (CDU) als Berichterstatter des Redaktionsausschusses, Materialien I, S. 572. 22 Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 57 Rn. 4; Braun, BWVerf., Art. 57 Rn. 9; vgl. auch Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 61 Rn. 15; a.A. Neumann, NdsVerf., Art. 31 Rn. 1; Geiler / Kleinrahm / Fleck, NWVerf., Art. 63 Anm. 4 a bb. 23 Dazu auch Spitta, BremVerf., Art. 111, S. 215; zum Vorsatz im Staatsrecht allgemein Scholzen, Begriff, S. 87ff.; wie Art. 31 I NdsVerf. insoweit allerdings auch Art. 59 BayVerf.; Art. 111 I BremVerf.; Art. 94 I SaarIVerf.; jedes Verschulden erfaßt Art. 115 I 1 HessVerf., was am Ende ähnlich klare Ergebnisse zuläßt. 24 Anders Art. 57 I BWVerf.; Art. 63 I 1 NWVerf.; Art. 131 11 RhPfVerf. 25 Dies wird auch für andere Landesverfassungen angenommen, die eine solche Vorschrift nicht kennen: Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 131 Anm. 4 a; Braun, BWVerf., Art. 57 Rn. 10; Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 115 Anm. 3; für Art. 61 GG auch Henrich, in: v. Münch, GGK H, Art. 61 Rn. 5 m.w.N.; anders Spreng / Birn / Feuchte, BWVerf., Art. 57 Anm. 3; Weis, Regierungswechsel, S. 181; entsprechend Schlaich, Bundesverfassungsgericht, S. 152 für die Anklage des Bundespräsidenten. 26 Ähnlich Dauster, Stellung, S. 293 (Fn. 505); allg. dazu Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 131 Anm. 4 b; Weis, Regierungswechsel, S. 179f. 27 So Scholzen, Begriff, S. 73 i.V.m. S. 47 m.w.N.; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 57 Rn. 4; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 61 Rn. 20; ähnliche Gedanken wurden auch im Verfassungs ausschuß geäußert: Ministerialrat Danckwerts, Materialien
D. Die Ministeranklage
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muß. Art. 31 betrifft jedoch keine politische, sondern eine staatsrechtliche Verantwortlichkeit,28 Es handelt sich bei dem Verfahren der Ministeranklage nicht um eines der Straf- oder Disziplinargerichtsbarkeit, sondern um ein staatsrechtliches,29 auch wenn der Verfahrensablauf dem eines Strafverfahren ähnelt. Eine Verfassungsverletzung von geringem Gewicht ist im übrigen gar nicht vorstellbar. Dann kann es auch nicht richtig sein, scheinbar geringfügige Verfassungsverstöße aus dem Anwendungsbereich des Art. 31 herauszunehmen. Anders mag es bei Verstößen gegen einfache Gesetze sein. Insoweit sind geringfügige Verstöße möglich, wenn man auch bedenken muß, daß nach Art. 2 II NdsVerf. die Minister an Gesetz und Recht gebunden sind, indirekt also sogar in diesem Fall eine Verfassungsverletzung vorliegt. 3o Über die rechtlichen Konsequenzen zu entscheiden aber ist Sache des Staatsgerichtshofes, dem in seinem Urteil ein gewisser Ermessensspielraum zusteht, da er die Erklärung, der Minister verliere mit dem Urteil sein Amt, aussprechen kann, nicht muß. Im Rahmen dieses Ermessens kann der Staatsgerichtshof der Bedeutung der Gesetzesverletzung Rechnung tragen. Eine Verletzung ist jedoch auch in geringfügigen Fällen gegeben, kann damit angeklagt und vom Staatsgerichtshof festgestellt werden. Nach dem Regierungsentwurf zur Verfassung sollte der Staatsgerichtshof die Verfassungs- oder Gesetzesverletzung lediglich feststellen, der Landtag sollte dann über das weitere Verbleiben des Ministers im Amt entscheiden. Dies wurde im Laufe der Beratungen mit Blick auf die Autorität des Staatsgerichtshofes und das hohe Mehrheitsquorum für die Erhebung einer Ministeranklage im Landtag geändert. 3l
I, S. 163; Abg. Diederichs (SPD), Materialien I, S. 163; auch Neumann, NdsVerf. (1. Aufl.), Art. 31 Anm. 4. 28 Referentenbegründung, Materialien H, S. 11; Scheuner, in: FS Müller, 379 (390f.); Kimminich, VVDStRL 25 (1967), 2 (77 Fn. 219); Weis, Regierungswechsel, S.184. 29 So zu Recht die ganzh.M.: Geiler I Kleinrahm I Fleck, NWVerf., An. 63 Anm. 3 c; Braun, BWVerf., Art. 57 Rn. 6; Drath, VVDStRL 9 (1952), 17 (25f.); Referentenbegründung, Materialien H, S. 11; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 57 Rn. 2; wohl auch Freund, in: LVerfGbk H, S. 307 (330f.); für das GG vgl. nur Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 61 Rn. 9f. m.w.N.; anders v. Weber, JZ 1953, 293; Friesenhahn, in: HdBDStR H, 523 (526): diese berücksichtigen nicht genügend, daß die Verletzung von Straftatbeständen neben der Verfassung steht und gesondert geltend gemacht werden kann und muß. 30 Darauf weist auch Drath, VVDStRL 9 (1952),17 (27f.) hin. 31 Vgl. dazu die Äußerungen der Abg. Böhm (F.D.P.), Hofmeister (CDU), Ellinghaus (SPD), Materialien I, S. 162; ebenso Abg. Hofmeister (CDU) als Berichterstatter des Redaktionsausschusses, Materialien I, S. 572.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
11. Verfahren Wie in allen Landesverfassungen - und im Grundgesetz die Anklage des Bundespräsidenten - ist die Einleitung des Verfahrens an erschwerte Voraussetzungen geknüpft. Nach Art. 31 I 2 i.V.m. Art. 13 11 NdsVerf. muß der Antrag auf Erhebung der Anklage von einem Drittel der Abgeordneten gestellt werden, und zwei Drittel der Abgeordneten müssen ihm zustimmen. Das bedeutet, daß nicht nur zwei Drittel der Anwesenden, sondern der gesetzlichen Mitgliederzahl zustimmen müssen, wie Art. 57 NdsVerf. zeigt. Damit ist es schwieriger, einen Minister anzuklagen, als die Verfassung zu ändern, wie ein Blick auf Art. 38 NdsVerf. beweist. Im Verfassungsausschuß wurde angeregt, die Ausübung des Anklagerechts zu erleichtern, es gar in ein Minderheitsrecht umzuwandeln. 32 Diese Bestrebungen wurden mit dem Hinweis darauf, daß Art. 31 eine rechtliche, nicht eine politische Verantwortlichkeit betreffe 33 und der Prognose, dann seien aus politischen Erwägungen so häufig Regierungsmitglieder angeklagt, daß die Arbeitsfähigkeit der Regierung leide,34 mit Recht abgelehnt. Ob deswegen gleich die allzu hohe "Zwei-Drittel-Hürde" erforderlich war, muß allerdings bezweifelt werden, da sie eine Anklage fast gänzlich illusorisch werden läßt. Die Sicherstellung der, angesichts der Bedeutung der Ministeranklage erforderlichen, sorgfältigen Überlegungen durch den Antragsteller35 ist bereits mit weniger extremen Anforderungen zu erreichen. Ist die Anklage, was nur binnen sechs Monaten nach AntragsteIlung im Landtag geschehen kann,36 erhoben, so bedarf es ebenfalls einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten, um sie zurückzunehmen. So wird gesichert, daß dies nur beim Auftreten triftiger neuer Gründe geschieht, und die Ministeranklage nicht zum Spielball taktischer Interessen Weniger wird. Denkbar erscheint der Fall, daß eine neu gebildete Koalition kein Interesse mehr an der Weiterverfolgung der Ministeranklage hat, die einen der Minister betrifft, der der bisherigen und der neuen Koalitionsregierung angehört. In solch einem Fall ist der Landtag an die einmal erhobene Anklage gebunden, es sei denn, es finden sich ebenso viele Abgeordnete, die die Anklage zurücknehmen wollen, wie sie erhoben haben, nämlich zwei Drittel aller Abgeordneten. Diese Regelung erscheint konsequent. Abg. Böhm (F.D.P.) u. Abg. Bank (DZP), Materialien I, S. 164. Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 164. 34 Abg. Diederichs (SPD), Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 165. 35 Referentenbegründung, Materialien 11, S. 1l. 36 Zum folgenden §§ 21- 28 NdsStGHG; ähnliche Normen finden sich in den Gesetzen über die Verfassungsgerichtshöfe bzw. Staatsgerichtshöfe der anderen Bundesländer: §§ 30ff. BWStGHG; Art. 24ff. BayVerfGHG; §§ 25ff. HessStGHG; §§ 35ff. NWVerfGHG; §§ 29ff. RhPfVerfGHG; §§ 28ff. SaarlStGHG; auch §§ 49ff. BVerfGG; überaus knapp § 7 BremStGHG. 32
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D. Die Ministeranklage
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Allerdings muß der betroffene Minister dieser Rücknahme zustimmen. Das wiederum entspricht dem Rechtsgedanken von Art. 31 Abs 3.37 Ein Minister soll nicht nur die Möglichkeit haben, durch eine Selbstanklage öffentlich erhobene Vorwürfe zu entkräften, sondern er soll erst recht seine "Unschuld" beweisen können, wenn ein Verfahren gegen ihn bereits eingeleitet oder auch nur ein darauf gerichteter Antrag gestellt ist. Jeder Rest eines Verdachts soll beiseite geräumt werden können, wenn der Minister das verlangt. Ein eingeleitetes Verfahren nach Art. 31 wird nicht durch das Ende der Wahlperiode - auch nicht durch die Auflösung des Landtags - verhindert. Der Grundsatz der Diskontinuität wird insoweit also durchbrochen. Der neue Landtag muß das Verfahren weiterführen, namentlich über den in der alten Legislaturperiode eingebrachten Antrag entscheiden. Ist allerdings schon Anklage erhoben, so ist ohnehin der Staatsgerichtshof allein Herr des Verfahrens. Auch durch ein Ausscheiden aus der Regierung kann ein Minister sich nicht der Anklage entziehen, wie Art. 31 11 2 klarstellt. Der Staatsgerichtshof kann den angeklagten Minister durch eine einstweilige Anordnung an der Ausübung seines Amtes hindern. § 26 NdsStGHG sieht unter bestimmten eine Voruntersuchung durch ein nicht an der Verhandlung beteiligtes Mitglied des Staatsgerichtshofes vor. Die Voruntersuchung muß stattfinden, wenn der betroffene Minister oder der Vertreter der Anklage - also nach § 21 11 bis IV NdsStGHG des Landtages - es verlangt (§ 26 I NdsStGHG). Nach Abschluß der mündlichen Verhandlung spricht das Gericht sein Urteil. In diesem wird festgestellt, ob das Regierungsmitglied die Landesverfassung oder ein Landesgesetz verletzt hat. Wird dies bejaht, kann der Staatsgerichtshof weiter den Betroffenen seines Amtes für verlustig erklären. Die Entscheidung darüber liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. 38 Erklärt der Staatsgerichtshof einen Minister seines Amtes für verlustig, so tritt der Amtsverlust mit Verkündung des Urteils ein; entscheidet der Staatsgerichtshof anders, bleibt es dem betreffenden Minister unbenommen, von sich aus zurückzutreten. Selbstverständlich hat der Ministerpräsident die Möglichkeit, den einer Verfassungs- oder Gesetzesverletzung für "schuldig" befundenen Minister - mit Zustimmung des Landtags - zu entlassen. Insoweit wird dann der politische Aspekt der Ministeranklage deutlich. Man kann annehmen, daß der faktische, politische Druck auf den Ministerpräsidenten zu stark sein wird, als daß es ihm möglich wäre, einen verurteilten und nicht seines Amtes für verlustig erklärten Minister im Kabinett zu halten. Der Landtag, der mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Anklage erhoben hat, wird sich kaum gegen eine Entlassung stellen. 37 Dazu Neumann, NdsVerf., Art. 31 Rn. 2; Dronsch, in: Kürte I Rebe, Verfassung, S. 286; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 57 Rn. 9. 38 Neumann, NdsVerf., Art. 31 Rn. 1; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 57 Rn. 8; sehr eng Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 61 Rn. 62.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
Das Ermessen des Staatsgerichtshofes bei seiner Entscheidung über den Amtsverlust des Ministers wurde erst auf Vorschlag des Redaktionsausschusses, also gegen Ende der Beratungen, in den Verfassungstext aufgenommen. Dadurch sollte der Autorität des Staatsgerichtshofes Rechnung getragen werden,39 nachdem die Konsequenzen der Feststellung einer Verfassungs- oder Gesetzesverletzung nach dem Regierungsentwurf dem Landtag überlassen werden sollte. 40 Nach dieser Regelung hätte der Staatsgerichtshof im Rahmen der Ministeranklage keine Letztentscheidungskompetenz gehabt, was seiner Bedeutung Abbruch getan hätte. Ein Ermessen des jeweiligen Landesverfassungsgerichts bzgl. der auszusprechenden Rechtsfolge nach einer erfolgreichen Ministeranklage findet sich nicht in allen Landesverfassungen. 41 Andere Verfassungsgerichte haben weniger weitgehende Kompetenzen und stellen lediglich die Verletzung der jeweiligen Verfassung oder eines Gesetzes fest. 42 Im Gegensatz dazu verlangt Art. 131 III RhPfVerf. strikt die Entlassung des für schuldig befundenen Regierungsmitglieds durch den Rheinland-Pfälzischen Verfassungs gerichtshof. Die danach weiter zulässigen Rechtsfolgen einer Verurteilung (z. B. Vermögenseinziehung, Verlust der Versorgungsansprüche oder des Wahlrechts), die im Ergebnis strafgesetzlichen Nebenfolgen nahekommen,43 sind in den anderen Landesverfassungen nicht vorgesehen 44 , so daß die Folgen der erfolgreichen Anklage in Rheinland-Pfalz besonders einschneidend sind.
III. Art. 31 im Gefüge der Verfassung Dem Institut der Ministeranklage werden "archaische Züge"45 zugeschrieben, es wird als "Residuum"46 oder als "verfassungsgeschichtliche Reminiszenz"47 bezeichnet, dem es in der parlamentarischen Demokratie an der Existenzberechtigung mangele. 39 Abg. Hofmeister (CDU) als Berichterstatter des Redaktionsausschusses, Materialien I, S. 572. 40 Art. 29 RegE; vgl. dazu die Referentenbegründung, Materialien II, S. 11; Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 163. 41 Wie in Niedersachsen Art. 57 III BWVerf.; Art. 115 HessVerf. i.V.m. § 27 II HessStGHG; Art. 63 II 1 NWVerf.; Art. 94 I 2 SaarlVerf. 42 Art. 111 BremVerf. i.V.m. § 7 I BremStGHG; Art. 59, 61 BayVerf. i.V.m. Art. 33 BayVerfGHG; dazu Schweiger, in: Nawiasky I Leusser, BayVerf., Art. 61 Rn.3f. 43 Vgl. nur § 45, § 68 b Nm. 1,4, 8, §§ 74ff. StGB. 44 Siehe allerdings § 27 II HessStGHG. 45 Scheuner, in: FS Müller, 379 (389); zustimmend Dronsch, in: Korte I Rebe, Verfassung, S. 287. 46 H.-P. Schneider, in: NdsStVwR, S. 44 (81); Schmitt, Hüter, S. 28. 47 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 161.
D. Die Ministeranklage
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Damit wird zum einen auf die Herkunft der Ministeranklage verwiesen, die ihr eine ganz bestimmte Funktion zuwies,48 und es wird erläutert, daß diese spezielle Funktion heute nicht (mehr?) von der Ministeranklage erfüllt wird. 49 Denn die Möglichkeiten, die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung auf politischem Wege geltend zu machen, sind erheblich praktikabler als die Durchsetzung der in Art. 31 zum Ausdruck kommenden staatsrechtlichen Verantwortlichkeit. So kann der Ministerpräsident von der Mehrheit der Abgeordneten durch einen anderen ersetzt werden. Dieses konstruktive Mißtrauensvotum ist nicht nur an weniger strenge Mehrheitserfordernisse gebunden, sondern ist auch binnen kürzerer Frist - in Niedersachsen in gut drei Wochen - durchgeführt. Denn das Verfahren einer Ministeranklage nimmt doch wesentlich mehr Zeit in Anspruch: § 22 NdsStGHG verlangt lediglich, daß die Anklage binnen sechs Monaten nach der darauf gerichteten AntragsteIlung im Landtag erhoben werden muß. Zwar kann dies auch früher geschehen. Doch selbst dann wird meist eine Voruntersuchung durch ein Mitglied des Staatsgerichtshofes durchgeführt werden, bevor die mündliche Verhandlung stattfinden kann. In der mündlichen Verhandlung werden womöglich umfangreiche Beweisaufnahmen erforderlich sein, und nach Schluß der Verhandlung wird noch einige Zeit bis zur Urteilsverkündung verstreichen. Zudem ist der Landtag im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums nicht an so schwierig zu beweisende Umstände wie eine vorsätzliche Gesetzesverletzung gebunden;50 die hierfür erforderlichen Vorarbeiten kann er sich beim konstruktives Mißtrauensvotum ersparen. Liegt dem Landtag jedoch ausnahmsweise an der gerichtlichen Feststellung eines Fehlverhaltens, so ist der Organ streit gemäß Art. 42 I Nr. 1 NdsVerf. unter erheblich geringeren Voraussetzungen (Fraktionsquorum, u. U. sogar durch einzelne Abgeordnete) einzuleiten als eine Ministeranklage. Zwar formuliert die Verfassung Niedersachsens bei den Voraussetzungen des Organstreites "Zuständigkeiten"51 statt "Rechte und Pflichten" wie andere Verfassungen. 52 Wesentliche Abweichungen ergeben sich dadurch jedoch nicht, die Wortwahl in Niedersachsen ist lediglich präziser. 53 Dazu oben D vor 1. Schmitt, Hüter, S. 28 u. ihm folgend Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 160 halten sie schon von jeher für ungeeignet, Verantwortung geltend zu machen. 50 Braun, BWVerf., Art. 57 Rn. 4; Geiler / Kleinrahm / Fleck, NWVerf., Art. 63 Anm.2 c; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 161; Weis, Regierungswechsel, S. 18lf.; vgl. auch das Beispiel bei Freund, in: LVerfGbk II, S. 307 (329). 51 Art. 42 I Nr. 1 NdsVerf. i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 30ff. NdsStGHG. 52 Vgl. Art. 93 I Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63ff. BVerfGG; Art. 68 I Nr. 1 BWVerf. i.V.m. §§ 8 I Nr. 1, 44ff. BWStGHG; Art. 75 Nr. 2 NWVerf. i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 41ff. NWVerfGHG; Art. 97 Nr. 1 SaarlVerf. i.V.m. §§ 9 Nr. 5, 39ff. Saarl VerfGHG. 48
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Zu beachten ist jedoch, daß der Organstreit nur dann zulässig ist, wenn der Antragsteller geltend macht, er oder das Organ, dem er angehört, sei durch eine Maßnahme des Minister54 in seinen verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten mindestens unmittelbar gefährdet (§ 31 I NdsStGHG). Insoweit erfaßt der Organstreit also weniger Fälle als die Ministeranklage, die auf eine Verfassungs- oder Gesetzesverletzung gestützt werden kann, ohne daß es auf die Betroffenheit des Landtags selbst ankommt. Zudem stellt der Staatsgerichtshof nach einem erfolgreichen Organstreit lediglich die Verletzung der Rechte des Antragstellers fest. Daher ist diese Verfahrensart nicht geeignet, einen Minister aus dem Amt zu entfernen. Trotzdem dürfte der Organstreit am Ende eher praktisch werden als die Ministeranklage, weil er eben einfacher einzuleiten ist und im Erfolgsfall politische Vorteile bringen kann. Die Erweiterung der Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber früheren Epochen hat so den praktischen Anwendungsbereich der Ministeranklage noch weiter schrumpfen lassen. 55 Dem Gedanken, es sei unter Umständen eher erreichbar, eine destruktive Mehrheit für eine Ministeranklage zusammenzubringen als eine konstruktive Mehrheit für ein Mißtrauensvotum,56 muß entgegengehalten werden, daß die Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Anklagebeschluß so schwer zu erreichen ist, daß die parlamentarische und am Ende auch die verfassungsrechtliche Lage völlig desolat sein muß, damit dieser Fall eintritt. Vorstellbar ist er, wenn bei starker Zersplitterung der Parteien im Parlament eine kleine Minderheit in der Lage war, die Regierung zu stellen. Eine andere Möglichkeit liegt darin, daß sich die Regierungspartei oder -koalition spaltet, die alte Regierung mangels Neuwahl eines Ministerpräsidenten aber im Amt bleibt und dann ein Teil der alten Regierungspartei bzw. -koalition zusammen mit der Opposition ein Verfahren nach Art. 31 einleitet. Diese Problematik, die sich gerade auch in der geringen praktischen Bedeutung der Ministeranklage widerspiegelt, ist den Verfassungsvätern bei den Ausschußberatungen durchaus bewußt gewesenY Man meinte aber, nicht auf die Ministeranklage verzichten zu können, teils weil die Öffentlichkeit sie verlange 58 (ein angesichts der geringen Zahl von Anklagen 59 auch bis 1950 schon 53 So NdsStGHE 1, 62 (67f.) mit eingehenden Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte der Verfassung und das NdsStGHG; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 365 Fn. 18; vgl. auch die Gegenüberstellung bei Neumann, NdsVerf. (1. Aufl.), Art. 42 Anm. 1. 54 Die Minister und der Ministerpräsident sind nach § 30 Buchstabe d) NdsStGHG mögliche Antragsgegner. 55 Dauster, Stellung, S. 293; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 161. 56 Der Gedanke findet sich bei Drath, VVDStRL 9 (1952), 17 (27); vgl. auch Geiler I Kleinrahm I Fleck, NWVerf., Art. 62 Anm. 2 c; ähnlich Ossig, Stellung, S. 115f., der in der Ministeranklage eine Verfassungsgarantie erblickt. 57 Vgl. Materialien I, S. 171 (Beschlußzusammenstellung). 58 Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 164.
D. Die Ministeranklage
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damals kaum zutreffendes Argument), teils weil man auf den Absatz drei des Artikels 31, das Selbstreinigungsverfahren, nicht verzichten wollte. 60 Schon die Referentenbegründung zum Regierungsentwurf der Niedersächsischen Verfassung ist bei den Argumenten für eine Ministeranklage sehr zurückhaltend gewesen und hat nur überaus allgemein gehaltene Aussagen gemacht. 61 Das läßt auf gewisse Unsicherheiten im Umgang mit der Ministeranklage schließen. Hinzuweisen ist gleichwohl auf die Präventivwirkung der Anklagemöglichkeit,62 mag sie auch nicht übermäßig stark sein. Wichtiger für die Beurteilung der Ministeranklage ist, daß Art. 31 - wenn auch nicht als Kernstück,63 so doch als ein Steinehen im Mosaik - die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber dem Landtag deutlich werden läßt, obwohl nicht jeder einzelne Minister vom Landtag gewählt ist. Und auch wenn diese Verantwortlichkeit eine rechtliche ist, kann der Anklage doch auch eine politische Funktion64 nicht abgesprochen werden. Allein der Antrag auf Erhebung einer Ministeranklage wird von wenigstens einem Drittel der Abgeordneten gestellt. Das bedeutet, dieser Teil des Parlamentes ist der Ansicht, ein Minister habe ein Gesetz oder gar die Verfassung gebrochen. Gerade die Seltenheit auch nur eines solchen Antrags läßt der Öffentlichkeit - sicher über die Landesgrenzen hinaus - deutlich werden, wie bedeutsam ein bestimmtes Verhalten des betreffenden Regierungsmitgliedes ist. Hier kann starker politischer Druck ausgeübt werden, der den Betreffenden am Ende sogar zum Rücktritt zwingen mag. Überhaupt ist die Anklage die einzige rechtliche Möglichkeit für den Landtag, einen Minister gegen den Willen des Ministerpräsidenten aus seinem Amt zu entfernen. 65 Auf einen letzten, bisher wenig beachteten Gesichtspunkt ist noch einzugehen: Unter Umständen kann ein Ministerpräsident allein über die Ministeranklage gestürzt werden. 66 Denn wenn sich keine Mehrheit für einen neuen Ministerpräsidenten finden läßt, droht die parlamentarische Kontrolle zu verSiehe unter D vor I. Ministerialrat Danckwerts. Materialien I. S. 400. 61 Referentenbegründung, Materialien H, S. 11. 62 Drath, VVDStRL 9 (1952), 17 (26); Ossig, Stellung, S. 116; v. Bieberstein, in: HdBDStR I, S. 520 (541); Freund, in: LVerfGbk H, S. 307 (318); Kassimatis, Bereich, S. 205; Apelt, Geschichte, S. 281 formuliert, sie habe in der Weimarer Republik "im stillen" gewirkt. 63 So aber Meier, Zitierrecht, S. 143. 64 Schranil, SaarIVerf., Art. 94 Anm. 2 spricht sogar von einem "hochpolitischen Charakter" . 65 Weis, Regierungswechsel, S. 184; Menzel, DÖV 1969, 765 (769); entgegen Scheuner, Kontrolle, S. 39 wird eine Kontroverse nicht ohne weiteres durch einen freiwilligen Rücktritt gelöst. 66 Angedeutet bei Hake, in: LVerfGbk I, S. 25 (89 Fn. 459); Huber, Verfassungsgeschichte, S. 554. 59
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sagen: Das konstruktive Mißtrauensvotum als stärkstes Kontrollmittel greift nicht, solange im Landtag keine neuen Mehrheiten zu erwarten stehen. Und ohne diese Drohung mit der Abwahl sind die anderen Mittel der Regierungskontrolle zwar nicht wirkungslos, doch wesentlich stumpfer als mit ihr. Hier bietet sich dann die Ministeranklage als letzte Möglichkeit an, gerade den Ministerpräsidenten an der weiteren Amtsausübung zu hindern, will der Landtag sich nicht wegen des Verhaltens des Ministerpräsidenten selbst auflösen. 67 Ein verurteilter, seines Amtes verlustiger Ministerpräsident darf nämlich die Geschäfte nicht weiterführen. Die verbliebenen Regierungsmitglieder führen die Geschäfte gemäß Art. 24 IV ohne ihn mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten an der Spitze fort. 68 Sollten die Verfassungs- oder Gesetzesverletzungen offenbar und wesentlich sein, wird sich auch die Fraktion des Ministerpräsidenten am Ende einem Sturz über Art. 31 nicht verschließen können, zumal sie sich auf diese Weise distanzieren und gleichzeitig an der Macht weiterhin teilhaben kann, solange der Rest ihrer Regierung weiter geschäftsführend amtiert. Man mag diesem Gedanken Praxisferne vorwerfen, weil der Ministerpräsident in dem genannten Fall intern durch seine Fraktion zum Rücktritt gezwungen werden wird. Das muß aber nicht immer so sein. Erinnert sei hier an den etwa so gelagerten Fall des Landtagspräsidenten Brandes (CDU), den auch die eigene Partei wegen seines (privaten) Verhaltens am liebsten aus dem Amt entfernt hätte, was jedoch ohne die Mitwirkung des Betroffenen nicht möglich war, weil eine Abwahl des Landtagspräsidenten in Verfassung und Geschäftsordnung des Landtags nicht vorgesehen ist. 69 Ähnlich problematisch wäre die Situation, wenn eine Neuwahl des Ministerpräsidenten über das konstruktive Mißtrauensvotum nicht möglich wäre. Der geschäftsführende Ministerpräsident könnte politisch nicht aus dem Amt gezwungen werden. Über Art. 31 könnte er jedoch mittels Ministeranklage aus dem Amt gedrängt werden, sollte er den erforderlichen Rechtsverstoß begangen haben. Das wäre in solch einem Fall auch angemessen. Stellt man sich die Fälle nur ein wenig extremer vor, so ist die Erhebung einer Ministeranklage nicht mehr so abwegig, wenn es gilt, das Ansehen des 67 Eine Auflösung führt ja nach Art. 20, 21 NdsVerf. zur Neuwahl der Regierung notfalls einer Minderheitsregierung. 68 Dazu näher im 3. Teil unter E I. 69 Inzwischen hat der Landtag durch die Einfügung des Absatzes 6 in § 5 GONdsLT eine Abberufungsmöglichkeit geschaffen. Dabei hat er - eine einzigartige Entscheidung - das Antragsquorum mit 2/3 der Abgeordneten ebenso hoch angesetzt wie die zum Abberufungsbeschluß erforderliche Mehrheit. Sinn der Regelung kann nur sein, dem Landtagspräsidenten deutlich zu machen, daß es aussichtslos ist, sich einem Rücktritt zu verschließen. Durch einen Rücktritt kann er dem L~.ndtag die Peinlichkeit ersparen, seinen Präsidenten abberufen zu müssen. Für seine Uberlegungen hat der Präsident 21 Tage Zeit, ehe der Landtag letztlich doch entscheidet. Insgesamt ist § 6 V GONdsLT dem Mißtrauensvotum des Art. 23 NdsVerf. nachgebildet.
E. Bestätigung eines neu berufenen Ministers
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Landes - und am Ende auch der Regierungspartei, die ja weiterhin gewählt werden will- zu sichern. Doch abgesehen von solchen, wirklich ganz außergewöhnlichen Fällen ist die Ministeranklage heute tatsächlich wenig aktuell. Im Grunde ist sie eben nur unter "gewissen Umständen"70 erforderlich. Für solche Situationen erfüllt sie jedoch auch heute noch eine Funktion als letzte Sicherung.?! Dem entspricht es, wenn der Vorschlag, den entsprechenden Verfassungsartikel ganz zu streichen,n im Verfassungsausschuß und im Landtag zu Recht abgelehnt worden ist.?3
E. Bestätigung eines neu berufenen Ministers Nach dem Ausscheiden eines Ministers wird die Berufung eines neuen Ministers erforderlich, um das Landesministerium zu komplettieren. Wie bei der Berufung der Minister nach seiner Wahl hat der Ministerpräsident das Recht, den neuen Minister auszuwählen. Nach Art. 20 IV bedarf die Neuberufung jedoch ebenfalls der Zustimmung des Landtages. 74 , 75 Die Berufung wird also erst wirksam, wenn diese Zustimmung erteilt ist. Der Landtag hat also wiederum ein Mitspracherecht, der Ministerpräsident ist in seiner Entscheidungsgewalt eingeschränkt. Dies ist konsequent, weil schon Art. 20 III deutlich macht, daß die Landesregierung nur dann ins Amt kommen soll, wenn Ministerpräsident und Landtag sich über ihre personelle Zusammensetzung einig sind. Dadurch wird die kontinuierliche, geschlossene Regierungsarbeit gesichert. Das Zustimmungserfordernis im Rahmen eines Ministerwechsels ist jedoch in gewisser Hinsicht strenger als die Bestätigung der gesamten Regierung am Anfang ihrer Amtszeit. Denn jetzt steht ein einzelner oder auch mehrere zugleich76 - Minister zur Bestätigung an, während vorher die Regierung nur in ihrer Gesamtheit bestätigt werden mußte, so daß Abwägungen möglich waren. Diese Möglichkeit der Abwägung entfällt, wenn einzelne Minister neu berufen werden. Referentenbegründung, Materialien II, S. 11. Andeutungsweise Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 61 Rn. 7. 72 Abg. Lehmann (KPD), Materialien I, S. 399; Abg. Landwehr (KPD), Materialien I, S. 572; Vorlage 16 (KPD), Materialien II. 73 Materialien I, S. 572; NdsLT, StenBer. I/120, Sp. 6650f. 74 Ebenso Art. 46 IV BWVerf.; Art. 45 BayVerf.; Art. 87 I SaarIVerf.; anders trotz Zustimmungserfordernis vor Geschäftsübernahme einer Regierung - Art. 101 HessVerf. und Art. 98 RhPfVerf. sowie die Verfassungen, in denen ohnehin allein der Ministerpräsident über die Besetzung der Regierung entscheidet: Art. 52 III NWVerf.; Art. 26 II 2 SHVerf. 75 Z. B. NdsLT, Tätigkeitsbericht III, S. 7; V, S. 7; IX, S. 6; NdsLT, StenBer. XI/25, S. 2307; XI/64, S. 6071. 76 VGH Rheinland-Pfalz, VerwRspr. 2,284 (288). 70 71
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Doch auch das ist folgerichtig. Denn das Ausscheiden des Ministers hat in aller Regel der Ministerpräsident oder aber der Minister zu verantworten: Sei es daß der Ministerpräsident den Minister entlassen hat, sei es, daß dieser aus eigenem Entschluß zurückgetreten ist. Jedenfalls kommt der rechtliche Anstoß aus dem Bereich der Regierung. Der Landtag selbst hat das Ausscheiden rechtlich nicht zu verantworten. Seine Mitwirkung beschränkt sich auf die Bestätigung, wenn der Ministerpräsident den Minister entlassen hat, ist also vergleichsweise gering. Das gilt auch dann, wenn die Initiative für die Entlassung vom Landtag ausgegangen sein mag. Denn diese ist lediglich politischer Natur, rechtlich hat der Landtag keine Möglichkeiten, einen Minister aus dem Amt zu entfernen.?7 Wenn das Ausscheiden aber von der Regierung ausgegangen ist, so ist es angemessen, daß die Person des Nachfolgers dem Landtag genehm sein muß. Denn der Ministerpräsident hätte ja von vornherein bei der Berufung der Minister darauf achten können, daß sie nicht vor Ablauf seiner Amtszeit abspringen oder sonst entlassen werden müssen. Die Abstimmung über die Zustimmung erfolgt wie bei der Bestätigung der Regierung im Rahmen des Art. 20 III öffentlich ,78 zum Erfolg genügt die einfache Mehrheit. Ein Fall der Bestätigungsverweigerung ist nicht bekannt. Wie schon bei der Bestätigung nach Art. 20 III muß die Bestätigung auch die Berufung eines neuen Ministers in ein konkretes Amt umfassen. 79 Insoweit ist die Verfassungspraxis jedoch weniger problematisch als bei der Regierungsneubildung, denn wie zumindest die neuere Übung zeigt, wird dem Landtag vor der Zustimmung mitgeteilt, welches Ministerium der neue Minister führen soll.8° Damit ist auch das Ressort von der Bestätigung erfaßt.
F. Der Ressortwechsel und seine Voraussetzungen Ein Unterfall der Regierungsumbildung ist der in der Vergangenheit gelegentlich vorgekommene! Ressortwechsel eines Ministers. Beim Ressortwechsel übernimmt ein Minister aus der Regierung ein anderes Ministeramt, weil der bisher dieses Ministerium verwaltende Minister ausscheidet oder seinerseits ein anderes Ressort übernimmt. Die Fälle des Ressortwechsels werfen die Frage auf, ob dieser nach Art. 20 IV NdsVerf. der Zustimmung des Landtags bedarf, oder ob der Vorgang allein in die Kompetenz des Ministerpräsidenten bzw. der Regierung fällt. 2 Dazu näher unter G. Beispiele finden sich in NdsLT, StenBer. XII25, S. 2307; XII64, S. 6071. 79 Dazu üben im 1. Teil unter B II 2. 80 NdsLT, Drucks. XII1369; XII1376. 1 Vgl. NdsLT, Tätigkeitsbericht III, S. 7; V, S. 7. 2 In letzterem Sinne Weis, Regierungswechsel, S. 55f.; Dronsch, in: Kürte I Rebe, Verfassung, S. 256. 77 78
F. Der Ressortwechsel und seine Voraussetzungen
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Ihre Beantwortung ist durch die oben getroffene Feststellung präjudiziert, wonach sich die Bestätigung der Regierung nach Art. 20 III auch auf die den Ministern zugeteilten Ressorts bezieht. Denn dieser Teil der Bestätigung wäre vollständig wertlos, könnten die Ministerien nach der Bestätigung der Regierung ohne jede Mitwirkung des Landtags zwischen den Ministern getauscht werden. Aus diesem Grunde kann für den Ressortwechsel nichts anderes gelten als bei der ersten Bestätigung der gesamten Regierung. 3 Daher sei hier nur auf die obigen Ausführungen verwiesen. 4 Damit ist selbstverständlich nicht die Verschiebung von Kompetenzen von einem Ministerium in ein anderes an die Zustimmung des Landtags gebunden; denn derartige Änderungen untergeordneter Art fallen nach Art. 28 I Nr. 3 NdsVerf. in die Zuständigkeit des Landesministeriums. Erst wenn Kernbereiche eines Ministeriums5 in ein anderes eingegliedert werden, und dadurch das Zustimmungserfordernis bei einem Ressortwechsel umgangen würde, ist die Grenze zur Unzulässigkeit überschritten. Sonst könnte der Ressortwechsel letztlich doch unabhängig vom Landtag vorgenommen werden, weil die Organisation, anders als z. B. in Baden-Württemberg,6 nicht mit dem Landtag abgesprochen werden muß. Allein die Besetzung der Ressorts mit Ministern, also der personelle Bereich, steht in Niedersachsen unter einem Mitwirkungsrecht des Landtags. Der Ressortwechsel ist genau genommen aus Entlassung und sofortiger Neuberufung eines Ministers zusammengesetzt. 7 Der Zusammenhang beider Elemente ist so eng, daß die Zustimmung des Landtags nur beiden Akten gemeinsam erteilt oder verweigert werden kann; anderenfalls wäre dem Landtag die Möglichkeit gegeben, einen Minister, den der Ministerpräsident unabhängig vom Ministerium jedenfalls im Kabinett behalten will, aus diesem zu entfernen, indem er der Entlassung, nicht aber der Neuberufung zustimmt. Das widerspräche dem Sinn des Art. 20 IV und dem Verbot des Herausschießens eines Ministers aus der Regierung. 8 Die Praxis wurde dem so verstandenen Bestätigungserfordernis nur teilweise gerecht. Im ersten Fa1l9 war der Ressortwechsel des Ministers überhaupt nicht Gegenstand einer Landtagssitzung, was daran gelegen haben mag, daß er unmittelbar vor den Parlamentsferien stattfand und danach als gegeben hingenommen wurde. Jedenfalls wurde die Zustimmung des Landtags weder erbeten noch erteilt. So auch Neumann, NdsVerf., Art. 20 Rn. 9. Siehe im 1. Teil B II 2. 5 Ähnlich Groß, DÖV 1982, 1008 (1012) für Hessen. 6 Art. 45 III BWVerf. 7 So offenbar auch Dronsch, in: Korte / Rebe, Verfassung, S. 256, der hier jedoch eine vom ihm nicht begründete Ausnahme vom Zustimmungserfordernis annimmt. 8 Dazu sogleich unter G. 9 NdsLT, Tätigkeitsbericht III, S. 7. 3 4
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2. Teil: Die Regierung im Amt
Im zweiten Fall war die Lage für das Parlament günstiger. Denn der Ressortwechsel wurde dem Landtag vom Ministerpräsidenten in der gleichen Drucksache mitgeteilt, in der er auch die Neuberufung mehrerer Minister anzeigte und um die Zustimmung des Landtags dazu bat. lO Diese sollte sich nach Wortlaut und Wortstellung nur auf die Neuberufung beziehen, soweit Minister der Regierung bis dahin nicht angehört hatten. Da unmittelbar vor der Abstimmung im Landtag aber auch der Ressortwechsel des Ministers Kubel (SPD) vom Landtagspräsidenten bekanntgegeben und dadurch der Zusammenhang gewahrt oder jedenfalls hergestellt wurde 11 , liegt die Annahme nahe, der Landtag habe den Wechsel dieses Ministers in seine Überlegungen einbezogen und ihm mit der Zustimmung zu den Neuberufungen ebenfalls zugestimmt. Damit waren die Rechte des Landtags gewahrt.
G. Keine Abwahl von Ministern durch den Landtag J. Allgemeine und historische Bemerkungen Wie bereits angedeutet, kann weder der Ministerpräsident noch der Landtag einen Minister ohne Mitwirkung des jeweils anderen Staatsorganes aus dem Amt entfernen. Art. 23 NdsVerf. beschränkt das Mißtrauensvotum eindeutig auf den Ministerpräsidenten,12 an dessen Schicksal die Minister gebunden sind; das Herausschießen eines Ministers aus der Regierung ist also nicht möglich. Dies ist nicht selbstverständlich: Im Verfassungs ausschuß hat es lange Diskussionen darüber gegeben, ob man dem Landtag die Möglichkeit eines solchen Vertrauensentzuges nicht doch einräumen sollte. Sie besteht in anderen Landesverfassungen. 13 , 14 Auf die Situation in den Stadtstaaten 15 wird im Zusammenhang mit dem konstruktiven Mißtrauensvotum einzugehen sein. Es sei nur erwähnt, daß die Möglichkeit einer Abwahl der Senatoren die Kehrseite der in Hamburg, Bremen und Berlin verwirklichten Wahl jedes einzelnen Regierungsmitgliedes durch das jeweilige Parlament ist. Sie erfolgt regelmäßig nach dem Muster des konstruktiven Mißtrauensvotums, woraus sich die gleichzeitige Behandlung mit diesem rechtfertigt. NdsLT, Drucks. V/547. NdsLT, StenBer. V/45, Sp. 3440. 12 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 591; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 67 Rn. 48; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 153; GeIler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 3. 13 Art. 56 BWVerf.; Art. 99 RhPfVerf.; Art. 88 SaariVerf. 14 Vom Herausschießen eines Ministers berichtet Schunck, JöR 5 (1956), 159 (178) für Rheinland-Pfalz; in Baden-Württemberg wurde ein erfolgloser Versuch unternommen, vgl. Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 56 Rn. 2. 15 Art. 42 BerIVerf.; Art. 110 BremVerf.; Art. 35 I HbgVerf. 10 11
G. Keine Abwahl von Ministern durch den Landtag
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Nach dem Regierungsentwurf zur Verfassung Niedersachsens sollte dem Landtag überhaupt keine Möglichkeit gegeben sein, etwas gegen den Regierungsbestand zu unternehmen, es sei denn, der Landtag wäre bereit, den Rücktritt der Landesregierung mit seiner Selbstauflösung zu bezahlen. 16 Daß ein Parlament sich zur Anwendung dieses letzten Mittels nur schwer entschließen kann, liegt auf der Hand. Durch diese Regelung sollten besonders stabile Regierungsverhältnisse erreicht werden;17 man war der Ansicht, die Aufgaben einer Landesregierung bestünden weniger im Regieren als vielmehr im Verwalten, weshalb es angemessen sei, ihr vier Jahre Zeit zu kontinuierlicher Arbeit zu geben. Doch im Verfassungsausschuß wurde sehr bald klar, daß die Abgeordneten sich nicht darauf einlassen wollten, um der Regierungsstabilität willen auf das stärkste Kontrollmittel zu verzichten. Man war sich einig, daß jedenfalls ein konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten in die Verfassung aufgenommen werden müsse,18 trug jedoch über die Frage des Herausschießens einzelner Minister eine heftige Kontroverse aus. 19 Am Ende wurde eine Einigung aufgrund der Vorschläge des vom Verfassungsausschuß eingesetzten Redaktionsausschusses erzielt, der eine Minderheit im Verfassungsausschuß immer noch mit Vorbehalten gegenüberstand. 20 Anträge im Landtagsplenum, ein Mißtrauensvotum gegen einzelne Minister doch noch in die Verfassung aufzunehmen, wurden abgelehnt. 21
11. Die Konsequenz in der Verfassung Die Möglichkeit eines Mißtrauensvotums gegen Minister betont zwar deren parlamentarische Verantwortung,22 die auch durch das Bestätigungserfordernis des Art. 20 III NdsVerf. besonders hervorgehoben wird. Trotz dieser Parallelität ist die Schlußfolgerung, es sei konsequent, wegen des Bestätigungserfordernisses die Zugehörigkeit jedes einzelnen Ministers allein vom weiteren Vertrauen des Landtags abhängig zu machen 23, unzutreffend. Dies zeigt die Verfassung Baden-Württembergs: Art. 46 III 1 BWVerf. verlangt die Zustimmung des Landtags, bevor die Regierung die Geschäfte übernehmen darf. Der Landtag muß sich also in Referentenbegründung, Materialien 11, S. 2. Referentenbegründung, Materialien 11, S. H., 8f. 18 Vgl. nur Materialien I, S. 142, 208f. (Beschlußzusammenfassungen). 19 Vgl. nur Materialien I, S. 196ff., 254ff. mit Stellungnahmen der Sachverständigen Prof. Weber und Prof. Abendroth. 20 Abg. Bank (DZP) u. Abg. Lehmann (KPD), Materialien I, S. 639f. 21 NdsLT, StenBer. I1120, Sp. 6634f.; I1123, Sp. 6800f. 22 Weis, Regierungswechsel, S. 157; Braun, BWVerf., Art. 56 Rn. 2; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 56 Rn. 2; Schunck, JöR 5 (1956), 159 (177) zu Art. 99 Saarl Verf. a.F. 23 So Dauster, Stellung, S. 258f.; Weis, Regierungswechsel, S. 148; Braun, BWVerf., Art. 56 Rn. 3. 16
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2. Teil: Die Regierung im Amt
Kenntnis aller Regierungsmitglieder und der sonstigen Umstände für oder gegen die Regierung entscheiden. Dann ist es nicht folgerichtig, wenn dem Landtag unmittelbar nach der Wahl die Möglichkeit gegeben wird, einen einzelnen Minister wieder aus dem gerade übernommenen Amt zu entfernen; so aber ist Art. 56 BWVerf. - anders als die Niedersächsische Verfassung - konzipiert. Die vor der Abstimmung über die Bestätigung der Regierung erforderliche Abwägung wird auf diese Weise relativiert. Gemildert wird diese Inkongruenz allenfalls, weil der Beschluß nach Art. 56 BWVerf., anders als die vorhergehende Bestätigung, mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gefaßt werden muß24. Doch in solch einem Fall bleibt immer noch die Frage, wie das Parlament einer Regierung zustimmen kann, der ein Minister angehört, den so viele Abgeordnete völlig ablehnen. Inkonsequent ist auch und vor allem, wieso hier anders als sonst der Landtag allein, d. h. ohne Mitwirkung des Ministerpräsidenten über den personellen Bestand der Regierung entscheiden kann. Gerade die Verfassung Baden-Württembergs zeigt noch eine weitere Ungereimtheit, die der niedersächsische Verfassunggeber erfolgreich zu vermeiden suchte: Denn einerseits entschied sich die baden-württembergische Verfassung für das konstruktive Mißtrauensvotum, soweit der Ministerpräsident betroffen ist. Andererseits aber können Minister ohne jedes konstruktive Element aus der Regierung entfernt werden. Damit ist der erstrebte Vorteil des konstruktiven Mißtrauensvotums gleich wieder zur Disposition gestellt, weil der Landtag - wenn auch nur unter strengen Anforderungen - die Möglichkeit hat, den Ministerpräsidenten seiner Minister zu berauben. 25 Dieses Problem wird allerdings durch Art. 55 III BWVerf. abgemildert. Denn da auch das Herausschießen eine Beendigung des Amtes in dessen Sinne ist, führen der oder die betroffenen Minister vorerst ihr Amt weiter. 26 Man wird den Ministerpräsidenten aber für verpflichtet halten müssen, so bald wie möglich Nachfolger zu präsentieren, da sonst die Verfassung umgangen und der Sinn des Mißtrauensvotums vereitelt würde. 27 Um den Schwierigkeiten bei einem einfachen Mißtrauensvotum gegen Minister aus dem Weg zu gehen, wurden für Niedersachsen im Verfassungs24 Mit geringeren Mehrheiten lassen die Art. 99 II RhPfVerf. und Art. 88 II 3 Saarl Verf. ein Mißtrauensvotum gegen einzelne Minister zu, obwohl auch diese Verfassungen vor der Amtsübernahme durch eine neue Regierung einen ausdrücklichen Beschluß des Landtags verlangen. Insoweit gelten die Ausführungen zur Verfassung Baden-Württembergs sogar in stärkerem Maße. 25 Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 200f., 204; Abg. Siemer (CDU), Materialien I, S. 202; Prof. Weber als Sachverständiger, Materialien I, S. 267; Abg. Hofmeister, Materialien I, S. 260; Abg. Föge (F.D.P.), Materialien I, S. 261. 26 So auch Art. 99 IV RhPfVerf.; Art. 87 V SaariVerf. 27 Weis, Regierungswechsel, S. 147; Dauster, Stellung, S. 258.
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ausschuß Überlegungen angestellt, das Institut des konstruktiven Mißtrauensvotums auch auf die Minister auszudehnen. 28 Damit wäre jedoch das Recht des Ministerpräsidenten, sich seine Mitarbeiter in der Regierung aussuchen zu können, ad absurdum geführt. Jegliche Homogenität des Kabinetts 29 könnte verhindert werden, wenn der Landtag es darauf anlegte. Es entstünde ein unauflöslicher Widerspruch zu Art. 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 NdsVerf. Denn wie bereits angeführt, liegt es gerade im System der Verfassung, Änderungen in der personellen Besetzung des Kabinetts in die Hand von Ministerpräsident und Landtag gemeinsam zu legen, da sie auch gemeinsam für die Regierungsbildung verantwortlich sind. Letztlich dient der Verzicht auf die Möglichkeit des Herausschießens der Minister der Regierungsstabilität. 30
III. Weitere Ausdrucksformen der Unzufriedenheit mit Ministern Wenn dem Landtag also keine Möglichkeit zur Verfügung steht, einen Minister aus dem Kabinett zu entfernen, stellt sich doch die Frage, wie er auf Minister und den Ministerpräsidenten einwirken kann, um sein Mißfallen kundzutun. Zu diesem Zweck können dem Parlament herkömmlicherweise folgende personenbezogene Instrumente zur Verfügung stehen: - Mißbilligungsbeschlüsse, die entweder ein konkretes Verhalten oder generell die Amtsführung des Ministers betreffen; - Aufforderungen an den Ministerpräsidenten, den Minister zu entlassen; - Rücktrittsaufforderungen an den Minister; - Streichung des Ministergehaltes. Die staatsrechtliche Zulässigkeit dieser Maßnahmen des Parlamentes ist nicht unumstritten. Eindeutig ist lediglich, daß Mißtrauensbeschlüsse, die wegen ihrer rechtlichen Verbindlichkeit von bloßen Mißbilligungsbeschlüssen zu unterscheiden sind, wegen Art. 23, der Mißtrauensvoten auf den Ministerpräsident beschränkt und mit dem Amtsverlust verbindet, unzulässig sind. 3l Diese Unterscheidung ist auch terminologisch strikt einzuhalten, was leider nicht immer getan wird. Wird nämlich das Vertrauen entzogen, so ist die Folge nach der Verfassung Niedersachsens der Verlust des Amtes, wie Art. 23 28 Abg. Böhme (SPD), Materialien I, S. 203f.; auf die Schwierigkeiten der Verwirklichung weist auch Prof. Weber als Sachverständiger, Materialien I, S. 257f., 267 hin; a. A. Sachverständiger Prof. Abendroth, ebd., S. 255f., 265. 29 Vgl. Referentenbegründung, Materialien II, S. 9; Abg. Böhme (SPD), Materialien I, S. 262. 30 Stein, Staatsrecht, § 7 VII, S. 52. 31 Kratzer, BayVBI. 1966, 408 (411); Hoegner, Lehrbuch, S. 72; Geiler I Kleinrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 3.
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2. Teil: Die Regierung im Amt
deutlich macht. Der Vertrauensentzug ist aber nur gegenüber dem Ministerpräsidenten vorgesehen und zulässig. Der Antrag, einem Minister das Vertrauen zu entziehen, ist demgemäß unzulässig, darf sachlich im Landtag gar nicht behandelt werden. Die Mißbilligung ist demgegenüber ein Weniger, das nicht den Amtsverlust eines Ministers zur Folge hat und auch nicht haben soll. Diese Trennung zwischen den beiden Begriffen gilt es deutlich zu machen,32 bevor Einzelheiten der Mißbilligung erörtert werden können. 1. Schlichte Mißbilligungsbeschlüsse
Soweit ersichtlich finden sich im Schrifttum nur ganz wenige Stimmen, die eine Zulässigkeit der bloßen Mißbilligungsbeschlüsse gegen Minister verneinen 33 . Selbst sonst restriktiv argumentierende Autoren sehen keinen Anhaltspunkt, sie zu untersagen,34 insbesondere, weil diese Beschlüsse des Parlaments nicht den Bestand der Regierung gefährden, wie es von ihnen für das "Vertrauensfrage-Ersuchen"35 und eine generelle Mißbilligung des Regierungschefs 36 vertreten wird. Gegen die Zulässigkeit der Mißbilligungsbeschlüsse lassen sich auch keine überzeugenden Argumente finden. Wenn für das Grundgesetz gesagt wird, es wolle die Regierung stärken,37 so gilt dies zwar gleichermaßen für die Verfassung des Landes Niedersachsen. Diese Überlegung kann aber im hier interessierenden Zusammenhang nicht herangezogen werden, weil im Verfassungsausschuß mehrfach die Zulässigkeit dieser Form des Parlamentsbeschlusses erwähnt wurde,38 ohne daß sich Gegenstimmen erhoben. Dann kann in einem Mißbilligungsbeschluß kein Widerspruch zur beabsichtigten Regierungsstabilität erblickt werden; jedenfalls sollte er offenbar zulässig sein. Auch eine mangelnde Differenzierung in der Öffentlichkeit zwischen Mißbilligung und Mißtrauen39 kann nicht als Argument herangezogen werden. Es kommt schließlich häufig vor, daß juristische Regelungen und ihre Anwendung nicht von allen Bürgern vollständig verstanden werden, weil Umgangssprache und 32 Vgl. die Übersicht bei Schmitt, Verfassungs1ehre, S. 340, wo dieser Unterschied besonders deutlich herauskommt; auch Geller I Kleinrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 3; Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 67 Rn. 42,46; Maunz I Zippelius, Staatsrecht (26. AufI.), § 42 I 6, S. 402; Badura, Staatsrecht, Abschnitt ERn. 106, spricht statt von Mißbilligungs- von Tadelsbeschlüssen. 33 Münch, Bundesregierung, S. 179. 34 Sattler, DÖV 1967, 765 (770 Fn. 29); Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 157. 35 Sattler, DÖV 1967, 765 (767ff.); Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 155f.; Steiger, Grundlagen, S. 277ff. 36 Sattler, DÖV 1967, 765 (767ff.); Steiger, Grundlagen, S. 274ff. 37 Münch, Bundesregierung, S. 179. 38 Abg. Böhme (SPD), Materialien I, S. 262 auf eine Anregung des Sachverständigen Prof. Weber, ebd., S. 258. 39 Münch, Bundesregierung, S. 179.
G. Keine Abwahl von Ministern durch den Landtag
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juristische Fachsprache zu unterscheiden sind. Das mag man wegen der damit verbundenen Mißverständnisse bedauern; der Sinngehalt des betreffenden Fachvokabulars darf dadurch jedoch nicht beeinflußt werden. Zwar überzeugt es nicht, wenn gesagt wird, die Zulässigkeit des Mißbilligungsbeschlusses ergebe sich aus der Debattenfunktion 4o , auch wenn ein Mißbilligungs antrag häufig zu einer Aussprache über wesentliche Fragen der Regierungspolitik führt. Denn im Mißbilligungsbeschluß wird letztlich offenbar, ob die Abgeordneten eine Verhaltensweise für so wesentlich halten, daß sie ihre Kritik förmlich manifestieren oder aber sich mit bloß verbaler Kritik begnügen. Zur Entscheidung kommt es letztlich erst bei der Abstimmung. In der Debatte kann man als Abgeordneter zwar sein Mißfallen anklingen lassen, sich im "Ernstfall" dann aber doch vor den Parteifreund oder Koalitionskollegen stellen. Die Mißbilligung ist also gegenüber der Debatte ein echtes Mehr. Geht man von der Verfassung aus, so zeigt sich, daß die Regierung Niedersachsens besonders stark parlamentarisiert ist, stärker als etwa nach dem Grundgesetz. 41 Der Landtag hat durch das Bestätigungserfordernis Einfluß auf Ernennung und Entlassung auch der Minister, nicht nur des Ministerpräsidenten. Daher können Gedanken, wie der, die Minister seien nicht vom Parlament, sondern nur vom Ministerpräsidenten abhängig42 , nicht aufkommen. Vielmehr wird die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister unmittelbar deutlich. 43 Dann muß es dem Landtag auch möglich sein, den Ministern seine Mißbilligung auszusprechen,44 sei es, weil er mit einer Einzelmaßnahme nicht einverstanden ist, sei es um die gesamte Amtsführung zu kritisieren. Dem Parlament steht damit ein Kontrollinstrument zur Verfügung, das sich vom Zitierrecht dadurch wesentlich abhebt, daß es über bloße Informationsgesuche hinausgeht und bekannte Tatsachen bewertet. Es ist also nicht nur schärfer als die Debatte, sondern auch als das Zitierrecht des Art. 10 NdsVerf. Im übrigen ist ein ausdrückliches Verbot der Mißbilligung in der Verfassung nicht zu finden. Vielmehr führt die Betonung des parlamentarischen Systems zu einer eher extensiven Auslegung bei Fragen der Kontrollbefugnisse des Landtags über die Regierung, was vor allem auch Art. 3 II NdsVerf. bestätigt. Dem Verbot des Mißtrauensvotums kann, da es zum grundsätzlichen Bestand des parlamentarischen Regierungssystem gehört, entnommen werden, daß die So aber Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 67 Rn. 40,52. Dazu schon oben im 1. Teil unter B II 1. 42 So aber für das Grundgesetz Münch, Bundesregierung, S. 187; Schätzel, NVerw. 1949,21 (22). 43 Weis, Regierungswechsel, S. 156. 44 Ähnlich für den Bundestag Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 67 Rn. 10; Stern, Staatsrecht I, § 22 III 3 c a, S. 996f., allerdings ohne in der Terminologie zwischen Mißbilligung und Mißtrauen zu unterscheiden; auch Steiger, Grundlagen, S.326f. 40
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2. Teil: Die Regierung im Amt
hier in Rede stehenden Kontrollbeschlüsse, die auch in der Weimarer Reichsverfassung nicht ausdrücklich geregelt waren, zulässig bleiben, solange der Bestand der Regierung nicht angetastet wird. Der Landtag muß Möglichkeiten haben, in unterschiedlicher Intensität sein Mißfallen zu äußern. Dies gilt umso mehr, wenn man die bereits angeführten Aussagen im Verfassungsausschuß berücksichtigt. Die Praxis beweist, daß solche Mißbilligungsbeschlüsse auch tatsächlich nicht der Umgehung des Art. 23 dienen. 45 Denn nicht nur, daß ihnen ja keine rechtliche Verbindlichkeit anhaftet46 (eher ist es für Ministerpräsident und Kabinett wichtig zu wissen, wenn der Landtag einen Minister ablehnt), auch ihre Behandlung im Plenum zeigt die wirkliche Funktion der Mißbilligungsbeschlüsse. Denn die eingebrachten Anträge 47 gegen Minister dienten zumindest teilweise dazu, die Regierung als Ganzes unter die Lupe zu nehmen. Das läßt sich schon daran ablesen, daß oft auch der Ministerpräsident das Wort zur Verteidigung seines Ministers ergriffen hat,48 und die angeprochenen Fragen stets von überragender Bedeutung waren. Hier wird eine gewisse Nähe zum Zitier- und Interpellationsrecht deutlich49 . Schon der Mißbilligungsantrag als solcher ist für die Opposition eine Ausdrucksform, um aufzuzeigen, daß sie mit der Politik besonders in einem bestimmten Bereich überhaupt nicht einverstanden ist. Und wenn dann die Parlamentsmehrheit womöglich auch noch zustimmt, ist das eine überaus deutliche Mahnung für den Ministerpräsidenten und seine Minister, ohne daß jedoch schon unmittelbar die Gefahr einer Änderung im personellen Bestand der Regierung bestünde. Eine andere Frage ist die nach der politischen Wirkung eines erfolgreichen Mißbilligungsantrages. Diese kann durchaus in personelle Änderungen einmünden, allerdings eben auf ganz anderem Wege als ein Mißtrauensvotum, nämlich vor allem mit Einverständnis des Ministerpräsidenten. 2. EntlassungsautTorderung
Eine Stufe stärker als ein Mißbilligungsvotum ist die Aufforderung des Landtags an den Ministerpräsidenten, einen Minister zu entlassen50 . Die nie45 Zur Frage der Umgehung des Verbotes von Mißtrauensbeschlüssen zutreffend Weis, Regierungswechsel, S. 151. 46 Sel/mann, Parlamentsbeschluß, S. 85; H. Schneider, VVDStRL 8 (1950), 21 (28f.); Lippert, Bestellung, S. 426; Steiger, Grundlagen, S. 327. 47 NdsLT, Drucks. III/357; NdsLT, StenBer. III/22, Sp. 1216ff.; NdsLT, Drucks. lVI 237; NdsLT, StenBer. IVI18, Sp. 989ff.; NdsLT, Drucks. V/364, NdsLT, StenBer. VI 31, Sp. 2148ff. 48 Ministerpräsident Hel/wege (SPD), NdsLT, StenBer. III/22, Sp. 1227f., 1230f.; Ministerpräsident Diederichs (SPD), NdsLT, StenBer. V/31, Sp. 2180ff. 49 Weis, Regierungswechsel, S. 152.
G. Keine Abwahl von Ministern durch den Landtag
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dersächsische Verfassungspraxis kennt auch solche Anträge,5l. 52 denen aber im Landtag bisher kein Erfolg beschieden war. Der einzige, der vielleicht eine gewisse Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, nämlich bzgl. des Kultusministers Schlüter (F.D.P.)53 wurde nicht mehr zur Abstimmung gestellt, da der Minister inzwischen zurückgetreten war. 54 Die Berufung Schlüters, eines Göttinger Verlegers, hatte wegen dessen mutmaßlicher nationalsozialistischer Gesinnung zu öffentlichen Diskussionen geführt. Diese wurden weiter verschärft durch den Rücktritt des Rektors und des Senats der Universität Göttingen. 55 Schließlich wurde ein Untersuchungs ausschuß eingesetzt, der sich mit den Vorgängen um Schlüter befaßte. 56 a) Die Zulässigkeit von Entlassungsersuchen
Die Zulässigkeit solcher Entlassungsersuchen wird mit dem Hinweis auf eine darin liegende Umgehung der Verfassung verneint, da jegliches Mißtrauen nur gegenüber dem Ministerpräsidenten ausgesprochen werden dürfe. 57 Die Unverbindlichkeit eines solchen Beschlusses stünde dem nicht entgegen. 58 Wenn dazu gesagt wird, auch diese vermeintlich wirkungslosen Voten würden sehr wohl eine Wirkung entfalten, sonst würde nicht auf sie hingewirkt, so muß auf die Differenzierung zwischen rechtlicher und politischer Wirkung hingewiesen werden. Eine politische Wirkung haben auch Mißbilligungen eines Ministers. 59 Diese aber sollen zulässig sein. Eine rechtliche Wirkung im Sinne des oben skizzierten Mißtrauensvotums kommt einem Entlassungsersuchen aber gerade nicht zu. Ein seltsamer Widerspruch findet sich bei Dauster, der einerseits betont, Kritik müsse auch in der schärfsten Form mög50 Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 157; Sellmann, Parlamentsbeschluß, S. 85; U. M., AöR 76 (1950151), 338 (34lf.); Hoegner, Lehrbuch, S. 72 differenziert nicht
zwischen Mißbilligungsvoten und Entlassungsersuchen. 51 NdsLT, Drucks. Xl5001, 5032 (Nr. 10 des Antrags); NdsLT, StenBer. Xl93, S.880lff.; NdsLT, Drucks. Xl5855; NdsLT, StenBer. Xl110, S.10550; NdsLT, Drucks. XI/1137; NdsLT, StenBer. XI/30, S. 2768ff. 52 Als Beispiel sei hier die Formulierung in NdsLT, Drucks. Xl5001 angeführt: "Der Landtag möge beschließen: ... Der Ministerpräsident wird aufgefordert, den Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Gerhard Glup, zu entlassen." 53 NdsLT, Drucks. III/6. 54 NdsLT, StenBer. III/4, Sp. 72ff. 55 Ausführliche Darstellung bei Beyer 1 Müller, Landtag, S. 566ff., 575ff. 56 Dessen Bericht ist abgedruckt in NdsLT, Drucks. III/l77. 57 Ausdrücklich für Niedersachsen Dauster, Stellung, S. 286; vgl. auch Barscheil Gebel, SHLS, Art. 30 Anm. C III 3; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 157f.; Sellmann, Parlamentsbeschluß, S. 89; Müneh, Bundesregierung, S. 187. 58 Krit. zur Unverbindlichkeit Magiera, Parlament, S. 213ff. . 59 Zutreffend Brandt, Bedeutung, S. 79; Lippert, Bestellung, S. 426; v. Wiek, DÖV 1956, 113 (114); zweifelnd Steiger, Grundlagen, S. 327.
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lich sein60 , andererseits das Entlassungsersuchen, das juristisch nicht mehr ist als eine herbe Kritik, untersagen Will61 • Entscheidend ist wiederum, daß zwar ein Mißtrauensvotum gegen Minister unzulässig ist, in Niedersachsen das Parlament jedoch ein Mitbestimmungsrecht hat, soweit der Regierungsbestand betroffen ist. Art. 20 IV NdsVerf. macht das ganz deutlich. Das Recht zur Regierungsumbildung steht Landtag und Ministerpräsident gemeinsam zu. Zwar geht die Initiative zu Regierungsumbildungen in aller Regel vom Ministerpräsidenten aus. Das schließt aber den umgekehrten Weg nicht aus, auch er muß gangbar sein. Die befürchtete Umgehung des Art. 23 liegt ebenfalls fern, da der Ministerpräsident nicht gezwungen wird, sich im Sinne der Entschließung zu verhalten. Die Rechtsfolge ist gerade nicht die Entlassung. Es liegt lediglich der - allerdings manifestierte - Versuch vor, auf eine solche hinzuwirken 62 • Das aber ist dem Landtag jedenfalls unbenommen. Er übersteigt auf keinen Fall seine Kompetenzen. 63 Im übrigen kommt es auch dem Ministerpräsidenten zugute, wenn er jederzeit weiß, wie der Landtag zu seiner Regierung steht. Wenn in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, einem Parlament sei nicht alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist 64 , so kann - die Richtigkeit der These einmal unterstellt - daraus für die hier interessierende Frage nichts gewonnen werden; denn dieser Hinweis sagt nichts darüber aus, was dem Landtag denn nun verboten bzw. was ihm erlaubt sein soll. Es mag zwar richtig sein, daß die Geschlossenheit des Kabinetts durch ein Entlassungsvotum angegriffen werden kann 65 • Das ist ebenso durch Mißbilligungsvoten gegen einen Minister möglich oder sogar durch eine besonders intensive Zitierung eines Minister. Dieser Gedanke spricht also ebenfalls nicht gegen die Zulässigkeit des Entlassungsersuchens, zumal er unberücksichtigt läßt, daß auch der gegenteilige Effekt, nämlich eine Solidarisierung des Kabinetts durchaus als Folge eintreten kann. Entlassungsersuchen sind also zulässig.
Dauster, Stellung, S. 283. Dauster, Stellung, S. 286. 62 Sattler, DÖV 1967, 765 (770 Fn. 29). 63 Vgl. Küchenhoff, DÖV 1967,116 (120). 64 Dauster, Stellung, S. 286; bzgl. der Kontrollmittel anders Küchenhoff, DÖV 1967, 116 (120); wohl auch Stern, Staatsrecht I, § 22 III 3 c a, S. 997, der zwar von Mißtrauenskundgabe spricht, aber Mißbilligung i. S. der hier verwendeten Terminiologie meint. 65 Sellmann, Parlamentsbeschluß, S. 89. 60
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G. Keine Abwahl von Ministern durch den Landtag
127
b) Entlassungsersuchen als antizipierte Zustimmung nach Art. 20 IV NdsVerf.
Man könnte überlegen, ob ein Entlassungsersuchen, das für den Ministerpräsidenten gänzlich ohne rechtliche Bindung ist, nicht als antizipierte Zustimmung zur Entlassung durch den Ministerpräsidenten zu interpretieren ist: Damit bliebe der Sinn dieser Zustimmung nach Art. 20 IV NdsVerf., nämlich daß Landtag und Ministerpräsident einen Minister nur gemeinsam entlassen können, grundsätzlich gewahrt. Denn der Landtag hätte seine diesbezügliche Mitwirkung lediglich zeitlich vorgezogen. Zusätzlich zum Entlassungsersuchen eine weitere Zustimmung zu verlangen, käme bloßem Formalismus nahe und würde dem ersten Landtagsbeschluß - dem Entlassungsersuchen - nahezu die Ernstlichkeit absprechen. Einer solchen Auslegung steht jedoch entgegen, daß dieses Entlassungsvotum nicht als Freibrief für die Zukunft ausgelegt werden darf. Denn wenn der Ministerpräsident sich nicht zu einer Entlassung des betroffenen Ministers entschließt, muß man die antizipierte Zustimmung jedenfalls als hinfällig betrachten, damit das Mitwirkungsrecht des Landtags bei einer möglichen späteren Entlassung des gleichen Ministers gewahrt bleibt. Schließlich ist auszuschließen, daß der Ministerpräsident den Minister ein Jahr oder länger nach dem Landtagsbeschluß ohne Mitwirkung des Landtags entläßt. Womöglich ist dieser inzwischen ganz anderer Ansicht. Insoweit bedarf es jedenfalls einer Frist, nach deren Ablauf eine angenommene antizipierte Zustimmung in Form des Entlassungsersuchens seine Wirksamkeit verliert. Zweifelhaft ist aber die Bestimmung dieser Frist. In der Verfassung findet sich nämlich keine direkt anwendbare Norm mit einer entsprechenden Fristbestimmung. Zu prüfen ist die analoge Anwendung anderer in der Verfassung aufgeführten Fristen. Für das konstruktive Mißtrauensvotum, einen dem Entlassungsersuchen immerhin vergleichbaren Tatbestand, fordert Art. 23 11 2 NdsVerf., daß zwischen Beratung und Abstimmung mindestens 21 Tage liegen. Diese Frist hier analog anzuwenden ist jedoch schon deswegen nicht möglich, weil für das antizipierte Entlassungsersuchen eine Höchst- nicht eine Mindestfrist erforderlich ist. Diese Voraussetzung erfüllt Art. 21 lIder Verfassung. Er bezieht sich auf die Regierungsbildung und die dabei erforderliche Bestätigung. Art. 21 regelt insoweit einen durchaus vergleichbaren Sachverhalt, nämlich eine Handlung des Ministerpräsidenten, zu deren Wirksamkeit die Zustimmung des Landtages erforderlich ist. Andererseits ist die dort genannte Frist von 21 Tagen wiederum recht lang, was sich daraus ergibt, daß in den 21 Tagen nach dem Rücktritt einer Landesregierung ein neuer Ministerpräsident gewählt werden, er seine Regierung berufen und die Regierung bestätigt werden muß. Im Rahmen der hier zu betrachtenden möglichen antizipierten Zustimmung nach
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2. Teil: Die Regierung im Amt
Art. 20 IV ist hingegen lediglich die Entscheidung des Ministerpräsident gefragt. Die in Art. 21 I 1 genannte Frist ist hierfür wesentlich zu lang schließlich ist eine baldige Entscheidung wünschenswert - so daß auch diese Norm nicht analog angewendet werden kann. Die Bestimmung einer anderen, kürzeren Frist wäre stets willkürlich und von der Verfassung nicht gedeckt. Dies gilt insbesondere für eine wohl angemessene 48-Stunden-Frist. Da aber die Bestimmung einer Frist unabdingbar ist, um die Rechte des Landtags zu wahren, und die Verfassung keine Anhaltspunkte für ihre Bestimmung gibt, muß aus Rechtssicherheitsgründen ganz von der Annahme einer antizipierten Zustimmung abgesehen werden. Letztlich ist das auch nicht besonders unglücklich, weil es dem Landtag unbenommen ist, der Entlassung, die auf sein darauf gerichtetes Ersuchen folgt, ausdrücklich zuzustimmen. Auf diese Weise wird dann immerhin noch die grundsätzliche Unverbindlichkeit solcher Beschlüsse, die eine Kritik am Minister darstellen, manifestiert. Insoweit ist die Ablehnung der antizipierten Zustimmung durchaus konsequent, auch wenn sie formalistisch erscheint. Anders kann es nur liegen, wenn der Landtag eine Frist in seine Entschließung aufnimmt, bis wann der Ministerpräsident seinem Ersuchen nachkommen möge. Mit Bestimmung einer solchen Frist wird in jedem Fall auch deutlich, daß der Landtag bis zu ihrem Ablauf mit der Entlassung des Ministers jedenfalls einverstanden ist. Die oben angesprochenen Schwierigkeiten können dann nicht auftreten, denn das Mitwirkungsrecht des Landtags bleibt gewahrt. Ist die im Entlassungsersuchen gesetzte Frist jedoch verstrichen, wird die antizipierte Zustimmung wieder hinfällig, damit der Landtag nicht seiner Mitwirkungsrechte verlustig geht, und der Ministerpräsident nicht (verfassungsrechtlich) völlig freie Hand hat. Einer Zustimmung des Landtags zur später erfolgenden Entlassung des Ministers steht dann wiederum nichts im Wege, wenn die Entlassung weiterhin seinem Willen enstspricht, wie es im Regelfall sein wird.
3. Rücktrittsaufforderung Aus den bereits zu den einfachen Mißbilligungsbeschlüssen angeführten Gründen kann es dem Landtag auch nicht verwehrt sein, sich direkt an einen Minister zu wenden und diesen zum Rücktritt aufzufordern. Ein rechtlicher Druck geht von diese Forderung keinesfalls aus, nur ein politischer, was in einen parlamentarischen System zu begrüßen ist. Jeder einzelne Minister sollte wie der Ministerpräsident wissen, was die Volksvertretung, der er verantwortlich ist, von ihm und seiner Amtsführung hält. Zudem muß der Landtag vielerlei Möglichkeiten haben, von seiner Kontrollfunktion Gebrauch zu machen. Im Grunde handelt es sich hier um eine Entlassungsaufforderung in
G. Keine Abwahl von Ministern durch den Landtag
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neuem Gewand, nämlich nicht an den Ministerpräsidenten, sondern an den betreffenden Amtsträger selbst gerichtet. Der Landtag verlangt vom Minister, daß er Konsequenzen aus einer Handlungsweise zu zieht, die er, der Landtag, nicht billigt. 4. Streichung des Gehaltes
Die Streichung des Gehaltes eines Ministers halten lediglich einige wenige Autoren im Schrifttum für zulässig. 66 Diese nicht begründete Ansicht ist schon für das Grundgesetz - für das sie vor allem vertreten wird - zweifelhaft,67 für das niedersächsische Verfassungsrecht jedoch gänzlich unhaltbar. Denn Art. 25 12 NdsVerf. verlangt anders als das Grundgesetz ausdrücklich, daß die Minister Bezüge erhalten. Andere Landesverfassungen enthalten ähnliche Normen. 68 Zwar ist die Ausgestaltung im einzelnen einem einfachen Gesetz überlassen. 69 Damit kann aber es aber nicht in das Belieben des Landtages gestellt sein, ob eine Landesregierung oder ein bestimmter Minister tatsächlich Bezüge erhält. Es gibt vielmehr einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf diese Bezüge,70 die auch angemessen hoch sein müssen. Sollte sich der Landtag über Art. 25 I 2 hinwegsetzen können, so bedürfte es einer Norm ebenfalls in der Verfassung, die aber fehlt. Die Unabdingbarkeit des Anspruchs wird auch zusätzlich durch Art. 25 11 weiter gestützt. Denn wenn die Minister kein anderes besoldetes Amt ausüben dürfen,?l zeigt dies erneut, daß die Besoldung nicht zur Disposition des Landtags stehen kann. Den Mitgliedern der Landesregierung werden durch dieses Verbot andere Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, abgeschnitten. Könnte der Landtag das Ministergehalt streichen, wären die Minister nicht mehr in der Lage, ihr Amt auszuüben. Damit wäre das Verbot des Mißtrauensvotums tatsächlich umgangen, da der betreffende Minister faktisch zum Rücktritt gezwungen wäre. Anderes würde zwar für sehr begüterte Amtsträger gelten, die vom Gehalt unabhängig leben können. Solche Ungereimtheiten sind aber zu vermeiden; eine Landesregierung ist kein Honoratiorenverein. Dies muß auch 66 U. M., AöR 76 (1950/51), 338 (340); v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 67 Anm. IV 3, S. 1302; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 158; v. Wiek, DÖV 1956, 113 (114). 67 Dazu Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 67 Rn. 44, 50; Stern, Staatsrecht I, § 22 III 3 c ß, S. 997; Brandt, Bedeutung, S. 80. 68 Art. 53 I BWVerf.; Art. 58 BayVerf.; Art. 112 II 1 BremVerf.; Art. 40 HbgVerf.; Art. 105 HessVerf.; Art. 64 I NWVerf.; Art. 106 RhPfVerf.; keine ausdrückliche Norm dieses Inhalts enthalten die Verfassungen Berlins und des Saarlandes und Schleswig-Holsteins. 69 Diesen einfachgesetzlichen Anspruch kennen alle Bundesländer, vgl. auch Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 67 Rn. 44. 70 A. A. offenbar - trotz ähnlicher Verfassungslage in Baden-Württemberg: Braun, BWVerf., Art. 56 Rn. 6. 71 Siehe auch Art. 53 II BWVerf.; Art. 57 BayVerf.; Art. 113 BremVerf.; Art. 39 HbgVerf.; Art. 64 II NWVerf.; Art. 34 SHVerf.
9 Busse
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2. Teil: Die Regierung im Amt
für solche Länder gelten, die keinen ausdrücklichen Anspruch auf die Bezüge geben und deren Verfassung keine Inkompatibilitätsnorm wie Art. 25 11 NdsVerf. enthalten. Denn ein Minister wäre nach Streichung der Bezüge gezwungen, einem anderen Beruf nachzugehen, obwohl er sich mit ganzer Kraft der Tätigkeit als Minister widmen soll und muß. Als Alternative bliebe allein der Rücktritt. Die Streichung der Bezüge ist also kein zulässiges Kontrollmittel gegenüber der Regierung.
IV. Zusammenfassung Auf den vorstehenden Seiten wurde mehrfach die Differenziertheit des Sanktionensystems angesprochen, wenn der Landtag Kontrollmittel wählt, die deutlich werden lassen, daß er einzelne Regierungsmitglieder ablehnt. Die diskutierten Beschlüsse gehen insoweit über Untersuchungs- und Zitierrecht hinaus, als sie nicht nur einen Sachverhalt festzustellen suchen, sondern aus bereits ermittelten Sachverhalten Folgerungen ziehen, die die personelle Situation der Landesregierung betreffen. Der Mißbilligungsbeschluß ist am wenigsten einschneidend, vor allem, wenn er sich auf eine Einzelmaßnahme oder auf ein bestimmtes Verhalten bezieht. Durch ihn wird der Minister angehalten, die betreffende Situation neu zu überdenken, gegebenenfalls - wenn möglich - einen Entschluß zu revidieren, wenigstens aber deutlich zu machen, daß er die Bedenken des Landtags ernst nimmt. Der generelle Mißbilligungsbeschluß geht tiefer. Hier wird die gesamte Amtsführung kritisiert, der Beschluß liegt, obwohl der Minister Gelegenheit erhalten soll, sein Amt besser zu verwalten, bereits in der Nähe eines Entlassungsgesuches oder einer Rücktrittsaufforderung. Diese schließlich sind die letzten Mittel, mit denen dem Ministerpräsidenten (der natürlich stets auch ein Adressat der übrigen genannten Entschließungen des Landtags ist und Konsequenzen überlegen soll) deutlich gemacht werden kann, er solle etwas gegen diesen Minister unternehmen. Oder der Minister selbst wird zum Handeln aufgefordert. Er kann durch seinen Rücktritt vermeiden, daß in letzter Konsequenz der Regierungschef im Rahmen eines denkbaren konstruktiven Mißtrauensvotums selbst zur Disposition steht; damit wäre die letzte und schärfste Sanktion72 , die allerdings nicht gegen einzelne Minister eingesetzt werden kann, genannt.
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Küchenhoff, DÖV 1967,116 (117); Stern, Staatsrecht I, § 22 III 3 c a, S. 997.
Dritter Teil
Das Ende der Regierung Jede Regierung muß irgendwann einmal abtreten. Für diese Beendigung der Regierungszeit sind nach der Niedersächsischen Verfassung mehrere Möglichkeiten denkbar, wobei festzuhalten ist, daß jedes Ausscheiden des Ministerpräsidenten nach Art. 24 11 NdsVerf. den Rücktritt der gesamten Regierung fingiert: So ist der Ministerpräsident zum Rücktritt verpflichtet, wenn ein neugewählter Landtag zusammentritt. Oder der Ministerpräsident kann, wie jeder einzelne Minister auch,! jederzeit aus freiem Willen zurücktreten. Weiter hat der Landtag die Möglichkeit, den Ministerpräsidenten über das konstruktive Mißtrauensvotum abzuwählen, indem er einen neuen Ministerpräsidenten wählt. Dieser Umstand wirft die Frage auf, welche Möglichkeiten dem Landtag neben dem konstruktiven Mißtrauensvotum zu Verfügung stehen, der Regierung ihren Unmut mitzuteilen und ob bzw. inwieweit sich solche Äußerungen auf den Bestand der Regierung auswirken. Beendet wird die Amtszeit der Regierung schließlich durch den Tod des Ministerpräsidenten2 und möglicherweise durch ein Urteil des Staatsgerichtshofes. Auf alle diese Möglichkeiten wird im folgenden 3 näher einzugehen sein.
A. Der Rücktritt des Ministerpräsidenten Einleitend sei erwähnt, daß der Rücktritt des Ministerpräsidenten nach der Niedersächsischen Verfassung der regelmäßig einzuschlagende Weg ist, bevor die Regierung ausgewechselt wird. Auf politischem Wege gelangt der Ministerpräsident nicht allein durch Zeit abi auf oder einen Akt des Landtages aus dem Amt. Vielmehr statuiert die Verfassung bestimmte Gründe für eine Rücktrittsverpflichtung des Ministerpräsidenten. 4 Dazu oben im 2. Teil unter B. Ein Beispiel war der Tod des Ministerpräsidenten Kopf (SPD) am 21. 12. 61, vgl. NdsLT, Tätigkeitsbericht IV, S. 7. 3 Zum Urteil des Staatsgerichtshofes allerdings bereits oben im 2. Teil unter D im Zusammenhang mit der Ministeranklage. 4 Anders ist es jedoch, wenn der Staatsgerichtshof den Ministerpräsidenten nach Art. 31 II NdsVerf. seines Amtes für verlustig erklärt. Dieses allein gerichtlich begründete Ausscheiden ist von der Mitwirkung des Ministerpräsidenten unabhängig. !
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3. Teil: Das Ende der Regierung
I. Rücktritt nach einer Landtagswahl Regelmäßig endet die Amtsperiode der Landesregierung nahezu gleichzeitig mit der Wahlperiode des Landtages, der die Regierung gewählt hat. Art. 24 II 1. Alt. NdsVerf. verlangt nämlich, daß der Ministerpräsident zurücktritt, sobald ein neugewählter Landtag zusammentritt. Das bedeutet, daß die "alte" Regierung spätestens am 30. Tag nach dem Beginn der neuen Legislaturperiode zurücktreten muß, denn nach Art. 6 III muß ein neugewählter Landtag spätestens an diesem Tage zusammentreten. Durch die Rücktrittspflicht für den Ministerpräsidenten5 - dessen Rücktritt nach Art. 24 11 den Rücktritt der gesamten Regierung fingiert - wird gesichert, daß jeder Landtag die Möglichkeit hat, "seinen" Ministerpräsidenten mit "dessen" Regierung zu wählen, was der größtmöglichen Homogenität6 dient. Andere Landesverfassungen erreichen das gleiche Ziel, ohne einen Rücktritt des Ministerpräsidenten zu fordern, indem sie die Amtszeit der Regierung automatisch mit dem Zusammentritt eines neuen Landtags enden lassen7 und damit ebenfalls an die Legislaturperiode binden.8 Im Ergebnis unterscheiden sich beide Möglichkeiten kaum. Denn solange die Regierungen nur einigermaßen verfassungstreu sind, werden sie der ausdrücklich genannten Rücktrittspflicht selbstverständlich nachkommen. Und tun sie das nicht, so würde eine Regierung sich so eklatant über die Verfassung hinwegsetzen, daß diese Situation nur in Zeiten denkbar erscheint, in denen die Verfassung ohnehin faktisch nicht mehr gilt. Denn eine Streitigkeit über die Pflicht zum Rücktritt kann angesichts des eindeutigen Wortlauts nicht auftreten. 9 Weniger auf Homogenität zwischen Parlament und Regierung sind die Verfassungen in Rheinland-Pfalz,lO Berlin und Hamburg ll bedacht, die es erlauben, daß eine Regierung über mehrere Legislaturperioden amtiert, ohne daß sie zwischendurch neu gewählt werden muß.t2 Ebenso Art. 113 II HessVerf. Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 4; Geiler I Kleinrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 4. 7 Art. 55 II BWVerf.; Art. 62 II NWVerf.; Art. 87 III 1 SaariVerf.; Art. 69 II GG; neuerdings auch Art. 27 I SHVerf.; ähnlich Art. 107 II BremVerf., der auf den Ablauf der alten Wahlperiode abstellt. 8 Ähnlich Art. 44 I BayVerf., der die Wahl der Bayerischen Staatsregierung für vier Jahre, also auf eine bestimmte Zeit, vorsieht. Diese vier Jahre entsprechen stets der Wahlperiode des Landtags (Art. 16 I BayVerf.) und können auch nicht durch eine Neuwahl des Ministerpräsidenten verschoben werden. Eine solche Neuwahl - wie sie z. B. nach dem Tod von Ministerpräsident Strauß (CSU) erforderlich war - führt gern. Art. 44 III BayVerf. nur zu einer Wahl für den Rest der vier Jahre. 9 Zum Verfahren vgl. nur NdsLT, StenBer. XI/I, S. 21 und NdsLT, Drucks. XI/2I. 10 Anders Ley, in: RhPfStVwR, Staats- und Verfassungsrecht, Rn. 87; wie hier Süsterhenn I Schäfer, RhPfVerf., Art. 99 Anm. 2. 11 Bzgl. Hamburg anders Ipsen, FS Zeidler, Band II, 1177 (1187). 5
6
A. Der Rücktritt des Ministerpräsidenten
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11. Rücktritt nach Art. 24 I NdsVerf. Wie jeder Minister kann auch der Ministerpräsident nicht auf Dauer gegen seinen Willen im Amt gehalten werden. Er hat nach Art. 24 I NdsVerf. das Recht, jederzeit zurückzutreten. Insoweit gilt nichts anderes als bei einem Ministerrücktritt.l 3 Adressat der Rücktrittserklärung ist der Landtag als das Gremium, das den Ministerpräsidenten gewählt hat; auch hier gibt es keine Besonderheiten. Der Rücktritt wird bereits mit Zugang an den Landtag, d. h. dessen Präsidenten, wirksam. Insoweit besteht zwar ein Widerspruch zu § 2 Satz 2 MinG, der formuliert, daß ein Ministerpräsident im Amt bleibt, bis ein neuer Ministerpräsident ins Amt gelangt. Danach reihte sich die Amtszeit der neuen Landesregierung nahtlos an die der alten an. Diese Bestimmung geht als einfachgesetzliche Norm der Verfassung jedoch nach und verkennt deren Differenzierung zwischen der amtierenden Regierung und einer Geschäftsregierung. Denn nach § 2 Satz 2 MinG wäre ein Ministerpräsident immer so lange im Amt, bis eine neue Regierung bestätigt ist. l4 Wenn aber eine amtierende Regierung der anderen nahtlos folgte, gäbe es den nur geschäftsführenden Ministerpräsidenten und mit ihm die geschäftsführende Landesregierung 15 nicht. Diese ist von Art. 24 IV NdsVerf. jedoch ausdrücklich vorgesehen und von der voll amtierenden Regierung vor einem Rücktritt zu unterscheiden. Das ist nur dann sinnvoll, wenn es auch Situationen gibt, in denen eine Landesregierung geschäftsführend tätig wird, nämlich nach ihrem Rücktritt. Wie erwähnt gilt nach Art. 24 III NdsVerf. mit dem Rücktritt des Ministerpräsidenten die gesamte Landesregierung als zurückgetreten. Dies ist schon deswegen konsequent, weil allein der Ministerpräsident unmittelbar vom Landtag gewählt ist und die Minister von ihm berufen sind. Sie stellen den personellen Aspekt seiner Regierungspolitik dar und müssen daher zusammen mit ihm abtreten. Eine solche Regelung findet sich demgemäß in nahezu allen Landesverfassungen, in denen die Regierungsmitglieder nicht einzeln gewählt werderi. 16 Ein Rücktrittsgesuch des Ministerpräsident ist jedoch ausgeschlossen.l 7 Dies folgt schon daraus, daß es kein Verfassungs organ gibt, an den es zu richten 12 Dazu BVerfGE 27, 44ff.; verfassungspolitisch ablehnend: Friedrich, in: Parlamentsrecht, 1707 (1710). 13 Dazu oben im 2. Teil unter B. 14 Soweit eine Mehrheitsregierung gebildet werden kann. Ist das nicht der Fall, so wird zu Recht auf die Annahme der Wahl durch den Ministerpräsidenten abgestellt. 15 Ausführlich zur Geschäftsregierung unten E. 16 Art. 55 II BWVerf.; Art. 44 III 3 BayVerf.; Art. 113 I 2 HessVerf.; Art. 62 II NWVerf.; Art. 87 III 2 SaarIVerf.; Art. 27 I SHVerf.; ebenso Art. 69 II GG; anders nur die RhPfVerf. 17 Anders Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 2.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
wäre und das die Kompetenz hätte, ein solches Gesuch anzunehmen und die Entlassung des Ministerpräsidenten auszusprechen. Insbesondere kann der Landtag den Ministerpräsidenten nur über das konstruktive Mißtrauensvotum nach Art. 23 NdsVerf. ablösen, nicht aber über ein solches Rücktrittsgesuch abstimmen und ihn so von seinen Pflichten befreien. Ein Rücktrittsgesuch kann lediglich von einem Minister an den Ministerpräsidenten gericbtet werden.1 8
B. Das konstruktive Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten Als Reaktion auf die instabilen Regierungsverhältnisse und häufigen Regierungswechsel während der Weimarer Zeit zogen zuerst das Grundgesetz und später auch einige Landesverfassungen die schon vor 1933 vorgeschlagene Konsequenz i9 , ein konstruktives Mißtrauensvotum in die Verfassung aufzunehmen;2o dadurch wird die Abwahl eines Regierungschefs mit der Neuwahl eines anderen verknüpft. Destruktive Mehrheiten, die sich zwar in der Ablehnung des alten Ministerpräsidenten einig sind, sich aber nicht mit der erforderlichen Mehrheit auf einen Nachfolger verständigen können, sollen nicht in der Lage sein, das Land in eine mehr oder minder heftige Regierungskrise zu stürzen. 2i Eine Bewertung des konstruktiven Mißtrauensvotums in der niedersächsischen Ausgestaltung soll am Ende dieses Teils vorgenommen werden. 22 Vorher sind die Fälle zu betrachten, in denen die niedersächsische Regelung nämlich Art. 23 - praktische Anwendung gefunden hat, auch wenn es, insofern anders als im Bund23 oder in Nordrhein-Westfalen 24, noch keinen erfolgreichen Versuch des Regierungswechsels über das konstruktive Mißtrauensvotum gegeben hat. Daneben bietet gerade dieses Institut Gelegenheit, aufzuzeigen, wie verschieden die einzelnen Landesverfassungen ausgestaltet sein können - und auch sind. Weiter kann aber auch der nivellierende Einfluß des Dazu oben im 2. Teil unter C. Vgl. dazu Müller, ZParl. 3 (1972), 275 (283) m.w.N. 20 Zur NdsVerf. z.B. Abg. Böhme (SPD), Materialien I, S. 123f.; Abg. Schröder (F.D.P.), ebd., S. 125; Abg. Pfad (CDU), ebd., S. 127; Abg. Hofmeister (CDU) als Berichterstatter des Verfassungsausschusses, NdsLT, StenBer. 1/120, Sp. 6622ff.; dagegen allerdings der Sachverständige Prof. Abendroth, Materialien I, S. 255; für das GG siehe nur v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 67 Anm. 11 3, S. 1290. 21 Liesegang, in: v. Münch, GGK 11, Art. 67 Rn. 1; v. Mangoldt /.Klein, GG, Art. 67 Anm. 11 3, S. 1290; Model/Müller, GG, Art. 67 Rn. l. 22 Unter B 11 4. 23 BT, Drucks. VI/3380 u. StenBer. V1/183, S. 10697ff. (abgelehnt); BT, Drucks. IXl2004 u. StenBer. IXl118, S. 7159ff. (erfolgreich). 24 Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 1, wo von zwei erfolgreichen Fällen berichtet wird. 18 19
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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Grundgesetzes auf die Ausformung des parlamentarischen Regierungssystems in den Ländern deutlich gemacht werden.
I. Die niedersächsische Regelung 1. Der Antrag nach Art. 23 NdsVerf.
Der Antrag, dem Ministerpräsidenten das Vertrauen zu entziehen, bedarf von Verfassungs wegen der Unterstützung durch ein Drittel aller Abgeordneten. Dadurch wird es kleinen Minderheiten verwehrt, häufige - aber von vornherein aussichtslose - Mißtrauensanträge zu stellen, aufgrund derer sich das Parlament allzuoft mit der Person des Ministerpräsidenten beschäftigen müßte, statt seinen Aufgaben ruhig und routinemäßig nachzugehen. Daneben wird einer Entwertung des konstruktiven Mißtrauensvotums durch häufigen, erfolglosen Gebrauch bzw. gar Mißbrauch vorgebeugt. Problematisch ist die Frage, welchen Anforderungen der Inhalt eines Antrags nach Art. 23 genügen muß. Sowohl in der Zweiten 25 wie auch in der Sechsten Legislaturperiode 26 führte die jeweilige Fassung des Antrags nach Art. 23 zu verfassungsrechtlichen Diskussionen in Parlament und Schrifttum. Denn diese Mißtrauensanträge gaben nicht an, wer zum Nachfolger des amtierenden Ministerpräsidenten gewählt werden sollte. Anders - und unstreitig der Verfassung entsprechend - war es insoweit im November 1988, als die SPD-Fraktion im Rahmen des dritten konstruktiven Mißtrauensvotums in der niedersächsischen Geschichte den Antrag stellte, den Abgeordneten Schräder zum neuen Ministerpräsidenten zu wählen.27 Da Art. 23 III NdsVerf. davon spricht, daß dem Ministerpräsidenten das Vertrauen nur durch die Wahl eines Nachfolgers entzogen werden kann, muß der Landtag mit der Abstimmung über den Mißtrauensantrag zugleich über die Wahl eines Nachfolgers entscheiden. Damit stellt sich die Frage, ob der Antrag und die Neuwahl so eng zusammenhängen, daß ersterer die Person 25 NdsLT, Drucks. II11124 u. StenBer. II156, Sp. 3603ff. (Beratung des Antrags) bzw. StenBer. II158, Sp. 3664ff. (Abstimmung mit Ablehnung). Der Antrag lautete: "Der Landtag wolle beschließen: Dem Ministerpräsidenten wird das Vertrauen entzogen." 26 NdsLT, Drucks. VI/1228 u. StenBer. VII74, Sp. 6723ff. Der Antrag lautete: "Der Landtag wolle beschließen: Gemäß Artikel 23 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung wird dem Ministerpräsidenten das Vertrauen entzogen." Dieser Antrag wurde zurückgezogen: NdsLT, Drucks. VI/1338 u. Abg. Brandes (CDU), StenBer. VII79, Sp.7080. 27 NdsLT, Drucks. XI/3215; der Antrag lautete: "Gemäß Artikel 23 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung beantragen wir, den Abgeordneten Gerhard Schräder zum neuen Niedersächsischen Ministerpräsidenten zu wählen und dadurch Ministerpräsident Dr. Ernst Albrecht das Vertrauen zu entziehen." Er wurde mit 79 gegen 76 Stimmen abgelehnt: NdsLT, StenBer. XI/72, S. 6706.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
eines Kandidaten schon benennen muß, oder ob es ausreicht, wenn der potentielle neue Ministerpräsident erst unmittelbar vor der Abstimmung über den Mißtrauensantrag vorgestellt, also nachgeschoben wird. a) Der "nachgeschobene" Kandidat
Soweit die Ansicht vertreten wird, ein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten könne auch nachgeschoben werden, brauche im Mißtrauensantrag also noch nicht genannt zu werden 28 , beruft man sich auf die sprachliche Trennung des Art. 23 in drei Absätze, wodurch ein deutlicher Unterschied zu Art. 67 GG geschaffen sei. Damit sei die Untrennbarkeit, wie sie das Grundgesetz fordert, hier nicht gegeben. 29 Vor allem aber wird auf die Frist von 21 Tagen hingewiesen, die nach Art. 2311 2 zwischen Besprechung und Abstimmung über den Antrag liegen muß30 und Verhandlungen über die Regierungsneubildung zwischen den Fraktionen ermöglichen solle. 31 Da besonders die letzten zwei Aspekte ganz wesentlich auf die Entstehungsgeschichte des Art. 23 gestützt werden, lohnt es sich, die nicht unkomplizierte Entstehung dieser Norm genauer zu betrachten. aa) Die Entstehung des Art. 23 NdsVerf Der Regierungsentwurf zur Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung kannte, anders als der F.D.P.- bzw. der DP-Entwurf,32 keine Möglichkeit, einem amtierenden Ministerpräsidenten das Mißtrauen auszusprechen und die Regierung zu stürzen. Dieser Verzicht wurde in der Referentenbegründung im wesentlichen mit Unterschieden zwischen den Tätigkeiten einer Landesregierung und der Bundesregierung begründet. 33 Schon hier ist also eine, wenn auch negative Orientierung am Grundgesetz erkennbar. Die Regierung eines Bundeslandes regiere weniger, ihre Tätigkeit sei vielmehr vor allem eine verwaltende, und dazu bedürfe sie, um vernünftig planen zu können, einer gewissen Dauerhaftigkeit. Die Aufgaben auf Landesebene seien nicht so vielgestaltig, daß der Landtag sie nicht schon bei der Regierungswahl zu Beginn der Legislaturperiode für die nächsten vier Jahre überschauen könne; also sei es 28 Toews, AöR 96 (1971), 354 (384); vgl. auch Drexelius / Weber, HbgVerf., Art. 35 Anm. 5; Spreng / Birn / Feuchte, BWVerf., Art. 54 Anm. 4. 29 Abg. Hofmeister (CDU/DP), NdsLT, StenBer. IU56, Sp. 3608; i. Erg. auch Abg. Haasler (Gesamtdeutscher BlockIBHE), ebd., Sp. 3609; im Schrifttum Toews, AöR 96 (1971),354 (384). 30 Wettig-Danielmeier, ZParl1 (1969/70),269 (279 Fn. 32). 31 Toews, AöR 96 (1971), 354 (385); entspr. Zurufe von der CDU, NdsLT, StenBer. VI/74, Sp. 6741. 32 Art. 136 F.D.P.-Entwurf (abgedruckt in NdsLT, Drucks. I/315) bzw. Art. 30 DPEntwurf (abgedruckt in NdsLT, Drucks. I/476). 33 Referentenbegründung, Materialien H, S. lf.
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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gut möglich, ihn an einer einmal getroffenen Entscheidung für eine Regierung festzuhalten; das Vertrauen in die Regierung werde während der Wahlperiode kaum wesentlich erschüttert werden, zumal das Programm einer Landesanders als das einer Bundesregierung kaum äußeren Einflüssen unterliege, die schnelle Kurswechsel verlangen und so die Vertrauensbasis zwischen Regierung und Landtag nachhaltig erschüttern könnten. Außerdem stehe dem Landtag als "Sicherheitsventil" die Möglichkeit offen, sich aufzulösen und so gemäß Art. 8 i.V.m. Art. 23 III Regierungsentwurf3 4 den Rücktritt der Regierung zu erzwingen. Diese Konstruktion der "Regierung auf eine bestimmte Zeit"35 ist bei den Parlamentariern im Verfassungsausschuß sogleich auf Widerspruch gestoßen. Bei allen Differenzen im einzelnen bestand zwischen den dort vertretenen Abgeordneten doch Einigkeit darüber, daß es möglich sein müsse, die Regierung auch während einer Legislaturperiode zu stürzen, ohne daß mit diesem Sturz ein "Harakiri"36 des Landtags verbunden sei. Sogar das Kommunalrecht kenne die Ablösung eines Wahlbeamten.37 Lediglich der dem Ausschuß angehörende Regierungsvertreter verteidigte den Entwurf. 38 Er erklärte sich aber bereit, einen Vorschlag zur Ausgestaltung des konstruktiven Mißtrauensvotums zu erarbeiten;39 dieser wurde dann als Vorlage 3 in die Verhandlungen des Verfassungsauschusses eingebracht. 40 Er lehnte sich eng an Art. 67 GG und Art. 61 NWVerf. an. In der Debatte über die Vorlage 3 wurde eine Vielzahl von Formulierungsvorschlägen gemacht,41 die hier nicht im einzelnen aufgezählt werden können, jedoch sämtlich die Neigung erkennen ließen, den Mißtrauensantrag und den Vorschlag eines Nachfolgers zu verbinden, um die Präsentierung eines Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt erst unmittelbar vor der Wahl zu verhindern. 42 Eine jedenfalls teilweise Tendenzwende ergab sich bei der Sachverständigenanhörung im Verfassungsausschuß am 15. November 1950,43 als die Professoren Abendroth und Weber Stellungnahmen zum Verfassungsentwurf abgaben. Abendroth schlug vor, das Berliner Modell des konstruktiven Mißtrauensvotums in die Verfassung Niedersachsens zu übernehmen. 44 Nach Art. 42 Das entspricht im Grundsatz Art. 7,2411 NdsVerf. So die Referentenbegründung, Materialien 11, S. 1; siehe auch oben im 1. Teil unter A 111. 36 Abg. Diederichs (SPD), Materialien I, S. 126. 37 Abg. Böhme (SPD), Materialien I, S. 123. 38 Danckwerts, Materialien I, S. 128f. 39 Danckwerts, Materialien I, S. 133. 40 Materialien I, S. 190, Art. 22a = Materialien 11, Vorlage 3, Art. 22/1. 41 Vgl. Materialien I, S. 190 - 195; Materialien I, S. 209 (Beschlußzusammenstellung). 42 Besonders deutlich Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 192. 43 Materialien I, S. 254ff. 34 35
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3. Teil: Das Ende der Regierung
BerlVerf. kann das Abgeordnetenhaus jedem Senatsmitglied mit qualifizierter Mehrheit das Mißtrauen aussprechen und damit jeden einzelnen Senator zum Rücktritt zwingen. 45 Wählt das Abgeordnetenhaus nach Ausspruch des Mißtrauens jedoch nicht binnen 21 Tagen einen Nachfolger, so wird der Vertrauensentzug unwirksam, der betreffende Senator befindet sich wieder im Amt, als wäre nichts geschehen. Gegen diesen "technischen Dreh", der den Ernst der Lage für die Parlamentarier offenbare,46 sprach sich sogleich der andere Sachverständige, Prof. Weber, aus. Er meinte, die Autorität eines zeitweilig gestürzten Regierungsmitgliedes werde geschwächt, zusätzliche Unruhe in eine Regierung hineingetragen,47 die ohnehin mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen habe. Trotzdem übernahm die SPD-Fraktion des Landtags den Grundgedanken des Art. 42 BerlVerf.,48 beschränkte in ihrem Entwurf die Abwahlmöglichkeit jedoch auf den Ministerpräsidenten. 49 Später beschäftigte sich der vom Verfassungs ausschuß eingesetzte Redaktionsausschuß mit Art. 20ff. NdsVerf., was in die Vorlage 22 mündete. Diese brachte nicht nur erstmals das Quorum von einem Drittel der Abgeordneten, die den Antrag auf ein konstruktives Mißtrauensvotum einbringen müssen, vor allem stellte der Vorschlag des Redaktionsausschusses einen Komprorniß zwischen den verschiedenen, vorher im Verfassungsausschuß diskutierten Alternativen dar. 50 Er übernahm die Anlehnung des konstruktiven Mißtrauensvotums an Art. 67 GG aus der Vorlage 3, verband sie aber mit der 21Tage-Frist der Berliner Verfassung. Der Berichterstatter des Redaktionsausschusses wies im Verfassungs ausschuß ausdrücklich darauf hin, daß der Vorschlag des Redaktionsausschusses sich grundsätzlich der Bonner Lösung anschließe. Abweichungen ergäben sich aus dem Fehlen eines Staatsoberhauptes im Bundesland. 51 Nun ist es aber abwegig anzunehmen, die genannte 21-Tage-Frist, eine doch wesentliche Abweichung des Art. 23 NdsVerf. von Art. 67 GG, ergebe sich aus dem Fehlen eines Staatsoberhauptes in Niedersachsen. Insoweit ist die Aussage des Berichterstatters Hofmeister also nicht ganz korrekt. Vielmehr 44 Unzutreffend Weis, Regierungswechsel, S. 1I8f., der die SPD als Urheber dieses Gedankens nennt. 45 Zuletzt ist am 19. 5. 89 der (mißglückte) Versuch unternommen worden, einem Senator (Innensenator Pätzold [SPD]) das Mißtrauen auszusprechen. 46 So Abendroth, Materialien I, S. 255f. 47 Weber, Materialien I, S. 257f. 48 Vgl. Materialien 11, Vorlage 15, Art. 21/1 (neu). 49 Insoweit anders die KPD, die die Berliner Lösung auf alle Regierungsmitglieder anwenden wollte: Materialien 11, Vorlage 16; dazu Abg. Lehmann (KPD), Materialien I, S. 376. 50 So deutlich der Abg. Hoffmeister (SPD), Materialien I, S. 54lf., der selbst dem Redaktionsausschuß angehörte. 5! Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 541.
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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wurde im Verfassungsausschuß die Möglichkeit von Koalitionsverhandlungen während dieser drei Wochen herausgestellt.5 2 Jedenfalls wurde der Vorschlag des Redaktionsausschusses, den dieser selbst zwar sprachlich noch einmal änderte, ohne aber den Inhalt zu berühren,53 nachdem der Verfassungsausschuß sich einstimmig für den Vorschlag ausgesprochen hatte,54 auch vom Landtagsplenum übernommen. 55 bb) Keine Folgerungen aus der Entstehungsgeschichte
Diese Entstehungsgeschichte zeigt keine Tendenz, die es ermöglichte, aus ihr Rückschlüsse auf die Ausgestaltung des Art. 23 zu ziehen, selbst wenn am Schluß der Beratungen wie am Anfang eine - jetzt allerdings nur angedeutete - Stimmung erkennbar ist, das Mißtrauensvotum und die Kandidatur nach dem Vorbild des Grundgesetzes als Einheit zu sehen. 56 Für eine Trennung von Antrag und Abstimmung könnte lediglich sprechen, daß Art. 42 BeriVerf., über den bei den Beratungen lange debattiert wurde, deutlich zwischen Vertrauensentzug und Neuwahl unterscheidet. Der Vorschlag, das Berliner Modell zu übernehmen, fand jedoch nie eine Mehrheit im Verfassungsausschuß, geschweige denn im Landtagsplenum. Ein Hinweis auf Art. 42 BeriVerf. hilft also hier nicht weiter. Auch diese Norm kann zur Auslegung des Art. 23 NdsVerf. nicht herangezogen werden. Am Ende wird man Art. 23 für eine aus Zeit- und Einigungsnot geborene Formel halten müssen, deren Entstehungsgeschichte für die Auslegung wenig ergiebig ist. Dies gilt um so mehr, als die Formulierungsarbeit letztlich im vom Verfassungsausschuß eingesetzten Redaktionsausschuß geleistet wurde. Die Sitzungen dieses Gremiums wurden jedoch nicht protokolliert; es existiert lediglich eine kleine Akte mit Material für den Redaktionsausschuß, die der Verfasser einsehen konnte. Doch auch sie gibt über die hier interessierenden Fragen keine weiteren Aufschlüsse. Festzuhalten ist auch, daß der im Redaktionsausschuß schließlich gefundene Komprorniß keiner "im guten Sinne" war, der sich aus allen Vorschlägen das beste herauspickte 57 . Dazu sind die sich bei der Auslegung ergebenden Schwierigkeiten zu groß, und die Motivation für die getroffene Regelu~g ist schon in der Entstehungsgeschichte zu wenig erkennbar. 52
Abg. Kraft (SPD), Materialien I, S. 38l.
53 Abg. Hofmeister (CDU) als Berichterstatter des Redaktionsausschusses, Materia-
lien I, S. 639. 54 Vgl. Abg. Hoffmeister (SPD), Materialien I, S. 577. 55 NdsLT, StenBer. 11120, Sp. 6635f.; NdsLT, StenBer. 11123, Sp. 680l. 56 Zu Art. 67 GG, § 97 I 2 GOBT: Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 67 Rn. 24 mit Fn. 8; Liesegang, in: v. Münch, GGK 11, Art. 67 Rn. 4; Lippert, Bestellung, S. 429; Troßmann, Parlamentsrecht, § 98 Rn. 2. 57 So aber Abg. Böhme (SPD), Materialien I, S. 542.
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b) Der Zweck der 21-Tage-Frist
Der Grund für die lange 21-Tage-Frist muß also ohne Hinweise aus der Entstehungsgeschichte gefunden werden. Er kann jedenfalls nicht ausschließlich darin liegen, übereilte Abstimmungen und in deren Folge auftretende Zufallsmehrheiten zu verhindern. Hierfür ist eine kurze Frist wie Art. 67 GG gedacht58 und auch ausreichend: Sie gibt zudem allen Abgeordneten die Möglichkeit zur Anreise, wo immer sie sich befinden mögen. Beide Gedanken rechtfertigen es aber nicht, die Abstimmung über mehr als drei Wochen hinauszuzögern. Jeder Abgeordnete ist in der Lage, sich binnen weniger Tage zu entscheiden, nachdem er mit Fraktionskollegen und anderen Beratern gesprochen hat. Übereilte, emotional konditionierte Entscheidungen sind schon nach Ablauf von 48 Stunden seit der Besprechung nicht mehr zu fürchten. Also muß der Grund für die lange Frist zumindest auch an anderer Stelle zu suchen sein. Es wird gesagt, sie solle die spätere Benennung eines Kandidaten gerade ermöglichen. 59 Doch fragt sich, ob dieser Gedanke mit der Funktion des konstruktiven Mißtrauensvotums vereinbar ist. Art. 23 soll Regierungskrisen verhindern, jedenfalls bewältigen helfen. Dann aber kann man diese Frist nur als "Kuckucksei" bezeichnen. Denn gegenüber dem Vorbild aus dem Grundgesetz wird die Krise automatisch verlängert. Die Abstimmung im Parlament wird hinausgezögert, der Ministerpräsident hat seine mögliche Abwahl vor Augen; ein Kandidat muß - selbst wenn faktisch klar sein mag, daß das Votum erfolgreich sein wird - weitere drei Wochen warten. In diesen Wochen werden, gerade nach einem Koalitionswechsel, die emotionalen Wellen (außerhalb und innerhalb des Parlamentes) hoch schlagen, was die Situation von der Übergangszeit nach einer verlorenen Wahl unterscheidet. Die Zeit könnte auch zum Versuch benutzt werden, einzelne Abgeordnete mit unlauteren Mitteln zu beeinflussen und so eine (erneute) Änderung der Mehrheitsverhältnisse herbeizuführen. 6O Mindestens Gerüchte über den Kauf von Abgeordnetenstimmen gehen ohnehin zumeist mit den Abstimmungen über konstruktive Mißtrauensvoten einher. Diese soeben angedeutete Möglichkeit läßt auch es in den Hintergrund treten, daß während der 21 Tage offen Koalitionsverhandlungen zwischen alten und neuen Partnern geführt werden könnten. Außerdem sind sie auch dann noch möglich, wenn der Kandidat bereits im Antrag genannt ist; denn mit seiner Person steht lediglich ein Eckpunkt für die Koalitionsverhandlungen fest. Daß dieser Gedanke - offene Verhandlungen nach der Antragstellung 58
Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 67 Rn. 5; Herzog, in: Maunz I Dürig, GG,
Art. 67 Rn. 26.
59 Wettig-Danielmeier, ZParl. 1 (1969170), 269 (279 Fn. 32); angedeutet bei Geiler I K1einrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 2 b; so ist auch der Zwischenruf ,,21 Tage" in NdsLT, StenBer. V1/74, Sp. 6741 zu verstehen. 60 Zu solch einem (strittigen) Fall Baring, Machtwechsel, S. 421ff.
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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letztlich nicht greifen kann, erkennt man schon daran, daß ein Antrag mit Aussicht auf Erfolg nur möglich ist, wenn bereits vorher entsprechende Verhandlungen geführt worden sind, die zumindest ein vorläufiges Ergebnis erbracht haben. 61 Denn wird ein Antrag abgelehnt oder wegen Aussichtslosigkeit zurückgenommen, geht der Antragsteller jedenfalls geschwächt, der Ministerpräsident und mit ihm seine gesamte Regierung gestärkt aus dem Verfahren hervor. Diese Gefahr versucht jeder Antragsteller durch Verhandlungen vor AntragsteIlung - also bevor die Frist überhaupt läuft - zu minimieren. Die eindeutige Tendenz in der Bevölkerung, den "verratenen" Regierungschef zu stützen - mag sie nun rational oder emotional bestimmt sein, wofür vieles spricht - zeigte sich im Jahre 1972. Die SPD erhielt nach einem überraschend gescheiterten62 Mißtrauensvotum gegen den damaligen Bundeskanzler Brandt (SPD) in der bald darauf folgenden Bundestagswahl so viele Stimmen wie vorher nicht und nachher auch nicht wieder. Sie wurde durch das abgewiesene Mißtrauensvotum also wesentlich gestärkt. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag der niedersächsischen SPD vom November 1988, dem Ministerpräsidenten Albrecht (CDU) das Mißtrauen auszusprechen und ihren Fraktionsvorsitzenden Schröder zu seinem Nachfolger zu wählen, nur schwer verständlich. Denn die Erfolgsaussichten waren minimal: Die Opposition (SPD und GRÜNE) hätte nicht nur einhellig für den Antrag stimmen müssen, was schon vorher in Zweifel gezogen worden ist, sondern auch mindestens ein Mitglied der Regierungsfraktionen (CDU und F.D.P.) hätte den Antrag unterstützen müssen. Am Ende haben die Oppositionsfraktionen nicht einmal geschlossen für ihren Kandidaten gestimmt, mindestens eine Stimme aus ihren Reihen ist an den amtierenden Ministerpräsidenten gegangen. Die ersten zwei niedersächsischen Fälle waren insoweit eher untypisch für das Instrument des konstruktiven Mißtrauensvotums. Im ersten Fall, der - wie auch der zweite und der dritte - fast parallel mit einem Auflösungsantrag verbunden war, ist vor allem eine Reaktion auf den Ausgang der Bundestagswahl 1953 zu sehen. 63 Man meinte seitens der Opposition, das dortige Wahlergebnis sei auf Niedersachsen zu übertragen, jedenfalls wollte man auf dieses aufmerksam machen. Dafür spricht schon, daß der Kandidat der Antragsteller, der Abg. Neddenriep (CDU), ein sonst wenig in Erscheinung tretender Parlamentarier war, der durch eine Abstimmungsniederlage nicht in seinen Kar61 Entsprechend wurde auch 1982 verfahren, als sich die F.D.P.-Spitze im Bundestag vor der Abstimmung über den Mißtrauensantrag gegen den Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) mit der CDU/CSU bereits auf eine neue Koalition geeinigt hatte. 62 Baring, Machtwechsel, S. 418ff.; Scheuner, DÖV 1974, 433 (434); siehe auch Müller, ZParl. 3 (1972), 275 (281 mit Fn. 38) zum Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter. 63 Hier wurde verkannt, daß der Wähler sich bei einer Landtagswahl häufig bewußt anders entscheidet als bei einer Bundestagswahl und sich damit im föderalistischen Staat ein guter Sinn verbindet.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
rierevorstellungen zurückgeworfen werden konnte, weil er wohl nie wirklich Ambitionen gehabt hat, Ministerpräsident in Niedersachsen zu werden. Die Vermutung, man wollte den Ministerpräsidenten seitens der Antragsteller gar nicht ernsthaft auswechseln, drängt sich nicht nur angesichts des Aushilfskandidaten auf; auch das Ergebnis der Abstimmung spricht eine deutliche Sprache. 64 In der Sechsten Wahlperiode hatten die Antragsteller kaum etwas zu verlieren. Sie suchten eine Möglichkeit, aus der unglücklichen, verfahrenen Situation, daß eine eigentlich auseinandergebrochene große Koalition wegen Art. 20 IV aneinandergekettet blieb, weil der Ministerpräsident nicht die erforderliche Landtagsmehrheit für eine Entlassung der Minister des ehemaligen Koalitionspartners finden konnte, herauszukommen. Die Antragsteller hatten allenfalls etwas zu gewinnen, da das Abstimmungsverhalten einiger Parlamentarier von F.D.P. und NPD nicht vorhersehbar schien. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß auch die lange Frist von 21 Tagen zwischen Besprechung des Mißtrauensantrages und der Abstimmung das Nachschieben des Kandidaten nicht rechtfertigt. c) Abschließende Überlegungen
Helfen also weder Entstehungsgeschichte noch die Frist des Art. 23 weiter, um die Frage nach der Zulässigkeit des Nachschiebens eines Kandidaten zu beantworten, sind andere Hinweise auf die Antwort zu suchen. So wird gesagt, Aufbau und Wortlaut des Art. 23 verknüpften das Mißtrauen und die Wahl nicht so eng wie z. B. Art. 67 GG, was für eine Nachschiebemöglichkeit spreche. 65 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Aufsplitterung der Norm in drei Absätze zuerst einmal der Verständlichkeit dient. Die Zusammengehörigkeit der drei Absätze wird durch das "nur" im dritten eindeutig geklärt, das einen Bezug zum ersten Absatz herstellt, wodurch gewissermaßen ein Klammereffekt eintritt. Ein Antrag, der allein darauf gerichtet ist, das Vertrauen zu entziehen, ist also auf eine von der Verfassung nicht vorgesehene, unmögliche Rechtsfolge gerichtet. Im Ergebnis findet - trotz des etwas mißverständlichen Wortlautes von Art. 23 11 - eine Wahl und nicht lediglich eine Abstimmung statt,66 was auch daran deutlich wird, daß die Geschäftsordnung des Landtags das konstruktive Mißtrauensvotum in Zusammenhang mit der Neuwahl des Ministerpräsidenten regelt. 64 Es gab 45 Ja-Stimmen, 95 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen: Landtagspräsident Olfers (SPD), NdsLT, StenBer. II158, Sp. 3666. 65 So Toews, AöR 96 (1971), 354 (384). 66 Auch Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 3 spricht von einer Wahl; entsprechend Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 2 d für Nordrhein-Westfalen.
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Weiter macht das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Erfordernis der Besprechung, mit der die 21-Tage-Frist erst zu laufen beginnt, keinen Sinn, wenn der Landtag zwar die Person des alten Ministerpräsidenten kennt, nicht aber die des potentiellen Nachfolgers. Die Besprechung im Landtag auf den Antrag als solchen zu beschränken, eine Ausdehnung auf die Personen zu verbieten und zu verhindern 67 - was die ungleiche Behandlung ausschlösse -, ist praktisch unmöglich. Antrag und Person des Ministerpräsidenten gehören untrennbar zusammen,68 und Art. 23 bietet für eine Trennung keinen Anhaltspunkt. Nicht selten wird die Begründung für den Antrag, dem Ministerpräsidenten das Mißtrauen auszusprechen, im persönlichen Bereich zu finden sein. Dann fordert schon die Chancengleichheit eine Aussprache über alle Bewerber, nicht nur den bisherigen Ministerpräsidenten, auch wenn dessen bisherige Amtsführung sich besonders für die Debatte anbietet. Über sie allein kann nicht gesprochen werden, ohne neue Perspektiven und Alternativen (auch personeller Art) in die Debatte mit einzubeziehen. Zudem ist es nach der Ansicht, die ein Nachschieben des Kandidaten ermöglicht, nicht auszuschließen, daß die bisherige Opposition ganz überraschend und unmittelbar vor der Wahl einen Kandidaten präsentiert, dessen Nominierung für viel Aufsehen sorgt. Hier sei beispielsweise an einen bekannten Bundespolitiker, vielleicht gar einen prominenter Minister gedacht. Dann ist nicht auszuschließen, daß sich einzelne Abgeordnete kurzfristig umentschließen, was vielleicht doch ohne rechte Überlegung geschieht. Unüberlegte Entscheidungen aber will Art. 23 NdsVerf. - wie Art. 67 GG - gerade nicht. Zuletzt sei darauf hingewiesen, daß auch die Geschäftsordnung des Landtags eine enge Zusammengehörigkeit von Antrag und Wahl annimmt. § 43 GONdsLT geht offenbar von der Einheit des Art. 23 aus, wenn er von dem Antrag nach Art. 23, nicht etwa Art. 23 Absatz 1 spricht. Und über "den Antrag"69 wird abgestimmt. Er allein, ohne spätere Zusätze wie die Benennung eines Nachfolgekandidaten, ist Gegenstand der Entscheidung des Landtags. d) Ergebnis
Als Ergebnis ist also festzuhalten, daß bereits der Antrag dem Ministerpräsidenten das Mißtrauen auszusprechen, die Person des Nachfolgers benennen muß.70 Daher waren die Anträge, die in der Zweiten und Sechsten Legislatur67 So eine Mindermeinung zu Art. 67 GG: v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 67 Anm. 3 b, S. 1293 und Art. 67 Anm. III 3 bund d, S. 1298f.; Achterberg, Parlamentsrecht, S.480; GeIler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 2 a; anders die ganz überwiegende Ansicht: Münch, Bundesregierung, S. 176; Troßmann, Parlamentsrecht, § 98 Rn. 9f.; Lippert, Bestellung, S. 431; Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 67 Rn. 4; Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 67 Rn. 4. 68 Maunz / Zippelius, § 39 II 1, S. 284; Lippert, Bestellung, S. 429. 69 So § 43 II 1 GONdsLT.
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periode gestellt wurden, unzulässig. Es hätte nicht über die Nachfolge abgestimmt werden dürfen; allenfalls hätte man sie diese Anträge als Mißbilligungsanträge behandeln können.?l 2. Die Abstimmung über den Mißtrauensantrag und ihre Folgen a) Die Anwendung von Art. 20 NdsVerf.
Von der Verteilung des Antrags, dem Ministerpräsidenten das Mißtrauen auszusprechen bis zur Abstimmung über diesen Antrag vergehen mindestens 24 Tage. Denn gemäß §§ 43 12,19 I GONdsLT findet die Beratung frühestens am dritten Tag nach der Verteilung des Antrags an die Abgeordneten und die Landesregierung statt. Frühestens 21 Tage nach dieser Beratung des konstruktiven Mißtrauensvotums - also der Besprechung i. S.d. Art. 23 II - stimmt der Landtag über den Antrag schließlich ab. Er ist angenommen, wenn der Landtag einen neuen Ministerpräsidenten wählt. Damit verweist Art. 23 III NdsVerf. unausgesprochen auf Art. 20 1,72 so daß seine Formulierung "mit der Mehrheit der Abgeordneten" insoweit lediglich klarstellenden Charakter hat. Diese Verweisung ist erforderlich, da Art. 23 selbst keine weiteren Voraussetzungen für die Wahl des neuen Ministerpräsidenten aufstellt. Versuchte man, den Art. 23 insoweit aus sich heraus zu verstehen,?3 so tauchten Fragen auf, die nur durch Wertungen zu beantworten sind, ohne daß man so recht wüßte, woher solche Wertungen zu nehmen sind. Der Verweis auf Art. 20 I ist hier eine elegante KlarsteIlung. Eine Modifikation gegenüber der "normalen" Ministerpräsidentenwahl findet sich allein darin, daß Art. 2311 1 eine Besprechung vorsieht, Art. 20 I eine Aussprache hingegen ausschließt. Diese Differenz ist aus der Funktion des konstruktiven Mißtrauensvotums als Abwahl zu verstehen und erscheint insoweit nicht wesentlich, als jedenfalls unmittelbar vor dem Wahlakt ebenfalls keine Aussprache zulässig ist; denn die Besprechung über den Mißtrauensantrag ist seit mindestens 21 Tagen geschlossen und kann nicht wieder eröffnet werden, damit eine überlegte Abstimmung, die nicht von Gefühlen beherrscht ist, möglich bleibt.?4 Auch wenn im Ausspracheverbot des Art. 20 I ein Sinn nicht erkannt werden kann,75 so ist die Situation hier anders. Ein konstruktives Mißtrauensvotum ist eine Begebenheit, die politisch erheblich brisanter ist als eine "normale" Wahl des Ministerpräsidenten. Denn es geht häufig mit einem "Koalitionsbruch" einher, mit 70 So i.E. auch Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 3; Weis, Regierungswechsel, S. 119; Abg. Riege (SPD), NdsLT, StenBer. VII74, Sp. 6741. 71 Dazu näher unter B IH. n So auch Landtagspräsident Olters (SPD), NdsLT, StenBer. II158, Sp. 3664f. 73 Was Weis, Regierungswechsel, S. 125 für möglich hält. 74 Vgl. zu diesem Erfordernis nur Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 54 Rn. 9; H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 67 Rn. 6 m.w.N. 75 Siehe oben im 1. Teil unter A H.
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einem Fraktionswechsel von Abgeordneten, knappe Mehrheiten können zu erwarten sein. Daher ist die Spannung in Parlament und Öffentlichkeit u. U. groß und eine plötzliche, später vielleicht als falsch empfundene Entscheidung eines Abgeordneten nach heftiger Debatte nicht auszuschließen,76 So etwas aber sollte um stabiler Regierungsverhältnisse willen vermieden werden. Die Verfassung bietet dem Ministerpräsidenten daher frühzeitig, nämlich 21 Tage vor der Wahl, die Möglichkeit, seine Verdienste vor dem Landtag darzustellen, und die Antragsteller können ihren Antrag dort ausführlich begründen. 77 Ist der Verweis auf die Vorschriften über die Regierungsbildung erkannt, so ergibt sich von selbst, daß die Abstimmung geheim sein muß, obwohl weder Art. 23 NdsVerf. noch § 43 GONdsLT dies ausdrücklich fordern; eine entsprechende Wertung unter Bezug auf eine "materielle[n] Parallelität"78 ist ebenso überflüssig und verwirrend wie eine nur entsprechende Anwendung des Art. 20 I. So ist es in sich widersprüchlich, Art. 20 I im Rahmen von Art. 23 nur entsprechend anzuwenden, in der Folge dann aber Art. 20 III für unmittelbar einschlägig zu halten 79 . Nicht selbstverständlich ist allerdings, daß auch die folgenden Absätze des Art. 20 im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums Anwendung finden müssen. Denn die weiteren Anwendungsbereiche des Art. 20 gehen über die unmittelbare Wahl des Ministerpräsidenten hinaus, betreffen die Regierung insgesamt. Das betrifft zuerst die Frage, ob ein Ministerpräsident, der im Wege des konstruktiven Mißtrauensvotums gewählt worden ist, seine Regierung bestätigen lassen muß, um vom gewählten Ministerpräsidenten zum Amtsinhaber zu werden. Nimmt man es aber mit der Wahl des Ministerpräsidenten auch im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums ernst, so ist sie erst dann abgeschlossen, wenn dieser amtiert wie nach jeder anderen Wahl auch. 8o Es finden sich in Art. 23 keine Hinweise, warum ein Ministerpräsident, der nach diesem Artikel gewählt ist, auf andere Weise ins Amt gelangen soll als bei jeder anderen Ministerpräsidentenwahl. Auch das Ministergesetz differenziert hier ebensowenig wie die Geschäftsordnung des Landtages. Das ist umso berechtigter, als die Situation ansonsten dem Fall einer Neuwahl nach Art. 20 I vollkom76 Daher ist es grds. günstiger, auch zwischen Beratung und Wahl eine gewisse Frist, quasi eine Atempause, zu haben als, wie nach Art. 67 GG möglich, unmittelbar nach der Debatte über den Antrag abzustimmen. 77 Lippert, Bestellung, S. 431. 78 Weis, Regierungswechsel, S. 125. 79 So aber Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 9 einerseits, ders., ebd., Rn. 10 andererseits. 80 A. A. Herkner, Stellung, S. 119 unter Hinweis darauf, daß der Ministerpräsident unter den Voraussetzungen des Art. 21 NdsVerf. die Amtsgeschäfte ohne Bestätigung übernehmen kann; dieser Hinweis geht fehl, weil das Mißtrauensvotum eine Wahl mit Abgeordnetenmehrheit verlangt, nicht wie Art. 21 eine Wahl mit den meisten Stimmen zuläßt.
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men entspricht, was sich in dessen Anwendung auch im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums bereits niedergeschlagen hat. Denn der Vertrauensentzug durch den Landtag führt gemäß Art. 24 II NdsVerf. zu einer Rücktrittspflicht des Ministerpräsidenten. Die gleiche Situation, nämlich der Rücktritt des Ministerpräsidenten tritt ein, nachdem ein neuer Landtag zusammengetreten ist; beide Rücktrittsfälle sind auch in Art. 24 II zusammen erwähnt. Daraus folgt weiter, daß ein Ministerpräsident sich nach dem Vertrauensentzug mit seinen Ministern noch gemäß Art. 24 III, IV geschäftsführend im Amt befindet. Erst wenn der Landtag den neuen Ministerpräsidenten zusammen mit seinem Kabinett bestätigt hat, ist die neue Regierung im Amt, und die alte Regierung führt nicht mehr die Geschäfte. Insoweit herrscht also bei der Neueinsetzung eines Ministerpräsidenten vollständige Identität vor, unabhängig davon, ob er nach einer Landtagswahl, infolge eines konstruktiven Mißtrauensvotums oder aus anderen Gründen zurückgetreten ist. Art. 20 Abs. 2 und 3 - und damit dann auch der auf ihnen unmittelbar aufbauende Absatz 4 - sind also auch nach einem konstruktiven Mißtrauensvotum anwendbar. 81 Damit ist jedoch noch nicht über die Anwendung von Absatz 5 des Art. 20 entschieden. Wendet man ihn uneingeschränkt an, so läßt man über Art. 20 I die (erneute) Neuwahl des Ministerpräsidenten zu, wenn die Regierung des soeben durch ein konstruktives Mißtrauensvotum gewählten Ministerpräsidenten nicht bestätigt wird. Dies könnte dem Grundgedanken des konstruktiven Mißtrauensvotums entgegenstehen. Denn damit ist zumindest vorerst einmal nicht klar, wer die Regierung weiterführt. Dem Landtag ist die Möglichkeit gegeben, gleich wieder einen anderen - eventuell Dritten - zum Ministerpräsidenten zu wählen, was dazu führen könnte, daß die Krise, die beendet werden soll, wieder neu aufflammt. Das alles schadet aber nicht. Denn will der Landtag diese Wahl eines dritten Ministerpräsidenten, so steht ihm immer der Weg über Art. 23 offen. Dieser würde jedoch noch mehr Zeit kosten als eine Neuwahl gemäß Art. 20 V, I. Eine Wiederholung über Art. 20 ist also geeignet, das Verfahren insgesamt zu beschleunigen und die Regierungskrise zu beenden. Und das Ausscheiden des bisherigen Ministerpräsidenten, ohne daß ein Nachfolger im Amt ist, ist bereits geschehen; insoweit kann kein weiterer Schaden eintreten. Letztlich beruht die Schwierigkeit auf dem Erfordernis der Regierungsbestätigung durch den Landtag. Sie ist mit der Entscheidung für das Bestätigungserfordernis in der Verfassung hingenommen.
81 Davon ging auch der Berichterstatter des Redaktionsausschusses, der Abg. Hofmeister (CDU), aus: Materialien I, S. 640; i. Erg. ebenso Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 10.
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Damit ist auch Art. 20 V nach einem erfolgreichen Mißtrauensvotum anwendbar, und der Landtag kann nach Ablehnung der Bestätigung einen neuen Ministerpräsidenten wählen, der seine Regierung wiederum bestätigen lassen muß. Die Möglichkeit für den mit dem Mißtrauensvotum gewählten Ministerpräsidenten, nach einer abgelehnten Bestätigung neue Minister zu berufen und diese bestätigen zu lassen, steht dem ebensowenig im Wege wie seine Möglichkeit, mit unverändertem Kabinett einen weiteren Bestätigungsversuch zu unternehmen. Diese Handlungsalternativen für Ministerpräsident und Landtag stehen so lange nebeneinander, wie nach dem Rücktritt des alten Ministerpräsidenten (hier eben gemäß Art. 23, 24 II 2. Alt. NdsVerf.) kein neuer Ministerpräsident regulär im Amt ist. Das aber ist erst dann der Fall, wenn der gewählte Ministerpräsident zusammen mit seiner Regierung nach Art. 20 III bestätigt worden ist. Außergewöhnlich an dieser Konstellation ist, daß Ministerpräsident und Landtag gleichzeitig Initiative entwickeln können. b) Unanwendbarkeit von Art. 21 NdsVerf.
Im Prinzip wäre es konsequent, den Art. 21 der Verfassung auch im Falle der erfolglosen Regierungsbildung im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums anzuwenden. Denn dem erfolgreichen konstruktiven Mißtrauensvotum folgt eine Regierungsbildung nach Art. 20. Und dann es ist nicht gewährleistet, daß die Regierungsbildung auch erfolgreich durchgeführt werden kann. Denn sie mag scheitern, weil der in geheimer Abstimmung 82 gewählte Ministerpräsident keine Regierung beruft83 oder die berufene Regierung in der offenen Abstimmung nicht vom Landtag bestätigt wird. Im Fall der "normalen" Regierungsbildung, d. h. ohne vorheriges Mißtrauensvotum, bietet Art. 21 die Lösung für das weitere Verfahren. Der Landtag hat danach die Möglichkeit, sich aufzulösen oder eine Minderheitsregierung zu wählen. Man muß sich jedoch fragen, ob Art. 21 auch für den hier zu betrachtenden Fall gedacht sein kann,84
82 Unzutreffend Weis, Regierungswechsel, S. 123, der sagt, das Wahlgeheimnis ergebe sich bei der Wahl des Ministerpräsidenten nicht aus der Verfassung, sondern allein aus der Geschäftsordnung des Landtages; anders dann aber ders., S. 125, wo er auf Art. 20 I hinweist. 83 Wie der gewählte Ministerpräsident Albrecht (CDU) nach seiner überraschenden Wahl 1976. Dieses Verfahren stellte gleichwohl eine Ausnahme dar: Albrecht berief keine Minister, weil er sicher sein konnte, in der offenen Abstimmung keine Bestätigung für die Regierung zu erhalten. Außerdem war seine Wahl für alle Beteiligte überraschend, so daß die CDU auf eine Regierungsbildung gar nicht vorbereitet war (vgl. NdsLT, StenBer. VIII/33, Sp. 3240). 84 So ohne Diskussion Weis, Regierungswechsel, S. l3lf. unter Hinweisen auf den Wortlaut. 10*
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aa) Die Entscheidung gegen Art. 21 Da beim konstruktiven Mißtrauensvotum der Landtag nicht "neugewählt" ist, kann die erste Alternative des Art. 21 I 1 NdsVerf. außer Betracht bleiben. Sie ist für die hier interessierenden Fälle jedenfalls irrelevant. Allein beachtenswert ist die 2. Alternative, die sich auf den Rücktritt des Ministerpräsidenten bezieht. Denn nach einem erfolgreichen Mißtrauensvotum tritt der Ministerpräsident nach Art. 24 11 NdsVerf. - und gemäß Art. 24 111 NdsVerf.mit ihm die Landesregierung - zurück. Doch gibt es im Vergleich zum sonstigen Rücktritt gravierende Unterschiede: Art. 21 I geht davon aus, daß eine Regierungsbildung nicht erfolgt ist, obwohl seit dem Rücktritt der alten Regierung 21 Tage vergangen sind. In diesen 21 Tagen hätte der Ministerpräsident gewählt, die Regierung berufen und bestätigt werden sollen. Im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums hingegen fand der erste Akt der Regierungsbildung, nämlich die Wahl des Ministerpräsidenten, bereits vor dem Rücktritt der alten Regierung statt. Lediglich die Berufung der Minister und die Bestätigung der Regierung liegen zeitlich nach dem Rücktritt. Das unterscheidet die Regierungsbildung im Rahmen des Art. 23 von jeder anderen und vermindert die Vergleichbarkeit der Fälle. Dieser Befund legt es nahe, Art. 21 für die Regierungsbildung nach einem konstruktiven Mißtrauensvotum nicht anzuwenden. Zu diesem eher formalen Gesichtspunkt kommen noch andere Argumente: Durch die Anwendung des Art. 21 könnte nach einem konstruktiven Mißtrauensvotum der Art. 7112 umgangen werden. Eine Mehrheit der Abgeordneten könnte sich - wenn sie sich einig genug ist - darauf verständigen, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen, diesem dann die Bestätigung der Landesregierung nach Art. 20111 zu verweigern und bei der folgenden Abstimmung über die Landtagsauflösung diese herbeiführen.8S Art. 7 Abs. 2 Satz 2 verlangt - im Gegensatz zu Art. 21 I 1- für einen Auflösungsbeschluß neben der Abgeordnetenmehrheit jedoch noch eine Mehrheit von zwei Drittel der anwesenden Landtagsmitglieder; dieses zweite Erfordernis ist umso schwerer erreichbar, je mehr Abgeordnete anwesend sind. Bei wichtigen Entscheidungen, also z. B. dem alle Abgeordnete betreffenden Beschluß über die Auflösung des Parlaments werden sie nahezu vollzählig anwesend sein, so daß die Selbstauflösung leicht scheitern kann, obwohl sich eine Abgeordnetenmehrheit für sie ausspricht. Es wäre möglich, dieses Quorum über Art. 23,20,21 zu umgehen,86 um allein mit der Abgeordnetenmehrheit die Landtagsauflösung herbeiführen zu können.87 Man wende hier85 Nach Münch, Bundesregierung, S. 177 wäre solch eine Wahl aus Mangel an Ernstlichkeit unbeachtlich. 86 Zur Umgehung der Anforderungen an eine Auflösung des Bundestages: BVerfGE 62,1 (41ff.).
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gegen nicht ein, eine solche Umgehung der Schwierigkeiten bei der Landtagsauflösung sei praxisfremd. Die umstrittene Bundestagsauflösung 198388 wie auch die nur unter großen Schwierigkeiten mögliche Auflösung des SchleswigHolsteinischen Landtags im Jahre 1987 zeigen deutlich, wie wesentlich den Parlamenten ein Auflösungsbeschluß werden kann, wenn man meint, der Wähler verlange nach einer Neuwahl. Auch welche Winkelzüge in Kauf genommen werden, um die verfassungsrechtlichen Hindernisse, die der Parlamentsauflösung entgegenstehen, zu umschiffen, waren dort klar zu erkennen. Besonders deutlich und an dieser Stelle auch besonders relevant war der Versuch der Opposition in Niedersachsen, über das konstruktive Mißtrauensvotum mit Art. 21 eine Landtagsauflösung zu erreichen, nachdem ihr Antrag auf Auflösung gemäß Art. 7 der Verfassung89 am 21. November 1988 gescheitert war90 • Fast handelte es sich hier um ein Verfahren, wie es oben angenommen wurde. Ein Unterschied lag lediglich darin, daß es überaus ungewiß war, ob diese Vorgehensweise tatsächlich erfolgreich sein würde, weil die Opposition von SPD und GRÜNEN sich nicht nur selbst völlig einig sein mußte, sondern auch noch die Stimme wenigstens eines heimlichen Abweichlers aus dem Regierungslager bekommen müßte. Weiter spricht auch der Sinn des Art. 23 NdsVerf. gegen eine Anwendung von Art. 21 NdsVerf. Denn Art. 23 III macht deutlich, daß es auf eine Entscheidung für einen neuen Mehrheitsministerpräsidenten ankommt. Hier zeigt sich deutlich die eigenständige Bedeutung dieses Satzteiles. Die Verfassung nimmt es in Kauf, daß eine Regierung im Amt bleibt, die nicht (mehr) die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich hat, wenn dies auch für jede andere mögliche Regierung gilt. Die damit beabsichtigte Kontinuität der Regierung wäre dahin, würde man nach einer abgelehnten Auflösung einen neuen Minderheitsministerpräsidenten wählen. Näher liegt es da, die Regierung im Amt zu lassen, die wenigstens einmal das ausdrückliche Vertrauen des Landtages besaß. Festzuhalten ist also, daß nach einem erfolgreichen konstruktiven Mißtrauensvotum und anschließendem Scheitern der Regierungsbildung weder eine Abstimmung über die Auflösung des Landtages noch die Wahl eines Minderheitsministerpräsidenten stattfindet. Art. 21 findet insoweit keine Anwendung. Es kann allerdings bei der Drei-Wochen-Frist des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 bleiben. Da man eine Regelung finden muß, wie lange der gewählte Ministerpräsident nach dem erfolgreichen konstruktiven Mißtrauensvotum Zeit hat, sich ein Kabinett zusammenzustellen und bestätigen zu lassen, liegt es nahe, diese 87 Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 54 Rn. 8 schließt auch für Baden-Württemberg eine Landtagsauflösung im Anschluß an ein konstruktives Mißtrauensvotum aus. 88 Dazu BVerfGE 62,1 (4ff.) 89 NdsLT, Drucks. X1/3132. 90 NdsLT, StenBer. XI/67, S. 6325ff.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Frist beizubehalten. Zur Wahrung der Rechtssicherheit ist eine genau bestimmte Frist erforderlich. Zu deren Bestimmung ist es angemessen, Wertungen der Verfassung heranzuziehen, also nach einer Norm zu suchen, die einen ähnlichen Sachverhalt regelt. Das ist hier Art 21 I 1 NdsVerf. Dem kann nicht entgegengehalten werden, es dauere dann zu lange, bis die Regierungskrise gelöst sei. 91 Vielmehr ist gerade hier eine letzte Verhandlungsfrist erforderlich und gegeben, die u. U. doch noch zum Erarbeiten endgültiger Lösungen genutzt werden kann. Es ist zu bedenken, daß die Situation im Parlament unter den hier angenommenen Umständen völlig konfus ist, also vielleicht gänzlich neue Initiativen ergriffen werden müssen. bb) Das weitere Verfahren
Die Entscheidung gegen eine Anwendung des Art. 21 nach mißglückter Bestätigung der Regierung in Folge eines konstruktiven Mißtrauensvotums wirft die Frage auf, wie der Landtag weiter zu verfahren hat. Sicher ist, daß die alte Regierung weiter regiert; fraglich ist lediglich, ob sie voll amtierend oder nur geschäftsführend tätig ist. Schließlich ist sie gemäß Art. 24 11, 111 zurückgetreten. Da die Niedersächsische Verfassung von dem Bestreben getragen wird, eine geschäftsführende Regierung nach Möglichkeit zu vermeiden, wie auch Art. 21 zeigt, liegt es nahe, hier den Rücktritt als nicht geschehen anzusehen. 92 Das ließe sich damit rechtfertigen, daß auch die Voraussetzung für den aus dem konstruktiven Mißtrauensvotum resultierenden Rücktritt, nämlich die Wahl des neuen Ministerpräsidenten, weggefallen ist. Weiter würde, so könnte man sagen, ein bloß destruktiv es Mißtrauensvotum über die Hintertür eingeführt, wenn sich die Mehrheit des Landtags auf einen Kandidaten einigt und diesen wählt, seine neue Regierung dann aber nicht bestätigt. Denn so könnte der bisherige Ministerpräsident vom Landtag zum Rücktritt gezwungen werden, ohne daß ein Nachfolger feststeht. Das soll Art. 23 jedoch gerade ausschließen. Diese Gedanken greifen am Ende gleichwohl nicht durch, auch wenn ihnen eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Denn die Verfassung schließt die Möglichkeit der geschäftsführenden Regierung nicht gänzlich aus, sondern sieht sie gerade für Fälle vor, in denen sich der Landtag nicht (gleich) auf einen neuen Ministerpräsidenten oder eine neue Regierung eini91 Für die Drei-Monats-Frist des Art. 47 BWVerf. zu Recht anders: Weis, Regierungswechsel, S. 130f.; i. Erg. auch Braun, BWVerf., Art. 54 Rn. 13. 92 So i. Erg. für Baden-Württemberg: Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 54 Rn. 8; Braun, BWVerf., Art. 54 Rn. 13; insoweit undeutlich, den Rücktritt des Ministerpräsidenten nicht beachtend, Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 10, der am Ende wohl doch mit den Erstgenannten übereinstimmt.
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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gen kann, nachdem die alte zurückgetreten ist. Ungewöhnlich und auch ungewollt bleibt hier allein die Dauer der Geschäftsregierung. Wichtiger ist, daß der Ministerpräsident und die Regierung mit allen daran anschließenden Konsequenzen zurückgetreten sind. Damit ist die Rechtsfolge des Art. 24 eingetreten. Diese darf nicht rückgängig gemacht werden. Andernfalls würden zweierlei Arten des Rücktritts geschaffen, wofür die Verfassung keinerlei Anhalt bietet. Ganz im Gegenteil wurde das Berliner Modell des konstruktiven Mißtrauensvotums in den Verhandlungen des Verfassungsausschusses gerade abgelehnt und darf nicht auf Umwegen doch in die Verfassung Einlaß finden. Gerade das geschähe aber, würde man den Rücktritt des Ministerpräsidenten schlicht ignorieren. Das Mißtrauensvotum wäre bedingt, da es, kommt eine Bestätigung der neuen Regierung nicht zustande, wie nie geschehen behandelt würde. Hiergegen kann man sich nicht auf § 2 Satz 2 NdsMinG berufen;93 denn die verfassungsrechtliche Folge des Rücktritts, daß die Regierung zur Geschäftsregierung wird, kann durch ein einfaches Gesetz nicht umgestoßen werden. Daher bleibt der Rücktritt des Ministerpräsidenten im Anschluß an ein konstruktives Mißtrauensvotum auch wirksam, wenn die nachfolgende Regierungsneubildung fehlschlägt: 94 Der bisherige Ministerpräsident regiert nach dem Rücktritt gemäß Art. 23, 24 Abs. 2 zusammen mit seinem Kabinett geschäftsführend95 weiter. Dieses Ergebnis steht in gewissem Widerspruch zum sonst erkennbaren Bestreben der Verfassung, lieber eine Minderheitsregierung zu wählen, als eine Geschäftsregierung zu behalten. Diese Differenz mag zum einen als Überbleibsel der ursprünglich geplanten Regierung auf Zeit anzusehen sein. Denn hier wird während der Legislaturperiode ein anderer Maßstab angelegt als zu Beginn einer neuen; der Regierungswechsel ist erschwert. Wesentlicher aber erscheint der andere Gedanke, der hinter dieser Regelung steht: Der Landtag ist gezwungen, die Wahl des Ministerpräsidenten und der Regierung besonders gründlich zu durchdenken. Denn er bleibt an der Regierung hängen, wenn er sich später nicht mit Abgeordnetenmehrheit für eine andere entscheiden kann. Anders sieht es ja wiederum aus, wenn die Regierung nach Art. 24 I aus freien Stücken zurücktritt. Dann ist selbstverständlich Art. 21 bei der Regierungsneubildung anzuwenden. Da die Entscheidung für den Rücktritt in den Händen der Regierung bzw. des Ministerpräsidenten lag, ist So aber Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 10. Anders ist die Lage in Baden-Württemberg. Denn Art. 54 BWVerf. stellt für den Erfolg des Mißtrauensvotums zwei Voraussetzungen auf, nämlich Neuwahl des Ministerpräsidenten und Bestätigung der neuen Landesregierung. Dort ist die Bestätigung also Teil des Mißtrauensvotums, in Niedersachsen Teil der nachfolgenden Regierungsbildung. 95 Zur Geschäftsregierung ausführlich unter in diesem Teil unter E. 93
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3. Teil: Das Ende der Regierung
dies auch berechtigt, da kein Grund besteht, den Landtag an seine Entscheidung zu binden. 3. Das Zusammentreffen mehrerer Anträge nach Art. 23 NdsVerf. Denkbar ist, daß gleichzeitig mehrere Anträge nach Art. 23 gestellt werden. Anders als die Geschäftsordnung des Bundestages96 trifft die des Niedersächsischen Landtages keine Vorsorge für diese Situation. In Bonn wird über mehrere Mißtrauensanträge in einem Wahlakt entschieden,97 was jedenfalls die Erfolgsaussicht jedes einzelnen Antrags wesentlich schmälert. 98 Einem Abgeordneten ist es nicht möglich, im Falle des Scheiterns seines Favoriten wenigstens mitzuhelfen, seine "zweite Wahl" zum Ministerpräsidenten zu machen, wenn er jedenfalls den alten nicht behalten möchte. Das ist allerdings ein Manko, das stets dann auftritt, wenn sich mehrere Kandidaten sich um ein Amt bewerben. Und da Art. 23 Abs. 3 ausdrücklich von einer Wahl spricht, sollte man auch in Niedersachsen - schon aus Gründen der Praktikabilität hier nur einen Wahlgang vornehmen. Dazu ist es nicht einmal erforderlich, gleichwohl zulässig,99 alle Anträge in einer Aussprache zu behandeln, da die Frist bis zur Abstimmung mindestens 21 Tage beträgt, also nach hinten ein gewisses Ermessen besteht, das aber restriktiv zu handhaben sein wird, um die Entscheidung nicht endlos hinauszuzögern. Einigen sich später mehrere Fraktionen auf einen neuen oder bis dahin nicht gewählten Kandidaten, steht ihnen der Weg des konstruktiven Mißtrauensvotums erneut offen. Zwar dauert es dann wiederum mehrere Wochen, bis sie das Verfahren beendet haben können, doch das liegt an der unglücklichen Frist des Art. 23 11 2.l 00 Gegenüber der anderen denkbaren Möglichkeiten, nämlich nacheinander über die verschiedenen Anträge abzustimmen, befindet sich der Ministerpräsident nach hier vertretener Ansicht zwar im Vorteil, da er eher im Amt bleibt, je weniger sich die anderen Fraktionen einig sind. Das ist aber dadurch gerechtfertigt, daß er einmal gewählt worden ist, sei es nach Art. 20,21 oder 23. Damit ist er in einer Position, die die Verfassung um der Regierungsstabilität und Regierungskontinuität willen bevorzugt. § 97 II 1 GOBT. Die Zulässigkeit dieser Regelung ergibt sich nach Troßmann, Parlamentsrecht, § 98 Rn. 6.2 aus der Geschäftsordnungsautonomie; Steiger, Grundlagen, S. 270 Fn. 19 zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit der Norm und Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 67 Rn. 36 an ihrer Zweckmäßigkeit. 98 Münch, Bundesregierung, S. 176; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 67 Rn. 36. 99 So aber offenbar Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 3. 100 Siehe dazu oben unter B I 1 b. 96 97
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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11. Die unterschiedlichen Ausgestaltungen des konstruktiven Mißtrauensvotums in den Ländern 1. Vor Inkrafttreten des Grundgesetzes entstandene Verfassungen a) Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland
Von den elf Landesverfassungen traten fünf vor und sechs nach dem Grundgesetz in Kraft. Die älteste ist die Hessische Verfassung vom 1. Dezember 1946. Sie zeichnet sich durch eine besondere Nähe zur Weimarer Verfassung aus. So ist in ihrem Art. 114 das "destruktive" Mißtrauensvotum aus Art. 54 WRV übernommen, allerdings auf den Ministerpräsidenten, und damit gemäß Art. 113 I HessVerf. die Regierung in ihrer Gesamtheit, beschränkt. Man meinte, die Regierung durch den Ausschluß des Mißtrauensvotums gegen einzelne Minister stabiler halten zu können als vor 1933. 1 Spricht der Hessische Landtag dem Ministerpräsidenten sein Mißtrauen aus, muß dieser sofort zurücktreten. 2 Anders als Art. 54 WRV setzt Art. 114 HessVerf. den Landtag danach jedoch einem gewissen Druck aus. Denn Art. 114 V HessVerf. bestimmt die Auflösung des Landtages, ist nicht binnen zwölf Tagen nach dem Mißtrauensbeschluß einer neuen Regierung das Vertrauen ausgesprochen, also gemäß Art. 101 I, II, IV HessVerf. ein neuer Ministerpräsident gewählt, das Kabinett ernannt und der Vertrauensbeschluß des Landtags erfolgt. Das soll voreilige Mißtrauensbeschlüsse des Landtags verhindern. 3 Diese zusätzliche Erschwernis führt dazu, daß der Landtag sich mehrfach überlegen wird, ob er das Mißtrauen wirklich ausspricht. Schließlich sind die Sitze der Abgeordneten gefährdet, wenn eine neue Regierungsbildung mißglückt. Die Abgeordneten müssen damit rechnen, bei der Landtagswahl nicht wiedergewählt zu werden. 4 Diese Umstände mögen tatsächlich zur Regierungsstabilität beitragen, weil schon der Egoismus der Abgeordneten dafür sorgen wird, daß nur ein Mißtrauensvotum erfolgreich sein wird, in dessen Folge auch eine schnelle, reibungslose Regierungsneubildung möglich erscheint. Diese Kalkulationsmöglichkeit ist jedoch, betrachtet man es vom Gesichtspunkt des Volkes und der Verfassung, sehr unbefriedigend. Der Gedanke, die Abgeordneten hätten stets allein das Landeswohl im Auge, ist ein wenig zu optimistisch. Sollte doch einmal eine Landtagsauflösung auf diesem Wege durchgeführt werden, ist zudem zweifelhaft, ob sich im neuen Landtag eine Regierungsmehrheit finden läßt.
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Groß, Groß, Groß, Groß,
in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 114 Anm. 4. in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 114 Anm. 7. JöR 21 (1972),309 (320f.). in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 114 Anm. 8.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Nicht auszuschließen ist allerdings auch der umgekehrte Fall, daß der Hessische Landtag häufig aufgelöst wird, weil sich, wie eben auch gegen Ende der Weimarer Zeit, destruktive Teile des Parlaments zusammentun, die Regierung abwählen und auch nach einer Neuwahl keine Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen möglich ist. Die alte Problematik wird also nicht überwunden. In den Rechtsfolgen ähnlich ist die Verfassungslage in Rheinland-Pfalz. Wird der Landesregierung mit der erforderlichen Mehrheit das Vertrauen entzogen, so muß sie nach Art. 99 I, 11 zurücktreten. Der Landtag hat dann vier Wochen lang Zeit, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen und einer neuen Regierung das Vertrauen auszusprechen. Andernfalls ist der Rheinland-Pfälzische Landtag aufgelöst, was den Landtag von übereiltem Vertrauensentzug abhalten solLS Außer der Landesregierung insgesamt kann in Rheinland-Pfalz jedoch entsprechend Art. 54 WRV - auch jedem Minister das Vertrauen entzogen und damit jeder Minister zum Rücktritt gezwungen werden. Der zurückgetretene Amtsinhaber führt dann die Geschäfte weiter, bis ein neuer Minister ernannt ist (Art. 99 IV RhPfVerf.). Der Ministerpräsident ist verpflichtet, baldmöglichst einen Nachfolger zu ernennen, sonst würde der Beschluß des Landtages umgangen. Die Ernennung erfolgt dann, wie Art. 98 11 RhPfVerf. im Umkehrschluß zu entnehmen ist, ohne Mitwirkung des Landtags. Denn eine Bestätigung durch den Landtag ist nur erforderlich, bevor die Regierung insgesamt die Geschäfte übernimmt und wenn ein Minister entlassen wird. Art. 99 I RhPfVerf. spricht lediglich von einem Vertrauensentzug gegenüber der Landesregierung und den Ministern. Art. 99 IV RhPfVerf. geht dann jedoch davon aus, daß der Landtag dem Ministerpräsidenten, der Landesregierung oder einem Minister das Vertrauen entzogen hat. Daraus ergibt sich, daß auch gegenüber dem Ministerpräsidenten ein Vertrauensentzug zulässig ist, auch wenn er in Art. 99 I RhPfVerf. nicht ausdrücklich genannt ist. 6 Damit stellt sich die Frage, ob der Fall des Mißtrauensvotums gegen den Ministerpräsident als Mißtrauensvotum gegen die gesamte Regierung oder gegen einen einzelnen Minister zu behandeln ist. Denn Art. 98 I RhPfVerf. trennt deutlich zwischen Landesregierung, Ministerpräsident und Ministern. Art. 99 IV RhPfVerf. schweigt zu dieser Frage genauso wie Art. 99 V dieser Verfassung, so daß der Wortlaut unergiebig ist. Die Lösung des Problems ist im Zusammenspiel der Normen über die Regierung zu finden: Die Stellung des Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz ist ähnlich überragend wie die in den meisten anderen Bundesländern (ErnenLey, in: RhPfStVwR, Staats- und Verfassungsrecht, Rn. 88. Im Ergebnis auch Mohr, Entstehung, S. 86; Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 99 Anm. 2 d. 5
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B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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nung und Entlassung der Minister, Richtlinienkompetenz, Stichentscheid, einziges Regierungsmitglied mit unmittelbar vom Landtag abgeleiteter Legitimation).7 Es findet sich aber keine Norm, die, wie z.B. Art. 24 III NdsVerf., das Schicksal der Minister an das des Ministerpräsidenten bindet.8 Man wird daher annehmen müssen, daß der Landtag allein den Ministerpräsidenten zum Rücktritt zwingen kann,9 und dieser dann die Geschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers, die regelmäßig bald darauf versucht werden wird,lO geschäftsführend weiter wahrnimmt, während die Minister voll amtieren. lI In diesem Falle kommt eine Landtagsauflösung nach Art. 99 V RhPfVerf. nicht in Betracht, weil eben nicht der gesamten Regierung, sondern nur dem Ministerpräsidenten das Vertrauen entzogen worden ist. Aus der Tatsache, daß zumindest die Minister vom Vertrauen des Landtags getragen werden (praktisch war das bisher kaum vorstellbar, seit der "Barschel-Pfeiffer-Affäre"12 in Schleswig-Holstein wohl doch), mag man eine Rechtfertigung für dieses Verfahren herleiten. Zudem bieten sich dem Landtag - zumindest auf den ersten Blick - im Rahmen des Mißtrauensvotums sehr differenzierte Kontrollmöglichkeiten. Trotzdem wird gegenüber dem bloß destruktiven Mißtrauensvotum keine Regierungsstabilität gewonnen. Denn will eine Landtagsmehrheit die Regierung stürzen, ohne eine neue wählen zu können und den Landtag auflösen zu wollen, wird eben nur dem Ministerpräsidenten das Vertrauen entzogen. Der regiert dann u. U. eine ganze Zeit geschäftsführend weiter, verliert aber gegenüber den voll amtierenden Ministern wesentlich an Gewicht, zusätzliche Spannungen können in die Regierung hineingetragen werden. Wählt der Landtag im Anschluß an das Mißtrauensvotum einen neuen Ministerpräsidenten, so müssen sich damit auch die Ämter der bisherigen Minister erledigen. Denn dem Ministerpräsidenten dürfen auch in RheinlandPfalz keine Minister aufgezwungen werden. Dies läßt die Gestaltung des Art. 98 11 2 RhPfVerf. genauso erkennen wie die überragende Stellung des Ministerpräsidenten im Kabinett. 13 In der Neuwahl des Regierungschefs muß konkludent auch die Zustimmung des Landtags zu Entlassung der bisherigen Regierungsmitglieder liegen, wie sie Art. 98114 RhPfVerf. fordert. Letztlich führt das Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten also doch zum Wechsel der gesamten Regierung. Glücklicher wäre es gewesen, auch in Art. 98 H, 104 Satz 1, 105 I RhPfVerf. Zu weitgehend daher Weis, Regierungswechsel, S. 165. 9 So i. Erg. auch Herkner, Stellung, S. 110, der die Regelung in Rheinland-Pfalz der eindeutig anderen in Hessen gegenüberstellt. 10 So im Ergebnis auch Weis, Regierungswechsel, S. 165; allerdings sieht er einen verfassungsrechtlichen Zwang zur Neuwahl. 11 I. Erg. auch Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 99 Anm. 4; Schranil, Saarl Verf., Art. 90 Anm. 3 für Art. 90 SaarlVerf. (a.F.). 12 Dazu im 1. Teil unter A H 2 a. 13 Insoweit zutreffend Weis, Regierungswechsel, S. 165. 7
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Rheinland-Pfalz das Schicksal der Minister an das des Ministerpräsidenten zu binden und konsequent das Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten dem gegen die Landesregierung gleichzustellen. Die etwas unbefriedigende Verfassungslage, die ja auch einen nicht unerheblichen Widerspruch zu der Bedeutung des Ministerpräsidenten enthält, ist wohl nur dadurch zu erklären, daß Art. 99 der Rheinland-Pfälzischen Verfassung erst in letzter Minute seine endgültige Form bekam l4 und nicht mehr in allen Einzelheiten auf die Konsequenzen seiner Formulierungen geprüft werden konnte. Hier sollte man über eine Änderung nachdenken. Als letzte Verfassung noch vor dem Grundgesetz wurde die Verfassung des Saarlandes verabschiedet. Allerdings ist sie gerade im hier interessierenden Bereich erst 1979 wesentlich umgestaltet worden. 15 Dennoch lehnt sie sich in ihrem Art. 88, soweit er das Mißtrauensvotum regelt, immer noch eng an das Weimarer Vorbild an, auch wenn Art. 88 SaarlVerf. wesentlich detaillierter ist als sein Vorbild und sich auch mit Fristen und Einbringungsquoren beschäftigt. Ähnlich wie Art. 99 RhPfVerf. wiederholt auch Art. 88 I SaarlVerf. den Art. 54 WRV fast wörtlich. Ein kleiner Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung liegt darin, daß der Mißtrauensbeschluß im Saarland anders als zwischen 1919 und 1933 nicht "nur" eine Rücktrittsverpflichtung für den betroffenen Ministerpräsidenten oder Minister bewirkt, sondern ein unmittelbares Ausscheiden aus dem Amt. Die Verfassung des Saarlandes ist also noch ein wenig rigider, wenn die Abweichung auch keine praktischen Auswirkungen hat. Gänzlich der Weima~ rer Verfassung entsprach noch Art. 90 I 2 SaarlVerf. in seiner alten Fassung, der ebenfalls nach dem Mißtrauensvotum eine Rücktrittspflicht statuierte.16 Im übrigen ist Art. 88 SaarlVerf. in seiner neuen Form lediglich eine KlarsteIlung gegenüber dem alten Art. 90, auch hinsichtlich formeller Fragen. b) Die Verfassung Bremens
Die Verfassung Bremens vom 21. Oktober 1947 weist insofern neue Wege und entfernt sich von Art. 54 WRV, als sie zwar die Möglichkeit der Bürgerschaft kennt, jedem Senator oder dem Senat insgesamt das Vertrauen zu entziehen. Sie stellt diesen Beschluß jedoch gleichsam unter eine Bedingung. Denn gemäß Art. 110 BremVerf. wird er erst mit der Wahl eines neuen Senators bzw. Senats wirksam. Damit ist ein Schritt in Richtung auf das konstruktive Mißtrauensvotum getan, dieses aber, da für Ab- und Neuwahl noch immer zwei Akte erforderlich sind, nicht verwirklicht. 17 Der Unterschied zum 14
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Zur Entstehungsgeschichte Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 99 Anm. 1. SaariABI. 1979 S. 650ft. Dazu Schranil, SaarlVerf. Art. 90 (a.F.) Anm. 2.
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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überkommenen Mißtrauensvotum der Weimarer Reichsverfassung ist eher formaler Natur: Der Akt, der das Mißtrauen offen ausspricht, ist durchgeführt; trotzdem kann eine Änderung im Personalbestand der Regierung eben deshalb unterbleiben, weil die Bürgerschaft sich nicht auf einen Nachfolger zu einigen vermag. Die betroffenen Senatoren bleiben "voll" im Amt. Ein Unterschied zur bloßen Weiterführung der Geschäfte, die durch die "Bedingung" verhindert wird, ist jedoch nicht ersichtlich. Denn die politische Mißstimmung, die verhindert werden soll, bleibt; sie ist durch das Mißtrauensvotum offenbart und wahrscheinlich noch verstärkt worden. Die "Vollregierung" ist ein bloßes Etikett, wenn auch die Tendenz erkennbar ist, geschäftsführende Senatoren zu vermeiden und erstmals in einer Landesverfassung ein echter Bezug zwischen Vertrauensantrag und Neuwahl hergestellt ist. Es fehlt noch an der Unmittelbarkeit dieser Verknüpfung. Interessant ist Art. 110 III 2. Alt. BremVerf., die der Bürgerschaft eine Möglichkeit einräumt, einen ungeliebten Senator loszuwerden, ohne einen neuen wählen zu müssen. Sie kann nach dem Mißtrauensvotum schlicht die Zahl der Senatsmitglieder per Gesetz herabsetzen. Auf dieses Verfahren wird sich eine heterogene Bürgerschaft auch eher einigen können, als auf einen Nachfolger des abgewählten Senators. Das Mittel ist gleichwohl nur begrenzt einsetzbar , da nicht ein Großteil des Senats aus dem Amt geschickt werden kann, auch wenn eine Mindestzahl von Senatoren in der Verfassung nicht vorgegeben ist. Aus Art. 114 BremVerf. läßt sich lediglich entnehmen, daß es mehr als zwei Senatoren geben muß, da die Verfassung von Vorhandensein "einfacher" Senatsmitglieder neben den beiden Bürgermeistern ausgeht. Eine weitere bremische Besonderheit findet sich in Art. 110 IV BremVerf. Dort wird anerkannt, daß es bestimmte Fälle geben kann,18 in denen Senatsmitglieder so gravierende Pflichtverletzungen begehen, daß sie auf politischem Wege aus ihrem Amt entfernt werden müssen, ohne dem Landtag den langen Weg über ein Gericht zuzumuten und ohne gleich einen neuen Senator bei der Hand zu haben. Daher kann den Senatoren die Mitgliedschaft im Senat durch die Bürgerschaft entzogen werden. Einem Mißbrauch dieser Norm wird durch das erforderliche Zusammenwirken von Bürgerschaft und Senat, der einen entsprechenden Antrag stellen muß, vorgebeugt. Diese Fälle, die in anderen Ländern u. U. Gegenstand einer Anklage vor dem Verfassungsgericht sein können,19liegen in der Wertigkeit zwischen dem "politischen" Mißtrauensvotum nach Art. 110 I bis III BremVerf. und der 17 A.A. offenbar Spitta, BremVerf., Art. 110, S. 212, der nicht sieht, daß ein Vertrauensentzug nach Art. 110 BremVerf. möglich ist, obwohl es an einer Neuwahl und damit der Wirksamkeit des Beschlusses fehlt; vgl. auch Weis, Regierungswechsel, S. 116, 132f. 18 Diese Fälle sind in Art. 110 IV BremVerf. abschließend aufgeführt; als Beispiel sei die Verletzung von Geheimhaltungspflichten genannt. 19 Dazu allgemein oben im 2. Teil unter D.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Anklage vor dem Staatsgerichtshof, die nur auf eine vorsätzliche Verfassungsverletzung gestützt werden kann,2o also strengeren Voraussetzungen als in allen anderen Ländern unterliegt. 21 c) Die Bayerische Verfassung
Schon 1946 versuchte der Freistaat Bayern neue Wege zu beschreiten, als er in seiner Verfassung die Ablösung des Ministerpräsidenten während einer Legislaturperiode geregelt hat. In Art. 44 III Satz 2 BayVerf. wird für den Ministerpräsidenten eine Verpflichtung zum Rücktritt2 2 ausgesprochen, wenn "die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmöglich machen". Dabei wird das Schicksal der Gesamtregierung mit dem des Regierungschefs verknüpft, denn der Rücktritt des Regierungschefs hat den Rücktritt der gesamten Regierung zur Folge. Diese Normen, die der Stabilität der Regierung dienen sollen, ohne das parlamentarische System selbst in Frage stellen zu wollen, sind von einem ihrer Väter als "Ei des Kolumbus" bezeichnet worden. 23 Der Vorschlag, eine ähnliche Regelung auch in die Niedersächsische Verfassung aufzunehmen,24 fand jedoch schon im Verfassungsausschuß keine Resonanz. Es ist eine recht eigentümliche Spielart25 des parlamentarischen Regierungssystems26 , den Ministerpräsidenten - wie eben in Bayern - selbst darüber entscheiden zu lassen, ob zwischen ihm und dem Landtag weiterhin das erforderliche Vertrauensverhältnis besteht 27 und dabei dem Landtag keine Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, das Schwinden seines Vertrauens mit rechtlich wirksamen Sanktionen geltend zu machen. 28 Denn selbst wenn der Landtag einen (unverbindlichen) Beschluß dieses Inhalts faßt, bleibt das verfassungsrechtlich folgenlos. Der Ministerpräsident kann den Rücktritt unter Hinweis darauf verweigern, die Abstimmung spiegele lediglich eine Momentaufnahme, nicht die wirkliche, dauerhafte Haltung des Parlamentes wider. Er bräuchte seine Entscheidung gegen den Rücktritt Art. 111 I BremVerf. Spitta, BremVerf., Art. 110, S. 212 spricht vom "Fall einer schweren disziplinarischen Verfehlung". 22 Schweiger, in: Nawiasky I Leusser, BayVerf., Art. 44 Rn. 5. 23 Nawiasky, BayVBl. 1956,355 (356). 24 Materialien H, Vorlage 18, Art. 22 H. 25 Nawiasky, BayVBl. 1956, 355 (356) spricht ·dagegen von einer "veredelte[n] Form". 26 BayVerfGHE 12 (n.F.), 119 (126); Schweiger, in: Nawiasky I Leusser, BayVerf., Art. 44 Rn. 5; Meder, BayVerf., Art. 44 Rn. 3. 27 Zum Entscheidungsrecht des Ministerpräsidenten: Nawiasky, BayVBl. 1956, 355 (356); Schweiger, in: Nawiasky I Leusser, BayVerf., Art. 44 Rn. 5; Brandt, JA 1982, 521 (524). 28 Unklar insoweit Mayer, in: BayStVwR, S. 29 (52). 20 21
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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im Grunde überhaupt nicht zu erläutern. Im Streit zwischen Ministerpräsident und Landtag wird dann der Verfassungsgerichtshof29 das letzte Wort haben; im Falle des eindeutig fehlenden politischen Vertrauens wird er sich gegen den Ministerpräsidenten entscheiden,3D in weniger klaren Fällen die "Tatfrage"31, nämlich ob das Vertrauen bestehe, nicht beantworten können. 32 Ein Vorteil gegenüber dem konstruktiven Mißtrauensvotum ist nicht ohne weiteres erkennbar. 33 Dieses läßt die Beantwortung der politischen Frage nach dem Vertrauen zwischen Ministerpräsident und Landtag immerhin dort, wo sie hingehört, im Parlament. Insbesondere wird man nicht annehmen können, daß der Ministerpräsident eine ruhigere und damit bessere Entscheidung als der Landtag treffen kann. 34 Denn der Ministerpräsident beschließt hier über sein eigenes Verbleiben im Amt. Und dabei werden häufig genug neben dem Bestreben nach Machterhaltung auch andere, persönliche Aspekte eine Rolle spielen. 35 Art. 44 III 2 BayVerf. hingegen verschiebt lediglich die Problematik weiter, hier auf die Gerichte. Wohl auch dies hat zu der These, die Regelung in Bayern könne nicht einmal mehr als Spielart des parlamentarischen Regierungssystems verstanden werden,36 beigetragen. Wird der Bayerische Verfassungsgerichtshof wirklich einmal mit der Entscheidung über die Möglichkeit der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Ministerpräsident und Landtag befaßt, so ergeben sich wesentliche, kaum lösbare Schwierigkeiten. Denn die Kriterien, nach denen eine entsprechende Klage zu entscheiden ist, sind dunkel.37 Problemlos ist eigentlich nur die Bestimmung der Klageart. Es wird sich um eine Verfassungsstreitigkeit nach Art. 64 BayVerf. i.V.m. Art. 2 Nr. 4, Art. 42f. BayVerfGHG handeln. 38 Die grundSätzlich ebenfalls zulässige Anklage des Ministerpräsidenten nach Art. 59, 61 BayVerf. i.V.m. Art. 2 Nr. 1, Art. 24ff. BayVerfGHG39 wird 29 Vgl. nur Hoegner, Lehrbuch, S. 71; Schweiger, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Art. 44 Rn. 5. 30 Scheinbar eindeutige Fälle bei Schweiger, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Art. 44 Rn. 5; doch nicht immer liegen die Dinge in der Praxis deutlich auf der Hand; und im Grunde erlauben selbst die genannten Beispiele keine eindeutige Subsumtion. 31 So Hoegner, Lehrbuch, S. 71. 32 Sehr skeptisch auch Friesenhahn, VVDStRL 16 (1958), 9 (56). 33 Ganz entgegengesetzt Nawiasky, BayVBI. 1956, 355 (356), der meint, Art. 44 III 2 BayVerf. sei weniger zufallsabhängig als das konstruktive Mißtrauensvotum. 34 So aber Ossig, Stellung, S. 127, der auch zu optimistisch ist, wenn er meint, ein Rücktritt sei selbstverständlich, wenn der Ministerpräsident sicher sein könne, daß der Landtag nicht mehr hinter ihm steht. 35 In Betracht kommen u. a. verletzte Eitelkeit und Selbstüberschätzung. 36 Lippert, Bestellung, S. 414. 37 Weis, Regierungswechsel, S. 110. 38 Nawiasky, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Teil II16, S. 17; Lippert, Bestellung, S. 414f. 39 Nawiasky, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Teil III 6, S. 17; a.A. offenbar Hoegner, Lehrbuch, S. 71, der für den Fall der Weigerung des Ministerpräsidenten
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3. Teil: Das Ende der Regierung
dagegen wegen des besonderen Mehrheitserfordernisses des Art. 61 IV BayVerf. praktisch weniger in Frage kommen. In der Literatur wird darauf hingewiesen, daß im Grunde schon der Beschluß, eine Klage zu erheben, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rücktrittspflicht des Ministerpräsidenten zeige. 40 Da eine Verfassungsstreitigkeit aber schon mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen eingeleitet werden könne, werde deutlich, daß die bayerische Regelung am Ende auf ein einfaches Mißtrauensvotum mit ganz geringen Mehrheitsanforderungen hinauslaufe, und daher weniger Regierungsstabilität erreiche als jede andere Landesverfassung. 41 An dieser Bewertung ist sicher zutreffend, daß Rechtsfolge und Voraussetzungen in Art. 44 III 2 BayVerf. so gelagert sind, daß ein Ministerpräsident, gegen den die entsprechende Verfassungsstreitigkeit mit Abgeordnetenmehrheit eingeleitet wird, über die gerichtliche Entscheidung zum Rücktritt gezwungen wird. Das ist im Ergebnis nicht anders, als wenn er unmittelbar auf einen Mißtrauensbeschluß des Landtages hin zurücktreten müßte. Allerdings wird durch das Verfahren vor Gericht gegenüber einem Mißtrauensvotum Zeit verschwendet, die zur Neubildung einer Regierung genutzt werden könnte. Der Verfassungsgerichtshof ist im Grunde in die ihm unangemessene Rolle des Notars gerückt, der die allen offenbare Unmöglichkeit der Zusammenarbeit von Ministerpräsident und Landtag beglaubigt. Diese Bewertung ist jedoch dann nicht zutreffend, wenn der Beschluß auf Erhebung der Verfassungs klage nicht mit Abgeordnetenmehrheit, sondern lediglich mit Anwesenheitsmehrheit gefaßt wurde. In diesem Fall bleibt dem Gerichtshof die Möglichkeit zur eigenen Bewertung der politischen Zustände im Lande, sie ist nicht bereits vorweggenommen. Denn die Frage, ob der Landtag noch mit dem Ministerpräsidenten vertrauensvoll zusammenarbeiten kann, ist danach zu beantworten, wie die Mehrheit des Gesamtparlaments zu ihm steht, unabhängig davon, welche Voraussetzungen für die Klageerhebung zu erfüllen sind. Bei Klageerhebung durch bloße Anwesenheitsmehrheit muß der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine nicht entscheidbare Frage beantworten, was nur aufgrund einer überaus unsicheren Prognose - vielleicht nach einer Befragung der an der Abstimmung nicht beteiligten Abgeordneten geschehen kann. Oder das Gericht entscheidet in diesen Fällen schlicht zugunzurückzutreten, keine VerfassungsverIetzung annimmt, also eine Voraussetzung des Art. 61 BayVerf. verneint. 40 Weis, Regierungswechsel, S. 110; nach Schweiger, in: Nawiasky I Leusser, Bay Verf., Art. 44 Rn. 5 ist ein Mißbilligungsbeschluß lediglich ein Indiz für das Bestehen der Rücktrittspflicht; das ist zutreffend, wenn man grundsätzlich davon ausgeht, daß ein Mißbilligungsbeschluß auch nach den anderen Landesverfassungen keine Rechtsfolgen auslöst; vgl. auch Kratzer, BayVBI. 1966, 408 (411) unter Hinweis auf § 69 GOBayLT. 41 Vor allem Weis, Regierungswechsel, S. 112; ähnlich, aber weniger kraß H. Schneider, VVDStRL 8 (1952), 21 (24 Fn. 9).
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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sten des Ministerpräsidenten, um die Stabilität zu bewahren. Dadurch würde es sich jedoch um eine inhaltliche Entscheidung herumwinden, die es laut Verfassung treffen soll. Dies aber ist mangels verläßlicher Kriterien häufig nicht möglich. Der Versuch, die Regierung durch Art. 44 III 2 BayVerf. besonders zu stabilisieren, muß alles in allem als mißglückt bezeichnet werden. 2. Nach dem Grundgesetz entstandene Verfassungen Nachdem sich die Väter des Grundgesetzes in Art. 67 GG für ein konstruktives Mißtrauensvotum entschieden hatten, da der Parlamentarische Rat die Versuche der Landesverfassungen, Regierungsstabilität zu gewährleisten, nicht für ausreichend hielt,42 wurde dieses - bei Abweichungen im Detail von den Landesverfassungen, die nach dem 23. Mai 1949 in Kraft traten, übernommen. a) Schieswig-Hoistein und Nordrhein-Westfalen
Die Landessatzung von Schleswig-Holstein als erste Landesverfassung nach dem Grundgesetz (auch mit den Beratungen wurde erst nach Inkrafttreten der Bundesverfassung begonnen)43 lehnte sich besonders eng an diese an. Ihr Art. 30 wiederholte Art. 67 I 1 GG wörtlich, soweit dies einer Landesverfassung nur möglich ist. Der jetzige Art. 35 SHVerf. 44 entspricht inhaltlich der Regelung des alten Art. 30 SHLS. Bemerkenswert war daher auch nicht die Konstruktion des Art. 30 SHLS, die zweimal zur Ablösung eines Regierungschefs bemüht wurde,45 sondern die Tatsache, welche Bedeutung ihm im Verfassungsgefüge Schleswig-Holsteins zukam. Allein das konstruktive Mißtrauensvotum verwirklichte die im parlamentarischen System unabdingbar notwendige Abhängigkeit jeder Regierung vom Parlament,46 denn die Regierungsämter endeten nach der alten Landessatzung weder mit dem Zusammentritt eines neuen Parlamentes, noch kannte die Landessatzung eine Rücktrittspflicht für diesen Fall. Lediglich über das v. Mangoldt, GG, Art. 67 Anm. 1. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte: Barschei! Gebel, SHLS, Einführung, S. 69ff.; Waller, Entstehung, passim, vor allem S. 153ff. 44 Im Jahre 1990 verabschiedete der Schleswig-Holsteinische Landtag eine neue Landesverfassung. 45 Zum ersten Fall siehe Barschei! Gebel, SHLS, Art. 30 Anm. CI 2 b; einen weiteren Fall bildete die Ablösung des geschäftsführenden (l) Ministerpräsidenten Henning Schwarz (CDU) durch Björn Engholm (SPD) im Jahre 1988; dazu AdG 1988, 32339. 46 Nach BVerfGE 27,44 (56) ist das ausreichend, um dem Homogenitätsprinzip des Art. 28 I 1 GG Genüge zu tun; ähnlich Geiler! Kleinrahm ! Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 1: "Kernstück im parlamentarischen Regierungssystem". 42
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3. Teil: Das Ende der Regierung
konstruktive Mißtrauensvotum konnte der Ministerpräsident gegen oder ohne seinen Willen aus dem Amt scheiden. Gerade dieses (inzwischen historische) Beispiel zeigt, daß das konstruktive Mißtrauensvotum keine Durchbrechung des parlamentarischen Systems darstellt,47 vielmehr eine besondere Ausprägung, wie eben jede Verfassung ein Ideal wie das parlamentarische Regierungssystem abwandelt, um es in ihr Gesamtgefüge einzuordnen. Die zentrale Bedeutung, die der Verfassunggeber in Schleswig-Holstein dem konstruktiven Mißtrauensvotum bis 1990 gegeben hatte, indem jede Ministerpräsidentenwahl regelmäßig über Art. 30 SHLS lief, zeigt ganz besonders deutlich, wie eng die Anlehnung der Landessatzung an das Grundgesetz war. Die Bundesverfassung wurde praktisch "weitergedacht" und in der Verwirklichung ihrer eigenen Ideen übertrumpft. Nach Art. 27 I der neuen Landesverfassung endet nun das Amt der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung stets mit dem Zusammentritt eines neuen Landtags. 48 Insoweit ist eine Angleichung an die anderen Landesverfassungen vorgenommen worden. Für Nordrhein-Westfalens Verfassung gilt nicht viel anderes. Sie hält sich ebenfalls eng an das Grundgesetz, doch ist für den Erfolg eines konstruktiven Mißtrauensvotums nicht die Mehrheit der Mitglieder des Landtages, sondern nur der abgegebenen Stimmen erforderlich. Insoweit ist sein Zustande kommen gegenüber dem Vorbild erleichtert. 49 Hier scheint die Nordrhein-Westfälische Verfassung einen Komprorniß zwischen den unterschiedlichen Mehrheitserfordernissen in den verschiedenen Wahlgängen bei der Wahl des Ministerpräsidenten nach Art. 52 NWVerf. geschlossen zu haben. Denn die für ein konstruktives Mißtrauensvotum erforderliche Mehrheit ist bei der "normalen" Wahl des Ministerpräsidenten im zweiten von drei möglichen Wahlgängen erforderlich, um den Ministerpräsidenten zu wählen. Daher ist der Hinweis, Art. 61 NWVerf. stelle strengere Anforderungen an die Wahl als Art. 52 NWVerf. 50 nur sehr begrenzt richtig; er trifft allenfalls zu, nimmt man den dritten Wahlgang, also einen Notfall, zum Vergleichsmaßstab. Dieser Mittelweg ist vielleicht dadurch zu erklären, daß im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums keine Stichwahl durchgeführt wird 51 , und die Hürde zum Erfolg nicht zu hoch angesetzt werden sollte, um überhaupt So aber Traumann, Verfassung, S. 58; U. M., AöR 75 (1949),366 (370) .. Zu den Gründen für die Änderung insoweit Schleswig-Holsteinischer Landtag, Schlußbericht, S. 25 ff.; jedenfalls wird die insgesamt die Tendenz deutlich, den Einfluß des Landtages zu stärken. 49 Geller / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 2 d. 50 Geller / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 2 d. 51 Vogels, NWVerf., Art. 61 Anm. 3; Geller / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 61 Anm. 2 d. 47
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B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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erfolgreiche Mißtrauensvoten zu ermöglichen. Er führt aber auch dazu, daß ein wenig von der angestrebten Regierungsstabilität verloren geht, wenn ausnahmsweise - aus welchen Gründen auch immer - nicht alle Abgeordneten an der wichtigen Wahl nach Art. 61 NWVerf. teilnehmen können. Normalerweise sind die Parlamente bei solchen Entscheidungen ja voll besetzt. b) Die Berliner Variante
Die Verfassung von Berlin nahm sich ebenfalls des vom Grundgesetz eingeführten konstruktiven Mißtrauensvotums an, ging aber auf zweierlei Weise eigene Wege. Sie lehnte sich also im Ergebnis weniger als Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein an das Vorbild an. Nach Berliner Verfassungs recht kann das Abgeordnetenhaus jedem Senatsmitglied das Vertrauen entziehen52 und so jeden Senator zum sofortigen Rücktritt zwingen. Diese Regelung ist im System der Berliner Verfassung jedenfalls konsequent, weil Art. 41 BeriVerf. verlangt, daß jedes einzelne Senatsmitglied auch vom Abgeordnetenhaus gewählt wird. Daneben gibt Art. 42 BerlVerf. auch die Möglichkeit, den Senat in seiner Gesamtheit zum Rücktritt zu zwingen, was der Regelung in Niedersachsen und in den meisten anderen Ländern entspricht, in denen ein Mißtrauensvotum gegen den Regierungschef die gesamte Regierung stürzt. Die Abstimmung über einen Mißtrauensantrag erfolgt, anders als in fast allen anderen Ländern, namentlich. 53 Das hat den Nachteil, daß die Entscheidung einiger Abgeordneter nicht wirklich frei sein wird, weil sie ihre Stimmabgabe gegen die eigene Fraktion nicht offenbaren wollen. Dafür ist es für den "Abweichler" später nicht erforderlich, sich bei anderen (Sach-) Entscheidungen zu verstecken, damit auch im Nachhinein niemand von seinem Abstimmungsverhalten erfährt. Solches Verhalten ist zwar wegen der damit verbundenen Unaufrichtigkeit mehr als zweifelhaft und nicht im Sinne einer nur an das eigene Gewissen gebundenen Entscheidung, dient aber am Ende auch klaren Verhältnissen und damit der Regierungsstabilität. Das eigentlich Exklusive an der Berliner Regelung ist Art. 42 III 4, der dem konstruktiven Mißtrauensvotum, sei es gegen einzelne Senatsmitglieder oder den gesamten Senat gerichtet, seine Wirksamkeit nimmt, ist nicht binnen 21 Tagen eine Neuwahl des Senators bzw. des gesamten Senats erfolgt. Hier sind destruktives und konstruktives Mißtrauensvotum quasi zusammengelegt worden. Denn das Mißtrauensvotum ist - und hier liegt der wesentliche Unterschied zu der immerhin verwandten Regelung des Art. 110 BremVerf.jedenfalls 21 Tage lang voll wirksam. Das bedeutet zum Beispiel, der betrof52 Es gibt es jedoch Reformbestrebungen, das Mißtrauensvotum gegen einzelne Senatoren zu streichen, vgl. Ipsen, FS Zeidler, Band II, S. 1177 (1186). 53 Art. 42 II 2 BeriVerf.; ebenso Art. 99 III RhPfVerf.; Art. 88 II 5 SaariVerf. 11*
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3. Teil: Das Ende der Regierung
fene Senator muß zurücktreten, aber auf Verlangen die Geschäfte weiterführen, bis ein Nachfolger amtiert. Bleibt dies Geschäftsführungsverlangen aus, ist der Senator von jeder Regierungstätigkeit ausgeschlossen. Jedenfalls gelangt er aber nach 21 Tagen wieder in sein Amt, wenn kein Nachfolger gewählt ist. Durch diese Regelung, deren Übernahme in das niedersächsische Verfassungsrecht überlegt wurde,54 wird die Regierung formal außerordentlich stabil gehalten; dabei bleibt das klassische Mittel des Regierungssturzes dem Abgeordnetenhaus erhalten. Gewonnen wird gleichwohl nichts, weder im Vergleich zum konstruktiven Mißtrauensvotum des Grundgesetzes noch zum destruktiven Mißtrauensvotum der Weimarer Verfassung: Zwar regiert der Senat formal mit voller Legitimation, nicht nur geschäftsführend. Das mag als Vorteil gelten, auch wenn es die Spannungen kaum mindert. Tatsächlich wird auf diese Weise aber ein Beschluß des Abgeordnetenhauses schlicht ignoriert, das Parlament in gewisser Weise auch der Lächerlichkeit preisgegeben. Damit verschlechtert sich die ohnehin schwierige Situation des Parlaments weiter zugunsten der Exekutive, der Parlamentarismus ist gar in Frage gestellt. Auch für Berlin stellt sich, ähnlich wie für Rheinland-Pfalz,55 die Frage, ob sich ein Mißtrauensvotum nach Art. 42 11 1 BerlVerf. gegen den Regierenden Bürgermeister56 als Senatsmitglied auf den gesamten Senat auswirkt oder allein den Regierungschef selbst betrifft. Die Antwort kann hier nicht anders lauten als für Rheinland-Pfalz: Denn die Stellung des Regierenden Bürgermeisters ist gegenüber den anderen Senatsmitgliedern sogar weitaus weniger hervorgehoben als die des Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz. Er wird sogar als bloßer primus inter pares bezeichnet.57 Denn das Berliner Abgeordnetenhaus bestätigt nicht nur die Gesamtregierung, wie es Art. 98 11 3 RhPfVerf. fordert, sondern wählt jeden Senator einzeln, wenn auch gemäß Art. 41 11 BerlVerf. auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters. Weiter steht die Richtlinienkompetenz dem Regierenden Bürgermeister nicht allein zu, sondern lediglich im Einvernehmen mit dem Senat und unter Billigung durch das Abgeordnetenhaus. 58 Das Mißtrauensvotum gegen den Regierenden Bürgermeister kann bei dieser Verfassungs situation nicht die übrigen Senatsmitglieder betreffen, sondern nur ihn allein. 59 Dazu oben B I 1 a aa. Dazu oben B II 1 a. 56 Ein Mißtrauensvotum gegen den Regierenden Bürgermeister fand im Jahre 1986 statt; zu den Gründen und dem Ergebnis AdG 1986, S. 29816. 57 So Neumann, in: Pfennig / Neumann, BeriVerf., Art. 40 Rn. 9 und Art. 41 Rn. 2; anders wohl Weis, Regierungswechsel, S. 164. 58 Art. 43 II BeriVerf. 59 I. Erg. auch Herkner, Stellung, S. 110, wenn er der Berliner Regelung die eindeutig andere in Hessen gegenüberstellt. 54 55
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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Doch muß ein innerhalb der auf das Votum folgenden 21 Tage gewählter Regierungschef die Möglichkeit haben, seinen eigenen Senat vorzuschlagen. Er darf nicht gezwungen werden, mit den alten Senatoren seines Vorgängers weiterzuarbeiten,60 kann sie aber nicht entlassen. 61 Art. 41 11 BerlVerf. macht jedoch deutlich, daß das Abgeordnetenhaus dem (neuen) Regierenden Bürgermeister keine Senatoren aufdrängen kann, diesem bei der Auswahl der Senatoren ein materielles Vorschlagsrecht zukommt. Daher sind die bisherigen Senatoren verpflichtet zurückzutreten, sobald ein neuer Regierender Bürgermeister gewählt ist, nicht anders als bei jeder anderen Senatsneubildung auch. 62 Es gilt hier zu unterscheiden zwischen den unmittelbaren Wirkungen des Mißtrauensvotums und den Folgen der anschließenden Neuwahl eines Regierenden Bürgermeisters. c) Die Verfassungen Hamburgs und Baden-Württembergs
Als vorletzte der geltenden Landesverfassungen trat die Hamburgische Verfassung in Kraft. Sie kennt ebenfalls das konstruktive Mißtrauensvotum und zwar bzgl. Senat und einzelnen Senatsmitgliedern. Das korrespondiert damit, daß jeder Senator gemäß Art. 34 I HbgVerf. einzeln von der Bürgerschaft gewählt wird. Die Neuwahl des Senats bedeutet im Grunde nichts anderes als die Summe der Senatoren neu zu wählen. Eindeutig ist hier auch, daß ein Mißtrauensvotum mit Neuwahl, das den Ersten Bürgermeister betrifft, keinen Einfluß auf den Bestand des übrigen Senats haben kann, denn er steht im Verhältnis zur Bürgerschaft nicht anders als jeder andere Senator auch. Zum Ersten Bürgermeister ist er nicht vom Parlament, sondern - alljährlich neu von den übrigen Senatoren gewählt worden, wie Art. 41 I 1 HbgVerf. fordert. 63 Der Erste Bürgermeister, der in Hamburg kaum als Regierungschef bezeichnet werden kann, hat keinerlei rechtlichen Einfluß auf die Zusammensetzung des Senats. Die Richtlinienkompetenz steht dem Senat in seiner Gesamtheit zu. 64 Ersetzt die Bürgerschaft diesen primus inter pares 65 durch einen anderen Politiker, so führt das nur zur Neuwahl des Ersten Bürgermeisters durch den Senat in seiner neuen Besetzung. 66 Weis, Regierungswechsel, S. 164f. Neumann, in: Pfennig / Neumann, BerIVerf., Art. 41 Rn. 16. 62 Dazu Neumann, in: Pfennig / Neumann, BeriVerf., Art. 41 Rn. 7. 63 Dies ist in der Öffentlichkeit offenbar nicht bekannt, wenn z. B. in der Süddeutschen Zeitung vom 2. 9. 87, S. 6 von der Wahl des Senats berichtet wird, und der Autor des Artikels (vsk) glaubt, die Bürgerschaft wähle den Ersten Bürgermeister. 64 Bernzen / Sohnke, HbgVerf., Art. 33 Rn. 3. 65 Weis, Regierungswechsel, S.19; a.A. Drexelius / Weber, HbgVerf., Art. 41 Anm. 3; zu den besonderen Aufgaben des Ersten Bürgermeisters Bernzen / Sohnke, HbgVerf., Art. 41 Rn. 3ff. 66 Die sog. Stadtstaatenkommission unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Benda, machte Anfang 1988 in ihrem Gutachten den 60
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Die Verfassung des spät gebildeten Landes Baden-Württemberg datiert erst vom November 1953. Sie richtet sich ebenfalls am Grundgesetz aus, behält aber durchaus eigenständige Züge, wenn sie in ihrem Art. 54 I ausdrücklich verlangt, daß zum Vertrauensentzug, der sich nur auf den Ministerpräsidenten beziehen kann, die Neuwahl eines Ministerpräsidenten und dazu die Bestätigung der von ihm gebildeten Regierung erforderlich sind. Die Verfassung trägt damit der Tatsache Rechnung, daß diese Bestätigung auch für jede andere Regierungsneubildung nach Art. 46 III BWVerf. erforderlich ist, damit die Regierung amtiert. 67 Insoweit ist die Baden-Württembergische Verfassung konsequenter als die Niedersächsische Verfassung. Daneben kann der Landtag den Ministerpräsidenten mit einer Zwei-DrittelMehrheit zwingen, einen Minister zu entlassen. Darin liegt ein qualifiziertes Mißtrauensvotum gegen den Minister, welches das Grundgesetz und die anderen nach ihm beschlossenen Landesverfassungen nicht kennen. Die Regierungsfähigkeit wird wegen des besonderen Mehrheitserfordernisses auch kaum beeinträchtigt werden, obwohl hier ein Fall des alten destruktiven Mißtrauensvotums vorliegt.
3. Schlußbetrachtung Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die zwischen den Jahren 1946 und 1948 in Kraft getretenen Landesverfassungen auf die verschiedenste Weise versucht haben, mit dem Problem instabiler Regierungen fertig zu werden und aus der Weimarer Zeit Lehren zu ziehen. Dabei wurde die Weimarer Verfassung als Vorbild angesehen, das es zu verbessern galt, ohne aber in die Grundstrukturen einzugreifen. Der einfallsreichste, wenn auch erfolglose Versuch findet sich in Art. 44 III 2 BayVerf., der insoweit völlig neue Wege beschritt, indem er dem Ministerpräsidenten die Entscheidung über die Möglichkeit der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Landtag in die Hand gab, die Letztentscheidung dann dem Verfassungsgerichtshof übertrug. Eine deutliche Zäsur bildet die Bundesverfassung. 68 An ihr richteten sich die späteren Landesverfassungen aus,69 was bis in die Formulierungen hinein deutlich wird.70 Allerdings nahm der Einfluß des Grundgesetzes und seiner Vorschlag, die Stellung der Regierungschefs in (allen) Stadtstaaten zu stärken, sie der eines Ministerpräsidenten in den Flächenstaaten anzupassen; näher dazu Dose, Die Welt v. 17. 3. 1988, S. 4. 67 Maurer, in: BWStVwR, S. 27 (77). 68 Vgl. die Ausführungen des Abg. Hofmeister (CDU) als Berichterstatter des Verfassungsausschusses, NdsLT, StenBer. I/120, Sp. 6623. 69 Dies gilt für die NdsVerf. in besonderem Maße, vgl. Weber, Verfassung, S. 26f., was auch daran liegen wird, daß viele Mitglieder des Nds. Landtages auch im Parlamentarischen Rat vertreten waren: vgl. die Aufstellung bei Diederichs, in: Porträt, S. 9 (12).
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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Regelung des konstruktiven Mißtrauensvotums bald ab. Lediglich die zeitlich unmittelbar dem Grundgesetz folgende Landessatzung Schleswig-Holsteins und die Verfassung Nordrhein-Westfalens schlossen sich fast vorbehaltlos an. Dies gilt übrigens nicht nur für das konstruktive Mißtrauensvotum, sondern auch für die "normale" Wahl des Ministerpräsidenten. Die Wertschätzung für Art. 67 GG ging in Schleswig-Holstein so weit, daß man nicht einmal, wie die anderen Flächenstaaten, eine Rücktrittspflicht für den Ministerpräsidenten statuierte, wenn der Landtag neu gewählt worden war. Vielmehr sah die dortige Landessatzung das konstruktive Mißtrauensvotum als alleinige Möglichkeit vor, den Ministerpräsidenten abzulösen. Diese Entscheidung, die bereits einmal Gegenstand eines Streites vor dem Bundesverfassungsgericht war, bekam durch die Wahlen zum Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 13. 9. 1987 neue Aktualität. Denn die erklärten Koalitionsparteien CDU und F.D.P hatten im Landtag ebenso viele Sitze erlangt wie die Opposition aus SPD und SSW. Dennoch hätte der bisherige Ministerpräsident Barschel (CDU) im Amt bleiben können,71 da eine Abwahl nur mit Abgeordnetenmehrheit möglich gewesen wäre; das galt unbeschadet der Tatsache, daß er selbst auch über keine solche Mehrheit im Landtag verfügte. Nach Barscheis Rücktritt konnte dann sogar sein bisheriger Stellvertreter Schwarz (CDU) die Geschäfte weiter führen, ohne selbst einmal vom Landtag gewählt worden zu sein. Die Berliner Verfassung versuchte auf dem Boden des konstruktiven Mißtrauensvotums dieses weiter zu verbessern, was aber als gescheitert angesehen werden muß. Hamburg und Berlin behielten sich, wie schon Bremen im Jahre 1947, die Eigenheit vor, jeden Senator von der Bürgerschaft wählen zu lassen und gegen jedes Senatsmitglied auch ein Mißtrauensvotum der neuen, vom Grundgesetz eingeführten Art, zuzulassen. Ähnlich setzte Baden-Württemberg eine gewisse, dem sonstigen Verfassungsrecht dieses Landes angemessene, Berücksichtigung der Regierung als Ganzes durch, wie das auch bei der Regierungsneubildung nach Art. 46 BWVerf. der Fall ist. Ohne eine erfolgreich abgeschlossene Regierungsneubildung kann kein Mißtrauensvotum erfolgreich sein. Es ist also ausgeschlossen, daß ein neuer Ministerpräsident ohne Regierung dasteht, wie das nach der Niedersächsischen Verfassung möglich ist. Das Konstruktive des Mißtrauensvotums wird so noch stärker betont als im Grundgesetz oder der Niedersächsischen Verfassung.
70 Eine Aufstellung der "textliche[n] Anlehnung[enl" der NdsVerf. an das Grundgesetz findet sich bei Beckers, Aufbau, S. 99 in Fn. 188. 71 Nach Art. 27 I SHVerf. endet das Amt der Regierung nunmehr mit dem Zusammentritt eines neuen Landtages; die Regierung wird dann nach Art. 27 II SHVerf. zur geschäftsführenden Regierung.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Damit hat sich neben dem Bestreben nach stabilen Regierungsverhältnissen gezeigt, daß die Verfassungen der Länder zwar auch wesentlich vom Grundgesetz beeinflußt worden sind, gleichzeitig aber - und die Normen über das konstruktive Mißtrauensvotum können als stellvertretend für das Staatsorganisationsrecht angesehen werden - offenbart sich das Bemühen der Länder, vom Grundgesetz abweichen, wo es nützlich erscheint. Verbesserungen sollen durchgesetzt und den Besonderheiten des jeweiligen Landes (z. B. der Stadtstaaten) Rechnung getragen werden. Einige auffällige Unterschiede zwischen den Verfassungen des Bundes und der Länder wurden erwähnt, andere - wie voneinander abweichende Fristen, Antragsquoren etc. - blieben unberücksichtigt. Sie zeigen aber ebenfalls das Bestreben der Landesverfassungen, ein möglichst perfektes System zu finden. Das aber ist im Umfeld von Regierungskrisen, wie sie mit einem konstruktiven Mißtrauensvotum stets einhergehen, äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich. 4. Bewertung der niedersächsischen Regelung des konstruktiven Mißtrauensvotums
Die Diskussion über die Fähigkeit des Instituts konstruktives Mißtrauensvotum, Regierungskrisen zu verhindern, wird seit Inkrafttreten des Grundgesetzes geführt. 72 Sie soll hier nicht im einzelnen nachvollzogen werden, da es vor allem darum gehen muß, die Form, die der Verfassunggeber in Niedersachsen gewählt hat, zu betrachten. Es ist jedoch anzumerken, daß die stabilen politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland bisher jedenfalls nicht allein dem konstruktiven Mißtrauensvotum, sondern auch der Fünf-ProzentKlausel zu verdanken sind. Diese hat (fast) stets dafür Sorge getragen, daß es Splitter-, insbesondere aber extremistischen Parteien nicht gelang, in die Parlamente einzuziehen. Wo dies dennoch geschah, wie in Niedersachsen Ende der Sechziger Jahre der NPD, entstanden sofort Probleme, die Art. 23 NdsVerf. nicht zu lösen vermochte. Damals wurde schließlich eine Landtagsauflösung beschlossen, um aus der unbefriedigenden Situation herauszukommen. Im Grunde war das eine erste Warnung vor neuen Weimarer Verhältnissen,73 die der Wähler allerdings wohl verstanden hat; denn nach der Neuwahl war die NPD nicht mehr im Landtag vertreten, obwohl gerade die etablierten Parteien sich in dem Verfahren, das zum konstruktiven Mißtrauensvotum und zur Landtagsauflösung führte, äußerst ungeschickt verhalten hatten. 72 Vgl. nur Uesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 67 Rn. 11f.; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 67 Anm. 3, S. 1290ff.; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 67 Rn. 14ff.; Lippert, Bestellung, S. 435ff.; alle m.w.N. 73 Kritisch zur These, ein konstruktives Mißtrauensvotum hätte das Scheitern der Weimarer Republik verhindern können: Steiger, Grundlagen, S. 268; Hermens, Verfassungslehre, S. 394,411 weist darauf hin, daß nur drei Kabinette zwischen 1919 und 1933 durch einen Vertrauensentzug gestürzt wurden.
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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Mit dem offenbar dauerhaften Einzug einer vierten Partei, den GRÜNEN, in die Landtage und den Bundestag seit etwa 1980 stellen sich erneut Probleme in den Parlamenten, die auf der Schwierigkeit beruhen, absolute Mehrheiten für eine Koaltionsregierung zu finden. Situationen wie sie vor allem in Hamburg oder Hessen aufgetreten sind, scheinen auch mit Art. 23 nicht lösbar. Sie liegen wohl einfach in der Natur der parlamentarischen Demokratie und können von dieser auch verkraftet werden, solange die Bevölkerung und die Parteien hinter ihr stehen. Doch ob der ganzen Diskussion sollte nicht vergessen werden, daß Art. 23 vor allem deswegen in die Verfassung aufgenommen werden sollte, weil der Verfassungsausschuß meinte, es müsse möglich sein, die Regierung auch während der Legislaturperiode abzuwählen;74 er stellt also quasi einen Komprorniß zwischen Art. 54 WRV und der im Regierungsentwurf vorgesehenen Regierung auf Zeit dar. Die Verfassung nimmt ein gegenüber dem Entwurf minderes Maß auch an Stabilität in Kauf, um den Einfluß des Landtages auf den Bestand der Regierung zu sichern. Die verbleibende Stabilität kann - wie bei einer Regierung auf Zeit - nur formaler Natur sein. Denn eine Minderheitsregierung, die faktisch entsteht, wenn einige Abgeordnete die Regierungsfraktion( en) verlassen, aber auch keine neue Mehrheit für einen anderen Regierungschef besteht, hat ebenso wie eine Geschäftsregierung Schwierigkeiten, die Gesetze, insbesondere das Haushaltsgesetz, zu verabschieden. Die Regierungsfähigkeit bleibt eingeschränkt. Dazu kommt die unglückliche Frist, die nach Art. 23 11 2 zwischen der Besprechung und der Abstimmung liegt. Zwar gibt sie tatsächlich den Fraktionen die, wenn auch kaum praktikable, Möglichkeit, noch Koalitionsverhandlungen zu führen, den Kandidaten anzupreisen oder die Vorzüge des bisherigen Ministerpräsidenten herauszustellen (nicht jedoch noch einen Kandidaten zu suchen)75. Sie hat aber nicht nur in der praktischen Anwendung zu Auslegungsschwierigkeiten geführt, sondern verzögert die Klärung der Frage, wer in den kommenden Monaten oder Jahren als Ministerpräsident die Geschicke des Landes lenken wird. Sie ist auch nicht etwa geeignet, Abmachungen hinter dem Rücken eines bisherigen Koalitionspartners zu verhindern, da - ungeachtet anderer Möglichkeiten - eventuelle neue Koalitionen fast sicher schon vor Einbringung des Antrags beschlossen sein werden. Zusätzliche, nicht gelöste Schwierigkeiten entstehen durch das Erfordernis der Regierungsbestätigung, das auch nach einen konstruktiven Mißtrauensvotum erfüllt werden muß. Denn wird die Bestätigung verweigert, treten Probleme auf, die ohne der Verfassung Gewalt anzutun, kaum lösbar sind. Oben76 ist der Versuch einer Lösung unternommen worden, der dann eine 74 75 76
Siehe oben B I 1 a aa. Dazu ausführlich oben B I 1. Dazu oben unter B I 2 a.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
längere Zeit mit einer geschäftsführenden Regierung zur Folge hat. Dies erscheint zwar als die einzig praktikable Lösung, kann aber kaum mit dem System, das die Verfassung im übrigen verfolgt, vereinbart werden. Denn die Dauer einer Geschäftsregierung soll kurz gehalten werden; die Verfassung will, wie Art. 21 zeigt, lieber eine Minderheitsregierung. Der Systembruch liegt letztlich in der Rücktrittspflicht des Ministerpräsidenten nach einem erfolgreichen konstruktiven Mißtrauensvotum begründet und ist der lege lata nicht zu verhindern. Er hat allerdings den Vorteil, daß die Verfassungskrise, welche das Land in der angenommenen Situation am Ende durchläuft, besonders offenbar wird. Dieser Trost ist gleichwohl nur ein geringer. Wesentlicher Kritikpunkt bleibt jedoch die lange 21-Tage-Frist, die angesichts der Meinung des Redaktionsausschusses, während dieser Zeit könnten interfraktionelle Verhandlungen geführt werden, zwar kein Redaktionsversehen77 ist, über deren Änderung aber dennoch nachzudenken wäre. Sinnvoll erscheint dagegen die Entscheidung der Verfassung, überhaupt eine Frist zwischen zwischen Beratung und Abstimmung zu setzten. Denn so haben die Abgeordneten Zeit, sich in Ruhe mit den Argumenten der Beratung auseinanderzusetzen, die Fraktionen können sich noch einmal besprechen. Und vor allem sind die Gemüter bei der Abstimmung dann nicht so erregt, wie unmittelbar nach der sicher hitzigen Debatte über den Antrag. Eine Frist zwischen Aussprache und Abstimmung findet sich nur noch in drei weiteren Landesverfassungen7S , die teilweise nicht nur den frühesten, sondern auch den spätesten Zeitpunkt der Wahl nach der Aussprache bestimmen, was der Rechtssicherheit überaus dienlich ist.
111. Exkurs: Mißbilligung des Ministerpräsidenten Neben dem konstruktiven Mißtrauensvotum nach Art. 23 NdsVerf. kennt das Verfassungsleben auch schlichte Mißbilligungsbeschlüsse des Landtages gegen den Ministerpräsidenten. Bisher wurde ein Antrag gestellt, dem Ministerpräsidenten selbst die Mißbilligung des Landtages auszusprechen,79 Andere Mißbilligungsanträge richteten sich jedoch gegen ein Verhalten der Regierung. so Da die Verfassung den Bestand der Regierung insgesamt in Wie jedoch Weis, Regierungswechsel, S. 119 andeutet. Art. 114 II 2 HessVerf.; Art. 99 III RhPfVerf.; Art. 88 II 4 SaariVerf. 79 Er lautete: "Der Landtag rügt die Äußerungen des Ministerpräsidenten gegenüber dem Landtagspräsidenten im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Einsetzung des Elften Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. 10. 1986": NdsLT, Drucks. XI/279. Der Antrag wurde im Landtag beraten und nach einer Erklärung des Ministerpräsidenten zurückgezogen: NdsLT, StenBer. XI/8, S. 683ff. 80 NdsLT, Drucks. III/430; NdsLT, StenBer. III/28, Sp. 1534ff.; NdsLT, Drucks. X/5038; NdsLT, StenBer. X/93, S. 880lff. 77 78
B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
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Art. 24 11 vom Schicksal des Ministerpräsidenten abhängig macht, wird man diese Anträge als in erster Linie gegen den Regierungschef gerichtet ansehen müssen. Das ergibt sich nicht nur aus einem möglichen Umkehrschluß, sondern der Ministerpräsident ist besonders betroffen, weil seine Kompetenzen durch die Einräumung der Richtlinienkompetenz sehr weit gefaßt sind, er letztlich ungeachtet des Ressortprinzips81 auch in der täglichen Arbeit auf die Entscheidungen der Minister einwirken kann. Er steht also für alle Entscheidungen der Regierung in der (Mit-) Verantwortung. Und endlich ist der Ministerpräsident über seinen eventuellen Rücktritt in der Lage, einem Mißbilligungsvotum gegen die Regierung politisch Rechnung zu tragen. Daher richtet sich auch ein solcher Antrag gegen die gesamte Regierung nach den im folgenden darzustellenden Regeln über eine Mißbilligung des Ministerpräsidenten. Die Zulässigkeit der Mißbilligungsvoten gegen den Ministerpräsidenten wird differenzierter betrachtet als gegen einen Minister. Neben der überwiegenden Ansicht, sie seien grundsätzlich zulässig82 und einer Mindermeinung, sie seien unzulässig83 , findet sich eine Mittelmeinung: Diese unterscheidet zwischen speziellen und allgemeinen Mißbilligungsbeschlüssen. Bei speziellen Mißbilligungen, also solchen, die lediglich ein Einzelvorkommnis betreffen, differenzieren sie für die Zulässigkeit danach, ob der Fall, der zu dem Mißbilligungs antrag geführt hat, "hochpolitisch" ist oder nicht.84 Das soll danach zu beurteilen sein, ob nach einem Mißbilligungsbeschluß noch eine weitere Zusammenarbeit des Landtags mit dem Ministerpräsidenten möglich erscheine oder die Grenze zum Mißtrauensvotum überschritten sei. Letzteres sei stets anzunehmen für allgemeine Mißbilligungsvoten des Landtags, die die gesamte Amtsführung der Regierungschefs zum Gegenstand haben. Sie sollen daher unzulässig sein.8s Zu beachten ist allerdings, daß sich die Diskussion, die sich im wesentlichen auf das Grundgesetz bezieht, seit 1966 vor allem von der Frage nach der Zulässigkeit eines Vertrauensfrage-Ersuchens leiten läßt. Daher können die angeführten Argumente nicht unbesehen auf die Verfassungsordnung Niedersachsens übertragen werden. Denn gerade die Möglichkeit einer Vertrauensfrage ist hier nicht vorgesehen.86 Somit vermag diese Diskussion für eine Lösung der hier interessierenden Frage nur bedingt Hilfsdienste zu leisten. Art. 28 I 2 NdsVerf. Dronsch, in: Korte / Rebe, Verfassung, S. 258; Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 156; Brandt, Bedeutung, S. 77f.; Weis, Regierungswechsel, S. 150ff.; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 485; Badura, Staatsrecht, Abschnitt E, Rn. 106. 83 Münch, Bundesregierung, S. 179 mit Nachweisen aus dem Bundestag. 84 Sattler, DÖV 1967, 765 (770); Steiger, Grundlagen, S. 277. 85 Sattler, DÖV 1967, 765 (769f.); Steiger, Grundlagen, S. 277. 86 Anders Art. 36 HbgVerf.; Art. 114 HessVerf.; Art. 88 SaariVerf.; Art. 38 SHVerf. mit ungewöhnlichen Rechtsfolgen bei einer Verneinung der Vertrauensfrage. 81
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172
3. Teil: Das Ende der Regierung
Soweit Mißbilligungsanträge gänzlich als unzulässig angesehen werden, gilt gegenüber dem Ministerpräsident nichts anderes als gegenüber Ministern. Insoweit kann auf die obige Argumentation8? verwiesen werden, da auch die Vertreter der Mindermeinung nicht zwischen Ministern und Ministerpräsident differenzieren. Neu ist jedoch die Unterscheidung zwischen allgemeinen und speziellen Mißbilligungsvoten, die gegenüber Ministermißbilligungen nicht durchgeführt wird.88 Bemerkenswert ist ein Widerspruch zwischen den einzelnen Vertretern dieser Ansicht. So betont Sattler, ein allgemeines Mißbilligungsvotum gegenüber dem Regierungschef sei im Grunde nichts anderes als der Zwang, ihn zum Abtreten zu bewegen. Denn "ungeachtet seiner rechtlichen Unverbindlichkeit"89 komme einem solchen Beschluß so weittragende Bedeutung zu, daß er am Ende, da die gesamte Amtsführung des Regierungschefs mißbilligt werde, einem Mißtrauensvotum mit Abgangspflicht gleichzusetzen sei. Damit sei er also mit der Beschränkung auf ein konstruktives und der Absage an ein destruktives Mißtrauensvotum nicht vereinbar. Der Beschluß könne letztlich nicht ohne Folgen für den Bestand der Regierung bleiben. Dagegen hält Steiger die allgemeine Mißbilligung allein deshalb für ausgeschlossen, "weil sie ... rechtlich nichts bewirkt"90, obwohl er mit Sattler im Ergebnis einig ist und allgemeine Mißbilligungsbeschlüsse für unzulässig hält. Im übrigen widerspricht er sich selbst, wenn er an anderer Stelle die Zulässigkeit von Beschlüssen der hier in Rede stehenden Art gegenüber Ministern ausdrücklich zuläßt, trotzdem er ebenfalls feststellt, die "rechtliche Wirkung sei gleich null"91, und sogar ihre politische Wirkung bezweifelt. Unstreitig ist letztlich, daß Mißbilligungsbeschlüsse keine rechtliche Wirkung entfalten, insbesondere keine Pflicht zum Rücktritt auslösen, auch wenn sie sicherlich politischen Druck entstehen lassen. 92 Dann sollte man aber auch konsequent sein und zwischen rechtlichen Pflichten und politischen Wirkungen differenzieren. Selbst Partei- und Fraktionsbeschlüsse, die darauf gerichtet sind, die Amtsführung des (eigenen) Regierungschefs zu mißbilligen, führen zu faktischen politischen Zwängen. Nichtsdestotrotz ändert das nichts an ihrer Zulässigkeit, was zu bestreiten völlig abwegig wäre.
Siehe oben im 2. Teil unter G III 1. Sattler, DÖV 1967, 765 (770 Fn. 29); Steiger, Grundlagen, S. 325. 89 Sattler, DÖv 1967, 765 (769). 90 Steiger, Grundlagen, S. 277. 91 Steiger, Grundlagen, S. 327. 92 Z. B. Stern, Staatsrecht I, § 22 III 3 c a, S. 997; Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 67 Rn. 8; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 485; Weis, Regierungswechsel, S. 149; Küchenhoff, DÖV 1967, 116 (121); insoweit übereinstimmend Sattler, DÖV 1967, 765 (767). 87
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B. Konstruktives Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten
173
Die Möglichkeiten des Ministerpräsidenten, auf allgemeine Mißbilligungsanträge zu antworten, sind vielfältig,93 nicht etwa auf den Rücktritt als politische Folge beschränkt. Er kann einzelne Minister, die die kritisierte Politik besonders vertreten, entlassen. Stimmt der Landtag dieser Entlassung und den folgenden Neuberufungen zu, wird er dadurch gleichzeitig zu erkennen geben, daß das Vertrauen wiederhergestellt oder der Ministerpräsident jedenfalls auf dem richtigen Wege ist. Denkbar ist auch, daß der Bestand der Regierung völlig unangetastet bleibt, die Regierungspolitik aber in wesentlichen Zügen geändert wird; oder der Ministerpräsident macht deutlich, daß er trotz des Beschlusses nicht bereit ist, seine Politik zu ändern und läßt erkennen, daß er sein politisches Schicksal mit ihr verbindet. Damit stellt er dem Landtag anheim, gemäß Art. 23 NdsVerf. einen Nachfolger zu wählen, wenn ihm dies nötig erscheint. Dem Landtag müssen alle, auch die schärfsten Kontrollinstrumente gegenüber der Regierung und damit auch dem Ministerpräsidenten gegenüber zugestanden werden. 94 Die vom niedersächsischen Verfassunggeber intendierte Stabilität der Regierung steht dem nicht entgegen. Denn diese ist eine rechtliche, die durch Art. 23 NdsVerf. im Vergleich zu Art. 54 WRV gesichert werden soll. Eine Abwahl ist nur unter den dort genannten Voraussetzungen denkbar. Das aber kann nicht die Möglichkeit ausschließen, den parlamentarisch verantwortlichen Ministerpräsidenten wissen zu lassen, daß seine Politik sich vom Landtag entfernt hat und vielleicht ein konstruktives Mißtrauensvotum droht. Dies wird in der Regel weniger formell auch geschehen ,95 und es liegt am Ende sogar im richtig verstandenen Interesse der Landesregierung zu erfahren, woran sie ist. Eine Form politischer Kritik zu verbieten, die von der Verfassung nicht ausdrücklich untersagt ist, bedeutet im Grunde einen Eingriff in das parlamentarische System selbst. 96 Denn obwohl seine Ausgestaltung im einzelnen der jeweiligen Verfassung zu entnehmen ist,97 so kann die Abhängigkeit der Regierung vom Parlament doch als Mindestvoraussetzung gelten,98 um überhaupt von einem solchen System sprechen zu können. Da die politische Kontrolle ein Weniger gegenüber der rechtlichen Abhängigkeit ist, ist sie dann auch notwendigerweise mit der Entscheidung für ein parlamentarisches Regierungssystem verbunden, es sei denn, es fänden sich ausdrückliche Hinweise in der Verfassung, die anderes andeuten. So kann Art. 23 als einzige Ähnlich KüchenhoJf, DÖV 1967,116 (121). Dauster, Stellung, S. 283. 95 Liesegang, in: v. Münch, GGK H, Art. 67 Rn. 10; H. Schneider, VVDStRL 8 (1950),21 (29). 96 H. Schneider, VVDStRL 8 (1950), 21 (29); Stern, Staatsrecht I, § 22 III 3 c a, S.997. 97 Steiger, Grundlagen, S. 277. 98 BVerfGE 27, 44 (56); Oppermann, VVDStRL 33 (1975), 7 (9f.); Rauschning, in: BVerfG und GG H, 214 (214f.); Herzog, Staatslehre, S. 266; Zippelius, Staatslehre, 338f. 93
94
3. Teil: Das Ende der Regierung
174
im hier interessierenden Bereich in Frage kommende Norm aber eben nicht interpretiert werden; er regelt die Abberufung der Regierung, nicht die rechtlich unverbindlichen Beschlüsse des Parlaments, von denen hier die Rede ist. 99 Und das soll er auch gar nicht, da es seine wesentliche Funktion ist, den Bestand der Regierung zu sichern, solange kein Nachfolger für das Amt des Ministerpräsidenten gefunden ist. Ein Mißbilligungsvotum aber führt gerade nicht zur Abwahl des Ministerpräsidenten und seiner Regierung, mögen sie auch politisch geschwächt sein. Der Landtag hat (als politische Warnung)!OO zu erkennen gegeben, daß als nächstes Mittel, seinem Mißfallen Ausdruck zu verleihen, nur noch das konstruktive Mißtrauensvotum als ultima ratio lO! in Betracht kommen kann. Zusammenfassend bleibt noch einmal zu unterstreichen, daß die rechtliche und die politische Seite des Mißbilligungsbeschlusses auseinanderzuhalten sind. Tut man das, so kann an der Zulässigkeit auch genereller Mißbilligungsbeschlüsse gegen Ministerpräsident und Regierung nicht gezweifelt werden. Damit ergibt sich aber sofort weiter, daß auch konkrete Mißbilligungsbeschlüsse, seien sie "hochpolitisch" oder nicht, möglich sind, wenn der Landtag meint, diese seien ein geeignetes und angemessenes Mittel der Kritik. Es erübrigen sich dann auch so aussichtslose Unterfangen wie die Bestimmung des Charakters einer Entscheidung als "hochpolitisch ". 102
c.
Die Auflösung des Landtages
Der Niedersächsische Landtag hat die althergebrachte! Möglichkeit, sich selbst aufzulösen (Art. 6 und 7 NdsVerf.). Da der Ministerpräsident nach Art. 24111. Alt. zurücktreten muß, wenn sich ein neuer Landtag konstituiert, kann der Landtag den Ministerpräsidenten durch die Selbst auflösung zum Rücktritt zwingen und auf diese Weise eine Neuwahl der Regierung erreichen. Daher ist die Landtagsauflösung im Rahmen dieser Arbeit im Zusammenhang mit dem Ende der Regierung zu behandeln. Bisher hat sich der Landtag einmal selbst aufgelöst, und zwar am 21. April 1970. Dabei handelte es sich um die erste Selbstauflösung eines Parlamentes seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. 2 Überhaupt ist der NiederAusführlich Weis, Regierungswechsel, S. 151; Brandt, Bedeutung, S. 78. Maunz / Zippelius, Staatsrecht, § 34 II 2, S. 285. 101 Stern, Staatsrecht I, § 22 III 3 a ß, S. 991; Küchenhoff, DÖV 1967, 116 (117). 102 Diese Schwierigkeit konzediert auch Sattler, DÖV 1967, 765 (771). 1 Zur Geschichte der Parlamentsauflösung ausführlich Umbach, Parlamentsauflösung, S. 21ff.; einen Überblick über die Parlaments auflösungen von 1871 bis 1933 gibt Kremer, in: Parlamentsauflösung, S. 141 (143ff.) 2 Bereits 1953 löste sich der Saarländische Landtag auf: AdG 1955, 5433; dies geschah jedoch noch vor dem Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik. 99
100
C. Die Auflösung des Landtages
175
sächsische Landtag in dieser Hinsicht frühzeitig aktiv gewesen: Bereits in der Zweiten Legislaturperiode waren zwei Anträge auf Selbstauflösung des Landtages (deutlich) gescheitert. 3 Und noch am 18. März 1970 hatte der Landtag einen dritten auf Selbstauflösung gerichteten Antrag4 abgelehnt. Die Situation die zu den zwei Anträgen im Jahre 1970 führte, war folgendes. 6: Die Regierung wurde seit 1967 von einer großen Koalition aus CDU und SPD gestellt. Diese brach Anfang 1970 auseinander und verlor ihre parlamentarische Mehrheit. Daraufhin beantragte Ministerpräsident Diederichs (SPD) die nach Art. 20 IV NdsVerf. erforderliche Zustimmung des Landtags zur Entlassung der CDU-Minister. Diese wurde ihm in namentlicher Abstimmung versagt. Aufgrund der Zusammensetzung des Landtags war es jedoch auch nicht möglich, den Ministerpräsidenten durch ein konstruktives Mißtrauensvotum zu stürzen (hierfür wären neben den Stimmen von CDU und F.D.P. die der NPD erforderlich gewesen, mit denen die anderen Parteien nicht zusammenarbeiten wollten). Schließlich stellte erst die SPD-Fraktion den Antrag auf Parlamentsauflösung, dann - der Antrag war inzwischen abgelehnt - wurde er von der SPD- und der CDU-Fraktion gemeinsam wiederholt und angenommen 7 • Bemerkenswert ist, daß der ansonsten politisch handlungs unfähige Landtag die Kraft aufbringen konnte, noch vor dem Beschluß über die Auflösung die Verfassung zu ändern. Dadurch wurden dem beabsichtigtem und durchgeführten Auflösungsbeschluß andere Rechtsfolgen gegeben, als sich bis dahin aus der Verfassung ergaben. Diese Änderung aus einem konkreten Anlaß heraus ist als "einzige wesentliche Änderung der Landesverfassung"8 bezeichnet worden. Ihre interessante und aufschlußreiche Geschichte wird unter I 3. ausführlich geschildert werden. War das Selbstauflösungsrecht der Parlamente9 in der Bundesrepublik bis 1970 also praktisch nicht wichtig gewesen, gewinnt es seitdem zunehmend an Aktualität und Bedeutung: 1972 wurde der Bundestag aufgelöst. 1o Weil ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages im Grundgesetz nicht vorgesehen ist, mußte der Umweg über die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers nach Art. 68 NdsLT, Tätigkeitsbericht II, S. 7. NdsLT, Drucks. VV1175 (SPD-Antrag); NdsLT, StenBer. VII71, Sp.6533ff. (Besprechung); NdsLT, StenBer. VI/73, Sp. 6717ff. (Entscheidung). 5 Dazu eingehend schon oben im 2. Teil unter A II 2; NdsLT, StenBer. VI/71, Sp. 6532f. LV.m. Sp. 661lff.; NdsLT, Drucks. VII1177. 6 Ausführlich zur Lage damals Wettig-Danielmeier, ZParL 1 (1969/70), 269ff.; Toews, AöR 96 (1971), 354ff. 7 NdsLT, Drucks. VII1236, (CDU-Antrag); VII1238 (SPD-Antrag); NdsLT, Sten Ber. VI175, Sp. 6836ff. (Besprechung); NdsLT, StenBer. VI/78, Sp. 7072ff. (Entscheidung). 8 Groschupf, JöR 28 (1979), 381 (387). 9 Einen Überblick über die einschlägigen Normen gibt Ley, ZParL 12 (1981), 367 (368f.). 10 BT, StenBer. VI, S. 11814ff. 3
4
176
3. Teil: Das Ende der Regierung
GG gegangen werden. Und obwohl schon im Zusammenhang mit den Geschehnissen vor dem Rücktritt von Bundeskanzler Erhard (CDU) (und erst recht nach der Bundestagsauflösung 1972) häufig die Forderung nach der Einfügung einer Selbstauflösungsmöglichkeit für den Bundestag in das Grundgesetz gestellt worden ist, ist diese Anregung bisher noch nicht aufgegriffen worden. Im Rahmen der Diskussionen über ein Selbstauflösungsrecht für den Bundestag wurden viele Möglichkeiten erörtert, die sich teilweise in ganz eklatanter Weise widersprachen. ll 1981 schließlich löste sich das Abgeordnetenhaus von Berlin auf;12 es folgte 1982 erneut der Deutsche Bundestag, wobei wiederum der Umweg über Art. 68 beschritten werden mußte. 13
Weitere Auflösungen der Parlamente in Hamburg (1986) und Hessen (1987)14 beruhten wesentlich auf dem Auftreten der GRÜNEN als vierter Partei in den Landesparlamenten, was zu Schwierigkeiten bei der (Mehrheits-) Regierungsbildung führte, die am Ende mit den Instrumentarien der Verfassungen ohne eine Parlamentsauflösung nicht gelöst werden konnten. Am 9. 3. 88 beschloß der Landtag Schleswig-Holsteins seine Auflösung, als dort eine Regierungsneubildung nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Barschel (CDU) nicht möglich war. 15 Den vorläufigen Schlußpunkt setzte wiederum der Niedersächsische Landtag, der im November 1988 den Antrag der SPD-Fraktion auf eine Selbstauflösung ablehnte 16 und auch die vom Oppositionsführer Schräder (SPD) geplante Auflösung über den Umweg der Art. 23,21 17 schon dadurch verwarf, daß er dem Antrag, Ministerpräsident Albrecht (CDU) das Mißtrauen auszusprechen und Schräder zum Ministerpräsidenten zu wählen,18 die erforderliche Mehrheit verweigerte. 19
Dazu nur Toews, FS Weber, 269 (284ff.) mit einer Fülle von Nachweisen. AdG 1982, 24368; dazu Magen, in: Pfennig 1 Neumann, BerIVerf., Art. 39 Rn. 15. 13 Dazu BVerfGE 62, 1ff.; zum Zweifel an der Zulässigkeit Heyde 1 Wöhrmann, Auflösung, passim und H.-P. Schneider in: AltKomm., Art. 68 Rn. 4ff. m.w.N. 14 Dazu und zu den Hintergründen: AdG 1987, 30878ff. 15 FAZ v. 10. 3. 1988, S. 1,5 (fr); dazu und zu den Hintergründen ausführlich Hübner 1 Rohlfs, Jahrbuch 1988/89, S. 254ff. 16 NdsLT, Drucks. XI/3132; StenBer. XII64 , S. 6072ff. (Besprechung); StenBer. XII67, S. 6325ff. (Abstimmung). 17 Zur Unzulässigkeit dieses Verfahrens siehe oben unter B 12 b aa. 18 NdsLT, Drucks. XI/3215. 19 NdsLT, StenBer. XII72, S. 6705f. 11
12
c.
Die Auflösung des Landtages
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I. Die Geschichte des Selbstauflösungsrechts in der Verfassung Niedersachsens Wie schon angedeutet, ist das Selbstauflösungsrecht des Niedersächsischen Landtags nicht mehr im "Urzustand" von 1951, vielmehr wurde insoweit 1970 eine bedeutende Änderung der Verfassung vorgenommen. Daher lohnt sich ein Blick auf seine Geschichte, wobei auch immer der Zusammenhang des die Auflösung unmittelbar betreffenden Art. 7 mit Art. 6 NdsVerf. zu berücksichtigen ist. 1. Die Regierungsvorlage zur Verfassung mit der zugehörigen Referentenbegründung
Die Regierungsvorlage für eine Niedersächsische Verfassung20 sah in ihren Art. 7 und 8 das Selbstauflösungsrecht des Landtags vor. Der Auflösungsbeschluß sollte der "Mehrheit aller Abgeordneten" bedürfen; über den Antrag sollte frühestens am 11., spätestens am 21. Tag nach seiner Einbringung abgestimmt werden. Ein Antragsquorum war nicht vorgesehen. Nach einer Landtagsauflösung sollte die neue Wahlperiode, abweichend vom Regelfall, mit dem Tag der Neuwahl beginnen (Art. 7 I 2, 2. Halbs. RegE), der gern. Art. 7 II, 2. Halbs. RegE innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung liegen sollte. Durch diese Regelungen sollte eine gewisse Frist zwischen Antrag und Abstimmung gelegt werden, um der Schwere des Eingriffs in den "regelmäßigen Ablauf des Staatslebens" Rechnung zu tragen; gleichzeitig galt es, die längstmögliche Dauer der Frist zu bestimmen, um dauerhafte Ungewißheit über Schicksal von Landtag und Landesregierung zu verhindern. 21 Die Verknüpfung des Bestands von Parlament und Regierung war der Haupt-, wenn nicht gar der einzige Zweck des Auflösungsrechts nach dem Regierungsentwurf. Der Landtag, so ist es der Referentenbegründung zu entnehmen, könne über die Auflösung i.V.m. Art. 22 III RegE die Amtszeit der Regierung beenden. Dies werde vor allem dann relevant, wenn eine Zusammenarbeit mit ihr nicht mehr möglich erscheine, die Landesregierung aber auch nicht von sich aus zurücktrete. 22 Hier wird zweierlei deutlich: Zum einen ist die schon oben besprochene 23 Ersatzfunktion des Auflösungsrechts für das im Regierungsentwurf fehlende Mißtrauensvotum erkennbar; zum anderen wird das Auflösungsrecht gewissermaßen als letztes Mittel zur Behebung einer Parlaments- und Regierungskrise charakterisiert. 20
21 22 23
NdsLT, Drucks. 1/2073; auch abgedruckt in Materialien 1I. Materialien II, Referentenbegründung, S. 5. Materialien II, Referentenbegründung, S. 5. Siehe oben im 1. Teil unter B I 1 a aa.
12 Busse
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3. Teil: Das Ende der Regierung
2. Die Beratungen des Verfassungsausschusses und des Plenums
Gleich zu Beginn der Verhandlungen des Verfassungsausschusses wurde deutlich, daß man eine genauere Regelung der Auflösung wollte, als sie der Regierungsentwurf in seiner allgemein gehaltenen Formulierung bieten konnte. So sollten einige eher geschäftsordnungsrechtliche Vorschriften in die Verfassung aufgenommen werden, um sie vor allzu schneller Änderung zu bewahren: Rasche Übereinstimmung konnte zwischen fast allen Mitgliedern des Ausschusses über ein Antragsquorum erzielt werden. Nachdem über diese Frage eine kleine Diskussion entbrannt war, wurde im Anschluß an die Äußerungen des Abg. Diederichs (SPD)24 nahezu einhellig die Forderung nach der Aufnahme eines Antragsquorums von einem Drittel der Abgeordneten befürwortet. 25 Diederichs hatte deutlich gemacht, daß man sonst in politisch schwierigen Situationen häufig mit aussichtslosen Anträgen rechnen müßte. Ein so weitgehender Antrag wie der auf eine Parlamentsauflösung müsse jedoch fundiert sein, weil andernfalls der Landtag bei der Bevölkerung in Mißkredit zu geraten drohe. Vielmehr müsse schon bei der AntragsteIlung eine größere Anzahl von Abgeordneten an den möglichen Erfolg glauben. Diese Anregung wurde dann auch von den Fraktionen übernommen, wie sich aus den verschiedenen Vorlagen an den Verfassungsausschuß26 erkennen läßt. Ein weiteres Problem ergab sich bei der Bestimmung der Frist, binnen derer das Verfahren der Parlaments auflösung abgeschlossen sein sollte. Der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, daß zwischen Einbringung und Abstimmung mindestens 11 und höchstens 21 Tage liegen sollten. Aus praktischen Erwägungen, um nämlich Sondersitzungen des Landtags und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten und Kosten zu verhindern, schlug der Abg. Böhm (F. D. P.) eine Ausweitung der Frist auf längstens 30 Tage vor. 27 Im Laufe der weiteren Beratungen wurde diese Anregung wieder aufgenommen ,28 während gelegentliche kritische Stimmen29 kein Gehör fanden. Es wurde im Grunde nicht mehr bedacht, daß eine Frist von 30 Tagen für die Entscheidung einer so wichtigen politischen Frage zu lang ist,30 selbst wenn man in Rechnung stellt, daß sich die Gemüter nach der Aussprache und vor der Abstimmung erst ein24 Materialien I, S. 45. 25 Siehe Materialien I, S. 45,52 (Beschlußzusammenstellung). 26 Vgl. Materialien 11, Vorlagen 15 (SPD), 17 (F.D.P.), 19 (DP), 20 (DZP), jeweils
zu Art. 8 RegE; anders nur Vorlage 16 (KPD), deren Vertreter sich auch allein gegen ein solches Mindestquorum aussprach. 27 Materialien I, S. 452,583. 28 Z.B. Abg. Diederichs (SPD), Materialien I, S. 584; Abg. Böhm (F.D.P.), Materialien I, S. 583. 29 Abg. Bank (DZP), Materialien I, S. 584; Abg. Hofmeister (CDU), ebd., S. 584. 30 So andeutungsweise schon der Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 584.
C. Die Auflösung des Landtages
179
mal beruhigen müssen 3!. Diese Frist wird gegenüber dem Regierungsentwurf noch dadurch weiter verlängert, daß sie erst mit der Beratung, nicht bereits mit dem Einbringen des Antrags zu laufen beginnt. Gemildert wird diese Folge allein dadurch, daß der Landtag flexibel sein kann und schon nach weniger als dreißig Tagen, frühestens am elften Tag, abstimmen kann. Der Gedanke der Sparsamkeit ist grundsätzlich begrüßenswert, hier aber vielleicht doch nicht am rechten Platz. Übrigens wurde in der Zweiten Legislaturperiode, also wenige Monate nach diesen Beratungen, eine Sondersitzung zur Besprechung eines Auflösungsantrags nötig,32 was dem Ersparnisargument zusätzlich Überzeugungskraft nimmt. Zweifelhaft war die Bestimmung der Frist insoweit, als auch im Verfassungsausschuß anfangs nicht allen Mitgliedern klar war, ob die im Regierungsentwurf genannte Frist mit dem Einbringen in den Landtag oder mit dem Schluß der Beratung über den Antrag zu laufen beginnen sollte. 33 Erst eine Auskunft des Direktors am Landtag Rothsprach klärte, daß grundsätzlich von dem Zeitpunkt der Einbringung an gerechnet werde. 34 Nach längerem Hin und Her über die besseren Modalitäten und verschiedenen Vorschlägen 35 einigte man sich schließlich darauf, die Frist mit dem Ende der Besprechung laufen zu lassen. Dem hiergegen vorgebrachten Einwand, dann sei es möglich, die Besprechung nach Eingang des Antrags hinauszuzögern und so den ganzen Antrag erst einmal auf Eis zu legen, wurde zu Recht entgegengehalten, daß nach Art. 6 IV 3 NdsVerf. ein Viertel der Mitglieder des Landtages das Recht hätten, eine Landtagssitzung einberufen zu lassen. Diese Möglichkeit stünde dann natürlich auch dem Drittel offen, das einen Auflösungsantrag gestellt habe,36 so daß die Antragsteller für eine schleunige Bearbeitung sorgen können. Weiterhin war problematisch, welche Mehrheit für einen erfolgreichen Auflösungsantrag verlangt werden sollte. Im Regierungsentwurf war die Mehrheit der Abgeordneten als erforderlich und ausreichend angesehen worden. Gegen dieses für eine so gewichtige Entscheidung relativ geringe Erfordernis sprachen sich vor allem und immer wieder die Vertreter der F.D.P im Verfassungsausschuß aus.37 Diese Diskussionen über die Mehrheit erklären sich vor allem daraus, daß die Funktion der Parlamentsauflösung durch die Einfügung des konstruktiven Abg. Kwiecinski (DP), Materialien I, S. 584. NdsLT, StenBer. IU36, Sp. 2269. 33 Materialien I, S. 42f. 34 Materialien I, S. 43. 35 Materialien I, S. 452. 36 Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 584 unter Zustimmung des Abg. Diederichs (SPD), ebd. 37 Abg. Böhm (F.D.P.), Materialien I, S. 425; Abg. Schröder (F.D.P.), ebd., S. 578, 582. 31
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Mißtrauensvotums in die Verfassung eine andere wurde, als nach dem Regierungsentwurf geplant war. 38 Denn nach dem Regierungsentwurf wollte man mit dem konstruktiven Mißtrauensvotum ein stabilisierendes Element in die Verfassung einbringen. Dann galt es, einen diesbezüglich möglichen Erfolg nicht gleich wieder dadurch zu gefährden, daß man destruktiven Mehrheiten die Möglichkeit gab, die Regierung auf dem Umweg über eine Parlamentsauflösung i.V.m. Art. 2411 NdsVerf. zu stürzen. 39 Deshalb wurde die Einfügung einer Mehrheit von zwei Dritteln aller Abgeordneten für einen Auflösungsbeschluß erwogen. 40 Hiergegen erhoben sich aber Bedenken, da eine solche Zwei-Drittel-Mehrheit zu schwer erreichbar sei. Man könne das Auflösungsrecht getrost weglassen, wenn man seine Ausübung so sehr erschweren wolle. 41 So kam - wiederum von der F.D.P. - der Gedanke auf, eine Mehrheit von zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten für die Landtagsauflösung zu verlangen. 42 Diesen Gedanken aufnehmend wurde der Vorschlag gemacht, ihn mit dem Erfordernis der Abgeordnetenmehrheit zu verbinden, um so sowohl eine Sicherung gegen destruktive Mehrheiten zu erlangen als auch den genannten Bedenken gegen eine zu hohe Hürde Rechnung zu tragen. Die Formulierung des Abg. Böhme (SPD) wurde an den Redaktionsausschuß überwiesen, der sie im wesentlichen übernahm. 43 Allerdings änderte er die im Verfassungsausschuß beschlossene Formulierung "Zustimmung der Hälfte aller Abgeordneten "44 in "Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten". Das ist u. U. eine Differenz, wenn nämlich genau die Hälfte der Abgeordneten für die Auflösung stimmt. In diesem Falle wäre sie nur nach der zuerst genannten Formulierung - das Erreichen der Zwei-Drittel-Anwesenheitsmehrheit unterstellt - beschlossen. Diese Abweichung dürfte aber zum einen kaum jemals praktischen Bezug erlangen, zum anderen entspricht die Formulierung des Redaktionsausschuß der von Böhme (SPD) tatsächlich gewollten. 45 38 Siehe nur die Bemerkungen von Ministerpräsident Kopf, Materialien I, S. 455 und Ministerialrat Danckwerts, ebd., S. 425, 455, die gar die gänzliche Streichung des Art. 8 RegE anheimstellten; den Zusammenhang mit Art. 23 betont auch Abg. Diederichs (SPD), ebd., S. 43. 39 Vgl. nur die Äußerungen der Abg. Böhm (F.D.P.), Materialien I, S. 452, Diederichs (SPD), ebd., S. 455; Schröder (F.D.P.), ebd., S. 544, Böhme (SPD), NdsLT, StenBer. I/119, Sp. 6603; ebenso Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 551. 40 So zuerst Abg. Böhm (F.D.P.), Materialien I, S. 425; entsprechend Materialien H, Vorlage 17 der F.D.P. 41 Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 455, 581; Abg. Böhme (SPD), ebd., S. 545; Ministerialrat Danckwerts, ebd., S. 579. 42 Abg. Böhm (F.D.P.), Materialien I, S. 549. 43 Vgl. die Formulierung in seiner Vorlage 24 in Materialien H. 44 So Beschlußzusammenstellung, Materialien I, S. 614. 45 Abg. Böhme (SPD), Materialien I, S. 580,581 und Abg. Diederichs (SPD), ebd., S. 580, die jeweils von der "Mehrheit aller Abgeordneten" sprechen, was auch eigentlich so an den Redaktionsausschuß überwiesen werden sollte.
C. Die Auflösung des Landtages
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Festzuhalten bleibt, daß am Ende die Zwei-Drittel-Anwesenheitsmehrheit gegen den Widerstand der eDU und der Dp46 in die Verfassung aufgenommen wurde. Insbesondere bei der eDU war man weiterhin der Überzeugung, daß die Ausübung der Landtagsauflösungsmöglichkeit mit der Erschwerung über das Mehrheitserfordernis praktisch unmöglich gemacht werde. Dies ist, das sei am Rande betont, umso erstaunlicher, als diese Partei im Grunde ganz gegen ein Selbstauflösungsrecht des Landtags eingestellt war. 47 Hier zeigt sich, wie kooperativ die Verfassungsväter in Niedersachsen zusammengearbeitet haben, um die bestmögliche Lösung zu finden. Richtig ist jedenfalls, daß es einen praktischen Unterschied zwischen der Anwesenheits- und Abgeordnetenmehrheit nur äußerst selten geben wird. Denn in so wichtigen Angelegenheiten wie einer Landtagsauflösung werden nach Möglichkeit alle Abgeordneten anwesend sein. Das ist umso leichter möglich, als die Frist zwischen Beratung und Abstimmung mindestens zehn Tage beträgt, also auch ohne Schwierigkeiten andere Termine noch verlegt werden können. Trotz der Bedenken gegen die Praktikabilität wurde der Vorschlag so, wie er vom Redaktionsausschuß letztendlich überarbeitet worden ist, in die Verfassung übernommen. Das entsprach auch dem Willen der Mehrheit in Verfassungsausschuß und Landtagsplenum. Fast schon sonderbar ist es zu nennen, daß der Verfassungsausschuß sich viele Gedanken um die Ausgestaltung des Selbstauflösungsrechts machte, dabei aber die Erörterung der Frage, ob die Verfassung ein solches Recht des Landtags überhaupt statuieren sollte, immer wieder hinausschob und erst gegen Ende seiner Beratungen auf sie wirklich zu sprechen kam 48 . Vielleicht lag dies daran, daß sich die Mitglieder des Ausschusses insoweit grundsätzlich einig waren, sei es, daß sie selbst und ihre Fraktionen ein solches Recht aus Überzeugung befürworteten 49 , sei es, weil sie damit einer Grundstimmung im Volk Rechnung zu tragen meinten 50 • Bemerkenswert ist allerdings der praktisch in letzter Minute im Plenum eingebrachte Antrag der eDU/DP-Fraktion, die Selbstauflösung des Landtags durch eine Auflösung per Volksentscheid zu ersetzen. 51 Diese Variante war neben dem Auflösungsrecht des Par46 Abg. Harms (DP), NdsLT, StenBer. 1/119, Sp. 6601; Abg. Siemer (CDU), NdsLT, StenBer. 1/119, Sp. 6603f.; Abg. Hofmeister (CDU), NdsLT, StenBer. I1119, Sp.6604f. 47 Abg. Hofmeister, Materialien I, S. 580; ders., NdsLT, StenBer. I1119, Sp. 6604f. 48 Materialien I, S. 577 ff. 49 Abg. Schröder (F.D.P.), Materialien I, S. 578, 582; Abg. Böhme (SPD), ebd., S. 579; krit. Ministerialrat Danckwerts, Materialien I, S. 579; Abg. Korspeter (SPD), ebd., S. 581. 50 Abg. Hofmeister (CDU), Materialien I, S. 580f. 51 NdsLT, Drucks. I12588; dazu die Ausführungen des Abg. Hofmeister (CDU), NdsLT, StenBer. I, Sp. 6795f.
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laments schon bisher von der KPD mit Nachdruck, aber ebenso erfolglos, gefordert worden. 52 Sowohl der Antrag der CDU als auch der Antrag der KPD wurde verworfen. 53 3. Die Verfassungsänderung vom 20. April 1970 Bis zur Verfassungsänderung von 1970 war es ganz einhellige Ansicht, daß der Landtag, der seine Auflösung beschlossen hat, unmittelbar mit dem entsprechenden Beschluß zu existieren aufhörte. 54 Als dann ganz ernsthaft über die Auflösung des Parlaments nachgedacht wurde, war damit bald auch die Forderung nach einer Verfassungsänderung erhoben: Und zwar wurde vorgeschlagen, die Landtagsauflösung nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Frist, die vom Landtag im konkreten Auflösungsbeschluß für den individuellen Fall zu bestimmen sei, wirksam werden zu lassen. Eine solche Befristung gibt es in den derzeitig gültigen Verfassungen der Bundesrepublik nicht. Wohl auch darin liegt die allzu formale Ablehnung des Hinausschiebens des Endes der Legislaturperiode durch Reiter begründet. 55 Beachtenswert ist jedoch, daß die vom Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission in ihrem Schlußbericht eine ähnliche Norm zur Aufnahme in das Grundgesetz empfahl56 . Mit der von der F.D.P.-Fraktion initiierten57 , wenn auch gegenüber den ersten Vorstellungen leicht modifizierten Verfassungsänderung sollten mehrere Ziele erreicht werden: Dem Landtag sollte die Möglichkeit gegeben werden, umfangreiche, fast schon verabschiedete Gesetze zu Ende zu führen. Man argumentierte, der Landtag brauche die Möglichkeit, sich auf das Ende seiner Wahlperiode einzustellen;58 auch der Wähler würde es nicht verstehen, wenn viel Arbeit liegenbleiben und dem neuen Landtag aufgebürdet würde. 59 Das aber wäre die Folge des Grundsatzes der Diskontinuität. - Diese Argumentation scheint etwas aus der Luft gegriffen. Der Landtag sei, trotz der Situation, die zur Auflösungsbeschluß geführt hat, so wird unterstellt, weiterhin in der Lage, wichtige Gesetze zu verabschieden 60 . 52 NdsLT, Drucks. 1/2587; Abg. Lehmann (KPD), NdsLT, StenBer. I/119, Sp. 6601 und 1/123, Sp. 6795. 53 NdsLT, StenBer. 1/123, Sp. 6796. 54 Vgl. nur NdsLT, Drucks. VI/1231, S. 2; Groschupf, JöR 28 (1979), 381 (387). 55 Reiter, in: Parlaments auflösung, 89 (98). 56 BT, Drucks. VII/5924, S. 39. 57 NdsLT, Drucks. 1/1231. 58 NdsLT, Drucks. 1/1231, S. 2; Abg. Hedergott (F.D.P.) als Berichterstatter des Rechtsausschusses, NdsLT, StenBer. V1177, Sp. 6989. 59 NdsLT, StenBer. V1174, Sp. 6764. 60 Es mag im aktuellen Fall 1970 so gewesen sein, daß die Novelle zum Besoldungsrecht noch verabschiedet werden sollte und konnte, weil sich insofern die Fraktionen einig waren. Das ist doch aber gerade in Krisenzeiten, in denen sich jede Partei auch vor dem Wähler profilieren will, die Ausnahme. Diese aber sollte nicht zur Begründung für die Regel herangezogen werden.
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Wenn dies alles richtig wäre, so wäre gar nicht recht einzusehen, warum der Landtag sich überhaupt auflösen will. Hier ist es schwieriger, dem Wähler zu erläutern, warum ein Parlament, das offenbar trotz aller Schwierigkeiten noch wichtige Vorhaben zu Ende bringen kann, sich entgegen seines ihm für vier Jahre übertragenen Mandats vorzeitig auflösen will und so dem Land zusätzliche Kosten aufbürdet. Außerdem ist nicht einsichtig, warum ein Landtag, der weiß, daß er seine Auflösung beschlossen hat, besonders wichtige Dinge nicht dem neuen Landtag überläßt, vielmehr noch schnell Gesetze verabschiedet, die er für richtig hält. Denn der Landtag ist am Scheitern der Regierung und ihrer Politik immer beteiligt,61 wenn er keine neue Regierung zu bilden vermag. Denn dann ist auch er nicht in der Lage, seine verfassungsmäßigen Aufgaben produktiv und konstruktiv zu erledigen. Weiter wurde für eine Verfassungs änderung angeführt, daß nach alter Rechtslage der Exekutive für bis zu einem Vierteljahr keine wirksame parlamentarische Kontrolle gegenüberstehe. 62 Überhaupt widerspreche es dem "Gesamtzusammenhang unseres parlamentarischen Systems", wenn der Landtag so lange Zeit funktionsunfähig sei. 63 Zwar gebe es den ständigen Ausschuß nach Art. 12 NdsVerf., der aber sei für den Normalfall geschaffen, in dem die landtagslose Zeit nur etwa drei Wochen dauere. 64 - Diesem Argument kann nicht ohne weiteres die Berechtigung abgesprochen werden, zumal sich auch die Enquete-Kommission Verfassungsreform des Bundestages gegen eine parlamentslose Zeit ausgesprochen hat. 65 Deshalb wurde am 23. August 1976 auch der Art. 45 GG, der ebenfalls einen ständigen Ausschuß kannte, aufgehoben 66 und die Wahlperiode des Bundestage in Art. 39 I GG so bestimmt, daß es keine bundestagslose Zeit mehr gibt, die Wahlperioden einander nahtlos folgen. 67 Gleiches wurde mit einer Änderung der Berliner Verfassung erreicht, jedoch aus speziellen, mit der damaligen verfassungsrechtlichen Lage Berlins zusammenhängenden GrÜnden 68 .
A.A. Abg. Hedergott (F.D.P.), NdsLT, StenBer. 1/74, Sp. 6764. Abg. Hedergott (F.D.P.) als Berichterstatter des Rechtsausschusses, NdsLT, Sten Ber. VI/77, Sp. 6990. 63 Abg. v. Oertzen (SPD), NdsLT, StenBer. VI/77, Sp. 6995. 64 Abg. Hedergott (F.D.P.) als Berichterstatter des Rechtsausschusses, NdsLT, Sten Ber. VI/77, Sp. 6990. 65 BT, Drucks. VII/5924, S. 34. 66 BGBL 1 S. 2381. 67 Vgl. nur H.-P. Schneider, in AltKomm. Art. 39 Rn. 12. 68 In Berlin galt es, möglichst ununterbrochen ein handlungsfähiges Parlament zu haben, weil sich sonst Probleme aus der Verzögerung der Übernahme von Bundesgesetzen ergeben konnten; hier wurde der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung von Gesetzen Rech.J?ung getragen; dazu Magen, in: Pfennig / Neumann, BerIVerf., Art. 39 Rn. 7f.; zum Ubernahmeverfahren Lampe / Pfennig, in: Pfennig / Neumann, BerIVerf., Art. 1 Rn. 61ff. 61
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Trotzdem sollte dieser Gedanke nicht überbewertet werden. Denn die Vorstellung einer andauernden landtagslosen Zeit von einem Vierteljahr geht von überaus ungünstigen Voraussetzungen aus. Nach alter Rechtslage mußte die Neuwahl binnen 60 Tagen nach der Landtagsauflösung stattfinden. Wird eine Neuwahl zügig eingeleitet, so ist sie trotz der dazu erforderlichen Vorbereitung und des Wahlkampfes, auf den die Parteien gerade nach einer Auflösung nicht werden verzichten wollen, in wesentlich weniger Zeit möglich. Konstituiert sich der neue Landtag dann gleichfalls rasch, ist eine erheblich kürzere Frist zwischen Auflösung und Konstituierung des neuen Landtags möglich als die befürchteten drei Monate. Zudem darf man nicht vergessen, daß auch der ständige Ausschuß69 bedeutende Kontrollrechte gegenüber der Regierung innehat und das parlamentarische System dem Grunde nach gewahrt bleibt, zum al die Zusammensetzung des Ausschusses die Mehrheitsverhältnisse des aufgelösten Landtags im wesentlichen widerspiegelt. Immerhin kommen ihm nach Art. 12 I 2 die Rechte eines Untersuchungsausschusses zu. Und noch eines muß erwähnt werden: Wäre es dem Landtag mit dem Argument der landtagslosen Zeit wirklich so ernst gewesen, hätte doch nichts nähergelegen, als den so sehr kritisierten ständigen Ausschuß gänzlich zu streichen und die Wahlperioden unmittelbar aufeinander folgen zu lassen. Dazu aber hat der Landtag sich wiederum nicht durchringen können. Und was dem Gesamtzusammenhang des parlamentarischen Systems entspricht, so bestimmt diesen die Verfassung, mithin auch der angegriffene und geänderte Artikel der Verfassung. Ein Widerspruch kann also nicht vorliegen. Weiter wurde zur Begründung der Fortdauer der Abgeordnetenmandate für sechzig Tage angeführt, es sei nicht einsichtig, warum im Falle einer Regierungskrise die Regierung weiterhin Bestand habe, der Landtag aber eben durch die Auflösung verschwunden sei. 7o - Dazu ist zu sagen, daß es jedenfalls der Landtag in der Hand hat, die Regierungskrise, die in aller Regel auch eine Parlamentskrise ist, zu beenden. Er hat vielfältige Möglichkeiten, auf die Regierung Druck auszuüben. Wenn aber der Landtag nicht in der Lage ist, eine neue Regierung zu wählen oder die alte in Zusammenarbeit mit dem Ministerpräsidenten zu erneuern, so kann er damit einer seiner wichtigsten Aufgaben nicht mehr gerecht werden und läßt die entsprechende Entscheidung vom Volk treffen. Das ist nach der Verfassung sein gutes Recht. Nur wenn er meint, das vom Volk erteilte Mandat nicht mehr ausüben zu können, so muß er die Konsequenzen ziehen, nicht neben der arbeitsunfähigen Regierung noch eine Weile als ebensolches Parlament bestehen bleiben. Und diese Konsequenz sollte dann auch gezogen werden, weil dieses Mandat eben nicht teilbar sein kann in Regierungsbildung, die dem Landtag unmöglich geworden ist, und Gesetzgebung, die er weiterhin erfolgreich wahrnehmen könne. Dazu unten D. Abg. Hedergott (F.D.P.) als Berichterstatter des Rechtsausschusses, NdsLT, Sten Ber. VI/77, Sp. 6991. 69
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Daher kann es auch nicht zutreffen, daß, wie behauptet wurde, die Organisationsstruktur der Verfassung durch diese Änderung nicht betroffen werde, es sich lediglich um eine technische Regelung handele. 71 Und schließlich wurde die Verfassungsänderung damit begründet, im Gefolge einer solchen Auflösung würden Abgeordnete von verschiedenem Status geschaffen. 72 Denn die Mitglieder des ständigen Ausschusses und deren Vertreter hätten weiterhin die Rechte eines Abgeordneten, während den übrigen Mitgliedern des aufgelösten Landtags nur Pflichten blieben, wie etwa den Wahlkampf zu führen oder die Auflösung im Lande zu rechtfertigen. Es sei systemfremd, wenn viele Abgeordnete für eine Weile ihre Stellung als solche verlören, um sie bald darauf nach der Neuwahl wiederzuerlangen. - Auch diese Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Zwar sind die Rechte der Abgeordneten (Immunität, Indemnität, Entschädigung etc.) in der Verfassung verbürgt. Doch geht es nicht an, sie als Argument zu benutzen, um damit die Verlängerung des Mandats zu rechtfertigen. Diese Rechte sollen während der Dauer des Mandats gesichert werden, nicht das Mandat vor seiner Beendigung. Die Abgeordnetenstellung darf nicht von den Rechten der Parlamentarier bestimmt werden, sondern die Stellung als solche bestimmt über die Rechte. Somit können den Mitgliedern eines Landtags, die ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können oder wollen, und dies auch formell im Auflösungsbeschluß deutlich gemacht haben, auch nicht mehr die Rechte der Abgeordneten zustehen; denn diese sind mit der Erfüllung der Pflichten der Abgeordneten untrennbar verbunden, sollen zu einem großen Teil gerade die Arbeit des Parlamentariers unterstützen oder gar erst möglich machen. Diese Rechte als Argument für das Hinauszögern der Wirksamkeit eines Auflösungsbeschlusses anzuführen, heißt sie zu mißbrauchen. Die Abgeordneten, die sich für eine Parlamentsauflösung entscheiden müssen, haben ihre Aufgaben nicht in der eigentlich vorgesehenen Form erfüllt. Diese Form der Nichterfüllung ermöglicht die Verfassung ganz ausdrücklich. Damit kann aber nicht verbunden sein, die Rechte noch nach der Bankrotterklärung fortwirken zu lassen. Und selbst wenn man der Kritik folgt, so muß man doch sogleich wieder fragen, warum der ständige Ausschuß nicht ganz abgeschafft worden ist. Denn an der grundsätzlichen, so sehr bemängelten Einteilung in zwei Klassen von Abgeordneten hat sich durch die vorgenommene Verfassungsänderung nichts geändert. Lediglich der Zeitraum, in dem sich diese Differenzierung bemerkbar macht, ist bei normalem Ablauf der Legislaturperiode kürzer. Damit ergibt sich, daß die Verfassungsänderung jedenfalls nicht durch die dafür angeführten Gründe gerechtfertigt sein kann. Sie war unsachgemäß und unangebracht. Abg. Rudolph (NPD), NdsLT, StenBer. VII77, Sp. 6697. Abg. Hedergott (F.D.P.) als Berichterstatter des Rechtsausschusses, NdsLT, Sten Ber. VII77, Sp. 6990f. 7J
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Dieser Ansicht war wenige Tage vor der Abstimmung über die Verfassungsänderung auch noch ein großer Teil der Abgeordneten im Landtag. Denn die meisten Redner sprachen sich in der Sitzung vom 1. April 1970 gegen eine Änderung aus: Diese (vorläufige) Ablehnung resultierte sowohl aus grundsätzlichen als auch situationsspezifischen Erwägungen. Man solle mit Änderungen der Verfassung überhaupt so zurückhaltend wie nur möglich sein; eine befristete Auflösung würde die Regierungs- zur Parlamentskrise ausdehnen, jedenfalls würde diese Krise nicht be endet werden, sondern zumindest weiter schwelen?3. Um angefangene Arbeiten wirklich noch zu einem positiven Ende zu führen, bedürfe es einer handlungsfähigen Regierung, die aber in der gegebenen Situation gerade nicht mehr vorhanden sei. Vielmehr wolle man so tun, als ob es im Parlament Mehrheiten gebe, was gerade aber nicht der Fall sei. Die zugegebenermaßen möglichen Nachteile einer Parlaments auflösung seien in Kauf zu nehmen.?4 Auch diese Debattenbeitäge lassen deutliche Skepsis gegenüber der Verfassungsänderung erkennen. Was bleibt, sind Spekulationen über die Hintergründe der Änderung, die die F.D.P wohl auch deshalb vorschlug, weil ihr eine Neuwahl zu einem späteren Zeitpunkt aus innerparteilichen Gründen günstiger erschien?5. Die Vermutung, die Abgeordneten seien in hohem Maße daran interessiert gewesen, für ihre eigene Stellung zu sorgen, liegt nahe,76 Hierauf deutet hin, daß die Fraktionen die Abstimmung am Ende "freigaben"??, also ihren Abgeordneten keine Empfehlung mitgaben, also auf jeden Fraktionszwang verzichteten. Zuletzt muß man das Verfahren für politisch überaus fragwürdig halten, wenn eine Änderung der Verfassung nicht einmal 24 Stunden vor dem Zeitpunkt beschlossen wird, zu dem sie erstmals auch relevant ist. Damit wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Verfassung und deren Akzeptanz gemindert. Das ist besonders für eine Landesverfassung sehr bedauerlich, weil die Bürger selten von ihr überhaupt etwas erfahren, und es überaus ungünstige Auswirkungen haben muß, wenn dann noch in dieser Weise mit ihr umgegangen wird. Nicht zu vergessen sei auch die Tatsache, daß es der Bürger kaum verstehen wird, wenn die Abgeordneten letztlich mit ihren Rechten auf Diäten, Bundesbahnfahrkarte etc. argumentieren bzw. den Erhalt dieser Rechte zur Grundlage einer Verfassungsänderung machen. Zusammengefaßt muß der Zeitpunkt der Verfassungsänderung als verfehlt und die Neuregelung überhaupt als überstürzt und - jedenfalls in der gewählten Form - als unangebracht angesehen werden,78 Abg. Müller (CDU), NdsLT, StenBer. VI/74, Sp. 6768. Abg. Niewerth (CDU), NdsLT, StenBer. VI/74, Sp. 6774. 75 So Wettig-Danielmeier, ZParl. 1 (1969/70),269 (282). 76 So auch Wettig-Danielmeier, ZParl. 1 (1969/70),269 (283). 77 Abg. v. Oertzen (SPD), NdsLT, StenBer. VI/77, Sp. 6996; Abg. Brandes (CDU), NdsLT, StenBer. VII77, Sp. 6999. 73
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11. Das Selbstautlösungsrecht der Landtage in den verschiedenen Landesverfassungen Mit Ausnahme Bremens kennen alle Landesverfassungen die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode. Die Mittel hierzu sind vielfältig. Im vorliegenden Zusammenhang außer acht bleiben die Bestimmungen, die im Falle des Scheiterns der Regierungsbildung eine Landtagsauflösung von Verfassungs wegen vorsehen 79 • Sie beruhen regelmäßig nicht auf dem positiven Auflösungswillen eines Verfassungsorgans, sondern stellen die Reaktion der Verfassung auf die Unfähigkeit zur (Mehrheits-) Regierungsbildung dar. Die soeben ausgeführte Einschätzung gilt nicht uneingeschränkt für Art. 21 I NdsVerf., weil hier der Landtag selbst über seine Auflösung entscheidet8o . Die Verfassung trifft also nicht unmittelbar die Entscheidung über die Rechtsfolgen bei unmöglicher Mehrheitsregierungsbildung, sondern überläßt es dem Landtag, die im Einzelfall für das Land richtige Entscheidung zu treffen, indem sie ihn zwischen Neuwahl und Minderheitsregierung wählen läßt. Anderes gilt wiederum für Art. 44 V BayVerf., der den Landtagspräsidenten zur Auflösung des Landtages verpflichtet, wenn das Land länger als vier Wochen ohne Ministerpräsidenten ist. Da der Bayerische Ministerpräsident aber mit einfacher Mehrheit gewählt wird, kommt dieser Bestimmung kaum praktische Bedeutung zu. Festzuhalten ist lediglich, daß der Landtagspräsident als Repräsentant der Volksvertretung eine Aufgabe übernimmt, die im System des Grundgesetzes dem Staatsoberhaupt zukommt, nach niedersächsischem Recht dem Landtag insgesamt. Auch die durch eine Volksabstimmung, ein Volksbegehren o. ä. herbeizuführende Parlamentsauflösung81 ist hier zwar zu erwähnen, aber, da nicht zum Themenkreis der Arbeit gehörend, nicht näher zu erörtern.B 2 Denn sie betrifft nicht das Verhältnis des Landesparlaments zur Regierung, sondern zum Volk, also einen anderen Bereich. Angemerkt sei hier nur, daß eine solche Abberufungsmöglichkeit trotz des Vorstoßes zweier Parteien ganz unterschiedlicher Couleur83 nicht in die Verfassung Niedersachsens aufgenommen worden ist. 78 Im Gegensatz dazu betont Groschupf, JöR 1979, 381 (387), es sei anerkennenswert, daß der Landtag noch gut genug funktionierte, um eine Verfassungsänderung zu beschließen. Das verkennt die Hintergründe und die Absurdität, die darin liegt, daß der Landtag zwar noch in der Lage war, die Verfassung zu ändern, andere, mit einfacher Mehrheit durchzuführende Maßnahmen aber nicht mehr treffen konnte. 79 Art. 47 BWVerf.; Art. 87 IV SaarIVerf.; gleiches gilt auch für Fälle, in denen eine Regierungsneubildung erforderlich wird, aber nicht erfolgreich ist, wie nach Art. 99 V RhPfVerf. 80 Entsprechend ordnet Kretschmer, in: Parlamentsauflösung, 1 (2) den Art. 21 I 1. Alt. NdsVerf. denn auch ein. Dazu oben im 1. Teil unter DIll, 2. 81 Art. 43 BWVerf.; Art. 18 III BayVerf.; 39 III BerlVerf. 82 Für eine Revision entsprechender Verfassungsnormen Starost, FS Zeidler, 1199 (1212f.).
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf Art. 68 III, IV NWVerf., in dem das Volk einen Streit zwischen Regierung und Parlament über die Verabschiedung eines Gesetzes entscheidet. Dieser Alternative der Landtagsauflösung, die sich auch im Bereich zwischen Regierung und Parlament bewegt, wird unten kurz behandelt werden. Betrachtet man die restlichen Auflösungsmöglichkeiten in den Landesverfassungen, so sind sie entweder in die Hand des Landtages gelegt, dem ein Selbstauflösungsrecht zuerkannt wird 84 , oder aber es bedarf eines Zusammenwirkens verschiedener Faktoren, die in der Person des Ministerpräsidenten und dem Landtag begründet sein können bzw. müssen 85 . Die soeben angeführten Verfassungen, die ein Selbstauflösungsrecht des Landtags kennen, unterscheiden sich in mehrerlei Hinsicht.B6 Manch eine Regelung stellt lapidar fest, mit einer gewissen Mehrheit könne sich der Landtag selbst auflösen.87 Im Gegensatz dazu regelt die Niedersächsische Verfassung in ihrem Art. 7 selbst das Verfahren bis ins einzelne,88 gerade daß man die Frage des Abstimmungsmodus der Geschäftsordnung überlassen hat89 . Hier zeigt sich ein durchaus unterschiedliches Verständnis der Selbstauflösung: Während die einen sie als normales, fast alltägliches Mittel der politischen Auseinandersetzung betrachten, wollen die anderen jeden Mißbrauch ausschließen und die Auflösung als ultima ratio betrachten. Dann ist es nur konsequent und eine fast logische Folge, auch eine besonders qualifizierte Mehrheit für ein erfolgreiches Auflösungsverlangen festzulegen, wie das die Niedersächsische Verfassung getan hat. Überhaupt ist die damit angesprochene Frage nach dem Mehrheitserfordernis in den einzelnen Verfassungen wichtiger als die nach dem materiell doch eher geschäftsordnungsrechtlichen Antragsquorum: Häufig wird für die Auflösung die Zustimmung der Mehrheit aller Abgeordneten gefordert. Manchmal sind die Anforderungen auch höher, meist liegen sie dann bei zwei Drittel der Mitglieder des Pariaments. 90 Art. 7 II 2 NdsVerf. nähert sich dem letztgenannten Erfolgsquorum, indem er eine Zwei-Drittel-Anwesenheitsmehrheit für den Erfolg verlangt, um die Möglichkeit zu nehmen, über Art. 7 83 NdsLT, Drucks. I/2587 (KPD) und 1/2588 (CDU); dazu Abg. Lehmann (KPD), NdsLT, StenBer. I/119, Sp. 6601 und I/123, Sp. 6795 sowie Abg. Hofmeister (CDU), NdsLT, StenBer. I/123, Sp. 6795f. 84 Art. 18 I BayVerf.; Art. 39 II BerIVerf.; Art. 11 HbgVerf.; Art. 7 NdsVerf.; Art. 35 I, III NWVerf.; Art. 80 HessVerf.; Art. 84 RhPfVerf.; Art. 69 1. Alt. Saarl Verf.; Art. 13 II SHVerf. 85 Art. 36 HbgVerf.; Art. 36 SHVerf. 86 Grosse-Sender, in: Parlamentsrecht, 1719 (1721). 87 Art. 80 HessVerf., ähnlich Art. 691. Alt. SaariVerf. 88 Ähnlich Art. 11 I 1 HbgVerf. 89 Siehe Materialien I, S. 662,680. 90 Dazu sogleich ausführlicher.
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das Verbot eines einfachen Mißtrauensvotums zu umgehen 91 • Dabei stellt das Absehen von einer Zwei-Drittel-Abgeordnetenmehrheit einen Kompromiß dar, der dazu dienen soll, den Versuch der Landtagsauflösung nicht ganz aussichtslos zu gestalten. Zusätzlich ist für einen erfolgreichen Auflösungsantrag gleichzeitig die einfache Abgeordnetenmehrheit erforderlich. Diese Kombination legt die Hürde für eine Auflösung tatsächlich hoch, da in normalen Zeiten - noch dazu, wenn, wie in Niedersachsen üblich, gleichzeitig die Mehrheiten knapp sind - fast alle Abgeordneten auch bei der Abstimmung über die Auflösung anwesend sein werden. Die Zwei-Drittel-Anwesenheitsmehrheit bedeutet also im Grunde praktisch eine Zwei-Drittel-Abgeordnetenmehrheit. Sind - aus welchen Gründen auch immer - einmal bei einer entsprechenden Abstimmung nur wenige Abgeordnete anwesend, so schließt die zusätzlich nötige einfache Abgeordnetenmehrheit einen Mißbrauch der Auflösungsmöglichkeit aus. Sicher hat man hier verhindern wollen, daß extreme Gruppierungen die Anwesenheit anderer Fraktionen oder einiger Abgeordneter verhindern, um so die Zwei-Drittel-Anwesenheitsmehrheit erreichen können. Diese Furcht dürfte für die Verhältnisse in der Bundesrepublik auf absehbare Zeit unbegründet sein, erklärt sich aber leicht aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit. Sie ist daher als "Versicherung" überaus sinnvoll, zum al sie in Zeiten eines auch nur einigermaßen funktionierenden Parlamentarismus neben der geforderten Anwesenheitsmehrheit keine eigenständige Bedeutung erlangen wird. 1. Verfassungen mit besonders strengen Anforderungen an die Selbstauflösung
Eine Mehrheit von zwei Dritteln aller Abgeordneten für die Parlamentsauflösung verlangen die Verfassungen Berlins des Saarlandes und seit 1990 auch Schleswig-Holsteins. 92 Hierdurch werde zum einen verhindert, daß die Regierung im Zusammenspiel mit der sie auch weiterhin tragenden Parlamentsmajorität einen ihr (scheinbar) günstigen Zeitpunkt zum Wahltermin erhebt. 93 . 94 Dies wird sicherlich erreicht; ob es aber erforderlich ist, deshalb eine so Siehe dazu ausführlich oben B I 2 b aa. Art. 39 II BeriVerf.; Art. 69 1. Alt. SaarIVerf.; Art. 13 II SHVerf.; zur bisherigen Regelung in Schleswig-Holstein, die sich durch eine besonders herausgehobene Stellung des Ministerpräsidenten bei der Auflösung des Landtages auszeichnete vgl. Barscheil Gebel, SHLS, Art. 31 Anm. A; Barschel, Staatsqualität, S. 221. 93 In Großbritannien wird eine solche Maßnahme nicht als Mißbrauch angesehen, gehört vielmehr zum gesicherten und akzeptierten Bestand der Demokratie. Dort hat der Regierungschef allein das Recht zur Parlamentsauflösung. Gegen Vorschläge, dem Bundeskanzler (damit wohl auch den Ministerpräsidenten der Länder) ein ähnliches Recht einzuräumen, wendet sich mit überzeugender Argumentation Toews, FS Weber, 269 (286ff.). 94 Toews, FS Weber, 269 (292); Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT, Drucks. V1I/5924, S. 41; Höfling, DÖV 1982,889 (890). 91
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3. Teil: Das Ende der Regierung
strenge Mehrheit zu verlangen, soll nicht hier, sondern unten 95 im Zusammenhang mit den weniger strengen Verfassungen erörtert werden. Für diese besonders qualifizierte Auflösungsmehrheit wird jedenfalls zu Recht der Aspekt des konstruktiven Mißtrauensvotums genannt, welches nicht dadurch wieder zum einfachen Mißtrauensvotum werden darf, daß eine Landtagsauflösung ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist. 96 Einen weiteren wesentlichen Vorteil bietet das besonders qualifizierte Mehrheitserfordernis in den genannten Bundesländern: Es bedarf am Ende wohl sehr wichtiger, auf andere Weise nicht mehr lösbarer Probleme, bis es wirklich einmal zum Appell an das Volk kommt. Damit aber ist der grundsätzlichen Verpflichtung des Parlaments, sich nicht aus der ihm für vier Jahre übertragenen Verantwortung gegenüber dem Wähler zu stehlen, Rechnung getragen. Und wenn Toews 97 darauf hinweist, daß die Auflösung für die Opposition stets nachrangig sein wird, sie erst einmal versuchen wird, über das konstruktive Mißtrauensvotum selbst an die Regierungsrnacht zu kommen, so kann dem nur zugestimmt und diese Tatsache begrüßt werden. Denn damit ist die Intention, die gerade die Niedersächsische Verfassung verfolgt hat, bestätigt. 2. Auflösung mit Abgeordnetenmehrheit
Aufgrund einfacher Abgeordnetenmehrheit können sich die Parlamente in Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz auflösen. 98 Auch in diesen Ländern wird der besonderen Bedeutung der Auflösung Rechnung getragen, indem die Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten ihre Zustimmung geben müssen. Trotzdem erscheint dieses Mehrheitserfordernis vielen zu gering, weil sie befürchten, die Regierung könne im Zusammenspiel mit einer sie tragenden Mehrheit das Parlament zu einem ihr wahltaktisch günstigen Zeitpunkt auflösen 99 • Doch dürfte dieser Gesichtspunkt nicht sehr bedeutend sein, da eine Auflösung zum alleinigen Zweck der Sicherung eines besonderen Vorteils für die Partei beim Wähler in Deutschland auf wenig Verständnis stoßen wird. Dies gilt schon wegen der mit der vorzeitigen Wahl verbundenen Kosten, die ja auch immer zu einem bedeutenden Teil aus Wahlkampfkostenerstattung für die Parteien besteht. Denn aller Betonung der Parteien im Grundgesetz zum Dazu sogleich mehr. Toews, FS Weber, 269 (293); Scheller, Beendigung, S. 163. 97 Toews, FS Weber, 269 (296). 98 Art. 18 I BayVerf.; Art. 11 I 2 HbgVerf.; Art. 80 HessVerf.; Art. 35 I 2 NWVerf.; Art. 84 I RhPfVerf. 99 Höfling, DÖV 1982, 889 (890); Toews, FS Weber, 269 (287f.); Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT, Drucks. VIII5924, S. 41. 95
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Trotz stößt diese Form der Parteienfinanzierung bei einem g-roßen Teil der Wähler auf wenig Gegenliebe, weil man meint, die Parteien würden sich auf Kosten des Steuerzahlers bereichern oder zumindest einen, mit diesen Summen finanzierten, viel zu aufwendigen Wahlkampf betreiben. Vorzeitige Neuwahlen würden dieses Gefühl nicht unwesentlich verstärken und zu kaum kalkulierbaren Wählerbewegungen führen; denn den für die Auflösung stimmenden Fraktionen - und damit den sie tragenden Parteien - würde man diese Kosten anlasten, schon weil die anderen Parteien sich nach Kräften bemühen würden, das Verfahren entsprechend zu diskreditieren. Nicht umsonst ist auch in den Bundesländern, die eine Landtagsauflösung mit einfacher Abgeordnetenmehrheit zulassen, noch nicht versucht worden, eine Auflösung aus dem genannten (partei-egoistischen) Grund voranzutreiben. Im übrigen würde ein solches Unterfangen häufig schon am Widerstand der eigenen Abgeordneten scheitern, die um ihre Rechte fürchten müssen. Denn selbst bei noch so günstigen Prognosen kann niemand vorhersagen, ob sie ihre Plätze im Landtag behalten werden. Dies gilt um so mehr, als die Wahlprognosen (z. B. in Form der sog. "Sonntagsfrage") sich gegen Ende der 80er Jahre zunehmend als ungenau erwiesen haben, und am Wahlabend nicht selten Überraschungen zu beobachten waren. Doch selbst bei einer wie erhofft günstigen Wahl für die bisherige Regierungspartei(en) müßten viele Abgeordnete um ihre Sitze fürchten. Denn je erfolgreicher eine Partei ist, desto weniger Kandidaten kommen über die Landesliste in das Parlament, weil (fast) alle ihr zustehenden Sitze bereits mit direkt gewählten Kandidaten besetzt sind. Das bedeutet unter Umständen, daß alle Abgeordneten, die den aufzulösenden Landtag über die Landesliste erreicht haben, im nächsten Parlament nicht wieder vertreten sind, wenn sie nicht selbst einen Wahlkreis gewinnen, was vielleicht wegen des beliebten und bekannten Gegenkandidaten nahezu ausgeschlossen sein mag. Solchermaßen verunsicherte Abgeordnete von der Richtigkeit einer Auflösung zu überzeugen, ist nicht einfach. Diese Überlegung wird auch von Rupp-v. Brünneck / Konow geteilt, die gar meinen, dem Selbstauflösungsrecht komme "im pol. Bewußtsein der Abgeordneten keine besondere Bedeutung" zu!oo. Schließlich kann man auch die Verfassungsänderung in Niedersachsen im Jahre 1970 für diese Ansicht anführen. Denn gerade dort hat sich ja gezeigt, wie sehr die Abgeordneten auf die Sicherung ihrer Stellung bedacht sind. Zudem ist in aller Regel auch die Abgeordnetenmehrheit schon eine ausreichende Hürde, um häufige Auflösungsbestreben zu verhindern. Denn man darf nicht übersehen, daß eine Opposition, die einen vergeblichen Anlauf zur Auflösung des Parlaments unternimmt, zumindest für eine Weile vielleicht schon gewonnenes politisches Terrain wieder verliert. Außerdem hat gerade das Beispiel Niedersachsens gezeigt, daß es häufig gar nichts ausmacht, ob die 100
Rupp-v. Brünneck / Konow, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 80 Anrn. 4.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
einfache Mehrheit der Abgeordneten oder eine Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Auflösungsbeschluß verlangt wird. Denn in den vier vergeblichen Anläufen zur Auflösung des Niedersächsischen Landtags wurde weder die Zwei-Drittel-Mehrheit noch eine einfache Abgeordnetenmehrheit erreicht. Doch sind umgekehrt auch Fälle denkbar, in denen eine der großen Parteien die von allen anderen Fraktionen für notwendig befundene Auflösung ablehnt und so das Erreichen der Zwei-Drittel-Mehrheit vielleicht aus allein eigensüchtigen Motiven verhindert, zum Beispiel weil sie gerade meint, ihre Chancen stünden zur Zeit schlechter als zum regulären Wahltermin, bis zu dem sie ihre Krise überwinden könne. 3. Zusammenfassung
So zeigt sich, daß alle Möglichkeiten der Auflösung in gewissen Situationen Stärken zeigen, in anderen hingegen schwächer sind. Das ist bei krisenregelnden Normen nicht verwunderlich und am Ende wohl auch nicht zu ändern. Wichtiger als die Lösung der Krise durch eine bestimmte Norm scheint auch die grundsätzliche Zustimmung der im Parlament vertretenen Parteien zur jeweiligen Verfassung und der sie tragenden Grundsätze. Ist diese Voraussetzung gegeben, so kann man sicher sein, daß die Krise nicht übermäßig lange andauert, zumindest jedoch gemeistert werden kann. Es sind auch durchaus Fälle denkbar, in denen eine Parlamentsauflösung wirklich als Mittel zur Lösung einen Erfolg verspricht, so wenn schon eine Umentscheidung weniger Wähler die Parlamentsmehrheiten klären kann. Oder aber zwei Parteien können sich ohne eine Neuwahl nicht entscheiden, eine neue Koalition zu bilden. Denn in diesen Fällen wird den Politikern gern "Verrat am Wähler" oder "Wahlbetrug" vorgeworfen. Dazu mag man stehen wie man will- daß ein solcher Vorwurf auch zwei Jahre später bei der nächsten regulären Wahl noch Wirkung bei den Wählern zeigen kann, ist zumindest nicht auszuschließen. Dieser Vorwurf entfällt, wenn der Landtag aufgelöst worden ist, weil dann vor der Neuwahl andere Koalitionsaussagen getroffen werden können. Die Frage, wie sich eine Verfassung entscheidet - für eine strenge oder für eine eher geringe Mehrheit - ist im Grunde immer das Ergebnis einer Prognose: Ist die Gefahr, daß durch eine Parlamentsauflösung das konstruktive Mißtrauensvotum umgangen wird, höher als die Chance, die sich dann bieten kann, wenn die Parlamentsauflösung mit geringerer Mehrheit zugelassen wird? Weiter setzt die Möglichkeit einer schnell zu erreichenden Landtagsauflösung viel Vertrauen in die Abgeordneten und das Wahlvolk. Was im Einzelfall richtig ist, kann nicht allgemein entschieden werden. Vielmehr mag für die eine Situation die eine Lösung besser sein, für die andere eine andere Lösung. Die Gefahr liegt letztlich darin, daß im falschen Land für die dort eintretende Krise gerade die falsche Lösung gewählt worden ist. Das kann aber nur die
C. Die Auflösung des Landtages
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weitere Praxis zeigen und ist jedenfalls nicht vorher mit Sicherheit zu bestimmen.
III. Exkurs: Das Auflösungsrecht der Nordrhein-Westfalischen Landesregierung nach einem Volksentscheid Die Nordrhein-Westfälische Verfassung enthält eine - für die bundesdeutschen Verfassungen einmalige - Norm zur Konfliktregelung zwischen Parlament und Regierung l . Nach Art. 68 III NWVerf. kann in einem bestimmten Fall, nämlich wenn der Landtag einen Gesetzesvorschlag der Landesregierung nicht annimmt, u. U. das Volk über die Annahme des Gesetzes und in der Folge indirekt über das Schicksal der Regierung und des Landtags befinden. Hier wird das Volk in einem besonders umschriebenen Fall zum Schiedsrichter erhoben, seine Entscheidung jedoch wirkt über den eigentlichen Anlaß weit hinaus. Dieser Anlaß ist die Ablehnung eines von der Regierung eingebrachten Gesetzentwurfes durch den Landtag. Dabei kann es sich um jedes einfache Gesetz handeln, also auch Finanz-, Abgaben- und Besoldungsgesetze2 , die nach Art. 68 I 4 NWVerf. nicht Gegenstand eines vom hier behandelten Volksentscheid zu unterscheidenden Volksbegehrens sein können 3 . Der Grund für die Einschränkung der Entscheidungsmacht des Volkes im Rahmen des Art. 68 I 4 NWVerf. dürfte darin liegen, daß man ihm die nötigen Kenntnisse von den für das Gemeinwesen so wichtigen und in ihrer Komplexität besonders sensiblen Finanzfragen abspricht (schon mangels Ein- und Überblick). Weiter wird verhindert, daß durch die Verwirklichung einer Vielzahl partikulärer Interessen 4 das Geld für wichtige Ausgaben im Rahmen des Allgemeinwohls fehlt. Diese Gründe greifen nicht, wenn über einen Gesetzentwurf der Regierung entschieden wird; dieser kann, anders als ein Entwurf aus dem Volk, die finanziellen Folgen für das Land erkennen und berücksichtigen. Er kann bei dem Volksentscheid nicht verändert, sondern nur in der vorgegebenen Form angenommen oder abgelehnt werden. Auch die verweigerte Zustimmung zu Staatsverträgen, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen, kann zu einem Volksentscheid nach Vogels, NWVerf., Art. 68 Anm. 4. Geller / Kleinrahm / Fleck, NWVerf., Art. 68 Anm. 3 a bb; Vogels, NWVerf., Art. 68 Anm. 4; zum Begriff NWVerfGH, NVwZ 1982, 188 (189); BayVerfGHE 29, 244 (269). 3 Insoweit ist Art. 68 I 4 NWVerf. eindeutiger als Art. 73 IV WRV, in dem statt von Finanzgesetzen noch vom Haushaltsplan die Rede war; zum Streit über die Auslegung dieses Begriffs im vorliegenden Zusammenhang Schmitt, Volksentscheid, S. 14ff. 4 Dazu schon Stier-Somlo, Verfassung des Freistaats Preußen, Art. 6 Anm. II D, S. 78; eingehend BayVerfGHE 29, 244 (267f.). 1
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13 Busse
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Art. 68 III NWVerf. führen. 5 Die Ablehnung einer von der Landesregierung initiierten Verfassungsänderung durch den Landtag führt jedoch nicht zur Anwendung des Art. 68 In NWVerf., obwohl dieser Fall vom Wortlaut der Norm umfaßt ist; auch eine Verfassungsänderung verlangt schließlich ein Gesetz. Für diesen Fall gilt jedoch die Spezialregelung6 des Art. 69 NWVerf. Auch Art. 69 NWVerf. sieht zwar einen Volksentscheid über die im Landtag gescheiterte Verfassungsänderung vor. Sein zweiter Absatz verlangt aber anders als Art. 68 III NWVerf. gerade eine Einigkeit zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit, lediglich die im Landtag nach Art. 69 I 2 NWVerf. für eine Verfassungsänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der Abstimmung nicht erreicht. Ist die Verfassungsänderung an diesem besonderen Mehrheitserfordernis gescheitert, besteht für die Landtagsmehrheit oder die Regierung die Möglichkeit, das Volk entscheiden zu lassen. Es spielt dabei - insoweit auch anders als bei Art. 68 III NWVerf. - keine Rolle, wer den Antrag auf Änderung der Verfassung eingebracht hat.? Zur Annahme einer Verfassungsänderung durch das Volk bedarf es dann gern. Art. 69 II 2 NWVerf. der Mehrheit der stimmberechtigten Bevölkerung. Die Anforderungen für einen erfolgreichen Volksentscheid sind also strenger als nach Art. 68 IV NWVerf. Der hier allein näher zu betrachtende Art. 68 In NWVerf. verlangt, daß das vom Landtag nicht beschlossene Gesetz von der Landesregierung eingebracht wurde, nur dann kann sie ja ein besonderes berechtigtes Interesse an der Verabschiedung dieses Gesetzes haben. Art. 68 In NWVerf. ist also kein geeignetes Mittel für die Regierung, ein bestimmtes Gesetz, welches der Landtag gegen ihren Willen verabschiedet, zu verhindern. Schwierigkeiten kann allein die Voraussetzung des "Nicht-Beschließens" machen, nämlich wenn man sich fragt, ob ein nur leicht verändert angenommener Entwurf der Regierung ein "abgelehntes Gesetz" ist. Die Frage wird schon aus Gründen der Rechtsklarheit zu bejahen sein.8 Andernfalls wäre die kaum zu entscheidende Abwägung vorzunehmen, ob bestimmte Änderungen so schwerwiegend sind, daß man nun von einer Ablehnung sprechen kann oder nicht. Die Entscheidung über diese Frage liegt allein bei der Landesregierung9 , die auch besser als jeder andere weiß, worauf sie bei ihrem Entwurf Geiler / Kleinrahm / Fleck, NWVerf., Art. 68 Anm. 3 a bb. Geiler / Kleinrahm / Fleck, NWVerf., Art. 68 Anm. 3 a bb. 7 Geiler / Kleinrahm / Fleck, NWVerf., Art. 69 Anm. 6; Vogels, NWVerf., Art. 69 Anm.3. 8 Dieser Gedanke lag Art. 73 III 4 WRV - wenn auch in etwas anderem Zusammenhang - zugrunde, wenn es dort darauf ankam, ob ein Gesetzentwurf im Reichstag unverändert angenommen wurde oder nicht. 9 Ähnlich legt es Art. 81 II 1 GG in die Hand der Bundesregierung, festzustellen, ob ein Gesetz vom Bundestag in einer "unannehmbar(en)" Fassung angenommen worden 5 6
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besonderen Wert gelegt hat. Auch eine scheinbar minimale Änderung durch den Landtag kann das Gesetz in den Augen der Regierung praktisch entwerten. Bei anderer Auslegung könnte die Regierung ohne weiteres vom Landtag ihrer verfassungsrechtlichen Möglichkeiten beraubt werden. 10 Die womöglich aufkommende Befürchtung, durch diese weite Auslegung des Begriffs der Ablehnung würde der allzu häufigen Anwendung des Art. 68 11 Vorschub geleistet, geht fehl. Denn angesichts der möglichen Folgen für die Landesregierung wird sie sich nur in ganz außergewöhnlichen Fällen auf die Möglichkeit des Volksentscheides besinnen. Die Rechtsfolgen des Volksentscheids richten sich nach der Ablehnung bzw. Zustimmung des Volkes, worüber die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet (Art. 68 IV 2 NWVerf.). Wird das Gesetz abgelehnt, so muß die Regierung zurücktreten, was die weiteren Folgen des Art. 62 III NWVerf. nach sich zieht. Wird das Gesetz im Volksentscheid hingegen angenommen, so hat die Landesregierung die Möglichkeit, den Landtag aufzulösen,ll kann aber auch davon absehen. Löst sie ihn nicht unmittelbar nach dem für sie positiven Entscheid auf, so erlischt das Recht dazu,12 damit der Landtag nicht ständig mit der Auflösungsandrohung leben und sich bei jeder Entscheidung genötigt fühlen muß, die Position der Regierung zu vertreten, zumindest aber nicht zu widersprechen. Seine Stellung wird nach dem Volksentscheid ohnehin eine auf längere Zeit geschwächt sein.
IV. Einzelprobleme der niedersächsischen Variante Nach diesem Überblick über Variationen der Landtagsauflösung, wie sie in anderen Landesverfassungen zu finden sind, gilt es, die Problematik der Regelung in Niedersachsen zu vertiefen. Bereits im Zusammenhang mit seiner Geschichte und dem Vergleich der Landesverfassungen sind einige Problembereiche des Selbstauflösungsrechts nach Art. 6, 7 NdsVerf. angesprochen worden. Meist hat es sich dabei um Fragen gehandelt, wie sie stets auftreten, wenn von einer Parlamentsauflösung die Rede ist. Im folgenden ist zum einen das Verhältnis der Landtagsauflösung zum konstruktiven Mißtrauensvotum interessant. Dabei ist insbesondere zu fragen, ob beide Institute parallel betrieben werden können. Zum anderen ist auf die Konkurrenz der beiden Auflösungsalternativen, nämlich Art. 7 bzw. Art. 21 NdsVerf., einzugehen. ist, was zwar neben die Nichtannahme gestellt wird, aber insoweit eine - begrüßenswerte - KlarsteIlung sein dürfte. 10 Vgl. ähnlich Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 81 Rn. 44. 11 Kritisch dazu Grosse-Sender, in: Parlamentsrecht, 1719 (1722 Fn. 12). 12 So auch Geiler / Kleinrahm / Fleck, NWVerf., Art. 68 Anm. 3 a bb. 13*
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3. Teil: Das Ende der Regierung
1. Das Verhältnis der Landtagsaußösung zum konstruktiven Mißtrauensvotum
Art. 6 I 3 NdsVerf. schiebt das Ende der Wahlperiode nach dem Auflösungsbeschluß um 60 Tage hinaus, der Beschluß wirkt quasi erst mit dieser Verspätung. Daher kann es zweifelhaft werden, welche Geschäfte der Landtag in dieser Zeit vornehmen darf und welche ihm verboten sind. Wie selbstverständlich wurde im April 1970 der Mißtrauensantrag l3 gegen den Ministerpräsidenten zurückgezogen l4 , nachdem der Landtag seinen Auflösungsbeschlußl5 gefaßt hatte. Ein solches Vorgehen verwundert schon auf politischer Ebene, wenn man bedenkt, daß ein Ministerpräsident - auch ein gerade gewählter - mit seiner Partei gestärkt in die Wahl geht. Vor allem bleibt er auch nach der Landtagswahl weiterhin - dann geschäftsführend - im Amt, wenn sich keine neue Mehrheitsregierung bilden läßt, und der Landtag sich erneut auflöst und keine Minderheitsregierung wählt. Es hätte also politisch im Interesse der Antragsteller liegen müssen, über den Mißtrauensantrag auch abstimmen zu lassen. Wenn sie nicht darauf beharrten, so ist das nur dadurch zu erklären, daß sie sich wohl realistischerweise keine Erfolgschancen ausrechneten und keinen Mißerfolg riskieren wollten, der vielleicht die eigenen Chancen bei der Wahl mindern konnte. Doch abgesehen von der politischen Zweckmäßigkeit spricht sich Toews gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Abstimmung über einen Mißtrauensantrag aus, wenn der Landtag seine Auflösung beschlossen hat. l6 Eine Begründung für diese Auffassung wird nicht gegeben. Maunz ist nicht frei von Zweifeln, wenn er schreibt diese Ansicht "wird man ... vertreten können"l7. So unterstellt Toews, die weitere Verfolgung des Mißtrauensantrags sei wegen dieser Unzulässigkeit unterblieben, ohne das aber zu belegen. l8 Für diese Ansicht könnte angeführt werden, der Landtag habe sich selbst die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt; damit sei es nicht zu vereinbaren, wenn er noch einen neuen Ministerpräsidenten wähle und nach Art. 20 III NdsVerf. eine neue Regierung bestätige. Dies gelte erst recht, weil der Regierung gar NdsLT, Drucks. VU1228. Abg. Brandes (CDU), NdsLT, StenBer. VU79 , Sp. 7080; NdsLT, Drucks. VII 1338. 15 NdsLT, StenBer. VII78, Sp. 7073f. 16 Toews, AöR 96 (1971), 354 (388); ebenso für das Grundgesetz H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 39 Rn. 15; Maunz, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 39 Rn. 30. 17 Maunz, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 39 Rn. 30. 18 Toews, AöR 96 (1971), 354 (388); der Abg. Brandes (CDU), NdsLT, StenBer. VU 79, Sp. 7080 begründete die Rücknahme im Landtag lediglich mit den Worten: "Im Hinblick auf die besonderen Umstände ... " Das deutet auf politische, nicht auf rechtliche Gründe hin. Die entsprechende Drucksache (VI/1338) enthält keine Begründung. 13
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C. Die Auflösung des Landtages
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keine Zeit bliebe, sich zu bewähren, sie wegen der Neuwahl des Landtages von vornherein eine Regierung auf Abruf sei. Damit fehle es überhaupt am Bedürfnis, eine neue Regierung zu wählen. Eine solche Argumentation würde die bereits angedeutete Möglichkeit übersehen, daß die so gewählte Regierung möglicherweise längere Zeit, wenn auch nur geschäftsführend amtieren kann. Wichtiger aber ist, daß die genannte Ansicht nicht nur im Wortlaut der Verfassung nicht wiederzufinden ist, sondern auch den Sinn des Art. 6 I 3, wie er aus den Verhandlungen des Landtages hervorgeht 19 , nicht gebührend berücksichtigt. Das Hinausschieben des Endes der Wahlperiode um 60 Tage sollte doch gerade die Möglichkeit geben, begonnene Vorhaben zu Ende zu führen. Das muß dann auch für ein Vorhaben wie das konstruktive Mißtrauensvotum gelten. Der Landtag sollte, so wurde vor der Verfassungs änderung betont, alle Rechte behalten, seine Befugnisse sollten nicht beschnitten werden; um die Befugnisse der Legislative zu wahren, sollte die Zeit, in der lediglich der ständige Ausschuß amtierte, kurz gehalten werden. Warum das Mißtrauensvotum nach Art. 23 NdsVerf. eine Ausnahme sein soll, ist nicht einsichtig. Auch ein Vergleich mit dem normalen Ablauf einer Wahlperiode, an den Art. 6 I 3 die Folgen der Auflösung ja angleichen will, zeigt, daß eine Ministerpräsidentenwahl immer noch möglich sein muß. Denn niemand würde vertreten, diese sei kurz vor Ablauf der regulären Wahlperiode nicht zulässig. Die Annahme eines solchen Verbotes scheitert bereits an der Unmöglichkeit zu bestimmen, wann die Ministerpräsidentenwahl noch zulässig sein soll und wann schon nicht mehr. Die Erforderlichkeit einer Ministerpräsidentenwahl kann sich auch unabhängig von Art. 23 NdsVerf. ergeben, wenn beispielsweise ein Ministerpräsident in den letzten Monaten der Legislaturperiode verstirbt. Dann beginnt das Verfahren nach Art. 20f. Damit kommt man zu dem Ergebnis, daß der Landtag trotz seiner bereits beschlossenen Auflösung einen neuen Ministerpräsidenten wählen kann. Genauso ist es ihm möglich, alle anderen verfassungsrechtlichen Kompetenzen wahrzunehmen. Dies mag man im Ergebnis verfassungspolitisch bedauern, es resultiert am Ende aus der Addition mehrerer Mängel. Zum einen ermöglicht die 21-TageFrist des Art. 2311 2, zwischen den Antrag nach Art. 23 und der Abstimmung über diesen Antrag noch andere wesentliche Vorhaben zu schieben - eben auch eine Parlamentsauflösung. Die Neuwahl des Ministerpräsidenten nach Art. 23 ist jedoch binnen wesentlich kürzerer Frist durchführbar. Der Schwierigkeit, das Verhältnis zwischen dem konstruktiven Mißtrauensvotum und der Landtagsauflösung zu bestimmen, wäre daher mit einer Verkürzung der Frist des Art. 23 NdsVerf. zu entschärfen. 2o Sie tritt dann allerdings noch auf, wenn 19 20
Dazu ausführlich oben unter C I 3. Zur Fristverkürzung siehe schon B II 4.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
nach dem Auflösungsbeschluß ein konstruktives Mißtrauensvotum unternommen wird. Das wiederum liegt allein an der 60-Tage-Frist des Art. 6 I 3. Damit zeigt sich deutlich, welche Vorsicht zu walten hat, wenn man die Verfassung ändern will, damit alle Folgen auch wirklich einigermaßen vollständig durchdacht werden können. Und man sollte sich hüten, eine Verfassung, wie 1970 geschehen, aus aktuellem Anlaß zu ändern, noch dazu - zumindest auch - aus nur mühsam verdeckten eigennützigen Motiven der Abgeordneten. Denn dann kann es leicht passieren, daß einzelne Folgen der Verfassungsänderung, die im aktuellen Anlaß keine Rolle spielen und deshalb übersehen werden, später ganz unangenehme Folgen mit sich bringen. Diese können schnell über eine bloße Unklarheit, wie sie hier vorliegt, hinausgehen. 2. Das Verhältnis von Art. 7 zu Art. 21 I NdsVerf.
Bereits oben 21 wurde ausgeführt, daß jedenfalls Art. 6 I 3 NdsVerf. als "Allgemeiner Teil" der Landtagsauflösung sowohl bei einer Landtagsauflösung nach Art. 7 als auch einer nach Art. 21 I NdsVerf. Platz greift. Dies ist zwar besonders unglücklich, wenn der Landtag sich für eine Neuwahl entschieden hat, weil er sich nicht in der Lage sieht, eine neue Regierung zu wählen. Denn dann wird die Neuwahl noch weiter hinausgeschoben, und es regiert für mehrere Monate eine Geschäftsregierung, was die Normen über die Regierungsbildung eigentlich zu vermeiden bestrebt sind; sie wollen lieber eine gewählte Minderheitsregierung als eine Geschäftsregierung, wie gerade Art. 21 deutlich werden läßt. Hier zeigt sich wiederum die mangelhafte Arbeit bei der Verfassungsänderung im April 1970, denn ihre Rückwirkungen auf Art. 21 I sind im Plenum nicht zur Sprache gekommen und haben offenbar auch im Rechtsund Verfassungsausschuß keine Rolle gespielt. Zum Verhältnis der bei den Auflösungsartikel zueinander meint Kretschmer, die Auflösungsmöglichkeit nach Art. 21 I sei der Lösung von Regierungskrisen vorbehalten, während Art. 7 nur dann zur Anwendung kommen könne, wenn "eine aus Regierungssicht verantwortbare Gesetzgebungsarbeit nicht mehr möglich erscheint"22. Diese Betrachtungsweise geht von einer Konkurrenz der beiden Auflösungsalternativen dergestalt aus, daß Art. 21 I lex specialis zu Art. 7 sei und für seinen Bereich, nämlich den Fall der Regierungskrise, die Anwendung der anderen Auflösungsmöglichkeit ausschließe. Diese Betrachtungsweise hat mehrere Schwachstellen: So trifft es nicht zu, daß Art. 21 für alle Formen von Regierungskrisen anwendbar ist. Er betrifft die Folgen einer mißlungenen Regierungsbildung nach dem Rücktritt der Landesregierung. Damit behandelt er aber nur einen Ausschnitt der möglichen 21 22
Im 1. Teil unter D II 2. Kretschmer, in: Parlamentsauflösung, 1 (7) (Hervorhebung vom Verfasser).
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Regierungskrisen. Es sind zum Beispiel Zerwürfnisse innerhalb einer Koalition denkbar, die nicht zur Neuwahl der Regierung führen, weil ein Koalitionspartner die Regierung verläßt, die damit zur Minderheitsregierung wird. In solch einem Fall kann es gar nicht zur Möglichkeit der Auflösung über Art. 21 I NdsVerf. kommen, und es ist auch nicht einzusehen, warum der Weg über ihn nötig sein sollte, um das Parlament aufzulösen. Wichtiger noch ist, daß nach Kretschmers Ansicht offenbar die Regierung ein Mitspracherecht bei der Auflösung nach Art. 7 bekommen soll. Denn so muß man es doch verstehen, wenn gesagt wird, sofern aus Sicht der Regierung keine Gesetzgebungsarbeit mehr möglich sei, könne das zur Auflösung nach Art. 7 führen. Hier wird der Regierung so etwas wie ein Initiativrecht oder gar eine Entscheidungsmöglichkeit zuerkannt, die in der Verfassung nicht angelegt ist. Der Regierung werden im Rahmen einer Landtagsauflösung keinerlei Rechte eingeräumt. Dies zeigt sich schon daran, daß das Selbstauflösungsrecht ursprünglich als "Waffe" des Landtags gegen die Regierung gedacht war. An der Formulierung der Voraussetzungen der Landtagsauflösung hat sich nichts geändert, auch wenn der Landtag mit Art. 23 eine weitere "Waffe" gegen die Regierung hat. Durch die zusätzliche Möglichkeit des Regierungssturzes kann aber die Regierung kein Mitspracherecht - in welcher Form auch immer - bei der Landtagsauflösung erworben haben. Der Landtag selbst ist Herr des Verfahrens nach Art. 7, und er allein entscheidet über diese Auflösung. Dabei sind in Art. 7 auch nicht etwa abschließend Gründe angelegt, aus denen allein eine solche Auflösung möglich ist. Vielmehr liegt es wiederum in der Hand des Landtags zu entscheiden, wann die Auflösung das richtige Mittel ist, eine Krise zu lösen; dies ist unabhängig davon, ob eine Regierungs- oder eine Parlamentskrise oder - wie regelmäßig - beides gegeben ist. Dieses regelmäßige Nebeneinander von Regierungs- und Parlamentskrise macht auch deutlich, daß es der von Kretschmer getroffenen Unterscheidung an Praktikabilität fehlt. Auch aus jedem anderen denkbaren Grund als dem von Kretschmer genannten kann der Landtag seine Auflösung beschließen. Die Funktion des Art. 21 I NdsVerf. ist nun auch gar nicht die, daß in seinem Bereich eine Anwendung des Art. 7 ausgeschlossen wäre. Das geht auch deshalb nicht, weil Art. 21 die Auflösung unter erleichterten Bedingungen zuläßt. Wohl ist Art. 21 I NdsVerf. ein Spezialfall des Auflösungsrechts nach Art. 7. Doch es handelt sich in seinem Anwendungsbereich um besondere Fälle, für die schon die Verfassungsväter meinten, sie seien typisch, um eine Parlamentsauflösung zu begründen. Eine der Möglichkeiten zu einer Mehrheitsregierung zu kommen, ist immer die, das Parlament neu wählen zu lassen, in der Hoffnung es würde danach wesentlich anders besetzt sein als vorher. Die Parlamentsauflösung ist daher nach mißlungener Mehrheitsregierungsbildung quasi indiziert, wie ein Vergleich z. B. mit Art. 47 BWVerf. zeigt. 23 Deshalb sind die Anforderungen an die Mehrheit, die einer Auflösung
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3. Teil: Das Ende der Regierung
zustimmen muß, herabgesetzt. Man meinte, es reiche in diesem Falle aus, wenn die Mehrheit der Abgeordneten an die Richtigkeit des Auflösungsbeschlusses glaube. Die fehlenden Stimmen zur nach Art. 7 NdsVerf. erforderlichen Zwei-Drittel-Anwesenheitsmehrheit werden, so kann man vielleicht formulieren, durch die gen au umschriebene Situation, in der Art. 21 I zur Anwendung kommt, ersetzt. Auch im Rahmen des Art. 21 I kommen der Regierung aber keinerlei Rechte beim Entscheidungsprozeß über die Landtags auflösung zu. Auch hier liegt alles in der Hand des Landtags.
V. Exkurs: Keine Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten in Niedersachsen 1. Das Institut der Vertrauensfrage
Eine weitere, den Verfassungen Hamburgs, des Saarlandes, Schieswig-Holsteins und des Bundes24 innewohnende Möglichkeit, die Auflösung des Parlaments herbeizuführen, ist mit der Vertrauensfrage verbunden. Nach dem Grundgesetz bietet sie sogar - außer dem Spezialfall der gescheiterten Regierungsbildung - die einzige Möglichkeit zur Parlamentsauflösung. Allgemeines Merkmal aller Ausprägungen der Vertrauensfrage ist, daß - meist wenn Differenzen zwischen Regierung und Parlament auftreten - aus der Exekutive der Antrag gestellt wird, der Landtag möge dem Ministerpräsidenten bzw. der Regierung sein Vertrauen aussprechen. Entspricht das Parlament diesem Antrag, ist das Verfahren abgeschlossen, und es treten keine weiteren verfassungsrechtlichen Folgen ein. Verweigert das Parlament das Vertrauen, so können nach den verschiedenen Verfassungen ganz unterschiedliche Rechtsfolgen eintreten. Diese werden noch im einzelnen erörtert werden. Auch in Art. 114 11 HessVerf. ist von einer "Vertrauensfrage" die Rede. Trotzdem kann man im Rahmen des nach Art. 114 HessVerf. zulässigen Vertrauensantrags nicht von einer Vertrauensfrage im oben genannten Sinne sprechen. Denn der Antrag muß, obwohl in Abs. 3 des Art. 114 HessVerf. von der "Vertrauensfrage" die Rede ist, stets aus der Mitte des Landtags kommen. 25 Das ergibt sich eindeutig aus Art. 11411 1 HessVerf. Die Hessische Verfassung ist insoweit begrifflich sehr ungenau, wenn von "Vertrauensantrag", "Vertrauen entziehen" und von "Vertrauensfrage" die Rede ist, obwohl immer das gleiche gemeint ist. 23 Danach ist der Landtag von Verfassungs wegen aufgelöst, wenn drei Monate nach Erledigung des Amtes des Ministerpräsidenten keine neue Regierung bestätigt ist. 24 Art. 36 HbgVerf.; Art. 88 SaariVerf.; Art. 36 SHVerf.; Art. 68 GG. 25 So zutreffend Rupp-v. Brünneck / Konow, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 114 Anm. 5; das übersieht H.-P. Schneider, in: HdBVerfR, 239 (258).
C. Die Auflösung des Landtages
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Das niedersächsische Verfassungsrecht kennt - ebenso wie die nicht genannten Landesverfassungen - keine Vertrauensfrage im Sinne der genannten Regelungen. Während der Beratungen im Verfassungsausschuß ist die Möglichkeit einer Aufnahme der Vertrauensfrage in die Verfassung zwar einmal kurz angedeutet26 , dann aber nicht weiter verfolgt worden. Man kann davon ausgehen, daß hierüber keine ausdrückliche Meinungsbildung stattgefunden hat. Es steht zu vermuten, daß entsprechende Überlegungen wegen der ohnehin nicht geringen Schwierigkeiten, die im Verfassungsausschuß mit der Einigung über die Art. 20ff. NdsVerf. verbunden waren, unterlassen wurden. Eine Debatte über die in diesen Zusammenhang gehörende Vertrauensfrage hätte unausweichlich weitere Schwierigkeiten mit sich gebracht. Festzuhalten bleibt, daß in der Verfassung Niedersachsens von einer Vertrauensfrage nicht die Rede ist. Bevor darauf eingegangen wird, ob und mit welchen Inhalt sie dennoch zulässigerweise gestellt werden darf, sei ein kurzer Blick auf die Verfassungen geworfen, die dem Regierungschef oder der Regierung ausdrücklich das Recht der Vertrauensfrage zugestehen. Von hier wird sich anschließend für Niedersachsen die Frage nach der Zulässigkeit einer Vertrauensfrage einfacher beantworten lassen. 2. Die Vertrauensfrage in den Verfassungen Soweit die Verfassungen die Vertrauensfrage regeln, sind ihre Voraussetzungen und die möglichen Folgen bereits kurz angedeutet worden. Danach ist die verfassungsrechtliche Betrachtung einfach und nach allen Verfassungen gleich, wenn die Abstimmung für die Regierung positiv ausfällt: Es bleibt schlicht alles beim alten, der Regierung bzw. dem Ministerpräsidenten werden weder mehr Rechte eingeräumt als vorher, noch wird ihr Pflichtenkreis erweitert. Auch für das Parlament treten von Verfassungs wegen jedenfalls keine Konsequenzen ein. Ob ein positiver Ausgang die Regierung politisch stärkt, mag dahingestellt bleiben. Die endgültige Beseitigung innerparteilicher oder koalitionsinterner Probleme wird dauerhaft aber wohl nur in Ausnahmefällen erreicht werden können,27 Eher werden sich die Symptome der Differenzen eine Weile überdecken lassen, nicht dagegen wird auf Dauer die Ursache beseitigt. Es sei insoweit darauf hingewiesen, daß die Vertrauens abstimmung zugunsten des Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) im Februar 1982 den Zerfall der sozialliberalen Koalition im September desselben Jahres nicht aufzuhalten vermochte. 26 Allein der Abg. Hofmeister (CDU) äußerte während der Beratungen im Verfassungsausschuß einmal die Möglichkeit, eine entsprechende Norm in die Verfassung einzufügen: Materialien I, S. 548. 27 H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 68 Rn. 3; krit. auch Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 68 Rn. 14.
3. Teil: Das Ende der Regierung
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Im Rahmen des Art. 36 HbgVerf. ist es schon deshalb besonders schwierig, den Koalitionspartner über die Vertrauensfrage zu disziplinieren, weil der Senat insgesamt, nicht nur der Erste Bürgermeister als "Regierungschef" die Vertrauensfrage stellt. Damit ist der Koalitionspartner schon bei der Beschlußfassung im Senat dabei. In sich ist die Hamburger Regelung jedoch überaus konsequent, weil in der Hansestadt jeder einzelne Senator von der Bürgerschaft gewählt und der Erste Bürgermeister lediglich "primus inter pares" ist. Dann wäre es unangemessen, ihm allein das Recht auf die Vertrauensfrage einzuräumen. Weitergehende Auswirkungen als die Bejahung kann hingegen die Verneinung der Vertrauensfrage haben, und diese Folgen sind überaus unterschiedlich geregelt. Im Bund und in Schleswig-Holstein bleibt die Initiative beim Regierungschef, und zwar hat der Ministerpräsident in Schleswig-Holstein das Recht, den Landtag binnen zehn Tagen aufzulösen, während der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten die Bundestagsauflösung vorschlagen kann. Der Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident gibt die Entscheidung also auch mit Stellen der Vertrauensfrage noch nicht aus der Hand. Die Entscheidung über eine Landtagsauflösung nach der abgelehnten Vertrauensfrage bleibt ihm, es sei denn der Landtag könnte sich entscheiden, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen, bevor die Auflösung durchgeführt ist 28 • Selbst eine sich schon abzeichnende neue (Mehrheits-) Koalition muß den Ministerpräsidenten nicht an der Auflösung des Landtags hindern. In diesem Fall muß er sich nur beeilen, den Landtag rechtzeitig genug aufzulösen. Zu spät dürfte es für die Auflösung erst sein, wenn ein formeller Antrag beim Landtagspräsidenten eingegangen ist, über das konstruktive Mißtrauensvotum nach Art. 35 SHVerf. einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen. Denn da die Verfassung die Neuwahl eines Ministerpräsidenten der Landtagsauflösung vorzieht, wie Art. 36 11 SHVerf. deutlich macht, kann nach dem Eingang eines solchen Antrags der Ministerpräsident von seinem Auflösungsrecht, das er mit Ablehnung der Vertrauensfrage "erworben" hat, keinen Gebrauch mehr machen. Möglichst sollte die Wahl des neuen Ministerpräsidenten noch innerhalb der zehn Tage liegen, die dem alten bleiben, um den Landtag nach der negativ beantworteten Vertrauensfrage aufzulösen, weil danach das Recht des Ministerpräsidenten zur Auflösung wegen des Ablaufs der 10 Tage erlischt. Und scheitert die Neuwahl, weil die erforderliche Abgeordnetenmehrheit nicht erreicht wird, so bleibt die Lage ebenso unbefriedigend wie vor der Vertrauensfrage. Womöglich würde für den Ministerpräsidenten eine zweite Vertrauensfrage erforderlich, um das Auflösungsverfahren noch einmal betreiben zu können. Das wäre nicht nur kaum verständlich zu machen, sondern würde auch die mögliche Beendigung der Krise verzögern. Nach der gescheiterten Neuwahl lebt daher das Recht des Ministerpräsidenten, den Landtag aufzulö28
Art. 36 II SHVerf.
C. Die Auflösung des Landtages
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sen, wieder auf, solange die zehn Tage des Art. 3611 SHVerf. noch nicht verstrichen sind. Der Bundeskanzler ist nicht ganz so frei wie der allein über die Landtagsauflösung entscheidende Ministerpräsident in Kiel, da dem Bundespräsidenten bei der Entscheidung über die Auflösung des Bundestages ein Ennessen zusteht 29 . Bundeskanzler und Bundespräsident müssen sich in der Beurteilung der politischen Lage einig sein. Anstelle der Bundestagsauflösung gibt das Grundgesetz der Bundesregierung zwar die weitere Möglichkeit, im Gesetzgebungsnotstand nach Art. 81 GG zu arbeiten. Der Antrag auf Erklärung des Gesetzgebungsnotstands kann aber nicht vom Bundeskanzler gestellt werden, vielmehr nur von der Regierung als Kollegium, in dem jener zwar eine zentrale, aber nicht die allein entscheidende Position einnimmt. Und weitere Voraussetzung des Art. 81 GG ist nicht nur die Erklärung des Gesetzgebungsnotstands durch den Bundespräsidenten, die wiederum in seinem Ennessen steht3o . Zudem muß auch der Bundesrat noch zustimmen. Der Zustand des Gesetzgebungsnotstands ist also nur unter Schwierigkeiten zu erreichen. So ist er z. B. ausgeschlossen, wenn die Bundesratsmehrheit sich nicht mit der Regierung einig iSt. 31 Diese Form des Gesetzgebungsnotstands ist in keiner Landesverfassung enthalten, bietet aber neben dem Auflösungsrecht immerhin eine Handhabe für die Regierung, gerade wenn ihr an bestimmten Gesetzesvorhaben besonders viel liegt. Denn die Vertrauensfrage als erste Voraussetzung des Gesetzgebungsnotstands kann auch mit einem bestimmten Gesetzentwurf verbunden werden. 32 In Hamburg geht die Initiative nach abgelehnter Vertrauensfrage auf die Bürgerschaft über. Sie ist drei Monate lang Herrin des Verfahrens und kann einen neuen Senat wählen, dem alten doch noch das Vertrauen aussprechen oder sich selbst auflösen. 33 Die ersten beiden Alternativen sind zwar eigentlich selbstverständlich, ihre ausdrückliche Erwähnung erklärt sich aber daraus, daß mit ihrer Aufzählung ganz deutlich wird, wie die Bürgerschaft ihre Initiative nutzen kann. Nimmt sie keine dieser Möglichkeiten wahr, so geht nach Ablauf der drei Monate die Initiative wieder an den Senat zurück, der zwei Wochen lang das Recht zur Bürgerschaftsauflösung hat. Geschieht auch dies nicht, so tritt rechtlich der Zustand ein, als wäre die Vertrauensfrage gar nicht gestellt worden. BVerfGE 62, 1 (35,51). Ramsauer, in: AltKomm. , Art. 81 Rn. 24. 31 Das ist vor allem anzunehmen, wenn Bundesratsmehrheit und Bundesregierung unterschiedlichen Parteien angehören, wie das in den Jahren vor 1982 der Fall war und im Juni 1990 erneut eingetreten ist. 32 Vgl. Art. 81 I 2 GG; dazu nur Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 68 Rn. 25ff. 33 Art. 36 I 1 HbgVerf. 29
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Im Saarland, wo die Vertrauensfrage wie in Hamburg von der Regierung als Kollegium gestellt wird, also nicht allein vom Ministerpräsidenten, treffen die Folgen der abgelehnten Vertrauensfrage in erster Linie die Regierung, nicht den Landtag, denn die Regierung scheidet aus dem Amt. Hier ist die Vertrauensfrage als Mittel der Auseinandersetzung für der Regierung 34 also besonders schwach, da sie mit dem Ende der Regierung, nicht aber mit der Auflösung des Landtags enden kann. Das wird die Regierung veranlassen, besonders eingehend nachzudenken und zu beraten, bevor die Vertrauensfrage im Parlament gestellt wird. Diese weitgehende Folge für die Regierung macht auch verständlich, warum sie in ihrer Gesamtheit über das Stellen der Vertrauensfrage entscheidet und nicht allein der Ministerpräsident. 3. Die Rechtslage ohne ausdrückliche Regelung der Vertrauensfrage a) Verfassung und Vertrauensfrage
Die Vertrauensfrage in der soeben erörterten Form ist in keinem Artikel der Niedersächsischen Verfassung erwähnt. Daraus könnte man entnehmen, daß sie auch überhaupt nicht vorgesehen ist; dies wird gestützt durch den Umstand, daß sich der Verfassungsausschuß bei den Beratungen zur Verfassung auch nach der Anregung des Abg. Hofmeister (CDU) nicht mit ihr auseinandergesetzt hat. 35 Hätte man die Vertrauensfrage gewollt, so wäre in diesem Gremium mit Sicherheit ausführlich über Voraussetzungen und Rechtsfolgen gesprochen worden. Dennoch es finden sich in der Literatur Stimmen, die dem Ministerpräsidenten nicht nur die Möglichkeit zugestehen, überhaupt die Vertrauensfrage zu stellen, sondern ihr auch weitreichende Folgen zuschreiben. Denn beantworte der Landtag die Vertrauensfrage positiv, so ziehe das die Gegenstandslosigkeit eines Mißtrauensantrags nach sich. 36 Diese Ansicht ist schon deshalb zumindest unglücklich, weil eine sog. "nichtförmliche Vertrauensfrage"37 (wie sie in Niedersachsen möglich sei) der Vertrauensfrage nach Art. 68 GG gegenüberstellt wird, und dann die Folgerungen für diese "nichtförmliche" mit einem Zitat zu Art. 68 GG38 belegt werden. 34 So für das Grundgesetz Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 68 Rn. 7, 38; H.-P. Schneider, in: AltKomm., Art. 68 Rn. 2; Nawiasky, Grundgedanken, S. 101; Schräder, in: HdBStR II, § 51 Rn. 38. 35 Materialien I, S. 548. 36 Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 5 im Anschluß an Troßmann, Parlamentsrecht, § 103 Rn. 13 und Braun, BWVerf., Art. 54 Rn. 15. 37 Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 5; der Begriff wird im folgenden übernommen und soll auf die fehlende Verankerung in der Verfassung hinweisen.
C. Die Auflösung des Landtages
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Die daraus resultierenden Unklarheiten und Ungereimtheiten machen es erforderlich, sich über die Zulässigkeit wie auch über eventuelle Folgen einer solchen "nichtförmlichen Vertrauensfrage" Gedanken zu machen. Die Übernahme von Rechtsfolgen aus einer anderen Verfassung für ein Institut, daß die Niedersächsische Verfassung nicht ausdrücklich nennt, ist überaus problematisch. Dabei wird auch nicht genügend berücksichtigt, daß damit die geheime Abstimmung im Rahmen des Art. 23 NdsVerf. 39 umgangen werden kann. Denn eine nichtförmliche Vertrauensfrage könnte während der Wochen zwischen dem Antrag nach Art. 23 und der Abstimmung darüber "eingeschoben" werden. Über die Vertrauensfrage würde nach all gemeinen Regeln offen abgestimmt werden. Wird dem Ministerpräsident dann in offener Abstimmung das Vertrauen ausgesprochen, soll der Antrag nach Art. 23 NdsVerf. gegenstandslos werden. 4o Das bedeutet, daß keine Ministerpräsidentenwahl mehr stattfindet. Damit wird dem Gegenkandidaten die Möglichkeit genommen, in geheimer Wahl zum neuen Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Denn geheime Abstimmungen können durchaus andere Ergebnisse bringen als offene, so daß das Ergebnis des konstruktiven Mißtrauensvotums durch den vorherigen Vertrauensbeweis nicht präjudiziert ist. In Zweifelsfällen wird die Vertrauensfrage eher zu Gunsten des Ministerpräsidenten entschieden werden als ein Mißtrauensantrag; denn durch die offene Abstimmung können die Abgeordneten diszipliniert werden. Über die Frage der Zulässigkeit der nichtförmlichen Vertrauensfrage können eine Reihe weiterer Überlegungen angestellt werden: Von vornherein ausschließen läßt sich die Möglichkeit, die Zulässigkeit der Vertrauensfrage auf die grundsätzliche Überwachungsfunktion des Parlaments nach Art. 311 NdsVerf. zu stützen. Danach kann der Landtag im Prinzip alles unternehmen, um die Landesregierung zu kontrollieren. 41 Das kann aber gerade nicht bedeuten, daß ihm auch die Behandlung von Gegenständen aufgezwungen werden kann, wenn für ein solches Initiativrecht - hier der Regierung oder des Ministerpräsidenten - in der Verfassung keine Anhaltspunkte gegeben sind. Ein solches Kontrollrecht auf Betreiben eines Mitgliedes der Landesregierung kennt die Verfassung nur in Art. 31 111. Es ist daher angebracht, dem Kontrollrecht des Landtags eine negative Seite insofern abzugewinnen, als er auch darüber entscheidet, daß eine bestimmte Kontrollmaßnahme gegenüber der Regierung eben nicht stattfindet, es sei denn, die Verfassung oder aber wenigstens die Geschäftsordnung des Landtags treffen ausnahmsweise ausdrücklich eine andere Regelung. 42 38
Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 5 bezieht sich auf Troßmann, Parlamentsrecht,
§ 103 Rn. 13.
Dazu bereits oben B 12 a. Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 5. 4! Einschränkend dagegen Neumann, NdsVerf., Art. 3 Rn. 4, der im übrigen auch den Begriff der Kontrolle offenbar sehr eng faßt. 39
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Hiergegen kann nicht etwa angeführt werden, auch der - in der Verfassung ebenfalls nicht erwähnte - schlichte Mißbilligungsbeschluß gegen den Ministerpräsidenten oder die Regierung sei zulässig. 43 Denn es handelt sich bei der Vertrauensfrage um einen ganz anderen Fall: Der Antrag, die Mißbilligung auszusprechen, kommt aus der Mitte des Landtags, der damit von seiner allgemeinen, nicht abschließend bestimmten Kontrollkompetenz aus eigenem Antrieb Gebrauch macht. Außerdem kommen dem Mißbilligungsbeschluß gerade keine Rechtsfolgen zu; eine nichtförmliche Vertrauensfrage hingegen soll gerade die oben genannten Rechtsfolgen haben. Ein ausdrücklich erwähntes Recht des Ministerpräsidenten, die Vertrauensfrage zu stellen, wäre allein dann vielleicht überflüssig, wenn sich aus dem Bekenntnis zum parlamentarischen Regierungssystem schon die Zulässigkeit einer Vertrauensfrage zwingend ergäbe. Aber das kann nicht angenommen werden. Denn es mag zwar ein Idealbild des parlamentarischen Regierungssystems geben. Schon die Vielfalt seiner Ausprägungen in den Verfassungen der Bundesländer zeigt jedoch deutlich, daß jede Verfassung ihr eigenes Bild von dieser Form des Regierungssystems zeichnet. Die Vertrauensfrage und ihre Folgen sind, soweit überhaupt, jedenfalls nicht einheitlich geregelt. Schon daran sieht man, daß sie nicht in dem Sinne zum Kernbestand des parlamentarischen Regierungssystem gehören kann, wie die grundsätzliche Abhängigkeit der Regierung vom Parlament44 , die man als condicio sine qua non des parlamentarischen Regierungssystems bezeichnen kann. Zweifelhaft bleibt, wer berechtigt sein sollte, gegebenenfalls die "nichtförmliche" Vertrauensfrage zu stellen. Der Regierungschef, wie nach Art. 68 GG oder das Landesministerium als Kollegium, wie nach Art. 88 11 2 Saarl Verf.? Denkbar wäre auch, beide Möglichkeiten nebeneinander stehen zu lassen. Die Rechtsfolgen der nichtförmlichen Vertrauensfrage sind mangels Regelung in der Verfassung nicht zu benennen. Abgesehen von der - abzulehnenden - Konsequenz, daß ein konstruktives Mißtrauensvotum hinfällig werden soll, findet sich auch in der Literatur kein Hinweis dazu. 45 Das ist verständlich, denn jede postulierte Rechtsfolge wäre willkürlich. Denn auch aus dem Gesamtzusammenhang der Normen über die Regierung und das Parlament läßt sich kein Ergebnis herleiten, das nicht allein vom grundsätzlichen, ideologisch geprägten Verständnis des Interpreten in die Verfassung hineingelegt wird. 42 Vgl. auch Friedrich, JöR 30 (1981), 197 (212), der die Zulässigkeit der Vertrauensfrage mangels einer solchen Norm ohne nähere Erörterung verneint. 43 Dazu ausführlich oben B IH. 44 Ipsen, Verfassung, S. 293; Knies, JuS 1975, 420 (423). 45 Neumann, NdsVerf., Art. 23 Rn. 5.
C. Die Auflösung des Landtages
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Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Verfassung selbst keinen Hinweis auf die Zulässigkeit der Vertrauensfrage in irgendeiner Form enthält, vielmehr ihre Entstehungsgeschichte gegen ein solches Recht des Ministerpräsidenten angeführt werden kann. b) Kein Recht aus der Geschäftsordnung des Landtages
Wenn die Verfassung keine Möglichkeit für die nichtförmliche Vertrauensfrage eröffnet, bleibt allein, daß der Landtag in seiner Geschäftsordnung dem Ministerpräsidenten oder dem Landesministerium das Recht auf Stellen der Vertrauensfrage eingeräumt hat. Eine ausdrückliche Regelung findet sich jedoch auch in der Geschäftsordnung des Landtages nicht. Dennoch könnte es immerhin sein, daß die "nichtförmliche" Vertrauensfrage einen Antrag LS.v. § 38 GONdsLT darstellt und entsprechend behandelt werden muß. Hierfür spricht die - allerdings für die Verhältnisse im Bund - gewählte Formulierung, die Vertrauensfrage könne als schriftlicher oder mündlicher selbständiger Antrag gestellt werden 46 • Entsprechend bezeichnete die Geschäftsordnung des Bundestages vom 22. Mai 197047 in ihrem § 75 Abs. 2 die Vertrauensfrage ausdrücklich als Antrag. 48 Macht man sich diese Betrachtungsweise zu eigen, könnte die nichtförmliche Vertrauensfrage in Niedersachsen unter §§ 38ft. GONdsLT fallen. Die Tatbestandsmerkmale des § 38 GONdsLT sind so weit gefaßt, daß es leicht fällt, die "nichtförmliche" Vertrauensfrage jedenfalls einen "nicht besonders geregelten Beschluß" in dessen Sinn zu nennen. Ein Antrag an den Landtag, insoweit tätig zu werden, kann von der Landesregierung eingebracht werden. Damit wäre die angesprochene Problematik der Antragsberechtigung gelöst. Skepsis kommt jedoch auf, wenn man überlegt, daß nicht nur die Landesregierung, sondern auch die Fraktionen und eine gewisse Zahl von Abgeordneten solche Anträge nach § 38ft. GONdsLT stellen können. Das legt die Interpretation nahe, jedenfalls solche Vorschläge aus dem Anwendungsbereich der §§ 38ff. GONdsLT herauszunehmen, die nicht sinnvollerweise von den Fraktionen, also Teilen des Parlaments eingebracht werden können. Damit aber fielen auch "nichtförmliche" Vertrauensfragen, die allein von seiten der Regierung gestellt werden können, nicht mehr unter §§ 38 ft. GONdsLT. Weiter bleibt folgendes zu bedenken: Der Ablauf des Verfahrens bei einfachen Anträgen ist in § 39 GONdsLT festgelegt. Danach werden grundsätzlich zwei Beratungen im Plenum durchgeführt, dazwischen werden die Anträge an einen Ausschuß verwiesen. Das ist angemessen, wenn es gilt, den besonderen Verstand eines Ausschusses zu nutzen, Sach- und Fachfragen zu erörtern 46 47
48
Steiger, Grundlagen, S. 271. BGBI. I S. 628. Kritisch aber Troßmann, Pariamentsrecht, § 75 Rn. 3.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
und abzuwägen. Das gilt nicht bei der Frage nach dem Vertrauen des Landtags zum Landesministerium oder dem Ministerpräsidenten. Die §§ 38ff. GONdsLT sind also für solche Gegenstände geschaffen, die einer sachlichfachlichen Vorbereitung bedürfen, nicht für die Behandlung einer Vertrauensfrage. 49 Diese ist allein im Plenum, vielleicht noch in den Fraktionen sinnvoll zu erörtern. Im Plenum sollte sie, wie das auch nach den Verfassungen mit "förmlicher" Vertrauensfrage getan wird, zwar beraten werden, aber nur einmal, nicht mehrfach. Diese Betrachtung wird von der Überlegung gestützt, daß die Geschäftsordnung solche Verfahren, die in einem sachlichen Zusammenhang mit Vertrauensfragen stehen, in einem ganz anderen Abschnitt als die genannten Anträge, nämlich in §§ 41ff. GONdsLT, behandelt. Dort sind Gegenstände geregelt, die ummittelbar mit der Vertrauensbeziehung zwischen Regierung und Parlament zu tun haben, also Wahl und Abwahl der Regierung sowie - in einem weiteren Sinne - die Parlamentsauflösung. In diesen Abschnitt hätte auch die Vertrauensfrage gehört, wenn sie vorgesehen sein sollte. In § 43 GONdsLT ist auch von einer einmaligen, nämlich der Beratung die Rede, wie sie der nichtförmlichen Vertrauensfrage angemessen wäre. Auch aus der Geschäftsordnung läßt sich also nichts für die Zulässigkeit einer nichtförmlichen Vertrauensfrage gewinnen. c) Ergebnis
Da somit weder in der Verfassung noch in der Geschäftsordnung des Landtags Hinweise auf die Zulässigkeit einer nichtförmlichen Vertrauensfrage zu finden sind, ist sie, da Rechte der Regierung im Landtag jedenfalls ausdrücklich aufzunehmen wären, unzulässig. Weder Landesministerium noch Ministerpräsident sind berechtigt, sie als Mittel der Auseinandersetzung zu benutzen.
D. Der ständige Ausschuß nach Art. 12 Die Wahlperioden des Niedersächsischen Landtags gehen nicht wie z. B. die des Bundestages! oder des Berliner Abgeordnetenhauses,2 nahtlos ineinander über. 3 Vielmehr entsteht nach jeder Wahlperiode eine gewisse Zeit ohne 49 Das wurde auch im oben angesprochenen § 75 GOBT v. 1970 deutlich, der die Behandlung von Vertrauensfragen ausdrücklich aus seinem Anwendungsbereich herausnahm. ! Seit der Grundgesetzänderung vom 23. 8. 76 (BGBI. I S. 2381). 2 In Berlin wurde der ständige Ausschuß 1981 abgeschafft (GVBI. S. 346), weil sich Probleme mit der nachträglichen Übernahme von Bundesgesetzen ergeben hatte; dazu Mag~n, in: Pfennig / Neumann, BerlVerf. (2. Aufl.), Art. 39 Rn. 8; zur Rechtslage vor der Anderung ders., ebd. (1. Aufl.), Art. 39 Rn. 9.
D. Der ständige Ausschuß nach Art. 12
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Landtag. Während dieser, meist recht kurz gehaltenen Frist zwischen dem Ende der alten Wahlperiode und dem Zusammentritt des neuen Landtags nimmt, wie es schon länger üblich ist,4 ein vom alten Parlament eingesetzter Ausschuß die Rechte des Landtags gegenüber der Regierung in einem gewissen Umfang wahr. Dieser Ausschuß, den einzusetzen der Niedersächsische Landtag verpflichtet ist,S soll ein Spiegelbild des Parlaments sein. 6 Derzeit besteht er in Niedersachsen aus 15 stimmberechtigten Mitgliedern sowie dem Präsidenten und den Vizepräsidenten des Landtags, die beratende Stimme haben.? Seine Besetzung erfolgt durch die Fraktionen, denen nach dem Höchstzahlverfahren eine bestimmte Zahl an Sitzen zusteht. Dieser Ausschuß wird in Niedersachsen ständiger Ausschuß8 oder aber Ausschuß nach Art. 12 NdsVerf. 9 genannt, in anderen Ländern heißt er Haupt lO- oder Zwischenausschußll. Die Zuständigkeiten der genannten Ausschüsse in den Bundesländern weichen - unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung - nur geringfügig voneinander ab, soweit ihre Aufgaben zwischen den Legislaturperioden betroffen ist,12 Der ständige Ausschuß hat nach niedersächsischem Verfassungsrecht jedoch auch während der laufenden Legislaturperiode bestimmte Aufgaben für den Fall, daß der Landtag sich nicht versammeln kann. Er wird dann im Rahmen des Notverordnungsrechts nach Art. 35 NdsVerf. tätig. Danach kann die Regierung in bestimmten Fällen Notverordnungen erlassen, die dann der Zustimmung des ständigen Ausschusses bedürfen, der quasi als Notparlament tätig wird. Dieses Betätigungsfeld des ständigen Ausschusses, das noch nicht akut geworden ist, gehört nicht unmittelbar zum Rahmen dieser Arbeit und wird deshalb im folgenden lediglich gestreift werden.
3 Art. 39 I 2 GG; Art. 39 V 1 BerlVerf.; auch Art. 67 12 SaarlVerf.; Art. 13 I 2 SHVerf. 4 Dazu ausführlich Klemm, Zwischenausschuß, S. 53ff.; Sandtner, in: Parlamentsauflösung, 63 ff. 5 Neumann, NdsVerf., Art. 12 Rn. 2; Schweiger, in: Nawiasky I Leusser, BayVerf. Art. 26 Rn. 3. 6 Abg. Böhme (SPD) u. Abg. Böhm (F.D.P.), Materialien I, S. 623. 7 § 13 I GONdsLT. 8 Ebenso Art. 36 BWVerf. 9 So § 13 GONdsLT. 10 Art. 93 HessVerf.; Art. 40 NWVerf. 11 Art. 26 BayVerf.; Art. 92 RhPNerf. 12 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Hamburger Verfassung keinen solchen Ausschuß kennt; vielmehr führt nach Art. 12 II HbgVerf. die gesamte Bürgerschaft nach Ablauf der vierjährigen Wahlperiode die Geschäfte weiter, bis die neue erstmals zusammentritt.
14 Busse
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3. Teil: Das Ende der Regierung
I. Der ständige Ausschuß in parlamentsloser Zeit Allgemein ausgedrückt soll der ständige Ausschuß während der Zeit zwischen den Wahlperioden die Rechte des Landtags gegenüber der Landesregierung wahren. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, bedürfen seine Mitglieder eines besonderen Schutzes. Daher ist die Stellung der Mitglieder des ständigen Ausschusses auch zwischen den Legislaturperioden der Stellung von Abgeordneten angeglichen: Sie genießen nach Art. 18 NdsVerf. Immunität und Indemnität sowie das Zeugnisverweigerungsrecht der Abgeordneten. Weiter dürfen sie wegen der Mitgliedschaft im ständigen Ausschuß nicht aus einem Arbeitsvertrag entlassen werden, und es steht ihnen eine angemessene Entschädigung zu. Gleiches gilt auch für die ersten Stellvertreter der Ausschußmitglieder , wodurch die Funktions- und Beschlußfähigkeit des Ausschusses auch für den Fall der Verhinderung einzelner Mitglieder gesichert wird. Die allgemeine Umschreibung des Art. 12 I NdsVerf., nach der der ständige Ausschuß - als selbständiges Verfassungsorgan 13 - die Rechte des Landtages gegenüber der Landesregierung zu wahren hat, bedarf der Konkretisierung. Dabei ist zu bedenken, daß die Regierung auch in parlamentsloser Zeit zu überwachen 14 und die Handlungsfähigkeit des Parlaments zu sichern ist.l 5 Jedenfalls ein Teil der Rechte des Ausschusses ist in Art. 12 NdsVerf. ausdrücklich aufgeführt: Danach stehen ihm die Befugnisse eines Untersuchungsausschusses zu, damit auch das Zitier- und Fragerecht aus Art. 10 NdsVerf.,16 das jedem Ausschuß gebührt und Mindestvoraussetzung jeder Kontrolle ist; denn dieses Recht eröffnet die Möglichkeit, sich zu informieren. Und ohne Information ist Kontrolle unmöglich. Dazu kommt das Recht aus Art. 15, wonach der ständige Ausschuß über die Immunität seiner Mitglieder sowie deren ersten Stellvertreter und des Präsidiums des Landtages wacht. Schwierigkeiten treten auf, wenn man versucht, noch andere Befugnisse des ständigen Ausschusses während der landtaglosen Zeit zu finden. Denn nach Art. 12 III sind "weitergehende Befugnisse" ausgeschlossen. Hier ergeben sich insofern Auslegungsschwierigkeiten, als in Art. 12 I 2 davon die Rede ist, der ständige Ausschuß habe auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses, 13 So die ganz h.M.: Neumann, NdsVerf., Art. 12 Rn. 2; Schweiger, in: Nawiasky I Leusser, BayVerf., Art. 26 Rn. 2; Rupp-v. Brünneck, in: Zinn I Stein, HessVerf., Art. 93 Anm.2 a; Braun, BWVerf., Art. 36 Rn.3f. m.w.N; a.A. Versteyl, in: v. Münch, GGK 11 (1. Aufl.), Art. 45 Rn. 5; Frost, AöR 95 (1970),38 (55); zum ganzen Sandtner, in: Parlamentsauflösung, 63 (69ff.). 14 BayVerfGHE 35, 105 (114f.); Versteyl, in: v. Münch, GGK 11 (1. Aufl.), Art. 45 Rn. 1. 15 Rebe, in: Korte I Rebe, Verfassung, S. 214. 16 Neumann, NdsVerf., Art. 12 Rn. 3; Braun, BWVerf., Art. 36 Rn. 6; Süsterhenn I Schäfer, RhPfVerf., Art. 92 Anm. 3.
D. Der ständige Ausschuß nach Art. 12
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was weitere, nicht ausdrücklich genannte Rechte unterstellt. Diesen Widerspruch zwischen den genannten Absätzen gilt es zu lösen. Dabei ist zu beachten, daß der ständige Ausschuß die Rechte des Landtags lediglich "wahren" soll; er soll also kontrollieren ohne zu gestalten. Eine negative Kompetenzliste findet sich in Art. 12 III NdsVerf. Danach sind die Gesetzgebung, die Wahl des Ministerpräsidenten (damit auch das konstruktive Mißtrauensvotum nach Art. 23) sowie die Anklageerhebung gegen Abgeordnete oder Regierungsmitglieder dem ständigen Ausschuß eindeutig versagt. Diese Aufzählung kann als Ausgangspunkt der Betrachtung gesehen werden, will man die übrigen Rechte des ständigen Ausschusses zwischen zwei Wahlperioden bestimmen. Sie macht nämlich durch den Gebrauch des Wortes "insbesondere" deutlich, daß Entscheidungen von ähnlicher Bedeutung wie die genannten Beispiele vom ständigen Ausschuß nicht getroffen werden dürfen 17 • Geht man weiter davon aus, daß die Rechte des Untersuchungsausschusses deshalb ausdrücklich genannt werden, weil sie über die eigentlich gemeinten hinausgehen, was durch das "auch" in Art. 12 I 1 gestützt wird, so bietet sich als Abgrenzung wiederum an, nach dem Gewicht einer Handlung des ständigen Ausschusses zu fragen. Ist dieses geringer als die möglichen Handlungen eines Untersuchungsausschusses, so sollen sie zulässig sein, andernfalls unzulässig. Damit sind selbstverständlich Beratungen, Anfragen usw. zulässig. Auch Petitionen können behandelt werden. IB Alle diese Vorgänge fallen bereits unter den Begriff der "laufenden parlamentarischen Kontrolle".19 Im einzelnen kann man folgendes festhalten: Es ist dem ständigen Ausschuß verwehrt, Gesetze auch nur zu beraten, da eine Entscheidung nicht zulässig ist, also kein Handlungsspielraum besteht. Die Gesetzgebungs- und Beratungskompetenz steht allein dem neuen Landtag zu, was auch dem Grundsatz der Diskontinuität entspricht. Jede gesetzgeberische Tätigkeit ist dem ständigen Ausschuß untersagt. Ebenso sind ihm alle Akte verboten, die über bloße Äußerungen hinausgehen und unmittelbare Rechtswirkungen entfalten oder gar den Bestand der Regierung betreffen. Somit ist nicht nur die Wahl eines Ministerpräsidenten, sondern auch die Zustimmung zur Berufung oder Entlassung eines Ministers nicht zulässig. Hierzu besteht in aller Regel auch gar kein Bedürfnis, da die Neumann, NdsVerf., Art. 12 Rn. 3. Rupp-v. Brünneck, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 93 Anm. 2 b; Schweiger, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Art. 26 Rn. 4; Neumann, NdsVerf., Art. 12 Rn. 3 m.w.N.; hier sehen Süsterhenn / Schäfer, RhPfVerf., Art. 92 Anm. 3 den Haupttätigkeitsbereich des ständigen Ausschusses. 19 Diesen verwendet Rupp-v. Brünneck, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 93 Anm. 2 b als Abgrenzungsmerkmal. 17 18
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Regierung ohnehin demnächst, nämlich nach dem Zusammentritt des neuen Landtags, zurücktritt. Mit einer Ministerentlassung kann gewartet werden, vor allem, da eine Bestätigung durch den ständigen Ausschuß es ermöglichen würde, die Geschäftsführungspflicht nach Art. 24 IV NdsVerf. zu umgehen: Der ständige Ausschuß könnte zwischen den Legislaturperioden der Entlassung eines Ministers nach Art. 20 IV zustimmen. Dann könnte - nach der gängigen, angreifbaren Praxis sogar ohne erneute Zustimmung nach Art. 20 IV NdsVerf. 2o - ein anderer, bereits amtierender Minister das Ressort übernehmen. Damit bräuchte der entlassene Minister nicht, wie nach einem Rücktritt gemäß Art. 24 IV NdsVerf. erforderlich, die Geschäfte weiterzuführen, wenn vorerst keine neue Regierung gebildet werden kann, sondern sich der Landtag gemäß Art. 21 I NdsVerf. auflöst. Diese Möglichkeit, die Geschäftsführungspflicht zu umgehen, wird ausgeschlossen, wenn der ständige Ausschuß die Kompetenz des Landtags nach Art. 20 IV NdsVerf. nicht ausüben darf. Der ständige Ausschuß kann auch nicht die Entlastung der Landesregierung nach Art. 53 I 1 NdsVerf. aussprechen21 • Denn damit wird der kommende Landtag gebunden und zwar in einem der ursprünglichen Zuständigkeitsbereiche des Parlaments, dem Haushaltswesen. Die Entlastung ist dem Landtag vorzubehalten, zum al die mit dem Warten auf den neuen Landtag verbundene Verzögerung kaum ins Gewicht fällt. Dagegen kann man dem ständigen Ausschuß nicht die Kompetenz absprechen, der Regierung, einem Minister oder dem Ministerpräsidenten seine Mißbilligung auszusprechen. An eine solche Mißbilligung sind keine verfassungsrechtlichen, sondern lediglich politische Folgen geknüpft. Damit fehlt den Beschlüssen die Endgültigkeit, welche z. B. der Zustimmung nach Art. 20 IV oder der Ministerpräsidentenwahl zukommt. Vielmehr kann sich gerade in Zeiten ohne Landtag einmal das Erfordernis der Mißbilligung ergeben, wenn die Regierung meint, sie könne die landtagslose Zeit nutzen, um bestimmte Vorhaben schnell und ohne nennenswerten Widerstand zu erledigen. Diese Gefahr besteht natürlich in besonderem Maße dann, wenn die Regierung wahrscheinlich oder gar mit einer gewissen Sicherheit nicht wiedergewählt werden wird, nachdem sich der neue Landtag konstituiert hat. Die Ergebnisse stimmen mit der oben gefundenen Wertung, daß der ständige Ausschuß jedenfalls nicht mehr Rechte haben kann als ein Untersuchungsausschuß, überein. Denn auch der Untersuchungsausschuß kann letztlich keine rechtlich verbindlichen Ergebnisse mit Rechtsfolgen festlegen. Er untersucht einen Tatbestand und bewertet ihn in seinem Bericht. Die Konsequenzen aus diesem Bericht muß stets der Landtag selbst ziehen.
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Zu ihr oben im 2. Teil unter F sowie im 1. Teil unter B II 2. Wie aber Neumann, NdsVerf., Art. 12 Rn. 3 meint.
E. Die geschäftsführende Regierung
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Zusammenfassend kann man sagen, daß sich aus der Aufgabe des ständigen Ausschusses, anstelle des Landtags die Regierung während der parlamentslosen Zeit zu kontrollieren, seine Kompetenzen, aber auch deren Grenzen ergeben. In erster Linie ist der Landtag berufen, diese Kontrollaufgabe zu erfüllen. Daher dürfen ihm durch den ständigen Ausschuß keine Entscheidungen vorenthalten werden. Durch den ständigen Ausschuß dürfen seine Kompetenzen nicht vermindert werden. Der ständige Ausschuß soll die Bewahrung und Erhaltung der Rechte des Landtags garantieren, nicht durch eigene Ausübung beschneiden. Daher ist darauf zu achten, daß der Landtag nicht in der Zeit zwischen den Legislaturperioden an Wirkung und eigenständigen Aufgaben verliert. 22 Der ständige Ausschuß soll diese Rechte wahren, erhalten und fördern, nicht aber durch unwiderrufliche Entscheidungen vorwegnehmen.
11. Der ständige Ausschuß während der Legislaturperiode Die soeben festgestellte, grundsätzlich untergeordnete Rolle des ständigen Ausschusses kommt auch darin zu Ausdruck, daß ihm nur in einem, ausdrücklich in der Verfassung genannten Fa1l 23 weitere Kompetenzen zukommen, wenn nämlich der Landtag durch höhere Gewalt verhindert ist, sich zu versammeln. Dann - und nur in dieser bestimmten Situation - sind nach Art. 12 II i.V.m. Art. 35 bestimmte Verordnungen des Landesministeriums zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Beseitigung eines Notstandes von der Zustimmung des ständigen Ausschusses abhängig. Allein in dieser Ausnahmesituation kommt dem ständigen Ausschuß eine gewisse legislative Funktion zu. Dann soll er soll ausnahmsweise die Aufgabe des Parlamentes übernehmen, um einem Mißbrauch durch die Landesregierung vorzubeugen. Insoweit kommt wiederum die den Ausschuß bestimmende Kontrollfunktion zum Ausdruck. Daneben wird deutlich, daß der Landtag den Ausschuß nach Art. 12 nicht erst gegen Ende der Wahlperiode wählen darf, sondern bereits zu Beginn, um immer der Möglichkeit des Notverordnungsrechts Rechnung tragen zu können.
E. Die geschäftsführende Regierung Die Niedersächsische Verfassung sieht in ihrem Art. 24 I vor, daß der Ministerpräsident und die Minister jederzeit zurücktreten können. Sobald ein neugewählter Landtag zusammentritt, muß der Ministerpräsident nach Art. 24 II NdsVerf. sogar zurücktreten, was gemäß Art. 24 III NdsVerf. den Rücktritt 22 23
Vgl. dazu allgemein Klemm, Zwischenausschuß, S. 97f. m.w.N. Art. 12 II i.V.m. Art. 35.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
der gesamten Landesregierung zur Folge hat. Der Rücktritt des Ministerpräsidenten - sei er freiwillig oder aus verfassungs rechtlichem Zwang geschehen führt dazu, daß eine neue Regierung gebildet werden muß. Scheitert die Neubildung, weil sich keine Mehrheit für einen Ministerpräsidenten oder die Bestätigung der Regierung findet, so muß der Landtag über seine Auflösung entscheiden.! Beschließt er gemäß Art. 21 I 1 seine Auflösung, so kann die Zeit ohne Regierung eine Weile andauern. Denn der Landtag hatte 21 Tage lang die Gelegenheit, eine neue Regierung zu bestätigen und mußte dann erst nach bis zu 14 weiteren Tagen über seine Auflösung beschließen. Lehnt er die Auflösung ab, so hat er sich damit entschlossen, eine Minderheitsregierung zu bilden, was dann unverzüglich zu geschehen hat. Löst er sich hingegen auf, so wird dieser Beschluß gemäß Art. 6 I 3 NdsVerf. erst nach 60 Tagen wirksam. 2 Darauf folgt dann die Landtagswahl und die Konstituierung des neuen Landtages, was auch noch eine Weile in Anspruch nehmen wird. Erst dann, also nach mindestens knapp drei Monaten - wird der erneute Versuch einer Regierungsbildung unternommen. Für die gesamte Zeit gibt es keine amtierende Regierung, denn die alte ist ja zurückgetreten. Um eine regierungslose Zeit zu verhindern,3 in der die Exekutive ganz ohne Führung dastünde und um die Weiterführung der Regierungsgeschäfte zu gewährleisten, ist die alte Regierung verpflichtet, nach ihrem Rücktritt die Geschäfte weiterzuführen. Auch nach einem erfolgreichen konstruktiven Mißtrauensvotum kann es für längere Zeit zu einer solchen Geschäftsregierung kommen. Das ist allerdings nur in dem als Ausnahmesituation anzusehenden Fall denkbar, in dem in geheimer Wahl ein neuer Ministerpräsident gewählt wird, der alte Ministerpräsident gemäß Art. 2411, 23 NdsVerf. zurücktritt und dann die neu zu bildende Regierung in offener Abstimmung nicht bestätigt wird. 4 Damit ist zwar grundsätzlich die Möglichkeit gegeben, daß über längere Zeit "nur" eine geschäftsführende Regierung amtiert, weshalb die im Zusammenhang mit ihr auftretenden Fragen durchaus nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Aus dem Zusammenspiel der Normen, insbesondere aber aus Art. 21 der Verfassung wird dennoch deutlich, daß die geschäftsführende Regierung eine Ausnahme bleiben solLS Wenn es nicht möglich ist, eine Mehrheitsregierung zu bilden, soll notfalls eine Minderheitsregierung ins Amt 1 Das Verfahren der Regierungsbildung ist im ersten Teil der Arbeit ausführlich beschrieben. Darauf kann hier verwiesen werden. 2 Insoweit gilt Art. 6 I 3 NdsVerf.; auch diesbezüglich wird auf die Ausführungen oben im 1. Teil unter D II 2 verwiesen. 3 Busch, DVBI. 1987, 1255 (1257); Lutz, Geschäftsregierung, S. 9; Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 7; Hedergott, Niedersachsen, S. 5; Groß, DÖV 1982, 1008 (1009). 4 Dazu oben unter B I2 b bb. 5 Hofmeister, in: Porträt, S. 43 (46).
E. Die geschäftsführende Regierung
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gebracht werden. Das hat auch einen guten Sinn: Denn eine neu gewählte Minderheitsregierung hat die aktuelle relative Mehrheit des Landtages hinter sich. Keine andere denkbare Regierung wäre im Zeitpunkt, da die Minderheitsregierung ins Amt gelangt, besser legitimiert. Eine Geschäftsregierung, die in dieser Situation auch nur eine Minderheitsregierung ist, bezieht ihre parlamentarische Legitimation hingegen aus der Vergangenheit. Sie hat die Mehrheit, die sie einmal stützte, verloren. Ob zumindest die relative Mehrheit des Landtags noeh hinter ihr steht, ist ungewiß; das zeigt sich erst bei der Wahl der neuen Regierung. Anders ist die Beurteilung der verfassungrechtlichen Lage beispielsweise in Baden-Württemberg, wo nach Art. 46,47 der Verfassung nur eine Mehrheitsregierung neu ins Amt kommen kann, niemals eine Regierung, die nur eine Minderheit der Abgeordneten hinter sich hat. Damit ist gemäß Art. 5511,111 BWVerf., der mit dem Zusammentritt eines neuen Landtages die Amtszeit der Regierung beendet und die alte Regierung verpflichtet, die Geschäfte weiterzuführen, die Möglichkeit einer lang andauernden Phase der geschäftsführenden Regierung von der Verfassung in Kauf genommen. Ähnlich ist die Rechtslage nach Art. 113 11, III HessVerf.,6 der schon bedeutsame praktische Anwendung fand: Eine Hessische Landesregierung führte über mehrere Jahre nur die Geschäfte, ohne vom Vertrauen des Landtags getragen zu sein. Neben den Rücktritt des Ministerpräsidenten stellt die Niedersächsische Verfassung in Art. 24111 sein Ausscheiden. Beide Fälle der Amtserledigung sind also voneinander zu trennen. Da auch das Ausscheiden des Ministerpräsidenten den (fingierten) Rücktritt der Landesregierung zur Folge hat, wird auf die Folgen dieser Differenzierung einzugehen sein. Ist diese personelle Frage geklärt, gilt es, sich den Rechten und Pflichten einer Geschäftsregierung zuzuwenden. Und schließlich wirkt die in Art. 24 IV ausgesprochene grundsätzliche Verpflichtung zur Weiterführung der Geschäfte auch für jeden Minister. Die Erörterung dieses Aspektes bildet den Abschluß der Ausführungen über die Geschäftsregierung.
I. Rücktritt und Ausscheiden des Ministerpräsidenten Vor einem Eintritt in die Untersuchung über die Befugnisse und Aufgaben der Geschäftsregierung stellt sich die Frage nach ihrem personellen Bestand. Diesbezüglich bestehen keine Zweifel, wenn der Ministerpräsident zurücktritt. Dann sind er und die Minister als gesamte, zurückgetretene Landesregierung zur geschäftsführenden Regierung geworden. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Zusammenspiel von Art. 24 Abs. 3 und 4 NdsVerf. Danach ist der 6
Ausführlich dazu Groß, DÖV 1982, 1008ff.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Ministerpräsident im Falle seines Rücktritts verpflichtet, die Geschäfte weiterzuführen, und die Landesregierung gilt insgesamt als zurückgetreten, führt also die Geschäfte weiter. Art. 24 III NdsVerf. stellt dem Rücktritt des Ministerpräsidenten sein Ausscheiden gegenüber. Das legt den Gedanken nahe, daß er im Falle des vom Rücktritt zu unterscheidenden Ausscheidens gerade nicht verpflichtet ist, die Geschäfte weiterzuführen. Schon der Wortlaut stützt diese Annahme; denn das Ausscheiden setzt den sofortigen, endgültigen Verlust der Mitgliedschaft voraus, der bei einer Geschäftsführungspflicht gerade nicht gegeben ist. Die Fälle des Ausscheidens bestätigen diese Auslegung: So fällt der Tod des Ministerpräsidenten7 unter den Begriff des Ausscheidens in Art. 24 III NdsVerf. Daß ein verstorbener Ministerpräsident die Geschäfte nicht weiterführen kann, liegt auf der Hand. Ein anderer Fall des "Ausscheidens" ist der Amtsverlust durch ein Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes nach Art. 31 II 1 NdsVerf.8 Auch in diesem Fall kann es nicht sein, daß der Ministerpräsident die Geschäfte der Regierung weiterführt. 9 Immerhin hat der Staatsgerichtshof den Ministerpräsidenten eines Gesetz- oder Verfassungsverstoßes für schuldig befunden und sein Ermessen dahin ausgeübt, ihn des Amtes für verlustig zu erklären. In solch einem Fall kann der Ministerpräsident nicht einmal die Geschäfte weiterführen,lO ohne daß hierdurch das Urteil des Staatsgerichtshofes ad absurdum geführt und dem Staatswohl Schaden zugefügt würde. Scheidet der Ministerpräsident auf diese Weise aus dem Amt, so ist es konsequent, die Minister, die er berufen hat, als zurückgetreten anzusehen, wie Art. 24 III NdsVerf. vorsieht. Sie müssen allerdings für die Zeit der Geschäftsführung ohne den Ministerpräsidenten auskommen. Es liegt am Landtag, diesen Zustand baldmöglichst durch Wahl eines neuen Ministerpräsidenten zu beenden. Ein weiterer Fall des Ausscheidens ist gegeben, wenn der Ministerpräsident das passive Wahlrecht verliert. Auch hier ist - wie bei einem Amtsverlust nach 7 Ein Beispiel aus der nds. Geschichte bildet insoweit der Tod des Ministerpräsidenten Kopf (SPD), vgl. NdsLT, Tätigkeitsbericht IV, S. 7f.; der verfassungsrechtlichen Lage wurde in den Stenographischen Berichten über die Sitzungen des Landtages nicht genügend Rechnung getragen, da auf der Ministerbank nicht, wie in NdsLT, StenBer. IV/54 zu lesen steht, die Minister, sondern die geschäftsführenden Minister saßen. Richtig daher NdsLT, StenBer. VIII/32, VIIU33, VIII/34 nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Kubel (SPD); a.A. für Bayern: Meder, BayVerf., Art. 44 Rn. 3; Köhler, BayVBI. 1983, 168 (172): danach soll das Amtsverhältnis der Minister nicht erlöschen, der stellvertretende Ministerpräsident die Geschäfte des Ministerpräsidenten wahrnehmen; wie hier Schweiger, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Art. 43 Rn. 7, Art. 44 Rn. 6f.; Knies, JuS 1975, 420 (426 Fn. 60). 8 Knies, JuS 1975, 420 (425 Fn. 60). 9 So auch Herkner, Stellung, S. 60. 10 So allgemein auch Groß, DÖV 1982, 1008 (1013).
E. Die geschäftsführende Regierung
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Art. 31 11 1 NdsVerf. - unmittelbar einleuchtend, daß der Ministerpräsident die Geschäfte nicht weiterführen darf. Auch der geschäftsführende Ministerpräsident bekleidet ein öffentliches Amt. Wer nicht gewählt werden dürfte,ll kann auch nicht die Geschäfte führen. Der Schaden durch seine Geschäftsführung wäre größer als der Nutzen, den eine weitere Geschäftsführung durch den alten Amtsinhaber zu bieten vermag. Dem trägt Art. 24 NdsVerf. Rechnung. Damit bleibt festzuhalten, daß ein Ministerpräsident, der nicht zurücktritt, sondern auf andere Weise aus dem Amt ausscheidet, nicht verpflichtet ist, die Geschäfte weiterzuführen. Vielmehr gilt diese Verpflichtung dann nur für die übrige Landesregierung, die mit dem Ausscheiden des Ministerpräsidenten als zurückgetreten betrachtet wird.
11. Die Pflicht zur Weiterführung der Geschäfte Der Wortlaut des Art. 24 IV NdsVerf. läßt keinen Zweifel daran, daß sich die Regierungsmitglieder grundsätzlich nicht weigern dürfen, die Geschäfte weiterzuführen, bis die nachfolgende Regierung im Amt ist. Die Entstehungsgeschichte des Artikels untermauert das zusätzlich. Hieß es nämlich in Art. 22 11 des Regierungsentwurfs 12 nur, daß die Geschäfte weitergeführt werden, so wurde die Verpflichtung auf Initiative des Redaktionsausschusses des Verfassungsausschusses 13 expressis verbis eingefügt. 14 Zwar kann man in den Materialien beider Ausschüsse nichts über die Motivation für die Änderung erfahren - denn schon nach dem Regierungsentwurf sollte eine Pflicht zur Weiterführung bestehen 15 - doch liegt der Sinn der ausdrücklichen Betonung einer Verpflichtung auf der Hand. Ihre Rechtfertigung findet sich darin, daß man zwar nicht gezwungen werden kann, ein öffentliches Amt zu übernehmen; hat man sich aber dafür entschieden, muß man es konsequent fortführen, um eine Vakanz zu verhindern. 16 Jeder Minister kannte diese mögliche Folge bei der Amtsübernahme, und hat sie grundsätzlich in Kauf genommen,'7 um Kontinuität in der Regierungsarbeit zu sichern 18 und regierungslose Zeiten zu verhindern. Dazu im 1. Teil unter A IV. NdsLT, Drucks. 1/2073. 13 Materialien 11, Vorlage 22, Art. 22 IV. 14 Materialien I, S. 577, 640. 15 Referentenbegründung, Materialien 11, S. 9. 16 v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 69 Anm. V 4, S. 1322. 17 Münch, Bundesregierung, S. 19lf.; Weis, Regierungswechsel, S. 168; Liesegang, in: v. Münch, GGK 11, Art. 69 Rn. 16; etwas anders Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 16. 18 Referentenbegründung, Materialien 11, S. 9; Stern, Staatsrecht 11, § 31 111 4, S.297. 11
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Damit stellt sich nur noch die Frage, ob Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Pflicht zulässig sind, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Dabei kann die Frage allgemein für alle deutschen Verfassungen beantwortet werden, weil sich die entsprechenden Regeln im wesentlichen gleichen.1 9 Die Verfassungen fordern die Weiterführung der Geschäfte, zum Teil nach einem entsprechenden Verlangen oder Ersuchen. 20 Hingewiesen sei auch auf die - 1979 eingefügte 21 - Regelung des Art. 87 Abs. 5 Satz 2 SaarIVerf.,22 die es dem Ministerpräsidenten erlaubt, einzelne Regierungsmitglieder von der Geschäftsführungspflicht zu entbinden. Den Ministerpräsidenten selbst kann der Landtagspräsident von der Geschäftsführungspflicht entbinden, so daß auf die Einzelfälle und die politische Gesamtsituation besonders gut reagiert werden kann und Konflikte vermieden werden. 23 Auf die Verpflichtung zur Geschäftsführung und mögliche Ausnahmen haben diese Einzelheiten keinen Einfluß, sofern nur die Voraussetzungen für eine Geschäftsregierung vorliegen. Es wird lediglich einem anderen Staatsorgan die Möglichkeit der Mitsprache und Entscheidung über die Geschäftsführung eingeräumt. Zur Frage, ob und wann ein Regierungsmitglied ausnahmsweise nicht verpflichtet ist, die Geschäfte nach dem Rücktritt weiterzuführen, werden zwei Ansichten vertreten. Die eine nimmt an, daß die Regierungsmitglieder stets verpflichtet sind,24 die andere läßt eine Ausnahme von der Geschaftsführungspflicht dann zu, wenn es dem Betreffenden unzumutbar ist,25 die Geschäfte weiterzuführen. Dieses Problem wird in Niedersachsen vor allem praktisch werden, wenn ausnahmsweise doch über längere Zeit eine geschäftsführende Regierung besteht. Etwaige Ausnahmetatbestände sind angesichts des Art. 24 IV NdsVerf. und dessen Eindeutigkeit nur sehr begrenzt zuzulassen, jedoch immerhin nicht auszuschließen. Denn es sind ja auch Fälle denkbar, in denen von vornherein eine weitere Geschäftsführung nicht in Betracht kommt; so wenn ein Regierungsmitglied stirbt oder gern. Art. 31 11 1 sein Amt verliert.26 Als Beispiel einer weiteren Ausnahme sei eine schwere Krankheit genannt, die das Leben 19 Art. 55 III BWVerf.; Art. 44 III 2 BerlVerf.; Art. 107 III BremVerf; Art. 113 III HessVerf.; Art. 62 III NWVerf.; Art. 99 IV RhPfVerf.; Art. 87 V 1 SaarlVerf.; Art. 27 II 1 SHVerf.; Art. 69 III GG. 20 Z.B. Art. 69 III GG. 21 SaarI. ABI. 1979 S. 650ff. 22 Zu den Problemen, die dann zur Verfassungsänderung 1979 geführt haben, Knies, JuS 1975, 420ff.; Krause, DöV 1975, 401ff. 23 Krause, JöR 29 (1980), 393 (456). 24 Neu'!lann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 7; Arndt / Schweitzer, JuS 1974, 622 (623, 624); Groß, DOV 1982, 1008 (1011); Oldiges, DVBI. 1975,79 (84). 25 Herzog in: Maunz / Dürig, GG, Art. 69 Rn. 55; Lutz, Geschäftsregierung, S. 37 m.w.N.; Nawiasky, Grundgedanken, S. 98, 110; Jarass / Pieroth, GG, Art. 69 Rn. 5; Nierhaus, JR 1975, 265 (267); ausführlich Weis, Regierungswechsel, S. 173. 26 Dazu bereits soeben unter 1.
E. Die geschäftsführende Regierung
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des Ministers bedroht: Es ist mit dem Gedanken, jemand, der ein öffentliches Amt freiwillig übernommen habe, könne auch darin festgehalten werden, wenn eine Beendigung nicht möglich ist, nicht mehr vereinbar, sein Leben zu gefährden. Damit ist zugleich angedeutet, daß die Gründe, die es erlauben, eine Weiterführung der Geschäfte zu vermeiden, von besonders hoher Bedeutung sein müssen. Die Berufung auf Nachteile finanzieller Art, z. B. weil ein geschäftsführender Minister eine lukrative Stellung in der Industrie ablehnen muß, ist hingegen unzulässig. Dagegen kann man nicht anführen - auch wenn der Gedanke naheliegt -, daß in aller Regel die Phase der geschäftsführenden Regierung nur wenige Wochen umfasse, es also nicht so wichtig sei, wenn ein Ministerium einige Wochen ohne Minister dastehe. Das ginge zum einen ohne Not am ausdrücklichen Text der Verfassung vorbei und vernachlässigte zum anderen die Möglichkeit einer längeren Phase der Geschäftsregierung 27 • Insgesamt ist es jedoch schwierig, allgemeine Ausführungen zur Frage der Zumutbarkeit zu machen. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Jedoch sollten an das Kriterium der Unzumutbarkeit keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, weil es dem Zweck der Geschäftsführungspflicht nicht gerecht wird, wenn der geschäftsführende Ministerpräsident handlungsunfähig oder handlungsunwillig ist. 28 Der Rücktritt des Ministerpräsidenten Barschel (eDU) in Schleswig-Holstein illustriert, daß es auch noch andere Fälle neben der Unzumutbarkeit geben kann, die eine Weiterführung der Geschäfte durch einen zurückgetretenen Minister oder Ministerpräsidenten nicht erforderlich erscheinen lassen. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen das Staatswohl verlangt, daß der Zurückgetretene keinen weiteren Einfluß auf die Politik nimmt. Sie sind den oben angeführten Fällen (Art. 31 NdsVerf. etc.), in denen eine Geschäftsführung ausscheidet, besonders ähnlich. Auch diese Ausnahmen beruhen letztlich auf Gründen des Staatswohles. Sie unterscheiden sich vom Fall Barschel jedoch dadurch, daß sie eine, wenn auch geringe, ausdrückliche Stütze in der Verfassung finden. Nichtsdestotrotz müssen auch andere Fälle des Staatswohles als Ausnahme von der Geschäftsführungspflicht anerkannt werden. Denn andernfalls würde der Zweck der Geschäftsführungspflicht, die letztlich dem Staatswohl dienen soll, ins Gegenteil verkehrt. 29 Auch der Anwendungsbereich dieser Schranke ist nicht abstrakt bestimmbar, sondern in jedem Einzelfall neu zu beurteilen. Dabei wird das Maß der Bedrohung für das Staatswohl ebenso eine Rolle spielen, wie die Wahrscheinlichkeit eines Schadens. 27 Oben E vor I, wo auch noch eine weitere Gestaltung aufgeführt ist, die eine längere Geschäftsregierungszeit ermöglicht. 28 So Nierhaus, IR 1975,265 (267). 29 Schenke, NJW 1987, 3235 (3236).
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Allerdings gilt es die Fälle der Unzumutbarkeit und die Gründe des Staatswohles zu trennen. 30 Denn der Begriff der Zumutbarkeit ist personenbezogen 31 und bezieht sich auf Gründe, die es aus Sicht des Regierungsmitgliedes nicht zumutbar erscheinen lassen, die Geschäfte fortzuführen. Soweit Gründe des Staatswohles vorliegen, können diese zwar auch in der Person des Regierungsmitgliedes liegen; der drohende Schaden tritt jedoch - anders als in den Fällen der Unzumutbarkeit - nicht bei diesem, sondern beim Staat ein. Verhindert das durch die Geschäftsführungspflicht besonders zu sichernde Staatswohl selbst eine Aktualisierung dieser Pflicht, so könnte man dies als immanente Schranke der Geschäftsführungspflicht bezeichnen. Bei Streitigkeiten zwischen Landtag und Ministerpräsident bzw. Regierung über die Pflicht zur Geschäftsführung liegt die Entscheidung in der Hand des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes.
III. Die Befugnisse einer geschäftsführenden Regierung Grundsätzlich ist man sich in der Literatur nahezu einig, daß eine geschäftsführende Regierung alle Befugnisse einer amtierenden Regierung hat,32 soweit durch irgendwelche Maßnahmen nicht in ihren Bestand eingegriffen wird. 33 Das gelte auch für die Hessische Verfassung, die in ihrem Art. 113III nur von den "laufenden Geschäfte(n)" spricht, die weiterzuführen seien. 34 In Schleswig-Holstein herrschte dennoch Unsicherheit darüber, ob ein nur geschäftsführender Ministerpräsident, wie 1987/88 Henning Schwarz (CDU) nach dem Rücktritt Uwe Barsche/s, die nach dem damals geltenden Art. 31 SHLS35 erforderlichen Schritte für eine Landtagsauflösung einleiten könne. 36 Gegen die herrschende Ansicht wendet sich neuerdings Dreher 37 mit dem Hinweis, das "Band der Kontrolle zwischen Volk, Parlament und Regierung" sei bei einer Geschäftsregierung zerrissen, "das Kontrollinstrument des ParlaAnders Schenke, NJW 1987, 3235 (3236). Vgl. nur die Beispiele bei Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 69 Rn. 55. 32 So schon Anschütz, WRV, Art. 54 Anm. 7; Schranil, SaariVerf., Art. 90 (a.F.) Anm.4; Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 18; Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 8f.; Bernzen I Sohnke, HbgVerf., Art. 37 Rn. 1; Friedrich, JöR 30 (1981), 197 (213); v. Mangoldt I Klein, GG, Art. 69 Anm. V 9, S. 1324 m.w.N. aus der älteren Literatur. 33 Dazu unten IV. 34 Groß, DÖV 1982, 1008 (1013) mit umfangreicher, überzeugender Begründung; Borchmann, VR 1983,1 (lf.); Herkner, Stellung, S. 63; a.A. HessStGH, ESVGH 35, 1 (3) ohne Unterschiede zu konkretisieren; Weis, Regierungswechsel, S. 175. 35 Art. 31 I SHLS entsprach inhaltlich dem heutigen Art. 36 SHVerf.; gemäß Art. 31 11 SHLS konnte sich der Landtag nur auf Antrag des Ministerpräsidenten auflösen; heute steht dem Landtag statt dessen nach Art. 13 11 SHVerf. ein Selbstauflösungsrecht zu, ohne daß es der Mitwirkung des Ministerpräsidenten bedarf. 36 Vgl. Skierka, SZ v. 28. 09. 1987, S. 1; Bürklin, ZParl. 19 (1988), 43 (57). 37 Dreher, NJW 1982, 2807f. 30 31
E. Die geschäftsführende Regierung
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ments, nämlich die Möglichkeit, die Regierung zu stürzen" sei nicht gegeben. Die Geschäftsregierung als - wenn auch notwendiger - "Fremdkörper im parlamentarischen System" dürfte keine Entscheidungen von besonderer politischer Bedeutung treffen; "insbesondere" bezweifelt Dreher, daß geschäftsführende Landesregierungen im Bundesrat mitstimmen dürfen "oder nicht wenigstens mit Enthaltung" votieren müßten. 38 Eine geschäftsführende Regierung sei verpflichtet, wenn sie längere Zeit nicht abgelöst werden könne, "mit Hilfe der Partei, auf die sie sich stützt", auf eine Parlaments auflösung hinzuwirken. Dem ist nicht zu folgen. Dreher geht offenbar davon aus, daß dem Parlament nur ein Kontrollmittel zur Verfügung stehe, nämlich das Mißtrauensvotum, welches hier fehlschlage. Er vernachlässigt damit die mannigfaltigen anderen Möglichkeiten der Kontrolle 39 wie das Zitierrecht, das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen u. a. Die Möglichkeit des Landtags, Gesetzentwürfe der Regierung abzulehnen, akzeptiert er ausdrücklich nicht als Mittel der Kontrolle. Richtig ist, daß die Geschäftsregierung Angelegenheiten von besonderer politischer Bedeutung jedenfalls nicht übereilt entscheiden sollte. Dabei handelt es sich jedoch vor allem um eine Frage des Taktes,40 nicht um eine durchsetzbare verfassungsrechtliche Verpflichtung. Die Angreifbarkeit dieser Ansicht wird besonders in der Forderung deutlich, geschäftsführende Landesregierungen sollten ihre Sitze im Bundesrat verlieren oder nicht ausüben dürfen. Abgesehen davon, daß weder die Niedersächsische Verfassung noch das Grundgesetz einen Anhaltspunkt hierfür bieten, würde dies dazu führen, daß die Interessen eines Landes im dafür geschaffenen Bundesorgan nicht vertreten wären und also nicht berücksichtigt würden. Das liefe der Pflicht einer Regierung - auch einer Geschäftsregierung -, für das Wohl des Landes zu sorgen, zuwider. 41 Das Land Niedersachsen würde allein die anderen Länder über den Finanzausgleich, Fragen der Zonenrandgebiete, des Wattenmeeres usw. entscheiden lassen. Darin läge ein nicht hinzunehmendes Manko, wenn man bedenkt, daß die Geschäftsregierung zur Zeit ihrer Existenz die am ehesten legitimierte Exekutive ist, da das Votum der Wähler, das sich in der Wahl des Ministerpräsidenten und der Bestätigung seiner Regierung niedergeschlagen hat, nachwirkt. So sind zumindest Reste der parlamentarischen Legitimation übrig. 42 Im übrigen ist auf Art. 24 IV NdsVerf. zu verweisen, der jedenAnders ausdrücklich Knies, JuS 1975,420 (422) m.w.N. Vgl. nur Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 55 Rn. 9; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 69 Rn. 62. 40 Vgl. auch Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 5; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 55 Rn. 9; Münch, Bundesregierung, S. 191; Lutz, Geschäftsregierung, S. 79; vor allem Mannzen, JöR 6 (1957), 251 (27lf.); Schranil, SaariVerf., Art. 90 (a.F.) Anm. 4. 41 Vgl. Schranil, Art. 90 (a.F.) Anm. 4. 42 So auch Groß, DÖV 1982,1008 (1011). 38
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3. Teil: Das Ende der Regierung
falls eine verfassungsrechtliche Legitimation für die Regierung darstellt. Der Geschäftsregierung stehen daher alle allgemeinen Rechte und Pflichten einer Regierung zu. Eine erwähnenswerte Ausnahme bildet die Bayerische Verfassung, die in Art. 44 III 4 die Vertretung nach außen auf den Landtagspräsidenten übergehen läßt, dem zurückgetretenen Ministerpräsidenten also seine Kompetenzen ausdrücklich beschneidet. 43 Sie ist auch die einzige Verfassung eines Bundeslandes, die die geschäftsführende Regierung nicht ausdrücklich erwähnt. Trotzdem ist auch die Bayerische Staatsregierung verpflichtet, die Geschäfte bis zur Übernahme durch die Nachfolger weiterzuführen;44 das entspricht einem allgemein anerkannten Grundsatz,45 da sonst die Funktionsfähigkeit des Landes gefährdet wäre. 46 Hier findet sich eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, daß niemand gezwungen werden kann, ein Regierungsamt auszuüben. Sie ist durch die ursprünglich freiwillige Übernahme des Amtes gerechtfertigt. 47
IV. Wechsel im Personalbestand der geschäftsführenden Regierung In aller Regel ist die gesamte Regierung nach einem Rücktritt verpflichtet, die Geschäfte bis zur Übernahme durch eine vom Parlament gewählte bzw. bestätigte Regierung weiterzuführen. Das deutet an, daß die Verfassung von einem wenigstens grundsätzlich unveränderten Personalbestand der geschäftsführenden Regierung ausgeht. Im folgenden ist zu untersuchen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme von diesem Grundsatz zulässig ist. Eindeutig ist, daß ein geschäftsführendes Regierungsmitglied, sei er Minister oder Ministerpräsident, nicht zurücktreten kann. 48 Ein Rücktritt würde nur dazu führen, daß es noch einmal die Situation gäbe, in der die Pflicht zur Weiterführung der Geschäfte nach Art. 24 IV entsteht; die Möglichkeit, sich mittels Rücktritts der Pflicht zur Weiterführung der Geschäfte zu entledigen, ist damit ausgeschlossen. Im Falle der Unzumutbarkeit hat das RegierungsDazu Schweiger, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Art. 44 Rn. 7. Meder, BayVerf., Art. 45 Rn. 3; Schweiger, in: Nawiasky / Leusser, BayVerf., Art. 44 Rn. 6; Herkner, Stellung, S. 62; Köhler, BayVBI. 1983, 168 (171) gesteht dem Ministerpräsidenten ein Weigerungsrecht zu, den Ministern nicht, begründet die ungleiche Behandlung aber nicht. 45 Weis, Regierungswechsel, S. 167; Münch, Bundesregierung, S. 189; Hedergott, Niedersachsen, S. 10. 46 Lutz, Geschäftsregierung, S. 35. 47 Herkner, Stellung, S. 60. 48 Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 10; Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 5; Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 17; Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 113 Anm. 5; Kratzer, BayVBI. 1931,338. 43
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E. Die geschäftsführende Regierung
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mitglied einen Anspruch darauf, von der Weiterführung der Geschäfte entbunden zu werden. 1. Der Austausch von geschäftsführenden Ministern
Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob ein geschäftsführender Ministerpräsident einen Minister entlassen und einen neuen berufen kann. Dies wird sowohl bejaht49 wie auch verneint. 50 Im weiteren Verlauf wird zuerst die Möglichkeit einer Entlassung, dann die einer Neuberufung erörtert werden. a) Die Entlassung
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die geschäftsführende Regierung alle Kompetenzen einer amtierenden Regierung wahrnehmen kann. Dazu gehört auch die Entlassung einzelner Minister durch den Ministerpräsidenten. Immerhin kann auf diese Weise die Homogenität des Kabinetts gefördert werden. Und dessen Einigkeit erscheint in Zeiten der Geschäftsregierung, die ja eine Minderheitsregierung ist und es gegenüber dem Landtag schwer haben wird, überaus wichtig, wenn noch sinnvoll Politik betrieben werden soll. Das bedeutet, daß der Ministerpräsident von seinem grundsätzlichen Entlassungsrecht Gebrauch machen kann. Dagegen ist schon deswegen nichts einzuwenden, weil ihm die Möglichkeit, selbstherrlich Entlassungen auszusprechen, durch das Zustimmungserfordernis des Art. 20 IV verwehrt iSt. 51 Denn wenn eine Geschäftsregierung alle Kompetenzen einer Regierung hat, muß sie selbstverständlich auch die Mitwirkungsrechte anderer Verfassungsorgane akzeptieren; anderenfalls wäre die Stellung des geschäftsführenden Ministerpräsidenten stärker als die des voll im Amt befindlichen. Gegen diese Ansicht liegt der Einwand auf der Hand, die Entlassung führe wieder nur zur gleichen Position, die der Minister nach dem Rücktritt auch schon innegehabt habe. 52 Er ist jedoch für niedersächsische Verhältnisse nicht zutreffend. Denn jetzt ist der Ministerpräsident in der Lage, einen Nachfolger zu berufen; vorher war ihm das nicht möglich, weil die Verfassung grundsätzlich das Schicksal der in ihrer Gesamtheit zurückgetretenen Regierungsmitglieder aneinander kettet. Erst durch die nachfolgende Entlassung und ihre Bestätigung wird ein Minister quasi "abgekoppelt"; der Ministerpräsident hat Schnapauff, VR 1983, 77 (79); Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 18. Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 10; Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 55 Rn. 9; Geiler I Kleinrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 5; Spreng I Birn I Feuchte, BWVerf., Art. 55 Anm. 5; Kratzer, BayVBI. 1931,338 (339). 51 Gegen das Zustimmungserfordernis in diesem Fall Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 18. 52 So wohl Geiler I Kleinrahm I Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 5; Lutz, Geschäftsregierung, S. 77f. 49
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3. Teil: Das Ende der Regierung
zum Ausdruck gebracht, daß er mit diesem Regierungsmitglied auch geschäftsführend nicht mehr zusammenarbeiten will. Er und der Landtag entscheiden - wie auch sonst bei Regierungsumbildungen - über den Personalbestand der Regierung. Trotzdem bleibt der Minister geschäftsführend im Amt, bis der Ministerpräsident mit Zustimmung des Landtages einen neuen Minister berufen konnte und dieser sein Amt übernommen hat. Das Erfordernis, daß jedes Ressort immer besetzt ist, kann auch durch die einvernehmliche Entlassung eines geschäftsführenden Ministers nicht umgangen werden. Und selbstverständlich bedarf auch die Neuberufung eines Ministers der Zustimmung des Landtags nach Art. 24 IV.53 Verweigert sich dieser, so bleibt der geschäftsführende Ministerpräsident an seinen bisherigen Mitarbeiter gebunden, was aber nicht außergewöhnlich ist, weil gleiches auch für voll amtierende Ministerpräsidenten gilt. b) Die Neuberufung von Ministern
Auch die Zulässigkeit von Neuberufungen durch den geschäftsführenden Ministerpräsidenten wird bestritten. 54 Wie bei der Entlassung muß man auch für diesen Akt, der erst mit Zustimmung des Landtages Wirksamkeit entfalten kann, feststellen, daß der Landtag zwar grundSätzlich nicht mit dem bisherigen Ministerpräsidenten übereinstimmt, dieser im allgemeinen nicht mehr das Vertrauen des Parlaments besitzt. Für den besonderen Fall der Neuberufung (wie auch für die vorhergehende Entlassung) kann er sich jedoch auf das Vertrauen des Parlaments stützen, wenn der Landtag nach Art. 20 IV NdsVerf. zustimmt. Dann aber ist kein Grund ersichtlich, warum Veränderungen in der personellen Zusammensetzung der Regierung untersagt werden sollen. Vielmehr könnte man diesen Fall der partiellen Kooperation als ersten Schritt zu einer neuen, vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der geschäftsführenden Regierung und dem Parlament werten. Durch die Neuberufung wird gerade verhindert, daß vom Vertrauen des Parlaments getragene Minister zugunsten der bisherigen Amtsträger vom der Regierung ferngehalten werden. 55 Dem kann nicht entgegenhalten werden, die Geschäftsregierung sei nur für eine Phase des Übergangs berufen. 56 Denn diese Phase könnte auch einmal länger dauern und Ministerwechsel erforderlich machen. Durch sie könnte A. A. wohl Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 18. Neumann, NdsVerf., Art. 24 Rn. 10; GeIler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 5; Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 17; Groß, in: Zinn / Stein, HessVerf., Art. 113 Anm. 5; Kratzer, BayVBI. 1931,338. 55 Daher greift die Argumentation von Lutz, Geschäftsregierung, S. 77f. nicht für Niedersachsen; danach sollen Konflikte zwischen Regierung und Bundestag durch Ernennungsverbote verhindert werden. 56 Lutz, Geschäftsregierung, S. 78. 53
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sogar eine neue Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament eingeleitet werden. Da eine Berufung zum geschäftsführenden Minister in der Verfassung nicht vorgesehen ist,57 gelangt der neue Minister als voll amtierendes Regierungsmitglied ins Amt. Daß nach einer Auswechselung einzelner Minister Regierungsrnitglieder mit unterschiedlicher parlamentarischer Legitimation auftreten,58 ist daher zutreffend, aber auch nichts ungewöhnliches 59 . Dies gilt selbst unter dem Aspekt, daß in der Regel die legitimierten Mitglieder in der Mehrheit, nicht - wie hier - in der Minderheit sind. Zweifel an der Möglichkeit der Ernennung ließen sich nur noch mit dem Hinweis rechtfertigen, ein geschäftsführender Ministerpräsident könne nicht mehr Rechte übertragen, als er selbst besitze;60 der neue Minister jedoch führe als vom Landtag bestätigtes Regierungsmitglied nicht nur die Geschäfte, sondern amtiere voll. Daß der geschäftsführende Ministerpräsident keine bessere Stellung als seine eigene, geschäftsführende übertragen kann, leuchtet zwar ein. Trotzdem muß ein Minister, der in eine geschäftsführende Regierung berufen wird, zum "vollwertigen" Regierungsmitglied werden. Das ergibt sich aus der besonderen Legitimation, die er mit der Bestätigung seiner Berufung durch den Landtag erhält; insoweit unterscheidet sich die niedersächsische Rechtslage von der in Ländern, die keine Bestätigung eines neuen Regierungsmitglieds verlangen. Dagegen kann die mindere Legitimation des geschäftsführenden Ministerpräsidenten letztlich nicht eingewandt werden. Diese wirkt sich jedoch umgehend aus, sobald der neue Minister im Amt ist. Ein Minister kann nicht stärker sein als der Ministerpräsident, was Art. 24 III deutlich zeigt. Damit sinkt der soeben berufene Minister sogleich wieder zum geschäftsführenden Minister herab, unterscheidet sich also im Ergebnis nicht von den anderen Kabinettsmitgliedern. Zur Erklärung dieses Vorgangs bemüht Weis, der mit anderer Begründung zum gleichen Ergebnis gelangt,61 die Fiktion einer logischen Sekunde. 62 Das erscheint angemessen, da sie den Vorgang deutlich werden und Mißverständnisse über den Status nicht aufkommen läßt. So werden die unterschiedlichen parlamentarischen Legitimationen einander angeglichen.
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Vgl. schon Kratzer, BayVBI. 1931,338 (339). Bertram, AöR 23 (1933), 129 (154, 161); Kratzer, BayVBI. 1931,338 (339). Zutreffend Weis, Regierungswechsel, S. 176. Vgl. Weis, Regierungswechsel, S. 176. Weis, Regierungswechsel, S. 176f. Weis, Regierungswechsel, S. 177. Busse
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3. Teil: Das Ende der Regierung
2. Unmittelbares Ausscheiden des Ministerpräsidenten Wie gesehen ist es möglich, daß der Ministerpräsident an der Weiterführung der Geschäfte verhindert ist. Ein Beispiel hierfür war die Situation in Schleswig-Holstein nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Barschel (CDU). Ein weniger aufregender Fall aus der niedersächsischen Praxis war der Tod des Ministerpräsidenten Kopf (SPD) im Jahre 1961. 63 Allerdings waren die verfassungsrechtlichen Fragen damals nicht so dringlich wie später in Schleswig-Holstein, weil schon eine Woche später ein neuer Ministerpräsident gewählt werden konnte und in diese Woche ohne amtierenden Ministerpräsi~ dent auch noch die Weihnachtstage fielen. Trotzdem ist für diese Fälle zu klären, wer die Geschäfte des Ministerpräsidenten weiterführt, wenn er selbst verhindert ist. Hierfür bietet sich der Stellvertreter des ehemaligen Regierungschefs an. Allerdings wird - vor allem für das Grundgesetz - die Ansicht vertreten, diese Möglichkeit scheide aus, weil mit dem Amt des Ministerpräsidenten auch das seines Stellvertreters ende. 64 Es liege gar kein Vertretungsfall - eher eine Ersetzung - vor;65 und schließlich habe allein der Bundeskanzler Einfluß auf die Person des Stellvertreters, was diesen an ihn und sein Schicksal binde. 66 Aus diesen Gründen wird für das Grundgesetz ein außerordentliches Ernennungsrecht des Bundespräsidenten gefordert,67 um Fällen wie 1974 beim Rücktritt des Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD), gerecht werden zu können. Diese Lösung ist schon wegen des fehlenden Staatsoberhauptes auf das Land Niedersachsen nicht übertragbar; sie würde auch nicht überzeugen. Denn die Legitimationsbasis des Vizeministerpräsidenten ist bei seiner Ernennung zum stellvertretenden Ministerpräsidenten wesentlich breiter als die des Vizekanzlers. Die Niedersächsische Verfassung fordert, daß sich die Zustimmung zur Übernahme der Regierungsgeschäfte auch auf den Stellvertreter des Ministerpräsidenten bezieht. Dem wird in der Praxis zwar nicht Rechnung getragen, was aber an der Beurteilung der verfassungsrechtlichen Lage nichts ändert. Das Parlament soll also auch diese Bestellung mittragen. Dann liegt aber nichts näher, als diese Bestellung zum Stellvertreter für den NdsLT, Tätigkeitsbericht IV, S. 7. Stern, Staatsrecht 11, § 3111 4 b a, S. 282; Arndt I Schweitzer, JuS 1974, 622 (624); Schnapauff, VR 1983, 77 (78); Lutz, Geschäftsregierung, S. 38f. m.w.N. 65 v. Mangoldt I Klein, GG, Art. 69 Anm. III 1 b, S. 1315; Stern, Staatsrecht 11, § 31 11 4 b a, S. 282; Oldiges, DVBI. 1975,79 (82); Arndt I Schweitzer, JuS 1974, 622 (624); Nierhaus, JR 1975, 265 (267). 66 Oldiges, DVBI. 1975,79 (8lf.). 67 Ausführlich Lutz, Geschäftsregierung, S. 42ff.; Oldiges, DVBI. 1975, 79 (81); Liesegang, in: v. Münch, GGK 11, Art. 69 Rn. 17; bei der Auswahl soll der Bundespräsident aber grds. auf den Vizekanzler beschränkt sein: zuerst wohl v. Mangoldt I Klein, GG, Art. 69 Anm. V 7 b, S. 1324; dagegen Steiger, Grundlagen, S. 299ff.; widersprüchlich Schmidt-Bleibtreu I Klein, GG, Art. 69 Rn. 4,7. 63
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Fall der geschäftsführenden Regierung genauso weitergelten zu lassen wie jede andere Ministerernennung. Noch deutlicher ist das in den Stadtstaaten, wo schon die Verfassung bestimmt, wer Stellvertreter des Regierungschefs ist,68 also quasi eine Rangfolge aufstellt. Die Betrachtungsweise, nach der z. B. der Tod des Ministerpräsidenten keine Verhinderung, also kein Stellvertretungsfall sei, bleibt zu sehr formalen Gesichtspunkten verhaftet und vernachlässigt die Erfordernisse des politischen Lebens. Gerade in Krisensituationen muß - möglichst von vornhereinklar sein, wer welche Kompetenzen ausübt. Das ist allein gewährleistet, wenn der stellvertretende geschäftsführende Ministerpräsident die Geschäfte des geschäftsführenden Ministerpräsidenten auch dann führt, wenn der Ministerpräsident selbst davon entbunden oder ihm die Geschäftsführung nicht möglich ist. Auch die Minister, deren Stellung an die des Ministerpräsidenten gebunden ist, führen ja die Geschäfte weiter; für den Stellvertreter des Ministerpräsidenten kann nichts anderes gelten; auch seine Stellung bleibt geschäftsführend - erhalten. Im übrigen ist es der bisherige Stellvertreter, der allein der Funktion des Ministerpräsidenten so nah war, daß sich die Fortführung der Geschäfte durch ihn quasi von selbst ergibt. Der Stellvertreter wird den Ministerpräsidenten wenigstens in Teilbereichen bereits gelegentlich vertreten haben;69 er kennt also dessen Geschäfte und ist am ehesten in der Lage, die Kontinuität, die Art. 24 IV offenbar bezweckt, zu gewährleisten. 7o Der Vizeministerpräsident ist zudem das Regierungsmitglied, welches sich bereit erklärt hat, die Geschäfte des Ministerpräsidenten unter Umständen zu führen. Somit spricht auch der Grundsatz freiwilliger Amtsübernahme die weitere Geschäftsführung durch ihn. Gegen diese Ansicht könnte allenfalls noch angeführt werden, es bedürfe im Falle des Todes des Regierungschefs keines geschäftsführenden Regierungschefs. 71 Diesem praktisch orientierten Argument wird man zumindest für kurze Übergangszeiten eine gewisse Berechtigung nicht absprechen können. Es basiert jedoch auf der Verfassungslage des Bundes und der Diskussion über ein außerordentliches Ernennungsrecht des Bundespräsidenten. 72 Es ist nicht für Niedersachsen gemeint und geht an der Verfassungslage dort vorbei. Ein Ersuchen des Staatsoberhauptes, die Geschäfte fortzuführen, gibt es in Niedersachsen nämlich nicht. Es wird nicht unterschieden zwischen der Funktion des stellvertretenden Ministerpräsidenten während die Regierung amtiert Art. 40 II BerIVerf.; Art 115 I BremVerf.; Art. 41 II 1 HbgVerf. Ähnlich Liesegang, in: v. Münch, GGK II, Art. 69 Rn. 17. 70 Ähnlich Lutz, Geschäftsregierung, S. 43f. 71 Steiger, Grundlagen, S. 300f. 72 Dazu Lutz, Geschäftsregierung, S. 37 - 44 und v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 69 Anm. V 7 b, S. 1324. 68 69
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und während der Zeit der Geschäftsregierung. Vielmehr trifft die Geschäftsführungspflicht stets jedes Regierungsmitglied automatisch. Die Verfassung geht also davon aus, daß jedes Ministerium keinen Augenblick ohne Führung ist. Die Geschäftsführungspflicht endet erst mit der Amtsübernahme durch den Nachfolger. Dann darf aber erst recht nicht die Stelle des Regierungschefs, hier des Ministerpräsidenten gänzlich unbesetzt sein; auf seine Funktion will die Verfassung noch weniger verzichten als auf einen Minister. Die Besetzung dieser Position ist unabdingbar, weil der Ministerpräsident die Richtlinienkompetenz ausübt und - wichtiger noch - das Land nach außen vertritt. Der stellvertretende Ministerpräsident wird also im Fall des Todes oder einer anderen Nichtfortführung der Geschäfte durch den geschäftsführenden Ministerpräsidenten praktisch neuer geschäftsführender Ministerpräsident.7 3 Dem entsprach es, daß nach dem Tod des Ministerpräsidenten Kopf (SPD) und vor der Neuwahl eines Ministerpräsidenten in den Stenographischen Berichten des Niedersächsischen Landtages ausnahmsweise festgestellt wurde, der "Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Finanzminister" sitze auf der Regierungsbank.74 Das war zwar nicht völlig korrekt, weil es sich um den geschäftsführenden Ministerpräsidenten und den geschäftsführenden Finanzminister handelte. Doch wird die Tendenz deutlich, den Vizeministerpräsidenten die Geschäfte des ausgeschiedenen Ministerpräsidenten übernehmen zu lassen. Denn im allgemeinen wird diese Funktion als stellvertretender Ministerpräsident in den Protokollen nicht erwähnt. Wie hier gefordert wurde 1987 auch im Lande Schleswig-Holstein verfahren, als Ministerpräsident Uwe Barschel zurückgetreten 75 und eine Neuwahl anfänglich nicht möglich war. Selbst wenn die Argumentation, wie sie eben für Niedersachsen ausgeführt wurde, nur teilweise auf Schleswig-Holstein übertragen werden kann, weil die Landesregierung dort vor der Amtsübernahme nicht vom Landtag bestätigt werden muß, so war die Weiterführung der Geschäfte durch den bisherigen Stellvertreter doch verfassungsrechtlich geboten.
73 So auch Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 5; Köhler, BayVBI. 1983, 168 (171f.). 74 NdsLT, StenBer. IV/54. 75 Skierka, SZ v. 28.09.1987, S. 1; Rücktrittserklärung des damaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Barschel (CDU), abgedruckt in SZ v. 26./27.09.1987, S. 1; K.F., FAZ v. 26.09.1987, S. 1.
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V. Mißtrauensvotum gegen einen geschäftsführenden Ministerpräsidenten? Es ist oben bereits festgestellt worden, daß die Mitglieder einer Geschäftsregierung nicht mehr zurücktreten können. Zu fragen bleibt, ob umgekehrt der Landtag gegen den Ministerpräsidenten ein konstruktives Mißtrauensvotum einleiten kann. Die Zulässigkeit eines konstruktiven Mißtrauensvotums gegen den geschäftsführenden Regierungschef wird in der Literatur nahezu durchgängig verneint,76 und zwar zu Recht. Denn eine Geschäftsregierung genießt ohnehin nicht das Vertrauen des Parlaments77 , so daß ein weiterer Vertrauensentzug schon begrifflich nicht möglich ist. Dies wird noch dadurch gestützt, daß ein erfolgreiches konstruktives Mißtrauensvotum den geschäftsführenden Ministerpräsidenten nach Art. 24 11, 23 NdsVerf. zum Rücktritt zwingen würde. Gerade der Rücktritt ist dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten aber versagt. Der von der Niedersächsischen Verfassung vorgegebene Weg, eine Geschäftsregierung abzulösen, ist die Wahl einer neuen Regierung78 , die nach dem Rücktritt der alten grundsätzlich vorzunehmen ist. Zur Kontrolle stehen dem Landtag daneben die anderen oben 79 erwähnten Mittel zur Verfügung, so daß man nicht von einem unkontrollierten Regierungschef sprechen kann,8o allein weil das Mißtrauensvotum nicht zulässig ist. Hinzu kommt, daß in Niedersachsen die Amtszeit einer Geschäftsregierung jedenfalls in aller Regel so kurz sein wird, daß ein konstruktives Mißtrauensvotum schon wegen der 21Tage-Frist in Art. 2311 2 NdsVerf. praktisch nicht in Frage kommt. Denn vor Ablauf dieser Frist wird eine neue Regierung gebildet sein, die den gestellten Antrag gegenstandslos werden läßt. Ist keine neue Regierung gewählt, so deshalb, weil kein Kandidat die erforderliche Mehrheit erringen konnte. Dann ist aber nicht damit zu rechnen, daß ein Mißtrauensvotum ein anderes Ergebnis bringen wird. Jedenfalls aber wäre die Wahl nach Art. 20 der verfassungsmäßig vorgesehene Weg, wenn ein Ministerpräsident bereits nicht mehr voll amtiert. Er ist auch praktischer und schneller als ein konstruktives Mißtrauensvotum, das mindestens 21 Tage beansprucht, da eine Neuwahl nach Art. 20 I jederzeit vorgenommen werden kann. 76 Brandt, Bedeutung, S. 84; Röttger, JuS 1975, 358ff.; Lutz, Geschäftsregierung, S. 67; Jarass / Pieroth, GG, Art. 69 Rn. 3; Groß, DÖV 1982, 1008 (1013); Katz, in: Feuchte, BWVerf., Art. 55 Rn. 9; anders nur Arndt / Schweitzer, JuS 1974, 622 (625f.). 77 Röttger, JuS 1975, 358 (359); Lutz, Geschäftsregierung, S. 67; Knies, Jus 1975, 420 (421); StGH für das Deutsche Reich, RGZ 137, Anhang, S. 5 (16f.). 78 Vgl. Brandt, Bedeutung, S. 84. 79 Siehe unter E IU. 80 So aber Arndt / Schweitzer, Jus 1974, 622 (626); wie hier Lutz, Geschäftsregierung, S. 68; Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 5.
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3. Teil: Das Ende der Regierung
Das bedeutet am Ende, daß die Kontrolle des geschäftsführenden Ministerpräsidenten ohne das konstruktive Mißtrauensvotum sogar effektiver ist als würde man es hier zulassen. Denn der Wechsel ist schneller erreichbar.
VI. Exkurs: Der geschäftsführende Minister 1. Der Rücktritt eines Ministers
Macht ein Minister von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch, so kann er die Amtsgeschäfte nicht sogleich niederlegen, sondern ist verpflichtet, sie bis zur Übernahme durch einen Nachfolger weiterzuführen. Das bedeutet, die Regierung besteht für eine Weile aus voll amtierenden und "nur" geschäftsführenden Mitgliedern. So jedenfalls ist das Bild, von dem Art. 24 IV NdsVerf. ausgeht. Die Praxis hingegen sieht anders aus: In aller Regel legt ein zurückgetretener Minister sogleich die Geschäfte nieder und der Ministerpräsident führt sie bis zur Übernahme durch einen Nachfolger.8 1 Gegen diese Übung ist nichts einzuwenden, wenn die Regierung eine Minderheitsregierung ist, da in diesem Fall der Ministerpräsident allein über den Personalbestand des Kabinetts entscheidet und dem Landtag keinerlei Mitwirkungsrechte zustehen. So lag es beispielsweise, als der lustizminister Pu vogel (CDU) aus dem ersten Kabinett Albrecht (CDU), das ja als Minderheitsregierung nach Art. 21 NdsVerf. amtierte, ausschied.82 Dann kann grundsätzlich auch der Ministerpräsident das Ressort des Ausscheidenden übernehmen, ohne die Zustimmung des Landtags einholen zu müssen. Anders könnte es sein, wenn die Regierung, aus der der Minister ausscheidet, nach Art. 20 NdsVerf. zustande gekommen ist, also vom Landtag bestätigt wurde. Denn dann hat der Landtag ein Mitwirkungsrecht, welches sich auch auf die Zuweisung der Minister zu den einzelnen Ministerien erstreckt. 83 Daher ist die Frage aufzuwerfen, ob die geschilderte Verfahrensweise der Praxis zulässig ist. Weiter ist zu prüfen, ob es zulässig ist, einen anderen Minister mit der Wahrnehmung der Geschäfte des zurückgetretenen Ministers zu beauftragen.84 Es ist davon auszugehen, daß das Kabinettbildungsrecht des Ministerpräsidenten durch das Bestätigungs- und Zustimmungserfordernis des Art. 20 III, IV NdsVerf. eingeschränkt ist. Der Landtag soll ein Mitspracherecht haben, wenn sich der Bestand der Regierung, worunter auch der Ressortwechsel zu Vgl. nur NdsLT, Tätigkeitsbericht II, S. 7; III, S. 7; V, S. 7; IX, S. 6. Siehe NdsLT, Tätigkeitsbericht VIII, S. 8. 83 Dazu oben im 1. Teil unter B II 2. 84 So geschehen im Jahre 1956, vgl. NdsLT, Tätigkeitsbericht III, S. 7; ebenso NdsLT, Drucks. XII3149 nach dem Ausscheiden von Innenminister Hasse/mann (CDU). 81
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fassen ist, ändert. Dazu legt Art. 24 IV NdsVerf. eindeutig fest, wer die Geschäfte bei einem Rücktritt weiterzuführen hat, nämlich der bisherige Minister. Dieser soll sich seiner Pflicht grundsätzlich nicht entziehen dürfen. Dann ist klar, daß auch der Ministerpräsident an Art. 24 IV NdsVerf. gebunden ist, und ihm nicht das Recht zusteht, den Minister von dieser Pflicht ohne weiteres zu befreien. Insbesondere bedarf es einer guten Begründung und besonderer Umstände, wenn der Minister aus Gründen des Staatswohles oder der Unzumutbarkeit die Geschäfte ausnahmsweise einmal nicht weiterzuführen braucht.85 Wollte man im Falle des Ministerrücktritts dem Ministerpräsidenten die Möglichkeit einräumen, selbst die Geschäfte des vom Ausscheidenden geführten Ressorts zu übernehmen (oder sie einem anderen Minister zu übertragen)86, so wäre der Möglichkeit, dem Zustimmungserfordernis des Art. 20 IV zu umgehen, Tür und Tor geöffnet. Die Minister sind für ein konkretes Amt 87 bestätigt. Und einer Machtkonzentration, wie sie im Falle der Ämterhäufung gerade in der Person des Ministerpräsidenten eintritt, wenn er weitere Ressorts führt, hat der Landtag eben nicht zugestimmt. Dieses Einfallstor für verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnisse zu verschließen, bedeutet auch keinen praktischen Nachteil. Denn zum einen kann der bisherige Minister - wie er soll - die Geschäfte weiterführen. Gibt es Gründe für eine andere Praxis - die nicht die Schwelle der Unzumutbarkeit überschreiten -, so kann der Ministerpräsident den dafür vorgesehenen Weg beschreiten: Er wird den Landtag mit guten Gründen ersuchen, seine Zustimmung88 für eine Amtsübernahme durch ihn selbst oder einen anderen Minister, der dann eine Weile zwei Ministerien führt, zu geben. Allerdings muß er dabei bedenken, daß dieser Minister dann rechtlich nicht nur die Geschäfte führt, sondern voll amtiert. Insoweit liegt dieser Fall anders, als wenn die gesamte Regierung nach einem Rücktritt des Ministerpräsidenten nur die Geschäfte führt. Denn dann wird auch ein neuer Minister zum geschäftsführenden Minister.89 Eine Ernennung zum nur geschäftsführenden Minister ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Es ist also auch eine Entlassung oder der Rücktritt des Interimsministers erforderlich (soweit er das zweite Ressort innehat), um das Ministerium dann endgültig mit einem neuen Minister zu versehen. Die Entlassung bedarf nach Art. 20 IV NdsVerf. wieder der Zustimmung des Landtages. Dabei kann es vorkommen, daß der MinisterDazu ausführlich oben unter E II. Wie Neumann, NdsVerf, Art. 24 Rn. 10 es tut; ebenso Geiler / Kleinrahm / Dickersbach, NWVerf., Art. 62 Anm. 5 für Nordrhein-Westfalen, wo allerdings die Regierung nicht vom Landtag bestätigt werden muß. 87 Siehe oben im 1. Teil unter B II 2. 88 Dies fordert auch Braun, BWVerf., Art. 55 Rn. 18. 89 Dazu unter E IV 1 b am Ende. 85
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präsident sich selbst als Minister entläßt, wenn er ein Amt übernommen hat. Das erscheint seltsam, ist aber aufgrund der Verfassungslage nicht zu ändern und bedarf zur Verständlichkeit lediglich einer Abstraktion von Amt und Person. 2. Tod oder Amtsverlust des Ministers Anders kann eine Beurteilung ausfallen, wenn der Minister nicht zurückgetreten ist, sondern eine andere Erledigung des Amtes eingetreten ist, die eine Weiterführung der Geschäfte durch den Minister unmöglich macht. Für diesen Fall - dem eine Unzumutbarkeit der Geschäftsführung nach Rücktritt des Ministers gleichzusetzen ist - gilt Art. 24 IV NdsVerf. ausdrücklich nicht. Daher kann eine andere Betrachtung geboten sein. Art. 24 IV verleiht der Forderung Ausdruck, daß kein Ministerium ohne politische Führung sein soll. Also gilt es, für die Zeit bis zur Neuberufung, die selbstverständlich so kurz wie möglich zu halten ist, wenn der bisherige Minister die Geschäfte nicht weiterführen kann, eine Regelung zu finden, die dem Sinn der einschlägigen Verfassungsbestimmungen gerecht wird. Die Geschäftsführung durch einen Staatssekretär, wie § 11 I 1 GONdsLReg allgemein vorsieht, scheidet hier aus, weil dieser, was § 11 I, 11 GONdsLReg auch deutlich zeigt, dem Landtag nicht verantwortlich ist. § 11 111 GONqsLReg legt es in die Hand des Ministerpräsidenten zu bestimmen, wer im Falle längerer Verhinderung den Minister vertreten soll. Es wäre zu überlegen, ob der Tod oder der Amtsverlust eines Ministers mit einer solchen "Verhinderung" gleichzusetzen sind. Immerhin fällt auch die endgültige Erledigung des Amtes des Ministerpräsidenten unter die allgemeine Vertretungsregelung des Art. 2011 2 NdsVerf. Dies wird jedoch vor allem mit der besonderen Legitimation des stellvertretenden Ministerpräsidenten durch die Bestätigung seitens des Landtags und seiner besonderen Nähe zum Amt des Ministerpräsidenten begründet. Das ist im Rahmen der Vertretung eines Ministers beides nicht gegeben: Weder hat der Landtag einer besonderen Vertretung zugestimmt noch besteht eine dauernde Vertretung, weil diese gemäß § 11 111 GONdsLReg von Fall zu Fall bestimmt wird, selbst wenn ein Minister einen anderen häufiger vertritt. Diese Vertretungsregelung ist also nicht anwendbar, sie kann keine Legitimation für eine Geschäftsführung anstelle des ausgeschiedenen Ministers abgeben. Sie wirkt ja auch nur innerhalb der Regierung, denn der Geschäftsordnungsregel des § 11 111 GONdsLReg kommt - anders als Art. 2011 2 NdsVerf. - keine Außenwirkung zu.
Tauglich für die Ersatzfunktion ist nur der Ministerpräsident. Er ist das einzige Regierungsmitglied, das eine unmittelbare Legitimation des Landtags hat, denn er allein ist von diesem unmittelbar gewählt. Er hat durch seine Richtlinienkompetenz ohnehin stets einen gewissen Einblick und Einfluß auf
E. Die geschäftsführende Regierung
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jedes Ministerium. Der Gedanke der Machtkonzentration, auf den oben zurückgegriffen worden ist, um im Fall des Ministerrücktritts eine Übernahme der Geschäfte durch den Ministerpräsidenten zu verhindern, muß hier zurücktreten. Es liegt ein Fall vor, für den die Verfassung - trotz seiner relativ hohen Wahrscheinlichkeit - keine unmittelbare Lösung bietet. Und so ist die ihr am besten gerecht werdende Lösung zu wählen. Das bedeutet, daß der Ministerpräsident die Geschäfte des ausgeschiedenen Ministers bis auf weiteres wahrnehmen kann, ist dieser ausnahmsweise endgültig ausgeschieden, bevor sein Nachfolger das Amt übernimmt. Im Gegenzug hat der Ministerpräsident jedoch die Pflicht, dem Landtag möglichst schnell einen Nachfolger für den ausgeschiedenen Minister vorzustellen. Er darf nicht etwa über längere Zeit die Geschäfte führen, sondern nur solange wie nötig, um einen geeigneten Minister zu gewinnen und dem Landtag zur Bestätigung vorschlagen zu können. Diese Pflicht ist jedenfalls dann verletzt, wenn der Ministerpräsident die Geschäfte des endgültig ausgeschiedenen Ministers über nahezu 1 V2 Jahre führt. 90
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Vgl. zu solch einem Fall NdsLT, Tätigkeitsbericht II, S. 7, als Ministerpräsident
Kopf (SPD) die Geschäfte des am 1. Dezember 1953 zurückgetretenen Justizministers
übernahm und bis zur Neuwahl der Regierung am 26. Mai 1955 (NdsLT, StenBer. III/2, Sp. 12ff.) nicht wieder abgab.
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Stichwortverzeichnis Abgeordnetenmehrheit 33, 74, 144, 148, 167, 169, 188ff. Abwahl 118ff., 173 Amtsverlust - u. Geschäftsführung 114 - Minister 109, 232 - Ministerpräsident 114, 216 Auflösung, Bundestag 149, 175f. Auflösung, Landtag 71,94,109, 174ff. - "Allgemeiner Teil" 198 - Änderung 1970 182ff., 198 - Aussprache 178f. - konstruktives Mißtrauensvotum 148f., 177, 190, 195f. - Mehrheitserfordernis 179f., 188 - oder Minderheitsregierung 74f., 85ff., 187 - Mißbrauch 189 - Möglichkeiten der 76f., 86f. - Praxis 168, 174ff. - und Regierungssturz 137, 180 - Unwahrscheinlichkeit 191f. - Vergleich 153ff., 188ff. - u. Vertrauensfrage 202f., 205f., 208 - Volksentscheid 181, 195 - "Wahlbetrug" 192 - Zusammenwirken 188 Auflösungsbeschluß - Befugnisse Landtag 196f. - Wirkung 182ff., 196f. Ausscheiden 215 f. Ausspracheverbot - Entstehungsgeschichte 31f. - als Fremdkörper 29 - Inkonsequenz 50 - u. Kandidat 27ff., 50 - u. konstruktives Mißtrauensvotum 29f.,144 - Programm 30f. - u. Regierungsbestätigung 49ff. - Vergleich 25 Fn. 27,31 Fn. 50
- Wahl Ministerpräsident 25ff. - Zweck 25 ff., 32 Beschlußfähigkeit 35 Besprechung - Auflösung, Landtag 178f. - Konstruktives Mißtrauensvotum 143f. - Vertrauensfrage 207f. Bestätigung, Landesregierung 37 ff., 61ff.,66 - u. Ausspracheverbot 49f. - Funktion 41ff., 45, 57 - nach konstruktivem Mißtrauensvotum 145 ff., 148, 150ff., 169 - Mehrheitserfordernis 41 - Minderheitsregierung 78ff. - u. Neuwahl Ministerpräsident 66 - Praxis 41,47,49,68 - u. Regierungserklärung 50 - Ressortzuweisung 44f., 102 - ständiger Ausschuß 211f. - Stellvertreter des Ministerpräsidenten 51ff.,58 - Vergleich 42f. Bundesrat 39f., 203, 221 Bundesverfassungsgericht 105, 167 Chancengleichheit 143 Debatte 123, 145 s. a. Besprechung, Ausspracheverbot Eid 104 Einigungszwang 60, 66f., 93f. Einundzwanzig-Tage-Frist - konstruktives Mißtrauensvotum 136, 140,149,152, 169f., 197,229 - Redaktionsversehen 170 - Regierungsbildung 60ff., 148,214 Entlassung 173 - Amtsübernahme 91 ff.
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Stichwortverzeichins
- geschäftsführende Regierung 223f. - Ressortwechsel 117 - Rücktritt 95ff. - Vergleich 91 - Zustimmung Landtag 90 Entlassungsaufforderung 121, 124ff., 130 - Praxis 124 - Zulässigkeit 125 ff. - Zustimmung Landtag 127f. Entlassungsgesuch 96 Entlastung 212 Finanzfragen 193 Entstehungsgeschichte 3lf., 67f., 74 s. a. Verfassungsentwurf, Verfassungsausschuß, Redaktionsauschuß - Ausspracheverbot 3lf. - geschäftsführende Regierung 217 - konstruktives Mißtrauensvotum 136ff. - Landtagsauflösung 177 ff. - Minderheitsregierung 69ff., 74ff. - Ministeranklage 106ff., 112f. - Mißtrauensvotum gegen Minister 120f. - Wiederholung Regierungsbildung 67 Freiheitlich-demokratische Grundordnung 37 Fünf-Prozent-KlauseI18, 34, 168 Geschäftsbereich 45 f. Geschäfte, laufende 220 Geschäftsführung s. a. Regierung, geschäftsführende - Pflicht 217 ff., 222 - verhinderte 226 Geschäftsordnung - Bundestag 22f., 82,152,207 - Landesregierung 46, 58f., 232 - Landtag 21,23,60,67,74,82,86,114, 142f., 205, 207f. Geschäftsregierung s. Regierung, geschäftsführende Gesetzesverletzung 104ff., 109f., 112, 216 Gesetzgebungsnotstand 78, 203 Große Koalition 18, 93,142,175 Grundsatz der Diskontinuität 109, 182 Hauptausschuß 209 Heilung 102
Herausschießen v. Ministern 118 Homogenität 92,99, 126, 132 Immunität 210 Indemnität 210 Initiative 66, 77,150,199, 202f., Inkompatibilität 129f. Interpellation 124, 210 Kandidat 136f., 140, 142ff. Koalitionsvereinbarung 42f., 48, 62 Koalitionsverhandlung 139 f., 169 Kommunalrecht 81,137 Konstruktives Mißtrauensvotum 64f., 92, 11lf., 114, 118, 134ff. - Antrag 135, 144 - u. Art. 20 NdsVerf. 145ff. - u. Bestätigung Landesregierung 145ff. - Einundzwanzig-Tage-Frist 140ff. - Entstehungsgeschichte 136ff. - geschäftsführende Regierung 151, 170, 214,211,229f. - Kompromiß 139, 169 - u. Landtagsauflösung 148f., 177, 190, 195 ff. - Praxis 134f., 14lf., 149 - ständiger Ausschuß 211 - Vergleich 153ff., 166ff. - u. Vertrauensfrage 202 Landesliste 82, 191 Landesministerium 45f., 208 Landtagspräsident 70, 82, 95, 187, 218, 222 - Abwahl 114 Logische Sekunde 225 Losverfahren 81 ff. Mehrheit der Abgeordneten siehe Abgeordnetenmehrheit Mehrheit, einfache 34, 41, 64, 77, 187, 192 Mehrheit der abgegebenen Stimmen 34, 162 Mehrheitsregierung 18, 60, 66ff., 74f., 93f., 149, 196, 199 Minderheitsregierung 34,71, 93f., 230 - Bestätigung 79ff. - Fälle 73
Stichwortverzeichnis - u. geschäftsführende Regierung 151, 198f.,215 - gewollte 34f., 73 - nach konstruktivem Mißtrauensvotum 149 - Notbehelf 34 - Problematik 77 - Wahl 73ff. Minister - Anzahl 38 ff. - Auswahl 42ff. - Berufung 38ff., 60ff., 65, 117, 224f. - geschäftsführender 99f., 230ff. - Herausschießen 118 122ff., - Mißtrauensvotum 118ff., 125ff., 153, 163, 165ff. - persönliche Anforderungen 38 - Vergleich 153ff. Ministeranklage 103 ff. - Bedeutung l03f., 112ff. - Kritik llOf. - gegen Ministerpräsidenten 103f., 133 - Regierungsentwurf 107 - Rücknahme 108f. - u. ständiger Ausschuß 211 - Vergleich 103 Fn. 6, 106, 157ff. - Voraussetzungen 108ff. - Voruntersuchung 109 Ministerpräsident - Ausscheiden 226 - Eignung 28f. - designierter 37f., 62ff. - geschäftsführender 215 ff., 228 - gewählter 37 - Mißbilligung 170ff. - persönliche Anforderungen 35ff. - Rücktritt 131ff., 146 - Tod 197, 227f. - WahI20ff., 43,131,142,197,206,211, 216 - Wahlvorschlag 20ff. Mißbilligung - Minister 121ff., 124, 130 - Ministerpräsidenten 170 ff., 206 - u. Mißtrauen 171ff. - Reaktion auf 173 - Regierung 170f. - ständiger Ausschuß 211
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- Stellvertreter des Ministerpräsidenten 56, 170ff. Mißtrauensvotum, einfaches 70, 120f., 142, 150, 153, 157, 163, 189f. s. a. Konstruktives Mißtrauensvotum, Mißbilligung Namentliche Abstimmung 163 Neuberufung 102, 117f. Notverordnungsrecht 78, 209, 213 Öffentlichkeit 29, 49f. Organisationsgewalt 39, 45ff. Organisationsstatut 17 Organstreit 111 f. Parlamentslose Zeit 183f. Parteienfinanzierung 191 Pattsituation 81ff. Pflichtverletzung 157 Primus inter pares 164f. Rechtssicherheit 150, 170 Redaktionsausschuß 72, 74, 138f., 170, 180f.,217 s. a. Entstehungsgeschichte - Protokolle 139,217 Redaktionsversehen 170 Regierung auf Zeit 33,43,45, 137, 177 Regierung, geschäftsführende 37, 41, 77, 133,151, 164, 198, 213ff. - Befugnisse 220ff. - Dauer 151, 170, 197,214,219 - konstruktives Mißtrauensvotum 229f. - u. Minderheitsregierung 214f. - Ministerberufung 224f. - Ministerentlassung 223f. - Rücktritt 222f. - Staatswohl 219 - stellvertretender Ministerpräsident 226f. - Vergleich 215, 218, 220, 222. 227 - Zumutbarkeit 218f. Regierungsbildung, fehlgeschlagene 59f. - Bestätigung der Landesregierung 66 - u. Landtagsauflösung 76f. - Wiederholung 63ff., 83ff. Regierungskrise 150, 168, 177, 184, 186, 198f.
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Stichwortverzeichins
Regierungsprogramm 30f., 62 Regierungsstabilität 119, 152, 161, 163, 168 - BayVerf. 158, 160f. - HessVerf. 153 - NdsVerf. 169, 173 - NWVerf. 163 Regierungsumbildung 89,91 Ressortprinzip 171 RessortwechseI117ff.,212 - Praxis 117f., 212 - u. Zustimmung des Landtags 117 Richtlinienkompetenz 46, 51, 93, 155, 164,171 Rücktritt 133, 146, 148, 151, 198,229 - Regierung, geschäftsführende 222f., 229 Rücktrittsangebot 99ff. - Bindung 101 - Wirkung 100f. - Zustimmung des Landtags lOlf. Rücktrittsaufforderung 121, 128f. Rücktrittserklärung 95f. - Grundgesetz 98f. - Wirksamkeit 97ff. - Wirkung 98ff. Rücktrittsgesuch 102f., 133 Rücktrittspflicht 63, 13lff. - in Bayern 158ff. - nach Landtagsauflösung 174 - Ministerpräsident 63, 131 ff. - SHLS 16lf., 167 - Systembruch 170 - Vergleich 132, 156 Rücktrittsrecht - Minister 95ff., 213, 230 - Ministerpräsident 98, 133, 213f. - Praxis 95 f., 230 Sechzig-Tage-Frist 184ff., 198,214 Splitterpartei 168 Staatsgerichtshof 17, 103, 105ff., 131, 216,220 Staatsoberhaupt 22, 26, 70, 75, 88, 138, 187,227 Ständiger Ausschuß 183ff., 208ff. - Funktion 208f. - Notverordnung 209,213 - Rechte 21Off.
- Stellung der Mitglieder 210 - Untersuchungsausschuß 210, 212 - Vergleich 183, 209 - Zusammensetzung 209 Stellvertreter des Ministerpräsidenten 50ff. - Bestätigung des Landtags 53ff., 58 - Ernennung 54 - GONdsLReg 58 - Inkompatibilität 56f. - u. konstruktives Mißtrauensvotum 52, 55 - Mißbilligunsvotum 56 - Praxis 53, 58 - Rechte 51, 55 - Regierung, geschäftsführende 226f. - Stellung 51ff., 55, 59 - Vergleich 50f., 57f. Stichwahl 71, 84f., 155,162 Streichung des Gehalts 121, 129f. - Vergleich 129 Tatfrage 159 Tod - Minister 232 - Ministerpräsident 216 Umgehung 148f. Untersuchungsausschuß 125, 210, 212 Verfassungsänderung 108, 175, 182ff., 194 - Kritik 182ff., 198 Verfassungsausschuß 19, 50, 7lf., 85, 112f., 119ff., 137ff., 158, 178ff. s. a. Entstehungsgeschichte Verfassungsentwurf s. a. Entstehungsgeschichte - DP-Entwurf 69ff., 136 - F.D.P.-Entwurf 69ff., 136 - Regierungsentwurf 70f., 136, 127ff. Verfassungsgerichtshof 159 f. Verfassungsstreitigkeit 159 f. Verfassungsverletzung 104f., 107, 109f., 112, 158, 216 Vertrauen 137, 208, 224, 229 Vertrauensfrage 70,175, 200ff. s. a. Vertrauensfrage, nichtfärmliche - Folgen 201 - u. konstruktives Mißtrauensvotum 202
Stichwortverzeichnis - NdsVerf.204ff. - Vergleich 2ooff., 206 Vertrauensfrage, nichtförmliche 204 ff. s. a. Vertrauensfrage - Folgen 206 - u. konstruktives Mißtrauensvotum 205f. - Zu lässigkeit 205 ff. Vertrauensfrage-Ersuchen 171 Vertrauensvotum 41,43,63,65,92, 154, 200 Verwaltung 136 Volksbegehren 187 Volksentscheid 181, 187 - Änderung des Entwurfs 194f. - Finanzfragen 193 - NWVerf. 193ff. Wahl - freie 26f., 80 - Ministerpräsident 20ff., 43, 59ff., 65ff., 77ff., 81ff.
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Wahlgänge 60, 83ff. Wahlgesetz, nds. 36f., 82 Weimarer Reichsverfassung 70, 103, 106, 124, 153f., 156, 164, 166 Wertung 144 Willensbildung 29 Zitierrecht 123 f., 210 Zustimmung des Landtags - Entlassungsaufforderung 127f. - Ministerberufung 47, 93f., 115f. - Ministerentlassung 47, 91ff., 175,223 - Ressortwechsel116ff. - Rücktritt, Minister 95ff., 230f. - Rücktritt, Ministerpräsident 98 - Rücktrittsgesuch 102f. - ständiger Ausschuß 211 f. - Zweck 115f. Zwei-Drittel-Mehrheit 86, 108ff., 112, 120,135,166, 180f., 188f., 200 Zwischen ausschuß 209