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German Pages [437] Year 2022
Thomas Duve / Jasper Kunstreich / Stefan Vogenauer (Hg.)
Rechtswissenschaft in der Max-Planck-Gesellschaft, 1948–2002
© 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
Studien zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft Herausgegeben von Jürgen Kocka, Carsten Reinhardt, Jürgen Renn und Florian Schmaltz Wissenschaftliche Redaktion: Birgit Kolboske Band 2
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Rechtswissenschaft in der Max-Planck-Gesellschaft, 1948–2002 Herausgegeben von Thomas Duve, Jasper Kunstreich und Stefan Vogenauer
Vandenhoeck & Ruprecht © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Jasper Kunstreich Die Rechtswissenschaft in der MPG – Versuch einer Vogelperspektive . . . 15 Felix Lange Zwischen völkerrechtlicher Systembildung und Begleitung der deutschen Außenpolitik. Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1945–2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Ulrich Magnus Geschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, 1949–2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Jan Thiessen Das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte . . . . . . . . 141 Sascha Ziemann Werben um Minerva. Die Gründungsgeschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Breisgau . . . . . . . . . . 197 Eric Steinhauer Ein Institut auf der Suche nach seinem Gegenstand. Die Geschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht von 1966 bis 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Eberhard Eichenhofer Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, 1975–2002 . . . . 361
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Herausgeber und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
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Vorwort 1. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist traditionell stark von den Naturwissenschaften, den gerne auch so genannten »hard sciences«, geprägt. Die Geisteswissenschaften waren und sind in der MPG eine Minderheit. Aber sie gehörten von Anfang an dazu.1 Großen Anteil daran, dass es bis heute eine Geistes-, Sozialund Humanwissenschaftliche Sektion in der MPG gibt, hatte die Rechtswissenschaft.2 Mit zwei Instituten – für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht sowie für ausländisches und internationales Privatrecht – war sie bereits seit 1924 bzw. 1926 in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertreten. In den Nachkriegsjahrzehnten sollten sie substanziellen Zuwachs erhalten. Bis 1982 wurden vier weitere juristische Max-Planck-Institute (MPIs) gegründet oder in die Gesellschaft aufgenommen. Die Geschichten dieser insgesamt sechs Forschungseinrichtungen im Zeitraum von 1948 bis 2002 sind Gegenstand dieses Bandes. Quantitativ vereinigten die juristischen Institute zeitweise so viel Personal und Mittel auf sich wie alle anderen geistes- und sozialwissenschaftlichen Institute der Max-Planck-Gesellschaft zusammen. Dagegen gab es auch innerhalb der MPG Vorbehalte. Der Gründungsdirektor des Instituts für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt, Helmut Coing, berichtete einmal: »Die Naturwissenschaftler […] murren schon erheblich über die – wie sie sich ausdrücken – juristische Fakultät, die sie bekommen haben.«3 Eine »Fakultät« – diese Beschreibung ist nicht ganz fernliegend, pflegten doch die juristischen Institute lange Zeit eine ausgeprägte Komplementarität, also eine Arbeitsteilung entlang der gängigen Unterteilungen der Disziplin, wie sie auch in den rechtswissenschaftlichen Fachbereichen der Universitäten ausgeprägt war. Jedes Institut durchlief daher auch eine ganz singuläre Entwicklung. Bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch zahlreiche Gemeinsamkeiten, die zu übergreifenden Fragestellungen Anlass geben. Wie konnte sich ausgerechnet in der MPG, einer von den Naturwissenschaften dominierten Organisation, ein 1 Den Anfang machte 1913 als eines der frühen Kaiser-Wilhelm-Institute (KWIs) die Bibliotheca Hertziana (heute: »Bibliotheca Hertziana – MPI für Kunstgeschichte«) in Rom. 2 Michael Stolleis: Erinnerung – Orientierung – Steuerung. Konzeption und Entwicklung der »Geisteswissenschaften« in der Max-Planck-Gesellschaft. In: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Forschung an den Grenzen des Wissens. 50 Jahre Max-Planck-Gesellschaft 1948–1998. Dokumentation des wissenschaftlichen Festkolloqui ums und der Festveranstaltung zum 50jährigen Gründungsjubiläum. Göttingen 1998, 75–91, 76. 3 Brief von Helmut Coing an Kurt Hans Biedenkopf ca. 1971, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1074, fol. 111.
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Vorwort
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derart ausgeprägter Zweig an juristischer Forschung etablieren? Welchen Logiken folgten die einzelnen Institutsgründungen? Wie gelang es den Instituten, die inländische und universitäre Rechtswissenschaft nicht nur zu ergänzen, sondern ihr richtungsweisende Impulse zu geben? Wie entwickelten sie sich zu Knotenpunkten des internationalen Wissenstransfers, und auf welche Weise trugen sie zur Rehabilitierung der deutschen Rechtswissenschaft nach dem Ende des nationalsozialistischen Terrors bei? Auf diese und andere Fragen versucht dieser Band, eine Antwort zu geben.
2. Die alle juristischen MPIs während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbindenden Gemeinsamkeiten lassen sich in fünf Schlagworten zusammenfassen: rechtswissenschaftliches Selbstverständnis – Grundlagenbezug – Interdisziplinarität – Internationalität – Infrastruktur. Wie bereits die beiden juristischen Kaiser-Wilhelm-Institute der Vorkriegszeit, so verstanden sich auch die in diesem Band behandelten Institute der Nachkriegszeit dezidiert als Bestandteil einer größeren Fachgemeinschaft in Deutschland, der Rechtswissenschaft, deren eigene Vertreter auch häufig von »Rechtswissenschaften« im Plural sprechen, um der Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Untersuchungsgegenstände Rechnung zu tragen. Zu dieser community, wie man heute sagen würde, gehörten und gehören neben den juristischen Fakultäten zahlreiche Fachverbände und – abweichend von anderen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen – wissenschaftlich interessierte Praktiker, also Juristen, die an Gerichten sowie in Anwaltskanzleien, Verbänden, Unternehmen und Parlamenten tätig sind. Die Rechtswissenschaft steht also in engem Austausch mit einer Praxis, die wiederum ihre »Wissenschaftlichkeit« als Qualitätsausweis sieht. Mit dieser deutschen Rechtswissenschaft und der ihr verbundenen Rechtspraxis waren die juristischen MPIs stets eng verwoben, schon allein, weil sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Studentischen Hilfskraft bis hin zum Direktor aus den Fakultäten rekrutierten und gleichzeitig maßgeblichen Anteil an der Ausbildung des wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Nachwuchses hatten. Zum rechtswissenschaftlichen Selbstverständnis der MPIs der Nachkriegsjahrzehnte gehörte auch die Grundannahme einer Zugehörigkeit zu den hermeneutisch arbeitenden Textwissenschaften. An den Instituten wurden primär Texte und Informationen gesammelt, aufbereitet, systematisiert, ausgelegt und schließlich gedeutet. Mindestens ebenso wichtig war aber auch, die gewonnenen Erkenntnisse über das geltende Recht für dessen Fortbildung und Verbesserung fruchtbar zu machen und dazu konstruktive Vorschläge bis hin zu konkreten Gesetzesentwürfen zu machen – auch dies eine in der deutschen Rechtswissenschaft tief verwurzelte Selbstzuschreibung ihrer legitimen Aufgaben. Michael Stolleis, einer der Nachfolger Coings am Frankfurter Institut, hat dieses Arbeiten © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
Vorwort
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einmal wie folgt zusammengefasst und den anderen Hauptgruppen in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Sektion der MPG gegenübergestellt: Die[se] Gruppe schließlich sind die Deontiker, die sich der Analyse, Kommentierung oder Systematisierung bestehender, aber auch der Schaffung neuer Sollens-Sätze widmen. […] Das alles braucht Geduld und Ruhe, große Kapazitäten des Sammelns und Ordnens. Entscheidend ist die Bezugsgruppe derer, die es angeht, die internationale Gemeinschaft der Rechtsproduzenten und Rechtsanwender. Die hier tätigen Max-Planck-Institute sind internationale Knotenpunkte des normativen Ordnungsgeflechts unserer Welt.4
Von den rechtswissenschaftlichen Fakultäten und der dort vorherrschenden Konzentration auf die praxisrelevanten juristischen Kernfächer unterschieden sich die MPIs durch ihre starke Grundlagenorientierung. Diese wiederum ist zentrales Anliegen und wichtigste Aufgabe der MPG. An den Fakultäten im westlichen Nachkriegsdeutschland wurde in erster Linie die grundständige Juristenausbildung verantwortet und zum nationalen, heimisch geltenden Recht geforscht. Im Vordergrund stand das, was Stolleis in dem eben genannten Zitat beschrieb und was Juristen in der Regel als »Rechtsdogmatik« bezeichnen. Die juristischen MPIs konnten hier eine dezidiert andere Perspektive einnehmen. Sie hatten den Auftrag und die Freiheit dazu.5 Bewusst wandten sie sich daher den Grundlagenfächern zu – wie schon in der Vorkriegszeit, insbesondere der Rechtsvergleichung und den internationalen Dimensionen des Rechts, später kamen die Rechtsgeschichte sowie die europäischen Bezüge hinzu. Anders als an den universitären Fakultäten, wo sich überwiegend ein Gegensatz von Grundlagenfächern und rechtsdogmatischen Fächern eingespielt hatte, versuchten die juristischen MPIs stets beides gleichzeitig zu machen.6 Die Grundlagenfächer und ihre Methoden wurden zur Erschließung solcher Rechtsgebiete eingesetzt, die an den Universitäten überwiegend nur als Nebengebiete behandelt wurden, weil sie im Staatsexamen keine oder nur eine geringe Rolle spielten. Dazu gehörten etwa das Internationale Privatrecht, das Völkerrecht, das Immaterialgüterrecht oder das Sozialrecht. Die MPIs konnten das mit größerer Aufmerksamkeit und Tiefe leisten, als es an den Universitäten möglich war. Häufig waren sie es deshalb auch, die mit einer gewissen Distanz zur Kritik am bestehenden Rechtssystem oder an der juristischen Ausbildung beitrugen.7 Der Erfolg dieser Betonung der Grundlagen zeigt sich heute nicht zuletzt daran, dass vergleichende, europäische und internationale
4 Stolleis, Erinnerung – Orientierung – Steuerung, 1998, 79. 5 So auch Wissenschaftsrat (Hg.): Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland. Situa tion, Analysen, Empfehlungen. Köln: Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates 2012, 45. 6 Ebd., 51. 7 Ebd., 40, 45; Hein Kötz: Zehn Thesen zum Elend der deutschen Juristenausbildung. Zeitschrift für europäisches Privatrecht 4/4 (1996), 565–569, 565, 567.
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Ansätze hierzulande mittlerweile zum Mainstream der rechtswissenschaftlichen Forschung und Lehre gehören. Vorsichtig öffneten sich die Institute dem interdisziplinären Arbeiten, indem auch die Kriminologie oder – in begrenztem Umfang – Rechtssoziologie in das Portfolio aufgenommen wurden. Erst später erfolgten ernsthafte Schritte hin zu stärkerer Interdisziplinarität, etwa im Hinblick auf die Rechtsanthropologie und den Einsatz von digital humanities, sowie durch die Integration von Politikwissenschaften, klassischen Wirtschaftswissenschaften, Finanzwissenschaft und Verhaltensökonomie. Die meisten dieser Entwicklungen waren jedoch mit Institutsneugründungen oder grundlegenden Institutsumstrukturierungen verbunden, und sie erfolgten erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Sie fallen daher nicht mehr in den Untersuchungszeitraum dieses Bandes. Bereits wesentlich früher vollzog sich die starke Internationalisierung der Institute, die schon im Hinblick auf die vergleichenden, europäischen und internationalen Forschungsansätze nahelag. Großzügige Gästeprogramme dienten dazu, Juristinnen und Juristen aus der ganzen Welt an die Institute zu holen und in einen internationalen Dialog einzutreten.8 Forschungsaufenthalte im Ausland konnten finanziert werden. Gerade in der unmittelbaren Nachkriegszeit waren es die juristischen MPIs, die eine international isolierte deutsche Jurisprudenz wieder in den internationalen wissenschaftlichen Diskurs integrieren konnten.9 Damit beteiligten sich die Institute schließlich auch selbst an den großen Debatten im internationalen Kontext. Weil sich Methode und Aufgabenstellung der Rechtsdogmatik von einer zur anderen Rechtsordnung und Rechtssprache stark unterscheiden können, waren dies immer auch Versuche, diese besser zu verstehen und vergleichend zu arbeiten. Die MPIs wurden über die Jahrzehnte schließlich auch unverzichtbarer Bestandteil einer Art von rechtswissenschaftlicher Infrastruktur in Deutschland. Ihnen kam die Aufgabe zu, das ausländische und internationale Recht ihres jeweiligen Rechtsgebiets systematisch aufzuarbeiten. Sie sammelten Informationen in beträchtlichem Umfang und bauten Spezialbibliotheken auf, die ihresgleichen suchten.10 Mit dem Medienwandel kamen umfangreiche Datenbankprojekte hinzu. Manche Institute hatten eigene Länderreferate eingerichtet, deren Mitarbeiter sich intensiv mit der Sprache und Rechtsordnung eines speziellen Landes auseinandersetzten. Es gab Länderreferentinnen und -referenten, die ihre gesamten akademischen Karrieren auf einem solchen Posten zubrachten und zu Koryphäen des lateinamerikanischen, japanischen, chinesischen oder dänischen Rechts wurden. Diese Länderreferate waren es auch, die am häufigsten
8 Robert A. Riegert und Paul G. Kauper: The Max-Planck-Institute for Foreign Public Law and International Law. The International Lawyer 3/3 (1969), 506–524, 512. 9 Siehe die Beiträge von Felix Lange und Ulrich Magnus in diesem Band. 10 Friedrich Korkisch: Die rechtswissenschaftlichen Institute der Max-Planck-Gesellschaft. Studium Generale 16/5 (1963), 258–266.
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Vorwort
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Gutachten zu Rechtsfragen mit internationalem oder ausländischem Bezug für deutsche Gerichte und andere staatliche Stellen erstatteten.
3. Jenseits aller Gemeinsamkeiten hatte und hat jedoch jedes der sechs Institute seine eigene und unverwechselbare Identität. Das bereits erwähnte komplementäre Verhältnis, in dem die Institute zueinander standen, führte unter anderem dazu, dass es im hier betrachteten Zeitraum unterhalb der Direktorenebene nicht zu engerer Zusammenarbeit kam. Die jeweiligen Zuständigkeiten waren klar definiert. Jedes der juristischen Fächer hatte seinen spezifischen Forschungsbereich und damit auch seine besonderen Anforderungen. Die Geschichte der Rechtswissenschaft in der MPG ist damit zu einem großen Teil auch das Nebeneinander verschiedener Institutsgeschichten mit nur vereinzelten konkreten Berührungspunkten. Das kommt in den folgenden Kapiteln zum Ausdruck. Jasper Kunstreich arbeitet einleitend die Bezugspunkte heraus, indem er aus der Vogelperspektive auf die juristischen Institute als Ensemble blickt. Auch wenn sie häufig nebeneinanderher arbeiteten, bildeten sie sehr oft eine Gruppe innerhalb der geistes- und sozialwissenschaftlichen Sektion mit ihrer durchaus eigenen Logik. Eine Reihe gemeinsamer sozialer, materialer und epistemischer Praktiken rechtfertigen es, von einem rechtswissenschaftlichen »Cluster« in der MPG zu sprechen.11 In den folgenden Kapiteln des Bandes werden die einzelnen Institute in chronologischer Abfolge der Gründungsdaten vorgestellt. Felix Lange behandelt das Heidelberger MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Wie auch das spätere Hamburger Institut für ausländisches und internationales Privatrecht war es bereits in den zwanziger Jahren als Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin gegründet worden. Tatsächlich fiel es dem Institut nicht leicht, sich von seinem Wirken während des Nationalsozialismus und den verantwortlichen Personen zu distanzieren; erst schrittweise konnten Vertrauen und Reputation wieder aufgebaut werden. Bei dieser Arbeit muss insbesondere die Rolle des langjährigen Nachkriegsdirektors Hermann Mosler hervorgehoben werden, der die deutsche Völkerrechtswissenschaft wieder in den Kreis der internationalen Wissenschaft führte. Ulrich Magnus zeigt das Wachstum des MPI für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, das die Vielseitigkeit und Dynamik seines Rechtsgebiets in einer Zeit profunden Wandels nachvollzogen hat. Denn das Institut hatte maßgeblichen Anteil daran, nicht nur das deutsche internationale 11 Zur Definition des Clusters Carsten Reinhardt, Einleitung zu Kapitel III in: Jürgen Kocka et al. (Hg.): Die Max-Planck-Gesellschaft. Wissenschafts- und Zeitgeschichte 1945–2005. Göttingen 2023, im Erscheinen.
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Privatrecht, sondern auch das inländische Privatrecht im Zusammenhang mit der zunehmenden internationalen Verflechtung dogmatisch fortzubilden. Zugleich war es ein Zentrum für den Austausch ausländischer und inländischer Privatrechtlerinnen und Privatrechtler – in Zeiten des Kalten Krieges insbesondere auch für Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem Osten. Das Institut begleitete zudem die Entstehung des europäischen Binnenmarktes wie kaum eine andere wissenschaftliche Einrichtung in Deutschland. Jan Thiessen nimmt sich der Entwicklung des Frankfurter MPI für Europäische Rechtsgeschichte (seit 2021: MPI für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie) an und legt hier eine Chronik des Instituts vor, die bis in die Gegenwart reicht. Er zeigt, wie das Institut mit inneren und äußeren Widerständen zu tun hatte: Anlässlich seiner Gründung musste die MPG ihre Zuständigkeit, auch geisteswissenschaftliche Institute zu gründen, verteidigen; auch die traditionell auf Deutschland fokussierte Rechtsgeschichte an den Universitäten stand dem Institut zum Teil skeptisch gegenüber. In den 1980er Jahren überschattete ein interner Konflikt die Arbeit. 2012 ist das Institut gleichsam »heim« gekommen, zurück ins Frankfurter Westend, in ein neues Gebäude und mit einer neuen Ausrichtung. Sascha Ziemann beschäftigt sich in seinem Beitrag mit den Anfängen des Freiburger MPI für ausländisches und internationales Strafrecht (seit 2020: MPI zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht). Obwohl die MPG schon länger Interesse gezeigt hatte, das Strafrecht in ihren Forschungsverbund aufzunehmen, war die Überführung nicht unproblematisch und gelang erst in den 1960er Jahren. Die Wahl des Standorts Freiburg war einer besonderen strafrechtsvergleichenden Forschungstradition zu verdanken, die sich schon vor dem Zweiten Weltkrieg an der Universität etabliert hatte und in den 1950er Jahre in die Errichtung eines gemeinsamen von Bund, Land und Universität getragenen Stiftungsinstituts gemündet war. Eric Steinhauer zeigt in seinem Beitrag auf, wie das Münchener Institut für ausländisches Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht (seit 2013: MPI für Innovation und Wettbewerb) seinen eigenen Forschungsgegenstand beständig fortgebildet hat. Dafür wurde zum Ende unseres Untersuchungszeitraums eine umfassende Standortbestimmung nötig, die gleich mehrere Namensänderungen mit sich brachte. Dass sich das Institut gerade darin erstaunlich treu geblieben ist, beschreibt Steinhauer mit dem der Theologie entlehnten Begriff des »Gründungscharismas«. Eberhard Eichenhofer beschreibt in seinem Beitrag nicht nur die Geschichte des Münchener MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht (seit 2011: MPI für Sozialrecht und Sozialpolitik), sondern zugleich auch die Etablierung und Ausdifferenzierung dieses Rechtsgebiets in der Bundesrepublik. Es wird deutlich, welchen Anteil dieses Institut an der Fortbildung, der nationalen Gesetzgebung und der europäischen Harmonisierung des Sozialrechts hatte, gerade auch durch die Figur seines Gründungsdirektors und späteren MPG -Präsidenten Hans F. Zacher. Die Geschichten von MPI und Sozialrecht verlaufen in dieser Betrachtung gleichsam komplementär. © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
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4. Mittlerweile ist die Gruppe der juristischen Institute in der MPG auf zehn angewachsen. Nach der Jahrtausendwende wurden noch das Bonner MPI zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, das MPI für Steuerrecht und öffentliche Finanzen in München sowie, erstmals außerhalb Deutschlands, das MPI for International European und Regulatory Procedural Law in Luxemburg gegründet. Am Hallenser MPI für ethnologische Forschung entstand eine eigene Abteilung zur Rechtsanthropologie. Zwischenzeitlich kam auch die mittlerweile wieder geschlossene Abteilung für Ethik, Recht und Politik am MPI zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften in Göttingen hinzu. Im Oktober 2019 schlossen sich die beteiligten Institute und Abteilungen zum Netzwerk »Max Planck Law« zusammen, um das Spannungsverhältnis zwischen Individualität der unabhängig verfassten Institute und den institutsübergreifend verbindenden Interessen und Fragestellungen fruchtbar zu machen. Am Vorabend des hundertjährigen Bestehens des ersten juristischen MPI steht also zu erwarten, dass die Geschichte der »Rechtswissenschaft in der Max-PlanckGesellschaft« noch lange in die Zukunft fortgeschrieben werden kann. Eine lange Geschichte hat auch dieser Band. Er entstand als Teilprojekt im Rahmen des Forschungsprogramms »Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft (1948–2002)«, das vom Berliner MPI für Wissenschaftsgeschichte administriert wird. Wir danken Kollegium und Koordination des GMPG -Programms sowie den Autoren dieses Bandes herzlich und nachdrücklich für ihre Unterstützung und ihre Geduld. Wir sind froh und dankbar, dass wir Autoren gewinnen konnten, die neben ihrer rechtshistorischen Expertise auch ausgewiesene Kenner der Materien der von ihnen behandelten Institute sind. Auf diese Weise konnten sie den spezifischen Beitrag der MPIs zur Rechtswissenschaft besonders gut einordnen und bewerten. Besonderer Dank gilt schließlich Michael Stolleis. Er war von Anfang an Mitglied im Fachbeirat des GMPG -Programms. Von ihm ging die Initiative zu diesem Band aus, wobei es ihm ein besonderes Anliegen war, im Titel von der »Rechtswissenschaft« im Singular zu sprechen. Bis zu seinem Tod im März 2021 übernahm er auch die schwierige Aufgabe, alle Beiträge des Forschungsprogramms einer so genannten »Outputkontrolle« zu unterziehen.12 Sie diente nicht einer Kontrolle von Inhalt oder Stil der Beiträge, sondern ist der zeitgeschichtlichen Natur des Projekts geschuldet: Da einige der Akteure noch leben, können Situationen entstehen, in denen das zeithistorische Forschungsinteresse gegenüber schützenswerten Persönlichkeitsrechten abgewogen werden und gegebenenfalls zurücktreten muss. Michael Stolleis hat diesbezüglich – solange er konnte – alle Beiträge (auch diejenigen des vorliegenden Bandes) mit großer Gewissenhaftigkeit überprüft. Er tat dies mit der ihm eigenen Mischung 12 Danach hat Stefan Vogenauer diese Funktion übernommen.
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Vorwort
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aus Pflichtbewusstsein, wissenschaftlicher Neugier und selbstverständlichem Dienst an der Gemeinschaft, zu der er sich zählte und der er etwas zurückgeben wollte. Für seine Unterstützung – nicht nur bei diesem Band – sind wir Michael Stolleis dankbar, und es erfüllt uns mit Traurigkeit, dass er das fertige Werk nun nicht mehr in den Händen halten kann. Der Band soll ihm gewidmet sein. Frankfurt am Main, im Mai 2022
Thomas Duve Jasper Kunstreich Stefan Vogenauer
Anhang Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Wissenschaftlicher Rat (auch GV Neuvorhaben / Neugründungen), AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1074
Literatur Korkisch, Friedrich: Die rechtswissenschaftlichen Institute der Max-Planck-Gesellschaft. Studium Generale 16/5 (1963), 258–266. Kötz, Hein: Zehn Thesen zum Elend der deutschen Juristenausbildung. Zeitschrift für europäisches Privatrecht 4/4 (1996), 565–569. Riegert, Robert A. und Paul G. Kauper: The Max-Planck-Institute for Foreign Public Law and International Law. The International Lawyer 3/3 (1969), 506–524. Stolleis, Michael: Erinnerung – Orientierung – Steuerung. Konzeption und Entwicklung der »Geisteswissenschaften« in der Max-Planck-Gesellschaft. In: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Forschung an den Grenzen des Wissens. 50 Jahre MaxPlanck-Gesellschaft 1948–1998. Dokumentation des wissenschaftlichen Festkolloquiums und der Festveranstaltung zum 50jährigen Gründungsjubiläum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998, 75–91. Wissenschaftsrat (Hg.): Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland. Situation, Analysen, Empfehlungen. Köln: Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates 2012.
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Jasper Kunstreich
Die Rechtswissenschaft in der MPG – Versuch einer Vogelperspektive
1. Einleitung Die Geschichte der Rechtswissenschaft in der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) beginnt im alten Berliner Stadtschloss. Dort residierten die ersten beiden juristischen Kaiser-Wilhelm-Institute für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht respektive für ausländisches und internationales Privatrecht gemeinsam mit der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG).1 Man war weit weg von den naturwissenschaftlichen Instituten in Dahlem.2 Umso näher war man am politischen Puls, in der Mitte der Hauptstadt der Weimarer Republik, in Laufweite der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität und der Staatsbibliothek. Unter dem Dach des Stadtschlosses also, das die beiden Institute beherbergte, wurde Rechtsvergleichung betrieben und den Entscheidungsträgern in Justiz, Politik und Wirtschaft Expertise im internationalen Recht bereitgestellt.3 Nazi-Herrschaft und Krieg vereinnahmten auch diese Kaiser-Wilhelm-Insti tute (KWIs): Sie erstellten Gutachten zu den Rechtsordnungen der von der Wehrmacht besetzten Gebiete.4 Es wurde über Rechtsvereinheitlichung im Großdeutschen Raum geschrieben.5 Jüdische Wissenschaftler mussten die Häuser verlassen – allen voran der Gründungsdirektor des privatrechtlichen Instituts, Ernst Rabel (1874–1955).6 Mit dem Krieg und den Fliegerbomben kam die 1 Rüdiger Hachtmann: Strukturen, Finanzen und das Verhältnis zur Politik. Der organisatorische Rahmen. In: Peter Gruss und Reinhard Rürup (Hg.): Denkorte. Max-Planck-Gesellschaft und Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Brüche und Kontinuitäten 1911–2011. Dresden 2010, 60–69, 62. 2 Dieter Grömling und Susanne Kiewitz: Räume zum Denken. Bauen für die Wissenschaft. In: Ebd., 34–47, 35 f. 3 Felix Lange: Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945. Berlin 2017, 76. 4 Siehe den Beitrag von Felix Lange in diesem Band. 5 Vgl. Ingo Hueck: Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht. In: Doris Kaufmann (Hg.): Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bd. 1: Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Göttingen 2000, 490–527. Ebenso Lange, Praxisorientierung, 2017, 40, Anm. 58. 6 Rolf-Ulrich Kunze: Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht 1926–1945. Göttingen 2004, 164–167.
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Sorge um die teuren Spezialbibliotheken. Sie wurden 1944 aus Berlin fortgeschafft, von der preußischen Hauptstadt in die süddeutschen Universitätsstädte Heidelberg und Tübingen.7 Fortan trennten sich die weiteren Wege der beiden Institute; womöglich war das sogar eine notwendige Voraussetzung für die weitere Verästelung und das Wachstum des juristischen »Clusters« in der späteren MPG . Nach Kriegsende und Auflösung der KWG wurde das Kaiser-WilhelmInstitut für ausländisches und internationales Privatrecht zunächst unter demselben Namen fortgeführt, bis es 1949 in die MPG aufgenommen wurde und seitdem als Max-Planck-Institut (MPI) für ausländisches und internationales Privatrecht firmiert.8 Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht wurde zunächst geschlossen und 1949 als MaxPlanck-Institut neu gegründet. Beide Institute haben aus der KWG -Zeit eine spezielle Logik und Sonderstellung in die MPG übernehmen können, die sich inzwischen auch auf die später gegründeten juristischen Institute erstreckt. Auf diese Sonderstellung hat Jürgen Habermas seinerzeit hingewiesen, als er den Direktorenposten am Starnberger Institut niederlegte9: Ihm leuchte die Einrichtung von Forschungsinstituten und »organisierter Wissenschaft« nicht ein, jedenfalls nicht, wenn man keine »Großforschung« betreibe. Das sei aber für die Geisteswissenschaften überwiegend nicht der Fall, mit Ausnahme der Juristen, die sich in der Max-PlanckGesellschaft aus historischen Gründen wiederfänden.10 Mit der Sonderstellung, die Juristinnen und Juristen häufig – ob gewollt oder nicht – einnehmen, sind die allermeisten bereits aus dem universitären Kontext vertraut. Sie hat aber auch mit spezifisch juristischen Methoden der Wissensproduktion zu tun, die sich Außenstehenden nicht sofort erschließen. In einem Band, der sich nicht ausschließlich an Juristinnen und Juristen wendet, mag deshalb zu Beginn eine – freilich grob vereinfachende Erläuterung – angezeigt sein. Juristinnen und Juristen widmen sich der Analyse, Kommentierung und Systematisierung (häufig auch Sortierung) sowie der Schaffung neuer SollensSätze.11 Das Zustandekommen, die Auslegung und die Anwendung von Normen stehen (zumeist) im Zentrum der Erkenntnisprozesse. Als Realakte in der phy7 Vgl. Nachruf von H. Neuhaus: Hans Rupp. 30.8.1907–14.9.1989. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 54/2 (1990), 201–202. 8 Siehe zum Fortbestand des Instituts nach Auflösung der Kaiser Wilhelm Gesellschaft in der französischen Zone, AMPG , I. Abt., Rep. 37, Nr. 21–22. 9 Jürgen Habermas: Das Starnberger Debakel. Die Zeit 20 (8.5.1981). https://www.zeit. de/1981/20/das-starnberger-debakel/komplettansicht. Zuletzt aufgerufen am 23.3.2022. 10 Vgl. auch Ariane Leendertz: Medialisierung der Wissenschaft. Die öffentliche Kommunikation der Max-Planck-Gesellschaft und der Fall Starnberg (1969–1981). Geschichte und Gesellschaft 40/4 (2014), 555–590. 11 Michael Stolleis: Erinnerung – Orientierung – Steuerung. Konzeption und Entwicklung der »Geisteswissenschaften« in der Max-Planck-Gesellschaft. In: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Forschung an den Grenzen des Wissens. 50 Jahre Max-Planck-Gesellschaft 1948–1998. Göttingen 1998, 75–92.
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sisch sichtbaren und wahrnehmbaren Welt vorgefundene Phänomene werden nach normativen Vorgaben und Kriterien sortiert und in die Sprache des Rechts übersetzt.12 Dabei werden Juristinnen und Juristen letztlich von Konzepten wie Gerechtigkeit, Rationalität und Interessensausgleich angeleitet – weniger von dem Streben nach objektiver Wahrheit. Werturteile sollen nachvollziehbar gemacht werden. Die Frage nach Recht oder Unrecht wird im konkreten Einzelfall beantwortet.13 Die so herbeigeführte Einzelfallgerechtigkeit soll sich wiederum widerspruchslos in das große Ganze des Rechtssystems einfügen und dieses teilweise fortbilden. Ob eine Entscheidung in diesem Sinne vertretbar ist oder nicht, ist eine Frage der Rechtsdogmatik – das Kerngeschäft der Rechtswissenschaften.14 Dabei geht es darum, das Recht aus dem Recht heraus, mit der Methodik und den Mitteln des Rechts zu erklären.15 Das bringt den Rechtswissenschaften bisweilen den Vorwurf der Selbstreferentialität ein. Es erklärt aber auch die Verzahnung mit den übrigen Institutionen des Rechtslebens, insbesondere der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Anwaltschaft. Sie alle sind täglich mit der Schaffung, Auslegung und Anwendung von Recht befasst und greifen dabei oft auf Kommentare, Lehrbücher und Urteilsanmerkungen zurück. Dieses sogenannte Schrifttum ist allerdings mitnichten ein bloß professorales Produkt; auch viele Anwälte und Richter steuern Aufsätze in Fachzeitschriften und Kommentierungen bei, während umgekehrt Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler bei Gesetzesvorhaben angehört werden.16
12 Hubert Rottleuthner: Methodologie und Organisation der Rechtswissenschaft. In: Eric Hilgendorf und Helmuth Schulze-Fielitz (Hg.): Selbstreflexion der Rechtswissenschaft. Tübingen 2021, 241–285, 248. 13 Wolfgang Schön: Quellenforscher und Pragmatiker – Ein Schlusswort. In: Christoph Engel und Wolfgang Schön (Hg.): Das Proprium der Rechtswissenschaft. Tübingen 2007, 313–321, 317 f. 14 Peter Stegmaier: Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive. In: Julian Krüper (Hg.): Grundlagen des Rechts. 3. Auflage. Baden-Baden 2017, 67–90. 15 Jannis Lennartz: Dogmatik als Methode. Tübingen 2017. 16 Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler werden konsultiert, etwa um einen Gesetzesentwürfe vorzubereiten oder zu kommentieren oder um die relevante Rechtsprechung zu einem Gebiet zu systematisieren. Teilweise geschieht dies in ständigen Gremien, wie die deutsche Monopolkommission, die Deutsche Gesellschaft für Internationales Recht oder der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht. Vgl. Auch Stefan Vogenauer: An Empire of Light? II: Learning and Lawmaking in Germany Today. Oxford Journal of Legal Studies 26/4 (2006), 627–663.
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2.
Ein Cluster entsteht
2.1
Warum die MPG?
Ein Element der Politikberatung schwingt von Anfang an mit bei der Entscheidung, juristische Forschung in außeruniversitären Einrichtungen durchzuführen. Gegründet 1924 in Berlin ging es im Falle des Instituts für Völkerrecht auch darum, die deutsche Kritik am Versailler Vertrag wissenschaftlich zu untermauern.17 Nur kurz darauf, 1926, folgte das privatrechtliche Institut. Die Initiative dafür ging von der Deutschen Industrie aus, die sich von diesem Institut Expertise bei Geschäften und Transaktionen mit Auslandsbezug erhoffte.18 Man könnte den Fortbestand der Rechtswissenschaften in der MPG schlicht als Pfadabhängigkeit beschreiben, als eine Erbmasse, die aus der KWG in die MPG übernommen wurde. Dagegen spricht allerdings, dass andere Erbteile der KWG mühelos abgestoßen wurden.19 Und auch unabhängig von der Einbettung in KWG oder MPG war der Fortbestand der beiden juristischen Institute für sich genommen nach 1945 mehr als unsicher.20 Ein Teil der Erklärung für den Fortbestand der Rechtswissenschaften in der MPG liegt in der MPG selbst bzw. in ihrer eher schwach ausgeprägten geisteswissenschaftlichen Sektion. Diese war im Vergleich zu den Naturwissenschaften vernachlässigbar. Die Sektion wurde zunächst sogar überhaupt nur mit den juristischen Instituten wiederbelebt. Damit hatten die Juristen für die gesamte Sektion eine Ankerfunktion, um diese in der MPG zu halten. Treibende Kraft für die Etablierung der geisteswissenschaftlichen Sektion war Prälat Georg Schreiber (1882–1963), der 1945 erster Nachkriegsrektor der Universität Münster
17 Daneben aber auch, um als Auskunftsstelle für deutsche Behörden und Gerichte zu dienen. Aus der Denkschrift zur Gründung des völkerrechtlichen Instituts: »Es fehlt vollkommen an einer Stelle, die aufgrund systematischer Sammlung und Bearbeitung des ausländischen Materials im Stande wäre, rasch Auskunft über Rechtsfragen, die das ausländische öffentliche Recht, wie das Völkerrecht betreffen, zu erteilen.« Denkschrift vom 30.10.1925, PA AA RZ 403/54245, zitiert nach Lange, Praxisorientierung, 2017, 75, Fußnote 6, vermutlich verfasst von Viktor Bruns. 18 Jürgen Basedow: Der Standort des Max-Planck-Instituts – Zwischen Praxis, Rechtspolitik und Privatrechtswissenschaft. In: Jürgen Basedow et al. (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, 3–16. 19 Siehe dazu Alexander von Schwerin, Die Landwirtschaftswissenschaften in der MPG . Vom Agro-Cluster zur Grünen Biologie. Ιn: Jürgen Kocka et al. (Hg.): Die Max-Planck-Gesellschaft. Wissenschafts- und Zeitgeschichte 1945–2005. Göttingen 2023, im Erscheinen. 20 Felix Lange: Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts (MPI) nach dem Zweiten Weltkrieg. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 74/4 (2014), 697–731. Siehe außerdem den Schriftverkehr Dölles in Tübingen über die Unsicherheit des Fortbestands des privatrechtlichen Instituts, AMPG , I. Abt., Rep. 37, Nr. 22.
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und Senator der neugegründeten MPG wurde.21 Schreiber wurde 1951 auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des MPI für Völkerrecht und startete einen Versuch, die Sektion zu erweitern.22 1953 folgte die Rückführung der Biblioteca Hertziana in die MPG, 1956 kam das MPI für Geschichte in Göttingen hinzu.23 Die Juristen machten 50 Prozent der Sektion aus und waren am ehesten geeignet, auch gegenüber der Politik den Bedarf für die Neugründung weiterer geisteswissenschaftlicher Institute zu rechtfertigen.24 Kurzum: Die Sektion brauchte die Juristen. Umgekehrt brauchten die Juristen aber auch die MPG. Gerade die Rechtsvergleichung erfordert ein Spektrum an Kenntnissen und umfangreiche Ausstattung: juristische Ausbildung, Vertrautheit mit einer ausländischen Rechtsordnung (und ihrer Rechtsdogmatik), Fremdsprachenkenntnisse, Hintergrundwissen zum politischen System und gesellschaftlichen Vorgängen im Land; dazu die ganzen Materialien in Form von ausländischen Fachzeitschriften, fremdsprachlicher Literatur und der Gesetzestexte im Original.25 Eine arbeitsteilige Herangehensweise, die Arbeit in einem Team, in dem jeder seine Kenntnisse und Auslandserfahrungen einbringen kann, verspricht hier enorme Synergieeffekte.26 Das gleiche gilt für die Fachbibliotheken, die dafür notwendig waren. Das heißt, es ließ sich in zwei Richtungen argumentieren: Rechtsvergleichende Projekte von einer signifikanten Größenordnung bedurften der Einrichtung eines Instituts, und die einzige Stelle, die solche Institute einrichten und unterhalten konnte, war die MPG. Zugleich fiel der Blick derjenigen, die die Sektion um juristische Institute erweitern wollten, schnell auf das methodische 21 Rudolf Morsey: Georg Schreiber. Neue Deutsche Biographie. Bd. 23. Berlin 2007, 529–530. https://www.deutsche-biographie.de/sfz116220.html#ndbcontent. Zuletzt aufgerufen am 13.09.2022 22 Stolleis, Erinnerung, 1998, 75–91, 76. 23 Siehe dazu Sybille Ebert-Schifferer und Elisabeth Kieven (Hg.): 100 Jahre Bibliotheca Hertziana. Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte. Bd. 1: Die Geschichte des Instituts 1913–2013. München 2013; Peter Schöttler: Das Max-Planck-Institut für Geschichte im historischen Kontext. Die Ära Heimpel. Berlin: GMPG -Preprint 2017; Peter Schöttler: Das Max-Planck-Institut für Geschichte im historischen Kontext, 1972–2006. Zwischen Sozialgeschichte, Historischer Anthropologie und Historischer Kulturwissenschaft. Berlin: GMPG -Preprint 2020. 24 Das lässt sich an der Argumentation für die Gründung des Freiburger Instituts für Strafrecht nachvollziehen, an der Walter Strauß als Staatssekretär im Bundesjustizministerium maßgeblich beteiligt war, ebenso wie am Beispiel des Frankfurter Instituts für Rechtsgeschichte, bei dem Walter Hallstein, der erste europäische Kommissionspräsident, Pate stand, vergleiche dazu die Beiträge von Jan Thiessen und Sascha Ziemann in diesem Band. 25 Christian Starck: Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht. JuristenZeitung 52/21 (1997), 1021–1030; Konrad Zweigert und Hein Kötz: An Introduction to Comparative Law. 3. Auflage. Oxford 1998. 26 Robert E. Riegert: The Max Planck Association’s Institutes for Research and Advanced Training in Foreign Law. Journal of Legal Education 25/3 (1973), 312–341.
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Programm der Erforschung ausländischer Rechtsordnungen und der Rechtsvergleichung. Diese symbiotische Beziehung zwischen Sektion und Rechtswissenschaften ist in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums die Keimzelle für den juristischen Cluster in der MPG. Der Begriff des Clusters wird hier nicht wahllos eingeführt. Er ist vielmehr im Zug des Forschungsprogramms GMPG im Verbund mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dezidiert zur Beschreibung der Forschungstopographie der MPG entwickelt worden. Die MPG hat nämlich zu keiner Zeit versucht, alle möglichen Forschungsfelder abzudecken, sondern stets eine Auswahl getroffen. Dabei gab es thematische Häufungen, die Cluster. Sie konnten als ein Netzwerk unterschiedlicher Abteilungen und Forschungsgruppen zustande kommen oder ganze Institutsgruppen umfassen.27 Sie gruppieren sich um gemeinsame Forschungsthemen, Methoden und Paradigmen, sind stark geprägt von sozialen Netzwerken ihres Personals auf der Leitungsebene, arbeiten unter den Bedingungen der MPG -Organisationsstruktur und verhalten sich zugleich zu jenem Forschungsfeld, das sie widerspiegeln.28 2.2
Warum Rechtswissenschaft(en)?
Die juristischen Max-Planck-Institute innerhalb der MPG bildeten einen solchen Cluster: eine Ansammlung thematisch und methodologisch verwandter Bereiche. Dabei lohnt es sich, auch mit Blick auf die Disziplin, die Rechtswissenschaft, den Plural zu verwenden. Die Disziplin hat eine ausgeprägte Binnendifferenzierung – zwischen den drei großen Säulen des Privat-, öffentlichen und Strafrechts, aber auch zwischen den sogenannten Grundlagenfächern (Rechtsgeschichte, Rechtstheorie, Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie) und der rein rechtsdogmatischen Arbeit. »In den Rechtswissenschaften wird ein breites Forschungsfeld intradisziplinär abgedeckt, das nach Maßgabe anderer ›Fächer kulturen‹ als interdisziplinär eingestuft werden könnte.«29 Damit boten sich diese Rechtswissenschaften aber für zahlreiche Erweiterungen und Ergänzungen an und erwiesen sich als ein mögliches Wachstumsfeld für die noch fragile geisteswissenschaftliche Sektion. Zwei Motive spielten daher bei der Entstehung (und der weiteren Entwicklung) dieses Clusters eine entscheidende Rolle: Ein starkes Element der Komplementarität und die Pra27 Zur Definition und Begriffsbildung siehe Carsten Reinhardt: Einleitung zu Kapitel III. In: Jürgen Kocka et al. (Hg.): Die Max-Planck-Gesellschaft. Wissenschafts- und Zeitgeschichte 1945–2005. Göttingen 2023, im Erscheinen. 28 Für diese unterschiedlichen Ebenen, die den Erkenntnisprozess beeinflussen, siehe auch insbesondere Rachel A. Ankeny und Sabina Leonelli: Repertoires: A Post-Kuhnian Perspective on Scientific Change and Collaborative Research. Studies in History and Philosophy of Science Part A 60 (2016), 18–28; Jochen Gläser: Wissenschaftliche Produktionsgemeinschaften. Die soziale Ordnung der Forschung. Frankfurt am Main 2006. 29 Eberhard Schmidt-Aßmann: Zur Situation der rechtswissenschaftlichen Forschung. Eine Gedankenskizze. JuristenZeitung 50/1 (1995), 2–10, 8.
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xisrelevanz (und damit eine gewisse Politiknähe). Mit Komplementarität ist die wechselseitige Ergänzung bei gleichzeitiger Konkurrenzvermeidung gemeint. Es wird auch in diesem Band deutlich, wie sehr dieses Charakteristikum den juristischen Cluster geprägt hat. Die Gründungsgeschichten des Frankfurter Instituts für Rechtsgeschichte und des Freiburger Instituts für Strafrecht verdeutlichen die beiden genannten Motive. Schon in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft hatte ein Vorschlag für ein strafrechtliches Institut auf dem Tisch gelegen. Nach dem Protokoll einer Senatssitzung vom 24. April 1942 ging dem Projekt der Vorschlag eines Staatssekretärs im Reichsjustizministerium, Franz Schlegelberger (1876–1970), voraus.30 Das Institut sollte eine »Lücke« schließen. Man bemerke, wie in diesem Bild von der Lücke die gängige Dreiteilung der Rechtswissenschaften mitschwingt, von der eben nur zwei, nämlich das öffentliche und das Privatrecht, bislang in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertreten waren. Nach dem Krieg, 1953, wurde dieser Vorschlag erneut an die MPG herangetragen, von dem Strafrechtler und Kriminologen Paul Bockelmann (1908–1987).31 Nach wie vor ging es darum, eine »Lücke« zu schließen.32 Dabei bestand die Problematik, dass es in Freiburg bereits ein großes Universitätsinstitut für Strafrecht gab, dem man keine Konkurrenz machen wollte.33 Adolf Schönke (1908–1953) hatte seit 1938 in Freiburg im Breisgau eine Forschungsstelle zu internationalem Strafrecht aufgebaut – zunächst als Universitätsseminar, später als eigenes Universitätsinstitut.34 Aus diesem Grund reagierten die beiden bereits amtierenden juristischen Direktoren der anderen Max-Planck-Institute – Hans Dölle (1893–1980) und Hermann Mosler (1912–2001) – zunächst zurückhaltend bzw. ablehnend gegenüber diesem Vorschlag. Es war der CDU-Politiker Walter Strauß (1900–1976), der sich schließlich für die Aufnahme dieses Freiburger Instituts in die MPG einsetzte. Als graue Eminenz des Bundesjustizministeriums, dem er seit 1949 unter vier verschiedenen Justizministern diente bis er 1963 über die Spiegel-Affäre stürzte, bestellte er regelmäßig rechtsvergleichende Arbeiten als Vorbereitung für Reformen beim Freiburger Institut.35 30 Sitzung des Senates vom 24.4.1942, Bl. 9, AMPG , I. Abt., Rep. 1 A, Nr. 81. 31 Bockelmanns Konzeptpapier, eingegangen am 03.08.1953: »Plan eines Instituts zur Erforschung der Wirkungsmöglichkeiten der Kriminalstrafe« war im engeren Sinne ein kriminologisches Institut mit empirischer und sozialwissenschaftlicher Ausrichtung, vgl. AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4116, fol. 36–40. 32 Stellungnahme von Schaffstein vom 30.7.1953, abgeheftet mit dem Bockelmann’schen Konzeptpaier, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4116, fol. 34. 33 So Hans Dölle in einer ablehnenden Stellungnahme: »Es handelt sich um ein wichtiges Teilgebiet, das etwa im Rahmen eines ›Instituts für vergleichendes Strafrecht und Kriminologie‹ mitbearbeitet werden müsste. Ein Institut dieser Art existiert aber bereits in Freiburg.« Hans Dölle an Otto Benecke vom 21.9.1953, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4116, fol. 45. 34 Siehe den Beitrag von Sascha Ziemann in diesem Band. 35 Hans-Heinrich Jescheck: Rechtsvergleichung im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br. Mitteilungen aus der Max-Planck-Gesell-
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Im gleichen Zeitraum verhandelte die MPG auch über einen weiteren Vorschlag für ein Institut zur Rechtsgeschichte. Erich Genzmer (1893–1970) hatte eine entsprechende Denkschrift bereits 1959 eingereicht und zahlreiche Kollegen zur Unterstützung gewonnen: sein Schüler aus Frankfurter Tagen, Helmut Coing (1912–2000), inzwischen selbst Ordinarius an der Universität Frankfurt, Wolfgang Kunkel (1902–1981), Direktor des Leopold-Wenger-Instituts für antike Rechtsgeschichte in München, aber auch Hans Dölle, der Genzmers Kollege an der Hamburger Fakultät war.36 In der folgenden Debatte, die darüber innerhalb der Sektion geführt wurde, verdichtete der amtierende Sektionsvorsitzende Mosler die Frage der Neugründung zu einer Grundsatzfrage: Sollten Geisteswissenschaften überhaupt in der MPG angesiedelt sein und von ihr betrieben werden?37 Diese Frage sollte dafür sorgen, dass die Vorschläge für Neugründungen eine Zeit lang in der Luft hingen.38 Dass Moslers Grundsatzfrage – vielleicht gerade wegen ihrer Zuspitzung – zeitgleich die höchsten Leitungsgremien der MPG, Bundes- und Landesministerien beschäftigte, ist von Jaromír Balcar bereits an anderer Stelle herausgearbeitet worden.39 Die entscheidende Weichenstellung sollte mit dem sogenannten Königsteiner Schlüssel gefunden werden, der die Finanzierung der MPG zwischen Bund und Ländern regelte.40 Zugleich wurde Mosler selbst Vorsitzender einer Kommission, die Maßstäbe für die Neugründung geisteswissenschaftlicher Institute erarbeiten sollte.
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schaft zur Förderung der Wissenschaften Heft 1 (1967), 26–45., ein Artikel, mit dem sich Jescheck der MPG vorstellte, vgl. auch den Beitrag von Sascha Ziemann in diesem Band. Nachweis der Briefe in Nachlass Coing (AMPG , III . Abt., Rep. 103), auch in dem Protokoll der Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion des Wissenschaftlichen Rates vom 2.6.1959 in Saarbrücken, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1412, vergleiche ausführlich den Beitrag von Jan Thiessen in diesem Band. Protokoll der »Sitzung der in Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte eingesetzten Kommission« am 28.10.1959 in Frankfurt am Main, Protokoll der Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion des Wissenschaftlichen Rates vom 2.6.1959 in Saarbrücken, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1412, fol. 153. Siehe die Beiträge von Jan Thiessen und Sascha Ziemann in diesem Band. Jaromír Balcar: Wandel durch Wachstum in »dynamischen Zeiten«. Die Max-Planck-Gesellschaft 1955/57 bis 1972. Berlin: GMPG -Preprint 2020. Die Länder tragen die Kosten nach dem Verhältnis ihrer Steuereinnahmen und ihrer Bevölkerungszahl, wobei das Verhältnis der Steuereinnahmen für 2/3 und das der Bevölkerungszahl für 1/3 dieses Betrages maßgeblich ist. Als Steuereinnahmen gelten die im Länderfinanzausgleich zu Grunde gelegten Steuereinnahmen der Länder. Die Steuereinnahmen erhöhen oder vermindern sich um die Beträge, welche die Länder im Rahmen des Länderfinanzausgleichs von anderen Ländern erhalten oder an andere Länder abführen. Maßgebend sind die Steuereinnahmen und die vom Statistischen Bundesamt für den 30. Juni festgestellte Bevölkerungszahl des dem Haushaltsjahr zwei Jahre vorhergehenden Haushaltsjahres, vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Gesamtvertrag Hochschul-Intranet, BGH I ZR 84/11, abgedruckt in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 2013, 1220.
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An dieser Stelle kommt aber wieder die Nähe zur Politik zum Tragen. In Freiburg fungierte Walter Strauß als politischer Pate. Als er nach 1963 schon nicht mehr Staatssekretär im Ministerium, sondern als Richter an den Europäischen Gerichtshof abgeordnet war, versuchte er noch Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen zwischen MPG und den Ländern zu bringen. Er schrieb seinen Parteikollegen Paul Mikat (1924–2011), Kultusminister in Nordrhein-Westfalen und KMK-Präsident, sowie Claus-Joachim von Heydebreck (1906–1985) und Ludwig Huber (1928–2003), Kultusminister in Schleswig-Holstein respektive Bayern.41 Bei alledem ging es immer auch um die enorme Praxisrelevanz, die ein solches Institut für die deutsche Strafrechtspflege haben müsste, eine Leistung, die von einer Universität alleine gar nicht gestemmt werden könne. In Frankfurt stieß man auf den CDU-Politiker Walter Hallstein (1901–1982) als politischen Paten. Der Zivilrechtler war der erste Nachkriegsrektor der Frankfurter Universität, wurde 1951 Staatssekretär im Auswärtigen Amt unter Konrad Adenauer (1876–1967), nahm 1953/1954 an den Verhandlungen zu den Pariser Verträgen teil (zu denen er Hermann Mosler mitnahm) und wurde durch die von ihm propagierte »Hallstein-Doktrin« bekannt.42 Er hatte schon Anfang der 1950er Jahre versucht, die beiden bereits bestehenden juristischen Max-Planck-Institute in Frankfurt anzusiedeln und in Kooperation mit Franz Böhm (1895–1977) ein Zentrum für internationales Wirtschaftsrecht in Frankfurt entstehen zu lassen.43 Für die Schaffung eines Max-Planck-Instituts am Standort Frankfurt setzte er sich nachdrücklich ein. Coing war Hallsteins Nachfolger in der Fakultät
41 Ausführlich dazu der Beitrag von Sascha Ziemann in diesem Band. 42 Nach der Hallstein-Doktrin war die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) durch Drittstaaten ein unfreundlicher Akt gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Walter Hallstein wurde 1927 Referent am KWI für ausländisches und internationales Privatrecht. Habilitation 1929, ab 1930 Professur für Privat- und Gesellschaftsrecht an der Universität Rostock. 1942 Einberufung als Reserveoffizier zur Wehrmacht, 1944 amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1945 Rückkehr nach Deutschland und Eintritt in die Universität Frankfurt. 1950 wurde Hallstein von Adenauer zum Leiter der deutschen Delegation auf der Pariser Konferenz berufen, bei der über die Gründung der »Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl« (EGKS) verhandelt wurde. 1951 wurde er Staatssekretär im Auswärtigen Amt, das von Bundeskanzler Adenauer in Personalunion geführt wurde. Er gestaltete den Vertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) maßgeblich mit und wurde 1958 der erste Präsident der EWG -Kommission (Vorläufer der EU-Kommission). Vgl. Michael Killian: Walter Hallstein. Jurist und Europäer. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 53 (2005), 369–389. 43 Die Korrespondenz im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M.: Best. A.02.01 (Magistratsakten) Nr. 8.421. Zu Franz Böhm siehe auch Rudolf Wiethölter: Franz Böhm (1895–1977), in: Bernhard Diestelkamp und Michael Stolleis (Hg.): Juristen an der Universität Frankfurt am Main. Baden-Baden 1989, 208–252; Ernst-Joachim Mestmäcker: Franz Böhm (1895–1977). In: Stefan Grundmann und Karl Riesenhuber (Hg.): Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler. Eine Ideengeschichte in Einzeldarstellungen. Bd. 1. Berlin 2007, 31–55.
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als Leiter des Universitätsinstituts für internationales Wirtschaftsrecht.44 Hallstein sollte später auch die Festrede zur Eröffnung des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte halten. Die Maßstäbe, die derweil die Kommission unter der Leitung Hermann Moslers ausgearbeitet hatte, betonten vor allem die Förderung von Forschungsvorhaben »auf den Grenzgebieten« der Fächer, »die Verwendung organisatorischer Formen, die für die Hochschulen ungeeignet sind,« und »die Bereitschaft erstrangiger Forscher, sich diesen Aufgaben zu widmen.«45 Denn innerhalb des deutschen Wissenschaftssystem falle es der Max-Planck-Gesellschaft zu, »in elastischer Weise […] den Bedürfnissen der Forschung zu entsprechen.« Das müsse als allgemeines Kriterium unabhängig von der Fächerwahl gelten. Die Zusammenfassung der Wissenschaftlichen Mitglieder in Fachsektionen und Wissenschaftlichen Rat […] haben ein Bewußtsein der Zusammengehörigkeit hervorgerufen, das der Max-Planck-Gesellschaft den Charakter einer besonderen wissen schaftlichen Korporation gegeben hat.46
Eine Art Korpsgeist in der Sektion? Im Jahr 1964, als die Sektion zur Hälfte aus Juristen bestand, dürfte dies ein dezidiert juristischer Korpsgeist gewesen sein. Und mit der Aufnahme der Rechtsgeschichte und des Strafrechts konnten die Juristen der MPG ihr Fach in dieser spiegeln. Im Fall der Rechtsgeschichte hatte, wo überhaupt die Sektionsmitglieder umfassende fachliche Überlegungen anstellten, ein methodisches Anliegen im Vordergrund gestanden: die Ergänzung der Rechtsvergleichung durch ihre historischen Grundlagen. Mit dem Strafrecht kam ein disziplinäres Anliegen hinzu, nämlich das Schließen einer »Lücke«, die Abbildung der traditionellen juristischen Dreiteilung in Privat-, Straf- und öffentliches Recht. Damit war der Boden bereitet für einen neuen Anspruch, der darauf gerichtet war, das Fach Rechtswissenschaften in seiner Breite abzubilden durch jeweils komplementäre Institute.
44 Das Institut für Wirtschaftsrecht gründete Hallstein zusammen mit Franz Böhm, vgl. Johann Wolfgang Goethe-Universität: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis für das Wintersemester 1951/52. Frankfurt am Main 1951, 27. Das Institut wurde später sogar in zwei Einrichtungen geteilt: Das Institut für Wirtschaftsrecht, weiterhin unter der Leitung von Böhm, mit dem jungen Ernst-Joachim Mestmäcker als Assistenten, und das Institut für ausländisches und internationales Wirtschaftsrecht (AWI) unter der Leitung von Helmut Coing, mit dem jungen Kurt Biedenkopf als Assistenten, vgl. Johann Wolfgang Goethe-Universität: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis für das Sommersemester 1956. Frankfurt am Main 1956, 43. 45 Stellungnahme zur Pflege geisteswissenschaftlicher Forschungen durch Max-Planck- Institute, 9.6.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 102, Nr. 438, fol. 160. 46 Stellungnahme zur Pflege geisteswissenschaftlicher Forschungen durch Max-Planck- Institute, AMPG , II . Abt., Rep. 102, Nr. 438, fol. 170 (Unterstreichung im Original).
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3. Denkorte Der Cluster, der so entstand, wurde physisch greifbar, in Form von Gebäuden und Liegenschaften, Büchern und – nicht zu vergessen – natürlich repräsentiert durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier eingestellt wurden und die in eine Organisationsstruktur eingebettet werden mussten. So bildete sich mit der Zeit eine Infrastruktur heraus. Auf dem Cover dieses Bandes sind eine Reihe der Institutsbauten aus den 1960er und 1970er Jahren abgebildet. Bei der Frage nach den räumlichen Verhältnissen ging es allerdings nicht um das bloße Unterbringen der Institute unter den Bedingungen des jeweiligen Quadratmeterpreises. Es ging auch um die Orte, an denen die Forschung dieser Institute stattfand, um die Wirkstätten im engeren Sinne.47 Juristen mögen keine Labore und Apparate benötigen; ihre Arbeit ist dennoch nicht völlig ortsunabhängig – wie übrigens auch die Arbeit aller anderen Geisteswissenschaften nicht.48 Illustrativ dafür ist bereits ein Blick auf die beiden alten Kaiser-Wilhelm-Institute, die sich eben nicht, wie so viele andere Institute dieser Zeit, in Dahlem befanden, sondern im Berliner Stadtschloss, in Laufweite der Berliner Universität, der Staatsbibliothek und des Regierungsviertels.49 Auch in der Nachkriegszeit stellte sich die Raumfrage immer wieder neu. Drei sehr unterschiedliche Modelle seien hier angerissen: 3.1
Hamburg: Die grüne Wiese
Am Mittelweg 187 residiert das Hamburger Institut für ausländisches und internationales Privatrecht einen Steinwurf von der Alster entfernt, in direkter Nachbarschaft zum amerikanischen Konsulat auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit Fensterfront zur Moorweide, einer Grünfläche, die seit der Stadterweiterung im 19. Jahrhundert mit Rücksicht auf die angrenzenden Villenbesitzer frei gelassen wird. Das Viertel ist, zurückhaltend ausgedrückt, gutbürgerlich. Das Gebäude hat einen nüchternen mid-century Kern aus den 1950er Jahren, der bis heute immer wieder erweitert worden ist, so dass ein Quadrat mit Innenhof entstand. Neben den Orten mit ausdrücklich sozialer Funktion, wie der eigenen Cafeteria oder dem immer dicht behängten schwarzen Brett, sind die breiten Gänge selbst Begegnungsorte, durch die hindurch man alle Gebäudeteile ohne Unterbrechung ablaufen kann. Es ist ein kommunikatives Haus geworden. Die Hamburger Situation ist eine Mischung aus Glück und Verhandlungsgeschick in den 1950er Jahren. Denn das alte Kaiser-Wilhelm-Institut war aus 47 Grömling und Kiewitz, Räume zum Denken, 2010, 34–47, insbesondere 47. 48 Siehe Stolleis, Erinnerung, 1998, 75–91, 79, 85–87. 49 Die Idee, das Institut für Privatrecht und jenes für Völkerrecht wieder in einem neu errichteten Stadtschloss zusammen zu führen, flammte im Zuge der Stadtschloss-Planungen kurz wieder auf, wurde indes nicht weiter verfolgt.
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Berlin zunächst nach Tübingen umgesiedelt und dort in einem ehemaligen Burschenschaftshaus untergebracht worden, einer schmucken Jugendstilvilla ohne größere Zukunftsaussichten, so dass die Institutsleitung schon bald auf der Suche nach Alternativen war. Als eine dieser Alternativen bot sich Frankfurt an. Dass Hallstein die beiden alten Kaiser-Wilhelm-Institute gerne in Frankfurt unter einem Dach vereinigt hätte, ist bereits erwähnt worden. Das Vorhaben scheiterte auch an der Behäbigkeit der Frankfurter Stadtverwaltung, die sich mit einem adäquaten Raumvorschlag Zeit ließ und schließlich nur ein ehemaliges Druckereigelände offerierte, während die Hansestadt mit dem Grundstück in Alsternähe das attraktivere Angebot machte.50 Mitten in Deutschlands zweitgrößter Metropole konnte das Institut dort auch räumlich weiterwachsen. 3.2
Freiburg: Umstrittener Neubau
Als das Freiburger Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in die MPG übernommen wurde, war es bereits längst an seine Wachstumsgrenzen geraten. 1956 hatte es als Landesstiftung ein Haus in der Freiburger Villengegend Wiehre in der Günterstalstraße 75 beziehen können. 1959 kam das Nachbarhaus hinzu, in dem außerdem das Universitätsinstitut für Kriminologie untergebracht wurde.51 Die MPG übernahm mit dem Institut 1966 auch die Aufgabe, dem chronischen Raummangel dauerhaft abzuhelfen, nötigenfalls durch einen kompletten Neubau.52 Zusammen mit der Übernahme wurde zunächst die Villa Mitscherlich in unmittelbarer Nachbarschaft hinzugekauft, zugleich erste Überlegungen zur Konzeption eines Neubaus angestellt.53 Aber: Das ins Auge gefasste Sternwaldeck war im Bebauungsplan als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Der Neubau sollte heftig umstritten werden. 1971 konnte sich der Bauausschuss nicht auf die Genehmigung des Vorhabens einigen; der Bürgermeister erklärte gegenüber Direktor Hans-Heinrich Jescheck, dass vor der Gemeinderatswahl keine Aussichten mehr bestünden: »Die Stimmung […] lässt sich mit keinem sachlichen Argument mehr auflockern.«54 Inzwischen äußerte auch der Regierungspräsident, in der Funktion als oberste Bauaufsichtsbehörde, Bedenken.55 In Freiburg kamen zwei Konfliktachsen zusammen. Zum einen wurde als skandalös empfunden, die MPG könne gegen den Umweltschutzgedanken verstoßen, den sie als wissenschaftliche Einrich50 Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a. M.: Best. A.02.01 (Magistratsakten) Nr. 8421, unpaginiert. 51 Siehe den Beitrag von Sascha Ziemann in diesem Band. 52 Das Bedürfnis nach einem Neubau dürfte tatsächlich bereits Motiv gewesen sein, sich um die Übernahme des Instituts in die MPG , der man die nötigen Mittel dafür unterstellte, zu bemühen. 53 Erste Erwähnung des Neubaus in einem Brief von Meitinger an Jescheck vom 25.2.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4139, fol. 29–30. 54 Brief Jescheck an Meitinger vom 27.9.2971, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4139, fol. 107. 55 Brief an Jescheck vom 14.1.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4139, fol. 225.
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tung doch zuvörderst vertreten müsse.56 Zum anderen erschien die MPG als entrückt und abgehoben in der Art und Weise, mit der sie auf Sonderrechten zu beharren schien und die Sensibilität der Freiburger Stadtöffentlichkeit nicht zur Kenntnis nahm.57 Seit 1972 liefen mehrere Rechtsstreitigkeiten, welche die MPG durch alle Instanzen durchfocht. Ein Vermerk Eberhard Graupners58 nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtmäßigkeit des geänderten Bebauungsplans machte die Strategie der MPG deutlich: Dass gegen den Vollzug der Baugenehmigung noch Widerspruch erhoben werden könnte, war bekannt. Dennoch riet Graupner, durch den Baubeginn Tatsachen zu schaffen »um die Gegenseite zu veranlassen, ihre Karten auf den Tisch zu legen.«59 Vor Gericht konnte die MPG ihre Gegner besser stellen als in der öffentlichen Auseinandersetzung. 3.3
Frankfurt: Verspäteter Neubau
Zur Neugründung des Max-Planck-Instituts (MPI) für europäische Rechtsgeschichte traten Überlegungen für einen Institutsneubau. Die Stadt hatte vor, ein Areal in Niederrad, einem eingemeindeten Vorort im Süden, jenseits des Mains zwischen Innenstadt und Flughafen gelegen, zu erschließen, und die MPG erwog, dort alle drei Frankfurter MPIs zu konzentrieren, samt Mitarbeiterwohnungen, Versorgungsgebäuden und Direktorenbungalows.60 Doch die Planungen verzögerten sich, nicht zuletzt auch auf Seiten der MPG. Coing schrieb deshalb 1966 ein Memorandum an die Generalverwaltung.61 Die Doppelbelastung eines Direktors, der immer auch an der Universität unterrichten müsse, sei nur tragbar, wenn er entweder im Institut leben könne oder sich das Institut in unmittelbarer Nähe der Universität befinde.62 Niederrad, mit seiner Stadtrandlage, sei eigentlich nur deshalb in Betracht gekommen, weil sich dort Direktorenwohnungen realisieren ließen und die Stadt eine Anbindung des Areals durch öffentliche Verkehrsmittel versprochen habe. Da nun aber die Erschließung durch die Stadt stocke und die MPG selbst ihr Bauprogramm reduziere, entfie56 Brief von Bernhard Hassenstein an Adolf Butenandt vom 2.1.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4139, fol. 217. 57 Brief der Bürgerinitiative »Sternwaldeck« vom 19.3.1975, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4141, fol. 57. 58 Mitglied der Finanzabteilung der Generalverwaltung (GV) der MPG seit 1968. 59 Vermerk vom 31.10.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4140, fol. 7. 60 Memorandum vom 1.6.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4023, fol. 127; im »Gründungsordner« des Archivs des Frankfurter Instituts (inzwischen abgegeben an das AMPG) finden sich zudem noch Zeitungsartikel über das Vorhaben aus FAZ , Frankfurter Rundschau und Frankfurter Neue Presse, die jeweils über den von der MPG ausgeschriebenen Wettbewerb 1962 berichteten und davon, die MPG wolle in Niederrad einen eigenen Campus mit bis zu vier MPIs errichten; für das Vorhaben seien Kosten in Höhe von 75 Millionen DM veranschlagt worden, siehe auch den Beitrag von Jan Thiessen in diesem Band. 61 Memorandum Coing, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4023, fol. 127–129. 62 Memorandum vom 1.6.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4023, fol. 127–129.
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len diese Vorteile, wodurch die Nachteile durch die Entfernung zur Universität überwögen. In unmittelbarer Nähe der Universität seien deshalb Bürohäuser zu kaufen, um »ähnlich wie in Hamburg«, eine Gehverbindung zur Universität zu ermöglichen.63 In der Tat wurde binnen zweier Jahre ein Gründerzeitgebäude im Frankfurter Westend, in der Freiherr vom Stein-Straße Nr. 7, ausfindig gemacht, das für die Bedürfnisse des Instituts umgebaut wurde. Zuvor musste allerdings das ursprüngliche Raumkonzept verkleinert und Coing davon überzeugt werden, dass »für eine Sekretärin ein Raum von 12 qm und für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter […] 16 qm ausreichend sei.«64 Es war eine Entscheidung für eine kleine Lösung, und ähnlich wie in Freiburg vor dem Neubau, mussten auch in Frankfurt im Laufe der Jahre weitere Gebäude und Büroflächen hinzugemietet werden.65 Erst 2001, als der Umzug der Goethe-Universität auf das Gelände der ehemaligen IG -Farben beschlossen wurde, kam der lang ersehnte Neubau in greifbare Nähe. In der Zwischenzeit war das Institut in einen Zweckbau am Frankfurter Stadtrand umgezogen. Institutsdirektor Michael Stolleis (1941–2021) trieb die Rückkehr des Instituts in die unmittelbare Nachbarschaft der Universität voran.66 2013 konnte der Institutsneubau, auf den man seit 1964 wartete, in der Hansaallee 41 eingeweiht werden. Der Bau ist markant durch seine scharfe Kante über dem Haupteingang, die Dreiteilung in Gäste-, Wissenschafts- und Bibliotheksturm, die schießschartenähnlichen Lichtschlitze, mit denen sich die Bibliothek von der Hauptverkehrsstraße abwendet, und einem introvertiert-klösterlichen Kreuzgang, der als einziges Verbindungsstück der einzelnen Türme den Innenhof umzieht.
4.
Sammeln und Ordnen
Zur Wissensproduktion der Juristinnen und Juristen gehört in nicht unerheblichem Ausmaß auch das Sammeln und Ordnen relevanter Informationen. Zuvörderst geht es dabei um die Systematisierung neuerer Rechtsprechung, Präzedenzfälle, Gesetzgebungsmaterialien, Reformvorschläge etc.; sie werden dokumentiert, sortiert, aufbereitet und fließen so in die kontinuierliche Arbeit am Recht, in seine Auslegung und Anwendung mit ein. Das geht häufig über das bloße Ansammeln von Textstellen hinaus. Umfassende Kenntnisse anderer Rechtsordnungen, Sprachkenntnisse, Rechtskulturen, Rechtspolitik und schließlich auch der eigentlichen Sachmaterie, die jeweils Regelungsgegenstand 63 Memorandum vom 1.6.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4023, fol. 132. 64 Vermerk vom 12.2.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4023, fol. 77. 65 Brief Coing an Preiß vom 23.2.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4025, fol. 16 siehe auch den Beitrag von Jan Thiessen in diesem Band. 66 Platz für Forscher und viele Bücher. Berliner Architekten gewinnen Wettbewerb um Neubau des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte. Frankfurter Allgemeine Zeitung (Rhein-Main) 39 (15.2.2006), 48.
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ist – all dies sind relevante Informationen, die in die Arbeit der vergleichenden Juristinnen und Juristen miteinfließen sollen. Die juristischen Max-Planck-Institute haben sich daher seit ihrer jeweiligen Gründung immer auch als Zentren der Dokumentation und Aufarbeitung solcher Informationen gesehen. Dieses Selbstverständnis hatte Auswirkungen auf die gesamte Rechtswissenschaft Deutschlands. Gerade für die Zeit vor der Allverfügbarkeit von Informationen durch das Internet konnte vermutlich keine Arbeit zum ausländischen oder zum Internationalen Privatrecht in Deutschland geschrieben werden, ohne dass der Autor oder die Autorin der Hamburger Spezialbibliothek wenigstens einen Besuch abgestattet hätten. Diese Spezialbibliotheken bildeten als wichtigstes Arbeitsinstrument lange das Herzstück dieses juristischen Clusters. An ihnen lassen sich auch seine Wachstumsdynamiken streckenweise nachvollziehen.67 In den 60er- und 70erJahren, also in der Phase der Expansion, wuchs auch das Bibliotheksbudget beständig. Gleichzeitig waren es die Bibliotheken, die die sogenannte Stagflation gegen Ende der 1970er Jahre als Erste zu spüren bekamen. 1982 berief die MPG für jede der drei Sektionen gesondert eine Bibliothekskommission ein.68 Der Kommission war seitens des Senats aufgegeben worden, zu untersuchen, wie unter den juristischen Instituten durch aufeinander abgestimmte Bibliotheksplanungen der finanzielle Aufwand verringert werden könnte.69 Eine solche Form von »Verbundbibliothek« wollten die juristischen Institute aber ebenso abwehren wie weitere Einsparungen in ihrem Etat. Dies fand Ausdruck in dem sogenannten »Kötz-Bericht«. Die Juristen hatten kurzerhand eine eigene Kommission für ihre juristischen Bibliotheken unter der Leitung des Hamburger Direktors Hein Kötz eingerichtet. Dessen Bericht bewertete die »bedrängte« Lage der juristischen Bibliotheken und kam zu dem Schluss, diese sei Folge ihres Auftrages, Auslandsschrifttum in großem Umfang zu sammeln, so dass die Bibliotheken inflationsbedingte Preissteigerungen in Kombination mit dem Wechselkursrisiko zu tragen hätten;70 zwischen 1980 und 1982 waren hier Preissteigerungen von bis zu 100 Prozent ausgemacht worden.71 67 Vgl. Abb. 1, Daten entnommen aus den Haushaltsbüchern der Institute. Die Abbildung zeigt die jährlichen Ausgaben für Neuanschaffungen aller sechs untersuchten MPIs über die Zeit seit der erstmaligen Ausweisung in den Haushaltsbüchern bis zum Jahr 1997 in DM . Die Werte sind inflationsbereinigt. Gleichwohl sind die Daten aus den Haushaltsbüchern der MPG wiederum mit Vorsicht zu genießen: Die Art und Weise der Aufstellung wird häufig gewechselt, teilweise ist nicht klar zwischen Ist- und Soll-Werten zu unterscheiden; eine einheitliche Statistik für die gesamte MPG , die den ganzen Untersuchungszeitraum abdeckt, ist daraus nicht herzustellen. Da hier aber nur die Haushaltsbücher der juristischen Institute verwendet werden und sich die Angaben so innerhalb ähnlicher Bezugsgrößen bewegen, dürften dies doch hilfreiche Näherungswerte sein. 68 Nachweis in AMPG , II . Abt., Rep. 57, Nr. 1076. 69 Ausweislich des Kötz-Berichts vom Senatsausschuss für Forschungspolitik und Forschungsplanung im Juli 1982, AMPG , II . Abt., Rep. 1, Nr. 3, fol. 140–158, hier: fol. 140. 70 Kötz-Bericht, AMPG , II . Abt., Rep. 1, Nr. 3, fol. 140 verso. 71 Bettie Scott: Price Index for Legal Publications. Law Library Journal 74 (1981), 202–204.
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Der Kötz-Bericht verfolgte zweierlei Argumentationsstränge: Der eine begann mit dem Verweis auf die Bibliothek als das wichtigste Arbeitsinstrument des Juristen, wobei es auf Vollständigkeit und innere Systematik ankomme. Falls die Bibliothek nicht voll funktionsfähig erhalten bliebe, würde damit die Forschungsarbeit des gesamten Instituts beeinträchtigt, »und zwar nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer, weil fehlende Monographien oder Zeitschriftenbände nachträglich nicht oder nur zu hohen Kosten beschafft werden können, die einmal eingetretenen Mängel also irreparabel sind.«72 Die Materialbeschaffung sollte überdies auf dem gesamten Rechtsgebiet und nicht nur für aktuell vom Institut bearbeitete Spezialbereiche durchgeführt werden; andernfalls seien auch zukünftige Generationen in der Freiheit ihrer Themenwahl durch einen lückenhaften Bibliotheksbestand eingeschränkt.73 6000000 5000000 4000000 3000000 2000000 1000000
19 58 19 60 19 62 19 64 19 66 19 68 19 70 19 72 19 74 19 76 19 78 19 80 19 82 19 84 19 86 19 88 19 90 19 92 19 94 19 96
19
19
54 56
0
Abbildung 1: Ausgaben für die juristischen Bibliotheken, in D-Mark, inflationsbereinigt, Quelle: Haushaltsbücher, siehe Fußnote 67
Der zweite Argumentationsstrang stellte die Max-Planck-Bibliotheken als eine Art öffentliches Gut dar. Denn die auslandsrechtlichen Bestände der einzelnen Staats- und Universitätsbibliotheken in Deutschland seien im Vergleich dünn und überdies die ersten, die den dortigen Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen seien – gerade auch mit Verweis auf die besonders gut ausgestatteten Bestände der MPIs.74 Die Bibliotheken trügen zum Ansehen der MPIs im Ausland bei
72 Kötz-Bericht, AMPG , II . Abt., Rep. 1, Nr. 3, fol. 150 verso. 73 Ebd., fol. 149 verso. 74 Damit berief man sich indirekt auf die institutionelle Bestandsgarantie für die Wissenschaften und Hochschulen, wie sie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in »Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts« (BVerfGE) 35, 79 (132, 135) formuliert hatte.
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und seien ein Magnet ihrer Gästeprogramme.75 Nicht nur die Forschungstätigkeit der Institute sah der Kötz-Bericht daher durch etwaige Einsparungen gefährdet, sondern auch die Reputation der deutschen Rechtswissenschaft insgesamt.76 So schloss man den Bericht statt mit Kürzungsvorschlägen mit einer Forderung nach Mittelaufstockung um 14 Prozent. Diese Forderung sollte sich zwar nicht erfüllen. Als aber die Diskussion um Mitteleinsparungen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung erneut aufflammte, bedienten sich die juristischen Direktoren derselben Argumentationslinien, um einen Appell zum Erhalt ihrer Spezialbibliotheken an den damaligen Präsidenten der MPG zu richten. Als Rechtswissenschaftler hatte Hans F. Zacher (1928–2015) ein offenes Ohr für das Anliegen. Bibliotheken verlangen nach Unterbringung und die gestaltete sich im Falle der juristischen Max-Planck-Institute nicht immer unproblematisch. Gerade auch die Notwendigkeit, eine nach Möglichkeit öffentlich zugängliche Bibliothek zu beherbergen, stellte die Institutsleitungen bezüglich der Unterbringung immer wieder vor neue Herausforderungen.77 Das Dilemma führt gewisser maßen zurück nach Berlin. Seit Ende der Unterbringung der beiden KaiserWilhelm-Institute im Berliner Stadtschloss war man um eine vergleichbare Lage bemüht: Nach Möglichkeit im zentralen Innenstadtbereich zu erschwinglichen Preisen, in Laufweite zur örtlichen Universität, in der Nähe zu urbanen Stätten der Kultur und des Wirtschaftslebens – dies zugleich mit ausreichendem Platz für die teuren Spezialbibliotheken, Räumlichkeiten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gästeunterkünfte und idealerweise Raum für weiteres Wachstum.78 Eine innere Struktur der Institute, die ebenfalls noch von den alten KaiserWilhelm-Instituten übernommen wurde, war die Aufteilung in sogenannte Länderreferate. Ein Länderreferent brachte in der Regel profunde Rechtskenntnisse einer speziellen ausländischen Rechtsordnung und idealerweise die nötigen Sprachkenntnisse mit. Dies waren in den früheren Jahrzehnten häufig Lebenszeitstellen, die ihren Inhabern auch die Möglichkeit gaben, sich teilweise überhaupt erst die nötigen Sprachkenntnisse anzueignen.79 Zu den Aufgaben der Länderreferenten gehörte, die Fachliteratur des jeweiligen Landes im Blick
75 Kötz-Bericht, AMPG , II . Abt., Rep. 1, Nr. 3, fol. 150. 76 Ebd., fol. 149 verso. 77 Siehe oben den Abschnitt »Denkorte« 78 Vgl. Rüdiger Wolfrum: Berlin – Heidelberg. Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. In: Peter Gruss und Reinhard Rürup (Hg.): Denkorte. Max-Planck-Gesellschaft und Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Brüche und Kontinuitäten 1911–2011. Dresden 2010, 342–347; Grömling und Kiewitz, Räume zum Denken, 2010, 34–47. 79 Das Hamburger Institut für Privatrecht hatte beispielsweise mit Frank Münzel über viele Jahrzehnte einen ausgewiesenen Sinologen am Haus, während Harald Baum als Experte für japanisches Recht galt.
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zu haben, Neuanschaffungen für die Bibliothek zu tätigen, Gesetzesänderungen zu verfolgen und bisweilen sogar die Übersetzungen der Gesetze aus den Originalsprachen ins Deutsche vorzunehmen.80 Deutsche Gerichte konnten sich bei Fragen mit Auslandsbezug an die Max-Planck-Institute wenden, wo die Anfrage dann an den zuständigen Länderreferenten übergeben wurden. Bezahlt wurden diese Gutachten schlecht und ohnehin nur an den Institutshaushalt und nicht an die Bearbeiter,81 weshalb sie sich schon zu Zeiten vor dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz keiner größeren Beliebtheit bei den Habilitanden eines Instituts erfreuten.82 Doch führt auch diese Gutachtentätigkeit wieder zurück zum Sammeln und Ordnen: Sie veranlasste die Länderreferate, ihren Bestand immer auf dem neuesten Stand zu halten, und konfrontierten sogar bestenfalls die Forscherinnen und Forscher an den Instituten mit neuen Fragestellungen, die Anlass für weitere Forschung gaben.
5. Personal Die Bibliotheken waren nur Arbeitsmittel. Noch wichtiger war die personelle Ausstattung der Institute. Diese wuchs zunächst relativ beständig. In den 1950er Jahren begannen die beiden in die MPG übernommenen KWIs mit der Ausstattung eines großzügigen Universitätsinstituts. Neben dem Direktor verfügte das MPI für Völkerrecht in Heidelberg im Jahr 1951 noch über ein weiteres Wissenschaftliches Mitglied und sechs Wissenschaftler, drei Doktoranden, zwei Bibliotheksangestellte, vier Verwaltungsangestellte.83 Diese Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wuchs deutlich bis in die 1970er Jahre hinein, was indes weniger mit der Ausstattung der einzelnen Institute als vielmehr mit der Neugründung dreier Institute zu tun hatte. Bereits früh überholte die Zahl der Planstellen im Verwaltungsbereich und in den Bibliotheken die Anzahl der angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist auch der einzige Bereich, der im ganzen Untersuchungszeitraum verhältnismäßig prosperierte: Bis in die 1990er Jahre wuchs dieser kontinuierlich und stagnierte lediglich zum Ende des Untersuchungszeitraums. Für die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sah es hingegen anders aus: Nach einer Wachstumsphase bis in die 1980er Jahre nimmt der Anteil an Planstellen, das heißt unbefristeten Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, seit dieser Zeit ab. 80 Beispielhaft für Dänemark: Bernhard Gomard: Das dänische Gesetz über Aktiengesellschaften vom 13. Juni 1973. 2. Auflage. Frankfurt am Main 1976; Ulrich Sieber und HansJörg Albrecht (Hg.): Das dänische Strafgesetz. Straffeloven. 3. Auflage. Berlin 2009. 81 Siehe den Beitrag von Ulrich Magnus in diesem Band. 82 Siehe den Beitrag von Eberhard Eichenhofer in diesem Band und Riegert, The Max Planck Association’s Institutes, 316. 83 Angaben entnommen den Jahresberichten der Institute in den Jahrbüchern der MaxPlanck-Gesellschaft und den Haushaltsbüchern.
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300 250 200 150 100 50 0
1950
1960
Verwaltung/Bibliothek
1970
Wissenschaftler (Planstellen)
1980
1990
2000
Wissenschaftliche Mitglieder (Direktoren)
Abbildung 2: Planstellen an juristischen Max-Planck-Instituten, Quelle: Haushaltsbücher
Um kein falsches Bild zu zeichnen: Nicht mit einberechnet werden konnten Doktorandinnen und Doktoranden bzw. Habilitandinnen und Habilitanden, die auf befristeten Verträgen an einem Max-Planck-Institut eine Qualifikationsschrift anfertigten, die also beispielsweise über eine (drittmittelfinanzierte) Projektstelle oder ein Promotionsstipendium an das Institut kamen. Insgesamt dürfte also der Anteil der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Häusern sogar noch weiter gestiegen sein. Sie tauchen indes nicht in den Stellenplänen der MPG -Haushaltsbücher auf. Dass dies Teil eines generellen Paradigmenwechsels in der Einstellungspolitik der MPG und keine Besonderheit der juristischen Institute gewesen ist, darauf hat Ariane Leendertz an anderer Stelle hingewiesen.84 Dass das wissenschaftliche Personal trotz Stagnation der Planstellen anwuchs, lässt sich an den Publikationen ablesen (siehe nachfolgendes Diagramm). Legt man die Publikationslisten zugrunde, die in den Jahrbüchern der MPG veröffentlich wurden, hat sich der Output an Publikationen von 1952 bis 1999 vervielfacht, von 41 auf 893 Titel im Jahr 1999. Das wissenschaftliche Personal ist überdies in vielerlei Hinsicht selbst Teil des Outputs dieser Institute. Neben 84 Ariane Leendertz et al.: Flexible Dienstleister der Wissenschaft. Frankfurter Allgemeine Zeitung 68 (21.3.2018), N4; Ariane Leendertz: Konkurrenzfähigkeit und globaler Wettbewerb. Zum Wandel der Personalpraxis der Max-Planck-Gesellschaft 1973–2016. Teil 1, Unveröffentlicht; Ariane Leendertz: Wissenschaftler auf Zeit. Die Durchsetzung der Personalpolitik der Befristung in der Max-Planck-Gesellschaft seit den 1970er-Jahren. MPIfG Discussion Paper 20/15. Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung 2020.
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den Publikationen und Gutachten waren es die abgeschlossenen Dissertationen und erfolgreichen Habilitationen (möglichst mit anschließender Berufung), die für die Sichtbarkeit und das Ansehen der Institute in der Fachwelt von kaum zu überschätzender Bedeutung waren. 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100
19
52 19 54 19 56 19 58 19 60 19 62 19 64 19 66 19 68 19 70 19 72 19 74 19 76 19 78 19 80 19 82 19 84 19 86 19 88 19 90 19 92 19 94 19 96 19 98
0
Privatrecht
Völkerrecht
Rechtsgeschichte
Strafrecht
Patentrecht
Sozialrecht
Abbildung 3: Publizierte Titel der einzelnen juristischen Institute, Quelle: Publikationslisten der Jahrbücher der MPG
Es ist allerdings mit dem vorhandenen Material nicht ohne Weiteres möglich, alle Qualifikationsschriften zu identifizieren. Mithilfe der institutseigenen Publikationslisten und des Katalogs der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), in dem Hochschulschriften explizit ausgewiesen werden, kommt man für alle sechs Institute auf knapp 500 Titel.85 Die Institute für Privatrecht in Hamburg, Pa85 Insgesamt haben die Publikationslisten der sechs untersuchten Max-Planck-Institute für den Untersuchungszeitraum in den Jahrbüchern der MPG knapp 14.000 Veröffentlichungstitel angegeben, die sowohl Artikel, Kommentierungen als auch Monografien und Sammelbände einschließen. Die Angaben lassen aber stets den Vornamen aus und verzeichnen auch nicht, ob es sich um eine Qualifikationsschrift handelt. Für diesen Beitrag wurde gezielt nach Qualifikationsschriften gesucht, indem alle Monografietitel in diesen Listen mit dem Katalog der Deutschen Nationalbibliothek abgeglichen wurden. Es gibt keine Garantie, dass die Angaben und Erfassung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek vollständig sind. Immerhin konnten 476 Titel eindeutig entweder als Promotion oder Habilitation identifiziert werden. Die Jahrbücher der MPG veröffentlichten ab 1953 durchgängig Publikationslisten ihrer Institute. Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: https://www.dnb.de/DE/Home/home_node.html. Zuletzt aufgerufen am 23.3.2022.
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tentrecht in München und Strafrecht in Freiburg steuerten dabei je ungefähr ein Viertel aller Qualifikationsschriften bei, zusammen also drei Viertel.86 Das übrige Viertel der Qualifikationsschriften verteilt sich auf die übrigen drei Institute. Dieser Bestand stellt vermutlich lediglich eine Stichprobe dar, zumal für die frühere Zeit nicht immer gesichert ist, dass Qualifikationsschriften auch als solche ausgewiesen und entsprechend im Katalog der DNB geführt wurden. Ulrich Magnus hat für das privatrechtliche Institut allein für die Zeit ab 1995 35 Habilitationen gezählt und vermutet, dass die Hälfte der 396 Bände in der Schriftenreihe »Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht« Qualifikationsschriften von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hamburger Instituts darstellen.87 Vorliegend wurden nur 476 Qualifikationsschriften eindeutig identifiziert und ausgewertet. Darunter befinden sich über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg nur 86 Frauen. Das sind 18 Prozent und liegt damit unter dem Durchschnittswert, der in den 1990er Jahren für deutsche Jura-Fakultäten angegeben wurde.88 Die erste Frau, die nach dieser Auswertung an einem MaxPlanck-Institut in Rechtswissenschaften ihre Promotion schrieb und veröffentlichte,89 war 1967 Wiebke Steffen am Freiburger Strafrechtsinstitut mit einer Arbeit zu polizeilicher Ermittlungstätigkeit.90 Bis die erste Frau an einem MaxPlanck-Institut auch erfolgreich eine Habilitation abschloss dauerte es noch bis 1986, als Regina Ogorek ihre Arbeit zur Stellung des Richters im 19. Jahrhundert am Frankfurter Institut für Rechtsgeschichte vorlegte.91 Ihr folgte 1988, ebenfalls am Frankfurter Institut, Karin Nehlsen von Stryk mit einer Arbeit über die Seeversicherung in Venedig im 14. Jahrhundert.92 Dass die Juristenwelt bis weit in die 1990er Jahre hinein eine Männerdomäne blieb, obschon sich die Verhältnisse unter den Studierenden deutlich veränderten, darauf ist hinreichend
86 Das Münchener Institut für Patentrecht steuerte insgesamt 122 Qualifikationsschriften bei, das Hamburger Institut für Privatrecht 118, das Freiburger Institut für Strafrecht 105. 87 Siehe den Beitrag von Ulrich Magnus in diesem Band. 88 Dieser Wert schwankt zwischen 25 und 30 Prozent, vgl. Ulrike Schultz et al.: De jure und de facto: Professorinnen in der Rechtswissenschaft. Geschlecht und Wissenschaftskarriere im Recht. Baden-Baden 2018; Helena Flam: Juristische Expertise zwischen Profession und Protest. Von der Weimarer in die Bonner und die Berliner Republik. Baden-Baden 2020, 11. 89 Die Max-Planck-Institute haben kein eigenes Promotions- oder Habilitationsrecht. Das ist den rechtswissenschaftlichen Fakultäten vorbehalten. Die Qualifikationsschriften werden an den Instituten verfasst und in der Regel auch betreut. 90 Wiebke Steffen: Analyse polizeilicher Ermittlungstätigkeit aus der Sicht des späteren Strafverfahrens. Wiesbaden 1976. 91 Regina Ogorek: Richterkönig oder Subsumtionsautomat? Zur Justiztheorie im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1986. 92 Karin Nehlsen von Stryk: Das venezianische Seeversicherungsrecht im 15. Jahrhundert. Ebelsbach 1986.
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hingewiesen worden.93 Ob sich dieser Umstand in der MPG mit weiteren strukturellen Problemen dieser außeruniversitären Forschungseinrichtung verband, sodass der Frauenanteil hier sogar noch niedriger ausfiel, darüber darf spekuliert werden.94 Ein offenbar glückliches Händchen hatten die juristischen Institute mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich habilitierten und in der Folgezeit auch allesamt erfolgreich berufen wurden. Zusammen mit der Liste der Doktorarbeiten kann man beispielsweise für die späten 1990er und frühen 2000er Jahre sagen, dass die Mehrheit der deutschen Lehrstühle für Internationales Privatrecht oder Völkerrecht mit ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der jeweiligen Institute besetzt waren. Man mag sogar darüber mutmaßen, ob die Existenz der Max-Planck-Institute und ihr Output an hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Einrichtung neuer Lehrstühle in den jeweiligen Teilrechtsgebieten geführt hat. Die Institute hatten zweifellos einen Effekt auf den nicht-universitären Arbeitsmarkt – auch wenn dies mit den vorhandenen Daten nur exemplarisch belegt werden kann. Bekannt ist, dass viele Juristinnen und Juristen nach einer Promotion eben nicht den Weg in die Wissenschaft, sondern entweder eine Karriere als Anwältin oder Anwalt oder eine Laufbahn im Staatsdienst einschlagen. So finden sich Absolventen der Max-Planck-Institute als Abteilungsleiter und Referenten in Bundesministerien wieder. Helmut Coing hat gleich zwei spätere Bundesverfassungsrichter, Alfred Söllner und Dieter Grimm, mitausgebildet.95 Peter Girth, der eine Promotion über elektronische Musik am Münchener Institut für Patentrecht schrieb, wurde später Intendant der Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan.96 Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Sie zeigt, wie sehr die Rechtswissenschaften und damit auch die rechtswissenschaftlichen Max-Planck-Institute eben immer auch die ganze Bandbreite des juristischen Arbeitsmarktes bedienen. Das führt 93 Siehe die Erhebung von Ute Sacksofsky und Carolin Stix: Daten und Fakten zur Repräsentanz von Frauen in der Rechtswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt a. M. 2018, online https://www.jura.uni-frankfurt.de/42774555/Aktuelles. Zuletzt aufgerufen am 14.10.2022. Jutta Limbach: Wie männlich ist die Rechtswissenschaft? In: Mechthild Koreuber und Ute Mager (Hg.): Recht und Geschlecht. Zwischen Gleichberechtigung, Gleichstellung und Differenz. Baden-Baden 2004, 193–206. 94 Birgit Kolboske: Hierarchien. Das Unbehagen der Geschlechter mit dem Harnack-Prinzip. Arbeits- und Lebenswelten von Frauen in der Max-Planck-Gesellschaft, 1948–1998. Dissertation. Universität Leipzig 2021, im Erscheinen. 95 Alfred Söllner publizierte weiterhin in der Schriftenreihe des MPI für europäische Rechtsgeschichte und zum Arbeitsrecht, vgl. Alfred Söllner: Zu den Literaturtypen des deutschen Usus modernus. Ius Commune II (1969), 167–186; Alfred Söllner: Einführung in die römische Rechtsgeschichte. 2. Auflage. München 1980; Dieter Grimm: Solidarität als Rechtsprinzip. Die Rechts- und Staatslehre Léon Duguits in ihrer Zeit. Frankfurt am Main 1973; Dieter Grimm hatte aber auch maßgeblichen Anteil an dem von Helmut Coing herausgebrachten Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte. 96 Peter Girth: Individualität und Zufall im Urheberrecht. Berlin 2020.
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zu einer Verschränkung mit anderen Bereichen von Politik, Wirtschaft und Kultur, die stärker ausgeprägt ist als in anderen Bereichen der Geisteswissenschaften. Die juristischen Max-Planck-Institute profitierten von dieser Ausstrahlung in die Breite der Gesellschaft. Sie sind dadurch fester Bestandteil der deutschen Rechtswissenschaft und des deutschen Rechtslebens geworden.
6.
Wandel und Wachstum
Die Entwicklung dieses juristischen Clusters in der MPG war von Kontingenzen geprägt, die Großwetterlage der deutschen Wissenschaftslandschaft ging auch an den juristischen Max-Planck-Instituten nicht spurlos vorbei. Nach der Expansion um drei neue Institute in den 1960er Jahren begann eine Phase der Konsolidierung: Personalstamm und Bibliotheken wurden aufgebaut, Forschungsprogramme weiterentwickelt, neue Forschungsgruppen und Abteilungen entstanden, neue Gebäude wurden gebaut.97 Erst Ende der 1970 Jahre kam mit der Projektgruppe für Sozialrecht eine weitere Disziplin hinzu, die dann 1981 unter der Leitung von Hans F. Zacher als MPI für internationales und ausländisches Sozialrecht in die MPG aufgenommen wurde.98 Kurz nachdem der juristische Cluster in den 1960er Jahren mit fünf Instituten ausgebildet worden war, begann mit der Studentenbewegung 1968 eine Phase signifikanten Wandels an den Universitäten und in der Wissenschaftsorganisation. Die MPG setzte Anfang der 1970er Jahre zu einer großen Satzungsreform an; mit dem neuen Präsidenten Reimar Lüst verbanden viele die Hoffnung auf Veränderungen.99 Anteil daran hatten auch die Juristen der MPG. Aus dem Kreise der juristischen Mitarbeiter ist namentlich Dieter Grimm zu erwähnen, der sich im Verbund mit anderen Mitarbeitern geisteswissenschaftlicher Institute für eine Mitbestimmungsregel und Beteiligung der Mitarbeiter einsetzte.100 Unter den Direktoren war es Konrad Zweigert, der selbst zu den Reformern in der MPG zählte und die Wahl Lüsts zum Präsidenten sowie die spätere Satzungsreform unterstützte.101 97 Beispielsweise trat bald im Freiburger Institut für Strafrecht auch der Bereich der Kriminologie hinzu, unter Zweigert wurde in Hamburg eine sozialwissenschaftliche Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich der sogenannten Rechtstatsachenforschung auf den Gebieten des Privatrechts widmete. 98 Siehe den Beitrag von Eberhard Eichenhofer in diesem Band. 99 Balcar, Wandel durch Wachstum, 2020. 100 Die Episode wird nacherzählt in dem Interviewband mit Dieter Grimm et al.: »Ich bin ein Freund der Verfassung.« Dieter Grimm im Gespräch mit Oliver Lepsius, Christian Waldhoff und Matthias Roßbach. Tübingen 2017, 77–78. Siehe auch den Beitrag von Jan Thiessen in diesem Band. 101 Robert Gerwin: Im Windschatten der 68er ein Stück Demokratisierung. Die Satzungsreform von 1972 und das Harnack-Prinzip. In: Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko (Hg.): Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Studien zu ihrer Geschichte: Das Harnack-Prinzip. Berlin 1996, 211–224.
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Der Kreis der aktiven Reformer unter den Juristen dürfte indes kleiner gewesen sein als der Kreis derer, die diesen Veränderungen bestenfalls skeptisch gegenüberstanden. Als Rudolf Bernhardt 1970 als Ko-Direktor an das Heidelberger Institut berufen wurde, verließ er seine Frankfurter Professur mit beißender Kritik. Er fragte, ob »ein Leistungsabfall im Interesse der Demokratisierung in Kauf genommen werden« solle.102 Ähnlich ließ sich Karl Doehring, damals noch Referent am Heidelberger Institut und in den 1980er Jahren auch dessen Direktor, im Handelsblatt zitieren: »Kein Handwerksmeister käme auf den Gedanken, seine Lehrlinge an wichtigen Fragen der Gestaltung der Lehre zu beteiligen.«103 Erzkonservative Speerspitze dieser Skepsis war jedoch der Frankfurter Direktor Helmut Coing, der aus seiner Verachtung für die 68er und die Reformbewegung keinen Hehl machte. Seinem ehemaligen Assistenten Kurt Biedenkopf (1930–2021), der selbst zwischenzeitlich als Direktor eines projektierten Max-Planck-Instituts für Wirtschaftsordnung im Gespräch war,104 schrieb er: Die Verhältnisse sind im Moment hier so, dass ich selber, wenn ich einen nur einigermaßen akzeptablen Ruf erhielte, fortgehen würde. Meine Anschauungen von dem, was Recht ist und wie Recht unterrichtet werden sollte, sind zu verschieden von denjenigen, die hier zur Herrschaft kommen.105
Helmut Coing war vermutlich der idealtypische Alleinherrscher, dessen Zeit sich mit dem Generationen- und Organisationswechsel der 1970er Jahre dem Ende zu neigte. Coing hatte noch die Ansicht vertreten, dass Forschungsinstitute zu »wertbezogenen Fragestellungen« – zu denen er die Rechtswissenschaft zählte – nicht im kollegialen Einvernehmen geleitet werden könnten.106 Dennoch wurden in den 1970er Jahren fast überall Doppel- und Dreierspitzen eingerichtet: Zunächst durch Aufnahme der Kriminologie in das strafrechtliche Institut als zweite Abteilung. Es folgten die Berufung Rudolf Bernhardts zum Ko-Direktor in Heidelberg, später dann das sogenannte erste Triumvirat in
102 FAZ Artikel am 18.8.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4519, fol. 1–4, hier: fol. 1. 103 Handelsblatt Artikel vom 1.9.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4519, fol. 62; zur Kontroverse um die paritätische Besetzung von Hochschulgremien vgl. außerdem Florian Meinel: Die Studentenbewegung vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Urteil zum Niedersächsischen Vorschaltgesetz. In: Florian Meinel (Hg.): Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bonner Republik. Aspekte einer Geschichte des Bundesverfassungsgerichts. Tübingen 2019, 387–408. 104 Es gab mehrere Anläufe, die Wirtschaftswissenschaften in die MPG zu integrieren, die allesamt maßgeblich von juristischen Direktoren initiiert wurden. Das geplante Institut für Wirtschaftsordnung mit Kurt Biedenkopf verfolgte eine dezidiert ordoliberale Stoßrichtung. Biedenkopf war in den 1950er Jahren Mitarbeiter bei Helmut Coing gewesen, der seinerseits als Kollege von Franz Böhm und Walter Hallstein an der juristischen Fakultät der Universität Frankfurt das Institut für ausländisches und internationales Wirtschaftsrecht leitete. 105 Brief Biedenkopf an Coing vom 25.4.1969, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1074, fol. 101. 106 Ebd.
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Hamburg.107 Diese kollegialen Leitungen waren Bestandsgarantien für die Institute, denn Generationenwechsel konnten zukünftig schrittweise erfolgen. Sie waren außerdem Antwort auf die auch personell stark angewachsenen Institute, die mit immer größerem Verwaltungsaufwand einhergingen. Ob damit stets auch Effizienzgewinne und eine Verbesserung der Forschungstätigkeit einhergingen, darf bezweifelt werden. Hermann Mosler nahm ein Leitmotiv späterer Compliance-Diskussionen vorweg, als er anlässlich einer Revision durch den Landesrechnungshof dem Präsidenten schrieb: Ich kann mir schlechthin keinen Verwaltungszweck, insbesondere nicht den der sparsamen Bewirtschaftung öffentlicher Mittel, vorstellen, der es rechtfertigt, vielbeschäftigte, für andere Aufgaben benötigte, bis zur Grenze der Leistungskraft angestrengte Leute mit völlig unnützen Arbeiten zu beschäftigten. Nimmt man hinzu, dass mindestens drei Beanstandungen [des Rechnungshofs] auf so niedrigem Niveau stehen, dass Kränkung und Albernheit dabei wetteifern, so reisst der Geduldsfaden vollends.108
Seitdem ist das Element des »Managements« ein ständiger Begleiter der Direktorinnen und Direktoren der MPG geworden; sie sind mit Eintritt in die Leitungsfunktion eines solchen Instituts immer zugleich auch Wissenschaftsmanager geworden. Konrad Zweigert füllte diese Rolle bereits in Ansätzen aus.109 Später wurde Hans F. Zacher ein Paradebeispiel für diese Rolle. Er betrieb zunächst die Umwandlung seiner Projektgruppe für Sozialrecht in ein grundständiges Institut, brachte sich in die Gremienarbeit der MPG ein und wurde schließlich selbst ihr Präsident, als der er bei gleichbleibenden Haushaltszwängen den Aufbau neuer Max-Planck-Institute in den neuen Bundesländern nach 1990 austarieren musste.110 Die Herausforderungen innerhalb der Institute bestanden aus dem weiteren personellen Zuwachs, der durch die Schaffung von Doppel- und Dreierspitzen möglich wurde. Größere Bedeutung erlangten Drittmittelprojekte111 – die ihre
107 1979 wurden gleichzeitig Ulrich Drobnig, Hein Kötz und Ernst-Joachim Mestmäcker als Nachfolger Zweigerts gewählt. 108 Brief Hermann Moslers an den Präsidenten Butenandt vom 23.5.1967, AMPG , II . Abt., Rep. 44, Nr. 9. 109 Jürgen Basedow: Konrad Zweigert und die politische Dimension des Rechts. In: Tilman Repgen, Florian Jeßberger und Markus Kotzur (Hg.): 100 Jahre Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Tübingen 2019, 21–38. 110 Ulrich Becker: Hans F. Zacher und die rechtliche Ordnung des Sozialen. In: Susanne Baer et al. (Hg.): Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Bd. 64. Tübingen 2016, 663–671; Michael Stolleis: Hans F. Zacher und die Begründung des Sozialrechts. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Bd. 64. Tübingen 2016, 673–677. 111 Den Anfang machte in den 1970er Jahren das MPI für Privatrecht mit der größtenteils durch Drittmittel finanzierten sozialwissenschaftlichen Arbeitsgruppe. Größere Drittmittelprojekte sollten ab den 1980er Jahren dann auch an den Instituten für Strafrecht, Patentrecht, Sozialrecht und Rechtsgeschichte angesiedelt werden. Ausgewiesen in den Haushaltsbücher der MPG für den Zeitraum 1954 bis 2002, eigene Auswertung.
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eigenen Managementzwänge mit sich brachten. Die Gruppe derjenigen, die an diesen Instituten forschten, wurde immer heterogener. So rekrutierte sich das wissenschaftliche Personal seit den 1990er Jahren längst nicht mehr so uneingeschränkt ausschließlich aus dem Pool deutscher Staatsexamensabsolventinnen und -absolventen.112 Die Öffnung war zum einen international und zum anderen interdisziplinär. Das ermöglichte völlig neue Zugriffe auf die jeweiligen Rechtsgebiete, machte aber zugleich viel mehr Teamarbeit und Koordination notwendig, sofern eine Zersplitterung in viele Untergrüppchen verhindert werden sollte.113 Die 1980er Jahre markierten also in gewisser Hinsicht noch einmal einen Wachstumsschub, der allerdings eher die wissenschaftliche Binnendifferenzierung betraf. Gegen Ende der 1990er Jahre zeichnete sich in Form einer Projektgruppe die Anwartschaft auf ein weiteres Institut ab: das Recht der Gemeinschaftsgüter.114 Im Übrigen dürfte diese letzte Dekade unseres Untersuchungszeitraums jedoch als eine Phase der Stagnation angesehen werden.115 Die Wiedervereinigung und der staatliche Auftrag an die MPG, im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms Teile der ostdeutschen Wissenschaftsinstitute aufzunehmen bzw. neue Institute in Ostdeutschland zu gründen, wohlgemerkt bei unveränderter Mittelausstattung, führten zu Verteilungskämpfen innerhalb der MPG. Dass die juristischen Institute diese Verteilungskämpfe mehr oder weniger unangetastet überstanden, dürfte Zeugnis ihrer Verankerung und inzwischen erlangten Rolle in der MPG sein.116
112 Die erste (nachweisbare) nicht-deutschsprachige Dissertation kam 1979 aus dem völkerrechtlichen Institut von Rainer Hofmann, der mit seiner Arbeit Le Lock-out en droit allemand an der Universität Montpellier promoviert wurde; erst zehn Jahre später folgte Otto Kaufmanns Arbeit La sécurité sociale dans les relations entre la France et les pays d’Afrique au Sud du Sahara, mit der dieser an der Université Paris I promoviert wurde. Eine gewisse Regelmäßigkeit auch englischsprachiger Promotionen ist überhaupt erst ab 1995 zu verzeichnen, vgl. die Publikationslisten von den Instituten in den Jahrbüchern der MPG . 113 Ein Beispiel dafür war die sozialwissenschaftliche Arbeitsgruppe in Hamburg, die 1980 an die Universität Bremen umsiedelte. Aus diesem Anlass teilte das Direktorium dem Bundesministerium der Justiz (BMJ), das als Drittmittelgeber beteiligt gewesen war, mit: »Die Gruppe sei mit ihren zeitweise bis zu 14 Mitgliedern im Institut ein Fremdkörper geblieben. Eine Integration habe nicht stattgefunden.« Vermerk vom 13.11.1979, BArch B 141/128807. 114 Ein Teil der Gründungsunterlagen und erste Stellungnahmen, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1109, außerdem AMPG , II . Abt., Rep. 1, Nr. 50. 115 Zur Phaseneinteilung siehe den Beitrag von Jürgen Kocka. In: Jürgen Kocka et al. (Hg.): Die Max-Planck-Gesellschaft. Wissenschafts- und Zeitgeschichte 1945–2005. Göttingen 2023, im Erscheinen. 116 Nicht unerheblich dürfte außerdem der Umstand gewesen sein, dass in jener Zeit mit Hans Zacher auch der Präsident der MPG aus ihren Reihen stammte; so angedeutet in einem Brief von Michael Stolleis and Gerhard Oexle vom 20.10.1996 im Zuge der Schließung des Göttinger Instituts für Geschichte, AMPG , II . Abt., Rep. 53, Nr. 24.
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Resümee und Ausblick
Der Begriff der »Vogelperspektive« suggeriert, dass es aus gewisser Entfernung möglich sei, größere Strukturen und Konturen in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Das gestaltet sich im Hinblick auf die Rechtswissenschaften in der MPG aus mehreren Gründen schwierig: So etwas wie einen expliziten Bauplan gab es nicht, die Institute sind außerdem auf unterschiedliche Städte in Deutschland verteilt und beschäftigen sich mit je verschiedenen sowie klar umgrenzten Teildisziplinen des Rechts. Bisweilen erwecken sie so den Anschein, in »splendid isolation« vor sich hin zu forschen. Dennoch haben die Rechtswissenschaften als Gruppe durchgehend fast die Hälfte der ganzen geisteswissenschaftlichen Sektion der MPG ausgemacht; heute haben sich inzwischen zehn Institute in »Max Planck Law« zu einem formalisierten Netzwerk und einer sichtbaren Plattform zusammengeschlossen.117 Robustheit, Kontinuität und Wachstum lassen sich nicht mit Isolationismus erklären. Mit den beiden Kaiser-Wilhelm-Instituten für Privatrecht und Völkerrecht sollte ein Bogen der Kontinuität in die MPG führen. Die Gründung des rechtshistorischen Instituts, die 1959 eingeleitet wurde, war in vielerlei Hinsicht ein Testballon für die Expansion der geisteswissenschaftlichen Sektion und zugleich Anlass, den Finanzierungsschlüssel der MPG zwischen Bund und Ländern neu zu verhandeln.118 Die Max-Planck-Gesellschaft ging aus dieser Auseinandersetzung als Gewinnerin hervor und wuchs rasch um zwei weitere juristische MaxPlanck-Institute an: das strafrechtliche Institut in Freiburg sowie das Institut für Urheber- und Patentrecht in München. Bei beiden handelte es sich jedoch nicht um Neugründungen im engeren Sinne. Vielmehr wurden hier bestehende und bereits angesehene Universitätsinstitute in die MPG eingegliedert.119 Das geschah teilweise aus der Not dieser Institute heraus, die wachsen wollten, dies aber unter den Bedingungen und mit der Ausstattung der Universitäten nicht konnten. Es geschah aber auch aus dem offenkundigen Interesse der MPG heraus, statt Neugründungen lieber Bestehendes auszubauen.120 Auch in der Folgezeit sollte sich das Wachstum überwiegend in der Gründung neuer Abteilungen, weiteren Ausdifferenzierungen und dem schrittweisen Aufbau durch Projektgruppen niederschlagen. Die zum Schluss angesprochenen Aspekte des Wandels sind längst nicht abgeschlossen. Das wissenschaftliche Gespräch über das Recht ist heute vermutlich 117 Mit eigenem Internetauftritt: Max Planck Law: Homepage. Homepage. https://law.mpg. de. Zuletzt aufgerufen am 23.3.2022. 118 Vgl. dazu Balcar, Wandel durch Wachstum, 2020. 119 Siehe den Beitrag von Sascha Ziemann in diesem Band. 120 So ausdrücklich auch der Bericht, den Konrad Zweigert im Auftrag der Sektion zur Aufnahme des Instituts für Strafrecht und des Instituts für Patentrecht anfertigte. Protokoll der Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion des Wissenschaftlichen Rates vom 30.10.1962 in Frankfurt am Main, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1416, fol. 15–18.
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so international und global wie selten zuvor.121 Auslandsaufenthalte während des Studiums oder ein ausländischer Masterabschluss sind längst eine Selbstverständlichkeit. Regelmäßige Forschungsaufenthalte und Gästeprogramme vernetzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die globale Pandemie, deren Ausbruch in die Arbeiten an diesem Band fiel, brachte die allgemeine Erkenntnis mit sich, dass wir dazu nicht einmal mehr an ein und demselben Ort sein müssen.122 Der Medienwandel, der bereits seit den 1990er Jahren beschworen wird, hält noch immer an. Die Rechtswissenschaft ist außerdem interdisziplinärer geworden. Damit stellt sich aber auch die Frage nach Zentrifugalkräften. Der juristische Cluster in der MPG der 1960er Jahre war überwiegend männlich, deutsch, mit mindestens einem juristischen Staatsexamen ausgestattet und stark am deutschen Markt ausgerichtet, das heißt man betrieb auch an den juristischen Max-Planck-Instituten deutsche Rechtsdogmatik. Der juristische Cluster heute ist weiblicher, internationaler, diverser und interdisziplinärer; Doktoranden sind jetzt PhDCandidates und Habilitanden sind Post-Docs, die nicht notwendigerweise auf dem deutschen Markt nach Stellen suchen. Ob damit auch eine Befreiung von äußeren Forschungszwängen einhergeht oder, umgekehrt, der Spagat zwischen »Berufungstauglichkeit« und genuin wissenschaftlicher Neugierde, den die einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Alltag zu leisten haben, noch größer wird, bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit hat sich eine Strategie der Komplementarität als erfolgreicher Wachstumsmotor herausgestellt. Die Institute kamen sich nicht in die Quere, man forschte jeweils zu seinem Sachgebiet in klar umgrenzten Zuständigkeitsbereichen. Zugleich ergänzten sich die Institute und bildeten zusammen einen Großteil des klassischen Fächerkanons einer juristischen Fakultät ab: Privatrecht, öffentliches Recht, Strafrecht mit Grundlagenfächern und weiteren Verästelungen. Komplementarität bestimmte auch ihr Verhältnis zur deutschen Rechtswissenschaft. Man wollte den Universitäten dezidiert keine Konkurrenz machen. Als Informationszentrum und Gutachter standen die Institute deutschen Gerichten und der deutschen Politik zur Verfügung, während umgekehrt viele der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu geltendem deutschen Recht forschten. Der Gedanke der Komplementarität trägt letztlich auch den neueren Zusammenschluss »Max Planck Law.« Es ist die Einsicht, dass 121 Armin von Bogdandy: Deutsche Rechtswissenschaft im europäischen Raum. JuristenZeitung 66/1 (2011), 1–6. 122 Was neue Möglichkeiten der Kooperation eröffnet, vgl. Jose Maria Barrero, Nicholas Bloom und Steven J. Davis: Why Working From Home Will Stick. Working Paper 2020–174. Chicago, IL: Becker Friedman Institute 22.4.2021. https://papers.ssrn.com/ abstract=3741644. Zuletzt aufgerufen am 23.3.2022. Prominentes Beispiel: Die Markus’ Academy, die während der Pandemie 2020/2021 einen weltweiten, virtuellen Austausch von Wirtschaftswissenschaftlern organisierte: Princeton University. Bendheim Center for Finance: Markus’ Academy, 20.11.2020. https://bcf.princeton.edu/markus-academy/. Zuletzt aufgerufen am 23.3.2022.
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man gemeinsam ein breiteres Spektrum abdecken kann, dass Interdisziplinarität und Internationalität in diesem Verbund noch besser gestemmt werden können als an einem einzelnen Institut. Der Wandel ist noch lange nicht vorbei.
Anhang Archivalien Archiv der Max-Planck Gesellschafft Generalverwaltung: Institutsbetreuung, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4023, 4025, 4116, 4139, 4140, 4141, 4519 Gründungsakten, AMPG , II . Abt., Rep. 102, Nr. 438 Handakten, AMPG , II . Abt., Rep. 1, Nr. 3, 50 KWI für ausländisches und internationales Privatrecht, AMPG , I . Abt., Rep. 37, Nr. 21–22 MPI für Bildungsforschung, AMPG , II . Abt., Rep. 44, Nr. 9 MPI für Geschichte, AMPG , II . Abt., Rep. 53, Nr. 24. Präsident / Präsidalbüro, AMPG , II . Abt., Rep. 57, Nr. 1076 Wissenschaftlicher Rat (auch GV Neuvorhaben / Neugründungen), AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1074, 1109, 1412, 1416 Zentrale Einrichtungen der KWG , Generalverwaltung, AMPG , I . Abt., Rep. 1 A, Nr. 81 Politisches Archiv Auswärtigen Amtes VM Völkerrecht, PA AA RZ 403/54245 Bundesarchiv Bundesministerium der Justiz, BA rch B 141/128807 Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M. Best. A.02.01 (Magistratsakten) Nr. 8.421.
Literatur Ankeny, Rachel A. und Sabina Leonelli: Repertoires: A Post-Kuhnian Perspective on Scientific Change and Collaborative Research. Studies in History and Philosophy of Science Part A 60 (2016), 18–28. Balcar, Jaromír: Wandel durch Wachstum in »dynamischen Zeiten«. Die Max-Planck-Gesellschaft 1955/57 bis 1972. Berlin: GMPG -Preprint 2020. Barrero, Jose Maria, Nicholas Bloom und Steven J. Davis: Why Working From Home Will Stick. Working Paper 2020–174. Chicago, IL: Becker Friedman Institute 22.4.2021. https://papers. ssrn.com/abstract=3741644. Zuletzt aufgerufen am 23.3.2022. Basedow, Jürgen: Konrad Zweigert und die politische Dimension des Rechts. In: Tilman Repgen, Florian Jeßberger und Markus Kotzur (Hg.): 100 Jahre Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Tübingen: Mohr Siebeck 2019, 21–38. Becker, Ulrich: Hans F. Zacher und die rechtliche Ordnung des Sozialen. In: Susanne Baer, Oliver Lepsius, Christoph Schönberger, Christian Waldhoff und Christian Walter (Hg.): Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Bd. 64. Tübingen: Mohr Siebeck 2016, 663–671. Bogdandy, Armin von: Deutsche Rechtswissenschaft im europäischen Raum. JuristenZeitung 66/1 (2011), 1–6.
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Felix Lange
Zwischen völkerrechtlicher Systembildung und Begleitung der deutschen Außenpolitik Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1945–2002
1. Einleitung Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ist unter den juristischen Instituten der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) jenes mit der längsten Tradition.1 Als es 1949 in Heidelberg wiedergegründet wurde, konnte es auf eine über zwanzigjährige Vorgeschichte zurückblicken. Denn bereits Ende des Jahres 1924 war das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (KWI) zunächst als eingetragener Verein unter Beteiligung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) mit Sitz in Berlin gegründet worden, bevor es 1938 auch formal in die KWG eingegliedert wurde. Die Geschichte des Instituts nach dem zweiten Weltkrieg bis 20022 sollte deswegen nicht ohne Rückbezüge auf die Zeit vor 1945 erzählt werden. Aber auch grundsätzlicher kann man fragen, wie man überhaupt die Geschichte eines wissenschaftlichen Instituts schreiben sollte. Wie die beiden Historiker Jan Eckel und Thomas Etzemüller mit Blick auf die deutsche Historiographiegeschichte dargelegt haben, kann eine wissenschaftsgeschichtliche Arbeit aus verschiedenen Perspektiven geschrieben werden. So zählten zunächst besonders Narrative zum Standardrepertoire, die sich auf die Inhalte und Methoden des Fachs in ihrer historischen Entwicklung konzentrierten. Seit den 1990er Jahren nahmen Historiker dann verstärkt auch das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik in den Blick, vor allem im Rahmen der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik. Zudem wurden wissenschaftssoziologische Studien populärer, die die Entstehungsbedingungen von Wissen im Fach Geschichte auf Grundlage der Feldanalyse Pierre Bourdieus, des Paradigmenmodells von Thomas S. Kuhn und der Denkstillehre Ludwik Flecks 1 Das völkerrechtliche Institut wurde 1924 errichtet, das für ausländisches und internationales Privatrecht 1926. 2 Da der Endpunkt des Forschungszeitraums des Forschungsprogramms »Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft« (GMPG) (1948–2002), mit dem Direktorenwechsel von Jochen A. Frowein auf Armin von Bogdandy zusammenfällt, bietet er sich als Endpunkt der Untersuchung an.
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untersuchten. Darüber hinaus widmete sich die Zunft der Geschichte ihres Faches unter anderem aus narratologischer, geschlechtergeschichtlicher, diskursanalytischer, transnationaler oder »erinnerungskultureller« Perspektive.3 Auch der Geschichte eines rechtswissenschaftlichen Instituts der MPG kann man sich auf verschiedenen Wegen nähern. Eine tiefe Institutsgeschichte sollte dabei mehrere Perspektiven zu kombinieren suchen. Ein Beitrag in einem Sammelband kann jedoch nur Teilaspekte behandeln, zumal die bisher dünne Forschungslage zur Geschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts (MPIL) nicht genug Anknüpfungspunkte für einen synthetisierenden Gesamtüberblick bietet. Dabei war die Geschichte des MPIL lange Zeit kaum erforscht. Es existierten lediglich Berichte, die häufig aus Anlass von Institutsjubiläen entstanden und wichtige Etappen der Entwicklung der Institution aus der Innenperspektive kurz nachzeichneten.4 Erst jüngst gab es einen wichtigen Impuls. Ende 2017 erschien die instruktive Studie des ehemaligen Direktors Rudolf Bernhardt und der langjährigen Mitarbeiterin Karin Oellers-Frahm zur Geschichte des völkerrechtlichen Instituts von 1949 bis 2013, die die inhaltlichen Schwerpunkte der Institutsarbeit unter den verschiedenen Direktoren in den Blick nimmt sowie die Rolle der maßgeblichen Akteure, die Funktion der Publikationen und die Bedeutung der Bibliothek analysiert.5 Mit diesem Beitrag möchte ich die auf die Forschungsentwicklung konzentrierte Darstellung von Bernhardt und Oellers-Frahm um zwei Perspektiven ergänzen: Es wird, erstens, der historisch-politische Kontext der Forschungsarbeit hervorgehoben und, zweitens, auf Rolle und Rezeption der Institutsarbeiten in der deutschen und ausländischen Wissenschaft eingegangen. Dabei stütze ich mich auf meine eigenen Forschungen über die Entstehungsgeschichte des In-
3 Vgl. Jan Eckel und Thomas Etzemüller: Vom Schreiben der Geschichte der Geschichtsschreibung. In: Jan Eckel und Thomas Etzemüller (Hg.): Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft. Göttingen 2007, 7–26. Zu über Deutschland hinausgehenden, neueren Ansätzen im Hinblick auf die »Intellectual History«, vgl. Darrin M. McMahon und Samuel Moyn (Hg.): Rethinking Modern European Intellectual History. Oxford 2014; zur aktuellen rechtsgeschichtlichen Diskussion in Deutschland, Peter Oestmann und Thomas Duve: Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte. Drei Blickwinkel auf das Recht der Vergangenheit. Max Planck Institute for European Legal History, Research Paper Series 6 (2014). 4 Vgl. Hermann Mosler: Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1961. Göttingen 1961, 687–703; Hermann Mosler et al.: Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. In: Generalverwaltung der Max-PlanckGesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft. Berichte und Mitteilungen. Bd. 2/75. München 1975; Robert A. Riegert: The Max Planck Institute for Foreign Public Law and International Law. The International Lawyer 3/3 (1969), 506–524. 5 Rudolf Bernhardt und Karin Oellers-Frahm: Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013. Heidel berg 2018.
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Das MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
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stituts nach dem Zweiten Weltkrieg6 und den völkerrechtsmethodischen und völkerrechtskonzeptionellen Ansatz des langjährigen Direktors des Instituts Hermann Mosler (1954–1976).7 Zudem werden die im Archiv der Max-PlanckGesellschaft (AMPG) befindlichen Tätigkeitsberichte, Institutsbetreuerakten, Senatsprotokolle, Protokolle des Wissenschaftlichen Rats, Akten der Geisteswissenschaftlichen Sektion und Nachlässe der Direktoren Carl Bilfinger und Hermann Mosler ausgewertet. Auf dieser Grundlage ordnet dieser Beitrag die thematische und methodische Schwerpunktsetzung am MPIL in den politischen Kontext ein. Zwar ist Wissenschaft nicht politisch im engeren Sinne und auch die MPG betont die »Freiheit« und »Unabhängigkeit« ihrer »wissenschaftlichen Forschung«.8 Die Forschungen wirken jedoch in den politischen Raum hinein und werden von den politischen Ereignissen mitbedingt. Besonders politische Umbrüche und Krisensituationen können Referenz- und Resonanzraum für wissenschaftliche Methoden und Konzepte sein. Zudem erscheinen Fragen nach der Kontinuität zum KWI besonders drängend, gerade weil das völkerrechtliche MPI neben dem Schwesterinstitut für ausländisches und internationales Privatrecht das einzige der juristischen Institute ist, das eine Institutstradition vor 1945 besitzt. Wie ging man nach 1945 mit dieser Tradition um? Wie grenzte man sich von dem Völkerrecht der nationalsozialistischen Zeit ab? Darüber hinaus gilt es zu untersuchen, wie das jeweilige Forschungsprogramm mit der politischen Entwicklung in der Bundesrepublik verbunden war. Wieso verfolgte man einen eng an die Rechtspraxis angelehnten methodischen Ansatz, der theoretische Fragestellungen eher ausblendete? Wie reagierte man auf die Westintegration, die Ostpolitik und die Wiedervereinigung? Zudem wird erörtert, welche Rolle das völkerrechtliche MPI in der deutschen und internationalen Völkerrechtswissenschaft einnahm. Die MPG versteht sich als Forschungsgesellschaft, die auf Grund der Exzellenz der jeweiligen Institutsdirektorinnen und -direktoren Innovationen und maßgebliche Diskurse im jeweiligen Forschungsfeld besetzt und mit anstößt.9 Konnte das völkerrechtliche Institut diesem Anspruch gerecht werden? Wie wurde der Forschungsansatz des 6 Vgl. Felix Lange: Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 74/4 (2014), 697–731. 7 Vgl. Felix Lange: Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption: Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945. Berlin 2017. 8 Vgl. die Satzungen der MPG , Hinweise bei Carola Sachse: Grundlagenforschung. Zur Historisierung eines wissenschaftspolitischen Ordnungsprinzips am Beispiel der Max-PlanckGesellschaft (1945–1970). In: Dieter Hoffmann, Birgit Kolboske und Jürgen Renn (Hg.): »Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen«. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. Berlin 2014, 215–239. 9 Zum heutigen Selbstverständnis der Max-Planck-Gesellschaft, vgl. Max-Planck-Gesellschaft: Kurzportrait. https://www.mpg.de/kurzportrait. Zuletzt aufgerufen 19.9.2022.
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Felix Lange
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MPI an deutschen Universitäten rezipiert? Welche Rolle spielte das Institut in der internationalen Debatte? Gerade für das Völkerrecht, das als Rechtssystem nicht auf einen Staat oder eine Region begrenzt ist, erscheint es besonders naheliegend, die Verbindungslinien zu den wissenschaftlichen Diskussionen im Ausland zu untersuchen. Dabei lässt sich die Geschichte des Instituts zwischen 1949 und 2002 in vier Phasen einteilen, deren Schnittstellen teilweise die großen außenpolitischen Umbrüche der bundesrepublikanischen Geschichte widerspiegeln und sich zum Teil an den Antrittsdaten neuer Direktoren orientieren. Zunächst konzentriert sich der Beitrag auf die Frage der Kontinuität gegenüber der nationalsozialistischen Vergangenheit unter der Leitung von Carl Bilfinger in der Gründungsphase (1949–1954). Anschließend wird die Tätigkeit des neuen Direktors Hermann Mosler und der Institutsangehörigen im Kontext des außenpolitischen Programms der Westintegration beleuchtet (1954–1970). Danach widmet sich der Beitrag der institutionellen Expansion hin zum Triumvirat und befasst sich mit den Verbindungen der Forschung zur Ostpolitik und den internationalen Debatten (1970–1990). Schließlich wird dargestellt, wie die Wiedervereinigung am Institut wahrgenommen wurde, und die weitere Öffnung gegenüber einer »globaler« werdenden Wissenschaft beleuchtet (1990–2002).
2.
Neugründung und die nationalsozialistische Vergangenheit. Das Direktorium Bilfinger (1949–1954)
Die Gründung des völkerrechtlichen MPI im Jahre 1949 unter Direktor Carl Bilfinger war eine Entscheidung für institutionelle und personelle Kontinuität. Das Institut war 1924 als KWI mit Viktor Bruns als Direktor gegründet und im Berliner Stadtschloss untergebracht worden. Bruns hatte das Institut als Einrichtung verstanden, die nicht nur der Systematisierung des völkerrechtlich relevanten Materials dienen sollte, sondern auch der deutschen völkerrechtlichen Position, also der Kritik am Versailler Vertrag, eine Stimme im internationalen Austausch geben sollte.10 In diesem Sinne plädierte Bruns auch nach 1933 für die deutsche Gleichberechtigung und legitimierte Revisionsmaßnahmen der nationalsozialistischen Regierung wie die Einführung der Wehrpflicht im März 1935 aus völkerrechtlicher Perspektive.11 Nach dem Tod von Bruns über10 Vgl. Die Kaiser Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, November 1926, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, R 54245; dazu Felix Lange: Between Systematization and Expertise for Foreign Policy. The Practice-Oriented Approach in Germany’s International Legal Scholarship (1920–1980). European Journal of International Law 28/2 (2017), 535–558. 11 Viktor Bruns: Deutschlands Gleichberechtigung als Rechtsproblem. Berlin 1934; Viktor Bruns: Der Beschluß des Völkerbundes vom 17. April 1935. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 5 (1935), 310–332. Völkische Theorien waren am Ins-
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Das MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
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nahm Bilfinger, der als patriotischer Nationalist galt, von 1943 bis 1945 die Leitung des KWI. Das NSDAP-Mitglied Bilfinger hatte in Anlehnung an Carl Schmitt den Völkerbund nicht nur als Produkt anglo-amerikanischer Hegemonie scharf angegriffen,12 sondern auch in polemischen Schriften die Kriegspolitik der Westmächte verurteilt, gegen den Parteienstaat gewettert und antisemitisch agitiert.13 Dementsprechend rechnete nach 1945 kaum jemand damit, dass unter den Bedingungen der Entnazifizierungspolitik der Amerikaner der 1879 geborene Bilfinger als Direktor eines wiederbegründeten Instituts in Betracht käme.14 Zwischenzeitlich hatten der Politiker der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Carlo Schmid, der für kurze Zeit eine Institutsgründung in Tübingen anstrebte, und der erfahrene Weimarer Verfassungsrechtler Richard Thoma, der als Direktor eines Bonner Instituts im Gespräch war, deutlich bessere Aussichten auf eine Berufung.15 Nachdem die Entnazifizierungspolitik der Amerikaner auf Grund der verstärkten Spannungen zwischen Ost und West jedoch verwässerte und Bilfinger in seinem Entnazifizierungsverfahren nur als Mitläufer eingestuft worden war,16 änderte sich die Lage. Im März 1949 berief der Senat der MPG Bilfinger als Direktor des umbenannten völkerrechtlichen MPI.17 Insbesondere der Vorsitzende der Auswahlkommission Georg Schreiber, der als Zentrumspolitiker im Reichstag der Weimarer Republik gesessen hatte,18 hielt Bilfinger für geeignet und war bereit, über dessen Vergangenheit hinweg-
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titut weniger verbreitet, vgl. aber Herbert Kier: Über die Gestaltung eines Volksgruppenrechts. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 7 (1937), 497–510; Hermann Raschhofer: Entwicklung und Funktion des neuen Volksgruppenrechts. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 11 (1942), 418–444; Günther Küchenhoff: Großraumgedanke und völkische Idee im Recht. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 12 (1944), 34–82; dazu ausführlich Lange, Praxisorientierung, 2017, 124–127. Siehe Carl Bilfinger: Völkerbundsrecht gegen Völkerrecht. München 1938. Siehe Carl Bilfinger: Die Kriegserklärungen der Westmächte und der Kelloggpakt. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 10 (1940), 1–23; Carl Bilfinger: Zum zehnten Jahrestag der Machtübernahme. Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 10 (1943), 17–18; Carl Bilfinger: Die Stimson-Doktrin. Essen 1943; dazu Lange, Bilfingers Entnazifizierung, 2014, 697–731. Im April 1946 stellte Mosler apodiktisch fest: »Eine Wiederbelebung unter Bs. Leitung in Heid. verspricht keinen Erfolg. Der Ausgang des Bestätigungsverfahrens ändert daran nichts.« Brief von Hermann Mosler an Helmut Strebel vom 6.4.1946, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 25. Vgl. Lange, Bilfingers Entnazifizierung, 2014, 697–731, 715 ff. Vgl. Spruch vom 29. Oktober 1947, GLA Karlsruhe, 465a/59/3/1363. Vgl. Niederschrift über die 4. Sitzung des Senats der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. am 18. und 19. März 1949 in Göttingen, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 4. SP, in: Niederschriften von Sitzungen des Senats Nr. 4–6 (1949). Vgl. Hermann Mosler: Nachruf Georg Schreiber. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 22/1 (1962), 9.
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zusehen.19 So wurde das Institut an dem von Bilfinger präferierten Standort Heidelberg wiedereröffnet, während eine kommissarisch geleitete Zweigstelle in Berlin zunächst weiter existieren sollte.20 Kritische Reaktionen blieben nicht aus. Adolf Grimme, der ehemalige Kultusminister von Niedersachsen, schrieb an den MPG -Präsidenten Otto Hahn, dass »es ein ernster politischer und sachlicher Fehler gewesen [sei] […], Bilfinger wiederum zum Direktor […] zu ernennen.«21 Gerhard Leibholz, der während des Nationalsozialismus als Göttinger Professor jüdischer Herkunft nach England emigriert war, kritisierte, dass jemand das Institut nach dem Zweiten Weltkrieg weiterführen dürfe, der »von dem Braunen Haus in der Zeit, in der der Nationalsozialismus seine Orgien feierte, mit der Leitung des Instituts […] betraut wurde.«22 Wilhelm Wengler (1907–1995), seit 1950 Professor an der FU Berlin, kommentierte die erste Veröffentlichung der institutseigenen Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) nach 1945 mit den Worten: »Wer sich etwa an den Aufsatz ›Zum 10. Jahrestag der Machtübernahme‹ erinnert, den Bilfinger noch im Februar 1943 geschrieben hat, wird seine Enttäuschung über [Bilfingers] Herausgeberschaft nicht verhehlen können.«23 Zudem kritisierte er, dass sich Bilfinger nicht genug für ihn eingesetzt habe, als er als Mitarbeiter an dem von Bilfinger geleiteten KWI 1944 wegen einer unbedachten Äußerung gegenüber einem SS -Mann in Geheime Staatspolizei (Gestapo) -Haft geraten sei.24 Auch im Ausland konnten einige Bilfingers Berufung nicht verstehen, was sich daran zeigt, dass eine 1955, anlässlich Bilfingers 75. Geburtstags, herausgegebene Festschrift prompt auf scharfe Kritik eines im Ausland tätigen Wissenschaftlers stieß.25 19 Vgl. Hans Ballreich, Professor Dr. Carl Bilfinger errichtet das Max-Planck-Institut für öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg (unveröffentlichtes Manuskript), 1976, S. 44 ff., AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 10. 20 Die kommissarische Leitung erfolgte durch Erich Kraske, vgl. Niederschrift der 19. Sitzung des Senates vom 14.12.1954 in Frankfurt am Main, S. 18, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 19. SP.; Niederschrift der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 9.6.1954 in Wiesbaden, S. 10, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1932. 21 Brief von Adolf Grimme an Otto Hahn vom 14.7.1950, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4473, fol. 357. 22 Brief von Gerhard Leibholz an Otto Hahn vom 27.6.1949, AMPG , II. Abt., Rep. 67, Nr. 349, fol. 8. 23 Wilhelm Wengler: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Neue Juristische Wochenschrift, 1951, 555. 24 Vgl. Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in West und Ost. 1945–1990. München 2012, 77, Fußnote 353; zu der »Sache Wengler« ausführlich Felix Lange: Kolonialrecht und Gestapohaft. Wilhelm Wengler 1933–1945. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 76/3 (2016), 633–659, 645–648. 25 Vgl. Hermann Mosler und Georg Schreiber (Hg.): Völkerrechtliche und staatsrechtliche Abhandlungen. Carl Bilfinger zum 75. Geburtstag am 21. Januar 1954. Köln 1954; zur Kritik Ernst J. Cohn: Review of Völkerrechtliche und Staatsrechtliche Abhandlungen. Carl Bilfinger zum 75. Geburtstag am 21. Januar 1954 gewidmet von Mitgliedern und Freunden
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Trotz dieser Skepsis gelang es Bilfinger, während seiner fünfjährigen Direktorenzeit einige Grundstrukturen des KWI wiederzubeleben. Zunächst war das Institut in einem Verbindungshaus des Corps Saxo-Borussia untergebracht und einige Mitarbeiter forschten zeitweilig von Bilfingers Privathaus aus.26 1952 verfügte das Institut dann bereits über zehn wissenschaftliche Mitarbeiter,27 die der Direktor überwiegend aus ehemaligen Angehörigen des KWI rekrutiert hatte. Ab 1950/1951 wurden die institutseigene ZaöRV und die Schriftenreihe »Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht« wieder herausgegeben. Die ZaöRV enthielt dabei neben Abhandlungen über völkerrechtliche und staatsrechtliche Fragen auch Berichte über die Rechtsprechung der deutschen Gerichte in völkerrechtlichen Fragen und fasste Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs auf Deutsch zusammen. Wie bereits in den Ausgaben vor dem Zweiten Weltkrieg sah man die Funktion der Zeitschrift auch darin, für Deutschland völkerrechtlich relevante Ereignisse zu dokumentieren. Zudem erstattete man schon bald Rechtsgutachten für das Auswärtige Amt, das Bundeskanzleramt, Ministerien, ausländische Vertretungen und Wirtschaftsverbände.28 Da während des Krieges Teile der umfangreichen Bibliothek verloren gegangen waren, konzentrierte man sich zudem auf die Wiederherstellung der Bestände. Darüber hinaus gelang es Bilfinger, Mittel für einen Neubau in Heidelberg zu erhalten, der 1954 fertiggestellt wurde.29 Bilfinger wehrte sich damit erfolgreich gegen die erwogene Zusammenlegung des völkerrechtlichen MPI mit dem privatrechtlichen MPI (MPIPRIV) in Frankfurt, Berlin oder Hamburg, da er Heidelberg als Standort bevorzugte.30 Der wissenschaftliche Einfluss des Instituts blieb unter Bilfinger jedoch gering. Zwar bekannte sich Bilfinger zum praxisorientierten Forschungsprogramm des alten KWI,31 das besonders unter seinem Nachfolger Mosler die
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des Instituts. Max-Planck-Institut für Ausländisches Oeffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Heft 29. [Berlin KG , Köln. 1954. viii and 557 pp. DM . 47.], von Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Modern Law Review 19/2 (1956), 231–233. Siehe Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 3. Vgl. Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften: Tätigkeitsbericht der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften für die Zeit vom 1.4.1951 bis 31.3.1952. Die Naturwissenschaften 39/19 (1952), 437–445. Vgl. Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Tätigkeitsbericht der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften für die Zeit vom 1.4.1951 bis 31.3.1952, 1952, 437–445. Vgl. Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften: Tätigkeitsbericht der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. für die Zeit vom 1.4.1952 bis 31.3.1954. Die Naturwissenschaften 41/22 (1954), 509–520. Niederschrift der 16. Sitzung des Senates vom 20.5.1953 in Berlin, S. 19, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 16. SP; Niederschrift der 15. Sitzung des Senates vom 11.11.1952 in Frankfurt am Main, S. 22, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr.15 SP. Carl Bilfinger: Prolegomena. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 13 (1950), 22–26.
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Ausrichtung des Instituts prägen sollte.32 In seinen eigenen Schriften favorisierte Bilfinger jedoch einen historisch-politischen Ansatz,33 der in der jungen Bundesrepublik kaum Anhänger fand. Dass Bilfinger trotz seiner exponierten Position als Institutsdirektor weder auf einer der Tagungen der Staatsrechtslehrer noch der Völkerrechtler als Referent auftrat, verdeutlicht, dass er wissenschaftlich im Abseits stand. Da Bilfinger zudem keine Wissenschaftler oder Wissenschaftlerinnen förderte, die sich seinem historisch-politischen Forschungsansatz verschrieben, sollte er auch kaum die Folgegeneration prägen. Zudem fand sich das Institut, was die internationale Ausrichtung anging, in keiner einfachen Situation. Zwar gelang es, für die ersten Ausgaben der ZaöRV ausländische Autoren wie Abraham H. Feller, den Direktor der Rechtsabteilung der Vereinten Nationen (UN), Yuen-Li Liang, Direktor der Abteilung für Entwicklung und Kodifizierung des Völkerrechts beim UN-Sekretariat, Erik Castrén von der Universität Helsinki und Quincy Wright von der Universität Chicago zu gewinnen.34 Während Bilfingers westdeutsche Kollegen Rudolf Laun, Wilhelm Wengler und Walter Schätzel nach dem Krieg in das renommierte Institut de Droit International berufen wurden,35 war Bilfinger jedoch wohl auf Grund seiner Vergangenheit eine Mitgliedschaft in dem für den internationalen wissenschaftlichen Austausch bedeutenden Gremium versperrt. Noch 1956 bemerkte sein Nachfolger Mosler, dass Bilfinger »im Ausland weitgehend nicht akzeptiert« sei.36 Innerhalb der MPG betrachtete man Bilfinger bald auch wegen seines fortgeschrittenen Alters als Belastung, so dass ab 1952 über eine vorzeitige Kündigung diskutiert wurde.37
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Konsolidierung und Begleitung der Westintegration durch Praxisorientierung. Das Direktorium Mosler (1954–1970)
1954 übernahm der 41-jährige Hermann Mosler (1912–2001) die Institutsleitung von dem inzwischen 75-jährigen Bilfinger. Die Geisteswissenschaftliche Sektion der MPG unter dem Vorsitz Bilfingers hatte Mosler als Direktor vorgeschlagen, der bereits seit 1952 als Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des völker32 Siehe Abschnitt 3. 33 Vgl. Carl Bilfinger: Friede durch Gleichgewicht der Macht? Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 13 (1950), 27–56. 34 Vgl. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) (1950). 35 Vgl. Institut de Droit International (Hg.): Annuaire de l’Institut de Droit International. Session d’Amsterdam. Bd. 2. Paris 1957; zudem Peter Macalister-Smith: Bio-Bibliographical Key to the Membership of the Institut de Droit International, 1873–2001. Journal of the History of International Law 5 (2003), 77–159, 77, 139. 36 Entwurf Schreiben von Hermann Mosler an Georg Schreiber vom 4.4.1956, AMPG , II . Abt., Rep. 44, Nr. 1. 37 Vgl. Otto Hahn und Mitglieder des Verwaltungsrats vom 8. und 13.12.1952, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 349.
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rechtlichen Instituts fungierte,38 während man den Staatsrechtslehrer Herbert Krüger als Ersatzkandidat ins Auge gefasst hatte.39 Dabei fiel die Wahl nicht nur deswegen auf Mosler, weil er auf Grund seines Forschungsschwerpunkts als ausgewiesener Experte des Völkerrechts galt40 und ein gutes Verhältnis zu Bilfinger pflegte,41 sondern auch weil er auf Erfahrungen am Berliner KWI zurückblicken konnte. Seit 1937 hatte Mosler als junger Referendar am Bruns’schen Institut gearbeitet und war deswegen von vielen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Berliner Instituts schon im Rahmen der Neugründungsdiskussion als neuer Direktor favorisiert worden.42 Nach der Neuberufung an das MPI stellte sich für Mosler die Frage, wie er mit den Belastungen der nationalsozialistischen Vergangenheit und der Tradition des KWI umgehen solle. Mosler selbst war 1933 als Student für fünf Monate der SA beigetreten, hatte den Versailler Vertrag auf Grund der (vermeintlichen) Ausübung von rechtswidrigem Zwang beim Vertragsschluss als ungültig bezeichnet und Rationierungsmaßnahmen der deutschen Besatzungsverwaltung in Belgien befürwortet. Im Gegensatz zu vielen Kollegen seiner Zeit bewahrte er in seinen Schriften Distanz zu völkischen oder antisemitischen Thesen.43 In seiner Doktorarbeit von 1937 bekannte er sich zu einer auf dem katholischen Naturrecht beruhenden völkerrechtlichen Ordnung und betonte, dass sich auch die nationalsozialistische Regierung in zahlreichen öffentlichen Äußerungen dem Interventionsverbot verschrieben hatte.44 Zudem gehörte er während des Krieges zu der Gruppe von Juristen um Helmuth James Graf von Moltke (1907–1945), die sich für die Einhaltung kriegsrechtlicher Regeln durch das Deutsche Reich einsetzten.45 Als frisch ernannter MPI-Direktor hielt Mosler einige Personen vom Institut fern, die in seinen Augen zu stark belastet waren. So schlug er Erich Kaufmanns Bitte aus, dem österreichischen Völkerrechtler Kurt Rabl einen Posten am MPI 38 Vgl. Eckart Henning und Marion Kazemi: Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–2011. Daten und Quellen. Bd. 1. Berlin 2011, 983. 39 Niederschrift der 17. Sitzung des Senates vom 29.1.1954, S. 24, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 17. SP; Niederschrift der 15. Sitzung des Senates vom 11.11.1952 in Frankfurt am Main, S. 22, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 15. SP. 40 So hatten sowohl seine Dissertation als auch seine Habilitation starke Bezüge zum Völkerrecht ausgewiesen. 41 Als Kenner des KWI beriet Mosler Bilfinger in der Aufbauphase, vgl. Schreiben von Hermann Mosler an Carl Bilfinger vom 22.1.1949, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 25. 42 Vgl. Brief von Cornelia Bruns an Hermann Mosler vom 19.2.1949, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 25. Mosler selbst bezeichnete sich im Februar 1946 als möglichen »Erbe bzw. Vorerbe« von Bilfinger; vgl. Brief von Hermann Mosler an Ellinor von Puttkamer vom 10. Februar 1946, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 25. 43 Zu einer einzelnen problematischen Formulierung siehe Lange, Praxisorientierung, 2017, 105. 44 Vgl. Hermann Mosler: Die Intervention im Völkerrecht. Berlin 1937. 45 Zum Ganzen ausführlich Lange, Praxisorientierung, 2017, 96 ff.
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zu verschaffen, da sich Rabl während der NS -Zeit für die Ersetzung des liberalen Minderheitenrechts durch ein völkisches Volksgruppenrecht ausgesprochen und die Errichtung eines mitteleuropäischen Großraums unter deutscher Führung befürwortet hatte.46 Mosler argumentierte: »Mag auch an manchen juristischen Fakultäten eine sehr laxe Auffassung herrschen, die sich noch einmal rächen kann, so bin ich doch entschlossen, das Institut von Leuten freizuhalten, die allzu schnell vergessen zu haben scheinen, was sie früher angebetet haben.«47 Auch gegen eine Wiederaufnahme des ehemaligen Institutsangehörigen Herbert Kier, der bereits 1931 der NSDAP beigetreten war und 1935 im NS -Handbuch für Recht und Gesetzgebung eingehend die völkisch-rassistischen Ideologeme der Nationalsozialisten gewürdigt hatte,48 sperrte sich Mosler.49 Das bedeutete jedoch nicht, dass nicht auch ehemalige NSDAP-Mitglieder wie Helmut Strebel und Günther Jaenicke während Moslers Zeit als Direktor zu Wissenschaftlichen Mitgliedern des Instituts ernannt wurden.50 Zudem lehnte Mosler Mitte der 1960er Jahre den Antrag seines früheren KWI-Kollegen Wilhelm Wengler auf Wiedergutmachung durch die MPG wegen seiner Entlassung während des Nationalsozialismus ab. Wengler beklagte, dass die Gesellschaft ihn fallen gelassen habe, nachdem er sich gegenüber einem holländischen SS -Offizier regimekritisch geäußert hatte und in Gestapohaft geraten war.51 Zwar ging auch Mosler davon aus, dass Wengler »aus politischen Gründen« entlassen worden war. Dessen Forderung, als Institutsdirektor am völkerrechtlichen MPI eingesetzt zu werden, die dieser erfolglos gerichtlich zu erstreiten suchte, unterstützte Mosler jedoch nicht,52
46 Vgl. Kurt Rabl: Grundlagen und Grundfragen eines mitteleuropäischen Volksgruppenrechts. Tübingen 1938; Kurt Rabl: Verfassungsgeschichtliche und staatsrechtliche Grundlagen des deutsch-mitteleuropäischen Großraums. Jahrbuch des Instituts für Deutsche Ostarbeit 1 (1941), 58–88; zu Rabl siehe auch Michael Stolleis: Ein solider Jurist: Hans Spanner (1908–1991). Kritische Justiz 50/1 (2017), 107–119, 110–113. 47 Schreiben von Hermann Mosler an Erich Kaufmann vom 2.6.1955, AMPG , II . Abt., Rep. 44, Nr. 1. 48 Vgl. Herbert Kier: Volk, Rasse und Staat. In: Hans Frank (Hg.): NS -Handbuch für Recht und Gesetzgebung. München 1935, 17–28. 49 Vgl. dazu Herfrid Kier: Herbert Kier (1900–1973). Ein deutschösterreichischer Völkerrechtler. Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte 16/1 (2015), 269–326, 269, 317 Fußnote 237. 50 Eine Liste der Britischen Kontrollkommission führte unter anderem Jaenicke und Strebel als Ex-NSDAP-Mitglieder auf, vgl. Abschrift Instituts-Fragebogen, The National Archives (London), Control Commission for Germany, (British Element), FO 1012/358, 92116; zur Wissenschaftlichen Mitgliedschaft von Jaenicke (1956–1982) und Strebel (1956–1979), vgl. Henning und Kazemi, Chronik, 2011, Bd. 1, 974, 992. Niederschrift der Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion des Wissenschaftlichen Rates vom 11.6.1956 in Stuttgart, S. 5, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1409. 51 Dazu ausführlich Lange, Gestapohaft, 2016, 633–659, 645 ff. 52 Vgl. Vermerk Wiedergutmachung Wengler vom 8. Januar 1964 und Auszug aus der Niederschrift der Sitzung des Verwaltungsrats vom 9.6.1964 in Hamburg, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1532.
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vermutlich auch weil zwischen beiden Männern ein gespanntes Verhältnis bestand.53 Methodisch knüpfte das Institut unter Mosler an die praxisorientierte Tradition des KWI der 1920er Jahre an, nach der das Institut das geltende Völkerrecht systematisieren und die jeweilige deutsche Regierung durch juristische Expertise unterstützen sollte.54 So hatte Mosler schon seinem Vorgänger Bilfinger mit Blick auf die Ausrichtung des Instituts den Rat gegeben: Das Unverbindliche, zwischen Philosophie, Historie und Soziologie unter Beimischung unklarer Gefühlswerte Hin- und Herschwankende der deutschen Völkerrechtswissenschaft müsste aus dem neuen Institut ebenso verbannt sein wie aus dem alten. Die juristische Auffassung des Völkerrechts und seine Anwendung in der Praxis unterschieden das Institut von der Art und Weise, in der unser Gebiet an den Universitäten in der Regel betrieben wurde. Die mangelnde Präzision der deutschen VR-Wissenschaft, die oft kaum als juristische Disziplin betrieben wurde, war einer der Hauptgründe unserer Inferiorität gegenüber der ausländischen Wissenschaft.55
Auch in seiner Rede zur Institutsübernahme von 1954 machte er deutlich, dass die Systematisierungsfunktion zentrale Aufgabe des Instituts sei.56 Wie schon Viktor Bruns hoffte Mosler, dadurch zur Verrechtlichung der internationalen Beziehungen beizutragen.57 Zur Umsetzung dieses Forschungsprogramms konnte sich Mosler auf eine wachsende Anzahl von Mitarbeitern stützen. Zwar schloss man 1960 die Berliner Zweigstelle, als deren Abteilungsleiter seit 1955 Fritz Münch fungiert hatte,58 da die »wissenschaftliche Zusammenarbeit unter der Entfernung gelitten« hatte und die bibliothekarischen Bestände an einer Stelle zusammengeführt werden
53 Vgl. dazu Lange, Gestapohaft, 2016, 633–659, 655–658. 54 Vgl. zum Bruns’schen Institut Lange, Between Systematization, 2017, 535–558, 538 ff. 55 Schreiben von Hermann Mosler an Carl Bilfinger vom 22.1.1949, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 25. 56 Rede Institutsübernahme, undatiert (unveröffentlicht), AMPG , III . Abt., ZA 139, Kasten 10; siehe auch Hermann Mosler: Aufgaben und Grenzen der organisierten Forschung des Völkerrechts. Zum 30jährigen Bestehen des Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. In: Boris Rajewsky und Georg Schreiber (Hg.): Aus der deutschen Forschung der letzten Dezennien. Dr. Ernst Telschow zum 65. Geburtstag gewidmet. 31. Oktober 1954. Stuttgart 1956, 258–266. 57 Vgl. Viktor Bruns: Das Völkerrecht als Rechtsordnung. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1 (1929), 1–56, 8–10. Bei Mosler wird das deutlich in seiner Haager Vorlesung Hermann Mosler: The International Society as a Legal Community. Recueil des Cours 140 (1974), 1–320, 1 ff. 58 Niederschrift der GWS vom 13.12.1954, S. 3, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 1407; Niederschrift der GWS vom 13.7.1955, S. 4, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 1408; dabei vertrat der Schüler Walther Schückings Münch nicht die liberalen Positionen Schückings, sondern engagierte sich ab den 1970er Jahren in der NPD.
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sollten.59 1962 arbeiteten jedoch bereits 49 Personen am Heidelberger Institut, davon 22 im Wissenschaftlichen Dienst. Während Frauen nur als Bibliothekarinnen, Sachbearbeiterinnen, Sekretärinnen und Putzfrauen vertreten waren, zählten zum wissenschaftlichen Dienst der Direktor, der Bibliotheksdirektor, zehn Referenten, sechs Assistenten, drei Sondermitarbeiter und Erich Kaufmann als unbesoldeter wissenschaftlicher Berater.60 Mit diesem Mitarbeiterstab wurden die von Bruns begründeten Fontes Iuris Gentium, in denen die völkerrechtlichen Feststellungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) und die deutsche Rechtsprechung zu internationalen Fragen systematisiert auf Englisch und Französisch wiedergegeben wurden, weitergeführt.61 Zudem enthielten die vom Institut herausgegebenen »Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht« von Institutsangehörigen verfasste rechtsdogmatische Arbeiten zum Abschluss und zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge, zum diplomatischen Schutzrecht, zum völkerrechtlichen Fremdenrecht und zur Rolle von de facto-Regimen im Völkerrecht.62 Mosler selbst forschte zur Aufnahmepraxis und Völkerrechtssubjektivität von internationalen Organisationen.63 Dabei war diese Forschung nicht interdisziplinär ausgerichtet, sondern verstand sich als juristisch im engeren Sinne. Allerdings ist der außenpolitische Bezug dieser Forschung nicht zu verkennen. Die Institutsmitglieder unterstützten mit ihrer juristischen Expertise die Westintegrationspolitik Konrad Adenauers (1876–1967) und versuchten so, die außenpolitische Konsolidierung der noch jungen Bundesrepublik voranzutreiben. Mosler verfügte über enge Beziehungen zur von CDU und ChristlichSozialer Union in Bayern (CSU) geführten Regierung. 1950 war er als Mitglied der von Walter Hallstein (1901–1982) geleiteten deutschen Delegation zu den Verhandlungen über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) nach Paris gereist. 1951 hatte ihn Adenauer – bis 1955 Kanzler 59 Niederschrift der Sitzung des Wissenschaftlichen Rates vom 17.5.1960 in Bremen, S. 10, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1938. 60 Max-Planck-Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 30.4.1961 bis 30.9.1962, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1022. 61 Vgl. die an Viktor Bruns (Hg.), Fontes Iuris Gentium, 1931, anknüpfenden weiteren Bände. 62 Vgl. Rudolf Bernhardt: Der Abschluß völkerrechtlicher Verträge im Bundesstaat. Eine Untersuchung zum deutschen und ausländischen Bundesstaatsrecht. Köln 1957; Karl Doehring: Die Pflicht des Staates zur Gewährung diplomatischen Schutzes. Deutsches Recht und Rechtsvergleichung. Köln 1959; Rudolf Bernhardt: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge insbesondere in der neueren Rechtsprechung internationaler Gerichte. Köln 1963; Karl Doehring: Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts und das deutsche Verfassungsrecht. Köln 1963; Jochen Abr. Frowein: Das de facto-Regime im Völkerrecht: eine Untersuchung zur Rechtsstellung »nichtanerkannter Staaten« und ähnlicher Gebilde. Herausgegeben von Max-Plank-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Köln 1968. 63 Vgl. Hermann Mosler: Die Aufnahme in internationale Organisationen. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 19/3 (1958), 275–317; Hermann Mosler: Die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 22/1 (1962), 1–48.
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und Außenminister in Personalunion – dann zum Leiter der Rechtsabteilung des wiederbegründeten Auswärtigen Amtes ernannt. Im Rahmen seiner dreijährigen Tätigkeit im diplomatischen Dienst beriet Mosler die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Generalvertrag, vertrat sie im Wehrstreit vor dem Bundesverfassungsgericht und befasste sich gutachterlich mit Fragen der außenpolitischen Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz.64 Entsprechend orientierte sich die Forschungspraxis am Institut eng an Themen, die für die Regierung relevant waren. So setzte Mosler in seinen Veröffentlichungen ab 1954 einen Schwerpunkt auf die rechtliche Erfassung der Institutionen, die der europäischen Integration dienten, und trug somit zur langsamen Etablierung des Europarechts bei.65 Zudem positionierte er sich zur Frage der auswärtigen Gewalt nach dem Grundgesetz und vertrat dabei eine Sicht, die dem Bund und der Exekutive weite Entscheidungsmacht einräumte.66 Darüber hinaus widmeten sich Institutsangehörige aktuellen Fragen wie dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT)-Abkommen, dem die Bundesrepublik 1951 beigetreten war, und dem Vorabentscheidungsverfahren vor europäischen Gerichten.67 Auch erstellte das Institut für das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsund das Finanzministerium Gutachten zu Themen wie der Vereinbarkeit der Kanalisierung der Mosel mit dem EGKS -Vertrag,68 dem Fortbestehen der Volkswagen-GmbH69 und der entschädigungslosen Enteignung von Privatvermögen der Besiegten eines Staates nach Völkerrecht.70 64 Vgl. dazu ausführlich Lange, Praxisorientierung, 2017, 180 ff. 65 Vgl. Helmut Coing et al. (Hg.): Europäisches Recht. Textsammlung übernationalen und internationalen Rechts. Frankfurt am Main 1954; Hermann Mosler: National- und Gemeinschaftsinteressen im Verfahren des EWG -Ministerrats. Die Beschlüsse der außerordentlichen Tagung des EWG -Rates in Luxemburg vom 29. Januar 1966. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 26/1 (1966), 1–31; Hermann Mosler: European Law – Does It Exist? Current Legal Problems 19/1 (1966), 168–191; Hermann Mosler: Begriff und Gegenstand des Europarechts. Zeitschrift für ausländisches öffent liches Recht und Völkerrecht 28/3 (1968), 481–502. 66 Hermann Mosler: Kulturabkommen des Bundesstaats. Zur Frage der Beschränkung der Bundesgewalt in auswärtigen Angelegenheiten. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 16/1 (1955), 1–34; Hermann Mosler: Die auswärtige Gewalt im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland. In: Hermann Mosler und Georg Schreiber (Hg.): Völkerrechtliche und staatsrechtliche Abhandlungen. Carl Bilfinger zum 75. Geburtstag am 21. Januar 1954. Köln 1954, 243–299. 67 Vgl. Helmut Steinberger: GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse. Eine Untersuchung der Rechtsgrundsätze des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens vom 30. Oktober 1947 (GATT) über die Bildung regionaler Wirtschaftszusammenschlüsse. Köln 1963; Christian Tomuschat: Die gerichtliche Vorabentscheidung nach den Verträgen über die europäischen Gemeinschaften. Köln 1964. 68 Vgl. Hermann Mosler, Gutachten für das Auswärtige Amt von 1956, AMPG , III . Abt., ZA 139, Kasten Nr. 29. 69 Vgl. Hermann Mosler und Ernst von Caemmerer, Gutachten vom 19.2.1960, AMPG , III . Abt., ZA 139, Kasten Nr. 29. 70 Vgl. Notizen auf Schreiben des im Finanzministerium tätigen Dr. Feaux de la Croix an Hermann Mosler vom 24. September 1958, AMPG , II . Abt., Rep. 44, Nr. 1; nach Schät-
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Auf Grund dieser engen Verbindungen zur Politik war es nicht überraschend, dass das Auswärtige Amt die Kandidaturen des Institutsdirektors für Richterposten an internationalen Gerichten unterstützte. So schlug das Amt Mosler 1959 als deutschen Richter für den neugegründeten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor. Zudem wurde er als nationaler Ad-hoc-Richter im Nordseefestlandsockel-Verfahren vor dem IGH benannt, in dem Deutschland mit Dänemark und den Niederlanden um den Verlauf der maritimen Seegrenze stritt.71 Dass mit Günther Jaenicke auch einer der deutschen Prozessvertreter mit dem Institut eng verbunden war, verdeutlicht, dass mit dem MPIL assoziierte Völkerrechtler als juristische Experten von der Bundesregierung geschätzt wurden.72 Neben dieser praktischen Tätigkeit gelang es Mosler, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, den wissenschaftlichen Einfluss des Instituts zu erweitern. In der deutschen Diskussion war Mosler schon bald eine gewichtige völkerrechtliche Stimme. Bereits in den frühen 1950er Jahren war er mehrfach angefragt worden, ein Referat bei einer der DGVR-Tagungen zu halten.73 Zudem repräsentierten und prägten Mosler und die Institutsangehörigen schnell den praxisorientiert ausgerichteten völkerrechtlichen Mainstream in Westdeutschland, während alternative historisch-philosophische Ansätze eher die Ausnahme waren.74 Wie Mosler 1961 treffend bemerkte, existierten im Vergleich zu einem eher rechtstheoretischen Ansatz der Italiener und der eher soziologischen Methode der Angloamerikaner im deutschsprachigen Sprachraum »nur vereinzelt Bemühungen, das Phänomen der Ausbreitung der internationalen Gesellschaft rechtstheoretisch zu bewältigen«. Vielmehr dominiere eine »durchweg empirische Einstellung der deutschen Völkerrechtler«, wobei er sich mit »empirisch« auf die Analyse der Staatenpraxis bezog.75 Dieser methodische Ansatz ging maßgeblich vom MPIL als dem personell und finanziell am besten ausgestatteten völkerrechtlichen Forschungsstandort in Deutschland aus, das sich insofern in der Tradition des Bruns’schen Instituts sah.76 zungen nahm die Gutachtertätigkeit dabei wohl ca. 5 Prozent der Zeit der Mitarbeiter in Anspruch, vgl. Riegert, MPIL , 1969, 506–524, 515–516. 71 Internationaler Gerichtshof (IGH), North Sea Continental Shelf Cases (Federal Republic of Germany v. Denmark; Federal Republic of Germany v. Netherlands), Urteil vom 20. Februar 1969, in: ICJ Reports (1969), S. 3 ff. 72 Vgl. Alex G. Oude Elferink: The Delimination of the Continental Shelf between Denmark, Germany and the Netherlands. Arguing Law, Practicing Politics? Cambridge 2013; zu Jaenicke vgl. auch Rüdiger Wolfrum: Nachruf auf Günther Jaenicke. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 68/1 (2008), 1–2. 73 Mosler sagte einige Male ab, hielt dann aber einen Vortrag mit dem Titel Völkerrechtliche Fragen des Schuman-Planes, Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht (DGVR) in Hamburg 1952, AMPG , III . Abt., ZA 139, Kasten Nr. 30. 74 Vgl. dazu ausführlich Lange, Praxisorientierung, 2017, 41 ff., 235 ff. 75 Lange, Praxisorientierung, 2017, 41 ff., 235 ff. 76 Vgl. dazu Lange, Praxisorientierung, 2017, 77 ff.
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Darüber hinaus scheint die Arbeitsweise des völkerrechtlichen MPI auch auf die in den 1960er und den frühen 1980er Jahren gegründeten juristischen Institute der MPG ausgestrahlt zu haben (wohl mit Ausnahme des MPI für europäische Rechtsgeschichte). In einem Aufsatz von 1983 machte der stellvertretende Bibliotheksdirektor des privatrechtlichen MPI in Hamburg als Gemeinsamkeiten der Arbeit der juristischen Institute die Begleitung der rechtlichen Entwicklung im jeweiligen Rechtsbereich, die Beratung der Legislative, die Erstellung von Gutachten, die Veranstaltung von Konferenzen und die Dokumentation von internationalen und ausländischen Gesetzen, Verträgen und Urteilen aus.77 Ein Arbeitsprogramm, das schon am Bruns’schen Institut gepflegt worden war.78 Auch international gelang es dem MPI, als Forschungsinstitution ernst genommen zu werden. Als Mosler 1957 als Associé in das Institut de Droit International aufgenommen wurde,79 bezeichnete er die Wahl für das MPI als »den entscheidenden Schritt aus der nationalen Isolierung.«80 Zudem bot für Mosler die Berufung an den EGMR die Möglichkeit, sich mit renommierten Völkerrechtlern aus dem Ausland wie dem Briten Arnold McNair, dem Franzosen René Cassin, dem Österreicher Alfred Verdross, dem Belgier Henri Rolin, dem Italiener Giorgio Balladore Pallieri und dem Dänen Alf Ross auszutauschen.81 Dabei nutzte Mosler die Forschungskapazitäten des Instituts auch dazu, um in großen verfassungsvergleichenden Kolloquien Forscher aus meist westlichen Staaten zusammenzubringen. Dieses Format hatte es bisher am Institut noch nicht gegeben und stellte einen neuen, zeitintensiven Forschungsschwerpunkt seit Ende der 1950er Jahre dar. Ziel der verfassungsvergleichenden Kolloquien zu »Staat und Privateigentum« (1959), »Verfassungsgerichtsbarkeit in der Gegenwart« (1962), »Haftung des Staats für rechtswidriges Verhalten seiner Organe« (1967) und »Gerichtsschutz gegen die Exekutive« (1969) war es, eine Methode für die zuvor kaum existente Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht zu finden,82 aber auch internationale Forscher in Heidelberg miteinander ins Gespräch zu bringen. So stellten Forschende aus Europa und Nordamerika und darüber hinaus aus Kenia, Südafrika, Kolumbien, Argentinien, Mexiko, Indien, Japan, der Türkei, Rumänien und der Tschechoslowakei die jeweilige Rolle der Judikative für den Schutz
77 Vgl. Jürgen Christoph Goedan: Foreign and International Law Research Centers in West Germany. The Max Planck Institutes. Law Library Journal 76/3 (1983), 464–480. 78 Vgl. zum Bruns’schen Institut Lange, Between Systematization, 2017, 535–558, 538 ff. 79 Vgl. zum Wahlergebnis, Institut de Droit International, Annuaire 47, 1957, Bd. 2, 137–138. 80 Schreiben von Hermann Mosler an Alexander Makarov vom 23.9.1957 und Schreiben von Hermann Mosler an Friedrich-August von der Heydte vom 10.5.1957, AMPG , III . Abt., ZA 139, Kasten Nr. 8. 81 Arthur Henry Robertson: The European Court of Human Rights. The American Journal of Comparative Law 9/1 (1960), 1–28. 82 Vgl. dazu Hermann Mosler und Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hg.): Verfassungsgerichtsbarkeit in der Gegenwart. Länderberichte und Rechtsvergleichung. Köln 1962, IX ff.
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des Einzelnen und der Verfassungsgerichtsbarkeit in Länderberichten vor.83 Zudem erhöhte sich insgesamt der Anteil der ausländischen Gäste am Institut. Im Jahr 1962 besuchten Forschende aus Korea, den Vereinigten Staaten, Japan, Spanien, Australien und Kanada als »ausländische Mitarbeiter« das MPIL .84 Der Verfassungsrechtler Paul G. Kauper aus Michigan, der dort als Gastforscher gearbeitet hatte, lobte 1969 die Forschungen des Instituts, insbesondere das »systematic statement of basic legal doctrine« als »extraordinary contribution to the achievement of a universal rule of law.« Für ihn hatte das Institut, das nach seiner Einschätzung in den Vereinigten Staaten weniger bekannt war als in Europa, Vorbildcharakter für die amerikanische Wissenschaft.85 Allerdings entwickelten Institutsangehörige keine generellen dogmatischen oder theoretischen Konzeptionen, die international rezipiert wurden. Während in den USA Wolfgang Friedmann seine Idee des internationalen Kooperationsrechts vorstellte, Myres McDougal den policy-oriented approach für das Völkerrecht begründete und Philip Jessup die Entstehung eines neuen »transnationalen Rechts« begrifflich fasste,86 wurden solche grundlegenden Konzeptionen am MPI nicht entworfen. Mit der Konsolidierung der Bundesrepublik befasst, strahlte die Wissenschaft am MPI nicht auf die internationale Debatte aus,87 sondern fokussierte sich – wie auch vorwiegend an britischen oder französischen Institutionen üblich – meist auf die aktuellen rechtlichen Fragen des Völkerrechts und die Fortentwicklung des völkerrechtlichen Systems.
4.
Ostpolitik und Internationalisierung. Von der Doppelspitze zum Triumvirat (1970–1990)
In den 1970er Jahren setzte die Bundesrepublik außenpolitisch neue Schwerpunkte. Die sozial-liberale Koalition verschrieb sich dem Programm der Ostpolitik und schloss Verträge mit der Sowjetunion, Polen, der Tschechoslowakei und der DDR . Nachdem sich die Westmächte und die Sowjetunion in der Folge darauf geeinigt hatten, den Beitritt der beiden deutschen Staaten nicht länger im Sicherheitsrat zu blockieren, trat die Bundesrepublik parallel zur Deutschen Demokratischen Republik 1973 den Vereinten Nationen bei. Was bedeuteten 83 Vgl. Mosler und Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Verfassungsgerichtsbarkeit, 1962; Hermann Mosler und Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hg.): Gerichtsschutz gegen die Exekutive. Köln 1969. 84 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 30.4.1961 zum 30.12.1962, S. 11, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1026. 85 Vgl. Riegert, MPIL , 1969, 506–524, 507–508. 86 Vgl. dazu Lange, Praxisorientierung, 2017, 277 ff. 87 So auch Knut Ipsen: International Legal Scholarship in West Germany after World War II. German Yearbook of International Law 50 (2007), 111–137.
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die außen- und völkerrechtspolitischen Veränderungen für das Institut? Wie entwickelte sich dessen Forschungsausrichtung? Natürlich wurde die außenpolitische Neuausrichtung am Institut wahrgenommen und diskutiert. Der Referent und spätere Direktor Helmut Steinberger setzte sich 1971 in einem umfangreichen Aufsatz in der ZaöRV mit den völkerrechtlichen Konsequenzen des deutsch-sowjetischen Vertrages auseinander.88 Andere mit dem Institut verbundene Personen widmeten sich dem Grund lagenvertrag und dem Viermächte-Abkommen über Berlin, die im Rahmen der Ostpolitik geschlossen worden waren.89 Auch wenn man bei der politischen Bewertung zurückhaltend blieb und sich auf die rechtlichen Aspekte konzentrierte, klang teilweise deutliche Skepsis an. So sprach Steinberger von der Möglichkeit, dass sich die Ostpolitik »einer expansionistischen Atomgroßmacht und einer aggressiven ›totalitären Ideologie‹ gegenüber am Ende als illusionär erweisen« könne und beklagte, dass die Weltöffentlichkeit »die neuen Ostverträge als eine Besiegelung und ein Sich-Abfinden der Deutschen mit der Spaltung ihres Landes und dem Verlust ihrer Ostgebiete werten« werde.90 Karl Doehring, seit 1963 Wissenschaftliches Mitglied des Instituts, betonte, dass das Papier, das der SPD -Politiker Egon Bahr zwischen Januar und Mai 1970 in Moskau mit dem sowjetischen Außenminister Andrei Gromyko als Grundlage des Moskauer Vertrages ausgehandelt hatte, nur bei einer besonders verfassungsfreundlichen Auslegung, die eine Wiedervereinigung nicht rechtlich von der Sowjetunion abhängig mache, mit dem Grundgesetz vereinbar sei.91 Intern beurteilte auch Mosler das Bahr-Papier als eine Schwächung der deutschen Position92 und kritisierte, dass der Moskauer Vertrag »fast ausschließlich von der Sowjetunion ausgefüllt werden [kann] oder aber leer bleibt.«93 Allerdings gab es auch Befürworter der neuen Linie. Der wissenschaftliche Referent94 und spätere Direktor Jochen Abr. Frowein hatte nicht nur mit seiner am Institut verfassten Habilitation zu den De-facto-Regimen im Völkerrecht die 88 Helmut Steinberger: Völkerrechtliche Aspekte des deutsch-sowjetischen Vertragswerks vom 12. August 1970. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 31/1 (1971), 64–161. 89 Georg Ress: Die Rechtslage Deutschlands nach dem Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972. Berlin 1978; Hartmut Schiedermair: Der völkerrechtliche Status Berlins nach dem Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971. Berlin 1975. 90 Steinberger, Völkerrechtliche Aspekte, 1971, 64–161, 65–66, 146. 91 Vgl. Karl Doehring, Wilhelm Kewenig und Georg Ress: Staats- und völkerrechtliche Aspekte der Deutschland- und Ostpolitik. Frankfurt am Main 1971, 88 ff. 92 Vgl. die nicht namentlich unterzeichneten Überlegungen zum Bahr-Papier vom 22.7.1970, AMPG , III . Abt., ZA 139, Kasten Nr. 28. 93 Schreiben von Hermann Mosler an Ulrich Scheuner vom 17.2.1971, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 13. 94 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Habilitierende und »Postdocs« tragen an vielen nach sachlicher und örtlicher Zuständigkeit strukturierten juristischen Instituten regelmäßig die der Behördensprache entnommene Bezeichnung »Referent« bzw. »Referentin«.
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rechtliche Grundlage für eine Anerkennung der DDR vorgedacht.95 Auch beriet er den liberalen Außenminister Walter Scheel (1919–2016) bei den Verhandlungen mit der Sowjetunion und Polen als juristischer Experte.96 Auf Grund dieser unterschiedlichen Positionen blieben Konflikte nicht aus. 1976 rezensierte Frowein die von Hermann Mosler betreute Habilitation des Referenten Hartmut Schiedermair über das Berliner Viermächte-Abkommen sehr kritisch, da die Arbeit die Vertragsbestimmungen in seinen Augen zu sehr im Sinne der Sowjetunion interpretierte und damit die deutsche Verhandlungsleistung nicht ausreichend würdige.97 Allerdings fand man sich am Institut relativ schnell mit den Gegebenheiten ab. So kritisierte Rudolf Bernhardt, der seit 1970 zusammen mit Mosler das MPIL leitete, das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Grundlagenvertrag, in dem die Richter das Wiedervereinigungsgebot besonders hervorgehoben hatten.98 Es erschließe sich ihm nicht, so Bernhardt, wie man der DDR nach dem gemeinsamen Beitritt zu den Vereinten Nationen die völkerrechtliche Anerkennung versagen könne.99 In seinem Referat auf der Staatsrechtslehrertagung von 1979 betonte Bernhardt dann zudem, dass der Gestaltungsspielraum der Bundesorgane im Hinblick auf das Wiedervereinigungsgebot weiter sei als vom Bundesverfassungsgericht im Grundlagenurteil gezogen.100 Dementsprechend sollte der Regierungswechsel nicht dazu führen, dass das Institut seine Funktion als Ansprechpartner für die Bundesregierung in völkerrechtlichen Fragen verlor. Günther Jaenicke, der bereits zur Zeit der großen Koalition die Bundesrepublik im Nordseefestlandsockel-Fall vor dem IGH vertreten hatte, fungierte auch während der sozial-liberalen Koalition als deutscher Prozessvertreter im Fisheries Jurisdiction-Fall zwischen Deutschland und Island (1972/1973).101 In dem 1972 gegründeten fünfköpfigen »Völkerrechtswissenschaftlichen Beirat« des Auswärtigen Amtes saßen mit Mosler, Jaenicke, Frowein und Steinberger zudem vier Personen, die als Wissenschaftliche Mitglieder oder
95 Vgl. Frowein, Das de facto-Regime, 1968. 96 Vgl. Paul Frank: Entschlüsselte Botschaft. Ein Diplomat macht Inventur. 3. Aufl. Stuttgart 1982, 288–289; Hermann Schreiber: Ein Stück Heimkehr. Der Spiegel 51 (1970), 29–30. 97 Vgl. Jochen Abr. Frowein: Review of Der völkerrechtliche Status Berlins nach dem Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971, von Hartmut Schiedermair. Archiv des öffentlichen Rechts 101/4 (1976), 638–645. 98 BVerf GE 36, 1. 99 Vgl. Rudolf Bernhardt: Völkerrechtliche Bemerkungen zum Grundvertrags-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. In: Jost Delbrück (Hg.): Recht im Dienst des Friedens. Festschrift für Eberhard Menzel zum 65. Geburtstag am 21. Januar 1976. Berlin 1975, 109–124. 100 Vgl. Rudolf Bernhardt (Hg.): Deutschland nach 30 Jahren Grundgesetz. Berlin 1980, 7 ff. 101 Vgl. Internationaler Gerichtshof: Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland). Merits. Judgment of 25 July 1974. I. C. J. Reports, 1974, 3–44; Internationaler Gerichtshof: Fisheries Jurisdiction (Federal Republic of Germany v. Iceland) Merits. Judgment of 25 July 1974. I. C. J. Reports, 1974, 175–216.
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aktuelle bzw. spätere Direktoren einen engen Bezug zum Institut pflegten.102 Auch schlug das von Hans-Dietrich Genscher geleitete Auswärtige Amt 1976 Mosler erfolgreich für die Wahl zum ersten deutschen Richter am IGH vor,103 während Bernhardt ab 1981 Moslers Position als deutscher Richter am EGMR übernehmen sollte.104 Frowein fungierte bereits seit 1973 als deutsches Mitglied in der Europäischen Kommission für Menschenrechte.105 Auch in der wissenschaftlichen Ausrichtung gab es in dieser Phase keine grundlegenden Brüche. Das war auch darauf zurückzuführen, dass man bei Neuberufungen bewusst darauf achtete, dass die neuen Direktoren aus dem Institutsumfeld stammten. Als die MPG 1970 mit Bernhardt neben Mosler einen zweiten Direktor an das Instituts berief, um der voranschreitenden Kodifikation des Völkerrechts und der wachsenden Bedeutung des vergleichenden öffent lichen Rechts wissenschaftlich gerecht werden zu können, erhob man Kenntnisse des Innenlebens des Instituts zu einer Grundvoraussetzung.106 So schlug Mosler neben Bernhardt, der bereits seit 1954 am Institut zu verschiedenen völkerrechtlichen Fragen geforscht hatte und 1967 zum Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied des Instituts ernannt worden war, keinen Gegenkandidaten vor, da die »Möglichkeiten freier Gestaltung der Tätigkeit« geringer sei als an einem Lehrstuhl und der neue Direktor in seinen Aufgaben durch den »empfindlichen Organismus« des Instituts weitgehend festgelegt sei.107 Während im Senat der MPG kontrovers diskutiert wurde, ob die erstmalige Doppelbesetzung eines geisteswissenschaftlichen Instituts grundsätzlich zu empfehlen sei, beschlossen die Senatoren Bernhardts Berufung ohne große Diskussion mit einer Enthaltung.108 Die Nachfolge Moslers im Jahre 1981, als neben Bernhardt gleich zwei neue Direktoren berufen werden sollten, rief dagegen intensivere Diskussionen hervor. Einige Mitglieder der Berufungskommission forderten eine stärkere Fokussierung auf das internationale Wirtschaftsrecht und eine methodologische Öffnung gegenüber der Rechtstatsachenforschung, konnten sich damit jedoch 102 Einzig Ulrich Scheuner fiel etwas aus der Reihe; Schreiben von Walter Scheel an Hermann Mosler, undatiert und Schreiben von Hermann Mosler an Walter Scheel vom 7.9.1972, AMPG , III . Abt., ZA 139, Kasten Nr. 8; vgl. zur ersten Besetzung Tono Eitel: Der »mobile Leuchtturm«. In: Pierre-Marie Dupuy et al. (Hg.): Völkerrecht als Wertordnung. Festschrift für Christian Tomuschat. Kehl 2006, 3–6, 3. 103 Zur Wahl von Mosler siehe Lange, Praxisorientierung, 2017, 214 ff. 104 Vgl. Michael Bothe et al. (Hg.): Recht zwischen Umbruch und Bewahrung. Völkerrecht, Europarecht, Staatsrecht. Festschrift für Rudolf Bernhardt. Berlin 1995, IX . 105 Frowein war Mitglied der Kommission zwischen 1973–1993, seit 1981 zudem ihr Vizepräsident, im gleichen Jahr wurde er auch als Direktor an das MPIL berufen. 106 Vgl. Niederschrift der GWS vom 11.6.1969, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1425; vgl. dazu auch Schreiben von Hermann Mosler an Adolf Butenandt vom 20.5.1969, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 27; Schreiben von Hermann Mosler an Hermann Jahrreiss, 16.2.1963, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 8. 107 Niederschrift der GWS vom 11.6.1969, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1425. 108 Niederschrift der 64. Sitzung des Senates vom 25.11.1969 in Krefeld, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 64. SP.
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nicht durchsetzen. Personell konzentrierte sich die Diskussion auf ehemalige Institutsmitarbeiter, die durch ihre Habilitation am Institut akademisch der praxisorientierten Methode verbunden waren. Während von Seiten des Instituts eine Erweiterung der Institutsspitze um Karl Doehring und Christian T omuschat befürwortet wurde, favorisierte die Berufungskommission Frowein und Tomuschat. Ob diese unterschiedlichen personellen Präferenzen durch Doehrings und Froweins konträre Haltungen zur Ostpolitik mitbedingt waren, lässt sich den Quellen nicht entnehmen, erscheint jedoch nicht ausgeschlossen. Jedenfalls einigte man sich als Kompromiss schließlich darauf, alle drei Kandidaten zu berufen und so eine Viererspitze zu etablieren.109 Dabei sollte Doehring die Verbindung zur Heidelberger Universität stärken, Frowein galt als Kenner des angelsächsischen und Tomuschat als Experte des romanisch-französischen Rechts.110 Da Tomuschat aus persönlichen Gründen jedoch absagte, setzte sich das neue Triumvirat schließlich aus Bernhardt (1970–1993), Doehring (1981–1987) und Frowein (1981–2002) zusammen. Gegenüber vereinzelter Kritik innerhalb des Senats daran, dass somit nur dem MPI verbundene Personen als Direktoren ins Auge gefasst worden waren, verwies man darauf, dass man einen nicht am MPIL sozialisierten Kandidaten aus Wien nicht habe gewinnen können.111 Das war nur ein Teil der Wahrheit. Zwar hatte in der Tat ein österreichischer Kandidat im Vorhinein abgesagt. In Bezug auf ausländische Kandidaten gab man jedoch grundsätzlich die Devise aus, dass auf Grund der engen Zusammenarbeit des Instituts mit der deutschen Bundesregierung und dem Auswärtigen Amt bei gleicher Eignung der deutsche Kandidat zu bevorzugen sei.112 Die MPG hatte somit Direktoren berufen, die grundsätzlich bereit waren, Moslers Arbeitsmethode »in ungebrochener Tradition« weiterzuführen.113 In den »Beiträgen zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht« erschienen Arbeiten zum völkerrechtlichen Verbot des Einsatzes chemischer und 109 Vgl. Ergebnisprotokoll der Sitzung der Kommission »MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht« am 2. März 1979 in Frankfurt; Ergebnisprotokoll der Sitzung der Kommission »MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht« am 6. Juli 1979 in Frankfurt am Max-Planck Institut für europäische Rechtsgeschichte, 8. August 1979; Bericht der Kommission »MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht« vom 1.10.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1072. 110 Drehbuch der 97. Sitzung des Senats vom 21.11.1980 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 97.SP; Stenographische Notizen von der 97. Sitzung vom 21.11.1980 in München, AMPG, II. Abt., Rep. 60, Nr. 97.SP; vgl. auch Niederschrift der GWS vom 26.10.1979 in Heidelberg, S. 13 ff., AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1455. 111 Materialien der 94. Sitzung des Senates vom 23.11.1979 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 94. SP; Stenographische Notizen der 94. Sitzung des Senates vom 23.11.1979 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 94. SP; Niederschrift der 95. Sitzung des Senates vom 7.3.1980 in Düsseldorf, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 95. SP. 112 Vgl. Ergebnisprotokoll der Sitzung der Kommission »MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht« am 2.3.1979 in Frankfurt, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1072. 113 So die Einschätzung von Karl Doehring: Von der Weimarer Republik zur Europäischen Union. Erinnerungen. Berlin 2008, 161.
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bakteriologischer Waffen, zur Schiedsgerichtsbarkeit, zur einstweiligen Anordnung in der internationalen Gerichtsbarkeit (die erste Arbeit in der Reihe von einer Frau), zur Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften und zur Internationalisierung staatsfreier Räume, die sich einer praxisorientierten Ausrichtung verschrieben.114 Zudem führten die Direktoren etablierte Projekte weiter. So wurde 1972 ein großes rechtsvergleichendes Kolloquium zur Streitbeilegung durch internationale Gerichte veranstaltet, wobei sich die Teilnehmerliste weit überwiegend aus renommierten Personen der westlichen Völkerrechtswissenschaft zusammensetzte. Allerdings war auch der Globale Süden mit dem Inder Ram Prakash Anand, dem Nigerianer Taslim Olawale Elias und dem Uruguayer Eduardo Jiménez de Aréchaga prominent vertreten.115 Weitere Kolloquien befassten sich etwa mit dem Grundrechtsschutz in Europa (1976), der Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers (1978), der Rechtsstellung von Ausländern (1985) und der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Friedenstruppen der Vereinten Nationen mit Bundeswehr und Polizeikräften (1989).116 Dabei bereiteten die Mitarbeiter des Instituts die Durchführung der Kolloquien mit Gutachten, Übersetzungen und Rundschreiben vor und nach, wodurch ein signifikanter Teil der Arbeitskraft gebunden wurde.117 Darüber hinaus systematisierte man weiterhin die neuen Entscheidungen des IGH und der deutschen Gerichte zu völkerrechtlichen Fragen in den Fontes Iuris Gentium, deren letzter Band 1990 erschien.118 Auch wurden rechtsvergleichende Gutachten für ver-
114 Michael Bothe: Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen: krit. Würdigung u. Dokumentation d. Rechtsgrundlagen. Köln, Bonn 1973; Hans von Mangoldt: Die Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel internationaler Streitschlichtung. Zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten auf der Grundlage der Achtung vor dem Rechte. Berlin 1974; Karin Oellers-Frahm: Die einstweilige Anordnung in der internationalen Gerichtsbarkeit. Berlin 1975; Meinhard Hilf: Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften. Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen. Herausgegeben von Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Heidelberg). Berlin 1982; Rüdiger Wolfrum: Die Internationalisierung staatsfreier Räume. Die Entwicklung einer internationalen Verwaltung für Antarktis, Weltraum, Hohe See und Meeresboden. Berlin 1984. 115 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hg.): Judicial Settlement of International Disputes. International Court of Justice, Other Courts and Tribunals, Arbitration and Conciliation. An International Symposium. Berlin 1974, 554–556. 116 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1989, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1026; Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 19. 117 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1972, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1023. 118 Die Fontes Iuris Gentium, die Dokumentation der wichtigsten völkerrechtlich relevanten deutschen und internationalen Gerichtsentscheidungen, von Viktor Bruns bereits am Berliner KWI begonnen, setzte Mosler fort. Nach seiner Überzeugung war es dem KWI durch die Herausgabe der Fontes Juris Gentium gelungen, die internationale An-
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schiedene Bundesministerien erstattet. Für das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft befasste man sich mit den Kompetenzen des bundesstaatlich organisierten Gesamtstaates im Bildungswesen,119 für das Bundesministerium für Justiz mit dem Staatshaftungsrecht,120 und für das Bundesministerium des Inneren mit dem Ausländerrecht.121 Die Gutachten sollten Einblicke in die Handhabe der Themen in ausländischen (vor allem westlichen) Rechtsordnungen geben und damit der Vorbereitung geplanter Reformen wie der des Staatshaftungsrechts dienen. Dabei waren Auftraggeber der Gutachten nicht nur bundesdeutsche Institutionen. So erstellte man etwa 1976 ein Gutachten für den Europarat über das Recht der Kriegsdienstverweigerung.122 Zudem gab es neue Impulse. 1975 wurde eine englischsprachige völkerrechtliche Bibliographie für Aufsätze mit dem Titel »Public International Law. A Current Bibliography of Articles« ins Leben gerufen, die eine Lücke »in der Dokumentation juristischer Literatur« schließen sollte.123 Auch gab Bernhardt nach einigen Jahren Vorlaufzeit 1981 die Encyclopedia of Public International Law (EPIL) heraus, die in der Tradition des Wörterbuchs des Völkerrechts von Karl Strupp und Hans-Jürgen Schlochauer stand, welches von Mosler mitherausgegeben worden war und für das Institutsangehörige zahlreiche Beiträge verfasst hatten.124 Die Neuerung bestand nun darin, dass alle Beiträge auf Englisch publiziert wurden und dementsprechend Autoren aus verschiedenen Ländern gewonnen wurden, wenngleich die Mehrzahl der Autoren weiterhin dem deutschsprachigen Raum zuzurechnen war.125 Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte für dieses Großprojekt zeitlich befristet zusätzliche Stellen für englische Muttersprachler, die die häufig von Institutsangehörigen verfassten
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schlussfähigkeit der deutschen Völkerrechtswissenschaft wiederherzustellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte er an diesen Erfolg anknüpfen und setzte dementsprechend einen Arbeitsschwerpunkt des Instituts auf die Zusammenstellung von völkerrechtlich relevanten Dokumenten. Fontes Iuris Gentium, Bände 4–7, 1961–1990. Vgl. dazu auch Felix Lange: »Wider das völkerrechtliche Geschwafel«. Hermann Mosler und die praxisorientierte Herangehensweise an das Völkerrecht im Rahmen des Max-Planck-Instituts. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 75/2 (2015), 307–343. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1972, und Bericht über die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1975, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1023. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1. 1 bis 31.12.1975, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1023. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1984, S. 5, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1025. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1976, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1024. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1975, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1023. Vgl. Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 89. Vgl. Rudolf Bernhardt: Encyclopedia of Public International Law. Amsterdam 1981.
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Artikel vor allem sprachlich redigierten.126 Wie ein amerikanischer Beobachter im Rückblick feststellte, war die EPIL von dem Verständnis des Völkerrechts als universellem Rechtssystem getragen,127 wenn auch die Mitwirkung von Autoren aus dem Ostblock zunächst die Ausnahme bleiben sollte.128 Darüber hinaus verfasste Frowein seit 1985 zusammen mit Wolfgang Peukert einen Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention.129 Währenddessen wuchs das Institut stetig weiter, wenngleich sich die Mitarbeiterzahlen langsam stabilisierten. Wie bereits erläutert, entwickelte man sich von einer Doppelspitze (ab 1970) zu einem Triumvirat (ab 1981). Zudem stieg die Zahl der Institutsangehörigen bis Ende 1971 auf 64, davon 33 im wissenschaftlichen Dienst (darunter zwei Direktoren, vier Wissenschaftliche Mitglieder, ein Bibliotheksdirektor und eine stellvertretende Bibliotheksleiterin, 13 Referenten, sechs Assistenten und fünf Sondermitarbeiter).130 1990 verfügte das Institut über 84 Mitarbeiter, davon 36 im wissenschaftlichen Dienst (davon drei Direktoren und 18 Referenten).131 Spätestens seit den 1970er Jahren prägte der Forschungsansatz des Instituts die westdeutsche Völkerrechtswissenschaft maßgeblich. Alle zehn Habili tanden Moslers erhielten eine Berufung an westdeutsche Universitäten.132 Nach der Einschätzung von Bernhardt war es »nahezu ausgeschlossen, bei nationalen oder internationalen wissenschaftlichen Veranstaltungen zum Völkerrecht, zum Europarecht oder zum vergleichenden öffentlichen Recht keinem Schüler Hermann Moslers zu begegnen.«133 Dabei folgte der ganz überwiegende
126 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1977, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1024. 127 Vgl. dazu Thomas Buergenthal: Laudatio: Rudolf Bernhardt – Leben und Werk. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 65/3 (2005), 519–524, 520–521. 128 Vgl. Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 90. 129 Vgl. Jochen Abr. Frowein und Wolfgang Peukert: Europäische Menschenrechtskonvention. EMRK-Kommentar. Kehl 1985. 130 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1971, S. 25, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1023. 131 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1990, S. 36, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1027. 132 Dazu zählten Jaenicke in Frankfurt, Bernhardt in Heidelberg, Steinberger in Mannheim, Christian Tomuschat in Bonn und Berlin, Eckart Klein in Potsdam, Wilhelm Karl Geck in Saarbrücken, Albert Bleckmann in Münster, Hartmut Schiedermair in Köln, Meinhard Hilf in Bielefeld und Hans von Mangoldt in Tübingen; vgl. dazu die Schautafel bei Helmuth Schulze-Fielitz: Staatsrechtslehre als Mikrokosmos. Bausteine zu einer Soziologie und Theorie der Wissenschaft des Öffentlichen Rechts. Tübingen 2013, Anhang XVIIc; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, 2012, 418 Fußnote 121; 421; 439; 446; 449; 630 Rn 143; 631; 651–652. 133 Rudolf Bernhardt: Die Rückkehr Deutschlands in die internationale Gemeinschaft: Hermann Moslers Beitrag als Wissenschaftler und internationaler Richter. Der Staat 42/4 (2003), 583–599, 583, 593.
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Teil134 von Moslers Schülern seiner Art, die Völkerrechtswissenschaft normund praxisorientiert zu betreiben. Obwohl Mosler selbst sich nie als Begründer einer Schule verstand,135 wirkte er im Hinblick auf das methodische Vorgehen der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft schulbildend. Und auch durch die Karrieren von Mitarbeitern des Instituts, die sich beruflich nicht auf die Wissenschaft konzentrierten, bestand ein enger Bezug zur Praxis. Das MPI stellte ein wichtiges Reservoir an im Völkerrecht geschulten Mitarbeitern für den öffentlichen Dienst zur Verfügung. Regelmäßig traten Mitarbeiter des Instituts als Attachés in das Auswärtige Amt ein,136 aber auch in anderen Bundes- oder Landesministerien und internationalen Institutionen machten ehemalige Institutsangehörige Karriere.137 Dabei sah die Personalpolitik des Instituts grundsätzlich vor, dass nur wenige Daueraufgaben von unbefristet beschäftigten Mitarbeitern erledigt wurden. Zwar sollten Habilitanden die bis zur Fertigstellung ihrer Arbeiten erforderliche Zeit eingeräumt werden, die übrigen wissenschaftlich tätigen Personen sollten das Institut nach zwei bis fünf Jahren verlassen.138 In der Praxis wurden jedoch bis Mitte der 1990er Jahre mit den Referentinnen und Referenten oftmals unbefristete Verträge geschlossen. International wurden Schriften und Thesen von Institutsangehörigen nun stärker wahrgenommen. 1974 wurde Hermann Mosler als erster Deutscher nach 1945 eingeladen, den renommierten general course an der Haager Völkerrechtsakademie zu halten. Seine These von der »International Society as a Legal Community« wurde zwar erst mit einiger Verspätung rezipiert, gilt jedoch heute als Vorläufer der Konstitutionalisierungsdebatte im Völkerrecht.139 Zudem entwickelte sich die EPIL zu einem Standardwerkzeug für Völkerrechtler weltweit, denn die konzisen Beiträge zu zahlreichen Fragen des Völkerrechts boten eine Grundlage für eine erste Annäherung an einen neuen Forschungsgegenstand. Für den amerikanischen Völkerrechtler Thomas Buergenthal beschleunigte die Encyclopedia die Reintegration der vormals oft international unbekannten deutschen Völkerrechtler in die internationale Wissenschaft.140 Dabei mochte die stärkere Wahrnehmung im Ausland auch damit zusammenhängen, dass sich das Institut immer mehr gegenüber ausländischen Gästen öffnete. Während 1975 134 Eine Ausnahme war wohl Albert Bleckmann, der besonders an abstrakten Fragestellungen des Völkerrechts interessiert war, vgl. Albert Bleckmann: Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts. Freiburg 1982. 135 Vgl. Mosler, Aufgaben und Grenzen, 1956, 258–266, 266. 136 Vgl. etwa Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1977, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1024. 137 Vgl. beispielsweise Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1979, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1024. 138 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1980, S. 2, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1024. 139 Vgl. Mosler, The International Society, 1974, 1–320, 1 ff.; dazu Lange, Praxisorientierung, 2017, 8–9. 140 Vgl. Buergenthal, Laudatio Bernhardt, 2005, 519–524, 520–521.
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vierzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 18 Ländern, vor allem aus Europa und den Vereinigten Staaten, aber auch aus Indien, Taiwan und Brasilien, das MPIL im Rahmen von Forschungsaufenthalten für mehrere Wochen besuchten,141 wuchs die Zahl bis zum Ende des Kalten Krieges auf 61 Forschende aus 27 Ländern.142 Dabei intensivierte sich noch während des Kalten Kriegs der Austausch mit Forschern aus dem Osten. Seit 1972 fanden alle zwei bis drei Jahre deutschpolnische Juristenkolloquien statt, in die das Institut involviert war.143 1984 organisierte man ein erstes bilaterales Kolloquium mit sowjetischen Völkerrechtlern am Institut, zwei Jahre später folgten die Direktoren der Gegeneinladung nach Moskau. 1986 hielten die Direktoren dann auf Einladung der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften Vorträge in China mit einem Gegenbesuch in Heidelberg zwei Jahre später.144 Der stärkere Austausch spiegelte sich auch in einem 1985 veranstalteten rechtsvergleichenden Kolloquium zum rechtlichen Status von Ausländern wider, an dem Forscher aus der DDR , Jugoslawien, Polen und der Sowjetunion teilnahmen.145 Dabei wurden diese Kontakte mit dadurch ermöglicht, dass einzelne Institutsangehörige mit der Sprache und Rechts ordnung der jeweiligen Staaten vertraut waren.146 Während sich der Austausch mit dem Ausland intensivierte, wurden einige Debatten, die sich besonders an amerikanischen Universitäten entwickelt hatten, am MPI nicht aufgenommen. Die rechtspolitisch argumentierende New Haven School hatte man seit ihren Anfängen in den 1950er Jahren ignoriert, da man mit Ansätzen, die sich einer »rechtsrealistischen« oder »kontextuellen« Perspektive verschrieben, nichts anfangen konnte.147 Auch mit dem in den USA seit den 1960er Jahren beliebten Forschungsprogramm des »international legal process«, das sich mit der Rolle von Recht in politischen Prozessen befasste,148 141 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1975, S. 20, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1024. 142 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1989, S. 35 f., AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1026. 143 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1987, S. 1, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1026. 144 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1984, S. 3, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1025; 1.1 bis 31.12.1988, II, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1026. 145 Vgl. Jochen Abr. Frowein, Torsten Stein und Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hg.): Die Rechtsstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht. The Legal Position of Aliens in National and International Law. Le régime juridique des étrangers en droit national et international. Berlin 1987. 146 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1988, II, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1026. 147 So Mosler im Schreiben von Hermann Mosler an Christoph Schreuer vom 6.7.1979, AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 17. 148 Vgl. dazu Mary Ellen O’Connell: Legal Process School. Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2006. https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/ law-9780199231690-e727. Zuletzt aufgerufen am 19.9.2022.
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setzte man sich nicht auseinander. Beobachter aus dem kontextuellen Lager kritisierten deswegen, dass Moslers Haager Kurs verkennen würde, »that legal doctrines, principles and rules acquire vitality and meaning from their relationship to ongoing political processes.«149 Der praxisorientierte Zugang am MPIL stand quer zu diesen Ansätzen, repräsentierte damit aber wohl die herrschende Herangehensweise an das Völkerrecht in Kontinentaleuropa, die in Bezug auf Frankreich als »positivisme pragmatique«150 und in Bezug auf Italien als »rulebased approach«151 beschrieben worden ist.
5.
Wiedervereinigung und Globalisierung. Zurück zur Doppelspitze (1990–2002)
Auch die Wiedervereinigung von 1990 hinterließ ihre Spuren in den wissenschaftlichen Diskussionen am Institut. Auf der als Sondersitzung einberufenen Berliner Staatsrechtslehrertagung von April 1990 hielt Frowein ein Referat zu den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen und verfassungsrechtlichen Implikationen der Wiedervereinigung. Darin bezeichnete er einen Beitritt der DDR zur BRD nach Art. 23 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) als gangbaren Weg, sympathisierte aber im Gegensatz zu den anderen Rednern der Tagung auch mit einem Volksentscheid über die Verfassung nach dem Beitritt.152 In der ZaöRV von 1991 setzten sich Institutsangehörige zudem in englischsprachigen Artikeln mit der Integration Ostdeutschlands in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, mit Sicherheitsaspekten der deutschen Wiedervereinigung und dem Rechtsstatus Berlins auseinander, um die rechtlichen Probleme der Wiedervereinigung für ausländische Kollegen darzulegen.153 Wie die außenpolitischen Wandlungen zuvor, führte auch diese Zäsur zu keinem grundlegenden konzeptionellen oder thematischen Bruch im Forschungsprogramm des Instituts. Frowein stand bis zu seiner Emeritierung 2002 für Kontinuität. Auch mit der Berufung Steinbergers (1987–1997) als Nachfolger von Doehring änderte sich das Forschungsprogramm des Instituts nicht 149 Burns H. Weston: Review of The International Society as a Legal Community, von Hermann Mosler. The American Journal of International Law 78/4 (1984), 938–939. 150 So Emmanuelle Jouannet: Regards sur un siècle de doctrine française du droit international. Annuaire français de droit international 46 (2000), 1–57, 31. 151 Vgl. Paolo Palchetti, The Italian Doctrine over Final Decades. In: Giulio Bartolini (Hg.), A History of International Law in Italy. Oxford 2020, 468–482. 152 Jochen Abr. Frowein: Die Verfassungslage Deutschlands im Rahmen des Völkerrechts. In: Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Hg.): Deutschlands aktuelle Verfassungslage. Berichte und Diskussionen auf der Sondertagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Berlin am 27. April 1990. Berlin 1990, 7–33; dazu Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, 2012, 641–642. 153 Vgl. die Beiträge in Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 51/2 (1991), S. 333–603.
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grundlegend. Steinberger – als Habilitand von Mosler in dessen Tradition stehend154 – war schon 1981 als Kandidat ins Auge gefasst worden, hatte wegen seiner Tätigkeit als Bundesverfassungsrichter jedoch bereits im Vorfeld abgesagt. Entsprechend schnell legten sich sechs Jahre später die amtierenden Direktoren auf Steinberger fest, stießen damit allerdings auf Bedenken in der Berufungskommission. Zwar stimmte man für Steinberger, kritisierte jedoch, dass keine Alternativkandidaten (gerade jüngere Kandidaten von außerhalb des Instituts) präsentiert worden seien und betonte, dass bis zur nächsten Berufung zu klären sei, »ob und inwiefern Arbeitsgegenstände, Arbeitsrichtungen und Arbeitsweisen des Instituts einer neuen Orientierung« bedürften.155 Die kritischen Worte der Berufungskommission hallten nach, als 1993 Rüdiger Wolfrum als Nachfolger von Bernhardt an das Institut berufen wurde. Der Wechsel des Direktors des Kieler Instituts für internationales Recht an das MPI erfüllte die Kriterien der »Außer-Haus-Berufung« eines jüngeren Kandidaten. Auch sprach sich Wolfrum im Kontext seiner Berufung für eine Stärkung der theoretischen Überlegungen am Institut aus.156 Da Wolfrum im Völkerrecht breit und international publiziert hatte und auch mit dem Wissenschaftsmanagement vertraut war, unterstützten ihn bald alle am Entscheidungsprozess Beteiligten.157 Ganz neue Wege beschritt man jedoch nicht. Die Berufungskommission verwarf die erwogene Neuorientierung in Richtung Europarecht, vergleichendes Verwaltungsrecht oder internationales Wirtschaftsrecht, da die Ressourcen des Instituts für eine Schwerpunktveränderung nicht ausreichen würden. Zudem interessierte sich auch Wolfrum als ehemaliges Mitglied der deutschen Delegation bei der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen für rechtspraktische Fragen.158 Entsprechend pflegten die Institutsangehörigen in den 1990er Jahren, die auch durch den Umzug in das neue Gebäude im Neuenheimer Feld geprägt waren (1996), die Institutstraditionen weiter. Publikationen wie die ZaöRV, die stark an Umfang gewinnenden »Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht«159 und die EPIL , an der 1997 fast 500 Völkerrechtler aus verschie154 Zum Einfluss Moslers auf Steinberger vgl. auch Hans-Joachim Cremer: Nachruf Helmut Steinberger. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 74/4 (2014), 685–688. 155 Vgl. Ergebnisprotokoll der Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht« am 29.1.1986, am 4.2 und am 26.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1072. 156 Vgl. Ergebnisprotokoll der zweiten Sitzung der Kommission »MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht« am 15.1.1992 in Hamburg, 7.4.1992, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 143. 157 Vermerk, Kommission MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht – Nachfolge Professor Bernhardt vom 11.9.1991, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 143. 158 Vermerk, Kommission MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht – Nachfolge Professor Bernhardt vom 11.1.1991, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 143. 159 Während in den zwanzig Jahren seit Gründung des Instituts 26 Bände erschienen waren, kamen in den nächsten zwanzig Jahren bis 1989 47 dazu. Wiederum zwanzig Jahre später
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denen Ländern mitwirkten,160 führte man in dem praxisorientierten Sinne ihrer Begründer weiter. Auch mit den Kolloquien knüpfte man an frühere Formate des wissenschaftlichen Austausches an und untersuchte unter anderem die »Kon trolldichte bei der gerichtlichen Überprüfung von Handlungen der Verwaltung« (1990), die »Rechtsstellung von Minderheiten« (1993) und das »Right to a Fair Trial« (1996) zusammen mit Experten aus verschiedenen Ländern.161 In etablierter Institutstradition widmete man sich zudem der Beratung deutscher und auch nichtdeutscher Stellen. Für das Bundesverfassungsgericht verfassten Instituts angehörige beispielsweise völkerrechtliche und rechtsvergleichende Gutachten für das Verfahren zur Strafverfolgung von Agenten des Ministeriums für Staat sicherheit der DDR162 und für das erste Verfahren zu den Überhangmandaten.163 Allein im Jahr 1994 wurden zudem Gutachten für die Präsidialkanzlei der Republik Estland, für einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags, für den Europarat sowie die Kommission der europäischen Gemeinschaften erstellt.164 Ab 1998 war Wolfrum mit einigen Mitarbeitern in umweltrechtliche Forschungsvorhaben und Gutachten für das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit involviert.165 Auch waren die Institutsdirektoren weiter in internationalen Institutionen aktiv. Steinberger war seit 1990 deutsches Mitglied der Venedig-Kommission des Europarates. Wolfrum, der von 1990 bis 1999 als Mitglied des UN-Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung fungierte, wurde 1996 zum Richter und Vizepräsidenten des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg gewählt.166 Frowein gehörte dem von der EU ernannten dreiköpfigen »Rat der Weisen« an, der im Jahr 2000 Empfehlungen für den Umgang der EU-Mitgliedsstaaten mit der Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) entwickelte.167 Darüber hinaus stellte das Institut dem Auswärtigen Amt ab 1997 einen Institutsreferenten zur Seite, der die deutsche
hatte sich die Reihe um weitere 111 Bände erweitert, was auch darauf zurückzuführen war, dass nun vermehrt Arbeiten von Nichtinstitutsmitgliedern publiziert wurden. 160 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1997, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1038. 161 Vgl. Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 21–24. 162 Vgl. Jochen Abr. Frowein, Rüdiger Wolfrum und Gunnar Schuster (Hg.): Völkerrechtliche Fragen der Strafbarkeit von Spionen aus der ehemaligen DDR . Gutachten erstattet im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts und Beschluss des Gerichts vom 15. Mai 1995. Berlin 1995. BVerfGE 92, 277–365. 163 Vgl. BVerfGE 95, 335–407. 164 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1994, S. 12 ff., AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1031. 165 Im Einzelnen Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 24. 166 Von 2005 bis 2009 fungierte Wolfrum als Präsident des Gerichts. 167 Frowein vertrat die Bundesregierung auch in einer Klage Liechtensteins gegen die Bundesrepublik vor dem IGH, vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht 2000–2002, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1041, 1043.
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Delegation bei den Verhandlungen über das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs unterstützte.168 Daneben setzten die Direktoren auch neue Schwerpunkte. Insbesondere publizierte man mehr auf Englisch und verstärkte den Fokus auf die Vereinten Nationen. So rief das Institut 1997 auf Initiative von Frowein und Wolfrum mit dem Max Planck Yearbook of United Nations Law eine weitere Zeitschrift ins Leben, die speziell Fragen des UN-Rechts gewidmet war und ausschließlich englischsprachige Artikel druckte. Darüber hinaus edierte Wolfrum das zuvor auf Deutsch erschienene zweibändige Handbuch United Nations: Law, Policies and Practice, das einen instruktiven Einstieg in zahlreiche Fragen zu den Vereinten Nationen bot.169 Auch gab Frowein drei Bände des sogenannten World Court Digest heraus, durch die die Fontes unter neuem Titel noch stärker englischsprachig ausgerichtet und aktualisiert wurden.170 Zudem erweiterte sich die Forschungsperspektive unter Wolfrum auf das internationale See- und Umweltrecht. 1995 behandelten Symposien die ein Jahr zuvor in Kraft getretene UN-Seerechtskonvention und die Durchsetzung internationaler Umweltstandards.171 Darüber hinaus traten die Direktoren nach dem Ende des Kalten Krieges oftmals als Berater im Rahmen der Verfassungsgebung neuer Demokratien auf.172 Steinberger nahm als Mitglied der Venedig-Kommission an Beratungen osteuropäischer Staaten in Verfassungsfragen teil und vertrat als Rechtsberater die bosnische Delegation in Verfassungs- und Völkerrechtsfragen im Rahmen der Friedensgespräche von Dayton. Frowein partizipierte an einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach Tadschikistan und diskutierte über die Konzeptionierung der südafrikanischen Verfassung mit führenden Verfassungsexperten des Landes.173 Auch die vergleichenden Kolloquien dienten teilweise dazu, die verfassungsgebenden Prozesse der 1990er Jahre in Afrika sowie Mittel- und Osteuropa wissenschaftlich zu begleiten.174
168 Vgl. dazu Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1998, S. 70 ff., AMPG, IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1039. 169 Vgl. Rüdiger Wolfrum und Christiane Philipp (Hg.): United Nations. Law, Policies and Practice. Bd. 1. München 1995. 170 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hg.): World Court Digest. 1986–1990. Bd. 1. Berlin 1993; Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hg.): World Court Digest. 1991–1995. Bd. 2. Berlin 1997; Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hg.): World Court Digest. 1996–2000. Bd. 3. Berlin 2002. 171 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1995, S. 2, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1031. 172 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1995, S. 2, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1031. 173 Vgl. dazu Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht 1995, S. 19 ff., 25; 1997, S. 70, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1032, 1038. 174 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht für das Jahr 2001, S. 3, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1042.
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Nicht zuletzt professionalisierte sich auch die Außendarstellung des Instituts. Seit 1992 wurden in den Tätigkeitsberichten die einzelnen wissenschaftlichen Arbeiten thematisch instruktiv vorgestellt und die Seitenzahl dieser Berichte wuchs zwischen 1990 und 2002 beträchtlich von 37 auf 179 Seiten. Darüber hinaus stellte man seit 1998 unter dem Schlagwort »Virtuelles Institut« elek tronische Recherchehilfen der interessierten Fachöffentlichkeit im Internet zur Verfügung.175 Diese Form der wissenschaftlichen Dienstleistung hatte Pilot charakter unter den geisteswissenschaftlichen Instituten der MPG.176 Der Personalbestand blieb dabei relativ konstant. In den 1990er Jahren pendelte sich die Zahl der wissenschaftlichen Planstellen bei 21,177 die der nichtwissenschaftlichen Stellen bei 33 ein.178 1997 sollte mit der Emeritierung Steinbergers dann allerdings die dritte Direktorenstelle wegfallen, so dass das Triumvirat wieder zu einem Kollegium wurde. Die Heidelberger Universität hatte signalisiert, dass der völkerrechtliche Lehrstuhl Steinbergers nicht neu besetzt werden sollte,179 und aus dem Institut gab es keine Initiative, sich dennoch für einen Nachfolger einzusetzen. Die Bibliothek wuchs allerdings weiter, so dass sich der Bestand, der 1960 noch ca. 100.000 Bände umfasst hatte,180 bis 2002 verfünffachte.181 Dabei blieb in den 1990er Jahren der Einfluss des Instituts auf die deutsche Wissenschaft ungebrochen. Viele Protagonisten der nächsten Generation, die an deutschen Universitäten die europarechtlichen und völkerrechtlichen Lehrstühle besetzten, hatten sich bei den Institutsdirektoren habilitiert. So betreuten Bernhardt und Frowein drei Habilitanden,182 Steinberger und Wolfrum vier,183 Doehring gar sechs.184 Diese machten wie etwa Georg Ress als Richter 175 Vgl. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht 1997, S. 77 ff., AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1038. 176 Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 23. 177 Zusätzlich arbeiteten etwa 15–20 Assistenten, Doktoranden und Mitarbeiter auf Honorarbasis als Teilzeitbeschäftigte. 178 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht 2002, S. 48 ff., AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1043. 179 Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 18. 180 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 30.4.1961 bis 1.5.1962, S. 8, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1022. 181 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht für das Jahr 2002, S. 48 ff., AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1043. 182 Bernhardt betreute Ulrich Beyerlin, Michael Bothe und Rainer Hofmann; Frowein betreute Georg Nolte, Stefan Oeter und Christian Walter; vgl. Schulze-Fielitz, Staatsrechtslehre, 2013, Anhang; Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 54–55. 183 Steinberger betreute Hans-Joachim Cremer, Thomas Giegerich, Dagmar Richter und Andreas Zimmermann; Wolfrum betreute Volker Roeben, Anja Seibert-Fohr, Peter-Tobias Stoll und Silja Vöneky, vgl. Schulze-Fielitz, Staatsrechtslehre, 2013, Anhang; Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 54–55. 184 Rudolf Dolzer, Kay Hailbronner, Matthias Herdegen, Juliane Kokott, Georg Ress und Torsten Stein, vgl. Schulze-Fielitz, Staatsrechtslehre, 2013, Anhang; Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 54–55.
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am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (1998–2004), Juliane Kokott als Generalanwältin am Gerichtshof der Europäischen Union (seit 2003), Georg Nolte als Mitglied der Völkerrechtskommission (2007–2021) und als Richter am Internationalen Gerichtshof (seit 2021), Anja Seibert-Fohr als Mitglied im UNMenschenrechtsausschuss (2013–2018) und als Richterin am EGMR (seit 2020) sowie Andreas Zimmermann als Mitglied im UN-Menschenrechtsausschuss (2018–2020) nicht nur akademisch Karriere, sondern wurden auch in internationale Gerichte und Institutionen gewählt. Zudem richtete sich das MPI im Rahmen der Globalisierung der 1990er Jahre noch internationaler aus. Immer mehr ausländische Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler wurden zu Kolloquien und Symposien eingeladen und nutzten die Bibliothek und Infrastruktur am Institut für ihre Forschung. Hatten 1990 noch 116 Gäste aus 44 Ländern am Institut geforscht,185 stieg die Zahl in den folgenden fünf Jahren rasant auf 252 Gäste aus 47 Ländern186 bzw. 341 Gäste aus 62 Ländern im Jahr 2000.187 Dabei wurde die wissenschaftliche Arbeit des völkerrechtlichen Instituts auch im Ausland positiv rezipiert. So bezeichnete ein Rezensent das Handbuch zu den Vereinten Nationen als erstklassiges Referenzwerk.188 Frowein und Wolfrum erhielten zudem Einladungen, Vorlesungen an der Haager Akademie zu halten.189 Froweins These von der Konstitutionalisierung im Völkerrecht, die sich in ihrem praxisorientierten Bezug an der Haager Vorlesung von Mosler orientierte und derzufolge die völkerrechtliche Ordnung als Verfassungsordnung zu verstehen sei,190 fand im 21. Jahrhundert viele Anhänger auch über Deutschland hinaus. Dabei wurde die Diskussion zunehmend theoretischer und programmatischer, womit sie sich langsam von den praxisorientiert ausgerichteten Schriften Moslers und Froweins entfernte.191 Allerdings stammten andere international wirkmächtige neuere Herangehensweisen an das Völkerrecht nicht von Institutsangehörigen, sondern von 185 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1990, S. 36, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1027. 186 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.1995, S. 68, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1032. 187 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.2000, S. 68, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1041. 188 Vgl. Larry Johnson: Review of United Nations. Law, Policies and Practice (Vols. I & II), von Rüdiger Wolfrum und Christiane Philipp. American Journal of International Law 91/1 (1997), 190–192. 189 Vgl. Jochen Abr. Frowein und Académie de droit international de La Haye: Reactions by Not Directly Affected States to Breaches of Public International Law. Recueil des Cours 248/4 (1994), 345–437; Rüdiger Wolfrum: Means of Ensuring Compliance with and Enforcement of International Environmental Law. Recueil des Cours 272 (1998), 9–154. 190 Jochen Abr. Frowein: Konstitutionalisierung des Völkerrechts. In: Klaus Dicke et al. (Hg.): Völkerrecht und internationales Privatrecht in einem sich globalisierenden internationalen System. Auswirkungen der Entstaatlichung transnationaler Rechtsbeziehungen. Heidelberg 2000, 427–447. 191 Vgl. dazu ausführlich Lange, Praxisorientierung, 2017, 344.
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Forschern an meist amerikanischen Universitäten. Die interdisziplinäre Öffnung gegenüber der Theorie der internationalen Beziehungen nahm man kaum auf.192 Auch mit dem selbsternannten »New Stream«, der aus den »critical legal studies« hervorging,193 befasste man sich nicht und hielt ebenso zu feministischen Zugängen, den sogenannten third world approaches zum Völkerrecht oder auch der ökonomischen Analyse im Völkerrecht Abstand.194 Die Tradition des Bruns’schen und Mosler’schen Instituts wirkte fort, nach der sich die Instituts angehörigen vor allem auf die systematisierende Erfassung des geltenden Völkerrechts konzentrierten.
6.
Fazit und Ausblick
Diese Skizze der Geschichte des MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht hat gezeigt, dass die wissenschaftliche Tätigkeit am Institut eng mit der außenpolitischen Entwicklung der Bundesrepublik verbunden war. Nach der umstrittenen Entscheidung von 1949, Carl Bilfinger trotz seiner NS -Vergangenheit erneut als Institutsdirektor zu berufen, wurde dieser 1954 von Hermann Mosler abgelöst. Dieser versuchte durch rechtliche Begleitung der Westinte grationspolitik Adenauers die Bundesrepublik außenpolitisch zu konsolidieren. Trotz anfänglicher Skepsis unterstützten ab den 1970er Jahren Institutsangehörige auch die neue Ostpolitik des Kabinetts Brandt durch ihre Forschung und praktische Tätigkeit. Dabei zielten die Direktoren seit den 1960er Jahren darauf, das internationale Profil des Instituts zu schärfen, was sich besonders nach der Wiedervereinigung im Anstieg der ausländischen Gäste am Institut widerspiegelte. Im Rahmen des wissenschaftlichen Forschungsprogramms, das auf die Tradition des KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht der 1920er Jahre zurückging und in der Systematisierung des geltenden Völkerrechts seine Hauptaufgabe sah, setzte man weitgehend auf Kontinuität, auch wenn es auf Grund der Berufung neuer Direktoren immer wieder neue Akzentsetzungen gab. Kontextorientierte und interdisziplinäre Forschung betrachtete man
192 Vgl. Anne-Marie Slaughter, Andrew S. Tulumello und Stepan Wood: International Law and International Relations Theory: A New Generation of Interdisciplinary Scholarship. American Journal of International Law 92/3 (1998), 367–397. 193 Vgl. David Kennedy: A New Stream of International Law Scholarship. Wisconsin International Law Journal 7 (1988), 1–49. 194 Vgl. Hilary Charlesworth, Christine Chinkin und Shelley Wright: Feminist Approaches to International Law. American Journal of International Law 85/4 (1991), 613–645; James Thuo Gathii: Alternative and Critical: The Contribution of Research and Scholarship on Developing Countries to International Legal Theory. Symposium Issue Foreword. Harvard International Law Journal 41/2 (2000), 263–579; Jeffrey L. Dunoff und Joel P. Trachtman: Economic Analysis of International Law. Yale Journal of International Law 24/1 (1999), 1–60.
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dagegen eher mit Skepsis und beteiligte sich nicht an den meist von amerikanischen Forschungseinrichtungen geprägten Debatten. Welche Schlüsse lassen sich aus dieser Institutsgeschichte für die Gesamtgeschichte der MPG ziehen? Der historische Abriss hat gezeigt, dass die Berufungspraxis und Forschungsausrichtung am MPIL zum Teil mit zwei Leitparadigmen in einem Spannungsfeld standen, die das Selbstverständnis der MPG konstituieren: dem »Harnack-Prinzip« und dem Konzept der »Grundlagenforschung«. Während dem »Harnack-Prinzip« folgend die persönlichkeitszentrierten Institute »um ihre Direktoren gebaut« werden,195 und diese in weitreichender Autonomie ihre Forschungsfelder selbst bestimmen, achtete man bei der Neubesetzung auch besonders darauf, dass die neuen Direktoren sich in die Institutstradition einfügten. Bereits die Direktoren Bilfinger und Mosler hatten sich stark an dem Ansatz des KWI orientiert. Mit Einrichtung der Doppelspitze 1970 sorgte man dann dafür, dass die Forschungsprogramme der Direktoren einer methodisch einheitlichen Philosophie folgten. In Moslers Worten sollte der »empfindliche Organismus« nicht durch ein fremdes, von außen stammendes Forschungsverständnis ins Wanken gebracht werden. Auch in den Folgeberufungen spielte die Kenntnis des Institutslebens und die Identifikation mit der praxisorientierten juristischen Methode eine zentrale Rolle. Die »Außer-Haus-Berufung« von Wolfrum 1993 stellte dann einen ersten Bruch mit dieser Linie dar. Auch lässt sich angesichts der Gutachtertätigkeit für deutsche, aber auch europäische Organisationen fragen, wie es um die Grundlagenforschung am völkerrechtlichen MPI bestellt war. Im Sinne von Max Plancks vielzitierten Leitsatz »dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen« soll sich die Forschungsagenda eines Max-Planck-Instituts auf die Grundlagenforschung und nicht auf die angewandte Forschung konzentrieren, um so zu verhindern, dass diese direkt für die industrielle oder politische Anwendung konzipiert wird.196 Die völkerrechtliche und rechtsvergleichende Gutachtertätigkeit lässt sich sicherlich nicht als Ausdruck dieser Handlungsmaxime verstehen, da direkt für politische Institutionen Auftragsarbeiten erstellt wurden. Fraglich erscheint allerdings, wie die das Völkerrecht und die Rechtsvergleichung systematisierenden Arbeiten einzuordnen sind, die das Forschungsprogramm über Jahrzehnte prägten. Einerseits war das Forschungsprogramm nicht interdisziplinär rein auf Beobachtung des Rechts ausgerichtet, sondern verstand sich als juristisch im engeren Sinne und diente damit der Rechtsanwendung durch Gerichte und
195 Vgl. dazu ausführlich Hubert Laitko: Das Harnack-Prinzip als institutionelles Markenzeichen. Faktisches und Symbolisches. In: Dieter Hoffmann, Birgit Kolboske und Jürgen Renn (Hg.): »Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen«. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. 2. Aufl. Berlin 2015, 135–194. 196 Sehr instruktiv zur Entwicklung des Begriffs der Grundlagenforschung Sachse, Grundlagenforschung, 2014, 215–239.
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Politik. Andererseits wurden aber nicht nur konkrete tagesaktuelle Rechtsfragen erörtert, sondern rechtliche Fragestellungen in einen größeren systematischen Zusammenhang eingeordnet. Wenn man der dogmatischen Rechtswissenschaft als anwendungsorientierter Wissenschaft nicht gänzlich das Potential absprechen möchte, Grundlagenforschung darstellen zu können, wird man demnach die systematisierende Forschung am MPIL als eine solche verstehen müssen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sollte sich das hergebrachte Profil des Instituts stärker verändern. So erweiterte Wolfrum als Herausgeber den Autorenpool und die inhaltliche Spannbreite der EPIL erheblich, die nun unter dem Namen Max Planck Encyclopedia of Public International Law von Oxford University Press als Peer-Review Online-Datenbank verlegt wird.197 Zudem organisierte Wolfrum Symposien zur völkerrechtlichen Legitimität und Solidarität, die Fragen über internationale Institutionen aus rechtlicher und politologischer Perspektive diskutierten.198 Ab 2002 setzte er einen Schwerpunkt auf die Leitung einer Arbeitsgruppe zum »Globalen Wissenstransfer«, die sich der Beratung von Bürgerkriegsländern widmete und zunächst im Rahmen des Peace and Community Cohesion Projects in den Friedensprozess im Sudan einbezogen war.199 Darüber hinaus gab Wolfrum ab 2004 zusammen mit Michael Stolleis vom Frankfurter MPI für europäische Rechtsgeschichte und dem in Genf lehrenden Peter Haggenmacher das fünf Jahre zuvor begründete Journal of the History of International Law heraus,200 das sinnbildlich für den historiographical turn in der internationalen Völkerrechtswissenschaft stand.201 Das gemeinsame Forschungsinteresse führte das Heidelberger und das Frankfurter Institut damit erstmals in eine engere wissenschaftliche Kooperation.202 Mit der Berufung von Armin von Bogdandy im Jahre 2002 als Nachfolger von Jochen Frowein setzte man dann die bereits zuvor diskutierte Öffnung für weitere Schwerpunktbereiche um. Nachdem sich der amtierende und scheidende
197 Vgl. dazu Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 91 ff. 198 Vgl. Rüdiger Wolfrum und Volker Röben (Hg.): Legitimacy in International Law. Berlin 2008; Rüdiger Wolfrum und Chie Kojima (Hg.): Solidarity. A Structural Principle of International Law. Berlin 2010. 199 Vgl. dazu ausführlich Bernhardt und Oellers-Frahm, MPIL Geschichte, 2018, 31 ff. 200 Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Tätigkeitsbericht über die Zeit vom 1.1 bis 31.12.2000, S. 68, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1041. 201 Vgl. dazu George Rodrigo Bandeira Galindo: Martti Koskenniemi and the Historiographical Turn in International Law. European Journal of International Law 16/3 (2005), 539–560. 202 Für eine engere Zusammenarbeit der juristischen Institute siehe Michael Stolleis: Erinnerung – Orientierung – Steuerung. Konzeption und Entwicklung der »Geisteswissenschaften« in der Max-Planck-Gesellschaft. In: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Forschung an den Grenzen des Wissens. 50 Jahre Max-PlanckGesellschaft 1948–1998. Dokumentation des wissenschaftlichen Festkolloquiums und der Festveranstaltung zum 50jährigen Gründungsjubiläum am 26. Februar 1998 in Göttingen. Göttingen 1998, 75–92.
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Direktor sowie die Emeriti (bis auf Karl Doehring) für Bogdandy ausgesprochen hatten, unterstützte auch die Berufungskommission bewusst jemanden, der zwar im Völkerrecht wenig publiziert hatte, aber als Experte des internationalen Wirtschaftsrechts, der Konstitutionalisierung Europas und der philosophischen Grundlagen des transnationalen Rechts galt. Ein Schweizer Kandidat und eine weibliche Forscherin, die nach Intervention des Deutschen Akademikerinnenbundes eingeladen worden war,203 konnten sich nicht durchsetzen, da die Kommissionsmitglieder bei Bogdandy das größte Potential sahen, das Forschungsspektrum des Instituts zu erweitern. Deswegen überging man die Bedenken der Mitarbeitervertretung des Instituts, die auf Grund des europarechtlichen Schwerpunkts des neuen Direktors Skepsis signalisiert hatte.204 Mit Projekten wie dem Ius Publicum Europaeum, das die theoretischen und dogmatischen Grundlagen nationaler Rechtsordnungen aus der Perspektive des europäischen Rechtsraums untersucht, und der International Public Authority, das Leitlinien für die Ausübung öffentlicher Gewalt durch öffentlich-rechtliche Institutionen und Gerichte ermittelt, versuchten Bogdandy und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Folge, mit einem stärker theoretisch informierten Ansatz die internationale Debatte zu beeinflussen. Die 2013 berufene Anne Peters setzt mit ihrem Projekt zum Global Constitutionalism auch theoretische Akzente, knüpfte damit aber gleichzeitig an die Konstitutionalisierungstradition ihrer Vorgänger Mosler und Frowein an. Während sich das Forschungsprogramm am MPIL bis in die 1990er Jahre gegenüber neuen völkerrechtlichen Themenbereichen öffnete, aber methodisch einer praxisorientierten Herangehensweise verpflichtet blieb, sind demnach zuletzt theoretische Fragen stärker in den Vordergrund gerückt.
203 Vgl. Deutscher Akademikerinnenbund: Wir mischen uns ein … in die Besetzung einer Führungsposition beim Max-Planck-Institut Heidelberg – wieder mit einem Mann??? Konsens 17 (2001), 25. 204 Vgl. Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Kommission »MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht« am 17. Januar 2001 in Heidelberg, 22. März 2001; Ergebnisprotokoll der 2. Sitzung der Kommission »MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht« am 7. Mai 2001 in Frankfurt / Main, 17. Juli 2001; Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Vorschlag zur Berufung von Professor Dr. Armin von Bogdandy zum Wissenschaftlichen Mitglied und Direktor am Institut, 11.10.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 143.
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Anhang Archivalien Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Nachlass von Hermann Mosler AMPG , III . Abt., ZA 139, Nr. 8, 10, 13, 17, 25, 27, Kasten Nr. 8, 10, 28,29,30. Senat AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 4. SP, 15.SP, 16.SP, 17.SP, 19.SP, 64.SP, 94.SP, 95.SP, 97.SP Wissenschaftlicher Rat AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 143, 1072, 1409, 1425, 1455, 1932, 1938 Generalverwaltung: Institutsbetreuung AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4473. Generalverwaltung: Personal AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 349, 1532. MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht AMPG , II . Abt., Rep. 44, Nr. 1.
Tätigkeitsberichte von Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Instituten AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1022, 1023, 1024, 1025, 1026, 1027, 1031, 1032, 1038, 1039, 1041, 1042, 1043
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Felix Lange
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Ulrich Magnus
Geschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, 1949–2000 1.
Aufgaben des Instituts
Von seiner Gründung im Jahr 1926 an hatte das damalige Kaiser-Wilhelm-Institut zwei wissenschaftliche Kernaufgaben: zum einen die Rechtsvergleichung, nämlich auf hohem wissenschaftlichen Niveau das Privatrecht ausländischer Staaten zu erforschen und aus dem Vergleich der Rechtsordnungen Folgerungen für die Rechtsentwicklung und Rechtsverbesserung zu ziehen; zum andern das Internationale Privatrecht, das sich mit der rechtlichen Bewältigung der Fragen befasst, die bei grenzüberschreitenden Privatrechtskonflikten aus den Unterschieden der nationalen Rechtsordnungen entstehen.1 Zeitbedingt diente diese Zielsetzung damals auch der Bewältigung der privatrechtlichen Folgen des 1. Weltkriegs, vor allem indem das Institut der Wirtschaft,2 den Gerichten und staatlichen Stellen Gutachten über ausländische Rechte erstattete, internationale Kontakte herstellte und für den deutschen Gesetzgeber, aber auch für internationale Gesetzgebung beratend und zum Teil initiativ tätig war.3 An dieser grundsätzlichen Aufgabenstellung und Arbeitsweise hat sich bis heute nichts geändert. Das Max-Planck-Institut (MPI) für ausländisches und internationales Privatrecht soll auf seinen Gebieten wissenschaftliche Grundlagenforschung
1 Siehe näher zur Gründung, an der zunächst – bis 1934 – auch der Reichsverband der deutschen Industrie finanziell beteiligt war: Jürgen Basedow: Der Standort des Max-Planck-Instituts – Zwischen Praxis, Rechtspolitik und Privatrechtswissenschaft. In: Jürgen Basedow et al. (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, 3–16. 2 Der Reichsverband der deutschen Industrie hatte seine »Auskunftstelle für ausländisches Recht«, die er nach dem Ersten Weltkrieg eingerichtet hatte, wieder eingestellt, nachdem das Institut gegründet worden war; siehe Basedow, Standort des Max-Planck-Instituts, 2001, 3–16. 3 Das gilt vor allem für die Anregung, das Kaufrecht international zu vereinheitlichen, die auf den Gründungsdirektor Ernst Rabel zurückgeht, der diesen Vorschlag 1928 dem Rechtsvereinheitlichungsinstitut »Institut international pour l’unification du droit privé« (UNIDROIT) in Rom unterbreitete und nach dessen Zustimmung mit alsbaldigen Stellungnahmen maßgeblich vorantrieb. Darauf geht das heutige UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) von 1980 zurück. Mehr zu Rabel im weiteren Verlauf, insbesondere in Abschnitt 1.5. (Fußnoten 34–37) und Abschnitt 2.7.
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auf höchstem Niveau leisten und dazu beitragen, das Recht fortzuentwickeln und Lösungen vorzuschlagen, die die Herausforderungen der Zeit rechtlich zu bewältigen vermögen. Daneben übernimmt es auch – als nobile officium – Aufgaben praktischer Rechtsanwendung und Politikberatung. 1.1
Arbeitsfeld: Rechtsvergleichende Grundlagenforschung
Grundlagenforschung im Bereich der Rechtsvergleichung bedeutet sicherlich zum einen, fremdes Recht sorgfältig aufzuklären, es in seiner tatsächlichen Anwendung und Wirkung zu erfassen sowie seine Entwicklung, die ständigen Änderungen unterliegt und häufig Neuerungen hervorbringt, kontinuierlich und zuverlässig zu verfolgen. Dabei hat das Institut den Anspruch, das Recht sämtlicher Länder der Erde feststellen zu können. Dem dient eine Organisationsstruktur, in der sprachkundige Länderreferenten Länderreferate betreuen, die allerdings häufig ganze Regionen mit zahlreichen Staaten (etwa ganz Südamerika) umfassen. In seinem Länderbereich soll sich der jeweilige Referent auf dem Laufenden halten, also insbesondere neue Entwicklungen zur Kenntnis nehmen, gegebenenfalls darüber berichten und sie zum Gegenstand rechtspolitischer Überlegungen machen. Das Institut hat allerdings zum Ende der 1970er Jahre die förmliche Regel eingeführt, Länderreferenten grundsätzlich nicht auf Lebenszeit einzustellen, sondern nur für eine begrenzte Qualifika tionszeit von mehreren Jahren. Das war auch vorher faktisch häufig der Fall und entsprach meist dem Wunsch der Referenten und Referentinnen, die in ihrer Mehrzahl den Wechsel und Aufstieg zu einer eigenen Professur an einer Universität anstrebten.4 Die beschriebene Politik bedingt an sich einen kontinuierlichen Wechsel im jeweiligen Länderreferat, der dem Aufbau langfristiger Expertise entgegensteht. Für eher exotische Referate wie etwa die Balkanländer,5 Südamerika,6 die islamischen Länder,7 die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) / Russland,8 China9 oder Japan10 hat das Institut daher auch langfristige Besetzungen akzeptiert, um hier für fundierte Kompetenz, einschließlich der Sprachkundigkeit in ausgefallenen Sprachen, zu sorgen, um Gutachten zum schwer erschließbaren Recht dieser Länder zuverlässig erstatten zu können, um gesicherte Aussagen zur dortigen Rechtsentwicklung treffen und sie in die vergleichende Forschung einbeziehen zu können. Vielfach sind
4 Siehe die Liste ehemaliger Mitarbeiter, die auf eine Professur berufen wurden auf der Webseite des MPI: https://www.mpipriv.de/ehemalige. Zuletzt aufgerufen am 16.9.2022. 5 Dr. Dr. h. c. Christa Jessel-Holst. 6 Dr. Jürgen Samtleben. 7 Prof. Dr. Konrad Dilger; Frau Prof. Dr. Nadjma Yassari, LL . M . 8 Dr. Jan Peter Waehler; Priv. Doz. Dr. Eugenia Kurzynsky-Singer. 9 Prof. Dr. Frank Münzel; Prof. Dr. Knut Benjamin Pißler, M. A. 10 Prof. Dr. Harald Baum.
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diese Länderreferenten und -referentinnen auch in ihren Referatsländern hoch angesehen.11 Unterstützt wird das Referatssystem auch durch den Aufbau der Bibliothek.12 Sie ist, abgesehen von wenigen übergeordneten Sammelbereichen wie Rechtsvergleichung und Internationales Privatrecht, nach Ländern geordnet. Für jedes Land sammelt die Bibliothek, zum Teil auf Anregung der Länderreferenten, die juristische Basisliteratur und versucht, sie ständig auf dem neuesten Stand zu halten.13 Der exzellente Bestand zieht jedes Jahr zahlreiche in- und ausländische Gäste an, die dort ihren Forschungen nachgehen. Rechtsvergleichende Grundlagenforschung geht über das Ermitteln und korrekte Feststellen fremden Rechts aber doch deutlich hinaus. Sie bemüht sich vor allem, die Vor- und Nachteile fremder Rechtslösungen und deren Folgewirkungen im Rechtssystem aufzuklären und einem wertenden Vergleich mit den Lösungen anderer Rechte, insbesondere jenen des eigenen Rechts, zu unterziehen. Hieraus sind dann vielfach Vorschläge für eine Rechtsreform zu entwickeln. Im Institut sind in dieser Hinsicht zahlreiche Studien entstanden, die diesem Modell gefolgt sind. Seinen Anfang hat dieses rechtsvergleichende Arbeiten mit Ernst Rabels bahnbrechendem Werk Das Recht des Warenkaufs14 genommen, das den Grundstein für die weltweite Vereinheitlichung des Warenkaufrechts15 legte und sich als Modell einer rechtsvergleichenden Grundlagenarbeit darstellt. Das Werk hat wohl alle Rechtsordnungen der damaligen Zeit im Hinblick auf ihre Lösungen kaufrechtlicher Probleme ausgewertet, auf ihre Vor- und Nachteile abgeklopft und daraus vereinheitlichungsfähige Lösungen destilliert. Insgesamt 11 Siehe etwa Festschrift »Private Law Reform in South East Europe« (2010) und Ehrenpromotion (Sofia 2011) für Christa Jessel-Holst; zahlreiche Gastdozenturen in Südamerika für Jürgen Samtleben; Festschrift »Business Law in Japan« (2012) für Harald Baum. 12 Auch dieser Aufbau geht auf Ernst Rabel und seinen »Bücherwart« Max Rheinstein zurück. Rheinstein verließ Deutschland 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft und emi grierte in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), wo er in Chicago Professor wurde und großen Einfluss auf die Entwicklung der Rechtsvergleichung in den USA ausübte; zu Rheinstein siehe näher Nadine Rinck: Max Rheinstein – Leben und Werk. Hamburg 2011; Konrad Zweigert: Max Rheinstein. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 42/1 (1978), 1–3. 13 Hilfreich für eine schnelle Orientierung und schnelles Auffinden ist auch, dass die Literatur für jedes Land demselben Ordnungs- und Aufstellungsprinzip folgt, das sich seinerseits in erster Linie an der Abfolge der Bücher des »Bürgerlichen Gesetzbuchs« (BGB) orientiert. 14 Ernst Rabel: Das Recht des Warenkaufs. Eine rechtsvergleichende Darstellung. Bd. 1. Berlin 1936; Ernst Rabel: Das Recht des Warenkaufs. Eine rechtsvergleichende Darstellung. Herausgegeben von Klaus von Dohnanyi und Jörg Käser. Bd. 2. Berlin 1958 (im Institut betreut und posthum veröffentlicht). Doch darf auch nicht der Anteil der Mitarbeiter Rabels an dem Werk vergessen werden. Rabel führt sie im Vorwort zum Band 1 auf. 15 In Gestalt des (Wiener) UN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, dem heute 89 Staaten angehören, darunter nahezu alle bedeutenden Handelsnationen.
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wird die Zeit unter Rabels Direktorat (1926–1936) als eine Blütezeit vor allem der Rechtsvergleichung beschrieben.16 1.2
Arbeitsfeld: Internationales Privatrecht
Neben der rechtsvergleichenden Grundlagenforschung ist das Internationale Privatrecht das zweite Hauptarbeitsgebiet des Instituts. Entgegen seinem Namen ist es primär nationales Recht und gilt nicht nur in Deutschland als schwierig. Denn das Internationale Privatrecht (IPR) oder Kollisionsrecht ist ein Metarecht. Es umfasst die nationalen – oder international vereinheitlichten, inzwischen in großem Umfang auch europäischen – Rechtsregeln, die zum Zug kommen, wenn ein Rechtsfall Bezüge zu mehr als einer Rechtsordnung aufweist. Wollen etwa ein Franzose und eine Deutsche heiraten, dann muss zunächst geklärt werden, ob für eine wirksame Eheschließung die Voraussetzungen des französischen oder des deutschen Rechts oder gar beider Rechte eingehalten werden müssen. Ähnlich muss entschieden werden, welche Rechtsordnung gilt, wenn ein deutscher Verbraucher über das Internet ein Fahrzeug von einem französischen Hersteller kauft und Mängel reklamieren will. Das IPR legt fest, wann in diesen und zahllosen weiteren Fällen mit Auslandsbezug welches Recht anzuwenden ist. In den Beispielsfällen kann nicht sogleich das materielle Recht eines der betroffenen Länder angewendet werden. Vielmehr muss erst eine rechtliche Vorprüfung und Entscheidung – nach den IPR-Regeln im Land des angerufenen Gerichts – erfolgen, welches der mehreren berührten Rechte denn gelten soll. Auf diese Regeln des Internationalen Privatrechts, ihre Entwicklung und ihre jeweilige Auslegung hat das Institut durch Stellungnahmen, wissenschaftliche Tagungen, Entsendung seiner Spezialisten und Spezialistinnen in nationale und internationale IPR-Gremien, seine ständige Gutachtenpraxis sowie zahlreiche Bücher und Aufsätze vieler Institutsmitarbeiter17 kontinuierlich erheblichen 16 Siehe insbesondere Ingeborg Schwenzer: Development of Comparative Law in Germany, Switzerland and Austria. In: Mathias Reimann und Reinhard Zimmermann (Hg.): The Oxford Handbook of Comparative Law. 2. Aufl. Oxford 2019, 54–86 (60: »The Golden Age«). 17 Siehe nur die Lehr- und Handbücher zum Internationalen Privatrecht (IPR) von Hans Dölle: Internationales Privatrecht. Eine Einführung in seine Grundlagen. 2. Aufl. Karlsruhe 1972; Kurt Siehr: Auswirkungen des Nichtehelichengesetzes auf das Internationale Privat- und Verfahrensrecht. Bielefeld 1972; Ulrich Drobnig: American-German Private International Law. 2. Aufl. New York 1972; Bernd von Hoffmann und Karsten Thorn: Internationales Privatrecht. 10. Aufl. München 2019; Harald Koch, Ulrich Magnus und Peter Winkler von Mohrenfels: IPR und Rechtsvergleichung. Ein Übungsbuch zum internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht und zur Rechtsvergleichung. München 1989; Jan Kropholler: Internationales Privatrecht. Auf der Grundlage des Werkes von Paul Heinrich Neuhaus. Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts. Tübingen 1990; Paul Heinrich Neuhaus: Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts. 2. Aufl. Tübingen 1976; Christoph Reithmann und Dieter Martiny (Hg.): Internationales Vertragsrecht. Das internationale Privatrecht der Schuldverträge. 9. Aufl. Köln 2022; Kurt Siehr: Interna
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Einfluss genommen. Lange Jahre waren Paul Heinrich Neuhaus18 und Jan Kropholler,19 zum Teil auch Friedrich Korkisch,20 als besondere Spezialisten des IPR am Institut tätig; Kurt Siehr21 ist es noch. Sie haben mit ihren Arbeiten das deutsche und europäische Kollisionsrecht nachhaltig beeinflusst und den herausragenden Ruf untermauert, den das Institut auch in diesem Arbeitsfeld genießt. 1.3
Gutachten- und Beratungspraxis des Instituts
Mit seiner Gutachtentätigkeit dient das Institut vor allem der Rechtspraxis. Gutachten werden in erster Linie für deutsche und ausländische Gerichte und Behörden sowie gelegentlich für Anwälte, aber auch für den Gesetzgeber oder europäische und internationale Organisationen erstattet. Den Gerichts-, manchmal Anwaltsanfragen liegt gewöhnlich ein konkreter Rechtsstreit zugrunde, in dem es nach den IPR-Regeln auf fremdes Recht ankommt, das der Fragesteller selbst aber nicht sachverständig feststellen kann. Das Institut fungiert hier über seine zuständigen Länderreferenten als gerichtlich ernannter oder privat bestellter Sachverständiger. Regelmäßig ist detailliert zu ermitteln, wie bestimmte Rechtsfragen im ausländischen Recht entschieden werden, beispielsweise ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe das italienische Recht Ersatz zuspricht, wenn ein Deutscher in Italien von einem Spanier angefahren wird, oder wann und von welchen Schulden ein deutscher Schuldner frei wird, wenn er eine Insolvenz in England beantragt (und beantragen darf). Das Institut überprüft jedoch auch immer zumindest inzident, ob der Fragesteller die Regeln des IPR richtig angewendet hat. Ist das, wie häufiger vorkommt, nicht der Fall, wird die Fragestellung korrigiert und, wenn notwendig, dem Gericht die Anfrage zurückgegeben. Die Vergütung der Gerichtsgutachten richtet sich nach dem Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetz.22
18
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tionales Privatrecht. Deutsches und europäisches Kollisionsrecht für Studium und Praxis. Heidelberg 2001. Prof. Dr. Paul Heinrich Neuhaus (9.3.1914–12.4.1994), Wissenschaftliches Mitglied des Instituts; siehe den Nachruf von Jan Kropholler: Paul Heinrich Neuhaus. 9.3.1914–12.4.1994. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 58/3 (1994), 419–420. Neuhaus war von 1942 bis 1982 im Institut tätig, vertrat dort das IPR und prägte Generationen von IPRlern. Prof. Dr. Jan Kropholler (23.8.1938–16.1.2009) war von 1967–2003 Referent am Institut, blieb aber auch danach noch bis zu seinem Tod im Institut tätig. Er hat die Aufmerksamkeit auch auf das internationale Verfahrensrecht gelenkt. Prof. Dr. Friedrich Korkisch (1908–1985), siehe die Würdigung von Paul Heinrich Neuhaus: Friedrich Korkisch 70 Jahre. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 42/2 (1978), 209–211. Korkisch gehörte dem Institut seit 1934 ununterbrochen an. Mit seinem Schüler Oskar Hartwieg hat er Die geheimen Materialien zur Kodifikation des deutschen IPR (1973) herausgegeben. Prof. Dr. Dr. h. c. Kurt Siehr, M. C. L. (* 28.7.1935) gehört dem Institut seit 1963 an und war von 1981–2002 gleichzeitig Professor an der Universität Zürich. Das Gesetz sieht einen Höchstsatz von 125.– €/Std vor, den das Institut für seine Gerichtsgutachten in Rechnung stellt.
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Für die Vergütung der – wenigen – anwaltlichen Anfragen, die das Institut annimmt und die nicht unter das Gesetz fallen, berechnet es den doppelten gesetzlichen Satz. Beratungsanfragen des deutschen oder eines ausländischen Gesetzgebers sowie europäischer und internationaler Organisationen haben dagegen in der Regel abstraktere und umfangreichere Fragen zum Gegenstand. Sie beziehen sich häufig auf mehrere Rechtsordnungen, etwa wann fremde Rechte für Persönlichkeitsverletzungen Geldersatz gewähren oder welche Länder in Gerichtsprozessen abweichende Meinungen (dissenting votes) zulassen. Nicht selten wachsen sie sich zu Großgutachten aus, die zu einer umfangreichen Publikation führen.23 Zum Teil war das Institut auch intensiv an Gesetzgebungsarbeiten anderer Staaten beteiligt, etwa an den IPR-Gesetzen Sloweniens24 und Bulgariens25 sowie an der Rechtsreform in Serbien und im Kosovo.26 Die Praxis der gerichtlichen und anwaltlichen Gutachten koppelt rechts vergleichendes Arbeiten und Internationales Privatrecht und zentriert beides auf den konkreten Fall, für den eine gerichtsfeste Lösung zu erarbeiten ist. Für die 23 Vgl. als Beispiele, die meist auf Anfragen des Bundesjustizministeriums beruhten, insbesondere Konrad Zweigert und Hein Kötz: Die Haftung für gefährliche Anlagen in den EWG -Ländern sowie in England und den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein rechtsvergleichendes Gutachten. Tübingen 1966; Konrad Zweigert und Berthold Goldman: Rapport sur l’harmonisation éventuelle des législations en vigueur dans les états membres du conseil en matière de sociétés à responsabilité limitée (ou de sociétés comparables à celles-ci). Straßburg 1969; Ulrich Drobnig: International Payments. Report of the Secretary-General: Study on Security Interests (A/CN.9/131). In: United Nations Commission on International Trade Law (Hg.): Yearbook of the United Nations Commission on International Trade Law. Bd. 8. New York 1977, 171–221; Peter Dopffel und Bernd Buchhofer (Hg.): Unterhaltsrecht in Europa. Eine Zwölf-Länder-Studie. Tübingen 1983; Peter Dopffel (Hg.): Kindschaftsrecht im Wandel. Zwölf Länderberichte mit einer vergleichenden Summe. Tübingen 1994; Jürgen Basedow et al. (Hg.): Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Tübingen 2000; Klaus J. Hopt und Hans-Christoph Voigt (Hg.): Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung. Recht und Reform in der Europäischen Union, der Schweiz und den USA . Tübingen 2005; Klaus J. Hopt und Felix Steffek (Hg.): Mediation. Rechtstatsachen, Rechtsvergleich, Regelungen. Tübingen 2008. 24 Siehe dazu Miroslava Geč-Korošec, Neuordnung des Internationalen Privatrechts in der Republik Slowenien. In: Jürgen Basedow et al. (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, 633–654; Miroslava Geč-Korošec: Die Reform des slowenischen Internationalen Privat- und Verfahrensrechts und seine Anpassung an das Recht der Europäischen Union. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 66/4 (2002), 710–747. Das Institut war 1992 und 1993 mit mehreren Mitarbeitern unter der Leitung von Ulrich Drobnig beteiligt. 25 Siehe Jordanka Zidarova und Sofia Stančeva-Minčeva: Gesetzbuch über das Internationale Privatrecht der Republik Bulgarien. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 71/2 (2007), 398–456. Hier waren für das Institut Christa Jessel-Holst, Ulrich Magnus und Dieter Martiny beteiligt. 26 Siehe Matthias Weckerling: Erfahrungen der IRZ -Stiftung in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 72/1 (2008), 43–54.
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Länderreferenten bedeutet sie eine erhebliche praktische Erfahrung und Schulung. Die Großgutachten verlangen meist die Beteiligung einer ganzen Reihe von Institutsmitarbeitern und schließen gelegentlich auch auswärtige deutsche oder ausländische Forscher ein. 1.4
Gästekontakte und internationales Netzwerk
Das Institut hat sich dank seiner ausgezeichneten Bibliothek27 und Arbeitsmöglichkeiten28 zu einem Anlaufpunkt, ja zentralen Knotenpunkt für zahlreiche Forscher aus der ganzen Welt entwickelt, die sich als Gäste in das Arbeits- und Ideenklima einbringen, es ihrerseits – etwa durch Vorträge – nachhaltig bereichern und den Kontakt zum Institut vielfach lebenslang halten. So ist das Institut intensiv mit einem Netzwerk weltweiter Kollegenschaft verbunden. Nicht ohne Grund hört man im Ausland häufig, das Institut sei »das Mekka der Rechtsvergleichung und des IPR«.29 Doch fördert das Institut dieses Netzwerk auch selbst höchst aktiv. Die Direktoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts knüpfen und bewahren ihrerseits zahlreiche Kontakte zu in- und ausländischen Fachkollegen. So besteht etwa ein langjähriger Kontakt mit jährlichen wechselseitigen Besuchen mit der Universität Tel Aviv, den Kurt Siehr seit vielen Jahren für das Institut betreut und vertieft hat. Begründet hatten den Kontakt, aus dem Freundschaft wurde, Konrad Zweigert und Wladimir Ze’ev Zeltner im Jahr 1971.30 Ähnlich intensiv
27 Die Bibliothek ist im Verlauf von 90 Jahren auf über 500.000 Bände angewachsen. Allerdings besaß die Institutsbibliothek bereits 1932 – nur sechs Jahre nach der Institutsgründung – schon über 200.000 Bände; siehe Max Rheinstein: In Memory of Ernst Rabel. American Journal of Comparative Law 5/2 (1956), 185–196, 185. Für jedes Land dieser Welt enthält sie zumindest einen Grundbestand der wichtigsten privatrechtlichen Veröffentlichungen. Zur Entwicklung der Bibliothek und zu ihren Leitern siehe Jürgen Christoph Gödan: Die Bibliotheksleiter des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und ihre Aufgaben: Vom Bücherwart zum Informationsmanager. In: Jürgen Basedow et al. (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, 51–71. 28 Für Gäste stehen gegenwärtig (2021) insgesamt 86 Arbeitsplätze zu Verfügung. Allerdings ist diese Zahl erst im Lauf der Jahre, insbesondere durch die beiden baulichen Erweiterungen, aufgewachsen. Zeitweilig, und auch derzeit noch gibt es sogar mehrere Gästewohnungen im Institut (derzeit vier). 29 Siehe Lajos Vékás: Ein Verfechter der europäischen Rechtskultur: Fährmann zwischen Ost und West. Zeitschrift für europäisches Privatrecht 23/1 (2015), 128–141; auch Krešimir Sajko: Internationalprivatrechtliche Aspekte der kroatischen Schiedsgerichtsbarkeit. In: Jürgen Basedow et al. (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, 725–735, 728: »Mekka des ausländischen und internationalen Privatrechts«. 30 Siehe den Nachruf Konrad Zweigerts auf Zeltner der mit den Worten schließt: »Wir trauern – mit seiner geliebten Frau – um einen gütigen, getreuen und reich begabten Freund.« Zeltner war Präsident des District Court von Tel Aviv und Professor an der dortigen Uni-
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sind die wissenschaftlichen Kontakte mit Japan. Das Institut vergibt ferner regelmäßig Stipendien an ausländische Wissenschaftler, häufig, aber keineswegs nur junge Forscher und Forscherinnen, die in einem strengen Bewerbungsverfahren ausgesucht werden. Auch daraus erwächst ein weit in die Zukunft reichendes Netzwerk. Der Verein der Freunde des Instituts,31 der jährliche Tagungen veranstaltet und zur Stipendienfinanzierung beiträgt, ist ein weiteres Element, das den Kontakt der Gäste zum Institut aufrechterhält. Die Internationalität und Qualität des Netzwerks des Instituts speist sich auch daraus, dass Angehörige des Instituts regelmäßig in fast allen, für die Wissenschaft wichtigen internationalen Organisationen und Institutionen, oft an führender Stelle, vertreten sind oder mitarbeiten, so im Governing Council und in Working Groups des Rechtsvereinheitlichungsinstituts UNIDROIT in Rom, in Working Groups der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL), der Handelsrechtskommission der Vereinten Nationen, bei Vorhaben der EU, in der International Academy of Comparative Law, in der Groupe européen de droit international privé (Gedip), in der sogenannten Lando-Kommission, die die Principles of European Contract Law erarbeitet hat, in bilateralen Fachgesellschaften wie etwa der deutsch-französischen Juristenvereinigung und zahlreichen weiteren Einrichtungen. Diese internationale Eingebundenheit spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des Fachbeirats und des Kuratoriums des Hamburger Instituts wider, denen unter anderem Richter der europäischen Gerichte oder nationaler Höchstgerichte32 und renommierte Hochschullehrer aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Ungarn und den USA angehören.33 Selbstverständlich ist das Institut auch in den deutschen Gesellschaften und Gremien für Rechtsvergleichung und internationales Recht nicht nur durch seine Direktoren an prominenter Stelle, sondern durch viele seiner Mitglieder vertreten. 1.5 Nachwuchsförderung
Eine weitere wichtige Funktion ist dem Institut seit seiner Gründung zugewachsen: die Aus- und Fortbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich der Rechtsvergleichung und des Internationalen Privatrechts. Schon der versität. In Kiew geboren, war er in Berlin aufgewachsen, 1936 vor den Nationalsozialisten zunächst nach Paris emigriert und noch im gleichen Jahr nach Israel ausgewandert. Konrad Zweigert: Wladimir Ze’ev Zeltner. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 42/4 (1978), 4. 31 Der Verein hat derzeit über 400 Mitglieder. 32 Vor einigen Jahren (2018) waren dies etwa Prof. Dr. Vasilios Skouris (ehem. Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Luxemburg); Prof. Dr. Dr. h. c. Lado Chanturia (Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Straßburg); Lord Mance (Richter des britischen Supreme Court); Erika Andreß (Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg). 33 Siehe die Webseite des Instituts.
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Gründungsdirektor Ernst Rabel34 hatte viele ausgezeichnete Wissenschaftler um sich geschart, die nach ihrer Institutszeit Lehrstühle im In- und Ausland besetzten.35 Schon in einem Bericht vom 7. Januar 1948 über den sogenannten Rabel-Plan zur Erweiterung und Internationalisierung der Institutszeitschrift36 heißt es: »Der Stab der Mitarbeiter des Instituts war sehr sorgfältig ausgewählt; dafür zeugt, dass fast alle Lehrstühle für internationales Recht an deutschen Universitäten mit Persönlichkeiten besetzt sind, die dem Institut als Referenten angehört haben.«37 Diese Tradition hat sich fortgesetzt. Die Zahl der im Institut entstandenen Dissertationen38 und Habilitationen39 ist beeindruckend und hat sich, seit das Institut von drei Direktoren geführt wird (1979), noch einmal deutlich erhöht. 34 Prof. Dr. Ernst Rabel (1874–1955) gilt als Begründer der modernen Rechtsvergleichung sowie als Vater des Weltkaufrechts. Von 1926 bis 1937 war er Direktor des damaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und bis 1935 zugleich Professor an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (heute HumboldtUniversität). Die Nationalsozialisten entzogen ihm 1935 wegen seiner jüdischen Abstammung seine Professur und 1937 auch seine Stellung als Institutsdirektor; im März 1939 emigrierte Rabel in die USA . Mehr zu Rabel insbesondere bei Gerhard Kegel: Ernst Rabel – Person und Werk. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 54/1 (1990), 1–23; Rolf-Ulrich Kunze: Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht 1926–1945. Göttingen 2004; Timo Utermark: Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung bei Ernst Rabel. Frankfurt am Main 2005. 35 Unter anderem (in Klammern die spätere Stellung) Karl Arndt (Präsident des OLG Bremen), Walter G. Becker (Professor in Mainz und an der Freien Universität Berlin (FU Berlin)), Arwed Blomeyer (Professor in Jena, Würzburg und an der FU Berlin), Ernst von Caemmerer (Professor in Freiburg), Konrad Duden (Professor in Mannheim), Walter Hallstein (Professor in Frankfurt und erster Präsident der – damaligen – EWG -Kommission), Friedrich Kessler (Professor an der Yale Law School und in Berkeley), Friedrich Korkisch (Wissenschaftliches Mitglied am Tübinger und Hamburger MPI), Ludwig Raiser (Professor in Göttingen und Tübingen), Max Rheinstein (Professor in Chicago), Eduard Wahl (Professor in Heidelberg, mein Doktorvater). 36 Hierüber hatte Rabel aus den USA ausführlich mit Dölle korrespondiert und versucht, auch die Harvard Universität für das Vorhaben zu gewinnen; siehe der sogenannte »Rabel-Koffer«, AMPG , III . Abt., Rep. 116, Nr. 146. Doch verlief Rabels Initiative letztlich im Sande, da – auch zeitbedingt – keine zusätzlichen Interessenten und Geldquellen aufzutun waren; siehe auch Abschnitt 2.7. 37 Rabel-Koffer, AMPG , III . Abt., Rep. 116, Nr. 253. 38 Eine Gesamtaufstellung der Dissertationen, die Mitarbeiter des Instituts erfolgreich abgeschlossen haben, gibt es bisher nicht. Einen gewissen Eindruck vermittelt die Zahl der Bände der Schriftenreihe »Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht« (StudIPR), die das Institut im Verlag Mohr Siebeck herausgibt. Die 1980 begründete Reihe umfasst derzeit (2022) 486 Bände. Schätzungsweise die Hälfte der Bände stammt von Institutsmitarbeitern. 39 Eine Gesamtaufstellung der Habilitationen von Institutsmitarbeitern liegt ebenfalls nicht vor. Der Tätigkeitsbericht von 2016 (122–123) verzeichnet für die Zeit von 1995 bis 2016 insgesamt 35 Habilitationen (fast alle führten zu Professuren in Deutschland) sowie elf Berufungen ehemaliger Mitarbeiter ohne Habilitation auf Lehrkanzeln im In- (2) und Ausland (9).
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Auch wenn am Institut immer eine – inzwischen große – Zahl wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt war und ist,40 sind es doch im Wesentlichen die Institutsdirektoren, die die wissenschaftliche Ausrichtung des Instituts bestimmen, aber auch die jeweilige Arbeitsatmosphäre erheblich beeinflussen. 1.6
Verhältnis zur Universität
Seit seiner Gründung 1926 hat das Institut traditionell eine enge personelle Verbindung zur örtlichen Universität unterhalten. Wie bereits erwähnt war der erste Institutsdirektor Rabel zudem Professor an der Berliner Universität, Nachkriegsdirektor Hans Dölle ebenso an der Tübinger als auch an der Hamburger juristischen Fakultät, die späteren Direktoren Konrad Zweigert, Ulrich Drobnig, Hein Kötz, Ernst-Joachim Mestmäcker, Jürgen Basedow und Klaus J. Hopt ebenfalls an der Hamburger Universität, wobei jedoch nur noch Zweigert zeitweise und Kötz dauerhaft ein volles Ordinariat wahrnahmen. Letzterer war im Jahr 2000 auch Gründungspräsident der Hamburger Bucerius Law School, der ersten privaten Hochschule für Rechtswissenschaft in Deutschland, zu der seither enge Kontakte bestehen. Üblich war und ist es ferner, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts, die eine akademische Karriere anstreben, Lehraufträge an der Univer sität übernehmen.41 Die Verbindung des Instituts zur Universität dient insoweit auch dem Ziel, die Karrieren dieser Mitarbeiter fördern, ihnen die Möglichkeit zur Lehre geben und ihre Promotionen und Habilitationen im Institut betreuen zu können. Gemeinsame Seminare und Projekte von Institut und Fakultät waren und sind dagegen eher die Ausnahme.42 So sind insbesondere an der International Max Planck Research School for Maritime Affairs auch eine ganze Reihe von Fakultätskollegen beteiligt.43 Dass die fachlichen Kontakte zwischen Institut und Fakultät trotz der engen personellen Verbindung eher begrenzt ausfallen, kann andererseits nicht verwundern. Denn aufgrund der Spezialisierung des Instituts und des jeweiligen Inhabers des Lehrstuhls für IPR und Rechtsvergleichung gibt
40 Am Ende des Jahres 2017 insgesamt 135 Mitarbeiter, davon 71 allerdings in Teilzeit. 41 So hatte etwa schon Zweigert, der 1937 am Institut Länderreferent für die romanischen Länder geworden war, Anfang der 1940er Jahre zugleich einen Lehrauftrag für französisches Zivilrecht an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität; siehe dazu Ulrich Drobnig: Konrad Zweigert (1911–1996). In: Stefan Grundmann und Karl Riesenhuber (Hg.): Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler. Eine Ideengeschichte in Einzeldarstellungen. Berlin 2007, 89–103, 91. 42 So führte Mestmäcker häufiger rechtsphilosophische Seminare gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Köhler von der juristischen Fakultät der Universität Hamburg durch. 43 Die hauptamtlichen Professoren der Fakultät: Jeßberger, Lagoni, Magnus, Mankowski und Oeter.
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es in der Regel keine weiteren Fakultätskollegen, die diese Fächer vertreten und als Ansprech- und Kooperationspartner in Betracht kommen.
2.
Wiederaufbau und Wiederbeginn (1946–1960)
2.1 Wiederbeginn
Nach dem 2. Weltkrieg stand wie für alle öffentlichen Einrichtungen auch für das Institut der Wiederbeginn im Mittelpunkt. Noch 1944 hatten sich die damaligen Institutsreferenten Konrad Zweigert und Hans Rupp44 gegen den zögernden Institutsdirektor Ernst Heymann,45 den Nachfolger Rabels, durchgesetzt und die Verlegung des Instituts von seinem angestammten Sitz im Berliner Schloss nach Tübingen veranlasst – und dadurch insbesondere die wertvolle Bibliothek retten können.46 In Tübingen hieß es nach Kriegsende zunächst, funktionierende Strukturen aufzubauen und das Institut überhaupt als Einrichtung fortzusetzen. Das unter den Zeitumständen zunächst reichlich idealistische Ziel war es, an die Zeiten unter Rabel anzuknüpfen. Heymann, der auch nach 1945 Institutsdirektor geblieben war, verstarb am 2. Mai 1946 in Tübingen im Alter von 76 Jahren. Sein Nachfolger wurde Hans Dölle,47 der an der Tübinger Rechtsfakultät seit 1944 das Internationale Privatrecht vertrat. Er übernahm das Institutsdirektorat 1946 zunächst kommissarisch und dann ab 1949 bis 1963 förmlich. Für die Ernennung Dölles hatte Rupp gesorgt, der inzwischen aus dem Institut in die Landesverwaltung für Kultus, Erziehung und Kunst in Württemberg unter dem Minister Carlo Schmid gewechselt war.48 Rupp setzte sich auch maßgeblich dafür ein, dass das damals kurzzeitig konstituierte Land Württemberg-Hohenzollern die Kaiser-Wilhelm-Institute auf seinem Gebiet übernahm und bis zur Neugründung der Max-Planck-Gesellschaft im Jahr 1948 finanzierte.49 So war der Fortbestand des Instituts gesichert, allerdings an anderem Ort und unter neuer Leitung.
44 Siehe Nachruf von Paul Heinrich Neuhaus: Hans Rupp. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 54/2 (1990), 201–202. Rupp war dann von 1951 bis zu seinem Ruhestand 1975 Richter am Bundesverfassungsgericht, zu dessen »Erstausstattung« er gehörte; siehe dazu den Nachruf von Willi Geiger: Hans Georg Rupp †. Neue Juristische Wochenschrift 42/49 (1989), 3144–3145. 45 Ernst Heymann (1870–1946). 46 Siehe dazu Drobnig, Konrad Zweigert, 2007, 89–103, 91. 47 Hans Heinrich Leonhard Dölle (1893–1980). 48 Siehe Neuhaus, Rupp, 1990, 201–202. 49 Siehe ebd., 202.
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102 2.2 Hans Dölle, der erste Institutsdirektor nach dem Krieg
Dölle war seit 1924 Professor für Bürgerliches, Verfahrens- und ausländisches Recht in Bonn; von 1941 bis Kriegsende lehrte er an der Reichsuniversität Straßburg, die nach den Plänen der Nationalsozialisten zu einer Eliteuniversität des »Dritten Reichs« ausgebaut werden sollte.50 Ab Winter 1944 unterrichtete er an der Universität Tübingen51 und von 1956 bis 1963 an der Universität Hamburg. Dölle war ein stattlicher hochgewachsener Mann von Achtung gebietender Ausstrahlung. »Klassiker von Person, Werdegang und wissenschaftlichem Stil strahlte er Vertrauen aus und zog Vertrauen auf sich.«52 Als er 1951 als Mitglied der deutschen Delegation, die unter der Leitung eines hohen deutschen Beamten stand, an der ersten Nachkriegssitzung der Haager Konferenz für internationales Privatrecht teilnahm53 und die Delegation von der niederländischen Königin empfangen wurde, soll die Königin sofort auf ihn zugegangen sein und gesagt haben: »Ich gehe doch nicht fehl in der Annahme, dass Sie der Leiter der Delegation sind.«54 Bei Referentenbesprechungen im Institut erhoben sich die Referenten, wenn Dölle eintrat. Zu den Vorlesungen in der nahe gelegenen Universität, ein zehnminütiger Fußweg bei gemächlichem Tempo, ließ er sich im Dienstwagen von seinem Fahrer vorfahren, der auch die Tasche in den Hörsaal voraustrug. Zugleich besuchte er jedoch auch gemeinsam mit diesem / seinem Fahrer samstags häufig die Fußballspiele des HSV. Während des Nationalsozialismus hatte Dölle mitnichten zu den Regimegegnern gehört, sondern ganz im Gegenteil die nationalsozialistische Ideologie begrüßt und unterstützt.55 Er war 1937 in die NSDAP eingetreten, hatte sich aber schon seit 1933 in Veröffentlichungen für die Übernahme nationalsozialistischen Gedankenguts in das Recht eingesetzt.56 Auch seine Berufung an die
50 Siehe Martin Houbé: Hans Dölle. In: Mathias Schmoeckel (Hg.): Die Juristen der Universität Bonn im »Dritten Reich«. Köln 2004, 137–157, 149. 51 Dölle wurde wegen der militärischen Gefährdung Straßburgs bereits zum Wintersemester 1944/45 an die Universität Tübingen abgeordnet; siehe Houbé, Hans Dölle, 2004, 137–157, 151. 52 So Konrad Zweigert: Hans Dölle. 1893–1980. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 44/3 (1980), 421–422. 53 Siehe Zweigert, Nachruf Dölle, 1980, 421–422. 54 Mitteilung von Prof. (em.) Dr. Dieter Henrich, Universität Regensburg. 55 Siehe hierzu insbesondere Hans Ulrich Jessurun d’Oliviera: An Anecdote. A Footnote. In: Heinz-Peter Mansel et al. (Hg.): Festschrift für Erik Jayme. Bd. 1. München 2004, 387–402; Houbé, Hans Dölle, 2004, 137–157, 151; Hans-Paul Höpfner: Die Universität Bonn im Dritten Reich. Akademische Biographien unter nationalsozialistischer Herrschaft. Bonn 1999, 240. 56 Siehe etwa Hans Dölle: Das bürgerliche Recht im nationalsozialistischen deutschen Staat. Ein Vortrag. Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 57/2 (1933), 649–676; Hans Dölle: Vom alten zum neuen Schuldrecht. Deutsche Juristenzeitung (1934), 1016–1018; Hans Dölle: Lehrbuch des Reichserbhofrechts. München 1935; Hans
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Reichsuniversität Straßburg – die, wie erwähnt, die nationalsozialistische Eliteuniversität werden sollte – zeigte, dass er den braunen Machthabern genehm war. Das Entnazifizierungsverfahren, das erst 1948 stattfand, ordnete ihn aber dessen ungeachtet als »entlastet« (Gruppe 5a) ein.57 2.3
Stellung des Instituts
Unter Dölles Leitung gewann das Institut, zumindest in Deutschland, wieder die Position als »die führende Forschungsstätte für Rechtsvergleichung und internationales Privatrecht«58, die es unter Rabel innegehabt hatte und knüpfte damit an dessen Ära an. Das manifestierte sich zum einen sichtbar durch die Verlegung des Instituts 1956 aus dem kleinen Tübingen in die Großstadt Hamburg mit ihrem Hafen und ihren weitgespannten Wirtschaftskontakten. Ein Gebäude dicht an der Außenalster im Herzen der Stadt wurde die neue Heimat. Zum anderen knüpfte Dölle zahlreiche Verbindungen und übernahm Ämter, die für die Gebiete der Rechtsvergleichung und des Kollisionsrechts zentral waren und dem Institut insgesamt zugutekamen. So initiierte er die Gründung der – deutschen – Gesellschaft für Rechtsvergleichung59 sowie den Deutschen Rat für Internationales Privatrecht,60 deren erster Vorsitzender er in beiden Fällen war und das auch lange Jahre blieb. Er nahm bereits 1949 an den Sitzungen des (provisorischen) Internationalen Komitees für Rechtsvergleichung in Paris teil61 und war innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft von 1960 bis 1966 der erste Geisteswissenschaftler, der das Amt eines Vizepräsidenten bekleidete. 1967 verlieh ihm die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) die Würde eines Ehrensenators.62 Unter Dölle nahm das Institut auch seine frühere, unter Rabel begonnene Veröffentlichungstätigkeit wieder auf. Es gab die nun nach Rabel benannte Insti tutszeitschrift, die renommierte Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, wieder heraus. Auch die Veröffentlichung der Sammlung »Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privat-
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Dölle: Lehrbuch des Reichserbhofrechts. 2. Aufl. München 1939; Hans Dölle: Die Neugestaltung des Deutschen Bürgerlichen Rechts. Bemerkungen zur Heidelberger Rede des Staatssekretärs Prof. Dr. Schlegelberger. Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 4 (1937), 359–362. Siehe dazu Jessurun d’Oliviera, An Anecdote, 2004, 387–402. Entscheidung der Spruchkammer vom 15.4.1948, StA / Sigmaringen, WÜ 13 aus Nr. 2636 (zitiert nach Houbé, Hans Dölle, 2004, 137–157, 151). Zweigert, Nachruf Dölle, 1980, 421–422. Gründung 1950, Dölle Vorsitzender von 1950–1961. Gründung 1953, Dölle Präsident von 1953–1961. Der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht berät den Gesetzgeber in Fragen des Kollisionsrechts und des internationalen Zivilverfahrensrechts. Er setzt sich aus den führenden Vertretern der Disziplin zusammen und ergänzt sich selbst durch Zuwahl. Siehe den Bericht von Dölle in Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 15/1 (1949/50), 186. Zweigert, Nachruf Dölle, 1980, 421–422.
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rechts«, ebenfalls von Rabel begründet, wurde wieder aufgenommen und erscheint seither regelmäßig.63 2.4
Wissenschaftliche Ausrichtung
In den 1950er Jahren, der Hauptzeit des Direktorats von Dölle, gehörte der Einfluss der Grundrechte auf das Privatrecht zu den Kernfragen der wissenschaftlichen Diskussion, auch in Reaktion auf die Perversion des Rechts unter der Naziherrschaft. Insbesondere im Familienrecht war die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu einem Sprengsatz der überkommenen patriarchalischen Normen geworden. Auch tatsächlich hatte sich das Ehe- und Familienverständnis, nicht zuletzt unter dem Einfluss des Krieges und der »vaterlosen« Kriegs- und Nachkriegszeit, erheblich verändert. Ein wissenschaftliches Großprojekt unter Dölles Ägide befasste sich deshalb rechtsvergleichend mit dem Familienrecht. Dölles Familienrecht. Darstellung des deutschen Familienrechts mit rechtsvergleichenden Hinweisen erschien 1964/65 – also erst nach Dölles Emeritierung – in zwei Bänden mit insgesamt mehr als 2.000 Seiten. Es war, wie Dölle im Vorwort des ersten Bandes mit Dank hervorhebt, ein Gemeinschaftswerk des Instituts. Siebzehn frühere und seinerzeit gegenwärtige Institutsmitarbeiter sind als Bearbeiter der einzelnen Abschnitte der beiden Bände namentlich ausgewiesen. Weitere Mitarbeiter waren bei den redaktionellen Arbeiten tätig. Große, gar rechtspolitische Wirkung war dem Werk nicht beschieden. Zu rasant ist die Entwicklung im deutschen und ausländischen Familienrecht und in den realen Familienverhältnissen verlaufen. Zudem folgte das Werk, anders als Rabels Recht des Warenkaufs, nicht der Methode, aus einem Vergleich rechtspolitische Folgerungen zu ziehen. Vielmehr gab es vor allem den – damaligen – Regelungsstand wieder. Allerdings ist das Werk bis heute eine Fundgrube familienrechtlicher Regelungen, die seinerzeit galten. Dass die Grundrechte und insbesondere der Gleichheitsgrundsatz auch im Bereich der IPR-Regeln64 eine Rolle spielen mussten, nahm das Institut damals allerdings noch nicht auf. Die IPR-Regeln stammten im Ansatz noch aus der Bismarckzeit und waren ganz auf ein paternalistisches Familienbild ausgerichtet. Für die Ehewirkungen, die Scheidung und das anwendbare Kindschaftsrecht kam es allein auf das Heimatrecht des Mannes und Familienvaters an. Erst das Bundesverfassungsgericht beendete 1971 mit einer grundlegenden Entscheidung den gleichberechtigungswidrigen Zustand dieser Normen.65 Dem folgte dann 63 Der erste Nachkriegsband erschien 1952 und vereinigte die gerichtlichen IPR-Entscheidungen von 1945–1949. Zwei Bände, die die einschlägigen Entscheidungen der Jahre 1935–1944 zusammentrugen (als die Reihe ausgesetzt war), erschienen 1980 und 1981. 64 Sie waren im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) niedergelegt und finden sich zum Teil noch derzeit dort, sind aber in großen Teilen inzwischen von europäischen Rechtsakten abgelöst worden. 65 BverfG 4.5.1971, BVerfGE 31, 58.
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auch das Institut in den 1980er Jahren mit Regelungsvorschlägen, als der Gesetzgeber die Reform des IPR auf die Agenda setzte.66 Einen ganz anderen Zuschnitt als Dölles Familienrecht hatte ein weiteres Großprojekt, das Dölle erst lange nach dem Ende seiner Amtszeit verwirklichte und sinnvollerweise auch erst dann in Angriff nehmen konnte, das aber zuvor schon in vielen Veröffentlichungen in der Institutszeitschrift und anderswo eine Rolle gespielt hatte. Es war Dölles Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, der 1976 erschien,67 nachdem das von Ernst Rabel initiierte Einheitskaufrecht68 1974 in Deutschland in Kraft getreten war. Dölle versammelte in diesem Kommentar Lehrstuhlinhaber aus der ganzen Bundesrepublik, die mit der Materie besonders verbunden waren, darunter auch Ernst von Caemmerer und Eduard Wahl, beide noch unmittelbare Schüler und Mitarbeiter Rabels am Berliner Institut. Das Hamburger Institut war hier nur bei der redaktionellen Seite der Publikation hilfreich, knüpfte mit dem Kommentar aber auch insoweit an das Erbe Rabels an. Für die wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Qualifikationsarbeiten von Mitarbeitern, die in der Ära Dölle entstanden, war wohl allgemeine Richtungsvorgabe, dass sie rechtsvergleichend angelegt sein oder ein Thema des Internationalen Privatrechts zum Gegenstand haben sollten. Eine striktere Bündelung der Themen oder Arbeitsrichtungen bestand nicht. 2.5 Gutachtentätigkeit
Auch unter Dölle setzte das Institut die Tradition aus Rabels Zeiten fort und erstattete Gutachten, primär für deutsche Gerichte, aber auch für Unternehmen,69 Verbände und den Gesetzgeber.
66 Siehe Peter Dopffel, Ulrich Drobnig und Kurt Siehr (Hg.): Reform des deutschen internationalen Privatrechts. Kolloquium im Institut vom 19. bis 21. Juni 1980. Tübingen 1980; Paul Heinrich Neuhaus und Jan Kropholler: Entwurf eines Gesetzes über internationales Privat- und Verfahrensrecht (IPR-Gesetz). Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 44/2 (1980), 326–344; Jürgen Basedow et al.: Kodifikation des deutschen Internationalen Privatrechts. Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht zum Regierungsentwurf von 1983. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 47/4 (1983), 595–690. 67 Hans Dölle (Hg.): Kommentar zum einheitlichen Kaufrecht. Die Haager Kaufrechtsübereinkommen vom 1. Juli 1964. München 1976. 68 Der Vorläufer des heutigen UN-Kaufrechts von 1980. 69 Siehe etwa Hans Dölle und Konrad Zweigert, Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der Deutsch-Indonesischen Tabak-Handelsgesellschaft mbH in Bremen (1959) 84, siehe Signatur der Institutsbibliothek: Int.Pr.R. 41024/100.
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Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Ähnlich wie unter Rabel setzte sich unter Dölle fort, dass das Institut besonders begabte junge Leute anzog und ihnen Gelegenheit zur Qualifikation bot. Auf sie entfiel zudem im Wesentlichen die Last der Gutachtentätigkeit. Verglichen mit heute war der Referentenstamm am Institut zwar klein, gleichwohl finden sich in seinen Reihen illustre Namen, wie etwa Axel Flessner, Andreas Heldrich, Dieter Henrich, Hans Stoll, die später Lehrstühle in Deutschland besetzten, und im Fall von Ulrich Drobnig sogar die Direktorenstellung im Institut übernahmen. Allerdings haben nur Drobnig, Flessner (unter Zweigert) und Stoll ihre Qualifikationsarbeiten am Institut geschrieben. Für Heldrich und Henrich war die Institutszeit eine Vorbereitung auf die Promotion und Habilitation in München. 2.7
Umgang mit der NS-Vergangenheit
Eine besonders heikle Aufgabe der ersten Nachkriegsjahre war der Umgang mit jenen früheren Institutsangehörigen, die im Nationalsozialismus ihre Stellung im Institut verloren hatten. Das betraf in erster Linie den weltweit anerkannten Gründungsdirektor des Instituts, Ernst Rabel. 1939 war er aufgrund der nationalsozialistischen Rassengesetze und seiner jüdischen Herkunft gezwungen, mit seiner Familie in die USA zu emigrieren. Unmittelbar nach Kriegsende 1945 wurde offenbar nicht erwogen, ihm das Amt des Direktors wieder anzubieten. Doch spätestens nach dem Tod seines Nachfolgers Ernst Heymann am 2. Mai 1946 in Tübingen im Alter von 76 Jahren stellte sich aber an sich die Frage, ob Rabel nicht wieder in seine frühere Direktorenstellung einzusetzen sei. Dieser war zu diesem Zeitpunkt bereits 72 Jahre alt und lebte in den USA . Die Zukunft des Instituts und der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft insgesamt war 1946 durchaus unsicher und auch die Lebensverhältnisse in Deutschland in der unmittelbaren Nachkriegszeit stellten sich alles andere als einladend dar. Offenbar hatte Dölle, zu dieser Zeit kommissarischer Institutsdirektor, bereits im Sommer 1946 Kontakt zu Rabel aufgenommen. In einem Brief vom 18. September 1946 an Dölle bedankt sich Rabel für das Angebot, im Institut mitzuarbeiten.70 In einem weiteren Brief von Rabel an Dölle vom 14. Juni 1947 heißt es: »Frage zur Direktion […]. Bitte gehen Sie vor, wie Sie es für gut halten. […] Es ist äusserst bedauerlich, dass die derzeitigen Verkehrsmittel und meine Finanzen mir nicht erlaubt haben, zunächst einmal nach Tübingen (und München für Gastvorlesungen71) zu kommen.«72 Ferner korrespondierte Rabel 1947 und 1948 aus den USA in70 Siehe Rabel-Koffer, AMPG , III . Abt., Rep. 116, Nr. 251. 71 Zu Gastvorlesungen in München hatte ihn Ministerialdirigent Prof. Dr. Süss bereits in einem Brief vom 1.8.1946 eingeladen; siehe Rabel-Koffer, AMPG , III . Abt., Rep. 116, Nr. 23. 72 Rabel-Koffer, AMPG , III . Abt., Rep. 116, Nr. 252.
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tensiv mit Dölle über den – schließlich nicht verwirklichten – Plan einer neuen mehrsprachigen internationalen Zeitschrift für Rechtsvergleichung, die von der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) getragen werden sollte.73 1949 schrieb Rabel ferner ein Geleitwort zum Wiedererscheinen seiner, inzwischen nach ihm benannten Institutszeitschrift,74 und in einem Brief Rabels an Dölle vom 13. Februar 1949 heißt es: »Das Institut ist ein Stück meines Lebens gewesen, in meinen besten und meinen übelsten Jahren.«75 Erst 1950 kam der 76-Jährige Rabel, der inzwischen die amerikanische Staatsangehörigkeit besaß, dann doch nach Deutschland zurück und übernahm vom 1. Juni 1950 bis zum 31. März 1951 eine Gastprofessur in Tübingen76 sowie eine weitere im Wintersemester 1951/52 an der Freien Universität Berlin. Am 18. Oktober 1950 ernannte ihn der Präsident der 1948 gegründeten Max-PlanckGesellschaft, Otto Hahn, zum Wissenschaftlichen Mitglied des Tübinger MPI. Am 13. März 1951 erhielt er eine Honorarprofessur in Tübingen; die FU Berlin räumte ihm die Stellung eines Emeritus ein.77 Bis zu seinem Tod 1955 arbeitete Rabel in seinem Institut in Tübingen und hielt dort auch Seminare ab.78 Dem Wunsch Rabels entsprechend betreute das Institut die Veröffentlichung des zweiten Bandes von Rabels berühmtem Recht des Warenkaufs, der posthum 1958 erschien, sowie die zweite Auflage der ersten drei Bände von Rabels weiterem opus magnum, dem Conflict of Laws,79 die Drobnig und Herbert Bernstein redigierten und die ebenfalls posthum erschienen. An ihnen hat Rabel bis zu seinem Tod noch mitgearbeitet.80 Im Institutsgebäude erinnern heute der ErnstRabel-Saal, ein Porträtfoto und eine Büste an ihn, die die Bildhauerin Irmgard Zweigert, die Ehefrau Zweigerts, geschaffen hat. Darüber hinaus hatte eine ganze Reihe von Institutsmitarbeitern in der NS -Zeit das Institut verlassen müssen. Zu ihnen gehörten Friedrich Kessler (1901–1998), Max Rheinstein (1899–1977) und Stefan Riesenfeld (1908–1999).81 Die Genann73 Siehe Jürgen Thieme: Ernst Rabel (1874–1955). Schriften aus dem Nachlaß. »Vorträge – Unprinted Lectures«. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 50/1 und 2 (1986), 251–281, 176–177, Fußnote 117. 74 Ernst Rabel: Zum Geleit. Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 15/1 (1949), 1–2. 75 Der Brief befindet sich im Archiv der MPG , AMPG , III . Abt., Rep. 116, Nr. 254. 76 Rabel-Koffer, AMPG , III . Abt., Rep. 116, Nr. 24. 77 Siehe Utermark, Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung, 2005, 221. 78 Siehe Franz Gamillscheg: Ernst Rabel (1870–1955). Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung. In: Fritz Loos (Hg.): Rechtswissenschaft in Göttingen. Göttinger Juristen aus 250 Jahren. Göttingen 1987, 456–470, 470. 79 Die erste Auflage des abschließenden vierten Bandes erschien ebenfalls posthum im Jahr 1958; siehe dazu Thieme, Ernst Rabel, 1986, 251–281, 278, Fußnote 131. (Bd. I [1958], Bd. II [1960], Bd. III [1963]). 80 Siehe Thieme, Ernst Rabel, 1986, 251–281, 278, Fußnoten 130 und 131. 81 Nur Rabel und Rheinstein sind in biographischen Skizzen namentlich aufgeführt bei Reinhard Rürup: Schicksale und Karriere. Gedenkbuch für die von den Nationalsozialisten aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertriebenen Forscherinnen und Forscher. Göttingen 2008.
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ten emigrierten in die USA, fassten dort Fuß und wurden einflussreiche Professoren. Nach dem Krieg, vornehmlich ab den 1960er Jahren, wurden zwischen ihnen und dem Institut erneuerte Verbindungen geknüpft. Riesenfeld kam etwa über viele Jahre regelmäßig an das Institut, unter anderem um seinen Beitrag zur International Encyclopedia of Comparative Law fertig zu stellen. Andere wie Wilhelm Wengler, der gleichzeitig Referent bei Rabel und am völkerrechtlichen Schwesterinstitut bei Bruns gewesen war und nach der Festnahme durch die Gestapo 1944 von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft fristlos entlassen wurde, mussten erheblich um ihren weiteren Weg kämpfen.82 2.8
Personalentwicklung und Genderaspekte
Unter Rabel hatten dem Institut bis zu vierzig wissenschaftliche Mitarbeiter angehört. Während der Dölle-Ära war diese Zahl bedeutend kleiner. Fand sich ferner bei Rabel noch keine einzige Frau unter dem wissenschaftlichen Personal, insbesondere keine einzige Länderreferentin, so gab es bei Dölle mit Susanne Flessner erstmals eine wissenschaftliche Referentin. Unter dem Personal der Bibliothek und im Sekretariatsdienst überwogen dagegen bei weitem die weiblichen Kräfte. Die Leitungsfunktionen hatten aber auch hier Männer inne.83 82 Siehe näher zum Fall Wilhelm Wengler: Michael Schüring: Minervas verstoßene Kinder. Vertriebene Wissenschaftler und die Vergangenheitspolitik der Max-Planck-Gesellschaft. Göttingen 2006, 240–244. Wengler konnte sich 1948 an der Ostberliner Humboldt-Universität habilitieren und wurde 1949 Ordinarius an der Westberliner Freien Universität. 83 Unter Rabel war Rheinstein erster »Bücherwart« des KWI; in der Dölle-Zeit war Peter des Coudres der Direktor der Bibliothek. Des Coudres (1905–1977) hatte in Göttingen und Leipzig Jura studiert, dann darin promoviert und anschließend eine Bibliothekarsausbildung absolviert. In der Leipziger Zeit entstand auch eine lebenslange Freundschaft mit Ernst Jünger. Des Coudres trat 1930 der NSDAP und 1932 der SA bei; 1935 wurde er in die SS aufgenommen. In diesem Jahr wurde er Bibliothekar und dann Leiter der Bibliothek der Wewelsburg. In dieser Burg bei Paderborn sollte auf Wunsch Heinrich Himmlers eine Reichsführerschule der SS entstehen und des Coudres bei Aufbau ihrer Bibliothek tätig sein. 1939 wurde er dann Direktor der Landesbibliothek Kassel. Im Krieg gehörte er der dritten Panzerdivision „Totenkopf “ der Waffen-SS im Range eines Sturmbannführers an und erhielt mehrere Auszeichnungen. Nach dem Krieg war er zunächst in amerikanischer und dann in britischer Gefangenschaft. Sein Entnazifizierungsverfahren endete 1949 mit einer Geldstrafe und einer schließlichen Einstufung, die ihm den Zugang zum öffentlichen Dienst offenhielt. 1950 wurde er Bibliothekar beim Bundesgerichtshof und 1952 – über einen Kontakt zu Konrad Zweigert – Bibliothekar und ab 1953 Direktor der Bibliothek des Max-Planck-Instituts, dem er bis zur Pensionierung 1972 diente und dessen Bibliothek er professionalisierte und modernen Bedürfnissen anpasste. Er profilierte sich zudem als weithin geschätzter Fachmann für alle Fragen der Bearbeitung und Erstellung juristischer Bibliographien und publizierte selbst viel beachtete Bibliographien, auch jenseits der Arbeitsfelder des Instituts (zB von Ernst Jünger und Joachim Ringelnatz). Ferner war er Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen, die deutschsprachige Sektion der International Association of Law Libraries (s. Martin Otto, Hans-Peter des Coudres (1905–1977). Eine
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Einordnung der Ära Dölle in die Zeitgeschichte
Die Zeit Dölles als Institutsdirektor umfasst ungefähr den Zeitraum, in dem Deutschland unter der Kanzlerschaft Adenauers versuchte, wieder einen respektierten Platz in der Welt einzunehmen und die Gräuel der Nazizeit vergessen zu machen. Viele – und auch Dölle – schwiegen die NS -Zeit und ihr eigenes Verstricktsein tot, setzten aber andererseits – so auch Dölle – ihre ganze Kraft für eine Erneuerung unter gleichzeitiger Anknüpfung an gute vor-nationalsozialistische Traditionen ein. Dölle gelang es, dem Institut jedenfalls im nationalen Rahmen wieder zu seiner Vorrangstellung vor konkurrierenden Universitätsinstituten zu verhelfen. Dass diese Zeit insgesamt vor allem einer gewissen Restauration diente, verwundert wenig aus heutiger Sicht. Erst in den 1960er Jahren brach sich die unterdrückte Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Bahn und leitete eine Phase erheblicher gesellschaftlicher Veränderung ein. Die Adenauerzeit, die mit Dölles Ära korrespondiert, war ferner die Zeit der politischen Westorientierung. Für die Referenten des Instituts wurde es üblich, einen Masterstudiengang oder Forschungsaufenthalt – vornehmlich in den USA – als Qualifikation mitzubringen oder nachzuholen. Auf der anderen Seite gab das Institut die Sammlung »Die deutsche Rechtsprechung zum interlokalen Recht« heraus, die Ulrich Drobnig betreute. Sie enthielt alle Entscheidungen, die sich mit Rechtskollisionen zwischen bundesdeutschem und DDR-Recht befassten. Der Blick richtete sich also auch nach Osten, allerdings kaum über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus.
3.
Ausbau und Internationalisierung (1963–1979)
3.1
Ausbau und Internationalisierung
In der Zeit zwischen 1960 und 1980, die grob mit der Direktorenzeit Zweigerts korrespondiert, dehnte sich das Institut personell und räumlich aus. Die Mitarbeiterzahl wuchs beachtlich. Eine rechtssoziologische Forschungsgruppe wurde dem Institut angegliedert, um durch Interdisziplinarität die Enge der rein juristischen Betrachtung zu überwinden und eine stärkere Verbindung zur rechtlichen Realität des Alltags herzustellen. Die rechtssoziologische Forschung sollte zu dem Erkenntnisgewinn beitragen, den die Rechtsvergleichung vermittelt. Räumlich erhielt das Institut einen neuen fünfstöckigen Anbau, der den gesteigerten Raumbedarf – fürs Erste – deckte.
juristisch-bibliographische Karriere, Journal der Juristischen Zeitgeschichte 2007, 149 ff.; Konrad Zweigert, Hans-Peter des Coudres im Ruhestand, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 36/4 (1972) 729 f.).
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Aber insbesondere verstärkte das Institut seine internationalen Verbindungen. Es zog jetzt gezielt Forscher aus der ganzen Welt an und öffnete namentlich vielen jungen Juristen aus den osteuropäischen Staaten, den damaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion, seine Pforten. Für viele von ihnen wurde das Institut eine immer wieder besuchte zweite Heimstatt.84 Stellvertretend sei zitiert, was Ferenc Mádl, der ungarische Staatspräsident, 2001 zum 75-jährigen Bestehen des Instituts über seinen Aufenthalt in den 1960er Jahren im Institut schrieb: In diesem Institut sind für mich als jungen Juristen meine Träume von ethischen und juristischen Werten mit Leben erfüllt worden. Der Gedankenreichtum, die Bibliothek, die vielen Gespräche mit ähnlich jungen Kollegen aus aller Welt (einige kurz nach Abschluss ihres Jurastudiums), die Teilnahme an Konferenzen mit weltbekannten Professoren, all diese Erlebnisse haben meine Vorstellungen immer mehr mit glaubwürdigen Gestalten belebt. Gestalten, die auch mich ins Leben einführten und mir eine Orientierung verschafften.85
Was Mádl hier im Rückblick beschrieb, kennzeichnet treffend das Klima am Institut in der Zweigert-Zeit, was Gäste auch so beschrieben: »[T]hey came to regard the Institute as the Paradise from which one is never expelled for eating from the Tree of Knowledge.«86 Kennzeichnend war auch das Großprojekt dieser Ära, die International Enyclopedia of Comparative Law, ein weltumspannendes Mammutprojekt der Rechtsvergleichung, an dem 450 Juristinnen und Juristen aus aller Welt mitwirkten und auch auf diese Weise ein internationales Netzwerk enger und vielfach freundschaftlicher Verbindungen schufen. Mittelpunkt dieses Netzes war das Institut. 3.2
Konrad Zweigert
Das Forschungsklima des Instituts und seine verstärkte internationale Ausrichtung wurden entscheidend von Konrad Zweigert87 geprägt. Zweigerts beeindruckende Persönlichkeit – »ein Mensch von ungewöhnlicher persönlicher Ausstrahlung«88 – speiste sich aus seiner Herkunft aus einer großbürgerlichen Berliner Juristenfamilie sowie einem ungewöhnlichen Werdegang. Im Institut 84 Zu ihnen gehören etwa aus Ungarn Attila Harmathy, Ferenc Mádl und Lajos Vékás, aus Tschechien Lubos Tichy, aus Polen Jerzy Podzobut, aus Georgien Lado Chanturia, aus der Sowjetunion Juri Yumashev und viele mehr. Sie alle sind noch heute dem Institut eng verbunden; siehe etwa den Bericht von Vékás, Ein Verfechter, 2015, 128–141. 85 Ferenc Mádl: Geleitwort. In: Jürgen Basedow et al. (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, VII–XVIII, VII . 86 Jürgen Basedow et al.: Foreword. In: Katharina Boele-Woelki et al. (Hg.): Convergence and Divergence in Private International Law. Liber Amicorum Kurt Siehr. Zürich 2010, XIX . 87 Konrad Zweigert (1911–1996). 88 So Hein Kötz: Konrad Zweigert. 22.1.1911–12.2.1996. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 60/3 (1996), 413–416. Siehe auch Drobnig, Konrad Zweigert, 2007, 89–103, 89, »eine faszinierende Persönlichkeit«.
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wurde er 1937 junger Referent noch bei Rabel und sorgte, wie erwähnt, 1944 mit Rupp für die Verlagerung des Instituts nach Tübingen. Wie Rupp arbeitete er kurzzeitig unter Carlo Schmid in der Kulturverwaltung des damaligen Landes Württemberg-Hohenzollern in dessen Hauptstadt Tübingen. An der Universität Tübingen wurde er 1946 habilitiert und 1948 als Ordinarius berufen. 1951 bis 1956 war er Richter am Bundesverfassungsgericht. Mit Stolz sagte er, dass er zur »Erstausstattung« des Gerichts, also zu den ersten Richtern dieses bedeutendsten deutschen Gerichts gehört hatte. Als das Institut, dessen Wissenschaftliches Mitglied er seit 1952 war, 1956 nach Hamburg umzog und er einen Ruf an die Universität Hamburg erhielt, ging auch er nach Hamburg, da zudem seine Amtszeit als Bundesverfassungsrichter endete.89 Auf eine wohl mögliche Wiederwahl verzichtete er.90 Von 1963 bis 1979 war er Institutsdirektor und von 1967 bis 1978 zugleich Vizepräsident der MPG. Was an Zweigert fesselte, war die Atmosphäre von Wärme, Interesse, ja Neugier und freundlichem Entgegenkommen, die er seinem Gegenüber vermittelte, dazu sein kesser Mutterwitz91 und seine Offenheit für neue, ungewöhnliche Ideen. All das strahlte auf die Arbeitsatmosphäre im Institut aus, das er gern als eine Gelehrtenrepublik bezeichnete. Es sollte, idealer- und idealisierterweise, die Qualität der Gedanken und Leistungen und nicht die äußere Hierarchie über Rang und Bedeutung des Einzelnen entscheiden. Zweigert führte deshalb nicht mit straffem Zügel, sondern ließ Freiheit, die – das ist die Kehrseite – gelegentlich auch missbraucht wurde. Zweigerts Vorstellung wie dem Zug der Zeit entsprach zudem eine Beteiligung der Mitarbeiter an der wissenschaftlichen und internen Führung des Instituts.92 Zweigert hatte sich in der MPG für diese Form der Mitbestimmung eingesetzt. Sie ging und geht über die rein betriebliche Mitbestimmung eines Betriebsrats (den es daneben gab und gibt) deutlich hinaus. Zweigert nutzte sie als Anregungsquelle und nahm die Vorschläge seines Institutsrats durchaus ernst. Auch wenn die mitbestimmende Funktion des Institutsrats nicht überschätzt 89 Siehe Kötz, Konrad Zweigert, 1996, 413–416. 90 Siehe § 4 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) in der Fassung vom 12.3.1951, Bundesgesetzblatt (BGBl) 1951 I 243. Das Gesetz bestimmte, dass vier der damals zwölf Mitglieder jedes der beiden Senate Richter an oberen Bundesgerichten sein mussten und für die Dauer ihrer Amtszeit an diesen Gerichten gewählt waren. Die übrigen Richter wurden auf acht Jahre gewählt, die Hälfte von ihnen aber bei der ersten Besetzung nur für vier Jahre. Zu letzteren gehörte Zweigert. Eine Wiederwahl war, anders als heute, jedoch ausdrücklich zugelassen. 91 Als ich ihm – als sein letzter Habilitand – den Titel meiner Habilitationsschrift »Schaden und Ersatz« vorstellte, meinte er schmunzelnd: »Nennen Sie das Buch doch einfach ›Schade‹«, um aber gleich darauf den vorgeschlagenen Titel doch gutzuheißen. 92 Meine erste Aufgabe als 1973 frisch eingestellter Referent war es, die Neufassung der Institutssatzung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Diese Neufassung führte erstmals die Einrichtung eines Institutsrats aus gewählten Mitarbeitern und dessen Mitbeteiligung an der wissenschaftlichen Leitung des Instituts ein. Den Vorsitz im Institutsrat hatte der Direktor. Die Regelung, die auch für andere Institute der MPG gewisse Vorbildwirkung hatte, war nach meiner Einschätzung rechtmäßig und hatte in der Folge Bestand.
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werden sollte, war und ist er doch mehr als ein rein formales Instrument zur Information der (wissenschaftlichen) Mitarbeiterschaft. Aus heutiger Sicht kaum denkbar, öffnete Zweigert auch Haus und Familie nicht nur zahlreichen Gästen, sondern unbefangen ebenso für Einladungen an alle Institutsreferenten, gewöhnlich mit ihren Partnern.93 Sein großes Anwesen in Holm bei Wedel vor den Toren Hamburgs war im Herbst traditioneller Treffpunkt eines Truthahnessens; die über zweihundert Teilnehmer des Kongresses der deutsch-französischen Juristenvereinigung von 1975 empfing er ebenfalls dort.94 Nicht selten spielte Zweigert zum Ausklang solcher Treffen auf der Orgel, die er sich hatte einbauen lassen. 3.3
Stellung des Instituts
Hatte Dölle die Stellung des Instituts als führenden Forschungsort für Rechtsvergleichung und Internationales Privatrecht nach dem Krieg in Deutschland wiederbegründet, so baute Zweigert diese Stellung weiter aus, insbesondere durch die schon geschilderte Internationalisierung der Verbindungen des Instituts. Er hat nach den Worten Kegels »das Institut in die Welt gestellt.«95 Während es in der Dölle-Ära vor allem um die Wiederherstellung des früheren Rufes und auch eine gewisse konservative Wahrung des als bewährt Erachteten ging, konnte die Zweigert-Ära darauf aufbauen und sich neuen Strömungen öffnen und tat dies auch mit Nachdruck. Die erwähnte Öffnung zur Rechtssoziologie blieb allerdings Episode. Die Nachfolger Zweigerts beendeten diesen Ausflug in eine Nachbarwissenschaft, setzten stattdessen die Öffnung zur Ökonomie durch. Von Dauer blieb dagegen die Hinwendung zum internationalen Zivilverfahrensrecht sowie die verstärkte Einbindung des Instituts in die Beratung des Gesetzgebers, der das Institut häufig um rechtsvergleichende Gutachten zu Gesetzesvorhaben bat.96 3.4
Wissenschaftliche Ausrichtung
In die zwei Dekaden von 1960 bis 1980 fielen nicht nur die Unruhen der 68erBewegung, sondern auch insgesamt ein gesellschaftlicher, politischer Aufbruch, der auf mehr Liberalität gesellschaftlicher Normen und auf eine sozialere Gestaltung der Lebensverhältnisse zielte. In der Rechtswissenschaft war das die 93 Siehe auch Axel Flessner: Konrad Zweigert. Neue Juristische Wochenschrift 49/29 (1996), 1875. 94 Siehe dazu Ulrich Magnus: 14. Deutsch-Französisches Juristentreffen. Hamburg, 2 4.–27. September 1975. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 40/2 (1976), 304–307. 95 Gerhard Kegel: 50 Jahre Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. In: Ulrich Klug et al. (Hg.): Gesetzgebungstheorie, juristische Logik, Zivil- und Prozeßrecht. Gedächtnisschrift für Jürgen Rödig. Berlin 1978, 302–312, 307. 96 Siehe die Angaben in Abschnitt 1.3.
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Zeit, in der die meisten Bundesländer neue juristische Fakultäten experimentweise als sogenannte Einstufenmodelle einrichteten. Hier sollte die universitäre Rechtsausbildung wesentlich stärker als herkömmlich mit der Praxis verzahnt werden. Zudem war Interdisziplinarität das Stichwort, um Juristen auch Zugang zu anderen, den Nachbar-Wissenschaften und Einsichten in Lebensbereiche zu vermitteln, über die Juristen zwar regelmäßig urteilen, häufig aber ohne ihre Eigenheiten näher zu kennen oder zu durchschauen. Im Institut fand diese bundesrepublikanische Entwicklung in der Einrichtung der schon erwähnten sozialwissenschaftlichen Forschungsgruppe im Jahr 1975 ihren Widerhall. Die Gruppe stand unter der Leitung von Volkmar Gessner (1937–2014),97 entwickelte aber ein gewisses Eigenleben, das mit den Vorhaben des Instituts nicht sonderlich korrespondierte und 1982 zur Verlagerung der Gruppe an die Universität Bremen an das dort gerade gegründete Zentrum für Europäische Rechtspolitik führte. In der Wissenschaftspolitik des Instituts, von Zweigert auch persönlich unterstützt und bejaht, fand die Hinwendung der Zeit zur sozialgestaltenden Funktion des Rechts ihren Niederschlag. Ein großes Kolloquium zum Schutz des Schwächeren im Recht versammelte 1976 zum fünfzigjährigen Bestehen des Instituts alles, was in diesem Feld national und international Rang und Namen hatte.98 Auf dem Kolloquium wurde gefragt, ob und welche Schutzmechanismen im Umweltrecht, im Verbraucherschutzrecht und bei der Frage nach dem Zugang zum Recht notwendig seien. Zweigerts weises und zeitlos gültiges Schlussfazit lautete: Die uns damit aufgegebene Interessenabwägung, etwa zwischen Umweltschutz und Wirtschaft, wird versuchen müssen, Überspitzungen zu vermeiden, dennoch dem Umweltschutz aber dort Priorität zu geben, wo diese Priorität irgend vertretbar ist und nicht in anderen Lebensbereichen schlechthin unerträgliche Effekte erzielt.99
Behandelte das Kolloquium – auch rechtsvergleichend – den Schutz des Schwächeren im materiellen Recht, so forderte Zweigert in seinem berühmten Aufsatz von 1973 »Zur Armut des Internationalen Privatrechts an sozialen Werten«100 auch für das scheinbar so technische Rechtsanwendungsrecht des IPR eine stärkere Berücksichtigung materieller Wertungen. Der Aufsatz hatte programma97 Gessner war seit 1970 Referent am Institut. Er habilitierte sich 1976 in Bielefeld bei Luhmann für Soziologie, insbesondere Rechtssoziologie und leitete die Forschungsgruppe im Institut von 1975 bis 1982. 1982 wurde er mit der Forschungsgruppe nach Bremen berufen und erhielt dort eine ordentliche Professur. 98 Siehe die Beiträge im Doppelheft von Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 40/3 und 4 (1976), 363–804. 99 Konrad Zweigert: Schlussbemerkungen zum Kolloquium über den Schutz des Schwächeren im Recht. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 40/3 und 4 (1976), 789–798, 791. 100 Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 37/2 und 3 (1973), 435–452.
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tischen Charakter. Das Europäische Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ) von 1980, an dessen Entstehung das Institut maßgeblich mitgewirkt hatte,101 enthielt dann erstmals Kollisionsnormen, die für strukturell schwächere Vertragsparteien (Verbraucher und Arbeitnehmer) besondere Schutzregeln vorsahen. Früh hat das Institut die Europäisierung des Rechts aufgenommen und keineswegs nur im IPR begleitet. Zweigert hat auch hier mit Grundsatzstellungnahmen die Richtung vorgegeben.102 Schon erwähnt wurde das Großprojekt dieser Jahre, die International Encyclopedia of Comparative Law (IECL).103 Im Kern versucht sie, das gesamte Privatrecht dieser Welt vergleichend darzustellen und zu analysieren, um die dem jeweiligen Problem oder Problemkomplex angemessenste, ›beste‹ Lösung herauszudestillieren.104 Sie begnügt sich damit nicht mit der bloßen Darstellung der unterschiedlichen Rechtsordnungen, sondern verarbeitet sie vergleichend. Beteiligt an ihr sind und waren hunderte der besten Rechtsvergleicher aus allen Ländern. Angelegt ist sie auf 17 großformatige, umfangreiche Bände, von denen der größere Teil inzwischen erschienen ist.105 Im Institut hatte vor allem Ulrich Drobnig die mühevolle Arbeit der Realisierung zu tragen. Das Monumentalwerk 101 1974 fand im Institut ein Expertentreffen über das Kollisionsrecht für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse statt, an dem von Seiten des Instituts Ulrich Drobnig, Bernd von Hoffmann und Kurt Siehr mitwirkten und Berichte zu großen Passagen des geplanten Vorhabens erstatteten; siehe Ole Lando, Bernd von Hoffmann und Kurt Siehr (Hg.): European Private International Law of Obligations. Acts and Documents of an International Colloquium on the European Preliminary Draft Convention on the Law Applicable to Contractual and Non-Contractual Obligations, Held in Copenhagen on April 29 and 30, 1974. Tübingen 1975. 102 Siehe etwa Konrad Zweigert: Grundsatzfragen der europäischen Rechtsangleichung, ihrer Schöpfung und Sicherung. In: Hans Dölle und Ernst von Caemmerer (Hg.): Vom deutschen zum europäischen Recht. Festschrift für Hans Dölle. Internationales Recht, Kollisionsrecht und internationales Zivilprozessrecht, europäisches Recht. Bd. 2. Tübingen 1963, 401–418, 401; Konrad Zweigert: Einige Auswirkungen des Gemeinsamen Marktes auf das internationale Privatrecht der Mitgliedstaaten. In: Ernst von Caemmerer, Hans-Jürgen Schlochauer und Ernst Steindorff (Hg.): Probleme des europäischen Rechts. Festschrift für Walter Hallstein zu seinem 65. Geburtstag. Frankfurt am Main 1966, 555–569, 555. 103 Siehe auch die Würdigung der Encyclopedia bei Jürgen Basedow: Der Standort des MaxPlanck-Instituts – Zwischen Praxis, Rechtspolitik und Privatrechtswissenschaft. In: Jürgen Basedow et al. (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, 3–16, 3–5. 104 Zu den Methodenfragen der Encylopedia siehe Ulrich Drobnig: Methodenfragen der Rechtsvergleichung im Lichte der »International Encyclopedia of Comparative Law«. In: Ernst von Caemmerer, Soia Mentschikoff und Konrad Zweigert (Hg.): Ius privatum gentium. Festschrift für Max Rheinstein zum 70. Geburtstag am 5. Juli 1969. Tübingen 1969, 221–233. 105 Siehe die Übersicht des herausgebenden Verlags Mohr Siebeck auf dessen Website International Encyclopedia of Comparative Law (IECL). https://www.mohrsiebeck.com/ mehrbaendiges-werk/international-encyclopedia-of-comparative-law-iecl-154300000. Zuletzt aufgerufen am 16.9.2022.
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ist jedoch auch Jahrzehnte nach seinem von Zweigert initiierten Beginn nicht abgeschlossen, und die erschienenen Bände sind zum Teil durch neue Entwicklungen überholt. Ein ständiges à jour-Bringen würde enorme Ressourcen binden und ist deshalb nicht zu leisten. Ob das Werk im geplanten Umfang einmal abgeschlossen werden kann, steht dahin. Ein weiteres Großprojekt, ganz getragen von Institutsmitarbeitern, war das Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts. Es wurde Anfang der 1970er Jahre geplant106 und war auf vier Bände veranschlagt, die in etwas geänderter Ordnung in den Jahren 1982–1994 erschienen und mit Anerkennung aufgenommen wurden.107 Das Projekt trug der gewachsenen Bedeutung des Verfahrensrechts Rechnung und war auf seinem Gebiet und zu seiner Zeit eine bahnbrechende Leistung, die jedoch in der ›Regierungszeit‹ Zweigerts auch nicht fertiggestellt werden konnte, sondern darüber hinausreichte. Ein uneingeschränkter alsbaldiger Welterfolg wurde dagegen die Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, die Zweigert und sein Schüler Hein Kötz zunächst in zwei Bänden 1969 und 1971 vorgelegt und zu der auch eine ganze Reihe von Institutsmitarbeitern vorbereitende oder ergänzende Beiträge geleistet hatten.108 Wenige Jahre später erschien das glänzend geschriebene Werk in der ebenso glänzenden englischen Übersetzung von Tony Weir,109 die – wie die Übersetzung in wichtige andere Sprachen110 – zu seiner weiteren Verbreitung beitrug und es zum international führenden Lehrbuch der Rechtsvergleichung machte. Es ist »praktisch jedem Rechtsvergleicher der Welt bekannt.«111 Eine zweite und dritte Auflage, diese in einem Band, folgten bis 1996. Dass das Werk in einem Band erscheinen konnte, hat Kötz im Vorwort der dritten Auflage damit erklärt, dass »der ›sozialistische Rechtskreis‹ vom Erdboden fast verschwunden ist und damit auf einen Schlag 60 Druckseiten eingespart werden konnten«. Ferner hatte sich schon die Vorauflage (1984) von der Figur des für einen Rechtskreis stilprägenden Merkmals getrennt, das die erste Auflage mit der Rechtsstellung unehelicher Kinder für den romanischen Rechtskreis, mit der Lehre vom abstrakten dinglichen Vertrag für den deutschen Rechtskreis und dem trust für das Common Law noch so anschaulich geschildert hatte.112 In beiden Fällen entsprach die einfache Streichung ganz Zweigerts und 106 Siehe Ulrich Drobnig: Vorwort. In: Ulrich Drobnig (Hg.): Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts. Bd. 1. Tübingen 1982, V–XXVIII, VII . 107 Siehe Band II /1 (1994); Band III /1 (1984); Band III /2 (1984). 108 Siehe das Vorwort zu Band 2 (1972), S. VI . Konrad Zweigert und Hein Kötz: Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts. 3. Aufl. Tübingen 1996. 109 Konrad Zweigert und Hein Kötz: An Introduction to Comparative Law. 3. Aufl. Oxford 1998. 110 Ins Italienische und Russische; ferner Band 1 ins Albanische, Chinesische und Japanische, Band 2 ins Koreanische. 111 Uwe Kischel: Rechtsvergleichung. München 2015, 93. 112 Bedauernd deshalb die Besprechung von Stig Strömholm: Rezension zu Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts. Bd. I: Grundlagen. Bd. II: Insti-
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Kötz’ kompromisslosem Aufgeben überholter oder nicht haltbarer Positionen.113 Der Wert des Werks liegt darin, dass es Rechtsvergleichung als juristisches Fach fassbar und im Hochschulunterricht lehrbar macht und einen Methodenkanon für ihre Verwendung entwickelt. Methodisches Kernstück ist die sogenannte funktionale Rechtsvergleichung, die für wichtige Bereiche des Privatrechts (Vertrags-, Bereicherungs- und Deliktsrecht) auch exemplarisch vorgeführt wird. Sie folgt eng Rabels Spuren und systematisiert diese. Rechtsvergleichung hat von einem sozialen Problem auszugehen und dann dessen Lösungen in den untersuchten Ländern zu vergleichen sowie im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und ihren Gerechtigkeitsgehalt zu untersuchen. Ausgangspunkt ist dabei nicht die bestimmte nationale dogmatische Einordnung einer Rechtsfrage, weil dadurch leicht der Blick auf vergleichbare Lösungen nur in anderem dogmatischen Gewand verstellt wird. Die meisten rechtsvergleichenden Arbeiten folgen im praktischen Ergebnis mehr oder minder getreu dieser Methode. Um ein Beispiel zu geben: Ein Vergleich des Schadensersatzrechts Deutschlands und der USA muss für die USA mitberücksichtigen, dass häufig die Jury mit Laienrichtern über die Höhe des Schadensersatzes entscheidet, dass oft ein erheblicher Teil des Schadensersatzes als Erfolgshonorar beim eingeschalteten Anwalt verbleibt, dass es die Möglichkeit von Massenklagen (class actions) und von Strafschadensersatz (punitive damages) gibt etc. Will man korrekt vergleichen, wann und was ein Geschädigter als Schadensersatz in Deutschland und den USA erhält, sind diese unterschiedlichen Bedingungen also in Rechnung zu stellen. Trotz ihrer praktischen Verbreitung ist die funktionale Rechtsvergleichung aber vor allem in jüngerer Zeit unter erheblichen theoretischen Beschuss geraten.114 Ein Konsens über eine abweichende bessere Methode hat sich jedoch bislang nicht gebildet. Zweigerts wissenschaftlicher Schwerpunkt, der auch den Arbeiten vieler Institutsmitarbeiter den Stempel aufdrückte, war vornehmlich die Rechtsvergleichung. Der Bereich des IPR lag stärker in den Händen von Mitarbeitern. Zum einen war dies Paul Heinrich Neuhaus, der Wissenschaftliches Mitglied des Instituts war; zum anderen vor allem Jan Kropholler und Kurt Siehr. In der Zeit Zweigerts hatte sich das europäische Kollisionsrecht insbesondere mit neuen Strömungen aus den USA auseinanderzusetzen. Im Gegensatz zu den recht starren europäischen Kollisionsnormen propagierten starke Stimmen in den USA eine Methode, nach der in jedem Einzelfall der Schwerpunkt der Berührungspunkte zu mehreren Rechtsordnungen (»the center of contacts«) über das anwendbare Recht entscheiden sollte. Dabei sollten auch, zum Teil vor allem tutionen, von Konrad Zweigert und Hein Kötz. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 50/1 und 2 (1986), 413–414, insbesondere 414, »eine Lösung gewählt, welche Leser und Bewunderer der Charakterisierungskunst der Verfasser bedauern müssen«. 113 Zweigert selbst konnte an der dritten Auflage aus Krankheitsgründen nicht mehr mitarbeiten. 114 Ausführlich dargestellt bei Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, 95–97.
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staatliche Interessen an der Anwendung des eigenen Rechts beachtet werden (»governmental interest analysis«). 3.5 Gutachtentätigkeit
In der Zeit Zweigerts entstanden mehrere Großgutachten zu rechtspolitisch brisanten Fragen, wie etwa sein mit Kötz verfasstes Gutachten über die Haftung für gefährliche Anlagen in den EWG -Ländern sowie in England und den Vereinigten Staaten von Amerika von 1966,115 das Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Währungsabsicherungsgesetzes von 1970,116 das Gutachten über die Mitbestimmung und Grundlagen der Wirtschaftsverfassung von 1978117 oder ein Gutachten zur Beschränkung für Folgeschäden in den allgemeinen Lieferbedingungen für den Export von Maschinen und Anlagen von 1970/72.118 Auch Zweigerts rechtsvergleichend untermauerte Gutachten für den Deutschen Juristentag zur Reform des Unehelichenrechts (1964)119 und zur Zulassung von dissenting opinions (1968)120 gehören in gewissem Sinn hierher. Die gewöhnlich mit Mitarbeitern erarbeiteten Gutachten spiegeln ebenfalls die (rechts-)politisch wache und engagierte Haltung im Institut wider. Zweigert hatte auch mitinitiiert, dass die Gerichtsgutachten, die das Institut, aber ebenso rechtsvergleichende Universitätsinstitute, insbesondere in Heidelberg, Köln und München, erstatteten, im Namen des Deutschen Rates für IPR veröffentlicht wurden.121 Mit der Veröffentlichung war eine begrenzte Entlastung für diese Institute verbunden, die das wachsende Gutachtengeschäft als zunehmende Last empfanden, die im Hamburger Institut die Länderreferenten zu tragen hatten. 3.6
Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Im gleichen Maße wie in den Jahren zuvor nahm das Institut unter Zweigerts Leitung die Aufgabe wahr, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Zweigerts Maxime war es, gute Leute entweder selbst aus Lehrveranstaltungen etc. zu akquirieren (so etwa Peter Behrens, Eike von Hippel, Hein Kötz, Jürgen Samtleben, Kurt Siehr) oder sie von den einschlägigen Universitätslehrstühlen oder -instituten mit deren Einverständnis an das Hamburger Institut zu ziehen. Darunter waren etwa Bernd von Hoffmann (aus Regensburg von Karl Firsching), Herbert Kronke, Jan Kropholler, Dieter Martiny (alle aus München von Murad 115 Signatur in der Institutsbibliothek: Rvgl. 15998. 116 Signatur in der Institutsbibliothek: Deutschl. 180900/2995. 117 Signatur in der Institutsbibliothek: Deutschl. 128200/1695. 118 Signatur in der Institutsbibliothek: Rvgl. 13698/50. 119 Siehe Verhandlungen des 44. Deutschen Juristentages Bd. 2 (1964) C, S. 7 ff. 120 Siehe Verhandlungen des 47. Deutschen Juristentages Bd. 1 (1968) D. 121 Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht. Beginn mit dem Band 1965/66.
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Ferid bzw. Erik Jayme) und ich selbst (aus Heidelberg von Eduard Wahl). Alle besetzten später Lehrstühle an Universitäten oder – im Fall Krophollers – eine herausgehobene Position am Institut. Bei Zweigert habilitiert haben Axel Flessner, Eike von Hippel, Hein Kötz und ich. Zweigerts liberaler Führungsstil führte allerdings auch dazu, dass sich am Ende seiner Amtszeit einige Mitarbeiter trotz langer Institutszugehörigkeit nicht förmlich weiter qualifiziert hatten und keine Aussicht auf eine akademische Karriere besaßen. Für Zweigerts Nachfolger bedeutete das ein Problem. 3.7
Einordnung der Ära Zweigerts in die Zeitgeschichte
Politisch waren die 1960er und 1970er Jahre von erheblichen Umbrüchen gekennzeichnet: einer Abkehr von der konservativen Adenauerzeit hin zur sozialliberalen Koalition, der Studentenrevolte der 1968er, den Ostverträgen unter dem Motto »Wandel durch Annäherung«, inneren Zerreißproben wie dem Kampf gegen die »Rote Armee Fraktion« (RAF) und um die Stationierung von Atom waffen in Deutschland. Im Institut zeitigten diese Ereignisse und Strömungen vor allem eine Hinwendung zu einer sozialeren und stärker gesellschaftsgestaltenden Rolle des Rechts. Arbeiten zum Verbraucherschutz und zum Umweltschutz, zum Zugang zum Recht, sowie die Rechtstatsachenforschung der rechtssoziologischen Forschungsgruppe trugen diesem Anliegen Rechnung. Gesellschaftlich relevante Fragestellungen aufzunehmen und durch Vergleich Lösungen für sie zu entwickeln, kennzeichnet seither viele am Institut verfasste Arbeiten.
4.
Die Zeit der Triumvirate (seit 1979)
Gegen Ende der Zweigert-Ära änderte die MPG an den meisten ihrer Institute ihre Besetzungspolitik für die Institutsleitung, so auch in Hamburg. Das seit 1911 geltende Strukturprinzip des direktorzentrierten Instituts (»Harnack-Prinzip«) ging über in das Prinzip der kollegialen Leitung. So wurden im Jahr 1979 nach Zweigerts Emeritierung in Hamburg gleichzeitig Ulrich Drobnig, Hein Kötz und Ernst-Joachim Mestmäcker als neue Direktoren berufen. Als Nachfolger Mestmäckers wurde Klaus Hopt berufen; für Drobnig 1997 Jürgen Basedow, dem 2019 Ralf Michaels nachfolgte, und für Kötz im Jahr 2002 Reinhard Zimmermann. Damit besteht ein sich kontinuierlich erneuerndes Dreierdirektorium. Innerhalb des Direktoriums wechselte die Geschäftsführung zunächst jährlich, jetzt im Zweijahresrhythmus. Anders als in anderen MPIs mit kollegialer Leitung hat diese Triumviratslösung in Hamburg nicht zu einer förmlichen Spaltung des Instituts in Abteilungen geführt. Zwar unterscheiden sich die Forschungsschwerpunkte der drei Direktoren und jedem von ihnen ist eine Anzahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zugeordnet. Aber zum einen haben die bisherigen Direktoren nicht auf gegenseitige Abgrenzung, sondern auf die Einheit des Instituts geach© 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
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tet. Hierzu hat sicher auch die rotierende Geschäftsführung beigetragen. Zum andern sind es allgemeine Institutsaufgaben wie die Gutachtenerstellung, die Herausgabe der Institutszeitschrift, der Gutachtensammlung und der Rechtsprechungssammlung zum IPR , die Verwaltung von Länderreferaten sowie die gemeinsamen Institutsveranstaltungen mit Vorträgen, Konferenzen oder gelegentlichen Festen, an denen Mitarbeiter aller Direktoren beteiligt sind bzw. teilnehmen, die sich daher ganz selbstverständlich als Angehörige des Instituts, nicht einer bestimmten Abteilung empfinden. Vor allem aber stellen sich Fragen der Rechtsvergleichung und des Kollisionsrechts übergeordnet in jedem der Sachbereiche, die der einzelne Direktor primär verfolgt. Eine weitere Folge der Triumviratslösung ist es, dass nicht mehr die Persönlichkeit eines Direktors dem Institut und seiner Forschungsausrichtung ihren Stempel so stark aufdrücken kann, wie das in den Vorgängerzeiten der Fall war. Die Abstimmung im Direktorenkollegium moderiert diesen Einfluss. Zugleich reduziert sie etwas den Einfluss des Institutsrats, da einmal im Kollegium getroffene Entscheidungen erhebliche Beharrungskraft zu haben pflegen. 4.1
Weiterer Ausbau: Europäisierung und Globalisierung
In die Amtszeit von Drobnig, Kötz, Mestmäcker und Hopt fielen als einschneidende politische Änderungen zum einen das weitere Wachsen der EU122 und zum andern der Umbruch, der dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten und zumal der Sowjetunion folgte. Im wachsenden Europa war – und ist – das Ringen um die Wirtschaftsverfassung und das Wettbewerbsrecht von zentraler Bedeutung. Ähnlich bedeutsam für die Gesellschaft war und ist die technische Revolution im Telekommunikationsbereich, die in alle Lebensbereiche ausstrahlt. Jeweils sind ordnende Reaktionen des Rechts gefordert. Das Institut erweiterte seine traditionellen Arbeitsgebiete um diese Felder, denen die Berufung Mestmäckers Rechnung trug; zugleich wurde auch der Mitarbeiterstab vergrößert. Eine knappe Notiz in RabelsZ gibt 1979 darüber Auskunft, dass mit dem Eintritt Mestmäckers in die Institutsleitung die Aufmerksamkeit verstärkt auf das ausländische, europäische und internationale Wirtschaftsrecht gerichtet werde.123 Mit dem Eintritt Hopts (1995) verschob sich der Blick verstärkt auf das vergleichende Gesellschaftsrecht, Prinzipien der Corporate Governance und Kapitalmarktrecht. Der Umbruch von 1989 und die deutsche Wiedervereinigung stellten besondere Herausforderungen dar. Die Rechtsordnungen ganzer Staaten waren zu reformieren, im Fall der DDR schlicht durch die weitgehende Übernahme des bundesdeutschen Rechts, wenngleich mit besonderen interlokalen und intertemporalen Übergangsfragen. Im Institut befasste sich insbesondere Drobnig 122 Die Süd- und Norderweiterung: 1981 Griechenland, 1986 Portugal und Spanien; 1995 Finnland, Österreich und Schweden. 123 Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 43 (1979), 1.
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auf breiter Ebene mit den neuen Fragestellungen124 und beriet mittel- und osteuropäische Länder bei der Transformation ihrer Rechtsordnungen.125 Was in Zweigerts Beiträgen zum europäischen Gemeinschaftsrecht zum Teil noch visionär klang, war für die Generationen seiner Nachfolger schon weit gehende Realität und verlangte eine ständig intensivierte Befassung mit den europäischen Entwicklungen, auf die sich das Institut in seinen Forschungsfeldern auch nachhaltig einließ. Mit der Europäisierung des Privatrechts, die verstärkt Mitte der 1980er Jahre begann, und der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen ging auch eine – vielleicht entwicklungsnotwendige – Hinwendung des Rechts zur Ökonomie einher, die das Institut mitvollzog.126 4.2
Die Direktoren
4.2.1 Ulrich Drobnig (1979–1997)
Drobnig127 war am längsten mit dem Institut verbunden, mit dem er bereits über sein Studium in Tübingen in Kontakt kam, das er dort 1948 begann. Nach dem ersten Staatsexamen 1952 wechselte er in die USA, zunächst an die Law School 124 Siehe unter anderem Ulrich Drobnig: Innerdeutsches und interlokales Kollisionsrecht nach der Einigung Deutschlands. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internatio nales Privatrecht 55/2 (1991), 268–289; Ulrich Drobnig: Das Schicksal der Staatsverträge der DDR nach dem Einigungsvertrag. Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift 2/3 (1991), 76–80; Ulrich Drobnig: Privatization of State Enterprises in East Germany. In: Petar Šarčević (Hg.): Privatization in Central and Eastern Europe. London 1992, 1–22; Ulrich Drobnig: Das internationale Gesellschaftsrecht nach der Privatisierung der Wirtschaft in den osteuropäischen Ländern. In: Christian von Bar (Hg.): Perspektiven des internationalen Privatrechts nach dem Ende der Spaltung Europas. Tagung am 3. und 4. April 1992 in Osnabrück. Köln 1993, 111–124; Ulrich Drobnig: The Conversion of a Socialist Economic System to a Market Economy: Legal Implications. In: Ross Cranston und Royston M. Goode (Hg.): Commercial and Consumer Law. National and International Dimensions. Oxford: 1993, 309–317; Michael Becker, Ulrich Drobnig und Oliver Remien: Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden. Innerstaatliche, internationale und innerdeutsche Integration. Tübingen 1991; Ulrich Drobnig (Hg.): Grundstücksrecht und Erbrecht in beiden deutschen Staaten. Heute und künftig. Berlin 1993. 125 Siehe Jürgen Basedow: Vorwort. In: Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt und Hein Kötz (Hg.): Festschrift für Ulrich Drobnig zum siebzigsten Geburtstag. Tübingen 1998, III–VI, 5. Zudem in Abschnitt 1.3. und Fußnoten 24–26. 126 Siehe insbesondere Ernst-Joachim Mestmäcker: Recht und ökonomisches Gesetz. Über die Grenzen von Staat, Gesellschaft und Privatautonomie. 2. Aufl. Baden-Baden 1984; ErnstJoachim Mestmäcker (Hg.): The Law and Economics of Transborder Telecommunications. A Symposium. Baden-Baden 1987. Sowie das Grundlagenwerk von Peter Behrens: Die ökonomischen Grundlagen des Rechts. Politische Ökonomie als rationale Jurisprudenz. Tübingen 1986, mit dem er sich an der Universität Hamburg bei Mestmäcker habilitierte. 127 Ulrich Drobnig (1928–2022). Siehe seine Würdigung durch Basedow, Vorwort, 1998, III–VI; Jürgen Basedow: Ulrich Drobnig, 25.11.1928–2.3.2022, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 86/3 (2022), 571–576.
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der New York University, dann an die University of Michigan, wo er an der zweiten Auflage von Rabels The Conflict of Laws mitwirkte und die Bände I und II nach Rabels Tod zur Publikationsreife brachte, so dass sie 1958 und 1960 – in den USA – erscheinen konnten.128 Zurück in Deutschland wurde er 1959 Referent am Institut und nach Lehrtätigkeiten in den USA an der Cornell University und der University of Chicago 1967 Wissenschaftliches Mitglied am Institut. 1975 schloss sich eine Honorarprofessur an der Universität Hamburg und 1979 schließlich die Berufung in das Direktorium an, das Zweigert nachfolgte. Drobnigs Einfluss auf die Entwicklung des Instituts ist auf einer eher ›stillen‹ Ebene erfolgt. Er hat mit ungeheurem Fleiß und vorbildlichster Pflichterfüllung auf der Sachebene in zahlreichen Gebieten für Ergebnisse gesorgt, die höchste Qualitätsstandards erreichten und die Reputation des Instituts als Stätte ausgezeichneter Forschung nachhaltig gefördert haben, ohne dass er dabei je den eigenen Anteil besonders herausgestellt hätte. Zu Recht hat ihn Jacob S. Ziegel als »one of postwar Germany’s most accomplished legal scholars and ambassador of goodwill« charakterisiert.129 Einige der schon erwähnten, wichtigen Arbeiten am Institut sind nur durch Drobnig mit Leben gefüllt worden, so insbesondere die bislang erschienenen Teile der Encyclopedia,130 aber auch das Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts.131 Ebenso war er tragendes Mitglied132 der (privaten) Commission on European Contract Law, der sogenannten LandoKommission,133 die die Principles of European Contract Law oder Lando-Prinzipien erarbeitete und zur Millenniumswende veröffentlichte.134 In gleicher Weise hat er an den Principles of International Commercial Contracts mitgearbeitet, die UNIDROIT erstellt hat. Für das internationale Kreditsicherungsrecht hat er 128 Ernst Rabel: The Conflict of Laws. A Comparative Study. 2. Aufl. Bd. 1. Ann Arbor 1958 (2nd ed. prepared by Ulrich Drobnig, 1958); Bd. II (2nd ed. prepared by Ulrich Drobnig, 1960). 129 Jacob S. Ziegel: The EBRD model law on secured transactions – some Canadian observations. In: Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt und Hein Kötz (Hg.): Festschrift für Ulrich Drobnig zum siebzigsten Geburtstag. Tübingen 1998, 209–223, 209. 130 Seit nahezu 30 Jahren ist Drobnig der allein verantwortliche Herausgeber dieses Jahrhundertwerks. 131 Siehe Basedow, Vorwort, 1998, III–VI, VI . 132 Siehe Ole Lando: The Eternal Crisis. In: Ulrich Drobnig et al. (Hg.): Festschrift für Ulrich Drobnig zum siebzigsten Geburtstag. Tübingen 1998, 361–380, 378: »Ulrich Drobnig has been an active and prominent member«. Drobnigs hoher Anteil wird deutlicher, wenn man erfährt, dass er sowohl als Reporter wie als Mitglied der Drafting Group und natürlich als ›einfaches‹ Mitglied der Commission of European Contract Law beteiligt war. 133 Prof. Dr. Ole Lando hatte den Vorsitz in dieser Kommission. Drobnig und Lando hatten sich schon 1955 in Ann Arbor kennen gelernt und waren seither freundschaftlich verbunden. 134 Ole Lando und Hugh Beale: Principles of European Contract Law. Performance, Non-Performance and Remedies. Bd. 1. Den Haag 1995; Ole Lando und Hugh Beale: The Principles of European Contract Law. 2. Aufl. Bd. 1 und 2. Den Haag 2000; Ole Lando et al. (Hg.): Principles of European Contract Law. Bd. 3. Den Haag 2003.
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maßgebende Vorschläge und Entwürfe vorgelegt oder miterarbeitet,135 die in der Nachwendezeit insbesondere in Osteuropa vielfach übernommen wurden. Ohnehin förderte er nachhaltig wissenschaftliche Kontakte nach Osten, auch durch Institutsaufenthalte junger Juristen aus diesen Ländern.136 4.2.2 Hein Kötz (1979–2000)
Auch Kötz137 blickt auf eine lange Verbindung zum Institut zurück. Als Schüler Zweigerts hat er 1962 in Hamburg promoviert und sich – mit seinem Anteil am Band 1 der gemeinsamen Einführung in die Rechtsvergleichung – dort auch 1970 habilitiert. Dem anschließenden Ordinariat an der Universität Konstanz und zeitweiliger zusätzlicher Richtertätigkeit am OLG Karlsruhe138 folgte schon 1979 das Direktorat am Institut und nach 21 Jahren Amtszeit – der bisher längsten eines Direktors am Hamburger Institut – noch 2000–2005 die Funktion des Gründungspräsidenten der Bucerius Law School in Hamburg. Neben der Position als Institutsdirektor, in der er allerdings von der Geschäftsführung freigestellt war, versah er ein volles Ordinariat an der Universität Hamburg. 135 Siehe insbesondere das Gutachten für UNCITRAL: Ulrich Drobnig, Study on Security Interests, United Nations Secretariat, UN Doc.St/LEG/11, 4.3.1975; ferner unter anderem Ulrich Drobnig: The Recognition of Non-Possessory Security Interests Created Abroad in Private International Law. Budapest 1978. In: Zoltán Péteri (Hg.): General Reports to the 10th International Congress of Comparative Law. Budapest: Akadémiai Kiadó 1981, 289–310. Ulrich Drobnig: Die Kreditsicherheiten im Vorschlag der Insolvenzrechtskommission. Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 15/2 (1986), 252–280; Ulrich Drobnig: Vorrechte, Sicherheiten und Eigentumsvorbehalt im EG -Konkursübereinkommen. Stellungnahme zu den Art. 43–52 sowie Art. 41 des Entwurfs von 1980. In: Gerhard Kegel (Hg.): Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG -Konkursübereinkommens. Tübingen 1988, 357–381; Ulrich Drobnig: Eigentumsvorbehalt, Massenansprüche und Vorrechte sowie Sicherungsrechte an Transportmitteln im revidierten Entwurf eines EG -Konkursübereinkommens von 1984. In: Gerhard Kegel (Hg.): Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG -Konkursübereinkommens. Tübingen 1988, 497–503; Ulrich Drobnig: Vorschlag einer besonderen sachenrechtlichen Kollisionsnorm für Transportmittel. In: Dieter Henrich (Hg.): Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts. Tübingen 1991, 13–36; Ulrich Drobnig: First Working Draft of the Model Law on Security Rights for Eastern Europe. Law in Transition 3 (1993), 7–9; Ulrich Drobnig: The Comparative Approach of the EBRD’s Model Law. In: Ulrich Drobnig (Hg.): Model Law on Secured Transactions. London 1994, 1–2. Ulrich Drobnig: Die Verwertung von Mobiliarsicherheiten in einigen Ländern der Europäischen Union. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 60/1 (1996), 40–57. 136 Siehe Lajos Vékás: Über die Neugestaltung des ungarischen Zivilrechts. In: Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt und Hein Kötz (Hg.): Festschrift für Ulrich Drobnig zum siebzigsten Geburtstag. Tübingen 1998, 713–724, 714. 137 Hein Kötz (* 1935). Siehe auch Hein Kötz: Ein Leben als undogmatischer Jurist. Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 19/1 (2011), 94–108. 138 Von 1975 bis 1978.
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Kötz hat den Ruf des Instituts vor allem im Bereich der Rechtsvergleichung gemehrt, nicht nur mit der Einführung in die Rechtsvergleichung, mit seinem Werk Europäisches Vertragsrecht139 und zahllosen vergleichenden Einzelstudien, sondern durch viele Beiträge zu den Grundlagen dieser Disziplin, die, wie alle seine Arbeiten, auch durch ihren glänzenden Stil beeindrucken und zusätzliche Überzeugungskraft entfalten.140 Ähnlich wie Dölle und Zweigert hat er ferner wichtige Funktionen in zahlreichen nationalen und internationalen Wissenschaftsorganisationen und Vereinigungen wahrgenommen, die mittelbar auch dem Ansehen und der Bekanntheit des Instituts zugute kamen, so etwa als Vizepräsident der DFG, als Vorsitzender der Geisteswissenschaftlichen Sektion der MPG, als Präsident der International Association of Legal Sciences, als Vorstand der Gesellschaft für Rechtsvergleichung oder als Mitglied des Wissenschaftsrats. 4.2.3 Ernst-Joachim Mestmäcker (1979–1994)
Mestmäcker141 hatte in Frankfurt am Main sowohl promoviert (1953) als auch habilitiert (1958) und schon 1956/57 an der Law School der Georgetown University in Washington D. C. gelehrt, bevor er 1959 einen Lehrstuhl in Saarbrücken übernahm, dem sich ein Ordinariat in Münster und dann an der Universität Bielefeld anschloss, deren Gründungsrektor er 1967–1969 war. Mehrfach kehrte er für Gastprofessuren in die USA zurück.142 Schon vor, aber auch nach der Übernahme des Direktorenamtes am Hamburger Institut (1979) bekleidete er zahlreiche einflussreiche Ämter, darunter die Funktion des Vizepräsidenten der 139 Hein Kötz: Europäisches Vertragsrecht. 2. Aufl. Tübingen 2015. 140 Siehe etwa Hein Kötz: Trends in Comparative Law. In: Stein Rokkan (Hg.): A Quarter Century of International Social Science. Papers and Reports on Developments, 1952–1977. New Delhi: Concept Publishing 1979, 111–124; Hein Kötz: Zukunftsaufgaben der Rechtsvergleichung. Comparative Law (Hikakuho Kenyu) 42 (1980), 220–232; Hein Kötz: Gemeineuropäisches Zivilrecht. In: Herbert Bernstein, Ulrich Drobnig und Hein Kötz (Hg.): Festschrift für Konrad Zweigert. Zum 70. Geburtstag. Tübingen 1981, 481–500; Hein Kötz: Neue Aufgaben der Rechtsvergleichung. Juristische Blätter 104 (1982), 355–362; Hein Kötz: Rechtsvereinheitlichung – Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 50/1 und 2 (1986), 1–18; Hein Kötz: Rechtsvergleichung und Rechtsdogmatik. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 54/2 (1990), 203–216; Hein Kötz: Rechtsvergleichung und gemeineuropäisches Privatrecht. In: Peter-Christian Müller-Graff (Hg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft. Baden-Baden 1993, 95–108; Hein Kötz: Rechtsvergleichung, Rechtsgeschichte und gemeineuropäisches Privatrecht. In: Åke Frändberg (Hg.): Festskrift till Stig Strömholm. Uppsala 1997, 545–558; Hein Kötz: Comparative Law in Germany Today. Revue Internationale de Droit Comparé 51/4 (1999), 753–758; Hein Kötz: Alte und neue Aufgaben der Rechtsvergleichung. JuristenZeitung 57/6 (2002), 257–312; sowie die Sammlung seiner Aufsätze in Hein Kötz: Undogmatisches. Rechtsvergleichende und rechtsökonomische Studien aus dreißig Jahren. Herausgegeben von Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt und Reinhard Zimmermann. Tübingen 2005. 141 Ernst-Joachim Mestmäcker (* 1926). 142 So 1963, 1976 und 2000 an die University of Michigan.
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MPG,143 als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie,144 als Sonderberater der EWG -Kommission für Wettbewerbspolitik und Rechtsangleichung,145 als Vorsitzender der Monopolkommission,146 als Mitglied und Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK).147 Im Institut hat Mestmäcker148 das eigentliche Wirtschaftsrecht verankert, verstanden als Ordnungsrecht oder -rahmen für im Übrigen frei gestaltete wirtschaftliche Beziehungen. Im Zentrum steht dabei das Wettbewerbsrecht als Wirtschaftsverfassung in seiner europäischen und internationalen Dimension.149 Als zukunftsweisende Pionierleistung hat er im Institut ferner das Projekt zum Wirtschaftsrecht der internationalen Telekommunikation auf den Weg gebracht und nach zehnjähriger Laufzeit auch abschließen können.150 Die Forschungen Mestmäckers haben eine feste philosophische Basis. Es ist die auf der Philosophie vor allem der Aufklärung und insbesondere auf Kant beruhende Auffassung, dass das Recht dem Missbrauch von (wirtschaftlicher) Macht zu wehren und gleichzeitig Räume freier (wirtschaftlicher) Entfaltung zu sichern hat. Die angemessene Balance zwischen diesen beiden Polen zu finden und dabei die ökonomischen Gegebenheiten sachkundig zu berücksichtigen, hat Mestmäcker im Institut vielen, wenn nicht allen Mitarbeitern nahe gebracht.151
143 1984–1990. Seit 1992 ist er Ehrensenator der MPG . 144 1960–2006. 145 1960–1970. 146 1973–1978. 147 Seit 1997, Vorsitz 2000–2002. 148 Zur Würdigung seiner Person siehe insbesondere Hans F. Zacher: Grußwort. In: Ulrich Immenga (Hg.): Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker. Zum siebzigsten Geburtstag. Baden-Baden 1996, 21–28; Hans von der Groeben: Ernst Joachim Mestmäckers Beitrag zur Gestaltung einer europäischen Wettbewerbspolitik. In: Ulrich Immenga (Hg.): Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker. Zum siebzigsten Geburtstag. Baden-Baden 1996, 29–40; Gerhard Lüke: Erinnerungen an die gemeinsamen Frankfurter Studienund Lehrjahre. In: Ulrich Immenga (Hg.): Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker. Zum siebzigsten Geburtstag. Baden-Baden 1996, 41–50; Detlev Witt: Ernst-Joachim Mestmäcker. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 60/4 (1996), 611–615. 149 Siehe insbesondere Ernst-Joachim Mestmäcker: Die Wirtschaftsverfassung der EU im globalen Systemwettbewerb. Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Wirtschaftsrecht 2011; Ernst-Joachim Mestmäcker: Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union. Beiträge zu Recht, Theorie und Politik der europäischen Integration. Baden-Baden 2003; Ernst-Joachim Mestmäcker und Heike Schweitzer: Europäisches Wettbewerbsrecht. 3. Aufl. München 2014. 150 Siehe dazu insbesondere Mestmäcker, The Law and Economics, 1987, sowie die inzwischen sechzig Bände der vom Institut herausgegebenen Reihe »Law and Economics of International Telecommunications«. 151 Siehe die Würdigung von Witt, Mestmäcker, 1996, 611–615.
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4.2.4 Klaus J. Hopt (1995–2008)
Hopt152 folgte Mestmäcker 1995 als Institutsdirektor ins Kollegium. Zuvor hatte er nach Promotion153 und Habilitation in München (1973) zunächst ordent liche Professuren an der Universität Tübingen,154 am Europäischen Hochschul institut Florenz,155 an der Universität Bern,156 der Universität München157 und schließlich an der Universität Hamburg158 sowie zahlreiche Gastprofessuren in den USA, Frankreich, Japan, Holland und Belgien wahrgenommen. Auch Hopt engagierte sich intensiv in weiteren wissenschafts- und wirtschaftspolitischen Ämtern. Er war Vizepräsident der DFG,159 Senator160 und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates der MPG161 sowie Mitglied des International Advisory Board der Alexander von Humboldt-Stiftung.162 Im Deutschen Juristentag war er lange Jahre Mitglied der Ständigen Deputation und hatte bei Juristen tagen nahezu regelmäßig den Vorsitz der wirtschaftsrechtlichen Abteilung inne. Er war ferner auf deutscher und europäischer Ebene Mitglied in zahlreichen wirtschaftsrechtlich und wirtschaftspolitisch wichtigen Gremien: so in der Übernahmekommission, in der Börsensachverständigenkommission, im Übernahmerat bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), im Arbeitskreis Finanzmarktregulierung beim Bundesfinanzministerium (BMF), im Aufsichtsrat der Deutschen Börse AG, in der High Level Group of Company Law Experts zur Beratung der EU-Kommission sowie als Fellow und Board Member am European Corporate Governance Institute in Brüssel. Zusätzlich war und ist Hopt begehrter Gutachter, der für den Deutschen Bundestag, das BVerfG, Ministerien, die Europäische Kommission, die Weltbank und andere Gutachten erstattet hat. Wie Mestmäcker verstärkte Hopt die wirtschaftsrechtliche Ausrichtung des Instituts, jedoch weniger in Richtung auf die Wirtschafts- und Wettbewerbsverfassung als solche (die Mestmäcker weiter untersuchte und untersucht), sondern insbesondere in Richtung auf die Verfassung von Unternehmen und ihre Corporate Governance,163 aber auch in Richtung auf das Kapitalmarktrecht und die 152 Klaus J. Hopt (* 1940). 153 Hopt promovierte 1967 zum Dr. iur. in München und 1968 zum Dr. phil. in Tübingen; schon 1965 erwarb er den Master of Comparative Law an der New York University. 154 1974–1978 und 1980–1985 mit Dekanat 1982/83; von 1981–1985 war er zugleich Richter am OLG Stuttgart. 155 1978–1980 (mit Leitung des Fachbereichs Rechtswissenschaft). 156 1985–1987. 157 1987–1995. 158 1996–2008. 159 2002–2008. 160 2003–2011. 161 2003–2006. 162 2011–2014. 163 Siehe dazu insbesondere Klaus J. Hopt und Gunther Teubner (Hg.): Corporate Governance and Directors’ Liabilities. Legal, Economic, and Sociological Analyses on Corporate
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Regulierung der Finanzmärkte.164 Neben dem europäischen und vergleichenden Gesellschaftsrecht im weitesten Sinne steht das Handelsrecht, zu dem er den in der Praxis führenden Kommentar herausgibt.165 Hopt hat in besonderem Maß großvolumige Gemeinschaftsarbeiten zu aktuellen und brisanten Fragestellungen angeregt und zum erfolgreichen Abschluss geführt, an denen zahlreiche Beiträger – teils aus dem Institut, teils von außerhalb – beteiligt waren.166 4.2.5 Jürgen Basedow (1997–2017)
Basedow167 folgte 1997 Drobnig als Institutsdirektor. Nach der Hamburger Promotion (1979) und Habilitation (1986) und dem Kontakt zum Institut sowie einem LL . M. an der Harvard University (1980/81) war er zunächst Ordinarius an der Universität Augsburg168 und dann an der FU Berlin,169 bevor die Berufung
Social Responsibility. Berlin 1985; Theodor Baums, Richard M. Buxbaum und Klaus J. Hopt (Hg.): Institutional Investors and Corporate Governance. Berlin 1994; Klaus J. Hopt et al. (Hg.): Comparative Corporate Governance. The State of the Art and Emerging Research. Oxford 1998; Klaus J. Hopt et al. (Hg.): Corporate Governance in Context. Corporations, States, and Markets in Europe, Japan, and the US . Oxford 2005; Klaus J. Hopt und Eddy Wymeersch: Key Problems of Company Law and Corporate Governance in Europe. Introductory Remarks on the Meeting of the Friends of the Hamburg Max Planck Institute, June 12, 2004. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 69/4 (2005), 611–615; Peter Hommelhoff, Klaus J. Hopt und Axel von Werder (Hg.): Handbuch Corporate Governance. Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen in der Rechts- und Wirtschaftspraxis. Stuttgart 2003; Peter Hommelhoff, Klaus J. Hopt und Axel von Werder (Hg.): Handbuch Corporate Governance. Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen in der Rechts- und Wirtschaftspraxis. 2. Aufl. Stuttgart 2009; Klaus J. Hopt und Gottfried Wohlmannstetter (Hg.): Handbuch Corporate Governance von Banken. München 2011; Andreas M. Fleckner und Klaus J. Hopt (Hg.): Comparative Corporate Governance. A Functional and International Analysis. Cambridge 2013. 164 Siehe etwa Klaus J. Hopt, Bernd Rudolph und Harald Baum (Hg.): Börsenreform. Eine ökonomische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung. Stuttgart 1997; Marcus Lutter, Peter Hommelhoff und Klaus J. Hopt (Hg.): Konzernrecht und Kapitalmarktrecht. München 2001; Klaus J. Hopt und Eddy Wymeersch (Hg.): Capital Markets and Company Law. Oxford 2003; Eddy Wymeersch, Klaus J. Hopt und Guido Ferrarini (Hg.): Financial Regulation and Supervision: A Post-Crisis Analysis. Oxford 2012. 165 Klaus J. Hopt und Adolf Baumbach: Handelsgesetzbuch. Kommentar. 39. Aufl. München 2019; nunmehr Klaus J. Hopt: Handelsgesetzbuch. Kommentar. 42. Aufl. München 2023. 166 Siehe etwa Hopt, Rudolph und Baum, Börsenreform, 1997; Klaus J. Hopt und Dieter Reuter (Hg.): Stiftungsrecht in Europa. Stiftungsrecht und Stiftungsrechtsreform in Deutschland, den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Schweiz, Liechtenstein und den USA . Köln 2001; Hopt und Voigt, Kapitalmarktinformationshaftung, 2005; Hopt und Steffek, Mediation, 2008. 167 Jürgen Basedow (* 1949). 168 1987–1995. 169 1995–1997.
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an das Institut und die Ernennung zum Professor an der Universität Hamburg erfolgte. Zahlreiche Gastprofessuren in Italien, Frankreich, Russland, England, Holland, Tunesien und den USA schlossen sich an. Auch Basedow setzte die Tradition der früheren Direktoren fort und engagierte sich als Mitglied vieler wissenschafts- und rechtspolitisch wichtiger Gremien und Organisationen: Unter anderem war er Vorsitzender der Geisteswissenschaftlichen Sektion der MPG,170 Mitglied und Generalsekretär der Académie Internationale de Droit Comparé,171 Associé im Institut de Droit International, Mitglied und Präsident der International Academy of Commercial and Consumer Law172 sowie der Groupe européen de droit international privé,173 Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Rechtsvergleichung und der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht sowie Mitglied des American Law Institute. Umfangreich war seine Mitwirkung in einflussreichen Gremien zur Politikberatung, wie etwa in der Monopolkommission,174 der Deregulierungskommission der Bundesregierung, der Transportrechts- und der Versicherungsrechtskommission beim Bundesministerium der Justiz, der Infopost-Kommission des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation, im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Verkehr, im Deutschen Rat für IPR , im Versicherungsbeirat der BaFin, im Think Tank on Private Enforcement der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission oder in der Expertengruppe der Kommission für europäisches Versicherungsvertragsrecht. Basedow hat das IPR im Institut nachhaltig gefördert. Für das europäische Kollisionsrecht waren insbesondere die von ihm initiierten und unter seiner Leitung erarbeiteten Stellungnahmen des Instituts zu den Entwürfen der EUKommission zum internationalen Vertrags- und außervertraglichen Schuldrecht einflussreich.175 Erhebliche internationale Ausstrahlungswirkung hatte ferner die interdisziplinäre Max Planck Research School for Maritime Affairs,
170 2000–2003. 171 Generalsekretär 2006–2014. 172 Präsident 2006–2008. 173 Präsident 2015–2018. 174 2000–2008 und 2004–2008 als Vorsitzender. 175 Siehe Hamburg Group for Private International Law: Comments on the European Commission’s Draft Proposal for a Council Regulation on the Law Applicable to Non-Contractual Obligations. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 67/1 (2003), 1–55; Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht: Comments on the European Commission’s Green Paper on the Conversion of the Rome Convention of 1980 on the Law Applicable to Contractual Obligations into a Community Instrument and its Modernization. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 68/1 (2004), 1–118; Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht: Comments on the European Commission’s Proposal for a Regulation of the European Parliament and the Council on the Law Applicable to Contractual Obligations (Rome I). Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 71/2 (2007), 225–344.
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die er zusammen mit der Universität am Institut gegründet hatte und die über lange Jahre erfolgreich florierte, bis die MPG die Mittel nicht mehr gewährte. 4.3
Stellung des Instituts
Die Verdreifachung der Zahl der Direktoren hatte auch die Möglichkeiten vervielfältigt, das Institut in der Außenwahrnehmung noch stärker als bisher zu repräsentieren und seine Einflussmöglichkeiten auf die nationale und europäische Rechtsentwicklung und -gestaltung zu steigern. Diese Möglichkeiten haben die Direktoren im Untersuchungszeitraum in großem Maß wahrgenommen, vielfach im Rahmen der Politikberatung. Gleichwohl hat das Institut seine traditionelle Stellung als Einrichtung der Grundlagenforschung dafür nicht aufgegeben, sondern beibehalten. Seine politikberatenden Stellungnahmen sind nicht etwa von parteipolitischer Sicht getragen, sondern beruhen durchweg auf Einsichten, die aus breiter rechtsvergleichender Forschung erwachsen sind; sie gewinnen daraus ihren besonderen Wert und ihre Überzeugungskraft. Aus Sicht der vielen ausländischen Kollegen, die zur Festschrift zum 75-jährigen Institutsbestehen im Jahr 2001 beigetragen haben, hat das »espléndido Max Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht«176 auch im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts nichts von seiner internationalen Anziehungskraft verloren. 4.4
Wissenschaftliche Ausrichtung
Die wissenschaftliche Ausrichtung des Instituts hat die Herausforderungen der Zeit seit 1979 aufgenommen. Unverkennbar ist der Einfluss, den die marktorientierte Europäisierung des Rechts in den beiden letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts bewirkt hat. Hier hat das Institut mit zahlreichen Arbeiten, insbesondere zur Ordnung des Wirtschafts-, Wettbewerbs-, Gesellschafts-, Kapitalmarktrechts, aber auch des allgemeinen Zivil- und Handelsrechts177 sowie des Kollisions- und internationalen Zivilverfahrensrechts reagiert.178 Es hat grundlegende
176 Siehe Rafael M. Manóvil: Forum Europaeum sobre derecho de grupos: algunas de sus propuestas vistas desde la perspectiva sudamericana. In: Jürgen Basedow et al. (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, 215–228, 215–216. 177 Siehe etwa Basedow et al., Rechtsstellung, 2000, 391 ff., mit abschließenden Empfehlungen von Dopffel, Kötz und Scherpe; Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht: Genomanalyse und Privatversicherung. Stellungnahme des MaxPlanck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 66/1 (2002), 116–139, die auf einem rechtsvergleichenden Gutachten für das Bundesjustizministerium beruhte. 178 Siehe die Nachweise, die oben bei den Direktoren der Zeit seit 1979 gegeben wurden; für den speziellen Bereich des Kollisionsrechts siehe ferner noch die vom Institut vorgelegten
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Beiträge zur europäischen Gestaltung dieser Rechtsbereiche geleistet und damit nicht selten Einfluss auf die tatsächliche Rechtsentwicklung ausgeübt. An der Entwicklung eines gemeineuropäischen Privatrechts hat sich das Institut aktiv beteiligt,179 auch wenn diese Entwicklung aus heutiger Sicht bislang weitgehend Wunsch geblieben ist. Eine Generation lang hat diese Idee und ihre möglich erscheinende Verwirklichung aber geherrscht und viele der besten Wissenschaftler Europas in ihren Bann gezogen. Dem Umbruch in Osteuropa im Gefolge der deutschen Wiedervereinigung hat das Institut vor allem mit der Beratung der Gesetzgeber in den neuen Demokratien Rechnung getragen. So war das Institut, wie erwähnt, unter anderem an der Schaffung neuer IPR-Gesetze in Bulgarien und Slowenien sowie der Rechtsreform in Serbien und im Kosovo konkret beteiligt.180 Diese Beratung war von dem Interesse geleitet, auf breiter rechtsvergleichender Basis erarbeitete Lösungsoptionen zur Wahl des jeweiligen nationalen Gesetzgebers zu stellen. Doch auch in wissenschaftlichen Grundlagenstudien hat das Institut den Prozess der Systemtransformation in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion untersucht.181 4.5 Gutachtentätigkeit
In der Ära Zweigert hatte die Gutachtentätigkeit für die Länderreferenten einen erheblichen Umfang angenommen, der auch dazu führte, dass Qualifikationsarbeiten zum Teil nur langsam vorankamen und Referenten lange Jahre am Institut verbrachten. Die Nachfolger Zweigerts reduzierten die Gutachtenlast, indem sie den Referenten gestatteten, Gutachtenanfragen abzulehnen, sobald mehr als zehn im Jahr eingingen. Inzwischen wurde auch diese Höchstzahl abgesenkt. Ferner wurde beschlossen, Anwaltsanfragen nur noch in Ausnahmefällen anzunehmen.
Thesen zur Reform des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 44 (1980), 344 ff. sowie: Basedow et al., Kodifikation, 1983, 595–690. 179 Insbesondere durch die intensive Mitarbeit Drobnigs an den Lando- und den U NIDROIT-Prinzipien sowie seine Vorarbeiten für ein europäisches Kreditsicherungsrecht sowie Kötz’ Europäisches Vertragsrecht. 180 Siehe in Abschnitt 1.3. und Fußnoten 24–26. 181 Siehe etwa Ulrich Drobnig et al. (Hg.): Systemtransformation in Mittel- und Osteuropa und ihre Folgen für Banken, Börsen und Kreditsicherheiten. Tübingen 1998. In dem Band sind die Beiträge zum 70jährigen Bestehen des Instituts versammelt, siehe ferner die zahlreichen Beiträge von Drobnig (Fußnote 124) zum deutsch-deutschen Verhältnis sowie zur Rechtstransformation in den osteuropäischen Staaten.
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Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Die Politik der Nachfolger Zweigerts im Hinblick auf die Nachwuchsförderung bestand darin, die Referentenstellen recht strikt als Qualifikationsstellen und nicht als Dauerstellen zu betrachten. Waren die Stellen in der Ära Zweigert noch zeitlich unbefristet, wurden sie jetzt in der Regel befristet. Die Referenten sollten sich in angemessener Zeit für eine Tätigkeit außerhalb des Instituts, insbesondere für eine akademische Karriere qualifizieren. In einer großen Zahl von Fällen ist das auch gelungen.182 Ohnehin hatte sich durch das Dreierdirektorium die Möglichkeit vergrößert, Doktoranden und Habilitanden zu betreuen. Dem Output des Instituts an jungen Wissenschaftlern ist das sehr zugute gekommen. Doch hatte sich bald die Einsicht durchgesetzt, dass für die besonders aufwändigen exotischen Referate183 im Institut auch Dauerstellen zur Verfügung stehen müssen. Das Institut hat sich auch in der Zeit der kollegialen Leitung als Förderstätte für zahlreiche ausländische junge Juristen erwiesen. Vor wie nach der Wende von 1989 konnten insbesondere junge Wissenschaftler aus den osteuropäischen Staaten durch Studienaufenthalte am Institut unterstützt werden. Ihre dabei gewonnenen Kenntnisse und Einsichten haben sie vielfach in die Transformationsprozesse in ihren Heimatländern eingebracht.184 4.7
Der Genderaspekt
Waren in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren Frauen auf Wissenschaftlerstellen im Institut noch eine Seltenheit, änderte sich das allmählich seit den achtziger Jahren, ohne dass freilich bisher ein auf allen Ebenen ausgeglichenes Geschlechterverhältnis erreicht ist.185 Die ersten Habilitandinnen waren Mestmäckers Schülerin Heike Schweitzer und Hopts Schülerin Brigitte Haar. Basedows Schülerinnen Eva-Maria Kieninger und Giesela Rühl folgten erst nach 182 Siehe die Angaben in Fußnote 39. 183 Siehe oben Abschnitt 1.1 und Fußnoten 5–10. 184 Siehe Mádl, Geleitwort, 2001, VII–XVIII . Ferner etwa Lado Chanturia: Die Europäisierung des georgischen Rechts – bloßer Wunsch oder große Herausforderung? Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 74/1 (2010), 154–181, 165 mit Fußnote 45 und der Angabe im Hamburger Institut enstandener Werke georgischer Rechtswissenschaftler. 185 Zu Anfang 2018 besetzten Frauen acht der 21 Referentenstellen, elf der 27 Assistentenstellen und vier der 11 studentischen Hilfskraftstellen. Im Bereich der Redaktionstätigkeit sind sechs Frauen und drei Männer beschäftigt (Leitung: Dr. Christian Eckl), in der Institutsverwaltung 16 Frauen und drei Männer (Leitung: Ilse Groß), in der Forschungskoordination und Öffentlichkeitsarbeit acht Frauen und zwei Männer (Leitung: Nicola Wesselburg), in der Elektronische Datenverarbeitung (EDV)-Abteilung drei Männer und eine Frau (Leitung: Hans Martens). Die sechs Sekretariate sind nur mit Frauen besetzt, ebenso die beiden Stellen der Gutachtenkoordination.
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der Jahrtausendwende, ebenso Zimmermanns Habilitandin Sonja Meier. Alle Genannten besetzen derzeit Lehrstühle in Deutschland, die ehemaligen Referentinnen Katharina Pistor und Anneken Kari Sperr solche im Ausland. Nadjma Yassari habiliterte sich an der Universität Hamburg und ist dort Honorarprofessorin. Seit 2017 liegt auch erstmals die Leitung der Bibliothek in den Händen einer Frau.186
5.
Abschließende Bemerkungen
Überschaut man die Geschichte des Hamburger MPI für ausländisches und internationales Privatrecht seit den späten 1940er Jahren bis 2000, so hat sich das Institut in seinen Arbeitsfeldern als eine Forschungseinrichtung ersten Ranges etabliert, der es nach dem Zweiten Weltkrieg recht bald gelungen ist, an die glanzvollen Zeiten des Institutsgründers Ernst Rabel wieder anzuknüpfen. National und international hat sich das Institut mit seinen Arbeiten und mit seinen Personen eine hohe Reputation erworben und – etwa mit Kötz’ und Zweigerts Einführung in die Rechtsvergleichung – große, ja weltweite Ausstrahlungswirkung entfaltet, die für die Entwicklung der Rechtsvergleichung als Disziplin, für die Entwicklung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts, für die Europäisierung des Privat- und Wirtschaftsrechts, aber zudem nach 1989 auch für die Rechtsreform in den ehemaligen Ostblockstaaten von Einfluss war. Betrachtet man die Innensicht des Instituts, dann herrscht hier trotz allen Wettbewerbs insbesondere zwischen den Referenten eher ein Klima der Kooperation denn der Konfrontation. Erst recht ist keine Fragmentierung in Abteilungen festzustellen. Es verbindet das Bewusstsein der gemeinsamen Institutszugehörigkeit, selbst in späteren Zusammenhängen außerhalb des Instituts. Nach außen erscheint das Institut als das Zentrum eines dicht gewebten internationalen Netzwerks im Bereich der Rechtsvergleichung und des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts einschließlich des internationalen Wirtschaftsrechts. In der Zusammenarbeit auf institutioneller Ebene mit anderen Max-Planck-Instituten oder mit Universitäten beschränkt sich das Institut jedoch auf gelegentliche gemeinsame Projekte, während gemeinsame Forschungsvorhaben einzelner Institutsmitglieder mit Kollegen von außerhalb häufig sind. Fragt man nach dem Mehrwert, den das Institut gegenüber Universitätsinstituten aufweist, dann vermag das Institut im Vergleich zu Universitäten erfolgreicher und effektiver Großprojekte zu stemmen, mögen auch die Erfahrungen mit der International Encyclopedia of Comparative Law vor zu gewaltig dimensionierten Großprojekten warnen lassen. Für die öffentliche Aufgabe der Gutachtenpraxis ist das Institut eher als die einschlägigen Universitätsinstitute in der Lage, Gutachten auch zu exotischen Rechtsordnungen oder Rechtsordnungen mit schwer zugänglichen Sprachen zu 186 Von den 18 Stellen im Bibliotheksbereich waren 2018 14 mit Frauen besetzt; Bibliotheksdirektorin ist Claudia Holland.
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erstatten. Insgesamt öffnet das Institut größeren Forschungsfreiraum und bessere Möglichkeiten zu intensiver Grundlagenforschung, die zudem nachhaltig von den Anregungen und dem Austausch mit den zahlreichen Mitarbeitern und Gästen profitiert.
Anhang Archivalien Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Nachlass Ernst Rabel AMPG , III . Abt., Rep. 116, Nr. 23, 24, 146, 251, 252, 253, 254
Literatur Basedow, Jürgen: Der Standort des Max-Planck-Instituts – Zwischen Praxis, Rechtspolitik und Privatrechtswissenschaft. In: Jürgen Basedow, Ulrich Drobnig, Reinhard Ellger, Klaus J. Hopt, Hein Kötz und Rainer Kulms (Hg.): Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-PlanckInstitut für Privatrecht. Tübingen: Mohr Siebeck 2001, 3–16. –: Vorwort. In: Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt und Hein Kötz (Hg.): Festschrift für Ulrich Drobnig zum siebzigsten Geburtstag. Tübingen: Mohr Siebeck 1998, III–VI . Basedow, Jürgen, Peter Dopffel, Ulrich Drobnig, Christa Jessel-Horst, Jürgen Samtleben und Kurt Siehr: Kodifikation des deutschen Internationalen Privatrechts. Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht zum Regierungsentwurf von 1983. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 47/4 (1983), 595–690. Basedow, Jürgen, Talia Einhorn, Daniel Grisberger, Symeon Symeonides, Isaak Meier und Anton Schnyder: Foreword. In: Katharina Boele-Woelki, Talia Einhorn, Daniel Grisberger und Symeon Symeonides (Hg.): Convergence and Divergence in Private International Law. Liber Amicorum Kurt Siehr. Zürich: Schulthess 2010. Basedow, Jürgen, Klaus J. Hopt, Hein Kötz und Peter Dopffel (Hg.): Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Tübingen: Mohr Siebeck 2000. Baums, Theodor, Richard M. Buxbaum und Klaus J. Hopt (Hg.): Institutional Investors and Corporate Governance. Berlin: De Gruyter 1994. Becker, Michael, Ulrich Drobnig und Oliver Remien: Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden. Innerstaatliche, internationale und innerdeutsche Integration. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1991. Behrens, Peter: Die ökonomischen Grundlagen des Rechts. Politische Ökonomie als rationale Jurisprudenz. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1986. Chanturia, Lado: Die Europäisierung des georgischen Rechts – bloßer Wunsch oder große Herausforderung? Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 74/1 (2010), 154–181. Dölle, Hans: Das bürgerliche Recht im nationalsozialistischen deutschen Staat. Ein Vortrag. Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 57/2 (1933), 649–676. –: Die Neugestaltung des Deutschen Bürgerlichen Rechts. Bemerkungen zur Heidelberger Rede des Staatssekretärs Prof. Dr. Schlegelberger. Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 4 (1937), 359–362.
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Jan Thiessen
Das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte
1. 1959–1964 Das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte wurde 1964 gegründet.1 Das Institut galt offiziell als errichtet, als der Gründungsdirektor Helmut Coing den Ruf annahm.2 Diese Zeitrechnung ist Ausdruck des tradierten Harnack-Prinzips,3 zu dem sich die Max-Planck-Gesellschaft unverändert bekennt.4 Ein Institut wird nicht als solches, sondern für einen Gelehrten gegründet, der abseits universitärer Lehrbelastung seiner Forschung nachgeht und als Institutsdirektor diejenigen Mittel erhält und verwaltet, die er benötigt, um seine Projekte durchzuführen. Wird ein Direktor emeritiert, steht das von ihm 1 Die Institutsgründung und ihre (Vor-)Geschichte ist umfassend erforscht worden von Frank L. Schäfer: Visionen und Wissenschaftsmanagement. Die Gründung eines MaxPlanck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte. Zeitschrift für europäisches Privatrecht 17 (2009), 517–535, seinerzeit auf der Grundlage noch unsignierter Institutsbetreuungsakten im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Berlin-Dahlem (AMPG). Im Folgenden wird Schäfers Darstellung zugrunde gelegt; zentrale Dokumente werden nach den heutigen Fundstellen zitiert, ergänzt um Dokumente aus dem Institutsarchiv, die Schäfer nicht zugänglich waren. 2 Hans Ballreich an Helmut Coing vom 8.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 366; Günther Preiß an Helmut Coing vom 22.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 360; Vermerk von Günther Preiß für Hans Ballreich vom 6.3.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 341–343; Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 10.3.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 339; Auszug aus der Niederschrift der Sitzung des Senates der MaxPlanck-Gesellschaft vom 13.3.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 336; Ernennung zum wissenschaftlichen Mitglied auf den 1.1.1964 datiert, Ernennungsurkunde in AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Ernennung mitgeteilt mit Schreiben von Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 9.4.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 3 Rudolf Vierhaus: Bemerkungen zum sogenannten Harnack-Prinzip. Mythos und Realität. In: Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko (Hg.): Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Studien zu ihrer Geschichte. Das Harnack-Prinzip. Berlin 1996, 129–138; Hubert Laitko: Persönlichkeitszentrierte Forschungsorganisation als Leitgedanke der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft: Reichweite und Grenzen, Ideale und Wirklichkeit. In: Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko (Hg.): Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Studien zu ihrer Geschichte: Das Harnack-Prinzip. Berlin 1996, 583–632. 4 Wolfgang Schön: Grundlagenwissenschaft in geordneter Verantwortung. Zur Governance der Max-Planck-Gesellschaft. 2. Auflage. München 2019, 12.
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geleitete Institut (oder die von ihm geleitete Abteilung) zur Disposition. Die Gesellschaft entscheidet, ob das Institut (die Abteilung) geschlossen oder mit alter oder neuer Forschungsrichtung fortgeführt wird.5 Die Max-Planck-Gesellschaft vermeidet und verhindert Dispositionen, die über die Amtszeit eines Direktors hinausreichen.6 Deshalb sind Direktorenwechsel strukturbedingte Zäsuren in der Geschichte eines Max-Planck-Instituts und bestimmen die Gliederung dieses Beitrags. Dem offiziellen Gründungsdatum war eine längere Gründungsphase vorausgegangen, der eine nicht minder lange Aufbauphase folgte. Den Ruf hatte Coing bereits 1961 erhalten.7 Das erste eigene Gebäude bezog das Institut erst 1968.8 Fast zehn Jahre zuvor hatte nicht Coing, sondern einer von Coings Lehrern die Gründung des Instituts initiiert. Erich Genzmer, der soeben in Hamburg emeritiert worden war und unmittelbar vor seinem privaten Umzug nach München stand,9 schlug der Max-Planck-Gesellschaft 1959 vor, ein Institut für vergleichende Rechtsgeschichte zu gründen.10 Auf Genzmer warteten Wohlwollen und Widerstand. Wohlwollen fand Genzmer bei seinen nächsten juristischen Fachkollegen in der geisteswissenschaftlichen Sektion, den Direktoren der Institute für ausländisches und internationales privates bzw. öffentliches Recht, Hans Dölle und Hermann Mosler, für die das neue Institut eine willkommene Ergänzung war, um das Gewicht der 5 Für den Untersuchungszeitraum relevant Erläuterungen zur Fortentwicklung des Berufungsverfahrens in der Max-Planck-Gesellschaft (Senatsbeschluss vom 24.11.2000), AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Regeln zum Berufungsverfahren beschlossen vom Senat der Max-Planck-Gesellschaft am 24. November 2000, AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Hubert Markl an die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates der Max-Planck-Gesellschaft vom 24.1.2001, AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 23 , unpaginiert. 6 So die stets gleichlautenden Hinweise des Präsidenten an in absehbarer Zeit ausscheidende Direktoren, etwa Hubert Markl an Dieter Simon vom 6.10.1999, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Peter Gruss an Michael Stolleis vom 4.11.2004, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 7 Rufschreiben von Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 13.12.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 18.12.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. Coing erhielt den Ruf am 15.12.1961, Helmut Coing an Erich Genzmer vom 18.12.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert. 8 Dokumentiert in Einweihung des neuen Gebäudes des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt / Main. Mitteilungen aus der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Heft 5 (1968), 332–356. 9 Helmut Coing: In memoriam. Erich Genzmer. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 88 (1971), 574–584, 575, 581; Maximiliane Kriechbaum: Erich Genzmer und die europäische Rechtsgeschichte. In: Tilman Repgen, Florian Jeßberger und Markus Kotzur (Hg.): 100 Jahre Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Tübingen 2019, 273–309. doi:10.1628/978-3-16-157563-1. Kriechbaum referiert und würdigt auch Genzmers Vorschlag zur Institutsgründung. 10 Erich Genzmer, Vorschlag zur Gründung eines Max-Planck-Institutes für vergleichende Rechtsgeschichte vom 16.2.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 569–588.
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juristischen Institute und speziell der Rechtsvergleichung in der Sektion zu erhöhen.11 Auf Widerstand traf Genzmer bei den nächsten Fachkollegen in der Rechtsgeschichte. Der Rechtshistorikertag von 1958 hatte zunächst nur erwogen, dass ein institutioneller Rahmen gebraucht werde, innerhalb dessen mehrere rechtshistorische Großprojekte fertiggestellt werden könnten, die aus verschiedenen Gründen, etwa wegen der deutschen Teilung oder nach Personalwechseln, in ihren angestammten Akademien oder Universitäten keine sichere Zukunft mehr hatten.12 Hierzu hatte der Rechtshistorikertag einen Ausschuss eingesetzt, der beraten sollte, wie diese Anregung umgesetzt werden könne.13 Seinen detaillierten Plan, ein Max-Planck-Institut für vergleichende Rechtsgeschichte zu gründen, hatte Genzmer dem Rechtshistorikertag aber nicht vorgelegt. Die Kollegen erfuhren hiervon erst, nachdem die Max-Planck-Gesellschaft bereits begonnen hatte, Genzmers Konzept zu prüfen und ihrerseits den Rechtshistorikertag einbeziehen wollte.14 Ein dezidiertes Veto legte Fritz Pringsheim ein15, der zu Genzmers besonderer Enttäuschung Max Kaser auf seine Seite zog16. Auch im übrigen schlug Genzmer Skepsis entgegen. Neben Ernst Levy und Franz Wieacker17 bremste Pringsheims Freiburger Kollege Hans Thieme.18 Die Kritiker fühlten sich von Genzmer nicht nur überrumpelt, sondern sie fürchteten, mit ihrer Forschung 11 Hans Dölle an Otto Benecke vom 9.3.1959, AMPG , II. Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 589–590; Hans Dölle an Hans Ballreich vom 25.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 552–553; Hermann Mosler an Hans Ballreich vom 5.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 612; Hermann Mosler an Hans Dölle vom 24.3.1959, AMPG , II. Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 564–565. 12 Niederschrift über die Sitzung der Senatskommission für die Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 6.5.1960 in Frankfurt a. M., AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 59–63. 13 Hans Julius Wolff, Niederschrift vom 17.4.1959, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 482. 14 Hans Dölle an Otto Benecke vom 9.3.1959, AMPG , II. Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 589–590. 15 Fritz Pringsheim an Erich Genzmer vom 17.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 556–559. 16 Erich Genzmer an Helmut Coing vom 3.6.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert. 17 Erich Genzmer an Helmut Coing vom 16.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; Gutachten von Ernst Levy vom 28.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 190–192; Gutachten von Franz Wieacker vom 30.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 190–192, fol. 221–234. 18 Erich Genzmer an Hans Dölle vom 16.3.1959, Durchschlag für Helmut Coing, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; Erich Genzmer an Hans Dölle vom 22.4.1959, auszugsweise Abschrift für Helmut Coing, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21; Hans Thieme an Hermann Heimpel vom 10.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 216–217. – Auf den Freiburger Nachlass von Thieme verweist insoweit Frank L. Schäfer: Rezension zu Für Wissenschaften und Künste: Lebensbericht eines europäischen Rechtsgelehrten, von Helmut Coing. Herausgegeben von Michael F. Feldkamp. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung 132 (2015), 560–563, 561.
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an den traditionellen Universitätsstandorten der Rechtsgeschichte marginalisiert zu werden, was Pringsheim offen aussprach.19 Denn Genzmer wollte ein Institut für die ›ganze‹ Rechtsgeschichte. Die drei Abteilungen der Savigny-Zeitschrift sollten darin vereint sein; eine vierte, die zentrale, Genzmer vorbehaltene, Abteilung sollte die mittelalterliche Rechtsgeschichte seit Beginn der Rezeption erforschen, in der sich Quellen des jeweils einheimischen mit jenen des römischen und kanonischen Rechts europaweit vereinigten. Hiermit sollte die rechtshistorische Forschung Anschluss an das heutige Recht und die moderne Rechtsvergleichung finden, wie sie in den Instituten von Dölle und Mosler in Hamburg bzw. Heidelberg betrieben wurde. Die drei klassischen Abteilungen wollte Genzmer mit seinen Münchener Kollegen Wolfgang Kunkel, Klaus Mörsdorf und Hermann Krause besetzen. Wer einmal in München sei, bleibe dort sesshaft, so dass dem Institut häufige Wechsel im Leitungsgremium erspart blieben. Zudem sei die Bibliothekssituation in München für das geplante Institut besonders komfortabel. Genzmer selbst hatte keinen Schwerpunkt in der Rezeptionsgeschichte der Neuzeit. Dies war Coings Domäne, den Genzmer aber nicht als Mitdirektor, sondern nur als Kooperationspartner vorsah.20 Die Kritiker aus der rechtshistorischen Zunft berührten ein Lebensthema der Max-Planck-Institute. Diese sollen in der Arbeitsteilung der Forschungseinrichtungen etwas leisten, was Universitäten auf der einen und Akademien auf der anderen Seite nicht können.21 An den Universitäten ging nun die Angst um, das von Genzmer geplante Institut monopolisiere Mittel, Nachwuchs und Bedeutung.22 Da die Max-Planck-Gesellschaft solche wiederkehrenden Vorbehalte nur zu gut kannte,23 setzte sie unverdrossen eine Kommission ein, die prüfen
19 Fritz Pringsheim an Erich Genzmer vom 17.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 556–559. 20 Erich Genzmer, Vorschlag zur Gründung eines Max-Planck-Institutes für vergleichende Rechtsgeschichte vom 16.2.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 569–588. Abgrenzungsbedarf zu Coings der Rezeptionsgeschichte gewidmetem Frankfurter Institut sah Georg Dahm, Gutachten vom 1.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 166. Erneute Vorbehalte gegen die »wissenschaftlich überholt[e]« Gliederung der Savigny-Zeitschrift im Brief von Erich Genzmer an Helmut Coing vom 8.3.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19, unpaginiert. 21 Helmut Coing an Erich Genzmer vom 21.5.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, un paginiert, unter Bezugnahme auf ein Telefonat Coings mit Hermann Mosler. Zu den Ursprüngen dieser Abgrenzung Bernhard vom Brocke: Die Kaiser-Wilhelm- / Max-PlanckGesellschaft und ihre Institute zwischen Universität und Akademie. Strukturprobleme und Historiographie. In: Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko (Hg.): Die KaiserWilhelm- / Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Studien zu ihrer Geschichte: Das Harnack-Prinzip. Berlin 1996, 1–32, 3–18. 22 Fritz Pringsheim an Erich Genzmer vom 17.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 556–559. 23 Erich Genzmer an Hans Dölle vom 16.3.1959, Durchschlag für Helmut Coing, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert.
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sollte, ob die Gesellschaft ein solches Institut einrichten solle.24 Unter dem Vorsitz des Göttinger Historikers und MPI-Direktors Hermann Heimpel fragte die Kommission zahlreiche Gutachter,25 darunter Helmut Coing, ob das Institut überhaupt gegründet werden solle, ob es alles oder wenig erforschen solle, ob es eher die zentralen oder aber die peripheren Regionen der Rechtsgeschichte in den Blick nehmen solle, ob es eher durch einen einzelnen Direktor oder aber durch ein Kollegium geleitet werden solle, ob der oder die Direktoren mit ihren Universitäten verknüpft bleiben sollten oder nicht.26 Nach Personen und Orten fragte Heimpel zunächst nicht. Dieses Schweigen hätte das Harnack-Prinzip auf den Kopf gestellt, wenn Genzmer nicht bereits Personen und Ort vorgeschlagen hätte. Angesichts des Aufstands mancher Rechtshistoriker war die Kommission überrascht, wie positiv die Gutachten ausfielen,27 allerdings nicht für Genzmer und sein Konzept im Ganzen. Folgenlos blieb, dass in der Kommission selbst eines ihrer Mitglieder aktiv gegen den Gründungsplan arbeitete. Der Münsteraner Prälat Georg Schreiber glaubte selbst am besten zu wissen, wie vergleichende Rechtsgeschichte zu betreiben sei, und sprach Genzmer ebenso wie seinem kirchen(rechts)historischen Kollegen Mörsdorf die nötige Kompetenz ab, was die Kommission von vornherein nicht ernst nahm.28 In zwei Punkten 24 Niederschrift über die Sitzung der in der Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte eingesetzten Kommission vom 28.10.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 464–467. 25 Vollständige Liste der angefragten Gutachter in Niederschrift über die Sitzung der in der Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte eingesetzten Kommission vom 28.10.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 467, und bei Schäfer, Visionen, 2009, 517–535, 524, Fn. 48. 26 Unter anderem Hermann Heimpel an Helmut Coing vom 11.11.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; gleichlautend Hermann Heimpel an Hans Erich Feine vom 12.11.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 103–105; für ausländische Gutachter kürzer und geringfügig variiert etwa Hermann Heimpel an Stephan Kuttner vom 12.11.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 106–107. 27 Niederschrift über die Sitzung der Senatskommission für die Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 27.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 91–95. 28 Georg Schreiber an Hans Dölle vom 11.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 568; Niederschrift über die Sitzung der in der Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte eingesetzten Kommission vom 28.10.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 464–465; Georg Schreiber an Hermann Heimpel vom 22.2.1960, in den hier ermittelten Akten nicht überliefert, in Bezug genommen in Niederschrift über die Sitzung der Senatskommission für die Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 27.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, Nr. 1114, fol. 91, 95–96.; außerdem bei Hermann Heimpel an Georg Schreiber vom 29.2.1960, AMPG , II. Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 85–86; Hermann Heimpel an die Mitglieder der Senatskommission für die Frage der Gründung eines Max-PlanckInstituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 18.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 98; Klaus Mörsdorf an Hermann Heimpel vom 11.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 100 (auszugsweise Abschrift für die Senatskommission), fol. 200–203
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aber hatte Genzmer falsch kalkuliert. Für die Max-Planck-Gesellschaft war eine Kollegialverfassung ihrer Institute noch ungewohnt.29 Dies sprach gegen die vorgesehene Abteilungsstruktur.30 Für einen Emeritus wirkte die Aufgabe, ein solches Institut aufzubauen, zwar nicht zu groß, aber doch zu langwierig. Dies sprach gegen Genzmer selbst.31 In beiden Punkten wiesen die beiden – neben Coing – einflussreichsten Gutachter andere Wege. Wolfgang Kunkel, der eher aus Pflicht denn aus Neigung Genzmer zugesagt hatte, die romanistische Abteilung des Instituts zu übernehmen32, konterka rierte Genzmers Strukturentwurf durch den Vorschlag, das Institut nicht nach Abteilungen, sondern nach Projekten zu gliedern.33 Dies war insofern plausibel, als die drei traditionellen Fächer der Rechtsgeschichte gerade nicht mehr getrennt arbeiten, sondern ihre Erkenntnisinteressen auf gemeinsame Gegenstände richten sollten. Je nach Anzahl und Zuschnitt der Projekte konnte das Institut dadurch aber viel kleiner dimensioniert werden als mit Genzmers ausformuliertem Abteilungsorganigramm. Franz Wieacker präsentierte den idealen Kandidaten für die Leitung eines solchen Projektinstituts, allerdings erst an (vollständige Abschrift). – Zu Schreibers »konfliktreiche[r] Sonderstellung« im Beirat des Göttinger Instituts für Geschichte siehe Peter Schöttler: Das Max-Planck-Institut für Geschichte im historischen Kontext. Die Ära Heimpel. Berlin: GMPG -Preprint 2017, 28–29. 29 Die kollegiale Leitung wurde erst 1964, im offiziellen Gründungsjahr des Frankfurter Instituts, in die MPG -Satzung aufgenommen, Robert Gerwin: Im Windschatten der 68er ein Stück Demokratisierung. Die Satzungsreform von 1972 und das Harnack-Prinzip. In: Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko (Hg.): Die Kaiser-Wilhelm-/Max-PlanckGesellschaft und ihre Institute. Studien zu ihrer Geschichte: Das Harnack-Prinzip. Berlin 1996, 211–226, 211–212; Jaromír Balcar: Wandel durch Wachstum in »dynamischen Zeiten«. Die Max-Planck-Gesellschaft 1955 bis 1972. Berlin: GMPG -Preprint 2020, 106–111, 179–183. 30 Erich Genzmer, Vorschlag zur Gründung eines Max-Planck-Institutes für vergleichende Rechtsgeschichte vom 16.2.1959, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 575–582; Hermann Mosler an Hans Dölle vom 24.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 564–565; Helmut Coing an Hermann Mosler vom 20.5.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; Helmut Coing an Erich Genzmer vom 21.5.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; Helmut Coing an Erich Genzmer vom 30.5.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert.; Niederschrift über die Sitzung der Senatskommission für die Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 6.5.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 62; Wolfgang Kunkel an Helmut Coing vom 13.12.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert. 31 Niederschrift über die Sitzung der Senatskommission für die Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 27.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 95. 32 Fritz Pringsheim an Erich Genzmer vom 17.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 558–559. 33 Niederschrift über die Sitzung der Senatskommission für die Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 27.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 93, auf der Grundlage von Wolfgang Kunkel, Gutachten über die Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 2./3.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 187–189.
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dritter Stelle als Nachfolger von Erich Genzmer und als Alternative zu Wolfgang Kunkel: Helmut Coing.34 Dieser hatte von Anfang an vorgeschlagen, den Untersuchungszeitraum weit in die Neuzeit bis an die Schwelle der noch geltenden Kodifikationen zu verlängern.35 Hiermit stand er für die Nachbarschaft zum geltenden Recht und damit zu den juristischen Instituten innerhalb der Geisteswissenschaftlichen Sektion. Im Übrigen war er ein junger potentieller Alleindirektor, der noch zwanzig Jahre Amtszeit vor sich haben konnte, ausgestattet mit einer Hausmacht als erster Vorsitzender des Wissenschaftsrats, die er schon für die Institutsgründung hatte einsetzen wollen.36 Vor allem betrieb Coing mit der Privatrechtsgeschichte der Neuzeit ein junges Fach, das den arrivierten Romanisten und Mediävisten nicht im Weg stand, die gegen Genzmers Plan eines allzuständigen Großinstituts opponiert hatten. Genzmer gab der Max-Planck-Gesellschaft die Schuld, die das Verfahren zu lange verschleppt habe und nun Genzmer für zu alt erkläre, obwohl sie den Emeritus Hans Dölle zum Vizepräsidenten wählte.37 Coing, später selbst als Emeritus noch Vizepräsident, tröstete Genzmer38 – und wurde an dessen Stelle Direktor.
2. 1964–1980 Coing und die Max-Planck-Gesellschaft mussten unerwartet lange darauf warten, dass das Institut seine Arbeit aufnehmen konnte. Für die Gremien der Gesellschaft überraschend, entspann sich an dem Coing zugedachten Institut unter den Parteien des Königsteiner Staatsabkommens, welches die Finanzierung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen regelte,39 eine mehrjährige 34 Franz Wieacker, Gutachten vom 30.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 233. 35 Helmut Coing an Erich Genzmer vom 26.2.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, un paginiert. 36 Helmut Coing an Erich Genzmer vom 26.2.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; Helmut Coing an Hans Dölle vom 19.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 560–561; gleichlautend Helmut Coing an Hermann Mosler vom 19.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; Hans Dölle an Helmut Coing vom 23.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; vgl. auch Hermann Mosler an Helmut Coing vom 24.3.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; Helmut Coing an Erich Genzmer vom 21.5.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert. 37 Erich Genzmer an Helmut Coing vom 20.9.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert, darin Zitate aus einer Korrespondenz zwischen Hans Dölle und Erich Genzmer vom 22.7.1960 und 30.7.1960. Die hier ermittelten Quellen stützen nicht die Aussage von Coing, Genzmer, 1971, 574–584, 581, Genzmer sei von Anfang bewusst gewesen, dass er die Früchte seiner Bemühungen um die Institutsgründung nicht mehr ernten könne. 38 Helmut Coing an Erich Genzmer vom 18.12.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert. 39 Maria Osietzki: Wissenschaftsorganisation und Restauration. Der Aufbau außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und die Gründung des westdeutschen Staates. Köln 1984, 261–266.
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Grundsatzdebatte darüber, ob die Max-Planck-Gesellschaft überhaupt geisteswissenschaftliche Institute betreiben solle.40 Zwar gab es bereits die juristischen Institute in Hamburg und Heidelberg sowie das historische Institut in Göttingen, doch sollte dies die Neugründung von weiteren Instituten dieser Art nicht präjudizieren. Der ohnehin bestehende Konflikt zwischen Universitäten und Max-Planck-Gesellschaft, die nur subsidiär zu den Universitäten tätig werden sollte, wurde dadurch verschärft, dass bereits zu Anfang der 1960er Jahre die 40 Rückblickend Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Senats der Max-PlanckGesellschaft vom 12.3.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 293. Hierzu bereits Helmut Coing an Erich Genzmer vom 21.5.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert. Coing bezog sich hier auf eine telefonische Information von Hermann Mosler. Siehe außerdem Helmut Coing an Wolfgang Kunkel vom 27.11.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21; Hans Ballreich an Hermann Heimpel vom 19.9.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 176–177; Hans Ballreich an Hermann Heimpel vom 10.10.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 374; Memorandum von Helmut Coing über die Notwendigkeit geisteswissenschaftlicher Institute in der Max-Planck-Gesellschaft und Folgerungen für das Institut, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 531–533, übersandt mit Brief von Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 11.10.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 541–543; umfangreiche Korrespondenz zu Grundsatzfragen geisteswissenschaftliche Institute 1963/64, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 1114, fol. 237–348 verso. Das Institut betreffend: Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Unterausschusses der Ländergemeinschaft vom 20.6.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 144; Auszug aus der Niederschrift über die gemeinsame Sitzung des Haushaltsausschusses des Senats und des Verwaltungsrats der Max-Planck-Gesellschaft vom 15.7.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 143; ungezeichneter Vermerk über die Sitzung des Verwaltungsausschusses für das Königsteiner Staatsabkommen vom 4.10.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, Nr. 3997, fol. 544; auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift des Verwaltungsausschusses des Königsteiner Staatsabkommens vom 3./4.10.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 141–142. Zum Beschluss der Kultus- und Finanzminister fast gleichlautend Helmut Coing an Adolf Butenandt und Hans Ballreich vom 23.12.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 367–368; Hans Ballreich an Helmut Coing vom 8.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 366; zur vorausgegangenen Empfehlung des Verwaltungsausschusses des Königsteiner Staatsabkommens Hans Ballreich an Helmut Coing vom 7.10.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 138–139; Adolf Butenandt an den Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK) Richard Voigt vom 7.11.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 521–523; Adolf Butenandt an den (neuen) Präsidenten der Kultusministerkonferenz Willy Dehnkamp vom 20.12.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 516; Helmut Coing an den Hessischen Kultusminister Ernst Schütte vom 20.12.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 517–518; Willy Dehnkamp an Adolf Butenandt vom 8.1.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 513; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 28.1.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 508; Adolf Butenandt an Willy Dehnkamp vom 22.2.1963 (nicht abgesandt), AMPG , II. Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 495; Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 25.2.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 507; Hans Ballreich an Helmut Coing vom 16.3.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 403; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 26.6.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 389–396; Hans Ballreich an Hermann Heimpel vom 10.10.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 374. Weitere umfangreiche Korrespondenz in AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19, unpaginiert.
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Universitäten ausgebaut wurden, um den damals ausgerufenen »Notstand« von Bildung und Ausbildung zu mildern.41 Konkurriert wurde nicht allein um Geld, sondern auch um den akademischen Nachwuchs, der die neugeschaffenen Stellen an den Universitäten und den neu zu gründenden Max-Planck-Instituten besetzen sollte. Speziell bei Jura kommt bis heute hinzu, dass die Absolventen attraktive Alternativen in Justiz, Ministerien, Anwaltschaft und Unternehmen haben. Angesichts der ungeklärten Situation verlor Coing potentielle Mitarbeiter an die Universitäten gerade dadurch, dass die Kultusminister die von ihnen unterhaltenen Universitäten vor konkurrierenden Arbeitgebern wie Coings Institut bewahren wollten.42 Eine Zeitlang fürchtete Coing (oder drohte damit), dass er den Ruf der Max-PlanckGesellschaft ablehnen müsse, weil es ihm nicht gelingen werde, die nötigen Mitarbeiter für das Institut zu gewinnen.43 Die Kultusminister mischten sich sogar in die Benennung des Instituts ein.44 Dieses durfte entgegen Genzmers Vorschlag kein Institut für »vergleichende Rechtsgeschichte« sein, da die Nähe zur universitären Rechtsvergleichung und vergleichenden Rechtsgeschichte zu groß erschien.45 Stattdessen ersann Paul Mikat, nicht allein Rechtshistoriker, sondern zu dieser Zeit Kultusminister von Nordrhein-Westfalen, das Institut für »europäische Rechtsgeschichte«, für das es an deutschen Universitäten keine Vorbilder gab, die sich vom neuen MaxPlanck-Institut hätten überstrahlt fühlen können.46 Coing verzichtete höchst un41 Wissenschaftsrat: Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Teil I: Wissenschaftliche Hochschulen. Bundesdruckerei 1960, 8; Helmut Coing: Universitäten im Notstand. Ein Vortrag von Professor Helmut Coing über Lage und Ausbau der deutschen Hochschulen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.2.1960), 11. Zu diesem Kontext der Institutsgründung Adolf Butenandt an den damaligen Präsidenten der Kultusministerkonferenz Richard Voigt vom 7.11.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 522. 42 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 26.6.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 395; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 12.2.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 351. 43 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 2.1.1964, AMPG, II. Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpagi niert; Helmut Coing an Hans Ballreich vom 7.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 10.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Vermerk von Hans Ballreich für Adolf Butenandt vom 29.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Hans Ballreich vom 29.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Edmund Marsch vom 10.2.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 355. 44 Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Senats der Max-Planck-Gesellschaft vom 15.5.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 147–148; »Drehbuch« für den Verwaltungsrat und Senat vom 6.11.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 136–137. 45 Eingehend zum Folgenden bereits Schäfer, Visionen, 2009, 517–535, 532–533. 46 Staatssekretär im Hessischen Kultusministerium Walter Müller an Helmut Coing vom 13.5.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19, unpaginiert; Hans Ballreich an Helmut Coing vom 27.12.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, Helmut Coing an Wolfgang Kunkel vom 3.7.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19; Vermerk für Hans Ballreich über Anruf von Helmut Coing vom 22.3.1963 nach Gespräch mit Paul Mikat, AMPG , II . Abt.,
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gern auf das Attribut »vergleichend«, das er gern mit »europäisch« kombiniert hätte.47 Europa, das Leitmotiv des Instituts, erscheint auch im Institut mindestens rückblickend als ein außenpolitisch motiviertes Narrativ der gemeinsamen Wurzeln des gemeinsamen Rechts eines zu vereinigenden Kontinents.48 Unpathetische Anklänge hierzu gab es im Gründungsvorschlag von Genzmer,49 ebenso zurückhaltend in Coings erstem Gutachten50 und seinem ersten Beitrag in der neu gegründeten Institutszeitschrift.51 Den hohen Ton schlugen nur wenige Gutachter an,52 Coing prominent erst bei der Einweihung des Instituts53 und dann immer wieder bis zu seinen letzten Texten.54 In den Institutsnamen fand Europa aber aufgrund eines wissenschaftspolitischen Formelkompromisses, mochte dieser auch in der Luft liegen oder von Coing mit in die Luft gelegt worden sein.55
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Rep. 66, Nr. 3997, fol. 502; zum Wiener Vorbild Hans Thieme an Hermann Heimpel vom 10.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 209; Gutachten von Franz Wieacker vom 30.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 233. Vermerk von Günther Preiß für Hans Ballreich vom 24.2.1964 nach einem Gespräch mit Walter Wilhelm, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 345; Vermerk von Hans Ballreich für Günther Preiß vom 19.3.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 335; Helmut Coing an Hans Ballreich vom 27.6.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19, unpaginiert; anders noch Helmut Coing an Paul Mikat vom 19.3.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19, unpaginiert. Marie Theres Fögen und Michael Stolleis, Highlights laufender Forschung und Langfristige Forschungsfragen, übersandt an Peter Gruss per e-mail vom 26.5.2003 16:22 Uhr, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Michael Stolleis, Gedanken zur Nachfolgeberufung im MPI für europäische Rechtsgeschichte vom Mai 2005, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 461 verso –462. Erich Genzmer, Vorschlag zur Gründung eines Max-Planck-Institutes für vergleichende Rechtsgeschichte vom 16.2.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 573–574. Helmut Coing, Gutachten vom 21.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 149; ähnlich Helmut Coing: Aus der Arbeit des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt / Main. Mitteilungen aus der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Heft 6 (1966), 356–366, 360. Helmut Coing: Die europäische Privatrechtsgeschichte der neueren Zeit als einheitliches Forschungsgebiet. Ius Commune 1 (1967), 1–33, 29. Georg Dahm, Gutachten vom 1.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 166; Hans Liermann, Gutachtliche Äußerung zur Frage der Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 25.1.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 193, 198; Klaus Mörsdorf an Hermann Heimpel vom 11.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 201. Helmut Coing: Festvortrag: Forschungsaufgaben des Instituts. Mitteilungen aus der MaxPlanck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Heft 5 (1968), 338–356, 353, 355. Helmut Coing: Europäisches Privatrecht. 19. Jahrhundert. Überblick über die Entwicklung des Privatrechts in den ehemals gemeinrechtlichen Ländern. Bd. 2. München 1989, V; Helmut Coing: Europäisierung der Rechtswissenschaften. Neue Juristische Wochenschrift 43/15 (1990), 937–941. Helmut Coing: Rezension zu Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, von Ernst Robert Curtius. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 69 (1952), 530–533, 531.
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Nachdem Coing den Ruf trotz seiner Sorgen um das künftige Personal angenommen hatte, strapazierten vier weitere Aufbaujahre seine Geduld so sehr, dass er auf halbem Weg am Sinn seiner Tätigkeit für das Institut zu zweifeln begann.56 Die Frage, in welcher Stadt das Institut entstehen sollte, hatte Coing zugunsten Frankfurts gegen München, Köln und Hamburg entschieden.57 Die Frankfurter Universität war ihm hinsichtlich der in das Institut zu über führenden Buchbestände weit entgegengekommen,58 zudem hatte Coing dort bereits ein Ordinariat inne, auf das man ihm andernorts erst hätte berufen müssen.59 Dafür entstand nun das während der kommenden zweieinhalb Jahrzehnte ungelöste Problem, in welchem Gebäude das Institut dauerhaft unterzubringen sei. Die ersten Organisationsarbeiten erfolgten in den Räumen und mit den Mitarbeitern von Coings Universitätsinstitut für Römisches Recht und Rezeptionsgeschichte in der Mertonstraße 17 in Bockenheim.60 Bald darauf konnte er mit Vollmacht der Generalverwaltung zwei Etagen in der Feldbergstraße 26/28 im Westend anmieten, um ab 1. April 1964 die eigentliche Institutsarbeit aufzu nehmen.61 Dort sollte das Institut aber nur so lange bleiben, bis in Niederrad ein 56 Memorandum von Helmut Coing vom 26.5.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 64–65. 57 Helmut Coing an den Dekan der Frankfurter Rechtswissenschaftlichen Fakultät vom 3.1.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert; Vermerk von Hans Ballreich vom 12.1.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 447–448; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 27.2.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 442; Vermerk von Hans Ballreich für Adolf Butenandt vom 26.3.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 437– 438; Vermerk von Helmut Coing über Besprechungen in München, übersandt mit Brief von Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 26.6.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 389–396, 397–401; Vermerk Hans Ballreich vom 22.10.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 545–546; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 22.10.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 541–543; Hans Ballreich an Helmut Coing vom 5.11.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 538; Helmut Coing an Helene von Bila vom 2.10.1962, AMPG, II. Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helene von Bila an Helmut Coing vom 4.10.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 1.2.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 58 Coing, Aus der Arbeit, 1966, 356–366, 361. 59 Helmut Coing an Wolfgang Kunkel vom 23.7.1962 und 8.10.1962 AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19, unpaginiert, dort weitere umfangreiche Korrespondenz Coings zur Ortsfrage. 60 Walter Wilhelm, Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte, Vermerk vom 25.2.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 189. 61 Hans Ballreich an Helmut Coing vom 15.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 364–365; Hans Ballreich an Helmut Coing vom 24.1.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 358; Günther Preiß an »Fräulein« Witte, Verwaltung der Max-Planck-Gesell schaft in Göttingen, vom 12.2.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 353–354; Helmut Coing an Geschäftsstelle Düsseldorf der Max-Planck-Gesellschaft vom 8.6.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 286; Walter Wilhelm, Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte, Vermerk vom 25.2.1966, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 189.
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Institutsgebäude mit benachbarter Direktorenvilla gebaut sein würde.62 Coing hatte sich diese, für Direktoren der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft noch selbstverständliche Verbindung von Arbeits- und Lebensmittelpunkt, ausdrücklich ausbedungen.63 Da sich die Planungen in Niederrad hinzogen64, erwarb die Gesellschaft im Westend, in der Freiherr-vom-Stein-Straße 7, ein Jahrhundertwendehaus für das Institut,65 das mit allerlei Prominenz als erster eigener Institutssitz eingeweiht wurde.66 Für eine Direktorenwohnung war dort freilich kein Platz. In seiner bisherigen Wohnung in der Kennedyallee 96 war Coing mit einer hohen Mietsteigerung konfrontiert, nachdem die Wohnraumbewirtschaftung der Nachkriegszeit in diesem Gebiet aufgehoben worden war.67 Da das Direktorenhaus längst hätte fertiggestellt sein sollen, ließ sich Coing von der Max-Planck-Gesellschaft durch einen Mietzuschuss entschädigen,68 bis er in Niederrad auf eigens für ihn umgewidmetem Straßenland69 mit einem 62 Adolf Butenandt an den Frankfurter Oberbürgermeister Werner Bockelmann vom 26.3. 1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 435–436; Werner Bockelmann an Adolf Butenandt vom 9.4.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 434; Memorandum von Helmut Coing vom 26.5.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, Nr. 3998, fol. 58–65. Weitere Korrespondenz zur Planung in Niederrad, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19, unpaginiert. 63 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 5.4.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 409–410; ähnlich Vermerk von Hans Ballreich für Adolf Butenandt vom 22.11.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 373. Für diese Direktorenvilla hätte Coing eine »Dienstwohnungsvergütung« entrichten müssen, Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 9.12.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Hans Ballreich an Helmut Coing vom 16.3.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. Siehe auch Helmut Coing an Hans Ballreich vom 29.5.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19, unpaginiert; Hans Ballreich an Helmut Coing vom 10.6.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19; Helmut Coing an Hans Ballreich vom 5.8.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 19. 64 Memorandum von Helmut Coing vom 26.5.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 59–60. 65 Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Senats der Max-Planck-Gesellschaft vom 29.11.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3998, fol. 53. 66 Einweihung, 1968, 332–356. Weitere Dokumente zur Einweihung in AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21; AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 23–156. 67 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Abteilung III an Interne Revision vom 11.1.1973, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. – Zur Einführung »weißer Kreise« ohne Mietpreisbindung Karl Christian Führer: Die Stadt, das Geld und der Markt: Immobilienspekulation in der Bundesrepublik 1960–1985. Berlin 2016, 103, 237 ff. 68 Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 11.7.1966, AMPG , II. Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Friedrich Schneider an Helmut Coing vom 25.7.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 1.3.1967, AMPG , II. Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 14.11.1967, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Friedrich Schneider von 4.11.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Winfried Roeske und Günther Preiß an Helmut Coing vom 10.4.1967, AMPG , II. Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Kurt Pfuhl an Helmut Coing vom 10.7.1967, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 69 Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 11.7.1966, AMPG , II. Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 4.11.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert.
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Wohnbaudarlehen der Gesellschaft einen Bungalow errichten lassen konnte.70 Die großzügige Umzugsfinanzierung schloss die Kosten für die Anschaffung neuer Töpfe und Pfannen ein.71 Für den Dienstmercedes, den Coing noch vor der Rufannahme bestellt hatte, berechnete er der Max-Planck-Gesellschaft Garagenmiete.72 Diese aus unpublizierten Quellen gewonnenen Andeutungen über den Institutsdirektor und den homo oeconomicus Coing fügen sich durchaus in das Bild, das in Gratulationen, Nachrufen oder sonstigen Würdigungen von Coing überliefert ist oder kolportiert wird.73 Coing war demnach distinguiert (aus altem hugenottischen Adel), diszipliniert (aus einer preußischen Offiziersfamilie) und distanziert; seine Sprache eloquent und elegant, aber weniger im Sinne 70 Darlehensvertrag vom 4.10.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 71 Aufstellung der Umzugskosten für den Umzug vom 20.12.1967, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 72 Hessischer Rechnungshof an Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft vom 28.11.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4035, fol. 194. – Zur Prüfung der Max-PlanckGesellschaft durch die Rechnungshöfe aller Bundesländer der damalige Leiter der Finanzabteilung Manfred Meinecke: Diskussionsbeitrag. In: Franz Letzelter und Heinrich Reinermann (Hg.): Wissenschaft, Forschung und Rechnungshöfe. Wirtschaftlichkeit und ihre Kontrolle. Berlin 1981, 153–154. doi:10.3790/978-3-428-45077-0. 73 Die vom Institut gesammelten Zeitungstexte sind überliefert in: AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 22, unpaginiert, unter anderem tt., Ein vielseitiger Rechtsgelehrter. Professor Helmut Coing wird Montag sechzig Jahre alt. Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.1972), 30; kü., Helmut Coing 60. Frankfurter Allgemeine Zeitung (28.2.1972), 3; kt., Fragen des Dritten Reiches an die Juristen. Der Rechtsgelehrte und Philosoph Helmut Coing wird 70. Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.1982), 49; Fernando Wassner: Helmut Coing 70 Jahre. Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.2.1982), 4; Kurt Reumann: Ein Vorbild. Frankfurter Allgemeine Zeitung (7.10.1985), 12; Kurt Reumann: Helmut Coing 75. Frankfurter Allgemeine Zeitung (28.2.1987), 4; Franz Horeni: Frankfurt und Frankfurter. Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.2.1992), 40; Michael Stolleis: Von Bologna bis Brüssel. Helmut Coing, Kenner und Förderer europäischer Rechtskultur, wird achtzig. Frankfurter Allgemeine Zeitung (28.2.1992), 31; Friedrich Karl Fromme: Helmut Coing 85. Frankfurter Allgemeine Zeitung (28.2.1997), 4; Dieter Simon: Zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik. Helmut Coing (28.2.1912–15.8.2000). In: Neue Juristische Wochenschrift 54 (2001), 1029–1032; Michael Stolleis: Dreiklang des Rechts. Der Visionär eines europäischen »Ius commune«. Zum Tod des vielseitig gelehrten Helmut Coing. Frankfurter Allgemeine Zeitung (17.8.2000), 45; Dieter Simon und Michael Stolleis: Helmut Coing. Traueranzeige des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte. Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.8.2000), 49. Siehe außerdem Rede von Reimar Lüst (verfasst von Dirk von Staden vom 28.1.1980) vom 27.2.1980, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 488; Knut Wolfgang Nörr: Über das Geistige im Recht: ein Nachruf auf Helmut Coing. Juristenzeitung 9/56 (2001), 449–453; Klaus Luig: Helmut Coing (1912–2000). In: Stefan Grundmann und Karl Riesenhuber (Hg.): Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler. Eine Ideengeschichte in Einzeldarstellungen. Berlin 2007, 57–70. Reinhard Zimmermann: Coing, Helmut: Für Wissenschaften und Künste: Lebensbericht eines europäischen Rechtsgelehrten. Hrsg., komm. und mit einem Nachwort von Michael F. Feldkamp. Berlin 2014. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 79/1 (2015), 219. doi:10.1628/003372515X14188198291994.
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von Esprit, sondern eher im Sinne von Effizienz, die wissenschaftliche oder wissenschaftspolitische Texte ebenso wie Diskussionen in Gremiensitzungen auf einen überzeugenden, weil leicht zu verarbeitenden Kern reduziert, sparsam mit Zeit und Mitteln auch hier. Ein Bild allerdings ist greller gezeichnet als andere. Aus Sparsamkeit wird Geiz, wenn man liest, wie Coing im Verbund mit seiner Ehefrau Hilde das reisehalber vorübergehend unbewohnte Eigenheim der Familie kostenneutral von Institutsmitarbeitern hüten ließ, und aus Geiz wird, wenn er auf den Menschen und Wissenschaftler hochgerechnet wird, »pure Armseligkeit«.74 Ein wissenschaftliches Urteil soll hier nicht mit menschlichen Defiziten begründet werden. Es wird im vorliegenden Kontext auch nicht aufgrund der Zahl seiner Posten, Orden und vielseitigen Veröffentlichungen formuliert, sondern aufgrund seines wissenschaftlichen Programms für das Institut. Coing kannte seine Grenzen. Ein Genzmer-Programm formulierte er deshalb ausdrücklich nicht.75 Seine Vorstellungen für die Institutsarbeit beruhten auf einem Stufenplan. Zunächst sollten Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte ermittelt und dokumentiert werden.76 Auf dieser Grundlage sollte die Dogmen- und Institutionengeschichte des neueren Privatrechts erforscht werden. Diese Ergebnisse sollten mit der Wirtschafts- und Sozial geschichte der jeweiligen Zeit konfrontiert werden.77 Im Zentrum stand das lateinische Mittelalter, was gewisse Berührungspunkte mit Osteuropa einschloss. Die Geschichte des öffentliches Rechts sollte zumindest insoweit einbezogen werden, als die Privatrechtsgeschichte unter bestimmten verfassungsrechts historischen Voraussetzungen verlief.78 Einen interdisziplinären Anknüpfungspunkt hatte Coing in der Rechtsphilosophie.79 Für Coings Nachfolger war die 74 Rainer Maria Kiesow: Coings Diktat. myops 23 (2015), 4–9. 75 Vermerk von Helmut Coing zur »Aufgabe des Instituts«, übersandt mit Schreiben von Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 5.4.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 417–424. 76 Undatiertes Konzept »Arbeitsvorhaben: Quellen und Literatur der vergleichenden neueren Privatrechtsgeschichte«, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 229–268, übersandt mit dem Tätigkeitsbericht für 1967 und Beginn 1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 226–228; Coing, Festvortrag, 1968, 338–356, 343. 77 Coing, Festvortrag, 1968, 338–356, 339. 78 Soweit ersichtlich erstmals im Organisationsplan vom 12.2.1965, übersandt mit Schreiben von Helmut Coing an Günther Preiß vom 12.2.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 297–301, entgegen dem Organisationsplan (Endzustand), übersandt mit Schreiben von Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 5.4.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 409–410, 425–428; Konzept (Fn. 76), fol. 233. Öffentlich dann Coing, Aus der Arbeit, 1966, 356–366, 362; Coing, Festvortrag, 1968, 338–356, 348–349. 79 Dazu Nörr, Über das Geistige, 2001, 449–453, 450–451; Luig, Coing, 2007, 57–70, 60–61; Simon, Zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik, S. 1029, 1032; Lena Foljanty: Methode und Zivilrecht bei Helmut Coing (1912–2000). In: Joachim Rückert und Ralf Seinecke (Hg.): Methodik des Zivilrechts – von Savigny bis Teubner. 3. Aufl. Baden-Baden 2017, 318–342; Joachim Rückert: Die NS -Jurisprudenz und ihre methodischen Kontinui-
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Wirtschafts- und Sozialgeschichte wichtiger als die Dogmen- und Institutionengeschichte, Osteuropa bezog das byzantinische Recht und das Recht hinter dem Eisernen Vorhang ein, das öffentliche Recht war nicht Rahmenhandlung, sondern Meistererzählung, Nachbardisziplinen waren Soziologie und Evolutionstheorie, Europa verschob sich vom Zentrum an die Peripherie. Wenngleich das von Coing herausgegebene »Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte«80 weder in seiner Amtszeit noch danach wirklich abgeschlossen wurde, eine europäische Institutionengeschichte erst als Alterswerk Coings entstehen konnte,81 die Forschungen der Institutsmitarbeiter zu Osteuropa, öffentlichem Recht und interdisziplinären Grundlagen ernsthaft erst bei seinen Nachfolgern in den Mittelpunkt der Institutsarbeit gestellt wurden – wenngleich also das Institut nach Coing immer wieder ein ganz anderes wurde, als es zu Coings Zeiten war, so reichte sein Institutsprogramm doch weit über seine Amts- und Lebenszeit hinaus82 und ließ Erweiterungen zu, denen er auch nach seiner Emeritierung mit einer gewissen Offenheit begegnete. Um seinem Programm zu folgen, benötigte Coing kein Genzmer-Institut mit vier Abteilungen, sondern lediglich ein »persönliches Arbeitsinstrument«,83 das ihm Präsident Adolf Butenandt als Grundausstattung eines Max-PlanckDirektors zugestand.84 Seine ersten Mitarbeiter wie Walter Wilhelm gewann Coing aus seinen Universitätsseminaren,85 später auch aus dem Kreis der inund ausländischen Stipendiaten.86 Die Bibliothek als wichtigste Arbeitsgrundlage des Instituts begann mit einem Büchermagazin in der Westendstraße 58, im Übrigen war der Bestand zunächst auf die zwanzig Mitarbeiterzimmer in der Feldbergstraße 28 verteilt.87 Die Bibliothek wuchs ständig und trug damit täten. In: Joachim Rückert (Hg.): Unrecht durch Recht. Zur Rechtsgeschichte der NS -Zeit. Tübingen 2018, 271–286, 280 ff. 80 Helmut Coing (Hg.): Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte. Bd. 1–3. München 1973–1988. 81 Helmut Coing: Europäisches Privatrecht. Älteres Gemeines Recht (1500 bis 1800). Bd. 1. München 1985; Coing, Europäisches Privatrecht, 1989, Bd. 2. 82 Entsprechende Vorhersage in Helmut Coing an Hans Ballreich vom 13.2.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 348–349. 83 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 12.2.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 351–352; Helmut Coing an Hans Ballreich vom 13.2.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 347–350, daraus das Zitat. 84 Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 21.2.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 346. 85 Interview mit Heinz Mohnhaupt. Unveröffentlicht. 23.7.2018; Interview mit Dieter Grimm. Unveröffentlicht. 25.7.2018. Auch später meinte Coing, eine »Auswahl geeigneter Mitarbeiter aus dem Kreis der Seminarteilnehmer habe sich bisher noch als bester Weg erwiesen«, Protokoll von Heinz Mohnhaupt über die Sitzung des Kuratoriums vom 10.3.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 352. 86 Protokoll von Heinz Mohnhaupt über die Sitzung des Kuratoriums vom 10.3.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 354. 87 Walter Wilhelm, Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte, Vermerk vom 25.2.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 189.
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außer zur Produktivität des Instituts unvermeidlich zu jahrelangen Platzproblemen in den wechselnden Institutsgebäuden bei, in denen die drohende Kellerfeuchtigkeit ebenso bedacht werden musste wie die Statik der Altbaudecken in den Etagen.88 Als einen gewissen Ersatz für das noch nicht verbreitete Direktorenkollegium hatte Hermann Mosler schon Genzmer einen Beirat oder ein Kuratorium empfohlen.89 Coing ließ unter dem Vorsitz von Robert Feenstra einen »auswärtigen« wissenschaftlichen Beirat berufen,90 dem keine Frankfurter Kollegen angehören sollten.91 Darin drückte sich (noch) keine Distanz zur Frankfurter Universität aus.92 Im Gegenteil hielt Coing das Angebot, seine Fakultätskollegen im Institut arbeiten zu lassen, schon wegen des Beitrags der Universität zum Bibliotheksbestand93 des Instituts für selbstverständlich. Auf den Rat der auswärtigen Kollegen, die wie er das ius commune erforschten, war er hingegen angewiesen; der Beirat war kein Ornament.94 Um das Institut in Frankfurt zu verwurzeln, wurde unter dem Vorsitz von Walter Hallstein ein Kuratorium gegründet, dem neben (nicht nur Frankfurter) Unternehmern und Managern auch städtische Honoratioren angehörten.95 Das Kuratorium beschränkte sich weitgehend auf die Funktion, den Haushaltsentwurf des Instituts zu bestätigen, bevor er der
88 So bereits Erich Genzmer, Vorschlag zur Gründung eines Max-Planck-Institutes für vergleichende Rechtsgeschichte vom 16.2.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 586; dann Dieter Simon an Herbert Grünewald vom 6.2.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 60, unpaginiert; Dieter Simon, Interner Rechenschaftsbericht zu unabgeschlossenen Institutsaufgaben vom 16.12.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 89 Helmut Coing an Erich Genzmer vom 21.5.1959, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 21, unpaginiert, nach Telefonat mit Mosler; ähnlich Wolfgang Kunkel, Gutachten über die Gründung eines Max-Planck-Instituts für vergleichende Rechtsgeschichte vom 2./3.2.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1114, fol. 189. 90 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 22.11.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 159–160. 91 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 27.6.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 152; Helmut Coing an Günther Preiß vom 5.10.1966, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 149. 92 Über enge Kontakte zur Frankfurter Universität berichtet Helmut Coing an Günther Preiß vom 5.10.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 149. Ähnlich undatierter Institutsbericht, vermutlich von 1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, Nr. 3997, fol. 222. 93 Coing, Aus der Arbeit, 1966, 356–366, 361. 94 Mitgliederlisten, Ernennungsschreiben und Korrespondenz mit den Mitgliedern, AMPG, II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 12–27, 78–81, 90–95, 97–120, 146. Im Rückblick Robert Feenstra, Grußwort zum Jubiläumsfest am 03.11.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 22, unpaginiert 95 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 25.9.1967, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3999, fol. 432–434; Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 4.10.1967, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3999, fol. 428; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 19.10.1967, 26.10.1967 und 8.1.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3999, fol. 427, 425, 423; Edmund Marsch an Helmut Coing vom 10.1.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3999, fol. 421–422
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Generalverwaltung zuging.96 Wegen Bedeutungslosigkeit wurde das Kuratorium aufgelöst, als die Max-Planck-Gesellschaft ihren Instituten professionellere Gremien verordnete.97 Aus der Mitte des großen Beirats wurde ein fünfköpfiger Fachausschuss gewählt,98 den Coing ganz offen als Organ der »Leistungskontrolle« identifizierte99 und der in den 1980er Jahren große Bedeutung bekommen sollte. In den Anfangsjahren waren die Beiratssitzungen eher Kolloquien als Stunden der Rechenschaft.100 96 Protokoll von Helmut Coing vom 7.6.1968 zur konstituierenden Sitzung des Kuratoriums vom 14.5.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3999, fol. 381–383; ebenso Protokoll von Walter Wilhelm vom 3.4.1969 zur Sitzung des Kuratoriums vom 14.3.1969, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3999, fol. 378–379; Protokoll von Heinz Mohnhaupt über die Sitzung des Kuratoriums vom 10.3.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 354–355. Listen zur Zusammensetzung von 1968–1973, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4034, Nr. 3999, fol. 4, 6–11; AMPG , II. Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 52, dort fol. 43–44 auch die satzungsmäßigen Grundlagen des Kuratoriums. 97 Vermerk von Günther Preiß vom 7.2.1975, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 498 verso; Entwurf für die Änderung der Institutssatzung in Materialien für die Sitzung des Senats vom 7.3.1975, Tätigkeitsbericht des Instituts für die Zeit vom 1.9.1976 bis 31.5.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 447–452; Vermerk von Günther Preiß für Reimar Lüst vom 14.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 206. Das Kuratorium wurde Anfang des neuen Jahrtausends für einige Zeit wiederbelebt, Marie Theres Fögen an Peter Gruss vom 13.11.2002, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Vorüberlegungen dazu bei Michael Stolleis, Max-Planck-Institut für europäische Rechtgeschichte Frankfurt am Main. Zukunftsperspektiven, undatierter Entwurf, per Fax versandt an Dieter Simon am 2.1.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Dieter Simon an Michael Stolleis vom 10.1.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, Protokoll von Hans-Andreas Schönfeldt vom 7.2.1995 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27, unpaginiert; Protokoll von Gudrun Kienast vom 13.3.1995 zur 21. Sitzung des Fachbeirats vom 3.3.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 222. 98 Dokumente zu Einrichtung, Besetzung und Kompetenz des Fachausschusses, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 278–314; AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 31–38, 70–81. Zu den satzungsmäßigen Grundlagen des ursprünglichen Fachbeirats nach der Institutssatzung von 1966 AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 44–45. 99 Protokoll von Christoph Bergfeld vom 11.4.1974 zur Sitzung des Kuratoriums [sic] vom 4.4.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 347–348. Vgl. Niederschrift von Christoph Bergfeld über die Beratungen der 7. Tagung des Fachbeirats vom 6.4.1973, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 518; Niederschrift von Gero Dolezalek über die Beratungen der 8. Tagung des Fachbeirats vom 1.11.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 366; Helmut Coing an Günther Preiß vom 13.8.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 296–297. Relativierend Coing in Protokoll von Christoph Bergfeld vom 1.2.1976 zur Institutskonferenz vom 16.1.1975, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert. 100 Siehe etwa Tagesordnungen für Sitzungen des wissenschaftlichen Beirats vom 19.11.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 50; vom 13.5.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 38; vom 28.11.1969, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 40; Niederschrift von Peter Weimar über die Beratungen der 4. Tagung des Fachbeirats vom 28.11.1969, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4000, fol. 3–11; Protokoll von Heinz Mohnhaupt über die 3. Sitzung des Fachbeirats vom 13.5.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 576–601; Niederschrift von Ernst Holthöfer vom 15.12.1970 über die Beratungen der 5. Tagung des Fachbeirats vom 27.11.1970, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 563–575; Niederschrift
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Nichts anderes galt für die monatlichen Institutskonferenzen.101 Coing blieb darin der Direktor, der die Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter abfragte, um sie für seine und des Instituts Publikationen zu verwenden, auch wenn ihm Fairness bescheinigt wird.102 Er musste kein primus inter pares sein, um aus ganz pragmatischen Gründen daran interessiert zu sein, was die Mitarbeiter einzubringen hatten. Die maßgeblich von Dieter Grimm durchgesetzte »Mitberatung«103 war Coing zwar fremd, weil er nicht an Demokratie in der Wissenschaft glaubte.104 Wenn er sie gleichwohl als bewährt lobte, dann als willkommenes Instrument des wissenschaftlichen Austauschs.105 Das Institutsleben war noch familiär. Die Wege im Westend waren kurz – im Haus und außerhalb. Man traf sich zum Mittag- und zum Teil auch zum Abendessen, pflegte Duz-Freundschaften, spielte Tennis mit dem stets gesiezten Walter Wilhelm, wurde wenige Male zum etwas steifen Kaffee bei Coings eingeladen – mit Damen, von denen erwartet wurde, dass sie Frau Coing zur Hand gingen – oder unternahm Betriebsausflüge, zu denen sich Coing für einige Stunden vom Chauffeur bringen ließ.106 Frauen im Institut gab es in Bibliothek und Sekretariat, bis mit Barbara Dölemeyer 1972 die erste wissenschaftliche Mitarbeiterin eingestellt wurde, der seitens des Direktors keine andere Behandlung als ihren
von Filippo Ranieri vom 5.12.1971 über die Beratungen der 6. Tagung des Fachbeirats vom 3.12.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 550–562; Niederschrift von Christoph Bergfeld über die Beratungen der 7. Tagung des Fachbeirats vom 6.4.1973, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 516–526. 101 Undatierter Entwurf einer Verfahrensordnung für die Wissenschaftliche Institutskonferenz im MPI für Europäische Rechtsgeschichte, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. Exemplarisch Protokoll von Heinz Mohnhaupt vom 18.4.1975 zur Institutskonferenz vom 11.4.1975, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert. Zum Umfang der Wiedergabe der Diskussionen Protokoll von Wolfgang Wagner vom 5.9.1979 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16. 102 Protokoll von Barbara Dölemeyer vom 8.2.1980 zur Institutskonferenz vom 7.2.1980, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert. 103 Gerwin, Im Windschatten der 68er, 1996, 211–226; Ingrid Gilcher-Holtey: Verfassung gestern: Rebell in Robe? In: Ulrike Davy und Gertrude Lübbe-Wolff (Hg.): Verfassung: Geschichte, Gegenwart, Zukunft. Autorenkolloquium mit Dieter Grimm. Baden-Baden 2018, 45–61, 52–53, auf der Grundlage von Dieter Grimm: „Ich bin ein Freund der Verfassung“. Wissenschaftsbiographisches Interview von Oliver Lepsius, Christian Waldhoff und Matthias Roßbach mit Dieter Grimm, 2017, S. 77–78. Vgl. Dieter Grimm an Reimar Lüst vom 31.10.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 154. 104 Rüdiger Moniac: Wohin steuern unsere Universitäten? »Sie gehorcht nur dem aristokratischen Geist« / Eine Umfrage bei elf Frankfurter Professoren. Frankfurter Allgemeine Zeitung (30.11.1967), 20. 105 Tätigkeitsbericht des Instituts für die Zeit vom 1.6.1971 bis 31.5.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3996, fol. 126; Protokoll von Heinz Mohnhaupt über die Sitzung des Kuratoriums vom 10.3.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 353. 106 Interview Mohnhaupt, 23.7.2018; Interview mit Barbara Dölemeyer. Unveröffentlicht. 24.7.2018; Interview Grimm, 25.7.2018.
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männlichen Kollegen zuteil wurde, abgesehen von Coings Rücksichtnahme auf ihre Mutterschaft.107 Coings Verhältnis zur Frankfurter Universität, deren Ordinarius er nach wie vor war, änderte sich durch die Studentenbewegung. Das Sommersemester 1968 war für ihn eine Wiederkehr des Sommersemesters 1933.108 Anders als 1933 dachte er nun daran, ins Exil zu gehen. Als er einen Ruf nach Bern erhielt,109 wollte er das Institut dorthin mitnehmen110. Da dies für die MaxPlanck-Gesellschaft offenbar nicht ernsthaft in Betracht kam, erwog Coing die Möglichkeit, das Institut von Bern aus zu leiten.111 Hierfür brauchte er Statthalter in Frankfurt und erreichte, dass Knut Wolfgang Nörr und Walter Wilhelm zu wissenschaftlichen Mitgliedern des Instituts berufen wurden.112 Zwar lehnte Coing den Berner Ruf ab, gab das Frankfurter Ordinariat auf und fand in der Max-Planck-Gesellschaft endgültig seine wissenschaftliche Heimat, die allein ihn an Deutschland band.113 Doch hatte er, wie es schien, seine Nachfolge längst 107 Interview Dölemeyer, 24.7.2018. Als weitere Momentaufnahme: 1988 betrug das Verhältnis von Männern und Frauen auf den 18 Stellen für Wissenschaftliche Mitarbeiter 14 zu 4, Dieter Simon, Vorstellung des MPI für Europäische Rechtsgeschichte auf der Sektionssitzung in Heidelberg vom 03.02.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 108 Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 24.9.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 109 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 30.7.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 30.7.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 110 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 27.8.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 111 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 30.3.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 20.10.1970, AMPG, II. Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Auszug aus der Verwaltungsratssitzung im Anschluss an die gemeinsame Haushaltsausschuss- und Verwaltungsratssitzung vom 13.11.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 112 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 26.3.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4011, fol. 82–83; Vermerk von Günther Preiß vom 26.6.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4011, fol. 78; Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 4.6.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4011, fol. 79; Materialien für die Sitzung des Senats vom 24.11.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3996, fol. 78–81; Auszug aus dem Ergebnisprotokoll der 67. Senatssitzung vom 24.11.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4011, fol. 54; Vermerk von Edmund Marsch vom 26.10.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Materialien für die Sitzung des Verwaltungsrats vom 23.11.1970, AMPG, II. Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 113 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 24.3.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 6.4.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 11.2.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 3.3.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 8.3.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 27.6.1972, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Reimar Lüst vom 8.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423; Helmut Coing an Heinz A. Staab vom 5.3.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 27.8.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing
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geregelt, als er 1980 in den Ruhestand ging – als bislang einziger Frankfurter Direktor zum vorgesehenen Zeitpunkt und im vorgesehenen Verfahren.
3. 1980–1987 Bereits zehn Jahre vor Coings Emeritierung empfahl die Geisteswissenschaftliche Sektion der Max-Planck-Gesellschaft, das Institut in jedem Fall fortzuführen. Konrad Zweigert, der für die Sektion zuständige Vizepräsident, berief sich hierfür auf Franz Wieacker, der das Institut auf lange Sicht für unverzichtbar hielt.114 Anlass für diese Bestandsgarantie war Coings Antrag, Nörr und Wilhelm zu wissenschaftlichen Mitgliedern zu ernennen.115 Als Coings Emeritierung näher rückte, sollte eine Berufungskommission unter dem Vorsitz von Hans-Heinrich Jescheck den oder die Nachfolger zur Kür durch den Senat vorschlagen und dabei die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten des Instituts überdenken, das für Coing gegründet worden und auf diesen ausgerichtet sei.116 Eine Angliederung des Frankfurter Instituts an das historische Institut in an Friedrich Schneider vom 27.8.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Friedrich Schneider an Helmut Coing vom 14.9.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 20.10.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Auszug aus der Verwaltungsratssitzung im Anschluss an die gemeinsame Haushaltsausschuss- und Verwaltungsratssitzung vom 13.11.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Adolf Butenandt an Helmut Coing vom 26.11.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 7.12.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Helmut Coing an Friedrich Schneider vom 24.9.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; Friedrich Schneider an Helmut Coing vom 20.12.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 114 Auszug aus der zusammenfassenden Niederschrift über die Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion des Wissenschaftlichen Rates vom 10.6.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4011, fol. 71; dazu Vermerk von Günther Preiß vom 7.2.1975, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 498. 115 Vermerk von Günther Preiß für Edmund Marsch vom 19.5.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Edmund Marsch an Wolfgang Lotz vom 27.5.1970, AMPG, II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 116 Reimar Lüst an Hans-Heinrich Jescheck vom 19.1.1976, AMPG, II. Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 343. Zur Bildung der Kommission Auszug aus dem Protokoll der Geisteswissenschaftlichen Sektion vom 6.2.1976, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 344. Zur Information der Institutsmitarbeiter durch Helmut Coing Protokoll von Barbara Dölemeyer vom 13.2.1976 zur Institutskonferenz vom 12.2.1976, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert; Protokoll von Dieter Grimm vom 10.3.1976 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 16; Protokoll von Dieter Grimm vom 23.5.1977 zur Institutskonferenz vom 13.5.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16; Protokoll von Ernst Holthöfer vom 8.9.1977 zur Institutskonferenz vom 6.9.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16; Protokoll von Harald Steindl vom 27.4.1978 zur Institutskonferenz vom 21.4.1978, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16; Protokoll von Ernst Holthöfer vom 29.2.1979 [sic] zur Institutskonferenz vom 5.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16.
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Göttingen oder eines der vier rechtsvergleichenden Institute wurde zwar diskutiert, aber schnell verworfen.117 Der Einfluss des scheidenden Direktors auf seine Nachfolge war seinerzeit deutlich größer als heute,118 auch wenn nach wie vor der Senat den Direktor auf Vorschlag des Instituts beruft.119 Coing selbst wusste seit langem, dass die Aufgaben, für die das Institut gegründet worden war, früher oder später erfüllt sein würden.120 So bedeutete eine Fortsetzung des Instituts zwar nicht notwendig eine Fortsetzung des ursprünglichen Programms. Den Forschungsbedarf in den bislang vom Institut erforschten Epochen hielt Coing aber nach wie vor für groß. Für die mittelalterliche Legistik und Kanonistik in ihrer Verknüpfung und in vergleichender Perspektive war laut Coing niemand geeigneter als Knut Wolfgang Nörr.121 Walter Wilhelm sollte Nörrs Expertise um das 19. Jahrhundert ergänzen.122 Der Fachausschuss stimmte dem nachdrücklich zu.123 Die Institutsmitarbeiter befürworteten anstelle eines einzelnen Direktors die Einsetzung eines Kollegiums. Walter Wilhelm sahen alle Institutsmitarbeiter als Konstante an.124 Daneben fand Sten Gagnér allseits Zustimmung.125 Dieser hatte nicht nur durch seine Tätigkeit in Beirat und Fachausschuss große Autorität unter den Mitarbeitern erworben, an deren Forschungen er oft motivierend Anteil nahm, sondern er stellte mit skandinavischem Duzen und seinem 117 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 18.10.1976 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 17.9.1976, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 108. 118 Wie Fn. 5 sowie Vermerk von Nicola von Hammerstein vom 16.2.2000, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 720; Regeln für Berufungsverfahren der Geistes-, Sozial- und Humanw issenschaftlichen Sektion, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 504–505; Schön, Grundlagenwissenschaft, 2019, 43. 119 § 5 Abs. 4 der Satzung der Max-Planck-Gesellschaft in der Fassung vom 14.6.2012. 120 Auszug aus der zusammenfassenden Niederschrift über die Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion vom 10.6.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4011, fol. 70. 121 Helmut Coing an Reimar Lüst vom 22.4.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 281–282. 122 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 8.6.1976 zur Sitzung der Kommission »Zukunft des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte« vom 13.5.1976, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 120–122, mit Anhörung Coings; Vermerk von Günther Preiß für Reimar Lüst vom 26.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 195. 123 Robert Feenstra an Reimar Lüst vom 21.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 272–273; knapper zuvor Robert Feenstra an Reimar Lüst vom 12.3.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 96. 124 Klaus Luig an Helmut Coing vom 7.5.1976, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 337, bezogen auf Protokoll von Peter Weimar vom 10.3.1976 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert. 125 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 25.4.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 30.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 90; ungezeichnete Stellungnahme der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts vom 4.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 287–294.
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notorischen, nicht nur in Frankfurt mit den Mitarbeitern praktizierten, »Bella Ciao«-Gesang in jeder Hinsicht ein Gegenbild des distanzierten Coing dar.126 Die Berufungskommission hielt Wilhelm von Anfang an für unverzichtbar127, was maßgeblich auf den Voten Franz Wieackers und Fritz von Schwinds beruhte.128 Sten Gagnér arbeitete anders als Nörr nicht im lateinischen Mittelalter; zudem bestanden unterschiedliche Auffassungen über dessen administrative Fähigkeiten, die insbesondere Gagnérs Fakultätskollege Wolfgang Kunkel bezweifelte.129 Vor allem aber hätte Gagnér aufgrund seines Alters das Institut keine zehn Jahre mehr leiten können, weshalb die Kommission dessen Berufung als unrealistisch ansah.130 Auch Dieter Simon passte nicht in das von Coing und vom Fachausschuss definierte Profil, doch empfahlen Kunkel und Wieacker der Kommission, mit Simon zu klären, wie sich dessen wissenschaftlichen Pläne mit den Forschungsthemen des Instituts vereinbaren ließen.131 Simon selbst traute sich die Leitung des Instituts ohne Weiteres zu und erklärte – konform mit Coings ursprünglichem Programm –, die Institutionengeschichte ins Zentrum der Forschung zu stellen, während er die Byzantinistik nur ergänzend im Institut betreiben wolle.132 Mit dem Votum der Kommission konfrontiert, dass der Konsenskandidat Gagnér aus Altersgründen kaum berufbar sei, sollten sich die Mitarbeiter zunächst zwischen Simon und Nörr entscheiden, was die Mitarbeiter in einen unerwarteten Konflikt brachte.133 Eine Gruppe um Dieter Grimm, Heinz Mohnhaupt und Filippo Ranieri sowie Walter Wilhelm selbst
126 Interview Mohnhaupt, 23.7.2018. 127 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 8.6.1976 zur Sitzung der Kommission »Zukunft des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte« vom 13.5.1976, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 124–125; Reimar Lüst an Helmut Coing vom 4.4.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 292; Reimar Lüst an Robert Feenstra vom 4.4.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 293–294. 128 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 25.4.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 30.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 88–89. 129 Wolfgang Kunkel, Gutachten vom 6.8.1976, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 318– 319; insoweit entgegengesetzt die ungezeichnete Stellungnahme der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts vom 4.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 291–294. 130 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 25.4.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 30.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 89–91. 131 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 18.10.1976 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 17.9.1976, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 111–113. 132 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 25.4.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 30.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 86. – Siehe dazu Wolfram Brandes: Byzantinische Rechtsgeschichte in Frankfurt – eine Bilanz. Rechtsgeschichte – Legal History 29 (2021), 70–89. 133 Heinz Mohnhaupt an Hans-Heinrich Jescheck vom 12.5.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 67–68.
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waren von Simons methodischer Offenheit für die außerjuristischen Grundlagen der Rechtsgeschichte begeistert und gewichteten dessen Modernität und Ausstrahlung höher als die fachliche Beziehung zum Institut, die ein anderer Teil der Mitarbeiter – wie auch das Kommissionsmitglied Wieacker – bei Simon vermisste.134 Nicht anders erging es Helmut Coing, der sein Institut nur einem in den Arbeitsgebieten des Instituts »ausgewiesenen Fachmann«, nicht aber einem »Außenseiter« überlassen wollte.135 Klaus Luig warnte Präsident Reimar Lüst davor, das Institut von zwei Genies – Wilhelm und Simon – leiten zu lassen, die aufgrund ihrer bislang ganz unterschiedlichen Forschungsrichtung als gleich starke Gegenpole wirken würden.136 Die Berufungskommission wollte allen Wünschen entsprechen und schlug ein Triumvirat aus Nörr, Wilhelm und Simon vor.137 Auch wenn jeder erklärte, mit jedem zusammenarbeiten zu wollen, verstanden Wilhelm und Simon sich als Doppelspitze, die am besten geeignet sei, das Institut zu leiten.138 Nörr, der zunächst erklärt hatte, ein Ordinariat in Frankfurt sei für ihn keine condicio sine qua non,139 lehnte nun den Ruf mit der Begrün-
134 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 25.4.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 30.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 91–96. 135 Helmut Coing an Reimar Lüst vom 22.4.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 281–282. 136 Klaus Luig an Reimar Lüst, undatiert, Eingangsstempel vom 26.4.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert, bezogen auf ein Gespräch am 30.3.1977; Reimar Lüst an Klaus Luig vom 24.5.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert. 137 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 23.5.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 4.5.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 71–78; Hans-Heinrich Jescheck, Empfehlung und Bericht der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 21.12.1977, mit Entwurf vom 1.12.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 30–35, 41–46; Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion vom 2.2.1978, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 138 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 25.4.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 30.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 94; Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 23.5.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 4.5.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 74, 77; ungezeichnetes und undatiertes Ergebnisprotokoll zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 7.9.1977, versandt am 11.10.1977, AMPG , II. Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 49, 52–55; Vermerk von Günther Preiß für Reimar Lüst vom 26.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 195–196. 139 Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 25.4.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 30.3.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 86; Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 23.5.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechts geschichte« vom 4.5.1977, AMPG, II. Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 76; Vermerk von Günther Preiß für Reimar Lüst vom 26.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 196–197.
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dung ab, er wolle sein Ordinariat in Tübingen nicht aufgeben.140 Nörr wurde aber – mutmaßlich auf Coings Veranlassung – die seltene Option eingeräumt, binnen drei Jahren entscheiden zu dürfen, ob er nicht doch Direktor in Frankfurt werden wolle,141 eine Lösung, die Wilhelm und Simon nolens volens tolerierten.142 Für die Schwebezeit erhielt Nörr einen Beratervertrag.143 Die Mitarbeiter beunruhigte zunächst die Aussicht, nun bei gleicher Mitarbeiterzahl für drei Chefs arbeiten zu müssen.144 Eine entsprechend erweiterte Ausstattung war nicht zu erwarten,145 wenngleich »möglichst bald« eine Stelle für einen »geschäftsführenden Assistenten« geschaffen werden sollte.146 Nach Nörrs Absage artikulierte Heinz Mohnhaupt für die Mitarbeiter gegenüber dem Präsidenten, Simon und Wilhelm die Sorge der Mitarbeiter, dass »formell ein Defizit persönlicher Kompetenz« auf der Direktorenebene entstanden sei.147 140 Vermerk von Reimar Lüst vom 30.10.1978, AMPG, II. Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert; Reimar Lüst an Knut Wolfgang Nörr vom 19.12.1978, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert; Helmut Coing an Reimar Lüst vom 9.1.1979 und 19.1.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert; Knut Wolfgang Nörr an Reimar Lüst vom 29.1.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 13; Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion vom 9.5.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 2; Protokoll von Ernst Holthöfer vom 29.2.1979 [sic] zur Institutskonferenz vom 5.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert. 141 Vermerk von Günter Preiß vom 21.5.1979, AMPG, II. Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert. 142 Dieter Simon und Walter Wilhelm an Reimar Lüst vom 6.4.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert; Reimar Lüst an Dieter Simon und Walter Wilhelm vom 12.4.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert; Vermerk von Günther Preiß vom 15.5.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert. 143 Dieter Simon an Reimar Lüst vom 5.6.1979 mit Vertragstext als Anlage, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 227–228. Günther Preiß vermerkte auf dem Anschreiben: »Mit Prof. Simon besprochen. Er denkt in absehbarer Zeit an eine Aufhebung des Vertrags.« Der Vertrag wurde 1986 beendet, Dieter Simon an Knut Wolfgang Nörr vom 12.5.1986; Knut Wolfgang Nörr an Dieter Simon vom 27.5.1986, jeweils in: AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 144 Heinz Mohnhaupt an Hans-Heinrich Jescheck vom 12.5.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 68. Das Problem wurde von der Kommission erwogen und für lösbar befunden laut Ergebnisprotokoll von Hans-Heinrich Jescheck vom 23.5.1977 zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 4.5.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 75, 77–78. Die Mitarbeiter wiederholten und ergänzten ihre Kritik, während die Kommission an der Dreier-Lösung festhielt, ungezeichnetes und undatiertes Ergebnisprotokoll zur Sitzung der Kommission »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 7.9.1977, versandt am 11.10.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 55–59. 145 Ungezeichnetes und undatiertes Ergebnisprotokoll zur Sitzung der Kommission »MaxPlanck-Institut für europäische Rechtsgeschichte« vom 7.9.1977, versandt am 11.10.1977, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 53. 146 Vermerk von Günther Preiß vom 18.5.1978, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, un paginiert. 147 Heinz Mohnhaupt an Reimar Lüst vom 14.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 6–7; Heinz Mohnhaupt an Walter Wilhelm vom 14.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 62,
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Simon, der später mit Mohnhaupt gut zusammenarbeitete, hielt diese Bedenken für unbegründet und bekräftigte, dass er die gegenüber der Berufungskommission gegebenen Zusagen einhalten, insbesondere die gemeinsamen Institutsprojekte abschließen und die Forschungstradition des Instituts bewahren werde.148 Wilhelm und Simon traten zum 1. März 1980 ihr gemeinsames Amt an und stellten dem Fachausschuss ein gemeinsames Programm vor.149 Schnell jedoch war Simon desillusioniert. Am Ende seiner ersten Geschäftsführungsperiode zeigte er sich tief frustriert über den Zustand des Instituts und über den Aufwand, den es bedeutete, das Institut zu leiten, und der ihn von seiner eigenen Forschung abhielt.150 In den darauffolgenden zwei Jahren fühlte er sich von Wilhelm als Geschäftsführer nicht in dem Maße entlastet, wie er es erhofft hatte.151 Zum offenen Streit kam es 1983, als Wilhelm sich weigerte, einen von Simon vorgeschlagenen Byzantinisten einzustellen.152 Wichtig waren solche Entscheidungen153 schon aufgrund der damals noch verbreiteten Praxis unbefristeter Verträge für wissenschaftliche Mitarbeiter. Ein Zeitvertragssystem wurde in der
Nr. 1077, fol. 8–9; gleichlautend Heinz Mohnhaupt an Dieter Simon vom 14.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1077, fol. 10–11. Dazu Reimar Lüst an Heinz Mohnhaupt vom 9.4.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert. 148 Dieter Simon an Heinz Mohnhaupt vom 26.2.1979, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1696, unpaginiert. 149 Aufeinander bezogen Dieter Simon, Forschungsaufgaben, undatiert und ungezeichnet; Wilhelm, Planungsbericht nach dem Stand für die Sitzung des Fachausschusses des Instituts am 27. Februar 1980, jeweils in: AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 150 Dieter Simon, Persönliche Bemerkungen zur Tätigkeit des geschäftsführenden Direktors, undatiert, zu: Interner Rechenschaftsbericht zu unabgeschlossenen Institutsaufgaben vom 16.12.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 151 Dieter Simon: Walter Wilhelm (1928–2002). Eine Erinnerung. Rg – Rechtsgeschichte 2 (2003), 142–150, 148. 152 Walter Wilhelm an Dieter Simon vom 1.3.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63; Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 24.3.1983 AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 63; Walter Wilhelm an Dieter Simon vom 20.9.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63; Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 21.9.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63; Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 12.12.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63; Walter Wilhelm an Dieter Simon vom 14.12.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63; Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 14.12.1983; Walter Wilhelm an Dieter Simon vom 13.1.1984, AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 63; Walter Wilhelm, Grundlegende Fragen, die die Aufgaben des Instituts und seiner Direktoren betreffen sowie die Veröffentlichungen, vom 13.1.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63; Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 16.1.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63. 153 Zum Mitspracherecht der Institutskonferenz bei der Stellenbesetzung die undatierten Richtlinien zur Behandlung von Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23 unpaginiert; weitere Fassung übersandt von Gerhard H. Gräber an Generalverwaltung vom 11.11.1991, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 120, 132. Exemplarisch für entsprechende Beratungen Protokoll von Dieter Grimm vom 7.1.1975 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert; Protokoll von Ernst Holthöfer vom 20.1.1975 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16.
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MPG zwar bereits 1970 diskutiert.154 Zeitverträge wurden jedoch noch Anfang
der 1980er Jahre von Betriebsrat und wissenschaftlichen Mitarbeitern abgelehnt, da persönliche Mobilität auf dieser Ebene unrealistisch sei.155 Der Spagat zwischen persönlicher Qualifizierung für eine Karriere außerhalb des Instituts, thematischer Flexibilität des Instituts für innovative Themen, dauerhaft erforderlicher Spezialqualifikation im Institut und geringer Fluktuation beschäftigte die Direktoren noch lange Zeit.156 Der Konflikt zwischen Wilhelm und Simon lag aber tiefer. Mit seinem »OstWest-Projekt« wollte Simon einen Rechtskulturvergleich zwischen dem lateinischen und dem byzantinischen Mittelalter anstellen.157 Wilhelm kritisierte nicht das Projekt als solches, sondern die Art der Einbindung in das Institut,158 die auch unter den Mitarbeitern umstritten war.159 Über den konkreten Anlass hinaus warf Wilhelm Simon vor, entgegen dessen Zusagen im Berufungsverfahren nun doch die Byzantinistik in das Zentrum der Institutsarbeit zu stellen, hierdurch die gemeinsamen Institutsaufgaben zu vernachlässigen und überdies mit dem Rechtshistorischen Journal eine Konkurrenzzeitschrift gegen das angestammte Ius Commune160 zu betreiben. Wilhelm drückte die neue Distanz aus,
154 Protokoll von Walter Wilhelm vom 7.4.1970 zur Sitzung des Kuratoriums vom 20.3.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3999, fol. 316. – Zum weiteren Verlauf Ariane Leendertz: Wissenschaftler auf Zeit. Die Durchsetzung der Personalpolitik der Befristung in der Max-Planck-Gesellschaft seit den 1970er-Jahren. MPIfG Discussion Paper, 20/15. Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung 2020. 155 Dieter Simon an Reimar Lüst vom 29.4.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 84 (aufgesetzt von »Mo«, also Heinz Mohnhaupt). 156 Dieter Simon in Protokoll von Gudrun Kienast vom 16.3.1989 zur 15. Sitzung des Fachbeirats vom 13.2.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 246; Dieter Simon / Michael Stolleis, Denkschrift zum wissenschaftlichen Personal des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte vom 20.11.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Michael Stolleis, Max-Planck-Institut für europäische Rechtgeschichte Frankfurt am Main. Zukunftsperspektiven, undatierter Entwurf, per Fax versandt an Dieter Simon am 2.1.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14; Dieter Simon an Michael Stolleis vom 10.1.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14; Michael Stolleis, Normdurchsetzung, Sprachform des Rechts, Rechtskulturvergleich Zukunftsperspektiven des MPI für europäische Rechtsgeschichte, erste Fassung an Dieter Simon versandt am 4.8.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14; Protokoll von Gudrun Kienast vom 21.3.1997 zur 23. Sitzung des Fachbeirats vom 10.3.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 83. 157 Recht im östlichen und westlichen Mittelalter. Eine Forschungsskizze zur historischen Rechtsvergleichung, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4002, fol. 148–157, vorgelegt mit dem insoweit wohl von Dieter Simon geprägten Tätigkeitsbericht des Instituts für die Zeit vom 1.3.1980 bis 28.2.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4002, fol. 67. 158 Walter Wilhelm an Dieter Simon vom 1.3.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63; Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 24.5.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63. 159 Protokoll von Heinz Mohnhaupt vom 13.6.1983 zur Institutskonferenz vom 7.6.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 18, unpaginiert. 160 Helmut Coing: Zur Einführung. Ius Commune 1 (1967), VII . Zur Neukonzeption des Ius Commune seit Mitte der 1970er Jahre Vermerk von Walter Wilhelm für Helmut Coing vom 14.10.1975, AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 11, unpaginiert; Protokoll von Peter Weimar
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indem er Simon wieder siezte.161 Und er informierte Präsident Reimar Lüst über die entstandene Kontroverse.162 Nach Rücksprache mit Coing und dem Fachausschuss163 übermittelte Lüst den beiden zerstrittenen Direktoren 1984 die von ihm gezeichneten »Präsidentengrundsätze«, wie sie später genannt wurden.164 Die hierzu von Lüst übernommenen Entwürfe stammten tatsächlich aber von Coing, der kurzerhand das Institut in zwei gleich große Forschungsbereiche aufteilte, Wilhelm auferlegte, das Handbuch mit der Hälfte der Institutsmitarbeiter abzuschließen, und beide Direktoren bat, im Interesse einer gedeihlichen Zusammenarbeit die entstandenen Spannungen möglichst abzubauen.165 Der Fachausschuss forderte daraufhin von den Direktoren, einen Forschungsplan für das Institut vorzulegen.166 Auf einen gemeinsamen Plan konnten Wilhelm und Simon sich jedoch nicht mehr verständigen, was weniger eine Frage der Inhalte als der fehlenden Zeit war.167 Der Fachausschuss hielt Anfang 1985 Tribunal über Wilhelms Forschungsplan und dessen Leitungstätigkeit.168 Hierbei zeigte sich, dass das von Coing als erstes, schlankes Arbeitsmittel gedachte Handbuch Ausmaße angenommen hatte, die nicht mehr beherrschbar erschienen. Der Abschluss des Handbuchs wurde geradezu als Schicksalsfrage des Instituts diskutiert. Nicht nur war Wilhelm mit seinem eigenen Text zu Aufvom 15.10.1975 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert; Protokoll von Christoph Bergfeld vom 17.9.1975 zur Institutskonferenz vom 11.9.1975, AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert; zuvor Vermerk von Dieter Grimm vom 15.12.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert. 161 Walter Wilhelm an Dieter Simon vom 26.9.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63, unpaginiert 162 Walter Wilhelm an Reimar Lüst vom 3.10.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63, unpaginiert. Siehe außerdem Walter Wilhelm an Sten Gagnér vom 18.11.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 63. 163 Vermerk von Günther Preiß vom 23.9.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 279. 164 Reimar Lüst an Walter Wilhelm vom 3.4.1984, AMPG , II. Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 201; leicht modifiziert Reimar Lüst an Dieter Simon vom 3.4.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert, dort auch die von Lüst mitübersandten »Grundsätze«. 165 Helmut Coing an Reimar Lüst vom 5.3.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Reimar Lüst an Helmut Coing vom 19.3.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 166 Ungezeichneter und undatierter Vermerk als Anlage zu Vermerk von Günther Preiß für Heinz A. Staab vom 21.2.1985 zum Besuch von Dieter Simon am 22.4.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 4009, fol. 354. 167 Mehrere maschinenschriftliche bzw. gedruckte Versionen der Einzelteile und einer »Präambel« in AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 14.11.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 19.11.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14; Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 19.11.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 168 Für die folgenden Angaben soweit nicht anders gekennzeichnet: Protokoll von Dieter Simon vom 6.2.1985 zur 10. Sitzung des Fachausschusses vom 30.1.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 212–220.
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klärung und Kodifikationsbewegung seit Jahren im Verzug.169 Ihm wurde auch zur Last gelegt, dass er das ursprüngliche Konzept des Handbuchs verändert habe, um die Bände zum 19. Jahrhundert in ein Konvolut von Monographien zu verwandeln. Als Wilhelm sein neues Konzept Anfang der 1970er Jahre vorlegte,170 verteidigte Coing es noch aus Überzeugung und zerstreute Bedenken des Beirats und später des Fachausschusses.171 Jetzt aber galt Wilhelms Konzept als undurchführbar und er selbst als gescheitert. Wilhelm wiederum beklagte, dass er die ursprüngliche Gemeinschaftsaufgabe des Handbuchs nun mit der Hälfte der Mitarbeiter bewältigen müsse, bei denen es sich zudem um das alte Coing-Team handele, das – seit langem gewohnt, selbständig wissenschaftlich zu arbeiten – anspruchsvollere Aufgaben als eine Auflistung von Quellen und Literatur erwarte und deshalb durch ihn nicht zu steuern sei.172 Simon hingegen habe vom Präsidenten (eigentlich von Coing, was Wilhelm aber nicht wusste) ein unbeackertes Feld und frische Pferde erhalten. Der Fachausschuss tat Wilhelms Einwände als Ausflüchte ab. Mit seiner Kritik strapazierte Wilhelm zudem die Loyalität seiner Mitarbeiter.173 Der Fachausschuss glaubte nicht mehr daran, dass Wilhelm die Arbeiten am Handbuch in vertretbarer Zeit zum Abschluss führen könne, da dieser nicht bereit war, sein Konzept grundlegend zu ändern.174 Im Gegenteil: Wilhelm hatte es in seinem Abschnitt des Forschungsplans vehement verteidigt. Offenkundig wollte Wilhelm ›durch das Handbuch über das Handbuch hinaus‹. Vorsichtig tastend bestimmte er die Position des Instituts nach Coings Ruhestand, die er ebenso schrittweise verändern wollte. Als langfristige Forschungsaufgabe des Instituts sah er das Verhältnis von Wirtschaft und Recht in der Neuzeit an.175 169 Vorstudie von Walter Wilhelm: Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert. Ius Commune 1 (1967), 241–270. 170 »Entwurf einer Gliederung (2. Fassung)« für das »Handbuch der vergleichenden europäischen Privatrechtsgeschichte (1815–1950), Teil I (1815–1918)«, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3999, fol. 142–154, auf fol. 153 gezeichnet mit der durchgestrichenen Angabe »19.4.1971 WW«; Walter Wilhelm: Quellen und Literatur der europäischen Rechtsgeschichte im 19. Jahrhundert – ein Arbeitsplan. Ius Commune 4 (1972), 240–287. 171 Niederschrift von Ernst Holthöfer vom 15.12.1970 über die Beratungen der 5. Tagung des Fachbeirats vom 27.11.1970, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 564–569; Niederschrift von Filippo Ranieri vom 5.12.1971 über die Beratungen der 6. Tagung des Fachbeirats vom 3.12.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 552–555; Tätigkeitsbericht des Instituts für die Zeit vom 1.6.1971 bis 31.5.1972, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 3996, fol. 126. 172 Übereinstimmende Erklärung für die veränderte Anlage des »Handbuchs« bei Klaus Luig: Helmut Coing (28.2.1912–15.8.2000). Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 119 (2002), 667–678, 673. 173 Protokoll von Johannes-Michael Scholz vom 6.2.1985 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II. Abt., Rep. 36, Nr. 18, unpaginiert; Protokoll von Harald Steindl vom 5.3.1985 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 18. 174 Robert Feenstra an Heinz A. Staab vom 11.3.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 393–394. 175 Walter Wilhelm, Forschungsplan für den Bereich der Neuzeit vom 15.11.1984, mehrere kaum voneinander abweichende Versionen in: AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpagi-
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Im Sommer 1984 unterzog sich Wilhelm einer Bandscheibenoperation, welche nicht die erhoffte Besserung brachte.176 Dies wurde Wilhelm als »Flucht in die Krankheit« ausgelegt.177 Damit war vorgezeichnet, dass der neue Präsident Heinz A. Staab im persönlichen Gespräch Wilhelm nahelegte, aus gesundheitlichen Gründen um Entbindung vom Direktorenamt zu bitten.178 Hierdurch sollte vermieden werden, dass der Verwaltungsrat der Max-Planck-Gesellschaft das formale Verfahren zur »Überprüfung der Leitungsfunktion« einleitete.179 Damit ersparte die Gesellschaft nicht nur Wilhelm, sondern vor allem sich selbst einen Skandal. Dies geschah, nachdem Simon um eine Entscheidung der Gesellschaft gebeten hatte, da er eine kollegiale Leitung gemeinsam mit Wilhelm nicht mehr für möglich hielt.180 Staab besprach sich mit Simon, Coing und dem Fachausschuss, bevor er Wilhelm zum Rücktritt bewegte.181 Seine Sicht auf Wilhelm schilderte Simon unter dem Eindruck von Wilhelms Tod.182 Gewiss ist dies einer von Simons besten Texten, gewiss aber auch kein Nachruf im konventionellen Sinne des Genres. Unverändert gültig ist Simons präzise Analyse der Situation und der Aufgaben des Fachs Rechtsgeschichte. Dagegen bedarf seine Beschreibung des Konflikts mit Wilhelm einschließlich voyeuristischer Details der Korrektur. Simon schildert Wilhelm als genialen Wissenschaftler, der ohne Assessorexamen und Habilitation Coings Oberassistent und Nachfolger geworden sei; der in administrativen Dingen unwillig oder unfähig gewesen sei; dem Präsident Lüst mit »außerordentlichem Scharfblick« den Weg in den vorzeitigen Ruhestand gewiesen habe; der sich in ein »kleines Apartment« bei einer »alten Dame […] eingemietet« habe; in dessen Leben niert; so auch noch Vermerk vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 190. Siehe bereits Walter Wilhelm, Planungsbericht nach dem Stand für die Sitzung des Fachausschusses des Instituts am 27. Februar 1980, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 176 Walter Wilhelm an Ernst-Joachim Mestmäcker vom 29.3.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Ernst-Joachim Mestmäcker an Walter Wilhelm vom 17.4.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 177 Vermerk von Günther Preiß vom 23.9.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 280–281. 178 Heinz A. Staab an Walter Wilhelm vom 12.12.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 313; Walter Wilhelm an Heinz A. Staab vom 28.1.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 360–361; Vermerk von Dirk von Staden vom 10.1.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 179 Vermerk von Günther Preiß vom 23.9.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 280–281; Vermerk von Günther Preiß vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 186; Vermerk von Hannelore Nikolaus für Günther Preiß vom 16.9.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Auszug aus der Niederschrift der Sitzung des Verwaltungsrats der Max-Planck-Gesellschaft vom 21.11.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 180 Vermerk von Günther Preiß vom 23.9.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 280. 181 Vermerk von Günther Preiß vom 26.4.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 229. 182 Simon, Walter Wilhelm, 2003, 142–150.
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Frauen »[n]ach dem Scheitern seiner kurzen Ehe […] keine wahrnehmbare Rolle mehr« gespielt hätten; dessen stilistisches Vorbild Thomas Mann gewesen sei, mit dem ihn unter anderem die »Versuchungen und Abgründe der Homoerotik« verbunden hätten; »verblutet in der Badewanne«, weil der Whisky »seinen Ge fäßen die Kraft nahm, das Blut zu behalten«. Manches davon ist zweifellos richtig, manches mindestens irreführend, manches schlicht falsch. Das Assessorexamen hat Wilhelm 1962 mit der Note vollbefriedigend abgelegt;183 er wurde später in Frankfurt als Rechtsanwalt zugelassen.184 Wilhelms Freund und Förderer Hans Mayer riet Wilhelm – offenbar gegen dessen Bedenken – noch vor dem Assessorexamen, Coing an das neu zu gründende Institut zu folgen, da dies bis zur Habilitation und zur ersten Berufung sehr große Vorteile biete.185 In der Tat habilitierte sich Wilhelm dann zwar nicht, was einer Berufung aber nicht im Weg gestanden hätte. Einen Ruf Wilhelms nach Gießen wehrte Coing ab – mit einer besseren Stelle für Wilhelm und anschließend dessen Wissenschaftlicher Mitgliedschaft;186 vermutlich verbunden mit der Warnung, was es bedeute, ausgerechnet in den Jahren um 1968 an eine Universität zu wechseln. Wilhelm hatte, bevor er Direktor wurde, Coing bei dessen Abwesenheit vertreten.187 Coing und Wieacker rühmten frühzeitig Wilhelms administrative Fähigkeiten.188 Noch in den 1980er Jahren konnte Wilhelm Institutskonferen183 Der Präsident des Juristischen Landesprüfungsamts Wiesbaden vom 9.7.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 184 Der Hessische Minister der Justiz vom 1.9.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 185 Hans Mayer an Walter Wilhelm vom 22.2.1962, Universitätsbibliothek Tübingen, Handschriftenabteilung, Bestand Mn40 Sammlung Hans Mayer, Kapsel 1, abgedruckt in: Hans Mayer: Briefe 1948–1963. Herausgegeben von Mark Lehmstedt. Leipzig 2006, 532 ff. 186 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 21.1.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 23.3.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Franz Wieacker, Gutachtliche Äußerung vom 23.3.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. Nach beiden Quellen war Wilhelm 1970 an einer weiteren Fakultät im Gespräch, dazu auch Wolfgang Lotz an Adolf Butenandt vom 23.6.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Materialien für die Sitzung des Senats vom 24.11.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 187 Soweit ersichtlich erstmals offiziell in einer Abwesenheitsanzeige von Helmut Coing an Präsidialbüro der Max-Planck-Gesellschaft vom 27.8.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3997, fol. 308; für den Krankheitsfall Helmut Coing an Reimar Lüst vom 10.5.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, unpaginiert; siehe auch Walter Wilhelm an Winfried Roeske vom 7.3.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; zur allgemeinen Ernennung Wilhelms zu Coings Stellvertreter Helmut Coing an Reimar Lüst vom 7.5.1973, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Reimar Lüst an Helmut Coing vom 5.6.1973, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 188 Helmut Coing an Adolf Butenandt vom 21.1.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Franz Wieacker, Gutachtliche Äußerung vom 23.3.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; siehe auch Vermerk von Günther Preiß für Adolf Butenandt vom 11.1.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert.
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zen akribisch vorbereiten.189 Wilhelm wurde nicht unter Präsident Lüst in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, sondern musste unter Präsident Staab seine Leitungsfunktion aufgeben. Der Ruhestand kam dann immer noch vorzeitig, aber deutlich später und anders, als Simon es beschreibt. Wilhelms Wohnung hatte zunächst zweieinhalb Zimmer, bis er nach dem Tod seiner Vermieterin, die ihm das Haus vererbte, deren größere Wohnung hinzunahm und fortan auf zwei Etagen lebte. Die erstgenannte Wohnung hatte Wilhelm 1964 gemietet, im Jahr seiner Eheschließung.190 Seine Ehe mochte nach kurzer Zeit gescheitert sein. Aber die Ehe war nicht kurz, sondern dauerte zwanzig Jahre, bis Wilhelms Ehefrau im Herbst 1984 verstarb.191 Zwar lebten die Eheleute getrennt. Dennoch wird ihn die Todesnachricht gerade zu diesem Zeitpunkt, inmitten eigener gesundheitlicher Sorgen und auf dem Höhepunkt des Konflikts mit Simon, getroffen haben. Fünf Jahre später lernte Wilhelm die Frau kennen, die ihm von allen Menschen in seinen letzten dreizehn Lebensjahren am nächsten stand.192 In der Tat war Wilhelm alkoholkrank. Er ist allerdings nicht daran gestorben. Wilhelm wurde nicht obduziert.193 Als mögliche Todesursachen wurden ein Herzinfarkt, ein Hirnschlag und ein geplatztes Aortenaneurysma194 genannt. Einige Wochen vor seinem Tod hatte er Beschwerden beim Gehen und Atmen. Wilhelm starb nicht in der Badewanne, sondern in seinem Schlafzimmer. Er spürte auch nicht, wie er verblutete, sondern er stürzte, offenbar bewusstlos, mit dem Kopf auf einen Bettpfosten. Wilhelms Freund seit Studienzeiten, der Frankfurter Hengeler-Partner Horst Brücher, berichtigte vieles davon gegenüber Simon und dessen Nachfolgerin Marie Theres Fögen, bis hin zu Wilhelms Getränkewahl (anderes als Whisky) und Literaturvorlieben (Brecht statt Mann). Eine Gegendarstellung wurde weder formal verlangt noch gedruckt, wenngleich Brücher hoffte, dass die Redaktion
189 Für die Institutskonferenz vom 12.1.1982 verfasste Wilhelm ein handschriftliches Konzept von zehn Seiten, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 17, unpaginiert, dort auch weitere (kürzere) Beispiele. 190 Personalbogen, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Heiratsurkunde vom 31.12.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 191 Walter Wilhelm an Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft vom 5.11.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 192 Sie möchte hier nicht namentlich genannt werden, autorisiert aber die in diesem Absatz nicht näher belegten Angaben. 193 Dass keine Obduktionsunterlagen überliefert sind, bestätigt der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt Marcel A. Verhoff, E-Mail an den Verfasser dieses Beitrags vom 21.10.2019 18:17. 194 So ein ungezeichneter und undatierter Vermerk der Generalverwaltung, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; ebenso Hans Erich Troje vom Mai 2003, ehemals abrufbar unter http://www.helmutcoing.de/Wilhelm.html, Ausdruck in Universitätsbibliothek Tübingen, Handschriftenabteilung, Bestand Mn40 Sammlung Hans Mayer, Kapsel 1. Troje nannte das Wohnzimmer als Sterbeort.
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einige Korrekturen zu Simons Nachruf veröffentlichen werde.195 Fögen wollte sich angesichts der vielen persönlichen Details darauf beschränken, den vergleichsweise belanglosesten Umstand – Wilhelms Assessorexamen – auf der Institutskonferenz bekanntzugeben.196 Das Protokoll der Institutskonferenz verzeichnet, dass Fögen »auf entsprechenden Wunsch« Wilhelms Todesumstände, die durch Simons Nachruf in ein falsches Licht gerückt worden seien, richtig gestellt habe.197
4. 1987–1991 Nach Wilhelms unfreiwilligem Rücktritt musste Simon die Zukunft des Instituts zunächst allein neu planen. Um frei zu sein für Neues, wollte Simon laufende Projekte beenden und Vorhandenes abwickeln.198 Hierzu mussten vor allem die Arbeiten am Handbuch beendet werden, das für Simon erklärtermaßen unattraktiv war, weil es weder Simons Namen trug noch seinen Vorstellungen von den Gegenwartsaufgaben der Rechtsgeschichte entsprach.199 Mit Wilhelms eigenem Teilband zum 18. Jahrhundert rechnete niemand mehr ernsthaft,200 obwohl Wilhelm nach wie vor erklärte, das Manuskript bald abschließen zu wollen.201 Im Übrigen hatte er die Verantwortung für das Handbuch abgeben müssen.202 Rechtsprechung und Wissenschaft des 195 Horst Brücher an Dieter Simon vom 30.4.2003; Horst Brücher an Marie Theres Fögen, Kopien im Besitz des Verfassers dieses Beitrags. 196 Marie Theres Fögen vom 9.4.2003, Kopie im Besitz des Verfassers dieses Beitrags. 197 Undatiertes Protokoll von Vincenzo Colli zur Institutskonferenz vom 2.6.2003, WordDatei dem Verfasser dieses Beitrags zur Verfügung gestellt vom Institut. 198 Vermerk von Günther Preiß vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 192, auf der Grundlage der Notizen von Günther Preiß vom 10.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 435 verso. Ähnlich bereits Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 17.5.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 135. 199 Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 6.2.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 156. 200 Dieter Simon an Helmut Coing vom 9.4.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 60; Dieter Simon an Hans Kiefner vom 14.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 264, 266; Vermerk von Günther Preiß vom 28.7.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 131–132; Heinz A. Staab an Dieter Simon vom 26.8.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 123; Anmerkung von Günther Preiß vom 29.8.1986 auf seinem Vermerk vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 190; Vermerk von Günther Preiß vom 23.2.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 317–319, 321; Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 201 Vermerk von Günther Preiß vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 189–190; Protokoll von Gudrun Kienast vom 17.2.1988 zur 14. Sitzung des Fach ausschusses vom 1.2.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 336. 202 Notizen von Günther Preiß zur Fachausschusssitzung vom 30.1.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4003, fol. 100 verso; auf dieser Grundlage Vermerk von Günther Preiß vom 20.2.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 225; Vermerk von Günther Preiß vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 189.
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von Wilhelm überlang geplanten 19. Jahrhunderts wollte Simon nur noch im Überblick darstellen lassen, wie es Coing für die bereits vor Jahren publizierten Bände zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit vorgegeben hatte. Simon selbst legte hierfür einen Plan vor.203 Der Fachausschuss wollte Simon jedoch nicht zumuten, diese Arbeiten ohne Hilfe von außen anzugehen, zumal das 19. Jahrhundert nicht dessen Fachgebiet sei. Wilhelms vakanter Direktorenposten wurde zunächst nicht besetzt. Präsident Staab wollte allenfalls einen zweiten Direktor aus Simons Generation berufen, um die MPG nicht darauf festzulegen, das Institut über Simons Pensionsgrenze hinaus durch einen jüngeren Co-Direktor weiterzuführen. Der Fachausschuss fürchtete, in Simons Alter gebe es keinen potentiellen Direktor, der den Ansprüchen der Max-Planck-Gesellschaft genüge. Wie zutreffend dieses Urteil war, sei dahingestellt. Zumindest ein jahrgangsgleicher Kollege stand nicht mehr zur Verfügung, weil er bereits abgesagt hatte – Knut Wolfgang Nörr. Der Fachausschuss schlug stattdessen vor, Hans Kiefner mit der Leitung der Arbeiten zu betrauen, der seit Jahren dem Institutsbeirat und nun auch dem Fachausschuss angehörte.204 Kiefner lehnte das Angebot jedoch ab, da er zu viel an eigener Forschung hätte opfern müssen, um die Forschungen anderer zu organisieren.205 Simon befürchtete seinerseits, er werde einen Großteil des administrativen Aufwandes tragen müssen, wenn der Fachausschuss einen externen »Tutor« für das Handbuch einsetze, und lehnte es ab, nach einer Alternative für Kiefner zu suchen.206 Die für Rechtsprechung und Wissenschaft des 19. Jahrhunderts vorgesehenen Bandnummern wurden anderen Bänden zugewiesen. So vermied Simon sichtbare Lücken in der Bandzählung und brachte das Handbuch zu einem formalen Abschluss,207 um den Preis, dass er 203 Dieter Simon an Helmut Coing vom 9.4.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 60, unpaginiert; Organisationsentwurf zum Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte von Dieter Simon vom 17.5.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 137–140, übersandt von Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 17.5.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 135. Dazu Vermerk von Dirk von Staden für Reimar Lüst vom 26.3.1985 zum Besuch von Dieter Simon vom 26.4.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 340; Heinz A. Staab an Dieter Simon vom 10.6.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 332. Siehe auch Dieter Simon an Hans Kiefner vom 14.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 263–264. 204 Vermerk von Günther Preiß vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 187–189; Vermerk von Dirk von Staden vom 27.1.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 122. 205 Hans Kiefner an Heinz A. Staab vom 24.3.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 255, mit Anmerkung von Staab: »schade!«; Heinz A. Staab an Hans Kiefner vom 16.4.1968, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 254. 206 Dieter Simon an Helmut Coing vom 17.2.1986, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 262; Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 6.2.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 155; Dieter Simon an Helmut Coing vom 14.3.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. Nr. 4004, fol. 176. 207 Dieter Simon an Helmut Coing vom 14.3.1986, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 176; Protokoll von Ernst Holthöfer vom 4.4.1986 zur Institutskonferenz vom 1.4.1986, AMPG, II . Abt., Rep. 36, Nr. 18, unpaginiert.
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zwei zentrale Akteure der Privatrechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts im Handbuch überging.208 Trotz Einstellung der Handbucharbeiten berichtete Simon, es sei ein »befriedigender Abschluß des ersten Gemeinschaftsprogramms des Instituts erreicht« worden.209 Mit seinem eigenen Forschungsprogramm wollte Simon das Institut von der Dogmengeschichte wegführen.210 Er wollte nicht mehr alte Dogmatik, sondern die sozialen Bedingungen von Dogmatik rekonstruieren, unter denen in der Vergangenheit Konflikte rechtlich gelöst wurden, einschließlich der theoretischen Erklärungsmuster für rechtliche Konfliktlösung.211 Das Leitmotiv dieser Forschung nannte er »Normdurchsetzung«.212 Die Handbuchvorarbeiten zur Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts sollten darin aufgehen.213 Das Projekt »Die Reaktion der Normalen« sollte das Verhältnis von Norm und Normabweichung bestimmen.214 Früher als andere erkannte Simon, unterstützt von Mitarbeitern wie Maximilian Herberger, Filippo Ranieri und Marie Theres Fögen, welchen Einfluss die Elektronische Datenverarbeitung auch auf die rechtshistorische Forschung ausüben würde.215 Das Institut galt als Pilotinstitut innerhalb der 208 Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, un paginiert. 209 Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main, Tätigkeitsbericht 1987/1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 261; Entwurf von Dieter Simon als Vorlage zur Institutskonferenz vom 1.11.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 17, unpaginiert. 210 Dieter Simon, Vorstellung des MPI für Europäische Rechtsgeschichte auf der Sektionssitzung in Heidelberg vom 3.2.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 211 Vermerk von Günther Preiß vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 190–192. 212 Dieter Simon, Memorandum zur Forschungsplanung und Forschungsorganisation 1987, zwei Fassungen, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; ähnlich bereits Dieter Simon, Forschungsplan für den Forschungsbereich Mediävistik und Rechtswissenschaftsgeschichte, Herbst 1984, mit mehreren Entwürfen, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14. Siehe auch Simon, Walter Wilhelm, 2003, 142–150, 144, 146. 213 Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; dazu Fachausschuss des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte, Robert Feenstra, vom 18.06.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14. 214 Dieter Simon, Bericht für die Sitzung des Fachausschusses Februar 1988 vom 14.1.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. Siehe auch Bericht von Dieter Simon vom 11.10.1989 über die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Ausland im Jahre 1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 138–148; Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main, Tätigkeitsbericht 1987/1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 261. 215 Protokoll von Heinz Mohnhaupt vom 19.6.1981 über die 6. Sitzung des Fachausschusses vom 16.6.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 64, 66, 68; Vermerk von Günther Preiß vom 29.6.1981, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4034, fol. 188; Dieter Simon an Günther Preiß vom 22.9.1982, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3996, fol. 15; Günther Preiß an Dieter Simon vom 31.3.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3996, fol. 14; Protokoll von Gudrun Kienast vom 16.3.1989 zur 15. Sitzung des Fachbeirats vom 13.2.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 247; Protokoll von Filippo Ranieri vom 29.11.1982 zur 7. Sitzung
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geisteswissenschaftlichen Sektion.216 Simon forcierte den Ausbau des Stipendiatenetats,217 über den das Institut seit jeher den in- und vor allem den ausländischen Nachwuchs fördern und spätere Kooperationspartner bereits mit ausbilden konnte218. Der Fachausschuss reagierte zunächst freundlich-reserviert auf Simons Programm.219 Namentlich Sten Gagnér kritisierte den Abschied von der Dogmengeschichte und hielt Computer für eine Modeerscheinung.220 Coing hingegen lobte Simons Konzept eines Rechtskulturvergleichs.221 Simon attestierte dem Fachausschuss eigene Interessen,222 ließ den großen Beirat auflösen, da dessen Sitzungen nur noch teure gesellschaftliche Ereignisse böten, und verschmolz Beirat und Fachausschuss zu einem Fachbeirat, in dem auch Simons Forschungsinteressen vertreten waren.223 des Fachausschusses vom 12.11.1982, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4002, fol. 302–303; Tagesordnung der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats vom 8./9.3.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 295, mit sieben Vorträgen zum Thema »Rechtsgeschichte und elektronische Datenverarbeitung«; Tätigkeitsbericht des Instituts für die Zeit vom 1.3.1980 bis 28.2.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4002, fol. 59–60, 67–68; Tätigkeitsbericht des Instituts für die Zeit vom 1.3.1980 bis 28.2.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4002, fol. 65; Vermerk von Günther Preiß vom 11.2.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 192; Dieter Simon, Forschungsplan für den Forschungsbereich Mediävistik und Rechtswissenschaftsgeschichte, Herbst 1984, mit mehreren Entwürfen in: AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 216 Reimar Lüst an Rudolf Bernhardt vom 14.1.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 53; Vermerk von Dirk von Staden vom 12.8.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 501–502; Protokoll von Dieter Simon vom 6.2.1985 zur 10. Sitzung des Fachausschusses vom 30.1.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 209. 217 Bericht von Dieter Simon vom 7.5.1985 über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses 1. April 1983–31. März 1985, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 335–339; Vermerk von Günther Preiß vom 23.2.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 319–320; Vermerk von Dirk von Staden vom 9.2.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 87. 218 Walter Wilhelm an Reimar Lüst mit Bericht vom 4.7.1980 über die wissenschaftliche Zusammenarbeit des Instituts mit dem Ausland, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 101, 111; Helmut Coing an Reimar Lüst vom 8.5.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 60, unpaginiert. 219 Fachausschuss des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte, Robert Feenstra, vom 18.6.1987; AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; undatierte Stellungnahme von Dieter Simon, dem Präsidenten Heinz A. Staab auf dessen Bitte vom 26.8.1987 übersandt am 8.9.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 220 Protokoll von Dieter Simon vom 6.2.1985 zur 10. Sitzung des Fachausschusses vom 30.1.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 210–211. 221 So bereits Coing in Protokoll von Filippo Ranieri vom 5.4.1983 zur 8. Sitzung des Fachausschusses vom 7.3.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4002, fol. 10, dem Gagnér seinerzeit zustimmte. Rechtskulturvergleich als Forschungsdesiderat auch bei Michael Stolleis, Gedanken zur Nachfolgeberufung im MPI für europäische Rechtsgeschichte vom Mai 2005, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 464 verso. 222 Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, un paginiert. 223 Dieter Simon an Günther Preiß vom 23.3.1987, AMPG , II. Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 161; Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 7.9.1987, übersandt von Dieter Simon an Günther
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Simon war mit seiner Position als Alleindirektor für den Moment durchaus zufrieden.224 Er wollte diesen Zustand gern eine Zeitlang beibehalten, um die Gräben im Institut zu überwinden, aber auch, um die Übergabe an einen jüngeren Co- und späteren Alleindirektor vorzubereiten, der Simon in der Geschäftsführung entlasten werde. Das Institut sollte weder halbiert noch in formelle Abteilungen zerlegt noch dauerhaft zwei Direktoren unterstellt werden.225 Für die Max-Planck-Gesellschaft war die Zeit der Alleindirektoren jedoch vorbei. Da Simon keine Abteilungen wollte, die man nach dem Ruhestand des jeweils zuständigen Direktors gesondert hätte auflösen können, hätte ein jüngerer Direktor der Gesellschaft ein Bekenntnis zur Zukunft des Instituts abgenötigt.226 So versuchte Simon, den ihm aus frühen Münchener Tagen vertrauten und von ihm verehrten Dieter Nörr für das Institut zu gewinnen, der einige Jahre älter war als Simon.227 Nach seiner Meinung gefragt, stimmte Coing dem Vorschlag vorbehaltlos zu, rechnete aber zugleich durch, dass die Max-Planck-Gesellschaft nach Nörrs und Simons Emeritierung frei über die Fortführung oder Schließung des Instituts verfügen könne.228 In dieser schwebenden Situation feierte das Institut 1989 das Institut das erste Vierteljahrhundert seines Bestehens.229 Der Festredner Niklas Luhmann stand für Simons neues Programm – Rechtsgeschichte gespiegelt durch SozioPreiß vom 7.8.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 200–202. Zur Umsetzung von Simons Vorschlag Peter Gutjahr-Löser an Dieter Simon vom 15.4.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 116; Heinz A. Staab an Dieter Simon vom 12.7.1988, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 122; neue Institutssatzung in der Fassung vom 9.6.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 65–71; Günther Preiß an Dieter Simon vom 3.9.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 126–127; Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. Siehe auch Dieter Simon an Dieter Nörr vom 8.8.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 224 Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. Zu Vor- und Nachteilen der kollegialen Leitung Dieter Simon an Reimar Lüst vom 14.3.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 225 Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 6.2.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 154–159. 226 Anmerkung von Heinz A. Staab vom 25.2.1987 auf Brief von Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 6.2.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 159. 227 Dieter Simon: Erinnerung. mops-block, 13.10.2017. http://mops-block.de/index.php/175erinnerung. Zuletzt aufgerufen am 23.10.2020; Vermerk von Günther Preiß vom 28.7.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 131; Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 31.7.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 129–130; Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 5.9.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Heinz A. Staab an Dieter Nörr vom 30.11.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 228 Helmut Coing an Hein Kötz vom 6.5.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 142, fol. 141–142. 229 Heinz Mohnhaupt als wissenschaftlicher Vertreter des geschäftsführenden Direktors Dieter Simon an Walter Wilhelm im März 1989, Einladung zur Feierstunde mit wissenschaftlichem Vortrag von Niklas Luhmann, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 58; Gerhard H. Gräber an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, studentischen Hilfskräfte und Gäste unseres Hauses vom 11.7.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 58; Heinz Mohnhaupt an alle
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logie und Theorie.230 Die sparsam ausgerichteten Feierlichkeiten wurden überschattet von der noch immer ungelösten Hausfrage.231 Zwar hatte das Institut in der Nähe seines Hauptsitzes mehrere Wohnhaus- und Büroetagen angemietet (Freiherr-vom-Stein-Straße 9 und 15; Friedrichstraße 2–6).232 Die wissenschaftlichen Mitarbeiter waren weitgehend in die Friedrichstraße umgezogen.233 Gleichwohl spiegelte die räumliche Situation eine Spaltung des Instituts wider, die es zu überwinden galt.234 Hinzu kam, dass einerseits nicht alle Gebäude gleichermaßen für die Unterbringung von Büchern geeignet waren235, andererseits die Bibliotheksbestände aufgeteilt und Bücher zwischen den Standorten transportiert werden mussten236. Sollte Dieter Nörr den Ruf annehmen, musste er mit seinen Mitarbeitern und der für ihn zu erwerbenden Literatur zur antiken Rechtsgeschichte Platz finden. Simons Hoffnung, das große Bürogebäude in der Friedrichstraße 2–6 im Ganzen erwerben und das Institut dort zusammenführen zu können,237 zerschlug sich, als der bisherige Vermieter, eine Einrichtung der evangelischen Kirche, das Haus an ein Immobilienunternehmen verkaufte, das höhere Renditen erwartete, als sie mit der Max-Planck-Gesellschaft als Mieter zu erzielen waren.238 Aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, stud. Hilfskräfte und Gäste vom 31.10.1989, Zeitplan für die Jubiläumsfeier am 2.11.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 58. 230 Dieter Simon, Begrüßung zum Jubiläumsfest am 3.11.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 22, unpaginiert; Joseph Sonderkamp: 25 Jahre Europäische Rechtsgeschichte. MPG Spiegel 6 (1989), 25–26. 231 Verwaltungsleiter Gerhard H. Gräber an MPG -Generalverwaltung z.H. Herrn Dr. Hoch vom 3.10.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 22, unpaginiert. 232 Vermerk von Dirk von Staden vom 12.8.1983, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 500–501; Mietangebot der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Darmstadt vom 12.3.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 351–352; Materialien für die Sitzung des Verwaltungsrats vom 13.6.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 123–124. 233 Protokoll von Marie Theres Fögen vom 10.3.1986 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 18, unpaginiert; Protokoll von Ernst Holthöfer vom 4.4.1986 zur Institutskonferenz vom 1.4.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 18. Siehe zuvor Dieter Simon an Walter Wilhelm vom 23.7.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 60, unpaginiert. 234 Helmut Coing an Reimar Lüst vom 8.5.1984, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 60, unpaginiert. 235 Protokoll von Heinz Mohnhaupt vom 19.6.1981 über die 6. Sitzung des Fachausschusses vom 16.6.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 62. 236 Vermerk von Günther Preiß vom 20.2.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 222–223, der hier die Bedenken Simons zur Bibliothekssituation referierte; Protokoll von Ernst Holthöfer vom 4.4.1986 zur Institutskonferenz vom 1.4.1986, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 18, unpaginiert. 237 Dieter Simon an Helmut Coing vom 9.4.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 60, unpaginiert; Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 238 Heinz A. Staab an Dieter Nörr vom 28.4.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 122–123 (Entwurf); Heinz A. Staab an Dieter Nörr vom 10.5.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert.
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Simons Sicht hatte die Generalverwaltung hier ungeschickt agiert.239 Zugleich beklagte Simon intransparente »k.w.«-Vermerke im Stellenplan des Instituts nach Wilhelms Rücktritt, die im Zusammenhang mit der Nörr gegebenen Ausstattungszusage gestrichen werden sollten.240 Dies entsprach zwar der ständigen Praxis der Max-Planck-Gesellschaft, wenn Direktorenposten zeitweise nicht besetzt waren.241 Doch hatte Simon damit gerechnet, dass die Nörr zugesagten Mitarbeiter zum bisherigen Stab hinzukämen, nicht hingegen, dass die Stellen wiedergewährt würden, die zuvor genommen worden seien.242 Zeitweise führten diese Auseinandersetzungen zu einer deutlichen Verstimmung zwischen Simon und der von ihm mit Anführungszeichen versehenen Instituts»betreuung«.243 Dagegen verließ sich Simon seit 1981 uneingeschränkt auf den am Institut bis heute legendären Verwaltungsleiter Gerhard H. Gräber,244 den er für den Fall seiner eigenen Abwesenheit bevollmächtigte, das Institut in allen nichtwissenschaftlichen Belangen nach innen und außen zu vertreten,245 parallel zu Heinz Mohnhaupt, den er mit der Vertretung in wissenschaftlichen Angelegenheiten betraute.246 Gräber verfolgte seinen Anspruch »hervorragende Wissenschaft braucht hervorragende Verwaltung« dadurch, dass er mit den Direktoren loyal zusammenarbeitete, von diesen aber auch die Freiräume und Rückendeckung erhielt, die nötig waren, um administrative Hindernisse zu überwinden.247 Anders als nach seiner ersten Amtsperiode als geschäftsführender Direktor meinte Simon nun, »[d]ie Geschäftsführung sei auf Grund des Vorhandenseins eines
239 Dieter Simon an Wolfgang Hasenclever vom 26.2.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Vermerk von Günther Preiß vom 10.3.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23; Vermerk von Dirk von Staden vom 2.2.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 327–328. 240 Dazu Dirk von Staden an Otto Gerhard Oexle vom 26.9.1989 mit »Kurzinformation« über das Institut und »Übersicht über die wichtigsten Entwicklungs- und Haushaltsdaten des Instituts«, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4010, fol. 149, 151. 241 Anmerkung von Heinz A. Staab vom 25.2.1987 auf Brief von Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 6.2.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 159; Vermerk von Dirk von Staden vom 1.12.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 109–110; Vermerk von Günther Preiß vom 22.1.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 86. 242 Dieter Simon an Wolfgang Hasenclever vom 24.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 243 Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, un paginiert; Vermerk von Wolfgang Hasenclever für Günther Preiß vom 19.1.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 97; Vermerk von Günther Preiß vom 22.1.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4009, fol. 85. 244 Protokoll von Heinz Mohnhaupt vom 19.6.1981 über die 6. Sitzung des Fachausschusses vom 16.6.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4001, fol. 62–63. 245 Anordnung von Dieter Simon vom 14.4.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, un paginiert. 246 Interview Mohnhaupt, 23.7.2018. 247 Interview mit Gerhard H. Gräber. Unveröffentlicht. 9.8.2019.
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engagierten Verwaltungsleiters keine besondere Belastung«.248 Gemeinsam mit Simon erreichte Gräber, dass der neue Vermieter der Friedrichstraße 2–6 für das Institut ein Gebäude im Stadtteil Hausen errichtete, um ohne Konflikte den bisherigen Mietvertrag zu lösen.249 Als sich der Umzug in das neue Haus bereits abzeichnete, lehnte auch der zweite Nörr-Bruder den Ruf an das Frankfurter Institut ab. Dieter Nörr äußerte die Sorge, ob seine Gesundheit ihm gestatten würde, das Institut auf die von ihm selbst und von der Gesellschaft erwartete Weise zu leiten.250
5. 1991–2001 Ursprünglich hatte Simon keinen anderen Kollegen vorschlagen wollen, sollte Dieter Nörr ablehnen, da Simon niemanden sonst für geeignet hielt.251 Hätte er nun gleichwohl einen weiteren Romanisten oder Antikrechtler benannt, so hätte dieser der Max-Planck-Gesellschaft als zweite Wahl erscheinen müssen. Doch Simon hatte sich mehr als zwei Jahre auf diese Situation vorbereiten können und präsentierte kein minus zu Nörr, sondern ein aliud.252 Mit Michael Stolleis wurde nach Coing und Simon bereits der dritte Frankfurter Ordinarius als Direktor an das Institut berufen.253 Dies hatte den praktischen Vorteil, dass eine Verbindung mit der Universität am Institutssitz nicht 248 Protokoll von Dieter Simon vom 6.2.1985 zur 10. Sitzung des Fachausschusses vom 30.1.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4004, fol. 208. 249 Interview mit Dieter Simon. Unveröffentlicht. 12.7.2018; Heinz A. Staab an Dieter Simon vom 10.5.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Heinz A. Staab an Dieter Simon vom 25.8.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23; Protokoll von Gudrun Kienast vom 2.4.1990 zur 16. Sitzung des Fachbeirats vom 14.2.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 7; Vermerk von Dirk von Staden vom 9.2.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 87; Protokoll von Heinz Mohnhaupt vom 8.11.1990 zur Institutskonferenz vom 6.11.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 18, unpaginiert. 250 Dieter Nörr an Heinz A. Staab vom 8.2.1990, AMPG, II. Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 251 Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, un paginiert. 252 Protokoll von Gudrun Kienast vom 2.4.1990 zur 16. Sitzung des Fachbeirats vom 14.2.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 8; Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 2.3.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 108–112. 253 Hans F. Zacher an Michael Stolleis vom 13.3.1991, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Hans F. Zacher an Michael Stolleis vom 24.6.1991, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23. Zur späteren Vertragskonstruktion einer Leerstelle im Haushalt der Universität, die durch Mittel der Max-Planck-Gesellschaft ausgefüllt wurde, Michael Stolleis an Dirk von Staden vom 29.3.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 20; Vermerk von Hans F. Zacher vom 3.4.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 18; Vermerk von Rudolf Wechsler vom 7.4.1995, fol. 14–17; Vermerk von Johann Gaßmann vom 21.4.1995, AMPG, II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 9; Vermerk von Hans F. Zacher vom 15.5.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 1–4; Michael Stolleis an das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst vom 15.11.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert.
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eigens hergestellt werden musste. Überdies sparte die Max-Planck-Gesellschaft den Grundstock des Direktorengehalts, solange die Universität ihren Professor in seinem Hauptamt bezahlte.254 Beides spielte aber für die Berufungskommission und die Gutachter ebenso wenig eine Rolle wie zuvor bei Coing und Simon. Ein sechs Jahre jüngerer Co-Direktor bedeutete eine Profilentscheidung auch für die Zeit nach Simon.255 Mit Dieter Nörr hätte das Institut einen Direktor gefunden, der die bei der Gründung gegen Genzmers Wunsch ausgeplante antike Rechtsgeschichte vertrat.256 Stolleis dagegen stand für die Geschichte des öffentlichen Rechts als ein Fach, das Coing am Institut zwar schon durch Dieter Grimm und Heinz Mohnhaupt hatte erforschen lassen, das Stolleis aber weit über die Verfassungsgeschichte hinaus geführt hatte. Coing, der auf Simons Wunsch um sein Votum gebeten wurde,257 zögerte deshalb nicht, Stolleis’ Berufung nachdrücklich zu befürworten.258 Zur gleichen Zeit verhandelte Stolleis zudem mit Präsident Hans F. Zacher über dessen Nachfolge am Münchener Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht,259 entschied sich aber für Frankfurt.260 Der neue Direktor veränderte abermals den Leitungsstil im Institut, was Marie Theres Fögen, seinerzeit noch wissenschaftliche Mitarbeiterin, gegenüber dem Fachbeirat aussprach.261 Weder war Stolleis distanziert wie Coing, noch spielte er mit den Mitarbeitern Tennis wie Wilhelm, noch lud er wie Simon die 254 Als auch für die Zukunft favorisierte Lösung bezeichnet von Hubert Markl an Michael Stolleis vom 30.11.1999, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 255 Vermerk von Wolfang Hasenclever vom 19.2.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 83; Wolfgang Hasenclever an Dieter Simon vom 20.3.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 106; Heinz A. Staab an Hein Kötz vom 25.5.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 104–105; Heinz A. Staab an Dieter Simon vom 25.5.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 102. 256 Vermerk von Günther Preiß vom 31.1.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 329, 331; Vermerk von Günther Preiß vom 23.2.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 317; Protokoll von Gudrun Kienast vom 16.3.1989 zur 15. Sitzung des Fachbeirats vom 13.2.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 246. 257 Dieter Simon an Otto Gerhard Oexle vom 12.7.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 258 Protokoll von Gudrun Kienast vom 2.4.1990 zur 16. Sitzung des Fachbeirats vom 14.2.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 7; Helmut Coing an Otto Gerhard Oexle vom 9.10.1980, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 259 Über »konkurrierende Interessen personeller Art«, die aus Hans F. Zachers Wunsch resultierten, Michael Stolleis für das Münchener Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht zu gewinnen, Heinz A. Staab an Hein Kötz vom 25.5.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 105; Dieter Simon an Otto Gerhard Oexle vom 12.7.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 260 Hans F. Zacher an Michael Stolleis vom 30.9.1991, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Interview mit Michael Stolleis. Unveröffentlicht. 24.7.2018. 261 Protokoll von Claudia Schneider vom 15.4.1993 zur 19. Sitzung des Fachbeirats vom 5.3.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4007, fol. 7.
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Mitarbeiter und Gäste des Instituts regelmäßig auf Leberkäse, Schokoladen mousse und Pfälzer Wein zu sich nach Hause ein, weder rauchte er Pfeife wie Wilhelm noch Zigaretten wie Simon, der den Tabakkonsum in der Institutskonferenz unterbunden hatte, als er sich selbst das Rauchen abgewöhnte.262 Die Institutskonferenzen wurden kürzer, weil Stolleis weniger als Simon von seinen Projekten, Vorträgen und Reisen berichtete, sondern vor allem die Mitarbeiter über deren Arbeiten berichten ließ. In Hausen hatte man flache Hierarchien in die Breite gebaut. Ohne viele Treppen steigen zu müssen, wusste der Direktor, wer wann wo war. Institutsausflüge waren wissenschaftliche Exkursionen.263 Im neuen Haus wurden die internen Gremien des Instituts neu aufeinander abgestimmt.264 Die Institutskonferenz, die durch Gäste sehr groß geworden war, verlor ihre Funktion als Beratungsgremium an die Planungskonferenz der ständigen Mitarbeiter. Neben die seit langem etablierte Bibliothekskommission trat die EDV-Kommission.265 Für die seit den 1980er Jahren in eigener Regie und mit eigener technischer Ausstattung hergestellten Institutspublikationen bestand weiterhin eine Redaktionskommission. Seit den 1980er Jahren war das Institut dazu übergegangen, die Schriftenreihen und Zeitschriften mit eigener technischer Ausstattung (EDV und Lichtsatz) im Institut selbst verlagsfertig herzustellen.266 Zunächst geschah dies aus Kostengründen. Doch erwarben die zuständigen Mitarbeiter, über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg vor allem KarlHeinz Lingens, durch die redaktionelle Hoheit im Lektorat bis hin zur typographischen Gestaltung »mit ihren handwerklichen und geistigen Fähigkeiten« die »nötige Infrastruktur, das know-how«, um nicht nur den eigenen Veröffentlichungen des Instituts, sondern auch den Texten vieler auswärtiger Autoren ein unverwechselbares Gesicht zu geben.267 Als neue Forschungsgebiete etablierte Stolleis neben der Geschichte des öffentlichen Rechts diejenige des Sozialrechts, des Völkerrechts und des Strafrechts, mit Simon gemeinsam die Juristische Zeitgeschichte. Mit Simon verband 262 Interview Simon, 12.7.2018; Interview Mohnhaupt, 23.7.2018; Interview Dölemeyer, 24.7.2018; Interview Stolleis, 24.7.2018. 263 Interview Stolleis, 24.7.2018. 264 Geschäftsordnung des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte vom 1.1.1992, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 131. Zu den einzelnen Gremien Protokoll von Karl-Heinz Lingens vom 12.12.1990 zur Institutskonferenz vom 11.12.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 18, unpaginiert; zum Verhältnis von Instituts- und Planungskonferenz auch das ungezeichnete Protokoll zur Institutskonferenz vom 17.1.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27. 265 Zur ersten Beratung der EDV-Kommission Protokoll von Gerd Bender vom 2.4.1990 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 18, unpaginiert. 266 Siehe dazu auch die Quellennachweise in Fußnote 216. 267 Zitat von Marie Theres Fögen nach Protokoll von Gudrun Kienast vom 2.4.1990 zur 16. Sitzung des Fachbeirats vom 14.2.1990, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 10; zu den Kapazitätsproblemen aufgrund der großen Nachfrage nach Publikationen in den Schriftenreihen des Instituts Protokoll von Gudrun Kienast vom 16.3.1989 zur 15. Sitzung des Fachbeirats vom 13.2.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 247.
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Stolleis auch das Interesse für Nachwuchsförderung. Diese wurde außer durch eine weiter wachsende Anzahl von Stipendiaten268 und den »Sommerkurs für europäische Rechtsgeschichte«269, durch die Einrichtung einer der ersten selbständigen Nachwuchsgruppen in der Max-Planck-Gesellschaft270 sowie durch die Gründung der International Max Planck Research School praktiziert, welche das gemeinsame Graduiertenkolleg mit der Frankfurter Fakultät ablöste.271 Das Institut blieb ein Vorreiter der »digitalen Rechtsgeschichte«,272 nach außen besonders sichtbar durch zwei große Quelleneditionen zu juristischen Disserta tionen der frühen Neuzeit und zum Privatrecht des 19. Jahrhunderts.273 Bald nach seinem Amtsantritt war Stolleis faktisch Alleindirektor, da Simon nicht nur seit 1989 Vorsitzender des Wissenschaftsrats war und in dieser Funktion die DDR-Wissenschaft evaluieren (und abwickeln) half. Zwar gab Simon dieses Amt 1993 auf, um wieder intensiver im Institut zu arbeiten,274 doch wurde er schon 1995 Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft.275 Auch wenn Stolleis dies so gewiss nicht erwartet hatte, 268 Michael Stolleis, Max-Planck-Institut für europäische Rechtgeschichte Frankfurt am Main. Zukunftsperspektiven, undatierter Entwurf, per Fax versandt an Dieter Simon mit Anschreiben am 2.1.1997 (von Stolleis versehentlich auf 1996 datiert); Dieter Simon an Michael Stolleis vom 10.1.1997, jeweils in: AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Protokoll von Gudrun Kienast vom 21.3.1997 zur 23. Sitzung des Fachbeirats vom 10.3.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 82. 269 Michael Stolleis an Roswitha Gebhart vom 13.8.2002, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; undatiertes Protokoll von Karl-Heinz Lingens zur Institutskonferenz vom 10.6.1996, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27; Protokoll von Gudrun Kienast vom 21.3.1997 zur 23. Sitzung des Fachbeirats vom 10.3.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 80. 270 Unterlagen zur selbständigen Nachwuchsgruppe »Das Recht der industriellen Revolution«, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 883, fol. 68–118, 160–180, Projektskizze AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 883, fol. 105–112. 271 Hubert Markl an Michael Stolleis vom 8.4.2002, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Dieter Simon an Helmut Coing vom 23.11.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; zu Graduiertenkolleg und Research School Michael Stolleis, Gedanken zur Nachfolgeberufung im MPI für europäische Rechtsgeschichte vom Mai 2005, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 467–467 verso. 272 Protokoll von Claudia Schneider vom 15.4.1993 zur 19. Sitzung des Fachbeirats vom 5.3.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4007, fol. 6–7; Claudia Schneider vom 11.3.1993 zur 18. Sitzung des Fachbeirats vom 25.2.1992, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 312– 313; André Gouron an Hans F. Zacher vom 25.5.1992, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 324–327. 273 Protokoll von Gudrun Kienast vom 21.3.1997 zur 23. Sitzung des Fachbeirats vom 10.3.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 80; Michael Stolleis an Anke Weddige vom 23.3.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 36–45; Heinrich C. Kuhn an Anke Weddige vom 1.4.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 46–48. 274 Protokoll von Claudia Schneider vom 15.4.1993 zur 19. Sitzung des Fachbeirats vom 5.3.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4007, fol. 3. 275 Zu den Modalitäten Hans F. Zacher an Dieter Simon vom 13.10.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. Zu Simons Anwesenheit in Frankfurt und dem Übergang der Geschäftsführung auf Michael Stolleis undatiertes Protokoll von Vincenzo Colli zur Institutskonferenz vom 16.10.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27.
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wurde das Verhältnis der beiden Direktoren durch Simons häufige Abwesenheit nicht bleibend getrübt. In grundsätzlichen Fragen waren sich beide einig und stimmten sich soweit erforderlich per Brief oder mit dem damals verbreiteten Telefax ab. Insbesondere gab es keine wesentlichen Differenzen hinsichtlich der künftigen Forschungsthemen des Instituts.276 Beide Direktoren verstanden das Institut als ein geisteswissenschaftliches, nicht als ein genuin juristisches.277 Ebenso befürworteten beide eine Erweiterung nicht nur des Frankfurter Instituts, sondern vor allem der anderen juristischen Institute zu Instituten für die Grundlagen und Nachbardisziplinen der Rechtswissenschaft auch abseits der Rechtsgeschichte.278 In den 1990er Jahren band der Aufbau von Max-Planck-Instituten in den neuen Bundesländern erhebliche Mittel, die andernorts eingespart werden mussten, da die öffentlichen Haushalte bekanntlich auch im übrigen durch Transferleistungen von West nach Ost belastet waren.279 Angesichts der Sparzwänge erinnerte man sich in Frankfurt Walter Wilhelms, der fast vergessen seine Stelle als Wissenschaftliches Mitglied innehatte, mit Anspruch auf Büro und Sekretärin, wovon er aber immer weniger Gebrauch machte.280 Stolleis, der die unerfreulichen Hintergründe von Wilhelms Rücktritt weder im Detail kannte noch kennen wollte,281 hielt Wilhelm für moralisch verpflichtet, seinen Platz zu räumen. Hierzu schlug Stolleis vor, Wilhelm solle erklärt werden, dass seine Stelle nicht im Institut verwendet werden solle, sondern für die neuen In-
276 Michael Stolleis, Max-Planck-Institut für europäische Rechtgeschichte Frankfurt am Main. Zukunftsperspektiven, undatierter Entwurf, per Fax versandt an Dieter Simon mit Anschreiben am 2.1.1997 (von Stolleis versehentlich auf 1996 datiert), AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Dieter Simon an Michael Stolleis vom 10.1.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14. 277 Dieter Simon und Michael Stolleis, Denkschrift zum wissenschaftlichen Personal des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte vom 20.11.1995, AMPG , II. Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Michael Stolleis an Hubert Markl vom 3.3.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 88. 278 Dieter Simon an Wolfgang Prinz vom 25.06.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Michael Stolleis an Dieter Simon vom 4.8.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14; Dieter Simon an Michael Stolleis vom 7.8.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14; Michael Stolleis an Dieter Simon vom 9.8.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14; Michael Stolleis, Normdurchsetzung, Sprachform des Rechts, Rechtskulturvergleich – Zukunftsperspektiven des MPI für europäische Rechtsgeschichte, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14. 279 Zum Umfang der geplanten Institutsgründungen und Stelleneinsparungen undatiertes Protokoll von Ernst Holthöfer zur Institutskonferenz vom 3.12.1991, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27; Protokoll von Hans-Andreas Schönfeldt vom 7.2.1995 zur Instituts konferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27.; Mitchell G. Ash: Die MaxPlanck-Gesellschaft im Kontext der Deutschen Vereinigung 1989–1995. Berlin: GMPG Preprint 2020, 116–120, 159–164. 280 Franz E. Weinert an Hans F. Zacher vom 7.2.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 281 Interview Stolleis, 24.7.2018.
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stitute im Ostdeutschland benötigt werde.282 Für Stolleis war dies konsequent, da er seinen Leibniz-Preis verwenden wollte, um junge Rechtshistoriker aus den neuen Bundesländern zu unterstützen283, und nicht hinnehmen mochte, dass Nachwuchswissenschaftler vergebens Stellen suchten, während die Max-PlanckGesellschaft einen untätigen ehemaligen Direktor alimentierte284. Intern gab der stellvertretende Generalsekretär Edmund Marsch zu bedenken, dass rechtlich keine Handhabe gegen Wilhelm bestehe, da ein Wissenschaftliches Mitglied, das die Leitungsfunktion verloren habe, nach der damaligen Satzung der Gesellschaft nicht gehalten sei, an den Projekten des Instituts mitzuwirken, sondern in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit völlig freigestellt sei.285 Dass das freigestellte wissenschaftliche Mitglied überhaupt noch wissenschaftlich tätig sei, wurde von der Satzung unterstellt. Marschs Vermerk blieb folgenlos, obwohl Wilhelm gegenüber Präsident Zacher in diesem Sinne argumentierte. Zacher suggerierte Wilhelm, von sich aus den Antrag zu stellen, in den vorzeitigen Ruhestand versetzt zu werden, weniger als zwei Jahre vor dessen Emeritierung.286 Wie schon bei Wilhelms Rücktritt als Direktor praktizierte die Gesellschaft ebenso eigen- wie fremdnützige Skandalvermeidung.287 Die Max-Planck-Gesellschaft blieb ein Sanierungsfall. Die Fernsehsendung »Kulturzeit« kalauerte »Planck ist blank«.288 Anlass hierfür bot der Plan von Zachers Nachfolger im Präsidentenamt Hubert Markl, der das Göttinger Institut für Geschichte schließen wollte.289 Naturgemäß solidarisierte sich das Frank282 Michael Stolleis an Johann Gaßmann vom 2.3.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Vermerk von Johann Gaßmann vom 10.3.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 283 Vermerk von Günther Preiß vom 27.3.1991, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4012, fol. 49; Vermerk von Johann Gaßmann vom 19.3.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4008, fol. 350; Protokoll von Claudia Schneider vom 11.3.1993 zur 18. Sitzung des Fachbeirats vom 25.2.1992, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 309; Protokoll von Gudrun Kienast vom 15.3.1994 zur 20. Sitzung des Fachbeirats vom 4.3.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 254. 284 Siehe in anderem Zusammenhang auch Michael Stolleis, Gedanken zur Nachfolgeberufung im MPI für europäische Rechtsgeschichte vom Mai 2005, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 465 verso, über »Appelle an wissenschaftliches Ethos und vorgelebte[n] Fleiß von Direktoren«. 285 Vermerk von Edmund Marsch vom 16.2.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert, zum Vermerk von Hans F. Zacher vom 14.2.1994, AMPG , II. Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 286 Vermerk von Hans F. Zacher vom 25.3.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert; Walter Wilhelm an Hans F. Zacher vom 10.8.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 287 Vgl. den Vermerk von Hans F. Zacher vom 14.2.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 1552, unpaginiert. 288 Planck ist blank. Kulturzeit. 3sat 27.11.1996, Mitschnitt erhalten vom ZDF-Programmservice am 20.8.2019. 289 Ulrich Raulff: Vor der Schließung. Max-Planck-Institut in Göttingen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.10.1996), 39. Näher dazu Peter Schöttler: Das Max-Planck-Ins-
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furter rechtshistorische Institut mit den fachlich eng verbundenen Göttinger Kollegen. Innerhalb der Geisteswissenschaftlichen Sektion standen Simon und Stolleis den Historikern näher als den juristischen Instituten.290 Simon stellte sich in »Kulturzeit« öffentlich gegen seinen Freund »Jim« Markl, als er, um das Göttinger Institut zu bewahren, stattdessen ein juristisches zur Schließung anbot – das eigene Institut in Frankfurt ausgenommen.291 Proteste aus dem Inund Ausland stoppten zunächst die geplante Schließung in Göttingen.292 Selbstverständlich verwahrte sich das Frankfurter Institut auch in eigener Sache gegen Sparvorgaben293 und gegen den Anspruch sparsamer Haushälter, Grundlagenforschung müsse nützlich sein.294 Der Fachbeirat versuchte, sich schützend vor das Institut zu stellen.295 Kürzungen im Personal- und Bibliotheksetat konnten hierdurch zwar nicht abgewendet werden.296 Das Institut konnte aber zumindest die Folgen für die Bibliothek dadurch abmildern, dass geplante Restaurierungen zugunsten von Anschaffungen verschoben wurden. Die Bibliothek, in ihrer Bedeutung vergleichbar mit den Laboranlagen na-
titut für Geschichte im historischen Kontext, 1972–2006: Zwischen Sozialgeschichte, Historischer Anthropologie und Historischer Kulturwissenschaft. Berlin: GMPG -Preprint 2020, 110–113. 290 Siehe oben bei Fn. 277. 291 Hubert Markl an Dieter Simon vom 28.11.1996, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Dieter Simon an Hubert Markl vom 29.11.1996, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23. 292 Ulrich Raulff: Planck ohne Historie. Der Verband ruft zu den Waffen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (5.11.1996), 43; Ulrich Raulff: Ein Kampf um Göttingen. Historiker aus aller Welt im Gefecht für das MPI . Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.11.1996), 33; Renate Schostack: Sparen, gründen. Senat und Max-Planck-Gesellschaft. Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.3.1997), 39. Zur Innenansicht des für die Sektion zuständigen Vizepräsidenten Franz E. Weinert in Protokoll von Gudrun Kienast vom 21.3.1997 zur 23. Sitzung des Fachbeirats vom 10.3.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 81. 293 Dieter Simon / Michael Stolleis, Denkschrift zum wissenschaftlichen Personal des MaxPlanck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte vom 20.11.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Protokoll von Christoph Bergfeld vom 11.9.1995 zur Institutskonferenz vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27; undatiertes Protokoll von Vincenzo Colli zur Institutskonferenz vom 16.10.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27; Johann Gaßmann an Dieter Simon und Michael Stolleis vom 8.12.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 204; Michael Stolleis an Hubert Markl vom 3.3.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 86–88. 294 Hans F. Zacher an Michael Stolleis vom 17.12.1993, AMPG , II. Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Dieter Simon an Hans F. Zacher vom 30.5.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23. 295 So die Wahrnehmung des für das Institut zuständigen Vizepräsidenten, Franz E. Weinert an Ulrike Gutheil vom 10.10.1996, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 136. 296 Franz E. Weinert an alle Direktoren der juristischen Institute innerhalb der geisteswissenschaftlichen Sektion der MPG vom 29.1.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert; Michael Stolleis, Max-Planck-Institut für europäische Rechtgeschichte Frankfurt am Main. Zukunftsperspektiven, undatierter Entwurf, per Fax versandt an Dieter Simon am 2.1.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14; Dieter Simon an Michael Stolleis vom 10.1.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14.
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turwissenschaftlicher Institute,297 war besonders vom Problem der »sauren Bücher« betroffen, für deren Entsäuerung das Institut zeitweise zusätzliche Mittel erhielt.298 Als Stolleis’ Gesundheit eine Entlastung von der langjährigen Geschäfts führung299 erforderte und Simon eine zweite Amtszeit als Akademiepräsident in Berlin wahrnahm, die über seine Emeritierung 2003 hinausgehen würde, strebten beide eine Erweiterung des Direktoriums an,300 die zuvor als nicht finanzierbar galt.301 Berufungskommission, Institut und Fachbeirat waren darin einig, dass Marie Theres Fögen bereits einige Jahre im Voraus Dieter Simons Nachfolge antreten solle.302 Die Förderung von Frauen in den Leitungsfunktionen der Max-Planck-Gesellschaft war eines der Reformziele, das Präsident Markl im Zuge der Sparmaßnahmen nicht vernachlässigen wollte.303 Auch wenn dies 297 Zu dieser Parallele mit Blick auf das Projekt zur Erschließung neuzeitlicher Dissertationen (Fn. 268) Franz E. Weinert an Anke Weddige vom 23.7.1998, AMPG, II. Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 9. 298 Vermerk von Ulrike Gutheil vom 1.3.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4008, fol. 336; Protokoll von Gudrun Kienast vom 13.3.1995 zur 21. Sitzung des Fachbeirats vom 3.3.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 222; noch offen gelassen von Hans F. Zacher an Michael Stolleis vom 24.6.1991, AMPG , II. Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. Zu gewährten bzw. nicht mehr gewährten Zuschüssen zur Bestandserhaltung Dieter Simon an Heinz A. Staab vom 2.10.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23; Marie Theres Fögen an Wieland Keinath vom 12.9.2002, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 299 Stolleis war geschäftsführender Direktor in den Jahren 1992–1993, 1996–2001 sowie 2004–2005, Korrespondenz zum Geschäftsführungsmodus, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23 unpaginiert. 300 Dieter Simon an Hubert Markl vom 9.7.1999, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Hubert Markl an Dieter Simon vom 6.10.1999, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23; Vermerk von Werner Feser vom 13.1.2000, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 715. Siehe bereits Michael Stolleis an die Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 1.9.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert, zur Notwendigkeit zweier Direktoren, die sich in der Geschäftsführung abwechseln, um die Blockierung eines etwaigen einzigen Direktors für die Forschung zu vermeiden. 301 Undatiertes Protokoll von Claudia Schneider zur 22. Sitzung des Fachbeirats vom 1.3.1996, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 139; siehe dann aber Vermerk von Beatrice Fromm vom 5.3.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 52. 302 Ergebnisprotokoll von Karen Friedman vom 24.5.2000 zur 2. Sitzung der Kommission »MPI für europäische Rechtsgeschichte« vom 20.3.2000, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 648, 650; Otto Gerhard Oexle, Bericht und Empfehlung der Kommission ›Nachfolge Dieter Simon‹ am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte vom 25.9.2000, AMPG , II. Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 553–558; Hubert Markl an Marie Theres Fögen vom 6.12.2000, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 303 Renate Schostack: Herz für Frauen. Die Max-Planck-Gesellschaft reagiert. Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.11.1996), 41; Carl Graf von Hohenthal: Max-Planck-Gesellschaft: Im Osten wachsen. Schließungen von Instituten im Westen / Sonderprogramm für Frauen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (3.12.1996), 19. Siehe dann Peter Gruss an alle Wissenschaftlichen Mitglieder vom 14.12.2006, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. Zum Kontext Birgit Kolboske: Die Anfänge. Chancengleichheit in der Max-Planck-Gesellschaft, 1988–1998. Ein Aufbruch mit Hindernissen. Berlin: GMPG -Preprint 2018, 99.
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nicht den Ausschlag gab, erklärte Stolleis frühzeitig, dass das Institut ausdrücklich die Berufung einer Direktorin befürworte.304 Zu diesem Zeitpunkt konnte Stolleis bereits darauf verweisen, dass von den damals sechs Professorinnen der Rechtsgeschichte in Deutschland fünf aus dem Frankfurter Institut kamen oder dort gearbeitet hatten.305
6. 2001–2007 Gegen Dieter Simons Rat, eine Doppelbelastung zu vermeiden,306 letztlich aber mit dem Einverständnis des Instituts,307 behielt Marie Theres Fögen ihren Lehrstuhl in Zürich und pendelte nach Frankfurt.308 Ihre Aufenthalte dort konzentrierte sie auf die Zürcher Semesterferien.309 Diese Lösung war zunächst auf fünf Jahre angelegt, mit der Option, anschließend ganz nach Frankfurt zu wechseln.310 Vordergründig hatte die Max-Planck-Gesellschaft die Tradition des Instituts bewahrt, indem sie eine Schülerin Simons berief, eine Byzantinistin, die das von Simon erfundene Rechtshistorische Journal redigiert hatte. Seit ihrer Berufung nach Zürich hatte Fögen aber neue Themen und Methoden für sich entdeckt oder stärker als Simon behandelt, etwa die Kombination von Systemtheorie und Evolutionstheorie311 als Versuch einer »Transdisziplinären Theoriebildung«.312 Als Direktorin stellte sie die beiden vom bzw. am Institut betreuten Zeitschriften ein, das Ius Commune und das Rechtshistorische Journal, und
304 Michael Stolleis an Hubert Markl vom 15.10.1999, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 305 Michael Stolleis, Normdurchsetzung, Sprachform des Rechts, Rechtskulturvergleich Zukunftsperspektiven des MPI für europäische Rechtsgeschichte, erste Fassung an Dieter Simon versandt am 4.8.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 306 Interview Simon, 12.7.2018. 307 Hubert Markl an Michael Stolleis vom 18.1.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Michael Stolleis an Hubert Markl vom 15.1.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23; Vermerk von Werner Feser vom 26.1.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert. 308 Marie Theres Fögen an Hubert Markl vom 26.2.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert. 309 Marie Theres Fögen an Hubert Markl vom 19.12.2000, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert. 310 Anstellungsvertrag vom 4./13.7.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert; Hubert Markl an Marie Theres Fögen vom 14.5.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert. 311 Marie Theres Fögen an Hubert Markl vom 19.12.2000, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert; Marie Theres Fögen: Rechtsgeschichte – Geschichte der Evolution eines sozialen Systems. Ein Vorschlag. Rg – Rechtsgeschichte 1 (2002), 14–20. 312 Marie Theres Fögen und Michael Stolleis, Highlights laufender Forschung und Langfristige Forschungsfragen, übersandt an Peter Gruss per E-Mail am 26.5.2003 16:22 Uhr, Ausdruck, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert.
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gründete eine neue Zeitschrift unter dem lapidaren Titel Rechtsgeschichte,313 die anfangs ebenso umstritten war wie bis zuletzt das Rechtshistorische Journal.314 In einem Konzeptpapier zur Zukunft der Rechtsgeschichte identifizierte sie wie zuvor auch Stolleis315 die Globalisierung als eines der Phänomene, welche die Forschung prägen würden.316 In ihrer kurzen Amtszeit geriet die Max-Planck-Gesellschaft durch eine »sich dramatisch verschlechternde Lage der Staatsfinanzen« in eine »tiefe finanzielle Krise«,317 die frühere Sparrunden318 in den Schatten stellte. Die ihr erst kurz zuvor gewährten Berufungsmittel musste Fögen einsetzen, um zumindest im Personalbereich den status quo zu erhalten statt zu erweitern; in der Bibliothek konnten Einsparungen nicht kompensiert werden.319 Die allgegenwärtige 313 Undatiertes Protokoll von Gudrun Kienast zur Fachbeiratssitzung vom 4.3.2002, AMPG, II . Abt., Rep. 36, Nr. 15, unpaginiert. 314 Siehe nur die zusammenhängenden Beiträge der Herausgeber der Romanistischen Abteilung in: Gunter Wesener: Literatur. Ius Commune. Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 120 (2003), 349–351, 351; Gerhard Thür: Literatur. Rechtsgeschichte (Rg). Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 120 (2003), 408; Fritz Sturm: Rezension zu Aktualisierung Europas. Gespräche mit Paul Koschaker, von Tomasz Giaro. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 120 (2003), 352–362, 362. Dagegen die Zeitungsumschau von Harald Wiggenhorn: Mehr als eine Hauszeitschrift: Liebling des Feuilletons. Forschung Frankfurt 2 (2003), 70. 315 Michael Stolleis, Normdurchsetzung, Sprachform des Rechts, Rechtskulturvergleich – Zukunftsperspektiven des MPI für europäische Rechtsgeschichte, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 14, unpaginiert. 316 Marie Theres Fögen und Michael Stolleis, Highlights laufender Forschung und Langfristige Forschungsfragen, übersandt an Peter Gruss per E-Mail am 26.5.2003 16:22 Uhr, Ausdruck, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 317 Peter Gruss an Marie Theres Fögen vom 6.2.2003, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; zuvor bereits von Hubert Markl an Michael Stolleis vom 8.4.2002, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25; Rüdiger Wolfrum an die Direktoren der Geisteswissenschaftlichen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft vom 18.7.2003, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25; Manfred Betz an Marie Theres Fögen vom 22.4.2003, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25. 318 Siehe etwa Generalsekretär Wolfgang Hasenclever an die Geschäftsführenden Direktoren und Leiter der Institute und Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft vom 16.12.1987, Rundschreiben Nr. 67/87, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Generalsekretär Wolfgang Hasenclever an die Geschäftsführenden Direktoren und Leiter der Institute und Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft vom 17.12.1987, Rundschreiben 74/1987, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert, zuvor bereits Verwaltungsleiter Gerhard H. Gräber vom 22.7.1982, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 58. Dieter Simon, Rundschreiben vom 21.7.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 58; Dieter Simon an alle wissenschaftlichen Mitarbeiter vom 27.8.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 58; Protokoll von Filippo Ranieri vom 2.7.1975 zur Institutskonferenz vom 1.7.1975, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 16, unpaginiert. 319 Marie Theres Fögen an Wieland Keinath vom 11.7.2002, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert.
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Haushaltsnotlage spürte sie außerdem dadurch, dass aufgrund einer Initiative des Bundesbildungsministeriums das ohnehin drittmittelstarke Institut320 angehalten wurde, Förderanträge zu stellen, da deutsche Forschungsinstitutionen zu wenig an europäischen Förderprogrammen partizipierten. Fögen empfand dies als politische Einmischung in die Autonomie der Max-Planck-Gesellschaft.321 Ungeachtet der Finanznöte wurde jedoch inmitten der Krise der Institutsneubau auf dem Campus Westend geplant.322 Stolleis und Fögen waren darin einig, dass ein eigenes Haus (das zweite nach der 1991 aufgegebenen, seither vermieteten Freiherr-vom-Stein-Straße 7) stärker als ein Mietobjekt zum dauerhaften Bestand des Instituts beitragen werde, und dass die Chance zu nutzen sei, in die Nähe der Universität zurückzukehren.323 Bewusst sprachen sich die Direktoren für den klosterartigen Entwurf aus, dessen drei Türme allerdings die in Hausen bestehende Dreifaltigkeit von Wissenschaft, Bibliothek und Verwaltung räumlich auflösten. Der Flächenbedarf eines Forschungsinstituts wurde inzwischen extern evaluiert, worin Fögen wiederum einen Autonomieverlust der MaxPlanck-Gesellschaft sah.324 Immerhin konnte Fögen gemeinsam mit der langjährigen Bibliotheksleiterin Sigrid Amedick verhindern, dass die systematische und damit wissenschaftskonforme Aufstellung der Magazinbestände zugunsten des platzsparenden numerus currens-Prinzips geopfert wurde.325 320 Für eine besonders günstige Momentaufnahme undatiertes Protokoll von Claudia Schneider zur 22. Sitzung des Fachbeirats vom 1.3.1996, AMPG , II. Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 139. 321 Marie Theres Fögen an Barbara Bludau vom 5.3.2003, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Barbara Bludau an Marie Theres Fögen vom 22.4.2003, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25. Siehe bereits Protokoll von Heinz Mohnhaupt vom 14.1.1992 zur Institutskonferenz vom 13.1.1992, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 27, unpaginiert. Weniger besorgt noch Fögen mit Entgegnung von Wolfgang Hasenclever in Protokoll von Gudrun Kienast vom 15.3.1994 zur 20. Sitzung des Fachbeirats vom 4.3.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 885, fol. 256, 259. 322 Marie Theres Fögen an Dieter Grömling vom 4.3.2002, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Marie Theres Fögen an Peter Gruss vom 15.6.2002, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25; Maria-Antonia Rausch an Peter Gruss vom 26.1.2005, Vermerk über die Ressourcenprüfung, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25. Erste Andeutungen noch für einen anderen Standort bereits in Vermerk von Volker Saurwein vom 19.1.1989, AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4006, fol. 341: »Die Universität hat bei ihren Neubauplanungen die Unterbringung des MPI für europäische Rechtsgeschichte einbezogen.« Siehe dazu auch AMPIeR, Ordner Unterlagen Neubau 2005–2007. 323 Interview Stolleis, 24.7.2018. 324 Marie Theres Fögen an Peter Gruss vom 5.3.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Marie Theres Fögen an Alfred Schmucker vom 8.6.2007, AMPG , II. Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. In diesem Sinne auch Michael Stolleis, undatiertes Protokoll von Jani Kirov zur Institutskonferenz vom 3.3.2008, Word-Datei dem Verfasser dieses Beitrags zur Verfügung gestellt vom Institut. 325 Marie Theres Fögen und Sigrid Amedick, Stellungnahme zu den Prinzipien der Aufstellung der Bibliothek des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte vom 7.3.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Alfred Schmucker und Marie
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Mit der Berufung einer fünf Jahre jüngeren Co-Direktorin und den Planungen für das neue Gebäude sah Michael Stolleis die Zukunft des Instituts gesichert und ließ sich mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorzeitig emeritieren,326 um ohne die Strapazen des Amtes vor allem den vierten Band seiner »Geschichte des öffentlichen Rechts« abzuschließen,327 dem einzigen opus magnum, das ein Frankfurter Direktor zu einem wichtigen Teil während seiner aktiven Zeit am Institut verfasst hat328. Für die Nachfolge wünschten sich Stolleis und Fögen insoweit übereinstimmend, dass die zu berufende Person international, interdisziplinär und theoriegeleitet arbeiten solle. Das unerwünschte Gegenbild war die klassische Dogmengeschichte.329 Gestützt auf vierzehn positive Gutachten schlug die Berufungskommission nach Anhörung mehrerer Kandidaten einstimmig Wolfgang Ernst vor.330 Während der Berufungsverhandlungen kritisierte der Feuilletonredakteur Jürgen Kaube in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, mit der Personalie Ernst zeige die Max-Planck-Gesellschaft und speziell deren Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaftliche Sektion, wie schwer sie sich mit dem Neuen tue.331 Der Vorsitzende der gescholtenen Sektion, Reinhard Zimmermann, widersprach per Leserbrief.332 Fögen warnte, dass Ernst sich in den Berufungsverhandlungen nicht willkommen fühle.333 Nach der Absage von Ernst machte Fögen die Max-PlanckGesellschaft für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich,334 deren Theres Fögen an Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst vom 4.6.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25. 326 Michael Stolleis an Peter Gruss vom 30.7.2004, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 327 Michael Stolleis, Gedanken zur Nachfolgeberufung im MPI für europäische Rechtsgeschichte vom Mai 2005, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 460. 328 Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur. 1914–1945. Bd. 3. München 1999. 329 Michael Stolleis, Gedanken zur Nachfolgeberufung im MPI für europäische Rechtsgeschichte vom Mai 2005, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 462, 466–467 verso; Marie Theres Fögen, Vorlage für die Perspektivenkommission vom 10.1.2005, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Marie Theres Fögen, Überlegungen zur Nachfolgeberufung am MPI für europäische Rechtsgeschichte vom 1.6.2005, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25; Michael Stolleis, Stellungnahme für die Kommission MPI für europäische Rechtsgeschichte vom 3.10.2006, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25. 330 Wolfgang Schön als Vorsitzender der Berufungskommission, Berufungsvorschlag vom 25.1.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 331 Jürgen Kaube: Rom die Referenz erweisen. Warum tut sich Max-Planck mit dem Neuen so schwer? Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.4.2007), 39. 332 Reinhard Zimmermann: Gute Entscheidungen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (24.4.2007), 8. 333 Marie Theres Fögen an Jürgen Baumert, E-Mail vom 9.8.2007 10.46 Uhr, Ausdruck, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 334 Marie Theres Fögen an die Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Sigrid Amedick, Gerhard H. Gräber und Volker Novak – zum Verlesen in der Institutskonferenz – vom 3.9.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert.
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Präsident seinerseits meinte, alles ihm mögliche getan zu haben.335 Stolleis Vorschlag, ganz nach Frankfurt zu wechseln,336 hatte Fögen bereits abgelehnt, bevor der Ruf an Ernst ergangen war.337 Erschöpft durch das lange Berufungsverfahren, das ihr einiges an Bewegungsfreiheit für ihre eigene Leitungstätigkeit nahm,338 ausdrücklich mutlos angesichts der zu erwartenden langwierigen Fortsetzung des Verfahrens,339 aber auch desillusioniert durch Widerstände außerhalb des Instituts gegen ihre Vorstellungen von Wissenschaft,340 zuletzt geschwächt durch ihre tödliche Krankheit, legte Fögen ihr Amt nieder.341 Stolleis kehrte geschäftsführend an das Institut zurück,342 um die Einsetzung eines auswärtigen »Kommissars« wie im Göttinger Institut zu vermeiden,343 das nun tatsächlich durch Umwidmung geschlossen wurde.344 Kaube, der sich nach Kritik an Ernst wie an Fögen ein weiteres Mal mit dem Frankfurter Institut beschäftigte,345 sah in der Schließung des Instituts für Geschichte ein Menetekel für Frankfurt.346 Intern konnte Stolleis die Institutsmitarbeiter beruhigen, dass das Institut für die Max-Planck-Gesellschaft nicht zur Disposition stand.347 Die Fachöffentlichkeit erfuhr davon zunächst nichts. 335 Peter Gruss an Wolfgang Ernst vom 22.8.2007, AMPG , II. Abt., Rep. 62, Nr. 1325, fol. 476. 336 Michael Stolleis an Marie Theres Fögen, E-Mail vom 13.5.2006 20:36 Uhr, Ausdruck, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 337 Marie Theres Fögen an Michael Stolleis, E-Mail vom 15.5.2006 15:27 Uhr, Ausdruck, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert; Vermerk von Wolfgang Kandlbinder vom 30.8.2006, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert; Gerhard H. Gräber an Michael Truchseß vom 29.8.2006, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert; so bereits von Anfang an erwartet, Marie Theres Fögen an Hubert Markl vom 9.4.2001, AMPG , II. Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert; Vermerke von Rudolf Wechsler vom 3.4.2001 und 3.5.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 540, unpaginiert. 338 Marie Theres Fögen an Peter Gruss vom 17.5.2006, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert; Marie Theres Fögen an Peter Gruss vom 19.3.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 339 Marie Theres Fögen an die Mitglieder des Kuratoriums des MPIeR vom 14.9.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 340 Marie Theres Fögen an Michael Stolleis, E-Mail vom 15.5.2006 15:27 Uhr, Ausdruck, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 341 Marie Theres Fögen an Peter Gruss vom 31.8.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 342 Peter Gruss an Marie Theres Fögen vom 10.9.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 343 Michael Stolleis an Marie Theres Fögen vom 8.9.2007, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 23, unpaginiert. 344 Schöttler, Das MPI für Geschichte, 2020, 118–121. 345 Kaube, Rom, 18.4.2007, 39; siehe aber auch Jürgen Kaube: Gesetzes Lied. Zum Tod der Historikerin Marie Theres Fögen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (19.1.2008), 39. 346 Jürgen Kaube: Suchspiel. Ein Max-Planck-Institut droht zu zerfallen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.9.2007), 43. 347 Undatiertes Protokoll von Vincenzo Colli zur Institutskonferenz vom 4.10.2007; undatiertes Protokoll von Caspar Ehlers zur Institutskonferenz vom 5.12.2007, Word-Dateien dem Verfasser dieses Beitrags zur Verfügung gestellt vom Institut.
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7. 2007–2020 Nach zwei weiteren Verfahren wurden 2009 Thomas Duve und 2015 Stefan Vogenauer berufen. Hiermit sind zwei Direktoren tätig, die den globalen Süden in ihre Forschungen zur europäischen Rechtsgeschichte einbeziehen. Mit der 2020 erfolgten Berufung von Marietta Auer schafft das Institut neue Anknüpfungspunkte auf dem Gebiet einer weit verstandenen Rechtstheorie. Bei Duves Berufung wurde das Institut erstmals in Abteilungen gegliedert. Unter dem gegenwärtigen Direktorium wird am Institut nun wirklich erforscht, was an Universitäten rein quantitativ nicht bearbeitet wird, da keine Rechtsfakultät und kein Forschungsverbund ein globales Netzwerk für ein Grundlagenfach oder gar mehrere davon aufbauen und unterhalten kann.348 Die Beziehungen zu deutschen und deutschsprachigen Universitäten verlieren unterdessen fast zwangsläufig an Bedeutung, soweit dort nicht ein eigenes Interesse an Verflechtungsgeschichte und Rechtstheorie besteht. Das Institut ist nicht mehr der Fixstern für das Fach in Deutschland, dafür aber umso mehr im Ausland. »Globalisierung des Rechts« und »Transdisziplinäre Theoriebildung« wurden bereits von Fögen und Stolleis als »Langfristige Forschungsfragen« benannt.349 Aus der Zukunftsplanung eines »educated guess für zwei Projekte, die langfristig in Angriff genommen werden könnten und sollten«,350 ist institutionalisierte Gegenwart geworden im »Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie«.351 Vergangenheit ist hingegen das »Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte«.352
348 Thomas Duve an die Mitglieder und Gäste der Perspektivenkommission der Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaftlichen Sektion vom Dezember 2009, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 152, fol. 3. 349 Marie Theres Fögen und Michael Stolleis, Highlights laufender Forschung und Langfristige Forschungsfragen, übersandt an Peter Gruss per E-Mail am 26.5.2003 16:22 Uhr, Ausdruck, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 350 Marie Theres Fögen an Peter Gruss, E-Mail vom 26.5.2003 16:22 Uhr, Ausdruck, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 25, unpaginiert. 351 Vgl. Sascha Zoske: Blick auf alte Imperien und Suche nach neuen Normen. Das MaxPlanck-Institut für europäische Rechtsgeschichte hat seinen Forschungshorizont erweitert. Frankfurter Allgemeine Zeitung 3 (5.1.2021), 32. 352 Die Umbenennung rechtfertigt Thomas Duve: What About »Europe«? Legal History Insights, 25.6.2021. https://legalhistoryinsights.com/what-about-europe/. Zuletzt aufgerufen am 11.11.2021.
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Anhang Archivalien Archiv der Max-Planck-Gesellschaft MPI für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie, AMPG , II . Abt., Rep. 36, Nr. 11, 14–19, 21–23, 25, 27, 58, 60, 63 Wissenschaftlicher Rat (auch GV Neuvorhaben / Neugründungen), AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 142, 152, 883, 885, 1077, 1114, 1325 GV: Institutsbetreuung, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 3996–4004, 4006–4012, 4034–4035 GV: Personal, AMPG , II . Abt., Rep. 67, Nr. 423, 540, 1552, 1696 Archiv des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie Ordner Unterlagen Neubau 2005–2007
Eigene Dokumentation Zeitzeugeninterviews Interview mit Barbara Dölemeyer. Unveröffentlicht. 24.7.2018. Telefoninterview mit Gerhard H. Gräber. Unveröffentlicht. 9.8.2019. Interview mit Dieter Grimm. Unveröffentlicht. 25.7.2018. Interview mit Heinz Mohnhaupt. Unveröffentlicht. 23.7.2018. Interview mit Dieter Simon. Unveröffentlicht. 12.7.2018. Interview mit Michael Stolleis. Unveröffentlicht. 24.7.2018.
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Simon, Dieter: Erinnerung. mops-block, 13.10.2017. http://mops-block.de/index.php/175erinnerung. Zuletzt aufgerufen am 23.10.2020. –: Walter Wilhelm (1928–2002). Eine Erinnerung. Rg – Rechtsgeschichte 2 (2003), 142–150. –: Zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik. Helmut Coing (28.2.1912–15.8.2000). In: Neue Juristische Wochenschrift 54 (2001), 1029–1032. Simon, Dieter und Michael Stolleis: Helmut Coing. Traueranzeige des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte. Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.8.2000), 49. Sonderkamp, Joseph: 25 Jahre Europäische Rechtsgeschichte. MPG -Spiegel 6 (1989), 25–26. Stolleis, Michael: Dreiklang des Rechts. Der Visionär eines europäischen »Ius commune«. Zum Tod des vielseitig gelehrten Helmut Coing. Frankfurter Allgemeine Zeitung (17.8.2000), 45. –: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur. 1914–1945. Bd. 3. München: C. H. Beck 1999. –: Von Bologna bis Brüssel. Helmut Coing, Kenner und Förderer europäischer Rechtskultur, wird achtzig. Frankfurter Allgemeine Zeitung (28.2.1992), 31. Sturm, Fritz: Rezension zu Aktualisierung Europas. Gespräche mit Paul Koschaker, von Tomasz Giaro. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 120 (2003), 352–362. Thür, Gerhard: Literatur. Rechtsgeschichte (Rg). Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 120 (2003), 408. tt.: Ein vielseitiger Rechtsgelehrter. Professor Helmut Coing wird Montag sechzig Jahre alt. Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.1972), 30. Vierhaus, Rudolf: Bemerkungen zum sogenannten Harnack-Prinzip. Mythos und Realität. In: Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko (Hg.): Die Kaiser-Wilhelm-/Max-PlanckGesellschaft und ihre Institute. Studien zu ihrer Geschichte. Das Harnack-Prinzip. Berlin: De Gruyter 1996, 129–138. Wassner, Fernando: Helmut Coing 70 Jahre. Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.2.1982), 4. Wesener, Gunter: Literatur. Ius Commune. Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 120 (2003), 349–351. Wiggenhorn, Harald: Mehr als eine Hauszeitschrift: Liebling des Feuilletons. Forschung Frankfurt 2 (2003), 70. Wilhelm, Walter: Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert. Ius Commune 1 (1967), 241–270. –: Quellen und Literatur der europäischen Rechtsgeschichte im 19. Jahrhundert – ein Arbeitsplan. Ius Commune 4 (1972), 240–287. Wissenschaftsrat: Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Teil I: Wissenschaftliche Hochschulen. Bundesdruckerei 1960. Zimmermann, Reinhard: Coing, Helmut: Für Wissenschaften und Künste: Lebensbericht eines europäischen Rechtsgelehrten. Hrsg., komm. und mit einem Nachwort von Michael F. Feldkamp. Berlin 2014. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 79/1 (2015), 219. doi:10.1628/003372515X14188198291994. –: Gute Entscheidungen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (24.4.2007), 8. Zoske, Sascha: Blick auf alte Imperien und Suche nach neuen Normen. Das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte hat seinen Forschungshorizont erweitert. Frankfurter Allgemeine Zeitung 3 (5.1.2021), 32.
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Sascha Ziemann
Werben um Minerva Die Gründungsgeschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Breisgau
1.
Einführung: Ein verspätetes Max-Planck-Institut
1.1
Themenstellung und Beschränkungen des Gegenstands
Das heutige Freiburger Max-Planck-Institut (MPI) zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht, das bis 2020 unter der Bezeichnung »Max-PlanckInstitut für ausländisches und internationales Strafrecht« firmierte, ist gewissermaßen ein verspätetes Max-Planck-Institut. In die Max-Planck-Gesellschaft gelangte das Freiburger Institut erst im Jahr 1966 und ist damit ein Nachzügler gegenüber seinen juristischen Schwesterinstituten aus den Fachsäulen Privatrecht und Öffentliches Recht, die schon in den 1930er Jahren Aufnahme in den Institutsverbund der damaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft fanden.1 Die besonderen Umstände dieser späten Institutsgründung, die zwei Anläufe brauchte2 und dessen Ursprünge auf ein 1938 gegründetes Freiburger Universitätsseminar und ein von Bund, Land und Universität getragenes Stiftungsinstitut zurückgehen, sollen im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen. Die Untersuchung konzentriert sich dabei insbesondere auf die wissenschaftspolitischen Entstehungsbedingungen institutionalisierter strafrechtsvergleichender Forschung. Die Gesichtspunkte, die dabei zur Sprache kommen werden, haben über den Einzelfall hinaus Bedeutung, da sie allgemeine Fragen aufwerfen, die die geschichtliche Entwicklung der Max-Planck-Gesellschaft bis heute beschäftigen: 1 Zur Entstehungsgeschichte des privatrechtlichen Instituts siehe Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Max-PlanckGesellschaft. Berichte und Mitteilungen 1, 1996; Eckart Henning und Marion Kazemi: Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–2011. Daten und Quellen. Bd. 2. Berlin: Archiv der MaxPlanck-Gesellschaft 2016, 1337–1362. Zur Entstehungsgeschichte des öffentlich-rechtlichen Instituts siehe Rudolf Bernhardt und Karin Oellers-Frahm: Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013. Heidelberg 2018; Henning und Kazemi, Handbuch, 2016, Bd. 2, 1619–1645. 2 Gründungsinitiativen waren sowohl bei der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) in den 1940er Jahren als auch zunächst in den 1950er Jahren bei der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gescheitert.
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Sascha Ziemann
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Dazu gehören beispielsweise das Verhältnis von bundes- und länderfinanzierter bzw. universitärer und außeruniversitärer Grundlagenforschung. Weitere Fragen von allgemeiner Bedeutung für die Max-Planck-Gesellschaft betreffen die Herausbildung der geisteswissenschaftlichen Institute in einer Forschungsorganisation, die traditionell an den Naturwissenschaften ausgerichtet war, sowie die Bedeutung der juristischen Institute innerhalb der geisteswissenschaftlichen Sektion und der Max-Planck-Gesellschaft generell. Zudem wird den wissenschaftspolitischen Akteuren besondere Aufmerksamkeit gewidmet, deren Engagement im besonderen Maße zur Transformation des Freiburger Universitätsseminars in ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft beigetragen hat. 1.2
Forschungsstand und Quellenlage
Der Forschungsstand ist gekennzeichnet durch eine beeindruckende Fülle an Veröffentlichungen, von denen die meisten aus der Feder der beiden Gründungsdirektoren des Freiburger Max-Planck-Instituts, Hans-Heinrich Jescheck und Günther Kaiser, stammen. Deren letzte Veröffentlichungen stammen aus den 2000er Jahren, womit beide die Freiburger Strafrechtsforschung über einen Zeitraum von über fünfzig (Jescheck) bzw. dreißig Jahren (Kaiser) begleitet haben.3 Hans-Heinrich Jescheck ist zudem der Autor eines schmalen Büchleins, das e inige Jahre vor der Gründung des Freiburger Max-Planck-Instituts erschien und einen Überblick über die Geschichte der Vorgängereinrichtungen der Freiburger Forschungseinrichtung gibt.4 Zum 1966 gegründeten Freiburger MaxPlanck-Institut existieren darüber hinaus einige Institutsveröffentlichungen5 und eine Institutschronik,6 die auf der Grundlage des im Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft überlieferten Materials erstellt wurde. 3 Siehe zum Beispiel Günther Kaiser: »Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach« aus der Perspektive des Kriminologen. In: Ulrich Sieber und Hans-Jörg Albrecht (Hg.): Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach. Kolloquium zum 90. Geburtstag von Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Heinrich Jescheck am 10. Januar 2005. Berlin 2006, 66–77; Hans-Heinrich Jescheck: Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach. Schlussworte. In: U lrich Sieber und Hans-Jörg Albrecht (Hg.): Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach. Kolloquium zum 90. Geburtstag von Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Heinrich Jescheck am 10. Januar 2005. Berlin 2006, 152–160. 4 Hans-Heinrich Jescheck: Das Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br. 1938–1963. Berlin 1963. 5 Siehe zum Beispiel Hans-Heinrich Jescheck und Günther Kaiser, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg i. Br. 1975. In der Reihe »Berichte und Mitteilungen« der Max-Planck-Gesellschaft erschienen zudem in den achtziger Jahren zwei institutseigene Überblicksdarstellungen, vgl. Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Freiburg. Max-PlanckGesellschaft. Berichte und Mitteilungen Heft 5, 1980; Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Freiburg. Max-PlanckGesellschaft. Berichte und Mitteilungen Heft 4, 1985. 6 Henning und Kazemi, Handbuch, 2016, Bd. 2, 1518–1528.
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Das strafrechtliche MPI in Freiburg
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Die für den vorliegenden Beitrag ausgewerteten Quellen sind im Quellenverzeichnis aufgeführt. Die umfassendsten Bestände fanden sich im Universitäts archiv Freiburg (Akten des Freiburger Universitätsseminars bzw. -instituts [1938–1954] und des Stiftungsinstituts [1954–1966]) sowie im Archiv zur Geschichte der MPG in Berlin (Akten der in der MPG -Generalverwaltung angesiedelten Institutsbetreuung). Es konnte zudem Einblick in den Nachlass von Jescheck genommen werden, der im MPG -Archiv verwahrt wird.7 Weitere Bestände fanden sich im Landesarchiv Baden-Württemberg (Personalakte Adolf Schönkes, Aktenbestände des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts) und im Bundesarchiv (Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung). 1.3
Aufbau der Darstellung
Die Darstellung folgt der geschichtlichen Entwicklung der einzelnen Freiburger Forschungseinrichtungen in chronologischer Folge. Zunächst geht es um die Geschichte des im Jahre 1938 gegründeten Freiburger Universitätsseminars für ausländisches und internationales Strafrecht (2.). Sodann geht es um die weitere Entwicklung als Universitätseinrichtung (3. und 4.) und deren anschließende Umwandlung in eine von der Bundesrepublik, dem Land Baden-Württemberg und der Universität Freiburg getragene öffentliche Stiftung in den 1950er Jahren (5.). Der folgende Abschnitt (6.) widmet sich schließlich der Umgründung Mitte der 1960er Jahre in das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, das in den 1970er Jahren um die Kriminologie erweitert wurde, sowie dessen weiterer Entwicklung bis zum Ende der Ära Jescheck und Kaiser in den 1980er bzw. 1990er Jahren. Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse beschließt die Untersuchung (7.).
2.
Internationalität in Zeiten des Nationalismus: Das Freiburger Universitätsseminar für ausländisches und internationales Strafrecht von der Gründung 1938 bis zum Ende des Krieges
Die Ursprünge des Freiburger Max-Planck-Instituts liegen in dem 1938 gegründeten Freiburger Universitätsseminar für ausländisches und internationales Strafrecht. Gründungsfigur dieser Einrichtung war Adolf Schönke (1908–1953),8 7 Der Nachlass Hans-Heinrich Jeschecks umfasst über 16 Regalmeter und konnte nur zu einem kleinen Teil ausgewertet werden. Der Verfasser dankt der Familie, stellvertretend Frau Almut von Ungern-Sternberg, für die freundliche Genehmigung zur Einsichtnahme. Der Nachlass des Gründungsdirektors der Kriminologischen Abteilung, Günther Kaiser, ist noch nicht zugänglich. 8 Zu Leben und Werk Adolf Schönkes siehe Erik Wolf: Adolf Schönke 1908–1953. Gedenkrede gehalten auf der akademischen Gedächtnisfeier der Universität Freiburg i. Br. am Freitag,
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der das Seminar innerhalb weniger Jahre zu einer der wichtigsten Forschungsstätten für die Erforschung des ausländischen Strafrechts in Deutschland machte. Erik Wolf,9 Schönkes Strafrechtskollege in Freiburg, verglich Schönkes Bedeutung sogar mit dem Wirken des renommierten Kriminalisten Franz von Liszt (1851–1919) und dessen legendärer Internationaler Kriminalistischer Vereinigung. Wolf zufolge habe es seit Liszts Zeiten »keine so enge Verbindung mit den Strafrechtslehrern des Auslandes« mehr gegeben »wie Schönke sie in zwei Jahrzehnten intensiver Bemühung zu knüpfen, zu erhalten und (wo sie durch politische Ereignisse abgerissen war) wieder anzuknüpfen vermocht« habe.10 Auch Edmund Mezger lobte Schönkes Leistungen beim Wiederaufbau der deutschen Strafrechtsvergleichung: Wir dürfen es nicht verschweigen, daß die rechtsvergleichende Arbeit in Deutschland in den folgenden Jahrzehnten [nach den Zeiten Franz von Liszts, Erg. S. Z.] im Vergleich mit dem Ausland […] darniederlag. Der Faden war zeitweilig […] zerrissen. Was Schönke getan hat, um ihn sachlich und persönlich wieder anzuknüpfen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.11
3. Juli 1953. Karlsruhe 1955; Günther Wendt: Adolf Schönke. Juristen im Portrait. Verlag und Autoren in 4 Jahrzehnten. Festschrift zum 225jährigen Jubiläum des Verlages C. H. Beck. München 1988, 663–670; Günther Wendt: Art. Adolf Schönke. In: Bernd Ottnad (Hg.): Baden-Württembergische Biographien. Bd. 1. Stuttgart 1994, 340–342; Gerhard Kielwein: Leben und Werk Adolf Schönkes. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 85/4 Auslandsteil (1973), 1017–1032. Verwiesen sei zudem auf die Würdigungen durch Fachkollegen: Karl Siegfried Bader: Adolf Schönke †. JuristenZeitung 8/11 (1953), 350–351; Richard Lange: Adolf Schönke †. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 65/2 (1953), 159–160; Edmund Mezger: Professor Schönke †. Neue Juristische Wochenschrift 6/23 (1953), 814; N. N. (wohl Hans Dölle): Adolf Schönke †. Mitteilungen der Gesellschaft für Rechtsvergleichung. Deutscher Landesausschuß im Internationalen Komitee für Rechtsvergleichung bei der Unesco 3 (1953), 3–4; Fritz von Hippel: Adolf Schönke † (20.8.1908–1.5.1953). Zeitschrift für Zivilprozess 66/5–6 (1953), 325–334. Eine persönliche Würdigung durch einen ehemaligen Studenten Schönkes aus der Nachkriegszeit, der später im Badischen Kultusministerium tätig war, stammt von Eckart Pieske. Vgl. Eckart Pieske: Zum 30. Todestag von Professor Dr. Adolf Schönke. Badische Heimat 4/65 (1985), 749–752. Eine mit Anmerkungen versehene Fassung wurde 1983 dem C. F. Müller-Verlag übergeben. Sie befindet sich heute mitsamt dem Verlagsarchiv im Generallandesarchiv Karlsruhe (69 Verlag CFM Nr. 771). Ein Schriftenverzeichnis Adolf Schönkes findet sich im Anhang des Buches von Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 29 ff. 9 Zu Erik Wolf (1902–1977) siehe vor allem die Beiträge seines Schülers Alexander Hollerbach: Zu Leben und Werk Erik Wolfs. Gedenkrede vom 10. Juni 1978. In: Erik Wolf: Studien zur Geschichte des Rechtsdenkens. Frankfurt am Main 1982, 235–271; Alexander Hollerbach: Erik Wolf (1902–1977). Zur Erinnerung an einen bedeutenden Freiburger Rechtsgelehrten (2004). In: Alexander Hollerbach (Hg.): Jurisprudenz in Freiburg. Beiträge zur Geschichte der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität. Tübingen 2007, 331–344. Kurzbiografie bei Gerd Kleinheyer und Jan Schröder (Hg.): Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Eine biographische Einführung in die Geschichte der Rechtswissenschaft. 6. Auflage. Tübingen 2017, 566. 10 Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 18. 11 Mezger, Professor Schönke, 1953, 814.
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Das strafrechtliche MPI in Freiburg
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Was waren die Ursachen für diese Erfolgsgeschichte? Wie kam es im fünften Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zur Gründung eines Universitätsseminars für »ausländisches« und »internationales« Strafrecht? Welche Bedeutung hatte Internationalität in Zeiten des Nationalismus? Es mag überraschen, aber alles begann im Grunde nicht in Freiburg, sondern an einem ganz anderen und weit entfernt gelegenen Ort: im ägyptischen Kairo. 2.1
Die internationale Strafrechtskonferenz von Kairo 1938 als Gründungsmoment strafrechtsvergleichender Forschung in Freiburg
Dass die ägyptische Hauptstadt einen bedeutenden Anteil an der Gründung des Freiburger Universitätsseminars erlangte, war einer internationalen Konferenz zu verdanken, die vom 11. bis 18. Januar 1938 in Kairo stattfand. Eingeladen hatte das Bureau International pour l’unification du Droit Pénal, eine 1928 gegründete Dachorganisation verschiedener Organisationen der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Strafrechts.12 Die Entscheidung des Bureaus, nach vorangegangenen Konferenzen in Madrid (1933) und Kopenhagen (1935) einen Kongress in Kairo zu veranstalten, war nicht so überraschend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Auswahl korrespondierte mit der außenpolitischen Neuorientierung Ägyptens, das ein Jahr zuvor dem Völkerbund beigetreten war und sich nach kurzzeitigem Liebäugeln mit dem faschistischen Lager um Deutschland und Italien verstärkt um eine engere Bindung an die westlichen Demokratien, darunter auch zur früheren Kolonialmacht Großbritannien, bemühte. Das Besondere an den vom Bureau organisierten Tagungen bestand darin, dass es Delegiertenkonferenzen waren, deren Angehörige von Staaten oder internationalen Organisationen und Vereinigungen, wie beispielsweise der Internationalen Polizeikommission, der Vorläuferin der International Criminal Police Organization (Interpol), entsandt wurden. Aus Deutschland reiste eine vierköpfige Delegation nach Kairo, bestehend aus jeweils zwei Vertretern aus Justiz und Wissenschaft. Für die Justiz nahmen Ministerialdirektor Ernst Schäfer13
12 Zum »Bureau International pour l’unification du Droit Pénal« siehe Thomas Würtenberger: Organisationen und Institute. In: Rudolf Sieverts und Hans-Joachim Schneider (Hg.): Handwörterbuch der Kriminologie. Kriminalpolitik – Rauschmittelmißbrauch. Bd. 2. Berlin 1977, 259–278, 263. 13 Ernst Schäfer (1882–1945) war Leiter der Strafrechtsabteilung im Reichsjustizministerium. Er schied 1943 krankheitsbedingt aus dem Amt. Zu ihm siehe Jürgen Regge und Werner Schubert (Hg.): Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts. II. Abteilung: NS -Zeit (1933–1939) – Strafgesetzbuch. Band 2: Protokolle der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums. 1. Teil. Berlin 1988, XXXVII; Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Koblenz 2011, 523.
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und Ministerialrat Wolfgang Mettgenberg14 aus dem Reichsjustizministerium an der Konferenz teil; die Wissenschaft repräsentierten der Berliner Strafrechtsprofessor Eduard Kohlrausch15 und Schönke, damals Lehrstuhlvertreter an der Universität Freiburg und ehemaliger Mitarbeiter beim Reichsjustizministerium. Ziel der Konferenzen war die vorbereitende Bearbeitung von Gebieten des Strafrechts, die geeignet erschienen, Gegenstand internationaler Vereinheitlichung zu werden, um auf dieser Grundlage Gesetzgebungsvorschläge für die Umsetzung durch die einzelnen Staaten zu erarbeiten. Die Beteiligung deutscher Delegierter an einer internationalen Konferenz war eine Neuerung, die eine zwanzigjährige Zeit der Isolation Deutschlands beendete und den früheren Kriegsgegner zurück in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft holte.16 Nach den gemeinsamen Anfängen mit der 1889 durch die Professoren Adolphe Prins (1845–1919), Liszt und Gerardus Antonius van Hamel (1842–1917) gegründeten Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (IKV)17 hatte der Erste Weltkrieg eine Zäsur in den internationalen Wis14 Wolfgang Mettgenberg (1882–1950) war Experte für ausländisches Strafrecht und Auslieferungsrecht und arbeitete als Referent in der Abteilung Strafgesetzgebung des Reichsjustizministeriums. Wegen seiner Mitwirkung an einer geheimen Verschleppungsaktion von vermeintlichen Widerstandskämpfern von 1941, des sog. Nacht- und Nebel-Erlasses, wurde er 1947 im Nürnberger Juristenprozess wegen Kriegsverbrechen zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Vgl. Klee, Personenlexikon, 2011, 405. 15 Eduard Kohlrausch (1874–1948) wurde 1919 Liszts Nachfolger an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. Seit 1931 amtierte er zudem als Vorsitzender der deutschen Landesgruppe der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (IKV). Zu Kohlrausch siehe Holger Karitzky: Eduard Kohlrausch – Kriminalpolitik in vier Systemen. Eine strafrechtshistorische Biographie. Berlin 2002; Thomas Vormbaum: Eduard Kohlrausch (1874–1948). Opportunismus oder Kontinuität? In: Stefan Grundmann et al. (Hg.): Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Berlin 2010, 523–544; Gerhard Werle und Moritz Vormbaum: Das Strafrecht an der Friedrich-Wilhelms-Universität 1871–1945. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810–2010. Praxis ihrer Disziplinen. Transformation der Wissensordnung. Bd. 5. Berlin 2010, 109–127, 117 ff. 16 Vgl. insb. Sylvia Kesper-Biermann: Die Internationale Kriminalistische Vereinigung. Zum Verhältnis von Wissenschaftsbeziehungen und Politik im Strafrecht 1889–1932. In: Sylvia Kesper-Biermann und Petra Overath (Hg.): Die Internationalisierung von Strafrechtswissenschaft und Kriminalpolitik (1870–1930). Deutschland im Vergleich. Fachtagung am Centre Marc Bloch, Deutsch-Französisches Forschungszentrum für Sozialwissenschaften in Berlin am 17. und 18. Februar 2005. Berlin 2007, 85–107, 98 ff.; Brigitte Schroeder-Gudehus: Internationale Wissenschaftsbeziehungen und auswärtige Kulturpolitik 1919–1933. Vom Boykott und Gegen-Boykott zu ihrer Wiederaufnahme. In: Rudolf Vierhaus und Bernhard vom Brocke (Hg.): Forschung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. Stuttgart 1990, 858–885, 859 ff. 17 Speziell zur Geschichte der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (IKV; Union Internationale de Droit Pénal, UIDP) siehe Elisabeth Bellmann: Die Internationale Kriminalistische Vereinigung (1889–1933). Frankfurt am Main 1994; Kesper-Biermann, Die Internationale Kriminalistische Vereinigung, 2007, 85–107; Würtenberger, Organisa tionen, 1977, 259–278, 262–263; siehe auch Hans-Heinrich Jescheck: Der Einfluß der
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senschaftsbeziehungen bedeutet. Um die Dominanz des früheren Kriegsgegners zu brechen, dessen Landesgruppe die IKV dominierte, zog sich vor allem die französische Wissenschaft aus der IKV zurück, und gründete in den zwanziger Jahren eine neue Vereinigung mit dem Namen Association Internationale de Droit Pénal (AIDP).18 Der Boykott der deutschen Wissenschaft ging so weit, dass in den Statuten festgelegt worden war, dass wichtige Vorstandsämter, darunter das zentrale Amt des Secrétaire générale, nur durch einen Franzosen eingenommen werden durften.19 Die deutsche Seite empfand die Isolierung Deutschlands durch die französischen Kollegen als Brüskierung und Angriff auf die nationale Ehre20 und machte sich ihrerseits auf die Suche nach neuen wissenschaftlichen Bundesgenossen. Dabei setzte sie vor allem auf eine verstärkte Kooperation mit Personen und Organisationen aus den Niederlanden, den nordeuropäischen Ländern und der Schweiz. So gingen wichtige Initiativen in dieser Zeit beispielsweise von der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission21 unter dem Niederländer Simon van der Aa und dem Schweizer Ernst Delaquis aus.22 Mitte der 1930er Jahre stellte sich dann eine gewisse Entspannung der Be-
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IKV und der AIDP auf die internationale Entwicklung der modernen Kriminalpolitik. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 92/4 Auslandsteil (1980), 997–1020. Zur Geschichte der AIDP siehe Würtenberger, Organisationen, 1977, 259–278, 262–263; Jescheck, Der Einfluß der IKV, 1980, 997–1020. Kesper-Biermann, Die Internationale Kriminalistische Vereinigung, 2007, 85–107, 99. Deutschlands Ausschluss aus der AIDP wurde erst 1952 durch die Gründung der Deutschen Landesgruppe von Adolf Schönke beendet. Hans-Heinrich Jescheck führte das Werk nach Schönkes Tod im Jahre 1953 fort und wurde in späteren Jahren sogar Präsident der AIDP. Für Ludwig Ebermayer, den langjährigen Vorsitzenden der deutschen Landesgruppe der IKV, war die Aufnahme wissenschaftlicher Beziehungen im Strafrecht nur »unter voller Aufrechterhaltung unserer nationalen Würde« akzeptabel (Ludwig Ebermayer: Fünfzig Jahre Dienst am Recht. Erinnerungen eines Juristen. Leipzig 1930, 134; Kesper-Biermann, Die Internationale Kriminalistische Vereinigung, 2007, 85–107, 100). Die 1872 in London gegründete »Internationale Strafrechts- und Gefängniskommission« (Commission Internationale Pénale et Pénitentiaire, CIPP) war eine Organisation der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Strafrechts und des Gefängniswesens. Ihre unregelmäßigen Zusammenkünfte, die Gefängniskongresse, fanden stets unter Beteiligung von Delegierten der einzelnen Staaten statt. Der letzte Kongress der Gefängniskommission wurde, unter Teilnahme Adolf Schönkes als inoffiziellem Vertreter der Bundesrepublik, 1950 in Den Haag veranstaltet. Über die Gefängniskommission und die internationalen Gefängniskongresse vgl. Martina Henze: »Important forums […] among an increasingly international penological community«. Die internationalen Gefängniskongresse 1872–1932. In: Sylvia Kesper-Biermann und Petra Overath (Hg.): Die Internationalisierung von Strafrechtswissenschaft und Kriminalpolitik (1870–1930). Deutschland im Vergleich. Fachtagung am Centre Marc Bloch, Deutsch-Französisches Forschungszentrum für Sozialwissenschaften in Berlin am 17. und 18. Februar 2005. Berlin 2007, 60–84; Würtenberger, Organisationen, 1977, 259–278, 266–267. Ernst Delaquis (1878–1951), Liszt-Schüler und vormals Professor in Hamburg, wurde 1938 zum Generalsekretär der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission ernannt. Der Schweizer Staatsbürger verließ 1934 Hamburg und ging zurück in die Schweiz.
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ziehungen ein, was auch damit zusammenhing, dass der nationalsozialistische Staat die außenpolitische Bedeutung einer internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit erkannt hatte.23 Zudem war das Bureau International pour l’unification du Droit Pénal 1932 in eine Dachorganisation für verschiedene Organisationen internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Strafrechts umgewandelt worden und stellte damit keine Alleinveranstaltung der französisch dominierten AIDP mehr dar, was die deutsche Bereitschaft zur Teilnahme ebenfalls förderte.24 Wie wurde die Konferenz zur Initialzündung der Freiburger Strafrechtsvergleichung? Aufschluss hierüber gibt ein von Schönke für das Ministerium verfasster Bericht.25 Dieser gestattet nicht nur Einblick in die deutsch-französischen Wissenschaftsbeziehungen der damaligen Zeit, sondern enthält auch die Grundzüge eines anspruchsvollen strafrechtsvergleichenden Forschungs programms, weswegen er berechtigterweise als ein Gründungsdokument Freiburger strafrechtsvergleichender Forschung bezeichnet werden kann.26 Adolf Zu Delaquis siehe die Würdigungen durch Adolf Schönke: Ernst Delaquis †. JuristenZeitung 6/24 (1951), 796; Eberhard Schmidt: Ernst Delaquis zum Gedächtnis. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 64 (1952), 434–435. 23 Folge hiervon war ein gesteigertes Interesse der staatlichen Seite an internationalen Wissenschaftsbeziehungen, das auch mit der Bereitschaft verbunden war, Auslandsreisen deutscher Wissenschaftler finanziell zu fördern. In diesem Zusammenhang erhielt auch Schönke als Angehöriger der deutschen Delegation einen Reisekostenzuschuss vom Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Vgl. Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Erlass vom 24.11.1937, UAF, B 24/3413: PA Schönke. 24 Die deutsche Landesgruppe der IKV wurde 1937 offiziell aufgelöst. Zwei Jahre zuvor, 1935, hatte Kohlrausch den Vorsitz der deutschen Landesgruppe in die Hände des Präsidenten der Akademie für Deutsches Recht, Reichsminister Hans Frank, gegeben. Vgl. Eduard Kohlrausch: Internationale Kriminalistische Vereinigung. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 57 (1938), 666–674. Ihre letzte Tagung erlebte die deutsche Landesgruppe in Frankfurt am Main 1932. Einen eindrücklichen Bericht über den Verlauf der Tagung, bei der sich zum letzten Mal liberale und autoritäre Kräfte in freier Rede gegenüberstanden, gibt Eberhard Schmidt: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege. 3. Auflage. Göttingen 1965, § 345 (S. 425 ff.). 25 Schönke, Bericht an das Reichs- und Preußische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 10.2.1938 betr. die Konferenz des Bureau International pour l’unification du Droit Pénal vom 11.–18. Januar 1938 in Kairo, PA Schönke, UAF, B 24/3413. Schönke verfasste zudem einen offiziellen wissenschaftlichen Tagungsbericht, der in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (ZStW) abgedruckt wurde (vgl. Adolf Schönke: Die VII . Internationale Konferenz zur Vereinheitlichung des Strafrechts. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 57 [1938], 802–807). 26 Die Bedeutung des Berichts heben auch hervor: Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 18; Hippel, Schönke, 1953, 325–334; Matthias Zeller: Neue Fächer zwischen Rassenkunde und Rundfunkwissenschaft. In: Bernd Martin (Hg.): 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Von der badischen Landesuniversität zur Hochschule des 21. Jahrhunderts. Bd. 3. Freiburg im Breisgau 2007, 431–453, 445; Kielwein, Leben und Werk, 1973, 1017–1032, 1027–1028.
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Schönke eröffnete seinen Bericht mit Ausführungen über einige Entwicklungen, die aus seiner Sicht unbefriedigend verliefen. So hätten die Verhandlungen gezeigt, »in wie starkem Maße das französische Strafrecht als Vorbild angesehen« werde, und deutlich gemacht, »dass Deutschland sehr viel von der Stellung, die es vor dem Kriege international auf dem Gebiete der Strafrechtswissenschaft eingenommen hat«, eingebüßt habe. So habe beispielsweise der französische Berichterstatter »mit einer Selbstverständlichkeit« ausschließlich über das französische Recht berichtet, »mit der ein Franzose das französische Strafrecht als das allgemein gültige Recht ansieht«. Ausgangspunkt sei, so Schönke, »auch für die anderen Ausländer […] stets das französische Recht« gewesen. Das deutsche Recht hingegen, das, wie Schönke hervorhob, in vielen Punkten »viel fortgeschrittener ist und auch mehr dem entspricht, was von verschiedenen Ausländern angestrebt wurde«, sei »völlig unbekannt« gewesen. Ein Beispiel bildete etwa das System der sichernden Maßnahmen, das der französische Refe rent ausschließlich aus französischer Sicht behandelt und dabei, so Schönke, die »Tatsache, dass in Deutschland im Jahre 1933 das Gewohnheitsverbrechergesetz erlassen« worden sei und »die sichernden Massnahmen bereits praktisch vollzogen« würden, »überhaupt nicht erwähnt« habe.27 An dieser Stelle hätte Schönkes Bericht enden können, tat dies jedoch nicht. Denn Schönke nutzte ihn des Weiteren dazu, um einige Vorschläge zur Lösung dieser unbefriedigenden Lage der deutschen Strafrechtswissenschaft zu unterbreiten. Schönke sah mehrere Möglichkeiten, »wie diesem französischen wissenschaftlichen Einfluss auf dem Gebiete des Strafrechts entgegengewirkt« und »das deutsche Strafrecht im Ausland mehr bekannt gemacht« werden könne. So sei es zunächst erforderlich, »dass in Deutschland die Beschäftigung mit dem 27 Schönke setzte sich in der Folge in einigen Artikeln mit dem ausländischen Recht der Sicherungsverwahrung auseinander (vgl. insbesondere Adolf Schönke: Sicherungsverwahrung im Ausland. In: Roland Freisler und Franz Schlegelberger [Hg.]: Dringende Fragen der Sicherungsverwahrung. Gemeinschaftsarbeit aus der Praxis für die Praxis. Berlin 1938, 114–139). Schönkes Kritik lässt sich also nicht nur wissenschaftschauvinistisch, sondern auch als Ausdruck wissenschaftlicher Enttäuschung deuten. Ob freilich das NS -Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 wirklich fortschrittlicher war, ist mit Blick auf die illiberalen Grundtendenzen des nationalsozialistischen Gesetzes eher zu verneinen, auch wenn zu konstatieren ist, dass es zu Schönkes Zeit in der Tat europaweit die Forderung nach einer Verschärfung des strafrechtlichen Verwahrungsrechts gab (vgl. Annelie Ramsbrock: Präventiver Freiheitsentzug. Sicherungsverwahrung in Deutschland im 20. Jahrhundert. Traverse – Zeitschrift für Geschichte – Revue d’histoire 1/21 [2014], 98–108, 99 ff.). Zum Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 im Kontext der Entwicklung der sog. Zweispurigkeit des Strafrechts, also der Ergänzung des schuldbezogenen Strafrechts durch ein an der Gefährlichkeit ausgerichtetes Sicherheitsrecht, siehe Albin Eser: Zur Entwicklung von Maßregeln der Besserung und Sicherung als zweite Spur im Strafrecht. In: Guido Britz (Hg.): Grundfragen staatlichen Strafens. Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag. München 2001, 213–236, 233 ff.; Thomas Vormbaum: Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte. 4. Auflage. Berlin 2019, 190; ausführlich auch Christian Müller: Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933. Kriminalpolitik als Rassenpolitik. Baden-Baden 1997.
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ausländischen Strafrecht mehr gepflegt« werde. Es bestehe in Deutschland bislang »keine zentrale Stätte für die Pflege des ausländischen Strafrechts«, weshalb es erforderlich sei, »ein Institut für ausländisches Strafrecht zu gründen, das mit Hilfe einer guten Bücherei in die Lage versetzt werden müsste, das ausländische Strafrecht wissenschaftlich zu bearbeiten«. Neben der Beschäftigung mit dem ausländischen Strafrecht ging es aber für Schönke auch um die Verbreitung der Kenntnis des deutschen Rechts im Ausland, beispielsweise »durch Aufsätze in ausländischen Zeitschriften«. Weitere Maßnahmen zur Verbreitung des deutschen Strafrechts im Ausland seien die wechselseitige Übersetzung wichtiger Strafgesetze und schließlich die Schaffung einer Zeitschrift für ausländisches und internationales Strafrecht als »Zentralorgan für die Pflege des ausländischen Strafrechts und der Strafrechtsvergleichung«, wobei Schönke als Vorbild die 1936 gegründete französische Zeitschrift Revue de science criminelle et de droit pénal comparé nannte.28 Schönkes Engagement zahlte sich aus; kaum zwei Wochen später teilte ihm das Reichswissenschaftsministerium mit, dass der Minister seine »Berufung an die Universität in Freiburg in Aussicht genommen« habe.29 Weitere zwei Monate später erhielt Schönke den Ruf auf eine Professur in Freiburg.30 2.2
Adolf Schönke als Gründungsfigur strafrechtsvergleichender Forschung in Freiburg
Adolf Schönke, geboren 1908 in Weißwasser in der Oberlausitz, wuchs in Berlin auf und stammte aus einfachen Verhältnissen. Nach dem Schulabschluss an einem Berliner Realgymnasium, dessen neusprachliche Ausrichtung Schönke zu Sprachkenntnissen in den wichtigsten europäischen Kultursprachen (Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch) verhalf, die das Fundament für seine späteren internationalen Aktivitäten bildeten, ging er 1927 an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, wo er ein Schüler des Strafrechtlers und Zivilprozessualisten James Goldschmidt31 wurde. Bei Goldschmidt entstand 28 Über diese Zeitschrift berichtete Schönke in einem Literaturbericht, vgl. Adolf Schönke: Einiges aus ausländischen strafrechtlichen Zeitschriften. Deutsches Strafrecht 5 (1938), 382–385, 383–384. 29 Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Brief an Schönke vom 19.2.1938, PA Schönke, UAF, B 24/3413. 30 Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Brief vom 9.6.1938, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167. 31 Zu James Goldschmidt (1874–1940) siehe Wolfgang Sellert: James Paul Goldschmidt (1874–1940). Ein bedeutender Straf- und Zivilprozeßrechtler. In: Helmut Heinrichs et al. (Hg.): Deutsche Juristen jüdischer Herkunft. München 1993, 595–613; Martin Heger: James Goldschmidt (1874–1940). In: Stefan Grundmann et al. (Hg.): Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Berlin 2010, 477–496; Werle und Vormbaum, Das Strafrecht, 2010, 109–127, 123 ff.; materialreich Leonie Breunung und Manfred Walther: Die Emigration deutschsprachiger Rechtswissenschaftler ab 1933. Ein bio-bibliographisches Handbuch. Westeuropäische
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1932 auch Schönkes Doktorarbeit über ein zivilprozessuales Thema.32 Nach dem bestandenen Assessorexamen trat Schönke im Jahre 1934 in den Preußischen Justizdienst ein, von dem er von 1934 bis 1938 als juristischer »Hilfsarbeiter« an das Preußische und spätere Reichsjustizministerium abgeordnet wurde. Hier arbeitete er in der Abteilung des altgedienten Ministerialdirektors Ernst Schäfer,33 des Leiters der Strafrechtsabteilung im Reichsjustizministerium, zu dem Schönke ein freundschaftliches Verhältnis pflegte.34 Schönkes Tätigkeit als Hilfsarbeiter umfasste die Mitarbeit in der von Schäfer geführten Kommission zur Reform des Strafrechts, an Veröffentlichungen auch außerhalb des Strafrechts, sowie, Schönkes Interessen entsprechend,35 die Teilnahme an Staaten, Türkei, Palästina, Israel, lateinamerikanische Staaten, Südafrikanische Union. Bd. 1. Berlin 2012, 131–181; siehe auch Adolf Schönke: Zum zehnten Todestag von James Goldschmidt. Deutsche Rechts-Zeitschrift 5/12 (1950), 275–276. 32 Adolf Schönke: Die Bindung des Berufungsgerichts an das Urteil des Revisionsgerichts gemäß § 565 II ZPO. Berlin 1934. Das Zivilprozessrecht blieb eine feste Konstante in Schönkes Werk. Schon vor seinem strafrechtlichen Hauptwerk, dem 1942 erstmals erschienenen Kommentar zum Strafgesetzbuch (Adolf Schönke: Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Kommentar. München 1942, zuletzt 6. Auflage 1952), entstanden gewichtige Veröffentlichungen zum Zivilprozessrecht: so erschien 1938 ein Lehrbuch zum »Zivilprozessrecht« (Adolf Schönke: Zivilprozeßrecht. Eine systematische Darstellung. 2. Auflage. Berlin [zuerst 1938] 1943, zuletzt Lehrbuch des Zivilprozessrechts, 7. Auflage 1951) und 1940 eines zum »Zwangsvollstreckungsrecht« (Adolf Schönke: Zwangsvollstreckungsrecht. Eine systematische Darstellung. Berlin 1940, zuletzt 5. Auflage 1948). Die Kombination von Zivilprozessrecht und Strafprozessrecht war damals weit verbreitet. Beide gehörten als Verfahrensrecht gleichermaßen zum öffentlichen Recht; außerdem galt das Zivilprozessrecht als Inbegriff prozessualen Denkens. Auch Schönkes Lehrer James Goldschmidt, der ein Standardwerk zur allgemeinen Prozesslehre (James Goldschmidt: Der Prozeß als Rechtslage. Eine Kritik des prozessualen Denkens. Berlin 1925) und ebenfalls ein Zivilprozessrechtslehrbuch (James Goldschmidt: Zivilprozeßrecht. 2. Auflage. Berlin 1932) verfasst hatte, forschte auf beiden Fachgebieten. Für eine Würdigung des zivilprozessualen Werks von Schönke siehe Hippel, Schönke, 1953, 325–334, 330–331. 33 Über Leben und Wirken von Ernst Schäfer siehe Regge und Schubert, Quellen zur Reform 2.2.1, 1988, XXXVII–XXXVIII; Klee, Personenlexikon, 2011, 523. Bei den auf Grundlage von Ermächtigungsgesetzen ergangenen Gesetzesneuerungen, zu denen keine amtliche Begründung veröffentlicht wurde, kam Schäfers Übersichtsartikeln quasi-amtliche Bedeutung zu, da er als Gesetzesverfasser angesehen wurde. 34 Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 8; Mezger, Professor Schönke, 1953, 814. Im Vorwort der ersten Auflage seines StGB-Kommentars dankte Schönke Ernst Schäfer auf das Herzlichste und offenbarte, dass er ihm die Anregung zum Kommentar verdanke (vgl. Schönke, Strafgesetzbuch. Kommentar, 1942, Vorwort). 35 Schönke begann schon in den Berliner Jahren mit Veröffentlichungen zum ausländischen Strafrecht (Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 10). Hierzu gehörten etwa seine Berichte über die Entwicklung des ausländischen Strafrechts in der Zeitschrift Deutsche Justiz (für Details vgl. Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 26). Die Ergebnisse dieser Veröffentlichungen fasste Schönke später in dem Sammelwerk »Ausländisches Strafrecht« zusammen, das 1937 in erster und 1948 in dritter Auflage erschien (Adolf Schönke: Ausländisches Strafrecht. Übersicht über die wichtigsten Quellen und über das wichtigste Schrifttum. Berlin 1937, 3. Auflage 1948).
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internationalen Konferenzen im Ausland.36 Während seiner Ministeriumstätigkeit hielt Schönke engen Kontakt zu Universität und Wissenschaftswelt. Nach der Vertreibung seines Lehrers James Goldschmidt37 wurde ihm Eduard Kohlrausch38 zu einem zweiten Lehrer, der ihm in Berlin den Weg zu Habilitation ebnete.39 Unter der Betreuung von Kohlrausch erfolgte im Juni 1935 die Habilitation an der Juristischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin.40 Knapp zwei Jahre später, im Februar 1937, wurde Schönke auch die sogenannte Dozentur (sprich: Lehrbefugnis) für Strafrecht, Strafprozessrecht und Zivilprozessrecht verliehen.41 Im Jahr 1937 ergab sich für Schönke die Möglichkeit einer Vertretung in Freiburg und damit der Einstieg in die Wissenschaftslaufbahn. Er vertrat zu36 So nahm Schönke etwa gemeinsam mit dem ebenfalls im Reichsjustizministerium tätigen Josef Schafheutle im Jahre 1937 am II . Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung im niederländischen Den Haag teil. Josef Schafheutle (1904–1973) sollte durch seine spätere Tätigkeit als Leiter der Strafrechtsabteilung im Bundesjustizministerium im engen Kontakt zum Freiburger Stiftungsinstitut stehen, da ihn das Ministerium in den Beirat des Freiburger Stiftungsinstituts entsandte. An seine Zusammenarbeit mit dem Freiburger Institut erinnerte sich Schafheutle bei einem internationalen Kolloquium in Freiburg aus Anlass des 25. Institutsjubiläums. Vgl. Josef Schafheutle: Ansprachen zur 25-Jahrfeier des Freiburger Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht und zur Eröffnung des Internationalen Kolloquiums der Association Internationale de Droit Pénal zu dem Thema »Die internationalen Wirkungen der Strafurteile« am 5.9.1963. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 76/3 Auslandsrundschau (1964), 510–513. Zu Josef Schafheutle siehe Helmut Kramer: Josef Schafheutle – unpolitischer Rechtstechnokrat als Gestalter des politischen Strafrechts. In: Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Zwischen Recht und Unrecht. Lebensläufe deutscher Juristen. Recklinghausen 2004, 107–109; Manfred Görtemaker und Christoph Safferling: Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS -Zeit. München 2016, 320 ff. 37 James Goldschmidt wurde 1933 auf Grundlage des nationalsozialistischen »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, dem sogenannten Berufsbeamtengesetz (BBG), entlassen und 1934 zwangsweise in den Ruhestand versetzt. 1938 emigrierte er mit seiner Ehefrau über Großbritannien nach Südamerika, wo er 1940 verstarb. Schönke widmete seinem Lehrer einen Beitrag zum 10. Todestag (Schönke, Zum zehnten Todes tag, 1950, 275–276). 38 Zu Eduard Kohlrausch siehe Adolf Schönke: Professor Dr. Eduard Kohlrausch †. Schweizerische Juristen-Zeitung 9 (1948), 147; Karitzky, Eduard Kohlrausch, 2002; Vormbaum, Eduard Kohlrausch, 2010, 523–544; Werle und Vormbaum, Das Strafrecht, 2010, 109–127, 117 ff. Kohlrausch verübelte es Schönke nach dem Krieg, dass dieser sich »ausschließlich als Schüler und Assistent Goldschmidts« bezeichnete (Eduard Kohlrausch, Brief an Schönke vom 12.12.1945, HUB -A Jur. Fak. Nr. 174, o. Bl., zitiert nach Anna-Maria von Lösch: Der nackte Geist. Die Juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1933. Tübingen 1999, 343). 39 Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 7. 40 Juristische Fakultät der Universität Berlin vom 21.6.1935, Abschrift, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167). 41 Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Erlass vom 27.2.1937, Abschrift, PA Schönke, UAF, B 24/3413.
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nächst im Wintersemester 1937/38 »bis auf Weiteres« Eduard Kern42 auf dessen Freiburger Lehrstuhl für Strafrecht und Prozessrecht43 und wurde dann zum 1. April 1938 auf Anweisung des Reichswissenschaftsministers als persönlicher Ordinarius für deutsches und ausländisches Strafrecht und Zivil- und Strafprozessrecht und forstliche Rechtskunde an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg berufen.44 Das persönliche Ordinariat war eine personengebundene Professur, die dem Extraordinariat ähnelte und für die Universitäten den Vorteil hatte, dass damit ein im Vergleich zu den Ordinariaten geringeres Gehalt verbunden war und durch die Personengebundenheit kein Zwang zur Wiederbesetzung bestand. Zwei Jahre später und nach einem einjährigen Vertretungsauftrag 1939/40 in Berlin45 wurde Schönkes Professur verstetigt und ihm im Juli 1940 durch das Reichswissenschaftsministerium ein planmäßiges Ordinariat für die Universität Freiburg verliehen.46
42 Eduard Kern (1887–1972) hatte sich in seiner Amtszeit als Rektor der Freiburger Universität von 1934 bis 1936 vereinzelt die Kritik nationalsozialistischer Stellen zugezogen und soll den Ruf an seine Heimatuniversität Tübingen nur allzu gerne angenommen haben, vgl. dazu Eberhard Schmidhäuser: Eduard Kern, 1887–1972. In: Ferdinand Elsener (Hg.): Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät. Tübingen 1977, 177–188. Auch Hans-Heinrich Jescheck bescheinigt Kern ein »mutiges Wirken als Freiburger Rektor« in: Eduard Kern – Leben und Werk. Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 1973, 232–241, 236. Eine andere Einschätzung des Rektorats nimmt Maas vor: »Beispiel für eine gewissenhafte und systematische Umsetzung der nationalsozialistischen Universitätspolitik in die alltägliche Praxis« (Timotheus-Hein Maas: Der alltägliche Nationalsozialismus an der Universität. Das Rektorat Kern [1934–1936]. In: Eckhard John et al. [Hg.]: Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. Freiburg im Breisgau 1991, 25–33, 32). 43 Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Erlass vom 13.9.1938, PA Schönke, UAF, B 24/3413. 44 Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Brief vom 9.6.1938, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167. Die Verknüpfung von Zivil- und Strafprozessrecht ist schon an anderer Stelle erläutert worden. Was die forstliche Rechtskunde anbelangt, so war diese schon Bestandteil der Denomination des Lehrstuhls von Schönkes Vorgänger Eduard Kern und richtete sich an die Freiburger Studenten der Forstwissenschaft. Zur Geschichte der Forstwissenschaft an der Universität Freiburg siehe Benedikt Maria Sebastian Lickleder: Die Freiburger Forstwissenschaft 1920–1945. Freiburg im Breisgau 2013. 45 Der Vertretungsauftrag seiner früheren Alma mater erreichte ihn im September 1939 kurzfristig per »Schnellbrief« (Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Brief vom 14.9.1939) und umfasste die vertretungsweise Übernahme der Vorlesung »Rechtsstreit und Vollstreckung« (Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Brief vom 17.10.1939, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167). 46 Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Erlass vom 10.7.1938, PA Schönke, UAF, B 24/3413. Der Vertretungsauftrag wurde im Gegenzug durch Erlass des Ministeriums beendet (Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Erlass vom 31.7.1940, zitiert nach Lösch, Der nackte Geist, 1999, 343, Fn. 570).
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Die Universität Freiburg als Gründungsort strafrechtsvergleichender Forschung in der Zeit des Nationalsozialismus
Welche Umstände bewogen das Reichswissenschaftsministerium dazu, 1938 gerade in Freiburg ein Universitätsseminar für ausländisches und internationa les Strafrecht zu gründen? Auf den ersten Blick sprach für Freiburg wenig, da es in der damaligen Zeit in Deutschland bedeutendere Orte für ein Zentrum internationaler Strafrechtsforschung gab. So verfügte beispielsweise die Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, die das Erbe von Liszts berühmten Kriminalistischen Instituts angetreten hatte, über eine weltweit anerkannte Tradition auf dem Gebiet der internationalen Strafrechtsforschung.47 Allerdings war diese Traditionslinie nach der Selbstauflösung der deutschen IKV-Landesgruppe 1937 unterbrochen, womit die Wahl Freiburgs möglicherweise auch als eine Absage gegenüber der Berliner Tradition verstanden werden kann. Warum das Strafrecht anders als bei den aus privaten Gründungen in der Weimarer Zeit hervorgegangenen Berliner Instituten für internationales und ausländisches Privatrecht und für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, die 1936 bzw. 1938 in die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft überführt wurden, nicht von der damaligen »Konjunktur der Rechtsvergleichung« profitieren konnte, ist nicht ganz geklärt. Sylvia Kesper-Biermann und Petra Overath führen dies darauf zurück, dass die anderen Rechtsgebiete (das »Zivil-, Handels- und Völkerrecht«) näher in Verbindung mit den Problemen und Herausforderungen der Zeit wie etwa mit dem Versailler Vertrag und der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gestanden hätten.48 47 Das zunächst privat finanzierte Kriminalistische Seminar Franz von Liszts wurde 1913 samt der umfangreichen Büchersammlung in ein Universitätsinstitut der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin umgewandelt. Vgl. Angela Klopsch: Die Geschichte der Juristischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin im Umbruch von Weimar. Berlin 2009, 120–121. Institutsdirektor im Jahre 1938 war Eduard Kohlrausch. Über die privaten Anfänge des lisztschen Seminars berichtet Eberhard Schmidt: Persönliche Erinnerungen an Franz von Liszt. Franz von Liszt zum Gedächtnis. Zur 50. Wiederkehr seines Todestages am 21. Juni 1919. Berlin 1969, 1–11, 1 ff. Über Franz von Liszts Bedeutung für die Strafrechtsvergleichung siehe nur Hans-Heinrich Jescheck: Entwicklung, Aufgaben und Methoden der Strafrechtsvergleichung. Antrittsrede. Tübingen 1955, 12 ff. Zu Leben und Werk Franz von Liszts siehe Francisco Muñoz Conde: Franz von Liszt (1851–1919). Franz von Liszt als Strafrechtsdogmatiker und Kriminalpolitiker. In: Stefan Grundmann et al. (Hg.): Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Berlin 2010, 439–453. Kurzbiografie bei Regina Harzer: Liszt, Franz von. In: Michael Stolleis (Hg.): Juristen. Ein biographisches Lexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. München 2001, 391–392. 48 Vgl. Sylvia Kesper-Biermann und Petra Overath: Internationalisierungsprozesse in der Geschichte der Strafrechtswissenschaft und Kriminalpolitik (1870–1930). Deutschland im internationalen Kontext. In: Sylvia Kesper-Biermann und Petra Overath (Hg.): Die Internationalisierung von Strafrechtswissenschaft und Kriminalpolitik (1870–1930). Deutschland im Vergleich. Fachtagung am Centre Marc Bloch, Deutsch-Französisches Forschungszentrum für Sozialwissenschaften in Berlin am 17. und 18. Februar 2005. Berlin 2007, 3–16, 14. Zur Internationalisierung des Strafrechts siehe im Überblick Kesper-Bier-
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Wichtige Standortvorteile ergaben sich für die Universität Freiburg zunächst aus der geografischen Nähe zur Schweiz und zu Frankreich und der damit verbundenen Stellung als »Grenzlanduniversität«49 im Südwesten Deutschlands. Auch hatte sich die Universität ideologiekonform ausgerichtet.50 Hinzu kam, dass sich in Freiburg durch Kerns Weggang nach Tübingen eine vakante und wiederzubesetzende Stelle ergeben hatte. Mit Adolf Schönke wurde schließlich eine Person ausgewählt, die nicht nur über die nötigen Kenntnisse verfügte – er verfasste seit Jahren die Berichte über ausländisches Strafrecht für die Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft und war dort Leiter der Auslandsrundschau –, sondern wegen ihrer Tätigkeit für das Reichsjustizministerium und ihrer Parteimitgliedschaft51 auch als politisch vertrauenswürdig gelten konnte. Über Schönkes Eignung berichtete der Leiter der Dozentenschaft der Universität Berlin in einer gutachterlichen Stellungnahme: mann und Overath, Internationalisierungsprozesse, 2007, 3–16, 12 ff.; Jescheck, Entwicklung, Aufgaben und Methoden, 1955. 49 Zu den Ursprüngen der Vorstellung Freiburgs als »Grenzlanduniversität« siehe Mario Seiler: Die Alberto-Ludoviciana als Grenzlanduniversität: Zur allgemeinen Entwicklung in den Jahren 1919–1933. In: Bernd Martin (Hg.): 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Von der badischen Landesuniversität zur Hochschule des 21. Jahrhunderts. Bd. 3. Freiburg im Breisgau 2007, 206–223; Dieter Speck: »Grenzlanduniversität« im Nationalsozialismus. Die Verleihung der Ehrensenatorenwürde an Reichsminister Dr. Frick in der Aula des Universitätshauptgebäudes. Freiburger Universitätsblätter 122 (1993), 149–164. 50 Sinnhafter Ausdruck hiervon ist die über dem Eingang des früheren Universitätshauptgebäudes eingemeißelte Inschrift »Dem ewigen Deutschtum«, die nach einem Brand im Jahre 1934 dort angebracht wurde und ursprünglich vergoldet war. Zur Entstehungsgeschichte der Inschrift, die unter dem Rektorat Eduard Kerns angebracht wurde, siehe Marc Mück: »Dem ewigen Deutschtum«. Inschriften und Symbole an der Universität im Zeichen des Nationalsozialismus. In: Eckhard John et al. (Hg.): Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. Freiburg im Breisgau 1991, 35–42. Allgemein zur Universität Freiburg im Nationalsozialismus (NS) siehe die Beiträge in dem Sammelband von Eckhard John et al. (Hg.): Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. Freiburg im Breisgau 1991. 51 Schönke war zum 1. Mai 1933, also kurz vor dem Eintrittsstopp, in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) eingetreten (NSDAP-Mitgliedsnummer 2.866.543, vgl. PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167). Eine Mitgliedschaft in der SA , wie sie Wesel und Beck sowie auch Lösch vermuten, lässt sich nicht durch entsprechende Einträge in der Personalakte bestätigen (Uwe Wesel und Hans Dieter Beck [Hg.]: 250 Jahre rechtswissenschaftlicher Verlag C. H.Beck. 1763–2013. München 2013, 180; Lösch, Der nackte Geist, 1999, 340–341). Schönke war allerdings, wie es in der Personalakte vermerkt ist, während seiner Schulzeit, »von etwa 1923/24 bis zum Verbot«, Mitglied des rechtsgerichteten paramilitärischen Sportvereins »Deutscher Verein für Leibesübungen Olympia«, der in Berlin und Umgebung tätig war und wegen militärischer Betätigung und verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Jahre 1926 verboten wurde. Nach der Auflösung wechselten viele Mitglieder zur Berliner SA . Zur »Olympia« siehe Kurt Finker: Olympia. Deutscher Verein für Leibesübungen. In: Dieter Fricke et al. (Hg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789–1945). Gesamtverband deutscher Angestelltengewerkschaften – Reichsund freikonservative Partei. Bd. 3. Köln 1985, 548.
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Wissenschaftlich ist Dr. Schönke überaus kenntnisreich, gründlich und gediegen. Er ist abhold jeder Phrase und schreibt nur, was er verantworten kann. Und auf dies kann man sich stets unbedingt verlassen. […] An seiner absolut deutschen Gesinnung zu zweifeln, besteht nicht der mindeste Anlass. Ich bin überzeugt, daß er dem heutigen Staat absolut positiv gegenübersteht.52
2.4
Die Forschungsaktivitäten des Freiburger Universitätsseminars für ausländisches und internationales Strafrecht in der Zeit des Nationalsozialismus
Die Anfänge des im Herbst 1938 durch das Badische Kultusministerium genehmigten53 neuen Universitätsseminars waren bescheiden: Es verfügte zu Beginn nur über einen Raum im Dachgeschoss des Universitätshauptgebäudes, den es zudem mit dem Seminar für internationales Strafrecht teilen musste.54 Auch in personeller Hinsicht war das Seminar spärlich ausgestattet und konnte in keiner Weise mit den wissenschaftlichen »Großbetrieben« der Kaiser-Wilhelm-Institute konkurrieren. Die Anfänge waren also, so Jescheck, »wahrhaft entmutigend, und es bedurfte der ganzen Willens- und Arbeitskraft eines ungewöhnlichen Mannes«, nämlich Adolf Schönkes, »um der Schwierigkeiten nach und nach Herr zu werden.«55 Schönke verstand es gleichwohl immer wieder, neue Geldquellen zu erschließen.56 So erhielt etwa das Seminar im Gründungsjahr 1938 neben der Grundfinanzierung durch das Badische Kultusministerium in Höhe von 4.200 Reichsmark (RM) von dritter Seite Zuschüsse von weiteren insgesamt 7.000 RM, wovon 2.000 RM auf das Auswärtige Amt und weitere 5.000 RM auf die Vorläuferorganisation der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die Deutsche Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung, entfielen.57 Die Drittförderung wurde in den Folgejahren zwar verringert, machte aber 52 Leiter der Dozentenschaft der Universität Berlin, Gutachten über Dr. Adolf Schönke vom 17.8.1937, übersandt durch den Rektor der Universität Berlin an den Rektor der Universität Freiburg, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167. Ähnlich urteilte zwei Jahre später die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg: »Schönke ist ein Mann von tadellosem Charakter und einwandfreier politischer Haltung« (Rechtsund Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg i. Br. an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 20.11.1939, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167). 53 Badisches Ministerium für Kultus und Unterricht, Genehmigungsschreiben vom 31.10.1938, abgedruckt bei Jescheck, Das Institut, 1963, 41. 54 Ebd., 12. 55 Ebd. 56 Schönkes Organisationstalent wird vielfach hervorgehoben. Siehe etwa Wendt (ehema liger Assistent Schönkes): »außergewöhnliche(s) Organisationstalent« (Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 666). In ähnlicher Weise äußern sich Schönkes Kollegen Mezger, Professor Schönke, 1953, 814: »wissenschaftliches Organisationstalent ohnegleichen«. und Lange, Schönke, 1953, 159–160, 159: »selten[e] Organisationsgabe«. 57 Die Zahlen sind aus den Institutsakten entnommen (vgl. UAF, B 152/5).
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weiterhin zwischen der Hälfte und zwei Drittel des jährlichen Institutshaushalts aus. Für die Jahre 1938 bis 1943 ergab sich eine Gesamtfördersumme von etwa 41.224 RM, wovon etwa zwei Drittel (27.829 RM) auf Drittmittel des Auswärtigen Amts (10.200 RM) und der Forschungsgemeinschaft (17.629 RM) entfielen.58 Die Gelder der Forschungsgemeinschaft dienten überwiegend der Anschaffung von Literatur, der Bezahlung der Druckkosten sowie zur Finanzierung eines Stipendiums.59 Die Förderung durch das Auswärtige Amt ist hingegen unklar. Es liegt nahe, sie in Verbindung mit der auswärtigen Kulturpolitik des Auswärtigen Amts zu setzen, die sich insbesondere seit Kriegsbeginn intensiv darum bemühte, die nationalsozialistische Außenpolitik kulturpropagandistisch zu begleiten.60 Die Förderung einer Forschungseinrichtung zum ausländischen und internationalen Strafrecht passte gut zu diesem kulturpolitischen Vorhaben, da sie nicht nur den Anschein einer internationalen Offenheit Deutschlands erweckte, sondern sich auch mit den vermeintlichen Errungenschaften der deutschen Strafrechtswissenschaft befasste. Dem Forschungsprogramm von 1938 entsprechend, ging es Adolf Schönke zunächst darum, in Freiburg eine »gut(e) Bücherei« zu errichten, die ihn und das Seminar in die Lage versetzen würde, das Gebiet des ausländischen und internationalen Strafrechts auf einem gewissen wissenschaftlichen Niveau zu bearbeiten.61 Einen wichtigen Beitrag für den Aufbau einer Spezialbibliothek für Literatur des ausländischen und internationalen Strafrechts leistete die Anschubfinanzierung in Höhe von 10.000 RM, die das Seminar durch das Badische Kultusministerium, das Auswärtige Amt und durch die Deutsche Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung, der Vorgängerin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, erhielt.62 Daneben entwickelte Schönke ein beeindruckendes Engagement bei der Beschaffung weiterer Literatur aus externen 58 Vgl. UAF, B 152/15. 59 Vgl. Deutsche Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung, Förderakte Adolf Schönke, BArch R 73/14469. Das im Juni 1939 gewährte Stipendium betraf einen gewissen Werner Hahn (geb. 1915), der nach den Akten 1933–35 Mitglied der SS und ab 1937 Mitglied der NSDAP war. Die Druckkostenzuschüsse von Dezember 1942 und August 1943 bezogen sich auf das letzte Publikationsprojekt des Seminars über die »Schiedsgerichtsbarkeit in Zivil- und Handelssachen in Europa«. Der erste Band wurde 1943 veröffentlicht, der zweite Band erschien erst nach dem Krieg (1948). Zu diesem Werk siehe Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 17. Allgemein zur Wissenschaftspolitik der Forschungsgemeinschaft im Nationalsozialismus siehe Lothar Mertens: »Nur politisch Würdige«. Die DFG -Forschungsförderung im Dritten Reich 1933–1937. Berlin 2004. 60 Allgemein zur »Mobilisierung deutscher Kultur« im Nationalsozialismus siehe Frank Trommler: Kulturmacht ohne Kompass. Deutsche auswärtige Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert. Köln 2014. 61 Noch heute bildet die Bibliothek das Herzstück des 1979 eingeweihten Institutsgebäudes des Freiburger Max-Planck-Instituts. Über die Bibliothek als Labor des Juristen siehe Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): MPI für ausländisches und internationales Strafrecht. Berichte und Mitteilungen Heft 4, 1985, 46 ff. 62 Die Zahlen sind den Institutsakten entnommen (vgl. UAF, B 152/5).
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Quellen.63 So wandte er sich schon im November 1938 an verschiedene Organisationen des In- und Auslands mit dem Vorschlag eines Bücheraustauschs.64 Sogar nach Kriegsbeginn fanden Büchersendungen aus ganz Deutschland und Europa ihren Weg nach Freiburg.65 Daneben bezog das Seminar direkt oder über amtliche Stellen, etwa durch die Reichsaustauschstelle und das Beschaffungsamt für deutsche Bibliotheken, Bücher und Zeitschriften aus dem Ausland, darunter auch aus dem besetzten Frankreich66 oder aus der neutralen Schweiz.67 Schönke konnte den Bücherbestand der Seminarbibliothek bis zum Ende des Krieges auf 5.000 Bände steigern, was fast einer Vervierfachung des Bestands von 1938 mit seinen 1.200 Bänden gleichkam.68 Als weitere Dienstleistung, neben dem Betrieb der Bibliothek, erstattete das Seminar Gutachten für verschiedene staatliche Stellen, darunter das Reichsjustizministerium69, das Oberkommando der Wehrmacht70 und Staatsanwaltschaften71 aus dem gesamten Reichsgebiet. 63 Hierzu Jescheck, Das Institut, 1963, 12 ff. 64 Schönke, Brief an das Ibero-Amerikanische Institut Berlin vom 18.11.1938; ders., Brief an das italienische Justizministerium Rom vom 25.11.1938, ders., Brief an die Nordische Kriminalisten-Vereinigung Stockholm vom 25.11.1938; Brief an die Auslandsabteilung der Akademie für Deutsches Recht vom 30.11.1938, UAF, B 152/5. Zu diesen Tausch beziehungen siehe auch Jescheck, Das Institut, 1963, 13. Nicht unterschlagen werden soll an dieser Stelle die gesellschaftliche Außenwelt des Wissenschaftskosmos: Während Schönke in seinem Büro den Aufbau seines Universitätsseminars organisierte, wütete in unmittelbarer Nähe zum Universitätsgebäude der nationalsozialistische Mob, der in der Nacht vom 9./10. November 1938 die benachbarte jüdische Synagoge in Brand setzte und bis auf die Grundmauern zerstörte. Über die Freiburger Pogromnacht siehe Kathrin Clausing: Leben auf Abruf. Zur Geschichte der Freiburger Juden im Nationalsozialismus. Freiburg im Breisgau 2005, 255 ff. 65 Ihre internationale Herkunft lässt sich noch heute an den Besitzvermerken in den Altbeständen der heutigen Bibliothek des Max-Planck-Instituts ablesen. 66 Schönkes Eifer brachte ihn mitunter in Schwierigkeiten. In einem Fall aus dem Jahr 1941 beispielsweise bestellte Schönke direkt Literatur über die Abteilung Bibliotheksschutz im Verwaltungsstab des Militärbefehlshabers von Frankreich, was ihm einen Verweis der Reichsstelle für Papier und Verpackungen einbrachte, da direkte Einfuhren aus Frankreich verboten und ausschließlich über eine lizensierte »Vertrauensfirma« abzuwickeln waren. Das Amt genehmigte gleichwohl nachträglich die schon erfolgte Einfuhr (vgl. Reichsstelle für Papier und Verpackungen, Brief vom 31.7.1941, UAF, B 152/5). 67 Vgl. etwa die Einfuhrgenehmigung der Reichsstelle für Papier und Verpackungen, Brief an Schönke vom 13.8.1942, UAF, B 152/5. 68 Jescheck, Das Institut, 1963, 13. 69 Vgl. etwa die Anfrage von Kammergerichtsrat Creifelds nach den Rechtswirkungen eines Strafregisterauszuges eines Deutschen in den USA , vgl. dazu Carl Creifelds, Brief an Adolf Schönke vom 13.5.1943, UAF, B 152/5. 70 Zum Beispiel Schönke, Brief an Walter Herzlieb (OKW / A mt Ausland / Abwehr) vom 19.10.1940, UAF, B 152/5. Herzlieb war der Leiter der Rechtsabteilung des Amtes Ausland / Abwehr beim OKW. 71 Im Mai 1943 etwa erstattete das Seminar der Staatsanwaltschaft Berlin ein Gutachten zur Strafrechtslage in Andorra. Vgl. Staatsanwaltschaft Berlin, Brief an Schönke vom 21.5.1943, UAF, B 152/5.
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Das Seminar führte seinen Betrieb auch nach Ausbruch des Krieges fort. Schönke veröffentlichte Aufsätze zum ausländischen Strafrecht, etwa in Gestalt der Literaturberichte in der von ihm verantworteten Auslandsrundschau der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft,72 und zum Zivilprozessrecht.73 Letztes größeres Projekt von Schönke war 1944 ein mit Unterstützung der Forschungsgemeinschaft gedrucktes Sammelwerk zur Schiedsgerichtsbarkeit, das, wie es im Untertitel hieß, unter »Mitwirkung zahlreicher Rechtswahrer aus verschiedenen Ländern« entstanden war.74 Die wichtigste Publikation der Kriegsjahre dürfte allerdings der 1942 in erster Auflage erschienene Kommentar zum Strafgesetzbuch gewesen sein, der noch 1944 eine zweite Auflage erleben sollte.75 Der Kommentar sollte, nach Schönkes eigenen Worten, eine Lücke schließen, die sich im Fehlen eines »etwas ausführlicheren Kommentars zum Strafgesetzbuch« zeige, »der den gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung, der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung« wiedergebe.76 In inhaltlicher Sicht konnte der Kommentar dieses Anliegen trotz der widrigen Umstände erfüllen. Viele bescheinigten dem Kommentar einen hohen Gebrauchswert, da er das verstreute Material aus Theorie und Praxis zuverlässig und übersichtlich ordnete77 und dabei auf »Abschweifungen und Polemik«78 verzichtete. Was die ideologische Ausrichtung des neuen Kommentars anbelangte, gab es, von den durch die Gesetzesneuerungen des NS -Rechts zu erwartenden Ausnahmen einmal abgesehen (etwa die 1935 erfolgte Aufhebung des Analogieverbots), nur
72 Vgl. zum Beispiel – in Fortführung früherer Literaturberichte – Adolf Schönke: Neues aus dem ausländischen Strafrecht. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 60/1 (1941), 274–286. Daneben erschien zudem eine Neubearbeitung seiner Quellensammlung zum ausländischen Strafrecht (Adolf Schönke: Ausländisches Strafrecht. Übersicht über die wichtigsten Quellen und über das wichtigste Schrifttum. 2. Auflage. München 1942). Bei den Einzelpublikationen aus dem Strafrecht stand vor allem das ausländische Kriegsstrafrecht im Mittelpunkt (vgl. z. B. Adolf Schönke: Das französische Kriegsstrafrecht. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 62 [1942], 113–126; Adolf Schönke: Das Kriegsstrafrecht in der Schweiz. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 62 [1942], 127–147). 73 Siehe vor allem die Lehrbücher Schönke, Zivilprozeßrecht, 1943; Schönke, Zwangsvollstreckungsrecht, 1940. Zu diesen Büchern siehe Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 13–14. 74 Adolf Schönke: Die Schiedsgerichtsbarkeit in Zivil- und Handelssachen in Europa. Bd. 1. Berlin 1944. Zu diesem Werk vgl. Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 17. 75 Schönke, Strafgesetzbuch. Kommentar, 1942, 2. Auflage. München 1944. Zu diesem Werk siehe Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 664–665; Zeller, Neue Fächer, 2007, 431–453, 444 ff. 76 Schönke, Strafgesetzbuch. Kommentar, 1942, Vorwort. 77 Mezger, Professor Schönke, 1953, 814; ähnlich Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 15: »nahezu vollständige Konkordanz der Lehrmeinungen und der Judikatur«; siehe auch Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 664–665. 78 Mezger, Professor Schönke, 1953, 814; siehe auch Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 15: »leidenschaftslos[e] und taktvoll[e] Zurückhaltung«; Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 664–665.
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»wenige ideologisch eingefärbte Stellen«.79 So folgte Schönke beispielsweise nicht der ausschließlichen Deutung des Verbrechens als Pflichtverletzung, sondern wollte dem Rechtsgutsgedanken eine (wenn auch nicht individualistische) Bedeutung lassen,80 und stand ebenfalls der Lehre vom Tätertyp explizit kritisch gegenüber.81 Schönke führte den Kommentar nach dem Krieg weiter und wurde nach seinem Tod 1953 durch Horst Schröder beerbt. Als »Schönke-Schröder« trägt er bis heute den Namen seines Urhebers auf dem Titel.82 Die internationalen Wissenschaftsbeziehungen, die für Adolf Schönke stets eine besondere Rolle spielten, wurden von diesem auch während des Krieges fortgeführt, was größere logistische und bürokratische Anstrengungen erforderte, da für Auslandsreisen ein sogenannter Ausreisesichtvermerk für den Reisepass und ein Einreisevisum für die Schweiz beantragt werden mussten. Zudem wurden Devisen benötigt. Im Jahr 1942 etwa reiste Schönke »mit Unterstützung der Akademie für deutsches Recht«, der er als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für ausländisches und internationaler Strafrecht angehörte, in die Schweiz, wo er die Bibliothek der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission aufsuchen und deren Präsidenten Ernst Delaquis treffen wollte. Zur näheren Begründung führte Schönke in seinem Schreiben an das Reichswissenschaftsministerium an, dass er den Auftrag habe, der Arbeitsgemeinschaft für ausländisches und internationales Strafrecht der Akademie für deutsches Recht Bericht über schweizerisches und französisches Kriegsstrafrecht zu erstatten.83 Diese Reise wurde von allen staatlichen Stellen genehmigt und Schönke angewiesen, sich während seines Auslandsaufenthalts bei der Auslandsorganisation der NSDAP zu melden und nach seiner Rückkehr einen Reisebericht zu verfassen. Schönke konnte sich um die Geschicke des Instituts selbst kümmern, da er vom Kriegsdienst befreit war und seinen Dienst an der »Heimatfront« des Universitätsbetriebs ableistete.84 Diese privilegierte Position, die später auch in eine 79 Zeller, Neue Fächer, 2007, 431–453, 446–447. Ebenso Schönkes Schüler Wendt, der – vielleicht ein wenig zu schönfärberisch – hervorhebt: »Auch die vor 1945 erschienenen Auflagen des Kommentars sind durch eine rechtsstaatliche Orientierung gekennzeichnet. So stehen die Vorkriegsbearbeitungen mit den Neuauflagen des Kommentars nach 1945 ohne tieferen Bruch in einer sachlichen Kontinuität.« Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 665. 80 Adolf Schönke: Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Kommentar. 2. Auflage. München 1944, 7–8. 81 Schönke, Strafgesetzbuch. Kommentar, 1944, 9–10. 82 Zur Buchgeschichte des »Schönke-Schröder«, dessen 30. neu bearbeitete Auflage 2019 erschien, siehe Wesel und Beck, 250 Jahre, 2013, 179–180, 255 ff. – Siehe auch dazu Albin Eser: Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch. In: Dietmar Willoweit (Hg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert. München 2007, 851–865. 83 Schönke, Brief an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 2.2.1942, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167. 84 Schönke wurde, wie sich aus der Personalakte ergibt, von der Wehrerfassung mit dem Tauglichkeitsgrad »av.«, also »arbeitsverwendungsfähig«, gemustert. In der Soldatensprache wurde »av.« spöttisch mit »ausgezeichnete Verbindungen« übersetzt. Vgl. Heinz Küpper: Am A…. der Welt. Landserdeutsch 1939–1945. Hamburg 1970, 9.
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auf die Universität bezogene sogenannte »UK-Stellung«, also die Unabkömmlichkeits-Stellung, überführt wurde, geriet bei einer Nacherfassung 1944 in Gefahr, nachdem die Wehrverwaltung Schönkes Tauglichkeitsgrad in »bedingt kv.«, also bedingt kriegsverwendungsfähig, umgewandelt hatte und der Verlust der UK-Stellung drohte. Der Rektor der Universität Freiburg setzte sich jedoch für Schönke beim Badischen Kultusministerium und der Mobilmachungsstelle ein und erreichte schließlich erfolgreich Schönkes Unabkömmlichkeitsstellung.85 Gegenüber der zuständigen Einberufungsstelle machte der Rektor deutlich, dass die juristische Fakultät nur noch über die Hälfte ihrer Mitglieder verfüge und Schönke eine »Schlüsselstellung« einnehme, die eine »weitere Mitwirkung des Prof. Schönke« mit Blick auf die »Aufrechterhaltung eines einigermaßen ordnungsmäßigen Lehrbetriebs« »unbedingt erforderlich« mache.86 Obwohl Schönke auch institutionell in die Wissenschaftspolitik des Nationalsozialismus eingebunden war, unter anderen durch seine gelegentliche Tätigkeit für das Oberkommando der Wehrmacht und seine Zugehörigkeit zur Akademie für Deutsches Recht, bei der er verschiedenen strafrechtlichen87 und zivilrechtlichen88 Ausschüssen angehörte, wird man in der Gesamtbewertung gleichwohl sagen können, dass Schönke kein nationalsozialistischer Strafrechtler war. Diese Einschätzung wird auch von Zeitgenossen geteilt. So betonte etwa sein Freiburger Kollege Thomas Würtenberger, dass Schönke vom »Geiste echter Inter85 Rektor der Universität Freiburg i. Br., Brief an Badisches Kultusministerium vom 4.4.1944; ders., Brief an Stellvertretendes Oberkommando des Wehrkreises V. in Stuttgart vom 4.4.1944, jeweils PA Schönke StAF, C 25/2 Nr. 167. 86 Rektor der Universität Freiburg i. Br., Brief an Stellvertretendes Oberkommando des Wehrkreises V. in Stuttgart vom 4.4.1944, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167. Noch deutlicher heißt es in dem an das Badische Kultusministerium gerichteten Schreiben: »Die Einberufung eines einzigen unserer hier noch tätigen Juristen wäre wahrscheinlich gleichbedeutend mit dem Zwang, die Fakultät überhaupt zu schließen« (Rektor der Universität Freiburg i. Br., Brief an Badisches Kultusministerium vom 4.4.1944, PA Schönke StAF, C 25/2 Nr. 167). 87 Schönke war unter anderem ab 1940 Mitglied der »Arbeitsgemeinschaft für ausländisches und internationales Strafrecht«, die sich mit der Vorbereitung eines Erlasses über den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts für Auslandstaten und Fragen des Auslieferungsrechts befasste, vgl. Werner Schubert (Hg.): Akademie für Deutsches Recht 1933–1945. Ausschüsse für Strafrecht, Strafvollstreckungsrecht, Wehrstrafrecht, Strafgerichtsbarkeit der SS und des Reichsarbeitsdienstes, Polizeirecht sowie für Wohlfahrts- und Fürsorgerecht (Bewahrungsrecht). Bd. 8. Berlin 1999, XIX ff.; zum Protokoll der Gründungssitzung vom 15.7.1940 unter dem Vorsitz von Wenzeslaus Graf Gleispach vgl. zudem Schubert, Akademie für Deutsches Recht, 1999, Bd. 8, 335–336. Daneben war Schönke Mitglied des Akademie-Ausschusses »zur Neufassung des Strafgesetzbuches«. Zu diesem Ausschuss siehe Schubert, Akademie für Deutsches Recht, 1999, Bd. 8, XVI ff. Für einen Überblick über die Arbeit der Akademie für Deutsches Recht siehe Hans Hattenhauer: Die Akademie für Deutsches Recht (1933–1944). Juristische Schulung, 1986, 680–684. 88 Etwa in dem 1943 eingesetzten Ausschuss »Wahrheitsforschung im Streitverfahren«. Zu diesem Ausschuss siehe Werner Schubert (Hg.): Akademie für Deutsches Recht 1933– 1945. Zivilprozeß und Gerichtsverfassung. Ausschüsse der Akademie für Deutsches Recht und »Ämter« des Reichsjustizministeriums von 1934–1944. Bd. 6. Berlin 1997, 1–2, 81 ff.
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nationalität« erfüllt gewesen sei und sich gegen Bestrebungen »nationalistischer Überheblichkeit« gewandt habe.89 Eine in den Kriegsjahren 1942/43 gestartete Initiative zur Umwandlung des Freiburger Seminars in ein Institut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft scheiterte aufgrund der Kriegsereignisse. Wie den Akten zu entnehmen ist, war der Antrag seinerzeit vom Reichsjustizministerium bei der KWG gestellt worden90 und hatte nach Schönkes Bericht insbesondere von Seiten des damaligen KWG -Präsidenten Albert Vögler (1877–1945) und des einflussreichen KWG -Senators und früheren Präsidenten des Reichsrechnungshofes, Moritz Saemisch,91 Unterstützung erhalten.92
3.
Zurück in den Kreis der zivilisierten Staaten: Das Freiburger Universitätsinstitut für ausländisches und internationales Strafrecht von der Wiedereröffnung 1945 bis zur Umwandlung in den 1950er Jahren
3.1
Die Wiedereröffnung des Universitätsseminars nach Kriegsende
Die Anfänge in Freiburg nach Kriegsende waren beschwerlich, da die Stadt durch den verheerenden Luftangriff am 27. November 1944 schweren Schaden genommen hatte. Auch Schönkes Seminar, das im Dachgeschoss des damaligen 89 Vgl. Thomas Würtenberger: Ansprache zur Übernahme des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br. in die Max-Planck-Gesellschaft am 21. Juli 1966. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 79/1 Auslandsteil (1967), 125–128, 125. 90 Niederschrift über die Sitzung des Senats der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vom 24.4.1942, Bl. 9, AMPG , I. Abt., Rep. 1A, Nr. 81; Niederschrift über die Sitzung des Senats der KaiserWilhelm-Gesellschaft vom 11.11.1943, 9–10, zitiert nach Henning und Kazemi, Handbuch, 2016, Bd. 2, 1521. 91 Wie Rüdiger Hachtmann schreibt, avancierte Moritz Saemisch (1869–1945) nach seiner Pensionierung 1938 »zum inoffiziellen Rechtsberater« des KWG -Generalsekretärs Ernst Telschow »in finanziellen Angelegenheiten« (Rüdiger Hachtmann: Vernetzung um jeden Preis. Zum politischen Alltagshandeln der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im »Dritten Reich«. In: Helmut Maier [Hg.]: Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer. Die Rolle der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Nationalsozialismus. Göttingen 2007, 77–152, 95). Zu Saemisch bestanden zudem auch persönliche Kontakte, da dieser seit seiner Pensionierung in Freiburg-Günterstal wohnte und später auch vertretungsweise Vorlesungen übernahm, vgl. Hermann A. Dommach: Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (1922–1938). In: Heinz Günter Zavelberg (Hg.): Die Kontrolle der Staatsfinanzen. Geschichte und Gegenwart 1714–1989. Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer. Berlin 1989, 65–113, 113. Biografisch: Hermann Butzer: Saemisch, Friedrich Ernst Moritz. In: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biographie. Bd. 22. Berlin 2005, 347–348. 92 Vgl. Brief von Schönke an Hans Dölle (Direktor des damals noch in Tübingen befind lichen privatrechtlichen Max-Planck-Instituts) vom 6.3.1950, UAF, B 152/12.
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Universitätshauptgebäudes, dem heutigen Kollegiengebäude I, untergebracht war, wurde beschädigt.93 Immerhin blieb die Bibliothek des Seminars mit ihrer Spezialsammlung zum ausländischen und internationalen Strafrecht verschont, da die Universität sie im Zuge von Luftschutzmaßnahmen in die Räumlichkeiten des Klosters Birnau am Bodensee ausgelagert hatte.94 Adolf Schönke machte sich schnell nach Wiedereröffnung der Universität daran,95 den Seminarbetrieb wieder in Gang zu bringen. Höchste Priorität kam dabei der Wiederbeschaffung der ausgelagerten Bücherbestände zu. Das war kein leichtes Unterfangen, da Transportfahrzeuge überwiegend zerstört oder beschlagnahmt waren und man zudem Passiergenehmigungen für die im Land verteilten Kontrollposten der französischen Besatzungsmacht benötigte.96 Doch auch hier erwies sich Schönke als großer Organisator: Kurzerhand wandte er sich an die französische Militärregierung und bat diese um Unterstützung – mit Erfolg. Ausgestattet mit Passierscheinen und einem LKW der deutschen Fahrbereitschaft sowie unter Mithilfe seiner beiden Assistenten Günther Wendt97 und Werner Roth98 machte sich die kleine Abordnung in Richtung Bodensee auf und brachte die in 16 Kisten verpackte Seminarbibliothek zurück nach Freiburg. Dank eines Papiervorrats von zweitausend Blatt Schreibpapier und dreitausend
93 Zeller, Neue Fächer, 2007, 431–453, 447. 94 Jescheck, Das Institut, 1963, 14. Auch die Freiburger Universitätsbibliothek wurde rechtzeitig vor dem großen Luftangriff auf Freiburg im November 1944 ausgelagert. Vgl. Ingo Toussaint: Die Universitätsbibliothek Freiburg im Dritten Reich. 2. Auflage. München 1984, 189 ff. 95 Die im Herbst 1945 erfolgte Wiedereröffnung der Freiburger Universität stand zunächst auf der Kippe, da seitens der Landesregierung und der Militärregierung Zweifel bestanden, ob sich das kleine Land Südbaden den Luxus von zwei Universitäten leisten konnte, zumal die Universität Heidelberg den Krieg anders als ihre südbadische Schwester unbeschädigt überstanden hatte. 96 Freiburg gehörte zur französischen Besatzungszone und diente für kurze Zeit als Hauptstadt des zwischen 1945 und 1952 bestehenden Landes Baden, das die südlichen Landesteile des historischen Badens umfasste. Der nördliche Landesteil gehörte zum Land Württemberg-Baden, das zur amerikanischen Besatzungszone mit der Hauptstadt Stuttgart gehörte. Das Land Baden ging 1952 zusammen mit den anderen südwestdeutschen Ländern im neu gegründeten Bundesland Baden-Württemberg auf. 97 Günther Wendt (1919–2004) hatte sich im Wintersemester 1950/51 bei Adolf Schönke habilitiert, beendete aber nach kurzer Zeit seine wissenschaftliche Laufbahn und wechselte zur Evangelischen Landeskirche in Baden (vgl. Alexander Hollerbach: Kirchenund Staatskirchenrecht in Freiburg 1945–1967 [1999]. In: Alexander Hollerbach [Hg.]: Jurisprudenz in Freiburg. Beiträge zur Geschichte der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität. Tübingen 2007, 215–232, 218). Zu Günther Wendt siehe Klaus Engelhardt: »… geistlich und rechtlich in unaufgebbarer Einheit«. Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 29/1 Festheft für Günther Wendt zum 65. Geburtstag (1984), 1–10. 98 Werner Roth war in den 1950er und 1960er Jahren Ministerialbeamter im Baden-Württembergischen Justizministerium.
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Blatt Durchschlagpapier,99 den Schönke schon im Juli / August 1945 erfolgreich bei der französischen Militärregierung beantragt hatte, unter anderem mit dem Hinweis, dass das Papier »insbesondere auch für Anfertigung von Gutachten über ausländisches Recht dringend« benötigt werde,100 war das Seminar wieder einsatzbereit. Ein Schatten, der lange Zeit den Wiederaufbau des Seminars und das Engagement seines Leiters Schönke hemmte, war die Entnazifizierung bzw. »politische Reinigung«, die die Universität Freiburg unter strenger Aufsicht der französischen Militärregierung durchführen musste.101 In der Personalakte findet sich in einem Protokoll zu einer Senatssitzung vom 3. Oktober 1945 der Hinweis, dass Schönke von der französischen Militärregierung »zur Disposition gestellt«102 99 Das Durchschlagpapier gibt einen wichtigen Hinweis auf die Rahmenbedingungen der damaligen Arbeitsabläufe. Die Technik der Schriftproduktion war eine andere als heute: Briefe wurden in der Regel diktiert oder handschriftlich entworfen und dann durch Schreibkräfte getippt – meist in mehrfacher Ausfertigung, um für die eigenen Akten eine Kopie auf Durchschlagpapier anzulegen. Die soziale Welt dieser (meist weiblichen) Schreibkräfte und Bibliothekarinnen wäre ein eigenes Kapitel wert. Von vielen kennen wir nur die Namen, und von manchen nicht mit einmal den. Aus dem Personalverzeichnis der Universität Freiburg des Jahres 1941 erfahren wir, dass Anneliese Büche (geb. 1917, verheiratete Lintzmeyer) als einzige Kraft für das Institut tätig war; 1955 waren es dann Hertha Schwenkner als Diplom-Bibliothekarin und Ingrid Gollwitzer und Manja Wagner als Sekretärinnen, vgl. Albert-Ludwigs-Universität: Personal-Verzeichnis für 1941. Freiburg im Breisgau; Albert-Ludwigs-Universität: Personen- und VorlesungsVerzeichnis. Wintersemester 1955/56. Freiburg im Breisgau. Einen Einblick in die Arbeitswelt der weiblichen Schreibkräfte an der Universität gibt Magnus Klaue: Das stille Gedächtnis der Universität. Frankfurter Allgemeine Zeitung (24.1.2018), N4. Speziell zur Geschichte der Tätigkeit von Frauen in Bibliotheken siehe den Sammelband von Helga Lüdtke (Hg.): Leidenschaft und Bildung. Zur Geschichte der Frauenarbeit in Bibliotheken. Berlin 1992. Allgemein zur Geschichte der weiblichen Büroangestellten siehe Ellen Lorentz: Aufbruch oder Rückschritt? Arbeit, Alltag und Organisation weiblicher Angestellter in der Kaiserzeit und Weimarer Republik. Bielefeld 1988. 100 Schönke, Brief an die französische Militärregierung vom 11.7.1945, UAF, B 152/6; Französische Militärregierung, Brief an Schönke vom 21.8.1945, UAF, B 152/6. Die Militärregierung besaß auch ein eigenes Interesse an der Einsatzfähigkeit des Freiburger Seminars. Bei Wendt findet sich die Information, dass Schönke schon 1945 für die Militärregierung tätig wurde und unter anderem ein Gutachten über die Weitergeltung der nach 1933 erlassenen Gesetze erstellte, vgl. Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 667. 101 Allgemein zur Entnazifizierung an der Freiburger Universität siehe Silke Seemann: Die politischen Säuberungen des Lehrkörpers der Freiburger Universität nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1945–1957). Freiburg im Breisgau 2002; Silke Seemann: Die gescheiterte Selbstreinigung. Entnazifizierung und Neubeginn. In: Bernd Martin (Hg.): 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Von der badischen Landesuniversität zur Hochschule des 21. Jahrhunderts. Bd. 3. Freiburg im Breisgau 2007, 536–554; Hugo Ott: Schuldig – mitschuldig – unschuldig? Politische Säuberungen und Neubeginn 1945. In: Eckhard John et al. (Hg.): Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. Freiburg im Breisgau 1991, 243–258. 102 PA Schönke, UAF, B 24/3413.
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werden sollte. Den Untersuchungen von Silke Seemann zufolge, die sich intensiv mit der Entnazifizierung an der Freiburger Universität nach 1945 auseinandergesetzt hat und dazu umfangreiche Aktenbestände ausgewertet hat, soll dies vor allem auf Schönkes Tätigkeit im Reichsjustizministerium zurückzuführen gewesen sein,103 die eine formale Belastung bewirkte. Erst nach »längeren Verhandlungen« konnte die Entnazifizierungskommission »eine günstigere Beurteilung« Schönkes herbeiführen.104 Maßgeblich soll hierfür gewesen sein, so sein Schüler Günther Wendt, dass sich Schönke in seiner Amtszeit als Prorektor, also Stellvertreter des Rektors, »in kollegialer Solidarität persönlich, und Risiken nicht scheuend, bei den ihm bekannten Stellen der Justiz in Berlin« für Personen aus dem Freiburger Bonhoeffer-Kreis eingesetzt haben soll, die im September 1944 von der Gestapo verhaftet und als Hochverräter in Berlin angeklagt worden waren.105 Ein weiterer Aspekt könnte gewesen sein, dass sich Schönke schon im Herbst 1945 aufgrund eigener Initiative der französischen Militärregierung als Strafrechtsexperte angedient hatte und sich dadurch möglicherweise als nützlich und wichtig erwiesen hatte.106 Was auch immer den Ausschlag gegeben haben mag: Die Franzosen lenkten am Ende ein und akzeptierten Schönkes »Verbleiben im Dienst«.107 Kultusministerium und Rektor informierten Schönke darüber in einem Schreiben vom 2. November 1946. 3.2
Die Forschungsaktivitäten des Freiburger Universitätsinstituts für ausländisches und internationales Strafrecht in den ersten Nachkriegsjahren
Schönke bemühte sich sofort nach Kriegsende darum, die brachliegenden Wissenschaftsbeziehungen mit dem Ausland wiederzubeleben. Neben der erneuten Aufnahme persönlicher Beziehungen zu früheren Wissenschaftskollegen aus dem Ausland, ging es Schönke auch darum, einen Beitrag dafür zu leisten, das »deutsch[e] Rechtsdenken« insgesamt aus seiner »Isolierung« heraus103 Seemann, Säuberungen, 2002, 104–105, Fn. 71. 104 Ebd., 105 mit Hinweisen auf die Reinigungsakten. 105 Vgl. Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 669; Alexander Hollerbach: Juristische Lehre und Forschung in Freiburg in der Zeit des Nationalsozialismus (1991). In: Alexander Hollerbach (Hg.): Jurisprudenz in Freiburg. Beiträge zur Geschichte der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität. Tübingen 2007, 17–46, 32–33; Seemann, Säuberungen, 2002, 104–105. 106 Schönke erstellte aus eigener Initiative ein Gutachten über Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Fortgeltung strafrechtlicher Vorschriften aus der Zeit nach 1933, das auch in der Landesjustizverwaltung und der französischen Militärregierung auf Interesse stieß. Hierzu Matthias Etzel: Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen durch den Alliierten Kontrollrat (1945–1948). Tübingen 1992, 72 ff. 107 Badisches Ministerium des Kultus und Unterricht, Brief an den Rektor der Universität Freiburg vom 2.11.1946, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167, ebenso UAF, B 24/3413, PA Schönke.
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zuführen, wie er im Vorwort seiner 1946 erschienenen »Einführung in die Rechtswissenschaft« formulierte.108 Frühester Ausdruck dieser Befreiung aus der »Isolierung des deutschen Rechtsdenkens« ist ein Schreiben Schönkes an das Badische Kultusministerium von Juli 1945, in welchem er um Erlaubnis zur Teilnahme an der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission bat, die, wie Schönke bemerkte, »in der nächsten Zeit ihre Arbeit wieder aufnehmen« wolle.109 Ziel war es, in den nächsten Jahren wieder einen neuen großen Kongress in Den Haag zu veranstalten. Da die Kongresse aus Gesandtschaften der Nationalstaaten bestanden, ergab sich jedoch ein Problem. Es gebe nämlich, so Schönke, »bisher in Deutschland keine zentrale Regierung«, weshalb es »schwer möglich« sei, »dass Deutsche als offizielle Delegierte an der Arbeit der Kommission teilnehmen«. Als Ausweg sei von Seiten der Kongressleitung vorgeschlagen worden, »vielleicht einen Deutschen als inoffiziellen Beobachter zu den Arbeiten der Kommission einzuladen«, wobei man an ihn gedacht hätte.110 Das Ministerium erhob keine Einwände, woraufhin Schönke als inoffizieller Vertreter Deutschlands im Dezember 1946 zum Planungstreffen nach Paris reiste. Das Planungstreffen verlief erfolgversprechend. In seinem Bericht für das Kultusministerium lobte Schönke die Zusammenkunft als »erfreulichen Auftakt für die wissenschaftliche internationale Zusammenarbeit auf strafrecht lichem Gebiet« und berichtete, dass man sich »[w]iederholt« für eine Beteiligung der deutschen Wissenschaft ausgesprochen habe.111 Für kurzzeitige Aufregung sorgte allerdings eine Wortmeldung eines Mitglieds der polnischen Delegation, das sich kritisch über die neuerliche Infragestellung der Oder-Neiße-Grenze durch die deutschen Länder geäußert und eine hiergegen gerichtete Positionierung der Veranstalter gefordert hatte. Der französische AIDP-Generalsekretär Roux habe, wie Schönke berichtete, die Situation gerettet, da er die Mehrheit der Versammlung davon überzeugen konnte, »dass es sich bei der behandelten Frage
108 Adolf Schönke: Einführung in die Rechtswissenschaft. Karlsruhe 1946, Vorwort. 109 Schönke, Brief an Badisches Kultusministerium vom 3.7.1945, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167. Die Internationale Strafrechts- und Gefängniskommission hatte ihren letzten großen Kongress 1935 in Berlin veranstaltet. Der unter der Präsidentschaft des damaligen Präsidenten des Reichsgerichts, Erich Bumke, in Berlin veranstaltete Kongress war zu einer Propagandaveranstaltung des »neuen Deutschlands« geworden (vgl. Negley F. Teeters: Deliberations of the International Penal and Penitentiary Congresses. Questions and Answers, 1872–1935. Philadelphia, PA 1949, 177–178). Teeters berichtet, dass er noch nie zuvor einen Kongress erlebt habe, der von so viel Feindseligkeit unter den Teilnehmern geprägt gewesen sei, vgl. Teeters, Deliberations, 1949, 177–178. Aus zeitgenössischer deutscher Sicht siehe zudem Ernst Schäfer: Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Berliner Internationalen Strafrechts- und Gefängniskongresses. Deutsche Justiz 97 (1935), 1436–1446. 110 Schönke, Brief an Badisches Kultusministerium vom 3.7.1945, PA Schönke, StAF, C 25/2 Nr. 167. 111 Ebd.
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um eine politische Frage handele«, mit der sich die AIDP »als wissenschaftliche Gesellschaft […] nicht zu befassen« habe.112 Eine weitere wichtige Entwicklung in der Nachkriegszeit ergab sich aus den wiederaufgenommenen Kontakten zur AIDP, deren Präsident, der rumänische Völkerrechtler Vespasian V. Pella (1897–1952), Schönke 1946 zur ersten Nachkriegstagung von AIDP und dem Bureau International pour l’unification du Droit Pénal nach Paris einlud.113 Mit Genehmigung der französischen Militär regierung, die alle Dienst- und Auslandsreisen genehmigten musste, reiste Schönke im Dezember 1946 nach Paris. In seinem Tagungsbericht für die Deutsche Rechts-Zeitschrift bewertete Schönke die Tagung als einen ersten Erfolg der wiederaufgenommenen internationalen Wissenschaftsbeziehungen im Strafrecht. Die Tagung war ein erfreulicher Auftakt für die wissenschaftliche internationale Zusammenarbeit auf strafrechtlichem Gebiet. Es wurde von allen Seiten zum Ausdruck gebracht, wie notwendig diese Zusammenarbeit gerade auf Grund der Erfahrungen des Krieges ist. Wiederholt wurde ausgesprochen, dass auch eine Beteiligung der deutschen Wissenschaft gewünscht wird.114
Parallel zur Wiederbelebung der ausländischen Wissenschaftsbeziehungen engagierte sich Schönke in den ersten Nachkriegsjahren zudem für den weiteren Ausbau der Seminar- bzw. ab 1947 Institutsbibliothek, wobei er wie schon in früheren Zeiten eine bemerkenswerte Findigkeit entfaltete. Er begründete beispielsweise einen kontinuierlichen Bücheraustausch mit ausländischen Bibliotheken, etwa der Wiener Library115 in London oder der juristischen Bibliothek der University of Michigan116 in Ann Arbor. Daneben wandte sich Schönke zur Beschaffung von Literatur mit Bittschreiben an die Besatzungsbehörden, die diesem Anliegen auch nachkamen.117 So erhielt das Institut im Jahre 1949 112 Ebd. 113 Schönke, Brief an den Rektor der Universität Freiburg i. Br. vom 21.12.1946, PA Schönke, UAF, B 24/3413. 114 Dazu Adolf Schönke: Wiederaufnahme der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit auf strafrechtlichem Gebiet. Deutsche Rechts-Zeitschrift 2/2 (1947), 61. 115 UAF, B 152/4. Die von Alfred Wiener in den 1920er Jahren in Berlin gegründete und 1933 zunächst nach Amsterdam und später nach London verlagerte Einrichtung sammelte Literatur zu Nationalsozialismus und Judenverfolgung. Die Einrichtung firmiert heute unter »The Wiener Library for the Study of the Holocaust and Genocide«. Zur Wiener Library vgl. Ben Barkow: Wiener Library. In: Dan Diner (Hg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Bd. 6. Stuttgart 2015, 404–408. 116 Siehe UAF, B 152/4. An der University of Michigan wirkte unter anderem der bedeutende Rechtsvergleicher Ernst Rabel (1874–1955), der 1937 aufgrund seiner jüdischen Herkunft als Direktor des privatrechtlichen Kaiser-Wilhelm-Instituts abgesetzt worden war. Rabel kehrte 1950 nach Deutschland zurück. 117 Schönke, Brief an Direktor der Justiz für die französische Besatzungszone vom 27.5.1946, UAF, B 152/6; Office of the High Command for Germany – Office of General Council, Brief an Schönke vom 26.6.1950, UAF, B 152/15.
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beispielsweise vom britischen Zentral-Justizamt eine Literatursammlung zum Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess.118 Schönkes Bemühungen zeigten beachtliche Erfolge: Der Bücherbestand der Bibliothek verdoppelte sich zwischen 1945 und 1952 von etwa 5.000 auf 10.000 Bände. Ein durchgehendes Arbeitsfeld des Seminars, das 1947 universitätsintern zu einem Institut aufgewertet wurde,119 bildete die Erstellung von Gutachten. Die vielen brieflichen Anfragen, die sich in den Akten finden lassen, geben einen interessanten Einblick in die juristischen Fragestellungen der Nachkriegszeit.120 Die meisten Anfragen kamen von den Strafverfolgungsbehörden, die es mit Auslandstaten durch deutsche Staatsangehörige zu tun hatten – eine gefährliche Körperverletzung in Ungarn, eine Freiheitsberaubung in Russland – und sich von Schönke und seinem Institut Rechtsauskunft für ihre Fälle erhofften.121 Daneben erhielt das Freiburger Institut aber auch Fragen aus den Reihen der Strafverteidigung. So bat beispielsweise ein Verteidiger aus dem Nürnberger Juristenprozess, Werner Schubert122, um eine Rechtsauskunft über das aus dem anglo-amerikanischen common law stammende Verbrechen der conspiracy (Verschwörung), einer spezifischen Form der Verabredung zu einer Straftat, und zur Entwicklung des Kriegsstrafrechts in Großbritannien während des Krieges. Über den Hintergrund der Anfrage ließ Rechtsanwalt Schubert dabei keine Zweifel: Ich nehme mit Sicherheit an, dass diese Strafrechtsentwicklung in England im Kriege Wege beschritten hat, die vielleicht nicht so weit gingen, wie die nationalsozialistische Gesetzgebung, aber die sicherlich auch eine erhebliche Strafschärfung und neue
118 Siehe UAF, B 152/4. 119 Vgl. Badisches Ministerium des Kultus und Unterricht, Brief vom 14.10.1947, StAF, C 25/3 Nr. 358. 120 Zu den genauen Arbeitsabläufen in Seminar bzw. Institut, etwa die Arbeitsverteilung, das Ausmaß der Einbeziehung des Mitarbeiterstabes etc., geben die Akten leider nur wenig Hinweise. Die in den Akten enthaltenen Arbeitsanweisungen Schönkes, die im justiziellen Verfügungsstil gehalten sind, weisen auf die Unterstützung seiner Mitarbeiter bei der Erstellung der Gutachten hin. Aus den Nachkriegsjahren gibt es Hinweise, dass diese Zuarbeit nicht unwesentlich gewesen sein dürfte. Vgl. den bei Fn. 152 zitierten Brief von Oberregierungsrat Wilhelm Dallinger [BMJ] an Schönke vom 9.1.1950, UAF, B 152/12. 121 Staatsanwaltschaft Freiburg an Schönke vom 5.7.1950, UAF, B 152/15 (gefährliche Körperverletzung in Ungarn); Staatsanwaltschaft Augsburg an Schönke vom 21.9.1950, UAF, B 152/15 (Freiheitsberaubung in Russland. 122 Werner Schubert (Verteidiger im Nürnberger Juristenprozess), Brief an Schönke vom 9.5.1947, UAF, B152/6. Zu Werner Schubert siehe die knappen Hinweise bei Hubert Seliger: Politische Anwälte? Die Verteidiger der Nürnberger Prozesse. Baden-Baden 2016, 186. Zum Nürnberger Juristenprozess, in dem auch ein Teilnehmer der deutschen Delegation der Konferenz von Kairo, Wolfgang Mettgenberg, wegen späterer Verbrechen angeklagt war, siehe Rudolf Wassermann: Fall 3: Der Nürnberger Juristenprozeß. In: Gerd R. Ueberschär (Hg.): Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943–1952. Frankfurt am Main 1999, 99–109.
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Tatbestände gebracht haben, insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Verdunklung, der Luftangriffe und vielleicht auch – wenn in England ein gleichartiges Problem bestand – der Fremdarbeiter.123
Die Nachfrage zielte ersichtlich auf den Tu-quoque-Einwand, mit dem die Absicht verfolgt wurde, dem Kontrahenten nachzuweisen, dass er sich selbst nicht an die von ihm aufgestellten Regeln hält.124 Schönke kam der Bitte nach und erstellte mit Hilfe seiner Mitarbeiter ein Gutachten.125 Der Text des Gutachtens ist nicht in den Akten erhalten, aber sein juristischer Kern dürfte sich mit einem Aufsatz decken, den Schönke 1947 in der von dem Freiburger Generalstaatsanwalt Karl Siegfried Bader herausgegebenen Deutschen Rechts-Zeitschrift veröffentlichte.126 In diesem Aufsatz arbeitete Schönke heraus, dass es sich bei der conspiracy um eine Besonderheit des anglo-amerikanischen Strafrechts handele, die in europä ischen Rechtsordnungen nicht zu finden sei und sich insbesondere mit Blick auf das Schuldprinzip problematisch erweise. Trotz dieser Bedenken, bei denen sich Schönke auch auf die Einschätzung von Gustav Radbruch (1878–1949) berufen konnte,127 kam Schönke im Ergebnis zu einer differenzierten Haltung, die für eine dem Schuldgedanken gerecht werdende »Synthese zwischen anglo-amerikanischer und kontinentaler Rechtsauffassung« warb.128 Diese ausgleichende Art wurde bei Schönkes studentischer Zuhörerschaft, die, soweit es um die Auswirkungen der alliierten Strafjustiz in Nachkriegsdeutschland ging, »ganz besonders aufmerksa[m]und empfindlic[h]« war, »als zu wenig aussagekräftig« und »zu stark ausweichend« empfunden, wie sich sein ehemaliger Student Eckart Pieske erinnerte.129 Selbst für Schönke, der das »Vertrauen seiner Studenten« 123 Werner Schubert, Brief an Schönke vom 9.5.1947, UAF, B 152/6. 124 Allgemein zum Tu-quoque-Argument im Völkerrecht, das dort mittlerweile verabschiedet wurde, siehe Kai Ambos: Internationales Strafrecht. Strafanwendungsrecht, Völkerstrafrecht, Europäisches Strafrecht, Rechtshilfe. 5. Auflage. München 2018, § 7, Fn. 388. Schuberts Mandant, Rudolf Oeschey (1903–1980), vormals Vorsitzender des Sondergerichts Nürnberg und später Reichsanwalt beim Volksgerichtshof, konnte jedoch nicht davon profitieren und wurde zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, die allerdings später in eine zeitige Gefängnisstrafe umgewandelt wurde und 1955, durch die Begnadigung Oescheys, ganz entfiel, Klee, Personenlexikon, 2011, 442–443. 125 Schönke, Brief an Werner Schubert vom 14.5.1947, UAF, B 152/6. 126 Adolf Schönke: Einige Bemerkungen über die conspiracy im englischen und amerikanischen Strafrecht. Deutsche Rechts-Zeitschrift 2/10 (1947), 331–334. Zur juristischen Einordnung aus heutiger Sicht siehe Christoph Safferling: Die Strafbarkeit wegen »Conspiracy« in Nürnberg und ihre Bedeutung für die Gegenwart. Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 93/1 (2010), 65–82; Markus Dirk Dubber und Tatjana Hörnle: Criminal Law. A Comparative Approach. Oxford 2014, 358 ff. 127 Schönke, Einige Bemerkungen, 1947, 331–334, 333; mit Hinweis auf Gustav Radbruch: Der Geist des Englischen Rechts. Heidelberg 1946, 77. Radbruch sprach unter anderem von »fingierte[r] Schuld«. 128 Schönke, Einige Bemerkungen, 1947, 331–334, 334. 129 Pieske, Zum 30. Todestag von Professor Dr. Adolf Schönke, S. 7, GLA , 69 Verlag CFM Nr. 771.
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besessen habe, sei es »schwierig« gewesen, diese zu »davon zu überzeugen, daß das, was Engländer und Amerikaner unmittelbar nach dem Kriege im besetzten Deutschland an Recht praktizierten, nicht einfach das Recht der Sieger oder glatte Willkür war, sondern seine Wurzeln tatsächlich in dem wesentlich anders gearteten anglo-amerikanischen Recht hatte«.130 Erst »(s)ehr viel später« sei, so Pieske, deutlich geworden, »daß eine kräftigere Aussage Schönkes ganz speziell in dieser Zeit und zu diesem Thema mit der damit verbundenen Kritik an der alliierten Rechtspraxis der deutschen Seite mehr geschadet als genutzt hätte«.131 Die Zurückhaltung Schönkes und seine wissenschaftliche Absicht, die »Alliierten in sehr vorsichtiger – ausschließlich wissenschaftlicher – Weise an ihre eigenen rechtlichen Regeln zu erinnern«, habe allerdings ungeachtet des Unverständnisses, das dieses Vorgehen bei seinen Zuhörern hervorrief, Schönkes Beliebtheit bei seinen Studenten keinen Abbruch getan.132 Abgesehen von Schuberts Anfrage stand Schönke, soweit sich das auf Grundlage der überlieferten Korrespondenz rekonstruieren lässt, in keiner näheren Beziehung zu den Verteidigern der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse und ihren Unterstützernetzwerken.133 Gleichwohl gab es Kontaktversuche aus diesem Kreis, wie im Fall von Alfred Seidl, dem Verteidiger von Rudolf Heß und Hans Frank im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, der Schönke informationshalber sein Plädoyer im Heß-Verfahren und Unterlagen zu den deutsch-sowjetischen Geheimverträgen übersandte.134
130 Pieske: Zum 30. Todestag von Professor Dr. Adolf Schönke. Badische Heimat 4/65 (1985), 749–752, 750. Pieske bezieht sich auf die Frage der strafrechtlichen Auswirkungen des Befehls eines Vorgesetzten, die, wie Schönke dargestellt habe, im englischen und amerikanischen Strafrecht unterschiedlich behandelt werde und außerdem nur unzureichend auf Schuldebene Beachtung finde. Vgl. hierzu Adolf Schönke: Materialien zum englischamerikanischen Strafrecht. Deutsche Rechts-Zeitschrift. Beihefte 4 (1948). 131 Pieske, Zum 30. Todestag, 1985, 749–752, 750. 132 Ebd. Die Wertschätzung der Studenten für Schönke wird vielerorts besonders hervorgehoben, so etwa Pieske, Zum 30. Todestag, 1985, 749–752, 751: »[D]ie Verehrung des juristischen Nachwuchses [...] [war] praktisch unbegrenzt«; ähnlich Wolf, Adolf Schönke 1908–1953, 1955, 21 ff.; Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 668. 133 Zu den Nürnberger Verteidigern und ihren Netzwerken siehe Seliger, Politische Anwälte?, 2016. 134 Vgl. Alfred Seidl (Verteidiger im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess), Brief an Adolf Schönke vom 12.9.1945, UAF, B 152/6. Zu A lfred Seidl siehe Seliger, Politische Anwälte?, 2016, 338 ff., 552; Klee, Personenlexikon, 2011, 577.
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Die Rückkehr der deutschen Wissenschaft in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft zu Beginn der 1950er Jahre
Die Jahre 1950 bis 1953 wurden zu wichtigen Wendejahren in der Entwicklungsgeschichte des Freiburger Universitätsinstituts. Und erneut war ein internationaler Strafrechtskongress Schauplatz dieses wichtigen Gründungsmoments. Dieses Mal spielte die Geschichte im niederländischen Den Haag, wo 1950 der Kongress der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission veranstaltet werden sollte. Schönke wurde beauftragt, als wissenschaftlicher Vertreter Deutschlands an der Konferenz teilzunehmen und den offiziellen Beitritt der Bundesrepublik Deutschland vorzubereiten. In einem Schreiben des Bundesjustizministeriums an Schönke hieß es: Wir würden es begrüßen, wenn die informelle Fühlungnahme mit der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission und die bereits eingeleiteten vorbereitenden Schritte bald dazu führen würden, daß die Bundesrepublik Deutschland offiziell Mitglied der Kommission werden kann. Sobald eine entsprechende Anregung seitens der Kommission an uns herangetragen wird, wird das Bundesjustizministerium im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt die erforderlichen Schritte der Bundesregierung einschließlich der Bestimmung der offiziellen Delegierten in die Wege leiten.135
Einen Hinweis auf die diplomatische Brisanz der Konferenz gibt ein Schreiben des Bundesjustizministeriums, das zur Vorbereitung der Konferenzen an die Landesjustizverwaltungen versandt wurde. Es enthielt unter anderem Verhaltenshinweise für die Teilnahme an dem Kongress in Den Haag.136 So empfehle sich, »da die Fäden erst wieder angeknüpft werden müssen […], für die deutschen Teilnehmer, […] Zurückhaltung zu üben, insbesondere in den Plenarveranstaltungen, und sich im Wesentlichen auf eine Teilnahme beobachtender Art zu beschränken.«137 Über den Kongress selbst, der im August 1950 unter großer Beteiligung ausländischer Teilnehmer in Den Haag ausgerichtet wurde, berichtete Schönke: »Der Wert der Kongresse liegt neben den Gutachten in den Diskussionen, die sie zwischen Praktikern und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt ermöglichen. Dafür bot auch der Haager Kongress die gewünschte Gelegenheit; es konnten viele Fäden, die durch den Krieg zerrissen waren, wieder 135 Hans Eberhard Rotberg (Bundesjustizministerium), Brief an Schönke vom 24.6.1950, UAF, B 152/15. Hans Eberhard Rotberg (1903–1995) war zwischen 1950 und 1952 Leiter der Strafrechtsabteilung im Bundesjustizministerium und wurde später Richter am Bundesgerichtshof. Zu ihm siehe Lutz Meyer-Goßner: Hans-Eberhard Rotberg †. Neue Juristische Wochenschrift 20 (1995), 1337. 136 Rotberg (Bundesjustizministerium), Brief an die Landesjustizverwaltungen vom 5.7.1950, UAF, B 152/15. 137 Ebd.
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angeknüpft werden.«138 Der Haager Kongress war der letzte Kongress der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission. Sie löste sich 1951 auf, und zwar nicht nur, weil es nach der Gründung der Vereinten Nationen im Jahre 1945 mittlerweile eine Vielzahl neuer Organisationen der internationalen Zusammenarbeit gab, sondern auch, wie Martina Henze berichtet, weil die Internationale Strafrechts- und Gefängniskommission durch ihre Zusammenarbeit mit Deutschland und den Achsenmächten in den 1930er und 1940er Jahren »politisch kompromittiert« war.139 Die Kommission hatte sich nämlich, »obgleich angeblich neutral und mit Sitz in der Schweiz«, hauptsächlich über Beiträge »aus Deutschland, Italien Japan, Spanien und Finnland finanziert und die repressiven, dem Reformgeist der Vorkriegszeit widersprechenden Gesetze dieser Staaten veröffentlicht.«140 Einen bedeutenden Schritt zur Institutionalisierung der deutschen / innerdeutschen Bemühungen, um eine Rückkehr der deutschen Wissenschaft in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft einzuleiten, bildete zudem die im März 1950 erfolgte Gründung der Gesellschaft für Rechtsvergleichung, die ihren ersten Kongress im Oktober 1950 in Tübingen veranstaltete.141 Zum Leiter ihrer strafrechtlichen Gruppe wurde Adolf Schönke gewählt, der den im badischen Justizdienst tätigen Tübinger Privatdozenten Hans-Heinrich Jescheck als Sekretär auswählte.142 Ihren Gipfelpunkt erreichten Schönkes Bemühungen schließlich durch die Gründung der deutschen AIDP-Landesgruppe 1952, die Schönke zu ihrem ersten Vorsitzenden wählte.143 Mit dieser Gründung ließ die deutsche
138 Adolf Schönke: Der XII . Internationale Strafrechts- und Gefängniskongreß. Deutsche Rechts-Zeitschrift 5/23 (1950), 540–543, 541. 139 Henze, Important Forums, 2007, 60–84, 81. Über das Ende der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission siehe auch Adolf Schönke: Die Stilllegung der internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 65/1 (1953), 152–155. 140 Henze, Important Forums, 2007, 60–84, 81. 141 Erster Präsident der Gesellschaft für Rechtsvergleichung wurde Hans Dölle, Direktor des damals in Tübingen ansässigen Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. Zur Gründungsgeschichte der Gesellschaft für Rechtsvergleichung vgl. Elmar Wadle: Einhundert Jahre Rechtsvergleichende Gesellschaften in Deutschland. Festgabe anläßlich der Tagung für Rechtsvergleichung, 23.–26. März 1994 in Berlin. Baden-Baden 1994, 77 ff. 142 Vgl. Schönke, Brief an Hans-Heinrich Jescheck vom 28.9.1950, UAF, B152/13; dazu auch Hans-Heinrich Jescheck: [Selbstdarstellung]. In: Eric Hilgendorf (Hg.): Die deutsch sprachige Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen. Berlin 2010, 167–207, 179. 143 Deutsche Landesgruppe der Association Internationale de Droit Pénal. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 64 (1952), 253; dazu Wendt, Adolf Schönke, 1988, 663–670, 666. Das Ehrenpräsidium wurde aus einem »Who-is-Who« der damaligen bundesdeutschen Justiz gestellt: Bundesjustizminister Dehler, Staatssekretär Strauß, BGH-Präsident Hermann Weinkauff, Oberbundesanwalt Carlo Wiechmann und, als Vertreter der Anwaltschaft, Walther Fischer.
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Strafrechtsvergleichung das unrühmliche Ende der IKV hinter sich und fand zurück in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft.144 Dazu Jescheck: Er [Schönke] überwand damit die historische Barriere zwischen der Tradition der von Franz von Liszt 1889 gegründeten ›Internationalen Kriminalistischen Vereinigung‹, der berühmten IKV, und der 1924 in Paris wohl gegen den als zu stark empfundenen internationalen Einfluss der deutschen Strafrechtswissenschaft gegründeten Association.145
Es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass Schönkes Versuche, die Isolierung der deutschen Wissenschaft zu durchbrechen, nicht überall auf Gegenliebe stießen. Eindrücklich wird dies durch einen Brief des ehemaligen norwegischen Rechtsprofessors und Richters am Obersten Gerichtshof Jon Skeie belegt, an den sich Schönke zur Beschaffung von Material über die Rechtslage in Norwegen gewandt hatte. Skeie war aus sehr persönlichen Gründen nicht bereit, Schönkes Bitte im Namen der deutschen Rechtswissenschaft nachzukommen: Obgleich Sie, meines Wissens, keine Schuld an den deutschen Verbrechen gegen die Menschlichkeit tragen, ist es mir nicht möglich, Ihre Bitte zu erfüllen. Unter den Opfern dieser Verbrechen war mein ältester Sohn; er wurde in Natzweiler146 durch Hunger und Überanstrengung getötet.«147
Parallel zur Rückkehr der deutschen Strafrechtswissenschaft in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft ergaben sich im Zusammenhang mit den Arbeiten an der Strafrechtsreform, die zu Beginn der 1950er Jahre unter Bundesjustizminister Thomas Dehler (Freie Demokratische Partei [FDP])148 in Angriff genommen wurden, neue Aufgaben, die die Arbeit des Instituts in den nächsten 144 Die deutsche Landesgruppe der AIDP wurde auf dem VI . Internationalen Strafrechtskongress in Rom feierlich in die AIDP-Weltorganisation 1953 aufgenommen. Schönke erlebte diesen Erfolg nicht mehr; an seiner Stelle führte Edmund Mezger die Gruppe an. Vgl. Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207, 193. Näher zu diesem Kongress siehe Ernst Heinitz: Bericht über den 6. Internationalen Strafrechtskongreß Rom 1953. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 66/1 (1954), 22–26. 145 Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207, 179. 146 Das deutsche Konzentrationslager Natzweiler-Struthof lag im Elsaß. 147 Jon Skeie, Brief an Adolf Schönke vom 21.9.1947, UAF, B152/6. Über Jon Skeie (1871–1951), der unter anderem für die Auslandsschau der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft über die Strafrechtsentwicklung in Norwegen berichtete, z. B. Jon Skeie: Norwegen. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 59 (1940), 434–438; siehe Herbert Schneider: Professor Jon Skeie †. Zeitschrift für Zivilprozess 65 (1952), 146–147. 148 Über Thomas Dehler (1897–1967) als Bundesjustizminister siehe Hermann Maassen und Elmar Hucko: Thomas Dehler, der erste Bundesminister der Justiz. In: Hermann Maassen und Elmar Hucko (Hg.): Thomas Dehler, der erste Bundesminister der Justiz. Köln 1977, 9–29; Udo Wengst: Thomas Dehler 1897–1967. Eine politische Biographie. München 1997, 137 ff.; Jürgen Baumann: Thomas Dehler – der liberale Rechtspolitiker. In: Wolfram Dorn und Friedrich Henning (Hg.): Thomas Dehler – Begegnungen, Gedan ken, Entscheidungen. Bonn 1977, 172–174.
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zwanzig Jahren entscheidend bestimmten.149 Wie schon in der Kaiserzeit sollten rechtsvergleichende Vorarbeiten die Reformarbeiten einleiten. Großes Vorbild war die vom Reichsjustizamt seinerzeit in Auftrag gegebene Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts150 aus den Jahren 1 905–1909, die unter Mitwirkung fast der gesamten damaligen Strafrechtswissenschaft entstanden war, deren Wissensbestände aber in weiten Teilen veraltet waren. Mit der Durchführung dieser Vorarbeiten wurde im Jahre 1952 das Freiburger Institut beauftragt, das schon zuvor gelegentlich für das neue Bundesjustizministerium gutachterlich tätig geworden war. In seiner Anfrage von Januar 1950 teilte Oberregierungsrat Wilhelm Dallinger151 vom Bundesjustizministerium Schönke mit, dass es das Ministerium begrüßen würde, »wenn Sie in der Lage wären, durch Ihre Herren gutachterliche Zusammenstellungen über den derzeitigen Stand der ausländischen Gesetzgebung« anzufertigen.152 Gegenstände der Untersuchung sollten Abtreibung und Homosexualität sein, die allerdings nicht im Zusammenhang mit einer umfassenden Strafrechtsreform stünden, wie Dallinger auf die Nachfrage von Schönke betonte. Es gebe, so Dallinger, »noch keine konkreten Pläne zur Bereinigung des Strafrechts«.153 Es gehe lediglich, wie Dallinger erläuterte, um »zwei alte Sorgenkinder des Strafrechts«, »bei denen mit der Möglichkeit gerechnet werden« müsse, »daß vom Parlament aus eine der beiden Fragen in nächster Zeit angeschnitten werde«. »Es erschien mir daher zweckmäßig«, so Dallinger weiter, »auf diesen beiden Gebieten das erforderliche 149 Zu den Ursprüngen der Strafrechtsreformarbeiten in den 1950er Jahren siehe vor allem Uwe Scheffler: Das Reformzeitalter 1953–1975. In: Thomas Vormbaum und Jürgen Welp (Hg.): Das Strafgesetzbuch, Sammlungen der Änderungsgesetze und Neubekanntmachungen. Supplementband I: 130 Jahre Strafgesetzgebung. Eine Bilanz. Berlin 2004, 174–253, 178 ff.; Jürgen Baumann: Die große Reform im Strafrecht. Eine nicht unkritische Würdigung. In: Knut Wolfgang Nörr (Hg.): 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland – 40 Jahre Rechtsentwicklung. Ringvorlesung der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen 1989. Tübingen 1990, 293–324, 295–300 (dort auch zum Beitrag des späteren MPI). 150 Birkmeyer, Karl und Fritz van Calker (Hg.): Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform. 15 Bände und Registerband. Berlin 1905–1909. Näheres bei Schmidt, Einführung in die Geschichte, 1965, § 327; Vormbaum, Einführung, 2016, 141; Jescheck, Entwicklung, Aufgaben und Methoden, 1955, 13–14. 151 Wilhelm Dallinger (1908–1981) arbeitete seit 1949 in der Strafrechtsabteilung des Bundesjustizministeriums und war dort unter anderem für die Strafrechtsvergleichung und den Kontakt zu internationalen Strafrechtsvereinigungen zuständig, vgl. Christoph Safferling: Wilhelm Dallinger. NS -Kontinuität in der frühen Bundesrepublik und die Auswirkungen auf die Reform des Jugendstrafrechts. In: Christoph Safferling et al. (Hg.): Festschrift für Franz Streng zum 70. Geburtstag. Heidelberg 2017, 603–615, 607. Wie sein Chef, Josef Schafheutle (1904–1973), war auch Dallinger schon zur Zeit des Nationalsozialismus im Reichsjustizministerium tätig gewesen. Zu Dallingers Tätigkeit im Bundesjustizministerium siehe auch Görtemaker und Safferling, Die Akte Rosenburg, 2016, 321 ff. 152 Wilhelm Dallinger (BMJ), Brief an Schönke vom 9.1.1950, UAF, B 152/12. 153 Ebd.
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Material jederzeit zur Verfügung zu haben.«154 Das Institut kam den Wünschen des Bundesjustizministeriums nach und fertigte in der Folge Ausarbeitungen zu verschiedenen strafrechtlichen Themen an, darunter, wie vom Ministerium gewünscht, zu Abtreibung und Homosexualität,155 aber auch zum Staatsschutzstrafrecht, dessen Reform wegen des sich verschärfenden Kalten Krieges als besonders dringlich angesehen wurde.156
5.
Bund, Land, Universität: Das Freiburger Stiftungsinstitut für ausländisches und internationales Strafrecht von der Gründung 1954 bis zur Überführung in die Max-PlanckGesellschaft in den 1960er Jahren
Das Bundesjustizministerium zeigte bald Interesse an einer vertieften Zusammenarbeit, weil wie schon in früheren strafrechtlichen Fällen auch bei dieser Reform auf rechtsvergleichende Arbeiten zurückgegriffen werden sollte. Da sich unter Schönkes Leitung das Freiburger Universitätsinstitut zu dem führenden Zentrum strafrechtsvergleichender Forschung in Deutschland entwickelte hatte,157 entstand die Idee, dieses aus dem universitären Kontext herauszulösen und finanziell auf eine breitere Basis zu stellen. Eine besondere Rolle bei den Verhandlungen zwischen Ministerium und Freiburger Universitätsinstitut spielte hierbei der CDU-Politiker Walter Strauß.158 Strauß war seit Ende der zwanziger 154 Ebd. 155 Vgl. die Korrespondenz in UAF, B 152/12. 156 Eine umfassende Neuregelung des Staatsschutzrechts wurde durch die Aufhebung der entsprechenden StGB-Normen durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 (1946) erforderlich. Das Strafrechtsänderungsgesetz vom 30.08.1951 (BGBl. I 1951, S. 739) stand mit seinen harten Strafdrohungen unter dem Eindruck des Kalten Krieges. Vgl. Theodor Lenckner: 40 Jahre Strafrechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland: Der Besondere Teil des StGB, seine Liberalisierung und ihre Grenzen. In: Knut Wolfgang Nörr (Hg.): 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland. 40 Jahre Rechtsentwicklung. Ringvorlesung der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen 1989. Tübingen 1990, 325–345, 332–333; Heinrich Wilhelm Laufhütte und Anette Kuschel: Vor § 80. In: Heinrich Wilhelm Laufhütte et al. (Hg.): Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. §§ 80–109K. 12. Auflage. Bd. 4. Berlin 2007, 1–18, Rdn. 8–9. Im Zusammenhang mit diesem Gutachtenauftrag entstanden: Adolf Schönke: Der strafrechtliche Staatsschutz im ausländischen Recht. Neue Juristische Wochenschrift 3/8 (1950), 281–285; Adolf Schönke (Hg.): Die strafrechtlichen Staatsschutzbestimmungen des Auslandes. Eine Sammlung der wichtigsten außer deutschen Gesetze. Bonn 1953. 157 Siehe etwa Mezger, Professor Schönke, 1953, 814, demzufolge das Freiburger Institut den »unbestrittenen Vorrang für strafrechtsvergleichende Arbeit in deutschen Landen« besitze. 158 Walter Strauß (1900–1976) war von 1949 bis 1963 beamteter Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Nach der Spiegel-Affäre in den Ruhestand versetzt, wurde er 1963 Richter am Europäischen Gerichtshof. Zu Leben und Wirken von Walter Strauß siehe Friedemann Utz: Preuße, Protestant, Pragmatiker. Der Staatssekretär Walter Strauß und
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Jahre im Reichswirtschaftsministerium tätig gewesen und 1935 von den Natio nalsozialisten aufgrund seiner jüdischen Herkunft entlassen worden. Nach Tätigkeiten als Staatssekretär im Hessischen Staatsministerium und Leiter des Rechtsamts der Bizonenverwaltung in Frankfurt am Main wechselte er 1949 in das neu errichtete Bonner Bundesjustizministerium. Das Verhältnis zu seinem obersten Dienstherrn, dem ersten Bundesjustizminister Thomas Dehler, war nicht ohne Spannungen und brachte Strauß ein ums andere Mal in die Gefahr einer Entlassung, da er im Verdacht stand, eigenmächtig hinter dem Rücken des Ministers zu agieren.159 Mit der Strafrechtsreform verfolgten beide gleichwohl ein gemeinsames Anliegen.160 5.1
Die langjährigen Verhandlungen über die Gründung des Freiburger Stiftungsinstituts161
Die von Staatssekretär Strauß und Schönke getragene Initiative zur institutionellen Verselbstständigung des Freiburger Universitätsinstituts hatte ihren Ursprung in einem Gespräch der beiden in Tübingen 1950.162 Schönke hatte dieses zum Anlass genommen, um Strauß ein an das Bundesjustizministerium gerichtetes Schreiben zu übersenden, verbunden mit der Bitte, bei der sein Staat. Tübingen 2003; Antje Mohr: Walter Strauß (1900–1976). In: Bernd Heidenreich und Walter Mühlhausen (Hg.): Einheit und Freiheit. Hessische Persönlichkeiten und der Weg zur Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 2000, 161–186. Über Strauß’ Personalpolitik im Bundesjustizministerium der frühen Bundesrepublik siehe jetzt Markus Apostolow: Der »immerwährende Staatssekretär«. Walter Strauß und die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz 1949–1963. Göttingen 2019. 159 Unter anderem soll er den einflussreichen Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt, Hans Globke (1898–1973), mit Informationen versorgt haben, vgl. dazu Wengst, Thomas Dehler, 1997, 141. 160 Wengst, Thomas Dehler, 1997, 142. 161 Wichtige Quellen für die Geschichte der Vorgängereinrichtungen des Freiburger MaxPlanck-Instituts bieten vor allem die Veröffentlichungen Jeschecks, allen voran Jescheck, Das Institut, 1963 (das Büchlein entstand aus Anlass der Verhandlungen zur Übernahme des Freiburger Stiftungsinstituts in die MPG). Siehe des Weiteren Hans-Heinrich Jescheck und Günther Kaiser: Geschichte, Aufbau und Organisation des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br. In: Theo Vogler (Hg.): Strafrecht im Dienste der Gemeinschaft. Ausgewählte Beiträge zur Strafrechtsreform, zur Strafrechtsvergleichung und zum Internationalen Strafrecht aus den Jahren 1953–1979. Berlin 1980, 318–325; Würtenberger, Ansprache, 1967, 125–128, 125 ff.; aus ausländischer Sicht siehe außerdem Robert A. Riegert: The Max-Planck-Institute for Foreign and International Criminal Law. The American Journal of Comparative Law 16/1–2 (1968), 247–257, 249–250. 162 Es liegt nahe, dass dieses Tübinger Gespräch mit der Gründung der Gesellschaft für Rechtsvergleichung in Verbindung stand, die im März 1950 in Tübingen stattfand. Walter Strauß wurde bei der Gründungstagung in den Vorstand gewählt, wo er das Bundesjustizministerium vertrat, das zusammen mit anderen Bundes- und Landesministerien institutionelles Mitglied der Gesellschaft war. Strauß organisierte auch umfangreiche Bundeszuschüsse für die Gesellschaft für Rechtsvergleichung.
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Max-Planck-Gesellschaft einen Antrag zur Errichtung eines Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zu stellen.163 Schönkes Schreiben an das Bundesjustizministerium kann nach dem internen Bericht Schönkes an das Reichswissenschaftsministerium von 1938 als das zweite Gründungsdokument strafrechtsvergleichender Forschung in Freiburg angesehen werden. In diesem Schreiben machte Schönke zunächst die Notwendigkeit eines strafrechtlichen Max-Planck-Instituts deutlich.164 Dass es nicht zur Gründung eines strafrechtlichen Instituts bei der alten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) gekommen sei, sei den Kriegsereignissen zuzuschreiben, da der letzte KWG -Präsident die vom Reichsjustizministerium angeregte Errichtung des Instituts zugesagt habe, was aber allein »infolge der Entwicklung während des Krieges […] nicht ausgeführt worden« sei. »Es wäre« daher, so Schönke, »an der Zeit, diesen Plan zu verwirklichen.« Das Fehlen eines strafrechtlichen Instituts sei auch ein sachliches Versäumnis, da das Strafrecht gerade in Deutschland »eine grosse rechtsvergleichende Tradition« habe, die zudem in der strafrechtlichen Forschungslandschaft »sehr in den Hintergrund getreten« sei. Schönke hielt eine »erhebliche Belebung« aus »wissenschaftlichen und aus praktischen Gründen« für erforderlich. Wissenschaftlich sei festzustellen, dass »[a]uch auf dem Gebiete des Strafrechts […] das deutsche Rechtsdenken isoliert« und »eine Verbindung zu den wichtigsten Strafrechtssystemen […] dringend erforderlich« sei. Aus praktischer Sicht komme hinzu, dass eine »vertiefte Kenntnis« des ausländischen Strafrechts »Voraussetzung für gesetzgeberische Arbeiten auf dem Gebiete des Strafrechts« und auch »für die Tätigkeit im Auslieferungswesen«165 sei. Diese wissenschaftlichen und praktischen Aufgaben könnten, so Schönke weiter, »nur dann gelöst werden, wenn ein zentrales Institut für derartige Fragen vorhanden« sei. Freiburg biete nach Schönkes Ansicht beste Bedingungen für die Gründung 163 Schönke, Brief an Staatssekretär Walter Strauß (Bundesjustizministerium) vom 3.4.1950, UAF, B 152/13. Auf Anregung von Staatssekretär Strauß erstellte Schönke später auf dieser Grundlage ein Exposé, das bei den weiteren Verhandlungen weite Verbreitung fand. Vgl. Schönke, Aufgaben und Einrichtung eines Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Anlage zu Schönke, Brief an Staatssekretär Strauß (BMJ) vom 10.7.1950, UAF, B 152/15. 164 Die folgenden Ausführungen entstammen Schönke, Brief an Staatssekretär Strauß (BMJ) vom 3.4.1950, UAF, B 152/13. 165 Das Auslieferungsrecht war eine wichtige Ergänzung gegenüber dem im Jahre 1938 entworfenen Forschungsprogramm. Seine Hervorhebung dürfte auch eine strategische Entscheidung gewesen sein, da die Frage der Auslieferung von deutschen Staatsangehörigen, beispielsweise von ehemaligen deutschen Soldaten, ins Ausland oder nach Deutschland eine wichtige außen- und innenpolitische Rolle im öffentlichen Diskurs der frühen Bundesrepublik spielte. Ein spektakulärer Auslieferungsfall ereignete sich im Jahre 1952, als sieben niederländische Staatsangehörige, die während des Krieges mit den deutschen Besatzern zusammengearbeitet hatten, aus dem niederländischen Kriegsverbrechergefängnis Breda flohen und Schutz in Deutschland suchten. Zu diesem Fall siehe Andreas Eichmüller: Keine Generalamnestie. Die strafrechtliche Verfolgung von NS -Verbrechen in der frühen Bundesrepublik. München 2012, 88 ff.
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eines solches Zentralinstituts, da bereits ein Institut vorhanden sei, das zudem über eine »Spezialbibliothek von rund 10.000 Bänden« verfüge.166 Allerdings würden dem Institut »noch wissenschaftliche Kräfte« fehlen, »um alle Aufgaben entsprechend durchführen zu können.« Strauß unterstützte Schönkes Vorhaben, doch waren beide uneins über das weitere Vorgehen. Während sich Schönke, dem Vorbild des vorherigen (erfolglosen) Antrags des Reichsjustizministeriums an die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft folgend, für eine Antragstellung des Bundesjustizministeriums bei der Max-Planck-Gesellschaft aussprach, zeigte sich Strauß skeptisch, da er »erhebliche Schwierigkeiten« bei der Durchsetzung der MPG -Lösung sah, und brachte stattdessen eine Alternative ins Spiel. Im Juli 1950 schrieb er an Schönke: Mir ist daher ein anderer Gedanke gekommen. Ob nicht der Bund zunächst mit dem Land Baden an die Errichtung eines solchen Instituts herantreten sollte? Mein Kollege, Staatssekretär Dr. Wende vom Bundesministerium des Innern, wäre für dieses Vorhaben zu gewinnen. Wahrscheinlich würde er auch bei der Landesregierung von Baden Beifall finden.167
Wie erklärt sich die Skepsis von Walter Strauß gegenüber der MPG -Lösung? Die Antwort hierauf muss zunächst die Situation der föderativen Forschungsförderung Anfang der 1950er Jahre in den Blick nehmen. Die geisteswissenschaftliche Forschung verfügte über keinen großen Rückhalt in den Führungsgremien der Max-Planck-Gesellschaft, da deren Förderung in den beanspruchten Zuständigkeitsbereich der Bundesländer fiel. Nachdem die geisteswissenschaftliche Sektion bei Kriegsende aus vier Instituten bestanden hatte – den beiden juristischen Instituten zum Privatrecht und Völkerrecht, dem kunstgeschichtlichen Institut und dem Institut für Geschichte – wurden bei der Neugründung der Max-Planck-Gesellschaft im Jahr 1948 zunächst nur die beiden juristischen Institute fortgeführt.168 Ein weiterer erschwerender Faktor, der eine Gründung 166 Die besondere Bedeutung Freiburgs wurde auch von den Konkurrenten anerkannt. So berichtete etwa Mezger, dass das Münchener Institut ein Opfer des Krieges geworden sei und »nach Lage der Sache« das Freiburger Institut »der künftige Mittelpunkt« strafrechtsvergleichender Forschung sein müsse. Mezger bot sogar an, in München eine »Zweigstelle« des Freiburger Instituts zu errichten, ohne damit, wie er betonte, Schönkes Rolle als »Monarch« in Frage stellen zu wollen. Vgl. Edmund Mezger (Universität München), Brief an Schönke vom 27.10.1950, UAF, B 152/17. 167 Staatssekretär Walter Strauß (BMJ), Brief an Schönke vom 29.7.1950, UAF, B 152/15. 168 Erst 1953 kam das kunstgeschichtliche Institut in Rom hinzu und 1956 das mit neuer Ausrichtung wiederbegründete Institut für Geschichte in Göttingen. Siehe dazu auch Sybille Ebert-Schifferer und Elisabeth Kieven (Hg.): 100 Jahre Bibliotheca Hertziana. Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte. Die Geschichte des Instituts 1913–2013. Bd. 1. München 2013; Peter Schöttler: Das Max-Planck-Institut für Geschichte im historischen Kontext. Die Ära Heimpel. Berlin: GMPG -Preprint 2017. – Zur Genese der Geisteswissenschaften in der MPG , Michael Stolleis: Erinnerung – Orientierung – Steuerung. Konzeption und Entwicklung der »Geisteswissenschaften« in der Max-PlanckGesellschaft. In: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.):
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neuer geisteswissenschaftlicher Institute in der damaligen Situation wenig aussichtsreich erscheinen ließ, war der zwischen den Bundesländern und der MPG bestehende Grundsatzstreit über die Finanzierung. Die westdeutschen Länder hatten sich zwar mit dem im März 1949 (und damit noch vor Gründung der Bundesrepublik) geschlossenen Königsteiner Staatsabkommen169 über die Grundsätze einer föderalistischen Forschungsförderung verständigt, doch zeigte sich schnell, dass diese Einigung wenig belastbar war, da zwischen den Ländern weiterhin große Differenzen über die konkrete Ausgestaltung der Forschungsförderung bestanden.170 Strauß dürfte daher mit seiner Skepsis die Lage richtig eingeschätzt haben, zumal über die Aufnahme in das System der föderalistischen Forschungsförderung ausschließlich die Länder, ohne Beteiligung wissenschaftlicher Expertengremien, entschieden. Erst in den 1960er Jahren, nach Schaffung eines neuen, von Bund und Ländern zu gleichen Teilen getragenen Systems gemeinsamer Forschungsförderung, ergaben sich Spielräume für neue geisteswissenschaftliche Institute, die auch das Freiburger Institut nutzte.171
Forschung an den Grenzen des Wissens. 50 Jahre Max-Planck-Gesellschaft 1948–1998. Dokumentation des wissenschaftlichen Festkolloquiums und der Festveranstaltung zum 50jährigen Gründungsjubiläum am 26. Februar 1998 in Göttingen. Göttingen 1998, 75–92. 169 Vgl. Staatsabkommen der Länder der Bundesrepublik Deutschland über die Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen vom 24. März 1949 (sog. Königsteiner Staatsabkommen), abgedruckt bei Ilse Staff: Wissenschaftsförderung im Gesamtstaat. Berlin 1971, 159 ff. Zu den vom Staatsabkommen erfassten, gemeinsam von den Ländern zu finanzierenden etwa 50 wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen quer durch das Bundesgebiet gehörte über die Hälfte der alten KWG bzw. der neuen Max-Planck-Gesellschaft an. Die Zugehörigkeit zur MPG begründete allerdings keinen Automatismus einer Förderung. Die Länder verständigten sich vielmehr darauf, dass die Institute der Gesellschaft nur berücksichtigt würden, »wenn sie als förderungswürdig anerkannt« würden (§ 8 lit. b der Durchführungsbedingungen zum Staatsabkommen der Länder der Bundesrepublik Deutschland über die Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen; dazu auch Maria Osietzki: Wissenschaftsorganisation und Restauration. Der Aufbau ausseruniversitärer Forschungseinrichtungen und die Gründung des westdeutschen Staates. Köln 1984, 262). Zur Entstehungsgeschichte des Königsteiner Staatsabkommens siehe Osietzki, Wissenschaftsorganisation und Restauration, 1984, 238 ff. 170 Osietzki, Wissenschaftsorganisation und Restauration, 1984, 264. 171 In den 1960er Jahren verdoppelte sich die Geisteswissenschaftliche Sektion fast von vier (1960) auf sieben (1967) Institute (von insgesamt 40 bzw. 49 Instituten in der MaxPlanck-Gesellschaft). Neu hinzu kamen die Institute für Rechtsgeschichte (1964), Urheberrecht (1966) und Strafrecht (1966). Zur Entwicklung der geisteswissenschaftlichen Institute in der Max-Planck-Gesellschaft siehe Hermann Mosler: Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. In: Universitäts-Gesellschaft Heidelberg (Hg.): Heidelberger Jahrbücher. Bd. 10. Berlin 1976, 53–78, 57 ff. Die heutige Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaftliche Sektion (GSHS) der Max-Planck-Gesellschaft umfasst derzeit 22 Institute (von 86 Instituten insgesamt), darunter zehn Institute mit juristischer Beteiligung.
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Die Idee eines gemeinsam vom Bund und dem Land Baden getragenen Instituts erschien dem gegenüber machbar, zumal Strauß, wie er in seinem Brief an Schönke betonte, über gute Kontakte zu den beteiligten Institutionen auf Bundesebene und im Land Baden verfügte. Auf Bundesebene war dabei der altgediente Staatssekretär Erich Wende172 vom Bonner Innenministerium eine Schlüsselfigur, der als Leiter der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten des Bundes eine wichtige Rolle in der Kulturpolitik der frühen Bundesrepublik spielte.173 Als Kontakte im Land Baden nannte Strauß seinen »persönlich sehr gut bekannten« Parteikollegen, den Badischen Justizminister und stellvertretenden Staatspräsidenten Hermann Fecht (CDU), sowie Botschaftsrat Clemens von Brentano von der badischen Staatskanzlei, den späteren ersten Botschafter der Bundesrepublik in Italien.174 Besonders wertvoll waren zudem die Erfahrungen, die Strauß bei der Gründung des Münchener Instituts für Zeitgeschichte gemacht hatte, das als Gemeinschaftseinrichtung des Bundes und des Freistaats Bayern errichtet worden war und als Blaupause eines in Bund-Land-Kooperation errichteten Einrichtung dienen konnte.175 Vorbereitet durch verschiedene Schreiben von Strauß und Schönke kam es schon im November 1950 zu einem ersten Treffen zwischen Schönke und Vertretern der beteiligten Institutio172 Der schon in Weimarer Zeiten im preußischen Kultusministerium tätige und von den Nationalsozialisten vom Ministerium in den Justizdienst versetzte Wende (1884–1966) wurde 1945 durch Initiative des letzten preußischen Kultusministers Adolf Grimme Staatssekretär im Niedersächsischen Kultusministerium und 1950 – trotz Überschreitens der Pensionsgrenze – mit der Leitung der neu gegründeten Abteilung für kulturelle Angelegenheiten im Bundesministerium des Innern betraut. Strauß nennt den überparteilich geschätzten Staatssekretär als ein Beispiel für die »unschätzbaren Erfahrungen« älterer Ministerialbeamter beim Aufbau der Bonner Bundesministerien. Vgl. Walter Strauß: Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland. In: Dieter Blumenwitz et al. (Hg.): Konrad Adenauer und seine Zeit. Politik und Persönlichkeit des ersten Bundeskanzlers. Beiträge von Weg- und Zeitgenossen. Bd. 1. Stuttgart 1976, 275–282, 280. Zu Erich Wende siehe Christoph Führ: Ein Preuße in Bonn. Zu Leben und Wirken von Staatssekretär Erich Wende (1884–1966). In: Christoph Führ: Bildungsgeschichte und Bildungspolitik. Aufsätze und Vorträge. Köln 1997, 344–348; Matthias Bode: Die auswärtige Kulturverwaltung der frühen Bundesrepublik. Eine Untersuchung ihrer Etablierung zwischen Norminterpretation und Normgenese. Tübingen 2014, 298. 173 In seiner Zeit im preußischen Kultusministerium war Erich Wende ein enger Mitarbeiter von Minister Carl Heinrich Becker (1876–1933), dem bedeutenden Wissenschaftspolitiker der Weimarer Republik. Zu diesem siehe Bode, Die auswärtige Kulturverwaltung, 2014, 200 ff.; Erich Wende: C. H. Becker. Mensch und Politiker. Ein biographischer Beitrag zur Kulturgeschichte der Weimarer Republik. Stuttgart 1959. 174 Strauß wurde sofort aktiv und wandte sich schon im August 1950 mit einem »persönlich[en]« Schreiben an den Badischen Justizminister Fecht. Strauß, Brief an Fecht vom 22.8.1950, StAF, 20/1 Nr. 908, labw_5-23003-25. 175 Auch Wende hatte maßgeblichen Anteil an der Gründung des Münchener Instituts. Zur Gründungsgeschichte des heutigen Instituts für Zeitgeschichte siehe Hellmuth Auerbach: Die Gründung des Instituts für Zeitgeschichte. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 18/4 (1970), 529–554.
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nen – Staatssekretär Wende aus dem Bundesinnenministerium für den Bund, Ministerialdirektor Müller aus dem Badischen Justizministerium für das Land Baden –, bei dem alle Beteiligten die »völlige Einigkeit über die Errichtung eins Bundesinstituts« bekräftigen.176 Die praktische Umsetzung dieses Vorhabens erwies sich trotz der Unterstützung durch das Bundesjustizministerium als schwierig und mühsam, da man sich bei den im Frühjahr 1950 begonnenen Sondierungsgesprächen mit potentiellen Kooperationspartnern auf Bundesebene und auf Seiten des Landes Baden bzw. Baden-Württemberg lange Zeit nicht über Finanzierung und Rechtsform der zu schaffenden neuen außeruniversitären Forschungseinrichtung einigen konnte.177 Hinzu kam, dass die Bundesländer andeuteten, dass sie eine »Betätigung des Bundes auf kulturellem Gebiet nicht wünschten«.178 Die Zurückhaltung der Länder, die um ihre im Grundgesetz verankerte Kulturhoheit fürchteten, stellte sich als ernstes Hindernis heraus, das auch noch zehn Jahre später die Übernahme in die Max-Planck-Gesellschaft bestimmte. Als die Verhandlungen ins Stocken gerieten, fasste Schönke noch einmal die MPG -Lösung ins Auge. In einem Schreiben Schönkes an Hans-Heinrich Jescheck von Januar 1953, das über den Verhandlungsstand informierte179, hielt er die Rahmenbedingungen zur Gründung eines neuen geisteswissenschaftlichen Instituts bei der neuen Max-Planck-Gesellschaft für »besonders günstig«, da die Max-Planck-Gesellschaft »zur Zeit für Unternehmungen auf geisteswissenschaftlichem Gebiet aufgeschlossen« sei.180 Das aber war eine Fehleinschätzung. Das zeitliche Fenster für die Neugründung geisteswissenschaftlicher Institute hatte sich nämlich schon wieder geschlossen, da die Max-Planck-Gesellschaft bereits mit der ressourcenintensiven Neugründung anderer geisteswissenschaft176 Schönke, Brief an Jescheck vom 6.1.1953, UAF, B 156/10. Zu diesem Treffen existieren mehrere Aktenvermerke. Vgl. Aktennotiz Staatssekretär Erich Wende (BMI) vom 20.11.1950 über Gespräch mit Müller und Schönke (StAF, C 20/1 Nr. 908, labw_523003-82 ff.); Aktennotiz Ministerialdirektor Müller (Badisches Justizministerium) vom 17.11.1950 über Gespräch mit Schönke und Wende (StAF, 20/1 Nr. 908, labw_5-2300379). 177 Über eine »Meinungsverschiedenheit« zwischen Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium über die haushaltsrechtliche Verbuchung berichtet zum Beispiel eine Aktennotiz von Ministerialdirektor Müller aus dem Badischen Justizministerium vom 11.4.1951, StAF, 20/1 Nr. 908, labw_5-23003-164. 178 Schönke, Brief an Jescheck vom 6.1.1953, UAF, B 156/10. 179 Das Schreiben entstand wenige Monate vor Schönkes Tod im Mai 1953 und diente wohl dazu, Jescheck, den neuen Sekretär der Fachgruppe Strafrecht in der Gesellschaft für Rechtsvergleichung, über den Verhandlungsstand zu informieren. Schönke konnte nicht wissen, dass ebendieser Sekretär, der damals zum Bundesjustizministerium abgeordnet war, ihn schon ein Jahr später in seinen Freiburger Ämtern und in den wissenschaftlichen Gesellschaften beerben und die Stiftungsgründung zu einem erfolgreichen Abschluss bringen sollte. Dass sich das Schreiben bis heute am Anfang der überlieferten Institutsakte befindet, belegt eindrücklich das Vermächtnis Schönkes. 180 Schönke, Brief an Jescheck vom 6.1.1953, UAF, B 156/10.
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licher Institute, der in Rom ansässigen Bibliotheca Hertziana181 und dem Göttinger Institut für Geschichte beschäftigt war.182 Dies musste, unabhängig von Schönke und Strauß, auch der damals in Göttingen lehrende Strafrechtler Paul Bockelmann erleben, als dieser der Max-Planck-Gesellschaft 1953 seinerseits ohne Erfolg die Gründung eines Max-Planck-Instituts zur »Erforschung der Wirkungsmöglichkeiten der Kriminalstrafe« angetragen hatte.183 Über die Gründe der zwei Jahre später erfolgten Ablehnung durch die Max-Planck- Gesellschaft berichtete Bockelmann, dass die MPG -Senatskommission für geisteswissenschaftliche Angelegenheiten entschieden habe, mit Blick auf die Errichtung eines Max-Planck-Instituts für Geschichte »alle anderen Pläne einstweilen zurückzustellen«.184 5.2
Hans-Heinrich Jescheck als neue Gründungsfigur strafrechtsvergleichender Forschung in Freiburg
Der überraschende Tod Schönkes im Mai 1953 hätte wohl abermals das Vorhaben beenden können, wenn nicht von Seiten des Bundesjustizministeriums weiterhin ein ernsthaftes Interesse an der Beteiligung des Freiburger Instituts bei den bevorstehenden Arbeiten an der Strafrechtsreform bestanden hätte. Das Bundesjustizministerium hielt trotz Schönkes Tod an dieser Absicht fest und
181 Siehe dazu auch die Beiträge in Sybille Ebert-Schifferer und Elisabeth Kieven (Hg.): 100 Jahre Bibliotheca Hertziana. Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte. Die Geschichte des Instituts 1913–2013. Bd. 1. München 2013; für eine Chronologie siehe zudem Eckart Henning und Marion Kazemi: Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–2011. Daten und Quellen. Bd. 1. Berlin 2016, 142–162. 182 Zu diesem Institut siehe Werner Rösener: Das Max-Planck-Institut für Geschichte (1956– 2006). Fünfzig Jahre Geschichtsforschung. Göttingen 2014; siehe zudem Henning und Kazemi, Handbuch, 2016, Bd. 1, 559–574. 183 Bockelmann, Paul: Plan eines Instituts zur Erforschung der Wirkungsmöglichkeiten der Kriminalstrafe. Denkschrift. Unveröffentlichtes Manuskript. Göttingen 1953; Günther Kaiser: Kriminologie im Verbund gesamter Strafrechtswissenschaft am Beispiel kriminologischer Forschung am Max-Planck-Institut in Freiburg. In: Theo Vogler (Hg.): Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag. Bd. 2 (Halbband). Berlin 1985, 1035–1059, 1039. Die Anregung hatte Bockelmann aus der MPG , durch den MPG -Senator und geschäftsführenden Verwaltungsrat Otto Benecke, erhalten, vgl. dazu Bockelmann, Plan zur Errichtung eines Max-Planck-Instituts für Strafrecht und Kriminologie, Heidelberg 1960, unveröffentlicht, S. 1, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4116, fol. 72 ff. Biografisch zu Otto Benecke (1896–1964) siehe Peter Karlson: Adolf Butenandt. Biochemiker, Hormonforscher, Wissenschaftspolitiker. Stuttgart 1990, 325. 184 Bockelmann, Plan zur Errichtung eines Max-Planck-Instituts, 1960, 1. Bockelmann sollte es einige Jahre später – 1960 – noch einmal mit der Idee zur Gründung eines »MaxPlanck-Instituts für Strafrecht und Kriminologie« versuchen, aber erneut scheitern. Siehe Bockelmann, Plan zur Errichtung eines Max-Planck-Instituts, 1960. Hierzu Kaiser, Kriminologie im Verbund, 1985, 1035–1059, 1039, Fn. 15.
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entwickelte gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg und der Universität die Idee, das Freiburger Universitätsinstitut in eine öffentliche Stiftung umzuwandeln.185 Die Zusammenarbeit der drei Partner charakterisierte Jescheck wie folgt: »Der Bund verpflichtete sich zur Leistung regelmäßiger Zuschüsse. Das Land stellte außer finanziellen Zuwendungen einen wissenschaftlichen Assistenten und eine Schreibkraft zur Verfügung. Die Universität brachte die bisherigen Bücherbestände und das Inventar sein.«186 Auch für die Nachfolge Schönkes ergab sich eine Lösung. Nachdem zunächst Schönkes Assistent Gerhard Kielwein187 die kommissarische Leitung des Instituts übernommen und der ins Bundesjustizministerium abgeordnete Dietrich Lang-Hinrichsen die kommissarische Leitung der rechtsvergleichenden Arbeiten hatte,188 wurde im Juni 1954 der Tübinger Privatdozent und Ministerialrat im Bundesjustizministerium Hans-Heinrich Jescheck (1915–2009)189 für die Nachfolge in Freiburg gewonnen.
185 Die Stiftungsurkunde vom 14.6.1954 ist abgedruckt bei Jescheck, Das Institut, 1963, 43 ff. 186 Ebd., 21; siehe auch Würtenberger, Ansprache, 1967, 125–128, 126–127. 187 Gerhard Kielwein (1922–2011), der 1947 bei Schönke promoviert hatte und seit 1948 für das Institut arbeitete, habilitierte sich 1953 bei Schönke mit einer strafrechtsvergleichenden Arbeit über das englische Vermögensstrafrecht. Kielwein verbrachte längere Forschungsaufenthalte in Großbritannien. Neben dem Aufenthalt an der Wiener Library in London besuchte er auch den aus Deutschland vertriebenen früheren Bonner Strafrechtslehrer Max Grünhut in Oxford. Kielwein lehrte ab 1956 an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Zu ihm siehe Heike Jung: Gerhard Kielwein als Strafrechtslehrer und Richter. In: Akademische Gedenkfeier für den Altrektor und Ehrensenator der Universität des Saarlandes Universitätsprofessor Dr. Gerhard Kielwein. 5. Juni 2013. Saarbrücken 2013, 23–29. 188 Dietrich Lang-Hinrichsen (1902–1975). Lang-Hinrichsen hatte 1926 bei Johannes Nagler in Breslau promoviert und wurde 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung vertrieben. 1949 kehrte er aus dem brasilianischen Exil zurück nach Deutschland und lehrte zunächst kurze Zeit an der Humboldt-Universität Berlin (Ost) und der wiedereröffneten Bamberger Philosophisch-Theologischen Hochschule, ehe er von dort 1953 zum Bundesjustizministerium abgeordnet wurde, das ihn nach dem Tod Schönkes mit der kommissarischen Leitung der rechtsvergleichenden Arbeiten für die Strafrechtsreform beauftragte. 1954 wurde Lang-Hinrichsen zum Richter am Bundesgerichtshof ernannt; 1964 folgte der Wechsel als Ordinarius an die Universität Mainz. Zu ihm siehe Justus Krümpelmann: Dietrich Lang-Hinrichsen zum Gedächtnis. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 88/1 (1976), 1–5; Eduard Dreher: Dietrich Lang-Hinrichsen †. Neue Juristische Wochenschrift 28/28 (1975), 1262–1263; Görtemaker und Safferling, Die Akte Rosenburg, 2016, 319–320. Über die rechtsvergleichenden Reformarbeiten in Freiburg berichtet Dietrich Lang-Hinrichsen: Die rechtsvergleichenden Vorarbeiten für die große Strafrechtsreform am Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 66/3 (1954), 484–489. 189 Zu Hans-Heinrich Jescheck (1915–2009) siehe Ulrich Sieber: Hans-Heinrich Jescheck zum Gedächtnis. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 121/4 (2009), 813–829; Ulrich Sieber: Hans-Heinrich Jescheck zum Gedächtnis. In: Ulrich Sieber (Hg.): Strafrecht in einer globalen Welt. Internationales Kolloquium zum Gedenken an Professor
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Geboren 1915 im niederschlesischen Liegnitz, studierte Hans-Heinrich Jescheck nach dem Abitur an einem humanistischen Gymnasium Rechtswissenschaft an den Universitäten Freiburg, München und Göttingen. In Freiburg wurde er ein Schüler von Eduard Kern,190 bei dem er 1937 mit einer Arbeit über die Juristenausbildung promovierte. 1937 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und als Offizier an der Front eingesetzt. Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft im Juni 1947 ging er zunächst in den badischen Justizdienst,191 arbeitete aber parallel an seiner Habilitation bei Kern, der mittlerweile in Tübingen lehrte. Durch Jeschecks Interesse für internationales Recht und Rechtsvergleichung kam er in Kontakt mit Schönke, der ihm 1950 das Amt des Sekretärs der Fachgruppe Strafrecht in der Gesellschaft für Rechtsvergleichung anbot.192 Daneben gab es zwischen Schönke und Jescheck auch wissenschaftliche Kontakte.193 1952 wurde Jescheck dann als »juristischer Hilfsarbeiter« an das Bundesjustizministerium abgeordnet, wo er bei den Vorbereitungen der Strafrechtsreform helfen sollte. Der junge Privatdozent und Oberlandesgerichtsrat leistete dem Ruf des Ministeriums nur allzu gerne Folge, da er neben der »Freude an der sachlichen Dr. Hans-Heinrich Jescheck vom 7. bis 8. Januar 2011. Herausgegeben zum 50-jährigen Bestehen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg, am 1. Juli 2016. Berlin 2016, 2–17; Ulrich Sieber: Hans-Heinrich Jescheck †. Neue Juristische Wochenschrift 62/45 (2009), 3291; Ulrich Sieber: Hans-Heinrich Jescheck. Jahresbericht der Max-Planck-Gesellschaft Beilage Personalien (2007), 22–23; Hans Joachim Hirsch: Hans-Heinrich Jescheck zum 80. Geburtstag. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 107/1 (1995), 1–9; Rudolf Leibinger: Hans-Heinrich Jescheck zum 60. Geburtstag. In: Günther Kaiser und Theo Vogler (Hg.): Strafrecht, Strafrechtsvergleichung. Kolloquium im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg i. Br., aus Anlaß des 60. Geburtstages des Direktors Professor Dr. Dr. h. c. Hans-Heinrich Jescheck. Freiburg im Breisgau 1975, 9–16; Rudolf Leibinger: Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag. In: Theo Vogler (Hg.): Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag. Bd. 1 (Halbband). Berlin 1985, 1–10. Autobiografisch: Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207; Hans-Heinrich Jescheck: Wege und Irrwege in der Strafrechtswissenschaft. In: Theo Vogler (Hg.): Hans-Heinrich Jescheck. Beiträge zum Strafrecht 1980–1998. Berlin 1998, 641–654; Hans-Heinrich Jescheck: Wege und Irrwege in der Strafrechtswissenschaft. In: Gottfried Schramm (Hg.): Erzählte Erfahrung. Nachdenkliche Rückblicke Freiburger Professoren aus den Jahren 1988 bis 2007. Freiburg im Breisgau 2008, 115–128. 190 Zu Kern siehe Jescheck, Eduard Kern, 1973, 232–241; Hans-Heinrich Jescheck: Eduard Kern. Juristen im Portrait. Verlag und Autoren in 4 Jahrzehnten. Festschrift zum 225jährigen Jubiläum des Verlages C. H. Beck. München 1988, 468–476; Schmidhäuser, Eduard Kern, 1977, 177–188. Ein Schriftenverzeichnis findet sich in: Universität Tübingen (Hg.): Tübinger Festschrift für Eduard Kern. Tübingen 1968, 481 ff. 191 Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207, 177. 192 Jescheck, Brief an Schönke vom 28.9.1950, UAF, B 152/13. 193 Hierzu Jescheck, Schlussworte, 2006, 152–160, 153. Unter anderem soll Schönke das Manuskript von Jeschecks Habilitationsschrift, die sich mit der völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit staatlicher Organe befasste (Hans-Heinrich Jescheck: Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht. Eine Studie zu den Nürnberger Prozessen. Bonn 1952), durchgesehen und kommentiert haben.
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Aufgabe«, die ihn erwarten würde, überzeugt war, dass ihn »die Mitwirkung an der Gesetzgebungsarbeit« auch »wissenschaftlich erheblich fördern würde«.194 Später vertrat Jescheck auch das Ministerium in den Ausschüssen für Militärstrafrecht und internationales Strafrecht bei den Vorbereitungen der Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in Paris.195 Hans-Heinrich Jescheck wurde nach Adolf Schönke die zweite Gallionsfigur strafrechtsvergleichender Forschung in Freiburg, der als Leiter des 1954 gegründeten Stiftungsinstituts und des 1966 begründeten Max-Planck-Instituts die Freiburger Geschicke bis Anfang der 1980er Jahre aktiv bestimmte und dem Institut zudem noch weitere zwei Jahrzehnte bis zu seinem Tod im Jahr 2009 verbunden blieb. Von Karl Lackner, der vor seiner Zeit als Hochschullehrer in Heidelberg ebenfalls kurze Zeit im Bundesjustizministerium tätig war, stammt in diesem Zusammenhang der Ausspruch: »Wer an das Institut denkt, dem fällt auch Jescheck ein, und wer auf den Namen Jescheck stößt, kann sich ihn ohne den Hintergrund des Instituts nicht vorstellen.«196 Unter Jeschecks Führung, der 1953 als Mitglied in die staatliche Expertenkommission, die Große Strafrechtskommission, berufen worden war,197 gingen die Verhandlungen zwischen Bund, Land und Universität weiter und fanden schließlich ihren erfolgreichen Abschluss. Die letzte Unterschrift zur Errichtung des Stiftungsinstituts erfolgte am Tag der Antrittsvorlesung Hans-Heinrich Jeschecks am 14. Juni 1954. 194 Jescheck, Brief an das Bundesjustizministerium vom 14.8.1952, zitiert nach Peter Wilkitzki: Bundesministerium der Justiz [Glückwünsche]. In: Ulrich Sieber und Hans-Jörg Albrecht (Hg.): Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach. Kolloquium zum 90. Geburtstag von Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Heinrich Jescheck am 10. Januar 2005. Berlin 2006, 8–10, 8–9. 195 Hierzu Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207, 180. Über das durch die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) verfolgte Projekt einer gemeinsamen europäischen Verteidigungsgemeinschaft, das 1954 durch ein Veto des französischen Parlaments sein vorzeitiges Ende fand, siehe nur die Aufsatzsammlung von Hans-Erich Volkmann und Walter Schwengler (Hg.): Die europäische Verteidigungsgemeinschaft. Stand und Probleme der Forschung (Militärgeschichte seit 1945). Boppard am Rhein 1985. Die Integration der Bundesrepublik in die europäische Sicherheitsarchitektur erfolgte stattdessen durch den Beitritt der Bundesrepublik zur NATO im Folgejahr. Über die strafrechtlichen Aspekte der europäischen Verteidigungsgemeinschaft berichtet HansHeinrich Jescheck: Das Strafrecht der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 65/1 (1953), 113–131. 196 Karl Lackner, Ausspruch bei der Verabschiedung Jeschecks 1983, zitiert bei Leibinger, Jescheck zum 70. Geburtstag, 1985, 1–10, 4–5. 197 Die Berufung Jeschecks der das jüngste Mitglied der Großen Strafrechtskommission war, soll auf Empfehlung von Strauß erfolgt sein. Vgl. Eduard Dreher: Hans-Heinrich Jescheck in der Großen Strafrechtskommission. In: Theo Vogler (Hg.): Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag. Bd. 1 (Halbband). Berlin 1985, 11–34, 11. Zu Jeschecks Tätigkeit in der Strafrechtskommission in den Jahren 1954-59 siehe neben Dreher, Jescheck, 1985, 11–34, insbesondere Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207, 182 ff.
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Die Forschungsaktivitäten des Freiburger Stiftungsinstituts in den 1950er und 1960er Jahren
Schwerpunkt der Tätigkeit des nun von Jescheck geführten Freiburger Stiftungsinstituts bildeten die rechtsvergleichenden Vorarbeiten für die Strafrechtsreform, die das Institut zwischen 1954 und 1959 im Auftrag des Bundesjustizministeriums durchführte. Nachdem zunächst Lang-Hinrichsen kommissarisch die Arbeiten nach Schönkes Tod betreut hatte, übernahm nach seiner Berufung 1954 Hans-Heinrich Jescheck deren Leitung. Als Kontaktperson im Bundesjustiz ministerium fungierte Eduard Dreher,198 der dort ab 1951 das Referat für Sachliches Strafrecht leitete und später der »große und unangefochtene Koordinator der Strafrechtsreform« werden sollte.199 In Weiterführung der schon seit 1952 für das Bundesjustizministerium geleisteten Tätigkeit, beispielsweise zur Reform des Staatsschutzstrafrechts, erstellte das Freiburger Institut zunächst rechtsvergleichende Untersuchungen zu ausgewählten Themen aus dem Allgemeinen und Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs.200 Ende der 1950er Jahre wurde das Institut abermals für weitere Arbeiten zum Strafvollzugsrecht und zum Strafregisterrecht herangezogen, die von FDP-Bundesjustizminister Fritz Neumayer (1884–1973) in Auftrag gegeben worden waren.201 Obwohl die rechtsvergleichenden Untersuchungen des Instituts »nur einer Information der Sachbearbeiter des Ministeriums und der Mitglieder der Strafrechtskommission über die im Ausland vorhandenen und erprobten Lösungsmöglichkeiten« dienten und nur teilweise einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, hatten sie doch »einen nicht un 198 Zu Eduard Dreher (1907–1996) siehe Helmut Kramer: Eduard Dreher. Vom Sondergerichtsdezernenten zum führenden Strafrechtler der Bundesrepublik. In: Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Zwischen Recht und Unrecht. Lebensläufe deutscher Juristen. Düsseldorf 2004, 101–103; speziell zu Drehers Tätigkeit im Bundesjustizministerium siehe Görtemaker und Safferling, Die Akte Rosenburg, 2016, 350 ff. 199 Görtemaker und Safferling, Die Akte Rosenburg, 2016, 331. 200 Siehe Hans-Heinrich Jescheck: Rechtsvergleichung im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 79/1 Auslandsteil (1967), 128–144, 134–135; Görtemaker und Safferling, Die Akte Rosenburg, 2016, 362. Die Veröffentlichung erfolgte als: Bundesminister der Justiz (Hg.): Materialien zur Strafrechtsreform. Rechtsvergleichende Arbeiten. Bd. 2, I . Allgemeiner Teil. Bonn 1954; Bundesminister der Justiz (Hg.): Materialien zur Strafrechtsreform. Rechtsvergleichende Arbeiten. Bd. 2, II . Besonderer Teil. Bonn 1955. 201 Hierzu Jescheck, Rechtsvergleichung, 1967, 128–144, 137. Die Arbeiten wurden veröffentlicht: Bundesminister der Justiz (Hg.): Materialien zur Strafrechtsreform. Reform des Strafvollzugsrechts. Rechtsvergleichende Arbeiten. Bd. 8, I . Teil. Bonn 1959; Bundesminister der Justiz (Hg.): Materialien zur Strafrechtsreform. Reform des Strafvollzugsrechts. Rechtsvergleichende Arbeiten. Bd. 8, II . Teil. Bonn 1959; Bundesminister der Justiz (Hg.): Materialien zur Strafrechtsreform. Rechtsvergleichende Arbeiten. Ausländische Vollzugsvorschriften. Bd. 9. Bonn 1959; Bundesminister der Justiz (Hg.): Materialien zur Strafrechtsreform. Das Strafregisterwesen im Ausland. Bd. 10. Bonn 1959.
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erheblichen Einfluß« auf die Reformentwürfe. Nicht ohne einen gewissen Stolz gab Hans-Heinrich Jescheck zu Protokoll: Von den rund 4000 Hinweisen auf ausländische Rechte, die in den Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission zu finden sind, werden 30 in der Entwurfsbegründung verwendet, und man kann sagen, daß mehr als 50 von den 484 Bestimmungen des geplanten neuen Strafgesetzbuchs durch ausländische Vorbilder mehr oder weniger mitbestimmt worden sind.202
Der Großauftrag des Ministeriums, der von den beteiligten »Doktoranden, Referendare(n) und Juristen aus der Praxis« in den Jahren zwischen 1952 und 1959 »unter bescheidenen äußeren Bedingungen«, aber »mit Pioniergeist« erledigt wurde,203 bescherte dem Freiburger Stiftungsinstitut in vielerlei Hinsicht eine Expansion. Zunächst ergaben sich räumliche Verbesserungen: Das Institut, das bislang im Universitätshauptgebäude untergebracht war, zog 1956 in eine vom Land für die Universität gekaufte Stadtvilla im südlichen Stadtteil Wiehre. Drei Jahre später kam das Nachbarhaus hinzu, das man sich mit dem unter der Leitung von Thomas Würtenberger (1907–1989) stehenden Universitätsinstitut für Kriminologie und Strafvollzugskunde teilte.204 Die Bibliothek erfuhr innerhalb weniger Jahre enormen Zuwachs: Von 18.000 Bänden205 im Jahr 1954 auf 30.776 Bände im Jahr 1960206, und Ende 1965, kurz vor der Überführung des Stiftungsinstituts in die MPG, waren es dann schon 46.230 Bände.207 Auch der Personalbestand vergrößerte sich: Hatte das Universitätsinstitut nach Schönkes Tod 1953 noch aus zwei Personen bestanden (ein Wissenschaftler, eine Verwaltungsmitarbeiterin),208 waren es nach Jeschecks Amtsantritt – im Wintersemester 1955/56, nach Abschluss der ersten Projektphase – schon elf Personen 202 Ebd., 135. 203 Jescheck, Wege und Irrwege, 2008, 115–128, 121. 204 Jescheck, Das Institut, 1963, 23; Würtenberger, Ansprache, 1967, 125–128, 127. Auch dieses Gebäude erwies sich alsbald als zu klein. Zur Übernahme in die MPG wurde 1966 die in der Nachbarschaft gelegene Villa Mitscherlich angekauft und Mitte der 1970er Jahre auf einem Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft ein Neubau begonnen, der 1978 eingeweiht wurde und das Institut »aus der erdrückenden räumlichen Enge und der Unterbringung in fünf verschiedenen Häusern erlöste« (Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207, 190). Zu diesem Neubau, der wegen seiner modernen Architektur bei den Institutsangehörigen zu Beginn nicht auf Gegenliebe stieß (Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207, 190 »anfangs auch angefeindet«), siehe Hans-Heinrich Jescheck: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg / Breisgau. Bauwelt 11 (1980), 388–391. 205 Jescheck, Das Institut, 1963, 22. 206 Ebd. 207 Präsidialbüro der Max-Planck-Gesellschaft: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg i. Br. Mitteilungen aus der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Heft 2 (1966), 81–84, 84. 208 Albert-Ludwigs-Universität: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis. Wintersemester 1953/54. Freiburg im Breisgau, 28. Neben dem kommissarisch die Geschäfte führenden Assistenten Kielwein war nur Sekretärin Ingrid Gollwitzer am Institut tätig.
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(sechs in der Wissenschaft, fünf in der Verwaltung),209 nach Abschluss der zweiten Projektphase im Sommersemester 1960 dann 14 Personen (neun in der Wissenschaft, fünf in der Verwaltung)210 und 1963 sogar 19 Personen.211 Bei der Entwicklung des Personalbestands fallen verschiedene Dinge auf: Der Personalzuwachs betraf sowohl die Wissenschafts- als auch die Verwaltungsseite. Auf der Wissenschaftsseite waren viele wissenschaftliche Hilfskräfte tätig, die sich vor allem aus Referendaren rekrutierten, die neben ihrer Ausbildung am Institut arbeiteten.212 Nachdem diese Stellen die ersten Jahre fest in Männerhand waren, wurden ab Ende der 1950er Jahre auch vermehrt Frauen als wissenschaftliche Hilfskräfte oder Assistentinnen beschäftigt: Im Sommersemester 1958 waren es zwei von acht,213 im Sommersemester 1960 waren es dann drei von neun214 und 1963 vier von 14.215 Viele Hilfskräfte blieben dem Institut auch nach dem Abschluss ihrer Ausbildung treu. Die Personalverzeichnisse belegen so den persönlichen Aufstieg von der Hilfskraft zum Assistenten, vom Referendar zum Volljuristen, vom Doktoranden zum Graduierten. Auch der Personalbestand auf Verwaltungsseite wuchs: Es wurden Sekretärinnen und Verwaltungsangestellte eingestellt; die anwachsende Bibliothek erhielt eine zweite Bibliothekarin. Mit dem Bezug des zweiten Institutsgebäudes in der Günterstalstraße 209 Albert-Ludwigs-Universität, Personen- und Vorlesungsverzeichnis WS 55/56, 30–31. Zu den frühen Mitarbeitern des Instituts Mitte der 1950er gehörten zum Beispiel Friedrich Geerds (später Professor in Frankfurt am Main), Hans-Heinz Heldmann (später Rechtsanwalt), Klaus Hertel, Heinz Mattes und Rudolf Leibinger (später Staatsanwalt). Aus der Feder von Leibinger stammen zwei ausführliche Würdigungen seines Lehrers Jescheck (vgl. Leibinger, Jescheck zum 60. Geburtstag, 1975, 9–16). 210 Albert-Ludwigs-Universität: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis. Sommersemester 1960. Freiburg im Breisgau, 45. 211 Jescheck, Das Institut, 1963, 48 ff. Der Personalbestand des Jahres 1963 soll exemplarisch aufgeführt werden: Direktor: Jescheck. – Assistenten: Assessor Dr. Rudolf Leibinger, Assessor Heinz Mattes, Rechtsreferendarin Thea Lyon, Rechtsreferendarin Johanna Bosch, Assessor Dr. Joachim Herrmann, Rechtsreferendar Reinhard Moos, Rechtsreferendar Kurt Madlener, Rechtsreferendarin Dr. Barbara Lehmann, Rechtsreferendar Justus Krümpelmann, Rechtsreferendarin Elisabeth Kreuzer, Gastassistent: Jyun-Hsyong Su aus China. – Freie Mitarbeiter: Amtsgerichtsrat Wolf Middendorf, Oberpfarrer Johannes Kühler. – Angestellte in der Bibliothek: Dipl.-Bibliothekarin Hertha Schwenkner, Dipl.Bibliothekarin Marlies Gaebler, Irmtraut Heidemann; Johanna Pasoldt; Angestellte im Sekretariat: Liese-Lotte Köcher; Gerda Borowiak. – Buchhalter: Regierungsobersekretär Paul Suger. – Hausmeister: Fridolin Holderer. Hinzu kamen sieben Forschungsstipendiaten, die überwiegend aus dem Ausland kamen, darunter Haruo Nishihara aus Japan, Franco Bricola und Alessandro Baratta aus Italien, Christiaan F. Rüter aus den Niederlanden, Alexandros Katsantonis aus Griechenland und Sevinç Erçman aus der Türkei. 212 Vgl. Jescheck, Das Institut, 1963, 22. 213 Herta Lienert, zuständig für Großbritannien und die Commonwealth-Länder; Thea Lyon, zuständig für Ostrecht. 214 Lienert, Lyon, Johanna Bosch (zuständig für Italien). 215 Lyon, Bosch, Barbara Lehmann (verheiratete Huber, zuständig für Großbritannien und die Commonwealth-Länder) und Elisabeth Kreuzer (zuständig für die Bibliotheksklassifikation).
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ab 1959 wurde die Beschäftigung eines Hausmeisters erforderlich, der auch im Gebäude wohnte. In den 1960er Jahren wurde zudem ein eigener Buchhalter beschäftigt. Die Expansion des Freiburger Stiftungsinstituts lässt sich auch anhand der Entwicklung des Haushalts verdeutlichen. Aus einer Übersicht, die aus Anlass der Liquidation der Stiftung zwecks Überführung in die MPG erstellt wurde, ergibt sich für das Stiftungsinstitut in den Jahren 1954–1965 ein Gesamtfinanzvolumen von 2.248.767,88 Deutsche Mark (DM), das zu ca. 25 Prozent vom Bund (569.608 DM) und zu ca. 63 Prozent vom Land Baden-Württemberg (1.420.527 DM) getragen wurde.216 Die übrigen Finanzmittel stammten hauptsächlich von öffentlichen und privaten Förderinstitutionen.217 Die gesicherte finanzielle Ausstattung ermöglichte dem Institut vielfältige Forschungsaktivitäten. Das Institut organisierte nationale218 und internationale219 Tagungen und verfügte erstmals auch über eigene Mittel, um ausländische Gastwissenschaftler nach Freiburg einzuladen.220 Daneben entfaltete das Institut eine große Veröffentlichungstätigkeit, die die wissenschaftliche Sichtbarkeit erhöhten und die Ausnahmestellung des Instituts unterstrichen: Das Institut begründete eine eigene Schriftenreihe,221 beteiligte sich an der Fortsetzung einer groß angelegten Reihe von Übersetzungen ausländischer Strafgesetzbücher222 und legte den Grundstein für ein Sammelwerk zum ausländischen Strafrecht.223 Mit der Übernahme des zunächst in Eigenregie und in
216 Übersicht über die Entwicklung des Haushalts des Freiburger Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in den Jahren 1954–1965, UAF, B 156/10. 217 Bedeutende Mittel kamen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1957–61: 56.346,51 DM), von der Volkswagen (VW)-Stiftung (1964–65: 24.700 DM) und der MPG (1964–65: 63.748 DM), UAF, B 156/10. Die letztgenannte Förderung durch die Max-Planck-Gesellschaft stand im Zusammenhang mit der späteren Übernahme des Freiburger Stiftungsinstituts in die MPG . 218 Seit 1961 unterstützte das Freiburger Institut durch »Vorkolloquien« die Vorbereitung der deutschen Landesgruppe der Association Internationale de Droit Pénal auf ihre Referate bei deren Weltkongressen. Vgl. Jescheck, Wege und Irrwege, 2008, 115–128, 120. 219 Zum Beispiel im Jahre 1958 Hans-Heinrich Jescheck und Thomas Würtenberger (Hg.): Internationales Colloquium über Kriminologie und Strafrechtsreform. Freiburg im Breisgau 1958. 220 Jescheck, Selbstdarstellung Jescheck, 2010, 167–207, 188–189. 221 Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft, Bonn 1950–1977 (Neue Folge) und Baden-Baden 1979–2004 (3. Folge); Fortsetzung einer älteren, 1934 von Erich Schwinge begründeten und später von diesem zusammen mit Schönke und Mezger herausgegebenen Reihe. Vgl. Jescheck, Das Institut, 1963, 18. 222 Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung, Berlin 1952 ff.; Fortsetzung der gleichnamigen, 1881 durch von Liszt begründeten und zuletzt im Jahre 1942 erschienenen Reihe. 223 Edmund Mezger und Hans-Heinrich Jescheck (Hg.): Das ausländische Strafrecht der Gegenwart (Berlin 1955 ff.). Auch diese Reihe stand in einer älteren, bis auf Franz von Liszt zurückgehenden Tradition. Die Reihe wurde noch von Schönke vorbereitet – der erste Band erschien jedoch erst nach dessen Tod. Vgl. Jescheck, Das Institut, 1963, 18.
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geringer drucktechnischer Qualität herausgebrachten Publikationsorgans224 der Fachgruppe Strafrecht in der Gesellschaft für Rechtsvergleichung und der alten Auslandsrundschau der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft225 trat das Institut endgültig in die großen Fußstapfen der IKV, die dort bis 1933 ihre Mitteilungen veröffentlicht hatte.
6.
Ein verspätetes Max-Planck-Institut: Das Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht von der Gründung 1966 bis zum Ende der Ära der Gründungsdirektoren in den 1990er Jahren
Wie kam es im dritten Anlauf letztlich zur erfolgreichen Gründung des Freiburger Max-Planck-Instituts? In den Mitteilungen der Max-Planck-Gesellschaft aus dem Jahr 1966 wurde der Gründungsvorgang wie folgt beschrieben: Im November 1960 faßte der Stiftungsrat den einstimmigen Beschluß, der MaxPlanck-Gesellschaft den Vorschlag zu unterbreiten, das Institut [Stiftungsinstitut] zu übernehmen und in ein Max-Planck-Institut umzuwandeln. Nach Prüfung der Gesamtproblematik konnte der Gründung eines Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht von Seiten der Max-Planck-Gesellschaft prinzipiell zugestimmt werden. Nachdem in der Folgezeit alle notwendigen Voraussetzungen mit den Finanzträgern geschaffen wurde, faßte der Senat der Max-Planck-Gesellschaft am 14. Dezember 1965 den Gründungsbeschluß.226
Die Errichtung des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht scheint damit auf den ersten Blick ein Routinevorgang gewesen zu sein. Es ist die Rede von einem »einstimmigen Beschluß« des Stiftungsrats und der »prinzipiellen Zustimmung« der MPG, die schließlich »nach Prüfung der Gesamtproblematik« und Schaffung der »notwendigen Voraussetzungen mit den Finanzträgern« in einen »Gründungsbeschluss« durch die Max-Planck-Gesellschaft mündeten. Nichts deutet darauf hin, dass es mitunter nicht geradlinig und reibungslos verlief, dass es auch Widerstände gab und das Unterfangen sogar zwischenzeitlich zu scheitern drohte. Andererseits fällt auf, dass zwischen dem beantragenden Beschluss des Stiftungsrats von 1960 und 224 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht (Hg.): Mitteilungsblatt der Fachgruppe für Strafrechtsvergleichung in der Gesellschaft für Rechtsvergleichung. Berlin 1951–1952. 225 Dazu Gesellschaft für Rechtsvergleichung (Hg.): Mitteilungen der Gesellschaft für Rechtsvergleichung. Deutscher Landesausschuß im Internationalen Komitee für Rechtsvergleichung bei der Unesco 3. Tübingen 1953, 24 ff.; Jescheck, Das Institut, 1963, 18. 226 Präsidialbüro der Max-Planck-Gesellschaft, MPI für ausländisches und internationales Privatrecht, 1966, 81–84, 83. Zur Gründung siehe auch Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): MPI für ausländisches und internationales Strafrecht Berichte und Mitteilungen H. 5, 1980, 10–11; Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): MPI für ausländisches und internationales Strafrecht Berichte und Mitteilungen H. 4, 1985, 12–13. © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
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dem befürwortenden Gründungsbeschluss durch die MPG 1965 fünf Jahre lagen. Wie kam es zu dieser zeitlichen Distanz? Um welche Gesamtproblematik und notwendigen Voraussetzungen ging es bei der Gründung des Freiburger Max-Planck-Instituts? Schließlich: Welche Faktoren führten dazu, dass alle Hindernisse letzten Endes erfolgreich überwunden wurden und das Werben um Minerva im dritten Anlauf erfolgreich war? 6.1
Der dritte Versuch der Gründung einer außeruniversitären Forschungseinrichtung für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg
Wie schon bei der Gründung des Stiftungsinstituts war auch hier Staatssekretär Walter Strauß die entscheidende Figur, da er es war, den der Stiftungsrat des Freiburger Stiftungsinstituts im November 1960 beauftragte, in Verhandlungen mit der Max-Planck-Gesellschaft zu treten und dieser den Vorschlag zu unterbreiten, das Freiburger Stiftungsinstitut in ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft umzuwandeln.227 Über den Hintergrund dieses Auftrags informiert eine vom Institutsdirektor Jescheck besorgte Zusammenstellung mit dem Titel »Aufzeichnung über das Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br.«, die Staatssekretär Strauß seinem Schreiben an den MPG -Präsidenten B utenandt beifügte.228 Darin wurde dargelegt, dass das Freiburger Stiftungs institut in vielerlei Hinsicht an die Grenzen seines Wachstums gekommen war: Finanziell, da die zur Verfügung stehenden Stiftungsmittel nicht ausreichten, um die Bibliothek zu erhalten oder gar zu erweitern; personell, da das Institut nicht in der Lage sei, den dringend benötigten wissenschaftlichen Referenten in den Länderreferaten eine »angesehene Lebensstellung« zu geben, deren Fehlen dem Institut bereits Abgänge beschert habe.229 Auch fehle es an einem repräsentablen strafrechtsvergleichenden Publikationsorgan, dessen Aufbau »dringend erforderlich« sei, damit Deutschland »nicht vom Ausland dauernd in den Schatten gestellt« werde.230 Daneben gab es auch wissenschaftspolitische Gründe für die Überführung des Stiftungsinstituts in die Max-Planck-Gesellschaft. In einem Schreiben von Walter Strauß an Staatssekretär Anders aus dem Bundesinnenministerium, den er in dessen Funktion als Senator der MPG um Unterstützung bat, berichtete Strauß, dass er schon »seit mehreren Jahren« darum bemüht sei, das »Institut aus den Fangarmen des Staates zu lösen und in 227 Staatssekretär Walter Strauß (BMJ), Brief an MPG -Präsident Butenandt vom 6.2.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 33. 228 Strauß (BMJ), Brief an Butenandt vom 6.2.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 33 ff; Jescheck, Aufzeichnung über das Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br., undatiert (wohl Herbst 1960), 7 Seiten mit Anlagen, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 35 ff. 229 Jescheck, Aufzeichnung über das Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 37. 230 Ebd., fol. 38. © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
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die Max-Planck-Gesellschaft zu überführen«.231 Auch notierte der damalige Generalsekretär der MPG, Hans Ballreich, in einem Vermerk, dass es Strauß auch darum gegangen sei, die »völlige Neutralität dieser Forschungseinrichtungen herauszustellen« und sie für »noch nicht absehbare, zukünftige Entwicklungen offen zu lassen, ohne daß irgendwelche Interessenträger auf diese beiden wichtigen Institute und ihre Arbeit Einfluß nehmen können.« »All das schien Herrn Staatssekretär«, so Ballreich weiter, »nur im Verbund der Max-Planck-Institute gewährleistet zu sein«.232 Den offiziellen Antrag bei der Max-Planck-Gesellschaft zur Übernahme des Freiburger Stiftungsinstituts stellte Walter Strauß im August 1961.233 Er bildete den Auftakt zu langjährigen Verhandlungen, die erst fünf Jahre später ihren erfolgreichen Abschluss fanden. 6.2
Die langjährigen Verhandlungen über die Übernahme des Freiburger Stiftungsinstituts in die Max-Planck-Gesellschaft
Wie schon bei Gründung des Stiftungsinstituts mussten für die Übernahme in die Max-Planck-Gesellschaft abermals viele Hindernisse überwunden werden. Neben der notorisch schwierigen Frage der Finanzierung durch die Länder gemeinschaft ging es dieses Mal zusätzlich um wissenschaftspolitische Grundsatzfragen, die den Stellenwert der geisteswissenschaftlichen und speziell der juristischen Grundlagenforschung innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft und das Verhältnis von universitärer und außeruniversitärer Forschungsförderung betrafen. Zunächst zum Stellenwert der geisteswissenschaftlichen und speziell der juristischen Grundlagenforschung innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft. Wie schon an anderer Stelle angesprochen, spielte die geisteswissenschaftliche 231 Strauß (BMJ), Brief an Staatssekretär Georg Anders (Bundesinnenministerium) vom 18.1.1962, BArch B 196/7169, fol. 168; ähnlich Strauß, Brief an MPG -Präsident Butenandt vom 13.1.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 29. Aus den Akten ergibt sich, dass Staatssekretär Strauß parallel die Gründung eines zweiten MPI plante: Neben dem Freiburger Stiftungsinstitut sollte das Frankfurter Institut für Ausländisches und Internationales Wirtschaftsrecht, das sogenannte »Schlochauer-Institut«, das ebenfalls ein Stiftungsinstitut war, in die MPG überführt und damit der Finanzierung der Gemeinschaft der Bundesländer unterstellt werden. Die Geschichte des Instituts für Ausländisches und Internationales Wirtschaftsrecht in Frankfurt am Main, das nach universitären Ursprüngen 1955 in eine Stiftung des privaten Rechts umgewandelt wurde, kann an dieser Stelle nicht weiterverfolgt werden. Strauß’ Initiative zur Überführung des Schlochauer-Instituts in die MPG brachte keinen Erfolg. Über das Frankfurter Institut für ausländisches und internationales Wirtschaftsrecht, das 2002 aufgelöst wurde, siehe etwa N.N. Das Recht überwindet die Grenzen. Aufgaben des Instituts für Ausländisches und Internationales Wirtschaftsrecht. Frankfurter Allgemeine Zeitung (5.8.1961), 50. 232 Hans Ballreich (MPG -Generalsekretär), Vermerk über ein Gespräch mit Staatssekretär Strauß (BMJ) vom 14.10.1960, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 27 ff. 233 Staatssekretär Walter Strauß (BMJ), Brief an MPG vom 16.8.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 56 ff.
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Forschung in der MPG eine nur untergeordnete Rolle. Zwar war die geisteswissenschaftliche Sektion der MPG in den 1950er Jahren um zwei Institute ergänzt worden und bestand nun, 1960, aus insgesamt vier Instituten234 (Völkerrecht, Privatrecht, Kunstgeschichte, Geschichte), doch befand man sich damit immer noch in großer Minderzahl gegenüber den aus 36 Instituten235 bestehenden naturwissenschaftlichen Sektion. Dass die Aufnahme des Freiburger Instituts eine Grundsatzdebatte auslöste, war freilich weniger dem Freiburger Konzept zu verdanken (schließlich hätte dessen Gründung, wie Strauß in seinem Antrag mit Recht betonte, eine wiederholt beklagte Lücke geschlossen), sondern verdankte sich vielmehr der besonderen Lage, in der sich die geisteswissenschaftliche Sektion der MPG befand. Da sich zu dieser Zeit bereits zwei Institute, das Institut für Rechtsgeschichte236 in Frankfurt am Main und das für Bildungsforschung237 in Berlin, in Gründung befanden, hätte die Hinzunahme der Institute in Freiburg (Jescheck) und in München238 (Eugen Ulmer) – eine Verdopplung der geisteswissenschaftlichen Sektion bedeutet, was nicht nur innerhalb der finanzierenden Ländergemeinschaft239, sondern auch innerhalb der MPG auf Zurückhaltung stieß, da Bedenken bestanden, ob sich das Wachsen der Gesellschaft noch »organisch« vollziehe.240 234 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. im Jahre 1959/60. Jahrbuch 1960 der Max-PlanckGesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Göttingen 1960, 15–26, 15 ff. 235 Ebd. 236 Es wurde 1964 in Frankfurt am Main gegründet. Zu seiner Entstehungsgeschichte siehe Frank L. Schäfer: Visionen und Wissenschaftsmanagement. Die Gründung eines MaxPlanck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte. Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 17/3 (2009), 517–535. 237 Seine Gründung (1961/63) ging auf eine Initiative von Hellmut Becker (Sohn des Preußischen Kultusministers Carl Heinrich Becker) von Ende der 1950er Jahre zurück. Zu den Unterstützern des Antrags gehörte unter anderem der einflussreiche Bundestagsabgeordnete Carlo Schmid (SPD). Für eine Chronologie siehe zudem Henning und Kazemi, Handbuch, 2016, Bd. 1, 163–178. 238 Es wurde 1966 in München als Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent, Urheber- und Wettbewerbsrecht gegründet. Das Institut wurde 2013 erweitert und umbenannt; heute firmiert es als Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb. Zu seiner Entstehungsgeschichte siehe Thomas Hoeren: »Der Verwaltungsausschuß empfiehlt die Ablehnung« – Überlegungen zur Geschichte des Münchener MPI . In: Götz von Olenhusen und Thomas Gergen (Hg.): Kreativität und Charakter. Recht, Geschichte und Kultur in schöpferischen Prozessen. Festschrift für Martin Vogel zum siebzigsten Geburtstag. Hamburg 2017, 111–128. 239 Die Zuschüsse der Länder zum Etat der MPG nach dem Königsteiner Abkommen verdreifachten sich zwischen 1949 und 1960 und versiebenfachten sich sogar zwischen 1949 und 1963. Sie betrugen im Jahr 1949 12,4 Mio. DM , 1960 41,7 Mio. DM und 1963 71,0 Mio. DM . Vgl. Staff, Wissenschaftsförderung, 1971, 166. 240 Niederschrift über die 14. ordentliche Hauptversammlung der MPG vom 15.5.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 133. Das Übernahmevorhaben des SchlochauerInstituts in Frankurt wurde schon zuvor fallen gelassen. Zur weiteren Geschichte des 2002 aufgelösten Stiftungsinstituts siehe die Nachweise in Fußnote 231.
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MPG -Präsident Adolf Butenandt sah sich entsprechend im Januar 1961 gezwungen, Staatssekretär Strauß um Geduld zu bitten: Die Überlegungen zum Ausbau der geisteswissenschaftlichen Sektion befänden sich derzeit »in der Schwebe« und ließen keine schnellen Entscheidungen zu.241 Eine besondere Skepsis bestand innerhalb der MPG gegenüber dem Bedeutungszuwachs der juristischen Institute.242 Kritisch gegenüber stand dem zum Beispiel Carl Wurster, Senator und MPG -Vize-Präsident sowie Vorstand des Chemieriesen BASF, der bei einem Besuch des Freiburger Stiftungsinstituts im Februar 1962 ausgerufen haben soll: »Nicht noch mehr Juristen!«243 Auch über den Antragsteller, HansHeinrich Jescheck, hatte Wurster eine klare Meinung. In einem Schreiben an MPG -Präsident Adolf Butenandt vertraute er diesem an: »Ich erinnere mich an ein Treffen mit Prof. Jescheck, der damals ungewöhnlich selbstbewußt auftrat. […] Ich kann mir nicht vorstellen, daß man verantworten kann, auf diesem Gebiet jährlich über 1/2 Mio. DM auszugeben.«244 Andere hingegen sprachen sich für ein größeres Selbstbewusstsein der geisteswissenschaftlichen Sektion aus: So betonte beispielsweise MPG -Generalsekretär Hans Ballreich (1913–1998), dass man »nicht zu vorsichtig sein sollte, wenn man vergleichsweise die Summen betrachte, die für die Kernforschung in Karlsruhe verausgabt worden seien«, und nicht wolle, dass die »Geisteswissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften zu sehr ins Hintertreffen gerieten«.245 Um Klarheit über die eigene Position zu bekommen, beantragte die geisteswissenschaftliche Sektion die Einrichtung einer Senatskommission, die sich 241 MPG -Präsident Adolf Butenandt, Brief an Staatssekretär Walter Strauß vom 23.1.1961, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 31 f. 242 Niederschrift der Sitzung des Senates der MPG vom 23.5.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 91 ff. 243 Senator und MPG -Vize-Präsident Carl Wurster, Ausspruch bei einem Besuch des Freiburger Stiftungsinstituts im Februar 1962, zitiert nach Jescheck, Brief an MPG -Generalsekretär Hans Ballreich vom 20.2.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 80. 244 Senator und MPG -Vize-Präsident Wurster, Brief an MPG -Präsident Butenandt vom 19.6.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 159 f. Der promovierte Chemiker Carl Wurster (1900–1974) arbeitete seit den 1920er Jahren bei BASF und später bei I. G. Farben und war dort zum Vorstandsmitglied und Betriebsführer im Werk Ludwigshafen aufgestiegen. Nachdem er im Nürnberger I.G-Farben-Prozess freigesprochen worden war, wurde er 1952 Vorstandsvorsitzender der neu gegründeten BASF. In der MPG engagierte sich Wurster seit den 1950er Jahren: er war unter anderem Senator (1951), Mitglied des Verwaltungsrats (1958) und 1960–1972 Vizepräsident. Zu ihm siehe Jens Ulrich Heine: Verstand & Schicksal. Die Männer der I. G. Farbenindustrie A. G. (1925–1945) in 161 Kurzbiographien. Weinheim 1990, 175 ff. 245 MPG -Generalsekretär Hans Ballreich, in: Geisteswissenschaftliche Sektion des wissenschaftlichen Rats der MPG , Niederschrift über die Sitzung vom 21.5.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 88 ff. Biografisch zu Ballreich, der 1962 MPG -General sekretär wurde und 1966 wegen einer Erkrankung aus der MPG -Verwaltung ausschied, siehe Karlson, Adolf Butenandt, 1990, 325. Ballreichs Nachfolger im Amt des MPG Generalsekretärs wurde Friedrich Schneider (1913–1981), zu ihm Karlson, Adolf Butenandt, 1990, 325.
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mit der »Grundsatzfrage« befassen sollte, »wie weit die Zahl der juristischen Institute in der geisteswissenschaftlichen Sektion verstärkt werden soll« und »wie es mit der Politik der Institutsneugründungen gehalten werden sollte«.246 Die Senatskommission unter dem Vorsitz von Konrad Zweigert, damals wissenschaftliches Mitglied des privatrechtlichen Schwesterinstituts und designierter Direktor, kam zu einem eindeutigen Ergebnis und befürwortete die Aufnahme der Institute in Freiburg und München.247 Das Votum der geisteswissenschaftlichen Sektion brachte die MPG -Administration in Bedrängnis, da aus den Reihen der Bundesländer noch keine Zustimmung zu den Expansionsplänen der MPG zu ersehen war. Der MPG -Präsident bat daher im November 1962 den Senat der MPG um Zurückstellung des Antrags, da »noch [v]iele Probleme« zu besprechen seien.248 Wie aus einem späteren Schreiben zu ersehen ist, hatten diese Probleme Folgen, die über die beiden beabsichtigten Neugründungen in Freiburg und München hinausgingen und die ganze geisteswissenschaftliche Sektion betrafen. So berichtete MPG -Präsident Butenandt in einem Brief an den Direktor des Instituts für Geschichte, Hermann Heimpel (1901–1988), dass die Zurückstellung des Antrags auf Übernahme des Freiburger Instituts auch mit Fragen zusammenhänge, die die Gründung des Instituts für Rechtsgeschichte in Frankfurt beträfen. Bei der fehlenden Zustimmung der Kultusminister spielten »grundsätzliche Überlegungen« eine Rolle, die auch für die Übernahme des Freiburger Instituts wichtig seien.249 Zur Stärkung der eigenen Position beschloss der Verwaltungsrat der MPG daher im Juli 1963, eine interne Kommission unter dem Vorsitz von Hermann Mosler (1912–2001), dem Direktor des Heidelberger Schwesterinstituts, einzusetzen.250 Diese bestand unter anderem aus Direktoren der anderen geisteswissenschaftlichen Institute – neben Mosler waren dies: Konrad Zweigert (Privatrecht), Helmut Coing (Rechtsgeschichte), Hermann Heimpel (Geschichte) – und Carl Friedrich von Weizsäcker vom MPI für Physik und Astrophysik sowie MPG -Generalsekretär Hans Ballreich. Die Kommission sollte sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen es empfehlenswert sei, »geisteswissenschaftliche Forschungseinrichtungen entweder an den Hochschulen oder als Max-Planck-Institute zu gründen und zu unterhalten«251. Mosler berich246 Senat der MPG , Niederschrift über die Sitzung vom 23.5.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 91 ff. 247 Geisteswissenschaftliche Sektion des wissenschaftlichen Rats der MPG , Niederschrift der Sitzung vom 30.10.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 96 ff. 248 Senat der MPG , Niederschrift der Sitzung vom 23.11.1962, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 103–104. 249 MPG -Präsident Butenandt, Brief an Hermann Heimpel (Direktor des MPI für Geschichte) vom 22.2.1963, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 107. 250 Zu dieser Kommission siehe auch Mosler, MPI für ausländisches und öffentliches Recht, 1976, 53–78, 60–61. 251 Hermann Mosler, Stellungnahme zur Pflege geisteswissenschaftlicher Forschungen durch Max-Planck-Institute vom 9.6.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 283.
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tete, die Kommission sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die »Zugehörigkeit einer Fachrichtung zu den Natur- oder Geisteswissenschaften unter keinem sachgerechten Gesichtspunkt eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen die Gründung und Unterhaltung von Instituten im Rahmen der Max-PlanckGesellschaft« spielen dürfe.252 Auch wenn zu erwarten sei, dass naturwissenschaftliche Institute »häufiger« die Annahmevoraussetzungen erfüllten, seien doch die Maßstäbe, »nach denen die Zuordnung zu einer Hochschule oder zur Max-Planck-Gesellschaft« bestimmt werden müssten, »für alle Forschungseinrichtungen die gleichen«.253 Entscheidende Leitlinien seien hier, so Mosler, die »Förderung neuer Arbeitseinrichtungen und -methoden«, die »Verwendung organisatorischer Formen, die für die Hochschulen ungeeignet sind oder die erst erprobt werden müssen«, und die »Bereitschaft erstrangiger Forscher, sich diesen Aufgaben zu widmen«.254 Ausgehend von diesem Ergebnis kamen die Verhandlungspartner, die MPG und der Verwaltungsausschuss des Königsteiner Abkommens, überein, die Entscheidung über die Anträge vorerst zurückzustellen, um sich mit den Ländern abzustimmen und insbesondere eine Stellungnahme der »Herren Kultusminister« zu dieser »Grundsatzfrage der Trägerschaft neuer geisteswissenschaftlicher Institute durch die Max-Planck-Gesellschaft abzuwarten«.255 In ihrer Sitzung im Oktober 1964 beschloss die Kultusministerkonferenz der Länder Grundsätze zur Gründung neuer geisteswissenschaftlicher Institute. Danach sollte jeweils durch die Ländergemeinschaft geprüft werden, »ob nicht die Länder und die Hochschulen selbst in der Lage sind, die betreffenden Aufgaben zu erfüllen, etwa durch Bildung von Schwerpunkten und Ausbau von Hochschulinstituten«.256 Kaum ein Jahr später, im November 1964, folgte der Rückschlag: Der für das Königsteiner Abkommen zuständige Verwaltungsausschuss der gemeinsamen Kultus- und Finanzministerkonferenz (KMK / FMK) empfahl, die Übernahme des Freiburger Stiftungsinstituts in die Max-Planck-Gesellschaft abzulehnen,257 woraufhin die KMK / FMK eine endgültige Entscheidung auf das Folgejahr ver252 Ebd., fol. 291. 253 Ebd., fol. 291. 254 Ebd., fol. 286. 255 MPG -Präsident Butenandt, Brief an die gemeinsame Kultus- und Finanzministerkonferenz (KMK / FMK) der Länder vom 26.11.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 4114, Nr. 66, fol. 24 ff. 256 Kultusministerkonferenz der Länder, Sitzung vom 1./2.10.1964, zitiert nach Verwaltungsausschuss des Königsteiner Abkommens, Niederschrift über die Sitzung vom 13.5.1965, BArch B 196/7169, fol. 256. Zur Geschichte der Kultusministerkonferenz siehe Peter Fränz und Joachim Schulz-Hardt: Zur Geschichte der Kultusministerkonferenz 1948–1998. In: Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Einheit in der Vielfalt. 50 Jahre Kultusministerkonferenz 1948–1998. Neuwied 1998, 177–228. 257 Günter Preiß (MPG -Generalverwaltung), Vermerk vom 6.11.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 213.
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tagte.258 Die Vertagung der Entscheidung gab Zeit für weitere Bemühungen der Projektverantwortlichen Jescheck, Strauß und Butenandt, die alle Hebel in Bewegung setzten: Strauß259 schrieb an seine Parteikollegen in den Kultusministerien von Nordrhein-Westfalen (Paul Mikat),260 Schleswig-Holstein (Claus-Joachim von Heydebreck) und Bayern (Ludwig Huber) und versuchte das Bundesjustizministerium dazu bewegen, Adolf Butenandt der Unterstützung des Ministeriums zu versichern. Jescheck kontaktierte das Baden-Württembergische Kultusministerium und schrieb ebenfalls nach Bayern,261 und MPG Präsident Butenandt wandte sich an die gemeinsame Kultus- und Finanzministerkonferenz der Länder.262 Zusätzlich wurde von Seiten des MPG -Senats ein weiteres Gutachten eingeholt, das sich mit der Notwendigkeit außeruniversitärer strafrechtlicher Forschung befassen sollte.263 Gutachter Wilhelm Gallas (1903– 1989), damals Rektor der Universität Heidelberg, unterstützte das Vorhaben »mit Nachdruck«:264 Das Freiburger Institut und seine Bibliothek würden auf dem Gebiet der Strafrechtsvergleichung eine »einzigartige Stellung« einnehmen, die sowohl für die »internationale Forschung und wissenschaftliche Zusammenarbeit von unschätzbarem Wert« als auch für die »Bedürfnisse der Gesetzgebung und der Strafrechtspflege unentbehrlich« sei. Es solle daher »alles geschehen, um dem Institut seine Bedeutung zu erhalten und seinen stetigen Ausbau zu gewährleisten«. Die beste Absicherung dieses Ziels »auf Dauer« sei – so Gallas abschließend – die Umwandlung in ein Max-Planck-Institut.265 Die Ablehnung durch den Verwaltungsausschuss des Königsteiner Abkommens und die Vertagung der Entscheidung durch die gemeinsame Kultus- und Finanzministerkonferenz wurde in der Max-Planck-Gesellschaft diskutiert und ausnahmslos als Politikum wahrgenommen. Einige sahen darin sogar einen Affront gegenüber der MPG generell. Nach Ansicht von Hans Dölle (1893–1980), dem Direktor des Hamburger MPI für ausländisches und internationales Pri-
258 Preiß (MPG -Generalverwaltung), Vermerk vom 17.12.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 243. 259 So Jescheck, Brief an Günter Preiß (MPG -Generalverwaltung) vom 27.11.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 230. 260 Mikat (1924–2011), damals zugleich Präsident der KMK , galt als skeptisch gegenüber den neuen Instituten von Ulmer und Jescheck. Vgl. Mosler, Brief an MPG -Präsident Butenandt vom 13.6.1964, MPGA , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 197. 261 Dies berichtet Zweigert, Brief an MPG -Generalsekretär Ballreich vom 18.1.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 250. 262 Butenandt, Brief an gemeinsame Kultus- und Finanzministerkonferenz der Länder vom 26.11.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 224 ff. 263 Verwaltungsrat der MPG , Niederschrift über die Sitzung vom 3.12.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 233. Parallel wurden Gutachten für die ebenfalls auf Eis gelegte Gründung des Ulmer-Instituts eingeholt, die allesamt von Wurster vermittelt wurden. 264 Wilhelm Gallas, Brief an Hans Dölle vom 17.12.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 244 f. 265 Ebd., fol. 245.
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vatrecht, beinhalte das Verhalten des Verwaltungsausschusses den »ersten konkreten Versuch, die weitere Entwicklung der Geisteswissenschaften in der Max-Planck-Gesellschaft abzuschneiden«266 und – sogar weitergehend – die »Tendenz, den staatsfreien Raum einzuengen und die Freiheit der Max-PlanckGesellschaft so weit wie möglich in den staatlichen Gang einzubeziehen«.267 Die umstrittene Entscheidung führte auch zu neuen Allianzen: So hielt zum Beispiel Carl Wurster, der einer Übernahme des Freiburger Stiftungsinstituts zunächst skeptisch gegenübergestanden hatte, es nun für angezeigt, den von den Ländern erhobenen Anspruch auf Einflussnahme »auf die Angelegenheiten der Max-Planck-Gesellschaft zurückzuweisen.«268 Die ablehnende Haltung der Ländergemeinschaft resultierte auch aus einem allgemeinen Sparzwang, der 1965 zu einem handfesten Eklat führte. Einen guten Eindruck vom Ernst der Lage vermittelt ein Artikel aus der Zeit von 1965, der unter der Überschrift »Butenandts Zorn« über den Widerstand des MPG Präsidenten269 gegen die geplanten Mittelkürzungen für die MPG in Höhe von 25 Millionen DM berichtete: Man mache sich das doch einmal recht deutlich: Ein distinguierter Gelehrter, der einmal ein führender junger Forscher war mit eminenten Verdiensten um die Biochemie, für die er 1939 den Nobelpreis erhielt, ein Herr, zu nichts weniger geeignet als zum Antichambrieren oder (nach erfolglosem Aufenthalt im Vorzimmer) mit der Faust auf den Tisch zu hauen, Dr. phil., Dr. med. h. c., Dr. med. vet. h. c., Dr. rer. nat. h. c., Dr. phil. h. c., fordert im Namen der angesehensten wissenschaftlichen Forschungsinstitute dieses Landes 25 Millionen Mark, die für wichtige Projekte notwendig sind. Und wie reagiert man in Bonn? So, wie dort in letzter Zeit offenbar mit Vorliebe reagiert wird: beleidigt.270
266 Senator und MPG -Vizepräsident Hans Dölle, Sitzung des Verwaltungsrats der MPG vom 11.3.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 263. 267 Dölle, Sitzung des Verwaltungsrats der MPG vom 3.12.1964, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 233. 268 Senator und MPG -Vizepräsident Carl Wurster, Sitzung des Verwaltungsrats der MPG vom 11.3.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 262. 269 Biografisch zu Adolf Butenandt (1903–1995) siehe Karlson: Adolf Butenandt. Stuttgart 1990. Zur Bedeutung Butenandts als Wissenschaftspolitiker siehe seinen Amtsnachfolger Reimar Lüst: Der Wissenschaftspolitiker Adolf Butenandt. In: Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Adolf Butenandt 1903–1995. Akademische Gedenkfeier der Max-Planck-Gesellschaft und der Ludwig-Maximilians-Universität München am 7. Juli 1995. München 1995, 43–53 ; Karlson, Adolf Butenandt, 1990, 211 ff.; Jürgen Renn, Horst Kant und Birgit Kolboske: Stationen der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. In: Jürgen Renn, Birgit Kolboske und Dieter Hoffmann (Hg.): »Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen«. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. 2. Auflage. Berlin 2015, 5–120 (letztere apostrophieren die Ära Butenandts zwischen 1960 und 1972 als »Wissenschaft in der Wissenschaftswunderzeit«, 93 ff.). 270 Rudolf Walter Leonhardt: Butenandts Zorn. Die Zeit 34 (20.8.1965); Lüst: Der Wissenschaftspolitiker 1995, 43–53; Adolf Butenandt: Ansprache des Präsidenten der Max-
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MPG -Präsident Butenandt vermochte es, sich am Ende durchsetzen. Die Zuschüsse wurden nicht gekürzt, sondern – im Gegenteil – erhöht. Auch einigten sich Bund und Ländergemeinschaft auf eine Reform des Königsteiner Staatsabkommens, das die Zuschüsse von Bund und Ländern für die Max-Planck-Gesellschaft für das Jahr 1965 hälftig festsetzte und einen aus Vertretern von Bund und Ländern besetzten Verwaltungsausschuss schuf.271 Im Februar 1965 unternahmen die Freiburger einen neuen Vorstoß: Jescheck verschickte eine »Denkschrift«,272 die noch einmal die Geschichte des Freiburger Instituts darstellte, über den aktuellen Stand informierte und die Gründe für die Umwandlung in ein MPI deutlich machte. Jeschecks Denkschrift fand weite Verbreitung: So etwa versandte im April 1965 Wilhelm Hahn (1909–1996), Kultusminister und Präsident der Kultusministerkonferenz, die Denkschrift an die Mitglieder der gemeinsamen Kultus- und Finanzministerkonferenz der Länder.273 Nachdem der Verwaltungsausschuss des Königsteiner Abkommens in seinen Sitzungen im Mai und Juni immer noch keine Entscheidungen getroffen hatte, unternahmen verschiedene Personen Versuche, die stockenden Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Auch wenn sich die genauen Abläufe nicht vollständig aufklären lassen, können doch anhand der Aktenüberlieferung zwei wichtige Initiativen identifiziert werden: Eine erste Initiative stammte von Eugen Ulmer, dem designierten Leiter des Münchener Instituts, der sich im Mai 1965 in einem persönlichen Schreiben an den Bundesforschungsminister wandte, der ihm, wie Ulmer anmerkte, aus der gemeinsamen Zeit der Kriegsgefangenschaft bekannt sei.274 Ulmers Bitte um Unterstützung fand Gehör: Bundesforschungsminister Hans Lenz (1907–1968) wandte sich seinerseits im Mai 1965 an seinen Kollegen im Bundesministerium der Justiz (BMJ) und bat diesen um eine Stellungnahme zu der Frage, »ob und aus welchen Gründen« dieser »die Übernahme der beiden Institute durch die MPG befürworte«.275
Planck-Gesellschaft Professor Dr. Adolf Butenandt. 50 Jahre Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft. Mitteilungen aus der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Heft 4 (1961), 221–242, 227–228. 271 Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zur Förderung von Wissenschaft und Forschung vom 4. Juni 1964, abgedruckt bei Staff, Wissenschaftsförderung, 1971, 171 ff. 272 Jescheck, Denkschrift zu der Frage einer Umwandlung des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br. in ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Februar 1965, 11 Seiten mit Anlagen, BArch B 196/7169, fol. 239 ff. 273 Wilhelm Hahn (baden-württembergischer Kultusminister und Präsident der KMK), Brief vom 12.4.1965 an Mitglieder KMK / FMK , AMPG, II. Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 296. 274 Eugen Ulmer, Brief an Bundesforschungsminister Hans Lenz (BMwF) vom 8.5.1965, BArch, B 196/7169, fol. 257 ff. 275 Engelhardt (in Vertretung für Staatssekretär Wolfgang Cartellieri, BMwF), Brief an Bundesjustizminister Weber (BMJ) vom 31.5.1965, BArch, B 196/7169, fol. 287 f.
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Eine zweite Initiative, die Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen hineinbrachte, stammte von MPG -Präsident Adolf Butenandt, der sich im Juli 1965 ebenfalls an das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung wandte und sein Unverständnis über die Verzögerung äußerte.276 Staatssekretär Wolfgang Cartellieri, seines Zeichens MPG -Senator, antwortete ihm und informierte über die Hintergründe der stockenden Verhandlungen, um, wie er sagte, »mögliche Missverständnisse über den Hintergrund der Beratungen des Ausschusses« auszuräumen.277 Auch offenbarte er, dass in der Sitzung von Mai 1965 fast alle Vertreter der Länder gegen die Aufnahme der Institute in Freiburg und München gestimmt hatten, woraufhin die Vertreter des Bundes, die das Vorhaben unterstützten, von der Herbeiführung einer Entscheidung absahen, um im Verhandlungswege alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen.278 Auch die im Juli 1965 erfolgte Vertagung der Entscheidung war darauf zurückzuführen, dass keine befürwortenden Stellungnahmen von BMJ und gemeinsamer Kultusund Finanzministerkonferenz als Rückendeckung vorlagen.279 Die Bemühungen trugen am Ende Früchte. Einen Monat vor der entscheidenden Sitzung des Verwaltungsausschusses des Königsteiner Abkommens erklärte Bundesjustizminister Weber in einem persönlich unterzeichneten Schreiben (»Ministerschreiben«) seine Unterstützung des Vorhabens.280 Er befürwortete darin die Gründung der Institute in Freiburg und München »nachdrücklich« und sah sich dabei, wie er schrieb, in »Übereinstimmung« mit den Kultusministern der Länder Baden-Württemberg und Bayern.281 Durch die klaren Signale vom Bund und durch die Unterstützung von Länderseite konnte am Ende auch die Ländergemeinschaft überzeugt werden. Die Vertreter der Länder signalisierten ihre Unterstützung, wodurch der Vorsitzende der KMK / FMK , der württembergische Kultusminister Hahn, im Oktober dem Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses des Königsteiner Abkommens, Ministerialdirektor Giesen, die Unterstützung der Ländergemeinschaft zusichern konnte.282 Auf der 276 MPG -Präsident Butenandt, Brief an Staatssekretär Cartellieri (BMwF) vom 20.7.1965, BArch, B 196/7169, fol. 292 ff. 277 Staatssekretär Wolfgang Cartellieri (BMwF), Brief (Entwurf) an MPG -Präsident Butenandt vom 21.7.1965, BArch, B 196/7169, fol. 296 ff. 278 Ebd. 279 Verwaltungsausschuss des Königsteiner Abkommens, Niederschrift über die Sitzung vom 6./7.7.1965, zitiert nach BArch, B 196/7169, fol. 300 ff. 280 Bundesjustizminister Karl Weber an Bundesforschungsminister Hans Lenz (Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, BMwF) vom 14.10.1965, BArch, B 196/7169, fol. 305 ff. Zuvor hatte sich auch Hahn, der Vorsitzende der KMK / FMK , mit der Bitte um Unterstützung an den Bundesjustizminister gewandt (vgl. Hahn, Brief an Bundesjustizminister vom 24.8.1965), zitiert nach Hahn, Brief an MPG -Präsident Butenandt vom 7.9.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 329–330. 281 Ebd., fol. 305 ff. 282 Wilhelm Hahn (Vorsitzender der KMK / FMK), Brief an Ministerialdirektor Giesen (Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Königsteiner Abkommens) vom 18.10.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 338.
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Das strafrechtliche MPI in Freiburg
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im November 1965 folgenden Sitzung des Verwaltungsausschusses des Königsteiner Abkommens wurde sodann der Übernahme des Freiburger Stiftungsinstituts in die Max-Planck-Gesellschaft zugestimmt, in deren Folge die MPG die Übernahme beschloss283 die schließlich im Februar 1966 durch einen Beschluss der KMK / FMK mit großer Mehrheit (17 Ja, 3 Nein, 3 Enthaltungen) abgesegnet wurde.284 Alles Weitere war Formsache. Das Freiburger Stiftungsinstitut wurde aufgelöst, und im Juli 1966 wurde das neue Max-Planck-Institut in einem feierlichen Akt im Kaisersaal des Alten Kaufhauses in Freiburg in die Max-PlanckGesellschaft übernommen.285 6.3
Die Erweiterung des Forschungsprofils des Freiburger Max-PlanckInstituts durch die Hinzunahme der Kriminologie in den 1970er Jahren
Die Kriminologie, die heute neben dem Strafrecht und dem Sicherheitsrecht den dritten Forschungsschwerpunkt des Freiburger Max-Planck-Instituts bildet, hatte damals noch keine Heimstatt im Freiburger Institut, sondern kam erst Anfang der 1970er Jahre hinzu. Die Einrichtung einer eigenständigen Abteilung für Kriminologie schien zunächst entbehrlich, da es eine weit verbreitete kriminologische Forschung an den Universitäten gab. So gab es insbesondere in Freiburg das seit 1930 bestehende Universitätsinstitut für Kriminologie und Strafvollzugskunde,286 mit dem das Freiburger Max-Planck-Institut eng zu283 Niederschrift über die Sitzung des Verwaltungsrates vom 13.12.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 61, Nr. 67.VP, fol. 175 ff.; Niederschrift über die Sitzung des Senats vom 14.12.1965, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 52.SP, fol. 365. 284 Gemeinsame Kultus- und Finanzministerkonferenz, Protokoll der Sitzung vom 3.2.1966, übersandt am 3.3.1964 durch den Hessischen Kultusminister vom 18.3.1966, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 382 ff. 285 Die Reden von Gründungsdirektor Jescheck und Thomas Würtenberger, dem Vorsitzenden des Stiftungsrats, sind in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft abgedruckt. Vgl. Jescheck, Rechtsvergleichung, 1967, 128–144, 128 ff.; Würtenberger, Ansprache, 1967, 125–128, 125 ff. Die Rede des MPG -Präsidenten Butenandt, der die lange Gründungsgeschichte Revue passieren ließ und über die Grundsätze der Gründung neuer Institute berichtete, wurde nicht veröffentlicht. Das Manuskript ist in den Akten überliefert, vgl. AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114, fol. 102 ff. 286 Zur Geschichte des Instituts, das 1930 von Erik Wolf als Institut für Strafvollzugskunde in Freiburg gegründet wurde, siehe Klaus Tiedemann, Rüdiger Herren und René Bloy: Das Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Freiburg i. Br. In: Heinz Müller-Dietz (Hg.): Dreißig Jahre südwestdeutsche und schweizerische kriminologische Kolloquien. Freiburg im Breisgau 1994, 1–16; Bernd Martin (Hg.): 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Institute und Seminare seit 1945. Bd. 5. Freiburg im Breisgau 2007, 72 ff. Über die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung der Strafvollzugskunde informiert Heinz Müller-Dietz: Strafvollzugskunde als Lehrfach und wissenschaftliche Disziplin. Bad Homburg 1969, 21. Zur aktuellen Ausrichtung des Instituts siehe Jens Puschke: Forschung am Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Freiburg i. Br. In: Tillmann Bartsch et al. (Hg.): 50 Jahre Südwestdeutsche und Schweizerische Kriminologische Kolloquien. Berlin 2017, 37–46.
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sammenarbeitete und dessen Leiter, Thomas Würtenberger (1907–1989),287 im Institutskuratorium des Freiburger MPI saß. Zudem waren bereits wiederholt Anläufe gescheitert, ein eigenes MPI für Kriminologie zu gründen.288 Allein zweimal, 1953 und 1960, hatte es beispielsweise Paul Bockelmann (1908–1987) versucht und war trotz großer Unterstützung namhafter Experten aus der Wissenschaft gescheitert.289 Selbst die Unterstützung einflussreicher Politiker wie etwa des SPD -Bundestagsabgeordneten Adolf Arndt (1904–1974), der das Vorhaben in seinem Festvortrag auf dem 47. Deutschen Juristentag 1968 in Nürnberg öffentlich unterstützte,290 oder der SPD -Fraktion, die sich für die Errichtung eines »interdisziplinäre(n) Institut(s) für Kriminologie und Pönologie« einsetzte291, blieben ohne Erfolg. Hans-Heinrich Jescheck verfolgte zunächst nur den Plan, eine »Informationsstelle« über ausländische kriminologische Literatur einzurichten, um über die 287 Zu Würtenberger siehe Heinz Müller-Dietz: Thomas Würtenberger sen. (7.10.1907– 18.11.1989). »Gegen das Vergessen«. Journal für Juristische Zeitgeschichte 2 (2008), 24–31. 288 Über die schon in der Zeit des Kaiserreichs gemachten Vorschläge für eine Institutionalisierung kriminologischer Forschung berichten Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1037 ff.; Leon Radzinowicz: Strafrecht und Kriminologie (unter besonderer Berücksichtigung heutiger Strömungen in der Bundesrepublik Deutschland). In: Bundeskriminalamt (Hg.): Strafrechtspflege und Strafrechtsreform. Arbeitstagung im Bundeskriminalamt Wiesbaden vom 20. März bis 25. März 1961 über Strafrechtspflege und Strafrechtsreform. Wiesbaden 1961, 17–34, 30. Zu nennen ist darüber hinaus eine in den Jahren 1913/14 von namhaften Kriminologen geführte Debatte über die Errichtung eines »kriminalistischen Reichsinstituts«, die aber wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs folgenlos blieb. Siehe etwa Hans Gross: Ein kriminalistisches Reichsinstitut für Deutschland. Zur Frage des Unterrichts in den strafrechtlichen Hilfswissenschaften. Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik 54 (1913), 193–199; Franz von Liszt: Ein kriminalistisches Reichsinstitut? Die Woche 40 (1913), 1845. 289 Dazu bereits oben, Text bei Fußnote 183–184, Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1039. Biografisch zu Paul Bockelmann, der nach dem Krieg zunächst in Göttingen und später in Heidelberg lehrte und wie Jescheck Mitglied der Großen Strafrechtskommission war, siehe Hans Joachim Hirsch: Paul Bockelmann †. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 100/2 (1988), 281–289. 290 Adolf Arndt bezeichnete die Kriminologie als »ein in der Bundesrepublik Deutschland unterentwickeltes Gebiet«. Insbesondere fehlten kriminologische »Ordinariate« und »Institute«, weshalb »dringlich ein Max-Planck-Institut für Kriminologie geschaffen« werden solle (vgl. Adolf Arndt: Strafrecht in einer offenen Gesellschaft [1968]. In: ErnstWolfgang Böckenförde und Walter Lewald [Hg.]: Adolf Arndt. Gesammelte juristische Schriften 1946–1972. München 1976, 207–240, 214, ohne Hervorhebung). Arndt setzte sich später persönlich weiter für die Institutionalisierung der kriminologischen Forschung ein, hatte dabei aber seine eigenen Vorstellungen von dem geplanten MPI . So zeigte er sich etwa in einem Brief an MPG -Präsident Butenandt skeptisch gegenüber der geisteswissenschaftlich-juristischen Zuordnung des geplanten MPI und hielt das kleinstädtische Freiburg als Standort für »schlechthin ungeeignet« (Arndt, Brief an Butenandt vom 2.12.1968, MPGA , III . Abt., NL Jescheck, ZA 88, Bd. 84). 291 Vgl. Diemut Majer: Einige Überlegungen zu dem Plan der SPD -Fraktion des Bundestags, ein interdisziplinäres Institut für Kriminologie und Pönologie zu errichten. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 53 (1970), 266–270.
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Das strafrechtliche MPI in Freiburg
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Entwicklungen auf diesem Gebiet, die vor allem aus den USA kamen, informiert zu sein.292 Erst später reifte bei ihm die Idee, die kriminologische Forschung in das Institut zu integrieren. Im Dezember 1968 legte Jescheck seine diesbezüglichen Überlegungen in einem Schreiben an MPG -Generalsekretär Friedrich Schneider dar. Es sehe, so Jescheck, zunehmend so aus, als würde sich die Strafrechtswissenschaft »schon in den nächsten zwanzig Jahren von einer rein normativ betriebenen juristischen Disziplin zu einer doppelspurigen Wissenschaft entwickel[n], die neben dem Recht in gleicher Weise die ›Realien des Lebens‹ erforscht.«293 Diese Entwicklung sei im Ausland längst im Gang, weshalb man auch in Deutschland rechtzeitig »die Zeichen der Zeit« erkennen müsse, um nicht hinter den internationalen Entwicklungen der Wissenschaft zurückzubleiben.294 Neben diesen wissenschaftlichen Erfordernissen wirkten sich auch Entwicklungen in der außeruniversitären Forschungslandschaft aus. Hier hatte es insbesondere seit Mitte der 1960er Jahre Überlegungen gegeben, die kriminologisch-kriminalistische Forschung, die bislang bei den Länderpolizeien verortet war, beim Bundeskriminalamt zu zentralisieren.295 Auf Grundlage einer Initiative des Bundesinnenministeriums beschloss 1966 die Innenministerkonferenz die Schaffung einer von Bund und Ländern getragenen »überregionale(n) Forschungs- und Bildungsstätte für die präventive und repressive Behandlung des Verbrechens (Kriminalistik, Kriminologie)«. Die Landesjustizverwaltungen standen diesen Zentralisierungsbestrebungen aufgrund der Erfahrungen mit dem kriminologischen Dienst296 im Nationalsozialismus skeptisch gegenüber und befürworteten stattdessen dezentrale Einrichtungen in den Ländern, etwa als Teil eines Verbundes mehrerer Zentralstellen oder an den Universitäten, oder ein Institut in der von Bund und Ländern getragenen MPG.297 Parallel kam 292 Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1042. Zur kriminologischen Forschung in den USA siehe Günther Kaiser: Kriminologie. Ein Lehrbuch. 3. Auflage. Heidelberg 1996, 71 ff. 293 Jescheck, Brief an MPG -Generalsekretär Friedrich Schneider vom 3.12.1968, zitiert nach Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1043. Friedrich Schneider (1913–1981) wurde 1966 MPG -Generalsekretär. Biografisch Karlson, Adolf Butenandt, 1990, 325. 294 Jescheck, Brief an MPG -Generalsekretär Schneider vom 03.12.1968, zitiert nach Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1043. 295 Hierzu Reinhard Böttcher: Die Kriminologische Zentralstelle in Wiesbaden. Wie es dazu kam. In: Hans-Jörg Albrecht et al. (Hg.): Internationale Perspektiven in Kriminologie und Strafrecht. Festschrift für Günther Kaiser zum 70. Geburtstag. Bd. 1 (Halbband). Berlin 1998, 47–56, 50 ff. 296 Gernot Steinhilper: Der Kriminologische Dienst (§ 166 StVollzG) – Anspruch und Wirklichkeit. In: Hans-Jürgen Kerner, Hans Göppinger und Franz Streng (Hg.): Kriminologie – Psychiatrie – Strafrecht. Festschrift für Heinz Leferenz zum 70. Geburtstag. Heidelberg 1983, 91–106, 91. 297 Vgl. Böttcher, Kriminologische Zentralstelle, 1998, 47–56, 50. Die Justizministerkonferenz sprach sich letzten Endes gegen eine universitäre Lösung aus und forderte die Gründung einer zentralen, von Bund und Ländern gemeinsam getragenen kriminologischen Forschungsstelle. Die »Kriminologischen Zentralstelle« wurde nach langen Verhandlungen 1981 in Wiesbaden gegründet und nahm 1986 ihre Arbeit auf. Zur Ent-
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es Anfang der 1970er Jahre beim Bundeskriminalamt zu einer Reorganisation der kriminologisch-kriminalistischen Forschung,298 in deren Verlauf ein kriminalistisches Institut beim Bundeskriminalamt gegründet wurde.299 Bei den Verantwortlichen im Kuratorium des Freiburger Max-Planck- Instituts, das unter dem Vorsitz von Walter Strauß stand, fand Jescheck Unterstützung für die Idee der Erweiterung des Freiburger Forschungsprofils durch die Kriminologie. Das Kuratorium war sich einig über die »Notwendigkeit der zentralen Förderung der Kriminologie« und der »Ergänzung des Strafrechts durch die Kriminologie«300 und sprach sich mehrheitlich für die Erweiterung des Instituts um eine eigenständige Abteilung für Kriminologie aus.301 Auf der anderen Seite sah das Kuratorium die Gefahr, dass die verstärkte Förderung der außeruniversitären Forschung auf dem Gebiet der Kriminologie durch Einrichtungen von MPG und DFG zu einer Konkurrenzsituation zur kriminologischen Forschung an den Universitäten führen könnte, die von diesen nicht mehr auf Augenhöhe gestaltet werden könne. In einer Stellungnahme von Rudolf Sieverts hieß es: »Es wäre übrigens zu befürchten, daß, wenn ein Max-Planck-Institut für Kriminologie eingerichtet würde, das ein Vorwand für die DFG und die Länder sein könnte, zu meinen, daß damit nun genug für die kriminologische Forschung getan worden sei und nunmehr der dringende Ausbau der Kriminologie an den Universitäten aus diesem Motiv vernachlässigt würde.«302 Die Konkurrenzsituation betraf auch das unmittelbare Forschungsumfeld des Freiburger Instituts, mit dem gut ausgestatteten Universitätsinstitut für Kriminologie vor Ort. Hinzu kam das 1962 begründete Institut für Kriminologie an der Universität Tübingen303 unter der Leitung von Hans Göppinger (1919–1996), das seit 1969 zudem durch Förderungsprogramme der DFG unterstehungsgeschichte der Wiesbadener Kriminologischen Zentralstelle siehe Böttcher, Kriminologische Zentralstelle, 1998, 47–56. 298 Günther Kaiser: Stand und Entwicklung der kriminologischen Forschung in Deutschland. Berlin 1975, 8. 299 Steinhilper, Der Kriminologische Dienst, 1983, 91–106, 93. 300 Kuratorium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br., Protokoll der Sitzung vom 26.2.1969, 16, zitiert nach Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1044. Jescheck, Brief an MPG -Präsident Butenandt vom 8.4.1969, MPGA , III . Abt., ZA 88, Bd. 84. 301 Kuratorium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br., Protokoll der Sitzung vom 26.2.1969, 16, zitiert nach Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1044. 302 Rudolf Sieverts, Stellungnahme vom 6.3.1969, zitiert nach Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1041. 303 Zur Entstehungsgeschichte des Tübinger Universitätsinstituts für Kriminologie siehe Jörg Kinzig und Hans-Jürgen Kerner: Das Institut für Kriminologie der Eberhard Karls Universität Tübingen von 2004 bis 2014. In: Tillmann Bartsch et al. (Hg.): 50 Jahre Südwestdeutsche und Schweizerische Kriminologische Kolloquien. Berlin 2017, 95–133, 95 ff.; Werner Maschke: Das Institut für Kriminologie der Universität Tübingen. In: Heinz Müller-Dietz (Hg.): Dreißig Jahre südwestdeutsche und schweizerische kriminologische Kolloquien. Freiburg im Breisgau 1994, 78–110, 79 ff.
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stützt wurde.304 Zugleich stand jedoch außer Frage, dass die kriminologische Forschung an den bundesdeutschen Universitäten nach internationalem Maßstab nicht konkurrenzfähig war.305 Der englische Kriminologe Leon Radzinowicz (1906–1999), Leiter des Institute of Criminology an der Universität Cambridge, der mit der deutschen Forschungslandschaft gut vertraut war, betrachtete beispielsweise die kriminologischen Forschungseinrichtungen an den Universitäten nur als »erweiterte Seminare«. Allenfalls das Institut in Freiburg und das Bundeskriminalamt in Wiesbaden seien, so Radzinowicz, »in ihrer Art für die Bundesrepublik beispielhaft« und trügen zur Entwicklung der Kriminologie bei, auch wenn Ausbildung nicht deren primäre Aufgabe sei.306 In Anbetracht der möglichen Widerstände, die von Länderseite gegenüber dem Freiburger Antrag zu erwarten gewesen wären, ließ Jescheck von der Idee einer »großen Lösung« in Form einer selbstständigen Abteilung für Kriminologie ab und bemühte sich statt dessen um die Verwirklichung einer »kleinen Lösung«.307 An MPG -Präsident Butenandt schrieb Jescheck in dieser Angelegenheit: Mein Antrag zielt daher auf Verwirklichung der »kleinen Lösung«. Sie besteht darin, dem Institut im Rahmen eines Ausbauprogramms von 6–8 Jahren etwa 8 zusätzliche Planstellen für Wissenschaftler, 4 ½ weitere Personalstellen, 60000 DM laufende Bibliotheksmittel und 10000 DM laufende Sachmittel für Forschungsprojekte zur Verfügung zu stellen, damit kriminologische Forschung im begrenzten Rahmen der juristischen Fragestellungen selbständig betrieben werden kann.308
Jeschecks Antrag hatte Erfolg: Der Verwaltungsrat der MPG stimmte der Gründung einer kriminologischen Forschungsgruppe 1969 zu.309 Erster Direktor der im Jahr 1970 eingerichteten Forschungsgruppe wurde Günther Kaiser (1928–2007).310 304 Günther Kaiser: Kriminologische Forschung in Deutschland und die empirischen Untersuchungen am Max-Planck-Institut. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 83/4 Auslandsteil (1971), 1093–1130, 1100. Die DFG unterhielt an der Universität Tübingen einen Sonderforschungsbereich Kriminologie und einen sog. Schwerpunkt »Empirische Kriminologie«. 305 Radzinowicz, Strafrecht und Kriminologie, 1961, 17–34, 27. Zum Stand der kriminologischen Forschung in Deutschland Anfang der 1960er Jahre siehe Radzinowicz, Strafrecht und Kriminologie, 1961, 17–34, 24 ff.; Thomas Würtenberger: Notwendigkeit und Möglichkeit einer koordinierten kriminologischen Forschung. In: Bundeskriminalamt (Hg.): Grundlagenforschung und Kriminalpolizei. Arbeitstagung im Bundeskriminalamt Wiesbaden vom 21.–25. April 1969. Wiesbaden 1969, 225–238, 233 ff.; Kaiser, Kriminologische Forschung, 1971, 1093–1130, 1099 ff.; Kaiser, Stand und Entwicklung, 1975, 10 ff. 306 Radzinowicz, Strafrecht und Kriminologie, 1961, 17–34, 27–28. 307 Jescheck, Brief an MPG -Präsident Butenandt vom 8.4.1969, AMPG , III . Abt., ZA 88, Bd. 84, S. 3. 308 Jescheck an Präsident Butenandt, 8.4.1969, AMPG , III . Abt., ZA 88, Bd. 84. 309 MPG -Präsident Butenandt, Brief an Jescheck vom 3.6.1969, zitiert nach Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1047. 310 Günther Kaiser (1928–2007). Biografisch: Heinz Müller-Dietz: Günther Kaiser zum Gedächtnis. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 120/1 (2008), 1–10; Hans-Jörg Albrecht: Günther Kaiser. Jahresbericht der Max-Planck-Gesellschaft Beilage Personalien
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Schon drei Jahre später, 1973, wurde die Forschungsgruppe zu einer eigenständigen Abteilung aufgewertet, die gleichrangig neben die strafrechtliche Abteilung trat.311 Man möchte Günther Kaiser zustimmen, dass Jescheck mit dieser Erweiterung des Freiburger Forschungsprofils die »Gunst der Stunde« genutzt hat.312 Zwei Aspekte dürften dabei glücklich zusammengekommen sein: zum einen das verstärkte Interesse an kriminologischer Grundlagenforschung und zum anderen die Bereitschaft von Bund und Ländergemeinschaft, die kriminologische Forschung finanziell zu fördern. Mit der Erweiterung durch die Kriminologie war das Forschungsprofil zusammengestellt, das bis 2019 die Grundlage des Freiburger Instituts mit seinen zwei Abteilungen bildete: eine strafrechtlichrechtsvergleichende Abteilung und eine kriminologische Abteilung.313 HansHeinrich Jescheck prägte hierfür die viel zitierte Formulierung »Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach«,314 die durch die Einweihung des neuen
311
312 313 314
(2009), 17–19; Heinz Schöch: Lebensstationen Günther Kaisers. In: Hans-Jörg Albrecht (Hg.): Kriminalität, Kriminalitätskontrolle, Strafvollzug und Menschenrechte. Internationales Kolloquium zum Gedenken an Professor Dr. Günther Kaiser vom 23. Januar 2009. Berlin 2016, 3–10; autobiografisch: Günther Kaiser: [Selbstdarstellung]. In: Eric Hilgendorf (Hg.): Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen. Berlin 2010, 209–235. Siehe ergänzend die Würdigungen seiner MPI-Kollegen: Albin Eser: Gemeinsames Wirken mit Günther Kaiser am Max-Planck-Institut. In: Hans-Jörg Albrecht (Hg.): Kriminalität, Kriminalitätskontrolle, Strafvollzug und Menschenrechte. Internationales Kolloquium zum Gedenken an Professor Dr. Günther Kaiser vom 23. Januar 2009. Herausgegeben zum 50-jährigen Bestehen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg, am 1. Juli 2016. Berlin 2016, 11–14; Hans-Heinrich Jescheck: Kriminologie und Strafrecht am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Jahre gemeinsamer Arbeit mit Günther Kaiser. In: HansJörg Albrecht et al. (Hg.): Internationale Perspektiven in Kriminologie und Strafrecht. Festschrift für Günther Kaiser zum 70. Geburtstag. Bd. 1 (Halbband). Berlin 1998, 9–30. Zur weiteren inhaltlichen Entwicklung der kriminologischen Forschung am Freiburger MPI siehe insbesondere Günther Kaiser: Kriminologische Forschung – Programm und Wirklichkeit. Versuch einer Bilanz nach einem Vierteljahrhundert. In: Albin Eser und Günther Kaiser (Hg.): Kriminologische Forschung im Übergang. Festveranstaltung anlässlich des Amtswechsels von Günther Kaiser zu Hans-Jörg Albrecht am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Freiburg im Breisgau 1997, 19–40. Kaiser, Kriminologie, 1985, 1035–1059, 1045. Das dualistische Konzept war nicht unumstritten (vgl. Kaiser, Selbstdarstellung Kaiser, 2010, 209–235, 221). Siehe zum Beispiel Hans-Heinrich Jescheck: Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach. Freiburger Universitätsblätter, 1980, 39–43; Hans-Heinrich Jescheck: Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach. In: Hans-Jörg Albrecht und Josef Kürzinger (Hg.): Kriminologie in Europa – europäische Kriminologie? Kolloquium aus Anlass des 65. Geburtstags von Günther Kaiser. Freiburg im Breisgau 1994, 7–11; Hans-Heinrich Jescheck: Strafrecht und Kriminologie unter einem Dach. In: Theo Vogler (Hg.): Hans-Heinrich Jescheck. Beiträge zum Strafrecht 1980–1998. Berlin 1998, 525–528; Jescheck, Schlussworte, 2006, 152–160; siehe auch Kaiser, Strafrecht und Kriminologie, 2006, 66–77.
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Institutsgebäudes im Süden Freiburgs 1978 auch architektonisch zum Ausdruck gebracht wurde. 6.4
Schlaglichter zur weiteren Entwicklung des Freiburger Max-Planck-Instituts bis zum Ende der Ära der Gründungsdirektoren in den 1990er Jahren
Die weitere Entwicklung des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht unter dem Direktorat der Gründungsdirektoren Jescheck und Kaiser stand ganz im Zeichen der Expansion. Die finanzielle Absicherung durch die MPG ermöglichte es dem Institut, sich auf allen Ebenen zu verbessern und sich insbesondere den juristischen Schwesterinstituten anzunähern. Wie diese machte sich das Freiburger Institut daran, ein Großbetrieb der Wissenschaft zu werden.315 In räumlicher Hinsicht konnte vor allem der Institutsneubau von 1978 die Engpässe beheben und das bislang auf verschiedene Gebäude verteilte Institut und insbesondere die weit verstreute Bibliothek in einem Gebäude zusammenführen. Auch der Personalbestand expandierte: Hatte das Freiburger Max-Planck-Institut kurz nach der Gründung 1966 einen Personalbestand von 28 Personen gehabt (wovon 15 Personen dem Wissenschaftsbereich und 13 Personen dem Bereich der Verwaltung angehörten),316 waren es 1983 schon 150 Personen (114/36)317 und 1995 immerhin noch 136 Personen (95/41).318 Die erhöhten Geldmittel kamen auch der Bibliothek zu Gute: Mitte der 1960er Jahre überschritt der Bücherbestand der Bibliothek die Marke von 50.000 Bänden und verdoppelte sich schon Mitte der siebziger Jahre auf 100.000 Bände. Ein Jahrzehnt später folgte die Verdopplung auf 200.000 Bände und schließlich Mitte der 2000er Jahre eine weitere Verdopplung auf 400.000 Bände. Bei einem jährlichen Wachstum von etwa 8.000 Bänden dürfte die Marke der halben Million Bände in den nächsten Jahren erreicht werden, womit die Freiburger Bibliothek zu den größten Spezialbibliotheken für Strafrecht und Kriminologie auf der Welt gehört. 315 Zur weiteren inhaltlichen Entwicklung der kriminologischen und strafrechtlichen Forschung am Freiburger MPI unter dem Direktorat der Gründungsdirektoren Jescheck und Kaiser, die hier aus Platzgründen nicht weiter nachgezeichnet werden kann, siehe Jescheck, Kriminologie, 1998, 9–30; Jescheck, Strafrecht, 1980, 39–43; Jescheck, Strafrecht, 1994, 7–11; auch erschienen als Jescheck, Strafrecht, 1998, 525–528; Jescheck, Schlussworte, 2006, 152–160; Kaiser, Kriminologische Forschung, 1997, 19–40; Kaiser, Strafrecht und Kriminologie, 2006, 66–77; Eser, Gemeinsames Wirken, 2016, 11–14. 316 Henning und Kazemi, Handbuch, 2016, Bd. 2, 1522. 317 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht: Tätigkeitsbericht 1983. Freiburg im Breisgau. 318 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht: Tätigkeitsbericht 1994/95. Freiburg im Breisgau. Aktuell (2022) arbeiten beim Freiburger Max-PlanckInstitut rund 150 Personen, wovon ca. 100 dem Wissenschaftsbereich und 50 der Verwaltung angehören (Auskunft der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft).
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Die Ära der Gründungsdirektoren endete mit dem Ende der Dienstzeit des Gründungsdirektors der kriminologischen Abteilung, Kaiser, im Jahre 1996; sein Nachfolger wurde 1997 Hans-Jörg Albrecht (geb. 1950), der zuvor in Dresden und Konstanz gelehrt hatte und zwischen 1976 und 1991 wissenschaftlicher Referent am Freiburger MPI gewesen war. Der Generationswechsel bei der Leitung der strafrechtlichen Abteilung hatte schon 1982 mit dem Ende der Dienstzeit von Jescheck ihr Ende gefunden: Sein Nachfolger wurde Albin Eser,319 der nach Tätigkeiten in Bielefeld und Tübingen 1982 die Nachfolge Jeschecks antrat.320 Die Gründungsdirektoren Jescheck und Kaiser blieben dem Freiburger Institut auch nach ihrem Ausscheiden noch bis ins hohe Alter verbunden.
7.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Ich fasse die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammen. Erstens, das heutige Freiburger Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht (bis 2020: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht) ist gegenüber seinen juristischen Schwesterinstituten für ausländisches und internationales Privatrecht und für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht erst spät zur Max-Planck-Gesellschaft gekommen. Hervorgegangen aus einem 1938 in Freiburg gegründeten und nach dem Krieg fortgeführten Universitätsseminar wurde es 1954 mit Unterstützung des Bundesjustizministeriums zunächst als Übergangslösung in eine öffentliche Stiftung umgewandelt und schließlich nach langjährigen Verhandlungen 1966 in die Max-Planck-Gesellschaft eingegliedert. Zweitens, der sich über fast dreißig Jahre hinziehende Vorgang der institutionellen Verselbstständigung der strafrechtsvergleichenden Forschung in Freiburg verlief nicht ohne Widerstände. Nach erfolglosen Versuchen in den 1940er Jahren bei der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und in den 1950er Jahren bei der Max-Planck-Gesellschaft glückte sie erst im dritten Anlauf in den 1960er Jahren bei Letzterer. Drittens, für die Verzögerung können verschiedene Gründe identifiziert werden. Während die Gründung bei der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in den 1940er Jahren allein aufgrund der Kriegsereignisse nicht realisiert wurde, ist 319 Zu Albin Eser (geb. 1935) siehe Thomas Weigend: Albin Eser zum 80. Geburtstag. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 127/1 (2015), 1–9; autobiografisch: Albin Eser: [Selbstdarstellung]. In: Eric Hilgendorf (Hg.): Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen. Berlin 2010, 75–122. 320 Ihm folgte von 2003 bis 2019 Ulrich Sieber (geb. 1950). Im Jahre 2019 wurde das Forschungsprofil des Freiburger Instituts durch die Hinzunahme des Rechts der öffentlichen Sicherheit abermals erweitert. Das Direktorium des seit 2020 unter dem Namen »MaxPlanck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht« firmierenden Instituts besteht aus Tatjana Hörnle (Abteilung Strafrecht), Jean-Louis van Gelder (Abteilung Kriminologie) und Ralf Poscher (Abteilung öffentliches Recht).
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die fehlgeschlagene Gründung bei der Max-Planck-Gesellschaft in den 1950er Jahren einerseits auf Widerstände in der Ländergemeinschaft zurückzuführen, die dem Engagement des Bundes kritisch gegenüberstand, und andererseits auf eine von der Max-Planck-Gesellschaft vorgenommene Priorisierung anderer geisteswissenschaftlicher Neugründungen. Viertens, auch die Eingliederung des Freiburger Stiftungsinstituts in die Max-Planck-Gesellschaft, die 1966 zustande kam, erwies sich als ein mühsamer Vorgang und zog sich über mehrere Jahre hin. Wie schon zuvor wurden von der Ländergemeinschaft sowohl finanzielle als auch inhaltliche Vorbehalte gegen die Gründung neuer geisteswissenschaftlicher Institute aufgerufen. Mit der Einigung von Bund und Ländern und der Neujustierung des Systems der föderativen Wissenschaftsförderung wurde jedoch der Weg geebnet für die Eingliederung des Freiburger Stiftungsinstituts in die Max-Planck-Gesellschaft. Eine wichtige Rolle bei der erfolgreichen Gründung des Freiburger MPI spielte das persönliche Engagement einzelner Persönlichkeiten aus Wissenschaft (vor allem Hans-Heinrich Jescheck), Politik (allen voran Staatssekretär Walter Strauß, BMJ) und aus den Reihen der Max-Planck-Gesellschaft (insbesondere MPG -Präsident Adolf Butenandt). Fünftens, die erfolgreiche Freiburger Gründung im Jahre 1966 war hierbei Teil der zweiten Welle geisteswissenschaftlicher Neugründungen der Nachkriegszeit und profitierte von einer allgemeinen Gründungsoffensive in der Max-PlanckGesellschaft unter Butenandts Präsidentschaft in der Zeit von 1960 bis 1972. Die geisteswissenschaftlichen Neugründungen dieser Jahre, die die Zahl der Institute in der geisteswissenschaftlichen Sektion von vier im Jahr 1960 auf neun bis 1972 mehr als verdoppelten, belegen den Bedeutungsgewinn der geisteswissenschaftlichen Forschung in der Max-Planck-Gesellschaft und die besondere Rolle, welche die juristischen Institute in diesem Rahmen spielten. Sechstens, eine wichtige Erweiterung seines Forschungsprofils erfuhr das Freiburger Institut durch die Hinzunahme der Kriminologie in den Jahren 1970–1973. Das MPI erhielt damit eine einzigartige Kombination von normativ-strafrechtsvergleichender Forschung und empirisch-kriminologischer Forschung. Die erfolgreiche Erweiterung war sichtbarer Ausdruck des damals weithin geteilten Bedürfnisses nach kriminologischer Grundlagenforschung. Siebtens, die Einbindung in die Max-Planck-Gesellschaft bescherte dem Freiburger Institut eine Expansion auf allen Ebenen und markierte den Beginn der Entwicklung des MPI zum wissenschaftlichen Großbetrieb von Weltrang auf dem Gebiet der strafrechtsvergleichenden und kriminologischen Forschung.
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Anhang Archivalien Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem (AMPG ) Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, AMPG , I . Abt., Rep. 1A, Nr. 81/1. Senat, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 52.SP. Verwaltungsrat, AMPG , II . Abt., Rep. 61, Nr. 67.VP. Generalverwaltung: Institutsbetreuung, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4114. Generalverwaltung: Institutsbetreuung, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4116. Nachlässe: Nachlass Hans-Heinrich Jescheck, III . Abt., ZA 88. Bundesarchiv, Koblenz ( BA rch) BA rch, B 196/7169: Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung. Bundesarchiv, Berlin ( BA rch) BA rch, R 73/14469: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Förderakte Adolf Schönke. Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA ) 69 Verlag CFM Nr. 771: Archiv Verlag C. F. Müller: Eckart Pieske, Zum 30. Todestag von Professor Dr. Adolf Schönke, Manuskript v. 1983, 16 Seiten. Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg, Freiburg i. Br. (St AF ) C 20/1 Nr. 908: Badisches Ministerium der Justiz; Internationale Interessengemeinschaften auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts / 1946–1952. C 25/2 Nr. 167: Badisches Ministerium des Kultus und Unterrichts, Personalakte Adolf Schönke. C 25/3 Nr. 358: Badisches Ministerium des Kultus und Unterrichts, Institutsaversen, Personal, Bibliothek und sachliche Ausstattung des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg i. Br. (MPI ) MPI für ausländisches und internationales Strafrecht Freiburg i. Br., Tätigkeitsberichte. Universitätsarchiv Freiburg, Freiburg i. Br. ( UAF ) B 152: Institut für ausländisches und internationales Strafrecht (Schönke) (1938–1954), Allgemeiner Schriftverkehr. B 156: Institut für ausländisches und internationales Strafrecht (Jescheck) (1954–1995), Allgemeiner Schriftverkehr. B 156/10: Lehrstuhl Prof. Jescheck; Auflösung der Stiftung »Institut für ausl. und internat. Strafrecht« und Vorbereitung der Umwandlung in ein Max-Planck-Institut, 1966. B 24/3413: Personalakte Adolf Schönke.
Literatur Albert-Ludwigs-Universität: Personal-Verzeichnis für 1941. Freiburg im Breisgau. –: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis. Wintersemester 1953/54. Freiburg im Breisgau. –: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis. Wintersemester 1955/56. Freiburg im Breisgau. –: Personen- und Vorlesungs-Verzeichnis. Sommersemester 1960. Freiburg im Breisgau.
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Das strafrechtliche MPI in Freiburg
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Sascha Ziemann
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Das strafrechtliche MPI in Freiburg
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Eric Steinhauer
Ein Institut auf der Suche nach seinem Gegenstand Die Geschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht von 1966 bis 2002
1.
Ein Institut mit vielen Namen
Das 1966 gegründete »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« konnte im Jahr 2016 auf sein fünfzigjähriges Bestehen zurückblicken.1 Allerdings tat es dies als »Max-PlanckInstitut für Innovation und Wettbewerb« und damit unter einer anderen Bezeichnung. Darin wurde aber kein Bruch mit der bisherigen Institutsgeschichte gesehen.2 Der neue Name stand vielmehr für eine organische Weiterentwicklung der bisherigen Forschungsaktivitäten. Eine Einrichtung umzubenennen, ist im Kreis der juristischen Max-Planck-Institute ein zwar seltener, aber keineswegs unerhörter Vorgang. Dennoch ist die Namensgeschichte des heutigen »Instituts für Innovation und Wettbewerb« besonders, da hier nicht wie in anderen Fällen nach mehreren Jahrzehnten eine neue Bezeichnung gewählt wurde.
1 In verschiedenen Publikationen wird uneinheitlich mal 1965, vgl. Paul Katzenberger: Eugen Ulmer (1903–1988). In: Simon Apel, Louis Pahlow und Matthias Wiessner (Hg.): Biographisches Handbuch des Geistigen Eigentums. Tübingen 2017, 267–273, 272, mal 1966 als Jahr der Institutsgründung angegeben, vgl. Martin Otto: Eduard Reimer (1896–1957). In: Ebenda, 235–239, 237. Beide Angaben sind auf ihre Weise zutreffend. Der formale Gründungsbeschluss sowie die Bestellung von Eugen Ulmer als Gründungsdirektor erfolgten auf einer Sitzung des Senats der Max-Planck-Gesellschaft am 14. Dezember 1965, die Arbeitsaufnahme aber am 1. März 1966 in den Räumen des Reimer-Instituts beim Deutschen Patentamt, vgl. Eckart Henning und Marion Kazemi: Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–2011. Daten und Quellen. Berlin 2016, 156, 161. Henning und Ullmann führen den Dezember Termin als Berufungsdatum von Eugen Ulmer an, lassen seine Amtszeit als Institutsdirektor jedoch erst 1966 beginnen, vgl. Eckart Henning und Dirk Ullmann: Wissenschaftliche Mitglieder der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften im Bild. Berlin 1998, 74. Das spricht dafür, auch die tatsächliche Gründung des Instituts erst im Jahr 1966 mit der Arbeitsaufnahme anzusetzen. 2 Vgl. nur Reto M. Hilty: Vorwort. Tätigkeitsbericht 2015–2017. München: Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb 2018, 4–5, 4.
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Eric Steinhauer
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Vielmehr war der im Jubiläumsjahr geführte Name bereits die dritte Neubenennung des Instituts – in dem recht kurzen Zeitraum von 2002 bis 2014. So firmierte dieses zuvor als »Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht« sowie als »Max-Planck-Institut für Immaterialgüterund Wettbewerbsrecht«. Was mag der Grund für diese in der jüngeren Institutsgeschichte fast schon hektisch anmutenden Umbenennungen sein, noch dazu bei einer Einrichtung, die im Markenrecht einen wichtigen Forschungsschwerpunkt hat und der man daher eine gewisse Sensibilität für Bezeichnungen und Benennungen unter stellen darf? Offenbar ist es nicht leicht, die Themen und Arbeitsfelder des Instituts auf einen angemessenen Begriff zu bringen. Gerade der immaterialgüterrechtliche Schwerpunkt scheint hier eine Herausforderung gewesen zu sein. So wurden das Patent- und das Urheberrecht zunächst unter der begriffspolitisch nicht unproblematischen Bezeichnung »Geistiges Eigentum« zusammengefasst,3 sodann als »Immaterialgüterrecht« in Form eines in solcher Geschlossenheit eigentlich nicht existenten Rechtsgebiets bezeichnet,4 um am Ende in dem Wort »Innovation« aufzugehen. Das Wettbewerbsrecht hingegen hat erst in der dritten Umbenennungsrunde eine moderate Änderung zur schlichten Bezeichnung »Wettbewerb« erfahren. Die kurze Liaison mit dem Steuerrecht, die bereits nach wenigen Jahren zur Ausgründung eines eigenen steuerrechtlichen MaxPlanck-Instituts führte, kann für die Namensgeschichte außer Betracht bleiben. Die besondere Historie seiner Benennungen lässt es lohnenswert erscheinen, die nachfolgende Darstellung der Geschichte des Instituts, die bis zum Jahr 2002 als dem Jahr seiner ersten Umbenennung reichen wird, vor allem seinen
3 Vgl. Reto M. Hilty: »Der Ausdruck ›geistiges Eigentum‹ ist zum Kampfbegriff geworden«. Frankfurter Allgemeine Zeitung 132 (8.6.2012), 15; Thomas Dreier und Gernot Schulze: Urheberrechtsgesetz. Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz, Verwertungsgesellschaftengesetz, Nebenurheberrecht, Kunsturhebergesetz. Kommentar. 7. Auflage. München 2022, Einl., Rn. 29 mit explizitem Bezug auf die Namensänderungen des Max-Planck-Instituts; Manfred Rehbinder und Alexander Peukert: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Ein Studienbuch. 18. Auflage. München 2018, § 1, Rn. 33. Kritisch dazu Horst-Peter Götting: Gewerblicher Rechtsschutz. Patent-, Gebrauchsmuster-, Design- und Markenrecht. Ein Studienbuch. 11. Auflage. München 2020, § 1, Rn. 2; Haimo Schack: Urheber- und Urhebervertragsrecht. 8. Auflage. Tübingen 2017, Rn. 23. Pointiert Hans Forkel: Urheberrecht. In: Willi Albers et al. (Hg.): Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften. Bd. 8: Die Terminmärkte bis Wirtschaft der DDR . Stuttgart 1980, 171–176, 172: »Allerdings vermeidet man es im deutschen Privatrecht, von geistigem Eigentum zu sprechen, aus der Erkenntnis heraus, dass immaterielle Güter wegen ihrer Eigenart und ihrer Bedeutung für das menschliche Zusammenleben rechtlich weithin anders zu behandeln sind als Sachgüter.« Zum ganzen Hannah Wirtz: Geistiges Eigentum. In: Jessica Heesen (Hg.): Handbuch Medien- und Informationsethik. Stuttgart 2016, 241–247, 221–247. 4 Zur Problematik eines Oberbegriffes »Immaterialgüterrecht«, der für das Urheberrecht nicht gut passt, Dreier, in Dreier und Schulze, Urheberrechtsgesetz, München 2022, Einl., Rn. 29.
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Das MPI für Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht
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Themen und Arbeitsfeldern zu widmen, die korrekt zu bezeichnen, offenbar eine Herausforderung ist.5
2.
Vorgeschichte und Institutsgründung
Als das »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« am 1. März 1966 seine wissenschaftliche Arbeit aufnahm, war dies keine institutionelle Neugründung. Zu diesem Zeitpunkt hatte es mit dem 1952 an der Ludwig-Maximilians-Universität gegründeten »Institut für ausländisches und internationales Patent-, Marken- und Urheberrecht« bereits eine vierzehnjährige Vorgeschichte als eine vor allem auf dem Gebiet des Patentrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes arbeitende Forschungsinstitution.6 Gründer und Leiter dieses Instituts war Eduard Reimer (1896–1957), ein Pionier der deutschen Patentrechtswissenschaft und erster Präsident des Deutschen Patentamts, in dessen Räumlichkeiten beim Deutschen Museum das Institut untergebracht war.7 Der am 8. Dezember 1896 in Berlin geborene Reimer hatte nach seinem JuraStudium an der dortigen Universität 1922 in Breslau mit einer staatshaftungsrechtlichen Arbeit bei Hans Helfritz promoviert.8 Nach dem Assessorexamen 5 Die Geschichte des Max-Plank-Instituts ist bisher kaum bearbeitet worden, vgl. Thomas Hoeren: »Der Verwaltungsausschuß empfiehlt die Ablehnung« – Überlegungen zur Geschichte des Münchener MPI . In: Götz von Olenhusen und Thomas Gergen (Hg.): Kreativität und Charakter. Recht, Geschichte und Kultur in schöpferischen Prozessen. Festschrift für Martin Vogel zum siebzigsten Geburtstag. Hamburg 2017, 111–128, 111. Dieser Beitrag betritt daher Neuland. Es ist nicht beabsichtigt, eine erschöpfende Institutsgeschichte vorzulegen, wohl aber Anregungen für weitere Forschungen zu geben. Für die Fragestellung dieses Beitrags kommt Chroniken, Jahresberichten, Bibliographien und Vortragsverzeichnissen sowie Beratungsunterlagen über die Personalfragen und die künftige Ausrichtung des Instituts eine besondere Bedeutung zu. 6 Friedrich-Karl Beier gibt 1953 als Gründungsjahr an, was wohl dem Jahr der tatsächlichen Arbeitsaufnahme entspricht, vgl. Friedrich-Karl Beier: Erinnerungen an Eugen Ulmer. In: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht (Hg.): Eugen Ulmer zum Gedächtnis. Weinheim 1989, 1–26, 6; Eugen Ulmer: Rechtsvergleichung und Grundlagenforschung im Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz. GRUR Int. 17/1 (1968), 1–7, 1. Die formale Gründung bzw. deren offizielle Verlautbarung erfolgte bereits 1952, vgl. Ulmer, Rechtsvergleichung und Grundlagenforschung, 1968, 1–7, 1. 7 Carl Becker nennt den 20. Oktober 1952 als Tag der förmlichen Konstituierung des Instituts durch einen Entschluss des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus: Carl Becker: 15 Jahre Institut für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht der Universität München. Chronik der Ludwig-Maximilians-Universität 1967/68. München 1969, 60–62, 60–61. 8 Eduard Reimer: Die Haftung des Staates oder Kommunalverbandes für Amtspflichtverletzungen der Volksschul- und städtischen Oberlehrer in Preußen. Dissertation. Breslau 1922. Die nachfolgende Darstellung stützt sich auf Otto, Eugen Ulmer, 2017, 235–239;
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Eric Steinhauer
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arbeitete Reimer als Rechtsanwalt in der auf Fragen des geistigen Eigentums spezialisierten Kanzlei von Hermann und Rudolf Isay.9 Erste Veröffentlichungen waren dem Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht gewidmet.10 Nach dem Krieg nahm er nach einer kurzen Zeit als Amtsrichter in Blankenburg seine anwaltliche Tätigkeit in Berlin wieder auf und wandte sich in seinen Veröffentlichungen nunmehr vermehrt patentrechtlichen Fragen zu. Hervorzuheben ist sein 1949 erschienener Kommentar zum Patentgesetz.11 Ab 1947 hielt Reimer Vorlesungen zum Wettbewerbs-, Erfinder- und Urheberrecht an der Berliner Universität, seit 1948 als Honorarprofessor, verlagerte ab dem Sommersemester 1949 aber seine Vorlesungstätigkeit an die Freie Universität. Am 1. Oktober 1949 wurde Reimer zum ersten Präsidenten des Patentamts des Vereinigten Wirtschaftsgebiets in München bestellt, aus dem 1950 das Deutsche Patentamt hervorging. Auch wissenschaftlich konnte sich Reimer erfolgreich in München etablieren. Bereits 1949 wurde er zum Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität ernannt, wo er drei Jahre später das bereits erwähnte Institut gründete. Reimer starb überraschend am 5. Juni 1957 auf einer internationalen Konferenz in Nizza, die markenrechtlichen Fragen gewidmet war.12 Die im Patentamt untergebrachte »Reimer-Forschungsstelle« war nicht der direkte und einzige Vorläufer des späteren Max-Planck-Instituts. Hier wäre noch das »Institut für Urheber- und Verlagsrecht« zu nennen, das 1955 mit der Berufung von Eugen Ulmer an die Ludwig-Maximilians-Universität München bei der dortigen Fakultät eingerichtet wurde.13 Für den am 26. Juni 1903 in Stuttgart geborenen Ulmer war der Wechsel nach München nach einer kurzen Station in Rostock und einer 25jährigen, nur durch Kriegseinsatz und Gefangenschaft unterbrochenen Lehrtätigkeit in Heidelberg, die dritte akademische 9 10
11
12 13
Martin Otto: Die Geschichte des Patentrechts der Bundesrepublik Deutschland und seine Vorgeschichte unter alliierter Verwaltung. In: Martin Otto und Diethelm Klippel (Hg.): Geschichte des deutschen Patentrechts. Tübingen 2015, 289–313, 300–301. Zu Hermann Isay und seiner Bedeutung für die deutsche Patentrechtswissenschaft vgl. Franz Hederer: Hermann Isay (1873–1938). In: Simon Apel, Louis Pahlow und Matthias Wiessner (Hg.): Biographisches Handbuch des Geistigen Eigentums. Tübingen 2017, 150–154. Eduard Reimer: Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht. Bd. 1: Allgemeine Grundlagen und Schutz der geschäftlichen Kennzeichnungsmittel. Berlin 1933; Eduard Reimer: Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht. Bd. 2: Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, zum Zugabe- und Rabattrecht und zu den einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über Wirtschaftswerbung. Berlin 1935. Eduard Reimer: Patentgesetz und Gesetz betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern. Bd. 1. Detmold 1949; Eduard Reimer: Patentgesetz und Gesetz betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern. Bd. 2. Detmold 1950; Eduard Reimer: Patentgesetz und Gesetz betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern. Bd. 3. Detmold 1955. Albrecht Krieger schildert als Augenzeuge die Todesumstände, vgl. Albrecht Krieger: Goethes Reise nach Italien – Die Bedeutung Eduard Reimers für ein ganzes berufliches Leben. GRUR Int. 45/4 (1996), 275–279, 275. Becker, 15 Jahre Institut für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht der Universität München, 1969, 60–62, 61.
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Station seiner wissenschaftlichen Laufbahn.14 Er hatte während seiner Referen darzeit 1926 eine handelsrechtliche Promotion bei Philipp Heck in Tübingen abgeschlossen.15 Bereits zwei Jahre später habilitierte er sich ebenfalls bei Heck mit einer Arbeit über Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht.16 Neben seinem Lehrer Heck wurde Ulmer von Martin Wolff,17 bei dem er in Berlin Assistent war, und von Ernst Rabel, der ihm ebenfalls in Berlin die Rechtsvergleichung nahegebracht hatte, geprägt. Sein umfangreiches wissenschaftliches Werk war in Ulmers Heidelberger Zeit, wo er einen Lehrstuhl für deutsches und auslän disches Privatrecht, Handels-, Wechsel- und Arbeitsrecht innehatte,18 vor allem zivil- und wirtschaftsrechtlichen Themen gewidmet, mit Schwerpunkten im Wettbewerbsrecht. Nach dem Krieg, insbesondere nach seinem Wechsel nach München wandte Ulmer sich verstärkt dem Urheberrecht zu, dessen führender Vertreter in Deutschland er wurde.19 Sein Lehrbuch des Urheberrechts kann als disziplinbildendes Grundlagenwerk bezeichnet werden, es hat auch international breite Anerkennung gefunden.20 Nach Reimers überraschendem Tod wurde dessen Forschungsstelle mit Ulmers Institut unter dem Namen »Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Markenrecht« zusammengeführt.21 Die leichte Umbe14 Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an Erwin Deutsch: Eugen Ulmer – ein Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts. In: Stefan Grundmann und Karl Riesenhuber (Hg.): Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler. Eine Ideengeschichte in Einzeldarstellungen. Bd. 1. Berlin 2007, 207–219; Katzenberger, Eugen Ulmer, 2017, 267–273. 15 Eugen Ulmer: Die direkte Anweisung im modernen Zahlungsverkehr, insbesondere das Dokumentenakkreditiv. Dissertation. Stuttgart 1926. 16 Eugen Ulmer: Warenzeichen und unlauterer Wettbewerb in ihrer Fortbildung durch die Rechtsprechung. Berlin 1929. 17 Martin Wolff (1872–1953) wirkte nach Studium und der 1900 erfolgten Habilitation 1914 zunächst in Marburg, 1919 in Bonn und dann ab 1921 in Berlin, wo er den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handelsrecht und Internationales Privatrecht innehatte. Er verlor 1935 wegen seiner jüdischen Abstammung seinen Lehrstuhl, emigrierte 1938 nach England und wurde Fellow des All Souls College in Oxford. Berühmt ist Wolff für sein 1910 erstmals publiziertes Lehrbuch des Sachenrechts. 18 Deutsch, Eugen Ulmer, 2007, 207–219, 208–218. 19 Friedrich-Karl Beier und Gerhard Schricker: Nachruf. GRUR Int. 37/6 (1988), 465–466, 466. 20 Eugen Ulmer: Urheber- und Verlagsrecht. 1. Auflage. Berlin 1951; Eugen Ulmer: Urheber- und Verlagsrecht. 2. Auflage. Berlin 1960; Eugen Ulmer: Urheber- und Verlagsrecht. 3. Auflage. Berlin 1980. Zum Lehrbuch in seinen verschiedenen Auflagen Deutsch, Eugen Ulmer, 2007, 207–219, 212–214; sowie Stig Strömholm: Zum 100. Geburtstag Eugen Ulmers. In: Joseph Straus und Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Im Dienste des Geistigen Eigentums. Festansprachen aus Anlass der Emeritierung von Professor Dr. jur. Dr. jur. h. c. mult. Gerhard Schricker und des 100. Geburtstages von Professor Dr. jur. Dr. jur. h. c. Eugen Ulmer, 26. Juni 2003. München 2003, 17–27, 23–24. 21 Becker, 15 Jahre Institut für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht der Universität München, 1969, 60–62, 61. Die Initiative dazu ist von Reimers damaligem Assistenten
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nennung, mit der das Urheberrecht nunmehr an die zweite Stelle des Instituts namens aufrückte, darf als eine, den fachlichen Interessen Ulmers geschuldete inhaltliche Aufwertung dieses Rechtsgebiets verstanden werden.22 Die Anbindung des Instituts an die Universität wurde schnell als unbefriedigend empfunden, denn die dort zur Verfügung stehenden Ressourcen setzten einer niveauvollen Auslandsrechtskunde und auch der rechtsvergleichenden Arbeit schnell Grenzen.23 Daher wurden bereits 1960 erste Überlegungen angestellt, das Institut in die Max-Planck-Gesellschaft zu überführen.24 Diese am Ende erfolgreiche Initiative musste zunächst freilich erhebliche Hindernisse überwinden und wird in ihrem Ergebnis am treffendsten wohl als eine vor allem politische und weniger wissenschaftsorganisatorische Entscheidung zu charakterisieren sein. Drei Aspekte bzw. Argumentationsstränge dominierten die recht kontrovers geführte Gründungsdiskussion. Zunächst ging es um die ganz grundsätzliche Frage, ob ein neues außeruniversitäres Forschungsinstitut im Bereich der Geisteswissenschaften unter dem Dach der MaxPlanck-Gesellschaft errichtet werden sollte.25 Hier wurde die Ansicht vertreten, dass doch eigentlich die Universität der richtige Ort für eine unabhängige und zweckfreie geisteswissenschaftliche Forschung sei. Ein besonderes Maß an Spezialisierung oder ein besonderer technischer Aufwand, der an einer Universität nicht geleistet werden kann, wurde für die Forschungsfelder des Instituts in ersten Einschätzungen innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft eher verneint.26 Mit der Frage der Spezialisierung wird ein weiterer Problemkreis berührt, denn die Themen des geplanten Instituts wurden als zu wenig spezifisch für eine eigene Forschungseinrichtung angesehen. Zwar wurde von den Befürwortern einer Institutsgründung ins Feld geführt, dass es sich vor allem beim PaFriedrich-Karl Beier ausgegangen, der Ulmer um die Leitung des verwaisten Instituts gebeten hatte, vgl. Beier, Eugen Ulmer, 1989, 1–26, 7. Nach Beiers Darstellung war das Verhältnis zwischen Reimer und Ulmer nicht frei von Schwierigkeiten: »jeder für sich [war] eine so ausgeprägte Persönlichkeit, daß eine engere Zusammenarbeit dieser beiden in München zusammengetroffenen Größen des Immaterialgüterrechts aus Berlin und Heidelberg vorher nicht möglich war.« 22 Hoeren, Verwaltungsausschuß, 2017, 111–128, 112. 23 Becker, 15 Jahre Institut für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht der Universität München, 1969, 60–62, 61: »Es zeigt sich, daß der Verbindung von Forschung und Lehre […] gewisse Grenzen gezogen sind: die Universitätsvorlesungen über gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht müssen sich im wesentlichen auf eine Darstellung der Grundlagen des Deutschen Rechts beschränken; die Pflege des internationalen und ausländischen Rechtes sowie der Rechtsvergleichung ist dagegen reine Forschungsaufgabe.« Ulmer, Rechtsvergleichung und Grundlagenforschung, 1968, 1–7, 2. 24 Den ersten Anstoß zu dieser Idee soll Adolf Butenandt gegenüber Ulmer auf einer Schiffsfahrt anlässlich einer Einladung an die Athener Universität gegeben haben, wobei Ulmer selbst der Sache gegenüber zunächst eher reserviert eingestellt gewesen sein soll, vgl. Beier, Eugen Ulmer, 1989, 1–26, 20. 25 Hoeren, Verwaltungsausschuß, 2017, 111–128, 119. 26 Ebd.
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tentrecht um eine sehr spezialisierte und in hohem Maße auch interdisziplinär im Gespräch mit den Technik- und Wirtschaftswissenschaften zu betreibende Disziplin handele, die in dieser Form an einer Universität kaum angemessen gepflegt werden könne und die sich – wie das Urheberrecht übrigens auch – dort nur sporadisch finden lasse. Dem wurde jedoch entgegenhalten, dass das Fach als eigenes Rechtsgebiet disziplinär eher schwach ausgebildet sei und man das Thema daher besser im Kontext der etablierten juristischen Zentralfächer verorten solle. So wurde die Gründung einer eigenen Abteilung am Hamburger Max-Planck-Institut für Privatrecht ins Spiel gebracht. Um Eugen Ulmer entgegenzukommen, wurde sogar erwogen, diese Abteilung als Außenstelle in München anzusiedeln.27 Mit München kommt der dritte, die Gründungsdiskussion maßgeblich bestimmende Aspekt ins Spiel. Die Stadt an der Isar war nach dem Krieg nicht nur der Sitz des Deutschen Patentamts mit erheblichen Synergieeffekten für die wissenschaftliche Arbeit eines auf Patentrecht spezialisierten Forschungsinstituts,28 sie war seit 1963 auch als Standort für ein neu zu gründendes Euro päisches Patentamt im Gespräch. Vor diesem Hintergrund wurde die Idee einer speziell der Erforschung und Dokumentation des Patentrechts auch und gerade in seinen internationalen Bezügen gewidmeten außeruniversitären Forschungseinrichtung unter dem Dach der renommierten Max-Planck-Gesellschaft gerade von der Politik als eine bedeutende Stärkung von München als Standort für Patentfragen und damit als beste Empfehlung für die Ansiedlung des Europäischen Patentamts gesehen.29 Dieser standortpolitische Aspekt und die enge räumliche und arbeitspraktische Nähe zum Deutschen Patentamt haben am Ende wohl den Ausschlag dafür gegeben, dass die verschiedenen Bedenken gegen die Gründung eines eigenen Max-Planck-Instituts für immaterialgüterrechtliche Fragen zurückgestellt wurden. Und so votierte der Senat der Max-Planck-Gesellschaft am 14. Dezember 1965 für die Eingliederung von Ulmers Instituts in die Max-Planck-Gesellschaft, nachdem der Bund und die Länder als für die Finanzierung zuständige Ins tanzen bereits am 5. November 1965 einer Institutsgründung zugestimmt hatten.30 Das »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-,
27 Ebd., 114–115. 28 Auch die Bibliothek des Deutschen Patentamts, die Ende 1960 über einen Bestand von rund 404.000 Bänden sowie 940 deutschen und 650 ausländischen laufenden Zeitschriften verfügte, dürfte ein gewichtiges Argument für den Institutsstandort München gewesen sein. Für die Zahlen vgl. Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 39. Wiesbaden 1961, 157. 29 Hoeren, Verwaltungsausschuß, 2017, 111–128, 116. Vgl. auch die Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums des Instituts am 15.4.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 83: »die Existenz des MPI [sei …] ein Argument für die Ansiedlung des Europäischen Patentamts in München gewesen.« 30 Hoeren, Verwaltungsausschuß, 2017, 111–128, 120.
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Urheber- und Wettbewerbsrecht« konnte am 1. März 1966 unter der Leitung von Eugen Ulmer als Gründungsdirektor seine Arbeit aufnehmen. Allerdings war die Eingliederung des alten Ulmer-Instituts in die MaxPlanck-Gesellschaft nicht vollständig. Mit der Gründung des Instituts trat an der Universität das »Institut für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht« gewissermaßen universitätsintern die Nachfolge des alten Instituts an. Das neu formierte Universitätsinstitut sollte sich künftig ausschließlich dem deutschen Recht widmen, während die Auslandsrechtskunde, das internationale Recht sowie die Rechtsvergleichung dem neuen Max-Planck-Institut vorbehalten waren.31 Es wird sich zeigen, dass diese Trennung im Laufe der Zeit immer weniger beachtet wurde. Sie war auch von der Sache her wenig plausibel bei Rechtsmaterien, die gerade im europäischen Raum immer mehr vereinheitlicht und harmonisiert wurden und werden. Man kann sagen, dass parallel zu diesen Harmonisierungsbemühungen auch die nationale Perspektive im Max-Planck-Institut selbst eine immer größere Rolle spielte. Dass das Universitätsinstitut dann 2001 im Zuge von Umstrukturierungen an der Ludwig-Maximilians-Universität aufgelöst wurde,32 war insoweit Ausdruck einer folgerichtigen Entwicklung.
3.
Das Direktorat von Eugen Ulmer (1966–1973)
Zu Beginn der Arbeit des neuen Instituts waren vor allem organisatorische Fragen zu klären. Neben Eugen Ulmer als geschäftsführendem Direktor wurde Friedrich-Karl Beier, der schon dem alten Institut angehört hatte, am 22. Juni 1966 als weiteres Wissenschaftliches Mitglied des Instituts berufen.33 Das übrige Personal bestand aus einem Abteilungsleiter, sechs Referenten sowie acht bis zehn wissenschaftlichen Assistenten und Hilfskräften.34 Der Umzug in eigene, neu angemietete Räumlichkeiten in der Siebertstraße 3 in München-Bogenhausen im September 1967 markierte einen wichtigen Meilenstein der Gründungs phase.35 Jetzt konnte das Institut sich nicht nur auf die eigene Forschungsarbeit konzentrieren, sondern auch als Arbeits- und Begegnungsstätte für in- und 31 Vorbemerkung der Herausgeber. GRUR Int. 16/1 (1967), 1; Becker, 15 Jahre Institut für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht der Universität München, 1969, 60–62, 62; Beier, Eugen Ulmer, 1989, 1–26, 22. Die Idee, das Universitätsinstitut neben dem MaxPlanck-Institut weiterzuführen, ging auf Ministerialdirigent Johannes von Elmenau (1906–1998) zurück. 32 Vgl. Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2002. Göttingen 2002, 740. 33 Eckart Henning und Marion Kazemi: Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–2011. Daten und Quellen. Bd. 2. Berlin 2016, 1143. 34 Vorbemerkung, 1967, 1. 35 Einweihung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht. GRUR Int. 17/1 (1968), 21.
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ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fungieren. Nach dem Umzug wurde vor allem der Ausbau der Institutsbibliothek vorangetrieben, stellte sie doch die unerlässliche Basis vor allem für die Beschäftigung mit ausländischen Rechtsordnungen und die rechtsvergleichende Arbeit dar. 3.1
Die inhaltlichen Schwerpunkte und Arbeitsfelder des Instituts
In den verschiedenen Diskussionen im Vorfeld der Gründung des Instituts wurde die Frage der disziplinären Verortung seiner Forschungsfragen, die ja als bloße Teilaspekte des Privatrechts angesehen wurden, problematisiert.36 Es ist vor diesem Hintergrund daher interessant zu sehen, welche Themen das neue Institut jetzt in Angriff nahm, wo es seine Schwerpunkte setzte und mit welchen Methoden es arbeitete. Einen guten Eindruck davon, wie man sich im Institut selbst fachlich und disziplinär verortete, geben dessen Jahresberichte.37 In den ersten Jahren wurden die Aktivitäten des Instituts in herausragende Projekte einerseits und sonstige Arbeiten andererseits unterteilt, ohne dass eine inhaltliche Gliederung der einzelnen Vorhaben nach Fachgebieten erfolgte. Das änderte sich erstmals 1972.38 Hier tritt das Patentrecht an die erste Stelle, das jedenfalls vom Umfang der Berichterstattung her den weitesten Raum einnahm. Es folgten das Urheberrecht, das Geschmacksmusterrecht, das Warenzeichenrecht, das Recht des unlauteren Wettbewerbs sowie das Kartellrecht. Der Bericht von 1972 ist gerade in der Rückschau recht aufschlussreich, weil hier bereits viele der Themenstellungen anklingen, die das Institut in den folgenden Jahren intensiv beschäftigen werden. So ging es beim Patentrecht um die Auswirkungen dieses Rechtsgebiets auf technische Innovationen und die wissenschaftliche Forschung.39 Während die Frage nach der Innovations stimulation durch Patente eine eher ökonomische Stoßrichtung hatte, kam mit der wissenschaftlichen Forschung und dem Schutz ihrer Ergebnisse als Anwendungsbereich des Patentrechts eine wissenschaftsrechtliche Perspektive in die Arbeit des Instituts, die sich später unter den Vorzeichen der Digitalisierung noch vertiefen sollte. Die Auswirkungen der Digitalisierung oder – für den Sprachgebrach der damaligen Zeit vielleicht passender – des Einsatzes der elektronischen Datenverarbeitung spielten bereits zu diesem frühen Zeitpunkt
36 Hoeren, Verwaltungsausschuß, 2017, 111–128, 117 et passim. 37 Im Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft fehlen für die Zeit von Ulmers Direktorat entsprechende Tätigkeits- oder Ergebnisberichte. Es werden, wie damals im Jahrbuch üblich, bis 1974 einschließlich lediglich die Veröffentlichungen der Institutsmitarbeiter nachgewiesen. Dies wird sich ab dem Berichtsjahr 1975 ändern. 38 Moi Lindner (Hg.): 25 Jahre Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München. Festschrift für Professor Dr. Dres. h.c. Friedrich Karl Beier zum 65. Geburtstag. München: Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht 1991, 19–29. 39 Lindner, 25 Jahre, 1991, 21.
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eine Rolle, wenn etwa zu der Frage eines möglichen Patentschutzes von Software geforscht wurde.40 Auch die frühen urheberrechtlichen Schwerpunkte waren eher technikgetrieben, was bei der patentrechtlichen Fundierung des Instituts nicht überrascht. So wurden Fragen rund um den Einsatz von Satelliten aufgeworfen, die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in Datenverarbeitungssystemen problematisiert und natürlich auch der urheberrechtliche Schutz von Software betrachtet.41 Noch wurden solche Fragestellungen bloß als »Sonderprobleme« bezeichnet.42 Gleichwohl wird auch hier bereits ein weiterer roter Faden für die Forschungsfragen der nächsten Jahre sichtbar, nämlich die Auswirkungen technischer Neuerungen, neuer Medien und der Digitalisierung auf das überkommene Urheberrecht. Beim Geschmacksmusterrecht sollte eine breit angelegte Umfrage bei Unternehmen Klarheit über Rechtstatsachen liefern.43 Im Warenzeichenrecht ging es um begleitende Forschungen für nationale Reformvorhaben sowie die Rechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene.44 Im Wettbewerbsrecht wurden Fragen des Verbraucherschutzes in den Mittelpunkt gestellt, während man im Kartellrecht Verträge über gewerbliche Schutzrechte untersuchte, womit eine enge Anknüpfung zu den immaterialgüterrechtlichen Fragestellungen des Instituts gegeben war.45 Will man die genannten Themen auf einen Nenner bringen, so sind es technische Innovationen und deren Auswirkungen auf das Recht, vor allem mit Blick auf den Schutz dieser Innovationen oder deren Auswirkungen auf bereits bestehende Schutzrechte, die die wissenschaftliche Arbeit des Instituts prägten.46 Schwerpunkte der rechtsvergleichenden Forschung bildeten vor allem die Länder der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aber auch die sozialistischen Staaten sowie die Entwicklungsländer.47 Gerade Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes in den Entwicklungsländern wurden als eine wichtige Voraussetzung für Maßnahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit und den Aufbau einer eigenen Industrie in diesen Ländern angesehen. Die Einbeziehung des »globalen Südens« in das westliche System der Immaterialgüterrechte, die Entwicklung lokaler Gesetzeswerke und die Ausbildung einheimischer juris40 41 42 43 44 45 46
Ebd., 22. Ebd., 24. Ebd., 24: »Was heute im Vordergrund steht, sind ›Sonderprobleme‹«. Ebd., 25–26. Ebd., 26. Ebd., 27–29. Ansgar Ohly nennt das Thema der ersten Arbeitssitzung in den neuen Räumlichkeiten des Instituts 1967, »Die urheber- und patentrechtliche Problematik der elektronischen Rechenanlagen und ihrer Programme«, zu Recht visionär, zumal es bereits zentrale Forschungsthemen des Instituts der nächsten Jahrzehnte berührt: Ansgar Ohly: Gerhard Schricker zum 70. Geburtstag. GRUR 107/11 (2005), 889–892, 892. 47 Lindner, 25 Jahre, 1991, 23.
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tischer Fachleute sollten sich in der Folgezeit zu wichtigen Schwerpunkten des Instituts entwickeln.48 Schon zu Beginn der Arbeit des Instituts wurde ein rechtsvergleichendes Großprojekt in Angriff genommen, nämlich das zunächst in fünf Bänden publizierte »Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft«.49 Dieses umfassende Handbuch des Wettbewerbsrechts in Europa wurde zugleich als Gutachten im Auftrag der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erstattet, dessen Erarbeitung Ulmer mit seinem Universitätsinstitut seit 1963 übernommen hatte und das er in das neue Max-Planck-Institut einbrachte.50 Einzelne Bände wurden später ins Französische, Italienische und Niederländische übersetzt,51 wobei für die Übersetzungen zwischenzeitlich eingetretene Rechtsentwicklungen stets mitberücksichtigt wurden. Insoweit bietet das Handbuchprojekt mit seiner 48 Hier ergibt sich ein interessanter Ansatzpunkt für künftige Forschungen, in postkolo nialer Perspektive den »Export« dezidiert westlicher Eigentumsideen gerade im Bereich des geistigen Schaffens zu problematisieren. Eine Sensibilität für andere als europäische Begründungsansätze für das Konzept des geistigen Eigentums findet sich etwa bei Wolfgang Fikentscher: Geistiges Gemeineigentum – am Beispiel der afrikanischen Philosophie. In: Ansgar Ohly et al. (Hg.): Perspektiven des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts. Festschrift für Gerhard Schricker zum 70. Geburtstag. München 2005, 3–18. 49 Eugen Ulmer (Hg.): Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. 8 Bde. München 1965–2005. Folgende Einzelbände des deutschen Hauptwerks sind während Ulmers Direktorats erschienen: Eugen Ulmer: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 1: Vergleichende Darstellung mit Vorschlägen zur Rechtsangleichung. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 1965; Gerhard Schricker und Detlef Wunderlich: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 2.1: Belgien, Luxemburg. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 1967; Ludwig Baeumer und W. C. van Manen: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 2.2: Niederlande. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 1967; Dietrich Reimer: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 3: Deutschland. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 1968; Rudolf Krasser: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 4: Frankreich. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 1967; Gerhard Schricker: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 5: Italien. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 1965. 50 Friedrich-Karl Beier: Widmung. GRUR Int. 22/6–7 (1973), 211–212, 212. 51 Nachweis der Übersetzungen bei Joseph Straus: Das Max-Planck-Institut für auslän disches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München, im Spiegel seiner Veröffentlichungen. München 2003, 21; Generalverwaltung der Max-PlanckGesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1975. Göttingen 1975, 501; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1976. Göttingen 1976, 621; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): MaxPlanck-Gesellschaft Jahrbuch 1977. Göttingen 1977, 666; Generalverwaltung der MaxPlanck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1982. Göttingen 1982, 741.
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Übersetzungsgeschichte ein gutes Anschauungsobjekt einer im Wesentlichen nationalsprachig arbeitenden Rechtswissenschaft. Das Handbuch wurde nach dem Beitritt weiterer Länder zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bis 2005 fortgeschrieben.52 Es vereinigte zum einen das Bemühen, über die vom Institut gepflegten Rechtsgebiete rechtsvergleichend zu informieren und zum anderen immer auch eine europäische bzw. internationale Perspektive mit dem Ziel, die politisch angestrebte Rechtsvereinheitlichung wissenschaftlich und politikberatend zu begleiten. Neben dem Handbuch des unlauteren Wettbewerbs wurde 1970 als zweites publizistisches Großprojekt die Arbeit an dem Band »Copyright and Industrial Property« der International Encyclopedia of Comparative Law begonnen, das erst 1990 zu einem gewissen Abschluss kommen wird.53 3.2
Die Veröffentlichungen des Instituts
Neben den beiden vorstehend genannten prominenten Publikationsprojekten sind eine Fülle weiterer Veröffentlichungen entstanden.54 Ab dem Jahrgang 1967 gab das Institut die bereits bestehende »GRUR Auslands- und internationaler Teil« unter dem neuen Titel »Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil« (GRUR Int.) als hauseigene Fachzeitschrift heraus.55 Die GRUR Int. wurde in der Folgezeit ein wichtiger Publikationsort für Übersetzungen relevanter ausländischer Rechtsprechung und Gesetze. Wie schon bei dem mehrbändigen Handbuch zum Wettbewerbsrecht in Europa, sah auch hier das Institut seine besondere Funktion darin, ausländische Rechtsordnungen und Rechtsentwicklungen in Deutschland zugänglich und bekannt zu machen. Immer wieder wird in den Jahresberichten betont, wie viele Ressourcen in diese stille und unscheinbare Dokumentations- und Vermittlungsarbeit investiert 52 Hartwig von Westerholt und Gysenberg: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 6: Königreich von Großbritannien und Nordirland. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 1981; Eliza Alexandridou: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 7: Griechenland. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 1994; José de Oliveira Ascensão: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 8: Portugal. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München 2005; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1976, 1976, 621. 53 Lindner, 25 Jahre, 1991, 270; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1976, 1976, 20. 54 Für die Zeit von Ulmers Direktorat werden in den MPG -Jahrbüchern von 1966 bis 1973 insgesamt 195 Veröffentlichungen von Institutsmitarbeitern aufgeführt. 55 Vorbemerkung, 1967, 1. Allerdings wird nach MPG -Jahrbuch 1966 die GRUR Auslandsund internationaler Teil bereits ab Heft 9 (1965) vom Institut herausgegeben; vgl. Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1966. München 1966, 320; Reto M. Hilty und Josef Drexl: The New GRUR International. GRUR Int. 69/1 (2020), 1, 1.
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wurden. Zur GRUR Int. gesellte sich ab 1970 die vom Institut neu gegründete International Review of Industrial Property and Copyright Law.56 Die IIC war die erste deutsche rechtswissenschaftliche Zeitschrift, die vollständig in englischer Sprache veröffentlicht wurde.57 Während das Institut mit den beiden Zeitschriften GRUR Int. und IIC eigene Veröffentlichungsorte vor allem für Aufsätze und kurze Abhandlungen etablieren konnte, wurden die monographischen Forschungsarbeiten aus dem Institut und seinem Umfeld in drei Schriftenreihen gebündelt.58 An erster Stelle ist die »Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz« zu nennen,59 die bereits 1955 ins Leben gerufen wurde. Die im Ulmer-Institut begründete Reihe »Urheberrechtliche Abhandlungen« wurde ab ihrem siebten Band im Institut herausgegeben.60 Vom Max-Planck-Institut selbst wurden die »GRUR-Abhandlungen« als neue Schriftenreihe ins Leben gerufen.61 3.3
Der Aufbau der Institutsbibliothek und die Fachdokumentation
Zu den Aufgabenfeldern des neuen Instituts gehörte nicht nur wissenschaftliche Forschung im engeren Sinne, sondern auch die Literaturdokumentation sowie die Veröffentlichung und Aufbereitung wichtiger ausländischer Gerichtsentscheidungen.62 Zu diesem Zweck werteten die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts rund 200 Fachzeitschriften und Entscheidungssammlungen regelmäßig aus. Ein für diese Arbeit von Beginn an wichtiges und unentbehrliches Arbeitsinstrument war die Bibliothek des Instituts. Sie 56 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1970. München 1970, 207. 57 Joseph Straus: Friedrich-Karl Beier (1926–1997). In: Simon Apel, Louis Pahlow und Matthias Wiessner (Hg.): Biographisches Handbuch des Geistigen Eigentums. Tübingen 2017, 41–45, 43. Die GRUR Int. wurde erst 2020 auf Englisch umgestellt, vgl. Hilty und Drexl, GRUR International, 2020, 1. 58 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1967. Göttingen 1967, 192. 59 Der 15. Band war die erste vom Institut in der Reihe verantwortete Publikation: HansGünther Heiner und Richard Moser von Filseck (Hg.): Patentschutz und Entwicklungsländer – Dokumente und Materialien. Köln 1966. Der 14. Band von Helmut Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, erschien 1987 in zweiter Auflage, so dass seither rein formal die Reihe bereits ab Band 14 eine Schriftenreihe des Instituts ist, vgl. Straus, Im Spiegel seiner Veröffentlichungen, 2003, 4. 60 Dieser Band war Adolf Dietz: Das Droit Moral des Urhebers im neuen französischen und deutschen Urheberrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung. München 1968. 61 Der erste Band dieser Reihe war Paul Mathély: Das neue französische Markenrecht. Weinheim 1967. 62 Für die Literaturdokumentation wichtig war die so genannte GRUR-Kartei, die vierteljährlich herausgegeben wurde, vgl. Ralph Lansky: Bibliographisches Handbuch der Rechts- und Verwaltungswissenschaften. Bd. 1: Allgemeines und Europa. Frankfurt am Main 1987, 56.
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wird 1969 erstmals im Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken als dem zentralen Verzeichnis der großen oder wegen ihrer besonderen Bestände wichtigen deutschen Bibliotheken aufgeführt.63 Zu diesem Zeitpunkt wies sie einen Bestand von 18.000 Bänden und 232 laufenden ausländischen Zeitschriften auf. Geleitet wurde die Bibliothek damals im Nebenamt von Gerhard Schricker. 1971 war der Bestand auf 23.000 Bände und 300 laufende ausländische Zeitschriften angewachsen; die nebenamtliche Leitung der Bibliothek lag jetzt bei Gert Kolle.64 Am Ende des Direktorats von Eugen Ulmer umfasste der Bestand 26.000 Bände und 400 laufende ausländische Zeitschriften.65 Regelmäßige Neuerwerbungslisten waren eine hilfreiche bibliographische Informationsquelle gerade für in Deutschland nur schwer zugängliche ausländische Fachliteratur. 3.4
Ulmers Nachfolger werden bestimmt
Zu seinem 70. Geburtstag am 30. Juni 1973 schied Eugen Ulmer als geschäftsführender Direktor aus der Leitung des Instituts aus, blieb ihm aber als Emeritus bis zu seinem Tod wissenschaftlich eng verbunden.66 Bereits drei Jahre vor seiner Emeritierung ergriff Ulmer die Initiative, um die Nachfolgefrage für die Institutsleitung in seinem Sinne zu lösen. Auf der Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion der Max-Planck- Gesellschaft am 31. Januar 1970 wurde eine »Kommission zur Zukunft des MaxPlanck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München« eingesetzt.67 Ulmer führte auf der Sitzung aus, dass er künftig eine kollegiale Leitung aus zwei wissenschaftlichen Mitgliedern für sinnvoll halte. Zudem beabsichtigte er auch nach seiner Emeritierung an der Universität das Institut noch bis zur Vollendung seines siebzigsten Lebens-
63 Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 43. Wiesbaden 1969, 183. 64 Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 44. Wiesbaden 1971, 186. 65 Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 45. Wiesbaden 1973, 192. 66 Vgl. etwa Eugen Ulmer: Die Immaterialgüterrechte im internationalen Privatrecht. Rechtsvergleichende Untersuchung mit Vorschlägen für die Vereinheitlichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, erstattet im Auftrag des Bundesministers der Justiz. Köln 1975; zu der sich daran anschließenden Diskussion, vgl. Generalverwaltung der Max-PlanckGesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1977, 1977, 663. Die persönliche Beziehung Ulmers zu seinem Institut kommt in einer von Beier geschilderten Anekdote zum Ausdruck, wonach Ulmer zwei Tage vor seinem Tod gegenüber seinem Sohn, der ihn im Pflegeheim besuchte, gesagt haben soll: »Mir gefällt das Getue hier nicht, ich muss hier raus.« Auf die Rückfrage, wohin er wolle, soll Ulmer geantwortet haben: »Am liebsten ins Institut.« Beier, Eugen Ulmer, 1989, 1–26, 25. 67 Protokoll der Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion des Wissenschaftlichen Rates vom 31.1.1970 in Frankfurt am Main, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 84.
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jahres als Direktor zu leiten.68 Der Kommission gehörten mit Helmut Coing, Hans-Heinrich Jescheck, Hermann Mosler und Konrad Zweigert als Vertreter der juristischen Max-Planck-Institute noch – auf Vorschlag von Ulmer selbst – der damalige Präsident des Deutschen Patentamts Kurt Haertel, Ministerial dirigent »Dr. Krüger«69 vom Bundesjustizministerium und Stig Strömholm von der Universität Uppsala als externe Experten an.70 Als Grundlage für die Arbeit der Kommission schickte Ulmer im August 1970 ein neunseitiges »Memorandum zur Vorbereitung der Kommissionsberatungen über die Zukunft des MaxPlanck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« an Helmut Coing.71 3.4.1 Ulmers Memorandum über die Zukunft des Instituts
In diesem Memorandum stellte Ulmer zunächst kurz die Genese des Instituts aus der von Eduard Reimer 1952 gegründeten Forschungsstelle und die engen Beziehungen zu seinem eigenen Universitätsinstitut für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht heraus. Als Kern der Institutsarbeit bezeichnete Ulmer »die systematische Erforschung des internationalen und ausländischen Rechts durch Erschließung und Verarbeitung der Rechtsquellen sowie der Rechtsprechung und des Schrifttums«.72 Daraus leitete er die zentrale Rolle einer gut ausgestatteten Bibliothek für die Arbeit des Instituts ab. Recht ausführlich beschrieb er anschließend verschiedene laufende und abgeschlossene Publikationsvorhaben. Was die Forschung am Institut betrifft, hob Ulmer die rechtspolitische Bedeutung des Instituts für die Gesetzgebungsarbeit und zur Vorbereitung großer diplomatischer Konferenzen auf europäischer Ebene und darüber hinaus hervor. Ausdrücklich erwähnte er dabei auch die Probleme, die sich aus der »fortschreitende(n) technische(n) Entwicklung« insbesondere im Bereich des Urheberrechts, aber auch des Patentrechts wegen der immer stärker verbreiteten »elektronischen Datenverarbeitungsanlagen« ergäben, als besondere Herausforderungen.73 Ausführlich ging Ulmer auf die wissenschaftlichen Verdienste seiner beiden Mitarbeiter Friedrich-Karl Beier und Gerhard Schricker ein, um schließlich mit folgendem Personalvorschlag zu enden: Beier sollte während sei-
68 Mit Schreiben des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft vom 18.3.1971 wurde Ulmers aktive Dienstzeit als Institutsdirektor wunschgemäß bis zum 30.6.1973 verlängert, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 7. 69 Gemeint ist wohl Ministerialdirektor Albrecht Krieger, vgl. Brief von Krieger an Coing vom 17.12.1970, AMPG, II. Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 51. Krieger war Assistent bei Reimer und dem Institut seit 1970 im Kuratorium eng verbunden, vgl. Krieger, Goethes Reise, 1996, 275–279, 279. 70 Protokoll der GWS vom 31.1.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 85. 71 Ebd., fol. 106–114. 72 Ebd., fol. 107. 73 Ebd., fol. 111.
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ner noch verbleibenden Amtszeit als weiterer Direktor berufen werden. Nach seinem eigenen Ausscheiden sollte Schricker als Direktor nachrücken. Die künftige kollegiale Leitung des Instituts sollte fachlich so aufgeteilt werden, dass Beier für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, er selbst für das Urheberrecht zuständig sein werde. Trotz der kollegialen Leitung sollte der jeweils ältere Direktor das Institut geschäftsführend gegenüber der Max-Planck-Gesellschaft vertreten. 3.4.2 Die Vorbehalte der Berufungskommission
Ulmers Memorandum, das für die Nachfolge ausschließlich schon bereits am Institut tätige Wissenschaftler vorsah, stellte die Kommission zunächst nicht zufrieden. Er wurde auf der Kommissionssitzung am 11. Januar 1971 daher gebeten, Namen von geeigneten Persönlichkeiten für die Nachfolge der Institutsleitung zu nennen, die dem Institut noch nicht angehören. Dieser Bitte kam Ulmer mit Schreiben vom 22. Januar 1971 an Helmut Coing nach.74 Er nannte Wolfgang Hefermehl aus Heidelberg, der ihm fachlich trotz gewisser Bedenken beim Urheber- und Patentrecht zwar geeignet erschien, für eine Direktorenposition aber schon zu alt sei. Heinrich Hubmann aus Erlangen sei ein renommierter Urheberrechtler, verfüge aber über keine rechtsvergleichende Ausrichtung. Ulmer beklagte, dass die wirtschaftsrechtlichen Interessen in der deutschen Rechtswissenschaft eher im Kartellrecht und weniger im gewerblichen Rechtsschutz lägen. Er ging auch noch auf Wolfgang Fikentscher, seinen Nachfolger auf dem Münchener Lehrstuhl ein. Mit seinen kartellrechtlichen Schwerpunkten passte er von der fachlichen Ausrichtung her nicht ganz, obwohl er ihn als mögliches Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Instituts in Gespräch brachte. Aus dem Ausland konnte Ulmer keine geeigneten Persönlichkeiten benennen, die »in gleicher Weise wie die […] Herren Beier und Schricker für die Institutsleitung qualifiziert wären«.75 Im Nachgang von Ulmers Schreiben wurde noch über Stig Strömholm aus Uppsala gesprochen.76 Ulmer hatte bei ihm (als Ausländer?) Vorbehalte wegen der Beziehungen des Instituts zum Deutschen Patentamt und zum Justizministerium, aber Strömholm wollte Schweden ohnehin nicht verlassen. Im Ergebnis konnte Ulmer also keine überzeugenden weiteren Namen präsentieren. 3.4.3 Coings Abschlussbericht
Mit Datum vom 25. Januar 1971 erstattete Coing Bericht über die Arbeit der Kommission »Nachfolge Professor Ulmer«.77 Aufgabe der Kommission sei es gewesen, zwei Fragen zu klären, nämlich erstens »ob es sinnvoll ist«, das Mün74 75 76 77
Ebd., fol. 88–92. Ebd., fol. 91. Notiz von Coing vom 14.1.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 93. Ebd., fol. 18–27.
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chener Institut »als Max-Planck-Institut fortbestehen zu lassen«, und zweitens Vorschläge für die Ulmer-Nachfolge zu machen. Die Kommission anerkannte die hohe wissenschaftliche Bedeutung des Instituts, erwog aber, ob es nicht besser als Universitätsinstitut oder als »Bundesinstitut« fortgeführt werden solle. Gegen die Lösung als Universitätsinstitut sprach jedoch, dass die Themen des Instituts »weder in München noch an anderer Stelle« als Sonderforschungsgebiet bestünden, so dass die Übernahme eines doch recht kostspieligen Instituts durch eine Universität wenig aussichtsreich erscheine. Gegen die Lösung »Bundesinstitut« wurde ins Feld geführt, dass im Ausland das Renommee als unabhängige Forschungsstelle leiden könne.78 Bei der Frage der künftigen Leitungsstruktur war die Kommission der Ansicht, »dass der Vorschlag von Herrn Ulmer die derzeit beste Lösung sei.« Ausschlaggebend für diese Einschätzung war der Umstand, dass die Arbeitsgebiete des Instituts an den Universitäten meist nur von Praktikern als Honorarprofessoren, jedenfalls nicht von renommierten Forscherpersönlichkeiten betreut würden. Die Kommission empfahl daher, Ulmers Memorandum folgend, Friedrich-Karl Beier für die restliche Amtszeit von Ulmer zum Mitdirektor zu ernennen und nach dessen Ausscheiden Gerhard Schricker als weiteren Direktor aufrücken zu lassen. 3.4.4 Zwei »Hausberufungen«
Im Ergebnis führte die Kommission zur Nachfolge von Eugen Ulmer zu gleich zwei Hausberufungen, die bei der Leitung von Max-Planck-Instituten ja eigentlich vermieden werden sollten. In den Beratungen der Kommission hatte diese Frage daher keinen geringen Raum eingenommen. In einem Brief an Helmut Coing hob Alois Troller (Luzern) als externer Gutachter jedoch die herausragende Kompetenz von Friedrich-Karl Beier hervor, zu dem er keine überzeugende Alternative sah. Bei Gerhard Schricker, immerhin damals ein noch recht junger Privatdozent, wurde dessen fachliche Hochspezialisierung ins Feld geführt und als Argument für die in Aussicht gestellte kollegiale Institutsleitung genommen: »Ich bin froh darüber, wenn Dr. Schricker auf diese Weise mit dem Immaterialgüterrecht eng verbunden bleibt. Wir haben wenig Nachwuchs und müssen solchen Begabungen Rechnung tragen.«79 Auch Stig Strömholm pro blematisierte in einem kurzen Schreiben an Helmut Coing die »Selbsterzeugung von Kronprinzen«,80 in einem weiteren ausführlicheren Brief, in dem er sehr detailliert auf geeignete Alternativkandidaten aus dem In- und Ausland einging, kam er aber zu dem Schluss:
78 Interessant ist aber der Hinweis von Ministerialdirektor Krieger auf die bedeutende Rolle des Instituts für die Beratung von Politik und Gesetzgebung, vgl. Brief von Helmut Coing vom 17.12.1970, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 53. 79 Brief Troller an Coing am 13.1.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 80. 80 Brief Strömholm an Coing am 31.1.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 62.
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Bei diesen Erwägungen bin ich mir wohl bewußt, daß die »interne Rekrutierung« von Institutsleitern unter Umständen zu Bedenken Anlaß geben kann, möchte aber mit bezug auf die besondere Situation im Bereiche der hochspezialisierten Rechtsgebiete, um die es sich hier handeln (sic!), hervorheben, daß es offenbar kein Zufall ist, daß die besten jüngeren Wissenschaftler auf dem betreffenden Gebiete gerade in dem einzigen großen Institut zu finden sind, das es überhaupt für die vertiefte wissenschaftliche Bearbeitung dieses Gebietes gibt.81
3.4.5 Das Institut bekommt drei Direktoren
Die Geisteswissenschaftliche Sektion der Max-Planck-Gesellschaft folgte dem Vorschlag der Kommission am 12. Februar 1971 einstimmig: Das Münchener Institut würde als Max-Planck-Institut weitergeführt und die Nachfolge von Eugen Ulmer zeitlich versetzt von Friedrich-Karl Beier und Gerhard Schricker übernommen.82 Doch es kam anders, denn mit Schreiben vom 25. November 1971 wurden Friedrich-Karl Beier und auch Gerhard Schricker zeitgleich (!) zu Institutsdirektoren neben Eugen Ulmer bestellt.83 Schricker hatte nämlich zwischenzeitlich sowohl einen Ruf an die Universität Würzburg als auch an die Universität Hamburg erhalten,84 so dass ihm eine klare Perspektive geboten werden musste, wollte man ihn am Max-Planck-Institut halten. In einem Brief vom 4. Mai 1971 informierte Schricker den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft Adolf Butenandt über seinen Ruf nach Würzburg. Für ihn, so Schricker, sei dieser Ruf die wohl letzte Möglichkeit ein Ordinariat zu erhalten. Als Grund dafür nannte er vor allem die hohe Spezialisierung der am Institut gepflegten Fächer, die »bei der examensorientierten Studienweise, die gegenwärtig leider herrscht, […] aus dem Hochschulunterricht in absehbarer Zeit verschwinden werden.« Bleibe er weiter am Institut, werde er bald zu einem »wenig interessanten Spezialisten abgestempelt werden«. Er freue sich zwar über die in Aussicht gestellte Direktorenstelle, die endgültige Entscheidung hierüber werde aber erst 1973 fallen. Den Ruf nach Würzburg hatte Schricker gleichwohl noch abgelehnt. Als er aber einen weiteren Ruf nach Hamburg erhielt, wandte er sich erneut an Adolf Butenandt.85 Mit Erfolg: Auf Vorschlag der bereits nach dem Würzburger Ruf kurzfristig eingesetzten »Kommission Dr. Gerhard Schricker« wurde Schrickers 81 Ebd., fol. 69. 82 Empfehlung der Geisteswissenschaftlichen Sektion zu der Frage der Nachfolge von Herrn Prof. Dr. Eugen Ulmer vom 12.2.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 1–4. 83 Brief des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft an Beier vom 25.11.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 187; Brief des Präsidenten an Schricker vom gleichen Tag, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 137–138. 84 Vgl. Schreiben von Helmut Coing an die Mitglieder der Kommission »Dr. Gerhard Schricker« vom 6.10.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 156. 85 Schreiben von Schricker an Butenandt vom 9.9.1971, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1923, fol. 182.
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vorzeitiger Berufung als Institutsdirektor auch und gerade unter dem Eindruck des nun vorliegenden Hamburger Rufs entsprochen. Ende 1971 hatte das Institut mit Eugen Ulmer, Friedrich-Karl Beier und Gerhard Schricker plötzlich und unerwartet drei Direktoren.
4.
Das Direktorat von Friedrich-Karl Beier (1973–1991)
Nach Ulmers Emeritierung übernahm Friedrich-Karl Beier als geschäftsführender Direktor zusammen mit Gerhard Schricker die Institutsleitung. Beier gab dafür seinen Lehrstuhl an der Ludwig-Maximilians-Universität auf, erhielt dort eine Honorarprofessur und wechselte ganz an das Max-Planck-Institut.86 Friedrich-Karl Beier war ein Mann der ersten Stunde. Nach Studium und Referendariat in Berlin trat er 1954 als Assistent in die Reimer-Forschungsstelle ein, deren Leitung ab 1957 Eugen Ulmer innehatte. Er promovierte 1960 bei Ulmer mit einer markenrechtlichen Arbeit und habilitierte sich ebenfalls bei Ulmer, wiederum mit einem markenrechtlichen Thema.87 Nach Gründung des Max-Planck-Instituts wurde Beier sogleich Wissenschaftliches Mitglied.88 An der Ludwig-Maximilians-Universität war er zunächst Privatdozent, dann außerplanmäßiger Professor und schließlich Ordinarius. Wissenschaftlich hat sich Beier, vom Urheberrecht abgesehen, mit allen Gebieten des Immaterial güterrechts beschäftigt. Seine Schwerpunkte lagen vor allem im Markenrecht, wo er zu den führenden Köpfen zählte.89 Seine Vorarbeiten haben die Entwicklung des europäischen Markenrechts beeinflusst.90 Allerdings hat er auch nicht wenige patentrechtliche Arbeiten vorgelegt und war auf diesem Gebiet ein anerkannter Fachmann.91
86 Ohly, Gerhard Schricker, 2005, 889–892, 892. 87 Friedrich-Karl Beier: Grundfragen des französischen Markenrechts. Köln 1962; FriedrichKarl Beier: Die Territorialität des Markenrechts im internationalen Wettbewerb. Habilitationsschrift. München 1965. 88 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1966, 1966, 320. 89 Friedrich-Karl Beier: Markenrechtliche Abhandlungen – Beiträge zur neueren Entwicklung des Warenzeichen-, Ausstattungs- und Herkunftsschutzes 1956–1985. Köln 1986; Gerhard Schricker: Gedenkworte. In: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht (Hg.): Friedrich-Karl Beier zum Gedächtnis. Köln 1998, 1–5, 2–3; Gerhard Schricker: Friedrich-Karl Beier zum siebzigsten Geburtstag. GRUR Int. 45/4 (1996), 273–274, 273. 90 Straus, Friedrich-Karl Beier, 2017, 41–45, 42. 91 Jaromír Balcar: Instrumentenbau – Patentvermarktung – Ausgründungen. Die Geschichte der Garching Instrumente GmbH. Berlin: GMPG -Preprint 2018, 54.
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Die inhaltlichen Schwerpunkte der Institutsarbeit
Zu Beginn der Amtszeit der neuen kollegialen Institutsleitung bildete das sich entwickelnde europäische Patentrecht einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt.92 Im Herbst 1973 wurde auf einer diplomatischen Konferenz in München nicht nur die Errichtung des Europäischen Patentamts in München beschlossen, sondern auch das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) verabschiedet,93 an dessen Formulierung und Ausarbeitung das Institut mitgewirkt hatte.94 Mit der Gründung des Europäischen Patentamts hatten sich die politischen Hoffnungen, die mit der Einrichtung eines dem Patentrecht in besonderer Weise gewidmeten Max-Planck-Instituts verbunden waren, offensichtlich erfüllt.95 Das europäische Patentrecht blieb in der Folgezeit weiterhin bevorzugter Gegenstand verschiedener Untersuchungen und Projekte des Instituts, das sich nicht nur seiner wissenschaftlichen Vertiefung annahm, sondern auch die weitere rechtspolitische Entwicklung aktiv begleitete. Eine Frucht dieser Bemühungen war die Verabschiedung des »Übereinkommens über das Europäische Patent für den Gemeinsamen Markt« (GPÜ) am 15. Dezember 1975 in Luxemburg.96 Den beiden Gründungsdokumenten des europäischen Patentrechts wurde ab 1977 eine systematische Kommentierung gewidmet.97 Ein rechtstatsächliches Projekt beschäftigte sich Anfang der 1980er Jahre mit den Patentverletzungs verfahren in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien.98 Ein weiteres Forschungsprojekt befasste sich mit dem Verhältnis von staatlicher Forschungsförderung und Patentschutz.99 Eher wissenschafts- und innovationsrechtlich geprägt waren Untersuchungen zur Benutzung patentierter Erfindungen zu Versuchs- und Forschungszwecken.100 Ebenfalls das Wissenschaftsrecht berührten Fragen der Neuheitsschonfrist für Wissenschaftlererfindungen. Dabei ging es um das Problem, inwieweit wissenschaftliche Publikationen im Vorfeld einer Erfindung neuheitsschädlich für eine Patentanmeldung sein können. Im Kern geht 92 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1975, 1975, 500–501. 93 Christoph Ann: Patentrecht – Lehrbuch zum deutschen und europäischen Patentrecht und Gebrauchsmusterrecht. 8. Auflage. München 2022, § 8, Rn. 32. 94 Lindner, 25 Jahre, 1991, 32. 95 Hoeren, Verwaltungsausschuß, 2017, 111–128, 116. 96 Lindner, 25 Jahre, 1991, 62; zum GPÜ: Ann, Patentrecht, 2022, § 7, Rn. 90. 97 Lindner, 25 Jahre, 1991, 91; Friedrich-Karl Beier, Kurt Haertel und Gerhard Schricker (Hg.): Europäisches Patentübereinkommen – Münchner Gemeinschaftskommentar. Köln 1984–2014. 98 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1981. Göttingen 1981, 743. 99 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1983. Göttingen 1983, 790–792; Friedrich-Karl Beier und Hanns Ullrich (Hg.): Staatliche Forschungsförderung und Patentschutz. 3 Bde. Weinheim 1982–1985. 100 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1986. Göttingen 1986, 841–842; Peter Chrocziel: Die Benutzung patentierter Erfindungen zu Versuchs- und Forschungszwecken. Köln 1986.
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es dabei um eine Harmonisierung von wissenschaftlichem Publikationsverhalten mit patentrechtlichen Verfahrensanforderungen.101 Mit der fortschreitenden Entwicklung der Bio- und Gentechnologie stellten sich vermehrt Fragen eines patentrechtlichen Schutzes entsprechender Forschungsergebnisse.102 Die Bedeutung des Patentrechts für die wissenschaftliche Arbeit des Instituts wurde durch die Berufung von Rudolf Kraßer zum Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied unterstrichen. Kraßer war von 1958 bis 1960 wissenschaftlicher Angestellter am Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheberund Markenrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität, dem Vorläuferinstitut des späteren Max-Planck-Instituts, sowie von 1967 bis 1970 akademischer Rat an Ulmers Institut für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht.103 Er hatte im Rahmen des großen Handbuchprojekts zum europäischen Wettbewerbsrecht den mit über 600 Seiten sehr umfangreichen Frankreichband erstellt und damit eine »in ihrer Art erstmalige Darstellung des französischen Wettbewerbsrechts« verfasst.104 Seine damit unter Beweis gestellte rechtsvergleichende Kompetenz empfahl ihn als Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied.105 Zudem war Kraßer 1973 auch auf den traditionsreichen patentrechtlichen Lehrstuhl an der TU München berufen worden,106 so dass mit seiner Berufung die Beziehungen zur Technischen Universität intensiviert werden konnten, was dem interdisziplinären Anspruch einer Patentrechtsforschung auf hohem Niveau, die auf technischen Sachverstand nicht verzichten kann, entgegenkam. Auf die notwendigerweise enge Verbindung von Technik und Patentwesen wurde in den Überlegungen im Vorfeld der Gründung des Instituts ja schon hingewiesen.107 Aber auch ökonomische Fragestellungen sind bei der wissenschaftlichen Bearbeitung des Patentrechts bedeutsam. So war es nur konsequent, dass im Institut ein eigenes volkswirtschaftliches Fachreferat errichtet wurde, das freilich in der Anfangszeit mehr mit Fragen des Aufbaus geeigneter Bibliotheksbestände als mit wissenschaftlicher Forschung beschäftigt war.108 In der Folgezeit hat sich 101 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1987. Göttingen 1987, 903–904. 102 Lindner, 25 Jahre, 1991, 24; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1985. Göttingen 1985, 809; ausführlich dazu: Ann, Patentrecht, 2022, § 14. 103 Materialien für die Sitzung des Senates der Max-Planck-Gesellschaft vom 15.3.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1922, fol. 7. 104 Vgl. Schreiben von Beier und Schricker an den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft vom 10.12.1973, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1922, fol. 17. 105 Materialien für die Sitzung des Senates der Max-Planck-Gesellschaft vom 15.3.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1922, fol. 8. 106 Christoph Ann: Privatrecht oder Patentrecht? – Gedanken zur rechtssystematischen Einordnung eines Faches. GRUR Int. 53/9 (2004), 696–699, 696; Christoph Ann und Hans Peter Kunz-Hallstein: Rudolf Kraßer zum 80. Geburtstag. GRUR 116/9 (2014), 809–810; Gerhard Schricker: Rudolf Kraßer zum 70. Geburtstag. GRUR Int. 53/9 (2004), 695. 107 Hoeren, Verwaltungsausschuß, 2017, 111–128, 114. 108 Lindner, 25 Jahre, 1991, 44.
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dieses Referat unter anderem mit dem Verhältnis von »Patentschutz und Innovation« befasst.109 Hatte das Institut bereits frühzeitig die Auswirkungen von Patenten in den Entwicklungsländern und damit ordnungspolitische Fragestellungen untersucht, klang dieser Aspekt auch bei Forschungen zur Patent- und Lizenzpolitik der öffentlichen Hand in den Industrieländern an. Dabei ging es um die Frage, wie öffentlich geförderte Forschungsergebnisse angemessen verwertet werden sollen.110 Hier zeigte sich wiederum ein wissenschaftsrechtlicher Einschlag bei den Arbeiten des Instituts. Zusammen mit Rudolf Kraßer wurde auch Wolfgang Fikentscher, der mit seiner wettbewerbsrechtlichen Habilitationsschrift auch ein Schüler Eugen U lmers war und seit 1971 einen Lehrstuhl an der Ludwig-Maximilians-Universität innehatte, zum Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied bestellt.111 Mit Fikentschers Forschungsschwerpunkten vor allem im Kartellrecht konnte das wissenschaftliche Profil des Instituts erweitert werden.112 Zudem war er »Mitdirektor des mit dem Max-Planck-Institut organisch verbundenen Universitätsinstituts für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht«.113 Neben dem Patentrecht gewann in den Forschungsarbeiten des Instituts das Urheberrecht mehr und mehr an Gewicht. Mit verschiedenen Rechtsfragen, die mit dem Einsatz so genannter »Neuer Medien« verbunden waren, wurde der technologie- und innovationsgetriebene immaterialgüterrechtliche Forschungsansatz jetzt vor allem im Bereich des Urheberrechts fortgesetzt.114 Dabei ging es nicht nur um Einzelfragen, sondern auch ganz grundsätzlich um 109 Ebd., 78, 92. 110 Ebd., 64, 79; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1977, 1977, 664; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): MaxPlanck-Gesellschaft Jahrbuch 1978. Göttingen 1978, 687. 111 Die Berufung Fikentschers erfolgte mit Schreiben vom 20.3.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1922, fol. 3. Die Bestellung Kraßers mit Schreiben vom 18.3.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1922, fol. 4. Die Habilitation Fikentschers (Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, München 1958) wurde von Alfred Hueck, aber auch von Eugen Ulmer betreut, vgl. Bernhard Großfeld und Wolfgang Fikentscher: Begegnung mit Wolfgang Fikentscher. In: Stefan Grundmann und Karl Riesenhuber (Hg.): Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler. Eine Ideengeschichte in Einzeldarstellungen. Bd. 1. Berlin 2007, 221–238, 224; Andreas Heinemann: Nachruf auf Wolfgang Fikentscher – Abschied von einem Vordenker des Kartellrechts und der Rechtsanthropologie. WuW – Wirtschaft und Wettbewerb 5 / Dedikation (2015). 112 Materialien für die Sitzung des Senates der Max-Planck-Gesellschaft am 15.3.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1922, fol. 6. Zu Fikentschers kartellrechtlichem Profil Josef Drexl: Wolfgang Fikentscher zum Gedenken. GRUR Int. 64/6 (2015), 517–519, 518. 113 Materialien für die Sitzung des Senates der Max-Planck-Gesellschaft am 15.3.1974, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1922, fol. 7. 114 Lindner, 25 Jahre, 1991, 198, 210–211; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1975, 1975, 501: »Die Forschungen auf dem Gebiet des Urheberrechts konzentrieren sich auf die Klärung von Rechtsfragen, die durch die Entwicklung neuer technischer Kommunikationsmittel und die Schaffung neuer urheberrechtlicher Befugnisse entstanden sind.«
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die Zukunftsperspektiven dieses Rechtsgebiets, das durch die immer rasanteren Entwicklungen in der Informationstechnik massiv herausgefordert wurde.115 Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang Arbeiten zum Schutz von Computerprogrammen und Mikrochips,116 aber auch Forschungsschwerpunkte im Bereich der wissenschaftlichen Dokumentation und Informationsversorgung, etwa ein Forschungsprojekt zu »urheberrechtlichen Problemen moderner Techniken und Methoden der Information und Dokumentation«. Das darin angelegte Spannungsverhältnis von »Urheberrecht, Informationstechnologie und Informationspolitik«117 kann als durchgehende Problembeschreibung für die Urheberrechtsforschung des Instituts auch in den nächsten Jahrzehnten gelten. Nicht nur technikaffine Fragestellungen, auch das Urhebervertragsrecht vor allem mit Blick auf ein faire Vergütung von Urheberinnen und Urhebern stand im Mittelpunkt der Forschungen.118 Hervorgehoben sei hier ein von Ulmer für das Bundesministerium der Justiz erstattetes Gutachten.119 Waren es zunächst vor allem neue technische Entwicklungen, die in ihren Auswirkungen auf die überkommene Urheberrechtsordnung untersucht wurden, so wurden mit der Zeit Aspekte einer europäischen Rechtsvereinheitlichung und Rechtsharmonisierung immer wichtiger.120 Im Rahmen rechtsvergleichender Untersuchungen wurde das 1976 neu geregelte US -Urheberrecht wissenschaftlich erschlossen.121 Entsprechende Arbeiten gab es auch zum japanischen Recht.122 Der Fall des »Eisernen Vorhangs« und die deutsche Wiedervereinigung ergaben nach 1990 neue Arbeits- und Forschungsfelder für das Institut. So ging es zunächst um die Rechtsvereinheitlichung innerhalb Deutschlands. Hier beteiligte sich das Institut unter anderem durch eine Vorlesungsreihe in Halle am Aufbau der bundesrepublikanischen Rechtsordnung in den neuen Ländern.123 Wissen-
115 Lindner, 25 Jahre, 1991, 620. 116 Ebd., 777–779. 117 Ebd., 82. 118 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1976, 1976, 620; General verwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1978, 1978, 688. 119 Eugen Ulmer: Gutachten zum Urhebervertragsrecht, insbesondere zum Recht der Sendeverträge, erstattet im Auftrag des Bundesministers der Justiz. Bonn 1977. Dazu Adolf Dietz: Einführung: Das Urhebervertragsrecht in seiner rechtspolitischen Bedeutung. In: Friedrich-Karl Beier et al. (Hg.): Urhebervertragsrecht. Festgabe für Gerhard Schricker zum 60. Geburtstag. München 1995, 1–50, 34–35. 120 Lindner, 25 Jahre, 1991, 123; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1978, 1978, 688; Adolf Dietz: Das Urheberrecht in der Europäischen Gemeinschaft – Studie im Auftrag der Generaldirektion »Forschung Wissenschaft und Bildung« der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Baden-Baden 1978. 121 Lindner, 25 Jahre, 1991, 123–124; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1980. Göttingen 1980, 736. 122 Vgl. Guntram Rahn: Reprographische Vervielfältigung und Urheberrecht in Japan. GRUR Int. 28/3 (1979), 139–147. 123 Lindner, 25 Jahre, 1991, 261.
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schaftlich konnte das Institut an frühere Kontakte zu DDR-Wissenschaftlern im Rahmen der innerdeutschen Rechtsvergleichung anschließen. Im Bereich des Wettbewerbsrechts wurden rechtstatsächliche Forschungen zum Verbraucherschutz projektiert.124 Besonders erwähnt sei eine Untersuchung über Verbraucherschäden durch unlautere Werbung, für die über 7.000 Gerichtsakten und Beschwerden bei Verbraucherverbänden ausgewertet wurden, oder eine Untersuchung zu Haustürgeschäften.125 Verbraucherschutzrechtliche Fragen sollten auch in den kommenden Jahren im Forschungsprogramm des Instituts immer wieder in Erscheinung treten,126 etwa im Projekt »Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz«.127 Besonders erwähnt sei auch ein Projekt zu »Markenrecht und Verbraucherschutz«.128 Das im Rahmen dieser Projekte am Institut gesammelte Material sollte den Grundstein für ein Archiv des in- und ausländischen Verbraucherschutzrechts legen.129 Unter Federführung von Gerhard Schricker hatte das Institut zusammen mit den anderen juristischen Max-Planck-Instituten im Dezember 1977 »Vorschläge zur Förderung der Rechtstatsachenforschung an den juristischen Max-PlanckInstituten« vorgelegt und damit methodische Anregungen insbesondere aus der zeitgenössischen Rechtssoziologie aufgegriffen.130 In diesem Papier wurden auch bereits durchgeführte und geplante Projekte genannt.131 Diese »zukünftigen 124 Ebd., 55. Die Rechtstatsachenforschung ist ein Teilgebiet der Rechtssoziologie, in dem mit empirischen Methoden tatsächliche Sachverhalte erschlossen werden, die Gegenstand juristischer Regelung und Bewertung sind, vgl. Gerhard Köbler: Rechtstatsachenforschung. In: Horst Tilch und Frank Arloth (Hg.): Deutsches Rechts-Lexikon. 3. Auflage. Bd. 3. München 2001, 3502. 125 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1978, 1978, 690; Jürgen Schade: Geschäfte an der Haustür durch unbestellte Vertreter. Köln 1978; Gerhard Schricker: Werbung, Wettbewerb und Verbraucherschutz. Neue Wege zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken. In: Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1979. Göttingen 1979, 55–71. 126 Gerhard Schricker: Unlauterer Wettbewerb und Verbraucherschutz. GRUR Int. 19/2 (1970), 32–44, 44. 127 Vgl. etwa Lindner, 25 Jahre, 1991, 154; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1975, 1975, 501. 128 Lindner, 25 Jahre, 1991, 199. 129 Ebd., 71. 130 »Vorschläge zur Förderung der Rechtstatsachenforschung an den juristischen MaxPlanck-Instituten«, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2994, fol. 142–159. 131 Abgeschlossene Projekte: Geprüfte und nicht geprüfte Patente – ein statistischer Vergleich auf der Grundlage des deutschen Patentwesens der Nachkriegszeit (publiziert 1973); Überlegungen zur Reform des deutschen Geschmacksmusterrechtes anhand einer Umfrageforschung bei Wirtschaft und Verbänden (publiziert 1976); Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Wertreklame, mit einer Umfrage bei Wirtschaft und Verbänden (publiziert 1974); Verbraucherverbandsklage und Haftung der Verbraucherverbände (publiziert 1977); Die Praxis des Patentnichtigkeitsverfahrens. Laufende Projekte: Verbraucherschäden durch unlautere Geschäftspraktiken (Rechtstatsächliche
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Aufgaben der Rechtstatsachenforschung« geben einen guten Eindruck vom Forschungsprogramm des Instituts, das alle Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes sowie das Urheberrecht abdeckte.132 Im Warenzeichenrecht wurde über die Schaffung einer europäischen Marke gearbeitet.133 So waren Beier und Alexander von Mühlendahl Mitglieder in der »Arbeitsgruppe Gemeinschaftsmarke« der Kommission der Europäischen Gemeinschaften.134 Das Thema Markenrecht und Verbraucherschutz wurde auch empirisch untersucht.135 Die Forschungen des Instituts wandten sich zudem Randfeldern des Markenrechts zu, so dem Recht der Gütezeichen oder mit einem umfangreichen Handbuch dem Recht des Ausstattungsschutzes, das den Schutz von nichteingetragenen Marken behandelt.136 In geographischer Hinsicht wurde der Ausbau der rechtsvergleichenden Forschung über Europa hinaus vorangetrieben. Eine wichtige Lücke bei den Länderreferaten konnte 1975 mit der Gewinnung von Guntram Rahn für den Bereich Japan geschlossen werden.137 In den Folgejahren wurde dieser Bereich, der nicht nur eine der deutschen und der europäischen eher verwandte RechtsErhebung anhand von Gerichtsakten und Verbraucherreklamationen); Die Patentpolitik der öffentlichen Hand (Rechtsvergleichende Untersuchung der Patent- und Lizenzpolitik der öffentlichen Hand bei staatlich geförderter Forschung, aufbauend auf rechtstatsächlichen Ermittlungen). Geplante Projekte: Streitwert und Kosten bei Wettbewerbsprozessen; Der selektive Markenartikelvertrieb (gestützt auf Umfragen bei Wirtschaft, Verbänden und Verbrauchern); Rechtstatsächliche Voraussetzungen der Schaffung eines europäischen Markenrechtes. Die Aufzählung findet sich in »Vorschläge zur Förderung der Rechtstatsachenforschung an den juristischen Max-Planck-Instituten«, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2994, fol. 172–173. 132 Genannt werden in dem Papier »Vorschläge zur Förderung der Rechtstatsachenforschung an den juristischen Max-Planck-Instituten« (AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2994, fol. 173) ausdrücklich: Patentrecht und Innovation; Wirtschaftliche und soziale Bedeutung von Warenzeichen und Markenartikelwesen; Verbraucherschutz; Soziale Sicherung der Urheber und Verhältnisse der Verwertungsindustrien; Praxis der Lizenzverträge und sonstiger Verwertungsverträge, Entwicklungsländer und gewerbliche Schutzrechte sowie Urheberrecht. 133 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1976, 1976, 621. 134 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1978, 1978, 688. 135 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1984. Göttingen 1984, 871–872. 136 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1986, 1986, 842; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1987, 1987, 904–906; Stephan Gruber: Verbraucherinformation durch Gütezeichen. Köln 1987; Gerhard Schricker und Dieter Stauder (Hg.): Handbuch des Ausstattungsrechts. Der Schutz der nicht eingetragenen Marke und Ausstattung im In- und Ausland. Festgabe für Friedrich-Karl Beier zum 60. Geburtstag. Weinheim 1986. »Ausstattung« ist eine mittlerweile veraltete Bezeichnung für die nicht eingetragene Marke, vgl. Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 59, Rn. 3. 137 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1976, 1976, 620; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1983, 1983, 788–789.
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ordnung, sondern auch eine aufstrebende und somit auf gewerbliche Schutzrechte angewiesene Industrienation betraf, weiter ausgebaut. Ab 1980 wurden auch verstärkt Bemühungen um eine Einbeziehung Chinas in die Arbeit des Instituts unternommen.138 Besonders hervorgehoben seien hier eine von Adolf Dietz angefertigte Übersetzung des chinesischen Urheberrechtsgesetzes sowie ein umfangreiches Handbuch zum gewerblichen Rechtsschutz in China.139 Wie schon beim europäischen Patentrecht so nahm das Institut auch bei Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes für Entwicklungsländer aktiv beratend an internationalen Verhandlungen zur künftigen Gestaltung der Rechtslage teil. Hans Peter Kunz-Hallstein wurde 1978 zum Mitglied der deutschen Delegation bei den Verhandlungen über die Revision der Pariser Verbandsübereinkunft berufen.140 Ein bedeutendes Ereignis waren hier die Diplomatischen Konferenzen zur Revision der Pariser Verbandsübereinkunft 1980 in Genf und 1981 in Nairobi, an der mit Hans Peter Kunz-Hallstein und Friedrich-Karl Beier gleich zwei Mitglieder des Instituts aktiv beteiligt waren.141 Die Forschungsarbeiten zum gewerblichen Rechtsschutz wurden ergänzt durch das Thema »Technologietransfer an Entwicklungsländer und Kartellrecht«.142 4.2
Ein Institut mit vielen Standorten
Bei aller wissenschaftlichen Produktivität hatte das Institut jedoch mit immer drängenderen Raumproblemen zu kämpfen. Nicht nur die wachsende Bibliothek, auch die vielen auswärtigen Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler brauchten Platz. Um die beengten räumlichen Verhältnisse am Institut abzumildern, wurden weitere Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft angemietet. Allerdings waren dadurch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Bibliotheksbestände auf mehrere verschiedene Standorte verteilt. Ein Neubau oder ein eigenes größeres Institutsgebäude wurden für eine reibungslose Institutsarbeit immer dringlicher. Da sich dies aber nicht realisieren ließ, kam 1978 in der Maria-Theresia-Straße 21 ein weiteres Gebäude hinzu, das sogar extra 138 Lindner, 25 Jahre, 1991, 131, 145, 170, 266; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1980, 1980, 735; Generalverwaltung der MaxPlanck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1988. Göttingen 1988, 779–781. 139 Adolf Dietz (Übers.): Volksrepublik China – Urheberrechtsgesetz erlassen am 7.9.1990 auf der 15. Sitzung des Ständigen Ausschusses des VII . Nationalen Volkskongresses. GRUR Int. 39/12 (1990), 940–944; Adolf Dietz (Hg.): Die Neuregelung des gewerblichen Rechtsschutzes in China. Texte und Einführungen zum Patent-, Warenzeichen-, Wettbewerbs- u. Kartellrecht. Weinheim 1988. 140 Lindner, 25 Jahre, 1991, 104. 141 Ebd., 129; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1981, 1981, 741–742; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1982, 1982, 738. 142 Lindner, 25 Jahre, 1991, 143; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1979. Göttingen 1979, 719–720.
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für die Bedürfnisse des Instituts umgebaut wurde.143 Die räumliche Situation des Instituts blieb gleichwohl unsicher und angespannt. Der Mietvertrag am Stammsitz des Instituts drohte 1988 zu enden, da die Eigentümer das Gebäude nunmehr selbst nutzen wollten. Auch der Mietvertrag für den Standort MariaTheresia-Str. 21 stand vor dem Auslaufen. Der Grund dafür waren dauernde Konflikte mit den im Haus wohnenden Vermietern, unter anderem wegen Abendveranstaltungen oder der Nutzung eines in den Institutsräumen aufgestellten Klaviers.144 Nach längeren Verhandlungen waren beide Vermieter unter erheblichen Mietaufschlägen, die man mangels alternativer Standorte für das Institut nicht vermeiden konnte, bereit, das jeweilige Mietverhältnis mit Verlängerungsoptionen bis etwa 2004 fortzusetzen. Das Institut war damit zwar an seinen Standorten gesichert, musste aber weiter recht beengt und räumlich zerstreut arbeiten und zudem in der Maria-Theresia-Straße Nutzungseinschränkungen für die Abendstunden und am Wochenende hinnehmen. Um Platz für die ständige wachsende Bibliothek zu gewinnen, wurden 1988 in der MariaTheresia-Straße 22 weitere Räumlichkeiten angemietet.145 4.3
Die Entwicklung der Bibliothek
Die Dokumentation des ausländischen Rechts und der Rechtsentwicklung des Auslands sowie die Erarbeitung entsprechender Informationen für die interessierte Fachöffentlichkeit gehörten seit seiner Gründung zu den wesentlichen Aufgaben des Instituts. Der Umfang der Dokumentationsarbeiten in den einzelnen Referaten war mitunter erheblich und beanspruchte keinen geringen Teil der wissenschaftlichen Arbeitskraft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
143 Lindner, 25 Jahre, 1991, 103. Zusammen mit den Standorten Siebertstraße 3 (Hauptgebäude und Rückgebäude) und Siebertstraße 5 verfügte das Institut über eine Gesamtnutzfläche von rund 2.800 qm für 130 Mitarbeiter, vgl. Brief von Schricker an die Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft vom 22.1.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2979, fol. 169–173. 144 Zum 50. Geburtstag von Gerhard Schricker erschien eine im Stil einer Bierzeitung gehaltene Festschrift als Sonderausgabe der »GRUR intern« (sic!) mit einem launigen, »Geister und ähnliche Erscheinungen« überschriebenen Gedicht einer Institutsstipendiatin. Über den Vermieter, der sich wegen der Pianonutzung beschwert hatte, war zu lesen: »Er schreit mit wutverzerrtem Mund: / ›Musik pro Tag nur eine Stund‹!« Wir denken nach: Der Mann da spinnt, / wo er allein, wir viele sind. / Wenn wir ihn einmal nur verdreschen, / ist ihm vielleicht das Hirn gewäschen. / Dann denkt er anders als bisher: / ›Ich krieg nie bess’re Mieter mehr‹.« AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2979, fol. 132. Als man das Gedicht in der Generalverwaltung bemerkte, wurde Beier mit deutlichen Worten gebeten, das »Pamphlet« aus dem Verkehr zu ziehen, da es die Verhandlungen über eine Verlängerung des Mietvertrages mit den im gleichen Haus wohnenden Vermietern zu gefährden drohte, Vermerk Dr. Masch vom 17.6.1985, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2979, fol. 128. 145 Vermerk Dr. Schneider vom 7.10.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2979, fol. 50.
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So wurden 1985 allein im US -Referat über 1.000 Quellen erschlossen.146 Diese immense Dokumentationsarbeit war nur auf Grundlage der kontinuierlich ausgebauten Institutsbibliothek zu leisten. Sie verfügte 1975 über einen Bestand von 32.500 Bänden und 400 laufenden ausländischen Zeitschriften.147 Zwei Jahre später war die Bibliothek auf 38.900 Bände und 600 ausländische Zeitschriften und 1979 auf 44.775 Bände und 630 ausländische Zeitschriften angewachsen.148 1981 verfügte die inzwischen von Joseph Straus nebenamtlich geleitete Institutsbibliothek schon über 50.442 Bände und 660 ausländische Zeitschriften,149 zwei Jahre später waren es 56.789 Bände, allerdings sank die Zahl der laufend gehaltenen ausländischen Zeitschriften deutlich auf 540.150 1985 beherbergte die Bibliothek schon über 78.000 Bände, auch die Zahl der Zeitschriften stieg leicht wieder an auf 560.151 Der Bestand wuchs 1987 auf 87.000 Bände, ebenso erhöhte sich die Zahl der Zeitschriften auf 600.152 1989 waren es bereits 96.000 Bände und 610 laufende Zeitschriften, zudem werden 7.000 Mikroformen zum Bestand gerechnet.153 Zwei Jahre später umfasste die Bibliothek 105.000 Bände, 747 laufende Zeitschriften und 8.000 Mikroformen.154 1993 schließlich waren es 114.420 Bände, 760 Zeitschriften und unverändert 8.000 Mikroformen. Damit hatte sich der Bestand der Institutsbibliothek während des Direktorats von Friedrich-Karl Beier fast vervierfacht. 4.4
Weitere Aktivitäten
Dem Informationsaustausch über das ausländische Recht dienten aber nicht nur Bücher und Zeitschriften, sondern in zunehmendem Maße auch Gastaufenthalte von ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Nicht zuletzt wegen seiner reichhaltigen und thematisch einzigartigen Bibliothek wurde das Institut zu einem beliebten Treffpunkt und Ort des wissenschaftlichen Austausches.155
146 Lindner, 25 Jahre, 1991, 193. 147 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1975, 1975, 209. 148 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1977, 1977, 235; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-PlanckGesellschaft Jahrbuch 1979. Göttingen 1979, 206. 149 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1981, 1981, 220. 150 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1983, 1983, 221. 151 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1985, 1985, 222–223. 152 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1987, 1987, 221–222. 153 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1989. Göttingen 1989, 233. 154 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1991. Göttingen 1991, 244. 155 Vgl. nur Lindner, 25 Jahre, 1991, 116.
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Den Bereich seiner rechtsvergleichenden Arbeiten konnte das Institut 1979 mit dem Projekt »Patent- und Warenzeichenschutz in den Ländern der arabischen Welt« erweitern.156 Auch Lateinamerika rückte unter anderem durch verschiedene Gastaufenthalte aus diesen Ländern am Institut vermehrt in den Fokus der Forschungen. Weitere geographische Schwerpunkte lagen mit Polen und Jugoslawien in Osteuropa157 und natürlich in den USA .158 Aber auch Entwicklungsländer wurden zunehmend wichtiger.159 Das Münchener Institut war auch in internationalen Fachgesellschaften und -vereinigungen wie der »International Association for the Protection of Intellectual Property« (AIPPI) engagiert.160 Besonders hervorgehoben sei die 1981 auf Betreiben von Beier gegründete »International Association of Teaching and Research in Intellectual Property« (ATRIP), deren Sekretariat auch nach dem Ausscheiden Beiers als Gründungspräsident zunächst weiterhin in München verblieb.161 Mit der Herausgabe eines ATRIP Biographical Directory 1983 wurde dem Fachdiskurs größere Sichtbarkeit verschafft und die internationale Vernetzung gefördert.162 Gerade dieses Engagement weist zurück auf die kontroverse Gründungsdiskussion des Instituts, in der es auch um die Frage ging, ob Themen des geistigen Eigentums in Forschung und Lehre an den Universitäten ihrer Bedeutung entsprechend ausreichend vertreten seien. Eine Untersuchung hierzu wurde vom Institut 1989 im Rahmen der ATRIP durchgeführt.163 Das Engagement in der ATRIP ist vor dem Hintergrund einer bereits 1977 über die Kultus- und die Justizministerkonferenz gestarteten Initiative zur stärkeren Berücksichtigung der am Institut gepflegten Rechtsgebiete in der ju156 Ebd., 132; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1981, 1981, 742. 157 Lindner, 25 Jahre, 1991, 117–118, 145; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1982, 1982, 739. 158 Lindner, 25 Jahre, 1991, 151–152. 159 Adolf Dietz: Urheberrecht und Entwicklungsländer: Urheberrechtliche Probleme bei der Errichtung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung. München 1981; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1981, 1981, 744. 160 Lindner, 25 Jahre, 1991, 168. 161 Ebd., 190–191; Straus, Friedrich-Karl Beier, 2017, 41–45, 42. 162 Lindner, 25 Jahre, 1991, 168, 179; International Association for the Advancement of Teaching and Research in Intellectual Property (Hg.): ATRIP Biographical Directory: Teachers and Researchers in Intellectual Property Law. München 1983. 163 Lindner, 25 Jahre, 1991, 246. Vgl. auch Friedrich-Karl Beier und Silke von Lewinski: Lehrveranstaltungen im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht an deutschen Hochschulen. GRUR 91/11 (1989), 809–815. Baucks und Nordemann kritisieren, dass Beier und von Lewinski in ihrer Untersuchung kein vollständiges Studienjahr, sondern nur ein Semester betrachtet haben. Sie gelangten mit einer alternativen Erhebung zu einem differenzierteren Bild, vgl. Eckhard Baucks und Axel Nordemann: Lehrveranstaltungen im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht an deutschen Hochschulen. GRUR 92/6 (1990), 411–430, 411. Zur veränderten Beachtung des Patentrechts siehe Ann, Privatrecht oder Patentrecht?, 2004, 696–699, 699.
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ristischen Ausbildung nur konsequent. Im Juli 1977 hatte das Kuratorium des Instituts eine sechsseitige »Denkschrift für eine verstärkte Berücksichtigung des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts im Hochschulunterricht« erstellt,164 die über den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft an die Politik weitergeleitet wurde.165 In der Denkschrift beklagte man das Verschwinden von Fragestellungen des geistigen Eigentums in der Reform der juristischen Prüfungsordnungen von 1971. Es wurde darauf hingewiesen, dass die fraglichen Disziplinen noch verhältnismäßig jung seien und daher intensiver wissenschaftlicher Bearbeitung bedürften; sie hätten zudem einen »hohen didaktischen Wert«. Hervorgehoben wurde auch die große wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung dieser Rechtsgebiete. Im Ausland würden diese Fächer zudem eine größere Rolle im Studium spielen. Gefordert wurde daher die Einführung einer eigenen Wahlfachgruppe, die das deutsche und europäische Kartellrecht, das Recht des unlauteren Wettbewerbs, den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht umfassen sollte. Eine Vereinigung wie die ATRIP diente nicht nur dem allgemeinen fachlichen Austausch, sondern fungierte auch als Plattform und Resonanzraum für Forschungsvorhaben des Instituts. So wurden im Rahmen des Forschungsprojekts »Urheberrecht und Information« untersuchte Probleme der Fotokopie und der elektronischen Fachkommunikation etwa über Videotext und Bildschirmtext auch auf Veranstaltungen der ATRIP vorgestellt und vor einem internationalen Hintergrund rechtsvergleichend diskutiert.166 Aus Anlass des 20jährigen Bestehens des Instituts wurde vom 1. bis 5. Juli 1985 auf Schloss Ringberg am Tegernsee, einer Tagungsstätte der Max-PlanckGesellschaft, ein Symposium in Form einer Klausurtagung zum Thema »Vereinheitlichung des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – was ist erreicht und was bleibt zu tun?« veranstaltet.167 Dieses Symposium diente einer forschungspolitischen Standortbestimmung für die künftige Ausrichtung der Institutsarbeit. Zugleich bildete es den Ausgangspunkt zu einer regelmäßigen Serie von Tagungen des Instituts unter dem Titel »Ringberg-Symposium«.168 Das zweite Symposium fand 1988 statt und befasste sich mit verschiedenen Herausforderungen des gewerblichen Rechtsschutzes durch neue technische und wirtschaftliche Entwicklungen.169 164 »Denkschrift für eine verstärkte Berücksichtigung des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts im Hochschulunterricht«, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2994, fol. 29–37. 165 Vgl. Schreiben des Niedersächsischen Ministers der Justiz vom 20.1.1978 an den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2994, fol. 2. 166 Lindner, 25 Jahre, 1991, 174. 167 Ebd., 189–190. 168 Ebd., 190. 169 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1989, 1989, 794–795; Ulrich Joos und Rainer Moufang: Neue Tendenzen im internationalen Schutz des geistigen Eigentums – Bericht über das zweite Ringberg-Symposium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht. GRUR Int. 37/12 (1988), 887–906.
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Das dritte Symposium 1989 war markenrechtlichen Themen gewidmet, vorgestellt wurden insbesondere Ergebnisse einer rechtsvergleichend-rechtstatsächlichen Untersuchung zu Markenverletzungsprozessen.170 Schon seit der Gründung des Instituts waren groß angelegte Publikationen wie das Handbuch zum Wettbewerbsrecht in Europa in Angriff genommen und zum Abschluss gebracht worden. Auch die kontinuierliche Kommentierung des Europäischen Patentrechts gehört hierher. Eine weitere, bis heute wichtige Publikation hat Gerhard Schricker mit dem von ihm herausgegebenen Kommentar zum Urheberrechtsgesetz ab 1985 begonnen.171 Der 1987 erschienene Kommentar war der erste Großkommentar zu dem bereits 1965 in Kraft getretenen Gesetz.172 Mit den »IIC-Studies« wurde schon 1977 eine weitere neue Schriftenreihe für englischsprachige Monographien aus dem Institut gegründet. Um die Common-Law-Perspektive in den Forschungsarbeiten zu stärken, wurde William R. Cornish von der London School of Economics im Frühjahr 1989 zum Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied des Instituts bestellt.173 Cornish war dem Institut seit 1973 in vielfacher Weise verbunden.174 1979 war er als Gastwissenschaftler für acht Monate am Institut und arbeitete dort auch an seinem renommierten Lehrbuch zum Immaterialgüterrecht.175 Er gehörte seit 1980 sowohl dem Fachbeirat als auch dem Kuratorium des Instituts an.176
5.
Das Direktorat von Gerhard Schricker (1991–2001)
Im April 1991 übernahm Gerhard Schricker von Friedrich-Karl Beier die Leitung des Instituts. Seine Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität, die er seit 1973 innehatte, füllte er weiterhin aus. An dieser Universität hatte er, unterbrochen durch Auslandsaufenthalte in Pavia und Salamanca, auch studiert.177 170 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1990. Göttingen 1990, 843; Jan J. Brinkhof: Probleme des Markenverletzungsprozesses – Bericht über das dritte Ringberg-Symposium des Max-Planck-Instituts vom 12. bis 15. Juli 1989. GRUR Int. 39/6 (1990), 457. 171 Lindner, 25 Jahre, 1991, 197. 172 Ebd., 210, 223. 173 Materialien für die Sitzung des Senates der Max-Planck-Gesellschaft am 17.3.1989 in Stuttgart, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 335, sowie Brief von Heinz Staab an William Cornish vom 6.4.1989, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 330–331. 174 David Llewelyn: In Memoriam – Professor William Rodolph Cornish. IIC – International Review of Intellectual Property and Competition Law 53/2 (2022), 169–172. 175 Brief von Gerhard Schricker und Friedrich-Karl Beier an Heinz Staab vom 26.9.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 352 verso. Generalverwaltung der Max-PlanckGesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1980, 1980, 734; William R. Cornish: Intellectual Property – Patents, Copyright, Trade Marks and Allied Rights. London 1981. 176 Brief von Gerhard Schricker und Friedrich-Karl Beier an Heinz Staab vom 26.9.1988, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 352 verso. 177 Ansgar Ohly: Gerhard Schricker zum 80. Geburtstag. GRUR Int. 64/7–8 (2015), 625–626, 625.
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1961 promovierte er mit einer von Eugen Ulmer betreuten Dissertation zur täuschenden Werbung im italienischen Wettbewerbsrecht. Die Habilitation erfolgte 1970 mit einer weiteren wettbewerbsrechtlichen Arbeit, ebenfalls bei Ulmer.178 Nach seinem Ausscheiden als geschäftsführender Direktor blieb FriedrichKarl Beier weiterhin hauptamtliches Wissenschaftliches Mitglied des Instituts. Mit seinem absehbaren Ruhestand im April 1994 stellten sich aber schon jetzt für die Zukunft des Instituts wichtige inhaltliche und personelle Fragen. Bereits im April 1992 fand ein Gespräch zwischen Gerhard Schricker und Hans Zacher, dem damaligen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, über die Weiterentwicklung des Instituts angesichts des bald bevorstehenden Ausscheidens Beiers statt.179 Dabei ging es nicht nur um die organisatorische Frage der Nachbesetzung der Direktorenstelle, sondern auch um künftige Perspektiven für die von Beier vertretenen Rechtsgebiete, insbesondere für das »Patent- und Erfinderrecht«.180 Schricker wies auf das Problem hin, dass dieses Fach in der Hochschullehre praktisch nicht vorkomme und sich daher »Engpässe bei der Ausbildung des qualifizierten, ordinariablen Nachwuchses auf diesem Gebiet herausgebildet haben«. Es sei daher sehr schwierig, für das Institut einen kompe tenten Spezialisten auf dem Gebiet zu finden, der überdies auch noch rechtsvergleichend arbeite. 5.1
Die »Drobnig-Kommission« (1992–1994)
Am 3. Juni 1992 setzte die Geisteswissenschaftliche Sektion der Max-PlanckGesellschaft eine Berufungskommission für das Institut ein mit dem doppelten Auftrag, »Beratungen über die künftige Entwicklung des Instituts sowie über die Berufung eines Nachfolgers [von Beier] einzuleiten.«181 Vorsitzender der Kommission war Ulrich Drobnig, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg.182 Auf der ersten Sitzung der so genannten »Kommission ›MPI für Patentrecht‹« am 14. Oktober 1992 in Heidelberg wurden die »hoch spezialisierte Forschungsausrichtung« des Instituts hervorgehoben und das »Patent- und Warenzeichenrecht« als wissenschaft178 Ansgar Ohly: Nachruf. Gerhard Schricker (25.6.1935–6.4.2021). JuristenZeitung 76/12 (2021), 625. 179 Vermerk Dr. Marsch vom 28.4.1992, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 325. 180 Ebd., fol. 325. 181 »Bericht und Empfehlung der Kommission ›Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht‹ betreffend die Nachfolge von Professor Friedrich-Karl Beier« vom 13.1.1994, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 185. 182 Weitere gewählte Mitglieder der Kernkommission waren Albin Eser (MPI Strafrecht), Bernd Baron von Maydell (MPI Sozialrecht), Wolfgang Prinz (MPI Psychologische Forschung), Peter Martin Roeder (MPI Bildungsforschung) und Hans-Joachim Puttfarken (Wiss. Mitarbeiter MPI Privatrecht), vgl. Brief von Drobnig an Steup vom 22.10.1992, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 285.
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liche Arbeitsgebiete von Friedrich-Karl Beier genannt.183 Vor der Erörterung von Personalfragen wollte sich die Kommission zunächst inhaltlichen Fragen widmen. Es sollte besprochen werden, ob die Weiterführung der bisherigen Forschungsschwerpunkte, insbesondere im Patentrecht, wünschenswert sei.184 Kritisch wurde angemerkt, dass das Institut zwar einen »enormen Zulauf von Doktoranden« habe, die Zahl der Habilitationen demgegenüber vergleichsweise niedrig sei; dies wurde als »strukturelles Defizit« angesehen.185 Man beschloss, externe Fachvertreter in die Kommission zu berufen und dabei auch Persönlichkeiten aus der Praxis zu berücksichtigen, da »an deutschen Universitäten der gewerbliche Rechtsschutz kaum von Ordinarien vertreten« werde.186 Die zweite Sitzung der Kommission tagte am 8. Januar 1993 in München. Im Rahmen einer Anhörung stellte Gerhard Schricker die allgemeine Entwicklung des Instituts dar. Dessen Aufgabenstellung ergebe sich aus rechtspolitischen, technischen und ökonomischen Entwicklungen und Herausforderungen für die am Institut gepflegten Rechtsgebiete. Auch Schricker betonte die »hoch spezialisierte Forschungsausrichtung« und verwies auf die »im internationalen Vergleich einzigartig ausgestattet[e]« Bibliothek.187 Als idealen Nachfolger für Friedrich-Karl Beier schlug Schricker Rudolf Kraßer vor, der dem Institut bereits als Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied verbunden war. Kraßer sei »im Vergleich zu anderen Kandidaten sowohl auf dem Gebiet des Patentrechts als auch der Rechtsvergleichung national wie international gleichermaßen ausgewiesen [… und … ] erfülle als einziger das vom Institut erarbeitete Anforderungsprofil.«188 Dass Kraßer und Schricker etwa gleich alt waren, wurde als Vorteil gesehen, da mit einer dann zu erwartenden doppelten Neubesetzung der Direktorenstellen die Weichen für die Zukunft des Instituts neu gestellt werden könnten und sich in der Zwischenzeit »auch das Potential der für Berufungen in Frage kommenden jungen Wissenschaftler(innen) erheblich« verbreitern werde.189 In der Kommission wurde kritisch nachgefragt, ob das vom Institut selbst für die Nachfolge aufgestellte »Kriterium ›Patentrechtler‹ unverzichtbar« sei.190 Schricker bejahte dies: Man könne sich nicht neben der Institutsleitung in dieses Rechtsgebiet einarbeiten, eine fehlende eigene Kompetenz auf diesem 183 Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 14.10.1992 in Heidelberg, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 71. 184 Ebd., fol. 71 verso. 185 Ebd., fol. 71 verso. 186 Ebd., Externe Mitglieder der Kommission waren Elisabeth Steup, Jürgen Baur, Stig Strömholm und Luigi Carlo Ubertazzi. 187 Ergebnisprotokoll der 2. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 8.1.1993 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 76. 188 Ergebnisprotokoll der 2. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 8.1.1993 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 77. 189 Ebd., fol. 80: »Die personelle Situation auf dem Gebiet des Patentrechts werde bis dahin eine wesentlich bessere als heute sein.» Sitzungsvermerk A. Weddige. 190 Ebd., fol. 77.
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Gebiet aber könnte zu Akzeptanzschwierigkeiten bei den Institutsmitarbeitern führen.191 Geeignete Kandidaten im Hause seien mangels Habilitation für eine Nachfolge nicht vorhanden. Auch Friedrich-Karl Beier sprach sich im Rahmen seiner Anhörung für Rudolf Kraßer aus, der »seines Wissens in Deutschland der einzige Ordinarius für Privat- und Patentrecht« sei.192 Wolfgang Fikentscher als Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Instituts unterstrich die wachsende Bedeutung des Patentrechts als Forschungsgebiet. Auch er sah es aufgrund des hohen Spezialisierungsgrades der Materie als ausgeschlossen an, sich in dieses Rechtsgebiet in »relativ kurzer Zeit« einarbeiten zu können.193 Zu Kraßer selbst wollte er sich aber wegen der persönlichen Nähe zu ihm nicht äußern. Aus den Reihen der wissenschaftlichen Mitarbeiter wurden Adolf Dietz und Joseph Straus als mögliche Kandidaten für die Institutsleitung ins Spiel gebracht, allerdings bestand hier, von der fehlenden Habilitation abgesehen, bereits das Problem einer nicht gewünschten Hausberufung.194 Da der von Schricker und Beier gemachte Personalvorschlag noch nicht formal über den Präsidenten als Nominierung erfolgt war, war die Kommission frei, eigene Personalvorschläge zu entwickeln und mit der Institutsleitung zu besprechen.195 Auf der dritten Kommissionsitzung am 29. März 1993 in München wurde zunächst über den Stellenwert des Patentrechts für die Arbeit des Instituts beraten. Während vor allem die auswärtigen Mitglieder der Kommission dieses Rechtsgebiet als den »wissenschaftlichen Kern des Instituts« ansahen, das überdies ein »äußerst umfangreiches und diversifiziertes Forschungsgebiet« sei, beurteilten andere Kommissionsmitglieder dies skeptischer, da etwa mit Blick auf die Publikationstätigkeit des Instituts das Patentrecht nur einen »unter mehreren Schwerpunkten« bilde.196 Dem wurde jedoch entgegengehalten, dass die patentrechtliche Forschung am Institut sich »weniger in wissenschaftlichen Veröffentlichungen als in einer Vielzahl von Gutachten für Gesetzgeber niederschlage.«197 Auch wenn die Kommission der Meinung war, dass Grundlagenforschung gegenüber einer »›Service-Funktion‹ für Gesetzgeber« im Vordergrund stehen müsse, wurde doch anerkannt, dass das Patentrecht, das an den Universitäten praktisch nicht existiere, in der Max-Planck-Gesellschaft seinen Platz behalten müsse; das Fach sei zudem umfangreich und expandiere.198 Vor
191 Ebd., fol. 77. 192 Ebd., fol. 77. 193 Ergebnisprotokoll der 2. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 8.1.1993 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 78. 194 Ebd., fol. 78. 195 Ebd., fol. 81: »Die Kommission will sich in jedem Fall einen eigenen Überblick über personelle Möglichkeiten verschaffen.« Sitzungsvermerk A. Weddige. 196 Ergebnisprotokoll der 3. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 29.3.1993 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 84. 197 Ebd., fol. 84. 198 Ebd., fol. 85.
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diesem Hintergrund diskutierte die Kommission dann verschiedene Kandidaten für die Institutsnachfolge mit einem etwas breiteren wirtschaftsrechtlichen Profil und zugleich Arbeitsschwerpunkten im gewerblichen Rechtsschutz, ohne sich jedoch auf eine Alternative zu Schrickers Vorschlag zu verständigen. Im Nachgang der dritten Sitzung fand ein Gespräch zwischen Ulrich D robnig und Gerhard Schricker statt, in dem Schricker in gewissem Widerspruch zu seiner Darstellung in der Kommissionssitzung einräumte, dass Kraßer international vielleicht nicht sehr bekannt sei und daher vorschlug, das Auswärtige Wissenschaftliche Mitglied William Cornish zusätzlich zum Vollmitglied des Instituts zu berufen.199 Als Zacher von dieser Wendung erfuhr, war er überrascht und sprach sich strikt dagegen aus, am Institut wieder ein Dreierdirektorium zu etablieren.200 Allerdings sollte geprüft werden, ob Cornish einer Berufung nach München folgen würde – er wollte nicht.201 Ein Gespräch zwischen Hans Zacher, Edmund Marsch von der General verwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Gerhard Schricker und Friedrich-Karl Beier wurde anberaumt.202 Dabei wurden verschiedene Optionen der geplanten Neubesetzung besprochen, ob Schricker oder Kraßer im Hauptamt an das Institut wechseln oder beide von ihren Lehrstühlen aus im Nebenamt das Institut leiten sollten. Es ergab sich das Problem, dass mit einem Wechsel Schrickers an das Institut das mit dem Max-Planck-Institut eng verbundene Universitätsinstitut von seinem Nachfolger möglicherweise anders ausgerichtet werden könnte. Das war im Sinne einer für das Institut guten Gesamtlösung mitzubedenken. Im Nachgang des Gesprächs wurde die bereits im Februar bei der Generalverwaltung eingegangene formelle Nominierung Kraßers durch das Institut an die Kommission übermittelt.203 Die vierte Kommissionssitzung fand am 15. Juni 1993 in Frankfurt statt und stand ganz im Zeichen der jetzt vorliegenden Nominierung Kraßers als künftigen zweiten Institutsdirektor. Zwischenzeitlich gemachte eigene Vorschläge der Kommission hatten im Institut keine Zustimmung gefunden. Und so wurde jetzt Kraßer als potenzieller Kandidat selbst angehört, der seine Vorstellungen von der künftigen Arbeit des Instituts und seiner Rolle als dessen Leiter darlegte. Dabei nahm die Fortführung des Forschungsbereichs »Patentrecht« erwartungsgemäß einen breiten Raum ein. Hier wurde kritisch zurückgefragt, ob nicht ein »gewisser ›Sättigungseffekt‹ beim Patentrecht dazu führen müsse«, die
199 Vermerk Zacher vom 15.4.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 471. Vermerk Marsch vom 11.5.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 469. 200 Ebd., fol. 472. 201 Ebd., fol. 472. 202 Vermerk Marsch vom 11.5.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 469–470. 203 Das entsprechende Schreiben vom 9. Februar 1993 an den Präsidenten der Max-PlanckGesellschaft wurde zunächst nicht an die Kommission weitergeleitet, offenbar um die Kommission durch den Vorschlag nicht zu früh zu binden, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 142, fol. 320, mit entsprechendem Vermerk vom 16. Februar 1993.
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Forschungsaktivitäten zu erweitern.204 Zudem wurde eine »stärkere Einbindung des Patentrechts in das allgemeine Wirtschaftsrecht oder das Zivilrecht« angeregt.205 Auch wenn insbesondere das patentrechtliche Profil von Rudolf Kraßer nicht infrage gestellt wurde,206 wurde die im Falle einer Berufung fast zeitgleiche Emeritierung von ihm und Schricker problematisiert. Man befürchtete eine schon bald eintretende Stagnation in der Entwicklung des Instituts.207 In der Kommission ließ sich der Eindruck nicht zerstreuen, dass der neue Direktor wegen seines Alters »nicht mehr als ein ›Platzverwalter‹ sein würde.«208 Eine Probeabstimmung ließ keine Zustimmung für den Personalvorschlag des Instituts erkennen. Es sollte daher noch einmal das Gespräch mit Schricker gesucht werden, ob er gleichwohl an seinem Vorschlag festhalten wolle, so dass man in diesem Fall in der nächsten Sitzung darüber formell abstimmen werde.209 Bei der fünften Sitzung der Kommission am 10. Januar 1994 in Frankfurt bekräftigten sowohl Beier im Vorfeld telefonisch als auch vor Ort Schricker ihren Vorschlag.210 Insbesondere Schricker sprach sich gegen eine von der Kommission angeregte mehr wirtschaftsrechtliche Ausrichtung des Instituts aus.211 Er betonte, dass »die Erforschung des deutschen, ausländischen und internationalen Patentrechts, auch im Rechtsvergleich, und unter Einbeziehung verwandter Disziplinen, als Aufgabenstellung eines Max-Planck-Instituts voll gerechtfertigt sei«.212 Er wandte sich gegen die Vorstellung einer sich abzeichnenden Synthese mehrerer Rechtsgebiete und bezeichnete die Idee eines umfassenden Immaterialgüterrechts als »anachronistisch«.213 Die anschließenden internen Beratungen führten in der abschließenden geheimen Abstimmung zu einer knappen Mehrheit für den Vorschlag des Instituts, so dass die Kommission der Sektion vorschlug, Rudolf Kraßer als Nachfolger von Friedrich-Karl Beier zu berufen.214
204 Ergebnisprotokoll der 4. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 15.6.1993 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 90 verso. 205 Ebd., fol. 90 verso; vgl. auch Ann, Privatrecht oder Patentrecht?, 2004, 696–699, 698–699. 206 Vgl. auch Dieter Stauder: Kraßers Lehr- und Handbuch »Patentrecht«. GRUR Int. 53/9 (2004), 790–792, 792: »Dieses Buch ist das zentrale Lebenswerk Kraßers und des deutscheuropäischen Patentrechts«. 207 Sitzungsvermerk von Weddige, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 93. 208 Ebd., fol. 92. 209 Ebd., fol. 93. 210 Ebd., fol. 93. 211 Ebd., fol. 97. 212 Ebd., fol. 97. 213 Ebd., fol. 97. 214 Ergebnisprotokoll der 5. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 10.1.1994 in Frankfurt am Main, Ebd., fol. 98; »Bericht und Empfehlung der Kommission ›MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht‹ betreffend die Nachfolge von Professor Friedrich-Karl Beier« vom 13.1.1994, AMPG , II . Abt. Rep. 62, Nr. 146–1, fol. 188 verso.
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Die Geisteswissenschaftliche Sektion der Max-Planck-Gesellschaft beriet auf ihrer Sitzung am 3. Februar 1994 über den Kommissionsvorschlag. Die Diskussion in der Sektion drehte sich insbesondere um die Frage, warum die Kommission sich so eng auf das Gebiet des Patentrechts beschränkt habe und ob nicht ein Ausgreifen auf das Wirtschaftsrecht erfolgversprechender bei der Kandidatensuche gewesen wäre.215 Schricker betonte auch vor der Sektion die Unverzichtbarkeit des Patentrechts und dass ein auf diesem Gebiet weniger als die Mitarbeiter qualifizierter Direktor »problematisch« sei. Zugleich äußerte er die Hoffnung, dass am Ende der absehbar kurzen Amtszeit von Rudolf Kraßer genügend Auswahl für einen kompetenten jüngeren Patentrechtler als Institutsleiter bestehe, zumal mehrere hoch qualifizierte Mitarbeiter gerade in der Habilitationsphase seien.216 Dieses Argument verwundert etwas, hatte doch Schricker selbst immer wieder betont, dass die Fächer des Instituts, vor allem das Patentrecht, an den Universitäten gar nicht vertreten seien und bei seiner eigenen Berufung zum Direktor angeführt, dass eine Spezialisierung am Institut für die Berufungsfähigkeit an eine rechtswissenschaftliche Fakultät eher ungünstig sei.217 Dies vorausgesetzt, liefen die von Schricker anvisierten neuen personellen Optionen am Ende auf eine Hausberufung eines zwar habilitierten, aber nicht berufenen Spezialisten hinaus, wie es bei ihm selbst 1973 ja der Fall gewesen war.218 In der anschließenden Diskussion wurde in der eigenen Innovationsfähigkeit eine wichtige Basis für ein Max-Planck-Institut gesehen.219 Die abzusehende Doppelemeritierung in ein paar Jahren sei daher riskant. Auch wurde entgegen der Auffassung aus dem Institut sehr wohl die Möglichkeit vertreten, sich auch bei laufendem Betrieb in das Patentrecht einarbeiten zu können.220 Die anschließende Abstimmung über den Kommissionsvorschlag führte zu einem 215 Protokollauszug GWS vom 3.2.1994, AMPG , II . Abt. Rep. 62, Nr. 146–1, fol. 183. 216 Ebd., fol. 183 verso. 217 Vgl. auch Protokoll des Fachbeirats des Instituts vom 14.4.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 94: »Da alle Spezialisten des Fachgebiets zunächst einmal aus dem Haus hervorgehen müßten, habe man nicht nur Schwierigkeiten mit dem Verbot der Hausberufung, sondern man sehe sich auch vor das Dilemma gestellt, entweder gute Leute im Hause zu halten oder aber sie ziehen zu lassen, die dann jedoch aufgrund ihrer von außen gesehen recht schmalen Spezialisierung außerhalb des Instituts kaum diejenigen Qualifikationen erwerben könnten, die sie späterhin als geeignete Kandidaten für die Institutsleitung erscheinen lassen.« 218 Hier liegt fast der Fall des im Verfahren nicht zum Zuge gekommenen Joseph Straus vor, der freilich nicht nur als Hausberufung, sondern wegen der fehlenden Habilitation nicht in Betracht kam. Bei Gerhard Schricker wurde damals ins Feld geführt, dass er ja eigentlich schon auf einen Lehrstuhl berufen worden wäre und insofern keine echte Hausberufung gegeben sei. 219 Protokollauszug GWS vom 3. Februar 1994, AMPG , II . Abt. Rep. 62, Nr. 146–1, fol. 183 verso. 220 Ebd., fol. 183 verso.
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Patt.221 Präsident Zacher sah sich daraufhin nicht in der Lage, dem Senat eine Berufungsempfehlung zu unterbreiten. Er regte sofort die Bildung einer neuen Kommission an, um die Frage der Nachfolge von Friedrich-Karl Beier erneut zu beraten, auch jenseits eines Nominierungsverfahrens durch das Max-PlanckInstitut selbst.222 Im Nachgang der Sektionssitzung erklärte Rudolf Kraßer in einem Schreiben an Zacher, beim weiteren Verfahren als Kandidat nicht mehr zur Verfügung zu stehen, seine Arbeitskraft als Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied dem Institut und dessen Forschungsfeldern aber weiterhin voll widmen zu wollen.223 5.2
Die »Kötz-Kommission« (1994–1996)
In ihrer ersten Sitzung am 7. Juni 1994 in Göttingen sondierte die neu eingesetzte, dieses Mal von Hein Kötz, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, geleitete »Kommission ›MPI für Patentrecht‹« fünf verschiedene Möglichkeiten für das Max-PlanckInstitut: Es wird erstens die Suche nach einem geeigneten Patentrechtler fortgesetzt; es wird zweitens eine junge Nachwuchskraft aus einem benachbarten Rechtsgebiet (Wirtschaftsrecht, Wettbewerbsrecht) berufen, die sich in das Patentrecht einzuarbeiten bereit findet; es wird drittens eine Nachwuchsgruppe im Bereich Patentrecht eingesetzt, um daraus später eine künftige Institutsleitung zu entwickeln, wobei Beiers Stelle zunächst unbesetzt bleibt; viertens wird die Besetzung der zweiten Direktorenstelle erst in ein paar Jahren beraten; die Forschungsthemen des Instituts werden fünftens auf ein benachbartes Feld hin ausgeweitet und für dieses Thema ein neuer Direktor oder eine neue Direktorin berufen.224 Man entschied sich für die Suche nach einem Patentrechtler oder einem Nachwuchswissenschaftler aus einem verwandten Rechtsgebiet mit der Bereitschaft, sich in das Patentrecht einzuarbeiten. Es sollte auch wieder ein Nominierungsverfahren unter Einbeziehung des Instituts durchgeführt werden.225 Die Sitzung endete mit der Zuwahl externer Kommissionsmitglieder.226
221 Ebd., fol. 184. 222 Ebd. 223 Brief von Kraßer an Zacher vom 10.2.1994, AMPG , II. Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 367–368. 224 Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 7.6.1994 in Göttingen, AMPG , II. Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 102. Der zunächst tagenden Rumpfkommission gehörten Paul B. Baltes, Fritz W. Scharpf, Manfred E. Streit, Franz E. Weinert, Karin Cornils, Albin Eser, Jochen A. Frowein und Bernd Baron von Maydell an. 225 Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 7.6.1994 in Göttingen, ebd. fol. 102, 102 verso. 226 Zusätzlich in die Kommission sind nach Zuwahl: Jürgen Basedow (Augsburg), Herman Cohen Jehoram (Amsterdam), Ulrich Loewenheim (Frankfurt), Walter Schluep (Zürich), Christine Windbichler (Berlin), vgl. Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 7.6.1994 in Göttingen, ebd., fol. 102 verso, 103.
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Am 18. Oktober 1994 traf sich die Kommission in Heidelberg zu ihrer zweiten Sitzung. Es wurden zunächst die bereits in der ersten Sitzung angesprochenen fünf Entwicklungsmöglichkeiten für das Institut mit den neu hinzugekommenen externen Kommissionsmitgliedern erörtert. Dabei wurde das Patentrecht als ein Forschungsgebiet, das es zu erhalten gelte, zwar gewürdigt, gleichwohl für eine Erweiterung des Forschungsfeldes auf benachbarte Rechtsgebiete votiert.227 Angemerkt wurde, dass die erste Kommission, die sich ja sehr auf einen Patentrechtler festgelegt hatte, »sich insofern in einer besonderen Situation befunden habe, als […] der Fachbeitrat [des Instituts] stark in der Kommission vertreten gewesen sei«.228 Man war sich einig, einen künftigen Direktor oder eine Direktorin zu suchen, der oder die die vorhandenen Stärken des Instituts »schätzt und sich für ihre Aufrechterhaltung einsetzt«, aufgrund eigener Forschungsinteressen aber eine sinnvolle fachliche Erweiterung des Instituts in eine eher wirtschaftsrechtliche Richtung einleiten solle.229 Um hier geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden, wurde die Veranstaltung eines Symposiums zum Thema »Der Standort des gewerblichen Rechtsschutzes im Wirtschaftsrecht« beschlossen, zu dem für eine Direktorenstellen am Max-Planck-Institut potenziell geeignete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen werden sollten.230 Die dritte Sitzung der Kommission am 19. Januar 1995 in München stand ganz im Zeichen der Planung des Symposiums. Auf Bitten von Schricker wurde der Veranstaltungstitel um den Begriff des Urheberrechts ergänzt.231 Zudem wies Schricker im Vorfeld der Sitzung darauf hin, dass der Lehrstuhl von Wolfgang Fikentscher bald neu besetzt werde, woraus sich ein möglicher neuer Direktor oder eine neue Direktorin für das Institut ergeben könne. Er selbst sei Mitglied der Berufungskommission und würde Kötz über den Fortgang des Berufungsverfahrens auf dem Laufenden halten. Sollte eine auch für eine Direktorenstelle am Max-Planck-Institut geeignete Person berufen werden, würde er hauptamtlich an das Institut wechseln und seinen Lehrstuhl an der Universität aufgeben.232 Im Rahmen der Kommissionssitzung wurden Schricker und eine Vertreterin aus dem Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts gebeten, geeignete Referentinnen und Referenten für das Symposium vorzuschlagen. Schricker nannte die für ihn wichtigen Kriterien für geeignete Kandidatinnen und Kandidaten. Er beharrte dabei nicht mehr auf einer spezifisch 227 Ergebnisprotokoll der 2. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 18.10.1994 in Heidelberg, Ebd., fol. 107, 108. 228 Ebd., fol. 107 verso. 229 Ebd., fol. 108. 230 Ebd., fol. 107, 108, 109A. 231 Ergebnisprotokoll der 3. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 19.1.1995 in München, ebd., fol. 111. 232 Diese Option hatte sich durch die Entscheidung der Fakultät, einen Kandidaten mit Schwerpunkt im BGB berufen zu wollen, erledigt, Ergebnisprotokoll der 5. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 12.12.1995 in München, ebd., fol. 121 verso.
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patentrechtlichen Kompetenz, sondern setzte lediglich »Erfahrungen auf den Gebieten des Instituts« voraus, wobei »ein Kandidat […] zumindest partiell in entsprechenden Bereichen gearbeitet haben« müsse; Erfahrung in Rechtsvergleichung war ihm aber weiterhin wichtig.233 Die Kommission erstellte anschließend eine Liste mit Personen, die zu einem Kurzreferat eingeladen werden sollten,234 auch wurde ein Kreis von einzuladenden Diskutantinnen und Diskutanten festgelegt.235 Die Kommission traf sich am 6. Juli 1995 unmittelbar im Anschluss an das Symposium zu ihrer vierten Sitzung. Man war sich einig, sich für die Nachfolge von Beier nicht auf einen als Spezialisten ausgewiesenen Patentrechtler zu beschränken. Auf der Tagung hatte sich nach einhelliger Meinung der Kommission zwar kein »eindeutiger ›Spitzenkandidat‹« herauskristallisiert, einige Referenten konnten allerdings aus dem Kreis der geeigneten Bewerber aussortiert werden.236 Kurz erörtert wurde noch ein an die Kommission herangetragener Vorschlag, Adolf Dietz zum Nachfolger von Friedrich-Karl Beier zu bestellen. Auch wenn dessen fachliche Qualifikation außer Frage stand, war eine Hausberufung nicht gewünscht.237 Auf der fünften Kommissionssitzung am 12. Dezember 1995 in München wurde eine Anhörung der beiden Institutsdirektoren und einiger Mitarbeiter des Instituts durchgeführt. Schricker betonte abermals, dass die am Institut gepflegten Fächer »keinen entsprechenden Niederschlag an den Universitäten gefunden« hätten, »so daß der für die Nachfolge […] in Betracht kommende Kreis klein sei.«238 Ihm war wichtig, dass ein geeigneter Nachfolger »in allen Teilgebieten des Instituts ausgewiesen sein solle, insbesondere im Bereich Pa233 Ebd., fol. 111 verso. 234 Folgende Referate wurde auf dem Symposium gehalten: »Wirtschaftsrechtliche Überlegungen zum Immaterialgüterrecht – rechtspolitische und wissenschaftspolitische Schlussfolgerungen«; »Die wirtschaftsrechtliche Bedeutung des Gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts«; »Bemerkungen zum Standort des geistigen Eigentums – Perspektiven vom Rande Europas (Alicante)«; »Das geistige Eigentum im Kontext des Wirtschaftsvölkerrechts«; »Der Stellenwert des geistigen Eigentums in supranationalen (Handels-)Organisationen«; »Immaterialgüterrecht als Parallelgesetzgebung oder Ausnahmeregelung im Wettbewerbsrecht: Auswirkungen für die wissenschaftliche Forschung«; »Wirtschaftsrechtliche Dimensionen des Urheberrechts und des Gewerblichen Rechtsschutzes«, vgl. Programm »Symposium ›Der Standort des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts im Wirtschaftsrecht‹ am 5. und 6.7 auf Schloß Ringberg«, Ebd., fol. 18. 235 Ergebnisprotokoll der 3. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 19.1.1995 in München, Ebd., fol. 112. 236 Ebd., fol. 116 verso. Vermerk Krull vom 10.7.1995, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 176 nennt drei Namen und merkt an, dass sich bei den übrigen Kandidaten kein klares Votum abgezeichnet habe. 237 Ebd., fol. 116 verso. 238 Ergebnisprotokoll der 5. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 12.12.1995 in München, Ebd., fol. 121.
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tentrecht.«239 Allerdings relativierte er im Verlaufe der Anhörung diese Aussage dahingehend, dass »ein Ausweis im Patentrecht wünschenswert, jedoch nicht conditio sine qua non sei«.240 Schricker nannte zwei, aus seiner Sicht geeignete Kandidaten aus dem Kreis der Vortragenden, wobei freilich der von ihm von den beiden am meisten Favorisierte von der Kommission auf der letzten Sitzung einmütig als ungeeignet eingeschätzt worden war. Sowohl Beier als auch die anderen Institutsmitarbeiter konnten sich im Verlauf der Anhörung mit dem übrigens nicht formal eingebrachten Personalvorschlag Schrickers gut identifizieren. Obwohl die Kommission weiterhin frei war, auch eigene Kandidaten vorzuschlagen, wurde beschlossen, die beiden von Schricker benannten Wissenschaftler in der nächsten Sitzung anzuhören. Diese Anhörungen wurden dann in der sechsten Kommissionssitzung am 18. März 1996 in Frankfurt durchgeführt.241 Beide Kandidaten betonten, dass das Institut verstärkt disziplinübergreifend arbeiten müsse, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Auch sahen beide die Notwendigkeit, aktuelle technische Entwicklungen sowie ökonomische Fragen stärker in den Blick zu nehmen. Am Ende der Anhörungen bestand in der Kommission Einigkeit, für einen der Kandidaten mehrere Fachgutachten einzuholen. Im Anschreiben an die Fachgutachter sollte zudem deutlich gemacht werden, dass »die Kommission ihre Suche nach einem Nachfolger für Herrn Beier über das engere Gebiet des Patentrechts hinaus ausgedehnt hat.«242 Die Kommission wertete auf ihrer siebten Sitzung am 18. Mai 1996 in München die zwischenzeitlich eingegangenen Gutachten aus. Der in Aussicht genommene Kandidat wurde zwar als grundsätzlich geeignet eingestuft, allerdings wurde von mehreren Gutachtern mit Zurückhaltung auf die Frage reagiert, »ob die wissenschaftlichen Veröffentlichungen … auf den Forschungsgebieten des Münchener Instituts […] bereits die gebotene Breite und Qualität aufwiesen.«243 Der Kommission war es auf dieser Grundlage »zur Zeit nicht möglich […], einen vollauf überzeugenden Personalvorschlag vorzulegen.«244 Der Geisteswissenschaftlichen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft sollte vorgeschlagen werden, »daß die Kommission ihre Arbeiten solange einstellt, bis Herr Schricker den Zeitpunkt für gekommen hält, einen neuen Vorschlag zu unterbreiten.«245 So ganz war die Kommission von dem in Aussicht genommenen Kandidaten noch nicht abgerückt, man wollte aber von ihm angekündigte Publikationen zu einigen für das Institut einschlägigen Themen abwarten.246 239 Ebd., fol. 121. 240 Ebd., fol. 121 verso. 241 Ergebnisprotokoll der 6. Sitzung der Kommission »MPI für Patentrecht« am 18.3.1996 in Frankfurt am Main, Ebd., fol. 124–127. 242 Ebd., fol. 127 verso. 243 Ebd., fol. 131. 244 Ebd., fol. 131. 245 Ebd., fol. 131. 246 Ebd., fol. 131 verso.
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Die Forschungsarbeit unter Schrickers Leitung
Mit der im Ergebnis ebenfalls erfolglosen zweiten Berufungskommission wurde das Institut nach Beiers Emeritierung 1994 faktisch zu einem Ein-DirektorenInstitut unter der alleinigen Führung von Gerhard Schricker. Trotz der mit ihm gegebenen fachlichen Kontinuität lassen sich in seinem Direktorat dennoch einige Akzentverschiebungen in der Arbeit des Instituts beobachten. So traten patentrechtliche Themen und Probleme des gewerblichen Rechtsschutzes, die vor allem die Anfangsjahre des Instituts stark geprägt hatten, merklich zugunsten urheberrechtlicher Fragestellungen in den Hintergrund, auch in Schrickers eigenem Schaffen.247 Immer öfter wurden zudem eher nationale Themenstellungen in den Blick genommen, ohne dadurch freilich die rechtsvergleichende Urheberrechtsforschung infrage zu stellen. Dieser Perspektivenwechsel mag mit zwei Entwicklungen zusammenhängen, die in den 90er Jahren an Bedeutung gewannen: Das Urheberrecht wurde zum einen durch die immer stärkere Etablierung der digitalen Medien, vor allem aber des Internet, im Bereich der Immaterialgüterrechte wichtiger, zum anderen wurden auf europäischer Ebene gerade auf diesem Gebiet verstärkte Harmonisierungsanstrengungen unternommen, so dass eine rechtsvergleichende, mehrere Rechtsordnungen übergreifende Forschungsarbeit quasi automatisch auch im nationalen Rahmen relevanter und anschlussfähiger wurde. Beispielhaft sei hier die Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen genannt.248 Aber auch die Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums verdient als wichtiger Harmonisierungsschritt auf dem Weg zu einem europäischen Urheberrecht ebenso Beachtung wie die Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung.249
247 Ohly, Gerhard Schricker, 2021, 625. 248 Moi Lindner (Hg.): Die Jahre 1999 bis 2002 des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München. Fortsetzung der Chronik des Max-Planck-Instituts. München: Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht 2004, 9. 249 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 21. Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, Fundstelle: ABl. L 346, S. 61; Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, Fundstelle: ABl. L 248, S. 15–21. Gerhard Schricker bezeichnete auf der Sitzung des Kuratoriums des Instituts am 22. März 1991 in München Silke von Lewinski als »Ghostwriter« der Richtlinie, ebenso Thomas Dreier für das »Grundsatz-
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Das Institut widmete sich diesen und vergleichbaren Fragestellungen im Rahmen eines »Harmonisierung des Urheberrechts in der EG« überschriebenen Forschungsprojekts. Zudem beteiligte es sich an diesen Harmonisierungsarbeiten auch durch aktive und gestaltende Mitarbeit in urheberrechtlichen Expertengruppen der Europäischen Kommission.250 Auch das Ringberg-Symposium im September 1994 war den »Konturen eines europäischen Urheberrechts« und damit der europäischen Urheberrechtsharmonisierung gewidmet.251 Das Institut begleitete zudem die Umsetzung der europäischen Vorgaben in nationales Recht, so etwa beim Dritten Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes, das die bereits erwähnte Vermiet- und Verleihrichtlinie im deutschen Urheberrechtsgesetz nachvollzog.252 Gegen Ende der Amtszeit von Schricker konzen trierte sich die urheberrechtliche Forschungsarbeit auf die am 22. Mai 2001 erlassene Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,253 die in den kommenden Jahren die entscheidende Grundlage für die Urheberrechtsentwicklung in Europa werden sollte. Im Vorfeld zu den Arbeiten an dieser Richtlinie wurde im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz eine umfangreiche Studie zu notwendigen Anpassungen des Urheberrechts auf dem Weg zur Informationsgesellschaft erarbeitet.254 Standen die 90er Jahre vermehrt im Zeichen einer weiter fortschreitenden Harmonisierung des europäischen Rechts, waren aber auch die Konsequenzen der Wiedervereinigung für die vom Institut gepflegten Rechtsgebiete zu bearbeiten, gewissermaßen als eine praktische Form der innerdeutschen Rechtsvergleichung. Das Ringberg-Symposium im September 1992 befasste sich mit urheber- und kennzeichenrechtlichen Problemen der Wiedervereinigung.255 Mit dem Voranschreiten der europäischen Rechtsharmonisierung gingen die europäische Ebene und die nationalen Rechtsordnungen immer mehr ineinan-
papier der Kommission zum Satelliten- und Kabelrundfunk«, vgl. Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums des Instituts am 22.3.1991 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 584 verso. 250 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 605–606. 251 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1994. Göttingen 1994, 606. 252 Drittes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23. Juni 1995. BGBl. I, 842; Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 10. 253 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 78. 254 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1997. Göttingen 1997, 690–692; Gerhard Schricker und Thomas Dreier (Hg.): Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft. Baden-Baden 1997. 255 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1993. Göttingen 1993, 616; Thomas Stögmüller: Ringberg-Symposium über Urheberrecht und Kennzeichenrechte in der deutschen Einigung – Tagungsbericht. GRUR Int. 42/1 (1993), 32–49.
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der über.256 Einen Schwerpunkt bildete hier die Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken und ihre Umsetzung in deutsches Recht.257 Neben der Harmonisierung des Urheberrechts stellten die Herausforderungen durch neue technologische Entwicklungen, insbesondere durch die Digitalisierung und die wachsende Bedeutung von Software einen weiteren Schwerpunkt in der Forschungsarbeit und der Beratungstätigkeit dar.258 Wichtige Stichworte waren dabei »Datenautobahn«, »Informationsgesellschaft« und »Multimedia«.259 Ein eigner Arbeitskreis befasste sich mit »Urheberrechtliche[n] Probleme[n] der Digitalisierung, Multimedia und interaktive[n] Systeme[n]«.260 Im Jahresbericht von 1998 erschien zum ersten Mal die Wendung »Rechtsfragen des Internet« bei den Arbeitsschwerpunkten des Instituts.261 Auch das Ringberg-Symposium 1998 war dieser Frage gewidmet.262 Ein weiteres Forschungsprojekt beschäftigte sich mit dem Thema »Wissenschaftliches elektronisches Publizieren«.263 Dieser Bereich hat sich in den nächsten Jahren auch und gerade in der nationalen Gesetzgebung sehr dynamisch entwickelt.264 Dem Institut kommt durch seine vielfältigen Arbeiten das Verdienst zu, die Entstehung des Wissenschaftsurheberrechts als eines eigenen urheberrechtlichen Spezialbereichs stimuliert und jedenfalls in den Anfängen mit wichtigen Impulsen versehen zu haben.265 Aber nicht nur die Digitalisierung oder das Internet beschäftigten als neue technische Herausforderungen die Arbeit des Instituts. Auf dem Gebiet des Patentrechts wurden Fragen der Gen- und Biotechnologie vor allem in den Publikationen von Joseph Straus bearbeitet.266 Die Abschaffung des Hochschul256 Moi Lindner (Hg.): Die Jahre 1994 bis 1998 des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München. Fortsetzung der Chronik zu: »25 Jahre Max-Planck-Institut« und »Die Jahre 1991 bis März 1994«. Herrn Professor Dr. Joseph Straus zum 60. Geburtstag gewidmet. München: Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht 1998, 97–98. 257 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 99. 258 Ebd., 532–536. 259 Moi Lindner: Die Jahre 1994 bis 1998 des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München. München 1998, 40. 260 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 79. 261 Ebd., 141. 262 Ebd., 142. 263 Ebd., 115–116. 264 Eine gute Übersicht zu den Problemen bietet Alexander Lutz: Zugang zu wissenschaftlichen Informationen in der digitalen Welt. Ein urheberrechtlicher Beitrag zu den Wissenschaftsschranken und zu einem zwingenden Zweitveröffentlichungsrecht. Tübingen 2012. 265 Lindner, 1994 bis 1998, 1998. Hilty und Bajon verwenden in einem gemeinsamen Beitrag durchgängig den damals noch neuen Begriff »Wissenschaftsurheberrecht«: Reto M. Hilty und Benjamin Bajon: Das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (Zweiter Korb). Ein Beitrag aus Wissenschaftssicht. Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 55/5 (2008), 258–264. 266 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 75–78.
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lehrerprivilegs im Arbeitnehmererfindungsrecht war ein weiterer patentrechtlicher Schwerpunkt.267 Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes konstituierte sich 1992 eine Arbeitsgruppe zum Europäischen Gebrauchsmusterrecht.268 Es wurde ein Vorschlag für ein Gemeinschaftsgebrauchsmuster erarbeitet und auf dem 7. Ringberg-Symposium im November 1993 zur Diskussion gestellt.269 Intensiv bearbeitet wurde auch das Geschmacksmusterrecht im Projekt »Europäisches Musterrecht«, dessen Ergebnisse ebenfalls im Rahmen eines Ringberg-Symposiums vorgestellt und erörtert wurden.270 Im Markenrecht begleitete das Institut die Umsetzung der EG -Markenrichtlinie.271 Im Zusammenhang mit dem 1995 in Kraft getretenen Markengesetz wurde die marken- und kennzeichenrechtliche Forschungsarbeit erweitert und intensiviert,272 etwa durch die Errichtung einer Arbeitsgruppe zur »Neuordnung des Markenrechts«273 Auch das Ringberg-Symposium im Herbst 1996 war markenrechtlichen Fragen gewidmet.274 Eine im Berliner Harnack-Haus durchgeführte Tagung befasste sich mit dem Thema der »Gemeinschaftsmarke«.275 Weiterhin gepflegt wurde der Schwerpunkt des Rechts der Werbung im Rahmen des Wettbewerbsrechts.276 Das 11. Ringberg-Symposium im Juli 1997 beschäftigte sich mit der Frage, ob in europäischer Perspektive das Wettbewerbsrecht neu geordnet werden müsse.277 Die Forschungen zum Verbraucherschutz267 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 46. 268 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1994, 1994, 604–605. 269 Ebd.; Michael Kern: Bericht über das Ringberg-Symposium »Europäisches Gebrauchsmusterrecht« des Max-Planck-Instituts vom 7. bis 12.11.1993. GRUR Int. 43/7 (1994), 549–569. 270 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1992. Göttingen 1992, 544; Michael Ritscher: Auf dem Wege zu einem europäischen Musterrecht. GRUR Int. 39/8 (1990), 559–586. 271 Moi Lindner (Hg.): Die Jahre 1991 bis März 1994 des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München. Fortsetzung zu: 25 Jahre Max-Planck-Institut. München 1994, 41. 272 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 45. 273 Ebd., 672–673. 274 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1996. Göttingen 1996, 673; Florian Albert: Die Neuordnung des Markenrechts: Bericht über das 10. Ringberg-Symposium des Max-Planck-Instituts vom 16. bis 21. September 1996. GRUR Int. 46/5 (1997), 449–475; Annette Kur: Die Harmonisierung der europäischen Markengesetze – Resultate – offene Fragen – Harmonisierungslücken. GRUR 99/4 (1997), 241–254. 275 Eva-Irina von Gamm und Eike Schaper: Tagung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht über die Gemeinschaftsmarke Berlin, 14.–16. Mai 2001. GRUR Int. 50/11 (2001), 965–968; Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 81. 276 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 47. 277 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1998. Göttingen 1998, 754–756; Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 129.
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recht wurden durch die Gründung eines Arbeitskreises zu »Verbraucherschutzaspekten des Wettbewerbsrechts« fortgeführt.278 Im Kartellrecht wurden Konzepte zur Ausgestaltung eines Weltkartellrechts vorangetrieben. Besonders hervorzuheben ist hier der 1993 der Öffentlichkeit vorgestellte »Draft International Antitrust Code«, kurz »Munich Code« genannt, den Wolfgang Fikentscher, Josef Drexl, Andreas Heinemann und Hans Peter Kunz-Hallstein ausgearbeitet hatten.279 Einen weiteren kartellrecht lichen Forschungsschwerpunkt bildeten Fragen des Technologietransfers an Entwicklungsländer.280 Ein für die Arbeit des Instituts besonders prägendes Ereignis war 1994 der Abschluss des Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property (TRIPS).281 Mit der Verabschiedung von TRIPS ergaben sich insbesondere für die Rechtsordnung der Schwellen- und Entwicklungsländer entscheidende Impulse.282 Für das Institut eröffnete sich damit ein reiches Arbeitsfeld der Rechtsvergleichung, das in Gestalt einer neu gegründeten Arbeitsgruppe auch tatkräftig in Angriff genommen wurde.283 Einsparmaßnahmen, die die gesamte Max-Planck-Gesellschaft betrafen, gaben dem Institut Gelegenheit zu einer Standortbestimmung. So fand sich im Jahresbericht 1996 nicht nur eine kritische Stellungnahme zu den geplanten Mittelkürzungen, sondern auch eine bündige Selbstbeschreibung und Selbstverortung des Instituts: Lehre und Forschung im Recht des geistigen Eigentums halten mit seiner zunehmenden Bedeutung […] nicht Schritt. Es handelt sich um ein vergleichsweise junges, noch wenig erforschtes Rechtsgebiet. Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht ist mehr denn je gefordert, als weltweit einziges zentrales Institut Pionierarbeit zu leisten. Rat und Hilfe des Instituts bei Gesetzgebung, Schaffung von Behörden und Gerichten, Einrichtung von Lehrgängen und Durchführung von Forschungsprojekten werden im In- und Ausland intensiv nachgefragt. Die Grundlagenforschung des Instituts wird als eine wesentliche Basis für die geistige Durchdringung und Weiterentwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts allerorts gewürdigt. Die intensive Kooperation des Instituts mit in- und ausländischen Kollegen und Institutionen legt hiervon Zeugnis ab.284
278 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 130. 279 Drexl, Wolfgang Fikentscher, 2015, 517–519, 518; Großfeld und Fikentscher, Begegnung, 2007, 221–238, 229; Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 49. 280 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 91. 281 Lindner, 1991 bis März 1994, 1994, 28; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1995. Göttingen 1995, 620–621. 282 Kritisch Ana Maria Pacón: Was bringt TRIPS den Entwicklungsländern? GRUR Int. 44/11 (1995), 875–885, 875. 283 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 1. 284 Ebd., 52.
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Aus dieser Selbstbeschreibung lassen sich drei wesentliche Tätigkeitsfelder ableiten, nämlich Transfer vor allem in Form von Politikberatung, Dokumentation insbesondere wenig bekannter Rechtsordnungen und Grundlagenforschung auf allen Gebieten des Rechts des geistigen Eigentums. Auch der Jahresbericht 1997 enthielt eine programmatische Standortbestimmung. Man sah in dem nunmehr angebrochenen Informationszeitalter eine neue industrielle Revolution.285 Dabei wurden mit der Digitalisierung, die das ganze Konzept des geistigen Eigentums in einzigartiger Weise herausfordert, der Gentechnologie, die nicht nur im Patentrecht relevant ist, sondern auch eine Fülle ethischer Fragen aufwirft, sowie der zunehmenden europäischen Rechtsvereinheitlichung, vor allem im Patent-, Marken- und Urheberrecht, drei besondere Herausforderungen für die Arbeit des Instituts benannt, denen sich das Institut trotz einer Stellenkürzung um 25 Prozent stellen musste. Der plötzliche Tod von Friedrich-Karl Beier am 13. November 1997 riss auf dem Gebiet des Marken- und Patentrechts eine weitere empfindliche Lücke in die Forschungsarbeit. Als neues Forschungsthema wurden ab 2000 »Indigene und traditionelle Ressourcen« in Angriff genommen.286 Hier stellte sich die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Verwertung dieser Ressourcen, die meist in Entwicklungsländern zu finden sind, durch Industrienationen mit neu zu schaffenden Schutzrechten moderiert werden sollte.287 Ein letzter Impuls des Direktorats von Gerhard Schricker war die Gründung des »Munich Intellectual Property Law Center« (MIPLC) als international ausgerichtete Ausbildungsstätte für das Recht des Geistigen Eigentums.288 Das MIPLC ist zwar eine Abteilung des Instituts, wird aber neben der Max-PlanckGesellschaft auch von der Universität Augsburg, der Technischen Universität München und der George Washington Law School, Washington D. C., getragen.289 Es bietet seit 2003 einen internationalen Masterstudiengang an.290 Über die Gründung des MIPLC wurde mit den Münchener Universitäten schon seit 2000 verhandelt.291
285 Ebd., 93. 286 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2001. Göttingen 2001, 764–766. 287 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 30–31. 288 Ebd., 55. 289 Ebd., 85. 290 Ebd., 87; Michael Schneider: Masterstudiengang Geistiges Eigentum – Das Munich Intellectual Property Law Center startet zum Wintersemester 2003/2004. GRUR Int. 52/5 (2003), 430–431. 291 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 88.
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Die regionalen Schwerpunkte
Die intensive Beschäftigung des Instituts mit TRIPS manifestierte sich nicht nur im Erscheinen des ersten kursorischen Kommentars dieses Regelwerks.292 Die regionalen Auswirkungen dieses Abkommens wurden auch in neu eingerichteten regionalen Schwerpunkten und Arbeitsgruppen zu Ostasien, Lateinamerika und den arabischen Ländern untersucht.293 Dabei sah das Institut seine Rolle nicht nur in einer wissenschaftlichen Durchdringung der fremden Rechtsordnungen, sondern auch in der Professionalisierung der Rechtsanwendung in den betroffenen Ländern durch die Vergabe von Stipendien für künftige Fachleute auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes.294 Im regionalen Schwerpunkt zu den arabischen Ländern bildete das ägyptische Recht, das wegen seiner Vorbildfunktion für andere Länder in der Region im Bereich des geistigen Eigentums vollständig rechtsvergleichend bearbeitet werden sollte, den Arbeitsschwerpunkt.295 Aber auch das islamische Recht und dessen Positionen zum geistigen Eigentum wurden berücksichtigt. Sprachbarrieren sowie die Beschaffung einschlägiger Literatur und Rechtsquellen stellten für das Recht der arabischen Länder eine besondere Herausforderung dar. Für die Region »Ost- und Südost-Asien« wurden Länderberichte zu Hong Kong, Indonesien, Südkorea, Thailand und Vietnam erarbeitet.296 Die zuletzt genannten Länder waren vor dem Hintergrund einer zunehmenden Indus trialisierung durch die Umsetzung des TRIPS -Abkommens in ihrem Recht des geistigen Eigentums besonders dynamisch. Wie schon bei den arabischen Ländern so waren auch hier zunächst Sprachbarrieren zu überwinden und Schwierigkeiten bei der Beschaffung einschlägiger Rechtsquellen und Materialein zu meistern.297 Trotz der Ausweitung der Forschungsaktivitäten des Instituts auf mehrere asiatische Länder blieb die schon traditionelle Beschäftigung mit Japan ein fester Bestandteil der Arbeit des Instituts. Ab 1996 wurde die rechtsvergleichende Forschung des Instituts durch eine Arbeitsgruppe zum gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht in den Ländern Lateinamerikas ergänzt,298 wobei Mexiko, Brasilien und Argentinien eine besondere Bedeutung zukam.299 Das Regionalprojekt Lateinamerika diente der systematischen Erfassung, Analyse und Zugänglichmachung von Gesetzgebung, 292 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 54; Friedrich-Karl Beier und Gerhard Schricker: From GATT to TRIPs. The Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights. Weinheim 1996. 293 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 2, 3. 294 Ebd., 7. 295 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 103–104. 296 Ebd., 63. 297 Ebd., 32. 298 Ebd., 31; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2000. Göttingen 2000, 816–819. 299 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 67.
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Rechtsprechung und Literatur zum gewerblichen Rechtsschutz, zum Urheberrecht und zum Wettbewerbsrecht unter Einschluss des Kartellrechts und des Verbraucherschutzes.300 Die Ergebnisse des Regionalprojekts wurden in der von Gerhard Schricker herausgegebenen »Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Wettbewerbsrecht in Lateinamerika« publiziert; die ersten Bände sind 1999 erschienen. Die Schriftenreihe sollte bis 2002 das Immaterialgüterrecht Lateinamerikas im Wesentlichen vollständig erschließen.301 Ein weiteres regionales Arbeitsfeld bildeten die Staaten Mittel- und Osteuropas. Hier ging es nicht nur um eine Umsetzung von TRIPS , sondern auch um die postsozialistische Systemtransformation. Bearbeitet wurden in diesem Rahmen nicht nur der gewerbliche Rechtsschutz im engeren Sinn, sondern auch das Wettbewerbsrecht sowie der Verbraucherschutz.302 Ergebnisse wurden auf dem fünften Ringberg-Symposium im März 1991 präsentiert.303 Die baltischen Staaten, die im skandinavischen Kontext bearbeitet wurden, sowie die Nachfolgestaaten im ehemaligen Jugoslawien ausgenommen, die Joseph Straus aufgrund persönlicher Beziehungen separat betreute, fielen fast 20 Staaten in die Zuständigkeit des Regionalschwerpunkts. Da Material gerade aus den zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion schwer zu beschaffen und auszuwerten war, konzentrierte man sich auf (buchstäblich) naheliegende europäische Länder wie Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien sowie die Ukraine und Russland.304 Wie schon im Lateinamerika-Projekt lag hier ebenfalls der Arbeitsschwerpunkt auf der Dokumentation von Rechtsprechung und Gesetzgebung, auch und gerade durch die Übersetzung von Gesetzen, etwa dem rumänischen, dem tschechischen, dem russischen oder dem ungarischen Urheberrechtsgesetz.305 Eine interessante Facette der postsozialistischen Transformation im Bereich des Urheberrechts war dessen Loslösung von Kulturpolitik und Kulturwirtschaft hin zu einer stärkeren Berücksichtigung neuer technologischer Entwicklungen.306
300 Ebd., 67. 301 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 819. 302 Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch 1992, 1992, 545; Adolf Dietz: Die Einführung von Gesetzen gegen den unlauteren Wettbewerb in ehemals sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas. GRUR Int. 43/8–9 (1994), 649–670. 303 Friedrich-Karl Beier, Eva-Marina Bastian und Annette Kur (Hg.): Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz in Mittel- und Osteuropa: 11. bis 15. März 1991, Schloss Ringberg, Tegernsee / 5. Ringberg-Symposium des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht. Köln 1992; Thomas Melzer: Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz in Mittel- und Osteuropa – Ein Bericht über das 5. Ringberg-Symposium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht vom 11. bis 15. März 1991. GRUR Int. 40/7 (1991), 556–557. 304 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 69. 305 Ebd., 69, 72, 106. 306 Lindner, 1991 bis März 1994, 1994, 71.
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Schließlich bildete China einen wichtigen regionalen Schwerpunkt. Die Kooperations- und Arbeitsbeziehungen zwischen dem Institut und der Volksrepublik vertieften sich stetig, was unter anderem in der Verleihung einer Honorarprofessur für Adolf Dietz durch die Renmin-Universität in Peking im Jahr 1995 zum Ausdruck kam.307 Im Bereich der Regionalprojekte wurde China ab 1998 zusammen mit anderen ostasiatischen Ländern im Referat »Ostasien« behandelt und aus dem bisherigen Zusammenhang »Osteuropa / ehemalige kommunistische Länder« herausgelöst.308 Neben den großen Regionalschwerpunkten wurden immer wieder kleinere länderspezifische Forschungsvorhaben durchgeführt, so etwa 1999 zum Urheberrecht in der Türkei, das sowohl durch das TRIPS -Abkommen als auch durch Pläne zu einem EU-Betritt besonders herausgefordert wurde.309 Um die Jahrtausendwende wurde der Kreis der Regionalprojekte um Afrika erweitert.310 5.5
Dokumentation und Bibliothek
Seit seiner Gründung hat sich das Institut nicht nur als Einrichtung zur wissenschaftlichen Erforschung und Durchdringung ausländischer Rechtsordnungen verstanden, sondern arbeitete auch daran, diese für die Praxis bekannter und zugänglicher zu machen. Dem dienten verschiedene Übersetzungsprojekte, etwa des tunesischen Urheberrechtsgesetzes,311 des mexikanischen Gesetzes zu Förderung und Schutz des gewerblichen Eigentums,312 des polnischen Gesetzes zu Urheberrecht und verwandten Schutzrechten, des chinesischen, spanischen und bulgarischen Urheberrechtsgesetzes.313 Eine Übersetzung des niederländischen Patentgesetzes wurde ebenso publiziert314 wie des belgischen Gesetzes zum Schutz für Computerprogramme315 sowie des ägyptischen Urhebergesetzes.316 Das französische Gesetzbuch zum Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz wurde in einer zweisprachigen Ausgabe veröffentlicht.317 Hinzu kam die regelmäßige Mitarbeit an der Loseblattsammlung »Quellen des Urheberrechts – Gesetzestexte aller Länder und Tabellen über internationale Verträge«.318 Ein307 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 72. 308 Ebd., 149. 309 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 19. 310 Ebd., 42. 311 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 5. 312 Ebd., 6. 313 Ebd., 13. 314 Ebd., 37. 315 Ebd., 43. 316 Ebd., 44. 317 Thomas Dreier und Rudolf Krasser: Das französische Gesetzbuch des geistigen Eigentums (Legislativer Teil). Code de la propriété intellectuelle (Partie législative). Zweisprachige Textausgabe mit Einführungen. Weinheim 1994. 318 Dazu Friedrich-Karl Beier: Quellen des Urheberrechts. Gesetzestexte aller Länder mit deutschen Übersetzungen, systematischen Einführungen und tabellarischen Übersich-
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schlägige deutsche Rechtsquellen wurden einem internationalen Publikum in Übersetzungen erschlossen.319 Der digitale Medienwandel hielt mittlerweile auch bei den Publikationen des Instituts Einzug. Im Jahresbericht von 1995 wurde mit einer gewissen Begeisterung für die neuen technischen Möglichkeiten vermerkt, dass sämtliche seit dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Bände der GRUR , von GRUR Int. und IIC »auf nur zwei Scheiben« als GRUR-CD -ROM zugänglich seien.320 Die Dokumentationsarbeit des Instituts wurde ab 1991 auf eine Datenbank umgestellt, auch um die Recherchemöglichkeiten zu verbessern.321 Wegen der inhaltlichen Neuausrichtung des Verlages VCH als Folge der Übernahme durch den naturwissenschaftlich geprägten Wiley-Verlag wechselten die vom Institut bisher bei VCH herausgegebenen Zeitschriften (GRUR Int. und IIC) sowie die Schriftenreihe IIC Studies im Jahr 2001 zum C. H. Beck Verlag.322 Die Bibliothek war 1995 auf über 117.000 Bände, 8.000 Mikroformen und 814 laufende Zeitschriften angewachsen.323 Zwei Jahre später hatte sich der Buchbestand auf 125.254 Bände und 14.300 Mikroformen vergrößert, zudem wurden 850 Zeitschriften laufend gehalten.324 1999 umfasste die Bibliothek 133.416 Bände und 917 laufende Zeitschriften.325 Die Zahl der laufenden Zeitschriften war 2001 mit 760 Titeln wieder rückläufig, der Buchbestand zählte fast 140.000 Bände.326 Am Ende von Schrickers Direktorat verfügte die Bibliothek über rund 150.000 Bände und 838 laufende Zeitschriften.327 Zudem wurde die Bibliothek nicht mehr von Joseph Straus und damit einem Wissenschaftler des Instituts im Nebenamt geleitet, sondern mit Peter Weber jetzt erstmals durch einen hauptamtlichen wissenschaftlichen Bibliothekar betreut.
ten. Texte der multilateralen Abkommen. GRUR Int. 27/8–9 (1978), 379; Henning / Kazemi, Handbuch, 2016, Bd. 2, 1144; Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 44. 319 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 6; vgl. auch Adolf Dietz: Le droit primaire des contrats d’auteur dans les états membres de la Communauté européenne. Brüssel: Commission des Communautés européennes 1981. 320 Lindner, 1994 bis 1998, 1998, 34. 321 Lindner, 1991 bis März 1994, 1994, 6. 322 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 741. 323 Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 56. Wiesbaden 1995, 231–232. 324 Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 57. Wiesbaden 1997, 267. 325 Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 58. Wiesbaden 1999, 280. 326 Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 59. Wiesbaden 2001, 283. 327 Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 60. Wiesbaden 2003, 269.
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Umzug in das Max-Planck-Haus und erneute Nachfolgediskussion
Mit dem Umzug in neue eigene Räume im neu errichteten Max-Planck-Haus am Hofgarten im Mai 1999 konnte das Institut seine fünf verschiedenen Standorte in Bogenhausen aufgeben. Endlich konnten auch die Bibliotheksbestände an einem Ort zusammengeführt werden, was für die Arbeitsfähigkeit des Instituts eine enorme Verbesserung bedeutete. Wissenschaftlich intoniert und begleitet wurde der Umzug durch ein Symposium mit dem Titel »Geistiges Eigentum im Dienst der Innovation«, das wie vergleichbare Veranstaltungen in der Institutsgeschichte auch einer inhaltlichen Standortbestimmung und Selbstvergewisserung für die künftige Institutsarbeit diente.328 Zwei Themen waren dabei von besonderem Interesse, nämlich zum einen die Ausweitung von Schutzrechten auf neue Sachverhalte, zum anderen ihre inhaltliche Annäherung und Angleichung unter dem Vorzeichen einer ökonomischen Verwertbarkeit.329 Speziell aus der Sicht des Urheberrechts stellte sich hier die Frage, welche Rolle persönlichkeitsrechtliche Aspekte im Immaterialgüterrecht künftig spielen sollten.330 5.6.1 Wie soll es mit dem Institut weitergehen?
Nach Beiers Emeritierung 1994 leitete Gerhard Schricker das Institut allein. Mittlerweile warf aber auch seine Emeritierung ihre Schatten voraus, so dass nach zwei gescheiterten Berufungskommissionen für die Nachfolge FriedrichKarl Beiers jetzt grundlegender nicht nur über die Neuberufung der Institutsleitung, sondern über die Zukunft des Instituts überhaupt nachgedacht werden musste. Erste interne Überlegungen in der Max-Planck-Gesellschaft hatten schon kurz nach dem faktischen Scheitern der zweiten »Beier-Kommission« begonnen. So war unklar, wie sich das weitere Verhältnis des Instituts zur Universität nach der Emeritierung von Gerhard Schricker im Jahr 2000 gestalten könnte, wenn der Nachfolger Schrickers in seiner Arbeit andere Schwerpunkte setzen und mit dem Institut vielleicht nicht mehr zusammenarbeiten würde; Schricker selbst wollte nach seiner Emeritierung bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden im Jahr 2003 hauptamtlich an das Institut wechseln, was diverse Finanzierungsfragen aufwarf.331
328 Gisbert Hohagen: Regierungsverordnung über gewerbliche Schutzrechte vom 24.10.1996, GRUR Int. 49/3 (2000), 246–265; Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 1; die Beiträge der Tagung wurden publiziert bei Gerhard Schricker, Thomas Dreier und Annette Kur (Hg.): Geistiges Eigentum im Dienst der Innovation. Baden-Baden 2001. 329 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 2–3. 330 Ebd., 3. Kritisch zu Tendenzen der Marginalisierung des Urheberpersönlichkeitsrechts Paul Brügger: Urheberrecht, Meßgröße gesellschaftlicher Befindlichkeit. In: Peter Ganea, Christopher Heath und Gerhard Schricker (Hg.): Urheberrecht. Gestern – Heute – Morgen. Festschrift für Adolf Dietz zum 65. Geburtstag. München 2001, 11–23. 331 Vermerk Fromm vom 8.12.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 195–197.
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Die Zukunft des Instituts und die erfolglose Suche nach einem Nachfolger für Friedrich-Karl Beier beschäftigten auch das Kuratorium des Instituts.332 Auf dessen Sitzung am 15. April 1997 erwog die Generalsekretärin der Max-PlankGesellschaft, Barbara Bludau, die Schließung des Instituts, sollte kein exzellenter Nachfolger für die Institutsleitung gefunden werden: Als massiver Nachteil für das MPI für Patentrecht falle ins Gewicht, daß eine solche Persönlichkeit trotz mehrerer Suchaktionen nicht gefunden worden sei. […] Eine Schließung des Instituts sei nicht adäquat, doch müsse die Zeit bis zur Emeritierung von Prof. Schricker dafür genutzt werden, eine überzeugende Nachfolgeregelung zu finden; anderenfalls stehe das Institut zur Disposition.333
Im Kuratorium wurden demgegenüber die zu strengen Vorgaben der MaxPlanck-Gesellschaft kritisiert. So sei ein Verbot von Hausberufungen proble matisch, wenn ein Fach wie das Patentrecht an Universitäten kaum gelehrt werde und die besten Wissenschaftler daher bereits am Institut tätig seien, auch sei die Altersgrenze mit etwa 50 Jahren zu gering angesetzt gewesen, zumal man Eugen Ulmer erst mit 63 Jahren zum Direktor berufen habe.334 Kritisiert wurde auch das mangelhafte Verständnis der Geisteswissenschaftlichen Sektion für ein Fach wie das Patentrecht: »Es bestünde eine Vorliebe für historische Fächer, Gegenwartsprobleme wie die am Institut bearbeiteten würden gering geachtet. In der Rechtswissenschaft gehe es […] nicht darum, geniale Ideen zu haben.«335 Auf der Kuratoriumssitzung am 31. März 1998 räumte Schricker mit der offenbar verbreiteten Fehlvorstellung auf, das Institut fertige überwiegend Gutachten für die Wirtschaft an; »man treibe vielmehr selbstbestimmte Grundlagenforschung.«336 Vor dem Hintergrund der überragenden Rolle, die das Patentrecht bei der Nachfolge von Friedrich-Karl Beier gespielt hatte, erstaunte freilich Schrickers Feststellung, »mit dem Patentrecht beschäftige man sich nicht mehr schwerpunktmäßig. Vielmehr entfielen 40 % auf das Urheberrecht, 30 % auf das Markenrecht, 20 % auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs und nur 10 % auf das Patentrecht.«337 In diesem Zusammenhang problematisierte ein Kuratoriumsmitglied den Namen des Instituts; »Intellectual Property Institute«
332 Nach Schricker waren die doppelte Ungewissheit der eigenen Nachfolge und des weiteren Schicksals des Instituts für Beier persönlich sehr belastend, vgl. Schricker, Gedenkworte, 1998, 1–5, 2. 333 Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums des Instituts am 15.4.1997, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 82. 334 Ebd., fol. 83 verso. 335 Ebd., fol. 84 verso. 336 Protokoll der Kuratoriumssitzung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München vom 31.3.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 45 verso. 337 Ebd., fol. 45 verso.
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und »Institut für geistiges Eigentum« wurden als Alternativen vorgeschlagen.338 Die personellen Anforderungen an den neuen Institutsdirektor beurteilten einige Kuratoriumsmitglieder als eher überspannt, stehe doch mit Eduard Reimer ein wissenschaftlich interessierter Praktiker an der Wiege des Instituts, warum also nicht erneut einen erfahrenen Praktiker als Institutsleiter berufen?339 Im Übrigen sei auch Friedrich-Karl Beier bei seiner Bestellung zum Institutsdirektor »noch kein gestandener Wissenschaftler gewesen.«340 5.6.2 Präsidentenkommission »MPI für Patentrecht« (1998–1999)
Im Herbst 1998 setzte Hubert Markl als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft eine eigene »Präsidialkommission zur Beratung der Weiterentwicklung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheberund Wettbewerbsrecht« ein. Sie sollte »Empfehlungen über Entwicklungsoptionen […] im Kontext relevanter Aspekte des Wirtschaftsrechts« für das Institut erarbeiten und eine »Prognose über die personelle Situation im Bereich des Wirtschaftsrechts im allgemeinen und das Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht im speziellen« erstellen.341 Die Präsidentenkommission trat am 1. Dezember 1998 in München zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Den Vorsitz übernahm Klaus J. Hopt, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg.342 Er stellte zunächst fest, dass die bisherige Berufungskommission noch nicht abgeschlossen sei, sondern derzeit lediglich ruhe. Die Aufgabe der Präsidentenkommission sei insoweit als Vorarbeit für die Wiederaufnahme der Tätigkeit dieser Kommission zu verstehen. Es wurde angemerkt, dass es ein »großes Problem« der beiden Berufungskommissionen gewesen sei, dass »das Institut auf einer strikten Schwerpunktsetzung im Bereich des Patentrechts auf Direktorenebene bestanden habe, wodurch die Auswahl der Kandidaten massiv eingeschränkt« wurde.343 Von dieser Position habe Gerhard Schricker als Institutsleiter aber mittlerweile Abstand genommen. Es wurden verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten für das Institut diskutiert. Dabei haben sich fünf Optionen herauskristallisiert, nämlich erstens die »Beibehaltung und Fortführung der derzeitigen Forschungsschwerpunkte«, zweitens eine »Erweiterung in Rich-
338 Ebd., fol. 46. 339 Ebd., fol. 46 verso. 340 Ebd., fol. 46 verso. 341 Brief von Markl an Weinert vom 12.10.1998, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 25. 342 Weitere Mitglieder der Kommission sind: Ulf Bernitz, Albin Eser, Andreas Heldrich, Ulrich Immenga, Wilhelm Nordemann und Franz Emanuel Weinert, vgl. Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Präsidentenkommission »MPI für Patentrecht« am 1.12.1998 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 133. 343 Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Präsidentenkommission »MPI für Patentrecht« am 1.12.1998 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 134 verso.
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tung Zivilrecht mit Schwerpunkt ›Persönlichkeitsrecht / geistiges Eigentum‹«, drittens eine »Schwerpunktsetzung im Bereich ›Recht der Informationsgesellschaft‹«, viertens eine »Erweiterung in Richtung Kartellrecht / Wirtschaftsrecht« und fünftens eine »Programmatische Ergänzung der Forschungsschwerpunkte durch Einbeziehung europarelevanter Gebiete des Wirtschaftsrechts wie internationales Bilanz- und / oder Steuerrecht«.344 Die weitere Diskussion ging in die Richtung, dass die derzeitigen Schwerpunkte des Instituts auch künftig bestehen bleiben sollten, allerdings sei eine Einbeziehung des Kartell- und Wirtschaftsrechts entweder als Schwerpunkt oder als programmatische Ergänzung wünschenswert. Eine Hinwendung zum allgemeinen Zivilrecht oder zum Persönlichkeitsrecht wurde als mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar angesehen und verworfen.345 Als interessant wurde die Forschungsrichtung »Recht der Informationsgesellschaft« bewertet, doch greife sie auf sehr viele unterschiedliche Disziplinen aus. Bei der künftigen Ausrichtung des Instituts sollte nach ausdrücklichem Hinweis von Markl das Subsidiaritätsprinzip der Max-PlanckGesellschaft beachtet werden, ansonsten unterstützte er Überlegungen, bei den weiteren Planungen »aus gesellschaftlichen und technologischen Neuerungen resultierende Rechtsprobleme (Stichworte: Biotech, Medien, Globalisierung) zu berücksichtigen.«346 Auf der zweiten Sitzung der Präsidentenkommission am 14. Januar 1999 in München wurden Gerhard Schricker und zwei weitere wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts befragt. Gegenüber einer Erweiterung der Arbeitsgebiete des Instituts auf Medienrecht oder das Recht der Informationsgesellschaft, jeweils in privatrechtlicher Perspektive, sowie europäisches Gemeinschaftsrecht in den für das Institut relevanten Themenfeldern zeigte sich Schricker durchaus aufgeschlossen.347 Er sprach sich bei der künftigen Institutsleitung für ein Dreier-Kollegium mit zwei hauptamtlichen und einem nebenamtlichen Direktor aus.348 Zu den Arbeitsschwerpunkten des Instituts führte er aus, dass der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht im Fokus stünden, das Patentrecht hingegen »nur einen Anteil von ca. 30 % der gesamten Forschungsarbeit« aus344 Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Präsidentenkommission »MPI für Patentrecht« am 1.12.1998 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 135 verso. 345 Forschungen an Max-Planck-Instituten sollen Themen oder Fragestellungen behandeln, die insbesondere aus strukturellen Gründen an den Universitäten nicht oder nur unzureichend gepflegt werden können; dieser Ansatz wird innerhalb der Max-PlanckGesellschaft als »Subsidiaritätsprinzip« bezeichnet., vgl. Horst Kant und Jürgen Renn: Forschungserfolge und ihre Voraussetzungen in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft. In: Thomas Heinze et al. (Hg.): Kreativität in der Forschung. Berlin 2013, 141–155, 147–148. 346 Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Präsidentenkommission »MPI für Patentrecht« am 1.12.1998 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 135 verso. 347 Ergebnisprotokoll der 2. Sitzung der Präsidentenkommission »MPI für Patentrecht« am 14.1.1999 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 146, fol. 139. 348 Ebd.
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mache.349 Im internen Teil der Sitzung erörterte die Kommission eine Namens liste mit möglichen geeigneten Kandidaten für die Direktorenstellen. Gesprochen wurde auch über die künftige Benennung des Instituts. Aus »praktischen Gründen« wurde die Streichung des Wortes »Patentrecht« kritisch gesehen.350 Das Ergebnis der Beratungen der Präsidentenkommission fasste Hopt in einem 17-seitigen Bericht zusammen, der auch zehn Empfehlungen für die weiteren Beratungen zur Zukunft des Max-Planck-Instituts enthielt.351 Zunächst wurde die hervorragende Arbeit des Instituts herausgestellt. Auch sei das Patentrecht, das an Universitäten so gut wie nicht vertreten sei, unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität ein angemessener Gegenstand für ein Max-PlanckInstitut.352 Anschließend wurden die verschiedenen, in der Kommission diskutierten Optionen für das Institut benannt und zu den favorisierten Optionen beispielhaft auch einige Namen möglicher Kandidaten für eine Direktorenstelle angeführt. Es wurde so ein »Personalpool von 20 denkbaren und in der Kommission kurz diskutierten Kandidaten für die beiden Nachfolgen« angelegt. Aus Gründen des Subsidiaritätsprinzips wurde einer Erweiterung in Richtung Zivilrecht oder Persönlichkeitsrecht eine Absage erteilt. Für interessant befunden wurde hingegen das Thema »Rechtsinformatik«, wenngleich kritisch angemerkt wurde, dass sich die hohen Erwartungen, die in den 1970er Jahren an dieses Fach geknüpft worden waren, nicht erfüllt hätten.353 Gleichwohl konnte man sich dieses Thema auch für das Institut vorstellen, allerdings nicht als Hauptschwerpunkt.354 Abgelehnt wurde von der Kommission hingegen eine Erweiterung der Arbeitsschwerpunkte auf das »europäische Wirtschaftsrecht als solches« ohne eine Anbindung an das Recht der Informationsgesellschaft.355 Empfohlen wurden für die weitere Entwicklung des Instituts drei Optionen. Zunächst sollte eine Direktorenstelle mit den bisherigen Arbeitsschwerpunkten im Bereich des Urheberrechts und des Wettbewerbsrechts im engeren Sinn besetzt werden. Zum Thema Patentrecht finden sich klare Worte im Bericht: 349 Ebd. Vgl. dagegen die früher getätigte Aussage von Schricker (Fn. 337), wonach das Patentecht nur 10 Prozent der Tätigkeit des Instituts ausmache. 350 Ebd., fol. 140. 351 Bericht und Empfehlungen der Präsidentenkommission »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« vom 8.2.1999, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 305–313 verso. 352 Ebd., fol. 307 verso. 353 Diese Einschätzung kann nach dem rasanten Aufstieg des Datenschutzrechts sowie der Rechtsfragen im Zusammenhang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und Legal Tech heute so nicht mehr gelten, findet sich aber am Vorabend diese Entwicklungen noch bei Thomas Hoeren: Von Judge Judy zum Beck-Blog: Die Rechtswissenschaft der Berliner Republik im medialen Wandel. In: Thomas Duve und Stefan Ruppert (Hg.): Rechtswissenschaft in der Berliner Republik. Berlin 2018, 212–237, 224–226. 354 Bericht und Empfehlungen der Präsidentenkommission »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« vom 8.2.1999, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 308 verso. 355 Ebd., fol. 308 verso.
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Die ursprüngliche Vorstellung, der Nachfolger müsse unbedingt ein Patentrechtler sein, war […] wenig glücklich, vielleicht sogar eine im Zusammenhang mit der Nominierung gehegte bzw. genährte Fehlvorstellung, die jedenfalls heute keine Gültigkeit mehr beanspruchen kann.356
Sodann wurde als zweite Option erwogen, das Kartellrecht mehr in die Arbeitsgebiete des Instituts zu integrieren. Hier wurde ein Bezug zu den einschlägigen Arbeiten Wolfgang Fikentschers hergestellt; man war überrascht, dass dessen kartellrechtliche Forschung in der Selbstwahrnehmung der Arbeitsgebiete des Instituts kaum aufscheine.357 Nicht verschwiegen wurde aber, dass es im Bereich des Kartellrechts zu Überlappungen mit den Arbeitsfeldern des privatrechtlichen Max-Planck-Instituts in Hamburg kommen könne, was im Ergebnis aber nicht als Problem gesehen wurde.358 Schließlich wurde als dritte Option die Erweiterung des im Institut bereits beheimateten Informationsschutzrechts zu einem allgemeinen Recht der Information oder der Informationsmärkte angeführt. Der Kommission war es wichtig, den recht allgemeinen Begriff des »Rechts der Informationsgesellschaft« näher zu konkretisieren. Zum einen sei eine Erweiterung denkbar von einem Recht des Schutzes von Programmen und Informationen hin zu einem Recht der Publizität, das die Offenlegung von Informationen zum Gegenstand hatte, und einem Recht der Verbreitung von Informationen, also einem Recht der Werbung und des privaten Medienrechts.359 Bei der Variante eines Rechts der Informationsmärkte könne es zum andern um die Marktordnung der Informationsgesellschaft und in diesem Zusammenhang auch um Fragen des Zugangs zu Netzen oder um den Schutz gegen Marktmacht auf Informationsmärkten gehen. Mit diesem Ansatz wollte die Kommission die disziplinäre Spezialisierung des gewerblichen Rechtsschutzes aufbrechen und dessen Themen mehr in der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung verorten.360 Kurz angerissen wurden in der Empfehlung der Präsidentenkommission auch Fragen des künftigen Institutsnamens, erwogen wurden »MPI für Urheberrecht, gewerblichen Rechtsschutz und Recht der Informationsgesellschaft« oder »MPI für ausländisches und internationales Recht des geistigen Eigentums und des Wettbewerbs«.361 Zusammenfassend empfahl die Kommission, eine Direktorenstelle eher konservativ mit den Schwerpunkten Urheberrecht und Wettbewerbsrecht zu besetzen und die andere Stelle den aufgezeigten Entwicklungsperspektiven vorzubehalten.362
356 Ebd., fol. 309. 357 Ebd., fol. 309 verso und fol. 310. 358 Ebd., fol. 310. 359 Ebd., fol. 311. 360 Ebd. 361 Ebd., fol. 312. 362 Ebd., fol. 313.
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338 5.6.3 Stammkommission (1999–2001)
Auf der Grundlage der Empfehlungen der Präsidentenkommission nahm am 28. Oktober 1999 eine Stammkommission »MPI Patentrecht«, wiederum unter dem Vorsitz von Hein Kötz, ihre Arbeit auf, die allerdings nur teilweise identisch mit der zweiten Berufungskommission war, die ihre Arbeit ergebnislos hatte ruhen lassen und inzwischen aufgelöst wurde363 Die Aufgabe der Stammkommission war es, sowohl über die Nachfolge von Friedrich-Karl Beier als auch über eine vorgezogene Nachfolgeberufung für Gerhard Schricker zu beraten.364 Man verständigte sich auf der ersten Sitzung über die Zuwahl weiterer Personen.365 Zudem sollte Helmut Köhler von der Ludwig-Maximilians-Universität kooptiert werden, um das Verfahren mit der ebenfalls anstehenden Wiederbesetzung von Schrickers Lehrstuhl koordinieren zu können. Die Kommission sprach auf ihrer zweiten Sitzung am 11. Februar 2000 in Heidelberg zunächst über die zukünftige Ausrichtung des Instituts. Der Lehrstuhl von Schricker an der Ludwig-Maximilians-Universität sollte für die Fächer »Bürgerliches Recht und Medienrecht« ausgeschrieben werden.366 Zwar wurde eine Kooperation des Lehrstuhls mit dem Institut weiterhin gewünscht, offen war aber, ob wie im Falle Schrickers wieder eine Institutsleitung in Personalunion realisiert werden könnte.367 Was das Institut selbst anging, so war sich die Kommission einig, dass es sich primär der Grundlagenforschung widmen solle, wobei eine Erweiterung seiner Forschungsgebiete befürwortet wurde.368 Gerhard Schricker und weitere Mitarbeiter des Instituts sowie Roberta Romano von der Universität Yale als externe Expertin wurden auf der dritten Sitzung der Kommission am 27. März 2000 in München angehört. Schricker betonte die Herausforderungen für die Arbeitsgebiete des Instituts durch die Globalisierung der Welthandelsbeziehungen sowie durch die »rasante Entwicklung der neuen elektronischen Medien«.369 Dies führe zu einer »umfassenden
363 Mitglieder dieser Kommission waren zunächst: Baltes, Eser, Frowein, Giegerich, Hopt, Kötz, Maydell, Prinz und Witt, vgl. Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Stammkommission »MPI für Patentrecht« am 28.10.1999 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 201. 364 Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Stammkommission »MPI für Patentrecht« am 28.10.1999 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 202. 365 Es handelte sich um Friedrich Kübler, Joanna Schmidt-Szalewski sowie Christoph Engel. Roberta Romano war ebenfalls als Mitglied vorgesehen, wollte der Kommission aber nur als Expertin zur Verfügung stehen, vgl. Brief von Kötz an die Mitglieder der Kommission vom 16.12.1999, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 193. 366 Ergebnisprotokoll der 2. Sitzung der Stammkommission »MPI für Patentrecht« am 11.2.2000 in Heidelberg, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 197. 367 Ebd. 368 Ebd. 369 Ergebnisprotokoll der 3. Sitzung der Stammkommission »MPI für Patentrecht« am 27. März 2000 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 176.
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Neubestimmung der Grundlagen unserer Fächer«, zudem verschwömmen die Unterschiede zwischen den einzelnen gewerblichen Schutzrechten.370 Mit Blick auf die anstehende Einführung einer Departmentstruktur an der Ludwig-Maxi milians-Universität schilderte er seinen Vorschlag, ein »Intellectual Property Center« zu errichten, das vom Institut, den beiden Münchener Universitäten und den beiden Münchener Patentämtern realisiert werden sollte.371 Schricker sowie die Mitarbeiter des Instituts nannten einige Namen von geeigneten Personen für die Direktorenstellen. Als externe Expertin äußerte sich Roberta R omano inhaltlich ähnlich wie Schricker. Auch sie sah im Internet und in den elektronischen Medien eine große Herausforderung für die Rechtsordnung; es sei nach ihrer Meinung zweifelhaft, »ob man mit den herkömmlichen Begriffen des geistigen Eigentums […] noch auskommen« könne.372 Im internen Teil der Sitzung verabredete die Kommission, zunächst die Entwicklung an der Münchener Juristischen Fakultät wegen der Frage der Personalunion mit der Institutsleitung abzuwarten, und legte daher vorerst noch keinen neuen Sitzungstermin fest. In der Zwischenzeit ergriff Gerhard Schricker die Initiative und reichte im Juni 2000 bei Hubert Markl den formellen Vorschlag ein, den langjährigen Institutsmitarbeiter Joseph Straus zum Wissenschaftlichen Mitglied und Direktor am Max-Planck-Institut zu berufen.373 Mit Blick auf die Einrichtung des »Munich Intellectual Property Law Center« sei es angebracht, das Erfinder- und Patentrecht am Institut aufzuwerten. Straus habe eine international führende Stellung als Patentrechtler, sei mittlerweile Honorarprofessor an der LudwigMaximilians-Universität und stehe einem Ordinarius auch hinsichtlich seiner Veröffentlichungen in nichts nach. Für Schricker war Straus, der bereits 61 Jahre zählte, ein Mann des Übergangs und der Restrukturierung des Patentrechts am Institut, bestehe doch die berechtigte Hoffnung, dass in einigen Jahren andere geeignete Patentrechtler angesprochen werden könnten. Diese Hoffnung hatte Schricker jedoch schon bei der ersten Berufungskommission geäußert, ohne dass diese sich, entgegen seiner damaligen zuversichtlichen Prognose, erfüllt hätte. Als Reaktion auf Schrickers Vorschlag trat die Kommission am 10. Juli 2000 in München zu ihrer vierten Sitzung zusammen, auf der Schricker seine bereits brieflich Markl gegenüber geäußerten Beweggründe für die Nominierung von Joseph Straus noch einmal wiederholte. Die Kommission entschied nach einer intensiven Diskussion, in der es auch um die Bedeutung des Patentrechts für das Münchener Institut, aber auch für das zu gründende »Munich Intellectual
370 Ebd. 371 Ebd., fol. 176 verso. 372 Ebd. 373 Brief von Gerhard Schricker an Hubert Markl vom 8.6.2000, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 280–282.
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Property Law Center« ging,374 Straus zusammen mit anderen geeigneten Kandidaten zeitnah anzuhören.375 Auf der fünften Sitzung am 19. Oktober 2000 in Berlin wurden dann insgesamt acht anzuhörende Kandidaten für die neue Institutsleitung bestimmt.376 Die Anhörung von schlussendlich sechs Kandidaten fand am 12. und 13. Dezember 2000 in Berlin statt. Als Ergebnis der Anhörungen wurde Josef Drexl für die Nachfolge von Gerhard Schricker vorgesehen. Auch Joseph Straus sollte mit Blick auf die Gründung des »Munich Intellectual Property Law Center« eine Direktorenstelle erhalten; Reto Hilty, der fachlich die traditionellen Gebiete des Instituts vertrat, war als Nachfolger für Friedrich-Karl Beier vorgesehen. Mit Wolfgang Schön sollte die inhaltliche Neuorientierung des Instituts durch die Hereinnahme eines neuen Forschungsschwerpunktes eingeleitet werden. Es wurde beschlossen, zu den vier in Aussicht genommenen Kandidaten Gutachten einzuholen und die Berufungsvorschläge der Sektion bereits für deren Sitzung am 15. Februar 2001 als Gesamtpaket zu unterbreiten.377 Die vier ausgewählten Kandidaten repräsentierten in ihrer Gesamtheit die verschiedenen, von der Präsidentenkommission herausgearbeiteten Optionen für das Münchener Institut. Joseph Straus und Reto Hilty standen für Kontinuität zu den bisherigen Arbeitsfeldern.378 Reto Hilty wollte sich künftig besonders um neue technische Entwicklungen kümmern, da neue Techniken auch neue Schutzrechte erforderten.379 Ihm ging es dabei nicht nur um Schutz-, sondern auch um Abwehrrechte, müsse doch der Innovationswettbewerb gegenüber dem Investitionswettbewerb besser geschützt werden.380 Josef Drexl stand für eine vielfach angemahnte mehr wirtschaftsrechtliche Ausrichtung des Instituts. Die von ihm einzubringenden kartellrechtlichen Forschungsschwerpunkte sollten die Spannungen zwischen den monopolartig wirkenden gewerblichen Schutzrechten und dem kartellrechtlichen Grundsatz des freien Wettbewerbs bearbeiten.381 Der Steuerrechtler Wolfgang Schön sollte den Aspekt des Informationsrechts vertreten im Sinne eines Rechts der Publizität, das sich etwa in 374 »Kurzinformation« über die Sitzung von Mellinghoff vom 12.7.2000, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 274–276. 375 Ergebnisprotokoll der 4. Sitzung der Stammkommission »MPI für Patentrecht« am 10.7.2000 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 1112, fol. 39. 376 Ebd., fol. 4. 377 Ebd., fol. 17. 378 Bericht und Empfehlung der Stammkommission »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« vom 7.2.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 15 verso. 379 Ergebnisprotokoll der 6. Sitzung der Stammkommission »MPI für Patentrecht« am 12./13.12.2000 in Berlin, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 122 verso. 380 Ebd., fol. 123. 381 Bericht und Empfehlung der Stammkommission »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« vom 7.2.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 16.
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bilanzrechtlichen Offenlegungspflichten findet.382 Dadurch sollte die eher auf Zurückhaltung und Kontrolle von Information bestimmte Sicht der gewerblichen Schutzrechte ergänzt und aufgebrochen werden: Stets geht es um den rechtlichen Rahmen des Umgangs mit Information, einem immateriellen Produktionsfaktor, der […] für die »Wissensgesellschaft« im ganzen eine schon heute erhebliche und immer noch zunehmende Rolle spielt.383
Nachdem die Sektion dem von der Stammkommission präsentierten Gesamtpaket für die künftige Leitung des Instituts zugestimmt hatte, wurden die vier Berufungen vom Senat der Max-Planck-Gesellschaft am 23. März 2001 beschlossen.384 Mit der Bestellung von Drexl, Hilty, Schön und Straus wurde das Institut in seinen traditionellen Forschungsfeldern bestätigt, durch eine Hinzunahme des Bilanz- und Steuerrechts mit informationsrechtlichem Einschlag sowie des Kartellrechts aber auch neu aufgestellt. Es sollte künftig den Namen »Max-PlanckInstitut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht – Max Planck Institute for Intellectual Property, Competition and Tax Law« führen.385 Das erneuerte Institut nahm mit der Bestellung von Joseph Straus zum geschäftsführenden Direktor am 1. Januar 2002 seine Arbeit auf.386 Die weiteren Direktoren wurden im Laufe des ersten Quartals 2002 ernannt. Die Umbenennung des Instituts sowie die Errichtung der neuen steuerrechtlichen Abteilung erfolgten zum 1. Juli 2002. Gerhard Schricker wurde 2003 als Direktor emeritiert. Damit endete nicht nur eine mit dreißig Jahren erstaunlich lange Amtszeit, sondern auch die ein halbes Jahrhundert umspannende Epoche eines von Eugen Ulmer und seinen Schülern geprägten Forschungsinstituts, zu der es mit Joseph Straus und in gewisser Weise auch mit Josef Drexl als Ulmers Enkelschüler in der Institutsleitung noch einen letzten kleinen Bezug gab.
382 Ebd., fol. 16, 16 verso. Angemerkt sei, dass die Frage der Kontrolle und des Zugangs zu Informationen auch an der Wiege des Patentrechts stand und etwa bei Diskussion um die Patentierbarkeit von Software bedeutsam ist, vgl. aus historischer Perspektive Margrit Seckelmann: Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im Deutschen Reich. 1871–1914. Frankfurt am Main 2006, 399 et passim. 383 Bericht und Empfehlung der Stammkommission »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« vom 7.2.2001, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 19 verso, 20. 384 Materialien für die Sitzung des Senats der Max-Planck-Gesellschaft am 23.3.2001 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, fol. 8. 385 Lindner, 1999 bis 2002, 2004, 55. 386 Ebd., 741; Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2002, 2002, 741.
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6.
Womit befasste sich das Institut eigentlich?
Die schwierige und langwierige Suche nach einem Nachfolger für Friedrich-Karl Beier als Institutsdirektor hatte ihren Grund nicht zuletzt darin, dass dieser Nachfolger unbedingt ein im Patentrecht ausgewiesener Experte sein musste. Vor allem von der Institutsleitung wurde das Patentrecht nicht nur als wichtiger Forschungsschwerpunkt, sondern auch als dessen geradezu identitätsstiftende Kernmaterie verstanden. Dieser Aspekt spiegelt sich auch in der gängigen Kurzbezeichnung »MPI für Patentrecht« für das Institut. In merkwürdigem Kontrast dazu freilich steht Schrickers Aussage gegen Ende der 1990er Jahre, wonach das Patentrecht 30 Prozent bzw. gar nur noch 10 Prozent der tatsächlichen Forschungsarbeit des Instituts ausmache. Und dennoch blieb es ein offenbar so unverzichtbares Rechtsgebiet, dass trotz der in der Stammkommission erarbeiteten personellen und inhaltlichen Neuausrichtung des Instituts mit Joseph Straus als langjährig am Institut tätigem Wissenschaftler ausgerechnet ein ausgewiesener Patentrechtler zum geschäftsführenden Direktor des neu aufgestellten Instituts bestellt wurde.387 Dessen ungeachtet wurde schon während der ersten Berufungskommission durchaus zutreffend angemerkt, dass das Patentrecht jedenfalls im Publikations geschehen des Instituts keinen überragenden Raum einnehme. Zu der merkwürdigen Rolle des Patentrechts für die Arbeit und das Selbstverständnis des Instituts gesellten sich noch die in den Kommissionberatungen zutage getretenen außerordentlichen Schwierigkeiten, einen Konsens über eine schlüssige und anschlussfähige disziplinäre Erweiterung für das Institut zu erzielen. Alles das führt zu der Frage nach seinen tatsächlichen Forschungsfeldern. Da die Bearbeitung von Forschungsthemen nicht von den konkret forschenden Personen losgelöst gedacht werden kann, gilt es, die das Institut besonders prägenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu identifizieren. Und da Forschung neben der summarischen Berichterstattung in Jahresberichten vor allem in ihren Ergebnissen, nämlich in Publikationen und Vorträgen sichtbar wird,388 können anhand von Bibliographien und Vortragslisten die quantitativ produktivsten Forscherinnen und Forscher mit ihren Themenschwerpunkten leicht ermittelt werden. Grundlage hierfür bildet neben den vier von Moi Lindner zusammengestellten Hauschroniken die 2003 aus Anlass von Schrickers Emeritierung als Institutsleiter von Joseph Straus herausgegebene umfangreiche Institutsbibliographie.
387 Zur Bedeutung von Joseph Straus als Patentrechtler Josef Drexl und Reto M. Hilty: Joseph Straus zum 80. Geburtstag. GRUR Int. 67/12 (2018), 1109–1112. 388 »Es gibt wohl keine bessere Methode, die Arbeit eines Forschungsinstituts, seiner Direktoren und Mitarbeiter zu messen, als an der Qualität und Quantität seiner Veröffentlichungen«, Straus, Im Spiegel seiner Veröffentlichungen, 2003, vii.
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Für die Zeit von 1966 bis 2002 weisen die in den Chroniken zusammengestellten Publikationsverzeichnisse rund 3.000 Veröffentlichungen von 136 namentlich genannten Autorinnen und Autoren auf.389 Legt man die Zahl von 15 Publikationen in einem Zeitraum von fünf Jahren als recht plausibles Kriterium für eine kontinuierliche Veröffentlichungstätigkeit zugrunde, so ragen aus dieser Gruppe 36 Autorinnen und Autoren heraus. Blickt man indes auf die bloße Zahl von Veröffentlichungen, so kommen elf Autorinnen und Autoren auf mehr als 100 Nummern in der Bibliographie, fünf auf mehr als 200 Publikationen. Gerhard Schricker steht mit über 300 Einträgen an der Spitze. Die zehn zahlenmäßig produktivsten Autorinnen und Autoren sind in absteigender Reihenfolge Gerhard Schricker, Joseph Straus, Friedrich-Karl Beier, Adolf Dietz, Michael Lehmann, Silke von Lewinski, Thomas Dreier, Annette Kur, Paul Katzenberger und Hans Peter Kunz-Hallstein. Sie haben zusammen rund 1.700 und damit mehr als die Hälfte der Institutsveröffentlichungen verfasst. Ordnet man die Publikationen dieser Autorinnen und Autoren thematisch, so sind lediglich 15 Prozent der Beiträge patentrechtlichen Inhalts und liegen damit in etwa gleichauf mit den wettbewerbsrechtlichen Arbeiten, die häufig das Verbraucherschutzrecht berühren. Das Urheberrecht dominiert mit fast 40 Prozent der Veröffentlichungen das Feld, gefolgt von den übrigen Themen des gewerblichen Rechtsschutzes mit reichlich 20 Prozent, wobei das Markenrecht einen deutlichen thematischen Schwerpunkt bildet.390 Ordnet man die Arbeiten einzelnen Autorinnen und Autoren zu, so hat Gerhard Schricker vor allem zum Wettbewerbsrecht und zum Urheberrecht publiziert,391 bei Joseph 389 Grundlage für die Ermittlung der besonders produktiven Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts bilden die zusammengestellten Publikations- und Vortragslisten aus: Lindner, 25 Jahre, 1991; Lindner, 1991 bis März 1994, 1994; Lindner, 1994 bis 1998, 1998; Lindner, 1999 bis 2002, 2004. Dies gilt auch für die fachliche Einordnung der Vorträge. Für die fachliche Einordnung der Veröffentlichungen der als besonders produktiv ermittelten Autorinnen und Autoren wurde die von Joseph Straus herausgegebene Institutsbibliographie zugrunde gelegt. Die Chroniken und die Bibliographie sind nicht vollständig deckungsgleich, für die Zwecke dieser Untersuchung fallen die Unterschiede aber nicht ins Gewicht. Bei der Ermittlung der produktiven Personen wurde den Chroniken der Vorzug gegeben, weil sie von ihrer Anlage und Wirkung her der Außendarstellung und der Rechenschaft der Institutsarbeit dienen und insoweit das fachliche Selbstverständnis des Instituts besser widerspiegeln. Zudem ergab sich so eine gemeinsame Grundlage für die Publikationen und die Vorträge: Letztere fehlen in Straus’ Bibliographie. Bei der fachlichen Einordung wurde die präzisere Verzeichnung der Bibliographie bevorzugt. 390 Die thematische Einordnung der Beiträge erfolgte allein auf Grundlage der Werktitel. Gerade bei Arbeiten, die eher allgemein dem gewerblichen Rechtsschutz zufallen, könnte bei inhaltlicher Betrachtung des Textes in manchen Fällen doch ein patentrechtlicher Schwerpunkt gegeben sein. Trotz dieser Unsicherheiten sind die Größenverhältnisse insgesamt aber stimmig. 391 Michael Lehmann: Entwicklungsleitlinien G. Schrickers: Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrecht. In: Ansgar Ohly et al. (Hg.): Perspektiven des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts. Festschrift für Gerhard Schricker zum 70. Geburtstag. München
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Straus dominiert das Patentrecht, wobei ihn vor allem Fragen der Biotechnologie und der Gentechnik interessierten. Adolf Dietz hat sich wie auch Silke von Lewinski, Thomas Dreier und Paul Katzenberger hauptsächlich mit Urheberrecht beschäftigt. Annette Kur hatte wie auch Friedrich-Karl Beier ihren Schwerpunkt im gewerblichen Rechtsschutz, vor allem im Markenrecht, wobei Beier sich in rund 30 Prozent seiner Publikationen auch noch mit patentrechtlichen Themen befasste. Hans Peter Kunz-Hallstein hat sich in mehr als der Hälfte seiner Veröffentlichungen dem gewerblichen Rechtsschutz gewidmet, wenigstens ein Viertel seiner Arbeiten war patentrechtlichen Inhalts. Michael Lehmann hat sich zu gleichen Teilen mit Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Fragen des Computerrechts bzw. des E-Commerce befasst. In der Zusammenschau kann man festhalten, dass von den zehn produktivsten Autorinnen und Autoren des Instituts fünf ausgesprochene Urheberrechtler sind, hingegen nur ein bis zwei Patentrechtler. Themen wie Markenrecht, Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutzrecht nehmen zusammengenommen im Vergleich zum Patentrecht einen größeren Raum ein, in den Kommissionsberatungen hingegen spielten sie praktisch keine Rolle. Ein ähnliches Bild ergibt sich, betrachtet man die Vortragstätigkeit der Institutsmitglieder. Die Jahreschroniken führen für die Zeit von 1966 bis 2002 gut 2.400 Vorträge von 132 Personen auf.392 Auch hier sind lediglich 16 Personen mit rund 1.800 Vorträgen besonders aktiv, wobei zehn Personen gut 1.400 Vorträge gehalten haben, nämlich in absteigender Reihenfolge Joseph Straus, Silke von Lewinski, Friedrich-Karl Beier, Thomas Dreier, Adolf Dietz, Jochen Pagenberg, Annette Kur, Michael Lehmann, Gerhard Schricker und Christopher Heath. Je ein Viertel der Vorträge befasst sich mit dem Patentrecht und sonstigen Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes, ein knappes Drittel mit Urheberrecht, weniger als zehn Prozent mit wettbewerbsrechtlichen Themen. Damit bestätigt die Vortragstätigkeit mit leichten Modifikationen zugunsten des Patentrechts die bei den Publikationen ermittelten Forschungsschwerpunkte. Von der bloßen Zahl ihrer Aktivitäten her sind, nimmt man die Publikationen und die Vorträge zusammen, Friedrich-Karl Beier, Adolf Dietz, Thomas Dreier, Annette Kur, Michael Lehmann, Silke von Lewinski, Gerhard Schricker und Joseph Straus die prägenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts, drei Urheberrechtler, aber nur ein dezidierter Patentrechtler.
2005, 77–86; Ulrich Loewenheim: Wissenschaftlicher Weg und wissenschaftliches Werk Gerhard Schrickers. In: Joseph Straus (Hg.): Im Dienste des Geistigen Eigentums – Festansprachen aus Anlass der Emeritierung von Professor Dr. jur. Dr. jur. h. c. mult. Gerhard Schricker und des 100. Geburtstages von Professor Dr. jur. Dr. jur. h. c. Eugen Ulmer 26. Juni 2003. München 2003, 29–36. 392 Beier merkte auf der Sitzung des Fachbeirats des Instituts am 24. März 1993 die »umfassende Vortragstätigkeit der Institutsmitarbeiter an. Sie dürfe bei aller Wichtigkeit nicht überhandnehmen.«, vgl. Protokoll des Fachbeirats des Instituts am 24.3.1993, AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 889, fol. 52.
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Die wissenschaftliche Ausrichtung eines Instituts lässt sich freilich nicht allein durch bloßes Zählen und Klassifizieren von Veröffentlichungen und Vorträgen ermitteln. So vermisst man bei der hier gebotenen Aufzählung Eugen Ulmer, den Gründungsdirektor des Instituts, dessen große Bedeutung für die Urheberrechtswissenschaft unbestritten ist.393 Auch fehlt Wolfang Fikentscher, der ein langjähriges Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Instituts war und dessen zahlreiche Publikationen in allen Bibliographien des Instituts vollständig aufgeführt werden. Allerdings liegen Fikentschers Arbeiten nur zu einem guten Drittel auf den Arbeitsgebieten des Instituts. Und hier dominiert das Kartellrecht, ein Rechtsgebiet, das von den führenden Autorinnen und Autoren des Instituts nur am Rande berührt wird, auch wenn es zu den übrigen Forschungsgegenständen vielfältige Bezugspunkte aufweist,394 worauf in den Berufungskommissionen immer wieder hingewiesen worden ist. An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass das »MPI für Patentrecht« als dezidiertes Patentrechtsinstitut ein Scheinriese war und dass durchgängig andere Themenstellungen des geistigen Eigentums, aber auch des Wettbewerbsrechts jedenfalls die Publikations- und Vortragstätigkeit führender Institutsmitglieder bestimmt haben. Auch wenn das Patentrecht den sicher entscheidenden Impuls zur Gründung des Instituts auch und gerade in München gegeben hat und immer enge Verbindungen zum Deutschen Patentamt und zur Patentrechtspraxis bestanden haben, ein dem Privatrecht, dem Strafrecht oder auch dem Sozialrecht vergleichbares Zentralfach, um das herum ein Forschungsinstitut errichtet wurde, war es zu keiner Zeit. Vor diesem Hintergrund ist es erklärungsbedürftig, warum die disziplinäre Verortung im Patentrecht die Arbeit der verschiedenen Berufungskommissionen so dominiert hat.
7.
Ein Max-Planck-Institut »für Patentrecht«?
Die langwierigen Beratungen über die Nachfolge von Friedrich-Karl Beier können, wie auch der mehrfache Namenswechsel nach der Neuausrichtung des Instituts 2002, als mehr oder weniger bewusste Suche des Instituts nach seinem Gegenstand verstanden werden. Aber was genau sollte dieser Gegen393 Vgl. nur Gerhard Schricker: Meister des Urheberrechts. In: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht (Hg.): Eugen Ulmer zum Gedächtnis. Weinheim 1989, 46–57. 394 Vgl. Friedrich-Karl Beier: Gewerblicher Rechtsschutz. In: Rudolf Weber-Fas (Hg.): Jurisprudenz. Die Rechtsdisziplinen in Einzeldarstellungen. Stuttgart 1978, 171–188, 175: »Nicht zum gewerblichen Rechtsschutz gehört das Kartellrecht […], obwohl beide Gebiete in einem engen, nicht immer spannungsfreien Verhältnis zueinander stehen. Gemeinsam ist ihnen das Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung durch Schutz des Wettbewerbs zu fördern. Unterschiedlich aber ist die Schutzrichtung im einzelnen: Der gewerbliche Rechtsschutz schützt die wettbewerbliche Leistung und die Lauterkeit des Wettbewerbs, das Kartellrecht sichert die Freiheit des Wettbewerbs, indem es Wettbewerbsbeschränkungen und Mißbräuchen wirtschaftlicher Macht entgegentritt.«
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stand sein? Es wäre sicher zu kurz gegriffen, beim Beharren auf der gerade in den Berufungskommissionen zunächst nicht verhandelbaren Bedeutung des Patentrechts für die Arbeit des Instituts von einer Selbsttäuschung der Institutsleitung zu sprechen oder von einer vielleicht romantisierten Idealvorstellung eines Patentrechtsinstituts, dessen Verwirklichung man im Grunde nie wirklich erreicht, aber in Treue zum eigenen Gründungsimpuls immer erstrebt hat.395 Wäre das Institut ein religiöser Orden, dann wäre das Patentrecht ohne Frage sein »Gründungscharisma«. Anders kann man gerade das beharrliche Eintreten Gerhard Schrickers für das Patentrecht, das er selbst in seiner wissenschaft lichen Arbeit ja nie sonderlich gepflegt hat, nicht erklären. Es spricht viel dafür, in dieser Perspektive einen Schlüssel zu finden, um das Institut im Vergleich zu den anderen, um eine Zentraldisziplin herum gegründeten juristischen Max-Planck-Instituten, in seinem wissenschaftlichen Arbeitsprogramm und Forschungsansatz zu verstehen. Man könnte sogar noch weitergehen und in der üblicherweise dominierenden Rolle von juristischen Disziplinen und Fächern für die programmatische Ausrichtung von Max-Planck-Instituten den Hauptgrund für die erheblichen Probleme bei der Suche nach geeigneten Nachfolgern für die Institutsleitung zu sehen. Wie ist die Rede vom Patentrecht als »Gründungscharisma« zu verstehen? In der Sprache der Theologie des Ordenslebens und im kanonischen Ordensrecht bezeichnet das Gründungcharisma einer Ordensgemeinschaft, vereinfacht gesprochen, eine bestimmte Art und Weise des religiösen Wirkens, einen der Gemeinschaft eigentümlichen geistlichen Stil, der mit Blick auf institutionelle Verfestigungen immer auch als Herausforderung gesehen wird, sich gerade bei Änderung äußerer Umstände auf den eigenen Gründungsimpuls zu besinnen und aus ihm heraus auf aktuelle Anforderungen zu reagieren.396 Patentrecht von einem »charismatischen Standpunkt« aus zu betrachten, bedeutet, es nicht in erster Linie als geschlossene Disziplin und Spezialisierung zu verstehen, sondern nach den besonderen Herausforderungen und Faszinationen zu fragen, die den dort verhandelten Rechtsproblemen zugrunde liegen und an die sich die für erfolgreiche Spitzenforschung unverzichtbare wissenschaftliche Neugier heftet. Im Patentrecht geht es zentral um Erfindungen und damit um Innovationen auf technischem Gebiet. Als Teilgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes hat es mit den anderen dort behandelten Fragestellungen gemeinsam, dass es eine vor allem industriell geprägte Wirtschaftsweise reguliert, soweit sie auf im Wesent395 In den Jahrbüchern der Max-Planck-Gesellschaft werden für die Zeit von Ulmers Direktorat knapp 200 Publikationen aufgelistet, von denen nur rund 20 Prozent auf das Patentrecht, 35 Prozent jedoch auf das Urheberrecht entfallen, wobei die Veröffentlichungen Ulmers fast ausschließlich urheberrechtlicher Art sind. 396 Vgl. nur Peter Krämer: Kirchenrecht. Bd. 1: Wort – Sakrament – Charisma. Stuttgart 1992, 153; sowie instruktiv zum insbesondere ordenstheologischen Sprachgebrauch Fabio Ciardi: Art. Charism. In: Fabio Ciardi (Hg.): Dictionary of Oblate Values. Rom 2000, 71–102, 71 et passim.
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lichen technischen Neuerungen und Verfahrensweisen beruht. Diese Fragestellungen bilden keinen statischen Gegenstand, sondern erweisen sich als eine durch ständige Innovationen angetriebene je neue Herausforderung. Zugespitzt kann man sagen, dass die Forschungsarbeiten des Instituts nicht das Patentrecht und den gewerblichen Rechtsschutz als eine juristische Disziplin, sondern eben diese Herausforderung als solche zum Gegenstand haben. Man kann dies an den Publikationen der besonders produktiven Autorinnen und Autoren des Instituts gut ablesen, wenn zunächst Fragen der elektronischen Datenverarbeitung, dann des Internet und der Digitalisierung immer mehr Raum einnehmen. Diese Themen stehen im Zentrum einer neuen industriellen Revolution, in der die bisherigen industriell geprägten Produktions- und Arbeitsweisen, die im späten 19. Jahrhundert zur Entstehung des gewerblichen Rechtsschutzes als Rechtsgebiet geführt haben, an Relevanz einbüßen.397 Der in der Arbeit des Instituts zu beobachtende enorme Bedeutungszuwachs des Urheberrechts ist Ausdruck dieser Entwicklung. Die Beratungen über die Neubesetzung der Institutsleitung und die künftige Ausrichtung des Instituts fielen zeitlich zusammen mit der endgültigen Eta blierung des Internet, das im urheberrechtlichen Sinn seit 1995 als so genannte bekannte Nutzungsart gilt und damit seither eine wirtschaftlich relevante Größe darstellt.398 Prägend für die Internetökonomie ist die Unkörperlichkeit ihrer Handelsobjekte, die über Netze im Wege der Vervielfältigung und damit über eine urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung zur Verfügung gestellt und konsumiert werden.399 Nicht die klassischen gewerblichen Schutzrechte, sondern das Urheberrecht und mit ihm verwandte Leistungsschutzrechte werden nun zur zentralen Regulierungsinstanz, um innovative digitale Produkte und Dienstleistungen zu schützen und zu vermarkten.400 Damit tritt das Patentrecht als Hauptrechtsgebiet für wirtschaftlich bedeutende, durch Technik vorangetriebene Innovationen gegenüber dem Urheberrecht in den
397 Vgl. Beier, Gewerblicher Rechtsschutz, 1978, 171–188, 171–172; Miloš Vec: Kurze Geschichte des Technikrechts. In: Martin Schulte und Rainer Schröder (Hg.): Handbuch des Technikrechts. Allgemeine Grundlagen. Umweltrecht – Gentechnikrecht – Energierecht, Telekommunikations- und Medienrecht, Patentrecht – Computerrecht. 2. Auflage. Berlin 2011, 3–92, 30–31. 398 Thomas Dreier und Gernot Schulze: Urheberrechtsgesetz. Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz, Verwertungsgesellschaftengesetz, Nebenurheberrecht, Kunsturhebergesetz. Kommentar. München 2003, § 31, Rn. 100. 399 Vgl. Dreier und Schulze, Urheberrechtsgesetz, 2022, UrhG7, Einl., Rn. 30. 400 Vgl. Ulrich Loewenheim (Hg.): Handbuch des Urheberrechts. 2. Auflage. München 2010, § 3, Rn. 13: »Dass das Urheberrecht dem Schutz geistig-kultureller, die gewerblichen Schutzrechte dagegen dem Schutz wirtschaftlich-gewerblicher Leistungen dienen, kann […] in dieser Allgemeinheit heute nicht mehr gesagt werden. Die heutigen Formen der Werkschaffung und Werkverwertung haben dazu geführt, dass das Urheberrecht ein Recht der Kulturindustrie ist […].«
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Hintergrund,401 das »patentrechtliche Charisma«, also die wissenschaftliche Neugier auf die rechtliche Normierung und Absicherung technisch getriebener Innovation, bleibt davon aber unberührt. Auch wenn diese Entwicklung in den Publikationen des Instituts bereits gut ablesbar war, waren die Überlegungen zur Nachfolge von Friedrich-Karl Beier davon unbeeindruckt. Man dachte traditionell disziplinär und wollte unbedingt einen Patentrechtler und damit den Vertreter einer bestimmten juristischen Disziplin berufen. Das konnte am Ende nur scheitern, denn die rechtlichen Herausforderungen aus technischer Innovation waren mittlerweile vermehrt im Urheberrecht und damit in einer größeren Perspektive des Immaterialgüterrechts zu finden.402 Der im Rahmen verschiedener Kommissionssitzungen zutreffend festgestellte Nachwuchsmangel im Patentrecht hatte vor diesem Hintergrund eine vielleicht sehr einfache Ursache darin, dass sich die bisher dort verhandelten Herausforderungen verlagert hatten und den technik- und innovationsaffinen rechtswissenschaftlichen Nachwuchs mehr ansprachen als das klassische Patentrecht, auch wenn mit Fragen der Biotechnologie und der Gentechnik dort ebenfalls neue, im Vergleich zur heraufziehenden Digitalisierung gesellschaftlich und wirtschaftlich aber nicht vergleichbar grundstürzende Herausforderungen lagen.403 Das Institut hat sich, ohne dass es den beteiligten Akteuren vielleicht selbst hinreichend bewusst geworden ist, schon sehr früh in seinen Forschungsarbeiten den neuen Herausforderungen gestellt.404 Die erstarkte Stellung des 401 Beispielhaft sei der Schutz von Software im Urheberrecht statt im Patentrecht genannt, vgl. Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1988, 1988, 778; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 10, Rn. 2, markiert gewissermaßen diesen Wechsel. Nachdenklich dazu Stig Strömholm: Was bleibt vom Erbe übrig? – Überlegungen zur Entwicklung des heutigen Urheberrechts. GRUR Int. 38/1 (1989), 15–23. Bezeichnend ist auch, dass der patentähnliche Halbleiterschutz im Halbleiterschutzgesetz, dem zunächst große Bedeutung beigemessen wurde, mittlerweile nahezu bedeutungslos geworden ist, vgl. Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1988, 1988, 779; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 1, Rn. 12. 402 Vgl. nur Maximilian Haedicke: Patente und Piraten. Geistiges Eigentum in der Krise. München 2011, 7–8: »Jeder Einzelne, der sich im digitalen Umfeld bewegt, ist vom Urheberrecht und in geringerem Maße auch vom Patentrecht betroffen. Jedes technische Gerät ist durch eine Vielzahl an Patenten auf die in ihm enthaltenen technischen Vorrichtungen geschützt. Hiermit kommt der Nutzer jedoch kaum in Berührung, da er die technischen Vorrichtungen in der Regel nicht nachbaut. Das Urheberrecht ist dagegen auf Schritt und Tritt spürbar.«; Thomas Hoeren: Urheberrecht in der Informationsgesellschaft – Überlegungen zu einem Rechtsgutachten von Gerhard Schricker et al. GRUR 99/12 (1997), 866–875, 867: »Dem Urheberrecht wird daher in der Informationsgesellschaft eine Schlüsselrolle zukommen. Es wird dem BGB an Bedeutung zumindest gleichkommen.« 403 Zu den neuen Herausforderungen Seckelmann, Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht, 2006, 418–425. 404 Aus heutiger Sicht treffsicher visionär muten die Worte von Barbara A. Ringer an, die sie auf einer Arbeitstagung des Instituts anlässlich des Bezugs erster eigener Räumlichkeiten am 18. Oktober 1967 gehalten hat: »Unsere Erfahrung mit diesem Problem ist so neu und begrenzt, daß wir kaum seine Dimensionen ermessen können. Auf die Gefahr
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Urheberrechts hat in gewisser Weise auch die von Gerhard Schricker besonders verkörperte verbraucherschutzrechtliche Forschungstradition des Instituts eingemeindet. Das im Verbraucherschutzrecht zu lösende Problem,405 nämlich wie beim ebenfalls industriell organisierten Vertrieb industrieller Produkte die Endabnehmer gegen Nachteile und Übervorteilung geschützt werden können,406 stellt sich in einer digital arbeitenden Wirtschaft vor allem im Urheberrecht. Durch die Digitalisierung fällt der bisher außerhalb der rechtlichen Regulierung stehende reine Werkgenuss wegen der technisch notwendigen Vervielfältigungen bei der Übertragung in Netzen und der Ausgabe auf diversen Endgeräten plötzlich unter die Logik von Verwertungsrechten.407 Zudem ermöglicht das Internet die öffentliche Kommunikation für jedermann, so dass dem Urheberrecht auch hier eine Schlüsselrolle zukommt, indem nicht nur jeder und jede urheberrechtlich geschützte Inhalte konsumiert, sondern solche Inhalte auch selbst schafft und verbreitet. Denkt man die klassischen verbraucherschutzrechtlichen Themenstellungen vor diesem Hintergrund weiter, so kommt man zu Fragen von verbindlichen Zugangsrechten zu Inhalten und Rechten für Nutzerinnen und Nutzer, die freilich mit dem klassischen Schutzrechtsdenken des gewerblichen einer übermäßigen Vereinfachung hin lassen Sie mich jedoch sagen, daß es in absehbarer Zeit Computersysteme geben wird, in denen Tausende oder sogar Millionen Urheberwerke – Bücher, Abhandlungen, Bildwerke, Landkarten, Musikwerke, Bühnenwerke, Tonaufnahmen, Filmwerke und andere Formen künstlerischen Schaffens – in einem einzigen Exemplar dauernd gespeichert werden. Diese Computersysteme werden durch Draht oder durch drahtlose Übermittlung – eventuell über Nachrichtensatelliten – mit anderen Computern in der ganzen Welt verbunden, und diese stehen wiederum in Verbindung mit Bildschirmen in öffentlichen Einrichtungen, Privathäusern oder Geschäftsräumen. Jedes Werk aus diesem großen Reservoir an geistiger Schöpfung könnte dann sofort mittels des Bildschirms eingesehen werden; auch könne der Benutzer durch den Druck auf einen Knopf Kopien des Werks oder von Teilen desselben herstellen. […] Diese Entwicklung vorherzusehen und ihr im Rahmen des Urheberrechts Rechnung zu tragen, wird meiner Ansicht nach für Urheber und ihre Rechtsberater die wichtigste Aufgabe innerhalb des nächsten halben Jahrhunderts sein.« Barbara Ringer: Speicherung und Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke durch Datenverarbeitungsanlagen. GRUR Int. 17/1 (1968), 18–20, 18–19. 405 Hingewiesen sei darauf, dass Schricker auch das Verbraucherschutzrecht im Sinne einer juristischen Disziplin und damit auf Verfestigung und Konsolidierung hin angelegt betrachtet hat, vgl. Gerhard Schricker: Verbraucherschutzrecht – ein neues Rechtsgebiet? Zugleich eine Besprechung von Eike von Hippel, Verbraucherschutz, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1974. GRUR Int. 25/7 (1976), 315–322, 322: »Verbraucherschutz – ein neues Rechtsgebiet? Es spricht vieles dafür, daß die Frage schon heute bejaht werden kann. Der Eindruck bestätigt sich, daß wir es nicht nur mit sporadischen Funden rechtsvergleichender ›Jäger und Sammler‹ zu tun haben, sondern daß sich ein weites Feld öffnet: Neuland, das unter den Pflug genommen werden will, das weite neue Rechtsgebiet des Verbraucherschutzrechts.« 406 Eike von Hippel: Verbraucherschutz. 3. Auflage. Tübingen 1986, 3–5; Rainer Kemper: Verbraucherschutzinstrumente. Baden-Baden 1994, 63–64. 407 Vgl. Dreier und Schulze, Urheberrechtsgesetz, 2022, Einl., 25.
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Rechtsschutzes kollidieren.408 Dieser Konflikt erinnert an das spannungsreiche Verhältnis des gewerblichen Rechtsschutzes zum Kartellrecht, das übrigens in den Nachfolgeberatungen immer wieder als durchaus fruchtbar für die weitere Ausrichtung des Instituts angesehen wurde.
8.
Die beständige Suche nach dem eigenen Gegenstand
Das heutige Münchener »Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb« kann als »Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht« auf eine wissenschaftlich sehr erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Trotz seiner engen Verwurzelung im lokalen Münchener Kontext und einer jahrzehntelangen personellen Kontinuität in leitenden Positionen um einen kleinen Schülerkreis von Eugen Ulmer und Eduard Reimer herum konnte sich das Institut weltweite Anerkennung erarbeiten.409 Gegründet mehr aus einer standortpolitischen Idee denn einer dringend empfundenen wissenschaftspolitischen Notwendigkeit heraus, hat es sich auf seinen Arbeitsgebieten zu einer führenden Adresse entwickelt. Es hat freilich der in vielen Publikationen zum Ausdruck kommenden Offenheit für neue Fragestellungen und Herausforderungen zum Trotz im Laufe der Zeit offenbar eine gewisse Betriebsblindheit für die eigene wissenschaftliche Ausrichtung entwickelt und sich auf eine zu eng verstandene fachdisziplinäre Richtung festgelegt. Dies zeigt sich eindrücklich in der Rolle des Patentrechts für die Arbeit und das Selbstverständnis des Instituts. Es waren vier Kommissionen nötig, um dem Institut eine neue Perspektive zu geben, die im Ergebnis gar nicht so weit entfernt war von den bisherigen Arbeitsschwerpunkten, sofern sie sich jedenfalls in Publikationen und Vorträgen manifestierten. Dass das neu positionierte Institut anschließend mehrere Namensänderungen in kurzer Zeit vorgenommen hat, zeigt freilich, dass die Suche des Instituts nach seinem Gegenstand und das Bedürfnis, diesen auf einen Begriff zu bringen, offenbar sein besonderes Markenzeichen sind. Tatsächlich dürfte diese Frage bald wieder aktuell werden, wird doch mit Datafizierung, Plattformisierung und Künstlicher Intelligenz gerade eine wei408 Vgl. nur Janusz Barta und Ryszard Markiewicz: Kontroversen um die Säulen des Urheberrechts. In: Peter Ganea, Christopher Heath und Gerhard Schricker (Hg.): Urheberrecht. Gestern – Heute – Morgen. Festschrift für Adolf Dietz zum 65. Geburtstag. München 2001, 3–10, 6–8; Gerd Hansen: Warum Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden 2009, 35–38. Thomas Hoeren vermisst diese Perspektive in Schrickers urheberrechtlichem Ansatz, vgl. Hoeren, Urheberrecht, 1997, 866–875, 868. 409 Es ist bezeichnend für die ungewöhnliche personelle Kontinuität des Instituts, dass in der allerersten Zusammenstellung der Veröffentlichungen seiner Mitarbeiter bereits alle aktuellen und künftigen geschäftsführenden Institutsleiter der kommenden 35 Jahre vertreten sind, vgl. Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, Jahrbuch der MaxPlanck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1966, 1966, 320.
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tere Runde industrieller Revolution eingeläutet,410 bei der neben dem sich stark entwickelnden Daten(schutz)recht auch das Patentrecht eine möglicherweise wieder größere Rolle spielen könnte.411 Wenn das Max-Planck-Institut seinem »Gründungscharisma« treu bleibt und aus der beständigen Suche nach seinem Gegenstand, die man nicht vorschnell als ein Scheitern verstehen sollte,412 eine Tugend macht, dann könnte es auch unter veränderten Bedingungen seine bisherige Erfolgsgeschichte weiterscheiben.
Anhang Archivalien Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Wissenschaftlicher Rat (auch GV Neuvorhaben / Neugründungen), AMPG , II . Abt., Rep. 62, Nr. 136, 142, 146, 889, 1922, 1923 GV: Institutsbetreuung, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 2979, 2994
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Einweihung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheberund Wettbewerbsrecht. GRUR Int. 17/1 (1968), 21. Eisenegger, Mark: Dritter, digitaler Strukturwandel der Öffentlichkeit als Folge der Plattformisierung. In: Mark Eisenegger, Marlis Prinzing, Patrik Ettinger und Roger Blum (Hg.): Digitaler Strukturwandel der Öffentlichkeit. Historische Verortung, Modelle und Konsequenzen. Wiesbaden: Springer VS 2021, 17–40. Fikentscher, Wolfgang: Geistiges Gemeineigentum – am Beispiel der afrikanischen Philosophie. In: Ansgar Ohly, Theo Bodewig, Thomas Dreier, Horst-Peter Götting, Maximilian Haedicke und Michael Lehmann (Hg.): Perspektiven des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts. Festschrift für Gerhard Schricker zum 70. Geburtstag. München: C. H. Beck 2005, 3–18. Forkel, Hans: Urheberrecht. In: Willi Albers, Karl Erich Born, Ernst Dürr, Helmut Hesse, Alfons Kraft, Heinz Lampert, Klaus Rose, et al. (Hg.): Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften. Bd. 8: Die Terminmärkte bis Wirtschaft der DDR . Stuttgart: Gustav Fischer Verlag 1980, 171–176. Gamm, Eva-Irina von und Eike Schaper: Tagung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht über die Gemeinschaftsmarke Berlin, 14.–16. Mai 2001. GRUR Int. 50/11 (2001), 965–968. Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1966. München 1966. – (Hg.): Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1967. Göttingen 1967. – (Hg.): Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft 1970. München 1970. – (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1975–1998. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1975–1998. – (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2000–2002. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000–2002. Götting, Horst-Peter: Gewerblicher Rechtsschutz. Patent-, Gebrauchsmuster-, Design- und Markenrecht. Ein Studienbuch. 11. Auflage. München: C. H. Beck. Großfeld, Bernhard und Wolfgang Fikentscher: Begegnung mit Wolfgang Fikentscher. In: Stefan Grundmann und Karl Riesenhuber (Hg.): Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler. Eine Ideengeschichte in Einzeldarstellungen. Bd. 1. Berlin: De Gruyter 2007, 221–238. Gruber, Stephan: Verbraucherinformation durch Gütezeichen. Köln: Carl Heymanns Verlag 1987. Haedicke, Maximilian: Patente und Piraten. Geistiges Eigentum in der Krise. München: C. H. Beck 2011. –: Einführung. In: Maximilian Haedicke und Henrik Timmann (Hg.): Handbuch des Patentrechts. 2. Auflage. München: C. H. Beck 2020, 3–79. Hansen, Gerd: Warum Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden: Nomos 2009. Hederer, Franz: Hermann Isay (1873–1938). In: Simon Apel, Louis Pahlow und Matthias Wiessner (Hg.): Biographisches Handbuch des Geistigen Eigentums. Tübingen: J. C. B. Mohr 2017, 150–154. Heinemann, Andreas: Nachruf auf Wolfgang Fikentscher – Abschied von einem Vordenker des Kartellrechts und der Rechtsanthropologie. WuW – Wirtschaft und Wettbewerb 5/ Dedikation (2015). Heiner, Hans-Günther und Richard Moser von Filseck (Hg.): Patentschutz und Entwicklungsländer – Dokumente und Materialien. Köln: Carl Heymanns Verlag 1966. Henning, Eckart und Marion Kazemi: Chronik der Kaiser-Wilhelm- / Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–2011. Daten und Quellen. Berlin: Duncker & Humblot 2016.
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Das MPI für Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht
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Das MPI für Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht
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(Hg.): Handbuch des Technikrechts. Allgemeine Grundlagen. Umweltrecht – Gentechnikrecht – Energierecht, Telekommunikations- und Medienrecht, Patentrecht – Computerrecht. 2. Auflage. Berlin: Springer 2011, 3–92. Verein Deutscher Bibliothekare (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bd. 39. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 1961. –: (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bde. 43–45. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 1969–1973. –: (Hg.): Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Bde. 56–60. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 1995–2003. Vorbemerkung der Herausgeber. GRUR Int. 16/1 (1967), 1. Westerholt und Gysenberg, Hartwig von: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Bd. 6: Königreich von Großbritannien und Nordirland. Herausgegeben von Eugen Ulmer. München: C. H. Beck 1981. Wirtz, Hannah: Geistiges Eigentum. In: Jessica Heesen (Hg.): Handbuch Medien- und Informationsethik. Stuttgart: J. B. Metzler 2016, 241–247.
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Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, 1975–2002
1. Einleitung Die Geschichte der 1975 als Projektgruppe eingerichteten und 1979 als Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht begründeten Forschungsstätte begann 1972 mit der in einem Brief an den Präsidenten der Max-PlanckGesellschaft (MPG) Reimar Lüst übermittelten Anregung des Präsidenten des Bundessozialgerichts (BSG) Georg Wannagat,1 ein Max-Planck-Institut (MPI) für Sozialrecht in Kassel zu errichten.2 Wannagat amtierte in Kassel und Lüst stammte von dort. Mit der Anregung sollte die im »Zonenrandgebiet« gelegene, BSG wie Bundesarbeitsgericht beherbergende strukturschwache Stadt durch eine einschlägige Forschungseinrichtung aufgewertet werden und so beide Gerichte eine wissenschaftsbasierte Umgebung finden. Nach formeller Antragstellung fand das Vorhaben bei der MPG Anklang. Diese sah das Sozialrecht als einen MPG -tauglichen Untersuchungs- und Forschungsgegenstand an und betraute 1975 Hans. F. Zacher – 1971 von der Universität Saarbrücken an die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München zurückgekehrt –, in einer dort gegründeten Projektgruppe das Vorhaben zu erproben. 1979 ging daraus das Institut hervor. Die Zeit war dafür günstig. Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Willy Brandt wollte »mit der Demokratie erst richtig anfangen«;3 darunter fielen auch viele sozialpolitische Vorhaben. Das Sozialrecht sollte im Sozialgesetzbuch kodifiziert werden. Die Kodifikation stützte sich auf Vorarbeiten einer Regierungskommission, als deren zeitweiliger Vorsitzender Zacher maßgebend wirkte. Die deutsche Sozialpolitik griff neue Vorhaben auf; eine Phase innerer Reformen setzte ein. Die Politik sah vielfältige, in der Wohlstandsgesellschaft
1 Hans F. Zacher: Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht. Die Epoche der Gründung 1976–1991. In: Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München. München 1995, 9–19, 9. 2 Die in Kassel erscheinende Hessisch Niedersächsische Allgemeine berichtete in ihrer Ausgabe vom 31. März 1976, S. 24 im Hinblick auf eine mögliche Institutsgründung: »Kassel bleibt im Gespräch«. 3 Willy Brandt: Regierungserklärung als Bundeskanzler vor dem Deutschen Bundestag in Bonn am 28. Oktober 1969. Stenographischer Bericht. Bonn: Deutscher Bundestag.
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Eberhard Eichenhofer
der Nachkriegszeit sichtbar gewordene »Unterprivilegierungen«,4 die es künftig zu überwinden gelte. Dafür waren neue sozialpolitische Lösungen nötig. Die Wissenschaft expandierte. Forschung galt als Rückgrat jeder Zukunftssicherung. Universitäten entstanden vielerorts neu. Forschungsstandorte weiteten sich aus. Die Sozialwissenschaft entwickelte sich rasch, steuerte neue Deutungen für gesellschaftliche Prozesse bei und entfaltete sich, vorübergehend, zur wissenschaftlichen Leitdisziplin schlechthin. Sie lieferte jedenfalls den Deutungshorizont für die damals allseits für geboten erachtete tiefgreifende gesellschaftliche Reform. Das Sozialrecht hatte sich in den Jahrzehnten zuvor in der Verwaltungspraxis und – verstärkt durch die seit 1954 errichtete Sozialgerichtsbarkeit – zu einem die Lebensgrundlagen der gesamten Bevölkerung umfassend normierenden und sichernden Rechtsgebiet entwickelt. Die Rechtswissenschaft nahm dies zunächst nicht zur Kenntnis. Verhaltene wissenschaftliche Bemühungen um das Gebiet waren zwar schon vor dem Ersten Weltkrieg und während der Weimarer Republik zu verzeichnen; sie blieben für die Rechtswissenschaft der Bundesrepublik Deutschland aber folgenlos. Durch das MPI sollte die sich damals an den Universitäten in Ansätzen erneut entfaltende Wissenschaft vom Sozialrecht interdisziplinär wie international ausgerichtet und ganz neu begründet werden. Die Grundlagenforschung eines durch Staatsnähe wie gesellschaftliche Interessen beherrschten Rechtsgebietes zu fördern, in dem Recht einerseits Stabilität verbürgt und zugleich den gesellschaftlichen Wandel gestaltet und befördert, galt als das zentrale forschungspolitische Desiderat jener Jahre. In der Entwicklung des MPI bis 2002 sind drei Phasen zu unterscheiden: Die Projektgruppe (1975–1979) nahm sich der internationalen und rechtsvergleichenden Grundlagen des Sozialrechts an und stellte diese in den Mittelpunkt (2.). Die Institutsarbeit unter Zacher (1979–1990) bedeutete Weiterarbeit und Konsolidierung; sie erschloss vornehmlich zahlreiche Bezüge zwischen Sozial- und Privatrecht und öffnete mit internationalrechtlichen und rechtsvergleichenden Untersuchungen neue Perspektiven (3.). Die Arbeit am Institut unter Zachers Nachfolger Direktor Baron Bernd von Maydell (1992–2002) war beherrscht von der Debatte um die Reform des Sozialstaats, der Klärung des Einflusses europäischer und internationaler Rechtssetzung auf das Sozialrecht der solche Zusammenschlüsse bildenden Staaten und der Überwindung der sozialrechtlichen Teilung Deutschlands wie Europas sowie deren Folgen (4.).
4 Ein unmerklicher Amerikanismus: »underprivileged« – in raunendem understatement gesellschaftliche Benachteiligungen andeutend, ohne die Zurücksetzungen konkret namhaft und offenbar zu machen.
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Das MPI für Sozialrecht und Sozialpolitik
2.
Projektgruppe (1975–1979)
2.1
Zwei Protagonisten der Gründung und Entfaltung des Instituts
363
2.1.1 Georg Wannagat
Georg Wannagat5 wurde am 26. Juni 1916 in Löwenstadt – heute Brzeziny – in der preußischen Provinz Posen als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren. Er durchlebte seine Kindheit und Jugend in der nach dem Ersten Weltkrieg selbständig gewordenen Republik Polen und sprach Deutsch und Polnisch. 1939 schloss er sein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Warschau ab. Erst mit der Besetzung Polens wurde er wieder deutscher Staatsbürger. Wegen seiner »polenfreundlichen Gesinnung« wurde er zunächst weder in Posen noch in Breslau in den Referendardienst aufgenommen, absolvierte diesen aber schließlich im märkischen Neuruppin. 1943 bestand er die Große Juristische Staatsprüfung vor dem Kammergericht. Nach Tätigkeiten in Kommunalverwaltung und als Anwalt in Bayreuth wurde er 1952 zum Vorsitzenden einer Kammer des Oberversicherungsamts Stuttgart und 1954 zum Landessozialgerichtsrat ernannt. Von dort wurde er an das baden-württembergische Arbeitsministerium abgeordnet und vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zum Leiter der deutschen Delegation der Deutsch-Französischen Kommission zur sozialen Sicherung der Grenzgänger berufen. Nach Rückkehr in die Sozialgerichtsbarkeit wurde er 1957 Senatspräsident am Landessozialgericht (LSG) Stuttgart. 1962 folgten die Berufungen zum Präsidenten des LSG Hessen in Darmstadt und 1969 zum Präsidenten des BSG. Seine Wahl war umstritten. Der Präsidialrat des BSG sprach sich einmütig für den dort bereits wirkenden und später als Vizepräsident berufenen Kurt Brackmann aus. Wannagat erhielt im zuständigen Richterwahlausschuss die Mehrheit von einer Stimme, um zum Präsidenten gewählt zu werden. Dieses Amt hatte er bis zu seiner Pensionierung 1984 inne. In dieser Aufgabe förderte er die Unterstützung der Rechtsprechung mittels elektronischer Datenverarbeitung. Die Datenbank Juris wurde maßgeblich durch ihn etabliert. Gesetzesbestimmungen, Urteile und juristische Literatur in einer elektronischen Datenbank erschließend, wurde ihre praktische Tauglichkeit zunächst am Sozialrecht erprobt und erwiesen. Außerdem rief Wannagat die Richterwoche als alljährliche Weiterbildungsveranstaltung für sämtliche 5 Wolfgang Gitter (Hg.): Im Dienst des Sozialrechts: Festschrift für Georg Wannagat zum 65. Geburtstag am 26. Juni 1981. Köln 1981; Eberhard Eichenhofer: Nachruf auf Georg Wannagat (1916–2006). JuristenZeitung 61/21 (2006), 1061; Eberhard Eichenhofer: Erstes Jahrzehnt Bundessozialgericht: Kriegsfolgen und gerichtsfeste Sozialverwaltung. In: Christian Fischer und Walter Pauly (Hg.): Höchstrichterliche Rechtsprechung in der frühen Bundesrepublik. Tübingen 2015, 263–283.
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in der Sozialgerichtsbarkeit tätigen Richterinnen und Richter ins Leben und etablierte damit die Weiterbildung der Richterschaft in der Sozialgerichtsbarkeit. Die seit 1970 im BSG veranstalteten Fortbildungsveranstaltungen sollten Vertreter der Rechtswissenschaft mit der Sozialgerichtsbarkeit aller Instanzen zusammenführen.6 Anfang der 1960er Jahre hatte er einen Lehrauftrag zum Sozialversicherungsrecht an der Universität Tübingen übernommen. Daraus ging sein 1965 erschienenes Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts7 hervor. Dieses enthielt die erste, nach dem Zweiten Weltkrieg erschienene, umfassende und primär an Grundfragen ausgerichtete Darstellung des deutschen Sozialversicherungsrechts. Im Hinblick auf dieses Werk wurde Wannagat 1964 zum Honorarprofessor an der Universität Tübingen ernannt. Seit 1967 wirkte er in gleicher Aufgabe an der Universität Frankfurt am Main. Wannagat gab einen umfassenden Kommentar zum Recht des in diesen Jahren entstehenden und seither in Teiletappen fortschreitend vervollständigten Sozialgesetzbuches heraus. Neben seinen dienstlichen Funktionen nahm er viele Ehrenämter wahr, namentlich in Sozialbeirat, Deutscher Anwaltsakademie, Gesamthochschule (heute: Universität) Kassel, Evangelischer Akademie Hofgeismar, Evangelischer Landessynode Hessen und Gesetzes-Kommissionen unterschiedlicher Ausrichtung und Zielsetzung. Wannagat verstarb 2006. 2.2.2 Hans F. Zacher
Hans F. Zacher8 wurde 1928 in Erlach / Inn als zweites Kind eines Dorfschullehrers geboren. Er durchlief die Grund- und Oberschule in Niederbayern, wurde 1944 Luftwaffenhelfer und kam 1945 in den Reichsarbeitsdienst. 6 Heinrich Reiter: Die 34 Richterwochen des Bundessozialgerichts – Ein Forum für Wissenschaft und Praxis. In: Mathias von Wulffen und Otto Ernst Krasney (Hg.): Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht. Köln 2004, 1–23, 1. 7 Georg Wannagat: Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts. Tübingen 1965. 8 Hans F. Zacher: Sechs Jahrzehnte Rechtsgeschichte. In: Ulrich Becker und Franz Ruland (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 2008, 675–705; Hans F. Zacher: Zur »Konstitutionalisierung« des Verwaltungsrechts in der frühen Bundesrepublik. In: Carsten Kremer (Hg.): Die Verwaltungsrechtswissenschaft in der frühen Bundesrepublik (1949–1977). Tübingen 2017, 387–398; Steffen Augsberg: Hans F. Zacher und die »Entdeckung« des Sozialrechts. In: Carsten Kremer (Hg.): Die Verwaltungsrechtswissenschaft in der frühen Bundesrepublik (1949–1977). Tübingen 2017, 331–344; Ulrich Becker: Hans F. Zacher und die rechtliche Ordnung des Sozialen. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 64 (2016), 663–671; Eberhard Eichenhofer: Nachruf auf Hans F. Zacher (22. Juni 1928 bis 18. Februar 2015). Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2 (2015), 111–117; Bernd Baron von Maydell: Hans F. Zacher und das Sozialrecht. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/2 (1998), 263 ff; Stefan Rixen: Staatsrecht des Sozialen: Hans F. Zachers wissenschaftliches Lebensthema. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 64 (2016), 679–691; Franz Ruland: Hans F. Zacher. Nachruf. Neue Zeitschrift für Sozialrecht 24/7 (2015), 241–244; Michael Stolleis: Hans F. Zacher und die Begründung des Sozialrechts. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 64 (2016), 673–677.
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Recht(staats)losigkeit9 wurde ihm zur Grunderfahrung der NS -Zeit, von ihm später als »Wahnsinn jener Jahre«10 bezeichnet. Sie belehrte den gläubigen und praktizierenden Katholiken über die »Unvereinbarkeit von Nationalsozialismus und katholischer Religiosität«.11 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen, setzte er seine Schulausbildung in Passau fort, wo er 1946 das Abitur ablegte. Danach nahm er ein Studium an den Philosophisch-Theologischen Hochschulen in Passau und Bamberg auf; in letzterer wurden auch rechtswissenschaftliche Fächer angeboten. 1948 wurde er an der Universität Erlangen im Fach Rechtswissenschaft immatrikuliert; 1949 wechselte er an die Universität München. 1950 legte er sein erstes juristisches Staatsexamen ab. Die Rechtswissenschaft nach dem Krieg galt nicht dem gerade erst im Aufbau begriffenen positiven Recht der damaligen Zeit.12 Die Grunderfahrung seiner juristischen Bildungsphase war die Suche nach einer neuen auf dem Recht gründenden Ordnung. Die Erfahrung von Ungewissheit und Unfreiheit waren ihm nah verbunden.13 Die Verfassung sollte das Recht und die Staatspraxis in jedem Einzelfall anleiten. 1951 trat er den Referendardienst – ohne Unterhaltszuschuss – an und wurde 1952 von der Universität München zum Dr. jur. mit der Dissertation Die Wiederherstellung des parlamentarischen Systems in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg promoviert. Danach nahm er eine vergütete Nebentätigkeit bei einem Anwalt auf und vertrat 1954 eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Völkerrecht der Universität München. 1955 legte er sein zweites juristisches Staatsexamen ab und verabredete mit Hans Nawiasky ein Habilitationsvorhaben: Dessen Gegenstand sollten die rechtswissenschaftlich noch nicht untersuchten Dimensionen sozialstaatlichen Handelns sein. 1955 trat er in die bayerische innere Verwaltung ein, wurde persönlicher Referent des Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes und wirkte von 1956 bis 1959 als an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abgeordneter juristischer »Hilfsarbeiter«. Dieses fand er als eine von »Sachlichkeit und Gemeinwohl«14 geprägte Institution vor. Nach seiner Rückkehr trat er in den Dienst der Regierung von Oberbayern ein. 1962 habilitierte15 er sich an der LMU für die Fächer Allgemeine Staatslehre, Staats- und Verwaltungsrecht. 1963 erging an ihn der Ruf an die Universität Saarbrücken auf einen Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht, dem er folgte. 1971 kehrte er an die LMU zurück und übernahm den Lehrstuhl für »Öffentliches Recht, insbesondere deutsches und bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht«. Die 9 Zacher, Rechtsgeschichte, 2008, 675–705, 675, 681. 10 Ebd. 11 Ebd., 682. 12 Ebd., 684. 13 Ebd., 687. 14 Ebd., 690. 15 Hans F. Zacher: Sozialpolitik und Verfassung im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 1980.
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Studentenrevolte von 1968 nahm er als »Ärgernis«16 wahr. Sie erschien ihm als Zäsur und Herausforderung zu einer vertieften Analyse und Rechtfertigung der in der Nachkriegszeit gewordenen Institutionen. Er wurde in die Sozialgesetzbuchkommission der Bundesregierung berufen und stand dieser zeitweilig vor. 1975 übernahm er die Projektgruppe für Vergleichendes und Internationales Sozialrecht in München. Daraus ging 1979 das MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht hervor. Er wurde damit Wissenschaftliches Mitglied der MPG und schnell ein »Schlüsselelement des Systems«17 MPG; in deren Selbstverwaltungsgremien nahm er zunehmend auf deren Gesamtentwicklung gestaltend Einfluss. 1989 wurde er für 1990 bis 1996 zum Präsidenten der Max-PlankGesellschaft gewählt, was eine Distanz zur Rechtswissenschaft nach sich zog.18 In dieser Eigenschaft wirkte er maßgeblich am Aufbau der MPIs in den neuen Bundesländern mit.19 Nach 1996 kehrte er als emeritierter Direktor an das MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht zurück. Er wurde in die Päpstliche Akademie für Sozialwissenschaften aufgenommen. Zacher verstarb 2015. 2.2.3 Kooperation beider
Wannagat und Zacher waren seit den 1960er Jahren die beiden Protagonisten vielfältiger, auf Verwissenschaftlichung und Kultivierung des Sozialrechts gerichteter Bemühungen. Deren End- und Höhepunkt waren die Errichtung und Gestaltung des MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht. Sie begründeten 1965 mit Walter Bogs den »Deutschen Sozialgerichtsverband«, dessen Vorsitz Wannagat übernahm und über zwei Jahrzehnte innehatte; Zacher wurde Stellvertreter. Die Vereinigung sollte sich der wissenschaftlichen Bearbeitung des Sozialrechts widmen. Der Verband veranstaltete Jahrestagungen und Kontaktseminare und wurde so zum Forum ambitionierter wissenschaftsfundierter Weiterbildung. Der wissenschaftliche Dialog unter den deutschen rechtswissenschaftlichen Fakultäten wurde durch die von beiden 1972 begründeten Sozialrechtslehrertagungen vertieft; er erhielt in diesen in dreijährigem Turnus veranstalten Zusammenkünften ein zentrales Forum. Nach Übernahme des Präsidentenamts in Kassel verfolgte Wannagat zielstrebig und beharrlich das Ziel, das vergleichende und internationale Sozialrecht zum Gegenstand der MPG -Forschung zu machen. Dies wurde 1975 mit einer Projektgruppe in München realisiert, nachdem Zacher unter dieser örtlichen Voraussetzung die Übernahme von deren Leitung zugesagt hatte. Als Vor-
16 17 18 19
Zacher, Rechtsgeschichte, 2008, 675–705, 690. Ebd., 680. Ebd., 699. Hans F. Zacher: Die Max-Planck-Gesellschaft im Prozeß der deutschen Einigung. In: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1991. Göttingen 1991, 11–23, 11.
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sitzender von Fachbeirat und Kuratorium nahm Wannagat an dessen Wirken regen Anteil. Das Sozialrecht an den juristischen Fakultäten als Fachrichtung zu etablieren, war ihm stets ein Anliegen und dies zu verwirklichen, erschien ihm als zwingendes Gebot einer zeitgenössischen juristischen Ausbildung. Das von Wannagat vorgeschlagene MPI sollte in dem Prozess der wissenschaftlichen Begründung des Sozialrechts eine Schlüsselrolle einnehmen: nämlich das Sozialrecht als interdisziplinäres und internationales Fach begründen und in den Rang der eingeführten Rechtsgebiete Zivil-, Straf- und öffentliches Recht heben. 2.2
Wiederentdeckung der Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland
In den 1970er Jahren kam es zu einer Renaissance der Sozialpolitik. Die Jahrzehnte nach 1945 brachten den Wiederaufbau und eine »erstaunliche Beschleunigung des Wirtschaftswachstums mit nie dagewesenem Wohlstand«.20 Anstelle von Protektionismus und Abschottung traten Öffnung und Vertiefung der internationalen Kooperation. Staat, Wirtschaft und Arbeiterschaft wirkten zusammen. »In ganz Westeuropa zogen Staat, Arbeitgeber und Arbeitnehmer also an einem Strang. Hohe öffentliche Ausgaben, progressive Steuern und bescheidene Lohnforderungen«21 bestimmten die Politik. Der Babyboom hatte die kriegsbedingten Bevölkerungsverluste ausgeglichen, Arbeitsmigration von Südnach Nordeuropa setzte ein und war als vorübergehend gedacht, wurde auf dieser Basis akzeptiert.22 Es war die »Blütezeit des modernen europäischen Wohlfahrtsstaates«,23 welcher die Wirtschaft entfaltete, alle Beschäftigten schützte und damit den »postideologischen Wohlfahrtskapitalismus«24 begründete. Das zu Beginn der 1970er Jahre eingetretene »Ende der Nachkriegszeit«25 äußerte sich in wirtschaftlicher Stagnation und der wachsenden Einsicht in die ökologischen Gefahren der industriellen Produktionsweise. Armut wurde als soziale Realität wiederentdeckt.26 Gleichzeitig entfaltete ein gesteigertes Verlangen nach mehr Freiheit und Gleichheit eine beträchtliche gesellschaftsverändernde Schubkraft.27 Vor dem Hintergrund einer auf Vollbeschäftigung beruhenden, jedoch von wachsenden Verteilungskämpfen geprägten Wirtschaft setzte die Politik der 20 Tony Judt: Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main 2012, 362 ff. 21 Judt, Geschichte Europas, 2012, 368. 22 Ebd., 370 ff. 23 Ebd., 400. 24 Ebd., 402. 25 Hans F. Zacher: Grundlagen der Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.): Grundlagen der Sozialpolitik. Baden-Baden 1998, 333–683, 333, 518, 533. 26 Ebd., 529. 27 Ebd., 519.
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»inneren Reformen« ein. Demographischer wie sozialer Wandel – hin zur intellektuellen Ausrichtung und Dienstleistungsorientierung menschlicher Arbeit – zeichneten sich ab; er ging mit einem von der 1968er-Bewegung verkörperten hedonistischen Wertewandel28 einher. Das Alter wurde nicht mehr primär biologisch, sondern im Rahmen »gesellschaftlicher Arbeitsteilung und damit zusammenhängender Ressourcen«29 als Dimension der Sozialstruktur wahrgenommen, welche also das Alter prägte wie dieses umgekehrt die Sozialstruktur veränderte. In der angesichts steigender Staats- und Sozialausgaben aufkommenden Diskussion um Freiheit und Sozialstaat betonten dessen Verfechter, dass der Sozialstaat mit seinen Garantien von Arbeitsplatzsicherheit und Renten die Freiheit der so Geschützten nicht gefährde, sondern umgekehrt stütze und sichere und damit erst eigentlich umfassend gewährleiste.30 Die »gerechte Freiheitsverteilung« ist Voraussetzung für jene »Solidarität, die die Grundlage gesellschaftlicher Freiheitsverwirklichung und Freiheitsverteidigung ist«.31 In einer Zeit, welche – rückschauend betrachtet – nicht nur wegen des einsetzenden Generationenwechsels zutreffend als »Ende der Nachkriegszeit« betrachtet, sondern zugleich als »glorreiche Phase einer dreißigjährigen Entfaltung des Wohlfahrtsstaates«32 idealisierend verklärt wurde, setzten in Deutschland Reformen ein, welche zahlreiche soziale Verwerfungen als »Unterprivilegierungen« wahrnahmen und diese zu überwinden bezweckten. Unabhängig davon geriet die Industriegesellschaft in die Krise. Die in der Nachkriegszeit dauerhaft für überwunden geglaubte Massenarbeitslosigkeit setzte erneut weltweit ein. Die damit verbundenen Herausforderungen führten zu einer weiteren Expansion sozialstaatlicher Tätigkeit mit beträchtlichen fiskalischen Folgen; die Verschuldung der öffentlichen Hand wuchs beträchtlich an. 2.3
Entscheidung der Max-Plank-Gesellschaft für eine Projektgruppe
2.3.1 Gründungsbeschluss
Der Wissenschaftsrat33 umschrieb 2012 den Gegenstand rechtswissenschaft licher Forschung im Hinblick auf das Recht als darauf gerichtet, die »Voraussetzungen, Geltungsbedingungen und Effekte dieses zentralen gesellschaftlichen 28 Hans Günter Hockerts: Rahmenbedingungen. Das Profil der Reformära. Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. 1966–1974. Bundesrepublik Deutschland, eine Zeit vielfältigen Aufbruchs. Baden-Baden 2006, 3–155, 1 ff., 90 ff., 132 ff., 148 ff. 29 Martin Kohli: Soziologie des Lebenslaufs. Darmstadt 1978, 11, 13. 30 Herbert Ehrenberg und Anke Fuchs: Sozialstaat und Freiheit. Frankfurt am Main 1980, 29–41. 31 Ebd., 41. 32 Jean Fourastié: Les Trente Glorieuses, ou la révolution invisible de 1946 à 1975. Paris 1979. 33 Wissenschaftsrat (Hg.): Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland. Situation, Analysen, Empfehlungen. Hamburg 2012, 27.
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Steuerungsmediums unter den sich verändernden Bedingungen moderner Vergesellschaftung zu erforschen«. Die Rechtswissenschaft wird darin als Normwissenschaft charakterisiert, deren Inhalte wesentlich durch den jeweiligen Gegenstand von Normsetzung bestimmt werde.34 Sie solle interdisziplinär und international ausgerichtet betrieben werden.35 Denn sie stehe unter der Erwartung, »mit ihrer dogmatischen Präzision zu begrifflicher Schärfe und kategorialer Klarheit im Diskurs der Wissenschaften«36 beizutragen und als Normund Entscheidungswissenschaft das System der wissenschaftlichen Fächer zu ergänzen.37 In solcher Tradition standen auch die Beweggründe, welche die MPG 1974 bewogen, die Projektgruppe für Vergleichendes und Internationales Sozialrecht zu errichten. In der Sitzung des Unterausschusses des Senatsausschusses für Forschungspolitik und Forschungsplanung der MPG am 21. Januar 1974 verzeichnet das Protokoll im Hinblick auf den durch mehrere, zuvor eingeholte Gutachten abgestützten Vorschlag, das Sozialrecht in das Forschungsprogramm der MPG aufzunehmen: Ein sozialrechtliches Institut müsste sich sowohl dem nationalen Recht der verschiedenen Staaten einschließlich der Entwicklungsländer und der einschlägigen Rechtsvergleichung als auch zwischen- und überstaatlichen Normen im Bereich des Sozialrechts widmen. Auch das sozialrechtliche Kollisionsrecht mit den Regeln über Abgrenzungen und Zuständigkeiten bei der Berührung mehrerer Rechtsordnungen gehört in den Forschungsbereich eines derartigen Instituts. Es hätte also – ohne regionale Beschränkungen – ausländisches und internationales Recht zusammen zu erforschen, ähnlich wie die schon bestehenden juristischen Max-Planck-Institute. Zum notwendigen Aufgabenbereich eines derartigen Instituts gehört jedenfalls das, was sich als Recht der sozialen Sicherheit umschreiben lässt, insbesondere das Recht der staatlichen Leistungen und Hilfen für sozial schwache und gefährdete und für nicht mehr erwerbsfähige Gemeinschaftsglieder einschließlich der Normen über die Aufbringung der erforderlichen Mittel. Weiter wären u. a. staatliche Förderungsmaßnahmen zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen und Härten in die Betrachtung einzubeziehen. Von einzelnen Gutachtern wurde nachdrücklich dafür plädiert, die Grenzen des Forschungsgegenstandes »Sozialrecht« offen und flexibel zu halten. In der Tat dürften schon die unterschiedlichen Regeln, Ausgestaltungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Rechts der sozialen Sicherheit in den verschiedenen Staaten einer starren, an einem einzigen nationalen Recht orientierten Abgrenzung entgegenstehen. Andererseits ist das Sozialrecht nach Auffassung der Gutachter, denen sich die Kommission insoweit anschließt, in der Weise hinreichend abgrenzbar, dass 34 35 36 37
Ebd., 28. Ebd., 29–30. Ebd., 33. Ebd., 33.
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sozialrechtliche Grundlagenforschung ohne willkürliche Ausuferung sinnvoll bleibt. Andere Rechtsgebiete, insbesondere das Privatversicherungsrecht, müssten partiell und ergänzend mit in die Forschung einbezogen werden. Die Kommission hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, ob ein Institut sich auf das Sozialrecht beschränken könne und solle oder ob verwandte sozialwissenschaftliche Disziplinen, etwa die Sozialpolitik, gleichberechtigt hinzutreten müssten. Die Gutachter waren der Auffassung, dass die Beschäftigung mit dem Sozialrecht notwendigerweise auch die sozialwissenschaftlichen Dimensionen der sozialen Sicherheit umfassen und dass dies auch in der Zusammensetzung des Mitarbeiterkreises seinen Niederschlag finden müsse; so wurde zum Beispiel die Mitarbeit von Sozialpolitikern oder von Statistikern für notwendig gehalten. Die Kommission stimmt dem uneingeschränkt zu, ist aber – wiederum in Übereinstimmung mit den Gutachtern – zugleich der Auffassung, dass der Schwerpunkt des Instituts im Juristischen liegen müsse.38 In der Sitzung vom 15. März 1974 beschloss der Senat der MPG »bei 3 Gegenstimmen und 2 Stimmenthaltungen« in der MPG das Neuvorhaben »Vergleichendes und Internationales Sozialrecht« in der Form einer »zeitlich befristeten Projektgruppe zu verwirklichen«.39 In den Unterlagen heißt es, zu den »Aufgaben des Instituts« gehörten »vergleichende Untersuchungen auf dem Gebiet des internationalen Sozialversicherungsrechts«: Dabei gehe es im weiteren Sinne um Regelungen zur sozialen Sicherung, um Sozialarbeit und soziale Dienstleistungen, um Ausbildungs-, Förderungs-, Ausgleichs- und Vorsorgesysteme sowie um soziale Entschädigungsmechanismen. Da in Rechtssystemen der ganzen Welt gleichartige Probleme bei öffentlichrechtlichen Sozialversicherungen wie bei Privatversicherungen zu finden seien, sollte das Privatversicherungsrecht in die Untersuchungen einbezogen werden. Ferner sei diskutiert worden, ob auch das Arbeitsrecht zur Aufgabenstellung des Instituts gehöre. Die Experten hätten gezögert, eine solche Empfehlung abzugeben, da das Arbeitsrecht wesentlich besser erforscht sei. Sie seien dann aber zu dem Ergebnis gekommen, dass rechtsvergleichende Untersuchungen auf diesem Gebiet eine weitere Komponente der Institutsaufgaben bilden sollten. Besonderer Wert sei darauf gelegt worden, auch sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung einzubeziehen. Die Schwierigkeit liege darin, dass die Grundlagen des Sozialrechts in der ganzen Welt undurchsichtig und die Quellen schwer zu erschließen seien.40 In der Diskussion wurde in Anbetracht der Neuartigkeit der Aufgabe und der fehlenden Grundlegung durch eine in Betracht zu ziehende, inländische Universität die Lösung verworfen, die Projektgruppe in einer Universität anzusiedeln. Des Weiteren ging der Senat von der Leitung des Instituts durch zwei Direktoren 38 Niederschrift der 77. Sitzung des Senates vom 15.3.1974 in München, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 77. SP. 39 Ebd. 40 Ebd.
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aus. Neben Hans F. Zacher wurde der im Internationalen Arbeitsrecht führende Franz Gamillscheg als zweiter Direktor in Betracht gezogen. Bedenken wurden im Hinblick auf die Bemühungen um eine sozialwissenschaftliche Ausrichtung vorgebracht. Auch die fehlende internationale Fundierung der Arbeitsgruppe wurde beklagt. Es wurde auch erwogen, die Arbeitsgruppe in einem bestehenden MPI – namentlich dem MPI für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg oder dem MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg – zu begründen. 2.3.2 Projektgruppe
Die Projektgruppe unter Zacher nahm ihre Arbeit am 1. März 1975 auf. Zacher wurden drei, von der MPG zu finanzierende Forschungsfreisemester für Sommersemester 1976 und 1977 sowie ein weiteres Studiensemester zugesichert.41 Für Zacher war die Beschäftigung an der LMU eine unabdingbare Voraussetzung zur Übernahme der Leitungsverantwortung für die Projektgruppe. Jene war und blieb sein Standbein, wogegen Projektgruppe wie Institut sein Spielbein war. Das »Harnack-Prinzip« verlockte ihn in der Tat, erlaubte es doch dem damaligen Endvierziger lange gehegte, aber in der Hektik des Universitätsalltages und nach Überwindung anstrengender Jahre hintangestellte Vorhaben endlich zu realisieren. Außerdem eröffnete ihm der Projektgruppenauftrag, gänzlich neue, ihm vordem unbekannte Welten des vergleichenden und internationalen Rechts zu erschließen. Am 1. Januar 1976 begann Gerhard Igl seine Tätigkeit.42 Zum 1. März 1976 nahmen vier weitere wissenschaftliche Mitarbeiter im fünften und sechsten Obergeschoss der im unmittelbaren Umkreis zur Juristischen Fakultät der LMU gelegenen Akademie-Straße 7 ihre Arbeit auf: Michael Faude, Bernd Schulte, T homas Simons und Peter Trenk-Hinterberger.43 Georg Wannagat übernahm
41 AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4065. 42 Gerhard Igl, Von der Projektgruppe zum Institut – Was bleibt davon in der Welt des Sozialrechts? Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 36/1 (2022), 12. 43 Zacher, Gründungsepoche, 1995, 9–19; Hans F. Zacher: Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht. In: Bernhard Pfister und Michael R. Will (Hg.): Festschrift zum siebzigsten Geburtstag von Werner Lorenz. Tübingen 1991, 847–873; Bernd Schulte und Hans F. Zacher: Der Aufbau des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht. Ein Bericht. Vierteljahresschrift für Sozialrecht 9 (1981), 165–195 ; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): MaxPlanck-Gesellschaft Jahrbuch 1977. Göttingen 1977, 682 ff.; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1979. Göttingen 1979, 741 ff.
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als »Initiator des Instituts«44 den Vorsitz in Fachbeirat45 und Kuratorium.46 Es galt, das Sozialrecht vor dem »Hintergrund der Sozialpolitik« zu begreifen.47 Internationales Sozialrecht – als zwischenstaatlich koordinierendes Sozialrecht verstanden – habe sich zur »Determinante der Freizügigkeit«48 entwickelt. Die Sozialrechtswissenschaft sei interdisziplinär und praxisbezogen auszurichten. Die Projektgruppe solle exemplarisch und schwerpunktartig vorgehen sowie »Ziele, Organisationsformen, Techniken und Methoden der weiteren Forschung«49 ausarbeiten. Dies geschah im Bewusstsein dessen, dass nicht die Wissenschaft vom internationalen und vergleichenden Sozialrecht die Gründung von Projektgruppe und Institut provozierte: Vielmehr war es das Defizit an Forschung, das nicht länger verantwortet werden konnte. […] Als die Projektgruppe zu arbeiten begann, gab es, soweit erkennbar, weltweit weder ein wissenschaftliches Institut, noch einen Lehrstuhl, der ihrem Aufgabengebiet gewidmet gewesen wäre. Auch hatte noch niemand eine systematische und umfassende Darstellung der Sozialrechtsvergleichung oder des internationalen Sozialrechts vorgelegt.50
Dabei leitete alle Bemühungen ein umfassender Anspruch, den Zacher in der Rückschau in die Worte fasste: »Sozialrechtswissenschaft kann […] nicht nur heißen, die positiven rechtlichen Mechanismen sozialen Schutzes und sozialer Leistungen darzustellen«, sondern auch »diese Mechanismen in Beziehung zu setzen zu den Werten menschlicher Existenz«.51 Seine Religiosität war und blieb für ihn stets handlungsleitend; sein Wirken stand in der Tradition der katholischen Soziallehre – und zwar in deren Inhalten, Darstellungsformen wie Denkmustern.
44 Schulte und Zacher, Der Aufbau, 1981, 165–195, 165, 169. 45 Ihm gehörten ferner an: Prof. Dr. Helmut Meinhold (Frankfurt am Main), stellver tretender Vorsitzender, Prof. Dr. Eugen Pusić (Zagreb), Dr. Johannes Schregle (Genf), Prof. Dr. Theodor Tomandl (Wien); nach Institutsgründung wurde Prof. Dr. Rudolf Bernhardt (Heidelberg) berufen, vgl. Schulte und Zacher, Der Aufbau, 1981, 165–195, 165, 170. 46 Das Kuratorium setzte sich aus den Vertretern des Fachbeirats (Anm. 45) und Dr. Leo Crijns (Brüssel), Dr. Werner Doetsch (Köln), Otto Fichtner (Duisburg), Gerd Muhr (Düsseldorf) und Vladimir Rys (Genf) zusammen, siehe Schulte und Zacher, Der Aufbau, 1981, 165–195, 165, 186 Fn. 289. 47 Schulte und Zacher, Der Aufbau, 1981, 165–195, 166. 48 Ebd., 167. 49 Ebd., 169. 50 Zacher, Gründungsepoche, 1995, 9–19, 10. 51 Zacher, Rechtsgeschichte, 2008, 675–705, 675, 697.
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2.3.3 Arbeitsprogramm
Eine zentrale Stellung im Arbeitsprogramm der Projektgruppe nahmen die zwischen 1976 und 1979 alljährlich jeweils an der Akademie für politische Bildung in Tutzing abgehaltenen Colloquien ein. In ihnen wurden Grundfragen der Projektgruppe, wie etwa »Methoden des Sozialrechtvergleichs« (1976),52 »Rechtsvergleichung im Kontext internationalen Rechts« (1977),53 »Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung« (1978)54 und die »Rolle des Beitrages in und für die soziale Sicherheit« (1979)55 konzeptionell erarbeitet und im Einzelnen erörtert. Diese Veranstaltungen wurden wesentlich von Zacher thematisch konzipiert und organisatorisch ausgerichtet. Die eingeladenen Referenten – einschlägig ausgewiesene Wissenschaftler aus dem In- und Ausland – nahmen so mit der Projektgruppe Kontakt auf und pflegten mit ihr den intellektuellen Austausch. Sie beteiligten sich durch ihre Mitwirkung auch wesentlich an der Klärung der seitens der Projektgruppe aufgeworfenen Fragen. Die Projektgruppe bezweckte anfangs, gezielt fünf Sachthemen zu unter suchen: sozialer Schutz bei langfristigen Gebrechen, soziale Sicherung von Künstlern und Autoren, Rechtsstellung der Sozialarbeit, Verursachung und Verschulden als Voraussetzung und Ausschluss sozialen Schutzes und das Sprachproblem als sozialrechtliche Frage.56 Des Weiteren galt die Aufmerksamkeit der Sozialrechtsentwicklung in Algerien, der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Kenia, Mexiko, Peru und der Sowjetunion.57 Die Arbeit leitete das Motiv einer »dialektischen« Verknüpfung konkretexemplarischer Studien mit grundsätzlichen Fragen.58 In den Anfangsjahren der Projektgruppe arbeitete sich diese vor allem an den Begriffen ab, welche ihren eigenen Forschungsgegenstand umschrieben. Was machte internationales, was vergleichendes Sozialrecht aus? Diese Frage war zu klären wie zu erklären. Dies geschah in dem Gestus, als ob alle darauf gerichteten wissenschaftlichen Bemühungen bei null anzufangen 52 Hans F. Zacher (Hg.): Methodische Probleme des Sozialrechtsvergleichs. Colloquium der Projektgruppe für Internationales und Vergleichendes Sozialrecht der Max-Planck-Gesell schaft. Bd. 1. Berlin 1977. 53 Hans F. Zacher (Hg.): Rechtsvergleichung im Kontext internationalen Rechts. Bd. 2. Berlin 1978. 54 Hans F. Zacher (Hg.): Bedingungen für die Entstehung der Sozialversicherung. Bd. 3. Berlin 1979. 55 Hans F. Zacher (Hg.): Die Rolle des Beitrags in der sozialen Sicherung. Colloquium der Projektgruppe für Internationales und Vergleichendes Sozialrecht der Max-Planck-Gesellschaft. Tutzing 1979. Berlin 1980. 56 Schulte und Zacher, Der Aufbau, 1981, 165–195, 175. 57 Ebd., 174 f. 58 Ebd., 179.
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hätten.59 Es lassen sich durch NS - und Nachkriegszeit unterbrochene Bemühungen um die wissenschaftliche Annäherung an das Sozialrecht jedoch bis in das ausgehende 19. Jahrhundert zurückverfolgen.60 Schon in der Begründungsphase ging es der Wissenschaft um die Klärung des Begriffs von Sozialrecht, der Rechtsnatur der Sozialversicherung und deren Beziehungen zu Versicherung, Gewerbe-, Genossenschafts- und kollektivem Arbeitsrecht. Kurz vor 1914 sind an mehreren deutschen Universitäten Lehrveranstaltungen zum Sozialrecht erstmals angeboten worden. Dieser Traditionsbestand wurde zwar wahr-, jedoch für das Institut nicht als verpflichtend angenommen. 2.4
Begriff und Binnensystematik des Sozialrechts
2.4.1 Ausgangsbedingungen und -fragen
Zunächst unterzog sich die Projektgruppe der Aufgabe, den Begriff des Sozialrechts und dessen Binnensystematik zu bestimmen. Denn das Rechtsgebiet war in seinem Gegenstand und Proprium unklar. Sollte es das gesamte und in sämtlichen Rechtsgebieten vorfindliche sozialpolitisch geprägte Recht umfassen oder die öffentliche Leistungsverwaltung zum Gegenstand haben? Der Begriff schillerte und war vieldeutig,61 weil ihm beide divergente Bedeutungen zugeschrieben wurden. Überdies gab es auch kein internationales Pendant. Was ist also Sozialrecht? Darauf gab es keine gesicherte Antwort. Sie zu finden, war daher Anliegen der Selbstfindung und drängendes Gebot jeder Selbstvergewisserung. Es galt an diesem hierauf gerichteten Bemühen festzuhalten und einsichtig zu machen, dass der sich seit 1945 weltweit üppig entfaltende Sozialstaat das Recht in seiner Gesamtheit durchdringt. In einer solchen Rechtsordnung sind Teile einzelner Rechtsgebiete als »soziales Recht« ausgeformt. Zum anderen erlangt die durch »Sozialrecht« gestaltete und geregelte Sozialverwaltung eine Schlüsselstellung.62
Zacher attestierte dem Sozialrecht ein »Theorie- und Systemdefizit«.63 Es gelte als neu und seine Probleme und Lösungen erschöpften sich nicht im Recht, sondern seien »außerrechtlich« determiniert.64 Dies verpflichte die Rechtswissenschaft zur Kooperation mit der Sozial- und der »Sachwissenschaft«,65 die damit
59 Ebd., 170. 60 Ivana Mikešić: Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin. Tübingen 2002; Eberhard Eichenhofer: 1914 und das Sozialrecht. Die Sozialgerichtsbarkeit 61/5 (2014), 249–254, 249. 61 Hans F. Zacher: Was ist Sozialrecht? (1978). In: Bernd Baron von Maydell und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 1993, 249–256. 62 Eberhard Eichenhofer: Sozialrecht. 12. Aufl. Tübingen 2021, Rn. 3 ff.; Eberhard Eichenhofer: Soziales Recht und Sozialrecht. Vierteljahresschrift für Sozialrecht 9/1 (1981), 19–31. 63 Zacher, Methodische Probleme, 1977, 31. 64 Ebd., 35. 65 Ebd., 43.
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beide über ihre angestammte Rolle als »Hilfswissenschaften« für die Rechtswissenschaften hinauswüchsen. Die zentralen Fragen des Sozialrechts ergäben sich aus den sozialen Lagen der Menschen, so Zacher, auf welche das Recht durch Vorsorge, Ausgleich und Förderung reagiere. Zwischen Problem und Lösung bestünden daher Interdependenzen. Im Hinblick darauf böte sich ein offener und unvollständiger Sozialrechtsbegriff an.66 Typisch vollziehe sich der soziale Schutz im Rahmen sozialer Gruppen, die durch das Recht zu Solidarverbänden zusammengeschlossen würden und Menschen darin einschlössen. Daraus entstünden in dem Maße Pflichten, wie daraus Rechte hervorgingen.67 2.4.2 Was ist Sozialrecht?
Zacher unterschied den pragmatischen, positiven, prinzipiellen und verstehenden Sozialrechtsbegriff68 und konstatierte, die Bezeichnung »Sozialrecht« sei ein »Wandername«,69 der sich auf unterschiedliche Verwendungsweisen und Gegebenheiten bezöge. Mit dem pragmatischen Begriff sollte der Bestand an Einzelnormen der Sozialgesetzgebung bezeichnet, mit dem positiven der Zweck des Sozialrechts als Leistungsverwaltung bestimmt und mit dem prinzipiellen Begriff dessen Ideal als einer auf Gleichheit und wirtschaftlicher Existenz sicherung gerichteter Sozialgesetzgebung beschrieben werden. Der verstehende Sozialrechtsbegriff schließlich wurde als polemischer Begriff gedeutet, weil er eine Diskontinuität der Rechtsentwicklung infolge der rechtlichen Bewältigung der sozialen Frage postulierte. In der während der Projektgruppenphase entstandenen Dissertation von Felix Schmid, Sozialrecht und Recht der sozialen Sicherheit. Die Begriffsbildung in Deutschland, Frankreich und der Schweiz,70 fand der Begriff des Sozialrechts eine ideen- wie institutionengeschichtliche Klärung auf international vergleichender Grundlage. Die Untersuchung rekonstruiert die Verwendungsweisen für das Wort Sozialrecht in der rechtswissenschaftlichen Literatur der drei Länder, zeichnet die Entfaltung der Sozialpolitik darin nach und lokalisiert das Sozialrecht anhand der Schriften von Hermann Roesler,71 Otto von Gierke, Léon Duguit und Georges Gurvitch als das Privat- mit öffentlichem Recht verbindende Gebiet zur sozialpolitischen Gestaltung der Gesellschaft durch Recht. Roesler prägte im deutschen Sprachraum zwar den Begriff »Sozialrecht«, seine Erläuterungen blieben jedoch – vor allem wegen ihrer Abstraktheit und Gehalt66 Schulte und Zacher, Der Aufbau, 1981, 165–195, 172. 67 Zacher, Methodische Probleme, 1977, 52 ff. 68 Ebd., 9 ff.; Zacher, Sozialrecht, 1993, 249–256, 249 ff. 69 Zacher, Methodische Probleme, 1977, 14. 70 Felix Schmid: Sozialrecht und Recht der sozialen Sicherheit: die Begriffsbildung in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Berlin 1981. 71 Herman Roesler: Das soziale Verwaltungsrecht. Bd. 1. Erlangen 1872; Herman Roesler: Über die Grundlehren der von Adam Smith begründeten Volkswirtschaftslehre. 2. Aufl. Erlangen 1867, 255 ff.
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losigkeit – gänzlich folgenlos. »Sozialrecht« sei durch die Begründung kollektiver Lebensformen gekennzeichnet, welches in den Rechtsordnungen zwischen dem Privat- und dem öffentlichen Recht systematisch unterschiedlich zuzuordnen ist. Das Sozialrecht hatte sich historisch und weltweit zu einer Konstante und Determinante des menschlichen Lebens entwickelt, welches die Menschen von der Geburt bis zum Lebensende umgibt, stützt und schützt. »Gewiss braucht nicht jeder alles, aber so gut wie alle brauchen das eine oder andere immer wieder, und zwar ganz wesentlich«.72 Ein solches Recht zu schaffen ist den Staaten durch die internationale Rechtsordnung auferlegt. Die inzwischen sowohl international wie verfassungsrechtlich73 begründete Notwendigkeit dazu ergibt sich daraus, dass die Menschen zwar zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse auf den Markt verwiesen sind, aber manche Menschen aus Gründen jenseits ihrer Verantwortung – Krankheit, Alter, Behinderung oder Arbeitslosigkeit – sich nicht aus eigener Kraft sichern können. Hierin zeigen sich soziale Defizite, welche durch die vom Sozialrecht geschaffenen Institutionen überwunden werden. Aus dieser Aufgabenstellung erwächst auch eine besondere Verbindung zwischen Sozialrecht und den Sozialwissenschaften.74 2.4.3 Binnensystematik des Sozialrechts
Eine weitere Frage galt der Binnensystematik des Sozialrechts, das traditionell als Trias von Versicherung, Versorgung und Fürsorge gekennzeichnet wurde. Diese an die Sozialversicherung, Kriegsopferversorgung und Armenpflege erinnernde Unterteilung der aus dem 15. Jahrhundert überkommenen Fürsorge und der im 19. Jahrhundert entwickelten Sozialversicherung und des Militär schadensausgleichs genügte aber nicht mehr, um die sich in den Reformen der 1970er Jahre neu herausbildende Architektur zeitgenössischen Sozialrechts zu erfassen. Dieses zielt auf Vorsorge, Entschädigung, Förderung und Hilfe. Zacher entwickelte diese Systematik, auf deren Grundlage auch das Sozialgesetz buch steht. Diese Bemühungen nahmen ihren Ausgang bei dem Versuch, eine »Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung«75 zu entwerfen. Der Sozialstaat und das in ihm
72 Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht. München. München 1986, 7. 73 Georg Wannagat: Institutsgründung und Forschungsrichtung – eine Antwort auf die zunehmende Bedeutung des Sozialrechts. In: Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-PlanckInstitut für ausländisches und internationales Sozialrecht. München. München 1986, 37–40. 74 Franz-Xaver Kaufmann: Sozialrecht und Sozialwissenschaften. In: Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht, München. München 1986, 41–45. 75 Hans F. Zacher: Zur Rechtsdogmatik der sozialen Umverteilung. In: Bernd Baron von Maydell und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 1993, 279–307; Zacher, Sozialrecht, 1993, 249–256, 257.
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formende Recht werden durch das Ziel bestimmt, jedem Menschen eine würdige Existenz zu sichern und Wohlstandsdifferenzen sowie ökonomisch bedingte Abhängigkeiten zu mildern oder abzubauen.76 Sozialversicherungsträger übernähmen die Rolle eines »Umverteilungsmittlers«.77 Zur Umverteilung gelangten Dienste, Sachen und Gelder, die im Hinblick auf den Empfänger interpersonell wie intertemporal erfolgen;78 insgesamt etabliere Umverteilung einseitige wie komplexe Verhältnisse des Gebens wie Nehmens.79 Erste Ansätze galten der Identifikation des sozialen Entschädigungsrechts.80 Es ist jenseits von Vorsorge und Ausgleichs- und Hilfesystemen als die rechtliche Reaktion auf in der Vergangenheit liegende Personenschädigungen hin angelegt, für die den Staat eine gehobene Einstandspflicht trifft. Das Kolloquium über die Rolle des Beitrages81 in der sozialen Sicherung galt der Sozialversicherung oder auch sozialen Vorsorge als zentralem Gebiet des Sozialrechts. Der Beitrag erfüllt im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich ausgestalteten Vorsorge eine Schlüsselstellung. Die Pflicht zu dessen Entrichtung begründet das Vorsorgeverhältnis, schafft Unterschiede in der Leistung, erklärt die auf Selbstverwaltung und Selbstfinanzierung ausgelegte Organisationsstruktur sozialer Sicherheit und rechtfertigt den auf die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) gestützten Schutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen.82 Umfangreiche Darlegungen über die Tragweite des Beitrages für die Sozialversicherung von Bundesrepublik Deutschland, Deutscher Demokratischer Republik, Großbritannien und Italien stellten erstmals die sozialrechtsvergleichende Methode auf die Probe und zeitigten erste Resultate. 2.5
Vergleichendes und Internationales Sozialrecht
Die drei für die jeweiligen Länder »zuständigen« Referenten des Instituts er arbeiteten eine vergleichende Darstellung der aktuellen Sozialrechte Frankreichs, Italiens und des Vereinigten Königreichs in deutscher Sprache. Sie erschlossen damit den bisher in Deutschland auf das Inland beschränkten sozialrechtlichen Debatten neue und europäische Horizonte.83 Sozialrecht wurde damit zunehmend als internationales Phänomen in des Wortes mehrfacher 76 77 78 79 80
Zacher, Sozialrecht, 1993, 249–256, 283. Ebd., 285. Ebd., 287, 297. Ebd., 297. Hans F. Zacher: Die Frage nach der Entwicklung eines sozialen Entschädigungsrechts (1972). In: Bernd Baron von Maydell und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 1993, 473–497, 473. 81 Zacher, Rolle des Beitrags, 1980. 82 BVerfGE 53, 257; zuvor schon das Sondervotum Waltraud Rupp-von Brünnecks: BVerfGE 32, 11 und das BSG: BSGE 9, 12. 83 Gerhard Igl, Bernd Schulte und Thomas Simon: Einführung in das Recht der sozialen Sicherheit in Frankreich, Großbritannien und Italien. Berlin 1977.
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Dimension sichtbar – zum einen, insoweit es weltweit Sozialrechte gibt, die sich ferner an internationalen Normen zu messen haben und schließlich in grenzüberschreitenden Lebenssituationen miteinander rechtlich geregelt in Verbindung treten. Dies alles umschließt den Gegenstand vergleichenden und internationalen Sozialrechts.84 2.5.1 Gegenstand und Aufgabe des Sozialrechtsvergleichs
Die Sozialrechtsvergleichung sollte das »Erfassen, Verstehen und Bewerten von Recht«85 ermöglichen. Sie hatte sich namentlich in der »Rechtsbegegnung«86 zu bewähren, welche in den grenzüberschreitenden und den internationalrecht lichen Bezügen des Rechts besonders sichtbar wird. Dann sei der »horizontale«87 (unter Rechten unterschiedlicher Staaten gleichen Ranges stattfindende) wie »vertikale« Rechtsvergleich (im Verhältnis der vorrangigen internationalen gegenüber der nachgeordneten einzelstaatlichen Ebene) nötig. Im internationalen Recht sei auch zwischen »Programm- und Regelungsrecht«88 zu unterscheiden. Ersteres steht für internationale Prinzipienerklärungen und letzteres für einzelne international erteilte Regelungsaufträge. 2.5.2 Makro- und Mikrovergleich in Rechtsvergleichung und Rechtsgeschichte
Sozialrechtsvergleich könne, so Zacher, auf die Identifikation sozialrechtlicher Familien und Rechtskreise ausgerichtet sein. Hier sei insbesondere die Unterscheidung zwischen den Beveridge- und Bismarck-Ländern geläufig; zu den diese Typenbildung tragenden Gründen sei »aber offenbar nichts Gültiges erforscht«.89 Des Weiteren könne der Vergleich den Unterschieden in der Lösung sozialrechtlicher Fragen gelten. Ein solcher Vergleich müsse von einem »vorrechtlichen« Sachproblem ausgehend unternommen werden, welches eine rechtliche Ordnungsaufgabe aufwirft, für die der Vergleich mögliche Antworten aufzeigen müsse.90 Auch die Geschichtlichkeit allen Rechts wird als ein möglicher Gegenstand des Vergleichs in der Zeit verstanden.91 Alles Vergleichen bestimme Gemeinsamkeiten und Unterschiede,92 die auf Grund des »Aneinander-
84 Max-Planck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München. München 1995, 23 ff. 85 Zacher, Methodische Probleme, 1977, 22. 86 Ebd., 25. 87 Zacher, Rechtsvergleichung, 1978. 88 Zacher, Methodische Probleme, 1977, 25. 89 Ebd., 32. 90 Zacher, Rechtsvergleichung, 1978, 18. 91 Ebd., 18. 92 Ebd., 29.
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Heranführens von vermeintlich Vergleichbarem« erschlossen werden könnten.93 Vergleichen umfasse die Erschließung vielfältiger »Ambiancen«94 von Recht. In Vorarbeit dazu hatte sich die Projektgruppe eingehend mit Grundfragen und Methoden der vergleichenden Würdigung von Normen sozialer Sicherheit befasst. Sie sollten den methodisch fundierten Sozialrechtsvergleich ermög lichen und die Probleme internationaler Normierung von sozialer Sicherheit aufgreifen und bewältigen. Das gesamte Inventar methodisch angeleiteter Sozialrechtsvergleichung wurde dabei aus sich selbst heraus entwickelt. Es kam also ohne Anleihen bei Wissenschaftstheorie und der Rechtsvergleichung anderer juristischer Disziplinen aus und wirkt auf den Betrachter daher nicht nur ziemlich neu, sondern auch begrifflich wie methodisch urwüchsig.95 In der auf dieser Basis neu entwickelten vergleichenden Sozialrechtsforschung wurde das »Fremde« primär als die Differenz zum eigenen Festgefügten begrifflich und systematisch wahrgenommen. Der Grad dieser Differenz zum Eigenen bestimmte zugleich das Ausmaß des Fremden. 2.5.3 Rechtsvergleichung und die Rangordnungen von Recht
Eine eigenständige Entdeckung lag in der Bewältigung der Beziehungen zwischen Rechtsvergleichung und den Rangverhältnissen von Rechtsordnungen. Die Unterscheidung zwischen vertikaler und horizontaler Rechtsvergleichung findet in dieser Problematik ihren Gegenstand. Gilt der Vergleich den Rechten gleichen Ranges stellen sich andere Fragen, als wenn der Rechtsvergleich für Normen unterschiedlichen Ranges angestellt wird.96 Denn in der letztgenannten Lage geht die Rechtsvergleichung mit der Anwendung des vorrangigen Rechts zwingend einher. Diese Beobachtung leitet auch die weitere Unterscheidung zwischen einem dem Gegenstand nach internationalen und dem hinsichtlich seines Ranges internationalen Recht. Die erstgenannte Gattung bezeichnet die Normen für den transnationalen Rechtsverkehr, die letztgenannte alle Normen internationalen Ursprungs. 2.6
Sozialrecht und Privatrecht
Seit Anbeginn war die Projektgruppe bestrebt, die Rolle des Sozialrechts mit Blick auf die privatrechtlich geprägte Wirtschaftsordnung zu bestimmen. Studien schärften das vordem undeutliche Bild, indem sie die Wechselbezüge zwischen dem Privat- und dem Sozialrecht klärten und damit den aus Markt- und 93 Ebd., 18. 94 Ebd., 29. 95 Der Schlüsseltext enthält – ungewöhnlich genug – nicht ein einziges Zitat eines anderen Autors, sondern verweist in den zahlreichen Fußnoten nur auf andere Passagen des Textes. 96 Zacher, Rechtsvergleichung, 1978.
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Steuerungselementen zusammengesetzten, gemischten Charakter wohlfahrtsstaatlich geprägter Marktwirtschaften präzisierten. Zacher identifizierte den Sozialstaat als einen fortgesetzten Prozess der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse, welcher unvorhersehbar durch ökonomische Wandlungen einerseits und Veränderungen in der sozialen und politischen Wahrnehmung von Ungleichheiten andererseits angetrieben wird.97 Der Sozialstaat stehe »den wirtschaftlichen und wirtschaftlich bedingten Verhältnissen in der Gesellschaft wertend, sichernd und verändernd mit dem Ziel gegenüber, jedermann ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten, Wohlstandsunterschiede zu verringern und Abhängigkeitsverhältnisse zu korrigieren und zu kontrollieren«.98 Er fände in der Wirtschaft sein »genuines Medium«.99 »Sozialrecht und soziale Marktwirtschaft«100 hängen voneinander ab, bedingen und stützen einander und weisen wechselseitige Unvereinbarkeiten auf. Die Marktwirtschaft steht für eine auf Individualfreiheit beruhende Wirtschaft. Sie gewährleiste Effizienz101 und ordne die auf Privatinitiative beruhende Wirtschaft, in welche der Staat legislativ und administrativ eingreife.102 Aber laut Zacher gilt auch: »In der Marktwirtschaft ist die Freiheit des Schwächeren in Gefahr«.103 Sozialpolitik solle dem entgegenwirken und in dem Maße, wie ihr dies gelänge, ziele sie »auf die Ausbreitung der Freiheit«.104 Ziel und Anspruchsniveau der Sozialpolitik werde durch die Wohlstandsentwicklung beeinflusst und wachse mit wachsendem Wohlstand.105 Angesichts der »Alternativität von Erwerbseinkommen und Sozialeinkommen«106 bedürfe es einer Balance zwischen sozialrechtlichem Geben und Nehmen.107
97 Hans F. Zacher: Der Sozialstaat als Prozess (1978). In: Bernd Baron von Maydell und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 1993, 73–93. 98 Hans F. Zacher: Das soziale Staatsziel (1987). In: Bernd Baron von Maydell und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 1993, 3–72, 3 ff.; Zacher, Sozialstaat, 1993, 73–93, 73. 99 Zacher, Sozialstaat, 1993, 73–93, 81. 100 Hans F. Zacher: Sozialrecht und soziale Marktwirtschaft (1981). In: Bernd Baron von Maydell und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 1993, 166–208. 101 Zacher, Soziale Marktwirtschaft, 1993, 166–208, 167. 102 Ebd., 168–170. 103 Ebd., 185. 104 Ebd., 183. 105 Ebd., 186. 106 Ebd., 196. 107 Ebd., 191, 201–202.
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Ein Jahrhundert Sozialversicherung
1981 stand das einhundertjährige Jubiläum der Sozialversicherung in Deutschland an. Die Projektgruppe bereitete dieses Ereignis in einer von der ThyssenStiftung geförderten Kooperation mit dem MPI für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt durch ein umfassendes wissenschaftliches Untersuchungsvorhaben vor.108 Dies gab den Feierlichkeiten einen wissenschaftlichen Kern und verschaffte ihm somit auch publizistischen Glanz. »Wie steht es um die Sozialversicherung ein Jahrhundert nach ihrer Gründung?« So lautete die Frage, welche das Jubiläum zu beantworten aufgab. Das von der Projektgruppe initiierte Projekt ermöglichte, die Antwort in einen universalen Rahmen zu stellen und ihr dadurch eine globale Perspektive zu erschließen. Die deutsche Entwicklung sollte nicht primär als nationalgeschichtliches Ereignis gefeiert, sondern als Ausgangspunkt einer weltweiten Entwicklung hin zur Sozialversicherung betrachtet und schließlich zur sozialen Sicherheit einsichtig gemacht werden. Das Vorhaben wurde in dem 1978 veranstalteten Kolloquium über die »Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung« vorbereitet.109 Darin betrachteten Vertreter der Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie des Sozialversicherungsrechts aus Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Italien sowie der Bundesrepublik die sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, welche zunächst in Deutschland und später auch in den anderen in den Vergleich einbezogenen Ländern die Sozialversicherung entstehen ließen. Das Kolloquium offenbarte nicht nur in der durch die Gründung des Deutschen Reichs sowie der dadurch beförderten raschen Industrialisierung und Urbanisierung die entscheidenden Motive für die Schaffung der Sozialversicherung, sondern enthüllte konvergente und divergente Entwicklungstendenzen derselben Intensität in den sich ebenfalls in früheren oder späteren Phasen industrialisierenden Nachbarstaaten. Alles in allem wurde die Sozialversicherung als die angemessene Antwort auf die Forderung nach einer fairen und human geordneten Industriegesellschaft sichtbar. Daran schloss sich eine standardisierte, die Bundesrepublik Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich und das Vereinigte Königreich umfassende und vergleichende Entwicklungsund Rechtsgeschichte an. Sie zeichnete »ein Jahrhundert Sozialversicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und der Schweiz«.110
108 Bericht über das Kolloquium in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.11.1981, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4065. 109 Zacher, Rolle des Beitrags, 1980. 110 Peter A. Köhler und Hans F. Zacher (Hg.): Ein Jahrhundert Sozialversicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und der Schweiz. Bd. 6. Berlin 1981.
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Im Einklang mit dem von der Projektgruppe entwickelten methodologischen Ideal sozialrechtsvergleichender Forschung standen in den von Detlev Zöllner (Deutschland),111 Yves Saint-Jours (Frankreich),112 Anthony I. Ogus (Vereinig tes Königreich),113 Herbert Hofmeister (Österreich)114 und Alfred Maurer (Schweiz)115 erstatteten Untersuchungen die Fragen im Mittelpunkt, wie soziale Sicherheit zu einem öffentlichen Gut wurde und wie sich Arbeitsunfall, Krankheit, Erwerbsunfähigkeit sowie schließlich Arbeitslosigkeit zu sozialen Risiken entwickelten. Des Weiteren wurde die sich in allen Staaten vollziehende Expansion der Sozialversicherung sichtbar und nachgezeichnet, wie Sozialpolitik sich zu einer sich um Elemente sozialer Entschädigung, Förderung und Hilfe erweiternden und absorbierenden sozialen Sicherheit fortentwickelt hatte. Den Abschluss und Höhepunkt fand das Vorhaben in dem vom 16. bis 20. November 1981 abgehaltenen Kolloquium »Ein Jahrhundert Sozialversicherung – Bismarcks Sozialgesetzgebung im internationalen Vergleich«.116 Das Kolloquium unter Beteiligung namhafter internationaler Repräsentanten der Sozialversicherung – in dem damals geteilten, randständigen, indes für den Ausgang der Sozialversicherung weltweit stehenden Berlin abgehalten – bemühte sich um die Synthese aus historischer Bestandsaufnahme und Zukunftsorientierung. Der Blick galt den Ausgangsbedingungen und Wendepunkten der Entwicklung von Sozialversicherung. Damit verbunden wurde die Analyse zur Lage und Entwicklung des sozialen Schutzes in der industrialisierten und sich industrialisierenden Welt sowie eine Analyse der sich entwickelnden Rolle supranationaler und internationaler Organisationen. Die Geschichte der Sozialversicherung wurde damit als ein globales und säkulares Geschehen sichtbar und einsichtig gemacht. Diese Tagung gab dem gefeierten Ereignis nicht nur seine wissenschaftliche Bedeutung als interdisziplinäres und internationales Vorhaben, sondern machte zugleich Projektgruppe und Institut zu einer weltweit beachteten und im Inland bedeutenden Einrichtung. 2.7.1 Innenleben des Instituts
Die Arbeitsbedingungen waren von den damals vorherrschenden Arbeitsmaterialien bestimmt. Bücher und Zeitschriften enthielten die für die Erforschung der Rechtslage maßgeblichen Informationen. Eine damals ganz neue EDV-Ausstattung mit Zugriff auf internationale Datenbanken ermöglichte den Zugriff 111 112 113 114 115 116
Ebd., 45 ff. Ebd., 181 ff. Ebd., 269 ff. Ebd., 445 ff. Ebd., 731 ff. Peter A. Köhler und Hans F. Zacher (Hg.): Beiträge zur Geschichte und aktueller Situation in der Sozialversicherung. Berlin 1983.
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auf andernfalls nicht erreichbare Quellen.117 Sie wurden von den Referenten – damals durchweg Männer ab 30 Jahren – aufgenommen und verarbeitet. Ver einzelt kamen Stipendiaten und einzelne Stipendiatinnen hinzu, die an ihrer Dissertation arbeiteten.118 Dafür stand eine zunehmend gut bestückte Bibliothek zur Verfügung. Es war ein Schreibdienst vorhanden; ferner war eine sich der fremdsprachlichen Korrespondenz widmende Übersetzerin permanent beschäftigt. In beiden Arbeitsgebieten waren Frauen – zumeist um die 50 Jahre und älter – tätig; Frauen führten auch das Sekretariat des Direktors. Mittels eines Diktaphons besprachen die Referenten Tonbänder, die dann im Schreibdienst abgehört und in Manuskripte überführt wurden. Die Klärung von Begriffen und das Einordnen von Begebenheiten in Theorien leiteten die Forscher. Das Institutspersonal war markant in die wissenschaftlichen Mitarbeiter und die technischen Mitarbeiterinnen unterschieden. Gelegentliche Geselligkeiten – Betriebsausflüge in die nähere und weitere Münchener Umgebung – kamen vor. Eine wahre Zäsur im Jahreszyklus bildeten die regelmäßig während der Zeit der Münchener Opernfestspiele abgehaltenen Tagungen von Fachbeirat und Kuratorium, bei denen die wissenschaftlichen Mitarbeiter zugegen waren und einzelne von ihnen kurz spezielle Projekte vorstellten. Am Ende der Projektgruppenphase kam es zu personellen Veränderungen. Michael Faude verließ 1980 das Institut und übernahm eine leitende Position in der Personalabteilung von BMW. Peter Trenk-Hinterberger wurde 1980 auf eine Professur an die Universität Siegen berufen. Die Wissenschaft lag mehr in den Händen des Direktors und externen, arrivierten Wissenschaftlern als denen der Referenten; deren Möglichkeiten wurden demgemäß nicht bis zu den Grenzen gefordert. Die einzelnen Referenten waren durchaus fleißig, aber auf ihre Aufgaben beschränkt und zogen daraus unterschiedliche Folgerungen: Rückzug, Nebenbeschäftigung, Verfolgung eigener Projekte und Prioritäten. Der Standort München – von Konsum und Freizeit geprägt – drängte sozialpolitische Fragen nicht auf. Die wissenschaftliche Arbeit war unversehens in die bayerische Lebensart eingebettet: in Rechtsfragen beflissen, politisch ordnungsliebend und auf Irreguläres unsicher und ausweichend, mal schwärmerisch, mal unernst reagierend. In gesellschaftspolitischen Dingen stand die Bestätigung des Bestehenden höher im Kurs als die Neugier auf Neues. Die im lokalen Umfeld eher durchschnittliche Bezahlung ermöglichte den Referenten einen eher bescheidenen Lebenszuschnitt und sicherte damit deren Nähe zum Untersuchungsfeld. Die im Institut errichtete Zuständigkeitsordnung und die speziellen Aufträge für einzelne Vorhaben waren zu achten und wahren. Das Grundmuster der Aufgabenerledigung war die Übertragung eines Aufgabenfeldes an den Einzelnen zur selbständigen Erledigung. Die so gleichsam bilateral zwischen Instituts117 Igl, Von der Projektgruppe, 12 f. 118 Schulte und Zacher, Der Aufbau, 1981, 165–195, 165, 171, Fn. 9–11.
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direktor und Mitarbeitern begründeten Arbeitsbeziehungen ließen eine Wettbewerbssituation unter den Referenten entstehen, welche der Institutsdirektor durch Lob und Vorteilsgewährung oder Tadel beeinflusste und zu steuern versuchte. Die Leitung wachte über das Große und die als Vorgegebenheit erachteten Gewissheiten; die Befolgung der übertragenen Aufgaben geschah in unterschiedlicher Intensität; Versäumnisse kamen durchaus nicht selten vor, blieben aber folgenlos. Zuständigkeiten bildeten auch ein entscheidendes Datum für jegliche Zusammenarbeit der Referenten untereinander: Es forderte diplomatisches Geschick, sie zu überwinden. Die Zuständigkeitsordnung setzte Synergien allenfalls frei, wenn – was eher selten geschah – die als Steuerungsinstrument durchaus bezweckte Konkurrenzlage zwischen den einzelnen Wissenschaftlern hintangestellt wurde. 2.7.2 MPG-Entscheidung zur Institutsgründung
Am 16. März 1979 beschloss der Senat der MPG die Gründung eines Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht und die Berufung von Hans F. Zacher zum Wissenschaftlichen Mitglied und Direktor des Instituts.119 Friedrich-Karl Beier, der Direktor des MPI für Patent-, Urheber- und Wett bewerbsrecht, bekundete: Die Erwartungen sind voll erfüllt worden. Das Experiment ist geglückt; dies kann man vor Abschluss der 5-Jahres-Frist sagen. Die Disziplin Sozialrecht gab es noch nicht an einer Universität, sondern sie wurde als Anhängsel des öffentlichen Rechts bearbeitet. Es gab auch wenige jüngere Mitarbeiter, die man hätte als Sozialrechtler bezeichnen können. Die Kommission war positiv beeindruckt von Herrn Zachers Aufbauarbeit. Er weiß jetzt, wie man dieses wichtige Gebiet angehen muss in der rechtsvergleichenden Methode. Über die Bedeutung des Sozialrechts brauche ich nichts auszuführen. Es geht um soziale Sicherung, insbesondere für alte Menschen – ein wichtiges Forschungsthema. Herr Zacher hat ein maßvolles Konzept vorgelegt. Er möchte sich auf Sozialrecht zunächst beschränken und hat gesagt, Arbeitsrecht sei zunächst an den Universitäten ausreichend vertreten. Bei der rechtsvergleichenden Arbeit werden selbstverständlich arbeitsrechtliche Aspekte einbezogen. Vorgesehen sind 10–12 Mitarbeiter, also ein kleines Institut.120
Im Hinblick auf die Arbeit der Projektgruppe stellte der Senat fest, dass »die vorliegenden ersten Arbeitsergebnisse und die sich abzeichnenden Forschungsansätze der Gruppe sowohl von einem international besetzten Fachbeirat als auch von einer Kommission der Geisteswissenschaftlichen Sektion […] außerordentlich positiv beurteilt worden« seien.121 119 Niederschrift der 92. Sitzung des Senates vom 16.3.1979 in Berlin, AMPG , II . Abt., Rep. 60, 92. SP. 120 Stenographische Notizen der 92. Sitzung des Senates vom 16.3.1979 in Berlin, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 92. SP. 121 Ebd.
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Kommission und Sektion empfahlen daher »einmütig die Fortführung dieser Arbeiten in einem neu zu gründenden Max-Planck-Institut«:122 Die Erforschung dieses Rechtsgebietes, insbesondere die rechtsvergleichende Erforschung seiner sozialen und normativen Grundlagen, ist eine unbestritten aktuelle und notwendige Aufgabe der Wissenschaft. Diese Aufgabe kann von den Universitäten gegenwärtig nicht in hinreichendem Umfang wahrgenommen werden; weder im Inland noch im Ausland gibt es eine Institution oder spezielle Forschungseinrichtung, die das nationale und das internationale Sozialrecht unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten wissenschaftlich bearbeitet. Die Max-Planck-Gesellschaft hat hier also eine Lücke zu füllen; in dieser Erkenntnis ist seinerzeit die Projektgruppe gegründet worden, und aus den gleichen Gründen wird nunmehr die Übernahme der Gruppe als ständige Forschungseinrichtung empfohlen.123
Auf seiner 93. Sitzung beschloss der MPG -Senat am 10. Mai 1979, dass München Standort des MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht sein solle.124 Nach Gesprächen mit Professor Zacher sei dieser zur Übernahme der Leitung des Instituts nur bei einer Ansiedlung in München bereit. Herr Zacher habe überzeugend dargelegt, dass auf dem relativ neuen Gebiet des Sozialrechts eine enge Verbindung zur rechtswissenschaftlichen Fakultät einer großen Universität notwendig sei, um einmal qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs zu gewinnen, zum anderen den Mitarbeitern den Weg in eine Hochschullaufbahn offenzuhalten. Inzwischen habe sich die Universität München mit Zustimmung des Bayerischen Kultusministeriums bereit erklärt, Herrn Zacher bei verminderter Lehrbelastung auf dem Lehrstuhl für Verfassungsrecht und öffentliches Recht zu belassen. Da Herr Zacher nach seinem vor wenigen Jahren erfolgten Umzug nach München auch eine erneute Umsiedlung seiner großen Familie mit schulpflichtigen Kindern scheue, ein anderer qualifizierter Leiter jedoch nicht zur Verfügung stehe, könne das Vorhaben mit ihm nur in München verwirklicht werden.125
Zwischen der LMU und Zacher wurde nach dessen Berufung zum Instituts direktor, die seitens der MPG im Umfang einer vollen C4-Stelle dotiert wurde,126 ein Lehrdeputat von fünf Semesterwochenstunden vereinbart.127 In Anbetracht der Institutsgründung reichten die für die Projektgruppe genutzten Räume nicht mehr aus. Nach Umbaukosten von 100.300 DM128 bezog das Institut 1982 neue Räumlichkeiten im vierten und fünften Obergeschoss der Leopoldstraße 24; auch diese Räume waren noch im Einzugsgebiet der LMU gelegen. Das neue 122 Ebd. 123 Ebd. 124 Niederschrift der 93. Sitzung des Senates vom 10.5.1979 in Mainz, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 93. SP. 125 Ebd. 126 AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4066, fol. 234. 127 Ebd., fol. 167, 220. 128 AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4065, fol. 372.
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Domizil war in einem im Stil der Nachkriegsmoderne ursprünglich für eine Versicherung errichteten Bau untergebracht, der auch das MPI für psychologische Forschung und den Rest der inzwischen geschlossenen, zuvor in Starnberg wirkenden Arbeitsgruppe um Jürgen Habermas beherbergte. Am 3. Juni 1982 wurde das Institut in den neuen Räumlichkeiten mit einem großen Festakt eröffnet. Theodor Tomandl (Universität Wien) hielt die Festansprache: »Auf den Spuren der Evolution des Sozialrechts«.129 Wichtige Repräsentanten der bundesdeutschen und bayerischen Sozialgerichtsbarkeit und Sozialversicherung fanden sich im Institut ein. Der Empfang war nicht mehr von der im deutschen Wissenschaftsbetrieb damals noch vorherrschenden Kärglichkeit bestimmt, sondern orientierte sich an den bei Unternehmensempfängen üblichen gehobenen kulinarischen Standards – ganz so, als ob nicht nur ein Neubeginn, sondern zugleich und vor allem eine diesen ermöglichende, erfolgreich bestandene Vorbereitungsphase zu feiern gewesen wäre.130
3.
Institut unter Zacher (1979–1990)
3.1
Neue Horizonte und Wahrnehmungen
1982 bezeichnete das Wort »Tendenzwende« die zunächst geforderte und angesichts wachsender wirtschaftlicher und sozialer Nöte schließlich auch praktizierte Abkehr von den »inneren Reformen« und damit verbundenen sozialpolitischen Veränderungen. Das Bewusstsein um die ökologische Krise der Industriegesellschaft und deren daraus erwachsende Bedrohung entstand und wuchs; Nachhaltigkeit wurde zur neuen Leitidee. Die auf die Rüstung der Sowjetunion erfolgende militärische »Nachrüstung« der US -Armee mit atomaren Sprengköpfen in Europa vertiefte die Spaltung Europas und der Welt; gleichzeitig lockerte sich durch politische und ökonomische Kooperation der Ost-WestGegensatz behutsam auf. Der Neoliberalismus (Hayek) gewann in den USA unter Präsident Ronald Reagan und im Vereinigten Königreich unter Premierministerin Margret T hatcher intellektuell an Boden und politisch an Einfluss. Er formulierte eine weltweit Anklang findende Fundamentalkritik am Wohlfahrtsstaat; der einst als befreiend empfundene Sozialstaat wurde unter diesem Einfluss nun als erdrückende Last wahrgenommen.
129 Vgl. Berichte über die Eröffnung im Kölner Stadtanzeiger vom 4. Juni 1982 und der Süddeutschen Zeitung vom 5. Juni 1982. 130 Den Gästen wurde ein von dem Münchener Feinkosthändler Käfer beschicktes Bankett geboten: 650 Kanapees und 48 Flaschen Würzburger Stein nebst Säften und Wasser für einen Gesamtpreis von 3.547,58 DM – getragen aus den von der Generalverwaltung bereit gestellten Mitteln, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4066, fol. 9.
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3.1.1 Grundfrage des Sozialrechts – nationalstaatlich präformiert oder international geformt?
Ein zentrales Thema – das durch den internationalen Auftrag des Instituts vorgezeichnet war – lautete: Ist die Beziehung zwischen Nationalstaat und Sozialstaat akzidentiell oder essentiell? Anders formuliert: Findet der Nationalstaat in dessen Sozialstaat seinen genuinen – weil dessen »Nationalcharakter« symbolisierenden – Ausdruck oder wird dessen Gehalt durch internationale Normen maßgebend bestimmt, so dass die sozialrechtlichen Unterschiede zwischen den Nationalstaaten eher technischer, denn prinzipieller Natur sind? Falls letzteres zuträfe: Beschränkt sich angesichts dessen die Rolle des Nationalstaats darauf, das internationale Programm in eigener Verwaltungs- und Finanzzuständigkeit zu verwirklichen? Auf diese Frage eine abschließende Antwort zu geben, war zwar niemals die Absicht des Instituts, sondern wurde 1990 von anderen übernommen.131 Das Institut schuf aber in seinen vielfältigen Untersuchungen über die internationalen Einwirkungen auf und internationale Verknüpfungen von Sozialrecht im Rahmen der europäischen Rechtssetzung und des weltweiten Wirkens internationaler Organisationen die Voraussetzungen dafür.132 131 Gøsta Esping-Andersen: The Three Worlds of Welfare Capitalism. Cambridge, MA 1990. 132 Vgl. zur weiteren Entwicklung des Instituts dessen Berichte in den Jahrbüchern der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1980. Göttingen 1980, 756; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1981. Göttingen 1981, 765; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1982. Göttingen 1982, 765; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1983. Göttingen 1983, 813; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1984. Göttingen 1984, 896; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1985. Göttingen 1985, 833; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1986. Göttingen 1986, 870; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1987. Göttingen 1987, 932; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1988. Göttingen 1988, 803. Desgleichen Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1989. Göttingen 1989, 820; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1990. Göttingen 1990, 868; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1991. Göttingen 1991, 545; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1992. Göttingen 1992, 557; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1993. Göttingen 1993, 652; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1994. Göttingen 1994, 625; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1995. Göttingen 1995, 641; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1996. Göttingen 1996, 697; Max-Planck-Gesellschaft
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Das Institut setzte den Weg fort, den die Projektgruppe beschritten hatte. Anders als die Institute für Privatrecht, Strafrecht oder Völkerrecht gab es keine unmittelbare praktische Zweckbestimmung und keine unmittelbaren Ansprechpartner oder Nachfrage aus Politik, Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Schon mit der Institutsgründung entstand der Plan für ein »Handbuch der mit dem ausländischen, supranationalen und internationalen Sozialrecht befassten Stellen der Bundesrepublik Deutschland«,133 das der sozialrechtlichen Praxis den Zugang zu allen Fragen und Antworten des internationalen Sozialrechts erschließen helfen sollte. Mit fortschreitender Etablierung stellten sich die Kontakte mit der Rechtspraxis zwar zunehmend ein, aber sie blieben projektbezogen und punktuell. Die regionale, nationale und internationale Ausstrahlung des Instituts wuchs im Laufe der Jahre. Schon frühzeitig kamen Wissenschaftler*innen aus der Volksrepublik Polen und anderen staatssozialistischen Ländern als Besucher*innen an das Institut. Auch die Kontakte nach Ostasien entwickelten sich im weiteren Fortgang schnell und dauerhaft. 3.1.2 Ausgriff auf neue Weltgegenden und die Welt
Nach Errichtung des Instituts erarbeitete dieses mehrere systematische Darstellungen von Sozialrechten von Staaten Nordamerikas – namentlich Kanadas134 und der USA135 – ferner von Kenia,136 Südkorea137 und Taiwan138 und stellte sie in Publikationen der Öffentlichkeit vor. Sie weiteten beträchtlich den geo graphischen Horizont aus. Die tatkräftig untersuchte Frage nach dem Sozialrecht in »Entwicklungs ländern« machte bewusst, dass es in anderen Weltgegenden und Staaten anderen wirtschaftlichen Entwicklungsgrades Bestrebungen hin zu einer sozialen
133 134 135 136 137 138
zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1997. Göttingen 1997, 713; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1998. Göttingen 1998, 781; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1999. Göttingen 1999, 845; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2000. Göttingen 2000, 849; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2001. Göttingen 2001, 797; Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.): Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2002. Göttingen 2002, 787. AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4065, fol. 51. Eberhard Eichenhofer: Sozialrecht Kanadas. Baden-Baden 1984. Eberhard Eichenhofer: Recht der sozialen Sicherheit in den USA . Baden-Baden 1990. Maximilian Fuchs: Soziale Sicherheit in der Dritten Welt. Baden-Baden 1985. Kwang Seok Cheon: Das Recht der sozialen Sicherheit und seine verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Republik Korea. Bd. 8. Baden-Baden 1990. Ming-Cheng Kuo: Alterssicherung in Taiwan (Republik China): Grundprobleme sozialer Sicherung in einem jungen Industriestaat. Bd. 10. Baden-Baden 1990.
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Sicherheit gibt, die den in den Industriestaaten verbreiteten Formen nachstreben, es aber zugleich Alternativen zu den in Europa etablierten Sozialrechten gibt. Ethnologie und Rechtssoziologie waren zunehmend notwendig, und die Kooperation mit diesen Fächern konnte in mehreren gemeinsamen Konferenzen und Forschungsvorhaben gepflegt werden. Sie halfen, das prekäre und schwierig zu bestimmende Wechselverhältnis von formellen rechtlich geregelten Institutionen der modernen Wirtschaftsordnung – welche die soziale Sicherung als Teil einschloss – und die informellen, jenseits des Rechts ablaufenden Lebensformen in ihrer Differenz wie ihrem Zusammenwirken besser zu verstehen.139 Unter maßgeblicher Beteiligung des Instituts tagte der International Council on Social Welfare 1988 vom 31. Juli bis 4. August in West-Berlin. Er widmete sich der Thematik: »Law, Social Welfare, Social Development«. Sozialrechtliche Institutionen in einzelnen Regionen (Lateinamerika, Philippinen140 und Afrika) fanden besondere und gezielte Aufmerksamkeit, aber auch die Grundfrage nach den Bedingungen sozialer Sicherheit in den Entwicklungsländern wurde behandelt.141 Die gewonnenen Einsichten in die informellen Wirtschaftskreisläufe öffneten den Blick auf die soziologische Seite sozialer Sicherheit. Eine umfassende Sicht auf die weltweite Gestaltung des Rechts der sozialen Sicherheit erbrachte die Dissertation des seit 1977 als wissenschaftlicher Mitarbeiter wirkenden Peter A. Köhler über Sozialpolitische und sozialrechtliche Aktivitäten in den Vereinten Nationen.142 Die Untersuchung machte die Vereinten Nationen (UN) als Akteurin einer auf Friedenssicherung und den Schutz der Menschenrechte umfassend zielenden internationalen Organisation sichtbar. In den Kreis der international geschützten Menschenrechte zählen auch die sozialen Menschenrechte auf soziale Sicherheit, Fürsorge, Arbeit, Bildung, Gesundheit und Kultur.143 Die Bemühungen waren insgesamt auf das »Völkerrecht der Solidarität« ausgerichtet.
139 Franz Benda-Beckmann et al. (Hg.): Between Kinship and the State. Social Security and Law in Developing Countries. Dordrecht 1988. 140 Frank Hirtz: Managing Insecurity. State Social Policy and Family Networks in the Rural Philippines. Dissertation. Bielefeld 1989. 141 Maximilian Fuchs, Soziale Sicherheit in der Dritten Welt, 1985; Edda Blenk-Knocke: Zu den soziologischen Bedingungen völkerrechtlicher Normenbefolgung. Die Kommunikation von Normen. Bd. 40. Ebelsbach 1979. 142 Peter A. Köhler: Sozialpolitische und sozialrechtliche Aktivitäten in den Vereinten Nationen. Bd. 4. Baden-Baden 1987. 143 Art. 22–29 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948, vgl. vor allem den 1966 von der UN verabschiedeten Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
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Eberhard Eichenhofer
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Entwicklung des Internationalen Sozialrechts
3.2.1 Internationale Verflechtungen auf dem Gebiet des Sozialrechts
Mit der wachsenden internationalen Standardisierung des Sozialrechts der Staaten – vornehmlich durch internationale Menschenrechte als Prinzipienerklärungen und insbesondere im Rahmen von Internationaler Arbeitsorganisation (IAO)144 und Europarat145 – wuchsen auch die internationalen Verflechtungen auf dem Gebiet sozialer Sicherheit. Sie wurden durch IAO -Übereinkommen und bilaterale völkerrechtliche Verträge hervorgebracht146 und fanden seit Bestehen der EWG für ihre Mitgliedstaaten in den Normen des europäischen Rechts ihren Ausdruck.147 Projektgruppe und Institut nahmen sich seit Anbeginn der damit verbundenen Fragen europäischen und internationalen Rechts an. Der von Anfang an zur Projektgruppe gehörende wissenschaftliche Referent Bernd Schulte148 hat durch eine Fülle von Schriften das europäische Recht und darunter vor allem das europäische koordinierende – das heißt die materiellen
144 Hans F. Zacher (Hg.): Internationales und Europäisches Sozialrecht. Eine Sammlung weltweiter, europäischer, völkerrechtlicher und supranationaler Quellen und Dokumente. Percha 1976; Pierre Laroque: Problèmes internationaux de sécurité sociale 1. Revue internationale du travail 46/1 (1952), 1–32; Pierre Laroque: Problèmes internationaux de sécurité sociale 2. Revue internationale du travail 46/2 (1952), 127–159. 145 Zacher, Internationales und Europäisches Sozialrecht, 1976; Laroque, Problèmes internationaux 1, 1952, 1–32; Laroque, Problèmes internationaux 2, 1952, 127–159. 146 Eberhard Eichenhofer: Internationales Sozialrecht. München 1994; Internationale Arbeitsorganisation: Übereinkommen und Empfehlungen 1919–1966. Genf 1966; Nicolas Valticos: International Labour Law. Deventer 1979. 147 Bernd Schulte: Europäische Sozialpolitik – Eine Zwischenbilanz. Anmerkungen zur Diskussion um die Formulierung einer gemeinschaftlichen Sozialpolitik in der EG . Sozialer Fortschritt 35/1 (1986), 1–13; Bernd Schulte: Das Recht auf ein Mindesteinkommen in der Europäischen Gemeinschaft. Nationaler Status quo und supranationale Initiativen. Sozialer Fortschritt 40/1 (1991), 7–23; Bernd Schulte: Politik der Armut. Internationale Perspektiven. In: Stephan Leibfried und Florian Tennstedt (Hg.): Politik der Armut und die Spaltung des Sozialstaats. Frankfurt am Main 1985, 383–426; Bernd Schulte: Das »Europäische Sozialmodell« zwischen Realität und Normativität. In: Ulrich Becker, Hans Günter Hockerts und Klaus Tenfelde (Hg.): Sozialstaat Deutschland. Geschichte und Gegenwart. Bonn 2010, 171–195; Bernd Schulte: Abstimmung der Ziele und Praktiken des Sozialschutzes in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Sozialgemeinschaft? Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch 30/6 (1991), 281–299. 148 Vgl. Schultes Berichterstattung über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Sozialrecht im von Georg Wannagat seit 1979 herausgegebenen Jahrbuch des Sozialrechts der Gegenwart sowie im Band Soziale Sicherheit in der EG. Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72. 3. Aufl. München 1997, in dem zunächst die einschlägigen Bestimmungen abgedruckt und erläutert wurden; vgl. Eberhard Eichenhofer: Bernd Schulte – ein Entdecker des Europäischen Sozialrechts. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 30/1 (2016), 21–35.
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Rechte der Mitgliedstaaten zwischenstaatlich miteinander verflechtende – Recht sozialer Sicherheit dargestellt und öffentlichkeitswirksam verbreitet. Weitere am Institut seit 1982 wirkende Referenten – Eberhard Eichenhofer,149 Otto Kaufmann150 und Rolf Schuler151 – bemühten sich um eine theoretische Grundlegung des sozialrechtlichen Kollisions- und Koordinationsrechts. Sie begriffen dieses zwar als Teil des Internationalen Verwaltungsrechts, zeigten aber zugleich seine thematischen wie konzeptionellen Verbindungen zum Internationalen Privatrecht auf und zeichneten diese nach. 3.2.2 Internationales Sozialrecht und Internationales Privatrecht
Die 1987 angenommene Saarbrücker Habilitationsschrift Internationales Sozialrecht und Internationales Privatrecht Eichenhofers nimmt ihren Ausgang bei der Feststellung, dass Arbeit, Familie und Schadensausgleich Materien sind, welche durch das Sozial- wie Privatrecht geregelt werden. In zahlreichen Zusammenhängen folgten daraus Konkurrenz- wie Präjudizialitätslagen zwischen beiden Rechtsgebieten. Die Untersuchung verfolgt danach die Frage, wie diese Lagen in grenzüberschreitenden Fällen normiert werden. Hieran wird das Zusammenspiel Internationalen Privat- und Sozialrechts sichtbar etwa im Hinblick auf die Frage, welche Folgen aus polygamen Ehen für die Witwenversorgung152 (vgl. § 34 II Sozialgesetzbuch (SGB) I) entstehen und ob eine solche bei hinkenden Ehen153 geschuldet ist. Schließlich klärte die Arbeit die Verwandtschaft zwischen Internationalem Privatrecht und Internationalem Sozialrecht als Kollisionsrecht des privaten und öffentlichen Rechts. Während jenes durch allseitige Kollisionsnormen bestimmt werde, beruhe dieses auf einseitigen Kollisionsnormen und bewirke die Sicherung der internationalen Wirkungen nationalen Sozialrechts durch Äquivalenzregeln als spezielle Sachnormen für internationale Sachverhalte.154 149 Eberhard Eichenhofer: Internationales Sozialrecht und internationales Privatrecht. Baden-Baden 1987; Eberhard Eichenhofer: Auf der Suche nach dem Internationalen Sozialrecht, . Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 36/1 (2022), 5. 150 Otto Kaufmann: La sécurité sociale dans les relations entre la France et les pays d’Afrique au sud du Sahara. Dissertation. Paris 1989. 151 Rolf Schuler: Das internationale Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland. Grund lagen und systematische Zusammenschau des für die Bundesrepublik Deutschland geltenden internationalen Sozialrechts. Bd. 7. Baden-Baden 1988. 152 Reutlinger Generalanzeiger vom 29.8.1986 153 BVerfGE 62, 322. 154 Eine erste Positionsbestimmung in diesem Fragenkomplex gab Bernd Baron von Maydell: Sach- und Kollisionsnormen im internationalen Sozialrecht. Berlin 1971; dazu Eberhard Eichenhofer: Kollisionsnormen und Sachnormen im Internationalen Sozialrecht. In: Winfried Boecken, Franz Ruland und Heinz-Dietrich Steinmeyer (Hg.): Sozialrecht und Sozialpolitik in Deutschland und Europa. Festschrift für Bernd Baron von Maydell. Neuwied 2002, 203–218.
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3.2.3 Das Internationale Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland
Rolf Schulers Tübinger Dissertation Das Internationale Sozialrecht der Bundes republik Deutschland bildet die umfassende, um die völker- wie kollisionsrechtliche Grundlegung erweiterte Nachzeichnung des in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Internationalen Sozialrechts. Sie war als das einschlägige »Handbuch« zur Thematik angelegt und erfüllte diesen Anspruch. Die Untersuchung erfasst sämtliche Zweige des deutschen Sozialrechts – insbesondere der Einrichtungen sozialer Vorsorge, Entschädigung, Förderung und Hilfe – und schildert deren Regelungsgehalt auf der die Materie prägenden europarechtlichen Grundlage. Otto Kaufmanns Pariser Dissertation in französischer Spra che zeichnet das Internationale Sozialrecht Frankreichs nach und schildert vor allem das Beziehungsgeflecht zwischen Frankreich und den westafrikanischen Staaten. Wegen der zunehmenden Verflechtung von Sozialrecht und Privatrecht erlangten auch die bei grenzüberschreitenden Minderjährigen-Adoptionen sich stellenden Fragen des Internationalen Familienrechts durch das Institut Beachtung. Die wissenschaftliche Referentin Eva-Maria Hohnerlein schrieb ihre Saarbrücker Dissertation über die de jure- wie die de facto-Adoption von Kindern aus der »Dritten Welt« und die Voraussetzung von deren Anerkennung in Deutschland und weiteren europäischen Staaten.155 3.3
Komplexe Verflechtungen zwischen Privat- und Sozialrecht – Versorgungsausgleich als Bewährungsprobe
Der 1977 zeitgleich in Deutschland und Kanada geschaffene Versorgungsausgleich – wodurch bei Auflösung einer Ehe die in der Ehezeit von beiden Ehegatten erworbenen Altersvorsorgerechte zu gleichen Teilen geteilt werden – war eingehender Gegenstand der Untersuchung und eines viel beachteten, 1984 in Tutzing veranstalteten Kolloquiums mit Praktikern, Familienrechtlern und Spezialisten des Internationalen Privatrechts. Damit war das Bemühen verbunden, die nach Einführung offenkundig und praktisch gewordenen internationalen Fragen des Versorgungsausgleichs näher zu untersuchen.156 Die Analyse der verschiedenen Formen von Versorgungsausgleich und deren Behandlung im Internationalen Recht beförderte auch die damals ebenfalls intensive Erschließung des internationalen Sozialrechts (als dessen Kollisions- und Koordinationsrechts) und dessen vergleichende Würdigung mit dem internationalen Privatrecht. 155 Eva-Maria Hohnerlein: Internationale Adoption und Kindeswohl. Die Rechtslage von Adoptivkindern aus der Dritten Welt in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Bd. 12. Baden-Baden 1991. 156 Hans F. Zacher (Hg.): Der Versorgungsausgleich im internationalen Vergleich und in der zwischenstaatlichen Praxis. Colloquium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht. Tutzing 1984. Berlin 1985.
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Das Kolloquium präsentierte den ersten internationalen Gesamtüberblick über die damals weltweit für den Versorgungsausgleich entstehenden und bestehenden Rechte. Es identifizierte des Weiteren seine kollisions- und koordinierungsrechtlichen Fragen. Sie stellten sich im Hinblick auf dessen Erstreckung auf ausländische Anwartschaften und die dafür angemessenen Rechtsnormen. Ein weiterer Schwerpunkt der Erörterungen galt der Frage, inwieweit der Versorgungsausgleich angemessen in die bestehenden Regeln des Internationalen Eherechts – speziell des Unterhalts-, Güter- und Scheidungsrechts – eingeordnet werden könnte oder ob er im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Formung der aufzuteilenden Rechte losgelöst von den Grundregeln des internationalen Rechts der Altersvorsorge – namentlich des Internationalen Rentenversicherungsrechts entwickelt werden sollte. Die weitere Rechtsentwicklung157 hat inzwischen zu einer Normsetzung geführt, welche der öffentlich-rechtlichen Formung der auszugleichenden Rechte gebührend Rechnung trägt. Das Institut erstellte auch für die Sozialversicherung der USA im Rahmen von deren Planungen, die Einführung eines Versorgungsausgleichs (earning share) im US -amerikanischen Recht zu erwägen, eine vergleichende Studie über die Wirkungen des Versorgungsausgleichs in Deutschland und Kanada.158 3.4
Standort des Sozialrechts in der Rechtsordnung und Binnensystematik
3.4.1 Internalisierung und Externalisierung
Weitere Einsichten und Präzisierungen steuerte Zacher zur Entschlüsselung der Binnensystematik des Sozialrechts bei. Dieses war ihm inzwischen das »Recht, das durch seinen sozialen Zweck geprägt ist«.159 »Die Geschichte der ›sozialen Frage‹ wurde […] zu einer Geschichte einer unendlichen Proliferation von Besser-Schlechter-Relationen.«160 Den Sozialstaat leiteten vier Postulate: allen das menschenwürdige Existenzminimum zu gewährleisten, Ungleichheiten unter den Menschen abzubauen, den einzelnen gegen die Wechselfälle des Lebens zu sichern, die Lebensgüter für alle zu mehren und eine allgemeine Teilhabe daran zu verwirklichen.161 157 Art. 17 Abs.3 EGBGB hat schließlich die sozialrechtliche Qualifikation und Anknüpfung des Versorgungsausgleichs erbracht und überwand damit frühere Ansätze, den Versorgungsausgleich als Teil des Unterhalts-, Güterrechts- oder Scheidungsstatuts zu qualifizieren. 158 Hans-Joachim Reinhard: US -amerikanische Altersrenten im Versorgungsausgleich. In: Stamatia Devetzi und Constanze Janda (Hg.): Freiheit – Gleichheit – Sozial(es) Recht. Festschrift für Eberhard Eichenhofer. Baden-Baden 2015, 528–539. 159 Hans F. Zacher: Grundtypen des Sozialrechts (1987). In: Bernd Baron von Maydell und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 1993, 257–278. 160 Ebd., 259. 161 Ebd., 259.
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Dem Sozialstaat gereiche die Arbeitsgesellschaft zur konzeptionellen wie begrifflichen Voraussetzung. Jener wie diese fänden in der Annahme ihren Ausgangspunkt, »dass jeder Erwachsene die Möglichkeit haben soll und auch darauf verwiesen ist, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie (den Ehegatten und die Kinder) durch (abhängige oder selbständige) Arbeit zu verdienen«.162 Der Sozialstaat sei daher auf die ihn mitbestimmenden drei Wirkungsfelder von Arbeit und Einkommen, Bedarfsdeckung und den Unterhaltsverband verwiesen.163 Das dabei zugrunde gelegte Familienmodell beruhte auf der traditionellen Annahme einer Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern (male breadwinner model), in dem die unentgeltliche Familienarbeit – Kindererziehung, Pflege und Betreuung – der Frau zufalle und der Mann im Gegenzug Frau und Kind durch den familienrechtlichen Unterhalt zu sichern habe. Der sozialstaatliche Schutz könne entweder in den Wirkungsfeldern selbst – namentlich im Rahmen von Arbeit und Einkommenserzielung – mithin »internalisierend« gewährleistet werden; der Schutz könne aber auch von diesen Lebensverhältnissen unabhängig und eigenständig »externalisierend« durch Sozialrecht gewährleistet werden. »Nur in den Sozialleistungssystemen tritt der soziale Zweck isoliert, jedenfalls konstitutiv hervor.«164 Der Schutz zeichne sich durch eine große Vielfalt aus. Neben die Unterscheidung von internalisierendem und externalisierendem Ansatz träten diejenigen zwischen der vorgeschichtsabhängigen und einer situationsbezogenen sowie einer an abstrakten oder konkreten Bedarfslagen orientierten Intervention.165 3.4.2 Verwaltung von und im Sozialrecht
Erste Studien zur Stellung von Sozialarbeit in Frankreich166 und England167 machten diese als professionalisierte und institutionelle Form von Verwaltung im Spannungsfeld zwischen Klientenerwartungen und öffentlichem Auftrag sichtbar. Sie verdeutlichten das weite und höchst differenzierte Feld sozialrechtlicher Intervention, die von berufsrechtlichen Regeln geformt und überformt ist. Weitere Studien der wissenschaftlichen Referenten Thomas Simons,168 Michael
162 163 164 165
Ebd., 259. Ebd., 260. Ebd., 264. Ebd., 266–268. Hans F. Zacher: Sozialrecht und Gerechtigkeit (1988). In: Bernd Baron von Maydell und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 1993, 308–326, 308, 313 ff. 166 Armin Hörz: Die Rechtsstellung des Sozialarbeiters in Frankreich. Bd. 10. Berlin 1983. 167 Rolf Haberkorn: Die Rechtsstellung des Sozialarbeiters in England. Bd. 9. Berlin 1983. 168 Thomas Simons: Verfahren und verfahrensäquivalente Rechtsformen im Sozialrecht: Rechtsvergleichende Untersuchung der Ordnungsformen der Leistungsabwicklung im Sozialrecht am Beispiel des deutschen und des italienischen Rechts. Bd. 3. Baden-Baden 1985.
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Faude169 und Gerhard Igl170 zeigten für das Sozialverwaltungsrecht das Zusammenspiel von verwaltungs- und privatrechtlichen Rechtsinstitutionen auf. Thomas Simons machte in seiner Münchener Dissertation die Tragweite des Verfahrensrechts für die Realisierung von Sozialleistungsansprüchen am deutschen und italienischen Recht deutlich. In weiten Zweigen prägt Sozialrecht der Konsens und darin den Vertragsverhältnissen ähnelnden Strukturen. Bei der Zurechnung sozialrechtlicher Einstandspflichten erweisen sich – ähnlich wie im bürgerlichen Haftungsrecht – Verursachung und Verschulden als haftungsbegründende wie haftungsbegrenzende Bestimmungsgrößen. Michael Faude untersuchte in seiner Münchener Dissertation umfassend für das Leistungs- und Beitragsrecht die Rolle des Verschuldens – namentlich als Leistungsausschluss oder als Mitwirkungsobliegenheiten des Sozialleistungsberechtigten. Schließlich wurde aufgezeigt, wie private Dienstleistung und sozialrechtliche Ermöglichung von Diensten zusammenhängen. Dem ging Gerhard Igl nicht nur für die Krankenversorgung nach, sondern auch für die sich in Entwicklung befindlichen sozialrechtlichen Pflege- und Betreuungsverhältnisse und damit symptomatisch für das gesamte Recht der Sozialleistungserbringung. Er veranschaulichte dies auch im Hinblick auf eine zu entwickelnde sozialrechtliche Infrastruktur ambulanter und stationärer Pflege, die rechtspolitischer Gestaltung bedarf, so dass soziale Dienste auf den Märkten angeboten und mittels sozialrechtlicher Honorierung unter die Steuerungs- und Formungskompetenz des sie ermöglichenden Sozialstaats geraten. 3.4.3 Alterssicherung und Schutz bei Pflegebedürftigkeit als Gegenstand internationalen Vergleichs
Ende der 1980er Jahre wurde die Alterssicherung weltweit als große sozial-, wirtschafts- und finanzpolitische Herausforderung wahrgenommen. Eine steigende Lebenserwartung der älteren, rentenbeziehenden Generation stand einer sinkenden Zahl nachwachsender Jahrgänge gegenüber, die demgemäß eine höhere Alterssicherungslast als frühere Generationen auf sich zukommen sahen. Das Institut führte daher ein größeres Untersuchungsvorhaben über die »Alters sicherung im Rechtsvergleich«171 durch. Konzentriert auf das Recht der »Industriestaaten« (Belgien, Bundesrepublik Deutschland, DDR , Frankreich, Italien, Kanada, Niederlande, Schweden, Spa169 Michael Faude: Selbstverantwortung und Solidarverantwortung im Sozialrecht: Strukturen und Funktionen der sozialrechtlichen Relevanz des Selbstverschuldens des Leistungsberechtigten. Bonn 1983. 170 Gerhard Igl: Pflegebedürftigkeit und Behinderung im Recht der sozialen Sicherheit: Eine rechtsvergleichende Untersuchung für die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich. Bd. 5. Baden-Baden 1987. 171 Hans F. Zacher, Cornelius Mager und Eberhard Eichenhofer (Hg.): Alterssicherung im Rechtsvergleich. Bd. 11. Baden-Baden 1991.
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nien, USA und Vereinigtes Königreich) wurden die gesetzlich geregelte öffentliche Alterssicherung unter Einschluss der Hilfe- und Entschädigungssysteme sowie Ermittlungen über deren ökonomische Bedeutung erstmals weltweit erschlossen und einander gegenübergestellt. Die Studie zeichnete Alterssicherung als komplexe und differenzierte Aufgabe des Sozialstaats nach, für deren Bewältigung unterschiedliche Leitprinzipien maßgebend wurden. Unter maßgeblicher Beteiligung des Instituts hatte auch der Deutsche Sozialgerichtsverband172 1987 am Vorabend der Einführung der Pflegeversicherung in Deutschland eine rechtsvergleichende Tagung über den sozialen Schutz bei Pflegebedürftigkeit in einigen der Bundesrepublik Deutschland nahen Staaten – darunter der DDR – veranstaltet und damit der innenpolitischen Debatte eine rechtsvergleichende Basis geschaffen und mögliche Lösungsansätze unterbreitet. 3.4.4 Zivilrecht und Sozialrecht
Maximilian Fuchs – nach Übernahme einer Professur an der Universität Bamberg und danach an der Universität Erlangen – habilitierte sich an der LMU im Wintersemester 1990/91 mit einer von Dieter Medicus und Hans F. Zacher betreuten Arbeit zum Verhältnis von »Zivilrecht und Sozialrecht«.173 Die Unter suchung offenbart die Versicherung als gemeinsames Fundament des privaten und öffentlichen Versicherungswesens, schildert die sozialstaatliche Transformation des Zivilrechts – besonders die Entwicklung des Arbeitsrechts als Sonderprivatrecht –, enthüllt den vermögensrechtlichen Gehalt der Leistungsansprüche der Sozialversicherung und beschreibt schließlich die verschiedenen Dimensionen einer wechselseitigen Kooperation von Zivilrecht und Sozialrecht. Sie zeigen sich gerade im Kontext der Einkommenserzielung und Bedarfsdeckung, dem Ausgleich von Personenschäden, im familiären Unterhaltsverbund und im Rahmen des Erbganges, die durch die sozialversicherungsrechtlichen Institutionen der Hinterbliebenenversicherung ergänzt und umgeben werden. Gisela Schatte wurde 1989 durch die Freie Universität Berlin mit einer am Institut verfassten Dissertation über Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im kanadischen Familien- und Sozialrecht promoviert und Eva-Maria Hohnerlein nahm Studien über den sozialen Schutz und die soziale Sicherung der »unvollständigen Familien«174 auf.
172 Deutscher Sozialrechtsverband (Hg.): Soziale Sicherung bei Pflegebedürftigkeit. Bestandsaufnahme und Reformbestrebungen. Wiesbaden 1987. 173 Maximilian Fuchs: Zivilrecht und Sozialrecht. Recht und Dogmatik materieller Existenzsicherung in der modernen Gesellschaft. München 1992. 174 Tätigkeitsbericht 1988/9 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 974, Maschinenschrift o. J., vgl. auch Eva-Maria Hohnerlein: Schwarzmarkt für Adoptivkinder blüht. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.5.1989..
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Gerechtigkeit des Sozialrechts
Seitdem die Untersuchungen von John Rawls175 den sozialstaatlichen Gegenstand systematischer Umverteilung als Grundfrage zeitgenössischer Gerechtigkeit thematisierten, war auch die Frage virulent geworden, welche Querverbindungen zwischen der Sozialphilosophie und der Sozialrechtswissenschaft bestehe. Zacher äußerte sich zu diesen Fragen in der seinem vormaligen Saarbrücker Fakultätskollegen Werner Maihofer aus Anlass von dessen 70. Geburtstag gewidmeten Festschrift unter dem Titel »Sozialrecht und Gerechtigkeit«.176 Wenn die deutsche Nachkriegsverfassung als die »Ordnung der Gleichheit in Freiheit« bestimmt werde, welche die »größtmögliche und gleichberechtigte Wohlfahrt des Einzelnen«177 sichern solle, so sei aus Sicht des Sozialrechts zu fragen, was für dieses daraus folge. Zacher räumte ein: Natürlich ist Gerechtigkeit Motiv, Sinn und Ziel sozialrechtlicher Arbeit. Natürlich ist die Menschenwürde Grund und Grenze allen Sozialrechts.178 […] Recht und Staat können das Soziale nicht bewirken, wenn sie nicht von menschlicher Solidarität getragen und durchdrungen sind.179
Aber die konkrete Einlösung dieser Postulate durch Sozialrecht erwiesen sich als schwierig, komplex und weit weniger glanzvoll als die rechts- und sozialphilosophischen Forderungen klingen: »Die Komplexität des Sozialrechts und die Komplexität der Gerechtigkeit entsprechen einander.«180 Vor diesem Hintergrund sei die soziale Gerechtigkeit aus der Pluralität eines komplexen wie komplizierten Geflechts aus unterschiedlichen Idealen einer Bedarfs-, Leistungs- und Besitzstandsgerechtigkeit zu verstehen.181 3.6
Eine institutseigene Zeitschrift – Die Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS)
Schon nach seiner Gründung hat das Institut für die 1973 begründete sozialrechtliche Archiv-Zeitschrift »Vierteljahreshefte für Sozialrecht« die Mitherausgeberschaft angestrebt und schließlich ab Band 13 (1985) auch übernommen.182 Mit der Verfestigung des Instituts und der Errichtung eines an der Universität 175 John Rawls: A Theory of Justice. Cambridge, MA 1971. 176 Zacher, Sozialrecht und Gerechtigkeit, 1993, 308–326, 308. 177 Werner Maihofer: Prinzipien freiheitlicher Demokratie. In: Ernst Benda, Werner Mai hofer und Hans Jochen Vogel (Hg.): Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. 2. Aufl. Berlin 1994, 427–536, Rdn. 169, 213 ff.; Werner Maihofer: Rechtsstaat und menschliche Würde. Frankfurt am Main 1968, 39 ff., 56 ff. 178 Zacher, Sozialrecht und Gerechtigkeit, 1993, 308–326, 309 ff. 179 Ebd., 310. 180 Ebd., 311. 181 Ebd., 313 ff. 182 AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4066.
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Trier angesiedelten Instituts für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Gemeinschaft reifte der Plan, die laufende Arbeit an beiden zu thematisch verwandten Themen arbeitenden Instituten in Form periodischer Veröffentlichungen zu verdichten und öffentlich sichtbar zu machen. So entstand das ab 1987 verwirklichte Projekt einer »Zeitschrift für Internationales Arbeitsund Sozialrecht« (ZIAS). Sie sollte mittels Abhandlungen, Berichten, Rezensionen und Dokumentatio nen über einschlägige Publikationen – ausweislich des Geleitwortes ihres ersten Heftes – ein deutschsprachiges »Forum für Studien zum ausländischen und internationalen Sozialrecht«183 schaffen. Das Arbeits- und Sozialrecht erfüllten gemeinsam den sozialstaatlichen Auftrag. Dieser habe schon seit jeher eine internationale Dimension aufgewiesen; ZIAS beanspruche, diesem Auftrag durch regelmäßige Berichterstattung und Analyse nachzukommen. Beide sollten sich ihrerseits »als Teil im Ensemble der rechtsdogmatischen Disziplinen«184 verstehen, zu den Grundlagenfächern der Jurisprudenz – Rechtsgeschichte, Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie – Verbindung halten und sich schließlich zu den Sozial- und Humanwissenschaften Verbindungen suchen. 3.7
Innenleben des Instituts
Mit Errichtung des Instituts hatte die Projektgruppe eine Größenordnung erreicht, die auch angesichts der heterogenen Zusammensetzung der Beschäftigten nach einem Betriebsrat verlangte. Einstellungen von Mitarbeiter*innen wurden darin eingehend beraten, desgleichen Zugangsrechte zu und Verteilung von Parkplätzen am Institutsgebäude, welche einige wissenschaftliche Mitarbeiter für sich beanspruchten. Neue Technologien hielten Einzug; die Arbeitstechnik veränderte sich damit. An die Stelle von elektrischen Schreibmaschinen trat der Personal Computer mit Disketten. Beide Medien prägten nun die Arbeitsabläufe im »Schreibdienst«. Die Einführung löste intensive und kontroverse Reaktionen aus; sie kam auch erst nach längerem und zähem Ringen mit dem Betriebsrat zustande. Die Klärung und Lösung neuer Fragen des Datenschutzes und der Sicherung der Beschäftigten vor einer persönlichen Überwachung ihres Arbeitens und der Nutzung elektronischer Medien bestimmten die Diskussion.185 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen gelangten nun erstmals an das Institut. Als neu Hinzugekommene hatten sie sich aber »pflichtschuldigst« hintanzustellen. Ihnen begegnete vereinzelt Ablehnung, Geringschätzung, fehlende Kollegialität und ein erst nach der Ära Zacher einsetzendes größeres Verständnis für die
183 Geleitwort. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 1/1 (1987), 1–22, 1. 184 Ebd., 3. 185 AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4086.
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familiären Aufgaben.186 Die Mobilität am Institut nahm weiter zu. Maximilian Fuchs trat 1983 eine Professur für Arbeits- und Sozialrecht in Bamberg an; er blieb dem Institut aber durch sein 1991 an der LMU München abgeschlossenes Habilitationsverfahren verbunden. Danach übernahm er eine Professur für Privatrecht, Arbeits- und Sozialrecht an der Katholischen Universität EichstättIngolstadt. Gerhard Igl übernahm 1985 eine Professur für öffentliches Recht an der Universität Hamburg, von der er 1996 an die Universität Kiel überwechselte. Thomas Simons ließ sich schon frühzeitig in München als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Internationales Wirtschaftsrecht nieder. Eberhard Eichenhofer übernahm nach seiner Habilitation 1987 an der Universität des Saarlandes 1989 eine Professur für Bürgerliches und Sozialrecht an der Universität Osnabrück, von der er 1997 an die Friedrich-Schiller-Universität Jena wechselte. Rolf Schuler erlangte 1989 die Promotion durch die Universität Tübingen und trat danach in die Sozialgerichtsbarkeit Hessens ein, wo er schließlich das Amt eines Vorsitzenden Richters am LSG einnahm. Ulrich Lohmann übernahm eine Professur für Verwaltungsrecht an der Hochschule für Recht und Verwaltung in Berlin und wechselte dann an die Alice-Salomon-Hochschule Berlin. Der Standort des Instituts war und sollte singulär sein – losgelöst von der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, aber auch hinreichend distanziert von den anderen Bemühungen um Sozialpolitik durch andere Fächer, Institutionen und Wissenschaftseinrichtungen auch derjenigen der MPG. Als wissenschaftlich gelungen galt vor allem, was in einem breiten und »differenzierten«, durch Materialfülle gewichtig und monumental gewordenen Traktat sichtbar gemacht wurde; alles Leichte, Zugespitzte und Filigrane war dagegen suspekt. Zacher hatte im Institut Wissenschaft und Organisation miteinander zu verbinden gelernt; beide faszinierten ihn zusehends in ihrer Verbindung, und die Gremien der MPG boten dafür Gelegenheit. Drittmittelprojekte gab es vereinzelt, so für die US Social Security Administration im Hinblick auf den Versorgungsausgleich, die Europäische Kommission für die Vergleichbarkeit der Erwerbsminderungsdefinition in den verschiedenen EWG -Staaten und eine von der VW-Stiftung geförderte Untersuchung über die soziale Sicherung in den Philippinen.187 Nach Urteil des Mitte der 1990er Jahre in Fachbeirat und Kuratorium aufgenommenen Leuvener Professors für Soziologie und Sozialpolitik Jos Bergh man188 ist dem Institut auf erstaunliche Weise gelungen, seit zwei Jahrzehnten weltweit das einzige seiner Ausrichtung geworden und geblieben zu sein und dabei wichtige Einsichten zur Entwicklung einer Theorie sozialer Rechte geleistet zu haben. Daraus erwuchsen dem Institut in zunehmendem Umfang neue 186 Eva-Maria Hohnerlein: »Unvollständige Familien« Familienformen im Wandel als Gegenstand sozialrechtlicher Forschung, . Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 36/1 (2022), 165. 187 Vermerk vom 16.9.1987, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4066. 188 Jos Berghman: The Max-Planck-Institute as Seen by External Academics. In: MaxPlanck-Gesellschaft (Hg.): Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München. München 1995, 54–59.
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Aufgaben im Hinblick auf die Beratung von sozialpolitischen Institutionen auf allen Ebenen der Sozialgesetzgebung – mit wachsender Tendenz auch auf europäischer Ebene.
4.
Institut unter Bernd Baron von Maydell (1991-2002)
Die 1990er Jahre konfrontierten die deutsche Politik und Gesellschaft mit neuen Herausforderungen. Es standen plötzlich unvorhergesehene Aufgaben an, die zuvor weder für möglich gehalten worden waren, noch mit bekannten Rezepten bewältigt werden konnten. Die deutsche Einheit und – damit verbunden – die Überwindung der deutschen Teilung im Zeichen des westdeutschen Sozialmodells war das Signal zur Überwindung der Spaltung Europas. Die mit den Kopenhagener Kriterien von 1993 begonnene Heranführung der mittel- und osteuropäischen Staaten an die sich erweiternde und vertiefende EG war das beherrschende sozialpolitische Thema jener Jahre. Es bildete sich im Innern damals erneut ein »Reformstau« heraus. Dieser Reformstau galt jedoch nicht der Überwindung neuer Unterprivilegierungen, sondern der Sicherung der sozialen Sicherheit in der Zukunft. Sie galt in ihren Strukturen als überholt, weil nicht nachhaltig, und daher als unzeitgemäß. Die Themen deutsche Einheit und Osterweiterung der EG beanspruchten nun auch die Aufmerksamkeit des Instituts. So nahm das Institut auf Grund schon zuvor begründeter Kontakte nach Ost-Berlin frühzeitig und unmittelbar nach Überwindung der deutschen Teilung Forscher aus Ostdeutschland auf und widmete sich den sozialrechtlichen Folgen der Transformation auch im Blick auf das wiedervereinigte Deutschland.189 In dem Prozess von Transformation und Eingliederung der mittel- und osteuropäischen Staaten in Europarat und EG gewannen deren gegebene und zu schaffende Standards sozialen Schutzes durch Völker- und Europarecht eine besondere Bedeutung. Auch insoweit erlangte die Institutsarbeit nun plötzlich und unversehens eine höchst aktuelle und unmittelbar praktische Bedeutung. 4.1
Ein neuer Direktor: Bernd Baron von Maydell
Nach seiner Wahl zum Präsidenten der MPG konnte und wollte Zacher das Institut nur noch übergangsweise führen. Die Suche nach einem Nachfolger fiel schließlich auf Bernd Baron von Maydell. In dem Berufungsverfahren stellte er einige neue Vorhaben in Aussicht: Das Institut solle sich mehr der angewandten Forschung widmen, sich namentlich den Entwicklungen in Krankenversicherung und Arbeitsförderung stellen und seine Aufmerksamkeit dem Aufbau 189 Süddeutsche Zeitung vom 9.5.1994.
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neuer sozialrechtlicher Strukturen in Mittel- und Osteuropa schenken.190 In der Sitzung der Geisteswissenschaftlichen Sektion der MPG wurde er mit folgender Begründung vorgeschlagen: Er befasse sich – über das deutsche Sozialrecht wie deutsche Sozialpolitik hinaus – auch mit Fragen des internationalen Sozialrechts, wobei sein besonderes Interesse einer Harmonisierung der Regelungen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft gelte. Die von der Kommission befragten Experten aus dem In- und Ausland hätten Herrn von Maydells Sachkenntnis uneingeschränkt bestätigt. Daraufhin habe sich die Kommission einstimmig für diese Berufung ausgesprochen; die Sektion habe sich diesem Votum angeschlossen.191
Seine Berufung erfolgte durch den Senat der MPG am 22. November 1991.192 Bernd Baron von Maydell wurde am 19. Juli 1934 im damaligen estnischen Reval (heute Tallinn) geboren. Seine alteingesessene, »baltendeutsche« Familie wurde nach dem Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 in das damalige Reichsgebiet in den »Warthegau« und nach 1945 nach Hessen vertrieben, wo sie sich unweit der innerdeutschen »Zonen«-Grenze in der Nähe von Eschwege ansiedelte. Er studierte Rechtswissenschaft in Marburg und Berlin und wurde 1960 mit einer völkerrechtlichen Arbeit über »Inhalt und Funktion eines modernen Volksgruppenrechts, dargestellt am Anspruch der Volksgruppen auf eigene Schulen in Deutschland« von der Universität Marburg promoviert. Während seiner in Marburg absolvierten Referendarzeit kam er in einer Wahlstation bei dem damaligen Sozialgerichtsrat – später bis zum Vizepräsidenten des Bundessozialgerichts aufgestiegenen – kriegsblinden Erwin Brocke erstmals mit dem Sozialrecht in praktischen Kontakt. Gleichzeitig war er Assistent von Viktor Weidner. Als dieser von Marburg nach Bonn berufen wurde, begleitete Maydell ihn. 1971 publizierte er eine viel beachtete Untersuchung über die Grundstrukturen des Internationalen Sozialrechts.193 Im Wintersemester 1971/72 habilitierte er sich mit einer Schrift über »Geldschuld und Geldwert«194 an der Universität
190 Berufungsverfahren von Maydell, Gedanken zur zukünftigen Arbeit des Instituts, AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4069. 191 Niederschrift der 128. Sitzung des Senates vom 6.6.1991 in Berlin, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 128. SP. 192 Niederschrift der 129. Sitzung des Senates vom 22.11.1991 in Düsseldorf, AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 129. SP. 193 Maydell, Sach- und Kollisionsnormen, 1971; Bernd Baron von Maydell: Die dogmatischen Grundlagen des inter- und supranationalen Sozialrechts. Vierteljahresschrift für Sozialrecht 1/4 (1973), 347–368; vgl. auch Winfried Boecken, Franz Ruland und Heinz-Dietrich Steinmeyer (Hg.): Sozialrecht und Sozialpolitik in Deutschland und Europa: Festschrift für Bernd Baron von Maydell. Neuwied 2002. 194 Bernd Baron von Maydell: Geldschuld und Geldwert. Die Bedeutung von Änderungen des Geldwertes für die Geldschulden. Bd. 32. München 1974.
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Bonn für die Fächer Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht. Beide Themen waren neu und das Neue zu entdecken, war ihm stets ein elementares Anliegen. 1975 folgte er einem Ruf an die Freie Universität Berlin, und 1981 einem Ruf an die Universität Bonn als Nachfolger seines akademischen Lehrers. Er wirkte seit 1983 als ständiger, von der Bundesrepublik Deutschland benannter Sachverständiger in den Überwachungsgremien der IAO. Seine Amtszeit endete 2002. Er verstarb 2018. Mit dem Wechsel in der Leitung vollzog sich auch ein Wechsel im Vorsitz des Fachbeirats. Der Vorsitz im Fachbeirat wurde von Theodor Tomandl wahrgenommen; den Vorsitz im Kuratorium übernahm der Präsident des BSG, Heinrich Reiter. 4.2
Europas Einfluss auf das Sozialrecht der Mitgliedstaaten
Auf Anregung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung,195 das ein »zunehmendes Unbehagen in den Beziehungen zwischen der Bundesrepu blik und den europäischen Institutionen« notieren zu können glaubte, weil Ende der 1980er Jahre eine Reihe von Aufsehen erregender EuGH-Entscheidungen erging, auf Grund deren zahlreiche Bestimmungen des deutschen Arbeits- und Sozialrechts als europarechtswidrig beanstandet wurden, richtete das Institut ein Kolloquium in Augsburg aus. Dort sollte eine systematische Untersuchung der Einwirkungen europäischen koordinierenden Sozialrechts auf die deutsche Sozialgesetzgebung für die Alters-, Kranken- und Pflege- sowie Arbeitslosenversicherung wie die Familienleistungen vorgenommen werden. Die damals virulente Frage, ob Europas Einfluss zu weit oder zu wenig weit ginge, wurde auf dem Kolloquium kontrovers beurteilt.196 Im weiteren Fortgang wurden zahlreiche Themen der europäischen Sozialpolitik durch das Institut bearbeitet. Sie reichten von Untersuchungen über die Wirkung des EWG -Rechts bis hin zur Sicherung der grenzüberschreitenden Wirkungen von Feststellungen der Invalidität in internationalen Versicherungsverläufen.197 Bereits im Vorfeld dazu erstellte das Institut eine Untersuchung für die Kommission über die Koordinierungsregeln für Invaliditätsleistungen. Sie untersuchte vor allem die Möglichkeiten zu einer intensiveren Verflechtung durch die vom EG -Recht den Mitgliedstaaten zwar eröffnete, von Deutschland im Unterschied zu Frankreich aber nicht wahrgenommene wechselseitige Anerkennung der Invaliditätsfeststellungen der an einem grenzüberschreiten 195 Bernd Schulte und Hans F. Zacher (Hg.): Wechselwirkungen zwischen dem europäischen Sozialrecht und dem Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 12. Berlin 1991. 196 Marcus Göbel: Von der Konvergenzstrategie zur offenen Methode der Koordinierung. EG -Verfahren zur Annäherung der Ziele und Politiken im Bereich des sozialen Schutzes. Bd. 24. Baden-Baden 2002. 197 Tätigkeitsbericht 1990/1991 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 975.
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den am Versicherungsverhältnis beteiligten Mitgliedstaaten198 und namentlich die Entwicklung abgestimmter Regeln über die Mindestsicherung. Weitere Initiativen ergriff das Institut im Hinblick auf die Osterweiterung der EG; mit ihr waren zahlreiche Fragen sozialen Schutzes199 sowie der Fortentwicklung des zwischenstaatlichen koordinierenden Sozialrechts verbunden.200 Die Ablösung der auf Konvergenz der Sozialleistungssysteme der Mitgliedstaaten gerichteten Methode der Koordinierung durch die auf benchmarking und wechselseitiges Lernen (vgl. heute: Art. 153 Abs. 2 lit. j) »Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union« (AEUV) gerichtete neue offene Methode der Koordinierung rückte nun in das Blickfeld des Instituts.201 Bereits zuvor – zum Ende der Amtsperiode von Jacques Delors als Präsident der EU-Kommission – wartete das Institut mit einem Kolloquium über eine Vertiefung der sozialpolitischen Ziele der EU auf.202 4.3 Rechtsvergleich
Sozial- wie rechtspolitisch offene Fragen zu klären, war in der Folgezeit das Anliegen zahlreicher rechtsvergleichender Studien. Die Neuregelung des deutschen Internationalen Versorgungsausgleichsrechts warf in Art. 17 Abs. 3 EGBGB die Frage danach auf, welche ausländischen Rechtsordnungen den Versorgungsausgleich »kennen«. Denn davon sollte abhängen, ob auch bei ausländischem 198 Bernd Baron von Maydell und Bernd Schulte (Hg.): Zukunftsperspektiven des Europäischen Sozialrechts. Bd. 14. Berlin 1995. 199 Yves Jorens und Bernd Schulte (Hg.): European Social Security Law and Third Country Nationals. Brügge 1998. 200 Bernd Schulte und Klaus Barwig (Hg.): Freizügigkeit und soziale Sicherheit. Die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer in Deutschland. Baden-Baden 1999. 201 Yves Jorens (Hg.): Open Method of Coordination. Objectives of European Health Care Policy. Bd. 27. Baden-Baden 2003. Angestoßen durch die EuGH- Urteile in Sachen Kohll und Decker (Slg. 1998, I 1831,1931) befasste sich das Institut mit den dadurch neu aufgeworfenen Fragen der Patientenmobilität: Yves Jorens und Bernd Schulte (Hg.): Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im gemeinsamen Markt: Belgisch-deutsch-niederländische Tagung in Antwerpen. Bd. 28. Baden-Baden 2003; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Hg.): Offene Methode der Koordinierung im Bereich der Alterssicherung – Quo vadis? Bd. 47. Bad Homburg 2003; Winfried Schmähl: Offene Koordinierung der Alterssicherung in der Europäischen Union. VDR-/ BMA-/MPI-Tagung vom 9./10.11.2001 in Berlin. Herausgegeben von Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht. Bad Homburg 2002; Hans-Werner Sinn et al.: EU-Erweiterung und Arbeitskräftemigration. Wege zu einer schrittweisen Annäherung der Arbeitsmärkte. Bd. 2. München: Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München 2001. 202 Angelika Pflüger-Demann: Soziale Sicherung bei Invalidität in rechtsvergleichender und europarechtlicher Sicht: Eine auf die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich bezogene Darstellung. Bd. 13. Baden-Baden 1991.
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Scheidungsstatut ein inländischer Versorgungsausgleich durchzuführen sei. Der wissenschaftliche Referent Hans Joachim Reinhard legte dazu eine umfassende und im Blick auf die gefundene kollisionsrechtliche Regelung kritische Untersuchung vor.203 Die Bestrebungen einer von der US -Regierung eingesetzten Kommission unter Leitung von Hillary Clinton, die Krankenversicherung in den USA auf die damals noch nicht Versicherten auszuweiten sowie das Scheitern dieses Vorhabens wurden von dem wissenschaftlichen Referenten Jürgen Kruse aufgezeichnet und gewürdigt.204 Die wissenschaftliche Referentin Ute Kötter verglich die belgische und deutsche Krankenversicherung und versuchte, deren Steuerungswirkungen vor dem Hintergrund der beide Systeme kennzeichnenden unterschiedlichen Leistungsmodalitäten zu analysieren. Sie befasste sich des Weiteren mit der Rechts entwicklung in den Niederlanden.205 Während in Deutschland die gesetzliche Krankenversicherung auf dem Sachleistungsprinzip basiert – die geschuldete Krankenbehandlung ist ohne Gegenleistung zu erbringen –, folgen das belgische Recht wie die (deutsche) Privatversicherung dem Kostenerstattungsprinzip.206 Schließlich stellte das Institut eingehendere vergleichende Untersuchungen zur Rechtsentwicklung im Hinblick auf den Schutz behinderter Menschen in Asien im Vergleich zu Europa,207 zur Sozialrechtsentwicklung in Europa und Japan,208 Südkorea,209 und zur Volksrepublik China210 an. 203 Hans-Joachim Reinhard: Rechtsordnungen mit Versorgungsausgleich im Sinne des Art. 17 Abs. 3 EGBGB . Eine vergleichende Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des kanadischen, niederländischen, belgischen und spanischen Rechts. Bd. 14. Baden-Baden 1995. 204 Jürgen Kruse: Das Krankenversicherungssystem der USA . Ursachen seiner Krise und Reformversuche. Bd. 16. Baden-Baden 1997; Jürgen Kruse: Eckpunkte des jüngsten Reformversuchs im amerikanischen Gesundheitswesen. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/3 (1994), 203–212. 205 Ute Kötter: Die Steuerung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und des belgischen Rechts. Bd. 21. Baden-Baden 2000. 206 Kötter, Ambulante ärztliche Versorgung, 2000; Ute Kötter: Die gesetzliche Krankenversicherung in der Krise des Wohlfahrtsstaates – Reformen ohne Ende? Das Beispiel Belgien. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/3 (1994), 188–202. 207 Bernd Baron von Maydell, Rainer Pitschas und Bernd Schulte (Hg.): Behinderung in Asien und Europa im Politik- und Rechtsvergleich. Bd. 26. Baden-Baden 2003. 208 Bernd Baron von Maydell, Takeshi Shimomura und Kazuaki Tezuka (Hg.): Entwicklungen der Systeme sozialer Sicherheit in Japan und Europa. Bd. 17. Berlin 2000. 209 Kwang Seok Cheon: Alterssicherung in der Republik Korea. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 9/3 (1995), 312–335. 210 Mechthild Exner: Die soziale Sicherung für den Fall der Invalidität in der Volksrepublik China. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 10/3 (1996), 201–247; Mechthild Exner: Internationale und ostasiatische Aspekte des Arbeits-
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Ein von der UN finanziertes Programm ermöglichte den Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen den Sozialversicherungsträgern der Volksrepublik China und dem Institut, aus dem sich eine längere Arbeitsbeziehung entwickelte.211 Die Türkei212 – mit der EU durch ein Assoziationsabkommen verbunden – wurde ebenfalls in das Institutsprogramm aufgenommen, ebenso wie Schweden, Spanien,213 Portugal214 und Irland. Wie Normen zur Standardisierung der sozialen Sicherheit auf die Entwicklungsländer wirken, war Gegenstand einer eigenen Untersuchung.215 Aus den in der Vergangenheit begründeten persönlichen Kontakten mit Gastwissenschaftler*innen und Stipendiat*innen entstand ein Korrespondenznetz.216
211 212
213 214 215 216
rechts und der sozialen Sicherheit. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 9/2 (1995), 263 ff; Mechthild Exner: Die sozialrechtlichen Bestimmungen in der »Vorläufigen Verordnung über Staatsbeamte« der Volksrepublik China. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/3 (1994), 135–146; Mechthild Exner: Der rechtliche Schutz im »Gesetz der Volksrepublik China zum Schutz Behinderter«. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 7/1 (1993), 36–61; Barbara Darimont: Sozialversicherungsrecht der V. R. China unter besonderer Berücksichtigung der Rentenversicherung und ihrer Reformfragen. Bd. 32. Baden-Baden 2004; Xiaoye Wang: Das Sozialversicherungsrecht der VR China im Wandel. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 10/3 (1996), 285–296. Tätigkeitsbericht 1991 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München, S. 59, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 975. Tankut Centel: Arbeits- und sozialrechtliche Fragen einer Mitgliedschaft der Türkei in der EU. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 10/1 (1996), 48–54. Ali Nazim Sözer: Grundzüge des Sozialrechts der Türkei. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 10/1 (1996), 10–20; Ali Nazim Sözer: Privatisierungstendenzen in der türkischen Sozialversicherung. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 11/1 (1997), 30–53. Hans-Joachim Reinhard: Die Transición in Spanien – ein Vorbild für den Transformationsprozess in den Staaten Mittel- und Osteuropas? Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/1 (1998), 123–126. Hans-Joachim Reinhard: Portugal: Das schnelle Altern eines jungen Wohlfahrtsstaates. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/3 (1994), 229–239. Edda Blenk-Knocke: Die internationale Regelung sozialer Sicherung für Entwicklungsländer. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/1 (1994), 2–35. Tätigkeitsbericht 1991 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München, S. 59, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 975.
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Neue Herausforderungen an den Sozialstaat
In verschiedenen Staaten Westeuropas wurde seit 1980 die Krise des Sozialstaats modells der Nachkriegszeit offenbar. Speziell der deutsche Sozialstaat217 erschien – bedingt durch die vereinigungsbedingten Sonderlasten – als in hohem Maße reformbedürftig. Die Rentenausgaben wuchsen zwischen 1990 und 1993 um jährlich 8 Prozent und danach um weitere 3 Prozent.218 Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandprodukt (BIP) stieg zwischen 1990 und 1995 von 24,8 Prozent auf 29,6 Prozent.219 Die Bevölkerung alterte, mit erheblichen Auswirkungen nicht nur auf die Renten, sondern auch die Kranken- und Pflegeversicherung.220 Die Arbeitslosigkeit stieg stark an, darunter hielt sich auch ein beträchtlicher Sockel an Langzeitarbeitslosen.221 Das Institut nahm sich daraufhin der Untersuchung des sozialen Schutzes bei Arbeitslosigkeit – besonders im Hinblick auf Deutschland und Frankreich222 – sowie der Suche nach dem »Kernbereich des Sozialstaats« – als der Identifikation des im Wandel des Sozialrechts Unverzichtbaren wie Unverfügbaren – an.223 Ein Teufelskreis aus der Zunahme der Arbeitslosigkeit, steigenden Steuerund Beitragslasten und stagnierendem Wachstum lähmte die Wirtschaft und die soziale Entwicklung. Reformen des Sozialstaats wurden zunehmend als dringlich erachtet. Es kam zu einer aktiven Beschäftigungspolitik, welche die Sicherung der Beschäftigung als vorrangig erachtete, einer neuen Mischung von Steuer und Beitragsfinanzierung der sozialen Sicherung und Zurückdrängung der auf Kooperation von Gewerkschaften und Arbeitgebern setzenden Verständigung.224 Der »befähigende Wohlfahrtsstaat« (enabling welfare state) entstand als Antwort auf diese Herausforderung. In mehreren Initiativen setzte das Institut dazu an, die sich im Zuge dieses Wandlungsprozesses neu stellenden Fragen auf breiter rechtsvergleichender 217 Silja Häusermann: The Politics of Welfare Reform in Continental Europe. Modernization in Hard Times. Cambridge, MA 2010, 47–48; Christoph Schiller: The Politics of Welfare State Transformation in Germany – Still a Semi-Sovereign State? Abingdon: 2016, 47. 218 Häusermann, Politics of Welfare Reform, 2010, 48. 219 Ebd., 79. 220 Winfried Schmähl und Volker Ulrich (Hg.): Soziale Sicherungssysteme und demographische Herausforderungen. Tübingen 2001, 13–14, 25, 30, 73 ff. 221 Schiller, Politics of Welfare State, 2016. 222 Otto Kaufmann: Schutz bei Arbeitslosigkeit und Beschäftigungspolitik in Frankreich. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/3 (1994), 163–174. 223 Andreas Hänlein: Der Kern sozialen Schutzes im Bereich der medizinischen Versorgung – Ergebnisse eines Acht-Länder-Vergleichs. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/3 und 4 (1998), 454–470; Bernd Baron von Maydell: Der »Kernbereich« der medizinischen Versorgung in ausgewählten europäischen Industriestaaten – eine Einführung. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/3 und 4 (1998), 301–303. 224 Häusermann, Politics of Welfare Reform, 2010; Schiller, Politics of Welfare State, 2016, 108–109, 133–134.
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Basis zu untersuchen und Lösungsvorschläge zu entwickeln.225 Dies geschah namentlich im Hinblick auf das die privatrechtliche Arzthaftung ablösende Modell einer Patientenversicherung226 und der Invaliditätssicherung.227 Es griff ferner die Thematik des demographischen Wandels für die Alterssicherung, erweitert auf die betriebliche und private Vorsorge, die Altenpflege wie Pflegesicherung,228 erneut auf.229 Auch nahm sich das Institut den Folgeproblemen des durch den EU-Binnenmarkt gesteigerten Wettbewerbsdrucks an, der aufgrund stark divergierender Arbeits- und Sozialstandards in Europa bestand, das seine räumliche, ökonomische und soziale Teilung der letzten Jahrzehnte nur schrittweise beseitigte.230 Aus Anlass des 65. Geburtstages von Bernd von Maydell fand ein Kolloquium statt, welches sich der Alternativität zwischen öffentlicher und privater Vorsorge annahm.231 4.5
Transformation der mittel- und osteuropäischen Staaten
Auch unter persönlichem Einsatz mancher Institutsangehöriger wurden die Sozialrechtsentwicklungen im Zuge des Transformationsvorgangs der mittel- und osteuropäischen Staaten Gegenstand eingehender Analysen. Schon die Phase der Agonie des staatswirtschaftlichen Regimes in den vormaligen »Ostblock«Staaten erregte das Interesse des Instituts.232 Die Überwindung der staatswirtschaftlichen Grundausrichtung dieser nach dem Zweiten Weltkrieg stark von sowjetischen Leitbildern und Institutionen geprägten Staaten wurde wesentlich auch als ein Prozess der Erneuerung des 225 Bernd Baron von Maydell und Fredericke Wüttscher (Hg.): Enabling Social Europe. Berlin 2006. 226 Peter A. Köhler und Bernd Baron von Maydell (Hg.): Arzthaftung, Patientenversicherung, Versicherungsschutz im Gesundheitssektor. Bd. 17. Baden-Baden 1997; Peter A. Köhler: Die Patientenversicherungen in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/3 (1994), 175–187. 227 Hans-Joachim Reinhard, Jürgen Kruse und Bernd Baron von Maydell (Hg.): Invaliditätssicherung im Rechtsvergleich. Bd. 18. Baden-Baden 1998. 228 Tätigkeitsbericht für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München 1998, S. 41 ff., AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1260. 229 Otto Kaufmann, Francis Kessler und Bernd Baron von Maydell (Hg.): Arbeits- und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Droit social et situations transfrontalières. Bd. 19. Baden-Baden 1998. 230 Hans-Joachim Reinhard (Hg.): Demographischer Wandel und Alterssicherung. Rentenpolitik in neun europäischen Ländern und den USA im Vergleich. Bd. 22. Baden-Baden 2001. 231 Winfried Boecken et al. (Hg.): Öffentliche und private Sicherung gegen soziale Risiken. Baden-Baden 2000. 232 Ulrich Lohmann: Perestrojka, Sozialpolitik und -recht in der UdSSR 1985–1990. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 5/3 (1991), 306–326; Ulrich Lohmann: Sozialistisches Sozialrecht? Ausgewählte Sozialrechtsinstitute in der UdSSR und der DDR im Vergleich. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 2/3 (1988), 269–282.
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Sozialstaates verstanden, dessen Empfehlungen nicht nur für die Transformationsstaaten, sondern für alle übrigen Staaten Bedeutung erlangen sollte. Mit dem Ende der DDR entfiel dieser Untersuchungsgegenstand. Das Institut befasste sich deshalb auch mit deren Transformationsfragen.233 Führende Wissenschaftler*innen aus den Transformationsstaaten traten mit dem Institut in engen persönlichen Kontakt.234 Umgekehrt hatte Baron Bernd von Maydell frühzeitig und intensiv den sich in Mittel- und Osteuropa ab zeichnenden Veränderungen seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet235 und wurde im Rahmen von Programmen der EG (PHARE / CONSENSUS), sowie der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung (GVG) vielerorts vermittelnd und beratend tätig.236 In jenen Jahren entwickelte sich das Institut zu einer der wenigen Stätten in Europa, in denen intensiv die ökonomischen und sozialen Folgen der Transformation Mittel- und Osteuropas untersucht wurden. Studien über die Veränderungen Polens,237 der Tschechischen238 und Slowaki-
233 Tätigkeitsbericht 1990/1991 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München, S. 54, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 975.; Bernd von Maydell wirkte auch in der von der Bundesregierung eingesetzten »Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern«; vgl. dazu Bernd von Maydell et al. (Hg.): Die Umwandlung der Arbeits- und Sozialordnung. Opladen 1996. 234 Tätigkeitsbericht 1996 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München, S. 4, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1259; Tätigkeitsbericht 1998 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München, S. 4, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1260. 235 Bernd Baron von Maydell: Die Systeme der sozialen Sicherheit in den Staaten Mittel- und Osteuropas. Zeitschrift für Versicherungswesen 42/13 (1992), 310–316; Bernd Baron von Maydell: Die Entwicklungen in Osteuropa. Auswirkungen und Bedeutung für die gesetzliche Unfallversicherung. Die Berufsgenossenschaft 46/1 (1995), 26–30; Bernd Baron von Maydell: Alterssicherungssysteme im Transformationsprozess. Die Angestelltenversicherung 42/7 (1995), 237–244. Tätigkeitsbericht 1996 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München, S. 46 ff., AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1259. 236 Tätigkeitsbericht 1998 für das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München, S. 31, AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 1260. 237 Maciej Żukowski: Das Alterssicherungssystem in Polen. Geschichte, gegenwärtige Lage, Umgestaltung. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 10/2 (1996), 97–141; Jan Jonczyk: Die Regelung des Gesundheitswesens in Polen – Zur Theorie der Transformation sozialer Systeme. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/1 (1998), 21–28; Herbert Szurgacz: Das polnische Arbeits- und Sozialrecht nach dem Zusammenbruch des Sozialismus – Bestandsaufnahme und Perspektiven. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 9/2 (1995), 183–204; Franz Knieps: Transformationsprozesse im Gesundheitswesen – Die Einführung einer sozialen Krankenversicherung in Polen. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/1 (1998), 11–20. 238 Igor Tomes: Das Sozialrecht der Tschechischen Republik im Wandel. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 9/2 (1995), 127–170.
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schen Republik,239 Kroatiens240 und Russlands241 lieferten Informationen in einer von Unsicherheit und Unkenntnis geprägten Phase der Neuausrichtung Europas. Auch die Transformation als Prozess und sozialrechtliches Geschehen erregte viel Aufmerksamkeit des Instituts.242 1994 verbreitete die Weltbank unter dem Titel Averting the Old Age Crisis. Policies to Protect the Old and Promote Growth243 eine weltweit Aufsehen erregende Studie. Sie schlug eine Neuausrichtung der gesamten Alterssicherung auf ein auf »drei Säulen« (three pillars) beruhendes Modell einer öffentlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge vor. Erstere sollte nach dem Umlageverfahren finanziert und auf die Armutsprävention ausgerichtet sein, die beiden letzteren sollten dem Kapitaldeckungsprinzip folgend eine gehobene Sicherung im Alter bei gleichzeitiger Förderung des Kapitalmarkts gewährleisten und damit private Investitionen ermöglichen. In mehreren Kolloquien widmete sich das Institut den Problemen und Schwierigkeiten einer Umgestaltung der Systeme sozialer Sicherheit in den Reformstaaten.244 239 Helena Barancová: Die Entwicklung des Arbeitsförderungsrechts in der Slowakei. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 10/4 (1996), 3 55–371. 240 Nada Bodiroga-Vukobrat: Thesen zur Transformationsforschung. Das Beispiel Kroatien. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/1 (1998), 139–143. 241 Angelika Nußberger: Die im Sozialstaatsprinzip und in den sozialen Grundrechten enthaltene soziale Komponente in der russischen Verfassung von 1993. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/3 (1994), 213–229; Angelika Nußberger: Die Bedeutung internationaler Normen in den Gutachten und Entscheidungen des sowjetischen Komitees für Verfassungsaufsicht des russischen Verfassungsgerichts zum Arbeits- und Sozialrecht. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 8/1 (1994), 36–48. 242 Eva-Maria Hohnerlein: Transformation sozialer Sicherungssysteme aus rechtsvergleichender Perspektive. Erfahrungen aus Lateinamerika. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/1 (1998), 133–138; Angelika Nußberger: Die Rolle von Recht und Rechtswissenschaft im Transformationsprozess. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/1 (1998), 95–103; Winfried Schmähl: Transformationsprozesse als Herausforderung für die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Forschung. Auf der Suche nach Ansatzpunkten für bessere Erklärungsansätze. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 12/1 (1998), 67–76. 243 World Bank (Hg.): Averting the Old Age Crisis. Policies to Protect the Old and Promote Growth. Oxford 1994; vgl. auch Yves Jorens: The Influence of International Organization on National Social Security Law in the European Union. The Example of Old-Age Pension. Bd. 25. Baden-Baden 2002. 244 Bernd Baron von Maydell und Eva-Maria Hohnerlein (Hg.): Die Umgestaltung der Systeme sozialer Sicherheit in den Staaten Mittel- und Osteuropas. Fragen und Lösungs ansätze. Bd. 13. Berlin 1993; Bernd von Maydell und Angelika Nußberger (Hg.): Transformation von Systemen sozialer Sicherheit in Mittel- und Osteuropa. Bestandsaufnahme und kritische Analyse aus dem Blickwinkel der Rechtswissenschaft. Berlin 2000; Bernd Baron von Maydell: Social Security in Eastern Europe. In: Jos Berghman und Bea C antillon (Hg.): The European Face of Social Security. Essays in Honour of Herman Deleeck. Alder shot 1993, 356–365.
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Normstrukturen des Sozialrechts
Der wissenschaftliche Referent Andreas Hänlein ging in seiner von Ursula Köbl, Manfred Löwisch und Bernd von Maydell betreuten, im Sommersemester 1999 angenommenen Freiburger Habilitationsschrift Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht245 der Grundsatzfrage nach Deutung der im Rahmen der Selbstverwaltung geschaffenen untergesetzlichen Normen des Sozialversicherungsrechts im deutschen Recht nach. Diese bislang vor allem im Hinblick auf die Normsetzung in Tarif- und Betriebsverfassung im Arbeitsrecht untersuchte Problematik hat auch für das Sozialrecht eine weitreichende und tragende Bedeutung – namentlich bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung für die Leistungserbringung.246 Die Untersuchung stellt eine Nähe von kollektiv-arbeitsrechtlicher, auf der Koalitionsfreiheit beruhender Normensetzung und der sozialversicherungsrechtlichen untergesetzlichen Normsetzung heraus, der sie einen sozialpartnerschaftlich-mitgliedschaftsrechtlichen Status beimisst. Mit der 2000 angenommenen Münchener Dissertation Dezentrale Wohlfahrts staatlichkeit im föderalen Binnenmarkt247 nahm der wissenschaftliche Referent Alexander Graser sich eines zentralen Themas der US -amerikanischen Sozialpolitik an, die zugleich für den sich entfaltenden europäischen Binnenmarkt von wachsender Bedeutung ist. Die Untersuchung schildert das Zusammenspiel zwischen der Bundes- und Einzelstaatengesetzgebung im US -amerikanischen Wohlfahrtsstaat, zeigt die koordinierenden Elemente dieses Rechts auf und geht schließlich auch der Frage nach, wie sich Unterschiede in der Sozialgesetzgebung der Einzelstaaten auf das Wanderungsverhalten der Bewohner auswirken. Diese auch im EU-Recht virulente Thematik wird durch die Studie eingehend adressiert und mit Beispielen aus dem US -amerikanischen Recht belegt. Die wissenschaftliche Referentin Angelika Nußberger legte in ihrer 2002 von der Münchener Fakultät angenommenen Habilitationsschrift Sozialstandards im Völkerrecht248 eine umfassende Analyse der Einwirkungsweisen und Einwirkungsgegenstände der von den UN, der IAO sowie dem Europarat entfalteten sozialrechtlichen Normsetzungstätigkeit auf die Sozialpolitik der Mitgliedstaa ten dieser Organisationen dar. Das einst adressierte »Völkerrecht der Solidarität« nimmt in dieser Studie Gestalt an. Niklas Wagner widmete sich in seiner 245 Andreas Hänlein: Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht. System und Legitimation untergesetzlicher Rechtsquellen des deutschen Sozialversicherungsrechts. Berlin 2000. 246 Andreas Hänlein : Das Leistungserbringungsrecht als Thema der Sozialwissenschaft und das MPI für Sozialrecht. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 36/1 (2022), 52. 247 Alexander Graser: Dezentrale Wohlfahrtsstaatlichkeit im föderalen Binnenmarkt? Eine verfassungs- und sozialrechtliche Untersuchung am Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika. Bd. 18. Berlin 2001. 248 Angelika Nußberger: Sozialstandards im Völkerrecht. Eine Studie zur Entwicklung und Bedeutung der Normsetzung der Vereinten Nationen, der Internationalen Arbeitsorganisation und des Europarats zu Fragen des Sozialschutzes. Bd. 161. Berlin 2005.
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Dissertation dem Internationale[n] Schutz sozialer Rechte,249 namentlich durch Analyse des Wirkens des Sachverständigenausschusses der IAO. 4.7
Geschichte der deutschen Sozialpolitik seit 1945
Nach Rückkehr Hans F. Zachers an das Institut beteiligte sich dieser an einem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und Bundesarchiv entwickelten Vorhaben zur Sozialpolitik in Deutschland seit 1945.250 Zacher war bei diesem Projekt sowohl Mitglied des wissenschaftlichen Beirates als auch maßgeblicher Autor. In einem auf elf Bände angelegten Projekt wurden die Grundlagen der deutschen Sozialpolitik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschlossen, die einzelnen Etappen der sozialpolitischen Entwicklung für West- und Ostdeutschland dokumentiert und analysiert. Zacher steuerte für dieses Unternehmen die als systematische und historische Fundierung verstandene Abhandlung Grundlagen der Sozialpolitik der Bundesrepublik251 bei. Darin zeichnete er noch einmal systematisch geschlossen die zentralen Themen von Sozialpolitik nach, und umriss die diese prägenden Faktoren. Er kennzeichnete die einzelnen sozialpolitischen Epochen, an deren Ende er den wachsenden europäischen und internationalen Einfluss auf die Sozialpolitik der Bundesrepublik Deutschland konstatierte. Eberhard Eichenhofer wirkte auf Bitten des Instituts an dem Vorhaben mit und analysierte die internationale Sozialpolitik der Bundesrepublik Deutschland von 1966 bis 1994.252 Darüber hinaus formulierte Zacher am Ende seiner Zeit als Präsident der MPG die Grundlinien und Umrisse der Erforschung von Gemeinschaftsgütern, eines neuen rechtswissenschaftlichen Themengebiets, das bis dahin nur rudimentär entwickelt war, sich jedoch als wissenschaftlich höchst zukunftsträchtig erwies.253 Es sollte seinen zentralen Gegenstand in der Erhaltung von und der Sicherung des fairen Zugangs zu den natürlichen nicht vermehrbaren Gemeinschaftsgütern finden. Sie seien durch die Ungewissheit hinsichtlich ihrer Sachverhalte und der Verfahrensform ihrer Rechtsgestaltung geprägt; insgesamt seien sie vor allem dazu bestimmt, die Chance der Menschen, auf dem Planeten zu (über)leben, zu sichern.254 249 Niklas Dominik Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte. Die Kontrolltätigkeit des Sachverständigenausschusses der IAO. Berlin 2002. 250 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Baden-Baden 2001, seit 2001 elf Bände. 251 Zacher, Grundlagen der Sozialpolitik, 1998, 333–683. 252 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Geschichte der Sozialpolitik, 2001, darin insbesondere die jeweiligen Beiträge von Eberhard Eichenhofer in den Bänden 5 bis 7 und in Band 11. 253 Hans F. Zacher: Erhaltung und Verteilung der natürlichen Lebensgrundlagen – eine elementare Aufgabe des Rechts. In: Ulrich Becker und Franz Ruland (Hg.): Abhandlungen zum Sozialrecht. Heidelberg 2008, 661–673, 661. 254 Zacher, Natürliche Lebensgrundlagen, 2008, 661–673, 670.
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Innenleben des Instituts
Mit Maydell waren neue Referent*innen an das Institut gekommen: Angelika Nußberger, Andreas Hänlein, Jürgen Kruse, Ute Kötter, Alexander Graser. Hänlein, Nußberger und Kaufmann habilitierten sich, Alexander Graser wurde promoviert und habilitierte sich;255 andere – wie Jürgen Kruse – gingen an die Fachhochschule Nürnberg. Andreas Hänlein wurde an die Universität Kassel auf eine Professur für Sozialrecht berufen, Angelika Nußberger übernahm das Institut für Ostrecht an der Universität Köln und wurde danach Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg; Alexander Graser trat eine Professur für Sozialrecht – zunächst an der Hertie School of Governance (Berlin) und danach an der Universität Regensburg – an. Die Referentin für die Volksrepublik China, Mechthild Exner, verstarb bei der Geburt ihres Kindes. Die unmittelbare Erfahrung des Todes einer aus dem Leben gerissenen Referentin war für das ganze Institut ein Schock.256 Im Institut verblieben Hohnerlein, Schulte,257 Köhler, Reinhard und Kaufmann. In Fachbeirat258 und Kuratorium259 kam es abermals zu personellen Veränderungen. Die Arbeitstechnik veränderte sich erneut. Alle Wissenschaftler*innen erhielten nun einen Arbeitsplatz mit persönlichem PC und Internetzugang; der Schreibdienst wurde aufgelöst. Auch die Darstellungsformen veränderten sich. Die vormalige Orientierung auf Methode, Begriffs-, Theorie- und Systembildung wich einer stärker narrativen und beschreibenden Annäherung an einen zunehmend disparaten Gegenstand. Die Suche nach zeitlosen Themen trat gegenüber der Arbeit an aktuellen Fragen zurück.
5. Schlussfolgerungen Das Institut war ein Neuanfang. Das Terrain des vergleichenden und internationalen Sozialrechts sondierend – welches es als weithin unerschlossen vorfand und demzufolge auch wahrnahm – standen seine, in rascher Zeitfolge erschienen 255 Alexander Graser, Gemeinschaften ohne Grenzen? Zur Dekonzentration der rechtlichen Zuständigkeiten zu politischen Gemeinschaften, Tübingen 2008. 256 Bernd Baron von Maydell: Nachruf auf Mechthild Exner. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 9/5 (1995), 652. 257 Vgl. das Sonderheft der »Zeitschrift für Internationales Arbeits- und Sozialrecht« (ZIAS) 1/2016 aus Anlass des Todes von Bernd Schulte, »In memoriam Dr. Bernd Schulte«. 258 Ab 31.12.2000 gehörten dem Fachbeirat an: Professor Dr. Jos Berghman (Leuven), Dagmar Coester-Waltjen (München), Danny Pieters (Leuven), Franz Ruland (Frankfurt am Main), Bruno Simma (München), Michael Stolleis (Frankfurt am Main) und Petr Tröster (Prag). 259 Ab dem 31.12.2000 waren im Kuratorium vertreten: Professor Dr. Joachim Herrmann (München), Professor Dr. Hans-Jürgen Papier (Karlsruhe / München), Professor Dr. Georg Schmid (Heidelberg), Dr. Günther Sokoll (St. Augustin), Dr. Manfred Wienand (Frankfurt am Main) und Mathias von Wulffen (Kassel).
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Schriften in klarem Gegensatz zu der zuvor im Fach vorherrschenden und es beherrschenden, anwendungsbezogenen Praktikerliteratur, welche sich in der Erläuterung der legislatorischen Beweggründe für und der gerichtlichen Deutung von Sozialgesetzen gefiel wie erschöpfte. Auf hohem Abstraktionsniveau ging es dem Institut hingegen um die Selbstvergewisserung einer sich zentral durch Sozialpolitik legitimierenden Rechts- und Gesellschaftsordnung. Es verstand sich nicht als Teil einer Wissenschaftstradition, sondern als veritabler Neubeginn. Das Institut war – mit ausgeprägter Selbstreferenz – um seine Eigenständigkeit bemüht, suchte nicht den Kontakt zu anderen Instituten oder benachbarten wissenschaftlichen Bemühungen um denselben Gegenstand. Das Institut war um eine Leiterpersönlichkeit herum gruppiert. Diese gab der Forschung weit mehr als Impulse; sie drückte ihm ihren Stempel entscheidend auf. Der Ansatz war anfangs bewusst abgehoben, zeitlos und um Begriffs-, Theorie- und Systembildung bemüht. Dieses Bestreben drückte sich auch in den kompendienhaften und monumentalen Schriften aus. Während der gesamten Zeit war für das Institut das Verhältnis von Sozialrecht und Sozialpolitik offen; es wurde in den unterschiedlichen Phasen seines Bestehens auch unterschiedlich bestimmt. Zwar geht das Sozialrecht aus der Sozialpolitik hervor, aber deshalb geht jenes nicht in dieser auf. Demgemäß war die Differenz von Sozialpolitik und Sozialrecht zu klären. Die aktuelle Sozialpolitik war für die wissenschaftliche Forschung des Instituts zwar stets tabu, nicht aber deren Herausforderungen und prinzipielle Antworten. In einer als prinzipiell aufgeräumt erachteten und deshalb auch rechtlich sinnvoll geordneten Welt erscheint der Sozialleistungsfall als ein primär anrührender Ausdruck menschlicher Tragik, die menschliche Zuwendung erheischt und deshalb nach sozialpolitischer Gestaltung verlangt. Die Analyse des Ergebnisses von Politik sollte nicht durch Politisieren geschehen; sie interessierte sich eher für das zeitlos Gültige, denn das tagespolitisch Aktuelle. Die verstärkte Kooperation mit der Praxis rückte aber zunehmend Fragen der Tagespolitik in den Fokus der Institutsarbeit. In der Gründungsphase galt die Aufmerksamkeit den Rechtsformen der Sozialpolitik: Wie bestimmen jene deren Inhalt? Die Sozialpolitik wurde damit als in Sozialrechtsverhältnissen gründend und auf soziale Rechte ausgerichtet betrachtet. In der zweiten Phase ging es um die Komplementarität von Zivilrecht und Sozialrecht. Die privatrechtliche Bedingtheit des Sozialrechts kam dabei ebenso zum Vorschein wie die sozialrechtliche Ausrichtung einzelner privatrechtlicher Institutionen. In der letzten Phase wurde die Zeitbedingtheit des Sozialrechts sichtbar und damit deutlich, dass dieses – wie alles Recht – eng an institutionelle Voraussetzungen gebunden ist und durch politische Wandlungen neu ausgerichtet wird. Forschungsaktivitäten von mehr als einem Vierteljahrhundert haben sich aus dem Blickwinkel unterschiedlicher Epochen und unter der Leitung von zwei unterschiedlichen Direktoren von den begrifflichen und grundsätzlichen Fragen des Faches ausgehend, unter dem Eindruck unvorhergesehener politischer Veränderungen den aktuellen und prinzipiellen Fragen einer Transformations© 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
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gesellschaft zugewandt. Dabei ist die Historizität von Sozialrecht ebenso wie dessen Reformbedürftigkeit und Reform im weiteren Fortgang der Institutsarbeit immer stärker in den Fokus der Arbeit gerückt. Die großen grundlegenden Fragen des Faches wurden zunächst begrifflich, systematisch und theoriegeleitet umrissen und sodann aus rechtsvergleichender Perspektive und aus der Blickrichtung des Kollisionsrechts behandelt. Die Resultate beeindruckten durchweg, schufen sie dem Fach doch ein begriffliches, systematisches und theoretisches Fundament. Sie wurden in dem Fach durchaus positiv gewürdigt; wenngleich ihre Verbreitung in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis wie in den anderen juristischen Wissenschaftsdisziplinen nur äußerst eingeschränkt zu verzeichnen war. Von anderen wahrgenommen oder verstanden zu werden, galt dem Institut freilich nicht als vordringliches Deside rat. Eine sich dem »Harnack-Prinzip« verpflichtet wissende und darin ihrer selbst wie ihrer Eigenarten gewisse, war anfangs bewusst auf das eigene wie eigenständige Forschungsprogramm bezogene Institution hat sich stets als primär in sich selbst ruhend behauptet, betätigt, dargestellt und verstanden.
Anhang Archivalien Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Senat AMPG , II . Abt., Rep. 60, Nr. 77. SP, 92. SP, 93. SP, 128. SP, 129. SP Generalverwaltung: Institutsbetreuung AMPG , II . Abt., Rep. 66, Nr. 4065, 4066, 4069 Tätigkeitsberichte von Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Instituten AMPG , IX . Abt., Rep. 5, Nr. 974, 975, 1.259, 1.260
Literatur Augsberg, Steffen: Hans F. Zacher und die »Entdeckung« des Sozialrechts. In: Carsten Kremer (Hg.): Die Verwaltungsrechtswissenschaft in der frühen Bundesrepublik (1949–1977). Tübingen: Mohr Siebeck 2017, 331–344. Barancová, Helena: Die Entwicklung des Arbeitsförderungsrechts in der Slowakei. Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 10/4 (1996), 355–371. Becker, Ulrich: Hans F. Zacher und die rechtliche Ordnung des Sozialen. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 64 (2016), 663–671. Benda-Beckmann, Franz, Keebet Benda-Beckmann, Eric S. Casino, Frank Hirtz, Gordon R. Woodman und Hans Friedrich Zacher (Hg.): Between Kinship and the State. Social Security and Law in Developing Countries. Dordrecht: Foris 1988. Berghman, Jos: The Max-Planck-Institute as Seen by External Academics. In: Max-PlanckGesellschaft (Hg.): Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht München. München: Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft 1995, 54–59.
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Abkürzungen AEMR AEUV AIDP
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Association Internationale de Droit Pénal / Internationale Strafrechtsgesellschaft AIPPI Association Internationale pour la Protection de la Propriété Intellec tuelle / Internationale Vereinigung für den Schutz des geistigen Eigentums AMPG Archiv der Max-Planck-Gesellschaft AMPIeR Archiv des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie ATRIP International Association for the Advancement of Teaching and Research in Intellectual Property / Internationale Vereinigung zur Förderung von Lehre und Forschung zum geistigen Eigentum AWI Institut für Ausländisches und Internationales Wirtschaftsrecht BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BIP Bruttoinlandsprodukt BMF Bundesfinanzministerium BMJ Bundesministerium der Justiz BMW Bayerische Motoren Werke BRD Bundesrepublik Deutschland BSG Bundessozialgericht BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CIPP Commission Internationale Pénale et Pénitentiaire / Internationale Strafrechts- und Gefängniskommission CISG Convention des Nations unies sur les contrats de vente internationale de marchandises / Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf CSU Christlich-Soziale Union in Bayern DDR Deutsche Demokratische Republik DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft DGVR Deutsche Gesellschaft für Völkerrecht DM Deutsche Mark DNB Deutsche Nationalbibliothek EDV Elektronische Datenverarbeitung EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EPIL Encyclopedia of Public International Law / Enzyklopädie für Völkerrecht
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Abkürzungen
426 EPÜ EU EuGH EVG EVÜ EWG FDP FPÖ FU Berlin GATT
Europäisches Patentübereinkommen European Union / Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union Europäische Verteidigungsgemeinschaft Europäisches Schuldvertragsübereinkommen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Freie Demokratische Partei Freiheitliche Partei Österreichs Freie Universität Berlin General Agreement on Tariffs and Trade / Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen Gedip Groupe européen de droit international privé / Europäische Gruppe für Internationales Privatrecht Gestapo Geheime Staatspolizei GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GMPG Forschungsprogramm »Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft« GRUR (Int.) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Internationaler Teil) GPÜ Übereinkommen über das Europäische Patent für den Gemeinsamen Markt GSHS Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaftliche Sektion GV Generalverwaltung [der Max-Planck-Gesellschaft] GVG Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung IAO Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen IECL International Encyclopedia of Comparative Law / Internationale Enzyklopädie für Vergleichende Rechtswissenschaft IIC International Review of Industrial Poperty and Copyright Law / Internationale Zeitschrift für gewerbliches Eigentum und Rechtsvergleichung IGH Internationaler Gerichtshof IKV Internationale Kriminalistische Vereinigung Interpol International Criminal Police Organization / Internationale kriminalpolizeiliche Organisation IPR Internationales Privatrecht KEK Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich KMK Kultusministerkonferenz KMK / FMK Gemeinsame Kultus- und Finanzministerkonferenz KWG Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft KWI Kaiser-Wilhelm-Institut Lando-Kommission Commission on European Contract Law LMU Ludwig-Maximilians-Universität LSG Landessozialgericht MIPLC Munich Intellectual Poperty Law Center / Münchner Zentrum für Urheberrecht MPG Max-Planck-Gesellschaft MPI Max-Planck-Institut MPIL Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht MPIPRIV Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht NS Nationalsozialismus, nationalsozialistisch NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei OLG Oberlandesgericht OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
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Abkürzungen
427
PHARE / C ONSENSUS Unterstützungs- bzw. Reformprogramm der Europäischen Union für mittel- und osteuropäische Staaten RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RAF Rote Armee Fraktion RM Reichsmark SA Sturmabteilung SGB Sozialgesetzbuch SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SS Schutzstaffel StudIPR Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht TRIPS Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property / Übereinkommen über handelbezogene Aspekte des geistigen Eigentums UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Sowjetunion) UN United Nations / Vereinte Nationen UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law / Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization / Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation UNIDROIT Institut international pour l’unification du droit privé / Internationale Organisation zur inhaltlichen Vereinheitlichung des Zivilrechts USA United States of America / Vereinigte Staaten von Amerika VW-Stiftung Volkswagen-Stiftung ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZIAS Zeitschrift für Internationales Arbeits- und Sozialrecht
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Personenregister A Aa, Simon van der 203 Adenauer, Konrad 23, 60, 80 Albrecht, Hans-Jörg 264 Amedick, Sigrid 189 Anand, Ram Prakash 69 Anders, Georg 247 Andreß, Erika 98 Arndt, Adolf 258 Arndt, Karl 99 Auer, Marietta 192 B Bader, Karl Siegfried 225 Bahr, Egon 65 Balladore Pallieri, Giorgio 63 Ballreich, Hans 248, 250 f. Baltes, Paul B. 318, 338 Baratta, Alessandro 244 Basedow, Jürgen 100, 118, 126 f., 130, 318 Baum, Harald 31, 92 f. Baur, Jürgen 313 Becker, Carl Heinrich 236, 249 Becker, Hellmut 249 Becker, Walter G. 99 Behrens, Peter 117 Beier, Friedrich-Karl 283, 286, 288, 294– 299, 305–309, 311–316, 318, 320–322, 327, 332–334, 338, 340, 342–345, 348, 384 Berghman, Jos 399, 412 Bernhardt, Rudolf 38, 50, 66–68, 70 f., 75, 78, 372 Bernitz, Ulf 334 Bernstein, Herbert 107 Beyerlin, Ulrich 78 Biedenkopf, Kurt 24, 38 Bilfinger, Carl 51–57, 59, 80 f. Bleckmann, Albert 71 f. Blomeyer, Arwed 99 Bludau, Barbara 333 Bockelmann, Paul 21, 238, 258 Bogdandy, Armin von 49, 82 f. Bogs, Walter 366 Böhm, Franz 23 f., 38
Borowiak, Gerda 244 Bosch, Johanna 244 Bothe, Michael 78 Bourdieu, Pierre 49 Brackmann, Kurt 363 Brandt, Willy 361 Brentano, Clemens von 236 Bricola, Franco 244 Brocke, Erwin 401 Brücher, Horst 171 Bruns, Viktor 52, 57, 59 f., 62 f., 80 Büche, Anneliese 220 Buergenthal, Thomas 72 Butenandt, Adolf 155, 247, 250, 253, 255 f., 265, 286, 298 C Caemmerer, Ernst von 99, 105 Cartellieri, Wolfgang 256 Cassin, René 63 Castrén, Erik 56 Chanturia, Lado 98, 110 Clinton, Hillary 404 Coester-Waltjen, Dagmar 412 Cohen Jehoram, Herman 318 Coing, Helmut 7, 22–24, 27 f., 36, 38, 141 f., 144–147, 149–164, 167–170, 173, 175 f., 179 f., 251, 295–297 Coing, Hilde 154, 158 Cornils, Karin 318 Cornish, William R. 311, 315 Coudres, Peter des 108 Cremer, Hans-Joachim 78 Crijns, Leo 372 D Dallinger, Wilhelm 230 Dehler, Thomas 228 f., 232 Delaquis, Ernst 203, 216 Delors, Jacques 403 Dietz, Adolf 306, 314, 320, 330, 343 f. Dilger, Konrad 92 Doehring, Karl 38, 65, 68, 74, 78, 83 Doetsch, Werner 372 Dölemeyer, Barbara 158
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Personenregister
430 Dölle, Hans 21 f., 99–109, 112, 123, 142, 144, 147, 228, 253 Dolzer, Rudolf 78 Dreher, Eduard 242 Dreier, Thomas 322, 343 f. Drexl, Josef 326, 340 f. Drobnig, Ulrich 39, 96, 100, 106 f., 109, 114, 118–121, 126, 129, 312, 315 Duden, Konrad 99 Duguit, Léon 375 Duve, Thomas 192 E Ebermayer, Ludwig 203 Eckel, Jan 49 Eckl, Christian 130 Eichenhofer, Eberhard 391, 399, 411 Elias, Taslim Olawale 69 Engel, Christoph 338 Erçman, Sevinç 244 Ernst, Wolfgang 190 f. Eser, Albin 264, 312, 318, 334, 338 Etzemüller, Thomas 49 Exner, Mechthild 412 F Faude, Michael 371, 383, 395 Fecht, Hermann 236 Feenstra, Robert 156 Feller, Abraham H. 56 Ferid, Murad 118 Fichtner, Otto 372 Fikentscher, Wolfgang 296, 302, 314, 319, 326, 337, 345 Firsching, Karl 117 Fischer, Walther 228 Fleck, Ludwik 49 Flessner, Axel 106, 118 Flessner, Susanne 108 Fögen, Marie Theres 171 f., 174, 180, 186–192 Frank, Hans 204, 226 Friedmann, Wolfgang 64 Frowein, Jochen A. 49, 65–68, 71, 74, 76–79, 82 f., 318, 338 Fuchs, Maximilian 396, 399 G Gaebler, Marlies 244 Gagnér, Sten 161 f., 175 Gallas, Wilhelm 253
Gamillscheg, Franz 371 Geck, Wilhelm Karl 71 Geerds, Friedrich 244 Gelder, Jean-Louis van 264 Genscher, Hans-Dietrich 67 Genzmer, Erich 22, 142–147, 149 f., 154–156, 180 Gessner, Volkmar 113 Giegerich, Thomas 78, 338 Gierke, Otto von 375 Girth, Peter 36 Globke, Hans 232 Goldschmidt, James 206–208 Gollwitzer, Ingrid 220, 243 Göppinger, Hans 260 Gräber, Gerhard H. 178 f. Graser, Alexander 410, 412 Graupner, Eberhard 27 Grimm, Dieter 36 f., 158, 162, 180 Grimme, Adolf 54 Gromyko, Andrei 65 Groß, Ilse 130 Gurvitch, Georges 375 H Haar, Brigitte 130 Habermas, Jürgen 16, 386 Haertel, Kurt 295 Haggenmacher, Peter 82 Hahn, Otto 54, 107 Hahn, Werner 213 Hahn, Wilhelm 255 f. Hailbronner, Kay 78 Hallstein, Walter 19, 23 f., 26, 38, 60, 99, 156 Hamel, Gerardus Antonius van 202 Hänlein, Andreas 410, 412 Harmathy, Attila 110 Hartwieg, Oskar 95 Hayek, Friedrich August von 386 Heath, Christopher 344 Heck, Philipp 285 Hefermehl, Wolfgang 296 Heidemann, Irmtraut 244 Heimpel, Hermann 145, 251 Heinemann, Andreas 326 Heldmann, Hans-Heinz 244 Heldrich, Andreas 106, 334 Helfritz, Hans 283 Henrich, Dieter 106 Herberger, Maximilian 174
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Personenregister
431
Herdegen, Matthias 78 Herrmann, Joachim 244, 412 Hertel, Klaus 244 Heß, Rudolf 226 Heydebreck, Claus-Joachim von 23, 253 Heymann, Ernst 101, 106 Hilf, Meinhard 71 Hilty, Reto 324, 340 f. Hippel, Eike von 117 f. Hoffmann, Bernd von 114, 117 Hofmann, Rainer 40, 78 Hofmeister, Herbert 382 Hohnerlein, Eva-Maria 392, 396, 412 Holderer, Fridolin 244 Holland, Claudia 131 Hopt, Klaus J. 100, 118 f., 125 f., 130, 334, 336, 338 Hörnle, Tatjana 264 Huber, Ludwig 23, 253 Hubmann, Heinrich 296 Hueck, Alfred 302 I Igl, Gerhard 371, 395, 399 Immenga, Ulrich 334 Isay, Hermann 284 Isay, Rudolf 284 J Jaenicke, Günther 58, 62, 66, 71 Jescheck, Hans-Heinrich 22, 26, 160, 198 f., 203, 212, 228, 232, 237, 239–244, 247, 249 f., 253, 255, 257–265, 295 Jeßberger, Florian 100 Jessel-Holst, Christa 92 f., 96 Jessup, Philip 64 Jiménez de Aréchaga, Eduardo 69 K Kaiser, Günther 198 f., 261–264 Karajan, Herbert von 36 Kaser, Max 143 Katsantonis, Alexandros 244 Katzenberger, Paul 343 f. Kaube, Jürgen 190 f. Kaufmann, Erich 57 Kaufmann, Otto 40, 391 f., 412 Kauper, Paul G. 64 Kern, Eduard 209, 211, 240 Kesper-Biermann, Sylvia 210 Kessler, Friedrich 99, 107
Kiefner, Hans 173 Kielwein, Gerhard 239, 243 Kieninger, Eva-Maria 130 Kier, Herbert 58 Klein, Eckart 71 Köbl, Ursula 410 Köcher, Liese-Lotte 244 Köhler, Helmut 338 Köhler, Michael 100 Köhler, Peter A. 389, 412 Kohlrausch, Eduard 202, 204, 208, 210 Kokott, Juliane 78 f. Kolle, Gert 294 Korkisch, Friedrich 95, 99 Kötter, Ute 404, 412 Kötz, Hein 29, 39, 100, 115–119, 122 f., 131, 318 f., 338 Kraske, Erich 54 Kraßer, Rudolf 301 f., 313–318 Krause, Hermann 144 Kreuzer, Elisabeth 244 Krieger, Albrecht 284, 295, 297 Kronke, Herbert 117 Kropholler, Jan 95, 116–118 Krüger, Herbert 57 Krümpelmann, Justus 244 Kruse, Jürgen 404, 412 Kübler, Friedrich 338 Kühler, Johannes 244 Kuhn, Thomas S. 49 Kunkel, Wolfgang 22, 144, 146 f., 162 Kunz-Hallstein, Hans Peter 306, 326, 343 f. Kur, Annette 343 f. Kurzynsky-Singer, Eugenia 92 L Lackner, Karl 241 Lagoni, Rainer 100 Lando, Ole 121 Lang-Hinrichsen, Dietrich 239, 242 Laun, Rudolf 56 Lehmann, Barbara 244 Lehmann, Michael 343 f. Leibholz, Gerhard 54 Leibinger, Rudolf 244 Lenz, Hans 255 f. Levy, Ernst 143 Lewinski, Silke von 309, 322, 343 f. Liang, Yuen-Li 56 Lindner, Moi 342
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Personenregister
432 Lingens, Karl-Heinz 181 Liszt, Franz von 200, 202, 210, 229, 245 Loewenheim, Ulrich 318 Lohmann, Ulrich 399 Löwisch, Manfred 410 Luhmann, Niklas 113, 176 Luig, Klaus 163 Lüst, Reimar 37, 163, 167, 169, 171, 361 Lyon, Thea 244 M Madlener, Kurt 244 Mádl, Ferenc 110 Magnus, Ulrich 35, 96, 100 Maihofer, Werner 397 Mance, Lord Jonathan 98 Mangoldt, Hans von 71 Mankowski, Peter 100 Markl, Hubert 184–186, 334 f., 339 Marsch, Edmund 184, 315 Martens, Hans 130 Martiny, Dieter 96, 117 Mattes, Heinz 244 Maurer, Alfred 382 Maydell, Bernd Baron von 312, 318, 338, 362, 400 f., 407 f., 410, 412 Mayer, Hans 170 McDougal, Myres 64 McNair, Arnold 63 Medicus, Dieter 396 Meier, Sonja 131 Meinhold, Helmut 372 Mestmäcker, Ernst-Joachim 24, 39, 100, 118–120, 123–125, 130 Mettgenberg, Wolfgang 202, 224 Mezger, Edmund 200, 229, 234, 245 Middendorf, Wolf 244 Mikat, Paul 23, 149, 253 Mohnhaupt, Heinz 162, 164 f., 178, 180 Moltke, Helmuth James Graf von 57 Moos, Reinhard 244 Mörsdorf, Klaus 144 f. Mosler, Hermann 11, 21–24, 39, 51–53, 55–63, 65–68, 70–75, 79–81, 83, 142, 144, 156, 251, 295 Mühlendahl, Alexander von 305 Muhr, Gerd 372 Müller-Trefzer, Friedrich Karl 237 Münch, Fritz 59 Münzel, Frank 31, 92
N Nagler, Johannes 239 Nawiasky, Hans 365 Nehlsen von Stryk, Karin 35 Neuhaus, Paul Heinrich 95, 116 Neumayer, Fritz 242 Nishihara, Haruo 244 Nolte, Georg 78 f. Nordemann, Axel 309 Nordemann, Wilhelm 334 Nörr, Dieter 176–180 Nörr, Knut Wolfgang 159–164, 173 Nußberger, Angelika 410, 412 O Oellers-Frahm, Karin 50 Oeschey, Rudolf 225 Oeter, Stefan 78, 100 Ogorek, Regina 35 Ogus, Anthony I. 382 Overath, Petra 210 P Pagenberg, Jochen 344 Papier, Hans-Jürgen 412 Pasoldt, Johanna 244 Pella, Vespasian V. 223 Peters, Anne 83 Peukert, Wolfgang 71 Pieske, Eckart 225 Pieters, Danny 412 Pißler, Knut Benjamin 92 Pistor, Katharina 131 Podzobut, Jerzy 110 Poscher, Ralf 264 Pringsheim, Fritz 143 f. Prins, Adolphe 202 Prinz, Wolfgang 312, 338 Pusić, Eugen 372 Puttfarken, Hans-Joachim 312 R Rabel, Ernst 15, 91, 93 f., 99–101, 103–108, 111, 116, 121, 131, 223, 285 Rabl, Kurt 57 f. Radbruch, Gustav 225 Raiser, Ludwig 99 Ranieri, Filippo 162, 174 Rawls, John 397 Reagan, Ronald 386 Reimer, Eduard 283–286, 295, 299, 334, 350
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Personenregister
433
Reinhard, Hans-Joachim 404, 412 Reiter, Heinrich 402 Ress, Georg 78 Rheinstein, Max 93, 99, 107 f. Richter, Dagmar 78 Riesenfeld, Stefan 107 f. Ringer, Barbara A. 348 Roeben, Volker 78 Roeder, Peter Martin 312 Roesler, Hermann 375 Rolin, Henri 63 Romano, Roberta 338 f. Ross, Alf 63 Rotberg, Hans Eberhard 227 Roth, Werner 219 Roux, Jean-André 222 Rühl, Giesela 130 Ruland, Franz 412 Rupp, Hans 101, 111 Rüter, Christiaan F. 244 Rys, Vladimir 372 S Saemisch, Moritz 218 Saint-Jours, Yves 382 Samtleben, Jürgen 92 f., 117 Schäfer, Ernst 201, 207 Schafheutle, Josef 208, 230 Scharpf, Fritz W. 318 Schatte, Gisela 396 Schätzel, Walter 56 Scheel, Walter 66 Scheuner, Ulrich 67 Schiedermair, Hartmut 66, 71 Schlegelberger, Franz 21 Schlochauer, Hans-Jürgen 70 Schluep, Walter 318 Schmid, Carlo 53, 101, 111, 249 Schmid, Felix 375 Schmid, Georg 412 Schmidt-Szalewski, Joanna 338 Schmitt, Carl 53 Schneider, Friedrich 259 Schönke, Adolf 21, 199 f., 202–209, 211– 234, 236–243, 245 Schön, Wolfgang 340 f. Schregle, Johannes 372 Schreiber, Georg 18 f., 53, 145 Schricker, Gerhard 294–299, 304, 307, 311–317, 319–323, 327, 329, 331–336, 338–344, 346, 349 f.
Schröder, Horst 216 Schubert, Werner 224–226 Schücking, Walter 59 Schuler, Rolf 391 f., 399 Schulte, Bernd 371, 390, 412 Schweitzer, Heike 130 Schwenkner, Hertha 220, 244 Schwind, Fritz von 162 Schwinge, Erich 245 Seemann, Silke 221 Seibert-Fohr, Anja 78 f. Seidl, Alfred 226 Sieber, Ulrich 264 Siehr, Kurt 95, 97, 114, 116 f. Simma, Bruno 412 Simon, Dieter 162–169, 171–183, 185–187 Simons, Thomas 371, 394 f., 399 Skeie, Jon 229 Skouris, Vasilios 98 Sokoll, Günther 412 Söllner, Alfred 36 Sperr, Anneken Kari 131 Staab, Heinz A. 169, 171, 173 Steffen, Wiebke 35 Steinberger, Helmut 65 f., 71, 74–78 Stein, Torsten 78 Steup, Elisabeth 313 Stolleis, Michael 8, 13, 28, 82, 179–192, 412 Stoll, Hans 106 Stoll, Peter-Tobias 78 Straus, Joseph 308, 314, 317, 324, 329, 331, 339–344 Strauß, Walter 19, 21, 23, 228, 231 f., 234–236, 238, 247 f., 250, 253, 260, 265 Strebel, Helmut 58 Streit, Manfred E. 318 Strömholm, Stig 295–297, 313 Strupp, Karl 70 Suger, Paul 244 Su, Jyun-Hsyong 244 Süss, Siegwin 106 T Telschow, Ernst 218 Thatcher, Margret 386 Thieme, Hans 143 Thoma, Richard 53 Tichy, Lubos 110 Tomandl, Theodor 372, 386, 402 Tomuschat, Christian 68, 71 Trenk-Hinterberger, Peter 371, 383
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Personenregister
434 Troller, Alois 297 Tröster, Petr 412 U Ubertazzi, Luigi Carlo 313 Ulmer, Eugen 249, 253, 255, 281, 284–289, 291–299, 301–303, 312, 333, 341, 345 f., 350 V Vékás, Lajos 110 Verdross, Alfred 63 Vogenauer, Stefan 192 Vögler, Albert 218 Vöneky, Silja 78 W Waehler, Jan Peter 92 Wagner, Manja 220 Wagner, Niklas Dominik 410 Wahl, Eduard 99, 105, 118 Walter, Christian 78 Wannagat, Georg 361, 363 f., 366 f., 371, 390 Weber, Karl 255 f. Weber, Peter 331 Weidner, Viktor 401 Weinert, Franz Emanuel 185, 318, 334 Weinkauff, Hermann 228 Weir, Tony 115 Weizsäcker, Carl Friedrich von 251 Wende, Erich 234, 236 f. Wendt, Günther 216, 219, 221 Wengler, Wilhelm 54, 56, 58, 108
Wesselburg, Nicola 130 Wieacker, Franz 143, 146, 160, 162 f., 170 Wiechmann, Carlo 228 Wienand, Manfred 412 Wiener, Alfred 223 Wilhelm, Walter 155, 158–173, 178, 180 f., 183 f. Windbichler, Christine 318 Witt, Detlev 338 Wolf, Erik 200, 257 Wolff, Martin 285 Wolfrum, Rüdiger 75–79, 81 f. Wright, Quincy 56 Wulffen, Mathias von 412 Wurster, Carl 250, 254 Würtenberger, Thomas 217, 243, 257 f. Y Yassari, Nadjma 92 Yumashev, Juri 110 Z Zacher, Hans F. 12, 31, 37, 39 f., 180, 184, 312, 315, 361 f., 364, 366 f., 371–376, 378, 380, 384 f., 393, 396 f., 399 f., 411 Zeltner, Wladimir Ze’ev 97 Zimmermann, Andreas 78 Zimmermann, Reinhard 118, 131, 190 Zöllner, Detlev 382 Zweigert, Irmgard 107 Zweigert, Konrad 37, 39, 41, 97, 100 f., 106 f., 109–118, 120–123, 129–131, 160, 251, 295
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Herausgeber Thomas Duve ist Direktor am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie und Professor für vergleichende Rechtsgeschichte an der GoetheUniversität Frankfurt. Hauptarbeitsgebiete sind die Rechtsgeschichte der iberischen Imperien sowie Methodik und Theorie der Rechtsgeschichte. Jasper Kunstreich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie in Frankfurt a. M. Er arbeitet zur Wissenschaftsgeschichte des Rechts und zur Wirtschaftsrechtsgeschichte. Stefan Vogenauer ist Direktor am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie und Honorarprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt. Hauptarbeitsgebiete sind die Rechtsgeschichte der Europäischen Union sowie der Welt des common law.
Autoren Eberhard Eichenhofer ist pensionierter Professor für Sozialrecht und Bürgerliches Recht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Davor war er an der Universität Osnabrück und als wissenschaftlicher Referent am MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht tätig. Hauptarbeitsgebiete: deutsches, europäisches und internationales Sozialrecht mit zugehörigem Privatrecht Felix Lange ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DFG -Kollegforschungsgruppe »The International Rule of Law – Rise or Decline« an der FU Berlin. Seine Forschungsinteressen umfassen das vergleichende Verfassungsrecht, das Völkerrecht sowie die Verfassungs- und Völkerrechtsgeschichte. Ulrich Magnus ist emeritierter Professor für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Hamburg. Er war im Nebenamt Richter am OLG Hamburg. Hauptarbeitsgebiete sind das Internationale Privat- und Prozessrecht sowie die Rechtsvergleichung im Deliktsrecht. Eric Steinhauer ist Jurist, Theologe und Bibliothekar. Er leitet die Universitätsbibliothek Hagen und ist Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er beschäftigt sich mit Fragen des Urheberrechts und wissenschaftlichen Arbeitsweisen im digitalen Wandel. © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666993718 | CC BY 4.0
Autoren
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Jan Thiessen ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Juristische Zeitgeschichte und Wirtschaftsrechtsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine rechtshistorische Forschung konzentriert sich auf die Geschichte der Justiz, des Gesellschaftsrechts und des NS -Unrechts. Sascha Ziemann ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht mit interdisziplinären Bezügen an der Leibniz Universität Hannover. Seine Forschungsinteressen umfassen die gesamte Bandbreite des materiellen und prozessualen Strafrechts einschließlich ihrer historischen Bezüge.
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