Recht der Kreditfinanzierung [Reprint 2018 ed.] 9783486784589, 9783486225303

Lehrbuchdarstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Probleme der Kreditfinanzierung sowie des Leasing und Factorin

177 31 29MB

German Pages 476 Year 1994

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung: Kredit und Darlehen
Erster Abschnitt: Kreditgeschäfte
Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag
Zweites Kapitel: Einzelne Kreditgeschäfte
Zweiter Abschnitt: Kreditsicherungsgeschäfte
Drittes Kapitel: Allgemeine Grundsätze
Viertes Kapitel: Personalsicherheiten
Fünftes Kapitel: Realsicherheiten
Dritter Abschnitt: Sonderformen der Finanzierung mit Kreditsubstitutionscharakter
Sechstes Kapitel: Leasing
Siebtes Kapitel: Factoring
Vierter Abschnitt: Kollision von Sicherungsrechten untereinander und mit Factoringzessionen
Achtes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Recht der Kreditfinanzierung [Reprint 2018 ed.]
 9783486784589, 9783486225303

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Recht der Kreditfinanzierung Von Professor

Dr. jur. Hartmut Reeb

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Reeb, Hartmut: Recht der Kreditfinanzierung / von Hartmut Reeb. - München ; Wien : Oldenbourg, 1994 ISBN 3 - 4 8 6 - 2 2 5 3 0 - 8

© 1994 R.OIdenbourg Verlag GmbH, München Das Werk außerhalb lässig und filmungen

einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzustrafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverund die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München

ISBN 3-486-22530-8

Vorwort

Das vorliegende Buch ist als 'Querschnitts'-Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Probleme der Kreditfinanzierung konzipiert, d.h. seine inhaltliche Gestaltung entspricht nicht der herkömmlichen Struktur juristischer Lehrbücher, die i.d.R. einzelne Rechtsmaterien thematisieren ("Lehrbuch des Sachenrechts"), sondern orientiert sich mit dem Ziel möglichst umfassender Informationsvermittlung an den unterschiedlichen Sachfragen der Kreditfinanzierung, was dann zu einem Konglomerat auch unterschiedlicher, ansonsten meist getrennt behandelter, Rechtsgebiete führt. Die Darstellung der Kreditgeschäfte beschränkt sich auf die klassischen Formen; andererseits wurden - wegen ihrer großen praktischen Bedeutung - auch Geschäfte mit kreditsubstituierendem Charakter, wie Leasing und Factoring, miteinbezogen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Studierende der Wirtschaftswissenschaften an Universitäten und Fachhochschulen, hier vor allem an solche, die den Schwerpunkt 'Finanzierung und Investition' wählen. Es ist aber sicherlich auch für diejenigen Juristen in Ausbildung und Praxis von Nutzen, die bezüglich einzelner rechtlicher Institute (etwa: Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung) eine Einstiegs- oder Wiederholungslektüre suchen oder eine schnelle Information benötigen. Schließlich soll es auch dem ökonomischen Praktiker im Unternehmen Entscheidungshilfen bieten. Dementsprechend habe ich mich einer möglichst klaren Diktion verpflichtet gefühlt und weitgehend auf tiefergreifende Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen, zu Einzelproblemen vertretenen Meinungen verzichtet. Um insbesondere

VI

Vorwort

dem (angehenden) Praktiker sichere (d.h. vor allem prozeßfeste) Informationen zu geben, orientiert sich die Darstellung der Rechtslage in den einzelnen Konfliktsituationen an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (insbesondere des Bundesgerichtshofes) gezogenen Linien. Besonderen Dank schulde ich Diplomkauffrau Anja Bühler, die in vorbildlicher Weise die Erfassung des Manuskripts auf Textverarbeitung besorgt und mir mannigfache Anregungen hinsichtlich der Verbesserung der Lesbarkeit des Textes gegeben hat. Hartmut Reeb

Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Einleitung: Kredit und Darlehen

V VII XVII 1

Erster Abschnitt: Kreditgeschäfte Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag I. Begriff und Rechtsnatur des Krediteröffnungsvertrages II. Einzelfragen des Krediteröffnungsvertrages 1. Zustandekommen und Beendigung des Vertrages 2. Unwirksamkeitsgründe 3. Rechte und Pflichten der Parteien des Krediteröffnungsvertrages a} Kreditnehmer b)Kreditgeber 4. Abtretung und Pfändung der Ansprüche aus dem Krediteröffnungsvertrag 5. Krediteröffnungsvertrag im Insolvenzverfahren

5 5 5 6 6 11

14 16

Zweites Kapitel: Einzelne Kreditgeschäfte I. Geldkredite 1. Langfristige Kreditformen a) Schuldverschreibungen (Industrieobligationen) b) Schuldscheindarlehen c) Langfristige Bankkredite d)Gesellschafterdarlehe n 2. Kurzfristige Kreditformen a^Lieferantenkredit b)Kontokorrentkredit c) Lombardkredit d) Wechseldiskontkredit aa) Wesen und Funktion des Wechsels bb) Diskontkredit II. Kreditleihe 1. Akzeptkredit 2. Rembourskredit 3. Avalkredit

17 17 17 17 20 23 27 30 30 31 33 35 35 38 43 44 47 49

12 12 13

VIII

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Abschnitt: Kreditsicherungsgeschäfte Drittes Kapitel: Allgemeine Grundsätze I. Arten der Sicherungsgeschäfte II. Sicherungsabrede 1. Sicherungsabrede und Sicherungsrecht 2. Zustandekommen und Wirsamkeit der Sicherungsabrede

51 51 51 52 52

Viertes Kapitel: Personalsicherheiten I. Bürgschaft 1. Wirtschaftliche Bedeutung der Bürgschaft 2. Bürgschaftsvertrag a} Zustandekommen b)Form c) Rechtsnatur, Inhalt, Unwirsamkeit 3. Haftung des Bürgen a) Akzessorietät und Subsidiarität der Bürgenhaftung b)Umfang der Haftung 4. Erlöschen der Bürgschaft. Rückgriff des Bürgen 5. Verhältnis zwischen Bürgen und anderen Sicherungsgebern 6. Sonderformen der Bürgschaft a) Selbstschuldnerische Bürgschaft b)Höchstbetragsbürgschaf t c) Zeitbürgschaft d^Mitbürgschaft - Teilbürgschaft e) Ausfallbürgschaft f) Nachbürgschaft g)Rückbürgschaft h) Wechselbürgschaft II. Bürgschaftsähnliche Sicherungsformen 1. Garantievertrag a} Wesen und Inhalt b)Abgrenzung zur Bürgschaft c) Arten der Garantie aa) Bankgarantie bb) Verhaltensgarantie - Ausbietungsgarantie cc) Lieferungs- und Leistungsgarantie 2. Schuldmitübernahme 3. Kreditauftrag 4. Patronatserklärung 5. Negativklausel

61 61 61 63 63 64 66 69

55

69 76 77 79 82 83 83 85 86 87 88 88 89 90 90 90 93 95 95 98 98 98 102 103 105

Inhaltsverzeichnis

IX

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten 107 I. Sachenrechtliche Grundlegung 107 1. Funktion des Sachenrechts in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft 107 2. Sache als Rechtsbegriff. Begriffsklärung 108 3. Trennungs- und Abstraktionsprinzip 109 4. Eigentum und Besitz 111 a) Eigentum als sachenrechtliches 'Kern'-Recht 112 b)Besitz 114 aa) Besitz als Sachherrschaft (unmittelbarer Besitz) 114 bb) Mittelbarer Besitz 118 5. Herausgabeanspruch des Eigentümers (§ 985 BGB) und Recht des Besitzers zum Besitz (§ 986 BGB) 120 a} Herausgabeanspruch 120 b)Besitzrecht...... 120 6. Regeln für die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen 122 a} Grundtatbestand .§ 929 Satz 1 BGB .. 122 b)Tatbestände des Ubergabeverzichts und der ÜbergabeSurrogation 125 aa) Übereignung durch schlichte Einigung, §.929 Satz 2 BGB 125 bb) Übereignung durch Einigung und Besitzkonstitut nach § 930 BGB 126 cc) Übereignung durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB 127 c) Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 932 ff. BGB,366 HGB 129 aa) Rechtspolitische Einführung 129 bb) Systematik der §§ 932 ff. BGB 131 cc) Guter Glaube des Erwerbers 133 dd) Gutgläubig-lastenfreier Erwerb, § 936 BGB 135 7. Nicht-rechtsgeschäftliche Tatbestände des Eigentumserwerbs an beweglichen Sachen, §§ 946 ff. BGB 137 aWerbindung und Vermischung 137 b) Verarbeitung 140 c) Ausgleichsansprüche bei Verbindung, Vermischung und Verarbeitung 142 n. Pfandrecht 143 1. Allgemeines. Praktische Bedeutung 143 2. Pfandrecht an beweglichen Sachen 146 a} Wesen und Rechtsnatur des Fahrnispfandrechts 146 b)Pfandrechtsobjekt 148

X

Inhaltsverzeichnis

c) Begründung des Pfandrechts 149 d) Verwertung des Fahrnispfandrechts 151 3. Pfandrecht an Rechten 153 a} Wesen und Rechtsnatur 153 b)Begründung des vertraglichen Pfandrechts an Rechten 155 c) Verwertung des Rechtspfandes 157 4. Pfandrecht in Zwangsvollstreckung und Konkurs 158 a) Einzelvollstreckung 158 b)Konkur s 159 III. Sicherungsübereignung 162 1. Allgemeines. Zulässigkeit und wirtschaftliche Bedeutung der Sicherungsübereignung 162 2. Begründung von Sicherungseigentum 164 a) Sicherungsabrede 165 b) Übereignungsformen 167 aa) Regelfall: Übereignung nach §§ 929, 930 BGB ...167 bb) Übereignung nach §§ 929, 931 BGB 168 cc) Übereignung nach § 929 BGB 169 3. Gegenstand und Rechtsnatur des Sicherungseigentums 170 a} Gegenstand 170 b) Rechtsnatur 171 4. Rechtsfolgen bei Mängeln des Darlehens175 vertrages und/oder der Sicherungsabrede a) NichtZustandekommen resp. Nichtigkeit des Darlehensvertrages 175 b)Nichtigkeit der Sicherungsabrede 177 5. Sonderproblem: Sicherungsübereignung von Warenlagern mit wechselndem Bestand 177 a) Bestimmtheitsgrundsatz 178 b)Befugnis des Sicherungsgebers zur Verfügung über den übereigneten Lagerbestand 180 c) Übereignung des 'Nachschubs' an den Sicherungsnehmer 180 d) Waren unter Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung 181 6. Rechtslage nach Tilgung der gesicherten Forderung.... 183 a) Auflösend bedingte Sicherungsübereignung 183 b) Schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch des Sicherungsgebers 185 7. Freigabe von Sicherungssachen 185 8. Rechtslage nach Eintritt des Sicherungsfalles: Verwertung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer 187

Inhaltsverzeichnis

XI

a) Verwertungsreife 187 b) Verwertung 188 9. Sicherungsübereignung in Zwangsvollstreckung und Konkurs 191 a) Einzelzwangsvollstreckung in das Sicherungsgut 191 aa) Zwangsvollstreckung gegen den Sicherungsgeber 191 bb) Zwangsvollstreckung gegen den Sicherungsnehmer 193 b)Konkurs 194 aa) Konkurs des Sicherungsgebers 194 bb) Konkurs des Sicherungsnehmers 196 IV. Sicherungsabtretung 197 1. Allgemeines. Rechtsnatur und wirtschaftliche Bedeutung 197 2. Gegenstand der Sicherungsabtretung 201 a}Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung(en).... 203 b)Abtretungsverbo t 204 c) Einziehungsermächtigung 205 3. Sicherungsabrede 207 4. Praxis-typische Ausgestaltungen der Sicherungsabtretung: Globalzession und Mantelzession 209 a} Globalzession 210 b) Mantelzession 211 5. Rechtsstellung des Drittschuldners 212 6. Rechtslage nach Tilgung der gesicherten Forderung.... 214 a} Auflösend bedingte Sicherungsabtretung 214 b) Schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch 215 7. Rechtslage nach Eintritt des Sicherungsfalles: Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers 216 8. Sicherungsabtretung in Zwangsvollstreckung und Konkurs 217 a) Einzelzwangsvollstreckung 217 V. Eigentumsvorbehalt 1. Allgemeines. Rechtsnatur und wirtschaftliche Bedeutung 2. Begründung des Eigentumsvorbehalts a^Vereinbarter Eigentumsvorbehalt b)Einseitig erklärter Eigentumsvorbehalt 3. Wirkungen des Eigentumsvorbehalts a) Schuldrechtliche Wirkungen b) Sachenrechtliche Wirkungen des Eigentumsvorbehalts. Das Anwartschaftsrecht des Käufers 4. Erlöschen des Eigentumsvorbehalts

219 219 221 221 223 226 226 229 235

XII

Inhaltsverzeichnis

5. Sonderformen des Eigentumsvorbehalts 236 a} Erweiterter Eigentumsvorbehalt 237 b) Verlängerter Eigentumsvorbehalt 239 6. Eigentumsvorbehalt in Zwangsvollstreckung und Konkurs 242 a) Einzelzwangsvollstreckung 242 aa) Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Käufers 242 bb) Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Verkäufers 243 b)Konkurs 244 aa) Käuferkonkurs 246 bb) Verkäuferkonkurs 248 VI. Grundpfandrechte 250 1. Allgemeines. Rechtsnatur und wirtschaftliche Bedeutung der Grundpfandrechte 250 2. Hypothek 257 a)Rechtsnatur und Bestellung der Verkehrshypothek..257 aa) Zu sichernde Forderung 258 bb) Sicherungsabrede 261 cc) Dinglicher Bestellungsakt bei der Briefhypothek 262 dd) Dinglicher Bestellungsakt bei der Buchhypothek 265 b)Übertragung der Hypothek 265 aa) Übertragung der Briefhypothek 267 bb) Übertragung der Buchhypothek 267 cc) Gutgläubiger Erwerb der Verkehrshypothek 267 c) Umfang der Hypothekenhaftung 269 aa) Allgemeines 269 bb) Haftung der Grundstücksbestandteile, der Erzeugnisse und des Zubehörs im einzelnen 271 cc) Haftung der Miet- und Pachtzinsforderungen 276 dd) Haftung der Versicherungsforderungen 277 d)Realisierung der Hypothekenhaftung 278 aa) Pfandreife 278 bb) Prozedur der Verwirklichung der Rechte des Hypothekars 279 e) Erlöschen der Hypothek 281 f) Sonderformen der Hypothek 282 aa) Sicherungshypothek 282 bb) Höchstbetragshypothek 283 cc) Gesamthypothek 284 dd) Wertpapierhypothek 285

Inhaltsverzeichnis

XIII

3. Grundschuld 287 a) Allgemeines. Rechtsnatur und wirtschaftliche Bedeutung 287 b)Sicherungsabred e 290 c) Rechtslage bei Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und/oder Nichtentstehen resp. Erlöschen der gesicherten Forderung 294 aa) Unwirksamkeit der Sicherungsabrede 294 bb) Nichtentstehen resp. Erlöschen der gesicherten Forderung 295 d)Bestellung der Grundschuld 296 e)Übertragung der Grundschuld und Einwendungen.. 301 f) Tilgung der Grundschuld 303 g)Rückübertragungsanspruch 305 h)Umfang und Realisierung der Grundschuldhaftung. 307 i) Sonderform: Eigentümergrundschuld 308 Dritter Abschnitt: Sonderformen der Finanzierung mit Kreditsubstitutionscharakter Sechstes Kapitel: Leasing I. Allgemeines. Grundstruktur, Erscheinungsformen und wirtschaftliche Bedeutung des Leasinggeschäftes 1. Grundstruktur des Leasinggeschäfts 2. Erscheinungsformen des Leasing a} Finanzierungsleasing b)Operating-Leasing 3. Wirtschaftliche Bedeutung des Leasinggeschäfts II. Leasing: Eine sinnvolle Finanzierungsalternative? Betriebswirtschaftliche und steuerliche Aspekte des Finanzierungsleasing 1. Betriebswirtschaftliche Aspekte 2. Steuerliche Aspekte des Leasing III. Typische - erlaßkonforme - Vertragsmodelle des Finanzierungsleasing 1. Vollamortisationsvertrag 2. Teilamortisationsvertrag a) Teilamortisationsvertrag mit Andienungsrecht des Leasinggebers b)Teilamortisationsvertrag mit Aufteilung des Mehrerlöses c) Kündbarer Teilamortisationsvertrag mit Anrechnung des Veräußerungserlöses auf die vom Leasingnehmer zu leistende Schlußzahlung

311 311 311 311 313 313 315 317 319 320 323 328 328 329 330 331 331

XIV

Inhaltsverzeichnis

334 IV. Sonderformen des Leasing 1. Hersteller- (Händler-) Leasing 334 2. Sale-and-lease-back-Geschäft 337 XV.Rechtsnatur des Finanzierungsleasing-Vertrages 339 VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag 343 1. Gefahrtragung 343 2. Rechtslage bei Realisierung der Preisgefahr 346 3. Fehlverläufe bei der Erfüllung des Leasingvertrages....348 a} Nichtlieferung des Leasingobjekts 348 b) Verspätete Lieferung des Leasingobjekts 352 c)Nichtlieferungs- und Verspätungsklauseln in Leasingverträgen 353 d)Mangelhaftigkeit des Leasingobjektes 358 aa) Regelung der Gewährleistung in Leasingverträgen 358 bb) Rechtsfolgen der Drittverweisungsklausel in Gewährleistungsfällen 361 e) Verspätete Zahlung der Leasingraten 369 VII. Beendigung und Abrechnung des Leasingvertrages 373 1. Beendigung des Leasingvertrages 373 a) Ordentliche Vertragsbeendigung 373 ^Außerordentliche Vertragsbeendigung 376 2. Abrechnung des Leasingvertrages 381 a} Vollamortisationsvertrag 381 b)Kündbarer Teilamortisationsvertrag mit Abschlußzahlung des Leasingnehmers 382 c) Sonderproblem: Rechtslage bei (verschuldeter) Zerstörung des Leasinggutes durch einen Vierten ....384 VIII. Leasing in Zwangsvollstreckung und Konkurs 387 1. Zwangsvollstreckung 387 a) Durch Gläubiger des Leasingnehmers 387 ^Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Leasinggebers 388 2. Konkurs 388 a)Konkurs des Leasingnehmers 388 b)Konkurs des Leasinggebers 391 Siebtes Kapitel: Factoring I. Allgemeines. Grundstruktur, Erscheinungsformen, Kosten und wirtschaftliche Bedeutung des Factoringgeschäfts 1. Grundstruktur des echten Factoring 2. Erscheinungsformen des Factoring a) Unechtes Factoring

393 393 394 396 396

Inhaltsverzeichnis

XV

a} Unechtes Factoring 396 b)Offenes und verdecktes (echtes) Factoring 397 c) Halboffenes Factoring 398 dYFälligkeitsfactoring 399 e) Eigenservice-Factoring 399 f) Export-Factoring 400 3. Kosten des Factoring 400 4. Wirtschaftliche Bedeutung des Factoring 402 II. Rechtliche Konstruktion des Factoringgeschäfts und Rechtsnaturbestimmung 403 1. Factoring-Rahmenvertrag 403 2. Rechtliche Konstruktion (Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft) der einzelnen Forderungsübertragung und Rechtsnaturbestimmung 406 a) Echtes Factoring 406 aa) Schuldrechtliche Ebene 406 bb) Dingliche Ebene 409 b)Unechtes Factoring 410 aa) Schuldrechtliche Ebene 410 bb) Dingliche Ebene 411 III. Debitoren-Abtretungsverbot und DebitorenAufrechnung 413 1. Debitoren-Abtretungsverbot 413 2. Debitoren-Aufrechnung 416 IV.Factoring im Konkurs 417 1. Klienten-Konkurs 417 2. Factor-Konkurs 420 Vierter Abschnitt: Kollision von Sicherungsrechten untereinander und mit Factoringzessionen Achtes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten... I. Kollision von Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt sowie mehrfache Sicherungsübereignung 1. Sicherungsübereignung nach § 930 2. Sicherungsübereignung nach § 931 BGB II. Kollision von Sicherungsübereignung und Pfandrecht III. Zusammentreffen von kreditsichernder Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt

423 423 423 424 426 428 429

Neuntes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten und Factoring-Zessionen 435 I. Kollision von Factoring - Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt 435 1. Kollision beim echten Factoring 435

XVI

Inhaltsverzeichnis

2. Kollision beim unechten Factoring 3. Abtretungsverbote der Lieferanten IL Zusammentreffen von kreditsichernder Globalzession und Factoring-Globalzession

439 443 445

Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis

449 453

Abkürzungsverzeichnis a.A a.a.O a.E a.F AcP AGB AGBG AktG Alt Anh AO ausf. BB BBankG BBauG BFH BGB BGH BGHZ BörsG BörsZulV BVerfG bzgl DB DepotG FN GBO GewStG GG GmbHG grdl grds h.L h. M HGB HS i.d. R i.e

andere Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Alternative Anhang Abgabenordnung ausführlich Betriebsberater Bundesbankgesetz Bundesbaugesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Börsengesetz Börsenzulassungs-Verordnung Bundesverfassungsgericht bezüglich Der Betrieb Depotgesetz Fußnote Grundbuchordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundlegend grundsätzlich herrschende Lehre herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Halbsatz in der Regel im einzelnen

XVIII

i.S.v./i.S.d i.V.m JuS JW JZ KO m.a.W m.w.N MüKo NJW OLG RG RGZ RNr(n) RR s.a StGB STVG u.ö u.U VAG VerbrKrG VO WG WM WP ZIP ZPO zust zutr ZVG

Abkürzungsverzeichnis

im Sinne von/im Sinne des in Verbindung mit Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen Zeitung Konkursordnung mit anderen Worten mit weiteren Nachweisen Münchner Kommentar Neue Juristische Wochenschrift Oberlandesgericht Reichsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer(n) Rechtsprechungs-Report siehe auch Strafgesetzbuch Straßenverkehrsgesetz und öfter unter Umständen Versicherungsaufsichtsgesetz Verbraucherkreditgesetz Verordnung Wechselgesetz Wertpapiermitteilungen Das Wertpapier Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; bis 1982: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zivilprozeßordnung zustimmend zutreffend Zwangsversteigerungsgesetz

DAS RECHT DER KREDITFINANZIERUNG Einleitung: Kredit und Darlehen Die

folgende

Darstellung

behandelt

das

Recht

der

Kreditfinanzierung ausschließlich aus Unternehmenssicht. Das bedeutet einmal, daß Probleme des Verbraucherkredits unerörtert bleiben [vgl. hierzu insbes. Reifner, Handbuch des Kreditrechts, München 1991; Schmelz, Der Verbraucherkredit, München 1989; Bülow, Konsumentenkredit in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, Köln 1989]. Aber auch auf die Gesetze und Vorschriften, die auf Seiten der Kreditinstitute für deren Kreditverkehr zuständig sind, soll nicht eingegangen werden, da dieses 'Wirtschaftsrecht der Kreditinstitute' i.d.R. ohne Einfluß auf den einzelnen Kreditvertrag ist [vgl. hierzu Hopt-Mülbert, Kreditrecht, Berlin 1985, vor § 607 RNr. 7 ff.]. Die Rechtsordnung kennt keinen einheitlichen Begriff des Kredits und damit des Kreditgeschäftes. Nach § 1 Abs.l Ziff. 2 des KWG ist unter Kreditgeschäft "die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten" zu verstehen. Diese Definition ist aber schon deswegen zu eng, weil sie wichtige Kreditgeschäfte, wie etwa das Diskontgeschäft, nicht umfaßt. Die Sinnhaftigkeit einer einheitlichen juristischen Begriffsbestimmung

ist

indessen

fraglich [nach

Canaris,

Bank-

vertragsrecht, 2. Aufl., Berlin u.a. 1981, RNr. 1196 ist sie "überflüssig und gefährlich"]. Letztlich bleibt als vernünftiger Zweck einer Definition des Begriffs Kredit nur der der Erleichterung einer Systematisierung des darzustellenden Stoffes [so auch Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 17]. Dabei ist von einer ökonomisch-funktionalen Sichtweise des Kreditgeschäftes

2

Kredit und Darlehen

auszugehen: Danach ist Kredit jede zeitweilige Überlassung von Kapital resp. Kaufkraft [vgl. statt aller Stauder, Der bankgeschäftliche Krediteröffnungsvertrag, Bielefeld 1968, S. 17 f. und die Definitionen dort]. Die Art der Überlassung spielt keine Rolle. Es macht also keinen Unterschied, ob der Kreditgeber dem Kreditnehmer Kaufkraft in Form von Geld (Bargeld oder im Wirtschaftsverkehr die Regel: Buchgeld) zufließen läßt oder ob er etwa durch Stundung einer Forderung

oder

Warenvorleistung dem Kreditnehmer Kaufkraft beläßt. Liquidität kann aber schließlich auch auf die Weise verschafft werden, daß der Kreditgeber eine Einstandspflicht für den Kreditnehmer derart übernimmt, daß dieser sich bei Dritten Kaufkraft verschaffen kann (sog. Kreditleihe im Gegensatz zur effektiven Kreditgewährung). Die Kaufkraftüberlassung ist zeitweilig, d.h. der Kreditnehmer ist zur Rückleistung verpflichtet. Der Kreditgewährung ist also das Vertrauen des Kreditgebers (Kredit vom lat. credere = vertrauen) darauf immanent, daß der Kreditnehmer willens und in der Lage sein wird, diese Rückleistungspflicht auch zu erfüllen. Das Vertrauenselement ist also für das Kreditgeschäft typisch. Aus dem vorstehenden wird deutlich, daß der ökonomisch konstituierte Kreditbegriff die unterschiedlichsten Geschäftstypen umfaßt. In Literatur und Wirtschaftspraxis erfolgt eine Einteilung der Kreditarten nach ganz verschiedenen Gesichtspunkten [vgl. hierzu etwa Perridon-Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 6. Aufl., München 1991, S. 295; Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 13]. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht steht hier im Vordergrund (unterschiedliche

Bilan-

zierungsvorschriften nach HGB) die Unterscheidung nach der

Kredit und Darlehen

3

Laufzeit in kurz-, mittel- und langfristige Kredite. Eine weitere, aus rechtlicher Sicht wegen der hier in der Praxis auftauchenden Kollisionsprobleme [vgl. hierzu unter Kapitel 8], wichtige Unterscheidung ist die nach dem Kreditgeber in Bankenund Lieferantenkredit. Da es einen einheitlichen Rechtsbegriff des Kredites nicht gibt, läßt sich folgerichtig auch keine generalisierende Aussage über die Rechtsnatur des Kreditgeschäftes machen. Es kommen hier Zuordnungen zu ganz unterschiedlichen Vertragstypen des BGB in Betracht, wie etwa insbesondere Darlehen (§ 607 BGB), Kauf (§ 433 BGB) oder Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB). Auf die Rechtsnaturproblematik wird jeweils bei der Darstellung der einzelnen Kreditgeschäfte eingegangen. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß Darlehen gegenüber dem Kredit der engere Begriff ist. Der Darlehensvertrag i.S.v. § 607 ff. BGB ist dadurch gekennzeichnet, daß hier der Kreditgeber dem Kreditnehmer Geld oder andere vertretbare Sachen (dazu § 9 1 BGB) zu Eigentum überläßt und letzterer sich verpflichtet, dem Darlehensgeber Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten. Insbesondere die Geschäfte der Kreditleihe sind damit unter den Darlehensvertrag nicht subsumierbar.

Erster Abschnitt: Kreditgeschäfte Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag I. Begriff und Rechtsnatur des Krediteröffnungsvertrages Jeder Kreditgewährung - gleich welcher Art - eines Kreditinstitutes liegt ein schuldrechtlicher Basisvertrag zugrunde, der sog. Krediteröffnungsvertrag. Er ist dadurch gekennzeichnet, daß sich das Kreditinstitut verpflichtet, dem Kreditnehmer zu bestimmten Bedingungen und bis zu einer bestimmten Kreditlinie auf Abruf Kredit zu gewähren. Der Krediteröffnungsvertrag ist kein gesetzlicher Vertragstyp, sondern Produkt der Bankpraxis. Dementsprechend ist auch hier - wie in allen Fällen der Rechtsentwicklung praeter legem - die rechtliche Einordnung umstritten. Der Streit kann jedoch als ausgetragen gelten. Nach der heute ganz h.M. [vgl. statt vieler Canaris, a.a.O., RNr. 1202; Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 241] ist der Kreditvertrag nicht als Vorvertrag bezüglich der eigentlichen Kreditgewährung [so noch BGH NJW 1978, 947], sondern als endgültiger Rahmenverpflichtungsvertrag zu qualifizieren. Die Annahme eines Vorvertrages und damit einer mehrstufigen Vertragskonstruktion verkennt, daß nach dem Willen der vertragschließenden Parteien der Krediteröffnungsvertrag unmittelbar der Rechtsgrund für die nachfolgenden Kreditgewährungen sein soll. Aus dem Krediteröffnungsvertrag ist demnach der Kreditgeber verpflichtet, den Kredit nach den vereinbarten Bedingungen bereitzustellen; mangels abweichender Parteienvereinbarung trifft den Kreditnehmer indes keine Pflicht zur Inanspruchnahme des Kredits [vgl. Canaris, a.a.O., RNr. 1200;

6

Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag

Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 248]. Der Abruf des Kredits steht ganz in seinem Belieben. Vom Krediteröffnungsvertrag scharf zu unterscheiden sind damit die auf seiner Basis abgeschlossenen einzelnen Kreditgeschäfte [herrschende Trennungstheorie, vgl. statt aller Canaris, a.a.O., RNr. 1201]. Diese Trennung ist schon deswegen notwendig, weil sich aus dem Krediteröffnungsvertrag für den Kreditnehmer das Wahlrecht zwischen ganz unterschiedlichen Kreditarten (Geldkredit, Akzeptkredit, Diskontkredit u.a.) ergeben kann und Krediteröffnungsvertrag und einzelnes Kreditgeschäft einen unterschiedlichen Verlauf nehmen können, wie etwa immer dann, wenn die Bank aufgrund spezieller Bestimmungern in ihren AGB's ein einzelnes Kreditgeschäft rückgängig machen kann, der Krediteröffnungsvertrag hiervon aber nicht betroffen werden soll.

II.

Einzelfragen des Krediteröffnungsvertrages

1.

Zustandekommen und Beendigung des Vertrages

Für das Zustandekommen des Krediteröffnungsvertrages gelten die Regeln des allgemeinen Vertragsrechts. Das bedeutet zunächst, daß auch hier i.d.R. explizite Willenserklärungen des Kreditinstituts und des Kreditnehmers erforderlich sind; es sind hier aber auch die im allgemeinen Vertragsrecht entwickelten Grundsätze über den durch konkludentes Handeln erklärten Willen anwendbar [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 249; Canaris, a.a.O., RNr. 1208]. Der Krediteröffnungsvertrag kommt dementsprechend auch ohne ausdrückliche Willenserklärungen etwa dann zustande, wenn das Kreditinstitut dem

II. Einzelfragen des Krediteröffnungsvertrages

1

Kreditnehmer mehrfach Kredit gewährt hat und erkennbar ist, daß dies auch künftig auf Abruf des Kunden geschehen wird. Die Duldung einer vertragswidrigen Kontoüberziehung für sich alleine reicht für die Annahme eines Verpflichtungswillens des Kreditinstituts nicht aus [so auch Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 249]. Die Beweislast für das Zustandekommen des Krediteröffnungsvertrages trägt der Kunde. Ist der Vertragsschluß gescheitert, so kann sich u.U. eine Schadensersatzpflicht des Kreditinstituts nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo [vgl. dazu allg. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd I, 14. Aufl., München 1987, § 9 I] ergeben. Ein solches "Verschulden beim Vertragsschluß" ist dann gegeben, wenn das Kreditinstitut schuldhaft beim Kreditnehmer ein Vertrauen auf das Zustandekommen des Krediteröffnungsvertrages erweckt und enttäuscht. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Kreditnehmer nicht darüber aufgeklärt wird, daß die Kreditgewährung nicht allein von der Entscheidung des Kreditinstituts abhängt [vgl. BGH WM 1962, 437]. In derartigen Fällen ist der Kreditnehmer entspechend § 249 BGB so zu stellen, als hätte die Bank ihre Verhaltenspflicht erfüllt [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 252], Das läuft i.d.R. auf den Ersatz des sog. 'negativen Interesses' des Kreditnehmers hinaus, er ist so zu stellen, als habe er von dem Vertragsangebot der Bank nichts gehört. Ein Erfüllungsanspruch wird ihm demnach ausnahmsweise nur dann zustehen, wenn er aufgrund des Angebots der Bank ein anderes Kreditangebot ausgeschlagen hat.

8

Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag

Für die Beendigung des Krediteröffnungsvertrages sind neben der Beendigung durch Zeitablauf zunächst und grundsätzlich die Vorschriften zuständig, die allgemein für die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen gelten. Auf der Basis der auch hier gegebenen Vertragsfreiheit haben Vorrang allerdings etwa getroffene Parteienvereinbarungen, d.h. hier vor allem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute, sofern sie - und das ist die Regel, vgl. § 2 AGBG - Vertragsinhalt geworden sind. Die Möglichkeiten der - einseitigen - Vertragsbeendigung sind in Nr. 18 (Kündigungsrecht des Kunden) und Nr. 19 (Kündigungsrecht der Bank) der neuen AGB-Banken '93 [vgl. dazu Merkel WM 1993, 677 ff. u. 725 ff.] geregelt [die AGBSparkassen '93 enthalten weitgehend inhaltsgleiche Regelungen , vgl. dort Nr. 26]. Danach ergibt sich im einzelnen: Der Kreditnehmer/Bankkunde kann, soweit nicht eine Laufzeit oder abweichende Kündigungsregeln vereinbart sind, den Krediteröffnungsvertrag (wie auch jede einzelne Geschäftsbeziehung) jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen (Nr. 18 Abs. 1 AGB-Banken '93). Wenn eine bestimmte Laufzeit des Vertrages oder spezielle Kündigungsmöglichkeiten vereinbart sind, kann der Kunde dann den Vertrag fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es für ihn auch unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Belange der Bank unzumutbar werden läßt, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen (Nr. 18 Abs. 2 AGB-Banken '93). Der Bank stehen entsprechende Kündigungsrechte zu: Sie kann den Krediteröffnungsvertrag und einzelne Kredite, für die weder eine Laufzeit noch abweichende Kündigungsregeln vereinbart sind, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist

II. Einzelfragen des Krediteröffnungsvertrages

9

kündigen, unterwirft sich aber bei der Ausübung des Kündigungsrechts der Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des Kunden (Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken '93). Daneben steht auch der Bank in den Fällen der Vereinbarung einer bestimmten Vertragslaufzeit und/oder spezieller Kündigungsmöglichkeiten ein Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrages dann zu, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der für die Bank die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung auch unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden unzumutbar werden läßt (Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken '93). Ein solcher Grund soll nach der genannten AGB-Klausel insbesondere dann vorliegen, wenn (1.) der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögenslage gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über die Kreditgewährung (-zusage) von erheblicher Bedeutung waren, oder wenn (2.) eine wesentliche Verschlechterung seiner Vermögenslage eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber der Bank gefährdet ist. Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung ist es weiter, wenn (3.) der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten aufgrund von Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken '93 oder aufgrund einer speziellen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt. Die Abwicklung des Krediteröffnungsvertrages und einzelner Kredite nach erfolgter Kündigung ohne Kündigungsfrist (der ordentlichen nach Nr. 19 Abs. 2 wie der fristlosen nach Nr. 19 Abs. 3) ist in Nr. 19 Abs. 5 AGB-Banken '93 geregelt. Danach » wird die Bank dem Kunden für die Abwicklung (inbes. für die Rückführung eines gewährten Kredites) eine angemessene

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Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag

Frist einräumen, soweit nicht eine sofortige Erledigung erforderlich ist. Die Kündigung des Krediteröffnungsvertrages schlägt damit durch auf bereits gewährte Kredite; die AGBBanken überwinden damit die Trennungstheorie. Die Aufhebung der Geschäftsverbindung wirkt sich auch auf die Kreditkosten aus. Entsprechend den Grundsätzen über den Ausgleich einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) steht dem Kreditnehmer ein anteilmäßiger Anspruch auf Rückzahlung der Bereitstellungsprovision zu. Neben den Kündigungsrechten der Nrn. 18 und 19 AGB-Banken gelten auch für den Krediteröffnungsvertrag die allgemein für Dauerschuldverhältnisse maßgeblichen Kündigungsregeln, die aber angesichts der speziellen AGB-Regelung kaum praktische Bedeutung erhalten, d.h. nur dann zum Zuge kommen, wenn ganz ausnahmsweise die AGB-Banken nicht Vertragsinhalt geworden sind. Bezüglich der fristlosen Kündigung sei insofern auf § 626 BGB verwiesen; der in dieser Vorschrift enthaltene Rechtsgedanke, wonach eine fristlose Kündigung dann in Betracht kommt, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Vertragsende nicht zugemutet werden kann, gilt auch für den Krediteröffnungsvertrag. Auch das Widerrufsrecht der Bank nach § 610 BGB, das für den Fall einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers gilt, dürfte neben

II. Einzelfragen des Krediteröffnungsvertrages

11

Nr. 19 AGB-Banken kaum praktische Bedeutung entfalten, da gerade auch dieser Fall in Nr. 19 explizit als Kündigungsgrund genannt ist. Zudem ist problematisch, ob § 610 BGB den gesamten Krediteröffnungsvertrag oder nur den noch nicht abgerufenen Kreditbetrag erfaßt [vgl. hierzu Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 264]. Unanwendbar auf den Krediteröffnungsvertrag sind die §§ 609, 609 a BGB, da sich diese Vorschriften auf das gewährte Darlehen und dessen Rückführung, nicht aber auf das Darlehensversprechen beziehen [i.d.S. auch Canaris, a.a.O., RNr. 1243 für § 609; a.A. offenbar Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 263],

2. Unwirksamkeitsgründe Die Unwirksamkeit des Krediteröffnungsvertrages wird sich in praxi in erster Linie nach § 142 BGB als Folge einer wirksamen Anfechtung des Vertrages durch die Bank ergeben. Als Anfechtungsgrund kommt zunächst der Tatbestand der arglistigen Täuschung nach § 123 BGB in Betracht. Dieser Anfechtungsgrund ist inbesondere dann gegeben, wenn der Kreditnehmer das Kreditinstitut über seine Kreditwürdigkeit oder eine zu stellende Sicherheit getäuscht hat. Dieser Sachverhalt begründet daneben auch eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB (Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person). Diese Anfechtungsrechte werden nach heute h.M. [vgl. Canaris, a.a.O., RNr. 1215; Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 253; a.A. Stauder, a.a.O., S. 146 f.] durch das auf eben diese Gründe zu stützende Kündigungsrecht nach Nr. 19 AGBBanken nicht verdrängt. Die unterschiedlichen Lösungs-

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Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag

möglichkeiten bestehen vielmehr nebeneinander. Der Unterschied besteht in der Rechtsfolge: Die wirksame Anfechtung hebt den Krediteröffnungsvertrag mit ex-tunc-Wirkung auf, er ist als von Anfang an nichtig anzusehen, während die Kündigung ex-nunc, also in die Zukunft wirkt. Bei erfolgreicher Anfechtung erfolgt die Rückführung bereits gewährter Leistungen nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB). Eine praktisch untergeordnete Rolle dürfte die Nichtigkeit des Krediteröffnungsvertrages wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit spielen.

3.

Rechte und Pflichten der Parteien des Krediteröffnungsvertrages

a)

Kreditnehmer

Für den Kreditnehmer begründet der Krediteröffnungsvertrag den Anspruch auf Kreditgewährung. Inhalt dieses Anspruches ist es, daß die Bank den versprochenen Kredit auf Abruf durch den Kreditnehmer in der im Vertrag festgelegten Kreditart (Gelddarlehen, Akzeptkredit, Diskontkredit o.a.) und bis zur vereinbarten Kreditlinie zur Verfügung stellt. Vielfach wird der Kreditnehmer ein Interesse daran haben, den Kredit nach Tilgung erneut und mehrfach in Anspruch nehmen zu können. Ob dies möglich ist, es sich also um einen sog. revolvierenden Kredit handelt, hängt von entsprechenden, im Krediteröffnungsvertrag getroffenen Vereinbarungen ab [vgl. BGH WM 1984, 1181]. Das Abrufrecht des Kreditnehmers ist als einseitiges Gestaltungsrecht zu qualifizieren, das seine Grundlage im Krediteröffnungsvertrag hat und durch dessen Ausübung das ein-

II. Einzelfragen des Krediteröffnungsvertrages

13

zelne Kreditgeschäft begründet wird [ganz h.M., vgl. statt aller Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 243].

b)

Kreditgeber

Dem Abrufsrecht des Kreditnehmers korrespondiert

seine

Pflicht zur Zahlung der banküblichen Bereitstellungsprovision und damit ein entsprechender Anspruch der Bank. Die Provision ist die Gegenleistung für die von der Bank übernommene Verpflichtung, den Kredit auf Abruf bereitzuhalten; es handelt sich hierbei also nicht um echte Darlehenszinsen [vgl. HoptMülbert, a.a.O., § 607 RNr. 368]. Auch die eigentliche Darlehensvergütung

hat

ihren

Rechtsgrund

letztlich

im

Krediteröffnungsvertrag. Ein entsprechender Anspruch

der

Bank wird jedoch erst durch Abruf des Kredits aktualisiert und richtet sich inhaltlich nach den Regeln des konkreten Kreditgeschäftes. Ob und inwieweit der Bank aus dem Krediteröffnungsvertrag Schutzpflichten

(i.S.v.

Nebenpflichten)

zugunsten

des

Kreditnehmers erwachsen, die Bank also etwa verpflichtet ist, den Kreditnehmer über die Zweckmäßigkeit und eventuelle wirtschaftliche Risiken der Kreditaufnahme aufzuklären, ist umstritten [vgl. zum Problem Hopt-Mülbert, a.a.O., § 607 RNr. 351 ff.]. Insbesondere wenn der Kreditnehmer ein Unternehmen ist, kann grundsätzlich angenommen werden, daß eine derartige Aufklärungspflicht nicht besteht, da hier davon auszugehen ist, daß hinsichtlich der Beurteilung von Nutzen und Risiko der Kreditaufnahme regelmäßig hinreichende Sach-

14

Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag

künde bestehen wird [vgl. i.d.S. Hopt-Mülbert, a.a.O., § 607 RNr. 352 m.w.N.].

4.

Abtretung und Pfändung der Ansprüche aus dem Krediteröffnungsvertrag

Hier geht es im wesentlichen um die Problematik, ob und inwieweit der Kreditnehmer seine ihm aus dem Krediteröffnungsvertrag gegenüber der Bank zustehenden Ansprüche an Dritte abtreten kann, bzw. ob diese Ansprüche von seinen Gläubigern im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändet werden können. Diese

Fragen

sind

umstritten.

Die

Abtretbarkeit

der

Ansprüche ist immer dann grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Kredit mit einer Zweckbindung versehen war. Denn dann stellt sich die Abtretung als Inhaltsänderung i.S.v. § 399 1. Alt. BGB dar, es gilt dann das gesetzliche Abtretungsverbot dieser Vorschrift [vgl. Canaris, a.a.O., RNr. 1223 m.w.N.]. Die Abtretung ist nach § 399 2. Alt. BGB ferner dann ausgeschlossen, wenn eine entsprechende Vereinbarung zwischen Kreditnehmer und Bank getroffen wurde. Im übrigen besteht weitgehend Einigkeit insoweit, als der Kreditnehmer zur Abtretung des Anspruchs auf Kreditgewährung berechtigt sein soll [vgl. Canaris, a.a.O., RNr. 1222 m.w.N.; Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 276]. Dies wird zutreffend damit begründet, daß der Kreditnehmer auch nach der Abtretung des Anspruchs auf die einzelne Kreditgewährung Partner der Bank bleibt, d.h. insbesondere zur Rückzah-

II. Einzelfragen des Krediteröffnungsvertrages

15

lung des Kredits bzw. Freistellung der Bank verpflichtet bleibt, Interessen der Bank durch die Abtretung also nicht tangiert werden. Fraglich bleibt dann aber, ob die Abtretung des Anspruchs auf Kreditgewährung auch das Abrufrecht mit überträgt.

Die

Beantwortung dieser Frage hat von der Überlegung auszugehen, daß der Kreditnehmer davor zu schützen ist, daß ihm ein Dritter

durch

Ausübung

des

Abrufrechts

die

Gestal-

tungsfreiheit bzgl. seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nimmt [vgl. Grunsky J Z 1985, 490 ff.], ihn also einer Verschuldung unterwirft, die seinen Vermögensplanungen zuwiderläuft [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 277]. Das Abrufrecht ist damit als höchstpersönliches Recht zu qualifizieren, das auch nach der Abtretung des Anspruches auf Kreditgewährung dem Kreditnehmer zusteht [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 277; a.A. Canaris, a.a.O., RNr. 1224], Der vorstehend vertretene Ansatz hat notwendig Konsequenzen auch für das Problem der Pfandbarkeit der Ansprüche des Kreditnehmers durch seine Gläubiger: Auch hier spielt der Gedanke des Schutzes des Kreditnehmers in seiner Dispositionsfreiheit insofern eine Rolle, als zwar die Pfändbarkeit des Einzelanspruchs auf Kreditgewährung (nach Ausübung des Abrufrechts), nicht aber die Pfändbarkeit des Abrufrechts selbst zu bejahen ist [vgl. zum Diskussionsstand ausführlich HoptMülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 281], Denn die Qualifikation des Abrufrechts als personengebunden schließt auch seine Pfändbarkeit aus.

16 5.

Erstes Kapitel: Der Krediteröffnungsvertrag

Krediteröffnungsvertrag im Insolvenzverfahren

Wird über das Vermögen des Kreditnehmers das Konkursverfahren eröffnet, so erlischt der Krediteröffnungsvertrag in analoger Anwendung des § 23 Abs. 2 KO [ganz h.M., vgl. Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl., München 1986, § 17 RNr. 2 d; Canaris, a.a.O., RNr. 1258 m.w.N.; a.A. HoptMülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 284]. § 23 Abs. 2 KO gilt explizit nur für den Geschäftsbesorgungsvertrag. Die Anordnung der Nichtigkeit des Vertrages in § 23 Abs. 2 KO beruht jedoch auf dem Gedanken der durch die Konkurseröffnung bewirkten Vertrauensstörung; das Vertrauenselement steht aber gerade auch beim Krediteröffnungsvertrag ganz im Vordergrund, so daß die entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 2 KO auch auf diesen Vertragstyp von der ratio der Vorschrift her geboten erscheint. Im Konkurs der Bank steht dem Konkursverwalter das Wahlrecht des § 17 KO zu; danach kann der Konkursverwalter wählen, ob er den Krediteröffnungsvertrag weiter fortführen oder ihn stornieren will [vgl. zu diesem Wahlrecht im einzelnen die Kommentierung bei Kuhn-Uhlenruck, a.a.O., zu § 17 und unten 5. Kap. V, 6 b]. Für bereits abgerufene Kredite gelten die für den jeweiligen Vertragstyp zuständigen Konkursregeln.

17 Zweites Kapitel:

Einzelne Kreditgeschäfte

I.

Geldkredite

1.

Langfristige Kreditformen

a)

Schuldverschreibungen (Industrieobligationen)

Klassische Form der langfristigen Kreditfinanzierung ist die Schuldverschreibung auf den Inhaber, in der Terminologie der Wirtschaftspraxis die Anleihe oder Obligation. Nach § 793 B G B verpflichtet sich der Aussteller der Schuldverschreibung zu einer Leistung, im Falle der Kreditfinanzierung zur Rückzahlung des aufgenommenen Geldbetrages. Anleihen bzw. Obligationen sind gekennzeichnet durch Massenemission, der Kreditnehmer wendet sich also nicht an einen konkreten Kreditgeber, sondern spricht den Kapitalmarkt an. In der Praxis sind Aussteller von Obligationen in erster Linie öffentlichrechtliche Körperschaften (öffentliche Anleihen, etwa Kassaund Kommunalobligationen). Aber auch private Unternehmen treten als Emittenten von Obligationen auf; da Anleihen von Produktionsunternehmen gegenüber denjenigen des Handels bei weitem überwiegen, hat sich hier der Begriff der Industrieobligation etabliert. Entsprechend der Grundkonzeption der vorliegenden Darstellung sollen Industrieobligationen im folgenden im Vordergrund stehen. Auch die Industrieobligation wird i.d.R. im Wege der Massenemission, aber als Teilschuldverschreibung ('gestückelt') ausgegeben. Dies hat seinen Grund einmal darin, daß der benötigte Kapitalbetrag die Finanzkraft eines einzelnen Kreditgebers vielfach übersteigt, zum anderen aber auch in unterschiedlichen Laufzeit-Interessen von Kreditnehmer und -geber

18

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

[vgl. Drukarczyk, Finanzierung, 5. Aufl., Stuttgart 1991, S. 266 f.]. Die durchschnittliche Laufzeit von Industrieobligationen liegt heute zwischen 8 und 15 Jahren [vgl. Perridon-Steiner, a.a.O., S. 306]. Bis Ende 1990 bedurfte die Emission von Anleihen nach § 795 BGB der staatlichen Genehmigung. Durch Gesetz vom 17.12.1990 wurde § 795 (wie auch § 808 a) BGB aufgehoben; die Ausgabe von Anleihen ist damit erheblich erleichtert. Die Emission wird i.d.R. durch ein Bankenkonsortium durchgeführt, das die Anleihe fest hereinnimmt und dem Unternehmer den Ausgabebetrag sofort zur Verfügung stellt [zu den Emissionskosten vgl. Drukarczyk, a.a.O., S. 268], Ausgabekurs und Rückzahlungskurs müssen nicht identisch sein. Üblich ist ein Ausgabekurs unter 100% mit einem Rückzahlungskurs zu 100 %. Den Differenzbetrag - das Disagio - kann das emittierende Unternehmen in der Handelsbilanz unter den Rechnungsabgrenzungsposten aktivieren [zu Einzelheiten, insbes. den Zinskosten, vgl. Perridon-Steiner, a.a.O., S. 306]. Industrieobligationen sind börsengängig, was für den Zeichner der Anleihen eine hohe Liquidität der Anlage bedeutet [zu den Einzelheiten der Börsenzulassung und der Prospekthaftung vgl. §§ 36, 45 BörsG und Drukarczyk, a.a.O., S. 267 f.]. Da Industrieobligationen i.d.R. als Inhaberpapiere ausgegeben werden [selten: Orderpapiere, vgl. zu dieser Einteilung der Wertpapiere etwa Zöllner, Wertpapierrecht, 14. Aufl., München 1987, § 2 II], ist ihre Übertragung denkbar einfach: Das Eigentum geht nach § 929 BGB durch Einigung und Übergabe auf den

I. Geldkredite

19

Erwerber über, das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. Die Rückzahlung, die i.d.R. erst nach einigen - meist 5 - tilgungsfreien Jahren einsetzt, erfolgt üblicherweise in Jahresraten in einer durch Los bestimmten Reihenfolge der in Serien zerlegten Obligationen. Die Zinszahlungen erfolgen i.d.R. halbjährlich [zu Einzelheiten der Tilgung vgl. Perridon-Steiner, a.a.O., S. 306 f.]. Eine Sonderform der Industrieobligation stellt die Wandelschuldverschreibung dar: Hier hat der Zeichner der Anleihe zusätzlich das Recht auf Umtausch der Schuldverschreibung in Aktien des emittierenden Unternehmens. Nach § 221 AktG dürfen Wandelschuldverschreibungen nur auf der Basis eines entsprechenden, mit einer 3/4 Mehrheit zu fassenden Beschlusses der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ausgegeben werden. Nach § 221 Abs. 4 AktG steht den Aktionären ein Bezugsrecht zu [Einzelheiten bei Henn, Handbuch des Aktienrechts, 4. Aufl., Heidelberg 1987, S. 476 ff.; Perridon-Steiner, a.a.O., S. 309 ff.]. Die Bedeutung von Industrieobligationen wird insgesamt als eher rückläufig einzuschätzen sein [vgl. Drukarzcyk, a.a.O., S. 268]. Wegen der für die Börsenzulassung erforderlichen Mindestbeträge der Anleihen (§ 2 Börsenzulassungs-VO: Mindestens 500.000,-- DM Gesamtnennbetrag) kommt diese Finanzierungsform ohnehin nur für größere Unternehmen in Frage. Im übrigen scheinen für die langfristige Finanzierung für viele Unternehmen das Schuldscheindarlehen und der langfri-

20

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

stige Bankkredit wegen des hier geringeren Aufwandes attraktiver.

b)

Schuldscheindarlehen

Der Begriff Schuldscheindarlehen hat sich eingebürgert für Großkredite von Kapitalsammelstellen (insbes. den privaten und öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen), wobei die entsprechenden Kreditverträge typischerweise durch Vermittlung eines Finanzmaklers oder einer Bank zustande kommen. Der Begriff ist wenig aussagekräftig, da die Ausstellung eines Schuldscheines nicht konstitutiv für die Rechtsnatur derartiger Kredite ist. Der Schuldschein ist kein Wertpapier (die Darlehensrückforderung kann auch ohne Vorlage des Schuldscheins geltend gemacht werden), sondern lediglich beweiserleichterndes Dokument, das auch bei den meisten anderen Darlehen eine Rolle spielt. Die Ausgestaltung des Schuldscheindarlehensgeschäftes vollzieht sich in der Praxis in zwei Modellen: Bei dem heute eher seltenen sog. direkten System kommt dem Vermittler lediglich eine Maklerrolle zu, der Darlehensvertrag wird unmittelbar zwischen Kreditgeber(n) und Kreditnehmer abgeschlossen. Demgegenüber scheint das sog. indirekte System den Interessen der Beteiligten besser zu entsprechen. Hier kommt zunächst ein Darlehensvertrag i.S.v. § 607 BGB zwischen dem Vermittler (meist einer Bank) und dem Kreditnehmer zustande, aufgrund dessen die Bank dem Kreditnehmer die Darlehensvaluta gewährt. Die Bank tritt sodann die Darlehensrückforderungen - i.d.R. gestückelt in Teilbeträge - an die endgültigen Kreditgeber nach § 398 BGB ge-

I. Geldkredite

21

gen Zahlung einer Vergütung ab [sog. Durchhandeln, vgl. eingehend Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 321 ff.]. Das dieser Abtretung zugrundliegende Kausalgeschäft ist als Rechts-(Forderungs-) kauf i.S.d. §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 437 BGB, die gezahlte Vergütung damit als Kaufpreis i.S.v. § 433 Abs. 2 BGB zu qualifizieren. Eine Variante des indirekten Systems besteht darin, daß die Bank die Valutierung erst nach Verkauf und Abtretung der Darlehensrückforderung(en) vornimmt. In beiden Fällen fungiert die Bank in der Folgezeit i.d.R. als Treuhänderin der endgültigen Kreditgeber gegenüber dem Kreditnehmer. Soweit private Versicherungsunternehmen als Darlehensgeber fungieren wollen, sind die Anlagevorschriften der §§ 54 ff. Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie die Anlagerichtlinien des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen zu beachten. Danach ist i.d.R. die Deckungsstockfähigkeit der Darlehensanlagen Voraussetzung für die Kreditgewährung. Deckungsstock ist das Sondervermögen, das Versicherungsunternehmen für die Deckung ihrer zukünftigen Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsgeschäft bilden müssen (vgl. i.e. § 66 VAG). Die Deckungsstockfähigkeit von Darlehensanlagen richtet sich nach § 54 a VAG. Nach § 54 a Abs. 2 Nr. 8 VAG ist eine Anlage in Form von Darlehen an Unternehmen nur zulässig, wenn "aufgrund der bisherigen und der zu erwartenden künftigen Entwicklung der Ertrags- und Vermögenslage des Unternehmens die vertraglich vereinbarte Verzinsung und Rückzahlung (des Darlehens) gewährleistet erscheint und die Darlehen ausreichend durch erststellige Grundpfandrechte oder durch eine Verpflichtungserklärung des Darlehensneh-

22

Zweites Kapitel: Einzelne Kreditgeschäfte

mers gegenüber dem Versicherungsunternehmen (Negativerklärung) vergleichbar gesichert sind." Die Laufzeit des Darlehens soll regelmäßig 15 Jahre nicht überschreiten. Einen Sondertatbestand des Schuldscheindarlehens stellt das revolvierende Schuldscheindarlehen dar (sog. RevolvingkreditVermittlungsgeschäft). Hier geht es betriebswirtschaftlich um die Finanzierung eines langfristigen Kreditbedarfs durch von 'revolvierenden' Kreditgebern kurzfristig zur Verfügung gestellten Geldern [vgl. zu den unterschiedl. Erscheinungsformen und Problemen ausf. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 326 ff.]. Das Schuldscheindarlehen ist meist in Raten zu tilgen, wobei auch hier regelmäßig eine tilgungsfreie Anfangszeit von 3 bis 5 Jahren vereinbart wird. Das Schuldscheindarlehen hat als eigenständiges langfristiges Finanzierungsinstrument in den letzten Jahrzehnten immer mehr - insbesondere gegenüber der Industrieobligation - an Bedeutung gewonnen. Dies hat seinen Grund in einer Reihe von Vorteilen, die diese Finanzierungsform vor allem für den Kreditnehmer gegenüber der Anleihe aufweist: Da die Kreditgeber einzeln auftreten, können die Darlehensbedingungen flexibel mit ihnen vereinbart werden, die umständliche Börsenzulassung mit ihren weitgehenden Publizitätspflichten entfällt, die Transaktionskosten [vgl. hierzu etwa Perridon-Steiner, a.a.O., S. 399 f.] sind relativ niedrig. Als Nachteil ist lediglich die gegenüber der Anleihe um etwa 1/4% bis 1/2% höhere Zinsbelastung zu sehen.

I. Geldkredite

c)

23

Langfristige Bankkredite

Unter Heranziehung der bankstatistischen Richtlinien der Deutschen Bundesbank und der Bilanzierungsrichtlinien des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen werden allgemein solche Kredite als langfristig bezeichnet, die eine Laufzeit von mindestens vier Jahren haben. Der langfristige Bankkredit ist eine wichtige Kreditfinanzierungsform für all diejenigen Unternehmen, für die die Anleihenfinanzierung und das Schuldscheindarlehen wegen der Höhe der hier erforderlichen Beträge und der gesteigerten Bonitätsanforderungen nicht in Frage kommen. Langfristigen Bankkrediten kommt dementsprechend große praktische Bedeutung zu [vgl. die Statistik bei Drukarczyk, a.a.O., S. 270]. Auch der langfristige Bankkredit ist rechtlich als Darlehen i.S.v. § 607 BGB zu qualifizieren [zu unterschiedlichen Vertragsgestaltungen bzgl. Tilung und Verzinsung vgl. ausf. JährigSchuck-Rösler, Handbuch des Kreditgeschäfts, 5. Aufl., Wiesbaden 1990, S. 137 ff.]. Er ist also gegenseitiger Vertrag, aus dem die Bank zur Auszahlung der Darlehensvaluta, der Kreditnehmer zur Zahlung des vereinbarten Zinses verpflichtet ist. Da gerade bei langfristigen Krediten das wirschaftliche Schicksal eines Kreditnehmers kaum vorhersehbar ist, werden diese Kredite regelmäßig nur gegen Stellung dinglicher Sicherheiten ausgereicht. Hier liegen aus rechtlicher Sicht auch die eigentlichen Probleme

(vgl. dazu

eingehend

unten 2. Abschn.

'Kreditsicherungsgeschäfte', Kap. 3-5). Wegen der Gründe für eine eventuelle Unwirksamkeit des Darlehensvertrages kann auf die Ausführungen oben zum Kre-

24

Zweites Kapitel: Einzelne Kreditgeschäfte

diteröffnungsvertrag (Kap. 1, II 2) Bezug genommen werden. Hinzu kommt beim einzelnen Darlehen die Möglichkeit der Unwirksamkeit des Vertrages wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. Beim gewerblichen Kredit spielt dabei - im Gegensatz zum Verbraucherkredit - weniger die sittenwidrige Ausbeutung des Kreditnehmers durch überhöhte Zinsen und drückende Vertragsbedingungen (vgl. zum Verbraucherkredit die in der Einleitung angegebene Literatur) eine Rolle; hier steht vielmehr im Rahmen des § 138 BGB der Unwirksamkeitsgrund der sog. sittenwidrigen Knebelung, insbesondere durch Übersicherung, im Vordergrund. Darunter wird die übermäßige Einschränkung des Kreditnehmers in seiner wirtschaftlichen Entfaltungs- und Entscheidungsfreiheit verstanden. Eine derartige Knebelung kann sich insbesondere aus spezifischen, der Absicherung des RückZahlungsanspruches dienenden Abreden ergeben, aber auch aus Vereinbarungen hinsichtlich der Verwendung der Darlehensvaluta; dies vor allem dann, wenn solche Abreden mit einem jederzeitigen Kündigungsrecht des Darlehensgebers gekoppelt sind. Generelle Aussagen lassen sich jedoch hier nicht machen, es kommt immer auf die Einzelfallgestaltung und eine Gesamtwürdigung und Bewertung der Umstände an [vgl. zum Problem ausf. Hopt-Mülbert, a.a.O., § 607 RNr. 287 ff.]. Eine praktische Rolle spielen beim langfristigen Bankkredit schließlich die für die Beteiligten hier gegebenen Kündigungsmöglichkeiten. Auch hier gelten zunächst (Prinzip Vertragsfreiheit!) die vertraglich vereinbarten Kündigungsrechte, d.h. insbesondere Nr. 18 AGB-Banken '93 für den Kreditnehmer und Nr. 19 AGB-Banken '93 für die Bank (vgl. hierzu

25

I. Geldkredite

die Darstellung oben Kap. 1, II 1). Danach kann der Kunde sofern nicht für den Kredit eine bestimmte Laufzeit oder eine abweichende

Kündigungsregelung

vereinbart

ist

-

das

Darlehensverhältnis jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist

kündigen;

die

Bank

hingegen

muß

eine

'angemessene' (auf die Belange des Kunden Rücksicht nehmende) Kündigungsfrist einhalten. Dem gesetzlichen Kündigungsrecht nach § 609 BGB, das ebenfalls beiden Vertragsteilen zusteht und das bei Kündigungen von Darlehen über DM 300,-- an eine Kündigungsfrist von 3 Monaten gebunden ist, kommt daneben kaum praktische Bedeutung zu, da Banken regelmäßig ihre AGB's in den Darlehensvertrag einbeziehen. Für den Kreditnehmer erhält der 1987 neu geschaffene § 609 a BGB spezifische Kündigungsmöglichkeiten. Diese Vorschrift ist im Kern eine Verbraucherschutznorm, findet partiell aber auch auf Unternehmenskredite Anwendung. So kann der Darlehensnehmer nach § 609 a Abs. 1 BGB festverzinsliche Darlehen von bestimmter Dauer ganz oder teilweise kündigen, wenn (1.) eine (kürzere) Zinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Zinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat, frühestens jedoch für den Ablauf der Zinsbindungsfrist, oder (2.) Darlehen langfristig gewährt wurden, nach Ablauf von 10 Jahren mit einer halbjährlichen Kündigungsfrist. Nach § 609 a Abs. 2 BGB kann der Darlehensnehmer Darlehen mit veränderlichem Zinssatz jederzeit mit einer Frist von drei Monaten kündigen; dies betrifft etwa alle Kredite, bei denen der Zinssatz an Diskont- oder Lombardsatz gebunden ist. Nach § 609 a Abs. 3 BGB sind die Vorschriften des § 609 a Abs. 1 und 2 BGB zwingendes Recht: Das dort enthal-

26

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

tene Kündigungsrecht des Kreditnehmers kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Das Kündigungsrecht der Banken nach Nr. 19 AGB '93 resp. § 609 BGB besteht allerdings nicht schrankenlos. Eine praktisch wichtige Grenze ergibt sich nach h.M. [vgl. etwa BGH WM 1985, 769] aus dem aus § 242 BGB herzuleitenden Rechtsmißbrauchsverbot: Die Bank ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, bei ihrer Kündiung auf die berechtigten Interessen des Darlehensnehmers Rücksicht zu nehmen, andernfalls ist die Kündigung rechtsmißbräulich und

damit

unwirksam. Das soll nach BGH [vgl. BGH WM 1987, 921 f.] etwa dann der Fall sein, wenn der Darlehensnehmer sich nach einer Erhöhung des allgemeinen Zinsniveaus weigert, einer langfristigen Festschreibung hoher Zinsen zuzustimmen, während die Bank aufgrund einer im Vertrag enthaltenen Zinsänderungsklausel ohnehin die Möglichkeit einer einseitigen Zinsanpassung für die Dauer des Zinsanstiegs hat. Generelle Aussagen über das Vorliegen eines Rechtsmißbrauchs lassen sich nicht machen; auch hier kommt es ganz auf die Würdigung des Einzelfalles an [vgl. zum Problem Hopt-Mülbert, a.a.O., § 609 RNr. 77 ff.]. Ist für den langfristigen Bankkredit eine bestimmte Laufzeit vereinbart, so kommt als einseitge Lösungsmöglichkeit nur die außerordentliche (fristlose) Kündigung in Betracht. Sie ist für beide Teile in Nr. 18 Abs. 2 (Kreditnehmer) und Nr. 19 Abs. 3 (Kreditgeber) der AGB-Banken '93 geregelt. Voraussetzung für die fristlose Kündigung ist jeweils das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Hierzu kann auf die Ausführung oben (Kap. 1, II 1) verwiesen werden.

I. Geldkredite

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Zu klären bleibt die Rechtslage für den Fall, daß der Kreditnehmer mit seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag in Verzug gerät. Soweit - und dies dürfte regelmäßig der Fall sein - für Zinszahlungen und Tilgungsleistungen feste Termine vertraglich vereinbart sind, gerät der Darlehensnehmer nach § 284 Abs. 2 BGB automatisch in Verzug, wenn er nicht termingerecht leistet. Er schuldet der Bank dann Ersatz des Verzugsschadens nach §§ 286, 288 BGB. Die Bank kann dementsprechend auf das (Rest-) Kapital bankübliche Marktzinsen verlangen, die als Durchschnittszinsen bezogen auf das gesamte Aktivkreditgeschäft der Bank zu berechnen sind. Auf die in diesem Zusammenhang - insbesondere bei Ratenkrediten - auftretenden schwierigen und heftig umstrittenen (Berechnungs-) Probleme kann hier nicht eingegangen werden [vgl. hierzu ausf. Hopt-Mülbert, a.a.O., § 608 RNn. 44 ff. Zur Frage, ob der Schadensersatzanspruch auch Zinsen von Verzugszinsen umfaßt, vgl. BGH WM 1993, 586 ff.]. Auf Seiten der Bank begründet der Verzug des Darlehensnehmers ein Recht zur fristlosen Kündigung des Darlehensvertrages aus wichtigem Grund. Das folgt einmal aus Nr. 19 AGBBanken '93; ein solches Kündigungsrecht wird aber regelmäßig auch explizit in den konkreten Darlehensbedingungen enthalten sein. Mit der fristlosen Kündigung wird die Restschuld zur sofortigen Rückzahlung fällig.

d)

Gesellschafterdarlehen

Eine bei Kapitalgesellschaften (insbesondere bei der GmbH), aber auch bei der GmbH & Co KG nicht selten vorfindliche

28

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

Form der Fremdfinanzierung ist das Gesellschafterdarlehen: Anstatt Eigenkapital zuzuführen, gewährt ein Gesellschafter seiner Gesellschaft einen Kredit. Dies ist ein Problem insbesondere bei der sog. unterkapitalisierten GmbH. Von einer unterkapitalisierten Gesellschaft spricht man [vgl. die Definition bei Hachenburg-Ulmer, Großkommentar z. GmbHG, 7. Aufl., Berlin-New York 1975-85, Anh. § 30 RNr. 17] dann, wenn das Eigenkapital nicht ausreicht, um den nach Art und Umfang der angestrebten oder tatsächlichen Geschäftstätigkeit bestehenden, nicht durch Kredite Dritter zu deckenden mittel- oder langfristigen Finanzbedarf zu befriedigen (etwa Flugzeuge produzierende GmbH mit 100.000 DM Stammkapital). Dafür, daß hier die erforderlichen Mittel durch sog. kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen zugeführt werden, können unterschiedliche Motive verantwortlich sein: Gegenüber der Alternative einer angemessenen Eigenkapitalausstattung durch Beteiligungsfinanzierung steht aus der Sicht des kreditgewährenden Gesellschafters das Bestreben im Vordergrund, die Finanzierung 'konkursfest' zu gestalten, d.h. er möchte seiner Gesellschaft wie ein Drittgläubiger gegenüberstehen und im Konkursfalle seine Darlehensrückforderung als Konkursforderung geltend machen können. Aus rechtlicher Sicht geht es in diesen Fällen um das Problem der haftungsrechtlichen Qualifizierung dieser der Gesellschaft darlehensweise zugeführten Mittel [vgl. hierzu ausf. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Köln-Berlin u.a. 1991, § 9 IV, 4 u. 18 III, 4], Bereits das Reichsgericht hat im Jahr 1939 judiziert, "die angeblichen Darlehen (müssen) als das behandelt (werden), was sie in Wirklichkeit sind, nämlich Gesellschaftereinlagen" [vgl. R G in JW 1939, 355 f.]. Auch der BGH hat in ständiger

I. Geldkredite

29

Rechtsprechung [vgl. BGHZ 31, 259 ff.; NJW 1984, 1891 ff.] Gesellschafterdarlehen mit kapitalersetzendem Charakter dem echten Eigen- und damit Haftkapital gleichgestellt. Mit der GmbH-Novelle von 1980 wurde diese Sichtweise Gesetz: Nach § 32 a GmbHG kann ein Gesellschafter, der der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr ein ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte, statt dessen ein Darlehen gewährt, den Anspruch auf Rückgewähr des Darlehens im Konkurs der Gesellschaft nicht geltend machen [vgl. auch die §§ 32 b GmbHG, 129 a, 172 a HGB für OHG u. KG sowie § 32 a KO]. Das Gesellschafterdarlehen ist damit u.U. faktisch eine verlorene Einlage. Nach § 32 a GmbHG soll es für die Abgrenzung zum 'echten' (nicht kapitalersetzenden) Gesellschafterdarlehen darauf ankommen, ob "die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten." Diese Formel ist wenig justitiabel. Präziser erscheint hier die vom BGH [vgl. BGHZ 76, 326; 81, 317 f.] verwendete Formel von der Kreditunwürdigkeit: Gesellschafterdarlehen haben dann kapitalersetzenden Charakter i.S.v. 32 a GmbHG, wenn professionelle Kreditgeber nicht mehr bereit sind, Kredite zu marktüblichen Konditionen zu gewähren. Gegenüber der Beteiligungsfinanzierung weist das Gesellschafterdarlehen steuerliche Vorteile auf, da das Darlehen steuerlich wie Fremdkapital eines außenstehenden Gläubigers behandelt wird; insbesondere entsteht insofern keine Vermögensteuerschuld [vgl. zu den steuerlichen Vorteilen i.e. PerridonSteiner, a.a.O., S. 325 f.].

30

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

Gegenüber einem Dritt-Darlehen (Bankkredit) hat das Gesellschafterdarlehen den Vorzug, daß eine Bonitätsprüfung und deren Kosten sowie Kreditbeschaffungskosten entfallen. Insgesamt aber ist festzustellen, daß sich Gesellschafterdarlehen wegen des hohen, aus §§ 32 a ff. GmbHG und der Rechtsprechung des BGH resultierenden Konkursausfallrisikos eher als weniger geeignete Finanzierungsformen darstellen.

2.

Kurzfristige Kreditformen

a)

Lieferantenkredit

Unter Lieferantenkredit versteht man den Kredit, den der Verkäufer einer Ware dem Käufer dadurch gewährt, daß dem Käufer für die Kaufpreiszahlung ein Ziel ("zahlbar 30 Tage nach Lieferung") eingeräumt, ihm die Kaufpreiszahlung gestundet wird. Die Kreditgewährung liegt hier nicht in der Zuführung liquider Mittel, sondern im Unterlassen der Abschöpfung von Liquidität. Der Lieferantenkredit ist der praktisch wichigste Kredit von Nichtbanken. Die Tilgung dieses Kredits erfolgt aus dem Erlös, den der Käufer durch die Weiterveräußerung (oft: Weiterverarbeitung) der Waren erzielt. Die Gegenleistung des Käufers für diesen Kredit besteht darin, daß er auf den bei Barzahlung möglichen Skontoabzug von i.d.R. 3% des Rechnungsbetrages verzichten muß. Der Lieferantenkredit ist damit ein sehr teurer Kredit, denn bei Umrechnung [vgl. die Rechnung bei Perridon-Steiner, a.a.O., S. 332] der Skontosätze auf Jahreszinssätze ergibt sich ein Jahreszinssatz - je nach Zahlungsziel - von 40% - 50%. Eine Kostensenkung ist hier nur

/. Geldkredite

31

dadurch möglich, daß der Käufer das Zahlungsziel kräftig überzieht, den Kredit also länger nutzt. Der Vorteil gegenüber Bankkrediten besteht darin, daß Lieferanten meist auf Bonitätsprüfungen verzichten und auch die sonst gegebenen Formalitäten bei der Kreditnachsuche entfallen. Die zentrale rechtliche Problematik des Lieferantenkredits liegt in seiner Besicherung: Lieferanten sichern ihre Kaufpreisforderung regelmäßig dadurch ab, daß sie sich das Eigentum an der gelieferten Ware vorbehalten und auch für den Fall des Verlustes ihres Eigentums durch Veräußerung bzw. Verarbeitung Vorsorge treffen (zum Eigentumsvorbehalt und seinen Surrogaten ausf. unten Kap. 5, V).

b)

Kontokorrentkredit

Der Kontokorrentkredit ist der klassische, kurzfristige Bankkredit. Nach § 355 HGB ist das Kontokorrentverhältnis eine Geschäftsverbindung zwischen Kreditnehmer und Bank derart, daß die aus der Verbindung entstehenden beiderseitigen Ansprüche nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden (sog. laufende Rechnung). Die bankmäßige Abwicklung von Kontokorrentkrediten erfolgt über entsprechende Kontokorrentkonten (Girokonten) dergestalt, daß dem Kreditnehmer auf entsprechenden Antrag und nach positiver Bonitätsprüfung eine Kreditlinie eingeräumt, d.h. ein Höchstbetrag bestimmt wird, bis zu dem das Kontokorrent-

32

Zweites Kapitel: Einzelne Kreditgeschäfte

konto überzogen werden darf. Die Kosten des Kontokorrentkredits bestehen in Zinsen, Kreditprovision, Umsatzprovision und u.U. Bereitstellungsprovision. Die Banken sind in der letzten Zeit dazu übergegangen, Nettozinssätze zu berechnen, die vielfach an den Diskontsatz der Deutschen Bundesbank angebunden sind (etwa 4% über dem jeweiligen Diskontzinssatz). Zur Besicherung des Kontokorrentkredits eignen sich in erster Linie alle nicht akzessorischen Sicherungsgeschäfte, wie Sicherungsübereignung, Forderungsabtretung oder Verpfändung von Wertpapieren. Von den akzessorischen Sicherungsgeschäften kommt die Bürgschaft in der Form der flexiblen Höchstbetragsbürgschaft (dazu unten Kap. 4,1, 6 b) in Betracht. Die Dauer der Kontokorrentperiode ergibt sich aus den konkreten vertraglichen Vereinbarungen. Nach Nr. 7 Abs. 1 AGB-Banken '93 erteilt die Bank mangels abweichender Vereinbarung jeweils zum Abschluß eines Kalenderquartals einen Rechnungsabschluß; dabei werden nach dieser AGBBestimmung die in diesem Zeitraum entstandenen beiderseitigen Ansprüche einschließlich der Zinsen und Entgelte der Bank verrechnet. Die Bank kann auf den Saldo, der sich aus der Verrechnung ergibt, Zinsen berechnen und dies auch insoweit, als in dem Saldo bereits Zinsanteile enthalten sind. Die Zulässigkeit dieser Ausnahme vom grundsätzlichen Zinseszinsverbot des § 248 BGB ergibt sich unmittelbar aus § 355 Abs. 1 HGB. Die Berechnungspraxis der Banken schiebt jedoch die Saldierung nicht mehr bis zum Ende der Rechnungsperiode auf, sondern führt das Kontokorrentkonto in Staffelform: es wird täglich oder wöchentlich ein Saldo ermittelt und auf den Tageskontoauszügen ausgewiesen. Diese Verfahrens-

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I. Geldkredite

weise erleichtert den Beteiligten den Überblick über die Kontoentwicklung. Da dem Kreditnehmer eine Kreditlinie eingräumt wird, die er allerdings nicht ausnutzen muß, ist der Kontokorrentkredit rechtlich als Sonderfall des Krediteröffnungsvertrages zu qualifizieren, der mit einem Girovertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 BGB verbunden ist [vgl. Canaris, a.a.O., RNr. 1350; Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 289]. Da die Kreditlinie immer wieder in Anspruch genommen werden kann, liegt ein sog. revolvierender Kredit vor. Bezüglich der Beendigung des Kontokorrentgeschäfts kann auf die Ausführungen oben zum Krediteröffnungsvertrag verwiesen werden.

c)

Lombardkredit

Der Lombardkredit ist in seiner 'Urform' (schon im Mittelalter in der Lombardei praktiziert) ein einfaches Gelddarlehen i.S.v. § 607 BGB, dessen Besonderheit in der Besicherung besteht: Das Darlehen wird hier durch Verpfändung, aber auch durch Sicherungsübereignung

bzw.

Sicherungszession

von

be-

weglichen Sachen oder Rechten gesichert. Der Wert des Sicherungsgutes ist entscheidend für die Höhe des Kredits. Aus Gründen der Risikominimierung pflegen Kreditgeber

nur

einen Teil des Sicherungsgutes zu 'beleihen'; die praktizierten Beleihungsgrenzen liegen hier zwischen 50% und 80% der Sicherungswerte.

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Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

Beim sog. 'echten' Lombardkredit wird der Kredit dem Kreditnehmer als fester Betrag für eine bestimmte Laufzeit zur Verfügung gestellt. Die Tilgung erfolgt dann i.d.R. ebenfalls in einer Summe oder in vereinbarten Teilbeträgen. Diese Gestaltung hat jedoch ihre praktische Bedeutung nahezu völlig verloren. Das Lombardgeschäft der Kreditinstitute wird heute vom sog. 'unechten' Lombardkredit dominiert, der ein in laufender Rechnung gewährter, wie der 'echte' Lombard besicherter und nach kontokorrentmäßigen Gesichtspunkten abgewickelter Kredit ist. Aus Unternehmenssicht dient der Lombardkredit normalerweise als Überbrückungs- resp. Betriebsmittelkredit, also zur Finanzierung des Umlaufvermögens, wobei als Sicherung auch die Verpfändung oder Sicherungsübereignung von leicht verwertbaren Warenlagern in Betracht kommt; man spricht dann vom Warenlombard. Ausgehend von der Art der eingesetzten Sicherungsgüter werden daneben unterschieden Effektenlombard (Wertpapiere als Sicherungsobjekte), Wechsellombard, Forderungslombard und Edelmetallombard. Im Rahmen des Lombardgeschäftes der Banken steht der Effektenlombard ganz im Vordergrund. Hier wird der Kredit durch Verpfändung von verkehrsfähigen Wertpapieren (Aktien, Industrieobligationen, Anleihen der öffentlichen Hand, Pfandbriefe u.ä.) besichert, wobei die Banken börsennotierte Papiere bevorzugen. Der Effektenlombard ist in der Praxis ganz überwiegend 'unechter' Lombard im oben dargelegten Sinn, also ein durch Verpfändung von Wertpapieren gesicherter Kontokorrentkre-

I. Geldkredite

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dit. Der Grund für diese praktisch so häufige Verknüpfung von Kontokorrentkredit und Lombardbesicherung liegt in Nr. 14 AGB-Banken '93, der sog. Pfandklausel. Nach dieser - wie alle AGB-Banken - regelmäßig Vertragsinhalt werdenden Klausel erwirbt die Bank "ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen ..., an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird." Von der Pfandhaftung erfaßt sind damit automatisch die im Depot der Bank liegenden Wertpapiere des Kreditnehmers. Rechtlich ist der 'unechte' Effektenlombard als Krediteröffnungsvertrag (vgl. oben b zum Kontokorrentkredit) mit spezifischer dinglicher Besicherung zu qualifizieren.

d)

Wechseldiskontkredit

aa)

Wesen und Funktion des Wechsels

Der Wechsel - ältestes Finanzierungsinstrument der Wirtschaft - ist ein schuldrechtliches Wertpapier, das eine oder mehrere Zahlungsverpflichtungen verbrieft. Es unterliegt besonders strengen Formvorschriften, insbesondere ist die Bezeichnung 'Wechsel' im Text der Urkunde (nicht als Überschrift) erforderlich, Art. 1 Wechselgesetz (WG). In der Praxis dient der Wechsel fast ausschließlich als Kreditschöpfungs- und Kreditsicherungsinstrument, typischerweise in der Funktion als Warenwechsel im Rahmen von Kaufrechtsbeziehungen: Der Verkäufer von Waren räumt dem Käufer bzgl. der Kaufpreiszahlung ein Zahlungsziel ein, stundet ihm also den Kaufpreis, i.d.R. für 3 Monate. Diese Kaufpreisstundung ist ökonomisch Kreditgewährung: Der Verkäufer verzichtet temporär auf Li-

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Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

quiditätsabschöpfung beim Käufer. Der Käufer akzeptiert 'im Gegenzug' einen vom Verkäufer ausgestellten und auf den Käufer bezogenen Wechsel. Der Käufer verpflichtet sich damit wechselrechtlich, dem berechtigten Wechselinhaber am Ende der Laufzeit die Wechselsumme zu bezahlen. Dieses Verfahren bietet Vorteile für beide Teile: Der Käufer hat nun Zeit, den Kaufpreis resp. den zur Tilgung der Wechselforderung erforderlichen Betrag zu 'verdienen', während sich der Verkäufer die gewünschte Liquidität durch Diskontierung des Wechsels bei seiner Bank verschaffen kann. Die

durch

Unterzeichnung

des

Wechsels

begründete

wechselmäßige Verpflichtung des Käufers ist abstrakt, d.h. losgelöst von der zugrundeliegenden Kaufpreiszahlungspflicht zu sehen, tritt gewissermaßen neben diese. Der Käufer ist also doppelt verpflichtet, muß allerdings natürlich nur einmal leisten. Diese Doppelverpflichtung ist Resultat der Tatsache, daß die Kaufpreisforderung mit der Wechselhingabe nicht erlischt; die Eingehung der Wechselverbindlichkeit durch den Käufer geschieht regelmäßig nicht an Erfüllungs Statt, sondern nur erfüllungshalber, § 364 Abs. 2 BGB. Diese Abstraktheit der Wechselverpflichtung gegenüber der zugrundeliegenden Kausalforderung führt zu weitreichenden Konsequenzen. Die wichtigste ist die, daß der von einem späteren Wechselinhaber in Anspruch genommene Käufer diesem regelmäßig keine Einwendungen aus dem Kausalverhältnis (Kaufvertrag) entgegenhalten kann, wie etwa die, er habe den Kaufvertrag wegen mangelhafter Lieferung gewandelt, schulde also nichts. Dieser grundsätzliche Einwendungsausschluß be-

I. Geldkredite

37

fördert die Umlauffähigkeit des Wechsels in besonderem Maße. Diskontiert der Verkäufer den Wechsel nicht, sondern behält er ihn im Portefeuille und präsentiert ihn am Verfalltag dem Käufer, wird der oben erwähnte Kreditsicherungsaspekt des Wechsels deutlich: Zahlt der Käufer die Wechselsumme am Verfalltag nicht, so hat der Verkäufer die Möglichkeit, die Wechselsumme in einem raschen und sicheren Verfahren, dem Wechselprozeß [vgl. §§ 592 ff. ZPO] beizutreiben. Der Wechselprozeß ist Urkundenprozeß, d.h. der beklagte Käufer kann Einwendungen grundsätzlich nur geltend machen, soweit sie sich aus Urkunden ergeben. Einwendungen aus dem Grundgeschäft sind damit i.d.R. ausgeschlossen. Damit bewirkt der Wechsel eine gewisse Sicherung der in der Kaufpreisstundung liegenden Kreditgewährung. Der Wechsel ist Orderpapier. Seine Übertragung erfolgt daher durch einen spezifischen wertpapierrechtlichen Übertragungsakt, das 'Order-geben'. Es erfolgt beim Wechsel durch Indossament, d.h. einen auf der Rückseite ('in dosso') des Wechsels anzubringenden Übertragungsvermerk (etwa: "Für mich an Fa. Meyer"). Hinzutreten muß die Übereignung der Wechselurkunde nach § 929 BGB ("Einigung und Übergabe"). Der Wechsel kann beliebig oft übertragen, also weitergegeben werden. Der die Praxis beherrschende sog. gezogene Wechsel ('Tratte', Alternative: Eigener- oder Sola-Wechsel) ist durch das typische Anweisungsdreieck gekennzeichnet: Der Aussteller (beim Warenwechsel der Verkäufer) weist den Bezogenen (Käufer) an, an einen Dritten, den Remittenten, (oder dessen Order), am

38

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

Verfalltag die Wechselsumme zu zahlen. In der Praxis setzt sich der Aussteller nicht selten selbst als Remittenten ein, weil er noch nicht weiß, an wen er den Wechsel weiter begeben wird. Es haftet dem letzten Wechselinhaber nicht nur der Akzeptant, sondern jeder, der seine Unterschrift auf den Wechsel gesetzt hat, also auch der Aussteller und der Indossant, für die Wechselsumme. Die Haftung von Aussteller und Indossanten ist Regreßhaftung: Akzeptiert der Bezogene nicht oder zahlt er trotz Annahme am Verfalltag nicht, so kann der jeweilige Wechselinhaber unter der Voraussetzung wirksamen Wechselprotestes [vgl. hierzu Art. 44 ff. WG] von seinen Vormännern Zahlung verlangen, Art. 43 WG. Der Regreß ist sog. Sprungregreß: Der Wechselinhaber muß eine Reihenfolge nicht einhalten, sondern kann wählen, welchen der Vormänner er in Anspruch nehmen will. Keine wechselmäßige Haftung wird durch das unter Banken übliche sog. - offene oder verdeckte - Inkasso (Prokura-) Indossament begründet. Wegen weiterer Einzelfragen muß hier auf die Literatur zum Wertpapierrecht verwiesen werden [vgl. etwa Zöllner, Wertpapierrecht; Hueck-Canaris, Recht der Wertpapiere].

bb)

Diskontkredit

Das Diskontgeschäft ist entsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 3 KWG der "Ankauf von Wechseln oder Schecks". Die Bank erwirbt

I. Geldkredite

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hierbei vom Kreditnehmer den Wechsel, den dieser mit seinem Indossament versehen hat und zahlt ihm hierfür den Nennbetrag des Wechsels abzüglich des auf die Restlaufzeit des Wechsels entfallenden Zinsbetrages (Diskont) sowie abzüglich der Diskontprovision und u.U. einer Kostenentschädigung. Da die Bank grundsätzlich nur solche Wechsel hereinnimmt, die noch nicht fällig sind (sonst keine Diskonterlangung), stellt sich das Diskontgeschäft als Gewährung eines Geldkredits an den Wechseleinreicher dar [h.M. vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 650 m.w.N.j. Wie der Kontokorrentkredit fungiert auch der Diskontkredit als Betriebsmittelkredit, dient also der Finanzierung der laufenden Geschäfte. Die diskontierende Bank kann den Wechsel im Portefeuille halten und bei Fälligkeit die Wechselforderung geltend machen, sie kann ihn aber auch zum Zweck der Refinanzierung der Deutschen Bundesbank zum Rediskont einreichen. Sie wird deshalb Wert darauf legen, daß der diskontierte Wechsel rediskontfähig ist. Dies ist nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBankG dann der Fall, wenn es sich um einen 'guten Handelswechsel' handelt (dem also ein Warenumsatzgeschäft zugrundeliegt), aus dem drei als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften ("drei gute Unterschriften") und dessen Restlaufzeit nicht mehr als drei Monate ab Ankaufstag beträgt. Dementsprechend hängt auch die Höhe des von der Bank berechneten Diskonts von der Möglichkeit der Rediskontierung des Papiers ab: Der Diskont liegt meist 1,5% - 2% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank. Die Rechtsnatur des Diskontgeschäfts ist umstritten. Während eine Mindermeinung [vgl. etwa Canaris, a.a.O., RNr. 1532] das

40

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

Diskontgeschäft als Darlehen ansieht, qualifizieren die h.L. [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 654 f. m.w.N.] und Rechtsprechung [vgl. BGH NJW 1985, 1954] die Diskontierung als Kauf. Der h.L. ist der Vorzug zu geben. Für sie spricht insbesondere die Tatsache, daß nach dem Willen der Parteien die Bank den Wechsel endgültig zu Eigentum erwerben soll. Der dem Wechseleinreicher hierfür ausgezahlte resp. gutgeschriebene Betrag hat dann folgerichtig den Charakter eines Kaufpreises. An dieser Sichtweise ändert auch die Tatsache nichts, daß sich die Bank regelmäßig in den dem Diskontgeschäft zugrundeliegenden Abreden (bis 1.1.93 Nr. 42 AGB-Banken a.F.) für den Fall der Nichteinlösung des Wechsels ein Rückbelastungsrecht vorbehält; dies ist - wie sich aus § 437 BGB ergibt - eine für einen Rechtskauf durchaus mögliche Vertragsgestaltung [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 655]. Dem einzelnen Diskontgeschäft kann ein Diskontkrediteröffnungsvertrag zugrunde liegen; es muß dies aber nicht sein, wie etwa in den Fällen, wo es um einen einmaligen Wechselerwerb geht. Für den Diskontkrediteröffnungsvertrag gelten die allgemeinen Regeln (vgl. oben Kap. 1, II), er ist also ein Rahmenvertrag, in dem insbesondere die Kreditlinie festgelegt wird, bis zu der die Bank Wechsel des Kunden hereinnimmt. Die Kosten der Diskontierung bestehen im wesentlichen im abzuziehenden Diskont (vgl. oben). Zusätzlich werden von den Banken Diskontspesen berechnet. Grundsätzlich dürfte der Diskontkredit billiger sein als der Kontokorrentkredit. Gegenüber der Kostenstruktur vor dem 1.1.92 hat der Diskontkredit eine weitere Verbilligung dadurch erfahren, daß mit Wirkung ab diesem Datum durch das Binnenmarktförderungsgesetz die

I. Geldkredite

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Wechselsteuer (0,15 DM pro angefangene 100,- DM) abgeschafft worden ist. Bis in die 50er Jahre war das Diskontgeschäft dadurch charakterisiert, daß der Wechselaussteller (also etwa der Lieferant) den Wechsel bei seiner Bank diskontierte. Mittlerweile hat jedoch eine andere Variante große praktische Bedeutung erlangt: Nicht der Aussteller, sondern der Bezogene gibt den Wechsel seiner Bank zum Diskont, der Lieferant erhält vom Bezogenen zur Tilgung der Kaufpreisforderung einen Scheck, sog. 'Wechsel-Scheck-Verfahren', auch (mißverständlich) 'umgedrehter Wechsel' oder 'Akzeptantenwechsel' genannt. Hier gewährt also der Lieferant dem Käufer keinen Warenkredit, sondern wird von diesem sofort bezahlt. Für den Lieferanten ist dieses Verfahren nicht ungefährlich: Einerseits ist mit der Scheckeinlösung seine Kaufpreisforderung getilgt, andererseits bleibt er als Wechselaussteller dem Wechselregreß (Art. 9, 43 ff. WG) ausgesetzt. Er wird sich gegen diesen Eventualanspruch dadurch sichern müssen, daß er sich insofern das Eigentum an der Ware bis zur Wechseleinlösung durch den Käufer vorbehält. Das Wechsel-Scheckverfahren wird dann sinnhaft, wenn der Akzeptant/Käufer bei seiner Hausbank einen günstigeren Diskontkredit erhält als der Aussteller/Verkäufer bei der seinigen. Überhaupt liegen die Vorteile dieses Verfahrens überwiegend auf der Seite des Käufers: Der Diskontkredit ist billiger als ein Kontokorrentkredit, zudem behält er bei dieser Vorgehensweise den Anspruch auf Skonto-Abzug gegenüber dem Lieferanten, da er diesen mit Scheck bar bezahlt hat, sobald der Scheck eingelöst ist.

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Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

Auf Seiten des Lieferanten könnte sich allenfalls als Vorteil die 'Schonung' seiner Diskontkreditlinie bei seiner Hausbank ergeben. Aus der Sicht des Lieferanten stellt sich das WechselScheck-Verfahren letztlich lediglich als Instrument der Absatzförderung dar. Aus rechtlicher Sicht ergeben sich gegen dieses Verfahren keine grundsätzlichen Bedenken, insbesondere ist es nicht sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB [vgl. BGH NJW 1984, 728], die mit ihm für die Beteiligten verbundenen Risiken gehen nicht so weit über diejenigen anderer Geschäfte hinaus, daß sie das Verdikt der Sittenwidrigkeit tragen könnten. Besonders wichtiger Aspekt des Diskontgeschäftes ist die Regelung des Rückbelastungsrechts der Bank für den Fall, daß sich bei der Verwertung des Wechsels durch die Bank Probleme ergeben, sei es, daß die Deutsche Bundesbank Wechsel als nicht zum Rediskont geeignet zurückgibt, sei es, daß sich die Einlösung des Wechsels als gefährdet darstellt. Bis zum 1.1.1993 war der Problemkreis in Nr. 42 AGB-Banken geregelt. In den seit diesem Zeitpunkt geltenden AGB-Banken '93 findet sich eine entsprechende Vorschrift nicht mehr; lediglich die Sicherungsübereignung von diskontierten Wechseln und die Sicherungsabtretung von zugrundeliegenden Forderungen ist in Nr. 15 AGB-Banken '93 behandelt. Eine Regelung des Rückbelastungsrechts findet sich nunmehr auf der Rückseite der vom Kunden verwendeten Wechseleinreichungsformulare der Banken. Da diese Formulare in jedem Diskontgeschäft Verwendung finden, haben die dort abgedruckten Klauseln den Charakter von speziellen "Allgemeinen

II. Kreditleihe

43

Diskontgeschäfts-Bedingungen". Danach ergibt sich für das Rückbelastungsrecht der Bank nunmehr folgende Rechtslage: Mangels anderweitiger Vereinbarungen kauft die Bank Wechsel mit der Maßgabe an, daß sie zum Rediskont bei der Deutschen Bundesbank geeignet sind. Gibt die Deutsche Bank rediskontierte Wechsel zurück, weil sie diese nachträglich als nicht rediskontfähig bewertet, so kann die Bank die Wechsel neu abrechnen. Daneben darf die Bank diskontierte Wechsel vor Verfall zurückbelasten, wenn sie Kenntnis davon erhält, daß die Wechseleinlösung ernsthaft gefährdet ist. Eine Rückbelastung ist schließlich auch dann zulässig, wenn Wechsel bei Vorlage nicht bezahlt oder aus Gründen, die die Bank nicht zu vertreten hat, nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt werden. Diese Rückbelastung wird man grundsätzlich für rechtlich bedenkenfrei halten können [vgl. zur Rechtswirksamkeit der alten Nr. 42 AGB-Banken Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNn. 678 ff.].

II.

Kreditleihe

Die Geschäfte der sog. Kreditleihe sind dadurch gekennzeichnet, daß der Kreditgeber hier dem Kreditnehmer keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, sondern ihm seine Kreditwürdigkeit 'leiht', dergestalt, daß er das Versprechen gibt, einzustehen für den Fall, daß der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen gegenüber einem Dritten nicht nachkommt.

44 1.

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

Akzeptkredit

Beim Akzeptkreditgeschäft stellt der Kreditnehmer

einen

Wechsel aus, in den er seine Bank als Bezogene einsetzt. Die Bank erteilt ihr Akzept; sie übernimmt damit die Verpflichtung, den Wechsel am Verfalltag einzulösen. Der Kreditnehmer kann sich durch Diskontierung dieses Wechsels bei einer anderen Bank liquide Mittel beschaffen. Bei dieser Grundform des Akzept-Kreditgeschäftes gehen die Parteien davon aus, daß keine liquiditätsmäßige Belastung der akzeptierenden Bank eintritt, sondern daß der Kreditnehmer für die Revalierung (Freistellung der Bank und Aufwendungsersatz) des Wechsels Sorge tragen, der Bank also die für die Einlösung des Wechsels erforderlichen Mittel rechtzeitig (d.h. spätestens einen Bankarbeitstag vor Verfall) zur Verfügung stellen wird. Von dieser Grundgestaltung des Akzeptkreditgeschäfts wird jedoch heute in der Praxis fast regelmäßig dahingehend abgewichen, daß die Akzeptbank den Wechsel selbst diskontiert; es wird also der Akzeptkredit mit dem Diskontkredit verbunden, die Bank setzt, indem sie dem Kunden den Diskonterlös gutschreibt, letztlich doch Liquidität ein. Für den Kunden ist dieses Verfahren bequemer. Die Bank verdient zusätzlich zur Akzeptprovision die Diskontprovision. Falls die Bank eigene Liquidität schonen will, kann sie den Wechsel zur Refinanzierung an eine dritte Bank weitergeben. Da das Bankakzept i.d.R. nur zwei Unterschriften (Aussteller und Akzeptant) tragen wird, ist seine Rediskontierung bei der Deutschen Bundesbank nur in den Grenzen des § 19 Abs.l Nr. 1 BBankG möglich, d.h. es muß die Sicherheit des Wechsels in

II. Kreditleihe

45

anderer Weise - etwa durch Hinterlegung von Ausgleichsforderungen - gewährleistet sein. Soweit das Bankakzept zur Diskontierung bestimmt ist, ist es sog. Finanzwechsel, da ihm ein Umsatzgeschäft nicht zugrundeliegt, es vielmehr der Geldbeschaffung dient. Da die Wechselverpflichtung abstrakt, also losgelöst von etwaigen Grundgeschäften besteht, wird ihre Wirksamkeit durch das Fehlen eines Grundgeschäfts nicht beeinträchtigt. Anstatt das Bankakzept zu diskontieren, kann es der Kreditnehmer auch zur Finanzierung von Warengeschäften einsetzen. Der Wechsel ist dann Warenwechsel. Da die Bank aus dem Bankakzept als primärer Wechselschuldner haftet, pflegen Kreditinstitute den Akzeptkredit nur Kunden mit erstklassiger Bonität auszureichen, bei denen also rechtzeitige Revalierung mit Sicherheit zu erwarten ist. Auch beim Akzeptkredit ist die rechtliche Qualifikation heftig umstritten. Mit der h. M. [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNn. 334 ff. m.w.N.] ist danach zu unterscheiden, ob sich die Bank lediglich auf das Wechselakzept und damit einen reinen Haftungskredit beschränkt (wobei es Sache des Kreditnehmers bleibt, das Akzept zu verwerten) oder ob die Bank zusätzlich zum Akzept auch den Wechsel diskontiert, d.h. dem Kunden auch den Geldkredit gewährt. Im ersten Fall liegt eine Geschäftsbesorgung mit Werkvertragscharakter i.S.v. §§ 675, 631 ff. BGB vor; im zweiten Fall ist das Geschäft als Gelddarlehen i.S.v. § 607 BGB zu qualifizieren [so auch Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNn. 336 ff.].

46

Zweites Kapitel: Einzelne

Kreditgeschäfte

Dies steht nicht im Widerspruch zu den Ausführungen oben (unter d, bb) zum Diskontkredit, wo in der Wechseldiskontierung ein Kaufgeschäft i.S.v. § 433 ff. BGB zu sehen war. Denn hier sind Funktion des Wechsels und die 'Rollen' der Beteiligten andere als dort. Beim 'normalen' Diskontkredit sind die diskontierten Wechsel regelmäßig Warenwechsel, hier Finanzwechsel. Beim Akzeptkredit hat die Bank im Wechsel die Rolle des Bezogenen übernommen. Diskontiert sie diesen Wechsel, dann ist für sie - anders als beim Diskontkredit - die Erlangung des Eigentums am Wechsel uninteressant. Denn er nutzt ihr im Verhältnis zum Kreditnehmer nichts: Als Akzeptant stehen ihr keinerlei wechselmäßige Ansprüche zu, sie ist ja selbst Primärschuldner aus dem Wechsel. Behält die Bank den Wechsel im Portefeuille, dann ist auch ihr Revalierungsanspruch gegen den Kreditnehmer gegenstandslos, da kein Wechselgläubiger da ist, demgegenüber sie freizustellen wäre. Stellt die Bank in diesen Fällen dem Kunden den Gegenwert des von ihr akzeptierten und diskontierten Wechsels zur Verfügung, dann gehen beide Parteien davon aus, daß ein Rückzahlungsanspruch der Bank gegenüber dem Kunden begründet wird die typische Situation des Gelddarlehens i.S.v. § 607 BGB. Die Kosten des Akzeptkredits bestehen zunächst in der an die Bank zu zahlenden Akzeptprovision. Sie wird auch dann geschuldet, wenn die Bank zusätzlich auch den Geldkredit gewährt, das ganze Geschäft also als Darlehen zu qualifizieren ist. Der Anspruch der Bank auf Akzeptprovision ergibt sich einmal aus entsprechenden Vereinbarungen, ansonsten aus § 354 HGB. Diskontiert die Bank zusätzlich das Akzept selbst, tritt die Diskontprovision hinzu. Üblich ist hier die Berechnung

II. Kreditleihe

47

eines beide Provisionen umfassenden Nettosatzes, der um ca. 1,5% unter dem Kontokorrentzinssatz liegen dürfte.

2.

Rembourskredit

Der Rembourskredit ist eine besondere, im Außenhandel praktizierte Form des Akzeptkredits. Da die Bedeutung dieser Kreditform als Mittel der Außenhandelsfinanzierung angesichts anderer hier möglicher Finanzierungsmöglichkeiten [z.B. Eurokredite, d.h. Kredite, die aus dem Eurogeldmarkt refinanziert werden, vgl. hierzu ausf. Jährig-Schuck-Rösler, a.a.O., S. 255 ff.] stark zurückgegangen ist und auch wegen der praktischen Gestaltungsvielfalt des Rembourskredites soll hier nur eine typische Gestaltungsform dargestellt werden: Ein inländischer Importeur (Käufer) und ein ausländischer Exporteur (Verkäufer) tätigen einen Warenkauf. Auf ein Wechselakzept des Importeurs wird sich der Exporteur nicht einlassen, wenn ihm dessen Bonität unsicher erscheint. Zur Sicherung der Kaufpreiszahlung verschafft deshalb der Importeur dem Exporteur das Akzept einer Bank, der sog. Remboursbank. Diese händigt das Akzept dem Exporteur Zug um Zug gegen Hereinnahme der Warenpapiere aus. Der Exporteur wird sich dann durch Diskontierung des Akzepts - oft bei der Remboursbank selbst - Liquidität verschaffen. Vielfach ist der Rembourskredit mit einem Akkreditiv verknüpft. Unter Akkreditiv ist allgemein die Verpflichtung einer Bank zu verstehen, dem Kunden selbst oder einem Dritten bei einer anderen Bank einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Im

48

Zweites Kapitel: Einzelne Kreditgeschäfte

Rahmen des Rembourskredit bedeutet das Akkreditiv die Übernahme der Verpflichtung gegenüber dem Exporteur durch die Remboursbank, diesem das Akzept gegen Einreichung ordnungsgemäßer Dokumente zu erteilen [Klausel "Dokumente gegen Bankakzept" sog. Dokumentenakkreditiv; zu Einzelheiten und Gestaltungsvarianten vgl. Jährig-SchuckRösler, a.a.O., S. 218 ff.]. Ökonomisch ist der Rembourskredit Kreditgewährung an den Importeur/Käufer: Er 'bezahlt' den Kaufpreis beim Exporteur mittels des Akzepts, muß also keine eigenen Mittel einsetzen, sondern hat - da er den Kaufpreis erst bei Verfall des Wechsels leisten muß - Zeit, sich durch Verkauf der importierten Waren zu refinanzieren [vgl. i.d.S. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 362], Bezüglich der rechtlichen Qualifikation des Rembourskredits ist nach zutreffender Ansicht [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 364] danach zu unterscheiden, ob es sich um ein 'reines' Remboursgeschäft handelt, oder ob es mit einem Akkreditiv gekoppelt ist. Nur im ersten Fall wird man einen Sonderfall des Akzeptkredits annehmen können. Das RemboursAkkreditiv hingegen ist als Unterfall des Akkreditivs einzuordnen, da hier die Rechtsregeln über das Akkreditiv eindeutig dominieren [vgl. die "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive" (ERA) der Internationalen Handelskammer, abgedruckt bei Baumbach-Duden-Hopt, Handelsgesetzbuch, 28. Aufl., München 1989, Anh. 11]. Entsprechend dieser Unterscheidung hat nur beim 'reinen' Rembourskredit die Beziehung zwischen Importeur/Käufer und Remboursbank den Charakter eines Geschäftsbesorgungsver-

II. Kreditleihe

49

träges i.S.v. §§ 675, 631 BGB. Beim Rembours-Akkreditiv werden diese allgemeinen Regeln von den speziellen Vorschriften der ERA 'überlagert' [vgl. Hopt-Mülbert, a.a.O., vor § 607 RNr. 375].

3.

Avalkredit

Unter dem Begriff Avalkredit versteht man Kreditleihgeschäfte in Form von Bürgschaften, Garantien und garantieähnlichen Gewährleistungen, die ein Kreditinstitut im Auftrag seines Kunden (Avalkreditnehmer) gegenüber dessen Gläubiger (Avalbegünstigter) übernimmt. Die Bank übernimmt damit eine Einstandspflicht für den Fall der Nichtleistung ihres Kunden an dessen Gläubiger. Der Sache nach sind diese Fälle der Kreditleihe damit Geschäfte der Sicherung einer i.d.R. schuldrechtlichen Verpflichtung ihres Kunden gegen dessen Gläubiger. Der Avalkredit gehört daher rechtssystematisch zu den Kreditsicherungsgeschäften und wird deshalb in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen unten im entsprechenden Abschnitt behandelt (vgl. 2. Abschn., Kap. 4).

Zweiter Abschnitt: Kreditsicherungsgeschäfte Drittes Kapitel: Allgemeine Grundsätze I.

Arten der Sicherungsgeschäfte

Die grundsätzliche Schwäche der sich aus einem Kreditgeschäft ergebenden Zahlungs- resp. RückZahlungsansprüche resultiert aus ihrer Natur als schuldrechtliche Ansprüche: Sie gehen trotz unbestrittenen Bestehens und/oder gerichtlicher Titulierung (durch rechtskräftiges Urteil) ins Leere, wenn der Schuldner 'nichts hat'. Kreditgeber versuchen deshalb regelmäßig - Ausnahme: Kunden erster Bonität

zum Zwecke der Sicherung

der Ansprüche aus dem Kreditgeschäft in erster Linie ein dingliches Recht an einem bestimmten Vermögensgegenstand des Schuldners oder eines anderen Sicherungsgebers zu erhalten, sog. Realsicherheit. Bezogen auf das Unternehmen als Kreditnehmer kommen insoweit sowohl Gegenstände des Anlagevermögens (Grundstücke, Maschinen, Fuhrpark) als auch solche des Umlaufvermögens (Vorräte, Warenlager,

For-

derungen) als Sicherungsgegenstände in Betracht. Aus der Sicht der Kreditinstitute genießen unter diesen Sicherungsgegenständen erste Priorität Grundstücke wegen der Immobilien i.d.R. eigenen Wertbeständigkeit (bei langfristigen Krediten u.U. sogar Wertsteigerung). Die Realsicherheiten gewähren dem Kreditgeber ein absolut (gegen jedermann) geschütztes Recht an dem Sicherungsgegenstand, dessen Wert sich vor allem im Konkurs des Kreditnehmers/Sicherungsgebers zeigt: Hier kann sich der Kreditnehmer i.d.R. aus dem Sicherungsgegenstand bevorzugt - d.h. vor den Konkursgläubigern - befriedigen.

52

Drittes Kapitel: Allgemeine

Grundsätze

Demgegenüber hat der Kreditgeber im Falle der sog. Personalsicherheiten eine schwächere, da lediglich schuldrechtliche Rechtsposition. Von Personalsicherheiten spricht man dann, wenn sich ein Dritter (Sicherungsgeber) dem Kreditgeber gegenüber verpflichtet, für die Verbindlichkeiten des Kreditnehmers haftungsmäßig einzustehen, etwa durch Übernahme einer Bürgschaft. Die Haftungsbasis ist hier zwar gegenüber der Realsicherheit 'breiter', da dem Kreditgeber nicht nur einzelne Gegenstände haften, sondern er im Wege der Zwangsvollstreckung auf das gesamte Vermögen des Sicherungsgebers (z.B. des Bürgen) Zugriff nehmen kann; der entsprechende Anspruch ist jedoch schuldrechtlicher Natur, seine Schwäche zeigt sich insbesondere im Konkurs des Sicherungsgebers: Hier hat der Kreditgeber lediglich die Stellung eines gewöhnlichen, nicht bevorrechtigten Konkursgläubigers [ § 6 1 Abs. 1 Nr. 6 KO], dem nur ein Anspruch auf die jeweilige Konkursquote zusteht, die in praxi mangels Masse meist auf Null geht.

II.

Sicherungsabrede

1.

Sicherungsabrede und Sicherungsrecht

Kreditsicherheiten bedürfen für ihr Entstehen immer eines spezifischen rechtlichen Begründungstatbestandes, der sog. Sicherungsabrede (die Terminologie ist hier uneinheitlich, synonym werden die Begriffe 'Sicherungsvertrag' oder 'Sicherstellungsvertrag' verwendet). Die Begründungstatbestände von Personalsicherheiten einerseits und Realsicherheiten andererseits unterscheiden sich wesentlich: Für das Entstehen der Personalsicherheit genügt ein

53

II. Sicherungsabrede

schuldrechtlicher

Vertrag

zwischen

Sicherungsnehmer

(Kreditgeber) und Sicherungsgeber. Haben beide also einen Bürgschaftsvertrag i.S.v. § 765 BGB geschlossen (und dabei die Formvorschrift des § 766 BGB beachtet !) so ist damit die Bürgenhaftung - das Sicherungsrecht - zugunsten des Kreditgebers begründet. Es genügt also die Sicherungsabrede in Gestalt des Bürgschaftsvertrages. Ganz anders die Situation bei den Realsicherheiten: Auch hier wird zunächst eine Sicherungsabrede getroffen, deren wesentlicher Inhalt die Einigung der Parteien über Art und Umfang des/der Sicherungsobjekte(s) und des Sicherungszweckes ist. Damit ist die Sicherung jedoch noch nicht bestellt, die Sicherungsabrede begründet lediglich eine Verpflichtung des Sicherungsgebers zur Bestellung. Wegen des auch hier geltenden Abstraktionsprinzips [vgl. hierzu etwa Medicus, Allg. Teil des BGB, 4. Aufl., Heidelberg 1990, RNr. 224 ff.] ist für die Entstehung des - dinglichen - Sicherungsrechts ein weiteres Rechtsgeschäft, ein dinglicher Vertrag (etwa i.S.v. § 929 BGB bei der Sicherungsübereignung), erforderlich. Hinzu treten meist weitere Wirksamkeitserfordernisse, wie etwa Übergabe des Sicherungsgegenstandes oder Übergabesurrogate (wie etwa bei Eigentumsvorbehalt resp. Sicherungsübereignung) oder Grundbucheintragungen (bei Grundschuld und Hypothek). Bei den Realsicherheiten bildet also die Sicherungsabrede das Verpflichtungs(Kausal-)geschäft für das in der eigentlichen

Sicherheits-Bestellung

liegende

Verfügungsge-

schäft. Ist damit die Rechtsbeziehung zwischen Kreditgeber und -nehmer bei den Personalkrediten 'zweigliedrig' (Kreditvertrag und Sicherungsabrede), so ist sie bei den Realkrediten

54

Drittes Kapitel: Allgemeine Grundsätze

'dreigliedrig' (Kreditvertrag, Sicherungsabrede und dinglicher Bestellungsakt). Die einzelnen 'Glieder' der Rechtsbeziehung bestehen hierbei grundsätzlich unabhängig voneinander, die Unwirksamkeit des einen Vertrages berührt die Wirksamkeit des/der anderen zunächst nicht. Eine Ausnahme bilden insofern die sog. akzessorischen Sicherheiten, wie etwa Bürgschaft, Pfandrecht und Hypothek. Das Akzessorietätsprinzip bedeutet, daß diese Sicherungsrechte in ihrem Entstehen und Fortbestehen von der (Fort-) Existenz der zu sichernden Forderung abhängig sind, d.h. das Schicksal des Sicherungsrechts hängt ab vom Schicksal der zugrundeliegenden Forderung. Ist also etwa zur Sicherung einer Darlehensforderung eine Hypothek bestellt worden, wird aber das Darlehen aufgrund einer negativ verlaufenen Bonitätsprüfung nicht valutiert (ausgezahlt), so ist auch die Hypothek 'als solche' nicht entstanden, sondern verwandelt sich entsprechend §§ 1163, 1177 BGB in eine dem Grundstückseigentümer zustehende Grundschuld. Gleiches gilt für die Tilgung der hypothekarisch gesicherten Forderung: Auch hier wird mit Forderungstilgung aus der Hypothek eine Eigentümergrundschuld (§ 1164 BGB). Bei den nicht-akzessorischen Sicherungsrechten hingegen lassen die Nicht-Valutierung des Darlehens resp. die Tilgung der Darlehensrückforderung

die

jeweiligen

Sicherungsrechte

grundsätzlich unberührt. Hier muß der Sicherungsgeber seine

II. Sicherungsabrede

55

Sicherheit nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) zurückfordern.

2.

Zustandekommen und Wirsamkeit der Sicherungsabrede

Bezüglich Zustandekommen und Wirksamkeit der Sicherungsabrede gelten zunächst die insofern bestehenden allgemeinen Regeln über Verträge. Obwohl Schriftform hier nur in Ausnahmefällen (etwa für die Bürgschaft, § 766 BGB) gesetzlich vorgeschrieben ist, werden Sicherungsabreden aus Beweisgründen in der Praxis regelmäßig - so in entsprechenden Formularverträgen der Kreditinstitute - schriftlich fixiert. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute. So ist in Nr. 13 der AGB-Banken '93 ein Anspruch der Bank auf Bestellung von Sicherheiten für alle aus der Geschäftsverbindung entstehenden Ansprüche der Bank statuiert. Nr. 14 AGB-Banken '93 enthält eine (vorweggenommene) Einigung zwischen Kunde und Bank dahingehend, daß die Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen des Kunden erwirbt, die im Rahmen des bankmäßigen Geschäftsverkehrs in ihren Besitz gelangen (sog. Pfandklausel). Nach Nr. 15 Abs. 1 der AGB-Banken '93 schließlich erwirbt die Bank Sicherungseigentum an den ihr zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln; Abs. 2 dieser Klausel läßt zusätzlich auch die diesen und anderen der Bank eingereichten Papieren zugrundeliegenden Forderungen im Wege der Sicherungsabtretung auf die Bank übergehen. Diese Klauseln stellen vorformulierte Sicherungsabreden dar; ihre Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz dürfte außer Frage stehen [vgl. etwa BGH WM 1983, 926]. Da Banken ihre AGB

56

Drittes Kapitel: Allgemeine

Grundsätze

regelmäßig allen von ihnen getätigten Geschäften zugrundelegen und die Voraussetzungen für deren Einbeziehung in den Vertrag nach § 2 AGBG durchweg erfüllt sind, werden die Sicherungsabreden der Nrn. 13-15 AGB-Banken '93 bereits Bestandteil des Krediteröffnungsvertrages oder doch des einzelnen Kreditvertrages. Die Unwirksamkeit von Sicherungsabreden kann sich in der Praxis in erster Linie - sieht man also ab von den sicher nicht häufigen Fällen der Nichtigkeit nach § 142 BGB als Folge einer Anfechtung der Abrede wegen Irrtums (§ 119 BGB) oder Täuschung/Drohung (§ 123 BGB) - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB ergeben; soweit Sicherungsabreden Einzug in AGB's gefunden haben, kommt als spezifischer Unwirksamkeitsgrund ein Verstoß gegen § 9 AGBG in Betracht. Der Prüfmaßstab der 'guten Sitten' in § 138 BGB wirft wegen seiner Vagheit erhebliche Abgrenzungsprobleme auf. Es ist Lehre und Rechtsprechung bisher nicht gelungen, eine praktikable, generalisierbare Konkretisierung dieser Generalklausel zu entwickeln. Es dürfte dies auch kaum möglich sein, zumal die die 'guten Sitten' konstituierenden ethischen Prinzipien und Wertmaßstäbe auch immer einem zeitbedingten Wandel unterworfen sind [vgl. zum Problem ausf. Larenz, Allg. Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl., München 1989, § 22 III]. Es kann deshalb immer nur auf eine Würdigung der objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles ankommen (so schon BGHZ 10, 232). Gleichwohl hat die Rechtsprechung für den Bereich der Sicherungsgeschäfte zwei typische Fallgruppen gebildet, die eine gewisse Orientierung ermöglichen:

II. Sicherungsabrede

57

die Tatbestände der sog. Knebelung und die Fälle der sog. Kredittäuschung. In beiden Fallgruppen wird die Sittenwidrigkeit des entsprechenden Sicherungsgeschäftes i.S.v. § 138 BGB mit dem Mißbrauch der Machtposition, die ihm die Sicherungsübertragung einräumt, durch den Kreditgeber begründet. Während es sich bei der Knebelung um den Machtmißbrauch gegenüber dem Sicherungsgeber handelt, geht es bei der Kredittäuschung um die Schädigung anderer Gläubiger. Eine sittenwidrige Knebelung nimmt die Rechtsprechung dann an, wenn der Kreditgeber dem Sicherungsgeber mit dem Sicherungsgeschäft jede wirtschaftliche Bewegungsfreiheit, insbesondere seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit nimmt, ihn in vollständige wirtschaftliche Abhängigkeit bringt und diese Abhängigkeit zum eigenen Vorteil nutzt [vgl. etwa BGH WM 1978, 1400 ff.; BGH NJW 1955, 1272: Hier mußte das kreditnehmende

Unternehmen

der

kreditgebenden

Bank

sämtliche Maschinen, den Fuhrpark, das Warenlager sowie die Kundenforderungen sicherheitshalber übertragen. Nach der Sicherungsabrede durften Waren nur veräußert werden, wenn gleichwertige Waren ins Lager gelangt waren. Ohne Zustimmung der Bank durften keine Drittkredite aufgenommen, anderen Gläubigern keine Sicherheiten bestellt werden.]. Entscheidend für die Bewertung des Sicherungsgeschäfts als Knebelung ist also nicht so sehr der Umfang der übertragenen Sicherheiten, sondern die Feststellung, daß die Bank durch die getroffenen Abreden die Stellung eines 'stillen Geschäftsinhabers' erlangt hat.

58

Drittes Kapitel: Allgemeine

Grundsätze

Eine Knebelung i.S. einer Einschränkung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Kreditnehmers kann allerdings auch in den Fällen einer unverhältnismäßigen Übersicherung des Kreditgebers gesehen werden [vgl. hierzu Pottschmidt-Rohr, Kreditsicherungsrecht, 4. Aufl., München 1992, RNn. 752 ff.], was dann ebenfalls zu einer Nichtigkeit des betreffenden Sicherungsgeschäfts nach § 138 BGB führt. Die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit liegt hier darin, daß der Sicherungsgeber diese durch das Sicherungsgeschäft gebundenen Wirtschaftsgüter nicht frei nutzen kann. Wann die Unverhältnismäßigkeit und damit Sittenwidrigkeit der Übersicherung beginnt, ist umstritten, dürfte aber erst jenseits einer Marge von 50% zu sehen sein [vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 754]. Zu berücksichtigen sind hier jedoch etwaige Freigabeansprüche des Sicherungsgebers, die sich z.B. aus Nr. 16 Abs. 2 AGB-Banken '93 ergeben können; sie reduzieren die Übersicherung entsprechend [vgl. BGH WM 1985, 605], Soweit Sicherungsabreden Inhalt von AGB's sind [vgl. etwa Nr. 13-16 AGB-Banken '93] findet zusätzlich eine Wirksamkeitskontrolle nach den gegenüber § 138 BGB engeren Maßstäben des § 9 AGBG statt. Nach der BGH-Rechtsprechung [vgl. etwa BGH WM 1990, 1326] liegt eine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers entgegen den Geboten von Treu und Glauben i.S. dieser Vorschrift dann vor, wenn AGB-Sicherungsklauseln so gefaßt sind, daß sie zur Ansammlung und Beibehaltung eines zu hohen Sicherheitenbestandes führen [vgl. hierzu ausf. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 446, 563 ff., 746 ff.].

II. Sicherungsabrede

59

Der der Knebelung verwandte und oft mit ihr einhergehende Tatbestand der sittenwidrigen Kredittäuschung liegt dann vor, wenn der Kreditgeber sein Sicherungsinteresse ohne Rücksicht auf Drittgläubiger des Kreditnehmers und unter Inkaufnahme von deren Täuschung und Schädigung verfolgt. Dies hat der BGH [vgl. BGH NJW 1955, 1272] bspw. im einem Fall angenommen, wo sich die Bank in Kenntnis der Tatsache, daß Verbindlichkeiten des Kreditnehmers gegenüber anderen - ungesicherten - Gläubigern in Höhe von mehreren 100 TDM bestanden, auch noch die letzten freien Vermögenswerte zur Sicherung des Kredites hat übertragen lassen [vgl. zur Problematik ausf. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 755 ff., insbesondere auch zum hier besonders problematischen Feld der Unternehmenssanierung]. Der BGH hat diese Sicherungsübertragung als Verstoß gegen § 138 BGB gewertet und für nichtig erklärt.

Viertes Kapitel: Personalsicherheiten I.

Bürgschaft

Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen (§ 765 BGB). Die Übernahme der Bürgschaft begründet eine eigene Verpflichtung des Bürgen, die nicht identisch ist mit der sog. Hauptschuld des Dritten (sog. Hauptschuldner), die aber wegen des hier geltenden Akzessorietätsprinzips in ihrem Bestand von der Existenz dieser Hauptschuld abhängig ist.

1.

Wirtschaftliche Bedeutung der Bürgschaft

Der Anspruch des Kreditgebers (Gläubigers) gegenüber dem Bürgen ist ein schuldrechtlicher, der kumulativ neben den (schuldrechtlichen) RückZahlungsanspruch des Kreditgebers gegen den Kreditnehmer tritt; die Bürgschaft ist also Personalsicherheit. Anders als bei der Realsicherheit, bei der der Kreditgeber im Konkurs des Sicherungsgebers bevorzugte Befriedigung aus einem bestimmten Gegenstand des Sicherungsgebers verlangen kann, muß er sich bei der Personalsicherheit im Konkurs des Sicherungsgebers mit der Konkursquote begnügen. Der Bürgschaft wohnt also eine geringere Sicherungsqualität inne als etwa der Hypothek. Der Kreditgeber wird also in der Regel die Bürgschaft nachrangig, d.h. erst dann akzeptieren, wenn ihm Sachsicherheiten nicht geboten werden können.

62

Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Gleichwohl kommt der Bürgschaft eine erhebliche praktische Bedeutung zu. Das gilt insbesondere für die Bereiche, wo die gegenüber der Realsicherheit geringere Sicherungsqualität der Bürgschaft nicht zum Tragen kommt, weil als Bürgen solche juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts auftreten, deren Konkursrisiko gleich Null ist. Dies gilt einmal für Kreditinstitute als Bürgen, aber auch für Bürgschaften der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden). Unter den Kreditinstituten spielen hier eine besondere Rolle die Bürgschaftsbanken, deren Geschäftsbetrieb im wesentlichen in der Übernahme von Bürgschaften und anderen Avalen für bei anderen Kreditinstituten aufgenommene Kredite oder sonstige Verbindlichkeiten (etwa Lieferpflichten) ihrer Kunden besteht; das Konkursrisiko der Bürgschaftsbanken ist dadurch praktisch ausgeschlossen, daß staatliche Institutionen - insbesondere im Rahmen der Wirtschaftsförderung - für diese Bürgschaften Rückbürgschaften (dazu unter 6 g) oder andere Garantien übernehmen. Ein praktisch besonders wichtiger Einsatzbereich für die Bürgschaft ist das Auslandsgeschäft, insbesondere das Exportgeschäft

deutscher

Unternehmen.

Hier

ünernimmt

die

öffentliche Hand Bürgschaften und Garantien bzgl. derjenigen - wirtschaftlichen und vor allem politischen - Risiken, die bei der Abwicklung des Exportgeschäfts auftreten können und die wegen

ihrer

Unternehmen

Unvorhersehbarkeit nicht

getragen,

aber

vom auch

exportierenden bei

privaten

Kreditversicherungen nicht untergebracht werden können. Die entsprechenden Deckungsanträge der Exporteure werden im Auftrag des Bundes von der Hermes-Kreditversicherungs AG

I. Bürgschaft

63

bearbeitet [deshalb der in der Praxis übliche Begriff der 'Hermes-Deckung' für diese staatlichen Bürgschaften und Garantien; vgl. hierzu ausf. Jährig-Schuck-Rösler, a.a.O., S. 238 ff.]. Eine weitere, praktisch wichtige Rolle spielt die Bürgschaft im Rahmen der Kreditgewährung an GmbH's: Hier verlangen die Kreditinstitute zur Kreditsicherung regelmäßig - meist zusätzlich zu dinglichen Besicherungen - die Übernahme der selbstschuldnerischen (dazu unten 6 a) Bürgschaft durch die GmbHGesellschafter. Aufgrund der dadurch bzgl. des Kreditrückzahlungsanspruches der Bank begründeten persönlichen Haftung der Gesellschafter wird die GmbH insoweit faktisch (nicht rechtlich!) zur OHG.

2.

Bürgschaftsvertrag

a)

Zustandekommen

Die Bürgschaftsverpflichtung bedarf zu ihrem Zustandekommen eines wirksamen Bürgschaftsvertrages zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger eines Dritten, des Hauptschuldners (§ 765 Abs. 1 BGB). Der Hauptschuldner ist also an der Begründung der Bürgenverpflichtung i.d.R. nicht beteiligt. Dies ist er nur dann, wenn der Bürgschaftsvertrag - ausnahmsweise - als Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB zwischen ihm und dem Bürgen abgeschlossen wird [nach allg. Meinung zulässig, vgl. nur BGH NJW 1984, 2088]. Begünstigter Dritter i.S.v. § 328 BGB ist dann der bei dieser Konstellation am Vertragsschluß nicht beteiligte Gläubiger des Hauptschuldners. Eine solche Vertragsgestaltung liegt etwa dann vor, wenn der Bürge

64

Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

dem Hauptschuldner gegenüber die (formgerechte, dazu unten) Bürgschaftserklärung abgibt.

b)

Form

Das Gesetz schreibt in § 766 Satz 1 BGB für die Erteilung der Bürgschaftserklärung die Schriftform vor. Den Grund für die Statuierung dieses Formerfordernisses sah der Gesetzgeber in der besonderen Gefährlichkeit der Bürgschaftsübernahme für den Bürgen (sog. Schutz- und Warnfunktion der Schriftform), der sich damit ja verpflichtet, für die Schuld eines anderen einzustehen und dabei die Erwartung hegt, der Schuldner werde seine Verpflichtung schon erfüllen. Nicht der Form bedarf dementsprechend die Vertragserklärung des Gläubigers - sie kann sogar als konkludente Erklärung in der Entgegennahme der Bürgschaftserklärung gesehen werden da die Bürgschaft für den Gläubiger keine Gefahr darstellt, sie ihm im Gegenteil einen weiteren (Subsidiär-) Schuldner beschert. Nicht formbedürftig ist die Bürgschaftserklärung des Vollkaufmanns [vgl. zur Kaufmannseigenschaft §§ 1 ff. HGB sowie etwa Capelle-Canaris, Handelsrecht, 21. Aufl. München 1989, § 2], soweit sie auf seiner Seite - was im Zweifel immer der Fall ist - ein Handelsgeschäft ist, §§ 350, 351, 344 Abs. 1, 343 Abs. 1 HGB. Daß der Vollkaufmann sich auch mündlich wirksam verbürgen kann, hat seinen Grund in der Annahme des Gesetzgebers, dem Kaufmann seien aufgrund seiner besonderen kaufmännischen Qualifikation die in der Bürgschaftsübernahme liegenden Gefahren bewußt, er bedürfe also einer War-

I. Bürgschaft

65

nung nicht. Aus Gründen der Beweissicherung ist allerdings Beachtung der Schriftform auch hier sinnvoll. Aus der Schutz - und Warnfunkion der Schriftform des § 766 Satz 1 BGB ist zu folgern, daß die schriftliche Bürgschaftserklärung alle wesentlichen Teile der Bürgschaft enthalten muß, also die Person des Gläubigers, die des Schuldners, die verbürgte Forderung und den Verbürgungswillen [ganz h.M., vgl. BGH WM 1989, 559; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 25 m.w.N.]. Hinsichtlich der verbürgten Forderung treten praktische Schwierigkeiten dann auf, wenn sich die Bürgschaft auf künftige Forderungen beziehen soll, da deren genaue Bezeichnung oft nur schwer möglich ist. Das Gesetz läßt andererseits die Verbürgung für künftige Forderungen in § 765 Abs. 2 BGB ausdrücklich zu. Der BGH löst das Problem mittels des von ihm aufgestellten Grundsatzes der Bestimmbarkeit der verbürgten Forderung [vgl. BGH DB 1976, 766], Danach soll es genügen, daß die gesicherte Forderung wenigstens hinreichend bestimmbar, also wenigstens durch Auslegung des Bürgschaftsvertrages unter Einbeziehung der weiteren Umstände zu ermitteln ist. Nach der Rechtsprechung des BGH [vgl. BGH NJW 1981, 761] genügt diesem Erfordernis die in der Praxis der Kreditinstitute regelmäßig in Bürgschaftsurkunden verwendete Formulierung, wonach der Bürge "für die bestehenden und künftigen Ansprüche, die sich aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem (Haupt-) Schuldner ergeben", zu haften verspricht. Ein Problem stellt die sog. Blankettbürgschaft dar, bei der der Bürge eine unvollständige Bürgschaftsurkunde unterzeichnet und den Schuldner ermächtigt, die Urkunde durch nachträgli-

66

Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

che Ausfüllung (etwa: Eintragung der Hauptschuld) zu vervollständigen. Der BGH sieht hier die Schriftform gewahrt [vgl. BGH WM 1962, 720; WM 1984, 199] und dies offenbar auch dann, wenn der Bürge die Ausfüllungsermächtigung mündlich erteilt. Dies begegnet mit Rücksicht auf die Warnfunktion des § 766 BGB Bedenken. Denn dem Bürgen ist hier die schriftliche Zurkenntnisnahme des Umfangs seiner Verbürgung gerade nicht möglich, ein 'Warn-Medium' fehlt [vgl. i.d.S. auch Bydlinski WM 1992,1303], Der Schriftform des § 766 Satz 1 BGB genügen nicht die telegrafische Übermittlung der Bürgschaftserklärung [gl. BGHZ 24, 297 f.]v sowie die Verbürgung durch Telefax [vgl. OLG Frankfurt WM 1991, 1714]. Der Grund liegt in § 126 BGB: Nach dieser Vorschrift muß in den Fällen der gesetzlich angeordneten Schriftform der Aussteller der Urkunde diese eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnen. Der Mangel der Schriftform der Bürgschaftserklärung wird nach § 766 Satz 2 BGB dadurch geheilt, daß der Bürge die Hauptschuld beim Gläubiger tilgt. Der zunächst unwirksame Bürgschaftsvertrag wird dadurch voll gültig. Der Grund dieser Regelung liegt in der Erkenntnis des Gesetzgebers, daß die Warnfunktion dann nicht (mehr) zum Tragen kommt, wenn der Bürge freiwillig leistet.

c)

Rechtsnatur, Inhalt, Unwirsamkeit

Dadurch, daß sich der Bürge dem Gläubiger des Hauptschuldners gegenüber verpflichtet, für dessen Verbindlichkeit einstehen zu wollen, stellt er dem Hauptschuldner seine Kreditwür-

67

I. Bürgschaft

digkeit zur Verfügung. Die Bürgschaft ist also ein Fall der Kreditleihe (dazu bereits oben Kap. 2, II). D a der Übernahme der Bürgschaft durch den Bürgen eine Gegenleistung des Gläubigers nicht gegenübersteht, ist der Bürgschaftsvertrag einseitig verpflichtender Vertrag. Das bedeutet, daß die Vorschriften der §§ 320 ff. BGB über gegenseitig verpflichtende Verträge auf den Bürgschaftsvertrag keine Anwendung finden; die dort für Leistungsstörungen

statuierten

Rechte laufen wegen der hier fehlenden Gegenleistung ins Leere. Aus der strengen Einseitigkeit des Bürgschaftsvertrages folgt weiter, daß er für den Gläubiger grundsätzlich keine Sorgfaltspflichten i.S.v. Nebenpflichten begründet; so ist der Gläubiger etwa grundsätzlich nicht verpflichtet, den Bürgen über sein Risiko

oder

die Verhältnisse

des

Hauptschuldners

aufzuklären [vgl. BGH WM 1986, 11]. Die Unwirsamkeit des Bürgschaftsvertrages kann sich - abgesehen von der oben behandelten Formnichtigkeit nach §§ 766, 125 BGB - als Folge einer Anfechtung der Bürgschaftserklärung wegen Irrtums oder Täuschung (§§ 119, 123, 142 BGB) sowie wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB ergeben. Dabei ist selbstverständlich, daß dem Bürgen eine Irrtumsanfechtung nicht zusteht, wenn er sich über die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners geirrt hat, denn gerade für diesen Fall hat er sich verbürgt [vgl. schon R G Z 158, 170]. Ebensowenig berechtigt die - getäuschte - Erwartung des Bürgens zur Irrtumsanfechtung, er werde aus der Bürgschaft nicht in Anspruch genommen [BGH NJW 1988, 3206],

68

Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Eine Sittenwidrigkeit der Verbürgung und damit ihre Nichtigkeit nach § 138 BGB kann dann vorliegen, wenn zu der finanziellen Überforderung des Bürgen weitere, ihn benachteiligende oder übermäßig bedrückende Umstände hinzukommen [vgl. OLG Stuttgart WM 1991, 1255 ff., aufgehoben durch BGH WM 1992, 391]. Die Problematik der Sittenwidrigkeit von Bürgschaften ist in jüngster Zeit besonders virulent geworden und heftig umstritten in den Fällen der Verbürgung von vermögenslosen Familienangehörigen und Lebensgefährten des Hauptschuldners gegenüber der diesem einen Geschäftskredit gewährenden Bank. Eine der Rechtssicherheit (i.S. einer Vorausberechenbarkeit von gerichtlichen Entscheidungen) sicherlich nicht förderliche 'Pikanterie' der Problematik liegt darin, daß der IX. und XI. Zivilsenat des BGH hier in ähnlich gelagerten Fällen zu kontroversen Ergebnissen gelangt sind [vgl. Darstellung und Kritik bei Kreit, WM 1992, S. 1425 ff.]. Der XI. Zivilsenat hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es könne nicht hingenommen werden, daß Banken die Gewährung von Geschäftskrediten an verheiratete Kreditnehmer ohne konkreten, rechtfertigenden Grund auch dann von einer unbeschränkten persönlichen Mitverpflichtung der Ehefrau abhängig machen, wenn diese nach ihren persönlichen Verhältnissen voraussichtich nicht in der Lage sein wird, sich von den übernommenen Belastungen jemals aus eigener Kraft wieder zu befreien [vgl. BGH WM 1992, 391; s. aber auch die Entscheidung des XI. Senats in ZIP 1993, 26 ff. sowie neuestens BVerfG ZIP 1993, 1775 ff. gegen den BGH],

I. Bürgschaft

3.

69

Haftung des Bürgen

Von grundlegender Bedeutung für das Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen und damit für dessen Haftung sind das Akzessorietätsprinzip und der Grundsatz der Subsidiarität der Bürgenhaftung.

a)

Akzessorietät und Subsidiarität der Bürgenhaftung

Nach § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB ist für die Verpflichtung des Bürgen der jeweilige Bestand der Hauptverpflichtung maßgebend, die Bürgschaftsverpflichtung besteht also nur, wenn und soweit die zu sichernde Forderung (Hauptschuld) vorhanden ist (Akzessorietätsprinzip). Wird also etwa das zugesagte Darlehen nicht valutiert oder ist es getilgt worden, so ist auch die Bürgenverpflichtung nicht entstanden bzw. erloschen. Einen wichtigen Problembereich bilden in diesem Zusammenhang die wegen sittenwidriger Zinshöhe nach § 138 BGB nichtigen Darlehensverträge. Diese Problematik kann hier vernachlässigt werden, da sie - soweit ersichtlich - bei an Konsumenten ausgereichten Ratenkrediten, nicht jedoch bei Unternehmenskrediten eine Rolle spielt (vgl. zum sittenwidrigen Konsumentenkredit die in der Einleitung angegebene Literatur). Im Grundsatz bedeutet das Akzessorietätsprinzip also, daß der Bürge nie für mehr haften muß als der Hauptschuldner; in dem Maße wie dieser frei wird, haftet auch der Bürge nicht (mehr). Umgekehrt bedeutet die in § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB statuierte Maßgeblichkeit der Hauptschuld für die Bürgschaft aber auch,

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Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

daß eine Erhöhung der Hauptschuld - etwa durch Hinzutreten von Schadensersatzansprüchen wegen positiver Forderungsverletzung [vgl. dazu statt vieler Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd I, 14. Aufl., München 1987, § 24 I] oder Verzug - auch zu einer Erhöhung der Bürgenverbindlichkeit führt, § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB. Beispiel: A-Bank hatte der U-GmbH einen Kredit in Höhe von 50.000 DM gewährt, für den Gesellschafter B der GmbH die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen hatte. Zahlt U-GmbH am Fälligkeitstag nicht, so steht A gegen B zusätzlich zum Kreditrückzahlungsanspruch auch ein Anspruch auf Verzugszinsen nach §§ 286, 288 BGB zu. Eine Erweiterung der Bürgenhaftung über die Hauptschuld hinaus kann sich auch aus § 767 Abs. 2 BGB ergeben. Danach hat der Bürge auch für die dem Gläubiger entstandenen Kündigungskosten und - viel schwerer wiegend - die Kosten der Rechtsverfolgung einzustehen. Führt also der Gläubiger wegen der Hauptschuld einen Prozeß mit dem Hauptschuldner, dann haftet der Bürge nach § 767 Abs. 2 BGB für die gesamten, dem Gläubiger entstandenen Prozeßkosten (Anwalts- und Gerichtskosten). Da die Prozeßkosten u.U. (Prozeß über zwei Instanzen) die Höhe des Streitwertes (Hauptschuld) erreichen können, kann § 767 Abs. 2 BGB zu einer dramatischen Erhöhung der Einstandspflicht des Bürgen führen. Der Bürge wird deshalb vielfach gut beraten sein, wenn er die Prozeßführung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner dadurch abzuwenden versucht, daß er seinerseits Zahlung anbietet.

I. Bürgschaft

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Eine weitere Konsequenz der Akzessorietät statuiert § 768 BGB: Nach dieser Vorschrift kann der Bürge dem Gläubiger gegenüber alle dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Kann also etwa der Hauptschuldner dem Gläubiger Stundung oder Verjährung der Hauptschuld entgegenhalten, sich auf die Einrede des nichterfüllten (Haupt-) Vertrages nach §§ 320 ff. BGB berufen oder ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 274 BGB, §§ 369 Abs. 2 HGB geltend machen, so stehen diese Einreden auch dem Bürgen zu, wenn der Gläubiger ihn in Anspruch nimmt. Der Bürge verliert diese Einreden auch nicht dadurch, daß der Hauptschuldner auf sie verzichtet, § 768 Abs. 2 BGB. Eine Einschränkung des § 768 BGB und damit eine Reduktion der Akzessorietät bedeutet die in der Praxis - insbesondere bei Bankbürgschaften - im Vordringen begriffene Vertragsgestaltung dahin, daß sich der Bürge verpflichtet, an den Gläubiger auf dessen erstes Anfordern zu leisten (sog. 'Zahlung auf erstes Anfordern'). Eine solche Klausel bedeutet, daß der Bürge unverzüglich an den Gläubiger zahlen muß, d.h. dem Hauptschuldner eventuell zustehende Einreden nicht geltend machen kann. Es stellt sich deshalb die Frage nach der Zulässigkeit dieser Klausel. Der BGH hat sie unter der Prämisse bejaht [vgl. BGH NJW 1989, 1480], daß sie als lediglich vorläufiger Einwendungsausschluß gewertet werden kann (Auslegungsfrage), so daß es dem zahlenden Bürgen dann unbenommen ist, ihm aus der Akzessorietät zustehende Einreden im Nachhinein geltend zu machen und das Geleistete nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) vom Gläubiger zu-

72 riickzufordern RNr. 45].

Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

[vgl. BGH, a.a.O.; Pottschmidt-Rohr, a.a.O.,

Wegen der mit der Bürgschaft auf erstes Anfordern verbundenen besonderen Risiken für den Bürgen will der BGH diese Haftungsvariante den Kreditinstituten vorbehalten [vgl. BGH WM 1990, 1411; WM 1992, 854]; nach Ansicht des Gerichts sind andere Personen, auch Kaufleute, die keine Bankgeschäfte betreiben, i.d.R. nicht in der Lage, die Risiken einer solchen Bürgschaft, die einer Garantieübernahme für fremde Schuld fast gleichsteht, zu erkennen und abzuschätzen [vgl. BGH WM 1990, 1411]. Im Ergebnis sind damit Verbürgungen auf erstes Anfordern durch Nicht-Kreditinstitute unwirksam. Das hier vom BGH empfundene Schutzbedürfnis verwundert allerdings angesichts der Rechtsprechung desselben Gerichts in den oben angesprochenen Fällen der Bürgschaftsübernahme durch vermögenslose Verwandte und Lebensgefährten des Hauptschuldners, die das Gericht generell als nicht schutzwürdig erachtet [vgl. auch die Kritik bei Bydlinski WM 1992, 1308 und WM 1991, 257 ff. sowie Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 45, die die Unwirksamkeit auf formularmäßige Verbürgungen auf erstes Anfordern anders Individualabreden - beschränken wollen]. Unter Geltung des Akzessorietätsprinzips ergibt sich eine besondere Problemlage schließlich in den Fällen der isolierten Abtretung von Hauptforderung und/oder Bürgschaftsforderung.

I. Bürgschaft

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Beispiel: Der Gläubiger G einer durch Bürgschaft des B gesicherten Hauptforderung gegen S trat diese an E ab. Im Bürgschaftsvertrag zwischen G und B war die Unabtretbarkeit der Bürgschaftsforderung vereinbart worden. Als S nicht zahlt, nimmt E den B in Anspruch. Der BGH hat sich hier für eine strenge Anwendung des Akzessorietätsprinzips ausgesprochen und folgende Grundsätze aufgestellt [vgl. BGH WM 1991, 1869 = NJW 1991, 3025]: Akzessorietät bedeutet nicht nur Abhängigkeit der Bürgenschuld von der Hauptforderung, sondern auch Identität zwischen Gläubiger der Hauptforderung und Bürgschaftsgläubiger. Diese Feststellung leitet der BGH aus § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB her, wonach die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen übergeht, soweit dieser den Gläubiger befriedigt. Aus diesem der Bürgschaft immanenten Merkmal der Gläubigeridentität folgert das Gericht zweierlei: 1. Die Abtretung der Rechte aus der Bürgschaft ohne Abtretung der Hauptforderung ist grundsätzlich unwirksam, und 2. Die Abtretung der Hauptforderung ohne Abtretung der Rechte aus der Bürgschaft führt zum Erlöschen der Bürgschaft. Diese zweite Aussage kann allerdings nur für die durch das Beispiel repräsentierten Fälle des vertraglichen Ausschlusses der Abtretbarkeit der Bürgschaftsforderung gelten. Ist die Abtretbarkeit der Bürgschaftsforderung nicht ausgeschlossen, geht diese entsprechend § 401 BGB kraft Gesetzes mit der Abtretung der Hauptforderung auf den neuen Gläubiger über [vgl. zur zitierten BGH-Entscheidung kritisch Bydlinski WM 1992, 1308 f.; s. zum Problem Hj. Weber, Sicherungsgeschäfte, 3. Aufl., München 1986, S. 28 f.].

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Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Aus § 771 BGB folgt der Grundsatz der Subsidiarität der Bürgenhaftung: Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger den Bürgen erst dann in Anspruch nehmen, wenn er gegen den Hauptschuldner einen vollstreckbaren Titel (i.d.R. ein Urteil) erwirkt hat und die auf der Grundlage dieses Titels betriebene Zwangsvollstreckung ohne Erfolg geblieben ist. Der Bürge haftet also nur hilfsweise, nicht als Gesamtschuldner mit dem Hauptschuldner, § 771 BGB gibt ihm die sog. Einrede der Vorausklage. Dieser Subsidiaritätsgrundsatz hat sich allerdings in der Praxis mittlerweile zur Ausnahme gewandelt. Nach § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann der Bürge auf die Einrede der Vorausklage verzichten. Die Kreditinstitute verlangen ihm in ihren Bürgschaftsformularverträgen diesen Verzicht regelmäßig ab [vgl. etwa Nr. 5 des Formularvertrags der Deutschen Bank], Die Bürgschaft ist dann sog. selbstschuldnerische Bürgschaft (dazu unter 6 a), der Gläubiger kann den Bürgen ohne weiteres in Anspruch nehmen. Die entsprechenden Verzichtsklauseln in Formularverträgen sind mit § 9 AGBG vereinbar. Sie stellen schon deshalb keine unangemessene Benachteiligung des Bürgen i.S.v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG dar, weil das BGB selbst in § 773 Abs. 1 Nr. 1 die Möglichkeit des Einredeverzichts vorsieht [so auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 40, FN 51]. Unabhängig von dem Verzicht auf die Einrede der Vorausklage ist die Bürgschaft eines Vollkaufmanns, sofern sie für ihn ein Handelsgeschäft ist (dafür spricht regelmäßig die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB), immer selbstschuldnerische Bürgschaft, §§ 349, 351 HGB. Die Einrede der Vorausklage und damit die Subsidiarität der Haftung des Bürgen entfällt nach § 733 Abs. 1 Nr. 2-4 BGB fer-

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I. Bürgschaft

ner dann, wenn die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner infolge einer nach Übernahme der Bürgschaft eingetretenen Änderung des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder des Aufenthaltsortes des Hauptschuldners wesentlich erschwert ist, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners der Konkurs eröffnet worden ist, oder wenn anzunehmen ist, daß die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners nicht zu einer Befriedigung des Gläubigers führen wird. Die letztgenannte Alternative liegt etwa dann vor, wenn die Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner wegen einer anderen Forderung bereits erfolglos verlaufen ist. Eine weitere konkrete Ausgestaltung des Subsidiaritätsprinzips findet sich in § 770 Abs. 2 BGB. Die Vorschrift gibt dem Bürgen gegenüber dem Gläubiger ein Leistungsverweigerungsrecht für den Fall, daß der Gläubiger beim Hauptschuldner durch Aufrechnung nach § 387 BGB Befriedigung erlangen kann; dies setzt voraus, daß der Hauptschuld ein fälliger Gegenanspruch des Schuldners gegen den Gläubiger gegenübersteht. Beispiel: G hat S einen am 1.10 zur Rückzahlung fälligen Kredit in Höhe von 10.000 DM gewährt, für den sich B verbürgt hat. Am 20.09 erwirbt S aufgrund einer Warenlieferung an G einen Kaufpreisanspruch in Höhe von 20.000 DM. Nimmt G am 2.10. den B wegen des nicht zurückgezahlten Kredits in Anspruch, so kann B nach § 770 Abs. 2 BGB seine Leistung mit dem Hinweis verweigern, daß G Befriedigung

dadurch

erlangen

kann,

daß

er

die

Kredit-

rückzahlungsforderung mit der Kaufpreisforderung gemäß § 387 BGB aufrechnet.

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Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

Diesem Leistungsverweigerungsrecht kommt indessen nur untergeordnete praktische Bedeutung zu, da es in den üblichen Formularverträgen regelmäßig ausgeschlossen wird. Dieser Ausschluß ist nach h.M. zulässig [vgl. BGH ZIP 1985, 1260 f.].

b)

Umfang der Haftung

Für den Umfang der Bürgenhaftung ist aufgrund des Akzessorietätsprinzips in erster Linie die Hauptforderung maßgebend (dazu ausführlich oben a). Nach § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet der Bürge auch für Veränderungen resp. Erweiterungen der ursprünglichen Hauptschuld, soweit sie sich aufgrund Verschuldens und Verzugs des Hauptschuldners ergeben. Dementsprechend erstreckt sich die Bürgenhaftung auch auf Ansprüche des Gläubigers auf Verzugszinsen (§§ 286, 288 BGB) sowie Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§§ 325, 326 BGB). Die Bürgenschuld umfaßt weiter nach § 767 Abs. 2 BGB auch die Kosten, die dem Gläubiger aufgrund einer Kündigung oder eines Prozesses gegen den Hauptschuldner entstehen; ein Verschulden des Hauptschuldners ist insofern nicht erforderlich. Dies wurde bereits oben unter a) dargestellt. Zu klären bleibt die Frage, ob der Bürge auch für eine eventuell fällig werdende Vertragsstrafe [vgl hierzu §§ 339 ff. BGB sowie Larenz, Schuldrecht I, § 24 II] sowie für einen Bereicherungsanspruch einzustehen hat, der sich für den Gläubiger etwa infolge Unwirksamkeit eines Kreditvertrages gegen den Hauptschuldner nach §§ 812 ff. BGB ergibt. Sofern sich derartige Ansprüche auf ein Verschulden des Hauptschuldners zurückführen lassen, gilt § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB. Im übrigen kommt eine Bürgenhaftung nur dann in Betracht, wenn eine entsprechende Einstands-

I. Bürgschaft

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pflicht im Bürgschaftsvertrag statuiert ist, oder sich diesem doch wenigstens im Wege der Auslegung entnehmen läßt [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 19]. Somit haftet der Bürge für Bereicherungsansprüche des Kreditgebers, wenn der Bürgschaftsvertrag eine entsprechende Klausel enthält, auch dann, wenn der Kreditvertrag wegen wucherischer Zinsen sittenwidrig und damit nach § 138 BGB nichtig ist [vgl. BGH WM 1992, 135; zust. Bydlinski WM 1992, 1307].

4.

Erlöschen der Bürgschaft. Rückgriff des Bürgen

Aufgrund der Akzessorietät der Bürgenschuld bewirkt die Erfüllung der Hauptschuld durch den Hauptschuldner das Erlöschen der Bürgschaft. Aber auch andere, auf die Beseitigung der Hauptforderung gerichtete Rechtshandlungen des Hauptschuldners ziehen das Erlöschen der Bürgschaft nach sich, wenn sie erfolgreich sind, wie etwa wirksame Anfechtung des Hauptvertrages oder ein wirksamer Vertragsrücktritt. Zahlt im Falle der Nichtleistung des Hauptschuldners der vom Gläubiger in Anspruch genommene Bürge an den Gläubiger, dann tilgt der Bürge damit simultan die Haupt- und damit seine Bürgenschuld, die Bürgschaft erlischt. Befriedigt der Bürge den Gläubiger, so stellt sich die Frage, ob und auf welcher Grundlage der Bürge Regreß beim Hauptschuldner nehmen kann; denn die Bürgschaft soll den Gläubiger sichern, nicht aber zu einer Freistellung des Hauptschuldners führen. Ein Rückgriffsanspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner kann sich zunächst aus dem zwischen beiden bestehenden Innenverhältnis ergeben. Die Rechtsnatur dieser

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Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Innenbeziehung ist jedoch vielfach unklar: Es kann ein unentgeltlicher Bürgschaftsauftrag des Hauptschuldners an den Bürgen i.S.v. § 662 BGB vorliegen, durch dessen Annahme der Bürge zur Übernahme der Bürgschaft verpflichtet ist, es kann sich aber auch um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB handeln. Letzteres ist etwa dann gegeben, wenn sich eine Bank gegen Zahlung einer Avalprovision zur Bürgschaftsübernahme verpflichtet. Es ist aber auch denkbar, daß eine Vertragsbeziehung zwischen Bürge und Hauptschuldner gänzlich fehlt; übernimmt in solchen Fällen der Bürge die Bürgschaft, so kann dies zwischen den beiden das gesetzliche Schuldverhältnis der 'Geschäftsführung ohne Auftrag' gemäß §§ 677 ff. BGB begründen [vgl. hierzu statt vieler Medicus, Schuldrecht II, 4. Aufl., München 1990, § 123 f.]. So können sich hier, je nach der Natur des Innenverhältnisses, Aufwendungsersatzansprüche des Bürgen nach §§ 670, 675/670 oder 683/670 BGB ergeben. Auch Bereicherungsansprüche nach §§ 684/812 ff. BGB kommen in Betracht. Die hier möglichen Unklarheiten bzgl. eventueller Anspruchsgrundlagen beseitigt jedoch § 774 Abs. 1 BGB zugunsten des Bürgen: Nach dieser Vorschrift geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner kraft Gesetzes auf den Bürgen über, soweit er den Gläubiger befriedigt (sog. cessio legis = gesetzlicher Forderungsübergang im Gegensatz zur rechtsgeschäftlichen Forderungsabtretung). Dem Bürgen stehen also u.U. - je nachdem, ob Rückgriffsansprüche aus dem Innenverhältnis bestehen - für seinen Regreß gegen den Hauptschuldner zwei Wege offen, zwischen denen er wählen kann [h.M., vgl. etwa Palandt-Thomas, § 774 RNr. 4], Bezüglich des durch cessio legis übergegangenen Anspruchs ist jedoch § 774 Abs. 1 Satz 3 BGB zu beach-

I. Bürgschaft

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ten: Danach kann der Hauptschuldner auch gegenüber der übergegangenen Hauptforderung die ihm aus dem Innenverhältnis gegen den Bürgen zustehenden Einwendungen geltend machen; der Hauptschuldner ist also, auch wenn der Bürge nach § 774 BGB die übergegangene Hauptforderung geltend macht, nur in dem sich aus dem Innenverhältnis ergebenden Rahmen verpflichtet [vgl. BGH WM 1992, 908]. Ein Nachteil bei Geltendmachung der Hauptforderung kann sich für den Bürgen aus der Verjährung dieser Forderung ergeben: Der Lauf der Verjährungsfrist hat regelmäßig bereits vor Forderungsübergang begonnen, so daß ihr Ablauf kurz nach Übergang eintreten kann. Vorteilhaft ist die cessio legis für den Bürgen insoweit, als mit dem Übergang der Hauptforderung auch die für diese Forderung anderweit bestehenden akzessorischen Sicherheiten (also etwa Hypothek, Pfandrecht, andere Bürgschaften) nach §§ 412, 401 BGB auf ihn übergehen.

5.

Verhältnis zwischen Bürgen und anderen Sicherungsgebern

Aus der Tatsache, daß mit der Hauptforderung alle sonstigen (akzessorischen) für sie bestellten Sicherheiten mit auf den Bürgen übergehen, ergeben sich für die Fälle, in denen für die Hauptschuld sowohl eine Bürgschaft als auch eine akzessorische Realsicherheit (etwa Pfandrecht) bestellt worden sind, schwierige Rang- und Ausgleichsprobleme.

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Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Beispiel- Bank G hat S einen Kredit in Höhe von 100.000 DM gewährt, für den sich B verbürgt hat. Zur weiteren Sicherung dieses Kredits hat X der Bank Investmentanteile verpfändet. Ah S mit der Kreditrückzahlung in Verzug gerät, tilgt B die Schuld des S bei G. Abwandlung: X kommt B mit der Kredittilgung zuvor, um die Verwertung seiner Investmentanteile durch G zu verhindern. Befriedigt der Bürge den Gläubiger, dann geht nach §§ IIA, 412, 401 BGB zusammen mit der Hauptforderung auch ein bzgl. dieser Forderung bestehendes Pfandrecht auf ihn über. Befriedigt der Verpfänder den Gläubiger, dann folgt aus §§ 1225, 774, 412, 401 BGB das umgekehrte Ergebnis: Der Verpfänder erwirbt die Hauptforderung zusammen mit der Bürgschaftsforderung. Bliebe es bei dieser Feststellung, würde hier also das Prioritätsprinzip gelten, dann käme es in diesen Fällen immer zum Erfolg der 'schnellen Füße'. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man dann, wenn man eine Rangfolge zwischen den beiden Sicherungsrechten annimmt. Dementsprechend wird die Meinung vertreten, daß der Bürge gegenüber Mitsicherern das bessere Recht habe [vgl. etwa Larenz, Schuldrecht, Besonderer Teil, 12. Aufl., München 1981, § 64 III; Reinicke-Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., Neuwied 1988, S. 260 m.w.N.]. Diese Vorrangstellung des Bürgen wird teilweise aus § 766 BGB, aber auch aus §§ 768 Abs. 2, 771 BGB hergeleitet [vgl. Larenz, a.a.O.], teilweise auch damit begründet, daß der Bürge - anders als der dingliche Mitsicherer - mit seinem ganzen Vermögen hafte und die Bürg-

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schaft vielfach aus altruistischen Gründen übernommen werde [so Reinicke-Tiedtke, a.a.O.]. Folgt man dieser Meinung, so wird der Bürge entsprechend § 776 BGB in Höhe des Wertes der dinglichen Sicherheit frei, wenn der Mitsicherer den Gläubiger befriedigt, der Mitsicherer erwirbt damit die Hauptforderung ohne die Bürgschaftsforderung. Mit dem BGH [vgl. BGH NJW 1992, 3229] ist diese Meinung indes abzulehnen. Eine Vorrangstellung des Bürgen gegenüber dinglichen Mitsicherern läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. § 776 BGB gilt nur für das Verhältnis Bürge/Gläubiger [vgl. zu den Argumenten der Gegenmeinung ausf. BGH, a.a.O.]. Bürgschaft und dingliche Mitsicherungen sind also gleichrangig, es sei denn, es sind konkrete Rangvereinbarungen getroffen worden. Die oben dargestellte mißliche Wettlauf-Situation zwischen Bürgen und Mitsicherern wird nach richtiger Ansicht [vgl. grundlegend BGH NJW 1992, 3229] dadurch vermieden, daß man von einer zwischen gleichrangigen

Sicherungsgebern

bestehenden Ausgleichspflicht ausgeht. Diese Ausgleichspflicht ergibt sich aus analoger Anwendung der Gesamtschuldregel des § 426 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift sind Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sicherungsgeber sind zwar nicht Gesamtschuldner, sondern 'Gesamthafter'. Die Interessenlagen bei gemeinsamer Schuld und gemeinsamer Haftung sind aber gleichartig [zutr. Hj. Weber, a.a.O., S.37], so daß eine Analogie zulässig ist [vgl. zur Analogie als Methode der Rechtsgewinnung: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Berlin u.a. 1991, S. 381 ff.]. Diese Ausgleichs-

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Viertes Kapitel:

Personalsicherlieiten

pflicht gilt auch dann, wenn neben der Bürgschaft nicht-akzessorische Sicherheiten konkurrieren [vgl. Hj. Weber, a.a.O., S. 37; BGH NJW 1992, 3228 - für das Verhältnis Bürgschaft/Grundschuld]. Für die Gleichstellung von Gesamtschuld und Gesamthaftung, die Anwendung des Rechtsgedankens des § 426 Abs. 1 BGB also, ist es gleichgültig, ob das Sicherungsrecht akzessorisch ist oder nicht. Es ist damit ohne Nachteil für die beteiligten Sicherungsgeber, ob der eine oder der andere zuerst den Gläubiger befriedigt bzw. von diesem in Anspruch genommen wird: Der Zahlende kann von dem oder den Mitsicherern anteilig Ausgleich verlangen. Befriedigt also im Beispiel B die G-Bank, dann hat er gegen X einen hälftigen Ausgleichsanspruch, der in dieser Höhe durch das insoweit auf ihn übergegangene Pfandrecht an den Investmentanteilen gesichert ist.

6.

Sonderformen der Bürgschaft

Unterschiedliche Sicherungsbedürfnisse der Wirtschaftspraxis haben zur Entwicklung von vielfältigen Sonderformen der Bürgschaft geführt, die mehr oder weniger vom 'Grundtyp' der §§ 765 ff. BGB abweichen. Die praktisch wichtigsten dieser Sonderformen werden im folgenden in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen kurz dargestellt.

I. Bürgschaft

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a) Selbstschuldnerische Bürgschaft Wesentliches Merkmal der selbstschuldnerischen Bürgschaft ist es, daß der Bürge hier im Bürgschaftsvertrag auf die ihm bei der 'normalen' Bürgschaft nach § 771 BGB zustehende Einrede der Vorausklage verzichtet. Folge dieses Verzichts ist der Wegfall der Subsidiarität seiner Haftung: Er tritt haftungsmäßig neben den Hauptschuldner, der Gläubiger hat die Wahl, wen er in Anspruch nimmt. An der Akzessorietät der Bürgenhaftung ändert der Verzicht nichts, d.h., auch die selbstschuldnerische Bürgschaft entfällt, wenn eine zu sichernde Hauptschuld nicht (resp. nicht mehr) besteht. Die Bürgschaft des Vollkaufmanns ist, soweit sie für ihn Handelsgeschäft ist, immer selbstschuldnerisch (§ 349 HGB). Gleiches gilt für die Verbürgung 'als Selbstzahler' und 'auf erstes Anfordern'.

b)

Höchstbetragsbürgschaft

Praktischer Anwendungsbereich der Höchstbetragsbürgschaft ist vor allem der Kontokorrentkredit (vgl. dazu oben Kap. 2,1, 2b). Da die sich hier zugunsten der kreditgebenden Bank jeweils ergebenden Salden in ihrer Höhe zum Zeitpunkt der Verbürgung nicht absehbar sind, hat der Bürge ein Interesse daran, daß seine Haftung durch Festlegung eines Höchstbetrages begrenzt wird. Fraglich ist, ob sich dieser Höchstbetrag um auf die gesicherte Verbindlichkeit entfallende Zinsen, Kosten und Provisionen erhöht. Nach der Rechtsprechung des BGH [vgl. BGH NJW 1989, 1482] soll dies nur dann der Fall sein,

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Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

wenn Bürge und Gläubiger eine entsprechende Abrede getroffen haben; im Zweifel bestimmt der Höchstbetrag den Haftungsrahmen endgültig. Dementsprechend enthalten die von den Kreditinstituten für die Höchstbetragsbürgschaft verwendeten Formulare eine Klausel, wonach sich der Höchstbetrag um die Beträge erhöht, "die als Zinsen, Provisionen, Spesen und Kosten jeder Art auf den verbürgten Höchstbetrag anfallen oder durch dessen Geltendmachung entstehen". Nach Halbsatz 2 der Klausel soll dies auch dann gelten, "wenn die Beträge durch Saldofeststellung im Kontokorrent jeweils zum Kapital geschlagen werden und dadurch der verbürgte Höchstbetrag überschritten wird" (vgl. etwa Formularvertrag der Deutschen Bank). Eine derartige Klausel verstößt nicht gegen § 9 AGBG, denn das Gesetz sieht ja als Regel die Bürgschaft ohne Höchstbetrag vor und nach § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die Bürgenverpflichtung im nachhinein um zusätzliche Forderungsbeträge des Gläubigers aus Schadensersatzansprüchen wegen Verschuldens oder Verzug des Hauptschuldners erhöhen. Eine solche Erhöhungsklausel kann aber als 'überraschende' Klausel unter § 3 AGBG fallen mit der Folge, daß sie nicht Vertragsbestandteil wird. Die Rechtsprechung [vgl. OLG Nürnberg NJW 1991, 232 ff.] nimmt das für Fälle an, in denen die Klausel nicht durch die drucktechnische Gestaltung und Anordnung hinreichend herausgehoben ist, so daß sie von einem juristisch nicht versierten 'Durchschnittsbürger' überlesen werden kann.

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c)

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Zeitbürgschaft

Eine weitere Möglichkeit der Limitierung der Bürgenhaftung bietet die Zeitbürgschaft, die die Verpflichtung des Bürgen auf eine bestimmte Zeit begrenzt, § 777 BGB. Diese sog. echte Zeitbürgschaft liegt jedoch nach dieser Vorschrift nur dann vor, wenn sich der Bürge auf Zeit für eine zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft bereits bestehende Hauptverbindlichkeit verbürgt. Nach § 777 BGB wird hier der Bürge nach Ablauf der bestimmten Zeit frei, wenn nicht der Gläubiger unverzüglich nach Fristablauf die Einziehung der Forderung entsprechend § 772 BGB (Klage und Zwangsvollstreckung) beim Hauptschuldner betreibt und dem Bürgen nach fruchtlosem Verlauf dieses Verfahrens unverzüglich anzeigt, daß er ihn in Anspruch nehmen wird. Bei der - den praktischen Regelfall bildenden - selbstschuldnerischen Bürgschaft (Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Vorausklage) läßt das Gesetz in § 777 Abs. 1 BGB konsequenterweise die Notwendigkeit dieses Beitreibungsverfahrens entfallen; hier erhält sich der Gläubiger die Bürgenhaftung nach Fristablauf durch die unverzügliche Anzeige der Inanspruchnahme. Von der 'echten' Zeitbürgschaft ist die 'unechte' Bürgschaft auf Zeit zu unterscheiden: Bei ihr bedeutet die Zeitbestimmung eine gegenständliche Beschränkung der Bürgenhaftung dahingehend, daß der Bürge nur für diejenigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners einstehen will, die dieser innerhalb der bestimmten Zeit eingegangen ist. Die Haftung des Bürgen ist dann allerdings unbefristet. Ob eine echte Zeitbürgschaft oder ob eine gegenständliche Beschränkung der Bürgschaft vorliegt, ist im Wege der Auslegung festzustellen.

86 d)

Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

Mitbürgschaft - Teilbürgschaft

Bei der Mitbürgschaft verbürgen sich mehrere Personen für dieselbe Hauptverbindlichkeit, wobei es so sein kann, daß sie bewußt gemeinsam die Bürgenverpflichtung übernehmen, aber auch so, daß der einzelne Bürge von der Existenz des/der anderen nichts weiß. In beiden Fällen besteht zwischen den mehreren Bürgen mangels abweichender Vereinbarungen zwischen ihnen oder zwischen Bürgen und Gläubiger in der Innenbeziehung nach § 769 BGB ein Gesamtschuldverhältnis i.S.v. §§ 421 ff. BGB. Das bedeutet einmal, daß der Gläubiger nach § 421 BGB wählen kann, welchen Bürgen er in Anspruch nimmt (einen oder alle, einen bzgl. eines Teilbetrages, einen anderen wegen des anderen Teils). Die andere Folge der gesamtschuldnerischen Haftung ist die nach § 426 BGB zwischen den Bürgen bestehende Ausgleichspflicht, sie haben die in der Befriedigung des Gläubigers liegende Last anteilig zu tragen. Tilgt also einer von drei Mitbürgen die Hauptverbindlichkeit beim Gläubiger, so hat er gegenüber den beiden anderen Bürgen Ausgleichsansprüche in Höhe von je einem Drittel der Hauptverbindlichkeit. Daß er aus § 774 BGB den Hauptschuldner wegen der ganzen Summe in Anspruch nehmen kann, bleibt davon unberührt. Der Ausgleichsanspruch des zahlenden Bürgen gegen seine Mitbürgen läßt sich auch aus den nach §§ 774 Abs. 1, 412, 401 BGB mit der Hauptschuld auf ihn übergegangenen Bürgschaftsforderungen (des Gläubigers gegen die Mitbürgen) herleiten. Aus § 774 Abs. 2 BGB, der auf § 426 BGB verweist, folgt allerdings, daß diese Bürgschaftsforderungen nur in Höhe der sich aus § 426 BGB ergebenden Ausgleichspflicht auf ihn

I. Bürgschaft

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übergegangen sind [zu der schwierigen Ausgleichsproblematik in den Fällen, in denen sich mehrere Bürgen zu unterschiedlichen Höchstbeträgen verbürgt haben vgl. ausf. PottschmidtRohr, a.a.O., RNr. 56]. Keine Mitbürgschaft, sondern eine sog. Teilbürgschaft liegt dann vor, wenn sich für eine teilbare Forderung mehrere Bürgen dergestalt verbürgen, daß jeder für einen individualisierten Teil der Forderung haften soll. Hier existieren keine Ausgleichsansprüche zwischen den Teilbürgen, weil sie in keinem Gesamtschuldverhältnis zueinander stehen.

e)

Ausfallbürgschaft

Bei der Ausfallbürgschaft bezieht sich die Bürgenhaftung von vornherein nur auf den Betrag, mit dem der Gläubiger beim Hauptschuldner ausgefallen ist. Der Bürge haftet erst, wenn der Gläubiger ihm den Ausfall beweist. Der Ausfall ist also nicht Einredetatbestand auf Seiten des Bürgen, wie bei der 'normalen' Bürgschaft (Einrede der Vorausklage) sondern klagebegründender Tatbestand auf Seiten des (klagenden) Gläubigers. Wann der Ausfalltatbestand gegeben sein soll, welche Rechtsverfolgungsmaßmahmen also der Gläubiger gegen den Hauptschuldner (erfolglos) unternommen haben muß, wird in der Regel im Bürgschaftsvertrag explizit festgelegt.

88 f)

Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Nachbürgschaft

Der Nachbürge verbürgt sich dem Gläubiger gegenüber für dessen Forderung gegen den (Vor-) Bürgen. Die Nachbürgschaft sichert also nicht die Hauptverbindlichkeit (dies tut die Vorbürgschaft), sondern die Forderung aus dem Bürgschaftsvertrag zwischen Gläubiger und (Vor-) Bürgen. Bürge und Nachbürge stehen also haftungsmäßig hintereinander: Der Gläubiger kann den Nachbürgen erst in Anspruch nehmen, wenn er beim Bürgen keine Befriedigung erlangt hat. Es besteht also zwischen Nachbürgen- und Bürgenverpflichtung in gleichem Maße Subsidiarität wie zwischen Hauptverbindlichkeit und Bürgenschuld, wie auch das Akzessorietätsprinzip Gültigkeit hat: Ist also die Bürgenverpflichtung nicht entstanden oder entfallen (etwa wegen Tilgung der Hauptverbindlichkeit) so entfällt auch die Nachbürgschaft. Befriedigt der Nachbürge den Gläubiger, so geht nach h.M. [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 68 m.w.N.; Hj. Weber, a.a.O., S. 55] gemäß § 774 BGB die Hauptverbindlichkeit auf den Nachbürgen über und mit ihr nach §§ 412, 401 BGB auch die Bürgschaftsforderung des Gläubigers gegen den (Vor-) Bürgen. Der zahlende Nachbürge hat dann Regreßansprüche gegen Hauptschuldner und (Vor-) Bürgen.

g)

Rückbürgschaft

Der Rückbürge verbürgt sich dem Bürgen gegenüber für dessen Regreßanspruch gegen den Hauptschuldner. Der Bürgschaftsfall ist für den Rückbürgen also dann eingetreten, wenn

I. Bürgschaft

89

der Bürge den Gläubiger befriedigt hat und für die auf ihn nach § 774 BGB übergegangene Hauptverbindlichkeit beim Hauptschuldner keine Befriedigung erlangt hat. Die Rückbürgschaft weist gegenüber den anderen Bürgschaftsarten die Besonderheit auf, daß hier der Bürgschaftsvertrag zwischen Bürgen und Rückbürgen zustande kommt. Befriedigt der Rückbürge den (Haupt-) Bürgen, dann geht entsprechend § 774 BGB die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, die zuvor nach Leistung des Hauptbürgen an den Gläubiger nach § 774 BGB auf den Hauptbürgen übergegangen war (und die der Hauptbürge vergeblich zu realisieren versucht hatte = Rückbürgschaftsfall) auf den Rückbürgen über [h.M., vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 69; Hj. Weber, a.a.O., S. 56 m.w.N.].

h)

Wechselbürgschaft

Die Wechselbürgschaft ist eine Sonderform, die mit der Bürgschaft des BGB außer dem Zweck der Sicherung einer Forderung eigentlich nichts Gemeinsames hat. Der wesentliche Unterschied liegt darin, daß die Wechselbürgschaft nicht akzessorisch ist, d.h. der Wechselbürge haftet auch dann, wenn die Verpflichtung, für die er sich verbürgt hat, nichtig ist (Art. 32 Abs. 2 WG). Zweck der Wechselbürgschaft ist die Sicherung des Anspruchs des Wechselinhabers auf Zahlung der Wechselsumme. Der Wechselbürge übernimmt nach Art. 32 Abs. 1 WG gesamtschuldnerisch alle Pflichten dessen, für den er sich verbürgt hat. Als Hauptschuldner kommt insoweit jeder am Wechselverbund Beteiligte in Betracht, also Akzeptant, Aussteller, alle Indossanten. Die Bürgschaftserklärung muß auf den Wech-

90

Viertes Kapitel:

Personalsicherlieiten

sei gesetzt und durch den Zusatz der Worte "als Bürge" o.ä. als solche kenntlich gemacht werden. Da die Wechselbürgschaft in der Praxis kaum noch eine Rolle spielt (an ihre Stelle ist das Garantieindossament getreten) kann hier auf eine weitere Darstellung verzichtet und auf die Spezialliteratur verwiesen werden [vgl. etwa Hueck-Canaris, Recht der Wertpapiere, 12. Aufl., München 1986, § 13].

II.

Bürgschaftsähnliche Sicherungsformen

Anders als die Wechselbürgschaft haben die bürgschaftsähnlichen Sicherungsformen mittlerweile eine große praktische Bedeutung erhalten. Die Wirtschaftspraxis hat den ihr durch die Geltung des Prinzips Vertragsfreiheit zukommenden Gestaltungsfreiraum gründlich genutzt und - entweder in Modifizierung gesetzlich normierter Vertragstypen oder in freier Rechtsschöpfung - eine Vielfalt von Formen des Eintretens für fremde

Schuld

entwickelt.

Die

wichtigsten

werden

im

folgenden dargestellt.

1.

Garantievertrag

a)

Wesen und Inhalt

Im Garantievertrag verpflichtet sich der Garant gegenüber dem Garantieempfänger, für den Eintritt bzw. Nicht-Eintritt eines zukünftigen Erfolgs dergestalt einzustehen, daß er den Garantieempfänger im Garantiefall schadlos hält. Inhalt des Garantievertrages ist also letztlich die Übernahme eines den Garantieempfänger belastenden Risikos durch den Garanten.

II. Bürgschaftsähnliche

Sicherungsfonnen

91

Beispiel: Ein Baubetreuer übernimmt gegenüber dem Bauherrn die Garantie für die Vermietbarkeit eines Neubaus [vgl. BGH WM 1976, 977]. Oder: Der Baubetreuer garantiert im Rahmen eines Bauherrenmodells dem Bauherrn, daß die näher aufgeschlüsselten Gesamtkosten nicht überschritten werden [vgl. BGH WM 1987, 179]. Oder: Der Vennittler eines Warentermingeschäfts verpflichtet sich dem Kunden gegenüber, für Verluste gerade zu stehen [vgl. OLG Hamm WM 1991, 521]. Der Garantievertrag ist gesetzlich nicht geregelt, seine Zulässigkeit folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB). Der BGB-Gesetzgeber hat wegen der Vielfalt der Erscheinungsformen der Garantie bewußt von einer Normierung dieses Vertragstyps abgesehen. Mangels entsprechender gesetzlicher Vorschriften ist der Garantievertrag - im Gegensatz zur Bürgschaft (§766 BGB) - formlos gültig. Dieser Unterschied zwischen beiden Sicherungsformen spielt jedoch in der Praxis keine Rolle, da auch Garantien regelmäßig schriftlich abgegeben werden. Der weitere, praktisch sehr viel wichtigere Unterschied zur Bürgschaft besteht darin, daß der Garant mit dem Garantievertrag eine eigene, selbständige Verpflichtung zur Schadloshaltung des Garantieempfängers übernimmt, die in keinerlei innerem Zusammenhang mit irgendeiner 'Hauptschuld' steht, die Garantieverpflichtung also nicht akzessorisch ist. Da die Garantie keine Hauptverbindlichkeit voraussetzt, kann sich folgerichtig der Garant dem Garantieempfänger gegenüber nicht auf das Fehlen der Hauptverbindlichkeit oder auf aus dieser resultierende Einreden des Schuldners des Garantieempfängers berufen. Haftungsgrund für den

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Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Garanten ist alleine der Garantievertrag. Ist dieser wirksam zustandegekommen und nicht mit Mängeln behaftet und stehen dem Garanten keine unmittelbaren Einwendungen gegen den Garantieempfänger zu, muß er diesem im Garantiefall die versprochene Leistung erbringen. Auch das bürgschaftsrechtliche Subsidiaritätsprinzip gilt für die Garantie nicht. Der Garant haftet primär, d.h. der Garantieempfänger kann sich im Garantiefall sogleich an den Garanten halten, es sei denn, es ist im Garantievertrag etwas anderes vereinbart. Die Garantieverpflichtung besteht letztlich in der Schadloshaltung des Garantieempfängers. Der darauf gerichtete Anspruch des Garantieempfängers ist seiner Natur nach jedoch nicht Schadensersatz-, sondern primärer Erfüllungsanspruch des Garantievertrages. Gleichwohl sind bzgl. des Umfangs dieses Anspruchs nach h.M. [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 78; B G H WM 1968, 680] die Regeln des Schadensersatzrechts anzuwenden. So ist etwa ein Mitverschulden des Garantieempfängers am Eintritt des Garantiefalles entsprechend § 254 BGB mit der möglichen Folge einer Anspruchsreduktion zu berücksichtigen. Die vorstehend dargestellten Grundsätze des Garantievertrages finden Anwendung nur auf selbständige Garantien. Selbständig ist eine Garantie dann, wenn sie in einem eigenständigen Garantievertrag übernommen wird. Unselbständige Garantien sind demgegenüber solche, die sich als Modifizierung oder Ergänzung von aus anderen, insbesondere gesetzlich geregelten Vertragstypen resultierenden Leistungspflichten dar-

II. Bürgschaftsähnliche

Sicherungsformen

93

stellen. So ist etwa die in der Zusicherung einer Eigenschaft der Kaufsache nach § 459 Abs. 2 BGB liegende Garantie unselbständig, ebenso im Rahmen von Kauf- oder Werkverträgen übernommene Nachbesserungspflichten. Eine selbständige Garantie ist andererseits die dem Käufer von Waren vom Verkäufer durch Übergabe der Garantiekarte vermittelte HerstellerGarantie: Hier kommt ein selbständiger, vom Kaufvertrag zu unterscheidender Garantievertrag zwischen Hersteller und Käufer zustande [vgl. statt vieler Brox, Besonderes Schuldrecht, 18. Aufl., München 1992, RNr. 67].

b)

Abgrenzung zur Bürgschaft

Zu einem erheblichen Problem kann die Abgrenzung der Garantie zur Bürgschaft werden [zu kurz greifen hier JährigSchuck-Woite, a.a.O., S. 632, wenn sie meinen, die Abgrenzung spiele wegen des Umstandes, daß auch Garantien regelmäßig schriftlich abgegeben werden, in der Praxis keine Rolle; es werden hierbei die sich für den Sicherungsgeber aus §§ 767, 768, 771, 774 BGB ergebenden erheblichen Unterschiede übersehen. Diese Vorschriften gelten nur für die Bürgschaft]. Das Abgrenzungsproblem stellt sich naturgemäß dann nicht, wenn eine zu sichernde Hauptverbindlichkeit gar nicht in Betracht kommt, denn dann ist eine Bürgschaft schon begrifflich ausgeschlossen. Das Problem ergibt sich um so schärfer jedoch dort, wo eine Hauptverbindlichkeit gesichert werden soll; dann kommen als Sicherungsmittel sowohl Bürgschaft als auch Garantie in Betracht.

94

Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

Entscheidend für die Abgrenzung muß der durch Auslegung zu ermittelnde Wille der Beteiligten sein [vgl. BGH WM 1975, 348]. Ein entscheidender Erkenntniswert kommt dabei der von den Parteien für das Sicherungsgeschäft gewählten Bezeichnung immer dann zu, wenn es sich um geschäftsgewandte, gar juristisch versierte Personen handelt; denn bei diesen kann davon ausgegangen werden, daß sie die Unterschiede der beiden Sicherungsformen kennen und die Begriffe richtig verwenden [vgl. BGH WM 1992, 1324], Im übrigen soll das wirtschaftliche Eigeninteresse des Sicherungsgebers ein Anhaltspunkt für die Auslegung sein [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 87; Lwowski-Gößmann, Kreditsicherheiten, 6. Aufl., Berlin 1987, S. 56]. Man geht davon aus, daß die Verbürgung eher aus altruistischen Motiven erfolge, weshalb ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Sicherungsgebers eher für die Annahme einer Garantie spreche [vgl. die Vorgenannten]. Das vermag so nicht zu überzeugen, da auch hinter Bürgschaftsübernahmen starke eigene Interessen des Bürgen stecken können. Ein schon eher brauchbares Indiz bietet die Frage, ob der Sicherungsgeber erkennbar keinen Wert auf Regreßmöglichkeiten und eine Bindung seiner Haftung an eine Hauptverbindlichkeit und auf daraus auch zu seinen Gunsten resultierende Einredemöglichkeiten legt, sich also 'ohne wenn und aber' verpflichten will [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 87]. Ist dies der Fall, dann liegt die Annahme einer Garantie nahe. In vielen Fällen jedoch wird die Auslegung keine hinreichende Klarheit bringen. Dann wird man zugunsten des Sicherungsge-

II. Bürgschaftsähnliche

Sicherungsformen

95

bers von einer Bürgschaft als dem gesetzlich geregelten Normalfall ausgehen müssen [vgl. i.d.S. BGH WM 1975, 348].

c)

Arten der Garantie

In der Wirtschaftspraxis haben sich - entsprechend den unterschiedlichen Einsatzfeldern - die unterschiedlichsten Typen von Garantien herausgebildet. Die wichtigsten werden im folgenden kurz dargestellt, wobei die Bankgarantie wegen ihrer besonderen praktischen Bedeutung im Vordergrund steht. aa)

Bankgarantie

Mit der Bankgarantie sichert die garantierende Bank den Garantieempfänger gegen bestimmte Risiken, vor allem Zahlungsrisiken. So garantiert die Bank etwa bei der Zahlungsgarantie dem Garantieempfänger, ihn schadlos zu stellen, falls sein Schuldner (der Bankkunde) nicht zahlt. Anders als beim Akkreditivgeschäft (siehe dazu Kap. 2, II 2) hat die Bankgarantie in erster Linie nicht Zahlungs- sondern Sicherungsfunktion [vgl. Canaris, a.a.O., RNr. 1102; BGHZ 94, 167]. Ihr praktisch bedeutsamstes Anwendungsfeld ist der Außenhandel, wo es vielfach schwierig ist, verläßliche Informationen über die Bonität potentieller Vertragspartner zu erhalten. Der Bankgarantie liegt regelmäßig ein Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. §§ 675, 631 BGB zugrunde. Er kommt dadurch zustande, daß der Bankkunde (der Schuldner des Garantieempfängers) der Bank den Auftrag zur Garantieübernahme gegenüber dem Garantieempfänger erteilt und die Bank diesen

96

Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Auftrag annimmt. Die entsprechende Annahmeerklärung kann im konkludenten Handeln der Bank, aber auch in ihrem Stillschweigen gesehen werden, § 362 HGB (die Vorschrift ist Ausnahme von dem allgemein im Rechtsverkehr geltenden Grundsatz, daß Schweigen auf einen Antrag dessen Ablehnung bedeutet!). Die Annahme des Garantieauftrages begründet für die Bank die Pflicht zum Abschluß des Garantievertrages mit dem Begünstigten sowie mit Eintritt des Garantiefalles die Pflicht zur Zahlung der Garantiesumme [vgl. hierzu ausf. Canaris, a.a.O., RNr. 1107 ff.]. Die Praxis hat insbesondere die folgenden Unter-Typen der Bankgarantie entwickelt: - Bietungsgarantie: Sie wird bei Ausschreibungen für den Fall gegeben, daß der Bieter die mit dem Angebot verbundenen Pflichten nicht einhält, insbesondere nach Erhalt des Zuschlages den Auftrag nicht erfüllt. - Anzahlungsgarantie: Sie sichert die Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung für den Fall, daß der Vertrag scheitert bzw. vom Vertragspartner des Anzahlenden nicht erfüllt wird. - Zahlungsgarantie: Durch diese Garantie wird der Garantieempfänger dagegen gesichert, daß sein Schuldner nicht zahlt. - Konossementsgarantie: Sie nimmt dem Garantieempfänger das Risiko ab, das sich daraus ergibt, daß die verfrachtete Ware im Bestimmungshafen ausgeliefert wird, obwohl das Konossement [vgl. hierzu § 642 HGB und Hueck-Canaris, Recht der Wertpapiere, § 221 3] noch nicht eingetroffen ist.

II. Bürgschaftsähnliche

Sicherungsfonnen

97

Alle Formen der Bankgarantie sind heute meist - gerade auch im internationalen Wirtschaftsverkehr - als Garantien "auf erstes Anfordern" ausgestaltet [vgl. hierzu ausf. Canaris, a.a.O., RNr. 1130 ff.]. Das bedeutet, daß der Garantieempfänger bereits mit der bloßen Behauptung, der Garantiefall sei eingetreten, von der Bank Zahlung verlangen kann. Die hierin implizierte Maxime "Erst zahlen, dann prozessieren" bewirkt eine Umkehr der Prozeßrollen [vgl. Canaris, a.a.O., RNr. 1102]: Die Bank muß auf die Behauptung des Eintritts des Garantiefalles hin zahlen, hat dann allerdings die Möglichkeit, die Garantiesumme im Klageweg zurückzufordern, wenn sie der Meinung ist, der Garantiefall sei nicht eingetreten. Daß die Garantie "auf erstes Anfordern" für den Garantieempfänger erhebliche Mißbrauchsmöglichkeiten eröffnet, liegt auf der Hand. Um diese Gefahren des Mißbrauchs der Garantie zu minimieren, ist die Bankpraxis vielfach dazu übergegangen, ihre Einstandspflicht im Garantievertrag vom Nachweis des Eintritts des Garantiefalles durch den Begünstigten abhängig zu machen; es wird dann im Garantievertrag festgeschrieben, auf welche Weise dieser Nachweis zu führen ist (z.B. durch Vorlage bestimmter Urkunden, eines Schiedsurteils oder anderer gerichtlicher Entscheidungen). Jenseits solcher vertraglicher Einschränkungen ihrer Einstandspflicht kann die Bank Zahlung an den Begünstigten nur dann verweigern, wenn dessen Zahlungsverlangen der Mißbrauch gewissermaßen 'auf der Stirn geschrieben steht', also für jedermann offensichtlich ist [vgl BGH NJW 1989, 1480].

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Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

bb) Verhaliensgarantie - Ausbietungsgarantie

Bei der Verhaltensgarantie verpflichtet sich der Garant gegenüber dem Garantieempfänger, sich in einem bestimmten Fall in einer bestimmten Weise zu verhalten. Wichtiger Anwendungsfall ist die Ausbietungsgarantie. Hier verpflichtet sich der Garant, in der Zwangsversteigerung eines durch Grundpfandrechte (Hypothek, Grundschuld) belasteten Grundstücks ein Gebot abzugeben, das das Grundpfandrecht des Garantieempfängers mit abdeckt, so daß dieser in der Zwangsversteigerung nicht ausfällt [zu den komplizierten Regelungen des Verfahrens der Zwangsversteigerung von Grundstücken vgl. BroxWalker, Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl., Köln u.a. 1990, §§ 28 ff.].

cc)

Lieferungs- und Leistungsgarantie

Die Lieferungs- und Leistungsgarantie bewirkt die Sicherung der fristgerechten und vertragsgemäßen, insbesondere mängelfreien Vertragserfüllung. Praktisch wichtige Erscheinungsform dieses Garantietyps sind vor allem die von den Banken im Auslandsgeschäft übernommenen Garantien.

2.

Schuldmitübernahme

Die Schuldmitübernahme (auch kumulative Schuldübernahme oder Schuldbeitritt genannt) ist dadurch gekennzeichnet, daß neben den Schuldner einer bestehenden Forderung durch Ver-

II. Bürgschaftsähnliche Sicherungsformen

99

trag ein weiterer Schuldner tritt, so daß dem Gläubiger dieser Forderung nunmehr zwei - gleichrangig nebeneinanderstehende - Schuldner haften. Der Schuldübernahmevertrag wird i.d.R. zwischen dem Gläubiger und dem Übernehmer geschlossen, der Beitritt kann aber auch zwischen Hauptschuldner und Übernehmer vereinbart werden; im letzten Fall handelt es sich dann um einen berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter (des Gläubigers) i.S.v. § 328 BGB. Die Schuldübernahme begründet zwischen den beiden Schuldnern ein Gesamtschuldverhältnis gemäß § 421 ff. BGB. Das bedeutet einmal, daß der Gläubiger nach Belieben von jedem der Schuldner ganz oder teilweise Befriedigung verlangen kann (§ 421 BGB); zum anderen richtet sich der Regreßanspruch des den Gläubiger befriedigenden Schuldners gegen den Mitschuldner mangels vertraglicher Vereinbarung nach der Ausgleichsregel des § 426 BGB (gleiche Anteile). Da der Übernehmer bei der Schuldmitübernahme lediglich einer bestehenden Schuld beitritt, haftet er wie der ursprüngliche Schuldner [vgl. BGH NJW 1987, 2863]. Das bedeutet insbesondere, daß er dem Gläubiger alle Einwendungen und Einreden (auch die der Verjährung der Forderung) entgegenhalten kann, die zum Zeitpunkt des Beitritts bereits begründet waren. Die Schuldmitübernahme ist gesetzlich nicht geregelt. Das Gesetz kennt nur die sog. befreiende (privative) Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB). Bei ihr ist es so, daß eine Schuldnerauswechselung stattfindet: An die Stelle des alten Schuldners tritt ein neuer, der alte Schuldner scheidet aus dem Schuldverhältnis aus.

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Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

Da eine derartige Schuldnerauswechselung die Interessen des Gläubigers erheblich tangiert, ist sie nur mit seiner Zustimmung zulässig (also entweder Vertrag zwischen Gläubiger und neuem Schuldner, § 414 BGB oder Vertrag zwischen Alt- und Neuschuldner mit Genehmigung des Gläubigers, § 415 BGB). Die Zulässigkeit der Schuldmitübernahme folgt aus dem Prinzip Vertragsfreiheit. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung ist sie nicht formbedürftig, der Übernahmevertrag kann auch durch konkludentes Handeln Zustandekommen. Abgesehen von den unterschiedlichen Formerfordernissen liegt der wesentliche Unterschied zur Bürgschaft darin, daß sich der Übernehmer bei der Schuldmitübernahme nicht verpflichtet, subsidiär für die Verbindlichkeit eines anderen einstehen zu wollen (wie der Bürge), sondern selbst (Mit-) Schuldner neben dem ursprünglichen Schuldner werden will. Die Abgrenzung zur Bürgschaft kann indes auch hier erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Beispiel: B betreibt eine Bäckerei Am 1.4. hat ihm G eine Backmaschine unter Stundung des Kaufpreises und Eigentumsvorbehalt geliefert. Am 1.6. überträgt B den Bäckereibetrieb auf E. Als G bei E telefonisch anfragt, wie es nun mit der Bezahlung der Maschine aussehe, erklärt ihm E, er werde, da er die Maschine zum Backen benötige, für die Kaufpreisverbindlichkeit des B einstehen. Später verweigert er die Bezahlung mit der Begründung, er hafte nicht, da mündliche Bürgschaften unwirksam seien.

II. Bürgschaftsähnliche

Sicherungsfonnert

101

Wenn sich jemand bereit erklärt, für die Verbindlichkeit eines anderen einstehen zu wollen, so kann zweifelhaft sein, ob er dies als Bürge tun will oder ob er damit eine Schuldmitübernahme erklärt hat. Wie immer in derartigen Zweifelsfällen (vgl. schon oben die Abgrenzung Bürgschaft/Garantievertrag) ist auch hier durch Auslegung der Erklärung i.V.m. den Umständen des Einzelfalles der wirkliche Wille des Erklärenden zu ermitteln. Nach zutreffender h.M. [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 99; Hj. Weber, a.a.O., S. 62; BGH NJW 1981, 47] kommt es dabei ganz wesentlich darauf an, ob der neue Schuldner mit seiner Erklärung ein eigenes wirtschaftliches (nicht nur persönliches) Interesse verfolgt. Nur dann wird man eine Schuldmitübernahme annehmen können. Für das Beispiel bedeutet dies: Da E die Backmaschine zur Fortführung des Betriebes benötigt - und an der er auch Eigentum erwerben wird -, hinter seiner Erklärung gegenüber G also ein wirtschaftliches Eigeninteresse steckt, spricht alles für die - fonnfreie! - Schuldmitübemahme. Da jedoch auch eine Verbürgung von wirtschaftlichem Eigeninteresse des Bürgen geleitet sein kann, wird die Abgrenzung oftmals zweifelsfrei nur unter Berücksichtigung weiterer Kriterien möglich sein. Bei nicht ausräumbaren Zweifeln wird man auch hier von der Bürgschaft als dem gesetzlich geregelten 'Beitrittsfall' [Schutz des Beitretenden durch Schriftformerfordernis, vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 100 m.w.N.] ausgehen müssen.

102 3.

Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

Kreditauftrag

Der Kreditauftrag ist ein Vertrag, in dem sich ein Kreditgeber gegenüber einem Auftraggeber verpflichtet, einem (dritten) Kreditnehmer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Kredit zu gewähren, oder einen bereits gewährten Kredit zu verlängern. Der Kreditsicherungsaspekt liegt beim Kreditauftrag darin, daß dann, wenn der Kreditgeber die durch die Annahme des Kreditauftrages begründete Verpflichtung erfüllt und den Kredit gewährt bzw. verlängert hat, ihm sein Auftraggeber für die Rückzahlungsverbindlichkeit des Kreditnehmers als Bürge haftet (§ 778 BGB). Es sind dementsprechend die Vorschriften über die Bürgschaft anwendbar, soweit sie Inhalt und Umfang der Bürgenhaftung betreffen. Der Kreditauftrag bedarf keiner Form. Solange der Kreditgeber den Auftrag noch nicht ausgeführt, den Kredit also weder zugesagt noch gewährt hat, kann der Auftraggeber seinen Auftrag nach § 671 Abs. 1 BGB jederzeit frei widerrufen. Umgekehrt steht dem beauftragten Kreditgeber nach derselben Vorschrift ein jederzeitiges Kündigungsrecht zu. Charakteristisch für den Kreditauftrag ist das eigene wirtschaftliche Interesse des Auftraggebers an der Kreditgewährung. Praktisches Anwendungsfeld des Kreditauftrages sind dementsprechend vor allem Firmenkredite aufgrund eines Auftrages einer Konzernmutter zugunsten in- oder ausländischer Tochtergesellschaften.

II. Bürgschaftsähnliche

4.

Sicherungsformen

103

Patronatserklärung

Die Kreditvergabe an Konzernunternehmen [vgl. zum Konzernbegriff Emmerich-Sonnenschein, Konzernrecht, 4. Aufl., München 1992, § 11 u. d. kurzen Überblick bei Jährig-SchuckRösler, a.a.O., S. 455 ff.] ist aus Sicht der Kreditinstitute besonders risikoreich, da das Schicksal eines aus vielen rechtlich selbständigen Unternehmen bestehenden Konzerns nur schwer prognostizierbar ist. Gerät ein Konzern in 'Schieflage', kann es zu einem Herauskaufen einzelner lebensfähiger Unternehmen oder Teilkonzernen kommen, was zu einer erheblichen Entwertung des 'Restkonzerns' führen kann. Die Kreditinstitute versuchen deshalb bei Kreditvergaben an Konzernunternehmen regelmäßig, die Konzernobergesellschaft zur Übernahme von Bürgschaften oder Garantien zu veranlassen. Verbindlichkeiten aus Bürgschaften und Garantien sind jedoch nach § 251 HGB unter der Bilanz der Obergesellschaft in Höhe der Schuld der Tochter auszuweisen. Um diesem Bilanzausweis auszuweichen, geben Konzernobergesellschaften anstelle der Übernahme von Bürgschaften oder Garantien der kreditgewährenden Bank gegenüber sog. Patronatserklärungen ab. Inhalte und rechtliche Verbindlichkeit dieser Erklärungen sind sehr unterschiedlich. Beispiele.(1) "Die X-AG ist eine 100%ige Tochtergesellschaft von uns." (2) 'Wir haben von der Kreditaufnahme der Tochter Kenntnis genommen." (3) "Wir werden darüber wachen, daß die Tochtergesell-

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Viertes Kapitel:

Personalsicherheiten

schaft jederzeit in der Lage ist, den Kredit zurückzuzahlen." (4) "Wir übernehmen hiermit die uneingeschränkte Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, daß die Tochtergesellschaft in der Weise geleitet und finanziell ausgestattet wird, daß sie in der Lage ist, den Kredit fristgemäß zurückzuführen." Die Erklärungen zu (1) bis (3) stellen sog. 'weiche' Patronatserklärungen dar, unverbindliche Äußerungen, die keinen Rechtsbindungswillen erkennen lassen und deshalb die Konzernmutter auch zu nichts verpflichten [vgl. hierzu Hj. Weber, a.a.O., S. 66; Lwowski-Gößmann, a.a.O., S. 59 ff.]. Mangels eines Verpflichtungstatbestandes sind derartige 'weiche' Patronatserklärungen auch nicht bilanzierungspflichtig nach § 251 HGB, sie gewähren der kreditgebenden Bank andererseits auch keine Sicherheit. 'Weiche' Patronatserklärungen können aber zum Zustandekommen eines Auskunftsvertrags zwischen Konzernmutter und Bank führen mit der Folge, daß die Konzernmutter der Bank auf Schadensersatz haftet, wenn sie schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) falsche Auskünfte erteilt. Ganz anders ist die Rechtslage bei Erklärungen der durch das Beispiel zu (4) gekennzeichneten Art, den sog. 'harten' Patronatserklärungen. Hier verpflichtet sich die Konzernmutter unmißverständlich, die Tochter kapitalmäßig so auszustatten, daß sie zur Kredittilgung in der Lage sein wird. Man spricht hier deshalb auch von 'Ausstattungsgarantien' (vgl. die zuvor Genannten). Die 'harte' Patronatserklärung gibt der Bank eine echte Sicherheit. Kommt die Konzernmutter ihrer Pflicht zur

II. Bürgschaftsähnliche

Sicherungsfomien

105

entsprechenden Kapitalausstattung der Tochter nicht nach, so steht der Bank nach § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch unmittelbar gegen die Muttergesellschaft zu [h.M., vgl. Lwowski-Gößmann, a.a.O., S. 60; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 121; Jährig-Schuck-Woite a.a.O. S. 645; OLG Stuttgart WM 1985, 455; BGH ZIP 1992, 338 ff.; a.A. offenbar Hj. Weber, a.a.O., S. 66, der hier nur eine Vertragspflicht der Muttergesellschaft gegenüber der Tochter annimmt]. 'Harte' Patronatserklärungen sind als "Verbindlichkeiten aus Gewährleistungsverträgen" nach § 251 HGB voll ausweispflichtig-

5.

Negativklausel

Bei der sog. Negativklausel (oder Negativerklärung) handelt es sich um eine Vereinbarung, in der sich ein Schuldner seinem Gläubiger gegenüber verpflichtet, Dritten keine Sicherheiten zu bestellen und/oder keine weiteren Vermögensgegenstände zu veräußern. Anwendungsbereich der Negativklausel sind insbesondere die verschiedenen Formen langfristiger Geldkredite (dazu oben Kap. 2,1 1). Die Negativerklärung stellt jedoch eine höchst unvollkommene Sicherheit dar. Denn sie hindert den Schuldner rechtlich nicht, gleichwohl das zu tun, was zu unterlassen er versprochen hat. Bestellt also der Schuldner entgegen der Vereinbarung Dritten Sicherheiten oder veräußert er Vermögensgegenstände, so sind die entsprechenden Rechtsgeschäfte voll wirksam. Dies folgt aus dem zu Mißverständnissen Anlaß gebenden § 137 BGB. Nach dieser Vorschrift kann man sich zwar einem anderen gegenüber wirksam verpflichten, über

106

Viertes Kapitel: Personalsicherheiten

Vermögensgegenstände nicht zu verfügen, die Verfügungsmacht wird dadurch jedoch nicht ausgeschlossen. Der Verstoß gegen die entsprechende Vereinbarung löst allerdings Schadensersatzansprüche der Gegenseite aus, die jedoch - da ungesichert - ins Leere laufen können. Schadensersatzpflichtig macht sich nach § 826 BGB u.U. aber auch der Dritte, dem der Schuldner entgegen der Negativklausel Sicherheiten bestellt hat. Den Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des § 826 BGB dürfte der Dritte dann erfüllt haben, wenn er in Kenntnis der Negativerklärung den Schuldner zur Bestellung der Sicherheit und damit zum Vertragsbruch verleitet hat [vgl. Lwowski-Gößmann, a.a.O., S. 62].

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten I.

Sachenrechtliche Grundlegung

Das Verständnis der rechtlichen Strukturen und Probleme der Realsicherheiten setzt die Kenntnis der hier einschlägigen Grundregeln des Dritten Buches des BGB, des Sachenrechts, voraus. So wird man etwa ohne eine gewisse Vertrautheit mit den Vorschriften des BGB über den Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen schwerlich Zutritt finden zu den Mysterien von praktisch so wichtigen Sicherungsgeschäften wie Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt. Es sollen deshalb vor der Darstellung der einzelnen Sicherungsgeschäfte im folgenden Abschnitt gewissermaßen in einem 'Allgemeinen Teil' die wichtigsten sachenrechtlichen Regeln in der gebotenen Kürze dargestellt werden.

1.

Funktion des Sachenrechts in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft

In einer durch relative Güterknappheit gekennzeichneten Gesellschaft kann Marktwirtschaft nur auf der Basis eines Systems der festen rechtlichen Zuordnung aller Gegenstände (Gegenstand als rechtlicher Oberbegriff für Sachen, Rechte und Forderungen) zu bestimmten Rechtssubjekten (natürlichen oder juristischen Personen) funktionieren. Die Zuordnungsunklarheiten, die sich nach der deutschen Vereinigung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR insbesondere im Immobilienbereich ergeben haben und zum Teil immer noch fortbestehen, belegen dies auf eindrucksvolle Weise. Die Zuordnung der

108

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Sachgüter (nicht der Rechte und Forderungen, hier sind andere Materien, insbesondere das Schuldrecht des BGB zuständig) zu bestimmten Personen i.S. eines Haben- und Verfügendürfens zu regeln, ist Funktion des Sachenrechts des BGB (§§ 854-1296). Es basiert auf dem Grundsatz der Anerkennung des Privateigentums an allen Sachgütern in Art. 14 des Grundgesetzes. Aus ökonomischer Sicht geht es hier vor allem um die Anerkennung des Privateigentums an Grund und Boden und den Produktionsmitteln. Das Privateigentum ist neben dem Prinzip Vertragsfreiheit rechtlicher Grundpfeiler einer marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung.

2.

Sache als Rechtsbegriff. Begriffsklärung

Der Jurist beginnt die Systematisierung der Welt mit einer großen Zweiteilung: Auf der einen Seite und im Vordergrund stehen die Personen als Zuordnungssubjekte für Rechte (und Pflichten), auf der anderen Seite befinden sich die Gegenstände als Zuordnungsobjekte. Unter den Begriff Gegenstand fällt alles, was nicht Person ist. Innerhalb der Gegenstände erfolgt eine weitere Zweiteilung hinsichtlich ihrer Körperlichkeit: Körperliche - also raumausfüllende - Gegenstände (und nur sie) nennt das BGB in § 90 'Sachen'; unter den Begriff des unkörperlichen Gegenstandes fallen demgegenüber alle Rechte und Forderungen. Der Sachbegriff umfaßt also - einfach gesprochen - alles, was man anfassen kann. Die Sachen ihrerseits werden entsprechend ihrer Mobilität wiederum unterteilt: Den beweglichen Sachen (Fahrnis) stehen die Immobilien gegenüber. Bei dieser Unter-

109

I. Sachenrechtliche Grundlegung

Scheidung ist von der Immobilie auszugehen: Alles was nicht Grundstück oder dessen wesentlicher Bestandteil (vgl. zum wesentlichen Grundstücksbestandteil §§ 93, 94 B G B ) ist, unterfällt dem Begriff 'bewegliche Sache'. Diese Unterscheidung ist von großer praktischer Tragweite, da das Sachenrecht des B G B Immobilien und bewegliche Sachen unterschiedlich behandelt. Es ergibt sich somit die folgende Systematik: Personen

Gegenstände

natürl.

jurist.

körperl.

unkörperl.

Personen

Personen

Gegenstände

Gegenstände

(—

(Forderungen.

Sachen.

§ 90

BGB)

Rechte

edler

Art)

Immobilien

bewegliche

+

Sachen

wesentliche

Bestandteile

Nicht unter den rechtlichen Sachbegriff fallen solche Gegenstände, die mangels Abgrenzbarkeit der Zuordnung zu einzelnen Personen nicht zugänglich sind, wie Luft, Wolken und das Wasser der Meere und fließenden Gewässer.

3.

Trennungs- und Abstraktionsprinzip

Das B G B trennt scharf zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und dem in Vollzug der schuldrechtlichen Verpflichtung vorgenommenen sachenrechtlichen (dinglichen)

110

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Erfüllungsgeschäft. Das bedeutet zum einen, daß etwa der wirksam zustandegekommene Kaufvertrag an den Eigentumsverhältnissen zwischen Verkäufer und Käufer nichts ändert. Der Käufer erwirbt das Eigentum an der Ware vielmehr erst dann, wenn der Verkäufer es ihm in einem gesonderten - dinglichen - Vertrag überträgt (dazu im einzelnen unter 6). Der andere Aspekt dieses Trennungsprinzips [vgl. dazu ausf. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd II, 13. Aufl., München 1986, § 39 II] ist die Tatsache, daß etwa der für den Laien einheitliche Vorgang 'Kauf juristisch präzise gesehen aus drei Verträgen besteht: dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag), der sachenrechtlichen Warenübereignung und der - ebenfalls sachenrechtlichen - Geldübereignung. Dieses Trennungsprinzip ist ein Spezifikum des deutschen Rechts; den Rechtsordnungen von Frankreich, den romanischen und skandinavischen Ländern ist es fremd [vgl. die rechtsvergleichenden Ausführungen bei Larenz, a.a.O.; s.a. die rechtspolitische Würdigung bei Baur-Stürner, Lehrbuch des Sachenrechts, 16. Aufl., München 1992, § 51 VIII]. Das BGB verschärft das Trennungsprinzip noch weiter dadurch, daß es den dinglichen (Übereignungs-) Vertrag in seiner Wirksamkeit abstrakt, d.h. unabhängig von der Wirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts bestehen läßt. Die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts berührt also die Wirksamkeit des Übereignungsgeschäfts regelmäßig nicht (sog. Abstraktionsprinzip). Das bedeutet nun allerdings nicht, daß die aufgrund des unwirksamen Verpflichtungsgeschäfts vorgenommene dingliche Rechtsänderung (die Übereignung also) bestehen bleibt. Denn trotz der Abstraktheit von Ver-

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

111

pflichtungs- und Übereignungsgeschäft besteht zwischen beiden eine innere Abhängigkeit: Die Übereignung wurde ja nur vorgenommen, weil der Übereignende sich zu ihr aus dem zugrundeliegenden schuldrechtlichen Geschäft verpflichtet glaubte. M.a.W.: Das Verpflichtungsgeschäft bildet den Rechtsgrund (causa) für das Erfüllungsgeschäft. Stellt sich nach erfolgter Übereignung die Nichtigkeit (Unwirksamkeit) des Verpflichtungsgeschäfts heraus, dann fehlt der Übereignung der Rechtsgrund, es ist nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) 'rückabzuwickeln', d.h. bereits übertragenes Eigentum muß zurückübertragen werden. Auch das Abstraktionsprinzip ist eine deutsch-rechtliche Spezialität [zur Legitimation und Kritik vgl. die zuvor Genannten]. Die 'Internalisierung' von Trennungs- und Abstraktionsprinzip ist unabdingbare Voraussetzung für das Verständnis nicht nur der Probleme der Sicherungsgeschäfte.

4.

Eigentum und Besitz

Eigentum ist die rechtliche Herrschaftsgewalt über eine Sache, während der Besitz entsprechend § 854 BGB lediglich die tatsächliche Sachherrschaft bedeutet. Die Begriffe werden in der Alltagssprache vermengt. Wer vom 'Hausbesitzer' redet, verhält sich rechtssprachlich unkorrekt, weil er den Hauseigentümer meint.

112 a)

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Eigentum als sachenrechtliches 'Kern'-Recht

Eigentum ist das umfassendste Herrschaftsrecht, das die Rechtsordnung an einer Sache zuläßt, es ist das sachenrechtliche 'Kern'-Recht. Demgegenüber stehen die sog. beschränktdinglichen Rechte (z.B. Hypothek, Grundschuld, Nießbrauch), die sich als 'Absplitterungen' von Einzelbefugnissen aus dem Kernrecht Eigentum zugunsten eines anderen begreifen lassen. Den Inhalt der Eigentümerposition beschreibt § 903 BGB dahin, daß "der Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen" kann. Die Eigentümerbefugnis enthält also zwei Dimensionen.

Zum

einen kann der Eigentümer im Sinne eines status positivus frei über seine Sache verfügen (sie im Extremfall auch zerstören), andererseits gibt ihm das Gesetz - status negativus - die Befugnis, Dritte von jeglicher Einwirkung auf seine Sache auszuschließen. Das Eigentumsrecht ist damit absolutes, d.h. gegen jedermann wirkendes Recht. § 903 BGB gewährt dem Eigentümer diese umfassenden Befugnisse jedoch nicht schrankenlos: Sie bestehen nur, "soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen" (§ 903 BGB). Diese Beschränkung der Eigentümerbefugnisse ist eine rein zivilrechtliche, d.h. sie betrifft das Verhältnis des Eigentümers zu den anderen Rechtsgenossen. Die wichtigsten gesetzlichen Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse privatrechtlicher Art enthalten die §§ 904, 905 BGB und das Nachbarrecht der §§ 906 ff. BGB. Beschränkungen durch Rechte Dritter ergeben sich insbesondere aus diesen zustehenden beschränkt-dinglichen Rechten (so muß etwa ein Grundstückseigentümer das Betreten seines Grund-

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Grundlegung

stücks durch denjenigen dulden, dem ein Wegerecht

113 am

Grundstück zusteht). Von weitaus größerer praktischer Bedeutung sind neben diesen privatrechtlichen Beschränkungen die öffentlich-rechtlichen Schranken der Eigentümerbefugnisse, die sich in erster Linie aus Art. 14 G G ergeben. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift unterliegt Privateigentum der Sozialbindung (Art. 14 Abs. 2 G G lautet: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."). Dies bedeutet, daß der private Eigentümer Befugnisbeschränkungen - die i.d.R. unmittelbar oder mittelbar aus Gesetzen resultieren - dann - und zwar entschädigungslos - hinnehmen muß, wenn höherrangige Allgemeinbelange den beschränkenden Tatbestand fordern. Beispielhaft seien hier die Bereiche Baurecht, Umweltschutz, Naturschutz, Tierschutz, aber auch die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat [vgl. hierzu das wichtige Mitbestimmungsurteil des BVerfG in NJW 1979, 699 ff.] sowie der mietrechtliche Kündigungsschutz genannt: Hier führt die Realisierung der entsprechenden, dem Allgemeinwohl geschuldeten gesetzlichen Schutztatbestände regelmäßig zu einer mehr oder weniger herben Beschneidung von Eigentümerinteressen. Generell ist festzustellen, daß gesetzliche Eigentumsbeschränkungen in den letzten beiden Jahrzehnten an Umfang und Bedeutung ganz erheblich zugenommen haben. Es wäre jedoch übertrieben zu meinen, "daß sie auf großen Gebieten fast wichtiger geworden sind als die Befugnisse, die dem Eigentümer verblieben sind" [so aber Schwab-Prütting, Sachenrecht, 23. Aufl., München 1991, § 27 IV].

114

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Art. 14 Abs. 3 GG schließlich eröffnet dem Staat die Möglichkeit, dem Eigentümer sein Eigentumsobjekt durch Enteignung gänzlich zu entziehen. Eine Enteignung ist aber nur aufgrund eines entsprechenden Gesetzes [vgl. etwa §§ 85 ff. BbauG] und nur gegen Entschädigung zulässig (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG). Auf die praktisch höchst wichtige und schwierige Abgrenzungsfrage, wann eine den Eigentümer beschränkende Maßnahme noch entschädigungslos hinzunehmende Realisierung der Sozialpflichtigkeit von Eigentum und wann sie Enteignung mit der Folge eines Entschädigungsanspruchs ist, kann hier nicht eingegangen werden [vgl. zum Problem etwa v. Münch-Kunig, Grundgesetzkommentar, Bd I, 4. Aufl., München 1992, Art. 14 RNr. 50 ff. sowie Baur-Stürner, a.a.O., § 241].

b)

Besitz

aa)

Besitz als Sachherrschaft (unmittelbarer Besitz)

Nach § 854 Abs. 1 BGB wird der Besitz an einer Sache durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. Besitz bedeutet also die rein tatsächliche Herrschaft über die Sache, gleichgültig, ob der Besitzer auch ein Recht an der Sache hat. Auch der Dieb ist Besitzer. Es spielt also auch keine Rolle, ob der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache rechtmäßig oder rechtswidrig erlangt hat. Wann die tatsächliche Sachherrschaft erlangt ist, soll sich nach der Verkehrsanschauung richten [vgl. Palandt-Bassenge, Kommentar zum BGB, 52. Aufl., München 1993, § 854 RNr. 2], Notwendig ist eine räumliche Beziehung zur Sache dergestalt, daß die Sache dem Besitzer räumlich zugänglich geworden und er in der Lage

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

115

ist, jederzeit auf sie einwirken zu können. So erlangt man zum Beispiel durch Schlüsselübergabe Besitz an den dazugehörigen Räumen oder Behältern und deren Inhalt. Erforderlich ist ferner ein Besitzwille, da Herrschaft ohne einen auf sie gerichteten Willen nicht denkbar ist [vgl. SchwabPrütting, a.a.O., § 7 1, 1 a]. Dementsprechend erwirbt etwa ein Wohnungsinhaber keinen Besitz an Sachen, die ohne sein Wissen in die Wohnung gelangt sind. Weiter wird eine gewisse Dauer der Sachbeziehung als konstitutiv für die Besitzerlangung angesehen [vgl. etwa Baur-Stürner, a.a.O., § 7 B, II 1; Schwab-Prütting, a.a.O., § 7 I, 1 b]. Ganz vorübergehende Einwirkungsmöglichkeiten (Schulfall: Der Reisende läßt sich vom Mitreisenden dessen Kursbuch zur kurzen Einsicht geben) begründen demnach keinen Besitz. Das Dauer-Erfordernis ist indessen problematisch, da eine praktikable Abgrenzung der relevanten Dauer kaum möglich erscheint. Richtigerweise ist deshalb auf dieses Erfordernis zu verzichten [so auch Westermann-Gursky, Sachenrecht, Bd I, 6. Aufl., Karlsruhe 1990, § 9 II, 7]. Ist der Besitz durch Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft einmal begründet, so endet er nicht durch eine vorübergehende Verhinderung an ihrer Ausübung (§ 856 Abs. 2 BGB). So bleiben der verreiste Wohnungsinhaber Besitzer der Wohnung und des Mobiliars, der Bauunternehmer Besitzer der auf der Baustelle abgestellten Maschinen und Gerätschaften, der Kraftfahrer Besitzer des auf Straße oder Parkplatz abgestellten Fahrzeugs, solange nicht ein anderer die tatsächliche Gewalt erlangt. Der Besitz endet vielmehr erst dann, wenn der Besitzer die tatsächliche Gewalt aufgibt oder auf andere Weise - etwa

116

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

infolge Besitzentziehung durch einen anderen - verliert (§ 856 Abs. 1 BGB). Den Grundsatz des § 854 BGB, wonach die Besitzerstellung durch Erlangung der tatsächlichen Gewalt begründet wird, schränkt das Gesetz in § 855 BGB für diejenigen Personen ein, die in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis und weisungsunterworfen die tatsächliche Gewalt für einen anderen in dessen Haushalt oder Betrieb ausüben (sog. Besitzdiener). Sie sind nicht Besitzer. Besitzer ist hier nur der Betriebsinhaber. Die praktischen Auswirkungen dieser Regelungen sind indes gering. Für den BGB-Gesetzgeber galt ein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, daß im Besitz meist die Einordnung einer Sache in das Vermögen eines Menschen zum Ausdruck kommt: Wer Besitzer einer Sache ist, pflegt i.d.R. auch ein Recht an ihr (also etwa das Eigentum) zu haben. Dementsprechend knüpft das BGB an den Besitz bestimmte Vermutungen (vgl. etwa § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB: "Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, daß er Eigentümer der Sache sei") und verlangt für eine Rechtsänderung an einer beweglichen Sache (etwa: Eigentümerwechsel) grundsätzlich auch eine Änderung der Besitzlage (sog. Publizitätsfunktion des Besitzes. Im Grundstücksverkehr erfüllt das Grundbuch diese Funktion). So verlangt etwa der Regel-Übereignungstatbestand des § 929 Satz 1 BGB, daß für die Übereignung einer beweglichen Sache neben der Einigung von Veräußerer und Erwerber über den Eigentumsübergang auch die Sachübergabe notwendig ist (dazu ausf. unter 6).

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

117

Angesichts der millionenfachen Existenz von Sicherungsübereignungen und Eigentumsvorbehalten, für die das Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum ja gerade typisch ist, hat sich der oben dargestellte Erfahrungssatz des Gesetzgebers heute gewissermaßen in sein Gegenteil verkehrt: Zumindest im Wirtschaftsleben spricht vieles dafür, daß der Besitzer einer Maschine nicht (mehr) ihr Eigentümer ist, da er sie zur Sicherung eines Kredites sicherungsübereignet hat oder da sie im Vorbehaltseigentum des Lieferanten steht. Dies ändert freilich nichts an der Gültigkeit der auf diesem Erfahrungssatz basierenden Regelungen des BGB. Weitere wichtige Funktion des Besitzes ist die besitzrechtliche Schutzfunktion: Die §§ 858 ff. BGB geben dem Besitzer eigene Schutzrechte gegenüber demjenigen, der ihm den Besitz widerrechtlich (vgl. dazu § 858 BGB) entzieht (§ 861 BGB) oder ihn im Besitz stört (§ 862 BGB), und zwar ohne Rücksicht auf die zugrundeliegende Rechtslage. Die §§ 858 ff. BGB schützen das Faktum des Besitzes als solches. Der Besitzschutz der §§ 858 ff. BGB dient dem Rechtsfrieden, ist allerdings nur vorläufiger Natur, d.h. wenn und soweit derjenige, der dem Besitzer die Sache wegnimmt, ein Recht auf diese hat, kann er dies durchsetzen, muß dem Besitzer allerdings den Besitz zunächst wieder einräumen. Ein weiterer Besitzschutzanspruch ergibt sich aus § 1007 BGB für den besser berechtigten früheren Besitzer. Schließlich ist der Besitz auch als 'sonstiges Recht' i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Schuldhafte Besitzentziehungen oder -Störungen können daher auch Schadensersatzansprüche des Besitzers auslösen.

118

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Auf die Darstellung von Einzelheiten der Besitzschutzansprüche muß im vorliegenden Zusammenhang verzichtet werden [vgl. ausf. Baur-Stürner, a.a.O., § 9 I-III sowie Schwab-Prütting, a.a.O., §§ 12-14].

bb)

Mittelbarer Besitz

Weit wichtiger als die die Besitzdiener treffende Vorenthaltung des Besitzerstatus (obwohl sie tatsächliche Sachherrschaft ausüben), ist die Tatsache, daß das Gesetz andererseits den Besitzbegriff über die tatsächliche Gewalt hinaus ausdehnt und auch denjenigen als Besitzer behandelt, der die tatsächliche Sachherrschaft durch einen anderen ausüben läßt: Nach § 868 BGB ist auch derjenige Besitzer, der die Sache aufgrund eines Rechtsverhältnisses auf Zeit (z.B. Pacht, Miete, Verwahrung, Leihe) einem Dritten überläßt. Der Dritte, der die tatsächliche Sachherrschaft inne hat, ist dann unmittelbarer Besitzer, der andere - weil ihm der Dritte die Sache 'vermittelt' - mittelbarer Besitzer. Der mittelbare Besitz ist vollwertiger Besitz. Die Anerkennung des mittelbaren Besitzes als vollwertiger Besitz beruht auf dem Gedanken, daß der unmittelbare Besitzer im anderen den 'Oberbesitzer' anerkennt

[vgl. Schwab-Prütting,

a.a.O., § 10 II, 2]; von diesem leitet er seinen unmittelbaren Besitz ab, für diesen will er - auf Zeit! - besitzen. Die Rechtsbeziehung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitzer ist das Besitzmittlungsverhältnis i.S.v. § 868 BGB. Neben den oben genannten Vertragstypen kommen insofern weiter in Betracht: die Geschäfte der Spediteure und Lagerhalter; der Werkvertrag, soweit dem Unternehmer eine Sache zur Repara-

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

119

tur übergeben wird. Auch Pfändungen und Verpfändungen begründen Besitzmittlungsverhältnisse. Entscheidend für Begründung und Aufrechterhaltung des mittelbaren Besitzes ist letztlich jedoch der Wille des unmittelbaren Besitzers, für den 'Oberbesitzer' die tatsächliche Sachherrschaft auszuüben. Gibt er diesen Willen erkennbar auf der Entleiher eines Fahrrads entschließt sich, dieses dem Verleiher nicht zurückzugeben, sondern selbst zu behalten - dann nützt dem mittelbaren Besitzer auch das Besitzmittlungsverhältnis nichts, sein mittelbarer Besitz ist beendet, [vgl. BGH J Z 1969, 433]. In Konsequenz der Gleichstellung von mittelbarem und unmittelbarem Besitz gewährt das Gesetz im § 869 BGB dem mittelbaren Besitzer die gleichen Besitzschutzansprüche wie dem unmittelbaren Besitzer. Die praktisch wichtigste Bedeutung des mittelbaren Besitzes folgt jedoch aus § 930 BGB, der die Möglichkeit eröffnet, die nach § 929 BGB für die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen grundsätzlich erforderliche Übergabe der Sache durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses zu ersetzen. Es genügt also für den Eigentumsübergang, daß der Erwerber den mittelbaren Besitz an der Sache erhält und der Veräußerer den unmittelbaren Besitz behält. Damit hat der Gesetzgeber in § 930 BGB den legalen Weg für die Herausbildung der - im Gesetz nicht geregelten - Sicherungsübereignung eröffnet (dazu im einzelnen unten III.).

120

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

5.

Herausgabeanspruch des Eigentümers (§ 985 BGB) und Recht des Besitzers zum Besitz (§ 986 BGB)

a)

Herausgabeanspruch

§ 985 BGB ordnet lapidar an, daß der Eigentümer vom Besitzer die Herausgabe seiner Sache verlangen kann (rei vindicatio des Römischen Rechts). Der Herausgabeanspruch des Eigentümers ist also immer dann begründet, wenn ein anderer Besitzer seiner Sache ist und dieser kein Recht zum Besitz hat (dazu gleich b). Auf welche Weise der Besitzer den Besitz erlangt hat, spielt keine Rolle. Der Eigentümer kann demnach auch dann Herausgabe verlangen, wenn er die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat. Der Herausgabeanspruch richtet sich auf alle Eigentumsobjekte, also gleichermaßen auf Grundstücke wie bewegliche Sachen.

b)

Besitzrecht

Der Besitzer kann nach § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB die Herausgabe an den Eigentümer verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Die Besitzberechtigung des Besitzers kann sich zunächst aus einem dinglichen (sachenrechtlichen) Recht ergeben, wie etwa einem Pfandrecht oder - praktisch bedeutsam - einem aus Erwerb unter Eigentumsvorbehalt erwachsenen Anwartschaftsrecht (dazu unten V, 3 b). Das Besitzrecht kann aber auch aus einer schuldrechtlichen Beziehung zum Eigentümer resultieren, wie

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

121

etwa einem Miet- oder Leihvertrag oder einer im Rahmen einer Sicherungsübereignung getroffenen Sicherungsabrede. Der Besitzer darf die Herausgabe auch dann verweigern, wenn er sein Besitzrecht von einem mittelbaren Besitzer herleitet, der dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Nimmt also etwa der Eigentümer einer unter Eigentumsvorbehalt veräußerten Sache den (unmittelbaren) Besitzer, der die Sache vom Käufer entliehen hatte, auf Herausgabe in Anspruch, so kann dieser sich auf das (aus Anwartschaftsrecht resp. Kaufvertrag begründete) Besitzrecht des Käufers (mittelbarer Besitzer aufgrund des Leihvertrages) berufen. Ein bestehendes Besitzrecht bleibt nach § 986 Abs. 2 BGB auch dann erhalten, wenn nach der Besitzüberlassung auf der Eigentümerseite ein Wechsel stattfindet. Überträgt also etwa nach einer Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt der Verkäufer (er ist ja bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises noch Eigentümer) das Eigentum an der Ware nach § 931 BGB durch Abtretung seines Herausgabeanspruchs (vgl. dazu unten 6 b, cc) an einen Dritten, so kann sich der Käufer auch gegenüber dem Herausgabeverlangen des Dritten auf sein ursprünglich dem Verkäufer gegenüber bestehendes Besitzrecht berufen. § 986 Abs. 2 BGB gilt nur für bewegliche Sachen, da nur hier eine Veräußerung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB möglich ist. Besitzer von Grundstücken, Wohn- und Geschäftsräumen sind bei Veräußerungen des Mietobjekts durch § 571 BGB geschützt, der das Mietverhältnis auf den neuen Eigentümer übergehen läßt ("Kauf bricht nicht Miete").

122

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

6.

Regeln für die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen

a)

Grundtatbestand § 929 Satz 1 BGB

Nach der Grundnorm des § 929 S. 1 BGB ist für die Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache erforderlich, daß der Eigentümer dem Erwerber die Sache übergibt und beide darüber einig sind, daß das Eigentum übergehen soll. Kurz gesagt gilt danach: Übereignung durch Einigung und Übergabe. Die Übereignung nach § 929 Satz 1 BGB ist damit ein zweiaktiger Tatbestand, der sich aus einem (sachenrechtlichen) Vertrag, der Einigung, und dem Realakt der Übergabe (Übertragung des unmittelbaren Besitzes auf den Erwerber) zusammensetzt. Anders als schuldrechtlichen (Verpflichtungs-) Verträgen kommt der Einigung i.S.v. § 929 BGB keine Bindungswirkung zu, sie ist also bis zur Übergabe frei widerrufbar [h.M. vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 5 III, 1 m.w.N.]. Dies läßt sich einmal aus dem dinglichen Charakter der Einigung herleiten (ihr fehlt eben jedes schuldrechtliche Verpflichtungsmoment), zum anderen mit § 873 BGB begründen, wo die Einigung im Rahmen einer Grundstücksübertragung auch nur in den Fällen des Abs. 2 ausnahmsweise bindet. Einen ganz anderen Aspekt bietet hier aber der Umstand, daß der Veräußerer regelmäßig aus dem zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäft (meist: Kaufvertrag) zur Übereignung verpflichtet sein wird, der Vertragspartner also einen entsprechenden Anspruch besitzt, den er im Falle des Widerrufs der

I. Sachenrechtliche

123

Grundlegung

dinglichen Einigung durch den Veräußerer klageweise geltend machen und sich so Eigentum verschaffen kann. Übergabe i.S.v. § 929 Satz 1 BGB bedeutet Übertragung des unmittelbaren Besitzes vom Veräußerer auf den Erwerber. Im Wirtschaftsverkehr ist es jedoch vielfach so, daß der Veräußerer nicht selbst die Sache dem Erwerber in die Hand gibt, sondern daß - meist auf beiden Seiten - dritte Personen beteiligt sind, zwischen denen sich die Besitzübertragung vollzieht. Beispiel: Der Geschäftsführer der veräußernden

GmbH

weist seinen Lieferfahrer an, die veräußerte Ware an den Käufer auszuliefern; dort wird sie vom Lagerverwalter des Käufers entgegengenommen. Eine andere - ebenfalls häufige - Fallgestaltung ist dadurch gekennzeichnet, daß der Erwerber den Veräußerer anweist, die Sache direkt an den Abkäufer des Erwerbers zu übergeben. Dies ist die typische Situation beim sog. 'Streckengeschäft', wo Waren über eine Kette von Kaufverträgen bis hin zum Letztkäufer abgesetzt werden und wo sich zwischen den einzelnen Gliedern der Kette Übereignungen vollziehen, ohne daß die Beteiligten je den unmittelbaren Besitz an den Waren erlangen. In diesen Fällen des sog. 'Geheißerwerbs' rechnet die h.M. [vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 51 III, 3; Schwab-Prütting, a.a.O., § 32 III, 1 je m.w.N.] die durch Dritte vorgenommene Besitzübertragung dem Veräußerer zu, wenn sie auf seine Weisung hin vorgenommen wurde; entsprechend wird auf der Erwerberseite

124

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

die Besitzerlangung durch Dritte dem Erwerber zugerechnet, wenn der Dritte die Sache auf Anweisung des Erwerbers entgegennimmt. Beim Streckengeschäft wird die Besitzverschaffung dadurch vollzogen, daß der jeweilige Veräußerer den Erstverkäufer als unmittelbaren Besitzer anweist, seinen Besitz auf den Letztkäufer zu übertragen und daß der Käufer sich mit einer derartigen Form der Besitzübertragung einverstanden erklärt und den Letztkäufer entsprechend zur Inbesitznahme anweist bzw. anweisen läßt [vgl. ausf. Karsten Schmidt, JuS 1982, 858]. Die Lehre vom 'Geheißerwerb' [s.a.d. Fallgruppenbildung bei Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 243 ff.] trägt den Bedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs Rechnung, bedeutet jedoch letztlich die Verabschiedung des Übergabe-Erfordernisses des § 929 Satz 1 BGB. Dies ist jedoch hinzunehmen, da ein starres Beharren auf dem Übergabe-Prinzip letztlich zum Zusammenbruch des Güterverkehrs führen würde, im übrigen andere Rechtsordnungen auch ohne dieses Prinzip funktionieren und schließlich auch das deutsche Recht das Traditionsprinzip (lat. tradere = übergeben) nicht voll durchhält. Dies gilt zunächst für den Warentransport auf Binnengewässern und zur See sowie für das Lagergeschäft. Die hier vom Frachtführer bzw. Lagerhalter bzgl. des Empfangs der Ware ausgestellten (Wert-) Papiere - Ladeschein, Konossement und Lagerschein - repräsentieren die Ware dergestalt, daß die Übergabe der auf dem Transport befindlichen oder lagernden Ware durch die Übergabe des entsprechenden Papiers ersetzt wird (§§ 424, 450, 650 HGB), die Warenübereignung also

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

125

durch Einigung und Übergabe des Papiers vollzogen werden kann. Aber auch das BGB bietet für bestimmte Sachverhaltskonstellationen Möglichkeiten, die Übergabe i.S.v. § 929 Satz 1 BGB durch andere Tatbestände zu ersetzen oder ganz auf sie zu verzichten. Diese Übergabesurrogate werden im folgenden dargestellt.

b)

Tatbestände des Übergabeverzichts und der ÜbergabeSurrogation

aa)

Übereignung durch schlichte Einigung, § 929 Satz 2 BGB

Ist der Erwerber bereits im Besitz der Sache, so genügt nach § 929 Satz 2 BGB die einfache Einigung über den Eigentumsübergang. Hier wäre es eine überflüssige Formalität, wenn der Erwerber den Besitz an den Veräußerer zurückübertragen müßte, um ihn alsbald von diesem wieder zu erlangen. Beispiel: Bei einem Leasingvertrag mit Kaufoption entschließt sich der Leasingnehmer nach Ablauf der Vertragszeit, die Option auszuüben und Eigentum am Leasinggut zu erwerben. Der Eigentumserwerb vollzieht sich dann durch die entsprechende Einigung zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer. Ob der Erwerber unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer ist, ist gleichgültig, wenn nur der Veräußerer nicht unmittelbarer Besitzer ist.

126 bb)

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Übereignung durch Einigung und Besitzkonstitut nach § 930 BGB

Will der veräußernde Eigentümer den unmittelbaren Besitz an der Sache behalten - etwa weil er auf ihre weitere Nutzung angewiesen ist -, so kann die an sich nach § 929 Satz 1 BGB erforderliche Übergabe nach § 930 BGB dadurch ersetzt werden, daß Veräußerer und Erwerber ein Besitzmittlungsverhältnis i.S.v. § 868 BGB vereinbaren. Durch dieses Besitzmittlungsverhältnis (z.B. Miete, Leihe, Verwahrung) wird der Erwerber mittelbarer Besitzer, der Veräußerer bleibt unmittelbarer Besitzer. Die nach § 929 BGB für den Eigentumsübergang notwendige Einigung

bleibt hiervon unberührt,

d.h.

das

Besitzmittlungsverhältnis tritt neben diese. Das

Besitzmittlungsverhältnis

muß

immer

ein

konkretes

Rechtsverhältnis sein, aus dem sich klar die beiderseitigen Verpflichtungen, insbesondere die Herausgabepflicht des Veräußerers und dessen Besitzrecht ergeben. Ein abstraktes Besitzkonstitut - etwa die Vereinbarung, der Erwerber solle mittelbarer Besitzer sein - genügt damit nicht. Der praktische Hauptanwendungsfall für § 930 BGB ist die Sicherungsübereignung (dazu i.e. unten III) Beispiel: Spediteur S möchte einen Kredit der B-Bank dadurch sichern, daß er der Bank drei seiner LKWs zur Sicherheit übereignet. Auf die weitere Nutzung dieser Fahrzeuge ist er dringend angewiesen. Es kommt daher nur eine Übereignungsform in Betracht, die ihm den

unmittelbaren

Besitz an den LKW beläßt: §§ 929/930 BGB. Als Besitz-

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

127

mittlungsverhältnis genügt nach ganz h.M. [vgl SchwabPrutting, a.a.O., § 32 III, 3 m.w.N.J die Sicherungsabrede.

cc)

Übereignung durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB

Hier geht es um die Fallkonstellation, wo weder Veräußerer noch Erwerber unmittelbarer Besitzer sind, sondern ein Dritter den unmittelbaren Besitz inne hat. In diesem Fall kann nach § 931 BGB die - dem Veräußerer gar nicht mögliche - Übergabe dadurch ersetzt werden, daß der Veräußerer dem Erwerber neben der Einigung über den Eigentumsübergang - seinen ihm gegen den Dritten zustehenden Herausgabeanspruch abtritt. Hinsichtlich der hier in Betracht kommenden Herausgabeansprüche ist zu unterscheiden, ob der Veräußerer mittelbarer Besitzer oder 'nur' Eigentümer ist: Ist der Veräußerer mittelbarer Besitzer, dann resultiert der abtretbare Herausgabeanspruch aus dem Besitzmittlungsverhältnis (z.B. der Rückgabeanspruch des Vermieters aus § 556 BGB); ihn tritt der Veräußerer nach § 870 BGB an den Erwerber ab, der damit seinerseits mittelbarer Besitzer und Eigentümer wird. Ist der Veräußerer nicht mittelbarer Besitzer, kommen sonstige Herausgabeansprüche in Betracht, die sich aus §§ 823 oder 812 BGB ergeben können; diese Ansprüche sind regelmäßig dann gegeben, wenn sich der unmittelbare Besitzer (der 'Dritte' i.S.v. §931 BGB) den Besitz rechtswidrig verschafft hat. Nicht abtretbar ist hingegen nach ganz h. M. [vgl. nur Baur-Stürner, a.a.O., § 51 VI, 1] der Eigentumsherausgabeanspruch des § 985

128

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

BGB, da dieser Anspruch von der Eigentümerstellung nicht abgespalten werden kann: Der Eigentumsherausgabeanspruch ist der (einzige) Inhalt des Eigentums [vgl. Baur-Stürner, a.a.O.]. Steht dem Veräußerer also nur der Anspruch aus § 985 BGB gegen den Dritten zu, so genügt die bloße Einigung nach § 929 BGB, um dem Erwerber das Eigentum zu übertragen. Diesem steht dann der Anspruch aus § 985 BGB aufgrund seiner Eigentümerstellung eo ipso zu. Die Abtretung des Herausgabeanspruchs geschieht formlos nach §§ 398 ff. BGB, also durch übereinstimmende Willenserklärungen von Veräußerer und Erwerber, die auch durch konkludentes Verhalten geäußert werden können. Der Dritte braucht hierbei nicht mitzuwirken, auch eine Mitteilung der Abtretung an den Dritten ist nicht erforderlich, empfiehlt sich aber wegen § 407 BGB. Aus dem Grundsatz, daß die Abtretung die Rechtsstellung des Anspruchsgegners

nicht

verschlechtern darf, folgt, daß der Dritte dem

Erwerber

dieselben

die

Einwendungen

entgegenhalten

kann,

ihm

gegenüber dem Veräußerer zustanden (§§ 404 ff. BGB), also insbesondere ein Recht zum Besitz geltend machen kann (§ 986 Abs. 2 BGB). Beispiel: V hat K seinen Pkw, der sich in der Werkstatt des U zur Reparartur befindet, verkauft und nach §§ 929/931, 870 BGB durch Abtretung des werkvertraglichen Herausgabeanspruchs übereignet. Hier kann sich U auch gegenüber K auf sein die Werklohnforderung sicherndes

Unternehmer-

I. Sachenrechtliche Grundlegung

129

Pfandrecht des § 647 BGB am PKW berufen (§§ 986Abs. 2, 936 Abs. 3 BGB).

c)

Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 932 ff. BGB, 366 HGB

aa)

Rechtspolitische Einführung

Nach § 929 BGB setzt eine wirksame Übereignung die Eigentümerstellung des Veräußerers voraus (vgl. § 929 BGB: "... erforderlich, daß der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt, und beide darüber einig sind, ..."); nur dem Eigentümer steht grundsätzlich die Verfügungsmacht über seine Sache zu. Die Verfügung eines Nicht-Eigentümers ist dann wirksam, wenn der Eigentümer ihr zustimmt (§ 185 BGB, Zustimmung = Oberbegriff für Einwilligung - vorherige Zustimmung- und Genehmigung - nachträgliche Zustimmung). Als Problemfeld bleiben die Fälle, wo ein Nichtberechtigter (= Nichteigentümer ohne Zustimmung des Eigentümers) über eine im Eigentum eines anderen stehende Sache verfügt, sie also etwa an einen Dritten übereignet, der ihn - weil er den Besitz an der Sache inne hat! - für den Eigentümer hält. Die Problematik ist durch einen auf den ersten Blick schwer lösbaren Interessenkonflikt zwischen Eigentümer und Drittem (Erwerber) gekennzeichnet: Der Eigentümer möchte nicht durch unbefugte Verfügungen Nichtberechtigter 'enteignet' werden (das wäre die Folge bei uneingeschränkter Wirksamkeit des Erwerbs). Der Erwerber hingegen, der den Nichtberechtigten gutgläubig für den Eigentümer hielt und an ihn möglicherweise einen Kaufpreis gezahlt hat, hat ein verständliches Interesse daran, die Sache nicht an den Eigentümer herausgeben zu müssen (§ 985

130

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

BGB, Folge bei Unwirksamkeit des Erwerbs!). Dieser Interessenkonflikt ist für jede entwickelte Rechtsordnung lösungsbedürftig, wobei aus heutiger Sicht Lösungsmodelle, die einseitig den Interessen des einen oder anderen der Beteiligten den Vorzug geben, von vornherein ausscheiden müssen. Die einseitige Bevorzugung der Eigentümerinteressen, deren Konsequenz eine Regelung wäre, die gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten generell ausschließt (sie gab es im römischen Recht), würde notwendig zum Zusammenbruch jeglicher Güterumsatztätigkeiten führen, denn jeder potentielle Erwerber müßte, um sicher vor eventuellen Herausgabeansprüchen wahrer Eigentümer sein zu können, umfangreiche - oft gar nicht mögliche - Nachforschungen hinsichtlich der Berechtigung seines Veräußerers anstellen. Die Belange des Verkehrsschutzes sprechen also nachhaltig gegen eine solche Lösung. Umgekehrt kommt aber auch ein einseitiger Vorrang des Erwerberinteresses, des Verkehrsschutzes also, nicht in Betracht, dessen Konsequenz eine Regelung wäre, die gutgläubigen Erwerb immer zuläßt. Die Folgen einer solchen Regelung wären massenhafte Enteignungen, die grundgesetzliche Eigentumsgarantie erwiese sich als eine leere Hülse. Angemessen ist also alleine eine Lösung, die beiden Bereichen hinreichend Rechnung trägt. Der BGB-Gesetzgeber sah den vernünftigen 'Mittelweg' offenbar im deutsch-rechtlichen "Hand-wahre-Hand"-Grundsatz ("Wo Du Deinen Glauben gelassen hast, mußt Du ihn suchen") vorgezeichnet: Wenn der Eigentümer seine Sache freiwillig aus der Hand gegeben, "seinen Glauben (Vertrauen) bei einem anderen gelassen" hat, soll er sich auch nur mit diesem auseinandersetzen dürfen, nicht jedoch mit dem gutgläubigen Erwerber, gegen diesen stehen ihm keine Ansprüche zu. Dies ist der

1. Sachenrechtliche

Grundlegung

131

wesentliche Kerngedanke, der hinter der Regelung der §§ 932 ff. BGB steht und der kurz gesagt bedeutet, daß gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten immer dann wirksam möglich ist, wenn der Eigentümer sich des Besitzes an seiner Sache freiwillig entäußert hat. Der Erwerber darf dann auf den im Besitz des Veräußerers zum Ausdruck kommenden Schein seiner Berechtigung (sog. Rechtsschein) vertrauen.

bb)

Systematik der §§ 932 ff. BGB

Die Systematik der §§ 932 ff. BGB kann wie folgt skizziert werden: Grundnorm ist § 932 Abs. 1 BGB, der auf die Regelübereignung nach § 929 BGB Bezug nimmt: Danach wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, er ist zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht im guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers. Von diesem Grundsatz ordnet § 935 Abs. 1 BGB eine Ausnahme für die Fälle an, in denen die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war, die Fälle also, in denen der Eigentümer den Besitz unfreiwillig verloren hat; hier wird der Erwerber trotz guten Glaubens nicht Eigentümer und muß die Sache dem wirklichen Eigentümer nach § 985 BGB herausgeben. Von dieser Ausnahme macht § 935 Abs. 2 BGB eine 'Rückausnahme' und stellt den Grundsatz des § 932 BGB wieder her für Geld und Inhaberpapiere und für Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerung veräußert werden. Diese Ge-

132

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

genstände können also auch dann gutgläubig erworben werden, wenn sie gestohlen waren. Der Grund für diese Rückausnahme liegt in dem hier gegebenen gesteigerten Verkehrsschutzbedürfnis. Insbesondere hinsichtlich des Geldes ist dies evident: Es würde seine Eigenschaft als Zahlungsmittel verlieren, wenn man damit rechnen müßte, gestohlene Geldscheine dem Eigentümer herausgeben zu müssen. Spezielle, den Sonderformen der Übereignung gemäß §§ 930 und 931 BGB zugeordnete Tatbestände gutgläubigen Erwerbs enthalten §§ 933 und 934 BGB: Nach § 933 BGB wird der Erwerber einer nach § 930 BGB durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts veräußerten Sache (erst) Eigentümer, wenn ihm die Sache vom Veräußerer übergeben wird (er also den unmittelbaren Besitz erhält), es sei denn, daß er zu diesem Zeitpunkt nicht in gutem Glauben ist. Etwas komplizierter ist § 934 BGB. Er bezieht sich auf die Übereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs nach §931 BGB und enthält zwei Fälle: Ist der veräußernde Nichtberechtigte mittelbarer Besitzer der Sache, dann wird der gutgläubige Erwerber mit Abtretung des Anspruchs Eigentümer (und mittelbarer Besitzer). Ist der Veräußerer hingegen nicht mittelbarer Besitzer, wird der gutgläubige Erwerber erst dann Eigentümer, wenn er den Besitz (mittelbarer Besitz genügt) von dem Dritten erlangt und zu diesem Zeitpunkt (noch) gutgläubig ist. Hinter diesen Regelungen steht offenbar die Vorstellung des Gesetzgebers, daß der gutgläubige Erwerber erst dann schutzwürdig ist und Eigentümer werden kann, wenn sich sein

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

133

Erwerbsinteresse durch eine Festigung der Besitzlage manifestiert hat, wobei es aber einen nicht nachvollziehbaren Widerspruch bedeutet, daß dies bei § 934 BGB schon die Erlangung des mittelbaren Besitzes leistet, während § 933 BGB für diese Manifestation erst die Erlangung des unmittelbaren Besitzes ausreichen läßt [vgl. hierzu ausf. Baur-Stürner, a.a.O., § 52 II, 3 u. 4].

cc)

Guter Glaube des Erwerbers

Grundvoraussetzung für den Erwerb vom Nichtberechtigten ist der gute Glaube des Erwerbers. Im Verkehr zwischen NichtKaufleuten muß sich der gute Glaube des Erwerbers immer auf das Eigentum des Veräußerers beziehen; der gute Glaube lediglich an die Verfügungsmacht des Veräußerers (der Erwerber geht etwa von einer Ermächtigung des Veräußerers durch den Eigentümer entspr. § 185 BGB aus) wird hier nicht geschützt. Anders ist es dann, wenn ein Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes eine bewegliche Sache veräußert: Nach § 366 Abs. 1 HGB finden die Vorschriften der §§ 932 ff. BGB über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten in diesem Fall auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers nur die Befugnis des Veräußerers, über die Sache für den Eigentümer verfügen zu dürfen, betrifft. Ziel des § 366 H G B ist eine Steigerung des Verkehrsschutzes für den Bereich des kaufmännischen Güterumsatzes. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist groß: Sie betrifft alle diejenigen Fälle, in denen ein Kaufmann Waren veräußert, an denen ein Eigentumsvorbehalt oder Sicherungseigentum besteht. Soweit ein Erwerber in solchem Falle annimmt - und den Umständen ent-

134

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

sprechend annehmen darf - der Veräußerer sei vom Eigentümer zur Veräußerung ermächtigt (eine solche Ermächtigung erhält ein Sicherungsgeber regelmäßig bei der Sicherungsübereignung von Warenlagern, dazu unten III, 5), erwirbt er Eigentum nach §§ 366 Abs. 1 HGB, 932 BGB auch dann, wenn eine Veräußerungsermächtigung nicht vorlag. Ein Erwerber ist nach § 932 Abs. 2 BGB dann nicht in gutem Glauben, wenn er zum Zeitpunkt des Erwerbs positive Kenntnis von der Nichtberechtigung seines Veräußerers gehabt hat oder diese ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Grob fahrlässig ist der Erwerber dann, wenn er "die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen" [vgl. BGHZ 10, 16]. Grobe Fahrlässigkeit und damit Bösgläubigkeit muß sich somit derjenige vorwerfen lassen, der trotz Vorliegens auffälliger Verdachtsmomente, die auf fehlende Berechtigung des Veräußerers hindeuten, weitere Aufklärung unterläßt und den Erwerb tätigt. Dies wird etwa beim Erwerb von Kraftfahrzeugen regelmäßig der Fall sein, wenn der Veräußerer den Kraftfahrzeugbrief nicht vorlegen kann und der Erwerber nicht nachfragt, sondern das Fahrzeug erwirbt. Ein Verdachtsgrund können auch ein ungewöhnlich niedriger Preis oder die Art und Weise des Anbietens der Ware (die Rolex-Uhren in der Innenseite des Mantels) sein. Aus der Formulierung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§ 932 BGB: "... es sei denn, daß er ... nicht in gutem

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

135

Glauben ist.") ergibt sich, daß das Gesetz Bösgläubigkeit als Ausnahme ansieht, der gute Glaube also vermutet wird. Das bedeutet, daß ein Eigentümer, der den Erwerb angreift, die Bösgläubigkeit des Erwerbers beweisen muß.

dd) Gutgläubig-lastenfreier Erwerb, § 936 BGB Eine zu veräußernde Sache kann mit einem dinglichen Recht eines Dritten belastet sein (hauptsächlich: Pfandrecht, aber auch: Anwartschaftsrecht aus bedingter Übereignung). Es stellt sich dann die Frage nach dem Schicksal dieses Rechts, wenn die Sache veräußert wird. Beispiel: U hat die von ihm produzierten und zur Veräußerung bestimmten Waren in einer von E gemieteten Lagerhalle untergebracht. Mit der Unterbringung ist nach § 559 BGB das gesetzliche Vennieterpfandrecht des E an diesen Waren entstanden. Später übereignet U das Warenlager zur Sicherung eines Kredites nach §§ 929, 930 BGB an die BBank. Grundsätzlich berührt die Veräußerung einer mit dem Recht eines Dritten belasteten Sache die Existenz dieses Rechtes nicht, es bleibt bestehen; der Erwerber muß es also hinnehmen, wenn der Pfandgläubiger die Sache für sich verwertet. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob der Erwerb vom Eigentümer oder gutgläubig vom Nichtberechtigten erfolgt ist. Von diesem Grundsatz macht § 936 BGB eine Ausnahme für den Fall, daß der Erwerber hinsichtlich der Belastung gutgläu-

136

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

big ist, er also in gutem Glauben davon ausgeht, daß die Sache frei von Rechten Dritter ist: Er erwirbt dann lastenfrei, das Drittrecht geht unter. Der Begriff der Gutgläubigkeit ist hier derselbe wie in § 932 BGB, d.h. es schadet dem Erwerber auch hier, wenn er die Existenz des Drittrechts positiv kannte oder sie ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Das Gesetz schränkt indes die Möglichkeit gutgläubig lastenfreien Erwerbs in § 936 BGB für die Fälle wieder ein, in denen die Übereignung der Sache in den Formen der §§ 930 oder 931 BGB, also durch Besitzkonstitut oder Abtretung des Herausgabeanspruchs erfolgt ist, wobei die Einschränkungen inhaltlich den §§ 933, 934 BGB entsprechen. Dies bedeutet im einzelnen: Ist die Sache durch Besitzkonstitut übereignet worden, so tritt der Untergang des Drittrechts - wie der Eigentumserwerb - erst ein, wenn der Erwerber aufgrund der Veräußerung den unmittelbaren Besitz an der Sache erlangt (§ 936 Abs. 1 Satz 3 BGB). Dementsprechend hat im Beispiel die Bank ein mit dem Vermieterpfandrecht des E belastetes Sicherungseigentum erworben und muß es deshalb hinnehmen, wenn dieser das Warenlager für sich verwertet. Ist die Sache durch Abtretung des Herausgabeanspruchs veräußert worden, tritt der Untergang des Dritt-Rechts sofort mit der Abtretung dann ein, wenn der Veräußerer mittelbarer Besitzer war; war er das nicht, dann geht das Recht erst unter,

I. Sachenrechtliche

137

Grundlegung

wenn der Erwerber den Besitz an der Sache erlangt (§ 936 Abs. 1 Satz 3 BGB). Ist

die

Sache

dem

Inhaber

des

belastenden

Rechts

abhandengekommen (der Eigentümer hat seine Sache dem Pfandgläubiger weggenommen), so erwirbt der Eigentumserwerber in Analogie zu § 935 BGB auch bei Gutgläubigkeit nicht lastenfrei.

7.

Nicht-rechtsgeschäftliche Tatbestände des Eigentums-erwerbs an beweglichen Sachen, §§ 946 ff. BGB

Die selbständige Existenz einer beweglichen Sache wird vielfach dadurch beendet, daß sie aufgrund bestimmter Ereignisse mit anderen Sachen nunmehr eine rechtliche oder tatsächliche Einheit bildet oder daß aus bisher selbständigen Sachen eine neue hergestellt wird, ohne daß diesen Vorgängen ein rechtsgeschäftlicher Wille der Beteiligten zugrundeliegt. Hier muß das Gesetz die Eigentumsverhältnisse neu ordnen. Es tut dies in den §§ 946 ff. BGB.

a)

Verbindung und Vermischung

Hier sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden: 1. Verbindung einer beweglichen Sache mit einem Grundstück; 2. Verbindung einer beweglichen Sache mit einer anderen; 3. Vermischung von Flüssigkeiten und festen beweglichen Sachen.

138

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

zu 1.: Nach § 946 BGB führt die Verbindung einer beweglichen Sache mit einem Grundstück dergestalt, daß sie dessen wesentlicher Bestandteil wird, zum Verlust des Eigentums: Das Grundstückseigentum erstreckt sich nun auch auf die verbundene Sache. Wer die Verbindung vorgenommen hat, ob sie rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist, ist gleichgültig: Denn der Eigentumserwerb nach § 946 BGB ist kein rechtsgeschäftlicher, sondern vom Gesetz angeordneter Erwerb. Ob die Sache wesentlicher Bestandteil geworden ist, ergibt sich aus den §§ 93, 94 BGB. Generell gesprochen handelt es sich bei den wesentlichen Bestandteilen um solche, deren Trennung unwirtschaftlich wäre, sei es, weil die Trennung zu einer Beschädigung der Hauptsache (Grundstück, Gebäude) oder des Bestandteils führen würde (§ 93 BGB), sei es, weil die Trennung das Gebäude für den Zweck, zu dem es errichtet ist, unbrauchbar machen würde [§ 94 Abs. 2 BGB; vgl. zum Ganzen ausf. Larenz, Allg. Teil d. BGB, 7. Aufl., München 1989, § 16 II, d]. Beispiele für wesentliche Bestandteile- Alle zur Errichtung eines Gebäudes verwendeten Baumaterialien: Türen, Fenster, Maschinen, soweit sie fest mit dem Gebäude verbunden sind und ihr Ausbau nicht ohne Wertmindung möglich ist, jenseits davon aber nach § 94 Abs. 2 BGB auch dann, wenn sie 'Funktion'des Gebäudes sind. Eine Ausnahme von der Bestandteilseigenschaft von mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen macht § 95 BGB für diejenigen Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden werden (Mieter oder Pächter errichten ein Gebäude); das gleiche ordnet die Vor-

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

139

schrift für Gebäude an, die in Ausübung eines dinglichen Rechts am Grundstück errichtet werden (Nießbraucher baut Haus). In diesen Fällen besteht Sondereigentum der betreffenden Personen am Gebäude. zu 2.: Auch die Verbindung von beweglichen Sachen miteinander führt nur dann zu neuen Eigentumsverhältnissen, wenn die Sachen wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache werden (§ 947 Abs. 1 BGB). Ist eine Sache als Hauptsache anzusehen, so erwirbt deren Eigentümer Alleineigentum (§ 947 Abs. 2 BGB - ein Buch wird mit einem Einband versehen), ansonsten entsteht Miteigentum der bisherigen Eigentümer entsprechend dem Wert, den ihre Sachen zum Zeitpunkt der Verbindung haben (§ 947 Abs. 1 BGB). Der Regelung des § 947 BGB kommt indes nur geringe praktische Bedeutung zu, da die Verbindung meist zur Entstehung einer neuen Sache führen wird, so daß die Spezialvorschrift des § 950 BGB (Verarbeitung) eingreift (dazu unten b). zu 3.: Bei der Vermischung (Flüssigkeiten) oder Vermengung (feste Stoffe) kommt es für die Bestimmung der Eigentumsverhältnisse entscheidend darauf an, ob eine Trennung der Teilmengen möglich ist. Ist dies der Fall, dann bleibt das 'Alteigentum' bestehen. Ist die Trennung nicht möglich, so findet über § 948 BGB die Vorschrift des § 947 BGB Anwendung, d.h. es entsteht Miteigentum an der Gesamtmenge, soweit nicht eine Teilmenge als Hauptsache angesehen werden kann. Praktische Bedeutung kommt der Problematik im wesentlichen nur bei Sammellagerung i.S.v. § 419 HGB und Effektensammeldepots (§§ 5 ff. DepotG) zu.

140 b)

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Verarbeitung

Von weitaus größerer praktischer Tragweite ist der Tatbestand des Eigentumserwerbs bzw. -verlusts durch Verarbeitung (§ 950 BGB), da er die gesamte Produktionssphäre betrifft. Er wird überall dort relevant, wo ein Produzent sein Produkt aus Rohstoffen oder Halbfabrikaten herstellt, die ihm nicht gehören, etwa weil sich die Lieferanten dieser Teile das Eigentum daran vorbehalten haben. (Und das ist in der Praxis fast schon die Regel. Zum Eigentumsvorbehalt ausführlich unten V). Beispiel: U produziert Schuhe. Hierbei verwendet er Oberleder, das ihm L} liefert, Sohlenleder, das er von L2 bezieht und Futterleder aus der Lieferung von L3. Alle drei Lieferanten haben sich jeweils das Eigentum an ihrem Leder vorbehalten. Das Warenlager, in dem sich die produzierten Schuhe befinden, übereignet U der B-Bank zur Sicherung eines Kredites. § 950 BGB weist das Eigentum an einer durch Verarbeitung mehrerer Stoffe hergestellten neuen Sache dem Hersteller zu, sofern nicht der Wert der für die Herstellung aufgewendeten Arbeit erheblich geringer ist, als der Wert des Stoffes (bzw. der Stoffe). Die Stoffeigentümer verlieren somit mit der Verarbeitung ihr Eigentum. § 950 BGB hat damit den Interessenkonflikt zwischen Stoffeigentümern und Hersteller zugunsten des letzteren entschieden. Das Beispiel belegt jedoch, daß sich in praxi der eigentliche Interessenkonflikt auf einer ganz anderen Ebene abspielt, nämlich zwischen den Stoffeigentümern

I. Sachenrechtliche

Grundlegung

141

(Lieferanten) und den Gläubigern - vor allem den Geldkreditgebern - des Herstellers. Sie streiten um die neu hergestellten Sachen [vgl. treffend Heck schon 1930 in seinem Grundriß des Sachenrechts, § 62, 4: "Der Eigentumserwerb durch Spezifikation (d.i. Verarbeitung) ist i.d.R. für die Gläubiger des Erwerbenden wichtiger als für ihn selbst"]. Diese Kollisionsproblematik wird im Rahmen der Darstellung des Zusammentreffens mehrerer Sicherungsrechte (unten Kap. 8) behandelt. 'Verarbeitung' i.S.d. § 950 BGB ist jede durch menschliche Arbeitsleistung bewirkte Veränderung der verarbeiteten Stoffe (Gegensatz: Reparatur). Entscheidend ist die Verkehrsauffassung. Sie ist maßgeblich dafür, ob eine neue Sache hergestellt wurde, oder lediglich eine Verbindung mehrerer Sachen i.S.v. § 947 BGB vorliegt. Trägt die hergestellte Sache eine neue Bezeichnung (im Beispiel: 'Schuhe' statt 'Leder'), so ist dies stets Indiz für Verarbeitung. In der handwerklichen und industriellen Fertigung ist Hersteller i.S.v. § 950 BGB niemals der die Verarbeitung unmittelbar bewirkende Arbeiter, sondern der Handwerksmeister oder Unternehmer [sog. 'fremdwirkende' Verarbeitung, vgl. SchwabPrütting, a.a.O., § 38 III, 1]. § 950 BGB löst also keinesfalls den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit! Das läßt sich damit begründen, daß der Unternehmer dem Arbeiter vermittels des Arbeitsvertrages dessen Ware 'Arbeitskraft' 'abgekauft' hat, so daß die Produkte der Arbeitskraft auch deren Inhaber (eben dem Unternehmer) zustehen. Die Herstellereigenschaft ist auch im übrigen der Parteivereinbarung zugänglich, d.h. Stoffeigentümer und Verarbeitender

142

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

(also der produzierende Unternehmer) können vereinbaren, wer in ihrem Verhältnis 'Hersteller' i.S.d. § 950 BGB sein soll [ganz h.M., vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 53 b I, 3 m.w.N.]. Hiervon machen insbesondere die unter Eigentumsvorbehalt veräußernden Lieferanten Gebrauch: Ihre Allgemeinen

Ge-

schäftsbedingungen enthalten regelmäßig eine Klausel, wonach Herstellung für sie erfolgt (sog. Verarbeitungsklausel = sog. verlängerter Eigentumsvorbehalt; dazu unten V, 5 b).

c)

Ausgleichsansprüche bei Verbindung, Vermischung und Verarbeitung

Die Tatbestände der §§ 946 ff. BGB bewirken eine mehr oder weniger weitgehende Enteignung früherer Sach (Stoff-) Eigentümer. Im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs muß das Gesetz hier eine Entschädigungsmöglichkeit für die früheren Eigentümer statuieren. Das geschieht in § 951 BGB: Nach dieser Vorschrift werden die Opfer des Eigentumsverlustes dadurch entschädigt, daß der Begünstigte den Rechtsverlust entsprechend den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) in Geld zu vergüten hat. Die Wiederherstellung des alten Zustandes kann nicht verlangt werden (§ 951 Abs. 1 Satz 2 BGB), da dies entweder faktisch gar nicht möglich ist (untrennbare Vermischung) oder aber damit der durch die Verbindungs- und Verarbeitungstatbestände verfolgte Zweck der Vermeidung unwirtschaftlicher Zerstörungen konterkariert würde. Die Verweisung auf die Bereicherungsvorschriften in § 951 BGB ist sog. Rechtsgrundverweisung (Gegensatz: Rechtsfolgenverweisung), d.h. es müssen sämtliche Anspruchsvoraussetzungen der bereicherungsrechtli-

II. Pfandrecht

143

chen Anspruchsnormen erfüllt sein. Dies bedeutet insbesondere und vor allem, daß ein Ausgleichsanspruch zugunsten des Enteigneten dann nicht gegeben ist, wenn der Eigentumsverlust mit Rechtsgrund erfolgt ist, wenn also etwa die Verbindung auf der Basis eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes (etwa: Werkvertrag) vollzogen wurde. Beispiel: Installateur I hat mit Bauherrn B einen Werkvertrag über den Einbau der sanitären Anlagen in B's Haus abgeschlossen. Baut I nun in seinem Eigentum

stehende

Rohre, Waschbecken etc. in B's Haus ein, so verliert er nach § 946 BGB das Eigentum daran. Gleichwohl steht ihm ein Ausgleichsanspruch nach §§ 951, 812 BGB nicht zu, da die Verbindung mit Rechtsgrund (Werkvertrag) erfolgt ist. Dies ist jedoch nur interessengerecht, da er in seinen Werklohn (§ 631 BGB) die Materialkosten mit einkalkuliert haben wird. Erfüllt der die Rechtsänderung (Enteignung) bewirkende Vorgang zugleich die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung i.S.v. §§ 823 ff. BGB, so steht dem früheren Eigentümer immer ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zu, gleichgültig, ob der Bereicherungsanspruch nach §§ 951, 812 BGB begründet ist oder nicht (§ 951 Abs. 2 BGB).

II.

Pfandrecht

1.

Allgemeines. Praktische Bedeutung

Das Pfandrecht an beweglichen Sachen (sog. Fahrnispfandrecht) setzt regelmäßig den Besitz des Pfandgläubigers an der

144

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Pfandsache voraus. Man spricht deshalb vom Faustpfandrecht, das sich dadurch wesentlich von den Pfandrechten an Grundstücken (sog. Grundpfandrechte: Hypothek und Grundschuld) unterscheidet, bei denen der Besitz überhaupt keine Rolle spielt. Es kann aber auch ein Recht Gegenstand eines Pfandrechts sein (Kreditnehmer verpfändet Kreditgeber seine Lohnforderung). Das Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten ist Realsicherheit. Wie für alle Realsicherheiten ist auch für das Pfandrecht charakteristisch, daß es dem Gläubiger ein Verwertungsrecht am Sicherungsobjekt (hier: der Pfandsache) einräumt. Das Pfandrecht an beweglichen Sachen (wie auch das Grundpfandrecht!) stellt sich damit inhaltlich dar als Abspaltung einer Teilbefugnis aus dem Vollrecht Eigentum, ist also beschränkt dingliches Recht (dazu oben I, 4 a). Das Verwertungsrecht gibt dem Pfandgläubiger die Befugnis, sich vorrangig - also vor anderen Gläubigern - aus der Pfandsache zu befriedigen. Entsprechend dem Entstehungsgrund lassen sich drei Arten des

Fahrnispfandrechts

unterscheiden:

das

vertragliche

(rechtsgeschäftlich bestellte), das gesetzliche (etwa: Pfandrecht des Vermieters und des Werkunternehmers) und das Pfandungspfandrecht (dieses entsteht durch eine im Rahmen einer Zwangsvollstreckung

durch

den

Gerichtsvollzieher

vorge-

nommene Pfändung, § 804 Abs. 1 ZPO). Im Bereich der Kreditsicherung spielt jedoch nur das durch Vertrag begründete Pfandrecht eine Rolle; das gesetzliche Pfandrecht und das Pfändungspfandrecht werden deshalb aus der folgenden Darstellung ausgenommen.

II. Pfandrecht

145

Die wirtschaftliche Bedeutung des Pfandrechts ist begrenzt. Der Grund hierfür liegt einmal darin, daß das Gesetz (§ 1205 BGB) für die Entstehung des Pfandrechts an beweglichen Sachen die Übertragung des unmittelbaren Besitzes vom Verpfänder auf den Pfandgläubiger verlangt. Die notwendige Besitzübertragung der Pfandsache aber macht das Pfandrecht für die Bedürfnisse der Wirtschaftspraxis extrem ungeeignet: der kreditsuchende Unternehmer müßte die als Pfandobjekt einsetzbaren Güter (Maschinen, Fuhrpark, Warenlager) der kreditgewährenden Bank übergeben, diese entsprechende Lagerkapazitäten schaffen. Es ist evident und bedarf keiner weiteren Begründung, daß dies für beide Teile in besonderem Maße ökonomischen Unsinn bedeuten würde. Das Pfandrecht an beweglichen Sachen wurde deshalb schon früh durch die Sicherungsübereignung verdrängt, bei der die Übertragung des unmittelbaren Besitzes durch Vereinbarung eines Besitzkonstitutes ersetzt wird, wodurch der unmittelbare Besitz beim Sicherungsgeber verbleibt. Das Manko des Pfandrechts an Rechten besteht darin, daß das Gesetz hier die Wirksamkeit der Verpfändung von Forderungen davon abhängig macht, daß der Gläubiger (Verpfänder) dies seinem Schuldner anzeigt (§ 1280 BGB). Die mit dieser Anzeige verbundene 'Publizitätswirkung' liegt regelmäßig nicht im Interesse des Kreditnehmers; das Pfandrecht an Forderungen wurde deshalb durch die Sicherungsabtretung ersetzt, bei der eine solche Anzeigenotwendigkeit nicht besteht. Der Anwendungsbereich des Pfandrechts ist damit im wesentlichen auf das Bankgeschäft begrenzt. Nach Nr. 14 der AGBBanken '93 (sog. 'Pfandklausel') erwirbt die Bank - soweit ihre

146

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

AGB's Verkehrsinhalt werden, was regelmäßig der Fall ist - ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen, an denen sie im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt. Das Pfandrecht dient nach Abs. 2 der Klausel der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen. Anwendungsbereich des Pfandrechts an Rechten ist darüber hinaus insbesondere auch das Wertpapierlombardgeschäft (dazu bereits oben Kap. 2,1, 2 c), wo der Kredit (meist Kontokorrentkredit - sog. unechter Lombard) durch Verpfändung von Wertpapieren besichert wird. Wegen der relativ geringen praktischen Bedeutung des Pfandrechts für die Kreditsicherung kann sich die folgende Darstellung auf die Zeichnung von Grundlinien beschränken.

2.

Pfandrecht an beweglichen Sachen

a)

Wesen und Rechtsnatur des Fahrnispfandrechts

Wesen und Rechtsnatur des Pfandrechts wurden bereits oben angesprochen: Das Pfandrecht ist ein dingliches Verwertungsrecht an einer Sache, das eine zugrundeliegende Forderung dergestalt sichert, daß der Gläubiger bei Pfandreife (d.i. Fälligkeit der Forderung, § 1228 Abs. 2 BGB) die Sache veräußern und sich aus dem Erlös wegen seiner Forderung befriedigen darf. Das Pfandrecht ist wie die Bürgschaft ein streng akzessorisches Sicherungsrecht. Es entsteht nur, wenn eine zu sichernde For-

II. Pfandrecht

147

derung besteht (§ 1204 Abs. 1 BGB). Zu beachten ist jedoch, daß nach § 1204 Abs. 2 BGB das Pfandrecht auch für eine künftige oder bedingte Forderung bestellt werden kann. Es ist damit auch die künftige Forderung eine "zu sichernde Forderung" i.S.d. Akzessorietätsprinzips. Es gilt allerdings auch hier der Bestimmtheitsgrundsatz, d.h. die künftige Forderung muß genau bestimmt oder wenigstens aufgrund der Umstände (etwa nach dem Entstehungsgrund) näher bestimmbar sein, wobei ihre Höhe nicht festliegen muß. Das für eine künftige Forderung bestellte Pfandrecht entsteht dann - wenn auch die künftige Forderung der Akzessorietät genügt - folgerichtig schon mit seiner Bestellung und nicht erst mit Entstehen der Forderung [vgl. BGH NJW 1983, 1619], Weitere Konsequenzen der Akzessorietät sind, daß das Pfandrecht nur zusammen mit der Forderung übertragen werden kann und daß mit der Übertragung der Forderung auch das Pfandrecht automatisch mit auf den neuen Forderungsgläubiger übergeht, § 1250 BGB (Forderungsgläubiger und Pfandgläubiger sind damit immer identisch). Aus der Akzessorietät folgt schließlich, daß das Pfand für die Forderung in ihrem jeweiligen Bestand haftet und daß sich die Haftung auch auf Nebenansprüche aus Zinsen und Vertragsstrafen, auf die Kosten einer Kündigung, der Rechtsverfolgung und des Pfandverkaufs sowie die Ansprüche des Pfandgläubigers auf Ersatz von Verwendungen erstreckt (§ 1210 BGB).

148 b)

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Pfandrechtsobjekt

Gegenstand des Fahrnispfandrechts können nur bewegliche Sachen sein. Dazu gehören auch die sog. Scheinbestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes i.S.v. § 95 BGB, also Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines Rechtes (Pächter errichtet Gebäude) mit Grundstück oder Gebäude verbunden sind. Nicht verpfändet werden können hingegen die wesentlichen Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes, da sie nicht sonderrechtsfähig sind. Zu beachten ist auch hier der sachenrechtliche Spezialitätsgrundsatz. Er bedeutet, daß dingliche Rechte nur an konkret bestimmten einzelnen - Sachen, nicht aber an Sachgesamtheiten möglich sind. Dementsprechend ginge etwa die Verpfändung "der im Lagerhaus II befindlichen Waren im Gesamtwerte von 20.000,DM" ins Leere. Das Pfandrecht kann also nur an einzelnen Sachen bestellt werden. Auch ein Unternehmen in seiner Gesamtheit kann nicht verpfändet werden, da es ein Sachenrecht am gesamten Unternehmen nicht gibt (auch kein Eigentum!). Das Recht des Unternehmensträgers an seinem Unternehmen setzt sich vielmehr aus den einzelnen Rechtspositionen zusammen, die ihm an den einzelnen Gegenständen zukommen (z.B. Eigentum am Betriebsgrundstück, Eigentum an Maschinen, am Lastwagen u.a.). Dementsprechend kann sich auch die Verpfändung nur auf diese einzelnen Gegenstände beziehen. Zulässig ist indes die zusammenfassende Bezeichnung mehrerer verpfändeter Sachen.

II. Pfandrecht

c)

149

Begründung des Pfandrechts

Auch der Pfandrechtsbestellung liegt eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Verpfänder (der nicht identisch sein muß mit dem Schuldner der zu sichernden Forderung!) und dem Gläubiger darüber zugrunde, daß eine Pfandrechtsbestellung zur Sicherung einer bestimmten Forderung erfolgen soll die sog. Sicherungsabrede [zutr. Hj. Weber, a.a.O., S. 71; zur Sicherungsabrede vgl. oben Kap. 3, II]. Die Sicherungsabrede bildet den Rechtsgrund für die - abstrakte - Pfandrechtsbestellung. Ist also die Sicherungsabrede nichtig, so kann der Verpfänder das wirksam bestellte Pfandrecht über § 812 Abs. 1 BGB zurückfordern, der Gläubiger ist dann gemäß § 1255 BGB zur Aufhebung des Pfandrechts verpflichtet. Auf der Basis der schuldrechtlichen Sicherungsabrede als Verpflichtungsgeschäft erfolgt dann (allerdings in praxi zeitlich mit dieser zusammenfallend, so daß die Trennung der beiden Geschäfte den Parteien wie beim Handkauf des täglichen Lebens nicht deutlich wird) die dingliche Pfandrechtsbestellung als Verfügungsgeschäft. Da die mit der Pfandrechtsbestellung zugunsten des Pfandgläubigers begründete Verwertungsbefugnis eine Teilrechtsabspaltung aus dem Eigentum des Verpfänders bedeutet, sind die Voraussetzungen für die Begründung des Pfandrechts in § 1205 BGB analog dem Tatbestand der Eigentumsübertragung des § 929 BGB ausgestaltet: Auch hier ist zunächst immer erforderlich eine Einigung (dinglicher Vertrag) zwischen Eigentümer und Pfandrechtserwerber darüber, daß dem Pfandgläubiger das Pfandrecht an der Sache zustehen soll. Hinzukommen muß - in Realisierung des Publizitätsprinzips - die Übergabe der Sache vom Verpfänder an den Pfand-

150

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

gläubiger, dieser muß den unmittelbaren Besitz an der Sache erhalten. Die schlichte Einigung genügt auch hier, wenn der Pfandgläubiger bereits im Besitz der Sache ist (§ 1205 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wenn der Verpfänder lediglich mittelbarer Besitzer ist, kann die Übergabe - entsprechend § 931 BGB - dadurch ersetzt werden, daß er dem Pfandgläubiger nach § 870 BGB seinen Herausgabeanspruch aus dem Besitzmittlungsverhältnis abtritt und (Unterschied zu § 931 BGB) dem unmittelbaren Besitzer die Verpfändung anzeigt (§ 1205 Abs. 2 BGB). Ein Übergabeersatz durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts ist bei der Verpfändung nicht möglich. Ein weiterer Unterschied zu den Übereignungsregeln der §§ 929 ff. BGB ergibt sich aus § 1206 BGB: Nach dieser Vorschrift genügt es für die Übergabe, wenn der Verpfänder dem Pfandgläubiger den sog. qualifizierten (gesamthänderischen) Mitbesitz verschafft. Das ist einmal der Fall, wenn die Sache dem Mitverschluß von Gläubiger und Schuldner dergestalt unterstellt wird, daß nur beide gemeinsam Zutritt zur Pfandsache haben. Die andere Alternative des § 1206 BGB geht von der Konstellation aus, daß ein Dritter im Besitz der Sache ist: Dieser darf die Sache dann nur an Gläubiger und Verpfänder gemeinsam herausgeben. Wie Eigentum kann auch das Pfandrecht gutgläubig erworben werden, wenn der Verpfänder nicht Eigentümer der verpfändeten Sache ist. § 1207 BGB verweist auf die §§ 932 ff. BGB, es kann deshalb auf die Ausführungen zu diesen Vorschriften (vgl. oben I, 6 c) Bezug genommen werden.

II.

d)

151

Pfandrecht

Verwertung des Fahrnispfandrechts

Das Verwertungsrecht des Pfandgläubigers wird durch Eintritt der sog. Pfandreife aktualisiert, jetzt (erst) ist er berechtigt, die Pfandsache zu veräußern und sich aus dem Erlös zu befriedigen (§ 1228 BGB). Die Pfandreife tritt nach § 1228 Abs. 2 B G B mit der Fälligkeit der gesicherten Forderung ein. Eine Forderung ist allgemein dann fällig, wenn der Gläubiger die Leistung (jetzt) verlangen kann. D e m Verpfänder steht jedoch schon vor Eintritt der Pfandreife ein Ablösungsrecht zu (§ 1223 Abs. 2 BGB): Er kann die gesicherte Forderung tilgen, sobald er dazu berechtigt ist, und Rückgabe des Pfandes verlangen. Die Tilgungsberechtigung vor Fälligkeit der Forderung steht dem Schuldner gemäß § 271 Abs. 2 BGB grundsätzlich immer zu. Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch für die Fälle, in denen der Gläubiger durch die Voraustilgung ein vertragliches Recht verlieren oder er hierdurch in seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt würde [vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 271 RNr. 11]. Das Recht zur Voraustilgung ist daher bei verzinslichen Darlehen ausgeschlossen [vgl. auch Brox, Allgemeines Schuldrecht, 20. Aufl., München 1992, RNr. 143], Die sich aus anderen Vorschriften für den Darlehensnehmer ergebenden Kündigungsmöglichkeiten (vgl. etwa §§ 609, 609 a BGB) bleiben hiervon selbstverständlich unberührt. Für die Frage der Art und Weise der Verwertung kommt es zunächst darauf an, ob Verpfänder und Gläubiger eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Nach Eintritt Pfandreife

sind

solche,

von

der

gesetzlichen

der

Regelung

152

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

abweichenden Vereinbarungen unbeschränkt zulässig (§ 1245 Abs. 1 BGB). Vor Eintritt der Pfandreife sind der Vertragsfreiheit hier durch § 1245 Abs. 2 BGB Grenzen gesetzt: Die §§ 1235, 1237 Satz 1 sowie 1240 BGB können nicht abbedungen werden. Insbesondere ist eine vor Pfandreife getroffene Vereinbarung nichtig, derzufolge das Eigentum an der Pfandsache dem Gläubiger zufallen soll, falls er nicht befriedigt wird (Verbot des sog. Verfallpfandes, § 1229 BGB). Besondere praktische Bedeutung kommt in diesem Zusmmenhang Nr. 17 der AGB-Banken '93 zu. Nach dieser Klausel hat die Bank zunächst im Falle der Verwertung unter mehreren Sicherheiten die Wahl. Nr. 17 Abs. 1 Satz 2 verpflichtet die Bank explizit, bei der Verwertung und der Auswahl der zu verwertenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und dritter Sicherungsgeber Rücksicht zu nehmen. Fehlen Parteivereinbarungen, so richtet sich die Pfandverwertung nach den §§ 1228 ff. BGB. Danach ist der Regelfall der Verwertung der Verkauf der Pfandsache durch den Gläubiger (§ 1228 BGB). Der Verkauf muß dem Verpfänder (Eigentümer) unter Angabe des Geldbetrages, dessentwegen der Verkauf stattfinden soll, angedroht werden und darf frühestens einen Monat nach der Androhung vorgenommen werden (§ 1234 BGB - Die alten AGB-Banken befreiten die Bank von dieser Verpflichtung; die neuen AGB enhalten eine derartige Klausel nicht mehr, so daß § 1234 BGB nunmehr auch für den Bankbereich gilt). Nach § 1235 Abs. 1 BGB hat der Pfandverkauf grundsätzlich im Wege öffentlicher Versteigerung zu erfolgen. Hat das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis (das wird der Regelfall sein), so ist gemäß §§ 1235 Abs. 2, 1221 BGB der

II. Pfandrecht

153

sog. freihändige Verkauf zulässig, d.h. der Gläubiger kann das Pfand durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmakler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preis veräußern lassen [vgl. hierzu und zu anderen Verwertungsarten ausf. Hj. Weber, a.a.O., S. 81 ff.].

3.

Pfandrecht an Rechten

a)

Wesen und Rechtsnatur

Da auch Rechte und Forderungen Vermögenswerte darstellen, kommen auch sie als Pfandobjekte in Frage, soweit sie selbständig übertragbar sind (§ 1274 Abs. 2 BGB). So wie beim Fahrnispfandrecht die Verpfändung eine Abspaltung der Verwertungsbefugnis aus dem Eigentumsrecht bewirkt, bedeutet auch beim Pfandrecht an Rechten die Verpfändung eine Ausgliederung der Verwertungsbefugnis aus der Substanz des verpfändeten Rechts und ihre Übertragung auf den Pfandgläubiger. Beispiel: Kreditnehmer K verpfändet der kreditgewährenden B-Bank zur Sicherung des Kredits: 50 Inhaberaktien - den Anspruch aus einer Lebensversicherung - seine Gehaltsforderung - sein Patentrecht. Wie das Fahrnispfandrecht kann auch das Pfandrecht an Rechten vertraglich begründet werden (Beispiel), aufgrund Gesetz oder durch Pfändung im Wege der

Zwangsvollstreckung

(Pfändungspfandrecht) entstehen. Im vorliegenden Zusam-

154

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

menhang interessiert jedoch lediglich das vertragliche Pfandrecht an Rechten, wobei allerdings auch dieses Interesse begrenzt ist, da - dies wurde bereits oben unter II, 1 angesprochen - das vertragliche Pfandrecht an Forderungen in der Praxis weitgehend durch die Sicherungsabtretung abgelöst worden ist. Als praktisch wichtiger Anwendungsbereich des vertraglichen Pfandrechts an Rechten ist im wesentlichen der Bankenbereich verblieben. Die Pfandklausel der Nr. 14 der AGB-Banken '93 begründet ein Pfandrecht zugunsten der Bank auch an Wertpapieren und Ansprüchen des Kunden gegenüber der Bank (z.B. Kontoguthaben, sog. 'Pfandrecht an eigener Schuld'). Daneben spielt eine wichtige Rolle das Lombardgeschäft der Banken, insbesondere in der Form des Wertpapierlombard, bei dem der Kreditnehmer der Bank zur Kreditsicherung Wertpapiere verpfändet. Auch für das Pfandrecht an Rechten gelten die allgemeinen Pfandrechtsgrundsätze wie Akzessorietät und Spezialität (dazu oben unter 2 b). Die zu sichernde Forderung kann auch hier künftig oder bedingt sein, wenn sie nur hinreichend bestimmbar ist. Denn nach § 1273 Abs. 2 BGB finden auf das Pfandrecht an Rechten die Vorschriften der §§ 1204 ff. BGB über das Fahrnispfandrecht entsprechende Anwendung (Ausnahmen: §§ 1208 und 1213 Abs. 2 BGB), soweit sich nicht aus den §§ 1274 1296 BGB etwas anderes ergibt. Die Sondervorschriften der §§ 1274 ff. BGB haben damit Vorrang vor den Regeln über das Fahrnispfand. Dies gilt insbesondere für die Bestellung des Pfandrechts an Rechten und die Pfandverwertung.

II.

b) Auch

Pfandrecht

155

Begründung des vertraglichen Pfandrechts an Rechten hier

liegt

der

eigentlichen

Pfandrechtsbestellung

(Verfügungsgeschäft) eine schuldrechtliche Sicherungsabrede (Verpflichtungsgeschäft) zugrunde, in der die Parteien eine Vereinbarung darüber treffen, daß und welche Rechte/Forderungen verpfändet werden sollen (vgl. dazu oben beim Fahrnispfandrecht unter 2 c). Die Bestellung des Pfandrechts an einem Recht erfolgt gemäß § 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den Vorschriften, die für die Übertragung dieses Rechts maßgebend sind. Die Verpfändung einer Forderung erfolgt demnach durch Abtretung nach § 398 BGB. Ein wichtiger Unterschied gegenüber der 'normalen' Rechtsübertragung ergibt sich jedoch für die Rechts-Verpfändung aus der hier durch die §§ 1274 Abs. 1 Satz 2 und 1280 BGB verschärften Publizität: Ist zur Rechtsübertragung auch die Übergabe einer Sache erforderlich, so gelten über § 1274 Abs. 1 Satz 2 BGB die §§ 1205, 1206 BGB. Soll also z.B. eine Briefhypothekenforderung verpfändet werden, so ist die Übergabe des Hypothekenbriefes erforderlich (§§ 1274 Abs. 1 Satz 2, 1154 Abs. 1 BGB; als Übergabesurrogat kommen nur die in §§ 1205, 1206 BGB vorgesehenen Ersatztatbestände in Betracht; vgl. dazu oben beim Fahrnispfand unter 2 c). Von größerer praktischer Bedeutung ist die Publizitätsvorschrift des § 1280 BGB: Danach ist die Verpfändung einer Forderung, zu deren Übertragung der Abtretungsvertrag genügt (regelmäßig so bei schuldrechtlichen Forderungen), nur wirksam, wenn der Gläubiger (der verpfändeten Forderung, nicht der Pfandgläubiger)

156

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

die Verpfändung seinem Schuldner anzeigt. Dieses Anzeigeerfordernis wurde bereits oben (unter 1) als Grund für die geringe Beliebtheit des Pfandrechts an Forderungen außerhalb des Bankbereichs und seine Verdrängung durch die Sicherungsabtretung ausgemacht. Für die praktisch bedeutsame Verpfändung von Wertpapieren gilt folgendes: Inhaberpapiere (z.B. Inhaberschuldverschreibungen aller Art, Inhaberaktien) werden wie bewegliche Sachen behandelt, d.h. durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 BGB übertragen. Dementsprechend vollzieht sich auch die Verpfändung durch Einigung und Übergabe, wobei für die Übergabe und ihre Surrogate die §§ 1205, 1206 BGB maßgeblich sind. Die Verpfändung von Orderpapieren (z.B. Wechsel - sie ist eher selten) erfolgt nach § 1292 BGB durch Einigung über die Bestellung des Pfandrechts, Indossament (vgl. Art. 19 WG, sog. Pfandindossament) und Übergabe des Papiers entsprechend §§ 1205,1206 BGB. Rekta (Namens-) Papiere schließlich werden nicht sachenrechtlich, sondern nur nach den allgemeinen Regeln über die Übertragung des verbrieften Rechts, also i.d.R. durch Abtretung nach § 398 BGB übertragen und dementsprechend auch verpfändet. Da hier also eine Forderungsverpfändung vorliegt, greift § 1280 BGB, die Verpfändung muß zu ihrer Wirksamkeit dem Forderungsschuldner angezeigt werden.

II. Pfandrecht

c)

157

Verwertung des Rechtspfandes

Im Gegensatz zum Fahrnispfandrecht setzt die Verwertung beim Pfandrecht an Rechten einen vollstreckbaren Titel voraus, den der Pfandgläubiger gegen den Inhaber des verpfändeten Rechts erwirken muß (§ 1277 BGB). Erst dieser Titel gibt ihm das Recht, sich im Wege der Zwangsvollstreckung in das verpfändete Recht wegen seiner Forderung zu befriedigen. Die Art und Weise der Befriedigung richtet sich dann nach den hier nicht zu erörternden - Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes [vgl. dazu Baur-Stürner, a.a.O., § 62 C]. Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz machen die §§ 1279, 1282 BGB für das Pfandrecht an Forderungen: Hier ist der Pfandgläubiger nach Eintritt der Pfandreife (vgl. § 1228 Abs. 2 BGB) auch ohne Titel zur Einziehung der verpfändeten Forderung berechtigt. Die Einziehung einer Geldforderung steht ihm nach § 1282 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch nur insoweit zu, als sie zu seiner Befriedigung erforderlich ist. Inhaber- und Orderpapiere werden wie Sachpfänder verwertet (§§ 1293, 1295 BGB), also entweder im Wege des Privatverkaufs durch öffentliche Versteigerung (§ 1235 Abs. 1 BGB) oder - da sie regelmäßig einen Börsen- oder Marktpreis haben - nach Eintritt der Pfandreife (§ 1228 Abs. 2 BGB) im Wege des freihändigen Verkaufs durch einen Makler (§§ 1235 Abs. 2, 1221 BGB). Die Verwertung von Rektapapieren erfolgt, soweit sie eine Forderung verbriefen, nach § 1282 BGB durch Einziehung der verbrieften Forderung seitens des Pfandgläubigers, im übrigen nach § 1277 BGB.

158 4.

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Pfandrecht in Zwangsvollstreckung und Konkurs

Die wirkliche 'Güte' eines Sicherungsrechtes zeigt sich erst dann, wenn es Gegenstand von gegen den Sicherungsgeber gerichteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Einzelvollstrekkung oder Konkurs) geworden ist. Dann kommt es entscheidend darauf an, ob sich der Sicherungsnehmer gegen solche Maßnahmen erfolgreich zur Wehr setzen und sein Sicherungsobjekt vor dem Zugriff anderer Gläubiger retten kann. Dies gilt es zunächst für das Pfandrecht zu klären, wobei Grundkenntnisse im Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht vorausgesetzt werden müssen [vgl. zum Konkursverfahren den Kurzabriß bei Hj. Weber, a.a.O., S. 42 ff.].

a)

Einzelvollstreckung

Läßt ein anderer Gläubiger des Schuldners/Verpfänders die im Besitz des Pfandgläubigers befindliche Pfandsache im Wege der Zwangsvollstreckung pfänden oder vollstreckt er - im Falle eines Forderungspfandes - in die verpfändete Forderung, indem er sich diese durch gerichtlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zur Einziehung überweisen läßt (§ 835 ZPO), so kann der Pfandgläubiger gegen den vollstreckenden Gläubiger die sog. Drittwiderspruchsklage des § 771 ZPO erheben mit dem Ziel, daß das Gericht die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt. Zentrale Voraussetzung des § 771 ZPO ist, daß dem Kläger - hier dem Pfandgläubiger - an dem Pfandgegenstand (Sache oder Recht/Forderung) ein "die Veräußerung hinderndes Recht" zusteht. Hinter § 771 ZPO steht der allgemeine Vollstreckungsgrundsatz, daß die Zwangsvollstreckung

159

II. Pfandrecht

nicht in schuldnerfremde Rechte eingreifen darf. Veräußerung hinderndes Drittrecht ist vorliegend nicht der Besitz des Pfandgläubigers [so aber z.B. Hj. Weber, a.a.O., S. 87], denn der Besitz ist kein Recht, sondern lediglich eine tatsächliche Beziehung zwischen Besitzer und Sache [die Frage ist immer noch sehr umstreitten: vgl. zum Meinungsstand Münchner Kommentar z. ZPO, Bd 2 (K. Schmidt), München 1992, § 771 RNr. 38]. Relevantes Drittrecht i.S.v. § 771 Z P O ist hier vielmehr das Pfandrecht

des

Pfandgläubigers

[vgl.

Mü-Ko

ZPO

(K.

Schmidt), a.a.O., § 771 RNr. 34], allerdings nur soweit der Pfandgläubiger auch Besitzer des Pfandes ist. Anstatt Drittwiderspruchsklage zu erheben, kann sich der Pfandgläubiger darauf beschränken, gegen den vollstreckenden Gläubiger gemäß § 805 Z P O auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös des gepfändeten Gegenstandes zu klagen, denn sein Pfandrecht geht dem späteren Pfändungspfandrecht des vollstreckenden Gläubigers vor. Hat der Pfandgläubiger den Besitz an der Pfandsache verloren, so steht ihm nur die Klage aus § 805 Z P O auf vorzugsweise Befriedigung zu. Die Drittwiderspruchsklage aus § 771 Z P O steht natürlich auch dem Verpfänder als Eigentümer der Pfandsache zu, denn das Eigentum ist das typische veräußerungshindernde Drittrecht.

b)

Konkurs

Während es sich bei der Einzelvollstreckung um den individuellen Einzelzugriff eines Gläubigers auf einzelne Vermögens-

160

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

werte des Schuldners handelt, bedeutet das Konkursverfahren die Beschlagnahme und Verwertung des gesamten Schuldnervermögens zugunsten aller Gläubiger, das Konkursverfahren ist damit 'Gesamtvollstreckung' (oder Generalexekution): Der vom Gericht anstelle des Unternehmers eingesetzte Konkursverwalter hat die Aufgabe, für eine bestmögliche - und gleichmäßige - Befriedigung aller Gläubiger zu sorgen, was i.d.R. durch eine mit der Zerschlagung des Unternehmens gleichbedeutende 'Versilberung' aller Vermögenswerte des Schuldners geschieht (Sanierungen sind die große Ausnahme). Auch für das Konkursverfahren gilt der zuvor herangezogene allgemeine vollstreckungsrechtliche Grundsatz, wonach Drittrechte durch die Vollstreckung nicht tangiert, also insbesondere schuldnerfremde Gegenstände nicht zugunsten der Gläubiger verwertet werden dürfen. Diesen Grundsatz hat die hier einschlägige Konkursordnung (KO) u.a. in zwei gerade im Bereich der Sicherungsgeschäfte besonders wichtige Rechtsbehelfe zugunsten von Dritt-Berechtigten umgesetzt: das Aussonderungrecht (§§ 43 ff. KO) und das Recht auf abgesonderte Befriedigung (§§ 47 ff. KO). Aussonderungsberechtigt sind diejenigen Personen, die geltend machen können, ein bestimmter Gegenstand (Sache oder Forderung) sei nicht Bestandteil des Schuldnervermögens und gehöre daher nicht zur Konkursmasse (= das beschlagnahmte Schuldnervermögen). Aussonderungsberechtigt

sind

damit insbesondere die Eigentümer von Sachen, die der Konkursverwalter zur Masse gezogen hat: Sie können vom Konkursverwalter Herausgabe 'ihrer' Sache verlangen. (Dies betrifft also etwa Vermieter, Leasingeber, Verleiher.) Das Recht auf abgesonderte Befriedigung steht denjenigen Personen zu, die darlegen können, daß ihnen an einem zur Masse gehören-

II. Pfandrecht

161

den Gegenstand ein wirksames Verwertungsrecht zusteht. Der Berechtigte leugnet hier also nicht die Zugehörigkeit der Sache zur Masse, sondern macht geltend, daß er aufgrund seines Verwertungsrechts berechtigt sei, sich aus der betreffenden Sache vor den Konkursgläubigern zu befriedigen. Als solche Verwertungsrechte kommen in erster Linie Pfandrechte an beweglichen Sachen - sowohl vertraglich begründete wie auch gesetzliche und Pfändungspfandrechte - und Grundpfandrechte (Hypothek, Grundschuld) in Betracht. Die abgesonderte Befriedigung erfolgt nach § 4 Abs. 2 KO "außerhalb des Konkursverfahrens". Das bedeutet i.d.R., daß der Absonderungsberechtigte die betreffende Sache aus der Konkursmasse herausverlangen und ihre Verwertung nach den für sein Verwertungsrecht geltenden Regeln betreiben darf [vgl. zu Einzelheiten d. Aussonderung und Absonderung BaurStürner, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Heidelberg 1991, §§ 14 u. 15]. Für die vorliegende Problematik (Pfandrecht im Konkurs) ergibt sich damit folgendes: Fällt der Verpfänder/Eigentümer in Konkurs, so steht dem Pfandgläubiger das Recht auf abgesonderte Befriedigung nach §§ 47 ff. KO zu; er kann den Pfandgegenstand außerhalb des Konkursverfahrens nach den für das jeweilige Pfandrecht geltenden Vorschriften für sich verwerten. Ist der hierbei erzielte Erlös höher als die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung, so ist der Mehrerlös an die Konkursmasse abzuführen. Bringt die Verwertung hingegen einen Mindererlös, so kann der Pfandgläubiger den Ausfallbetrag als 'normale' Konkursforderung geltend machen und erhält hierauf die Konkursquote.

162

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Fällt der Pfandgläubiger in Konkurs, so gehört zwar das Pfandrecht zur Konkursmasse, nicht aber der Pfandgegenstand. Der Verpfänder/Eigentümer kann daher nach § 43 KO Aussonderung seines Gegenstandes aus der Masse verlangen, dies allerdings nur gegen Ablösung des Pfandrechts (§ 1223 Abs. 2 BGB), d.h. er bekommt seinen Gegenstand nur heraus, wenn er den Konkursverwalter wegen der durch das Pfand gesicherten Forderung befriedigt.

III.

Sicherungsübereignung

1.

Allgemeines. Zulässigkeit und wirtschaftliche Bedeutung der Sicherungsübereignung

Für den Fall, daß bewegliche Sachen zur Sicherung eines Kredites eingesetzt werden sollen, sieht das BGB das Pfandrecht der §§ 1204 ff. BGB als Sicherungsrecht vor. Es wurde bereits oben (vgl. unter II, 1) dargelegt, daß die Tatsache, daß das Pfandrecht des BGB als Besitzpfandrecht ausgestaltet ist, zu seiner Begründung also der unmittelbare Besitz an der Pfandsache auf den Pfandgläubiger/Kreditgeber übertragen werden muß, dieses Sicherungsrecht für die Bedürfnisse der Praxis extrem unbrauchbar macht. Denn i.d.R. ist der kreditsuchende Unternehmer auf die weitere Nutzung der Sicherungsgüter dringend angewiesen, um den Kredit wieder zu 'verdienen', während auf der anderen Seite die Lagerung der Sicherungsgüter durch die Kreditgeber zu einem ökonomisch besonders unsinnigen (Kosten-) Aufwand führen würde. Die Wirtschaftspraxis hat deshalb schon früh nach einer Sicherungsform gesucht, die einerseits dem Kreditgeber solide Si-

III.

Sicherungsübereignung

163

cherheit bietet, andererseits aber die Nachteile des Besitzpfandrechts vermeidet. Die Lösung fand man durch Fruchtbarmachen des § 930 BGB in der Sicherungsübereignung, einer Übereignungsform also, bei der die an sich nach § 929 BGB erforderliche Übergabe der Sache durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses ersetzt wird. Der Kreditgeber ist damit dadurch, daß er Eigentum an Sachgütern des Kreditnehmers erhält, hinreichend gesichert, der Kreditnehmer behält den unmittelbaren Besitz und die weitere Nutzungsmöglichkeit an diesen Sachen. Die Sicherungsübereignung trägt damit den Interessen von Kreditgeber und -nehmer in vollem Umfang Rechnung, birgt aber wegen ihrer mangelnden Publizität, ihrer 'Heimlichkeit', für Dritte - insbesondere für andere Gläubiger des Kreditnehmers/Sicherungsgebers - erhebliche Gefahren: Da der Sicherungsgeber im Besitz 'seiner' Maschinen, Kraftfahrzeuge, Warenlager etc. ist, gehen Außenstehende davon aus, daß ihm auch das Eigentum daran (noch) zusteht: ob und inwieweit Sicherungsübereignungen vorgenommen wurden, ist für sie nicht erkennbar. Nicht selten gewähren dann Lieferanten, Dienstleister u.ä. dem Sicherungsgeber im Vertrauen auf den äußeren Schein einen ungesicherten Kredit, um dann im Vollstreckungsfall leidvoll feststellen zu müssen, daß infolge weitgehender Sicherungsübereignungen ein vollstreckungsfähiges Sachvermögen gar nicht (mehr) vorhanden ist. Die Sicherungsübereignung ist als solche im Gesetz nicht geregelt. Ihre Zulässigkeit war früher umstritten, man sah in ihr eine unzulässige Umgehung des Gesetzes, das sich in Abkehr von den im römischen Recht bekannten (besitzlosen) Mobi-

164

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

liarhypotheken in § 1205 BGB bewußt für das Besitzpfandrecht entschieden hat. Der Streit ist heute ausgetragen, die rechtliche Zulässigkeit der Sicherungsübereignung wird nicht mehr in Frage gestellt [vgl. hierzu Hj. Weber, a.a.O., S. 92 ff.]. Für die Zulässigkeit der Sicherungsübereignung spricht vor allem, daß der BGB-Gesetzgeber in § 455 BGB mit dem Eigentumsvorbehalt ebenfalls der Sache nach ein besitzloses Pfandrecht zugelassen hat. Die Sicherungsübereignung ist neben den Grundpfandrechten wichtigste Realsicherheit der Geldkreditgeber, also der Banken. Ihr Einsatzfeld sind vor allem kurz- und mittelfristige Unternehmerkredite, daneben auch der Konsumentenkredit. Eine im Jahre 1985 angestellte Untersuchung hat ergeben, daß etwa 17% des von Unternehmen aufgenommenen Kreditvolumens durch Sicherungsübereignungen gesichert waren [vgl. Drukarczyk-Duttle-Rieger, Mobiliarsicherheiten, Köln 1985, S. 111].

2.

Begründung von Sicherungseigentum

Die Rechtsbeziehung zwischen Kreditnehmer/Sicherungsgeber und Kreditgeber/Sicherungsnehmer beim durch Sicherungsübereignung gesicherten Kredit ist dreigliedrig: Schuldrechtliche Grundlage bildet der Krediteröffnungs- bzw. Darlehensvertrag nach § 607 BGB (z. Krediteröffnungsvertrag s. bereits oben Kap. 1). Aus ihm resultiert der zu sichernde Kreditrückzahlungsanspruch des Kreditgebers. Daß und wie dieser Anspruch zu sichern ist, wird in der - ebenfalls schuldrechtlichen Sicherungsabrede vereinbart. Auf der Basis der Sicherungsabrede erfolgt dann die sachenrechtliche Sicherungsübereignung.

165

III. Sicherungsübereigiiung

«

Krediteröffnungs — vertrag.

Unter-

§ 607



BGB

nehmen

Bank

(Kreditnehmer

/

«

Sicherungsabrede

»

(Kr e d i t g e b e r / Sicherungs-

Sicherungs—

nehmer)

geber) Sicher u n g s ü b e r e i g n u n g

4 • §§929 mit 930 oder 931 BGB

a)

Sicherungsabrede

Die Sicherungsabrede (vgl. dazu allg. bereits oben Kap. 3, I I ) ist das der Sicherungsübereignung zugrundeliegende schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Zentraler Inhalt der Sicherungsabrede ist die Festlegung des Sicherungszwecks, die genaue Bezeichnung des zu übereignenden Sicherungsgutes sowie die Verpflichtung des Sicherungsnehmers, seine Eigentümerstellung nur bei Eintritt des Sicherungsfalles ( = nicht ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen des Sicherungsgebers aus dem Kreditvertrag) auszuüben. Darüberhinaus werden regelmäßig besondere Erhaltungs- und Versicherungspflichten (z.B. Vollkaskoversicherung

bei der

Sicherungsübereignung

von Kraftfahrzeugen) für den Sicherungsgeber statuiert und es werden die Modalitäten der Verwertung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer im Sicherungsfall geregelt. Besondere praktische Bedeutung kommt hier den von den Kreditinstituten regelmäßig verwendeten entsprechenden Formu-

166

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

larverträgen zu, die wegen ihrer regelmäßigen Verwendung als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu klassifizieren und deswegen

der

Inhaltskontrolle

nach

dem

AGB-Gesetz

unterworfen sind. Ein besonderes Problem stellt insoweit die in allen Formularverträgen vorfindliche sog. Kontokorrentklausel dar, die die Haftung des Sicherungsgutes über die primär zu sichernde Kreditforderung hinaus auf alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen ausdehnt, die der Bank gegen den Sicherungsgeber und/oder den Kreditnehmer (beide müssen nicht

identisch

sein)

zustehen.

Das

bedeutet,

daß

das

Sicherungsgut erst dann frei wird, wenn der Sicherungsgeber sämtliche Ansprüche der Bank befriedigt hat. Der BGH [vgl. BGH

NJW

1981,

756;

NJW

1987,

2229]

hat

die

Kontokorrentklausel einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG unterzogen

und

ihre

Unbedenklichkeit

für

den

Fall

angenommen, daß Sicherungsgeber und Forderungsschuldner identisch

sind, sie aber auch für diesen Fall

restriktiv

dahingehend ausgelegt, daß das Sicherungsgut nur für die Forderungen haftet, die die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Sicherungsgeber erworben hat. Die Klausel ist damit unzulässig, wenn sie gegenüber einem Sicherungsgeber verwendet wird, der nicht persönlicher Schuldner der Bank ist [vgl. zum Problem u. zur Kritik an der Rechtspr. d. B G H ausf. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNn 557 ff.]. Wie jedem schuldrechtlichen Vertrag sind auch der Sicherungsabrede Nebenpflichten der Vertragspartner in Form von Sorgfalts- und Obhutspflichten immanent, und zwar auch ohne entsprechende Vereinbarungen. Dies folgt aus den Anforderungen von Treu und Glauben in § 242 BGB und der Tatsache,

III.

167

Sicherungsübereignung

daß auch die Sicherungsabrede zwischen den Vertragspartnern eine sog. soziale Sonderbeziehung mit gesteigerten wechselseitigen Einwirkungsmöglichkeiten schafft [vgl. zu den vertragl. Nebenpflichten Larenz, Schuldrecht I, a.a.O., § 10 II, e]. Hier spielen insbesondere

den Sicherungsgeber

treffende Aus-

kunftspflichten eine praktische Rolle: Der Sicherungsgeber ist verpflichtet, den Sicherungsnehmer über alle den Wert betreffenden Veränderungen am Sicherungsgut (etwa: Beschädigungen oder Verlust) zu informieren und ihm insbesondere unverzüglich Mitteilung über etwaige Pfändungen des Sicherungsgutes durch Dritte zu machen, damit der Sicherungsnehmer die Drittwiderspruchsklage nach § 771 Z P O erheben kann.

b)

Übereignungsformen

aa)

Regelfall: Übereignung nach §§ 929, 930 BGB

Regelmäßig wird der Sicherungsgeber

im Besitz der

zu

übereignenden Sache sein und bleiben wollen. Letzteres ist ja gerade der Grund für die Wahl der Sicherungsübereignung als Sicherungsform. Die Übereignung erfolgt deshalb nach §§ 929, 930 BGB: Sicherungsgeber und -nehmer einigen sich darüber, daß das Eigentum übergehen soll und ersetzen die Übergabe der Sache(n) durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses i.S.v. § 868 BGB. Entsprechend der Regelung des § 868 BGB kommen als Besitzmittlungsverhältnis alle gesetzlich geregelten Vertragstypen in Betracht, die dem unmittelbaren Besitzer - hier der Sicherungsgeber - gegenüber dem mittelbaren Besitzer - Sicherungsnehmer - ein Besitzrecht auf Zeit vermitteln (z.B. Leihe, Verwahrung, Miete). Fraglich ist, ob

168

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

auch die Sicherungsabrede selbst als Besitzmittlungsverhältnis fungieren kann. Dies ist nach h.M. [vgl. Hj. Weber, a.a.O., S. 94; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 506, je m.w.N.] jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Sicherungsabrede die Rechte und Pflichten der Parteien, insbesondere das Besitz- und Nutzungsrecht des Sicherungsgebers, konkret regelt. Man wird indes auch die schlichte Vereinbarung, die Sache werde zur Sicherung übereignet, ausreichen lassen müssen, denn es handelt sich hierbei um eine abgekürzte, formelhafte Bezeichnung des 'Normalfalles' einer Sicherungsübereignung, bei dem Besitzund Nutzungsrecht des Sicherungsgebers ja gerade als Inhalt gewollt sind [so auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O.]. Die bankmäßige Formularpraxis geht hier gleichwohl auf 'Nummer sicher': Die hier verwendeten Vertragsformulare enthalten regelmäßig die Vereinbarung eines der in § 868 BGB angesprochenen Vertragstypen, i.d.R. Leihe oder Verwahrung. Eine typische Klausel lautet: "Anstelle der Übergabe wird hiermit ein Leihverhältnis vereinbart, aufgrund dessen der Sicherungsgeber das Kraftfahrzeug als Halter i.S.d. StVG benutzen darf."

bb) Übereignung nach §§ 929,931 BGB Gar nicht selten sind nun aber Fälle, in denen sich eine Sache, die sicherungsübereignet werden soll, im Besitz eines Dritten befindet, dem sie vom Sicherungsgeber etwa vermietet oder verleast worden war; oder man denke an den Fall, daß die für die Sicherungsübereignung vorgesehenen Waren in einem Lagerhaus eingelagert sind.

III. Sicherungsübereignung

169

Hier erfolgt die Sicherungsübereignung nach den §§ 929, 931 BGB, d.h. die neben der Einigung über den Eigentumsübergang erforderliche Übergabe der Sache(n) wird dadurch ersetzt, daß der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer seinen ihm gegenüber dem Dritten zustehenden Herausgabeanspruch (vgl. dazu oben I, 6 b, cc) abtritt.

cc)

Übereignung nach § 929 BGB

Die Sicherungsübereignung nach § 929 BGB (Einigung und Übergabe) hat praktische Bedeutung vor allem im Bankbereich: Nach Nr. 15 Abs. 1 AGB-Banken '93 erwirbt die Bank Sicherungseigentum an allen ihr zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln im Zeitpunkt der Einreichung durch den Kunden; an diskontierten Wechseln erwirbt die Bank Sicherungseigentum im Zeitpunkt des Wechselankaufs. Das Sicherungseigentum an den Papieren dient nach Abs. 4 der Nr. 15 der AGB-Banken '93 der Sicherung aller Ansprüche, die der Bank gegen den Kunden bei Einreichung von Einzugspapieren aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder die infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere oder diskontierter Wechsel entstehen. Die Übergabe der Wertpapiere i.S.v. § 929 BGB wird dabei mit 'Einreichung' resp. 'Ankauf der Papiere vollzogen. Problematisch ist hier jedoch die Einigung über den Eigentumsübergang. Sie setzt einen entsprechenden Übereignungswillen des Kunden voraus. Der BGH [vgl. BGH NJW 1977, 1880 zur alten Nr. 42 Abs. 5 AGB-Banken] setzt sich mit diesem Problem explizit nicht auseinander, sondern begründet die Erlangung von Sicherungseigentum an

170

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

den genannten Wertpapieren durch die Bank letztlich mit der Legitimität des Sicherungsinteresses (!) der Bank. Der BGH läßt mit der zitierten Entscheidung Sicherungseigentum der Bank implizit auch dann entstehen, wenn der das Papier einreichende Kunde einen Übereignungswillen gar nicht hat.

з.

Gegenstand und Rechtsnatur des Sicherungseigentums

a)

Gegenstand

In der Wirtschaftspraxis sind nur bewegliche Sachen Gegenstand von Sicherungsübereignungen. Theoretisch könnten auch Grundstücke zur Sicherung eines Kredites übereignet werden (ein Verbot gilt hier nach § 925 Abs. 2 BGB nur für auflösend bedingte Übereignungen). Sollen Grundstücke zur Kreditsicherung eingesetzt werden, so finden sich in den - besitzlosen! Grundpfandrechten Hypothek und Grundschuld die den praktischen Bedürfnissen adäquaten Sicherungsformen, so daß hier die Sicherungsübereignung entbehrlich ist. Entsprechend dem sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatz ist auch bei der Sicherungsübereignung - wie beim Pfandrecht die Übereignung von sog. Gesamtsachen (Vermögen, Unternehmen) nicht möglich, sondern nur die Übereignung einzelner, konkret bestimmter Sachen (Maschine, Kraftfahrzeug, и.ä.). Zulässig ist hingegen die Sicherungsübereignung von Sachgesamtheiten, wie etwa insbesondere Warenlagern (dazu i.e. unter 5).

171

III. Sicheningsiibereignung

Praktisch wichtig ist die Sicherungsübertragung von EigentumsAnwartschaften, wie sie sich vor allem aus im Rahmen von kaufrechtlichen Eigentumsvorbehalten vorgenommenen aufschiebend bedingten Übereignungen zugunsten von Käufern ergeben (zum Anwartschaftsrecht des Eigentumsvorbehaltskäufers ausf. unter V, 3 b). Beispiel: U hat von L eine Druckmaschine

unter Eigen-

tumsvorbehalt erworben. Als er 2/3 des Kaufpreises gezahlt hat, gerät er in Liquiditätsprobleme. Er nimmt bei B-Bank einen Kredit auf. Da er noch nicht Eigentümer der Druckmaschine ist (dies wird er erst mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises an L), kann er sie der Bank auch nicht zur Sicherheit übereignen. Er kann den Kredit jedoch dadurch sichern, daß er B sein Eigentums-Anwartschaftsrecht

an der

Maschine überträgt. Der Wert der Anwartschaft ergibt sich aus dem Verkehrswert der Maschine abzüglich des noch nicht gezahlten Restkaufpreises.

b)

Rechtsnatur

Sicherungseigentum unterscheidet sich inhaltlich von 'normalem', etwa im Wege eines Güterumsatzgeschäftes erlangtem Eigentum in zweierlei Hinsicht ganz wesentlich: Wenn ein Verkäufer die verkaufte Sache an den Käufer übereignet, so ist die darin liegende Änderung der Rechtszuständigkeit

im

Verhältnis Verkäufer/Käufer als endgültige gedacht und gewollt (gleichgültig, was der Käufer mit der Sache anfängt). Die Sicherungsübereignung hingegen gibt dem Sicherungsnehmer

172

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

nur vorläufiges Eigentum, d.h. er soll nur solange Eigentümer sein, wie ein Sicherungszweck dies rechtfertigt; ist also etwa die gesicherte Forderung durch Tilgung erloschen, so soll das Eigentum wieder an den Sicherungsgeber zurückfallen (dies geschieht durch Rückübereignung oder automatisch in den eher seltenen Fällen einer durch die Kredittilgung auflösend bedingten Sicherungsübereignung, dazu gleich unten unter 6 a). Der andere Unterschied betrifft die Rechtsstellung des Eigentümers. Im Bereich des Güterumsatzes ist der Eigentümer einer Sache in dem ihm durch Gesetz und Rechte Dritter gezogenen Rahmen voll verfügungsbefugt (§ 903 BGB, vgl. dazu oben unter I, 4 a). Die Rechtsstellung des Sicherungseigentümers hingegen ist aufgrund der Sicherungsabrede auf eine Verwertungsbefugnis reduziert, die nur im Sicherungsfall aktuell wird. Der Sicherungseigentümer erwirbt also zwar nach außen hin volles Eigentum, hat aber durch die mit der Sicherungsabrede bewirkte Innenbindung zum Sicherungsgeber lediglich die Stellung eines Pfandgläubigers. M.a.W.: Das rechtliche Können des Sicherungseigentümers geht über das rechtliche Dürfen hinaus. Die Sicherungsübereignung ist damit als sog. Treuhandgeschäft zu qualifizieren. Ein Treuhandverhältnis liegt dann vor, wenn jemand (der Treuhänder) Vermögensrechte (das Treugut) zu eigenem Recht innehat, jedoch demjenigen gegenüber, der ihm diese Rechtsstellung eingeräumt hat (dem Treugeber) schuldrechtlich verpflichtet ist, seine Rechtsstellung nur im vereinbarten Sinne auszuüben [vgl. BaurStürner, a.a.O., § 3 II, 1 d, bb]. Der Sicherungsgeber räumt dem Sicherungsnehmer die Eigentümerposition also zu 'treuen

III.

173

Sicherungsiibereignung

Händen' ein, d.h. er vertraut darauf, daß dieser nicht - was er als voller Eigentümer nach außen kann - abredewidrig über die Sache verfügt, sie also nicht etwa an einen Dritten veräußert. Die

'Treue'

ist

Sicherungsnehmer Sicherungsgeber

jedoch

wechselseitig,

auch

muß Vertrauen investieren. Denn hat

ja

den

unmittelbaren

Besitz

der der am

Sicherungsgut inne und damit auch die Möglichkeit zu treuwidrigen Verfügungen: Er kann das Sicherungsgut an Dritte veräußern, die daran unter den Voraussetzungen der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (dazu oben unter I, 6 c) wirksam Eigentum - bei gleichzeitiger Enteignung des Sicherungsnehmers

-

erwerben

können.

Daß

derartige

treuwidrige Verfügungen einen Schadensersatzanspruch des Sicherungsnehmers auslösen, kann diesen kaum trösten. Denn dieser Anspruch ist - wie die jetzt nicht mehr gesicherte Darlehensrückforderung - schuldrechtlicher Natur und kann wie diese ins Leere gehen. Anders als das Pfandrecht ist die Sicherungsübereignung nicht akzessorisch. Ist also etwa die Darlehensvaluta nicht ausgezahlt worden, eine zu sichernde Darlehensrückforderung damit nicht entstanden, so berührt dies die Wirksamkeit der in Erwartung der Darlehens-Valutierung vorgenommenen Sicherungsübereignung nicht. Dies ist allerdings nicht unumstritten. Der BGH hatte 1982 zur - verwandten - Sicherungsabtretung (einer Forderung) entschieden, daß eine Sicherungsabtretung "keinerlei rechtliche Wirkung entfaltet, wenn die gesicherte Darlehensforderung nicht entstanden ist" [vgl. BGH NJW 1982, 275; im Ergebnis ebenso Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 497] und damit doch Akzessorietät angenommen. Das Gericht ist

174

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

jedoch neuerdings von dieser Sichtweise wieder abgerückt und hat die Abstraktheit der Sicherungsübereignung - und damit ihre Nicht-Akzessorietät - ausdrücklich hervorgehoben [vgl. BGH NJW 1991, 723]. Dem ist mit der h.M. [vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 57 III, 1 c; Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, 3. Aufl., Karlsruhe 1993, RNr. 812, je m.w.N.] zuzustimmen, denn es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz dahin, daß der Sicherungszweck eine Rechtsbedingung für die Sicherungsübereignung darstellt. Weitere Konsequenz der Nicht-Akzessorietät des Sicherungseigentums ist die Unanwendbarkeit von § 401 BGB: Tritt der Sicherungsnehmer die gesicherte Forderung an einen Dritten ab, so geht das Sicherungseigentum damit nicht automatisch mit auf den neuen Gläubiger über. Für den Übergang auch des Sicherungseigentums ist vielmehr eine selbständige Übereignung nach §§ 929, 931 BGB (Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Sicherungsgeber) erforderlich. Fraglich ist, ob sich dem Rechtsgedanken des § 401 BGB eine schuldrechtliche Verpflichtung des Zedenten (= Abtretenden) zur Mitübertragung des Sicherungseigentums auf den neuen Gläubiger entnehmen läßt. Dies wird man nur für den Fall annehmen können, daß sich der Sicherungsabrede wenigstens im Wege der Auslegung eine entsprechende Einwilligung des Sicherungsgebers entnehmen läßt [vgl. BGHZ 80, 233; 110, 43; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 401 RNr. 5],

III.

4.

175

Sicherungsübereigiiung

Rechtsfolgen bei Mängeln des Darlehensvertrages und/oder der Sicherungsabrede

Die drei Ebenen der Rechtsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer wurden bereits oben (unter 2) dargestellt. Es sind nun die Auswirkungen zu klären, die sich bei Nichtigkeit von Darlehensverträgen und/oder Sicherungsabreden auf die jeweils anderen Rechtsgeschäfte und damit das Gesamtgefüge der Beziehung ergeben.

a)

NichtZustandekommen resp. Nichtigkeit des Darlehensvertrages

Die drei Beziehungsglieder Darlehensvertrag - Sicherungsabrede

-

Sicherungsübereignung

Rechtsgeschäfte

dar,

sie

stellen

sind jedoch

zwar

selbständige

wirtschaftlich

und

rechtlich eng miteinander verbunden: Das eine Geschäft macht ohne die beiden anderen für sich keinen Sinn. Stellt sich nach Abschluß

der

Sicherungsabrede

und

vorgenommener

Sicherungsübereignung die Nichtigkeit des Darlehensvertrages (etwa wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB) heraus oder fällt

der

Darlehensvertrag

infolge

NichtValutierung

und

Kündigung durch die Bank weg, so muß dies auch Folgen für die Sicherungsabrede haben. Die h.M. [vgl. Bülow, a.a.O., RNr. 810; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 554; Hj. Weber, a.a.O., S. 101] wendet hier § 139 BGB an. Nach dieser Vorschrift ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

176

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Da nicht anzunehmen ist, daß eine Sicherungsabrede ohne Existenz eines Darlehensvertrages getroffen wird, würde die Nichtigkeit des Darlehensvertrages nach § 139 BGB die Nichtigkeit der Sicherungsabrede nach sich ziehen. Die Anwendbarkeit des § 139 BGB setzt jedoch voraus, daß Darlehensvertrag und Sicherungsabrede als 'einheitliches Rechtsgeschäft' angesehen werden können. Dies ist allgemein auch bei äußerer Trennung der Geschäfte dann der Fall, wenn diese wirtschaftlich so eng miteinander verbunden sind, daß sie nur miteinander als sinnvolle Regelung zu bestehen vermögen [vgl. Larenz, Allg. Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, a.a.O., § 23 II, a]. Das aber ist gerade im Verhältnis Darlehensvertrag - Sicherungsabrede der Fall, so daß der h.M. zuzustimmen ist: Nichtigkeit des Darlehensvertrages bewirkt nach § 139 BGB auch Nichtigkeit der Sicherungsabrede. Zu klären bleibt dann das Schicksal der Sicherungsübereignung. Diese ist gegenüber der Sicherungsabrede abstraktes Geschäft. § 139 BGB erstreckt sich nicht auf die Sicherungsübereignung, da andernfalls das Abstraktionsprinzip aus den Angeln gehoben würde [vgl. Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, Bd 2, 3. Aufl., 1979, § 12 III, 4: "Die Anwendung des § 139 BGB zu dem Zweck, das Abstraktionsprinzip zu beseitigen, verstößt evident gegen das geltende Recht"]. Die Sicherungsübereignung wird also durch die Nichtigkeit von Darlehensvertrag und Sicherungsabrede unmittelbar nicht berührt. Die Sicherungsabrede ist jedoch die causa (Rechtsgrund) für die Sicherungsübereignung. Fällt sie weg, so kann der Sicherungsge-

III

III. Sichemngsübereignung

ber über das Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB) Rückübereignung des Sicherungsgutes verlangen.

b)

Nichtigkeit der Sicherungsabrede

Ist der Darlehensvertrag wirksam, die Sicherungsabrede aber etwa wegen sittenwidriger Knebelung des Sicherungsgebers oder Übersicherung (vgl. dazu oben unter Kap. 3, II, 2) nach § 138 BGB - nichtig, so gilt wiederum § 139 BGB: Die Nichtigkeit der Sicherungsabrede zieht die Nichtigkeit des Darlehensvertrages nach sich, dies allerdings nur dann, wenn das Darlehen noch nicht valutiert ist. Ist das Darlehen bereits ausgezahlt, so wird man von einem Parteiwillen dahin ausgehen müssen, daß der Darlehensvertrag auch ohne die nichtige Sicherungsabrede gelten

soll (§

139 2. Halbsatz

BGB).

[So

auch

Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 554], Der Sicherungsübereignung fehlt dann allerdings auch in dieser Konstellation die causa, so daß auch hier dem Sicherungsgeber nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Rückübereignungsanspruch zusteht. Die Parteien können allerdings die Besicherung dadurch aufrechterhalten, daß sie eine 'mängelfreie' Sicherungsabrede treffen.

5.

Sonderproblem: Sicherungsübereignung von Warenlagern mit wechselndem Bestand

Das Umlaufvermögen in Form von Warenlagern, aber auch Rohstoff- und Halbfertigproduktlagern repräsentiert bei vielen kreditsuchenden Unternehmen einen nicht unwesentlichen An-

178

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

teil am Gesamtbetriebsvermögen. Dies gilt für Produktionsbetriebe, vor allem aber für die Unternehmen des Handels, bei denen die Warenbestände das bewegliche Anlagevermögen i.d.R. wertmäßig nicht unerheblich übersteigen. Deshalb benutzen Kreditinstitute in großem Umfang derartige Lagerbestände als Sicherungsgut. Da es sich hierbei regelmäßig um nur der Gattung nach bestimmte Sachgesamtheiten handelt, ergibt sich das Problem, diese Lagerbestände rechtlich hinreichend 'in den Griff zu bekommen, wobei eine Steigerung der Komplikation daraus resultiert, daß es sich meist um Lager mit wechselndem Bestand handelt. Hier sind sowohl auf der Ebene der Sicherungsabrede als auch auf derjenigen der Sicherungsübereignung juristische Konstruktionen gefragt, die es ermöglichen, daß einerseits laufend Gegenstände aus dem Sicherungsbestand herausgenommen werden können, die dann auf der anderen Seite aber durch in das Lager und damit das Eigentum des Sicherungsnehmers gelangenden Nachschub ersetzt werden müssen, ohne daß jedesmal erneut entsprechende Vereinbarungen zu treffen sind.

a)

Bestimmtheitsgrundsatz

Auch für die Sicherungsübereignung von Lagerbeständen gilt der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz. Er bedeutet, daß die übereigneten Sachen in der Sicherungsabrede so genau bezeichnet werden müssen, daß sie jederzeit festgestellt werden können, ohne daß hierzu auf außerhalb der Sicherungsabrede liegende Umstände zurückgegriffen werden muß. Dementsprechend genügen mengen- oder wertmäßige Bezeichnungen dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht [vgl. BGH NJW 1984, 803]. Un-

III. Sicheningsübereigniing

179

wirksam ist damit die Übereignung "der Hälfte meines Fernsehgeräte-Lagers" oder von "Video-Rekordern im Werte von 100.000 DM". Die Übereignung "des gesamten Warenlagers" ist hingegen bestimmt genug. Werden Teilmengen übereignet, so muß der übereignete Teil von den nicht übereigneten Sachen getrennt werden. Die Praxis hat das Bezeichnungsproblem mit Billigung der Rechtsprechung durch den sog. Raumsicherungsresp. Markierungsvertrag gelöst. Beim Raumsicherungsvertrag wird vereinbart, daß sämtliche in einem genau eingegrenzten Bereich gelagerten Sachen übereignet werden. Dieser Bereich ist i.d.R. ein Lagerraum; in Betracht kommen jedoch auch genau bestimmte Teile von Räumen, Regale u.ä.. Entscheidend ist immer, ob der Sicherungsbereich hinreichend abgegrenzt ist. Zweckmäßig wird es oft sein, einen Lageplan mit entsprechenden Eintragungen zum Gegenstand der Sicherungsabrede zu machen. Der Markierungsvertrag unterscheidet sich vom Raumsicherungsvertrag lediglich durch die Art der Bezeichnung des Sicherungsgutes: Hier wird vereinbart, daß jedes einzelne Stück markiert werden soll (etwa durch Beschriftung, Aufkleber, Anhänger u.a.). Hinreichende Bestimmtheit kann hier aber auch dadurch herbeigeführt werden, daß der Sicherungsgeber über den zu übereignenden Lagerbestand eine Bestandsliste anlegt (sog. Listenvertrag).

180 b)

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Befugnis des Sicherungsgebers zur Verfügung über den übereigneten Lagerbestand

Um sein Unternehmen nach der Sicherungsübereignung von Lagerbeständen erfolgreich weiterführen zu können, muß der Sicherungsgeber über diese Bestände verfügen können: Er muß in der Lage sein, Fertigprodukte absetzen und Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe in der Produktion verwenden zu dürfen. Er wird deshalb vom Sicherungsnehmer in der Sicherungsabrede regelmäßig zur Vornahme der entsprechenden Verfügungen ermächtigt i.S.v. § 185 BGB, er veräußert resp. verarbeitet das Sicherungsgut dann als Berechtigter. Derartige Ermächtigungen sind jedoch begrenzt: Nur solche Verfügungen sind gedeckt, die sich im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs halten.

c)

Übereignung des 'Nachschubs' an den Sicherungsnehmer

Die Realisierung der Veräußerungs- und Verarbeitungsbefugnis durch den Sicherungsgeber reduziert entsprechend das Sicherungseigentum des Sicherungsnehmers. Er hat deshalb ein nachhaltiges Interesse daran, daß er ohne weiteres Eigentümer der neu in das Lager gelangenden Gegenstände wird. Zu diesem Ziel verhilft ihm die vorweggenommene Sicherungsübereignung: Bereits in der Sicherungsabrede wird die Einigung i.S.v. § 929 BGB darüber getroffen, daß das Eigentum an allen Sachen, die der Sicherungsgeber in das Lager einbringt (Raumsicherungsvertrag) oder die er vereinbarungsgemäß markiert oder in die Bestandsliste aufnimmt (Markierungsvertrag) auf den Sicherungsnehmer übergehen soll. Auch das

III. Sicherungsübereigriung

181

weiter für die Übereignung als Übergabeersatz erforderliche Besitzmittlungsverhältnis gemäß § 930 BGB wird als sog. antizipiertes (vorweggenommenes) Besitzmittlungsverhältnis meist in Form eines Verwahrungsvertrages - in der Sicherungsabrede vereinbart. Eine entsprechende, in der Fonnularpraxis für den Raumsicherungsvertrag gängige Formulierung lautet: "Das Eigentum an Waren, die später in den Sicherungsraum eingebracht werden, geht mit der Einbringung auf den Sicherungsnehmer über, eines weiteren Übertragungsaktes bedarf es nicht. Die Übergabe wird in allen Fällen dadurch ersetzt, daß der Sicherungsgeber sich verpflichtet, das Sicherungsgut für den Sicherungsnehmer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und unentgeltlich zu verwahren." Diese Konstruktion von antizipierter Einigung und antizipiertem Besitzkonstitut - die rechtlichen Bedenken nicht begegnet ermöglicht den von beiden Parteien gewünschten 'Automatismus': Mit Einbringung der neuen Sachen in den Sicherungsraum oder ihrer Kennzeichnung wird der Sicherungsnehmer ohne weiteres Eigentümer.

d)

Waren unter Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung

Vielfach befinden sich in den Lagerbeständen von Sicherungsgebern Sachen, an denen (noch) ein Eigentumsvorbehalt des/der Lieferanten besteht. Soweit Kaufpreiszahlungen auf

182

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Ziel gestellt werden - und das ist heute beinahe die Regel - behalten sich die Lieferanten zur Sicherung ihrer Kaufpreisforderung durchgängig das Eigentum an der Ware vor. Der Sicherungsgeber/Käufer erwirbt dann Eigentum erst mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises. Das bedeutet, daß diese Vorbehaltsware dem Sicherungsnehmer nicht übereignet werden darf. Der Sicherungsgeber müßte deshalb - will er dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen - Vorbehaltswaren und eigene Waren räumlich trennen, was zu erheblichen betriebsorganisatorischen Problemen führen würde [so auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 532]. Dem Sicherungsgeber steht jedoch aus der durch die Kaufpreiszahlung aufschiebend bedingten Übereignung ein Anwartschaftsrecht an der Vorbehaltsware zu (vgl. dazu ausf. unten unter V, 3 b). Dieses Anwartschaftsrecht kann er dem Sicherungsnehmer übertragen. Mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises an den Lieferanten erstarkt es dann in der Person des Sicherungsnehmers zum Vollrecht Eigentum. Da das Anwartschaftsrecht wie das Eigentum übertragen wird, entstehen keinerlei Übertragungsprobleme: Der Sicherungsgeber überträgt dem Sicherungsnehmer durch Einigung und Besitzkonstitut diejenigen Rechte am Warenlager, die ihm selbst daran zustehen, also entweder das Anwartschaftsrecht oder Eigentum. Eine Sonderung der Anwartschaftswaren von den Eigentumswaren ist damit überflüssig [vgl. zum Ganzen grdl. BGH NJW 1958, 1133 ff. u. das Formularbeispiel bei Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 533 a.E.; zur Kollision zwischen Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung s. ausf. unten Kap. 8,1].

183

III. Sicherungsübereignung

6.

Rechtslage nach Tilgung der gesicherten Forderung

Sobald der Sicherungsgeber/Kreditnehmer die gesicherte(n) Forderung(en) getilgt hat, entfällt der Sicherungszweck. Die Sicherungsabrede ist damit gegenstandslos. Da sie die causa für die Sicherungsübereignung darstellte, fehlt nunmehr auf seiten des Sicherungsnehmers der Behaltensgrund für das Sicherungseigentum, der Sicherungsgeber muß sein Eigentum zurückerhalten. Für die Frage, wie das rechtlich geschieht, kommt es entscheidend auf die Ausgestaltung der Sicherungsübereignung an.

a)

Auflösend bedingte Sicherungsübereignung

Die Parteien können die im Rahmen der Sicherungsübereignung vorzunehmende Einigung i.S.v. § 929 BGB unter die auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) der vollständigen Tilgung der gesicherten Forderung(en) stellen: Tritt diese Bedingung ein, sind also die gesicherten Forderungen erfüllt, verliert die Einigung ihre Wirkung, das Eigentum fällt automatisch auf den Sicherungsgeber zurück. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob eine solche Bedingung im Zweifel als vereinbart gilt [vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 57 III, 13], kann vernachlässigt werden, denn die hier allein relevante Formularpraxis geht den Weg der Bedingungskonstruktion explizit nicht. Die entsprechende, von den Kreditinstituten

regelmäßig

verwendete

Klausel lautet vielmehr: "Nach Abdeckung ihrer durch die Übereignung

gesicherten

Ansprüche

hat

die

Bank

das

Eigentum (...) auf den Sicherungsgeber zurückzuübertragen." Dem Sicherungsgeber wird damit unter bewußter Vermeidung

184

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

des in der Bedingungsvereinbarung liegenden Rückfall-Automatismus lediglich ein schuldrechtlicher Rückübereignungsanspruch zugestanden. Diese Riickübereignung benachteiligt den Sicherungsgeber gegenüber der Bedingungs-Konstruktion. Denn bei auflösend bedingter Sicherungs-übereignung steht dem Sicherungsgeber ein Anwartschaftsrecht auf den Rückerwerb des Sicherungsgutes zu [vgl. BGH NJW 1984, 1184], das er zur Besicherang eines sog. Anschlußkredites eines zweiten Kreditgebers verwenden könnte. Ein weiterer Vorteil ergäbe sich bei auflösend bedingtem Sicherungseigentum für den Sicherungsgeber aus § 161 Abs. 2 BGB: Diese Vorschrift schützt ihn vor treuwidrigen Verfügungen des Sicherungsnehmers dadurch, daß sie alle Verfügungen, die die von der Bedingung abhängigen Wirkungen - also den Rückerwerb des Sicherungsgebers - vereiteln würden, für unwirksam erklärt. Alle diese Vorteile entfallen bei der regelmäßig praktizierten Vereinbarung eines lediglich schuldrechtlichen Rückübereignungsanspruchs. Diese Vereinbarung dient einseitig dem Interesse des Sicherungsnehmers, der - da § 161 Abs. 2 BGB dann nicht gilt -treuwidrig über das Sicherungsgut verfügen kann und von dessen Willen es dann letztlich (unbeschadet natürlich einer Klagemöglichkeit des Sicherungsgebers) abhängt, ob er eine Rückübereignungserklärung (vgl. § 929 Satz 2 BGB) abgibt oder nicht. Diese in der praktizierten Klausel liegende einseitige Bevorzugung der Interessen des Sicherungsgebers legt die Annahme des Verstoßes dieser Regelung gegen § 9 AGBG nahe. Der BGH [vgl. BGH NJW 1984, 1184] hat jedoch einen solchen Verstoß verneint. Das Gericht begründet sein Ergebnis im wesentlichen mit dem Klarstellungsinteresse des Sicherungsnehmers: Es kann unklar sein und deshalb Streit

III. Sicherungsübereignung

185

darüber entstehen, ob alle gesicherten Forderungen getilgt sind und damit die auflösende Bedingung eingetreten ist. Diese Unklarheit wird durch die Rückübereignungsklausel vermieden. Dem wird man folgen können [vgl. zum Problem ausf. und mit Kritik am BGH Pottschmidt-Rohr a.a.O. RNn 511 ff., 516].

b)

Schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch des Sicherungsgebers

Nach der gängigen Vertragsgestaltung in den AGB's der Kreditinstitute steht dem Sicherungsgeber nach Tilgung der gesicherten Forderung also nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübereignung gegen den Sicherungsnehmer zu. Da sich der Sicherungsgeber im Besitz des Sicherungsgutes befindet, erfolgt die Rückübereignung nach § 929 Satz 2 BGB, also durch schlichte Einigung über den Eigentumsrückfall. Verweigert der Sicherungsnehmer die entsprechende Einigungserklärung etwa weil er auf dem Standpunkt steht, daß noch nicht alle gesicherten Forderungen getilgt sind -, so muß ihn der Sicherungsgeber auf Abgabe der Einigungserklärung verklagen. Obsiegt der Sicherungsgeber im Prozeß, so gilt nach § 894 ZPO die Erklärung mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben, der Sicherungsgeber ist dann damit ohne weiteres (wieder) Eigentümer des Sicherungsgutes.

7.

Freigabe von Sicherungssachen

Die (teilweise) Tilgung der gesicherten Forderung(en) durch den Sicherungsgeber kann dazu führen, daß die Situation der

186

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Übersicherung eintritt, daß also der Wert der Sicherungssachen den Wert der noch zu sichernden Forderung(en) übersteigt. Es stellt sich dann die Frage, ob und in welchem Umfang der Sicherungsgeber Freigabe von Sicherungsgütern verlangen kann. Für das hier allein interessierende Verhältnis zwischen Sicherungsgeber und Kreditinstitut hat das Problem eine Regelung in den AGB's der Kreditinstitute erfahren. So bestimmt etwa Nr. 16 Abs. 2 AGB-Banken '93, daß die Bank auf Verlangen des Sicherungsgebers dann Sicherheiten (nach ihrer Wahl) freizugeben hat, wenn der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend überschreitet, und zwar in Höhe des die Deckungsgrenze übersteigenden Betrages. Die Deckungsgrenze ist in Abs. 1 der Klausel definiert als der Gesamtbetrag aller Ansprüche der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung. Diese Regelung bedeutet eine deutliche Verbesserung der Rechtsstellung des Sicherungsgebers gegenüber der Position, die sich aus den Vorgänger-AGB-Banken für ihn ergab. Denn nach Nr. 19 Abs. 6 der alten AGB-Banken war die Freigabe von Sicherheiten ohne die Bestimmung einer Deckungsgrenze in das billige Ermessen der Bank (!) gestellt gewesen. Die Neufassung der Freigabe-Klausel in ihren AGB '93 ist eine Reaktion der Banken auf die in Literatur und Rechtsprechung geäußerte Kritik (Verstoß gegen § 9 AGBG) an der alten Regelung [vgl. hierzu Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNn. 563 f.]. Nr. 16 Abs. 2 AGB-Banken '93 bestimmt weiter, daß die Bank bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Sicherungsgebers Rücksicht nehmen muß. Auch wenn man in dieser Klausel lediglich einen Pro-

III.

187

Sicherungsübereignung

grammsatz sehen will (wer befindet darüber, welche Belange des Sicherungsgebers berechtigt sind?), bedeutet sie doch eine tendenzielle Verbesserung gegenüber dem vorigen Rechtszustand im Sinne von mehr Kundenfreundlichkeit.

8.

Rechtslage nach Eintritt des Sicherungsfalles: Verwertung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer

a)

Verwertungsreife

Wie beim Pfandrecht (§ 1228 Abs. 2 BGB) treten auch bei der Sicherungsübereignung der Sicherungsfall und damit Verwertungsreife regelmäßig dann ein, wenn der

Sicherungsge-

ber/Kreditnehmer den Kredit trotz Fälligkeit nicht zurückführt resp. andere durch die Sicherungsübereignung gesicherte Forderungen nicht befriedigt. Erst und nur nach Eintritt der Verwertungsreife steht dem Sicherungsnehmer das Verwertungsrecht zu. Nach § 65 KO tritt Verwertungsreife auch schon mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Sicherungsgebers ein. Die Formularpraxis der Kreditinstitute dehnt die Voraussetzungen für den Eintritt der Verwertungsreife auch auf die Verletzung von sich aus der Sicherungsabrede für den Sicherungsgeber ergebenden Verpflichtungen aus. Beispiel (aus einem Formular für die Sicherungsübereignung von Kraftfahrzeugen): "Werden die Verpflichtungen aus den Kreditvereinbarungen oder aus dem Sicherungsvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt, kann die Bank die Benutzung des Kraftfahrzeugs untersagen. Die Bank ist dann je-

188

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

derzeit berechtigt, das Kraftfahrzeug in ihren unmittelbaren Besitz zu nehmen sowie es... zu verwerten." Diese Einbeziehung auch der Verpflichtungen aus der Sicherungsabrede ist nicht unproblematisch. Verwertungsreife tritt damit nämlich schon dann ein, wenn der Sicherungsgeber etwa seiner in der Sicherungsabrede statuierten Verpflichtung zur Versicherung des Sicherungsgegenstandes nicht nachkommt. Eine unangemessene Benachteiligung für den Sicherungsgeber i.S.v. § 9 AGBG wird man in dieser Klausel jedoch nicht sehen können, da dieser es ja letztlich selbst in der Hand hat, die Verpflichtungen aus der Sicherungsabrede zu erfüllen.

b)

Verwertung

Der Eintritt der Verwertungsreife aktualisiert den in der Sicherungsabrede vereinbarten, aber auch aus § 985 BGB herzuleitenden (der Sicherungsnehmer ist ja Eigentümer!) Herausgabeanspruch des Sicherungsnehmers, er kann jetzt das Sicherungsgut in Besitz nehmen und verwerten. Die Besitzberechtigung des Sicherungsgebers nach § 986 BGB, die sich aus der Sicherungsabrede ergab, ist beendet. Der Sicherungsnehmer darf dem Sicherungsgeber das Sicherungsgut allerdings nicht gewaltsam wegnehmen. Verweigert der Sicherungsgeber die Herausgabe - etwa weil er der Meinung ist, die Verwertungsreife sei noch nicht eingetreten -, so muß der Sicherungsnehmer einen Herausgabetitel (also regelmäßig ein seinen Herausgabeanspruch bestätigendes Urteil) gegen den Sicherungsgeber erstreiten. Auf der Basis eines solchen Titels kann er

III. Sicherungsübereignung

189

dann das Sicherungsgut gemäß § 883 ZPO durch den Gerichtsvollzieher beim Sicherungsgeber wegnehmen lassen. Die Art und Weise der Verwertung des Sicherungsgutes richtet sich primär nach den hierüber in der Sicherungsabrede getroffenen Vereinbarungen. Die in der Praxis verwendeten Formulare sehen hier regelmäßig die Möglichkeit des freihändigen Verkaufs - entweder im Namen des Sicherungsgebers oder im eigenen Namen - durch den Sicherungsnehmer vor. Aus dem Charakter des Sicherungseigentums als Treuhandeigentum folgt, daß der Sicherungsnehmer bei der Verwertung des Sicherungsgutes die Interessen des Sicherungsgebers angemessen zu berücksichtigen hat [vgl. BGH WM 1985, 869]. Das bedeutet zunächst, daß der Sicherungsnehmer alle Sorgfalt aufwenden muß, um bei der Veräußerung des Sicherungsgutes den bestmöglichen Erlös zu erzielen. Der Treuhandcharakter der Sicherungsübereignung legitimiert weiter zur analogen Anwendung des primär für das Pfandrecht geltenden § 1234 BGB: Der Sicherungsnehmer ist danach verpflichtet, den Sicherungsgeber einen Monat vor der Durchführung der Verwertung über den beabsichtigten Verkauf zu informieren. Die hiermit dem Sicherungsnehmer aufgegebene Wartefrist gibt dem Sicherungsgeber die Möglichkeit, sich liquide Mittel zu verschaffen, um seiner Verpflichtung gegenüber dem Sicherungsnehmer doch noch nachkommen und damit die Verwertung des Sicherungsgutes abwenden zu können. Die AGB-Banken '93 (wie auch die Vorgänger Regelung) sowie die Sicherungsübereignungs-Formulare der Kreditinstitute enthalten eine derartige Benachrichtigungs- und WartefristKlausel - soweit ersichtlich - nicht. Es kann jedoch keinen Be-

190

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

denken begegnen (die haben aber offenbar Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 588 ff. ), eine derartige Verpflichtung des Sicherungsgebers i.S. einer Nebenpflicht unter Heranziehung des Treuegedankens (§ 242 BGB) in die Sicherungsabrede hineinzuinterpretieren oder aber doch Nr. 17 Abs. 1 AGB-Banken '93 (Die Bank "wird bei der Verwertung ... auf die berechtigten Belange des Kunden ... Rücksicht nehmen") in diesem Sinne auszulegen [für die Lösung über § 242 BGB vgl. Canaris, a.a.O., RNr. 2704 zu Nr. 20 Abs. 2 AGB-Banken (alt)]. Enthält die Sicherungsabrede über die Art und Weise der Verwertung keine Regelung (das dürften eher seltene Fälle sein), so stellt sich die Frage, ob dann die entsprechenden Vorschriften des Pfandrechts über den Pfandverkauf (§§ 1233 ff. BGB) analog angewendet werden können. Die analoge Anwendung von gesetzlichen Vorschriften setzt neben einer Regelungslücke (sie ist hier gegeben, wenn die Sicherungsabrede schweigt) die Gleichartigkeit der Interessenlagen im gesetzlich geregelten (Pfandrecht) und im zu regelnden (Sicherungsübereignung) Fall voraus. Auch dies ist zu bejahen: Der Sicherungsnehmer ist zwar nach außen hin voller Eigentümer, im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber hingegen soll er jedoch lediglich die Stellung eines Pfandgläubigers innehaben (Verfügungsbeschränkung auf den Sicherungsfall!). Damit steht einer analogen Anwendung der Vorschriften über den Pfandverkauf auf die Innenbeziehung zwischen Sicherungsgeber und -nehmer nichts im Wege, wenn die Sicherungsabrede keine entsprechenden Bestimmungen enthält [so auch BaurStürner, a.a.O., § 57 VII; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 585; a.A. Hj. Weber, a.a.O., S. 103; Palandt-Bassenge, a.a.O., § 930

III. Sicherungsübereignung

191

RNr. 17]. Es gilt dann das oben (unter II, 2 d) zur Pfandverwertung Gesagte. Der vom Sicherungsnehmer durch den Verkauf des Sicherungsgutes erzielte Erlös ist auf seine Forderungen zu verrechnen, die Schuld des Sicherungsgebers ist damit insoweit getilgt. Ist der Erlös niedriger als die Schuld, so bleibt die Forderung des Sicherungsnehmers gegen den Sicherungsgeber in Höhe der nicht getilgten Restsumme - dann allerdings ungesichert - bestehen. Ist der Erlös höher, so ist der nach Tilgung verbliebene Überschuß - unter Abzug der Kosten der Verwertung - an den Sicherungsgeber auszukehren.

9.

Sicherungsübereignung in Zwangsvollstreckung und Konkurs

Es wurde bereits bei der Darstellung des Pfandrechts hervorgehoben, daß sich der Wert eines Sicherungsrechts erst dann erweist, wenn das Sicherungsobjekt Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen geworden ist: Jetzt muß sich zeigen, ob es sich in der Konkurrenz mit anderen Gläubigern der Beteiligten behaupten kann. Dies gilt es im folgenden auch für das Sicherungseigentum zu überprüfen.

a)

Einzelzwangsvollstreckung in das Sicherungsgut

aa)

Zwangsvollstreckung gegen den Sicherungsgeber

Das Sicherungsgut befindet sich regelmäßig im unmittelbaren Besitz des Sicherungsgebers, er nutzt die zur Sicherheit über-

192

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

eigneten Sachen in seinem Unternehmen. Das Sicherungsgut ist damit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger des Sicherungsgebers ausgesetzt, obwohl dieser nicht mehr Eigentümer ist. Denn der pfändende Gerichtsvollzieher hat nicht die Eigentumsverhältnisse zu prüfen; nach § 808 ZPO hat er lediglich festzustellen, ob sich die zu pfändende Sache im Gewahrsam (Besitz) des Vollstreckungsschuldners, also des Sicherungsgebers, befindet. Ist dies der Fall, ist die vorgenommene Pfändung wirksam. Dies gilt auch dann, wenn der Sicherungsgeber den Gerichtsvollzieher auf die Sicherungsübereignung hinweist und ihm den Sicherungsübereignungs-Vertrag vorlegt [vgl. Zöller, ZPO, 17. Aufl., Köln 1991, § 808 RNr. 3]. Vollstreckungsmaßnahmen dürfen jedoch nur Schuldner-eigene Sachen erfassen. Für die Fälle der - zunächst wirksamen - Vollstreckung in nicht dem Schuldner gehörende Sachen muß die Rechtsordnung deshalb deren Eigentümern Rechtsbehelfe zur Aufhebung der Pfändung zur Verfügung stellen. Für den Sicherungsnehmer kommen insoweit die Klage auf vorzugsweise Befriedigung gemäß § 805 ZPO oder die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO in Betracht. Die (erfolgreiche) Klage nach § 805 ZPO hätte zur Folge, daß die gepfändete Sache versteigert und der Sicherungsnehmer vor dem Vollstreckungsgläubiger aus dem Versteigerungserlös befriedigt würde. Der Sicherungsgeber verlöre dabei notwendig den Besitz an der Sache, die er möglicherweise zur Fortführung des Unternehmens dringend benötigt. Die h.M. [vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 57 V 2; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 612; Hj. Weber, a.a.O., S. 108 m.w.N.] gibt dem Sicherungsnehmer deshalb die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO, mit der der Sicherungsnehmer die Aufhebung der Pfändung erreichen kann. Die Sache ver-

III. Sicherungsübereignung

193

bleibt dabei im Besitz des Sicherungsgebers. Die h.M. begründet die Anwendbarkeit des § 771 ZPO außer mit den Interessen des Sicherungsgebers damit, daß dem Sicherungsnehmer mit § 805 ZPO eine andere Verwertungsart (Versteigerung der Sache) aufgedrängt würde, als ihm nach der Sicherungsabrede zusteht [vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 57 V, 2 a.E.]. Der h.M. ist uneingeschränkt zuzustimmen.

bb)

Zwangsvollstreckung gegen den Sicherungsnehmer

Da Sicherungsnehmer/Kreditgeber i.d.R. Kreditinstitute sind, dürfte diese Konstellation außerordentlich selten sein. Der Ausnahmecharakter dieser Situation wird weiter dadurch verstärkt, daß nach § 808 ZPO nur im Gewahrsam des Schuldners (das ist der Sicherungsnehmer) befindliche Sachen gepfändet werden dürfen, das Sicherungsgut sich jedoch regelmäßig im Besitz des Sicherungsgebers befinden wird. Zum Vollstreckungsfall kann es hier also sowieso nur kommen, wenn das Sicherungsgut - ausnahmsweise - an den Sicherungsnehmer herausgegeben worden war. Ist das Sicherungsgut beim Sicherungsnehmer von einem seiner Gläubiger gepfändet worden, so kann sich auch der Sicherungsgeber mit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 Z P O gegen die Pfändung wehren. Er ist zwar nicht formaler Eigentümer (das ist der Sicherungsnehmer), es stünde ihm also auch kein "die Veräußerung hinderndes Recht" i.S.v. § 771 ZPO zu. Die h.M. [vgl. Hj. Weber, a.a.O., S. 109 m.w.N.; PottschmidtRohr, a.a.O., RNr. 613; BGH NJW 1978, 1859] stellt hier jedoch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an: Das Eigentum

194

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

des Sicherungsnehmers ist im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber lediglich vorläufiges, treuhänderisches Eigentum, die Sache verbleibt weiter im Vermögen des Sicherungsgebers, ist seinem Wirtschaftsbereich zugeordnet, er wird mit Kredittilgung auch wieder voller Eigentümer. Dieses 'wirtschaftliche' Eigentum ist für die Anwendbarkeit des § 771 ZPO hinreichend. Die Möglichkeit der Drittwiderspruchsklage entfällt für den Sicherungsgeber jedoch dann, wenn Verwertungsreife eingetreten ist. Denn wenn der Sicherungsnehmer ohnehin das Sicherungsgut in Besitz nehmen und für sich verwerten darf, entfällt auch das berechtigte Interesse des Sicherungsgebers, sich gegen die Gläubiger des Sicherungsnehmers zur Wehr setzen zu können [vgl. BGH NJW 1978, 1859],

b)

Konkurs

Zum Konkursverfahren und den Rechtsbehelfen Dritter, die Rechte an in der Konkursmasse befindlichen Gegenständen geltend machen können, wurden bereits oben (vgl. unter II, 4 b) Ausführungen gemacht, auf die hier verwiesen wird.

aa)

Konkurs des Sicherungsgebers

Während bei gegen den Sicherungsgeber gerichteten Einzelzwangsvollstreckungen der Sicherungsnehmer als voller Eigentümer des Sicherungsgutes behandelt wird (vgl. oben a, aa) läßt die ganz h.M. [vgl. nur Baur-Stürner, a.a.O., § 57 V, 1; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNn. 615 f.] im Konkurs des Sicherungs-

III.

195

Sicherungsübereigiiung

gebers die wirtschaftliche Betrachtungsweise entscheiden: Da das Sicherungsgut auch nach der Sicherungsübereignung wirtschaftlich dem Vermögen des Sicherungsgebers zugeordnet bleibt, das Eigentum des Sicherungsnehmers hingegen nur ein formales, vorläufiges ist, wird dem Sicherungsnehmer lediglich die Stellung eines Pfandgläubigers gewährt. Er kann also das Sicherungsgut nicht als Eigentümer im Wege der Aussonderung nach § 43 KO aus der Konkursmasse herausnehmen, sondern hat (nur) das Recht auf abgesonderte Befriedigung entsprechend §§ 47, 48 KO. Dies erscheint auf den ersten Blick inkonsequent, ist aber letztlich interessengerecht. Denn würde man dem Sicherungsnehmer ein Aussonderungsrecht zugestehen, dann würde man ihm mehr geben, als ihm zusteht: Er könnte zum einen sein Eigentum aus der Konkursmasse herausholen (das ihm dann niemand mehr streitig machen kann) und außerdem die ihm gegen den Sicherungsgeber zustehende Darlehensrückforderung

zur

Konkurstabelle

anmelden.

(Insofern hätte er Aussicht allerdings nur auf die Konkursquote). Dieses unbillige Ergebnis vermeidet die h.M. richtigerweise dadurch, daß dem Sicherungsnehmer lediglich das Recht auf abgesonderte Befriedigung zugestanden wird [vgl. i.d.S. auch Hj. Weber, a.a.O., S. 110 f.]. Seinen Interessen ist damit auch hinreichend gedient: Absonderung i.S.v. §§ 47, 48 KO bedeutet, daß der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut aus der Konkursmasse herausverlangen und für sich verwerten kann. Aus dem durch die Verwertung erzielten Erlös befriedigt er sich wegen seiner Darlehensrückforderung, die damit getilgt ist.

Die

Rechtsbeziehung

zwischen

ihm

und

dem

Sicherungsgeber ist damit insgesamt abgewickelt. Deckt der

196

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Erlös die Forderung nicht voll ab, so steht ihm nach § 64 KO in Höhe des Ausfalls die Konkursquote zu. Haben der Sicherungsgeber vor oder Konkursverwalter nach Konkurseröffnung das Sicherungsgut unberechtigt veräußert, so steht dem Sicherungsnehmer entsprechend § 46 KO ein Ersatzabsonderungsrecht

am

Veräußerungserlös

resp.

der

entsprechenden Forderung zu.

bb)

Konkurs des Sicherungsnehmers

Auch diese Konstellation ist wegen des Umstandes, daß Sicherungsnehmer/Kreditgeber regelmäßig Kreditinstitute sind, als faktische Rarität einzustufen. Für den Fall, daß über das Vermögen des Sicherungsnehmers das Konkursverfahren eröffnet wird, beantwortet die h.M. [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 620; Hj. Weber, a.a.O., S. 111 je m.w.N.] die Frage nach den dann dem Sicherungsgeber bzgl. des Sicherungsgutes zustehenden Rechten wiederum - und zutreffend - auf der Grundlage der wirtschaftlichen Betrachtungsweise: Da der Sicherungsgeber als wirtschaftlicher Eigentümer des Sicherungsgutes anzusehen ist, kann er das Sicherungsgut aus der Konkursmasse nach § 43 KO aussondern, dies allerdings nur Zug um Zug gegen Tilgung der gesicherten Forderung gegenüber dem Konkursverwalter. Denn die Konkurseröffnung hat den Bestand dieser Forderung in keiner Weise berührt und das Sicherungseigentum dient ja weiterhin der Sicherung dieser Forderung [vgl. zutr. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 620].

IV. Sicherungsabtretung

197

IV.

Sicherungsabtretung

1.

Allgemeines. Rechtsnatur und wirtschaftliche Bedeutung

Eine

Sicherungsabtretung

(auch:

Sicherungszession)

liegt

begrifflich dann vor, wenn der Kreditnehmer/Zedent dem Kreditgeber/Zessionar zur Sicherung des Kredits eine ihm gegen einen Dritten (sog. Drittschuldner) zustehende Forderung (oder ein sonstiges Recht) abtritt. Für den Fall, daß zur Kreditsicherung Forderungen des Kreditnehmers gegen Dritte eingesetzt werden sollen, hat das BGB in erster Linie die Verpfändung dieser Forderungen an den Kreditgeber vorgesehen. Es wurde jedoch bereits oben (vgl. zum Pfandrecht an Forderungen unter II, 1 u. 3 a) darauf hingewiesen, daß die für die Wirksamkeit der Forderungs-Verpfändung nach § 1280 BGB erforderliche Anzeige der Verpfändung an den Drittschuldner diese Form der Kreditsicherung für die Praxis weitgehend ungeeignet macht: Denn die durch die Anzeige bewirkte Publizität seiner Kreditbedürftigkeit wird jeder Kreditnehmer zu meiden trachten, da die Einschätzung seiner Kreditwürdigkeit davon sicherlich nicht unbeeinträchtigt bleiben wird. Dementsprechend wählt die Wirtschaftspraxis hier regelmäßig die - in ihrer Zulässigkeit völlig unbestrittene - alternative Sicherungsform der Sicherungsabtretung, bei der eine Anzeige an den Drittschuldner nicht erforderlich ist. Die wirtschaftliche Bedeutung der Sicherungsabtretung ist erheblich. Sie wird nicht nur zur Besicherung von Geldkrediten eingesetzt, sondern dient regelmäßig auch der Sicherung von Lieferantenkrediten: soweit Lieferanten den Kaufpreis auf Ziel stellen (praktischer Regelfall), behalten sie sich das Eigentum

198

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

an der Ware vor. Da sie ihren Kunden jedoch die Weiterveräußerung oder Verarbeitung der Ware gestatten (müssen), geht ihr Eigentum mit den entsprechenden Veräußerungs- oder Verarbeitungsakten unter. Um dennoch weiter gesichert zu bleiben, lassen sie sich von ihren Kunden deren aus den Weiterveräußerungen resultierende Kaufpreisforderungen (regelmäßig im vorhinein) abtreten (sog. verlängerter Eigentumsvorbehalt). Eine Untersuchung aus dem Jahre 1985 hat ergeben [vgl. Drukarczyk-Duttle-Rieger, a.a.O., S. 111], daß der Anteil der durch Sicherungsabtretung gesicherten Kredite 12,3% des gesamten Kreditvolumens der untersuchten Unternehmen betrug. Neuere Zahlen liegen - soweit ersichtlich nicht vor [vgl. die Darstellung älterer Untersuchungen bei Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 636: Die genannten Verfasser äußern die Annahme, daß sich das Gesamtvolumen der Sicherungsabtretungen in der Größenordnung zweistelliger Milliardenbeträge bewegt, vgl. RNr. 636 a.E.]. Strukturell ist die Sicherungsabtretung der Sicherungsübereignung außerordentlich ähnlich: Auch bei der Sicherungsabtretung findet sich die dreigliedrige Beziehungsstruktur zwischen den Beteiligten: Schuldrechtliches

Grundgeschaft

(Kreditvertrag r«ap. Kaufvertrag)

Unternehmen

SlchLeriingaitar-gde Bank / ^ L i e f e r a n t Sieherunga&btretung § 393 BGB

IV. Sicheningsabtretung

199

Das Verhältnis dieser drei Glieder zueinander ist das Gleiche wie bei der Sicherungsübereignung, es treten die nämlichen Probleme auf (etwa: Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit des einen oder anderen Vertrags), für die auch dieselben Lösungen gelten. Es kann deshalb an dieser Stelle auf die entsprechenden Ausführungen zur Sicherungsübereignung (oben unter III, 4) verwiesen werden. Der wesentliche Unterschied der beiden Sicherungsformen besteht eigentlich nur in der Art des zur Sicherung eingesetzten Gegenstandes und damit in der Übertragungsform: Während dort (Sicherungsübereignung) bewegliche Sachen als Sicherheiten fungieren, sind es hier (Sicherungsabtretung) Forderungen und Rechte. Diese werden nicht 'übereignet', sondern durch Abtretung, d.h. einfachen - auch formlos gültigen - Vertrag zwischen Zedent (Sicherungsgeber) und Zessionar (Sicherungsnehmer) i.S.v. § 398 BGB übertragen. Weitere Parallelen zwischen Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung ergeben sich für die folgenden Aspekte: Wie die Sicherungsübereignung ist auch die Sicherungsabtretung wegen der auch hier fehlenden Publizität 'heimliches' Sicherungsrecht mit den daraus für Dritte - insbesondere Gläubiger des Sicherungsgebers - resultierenden Gefahren: Ob eine Sicherungszession stattgefunden hat, wissen regelmäßig nur Zedent und Zessionar (die Begriffe Zedent/Sicherungsgeber einerseits und Zessionar/Sicherungsnehmer andererseits sind synonym zu verstehen). Die Problematik der 'Heimlichkeit' wird bei der Sicherungsabtretung noch dadurch verschärft, daß

200

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

es einen gutgläubigen Erwerb an Forderungen - anders als an beweglichen Sachen - wegen der hier fehlenden Körperlichkeit (es gibt bei Forderungen eben keinen äußerlich sichtbaren Rechtsschein, auf den sich der gute Glaube des Erwerbers beziehen könnte!) grundsätzlich nicht gibt. Tritt also der Sicherungsgeber bereits zur Sicherung abgetretene Forderungen nochmals an einen Dritten ab, so kann dieser auch nicht gutgläubig erwerben (zur hiermit angesprochenen Problematik der Kollision der Sicherungsabtretung mit anderen Zessionen derselben Forderungen - insbes. mit Factoring-Zessionen - vgl. ausf. unten Kap. 8 u. 9). Eine weitere Übereinstimmung zwischen Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung besteht bezüglich der Rechtsstellung des Sicherungsnehmers: Hier wie dort erhält er nach außen die Position eines Vollrechtsinhabers, hat also auch bei der Sicherungsabtretung nach außen die volle Verfügungsbefugnis über die abgetretene Forderung. Im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber ist seine Verfügungsmacht jedoch auch hier durch die Sicherungsabrede beschränkt: Er darf über die abgetretene Forderung erst (und nur!) dann verfügen, sie insbesondere

für

sich

verwerten,

wenn

der

Sicherungsfall

(Verwertungsreife) eingetreten ist. Auch die Sicherungsabtretung ist damit als Treuhandverhältnis (vgl. dazu oben III, 3 b) zu qualifizieren. Wie für die Sicherungsübereignung gilt auch für die Sicherungsabtretung grundsätzlich das Abstraktionsprinzip, d.h. die dingliche Forderungsabtretung ist in ihrem Bestand prinzipiell unabhängig vom kausalen Verpflichtungsgeschäft (Darlehensvertrag, Kaufvertrag). Es ist allerdings möglich, die Einigung

IV. Sicherungsabtretung

201

im Abtretungsvertrag i.S.v. § 398 BGB unter die auflösende Bedingung der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts zu stellen und damit Akzessorietät zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zu begründen. Dies hätte die Konsequenz, daß die Sicherungsabtretung etwa dann hinfällig wäre, wenn die versprochene Darlehensvaluta nicht ausgezahlt worden ist. Umstritten ist, ob eine solche Bedingung 'im Zweifel' als vereinbart gelten kann, wenn es an einer expliziten Vereinbarung fehlt. Der BGH hatte 1982 [vgl. BGH NJW 1982, 276 f.] judiziert, daß eine Sicherungszession dann "keinerlei rechtliche Wirkung entfaltet, wenn die gesicherte Darlehensforderung nicht entstanden ist". Dem hatte sich ein Teil der Literatur angeschlossen [vgl. etwa Tiedtke, DB, 1982, 1711; Bähr NJW 1983, 1475]. Das Ergebnis mag auch interessengerecht sein [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 640]. Der BGH hat jedoch in einer neueren Entscheidung [vgl. BGH J Z 1991, 723] zutreffend festgestellt, daß es keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts gibt, daß Sicherungsübertragungen stets durch den Sicherungszweck bedingt sind. Daraus ist zu folgern, daß die Abstraktheit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft nur dann durchbrochen ist, wenn die Parteien explizit eine Zweckbindung im dargelegten Sinne vereinbart haben.

2.

Gegenstand der Sicherungsabtretung

Gegenstand der Sicherungsabtretung können alle Forderungen und Rechte sein, soweit sie übertragbar sind. Beispiele.(1) Unternehmen U tritt der B-Bank zur Sicherung eines

202

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Kredits seine gegenwärtigen und künftigen Forderungen gegen seine Großkunden

(Drittschuldner) DSf DS2 und DS3

ab. Die Sicherungsabrede

lautet:

"Als Sicherheit tritt U

hiermit B seine sämtlichen gegenwärtigen und

künftigen

Forderungen aus Warenlieferungen gegen die Kunden DSf DS2 und DS3 ab. Die gegenwärtigen Forderungen von U gegen diese Kunden gehen mit der Unterzeichnung dieses Vertrages, die künftigen mit ihrer Entstehung auf die Bank über." DS3 hatte in seinen Einkaufsbedingungen tretbarkeit der gegen ihn gerichteten

(AGB) die Ab-

Kaufpreisforderungen

der U ausgeschlossen (sog. Abtretungsverbot). (2) Produzent P liefert an Großhändler G Waren unter Eigentumsvorbehalt.

Aus Gründen der ökonomischen

ratio

muß er G die Weitelveräußerung der Waren gestatten. Um weiter gesichert zu sein, läßt er sich von G jetzt schon dessen (künftige) aus den Weiterveräußerungen gegen die Abnehmer (DS) resultierenden Kaufpreisansprüche

abtreten, er-

mächtigt (§ 185 BGB) jedoch G, diese Forderungen selbst einziehen zu dürfen (sog. Einziehungsermächtigung), lange G seinen

Zahlungsverpflichtungen

ihm

so-

gegenüber

nachkommt.

Die Beispiele markieren drei zentrale Problembereiche, die sich als Spezifika der Forderung als Gegenstand eines Sicherungsgeschäfts ergeben: (a) Bestimmbarkeit der Forderung, (b) Abtretungsverbot und (c) Einziehungsermächtigung.

TV. Sicherungsabtretung

a)

203

Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung(en)

Wie jede Verfügung über einen Gegenstand setzt auch die Abtertung einer Forderung zu ihrer Wirksamkeit voraus, daß der Verfügungsgegenstand - die Forderung - genau bezeichnet wird. Das ist i.d.R. problemlos bei bestehenden Forderungen möglich, da hier Gläubiger, Schuldner und Forderungsbetrag feststehen. Beträchtliche Schwierigkeiten können sich jedoch ergeben, wenn künftige Forderungen abgetreten werden sollen. Denn selbst wenn ausnahmsweise der Schuldner der künftigen Forderung zum Zeitpunkt der Abtretung feststeht (so in Beispiel (1), anders Beispiel (2)) so bestehen doch regelmäßig Unklarheiten über die Höhe der künftigen Forderung. Der B G H [vgl. grdl. BGH NJW 1953, 21] kommt jedoch hier den Bedürftigkeiten der Praxis entgegen und läßt es - gewissermaßen im Wege der 'Einsicht in die Notwendigkeit' - für die Bestimmbarkeit genügen, wenn sich die Forderung wenigstens im Zeitpunkt ihrer Entstehung - also im Nachhinein - inhaltlich bestimmen läßt. Es muß dann aber - so der BGH, a.a.O. - bereits im Abtretungsvertrag eine Regelung vereinbart werden, mittels derer die Festlegung der Forderung nach ihrer Entstehung möglich ist. Für künftige Forderungen, die aus der Veräußerung von Waren entstehen, bietet sich insoweit eine Bezugnahme auf entsprechende Rechnungen und Lieferscheine an. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß die Ermittlung der abgetretenen Forderungen gerade bei größeren Unternehmen u.U. einen betriebswirtschaftlich problematischen Aufwand an Zeit und Personal erforderlich macht [darauf weisen auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 644 hin]. Es sollte jedoch dem abtretenden Unternehmen die Entscheidung überlassen bleiben,

204

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

ob es diesen Aufwand erbringen will. So ist es zumindest problematisch, wenn der BGH [vgl. BGH NJW 1978, 1050] das Bestimmbarkeitserfordernis dann als nicht erfüllt ansieht, wenn nur

anhand

einer

Verfolgung der

Debitorenbuchhaltung

klargestellt werden kann, welche neu erwachsene Kundenforderung und in welcher Höhe der Abtretung unterfällt.

b)

Abtretungsverbot

Schuldner und Gläubiger einer Forderung können deren Abtretbarkeit durch eine entsprechende Vereinbarung ausschließen (§ 399 2. Alt. BGB, sog. Abtretungsverbot). Das Abtretungsverbot bewirkt die Unabtretbarkeit der Forderung mit absoluter (d.h. gegenüber jedermann geltender) Wirkung, eine vom Gläubiger dennoch vorgenommene Abtretung ist unwirksam, die Forderung verbleibt in seinem Vermögen. Die Vereinbarung von Abtretungsverboten geht regelmäßig auf die Initiative des Schuldners zurück, denn das Abtretungsverbot dient ausschließlich seinem Interesse: Er kann damit verhindern, daß ihm gegen resp. ohne seinen Willen ein neuer Gläubiger 'vorgesetzt' wird. Dem Interesse des Gläubigers hingegen läuft das Abtretungsverbot gänzlich zuwider, denn er ist dadurch gehindert, die betroffene Forderung als Kreditsicherheit zu verwenden. Er wird deshalb ein Abtretungsverbot nur akzeptieren, wenn er als der gegenüber dem Schuldner wirtschaftlich Schwächere dazu gezwungen ist. Dementsprechend sind insbesondere kleinere Unternehmen betroffen, denen gegenüber Großkunden und -auftraggeber ihr Abtretungsverbot meist als Bestandteil ihrer AGB - durchzusetzen vermögen. Vor allem im Baugewerbe sind Abtretungsverbote verbreitet

IV. Sicheningsabtretung

205

und insbesondere die öffentliche Hand als Auftraggeberin praktiziert sie. Nach ganz h.M. [vgl. BGH WM 1980, 1346; BGH NJW 1991, 559; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 399 RNr. 9 m.w.N.; a.A. Pottschmidt-Rohr a.a.O., RNr. 161] verstoßen Abtretungsverbote i.d.R. weder gegen § 138 BGB noch § 9 AGBG, sind also regelmäßig wirksam. Zur Begründung wird das berechtigte Interesse des Schuldners an einer sicheren und einfachen Vertragsabwicklung ins Feld geführt [vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O.], die dann nicht mehr gewährleistet erscheint, wenn er sich einem neuen Gläubiger gegenübersieht. Diese Begründung erscheint insoweit problematisch, als sie das sicherlich ebenso berechtigte Interesse des Gläubigers, seine Forderungen als Kreditunterlage verwenden zu können, nicht in die Wertung einbezieht. Der Schuldner kann die Abtretbarkeit der Forderung dadurch wiederherstellen, daß er die entgegen dem Abtretungsverbot vorgenommene Abtretung genehmigt [vgl. BGH WM 1988, 460; BGH NJW - RR 1991, 764; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr 162; a.A. BGHZ 108, 176: Wiederherstellung der Abtretbarkeit nur durch Änderungsvertrag, mit dem der Abtretungsausschluß aufgehoben wird.]. Die Abtretung wird dann analog § 185 Abs. 2 BGB wirksam, allerdings nur mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Genehmigungserklärung [vgl. BGH WM 1988, 460].

c)

Einziehungsermächtigung

Die Sicherungszession kann dem Drittschuldner offen gelegt werden (sog. offene Sicherungszession), sie kann aber auch als

206

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

'stille' Zession vereinbart werden. Letztere wird von den Sicherungsgebern/Zedenten bevorzugt, da eine Offenlegung wegen der dann möglichen Rückschlüsse auf die finanzielle Situation des Sicherungsgebers als nicht erwünschte Publizität erscheint. Bei der stillen Zession erteilt der Sicherungsnehmer - der neue Forderungsinhaber also - dem Sicherungsgeber regelmäßig entsprechend § 185 Abs. 1 BGB die Ermächtigung, die - nun fremde - Forderung im eigenen Namen an sich selbst einzuziehen (sog. Einziehungsermächtigung). Aber auch dann, wenn eine derartige Ermächtigung nicht explizit erteilt wird, ist jedenfalls die Vereinbarung zwischen Sicherungsgeber und nehmer, die Zession still zu behandeln, dahin auszulegen, daß der Sicherungsgeber zur Einziehung ermächtigt sein soll [vgl. B G H NJW 1978, 698]. Die Einziehungsermächtigung stellt lediglich die Übertragung (Abspaltung) einer Teilbefugnis aus der Forderung auf den Sicherungsgeber dar, die Forderung selbst verbleibt beim Sicherungsnehmer. Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen der Sicherungsnehmer als Forderungsinhaber dem Sicherungsgeber diese Teilbefugnis wieder entziehen, die Einziehungsermächtigung also widerrufen kann. Nach einem Urteil des BGH [BGH NJW 1982, 572] soll die Einziehungsermächtigung im Zweifel frei widerruflich sein, sofern nicht das Gegenteil vereinbart oder den Umständen zu entnehmen ist. Der Widerruf der Einziehungsermächtigung hat die notwendige Folge, daß der Sicherungsnehmer die Forderung dann selbst einziehen wird. Die damit verbundene Offenlegung der Zession gegenüber dem Drittschuldner kann zu einer möglicherweise erheblichen Beschädigung der geschäftlichen Reputation des Siehe-

IV. Sicherungsabtretung

207

rungsgebers führen. Ein freies Widerrufsrecht widerspricht damit eklatant dem Sinn der Vereinbarung, die Zession als stille zu behandeln. Richtigerweise ist deshalb dem Sicherungsnehmer ein Recht auf Widerruf der Einziehungsermächtigung nur unter der Voraussetzung zuzugestehen, daß der Sicherungszweck diese Maßnahme erfordert; dies ist immer dann der Fall, wenn die Kreditrückführung gefährdet ist [i.d.S. auch OLG München NJW 1985, 2270; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 663 m.w.N.; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 399 RNr. 31].

3.

Sicherungsabrede

Auch der Sicherungsabtretung als Verfügungsgeschäft liegt regelmäßig eine Sicherungsabrede als Verpflichtungstatbestand (causa) zugrunde. Es ist hier genau die gleiche Drei-EbenenStruktur der rechtlichen Bindung zwischen Sicherungsgeber und -nehmer vorfindlich wie bei der Sicherungsübereignung (vgl. bereits oben unter III, 2). Inhaltliche Besonderheiten der Sicherungsabrede ergeben sich für die Sicherungsabtretung aus den in der Bankpraxis einheitlich verwendeten Vertragsformularen, in denen - bei der Globalzession (dazu unten unter 4, a) - sowohl die schuldrechtlichen Abreden als auch die dingliche Einigung über die Abtretung i.S.v. § 398 BGB in einer Urkunde zusammengefaßt werden. Im Vordergrund der in den Formularverträgen getroffenen schuldrechtlichen Abreden stehen die folgenden Punkte: (1) Sicherungszweck: Die Abtretung erfolgt zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche, die der Bank aus der

208

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kreditnehmer zustehen. (2) Bestandslisten: Der Sicherungsgeber hat der Bank zu den vereinbarten Zeitpunkten eine Bestandsliste über die an die Bank abgetretenen und noch nicht eingezogenen Forderungen einzureichen. (3) Einziehungsermächtigung: Dem Sicherungsgeber wird gestattet, die an die Bank abgetretenen Forderungen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes einzuziehen. (4) Einziehung der Forderungen durch die Bank: Die Bank ist berechtigt, die Einziehungsermächtigung zu widerrufen und die Forderungen unter Offenlegung der Zession bei den Drittschuldnern einzuziehen, wenn der Kreditnehmer mit fälligen Zahlungen auf die gesicherten Forderungen in Verzug gerät, seine Zahlungen einstellt oder die Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen beantragt wird. (5) Rechte von Vorbehaltslieferanten: Die im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehalts (dazu unten V, 5 b) an Lieferanten abgetretenen oder künftig abzutretenden Kundenforderungen des Sicherungsgebers werden von der Sicherungsabtretung an die Bank ausdrücklich ausgenommen. Damit soll das Problem der Mehrfachabtretung derselben Forderungen vermieden werden (vgl. zum Problem der Kollision mehrerer Sicherungsrechte ausf. unten Kap. 8). (6) Informationspflicht des Sicherungsgebers: Der Sicherungsgeber ist gehalten, die Bank über Pfändungen der abgetretenen Forderungen unverzüglich zu informieren und den Pfändungs-

TV. Sicherungsabtretung

209

gläubiger unverzüglich schriftlich von dem Sicherungsrecht der Bank zu unterrichten. (7) Freigabe von Sicherheiten: Nach Befriedigung ihrer durch die Abtretung gesicherten Ansprüche hat die Bank die ihr abgetretenen Forderungen an den Sicherungsgeber zurückzuübertragen und einen etwaigen Übererlös aus der Verwertung herauszugeben. Schon vor vollständiger Befriedigung ist die Bank verpflichtet, dem Sicherungsgeber abgetretene Forderungen auf dessen Verlangen freizugeben, soweit der realisierbare Wert der Summe der abgetretenen Forderungen die vereinbarte Deckungsgrenze überschreitet.

4.

Praxis-typische Ausgestaltungen der Sicherungsabtretung: Globalzession und Mantelzession

Bei der Sicherungsabtretung von Forderungen ergibt sich für die Beteiligten die gleiche Problemlage wie bei der Sicherungsübereignung von Warenlagern mit wechselndem Bestand (vgl. dazu oben III, 5): Auch hier wechselt während des Sicherungszeitraumes der Bestand: Vom Sicherungsgeber im Rahmen seiner Einziehungsermächtigung eingezogene Forderungen erlöschen (§ 362 BGB), andererseits erwirbt er infolge von an seine Kunden erbrachten Leistungen neue Forderungen hinzu. Es gilt also auch hier, vertragliche Konstruktionen zu suchen, die einen während des Sicherungszeitraums gleichbleibenden Sicherungsbestand gewährleisten, in den die erst künftig entstehenden Forderungen von vornherein mit einbezogen werden. Die Vertragspraxis der Banken fand adäquate, die gewünschte 'Dynamisierung' der Sicherung [vgl. Pottschmidt-

210

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Rohr, a.a.O., RNr. 649] leistende Vertragsformen in Globalzession und Mantelzession.

a)

Globalzession

Im Falle der Globalzession tritt der Sicherungsgeber alle in seinem Geschäftsbetrieb begründeten gegenwärtigen und künftigen Forderungen durch einheitlichen Abtretungsvertrag an den Sicherungsnehmer ab. Formular-Beispiel: "Als Sicherheit tritt der Sicherungsgeber der Bank seine sämtlichen gegenwärtigen und

künftigen

Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen die Kunden mit den Auftragsbuchstaben

... ab. Die gegen-

wärtigen Forderungen des Sicherungsgebers gehen mit Abschluß dieses Vertrages, die künftigen mit ihrer Entstehung auf die Bank über." Der Sicherungsnehmer erwirbt damit die im voraus abgetretenen künftigen Forderungen im Zeitpunkt ihrer Entstehung automatisch, d.h. ohne daß es jeweils weiterer Übertragungsakte bedarf. Diese Konstruktion hat für den Sicherungsnehmer den entscheidenden Vorteil, daß sein Forderungserwerb durch spätere anderweitige Verfügungen des Sicherungsgebers nicht mehr vereitelt werden kann. Da die Globalzession auch die künftigen Forderungen des Sicherungsgebers umfaßt, stellt sich insofern auch hier das Bestimmbarkeitsproblem. D.h. eine wirksame Abtretung der künftigen Forderungen liegt nur dann vor, wenn der Abtre-

TV. Sicherungsabtretung

211

tungsvertrag so gestaltet ist, daß die abgetretenen Forderungen ohne Schwierigkeiten von den nicht abgetretenen unterschieden werden können. Es kann hier auf die Ausführungen zum Problem oben (vgl. unter 2, a) Bezug genommen werden [s.a. die Vertragsgestaltungsbeispiele bei Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 653].

b)

Mantelzession

Bei der Mantelzession handelt es sich um eine spezifische Form der Sicherungsabrede in Gestalt eines Rahmenvertrages, in dem sich der Sicherungsgeber verpflichtet, dem Sicherungsnehmer künftig regelmäßig Forderungen in einem solchen Umfang abzutreten, daß die Summe der abgetretenen Forderungen zu jeder Zeit mindestens den vereinbarten Sicherungsbetrag, die sog. Deckungsgrenze erreicht. Diese Deckungsgrenze orientiert sich am zu sichernden Kreditvolumen, liegt jedoch regelmäßig darüber. Die Mantelzession unterscheidet sich von der Globalzession wesentlich dadurch, daß hier nicht - in einem einheitlichen Abtretungsvertrag - künftige Forderungen und im voraus abgetreten werden, sondern daß hier - in Erfüllung des Rahmen (Mantel-) Vertrages - ständig entstandene Forderungen durch jeweils neue Abtretungsverträge auf den Sicherungsnehmer übertragen werden. Um die Abtretungen zu vereinfachen, wird im Rahmenvertrag vereinbart, daß der Sicherungsgeber der Bank jeweils Listen mit neu entstandenen Kundenforderungen oder auch Rechnungsdurchschriften übersendet. Hierin liegt dann das Angebot auf Abschluß eines entsprechenden Abtretungsvertrages, das die Bank mit Entgegennahme der Listen resp. der Rechnungsdurchschriften annimmt.

212

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Die Mantelzession hat gegenüber der Globalzession für den Sicherungsnehmer den Nachteil, daß hier kein automatischer Forderungsübergang stattfindet, die Bank also Forderungen nur insoweit erwirbt, als der Sicherungsgeber seinen Abtretungspflichten regelmäßig nachkommt. Es kann also ein für die Bank nachteiliges Aushöhlen des Forderungsbestandes eintreten, wenn der Sicherungsgeber seine Vertragspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt. Ein weiterer Nachteil für die Bank liegt darin, daß die Forderungen vor der Abtretung dem Vollstreckungszugriff anderer Gläubiger des Sicherungsgebers unterliegen, die die Forderungen durch Pfändung für die Bank wertlos machen können, denn die Bank würde die Forderung dann belastet mit dem Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers erwerben. Der Vorteil der Mantelzession liegt demgegenüber darin, daß da ja bereits entstandene Forderungen abgetreten werden! das oft schwer in den Griff zu bekommende Bestimmbarkeitsproblem gänzlich entfällt. Wegen des aus Bankensicht Überwiegens der geschilderten Nachteile hat die Mantelzession heute jedoch kaum noch praktische Bedeutung.

5.

Rechtsstellung des Drittschuldners

Die Rechte und Pflichten des Drittschuldners, die ihm gegenüber seinem Gläubiger - dem Sicherungsgeber - zustehen, werden durch die Abtretung grundsätzlich nicht berührt. So kann er gemäß § 404 BGB dem Sicherungsnehmer/Zessionar diejenigen Einwendungen entgegenhalten, die ihm gegenüber dem Sicherungsgeber/Zedenten

zustehen würden. Dies betrifft

IV. Sicherungsabtretung

213

Einwendungen im weitesten Sinne, wie etwa Nichtigkeit, Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB, Erfüllung und Verjährung der Forderung, Wandelung und Minderung beim Kaufvertrag. D a den abgetretenen Forderungen nicht 'anzusehen' ist, ob sie einredebehaftet sind, bedeutet die Schuldnerschutz-Vorschrift des § 404 BGB ein erhebliches Risiko für den Sicherungsnehmer. Dies wird durch den Umstand gesteigert, daß § 404 BGB nicht nur die bei Abtretung der Forderung bereits bestehenden Einwendungen erfaßt, sondern auch solche, die sich erst danach aus der weiteren Entwicklung des Schuldverhältnisses zwischen Sicherungsgeber und Drittschuldner ergeben. Ein weiteres Risiko für den Sicherungsnehmer resultiert aus der Gutglaubensschutz-Vorschrift des § 407 BGB. Danach muß die Bank bei einer stillen Zession jede Leistung des Drittschuldners an den Sicherungsgeber, die er in Unkenntnis der Abtretung vornimmt sowie jedes Rechtsgeschäft, das die beiden bzgl. der Forderung tätigen (z.B. Stundung, Vergleich, Erlaß, Ratenzahlungsvereinbarung), gegen sich gelten lassen. § 407 BGB greift nur dann nicht, wenn der Drittschuldner positive Kenntnis von der Abtretung hat, d.h. auch fahrlässige Unkenntnis (das "kennen müssen" schadet ihm nicht). § 406 BGB schließlich erhält dem Drittschuldner auch seine Aufrechnungsmöglichkeit [vgl. zur Aufrechnung §§ 387 ff. BGB sowie Medicus, Schuldrecht I, 5. Aufl., München 1990, § 26], obwohl die nach § 387 BGB für die Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen nach der Abtretung nicht mehr gegeben ist. Nach § 406 BGB kann der Drittschuldner mit einer ihm gegen den Sicherungsgeber zustehenden Forderung auch gegenüber dem Siehe-

214

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

rungsnehmer aufrechnen, es sei denn, daß der Drittschuldner die Abtretung bei Erwerb seiner Gegenforderung bereits kannte, oder aber die Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist [vgl. zu diesen Ausnahmen ausf. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNn. 168 ff.]. Die §§ 404 ff. BGB sichern den Drittschuldner also gegen die sich für ihn aus der Abtretung potentiell ergebenden Risiken sehr weitgehend ab; Risikoträger ist hier der Sicherungsnehmer.

6.

Rechtslage nach Tilgung der gesicherten Forderung

Die bereits mehrfach angesprochene Ähnlichkeit der Strukturen von Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung tritt insbesondere auch hinsichtlich der Rechtslage nach Tilgung der gesicherten Forderung in Erscheinung. Es kann deshalb grundsätzlich auf die entsprechenden Ausführungen zur Sicherungsübereignung (oben III, 6) Bezug genommen werden, sie gelten /

im wesentlichen auch für die Sicherungsabtretung. Für die Frage, wie der Sicherungsgeber wieder Gläubiger der ihm nach Wegfall des Sicherungszwecks zustehenden Forderungen wird, kommt es auch hier entsprechend auf die Konstruktion des Sicherungsgeschäftes (hier: der Sicherungsabtretung) an. a)

Auflösend bedingte Sicherungsabtretung

War die Sicherungsabtretung unter die auflösende Bedingung der vollständigen Tilgung der gesicherten Kreditforderung ge-

IV. Sicherungsabtretung

215

stellt (§ 158 Abs. 2 BGB), so fallen die abgetretenen Forderungen mit der vollständigen Kredittilgung automatisch an den Sicherungsgeber zurück. Diese Rückerwerbsposition des Sicherungsgebers ist durch § 161 Abs. 2 BGB gegen jegliche Zwischenverfügungen des Sicherungsnehmers, wie etwa Abtretung der Sicherungsforderungen an Dritte, absolut geschützt, denn derartige Verfügungen werden mit Bedingungseintritt (= Kredittilgung) unwirksam. Auch hier kann - wie bei der Sicherungsübereignung - der Streit darüber, ob im Zweifel die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung anzunehmen ist [dafür Baur-Stürner, a.a.O., § 58 I, 1 dd; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 660] vernachlässigt werden, da die Formularpraxis der Banken regelmäßig den Weg des schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruchs wählt.

b)

Schuldrechtlicher Rückübertragungsan spruch

Nach der üblichen Vertragspraxis der Kreditinstitute steht dem Sicherungsgeber nach Kredittilgung also lediglich ein schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch bezüglich der abgetretenen Forderungen zu. Der Sicherungsgeber ist damit gegen treuwidrige Verfügungen des Sicherungsnehmers nicht geschützt, da § 161 Abs. 2 BGB keine Anwendung findet. Der Rückübertragungsanspruch wird dadurch erfüllt, daß Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber einen (Rück-) Abtretungsvertrag nach § 398 BGB schließen. Der Sicherungsgeber wird damit ohne weiteres wieder Gläubiger 'seiner' Forderungen.

216 7.

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Rechtslage nach Eintritt des Sicherungsfalles: Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers

Eine weitgehende Parallelität zur Rechtslage bei der Sicherungsübereignung ergibt sich bei der Sicherungsabtretung auch für die Situation nach Eintritt des Sicherungsfalles, der dann vorliegt, wenn der Sicherungsgeber den Kredit trotz Fälligkeit nicht tilgt. Es wird dann auch hier das Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers, das ja seine Rechtsposition im wesentlichen ausmacht, aktuell. Die Verwertung von Forderungen erfolgt durch deren Einziehung. Ist der Sicherungsfall eingetreten, so wird der Sicherungsnehmer die bisher als still behandelte Zession den Drittschuldnern des Sicherungsgebers offenlegen und von diesen Zahlung an sich verlangen. Wie bei der Sicherungsübereignung muß der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber jedoch die Verwertung und damit verbundene Offenlegung der Zession vorher mit angemessener

Frist

ankündigen, damit dieser Gelegenheit hat, die Anzeige an die Drittschuldner durch Ablösezahlung abzuwenden. Diese Verpflichtung des Sicherungsnehmers dürfte allerdings regelmäßig ins Leere laufen, denn wenn der Kredit notleidend geworden ist, wird der Sicherungsgeber auch zu einer solchen Ablösezahlung nicht mehr in der Lage sein. Soweit der Sicherungsnehmer die abgetretenen Forderungen einzieht, erlischt die gesicherte Kreditforderung in Höhe der vereinnahmten Beträge. Ein die Kreditforderung übersteigender Erlös ist an den Sicherungsgeber auszukehren.

IV. Sicherungsabtretung

217

8.

Sicherungsabtretung in Zwangsvollstreckung und Konkurs

a)

Einzelvollstreckung

Vollstreckt ein Gläubiger des Sicherungsnehmers in die ihm abgetretene Forderung, so steht dem Sicherungsgeber hiergegen die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu, denn im Verhältnis zum Sicherungsnehmer ist er als Forderungsinhaber zu behandeln. Wie bei der Sicherungsübereignung gehört auch hier das Sicherungsgut (Forderung) nicht zur allgemeinen Haftungsmasse des Sicherungsnehmers und unterliegt damit nicht dem Zugriff seiner Gläubiger [ganz h.M. vgl. MüKo z. ZPO (K. Schmidt), § 771 RNr. 28 m.w.N.]. Das Widerspruchsrecht des Sicherungsgebers endet jedoch in dem Moment, wo der Sicherungsfall und damit Verwertungsreife eingetreten ist, denn dann ist die Rechtszuständigkeit des Sicherungsgebers endgültig beendet. Vollstreckt ein Gläubiger des Sicherungsgebers in die abgetretene Forderung, so gibt die h.M. [vgl. die Nachweise MüKo z. ZPO (K. Schmidt), § 771 FN 83] auch dem Sicherungsnehmer die Klagemöglichkeit aus § 771 ZPO. Die Gegenmeinung [vgl. etwa Hj. Weber, a.a.O., S. 227] gewährt dem Sicherungsnehmer hier nur ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO. Der h.M. ist der Vorzug zu geben, da anderenfalls der Sicherungsnehmer durch Vollstreckungsakte von Gläubigern des Sicherungsgebers sein ihm vertraglich eingeräumtes Recht, die

218

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Sache selbst zu verwerten, verlieren würde [so auch PrüttingWeth JuS 1988, 510].

b)

Konkurs

Wie schon bei der Sicherungsübereignung hervorgehoben, ist im Konkursrecht hinsichtlich der Vermögenszuordnung von Sicherungsgegenständen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzustellen. Dies gilt auch für die Sicherungsabtretung und führt hier zu folgenden Feststellungen: Fällt der Sicherungsnehmer in Konkurs, so kann der Sicherungsgeber die abgetretene Forderung gemäß § 43 KO aus der Konkursmasse aussondern, denn sie ist wirtschaftlich seinem Vermögen zuzuordnen. Das Aussonderungsrecht kann allerdings nur Zug um Zug gegen Tilgung des Kredites ausgeübt werden. Wird über das Vermögen des Sicherungsgebers das Konkursverfahren eröffnet, so steht dem Sicherungsnehmer bezüglich der abgetretenen Sicherungsforderung - wie dem Pfandgläubiger und dem Sicherungseigentümer - ein Absonderungsrecht gemäß § 48 KO zu, d.h. er kann jetzt - wie bei Eintritt des Sicherungsfalles - die Sicherungsforderung für sich verwerten, sie also beim Drittschuldner einziehen. Das Recht auf abgesonderte Befriedigung umfaßt allerdings nach § 15 KO nur die zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits entstandenen Forderungen: § 15 KO schließt den Erwerb von nach Konkurseröffnung entstandenen Forderungen durch den Sicherungsnehmer aus.

V.

219

Eigentumsvorbehalt

V.

Eigentumsvorbehalt

1.

Allgemeines. Rechtsnatur und wirtschaftliche Bedeutung

Während Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung als typische Sicherungsmittel der Geldkreditgeber fungieren, ist der Eigentumsvorbehalt das Sicherungsmittel der Warenkreditgeber, also der Lieferanten (vgl. zum Lieferantenkredit bereits oben Kap. 2,1, 2 a). Lieferanten sind regelmäßig zur Vorleistung gezwungen, d.h. sie müssen den Käufer jetzt beliefern, die Kaufpreiszahlung jedoch auf Ziel stellen, also stunden, da der Käufer den Kaufpreis erst durch Nutzung der Kaufsache (etwa Weiterveräußerung,

Verarbeitung)

'verdienen'

muß.

Verweigert der Lieferant die Stundung des Kaufpreises, so kauft der Käufer woanders. Es sind also letztlich meist Gründe des Wettbewerbs, die den Lieferanten zur Vorleistung nötigen. Besteht die Vorleistung in der Übereignung der Kaufsache an den Käufer, so ist die Stellung des Lieferanten äußerst ungünstig, denn nach § 454 BGB verliert er dann das Rücktrittsrecht des § 326 BGB, das ihm normalerweise zusteht, wenn der Käufer mit der Kaufpreiszahlung in Verzug gerät. Es bleibt ihm dann nur die Möglichkeit, den Kaufpreis einzuklagen. U m diese Schlechterstellung zu vermeiden, kann der Lieferant nach § 455 BGB vorgehen: Er übergibt dem Käufer die Kaufsache zwar, behält sich jedoch das Eigentum daran bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vor. Damit ist zunächst beiden Parteien gedient: Der Käufer kann die Sache bereits nutzen, der Verkäufer hat seine Kaufpreisforderung durch Vorbehalt des Eigentums an der Kaufsache gesichert; nach § 455 BGB kann er, wenn der Käufer mit der Kaufpreiszahlung in Verzug gerät, vom Kaufvertrag zurücktreten und die Kaufsache nach §

220

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

985 BGB vom Käufer herausverlangen. Die Sicherungsfunktion des Eigentumsvorbehalts äußert sich weiter darin, daß der Verkäufer Angriffe von Gläubigern des Käufers auf die Kaufsache abwehren kann. Ihm steht etwa bei Pfändung die Drittwiderspruchsklage aus § 771 ZPO zu (dazu unten 6 a). Wie Sicherungsübereignung und Sicherungszession bewirkt auch der Eigentumsvorbehalt eine Art Rechtsteilung [so auch BaurStüraer, a.a.O., § 59 I, 1 b]: Der Verkäufer behält das aus dem Eigentum resultierende Sicherungs- und Verwertungsrecht an der Kaufsache, der Käufer erwirbt das Nutzungsrecht daran. Wie die Sicherungsübereignung ist auch der Eigentumsvorbehalt nicht-akzessorisches Sicherungsmittel. Tritt also der Verkäufer die Kaufpreisforderung an einen Dritten (Zessionar) ab, so geht das Eigentum nicht automatisch mit auf den Zessionar über, § 401 BGB gilt hier nicht. Die wirtschaftliche Bedeutung des Eigentumsvorbehalts ist immens: Eine Untersuchung aus 1985 [vgl. Drukarczyk-DuttleRieger, a.a.O., S. 64] kommt zu dem Ergebnis, daß Lieferantenkredite zu fast 100% durch Eigentumsvorbehalte und ihre Erweiterungen und Verlängerungen gesichert werden. Dies gilt für nahezu alle Branchen und Handelsstufen. Da der Eigentumsvorbehalt jedoch wie die Sicherungsübereignung ein 'heimliches' Sicherungsmittel ist, birgt er genau die gleichen Gefahren für andere Gläubiger des Käufers in sich, wie sie bereits für die Gläubiger des Sicherungsgebers bei der Sicherungsübereignung beschrieben wurden: Der Käufer ist im Besitz unterschiedlichster Vermögenswerte, die ihm vielfach (noch) gar nicht gehören, da die Kaufpreise noch nicht voll ge-

V.

221

Eigentwnsvorbehalt

zahlt sind, so daß Gläubiger, die ihm im Vertrauen auf den Schein (ungesicherten) Kredit gegeben haben, später im Vollstreckungsfall feststellen müssen, daß für sie verwertbares Vermögen nicht vorhanden ist. Diese Gefahren vermögen jedoch ebensowenig, wie sie das im Fall der Sicherungsübereignung vermochten, eine gesetzliche Abschaffung des Eigentumsvorbehalts zu legitimieren, zumal er die einzige Möglichkeit für die Lieferanten darstellt, ihre Kaufpreisforderungen 'konkursfest' abzusichern [vgl. i.d.S. auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 374],

2.

Begründung des Eigentumsvorbehalts

a)

Vereinbarter Eigentumsvorbehalt

D e r Eigentumsvorbehalt entfaltet seine vollen schuld- und sachenrechtlichen Wirkungen (dazu sogleich unter 3.) nur dann, wenn er im Kaufvertrag vereinbart worden ist. Die hier übliche Formulierung lautet, daß der Verkäufer sich das Eigentum bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehält. An diese Vereinbarung knüpft § 455 BGB (die einzige Vorschrift des BGB, beschäftigt!)

die sich explizit mit dem die

Auslegungsregel,

daß

Eigentumsvorbehalt dann

-

mangels

anderweitiger Vereinbarung - die Übertragung des Eigentums unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Zahlung des Kaufpreises erfolgt. Damit wird die in § 433 Abs. 1 BGB statuierte Grundpflicht des Verkäufers modifiziert:

Er

schuldet

dem

Käufer

lediglich

bedingte

Übereignung, seine Vorleistungspflicht bezieht sich damit nur

222

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

auf Besitzverschaffang und eine durch vollständige Kaufpreiszahlung bedingte Einigung i.S.v. § 929 BGB. Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts ist regelmäßig Bestandteil der AGB der Lieferanten. Soweit die Beteiligten Kaufleute sind - und das ist im hier zu behandelnden Unternehmensbereich der Regelfall stellt die Einbeziehung der Lieferanten-AGB in den einzelnen Kaufvertrag kein Problem dar. Nach der Rechtsprechung [vgl. BGH NJW 1982, 1750] soll es für die Einbeziehung genügen, wenn der Lieferant auf seine AGB hinweist und der Käufer nicht widerspricht, dies auch dann, wenn die AGB dem Käufer nicht übersandt worden waren. Problematisch ist die Rechtslage indessen dann, wenn Lieferant und Käufer einander widersprechende AGB verwenden. Beispiel: Kfügt seiner Bestellung bei Vseine Einkaufsbedingungen bei. Diese enthalten u.a. die Klausel: "Andere Bedingungen werden nicht Vertragsinhalt, auch wenn wir ihnen nicht ausdrücklich widersprechen" (sog. Abwehrklausel). V bestätigt die Bestellung unter Beifügung seiner Lieferbedingungen, in denen es u.a. heißt: "Alle gelieferten Waren bleiben bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises Eigentum des Verkäufers." Der BGH hatte das Problem zunächst [vgl. BGH NJW 1973, 2106] über die sog. 'Theorie des letzten Wortes' lösen wollen: Danach sollen die AGB desjenigen Vertragsteils Vertragsinhalt werden, der zuletzt auf sie verweist. Dies konnte nicht überzeugen, denn welche AGB Vertragsinhalt wurden, hing letzt-

V.

Eigentwnsvorbehalt

223

lieh von der Zufälligkeit der Reihenfolge der gewechselten Schreiben ab. Der BGH hat deshalb diesen Lösungsweg zu Recht aufgegeben und praktiziert nun [vgl. BGH NJW 1985, 1838] die sog. 'Konsenstheorie', derzufolge AGB nur insoweit Vertragsinhalt werden, als sie übereinstimmen. Soweit sie kollidieren, verdrängen sie sich gegenseitig; es gilt dann für den betreffenden Regelungsgegenstand Gesetzesrecht. Im Beispiel kollidieren Abwehrklausel und Eigentumsvorbehalt mit der Folge, daß letzterer nicht Bestandteil des Kaufvertrages geworden ist. Der Eigentumsvorbehalt ist damit schuldrechtlich nicht vereinbart. Ist der Eigentumsvorbehalt im Kaufvertrag wirksam vereinbart, so erstreckt er sich ohne weiteres auch auf die dingliche (sachenrechtliche) Einigung nach § 929 BGB, muß also dort nicht nochmals ausdrücklich erklärt werden [vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 59 II, 1 d],

b)

Einseitig erklärter Eigentumsvorbehalt

Ist der Eigentumsvorbehalt im Kaufvertrag nicht wirksam vereinbart - etwa weil eine Abwehrklausel in den Käufer-AGB dies hinderte -, so wird der Verkäufer versuchen, ihn gleichwohl auf der sachenrechtlichen Ebene durchzusetzen. Dies kann er, indem er dem Käufer nur eine durch die vollständige Zahlung des Kaufpreises bedingte Übereignung (§§ 929, 158 Abs. 1 BGB) anbietet. Er verhält sich damit allerdings vertragswidrig, denn da der Eigentumsvorbehalt nicht Bestandteil des Kaufvertrages geworden ist, schuldet er dem Käufer nach § 433 Abs. 1 BGB unbedingte Übereignung. Die weitere Ent-

224

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

wicklung hängt jetzt vom Käufer ab: Er kann das Angebot des Verkäufers auf bedingte Übereignung annehmen, muß dies aber nicht, da ihm aus dem Kaufvertrag ein Anspruch auf unbedingte Übereignung zusteht. Lehnt er das Angebot auf bedingte Übereignung ab, kommt überhaupt keine Einigung i.S.v. § 929 BGB zustande. Er kann dann den Verkäufer auf unbedingte Übereignung verklagen. Da er jedoch regelmäßig ein Interesse an der alsbaldigen Besitzerlangung und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeit bzgl. der Kaufsache haben wird, ist es für ihn meist besser, wenn er das Angebot des Verkäufers auf bedingte Übereignung annimmt: Er erhält dann den Besitz an der Sache und wird mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises ihr Eigentümer. Verbindet der Verkäufer mit der Lieferung der Kaufsache die (einseitige) Erklärung des Eigentumsvorbehalts und nimmt der Käufer dies widerspruchslos hin, so ist hierin die - konkludente - Annahme des Angebots der bedingten Übereignung zu sehen. Hat jedoch der Verkäufer auch bei Einigung und Übergabe der Kaufsache den Eigentumsvorbehalt nicht ausdrücklich erklärt, so ist die Lieferung als Angebot der unbedingten Übereignung zu werten, das der Käufer konkludent annimmt. Ein später etwa auf der Rechnung erklärter Eigentumsvorbehalt geht dann ins Leere, der Käufer hat bereits unbedingtes Eigentum erworben. Mit dem bei Lieferung einseitig erklärten Eigentumsvorbehalt muß der Käufer nicht rechnen, da er vertragswidrig ist. Deshalb kann die einseitige Erklärung des Eigentumsvorbehalts nach der Rechtsprechung des BGH [vgl. BGH NJW 1975, 1699; NJW 1979, 2199; NJW 1982, 1750] nur dann Wirkung entfalten, wenn sie ausdrücklich und deutlich erfolgt

V. Eigentumsvorbehalt

225

und einer für die Vertragsgestaltung zuständigen Person im Bereich des Käufers zugeht. Lieferscheinvermerke genügen diesen Anforderungen i.d.R. nicht, da Lieferscheine der Betriebsbuchhaltung zugehen, die für die Vertragsgestaltung zuständigen Personen Lieferscheine also regelmäßig nicht zu Gesicht bekommen [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 384]. Anders entschied der BGH [vgl. NJW 1982, 1749] in einem Fall, in dem der Verkäufer im Lieferschein auf den Eigentumsvorbehalt in seinen AGB hinwies, den der Käufer durch eine Abwehrklausel verhindern konnte, wobei es so war, daß der Verkäufer bereits im Stadium des Vertragsabschlusses in der Auftragsbestätigung auf seine (den Eigentumsvorbehalt enthaltenden) AGB Bezug genommen hatte, die dem Käufer jedoch nicht zur Kenntnis gelangt waren. Hier müsse - so das Gericht der Käufer damit rechnen, daß bei Lieferung ein einseitiger Eigentumsvorbehalt erklärt werde und deshalb den Lieferschein entsprechend prüfen. Diese Begründung überzeugt so nicht. Es ist schwer nachzuvollziehen, daß ein Käufer mit einem Eigentumsvorbehalt rechnen müssen soll, von dessen Statuierung in den Verkäufer-AGB er nichts wußte und die er überdies abwehren konnte [vgl. zur Kritik am BGH auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 384 a.E.]. Der anläßlich der Lieferung einseitig erklärte - vertragswidrige - Eigentumsvorbehalt hat keine Auswirkungen auf den Kaufvertrag, d.h. dem Verkäufer steht nicht das gegenüber § 326 BGB erleichterte (keine Fristsetzung erforderlich) Rücktrittsrecht des § 455 BGB für den Fall des Zahlungsverzugs des Käufers zu. Die Hinnahme der bedingten Übereignung durch den Käufer kann nicht darüberhinaus als Wille des Käufers zur

226

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Abänderung des Kaufvertrags interpretiert werden, die seine Stellung weiter verschlechtern würde [so auch PottschmidtRohr, a.a.O., RNr. 385].

3.

Wirkungen des Eigentumsvorbehalts

Der im Kaufvertrag wirksam vereinbarte Eigentumsvorbehalt wirkt sich gleichermaßen auf die schuldrechtliche wie die sachenrechtliche Ebene aus.

a)

Schuldrechtliche Wirkungen

Die schuldrechtliche Wirkung des im Kaufvertrag vereinbarten Eigentumsvorbehalts besteht zunächst darin, daß damit die Verkäuferpflicht aus § 433 Abs. 1 BGB im oben (vgl. unter 1) dargelegten Sinn modifiziert wird: Einerseits ist er bzgl. der Besitzübertragung vorleistungspflichtig, schuldet andererseits aber nur bedingte Übereignung, d.h. der Käufer wird Eigentümer erst mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises. Eine weitere schuldrechtliche Wirkung ergibt sich aus § 455 BGB. Danach ist der Verkäufer im Falle des Zahlungsverzugs des Käufers zum Rücktritt berechtigt, ohne die ansonsten nach § 326 BGB erforderliche Nachfrist setzen zu müssen. Erklärt der Verkäufer den Rücktritt und ist der Rücktrittsgrund Verzug (vgl. § 284 BGB) gegeben, so wandelt sich der Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis, auf das die §§ 346 ff. BGB Anwendung finden. Danach muß der Käufer dem Verkäufer die Kaufsache zurückgeben. Der Verkäufer schuldet

V.

227

Eigenlumsvorbehalt

Rückzahlung der bereits empfangenen Kaufpreisteile, kann davon aber eine Entschädigung für die Nutzung absetzen (§§ 347 Satz 2, 987 ff. BGB) [vgl. dazu BGH NJW 1984, 2937]. Hat der Käufer Verwendungen auf die Sache gemacht (etwa Reparaturkosten), so kann er vom Verkäufer insoweit Ersatz verlangen (§§ 347 Satz 2, 994 ff. BGB). Problematisch und umstritten ist die Frage, ob dem Verkäufer bei Zahlungsverzug des Käufers ein Rückholrecht bzgl. der Kaufsache ohne Ausübung des Rücktrittsrechts zusteht. Übt der Verkäufer sein Rücktrittsrecht aus, verliert er seinen Kaufpreisanspruch und bekommt die vom Käufer benutzte Kaufsache zurück, die er u.U. nur schwer wird wiederverkaufen können. Er wird deshalb im Verzugsfall dazu neigen, sein Rücktrittsrecht nicht auszuüben und beim Vertrag stehen zu bleiben, gleichwohl aber seine Sache zurückzuholen, um damit Druck auf den Käufer auszuüben in der Hoffnung, dieser werde

dann

zahlen.

Soweit

das

Verbraucherkreditgesetz

Anwendung findet, ist die Rechtslage klar: Nach § 13 Abs. 3 VerbrKrG gilt der Rücktritt als ausgeübt, wenn der Verkäufer die Sache wieder an sich nimmt. Vom Anwendungsbereich des VerbrKrG

ausgenommen

sind

jedoch

die

hier

allein

interessierenden Fälle, in denen der Käufer ein Unternehmen resp. ein gewerblich oder beruflich Selbständiger ist (§ 1 Abs. 1 VerbrKrG). Für diesen Bereich fehlt eine gesetzliche Regelung des Problems. Die Lösung muß über eine Bewertung der hier konfligierenden Interessen von Verkäufer und Käufer gesucht werden, wobei auf Käuferseite der Umstand wesentlich ins Gewicht fällt, daß die Rückholung der Kaufsache zu u.U. gravie-

228

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

renden Behinderungen, wenn nicht gar zum Stillstand der Betriebsabläufe führt. Gleichwertige Belange auf Seiten des Verkäufers sind nicht ersichtlich. Es ist deshalb dem BGH zuzustimmen, der entschieden hat [vgl. BGHZ 54, 221], daß der Verkäufer Herausgabe der Sache nicht schon bei Zahlungsverzug, sondern erst nach Ausübung seines Rücktrittsrechts nach § 455 BGB verlangen kann. Zur Begründung ist ausgeführt, das Rückholrecht laufe dem wirtschaftlichen Zweck des Kaufvertrages zuwider. Wenn es sich um hochwertige Investitionsgüter handele, sei es der Sinn des Kaufvertrages, daß die Güter beim Käufer in der Produktion eingesetzt bleiben und ihre Anschaffung aus den Erträgen finanziert werde. Ähnliches gelte für den gewerblichen Handel mit Verbrauchsgütern. Diese müßten möglichst rasch umgesetzt werden, damit vertrage sich ein einstweiliges Rückholrecht des Lieferanten schlecht. Dem ist zu folgen [vgl. zust. auch Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, 5. Aufl., Neuwied 1992, S. 358]. Ein Rückholrecht des Lieferanten wird man daher nur in Ausnahmefällen annehmen dürfen, wie etwa dann, wenn während des Verzugs ein erheblicher Wertverlust der Kaufsache - z.B. infolge mangelhafter Wartung oder unsachgemäßer Behandlung durch den Käufer - droht [so auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 397 a.E.] Die Parteien können allerdings im Kaufvertrag ein rücktrittsunabhängiges Rückholrecht vereinbaren. Soweit es Bestandteil von AGB ist, dürfte die entsprechende Klausel an § 9 AGBG scheitern, da sie unter Zugrundelegung der vorstehend dargelegten Wertung des BGH als unangemessene Benachteiligung des Käufers zu würdigen wäre [so auch Reinicke-Tiedtke, a.a.O.].

V. Eigentumsvorbehalt

b)

229

Sachenrechtliche Wirkungen des Eigentumsvorbehalts. Das Anwartschaftsrecht des Käufers

Beim vereinbarten wie beim einseitig erklärten und vom Käufer akzeptierten Eigentumsvorbehalt einigen sich Verkäufer und Käufer bereits bei der Übergabe der Sache über den Eigentumsübergang, stellen die Einigung jedoch unter die aufschiebende Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises (§§ 929, 158 Abs. 1 BGB). Die Wirkung der Einigung ist damit auf den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung hinausgeschoben. Damit bleibt der Verkäufer bis zu diesem Zeitpunkt Eigentümer. Ist der Kaufpreis bezahlt, geht das Eigentum automatisch, d.h. ohne weitere Handlungen resp. Erklärungen der Parteien, auf den Käufer über. Da der Verkäufer zunächst Eigentümer bleibt, verbleibt ihm auch die Rechtsmacht für Verfügungen über die Kaufsache zugunsten Dritter; so kann er etwa die Kaufsache zur Kreditsicherung an eine Bank durch Einigung und Abtretung seines Herausgabeanspruchs gemäß §§ 929, 931 BGB übereignen. Der Käufer ist hiergegen jedoch durch § 161 Abs. 1 BGB geschützt: Die Drittübereignung verliert nach dieser Vorschrift mit Bedingungseintritt, also der Kaufpreiszahlung, ihre Wirkung, der Dritterwerber verliert sein Eigentum damit wieder an den Käufer. Vom Zeitpunkt der Übergabe an steht dem Käufer ein Recht zum Besitz an der Sache nach § 986 BGB zu, mit dem er gemäß § 986 Abs. 2 BGB auch Herausgabeansprüche von Dritterwerbern abwehren kann.

230

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Beispiel: V verkauft unter Eigentumsvorbehalt und übergibt an K am 1.4. drei LKW zum Gesamtpreis von 300.000,DM. Der Kaufpreis soll vereinbarungsgemäß am 1.7. gezahlt werden. Am 15.4 übereignet V die drei LKW gemäß §§ 929, 931 BGB auf Verlangen seiner Bank zur weiteren Besicherung eines laufenden Kredites an die Bank Als V einen am 1.6. fälligen Kreditteil nicht tilgt, verlangt die Bank von K Herausgabe der LKW nach § 985 BGB, um die Fahrzeuge für sich zu verwerten. K verweigert die Herausgabe. Am 1.7. zahlt er den Kaufpreis. Die Bank ist durch die am 15.4 erfolgte Sicherungsübereignung Eigentümerin geworden, ihr steht daher der Vindikationsanspruch aus § 985 BGB zu. K verweigert jedoch zu Recht nach § 986 Abs. 2 BGB die Herausgabe, da die Bank nach § 931 BGB Eigentum erworben hat; damit kann K sein dem V gegenüber zustehendes Besitzrecht auch der Bank entgegenhalten. Am 1.7. erwirbt K mit der Kaufpreiszahlung (Bedingungseintritt) Eigentum, die Bank wird nach § 161 Abs. 1 BGB damit automatisch 'enteignet'. Das Besitzrecht des K nach § 986 Abs. 1 BGB resultiert aus dem wirtschaftlichen Zweck des Kaufvertrages: Danach ist V verpflichtet, dem K die Kaufsache im Wege der Vorleistung zur Nutzung zu übergeben. Damit ist der Kaufvertrag Besitzmittlungsverhältnis i.S.v. § 868 BGB, der Verkäufer also mittelbarer Besitzer, ihm stehen die gleichen Besitzschutzansprüche zu wie dem Käufer als unmittelbarem Besitzer (§ 869 BGB).

V. Eigentumsvorbehalt

231

Der Verkäufer bleibt bis zur Kaufpreiszahlung Volleigentümer, der Käufer erwirbt mit ihr seinerseits Volleigentum. Ist der Kaufpreis in Raten zu entrichten, wäre eine entsprechende prorata Umverteilung des Eigentums denkbar: Dem Käufer wächst mit jeder Ratenzahlung ein entsprechender Eigentumsanteil zu, hat er also etwa 50% des Kaufpreises entrichtet, so wäre er Eigentümer zu 1 /2. Wegen des im Sachenrecht dringend erforderlichen Prinzips der Rechtsklarheit hat das BGB die Möglichkeit eines derartigen /?ro-rafa-Eigentumserwerbs jedoch nicht realisiert. Der Käufer bleibt also voller Nichteigentümer, auch wenn er bereits 99% des Kaufpreises gezahlt hat. Nun ist aber bei hier gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht zu übersehen, daß die Position des Käufers wirtschaftlich um so wertvoller ist, je geringer der noch ausstehende Kaufpreisrest ist [vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 59 I, 2 a]. Dieser wirtschaftliche Wert der Käuferposition wird auf der rechtlichen Ebene dadurch anerkannt, daß die ganz h.M. in Lehre [vgl. nur Baur-Stürner, a.a.O., §§ 59 I, 1 b; V] und Rechtsprechung [vgl. bereits BGHZ 20, 99] dem Vorbehaltskäufer jetzt schon (d.h. vor Eigentumserwerb) ein dingliches Recht an der Kaufsache, das sog. Anwartschaftsrecht zugesteht. Von einem Anwartschaftsrecht spricht man allgemein dann, wenn von einem mehraktigen Erwerbstatbestand bereits so viele Erfordernisse erfüllt sind, daß man von einer gesicherten Rechtsstellung des Erwerbers sprechen kann [vgl. B G H Z 27, 386; Hj. Weber, a.a.O., S. 120]. Das kann man immer dann, wenn der endgültige Rechtserwerb allein vom Erwerber abhängt, der Veräußerer den Erwerb also einseitig nicht mehr verhindern kann. Dies aber ist bei der durch Kaufpreiszahlung

232

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

bedingten Übereignung der Fall: Der Käufer ist durch § 161 BGB gegen vertragswidrige Verfügungen des Verkäufers über die Kaufsache geschützt, und tilgt er die Kaufpreisforderung vertragsgemäß, kann der Verkäufer seinen Eigentumserwerb nicht mehr verhindern. Die Zulässigkeit des Anwartschaftsrechts des Vorbehaltskäufers war lange insbesondere wegen des numerus clausus der Sachenrechte (aus Verkehrsschutzgründen dürfen nur die Typen von Rechten an Sachen begründet werden, die das BGB explizit vorsieht) heftigst umstritten [vgl. die Nachweise bei BaurStürner, a.a.O., § 59 V, 1], denn das BGB kennt kein Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers. Der Streit kann heute als ausgetragen gelten. Nachdem der BGH [vgl. BGHZ 20, 88; 28, 21 u.ö.] judiziert hatte, das Anwartschaftsrecht sei kein neues (und damit unzulässiges) Sachenrecht, sondern eine "bloße Vorstufe des Eigentums", ein dem Vollrecht Eigentum "wesensgleiches Minus", war das numerus-clausus-Argument vom Tisch und die praktische Handhabung des Anwartschaftsrechts weitgehend entproblematisiert. Letztlich haben einmal mehr auch hier die wirtschaftlichen Erwägungen den Ausschlag gegeben: Der wirtschaftliche Wert der Erwerbsposition des Vorbehaltskäufers muß auch auf der rechtlichen Ebene für ihn und seine Gläubiger nutzbar gemacht werden können [vgl. i.d.S. Baur-Stürner, a.a.O., § 59 V, 1]. Auf der Basis der Rechtsprechung des BGH ergeben sich für das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers folgende Grundsätze für seine praktische Ausgestaltung und Handhabung:

V. Eigentumsvorbehalt

233

(1) Das Anwartschaftsrecht wird dadurch begründet, daß der Verkäufer/Eigentümer die Kaufsache dem Käufer bedingt übereignet und übergibt. Ist der Verkäufer Nichteigentümer, so erwirbt der Käufer, soweit er gutgläubig ist, das Anwartschaftsrecht in entsprechender Anwendung (Anwartschaftsrecht = dem Eigentum wesensgleiches Minus!) der §§ 932 ff. BGB, wobei § 935 BGB zu beachten ist, der den Erwerb auch des Anwartschaftsrechts ausschließt, wenn die Kaufsache dem wirklichen Eigentümer gestohlen worden oder sonst abhanden gekommen war. Hat der Käufer das Anwartschaftsrecht gutgläubig erworben, so wird er auch hier mit Kaufpreiszahlung Eigentümer [h.M. vgl. nur Baur-Stürner, a.a.O., § 59 V, 3 a]. (2) Der Käufer kann sein Anwartschaftsrecht auf einen Dritten übertragen. Praktisch bedeutsam ist die Übertragung insbesondere im Rahmen von Kreditsicherungen: Das Anwartschaftsrecht kann genauso wie das Eigentum als Kreditunterlage fungieren. Die Übertragung erfolgt wie die des Eigentums entsprechend §§ 929 ff. BGB durch Einigung und Übergabe resp. Übergabesurrogate (§§ 930, 931 BGB). Eine Zustimmung des Verkäufers ist zur Übertragung nicht erforderlich, denn das Anwartschaftsrecht ist das Recht des Käufers, im übrigen werden Interessen des Verkäufers durch die Übertragung nicht berührt: Denn entweder erhält der Verkäufer den Kaufpreis (den auch der Anwartschaftsrechts-Erwerber wirksam entrichten kann, § 267 BGB), dann ist er zufriedengestellt; oder es tritt Zahlungsverzug ein, dann kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten und damit das Anwartschaftsrecht vernichten (dazu gleich unter 4).

234

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

(3) Vollstrecken Gläubiger des Käufers in die Kaufsache (genauer: in das Eigentum daran), müssen sie mit der Drittwiderspruchsklage des Verkäufers nach § 771 ZPO rechnen. Deshalb empfiehlt sich für sie die Vollstreckung in das Anwartschaftsrecht, das umso attraktiver ist, je mehr Kaufpreisraten bereits gezahlt sind. Der Pfändung des Anwartschaftsrechts kann der Verkäufer nicht widersprechen, da es eigenes Recht des Käufers ist. Die Verwertung des Anwartschaftsrechts kann für den Pfandgläubiger schwierig werden (wer ersteigert ein Anwartschaftsrecht?). Er wird deshalb den Kaufpreisrest an den Verkäufer bezahlen (was dieser akzeptieren muß, § 267 BGB), womit das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht Eigentum erstarkt. Das Pfandrecht am Anwartschaftsrecht setzt sich als Pfandrecht an der Sache zumindest dann fort, wenn der Gläubiger entsprechend der h.M. [BGH NJW 1954, 1325 m.w.N.; vgl. zum Meinungsstand Baur-Stürner, a.a.O., § 59 V 4] eine Doppelpfändung, also eine kombinierte Rechts- und Sachpfändung nach §§ 857 und 808 ZPO vorgenommen hatte. (4) Das Anwartschaftsrecht erlischt, wenn der Verkäufer wegen Zahlungsverzug des Käufers vom Kaufvertrag zurücktritt. Denn dann ist klar, daß der Käufer das Vollrecht Eigentum nicht erwerben wird, da die seinen Eigentumserwerb aufschiebende Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises nicht mehr eintreten kann. Damit ist ein Anwartschaftsrecht als 'Vorstufe des Eigentums' nicht mehr denkbar. (5) Zerstört oder beschädigt ein Dritter die Kaufsache, so steht dem Käufer ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB gegen den Schädiger zu, da das Anwartschaftsrecht ein 'sonstiges Recht' i.S. dieser Vorschrift ist [vgl BGHZ 55, 26].

V. Eigentumsvorbehalt

235

Problematisch und umstritten ist jedoch der Inhalt dieses Schadensersatzanspruchs: Der BGH [vgl. BGHZ 55, 31] bemißt den Wert des Anwartschaftsrecht nach dem bereits gezahlten Kaufpreis, der Schaden des Käufers errechnet sich daher aus dem Sachwert abzüglich des Kaufpreisrestes. Damit wird aber der Umstand nicht berücksichtigt, daß der Käufer wegen des Übergangs der Sachgefahr auf ihn nach § 446 BGB den Kaufpreis trotz Zerstörung der Sache an den Verkäufer weiterzahlen muß. Billigt man andererseits dem Käufer den Ersatz des vollen Sachwertes zu, so tangiert das die Interessen des Verkäufers, der nun ungesichert ist und hoffen muß, daß der Käufer den Kaufpreisrest weiterzahlt. Interessengemäß wäre deshalb eine Lösung, die entsprechend § 432 BGB den Schädiger verpflichtet, den Sachwert Verkäufer und Käufer gemeinsam zu ersetzen, die sich dann hierüber auseinandersetzen können [vgl. i.d.S. Baur-Stürner, a.a.O., § 59 VI, 5; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 376],

4.

Erlöschen des Eigentumsvorbehalts

Der Eigentumsvorbehalt erlischt, wenn der Käufer den Kaufpreis vollständig gezahlt hat. Dann ist die seinen Eigentumserwerb aufschiebende Bedingung eingetreten, sein Anwartschaftsrecht erstarkt zum Vollrecht Eigentum, der Verkäufer verliert seinerseits das Eigentum. Hatte der Käufer sein Anwartschaftsrecht auf einen Dritten übertragen, so wird dieser mit Bedingungseintritt Eigentümer. Weiterer Beendigungsgrund für den Eigentumsvorbehalt ist die - wirksame - Veräußerung der Kaufsache durch den Käufer an

236

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

einen Dritten. Die Veräußerung ist wirksam, wenn der Käufer vom Verkäufer hierzu ermächtigt war (§ 185 BGB), was im Distributionssektor der Regelfall ist. War der Käufer zur Weiterveräußerung nicht ermächtigt, kann diese gleichwohl nach den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (§§ 932 ff. BGB) wirksam sein; erwirbt der Dritte gutgläubig, verliert der Verkäufer damit sein Eigentum. Zahlt der Abkäufer des Käufers den Kaufpreis nicht sogleich, so wird auch der Käufer an ihn unter Eigentumsvorbehalt veräußern (sog. nachgeschalteter oder weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt). Der Eigentumsvorbehalt des Erstverkäufers erlischt dann entweder durch Zahlung des Käufers an ihn (dann wird der Käufer Eigentümer unter der Prämisse, daß sein Abkäufer ihn noch nicht befriedigt hat), oder durch Zahlung des Abkäufers an den Käufer (dann erwirbt der Abkäufer Eigentum). Praktisch häufiger Beendigungsgrund für den Eigentumsvorbehalt ist schließlich die Verarbeitung der Kaufsache zu einer neuen Sache (vgl. hierzu oben I, 7) oder ihr Verbrauch. Für den Verarbeitungsfall sichert sich der Verkäufer durch die Verarbeitungsklausel (dazu oben I, 7 b sowie folgend unter 5 b) und/oder die Vorausabtretung (Sicherungsabtretung, dazu oben IV) der aus dem Verkauf der neuen Sache(n) resultierenden Kundenforderungen des Käufers.

5.

Sonderformen des Eigentumsvorbehalts

Der zuvor behandelte sog. einfache Eigentumsvorbehalt sichert den Verkäufer meist nicht hinreichend ab, wie etwa immer

237

V. Eigentumsvorbehalt

dann nicht, wenn er dem Käufer aus ökonomischen Gründen die Weiterveräußerung oder Verarbeitung gestatten muß. Die Wirtschaftspraxis hat deshalb Sonderformen des Eigentumsvorbehalts mit dem Ziel entwickelt, damit die Sicherungsdefizite des einfachen Eigentumsvorbehalts auszugleichen.

a)

Erweiterter Eigentumsvorbehalt

Der einfache Eigentumsvorbehalt sichert nur die Kaufpreisforderung. Beim erweiterten Eigentumsvorbehalt treffen die Parteien eine Vereinbarung dahin, daß das Eigentum erst dann auf den Käufer übergeht, wenn der Verkäufer wegen aller sich aus der zwischen beiden bestehenden Rechtsbeziehung ergebenden Forderungen befriedigt ist. Die den Eigentumserwerb des Käufers aufschiebende Bedingung wird damit gegenüber der den einfachen Eigentumsvorbehalt

konstituierenden

Bedingung

entsprechend erweitert. Der erweiterte Eigentumsvorbehalt findet sich vielfach in den AGB der Lieferanten. Der B G H [vgl. B G H Z 94, 112; WM 1986, 1545] hält derartige sog. Kontokorrent-Klauseln jedenfalls

im

kaufmännischen

Bereich

grundsätzlich für wirksam. Dies ist nicht unbedenklich. Denn der Käufer erwirbt hier das Eigentum an der Kaufsache auch dann nicht, wenn er den Kaufpreis voll gezahlt hat. Sein Eigentumserwerb ist vielmehr auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben, das Eigentum des Verkäufers gewinnt damit den Charakter von Sicherungseigentum. Der BGH hat in einer älteren Entscheidung [vgl. BGH NJW 1978, 632] den Kontokorrentvorbehalt dann für unwirksam (§ 138 BGB) erklärt, wenn seine Ausdehnung auf andere Forderungen als die ursprüngliche Kaufpreisforderung dem Sinn eines Kaufvertrages so sehr wi-

238

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

derspricht, daß der Eigentumsvorbehalt als Sicherungsmittel einen Mißbrauch der Vertragsfreiheit darstellen würde. Diese Aussage ist jedoch zu vage, um als praktische Abgrenzung fungieren zu können [so auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 422]. Im Schrifttum mehren sich die Stimmen, die den Kontokorrentvorbehalt grundsätzlich für sittenwidrig und damit nichtig halten [vgl. Larenz, Schuldrecht II, § 43 II, e 4; ReinickeTiedtke, Kaufrecht, S. 377 m.w.N.]. Dem ist zuzustimmen, denn der Kontokorrentvorbehalt führt regelmäßig zu einer erheblichen Einengung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Käufers, der ein anerkennenswertes - über die Sicherung der Kaufpreisforderung hinausgehendes - Sicherungsbedürfnis des Verkäufers nicht gegenübersteht. Soweit die Kontokorrentklausel Bestandteil der VerkäuferAGB ist, ist sie deshalb, weil den Käufer unangemessen benachteiligend, nach § 9 AGBG nichtig [so auch ReinickeTiedtke, Kaufrecht, S. 376]. Eine besondere Erscheinungsform des erweiterten Eigentumsvorbehalts ist der sog. Konzernvorbehalt. Hier sichert der Eigentumsvorbehalt nicht nur alle Forderungen des Verkäufers, sondern wird zusätzlich ausgedehnt auf die Forderungen von Unternehmen, die mit dem Verkäufer in einem Konzern verbunden sind. Dieser - praktisch eher seltene - Konzernvorbehalt ist nach überwiegender Meinung [vgl. Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 377 m.w.N.; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 424 m.w.N.] sittenwidrig und damit nichtig (§§ 138 BGB, 9 AGBG), da er durch die Einbeziehung der Forderungen einer für den Käufer unüberschaubaren Anzahl weiterer Gläubiger dessen

239

V. Eigentumsvorbehalt

wirtschaftliche Bewegungsfreiheit in gesteigertem Maße einschränkt.

b)

Verlängerter Eigentumsvorbehalt

Der Lieferant ermächtigt den Käufer regelmäßig, die unter Eigentumsvorbehalt

gelieferte

Kaufsache

weiterzuveräußern

resp. sie in seinem Produktionsbetrieb zu verarbeiten. Der Lieferant muß dies tun, da nur so der Käufer den Kaufpreis erwirtschaften kann. Mit der Weiterveräußerung geht jedoch das Eigentum an der Kaufsache nach §§ 929, 185 BGB auf den Kunden des Käufers über. Mit der Verarbeitung der Kaufsache zu einem neuen Produkt erwirbt der Käufer als Hersteller nach § 950 BGB das Eigentum an der neuen Sache (vgl. hierzu bereits oben I, 7 b). Der Lieferant verliert damit in beiden Fällen sein Eigentum. Er wird deshalb die Veräußerungs- resp. Verarbeitungsermächtigung davon abhängig machen, daß er auch nach der Veräußerung resp. Verarbeitung der Kaufsache weiter gesichert bleibt, sein Eigentumsvorbehalt also darüberhinaus 'verlängert' wird. Hierfür bieten sich zwei Möglichkeiten an: Einmal können Lieferant und Käufer eine sog. Verarbeitungsklausel vereinbaren. Sie hat zum Inhalt, daß der Käufer die Kaufsache

'für

den

Lieferanten'

verarbeitet,

der

damit

'Hersteller' i.S.v. § 950 BGB und als solcher Eigentümer der neu produzierten Sache wird. Das vorbehaltene Eigentum des Lieferanten an der Kaufsache setzt sich damit am Fertigprodukt fort. Verarbeitungsklauseln sind regelmäßig Inhalt der Lieferanten-AGB.

240

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Formularbeispiel (ausBGHZ20,160): Der Lieferant behält sich das Eigentumsrecht an der Ware bis zur Bezahlung der ihm gegen den Besteller zustehenden Kaufpreisforderung vor. Soweit die gelieferte Ware vor der Bezahlung be- oder verarbeitet wird, bleibt sie in jeder Beoder Verarbeitungsstufe und auch als fertige Ware Eigentum des Lieferanten. Der Eigentumserwerb des Bestellers nach § 950 BGB wird ausgeschlossen, da der Besteller das Eigentum für den Lieferanten erwirbt und alles Material für diesen lediglich verwahrt. Auf den Streit um die rechtsdogmatische Beurteilung und Zulässigkeit der Verarbeitungsklausel [vgl. insoweit Schlegelberger-Hefermehl, Komm. z. HGB, Bd V, 5. Aufl., München 1982, Anh. § 382, RNr. 71 ff.; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 428 f.]. braucht hier nicht eingegegangen zu werden. Der BGH [vgl. BGHZ 20, 159] hat ihre Zulässigkeit bereits im Jahre 1956 bejaht und diese Rechtsprechung seither nicht geändert: Werden Rohstoffe oder Halbfabrikate unter Eigentumsvorbehalt geliefert und wurde dabei vereinbart, daß die Verarbeitung für den Lieferanten zu erfolgen habe, so sei danach vom Standpunkt eines objektiven Beobachters i.d.R. der Lieferant Hersteller i.S.d. § 950 BGB [vgl. BGH, a.a.O.]. Treffen die Verarbeitungsklauseln mehrerer Lieferanten zusammen, wie dann, wenn das Fertigprodukt aus mehreren Rohstoffen resp. Halbfabrikaten erstellt wurde, so erwerben die Lieferanten Miteigentum am Fertigprodukt gemäß § 947 BGB entsprechend dem Wertverhältnis ihrer Stofflierungen [h.M.

V. Eigentumsvorbehalt

241

vgl. Baur-Stürner, a.a.O., § 53 b, III b; Hj. Weber, a.a.O., S. 124 m.w.N.]. Die andere Möglichkeit für den Lieferanten, seinen Eigentumsvorbehalt zu 'verlängern', also weiter wegen der Kaufpreisforderung gesichert zu bleiben, besteht in der Vorausabtretung der Forderungen des Käufers, die dieser aus der Weiterveräußerung der Kaufsache resp. der Veräußerung des neuen Fertigprodukts gegenüber seinen Abnehmern erwirbt. Diese Vorausabtretung ist Sicherungsabtretung künftiger Forderungen. Die sich hier ergebenden Probleme, insbesondere die Frage der hinreichenden Bestimmbarkeit künftiger Forderungen, die dem Sicherungsgeber (hier: Käufer) erteilte Einziehungsermächtigung sowie die Situation bei zwischen Sicherungsgeber und Drittschuldner vereinbartem Abtretungsverbot, wurden bereits oben im Rahmen der Darstellung der Sicherungszession (vgl. unter IV, 2) ausführlich behandelt, es kann deshalb auf die Ausführungen dort verwiesen werden. Die Lieferanten verknüpfen in ihren AGB vielfach die beiden Möglichkeiten der Verlängerung ihres Eigentumsvorbehalts, die Lieferbedingungen enthalten dann sowohl die Verarbeitungsklausel als auch die Vorausabtretung der Kundenforderungen des Käufers. Dies ist durchaus sinnvoll, denn die Wirkung der Verarbeitungsklausel endet dann, wenn der Käufer das neue Fertigprodukt veräußert, der Lieferant also sein Eigentum damit verliert. Er erhält dann anstelle des Eigentums die Kundenforderungen des Käufers. Erhebliche praktische wie rechtliche Probleme entstehen dann, wenn der verlängerte Eigentumsvorbehalt mit einer kreditsi-

242

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

chernden Globalzession und/oder einer Factoring-Zession kollidiert, der Käufer also dieselben Kundenforderungen sowohl dem Lieferanten, wie auch der kreditgewährenden Bank und/oder einem Factoring-Unternehmen abtritt. Die hier bestehenden Kollisionsprobleme werden eingehend unten in den Kapiteln 8 und 9 behandelt.

6.

Eigentumsvorbehalt in Zwangsvollstreckung und Konkurs

Auch für den Eigentumsvorbehalt sind gegen die Beteiligten gerichtete Vollstreckungsmaßnahmen der 'Prüfstein' für seine Güte als Sicherungsmittel.

a)

Einzelzwangsvollstreckung

aa)

Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Käufers

Da sich die Kaufsache regelmäßig im Besitz des Käufers befindet, unterliegt sie dem Vollstreckungszugriff seiner Gläubiger. Läßt ein Gläubiger des Käufers die Kaufsache pfänden, so kann der Verkäufer die Pfändung mit der Drittwiderspruchsklage des § 771 ZPO für unzulässig erklären lassen. Denn da der Verkäufer immer noch voller Eigentümer der Kaufsache ist, hat er im Eigentum ein 'die Veräußerung hinderndes Recht' im Sinne des § 771 ZPO. Der Vollstreckungsgläubiger kann der Drittwiderspruchsklage des Verkäufers jedoch dadurch die Grundlage entziehen, daß er den Restkaufpreis an den Verkäufer zahlt (§ 267 BGB). Damit tritt die den Eigentumserwerb des Käufers aufschiebende Bedingung ein, der

V. Eigentumsvorbehalt

243

Käufer wird Eigentümer, der Verkäufer kann der Pfändung nicht mehr widersprechen. Dieser Weg ist für den Gläubiger allerdings regelmäßig nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn nur noch ein geringer Kaufpreisrest aussteht. Lehnt der Verkäufer die Zahlung des Gläubigers ab - was praktisch kaum vorkommen dürfte -, so verstößt er gegen Treu und Glauben (§162 Abs. 1 BGB), da er ein berechtigtes Interesse an der Zurückweisung einer Drittzahlung regelmäßig nicht hat; es muß ihm gleichgültig sein, von wem er den Kaufpreis erhält. Hat der Gläubiger des Käufers Kenntnis vom Eigentumsvorbehalt des Verkäufers und will er den Restkaufpreis nicht zahlen (etwa weil dieser noch relativ hoch ist), dann kann er in das Anwartschaftsrecht des Käufers vollstrecken. Das Anwartschaftsrecht ist eine eigene Rechtsposition des Käufers, der Verkäufer kann deshalb der Pfändung dieses Rechts nicht widersprechen. Die Möglichkeit der Pfändung des Anwartschaftsrechts und ihre praktische Durchführung wurden bereits oben (vgl. unter 3 b) dargestellt.

bb)

Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Verkäufers

Eine Vollstreckung in die Kaufsache durch Gläubiger des Verkäufers kommt praktisch nur sehr selten vor, weil sich die Kaufsache in der Regel im Besitz des Käufers befinden wird, nach § 808 ZPO aber nur Sachen gepfändet werden dürfen, die sich im Gewahrsam (Besitz) des Vollstreckungsschuldners (also hier: des Verkäufers) befinden. Gläubiger des Verkäufers können die Kaufsache also nur dann wirksam pfänden, wenn sie ausnahmsweise wieder in den Besitz des Verkäufers gelangt ist,

244

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

wie etwa dann, wenn der Käufer sie ihm zur Reparatur gegeben hat. Ist dieser Ausnahmetatbestand eingetreten, so kann der Käufer der Pfändung ebenfalls mit der Drittwiderspruchsklage des § 771 ZPO begegnen. Sein Anwartschaftsrecht ist 'die Veräußerung hinderndes Recht' i.S. dieser Vorschrift. Dieses Widerspruchsrecht steht dem Käufer jedoch nur solange zu, wie er den Kaufpreis pünktlich tilgt. Gerät er in Zahlungsverzug, kann also der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten mit der Folge, daß er die Sache an den Verkäufer zurückgeben muß, hat er kein Recht mehr, die Sache den Gläubigern des Verkäufers vorzuenthalten. [h.M., vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 457 m.w.N.].

b)

Konkurs

Eine spezifische konkursrechtliche Problematik ergibt sich für den Kauf unter Eigentumsvorbehalt auf der schuldrechtlichen Ebene aus § 17 KO. Nach dieser Vorschrift kann der Konkursverwalter bei einem zweiseitig verpflichtenden Vertrag, der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens vom Gemeinschuldner und dem anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, wählen: Er kann sich dafür entscheiden, den Vertrag zu erfüllen und auch vom anderen Teil Erfüllung verlangen. Er kann aber auch die Erfüllung ablehnen, den Vertrag also 'stornieren'. Wählt der Konkursverwalter die Vertragserfüllung, so muß der Vertrag von beiden Seiten voll erfüllt werden, wobei die Forderung des anderen Teils Masseforderung i.S.v. § 59 Abs. 1 Satz 2

V. Eigentumsvorbehalt

245

KO ist, die vor den eigentlichen Konkursforderungen zu befriedigen ist (Massegläubiger sind nicht Konkursgläubiger). Lehnt der Konkursverwalter die Vertragserfüllung ab, so berührt das nicht die Existenz des Vertrages (er bleibt bestehen), wohl aber die der aus dem Vertrag resultierenden Erfüllungsansprüche: Sie erlöschen. Die Ablehnung der Erfüllung ist Vertragsverletzung in Form der schuldhaften Nichterfüllung, dem anderen Teil steht deshalb ein Schadensersatzanspruch gegen den Konkursverwalter zu. Dieser Schadensersatzanspruch ist jedoch nicht Masseforderung, sondern 'ordinäre' Konkursforderung nach § 26 Satz 2 KO, d.h. der andere Vertragsteil kann hier nur mit der mageren Konkursquote (regelmäßig nur zwischen 3% und 6%!) rechnen. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 17 KO auf den Kauf unter Eigentumsvorbehalt hängt davon ab, ob es sich hierbei um einen von beiden Seiten nicht oder nicht voll erfüllten Vertrag handelt. Daß der Käufer noch nicht voll erfüllt hat, steht fest. Problematisch und umstritten ist dies aber für den Verkäufer. Entscheidend für die Klärung des Problems ist die Feststellung des Inhalts der Verkäuferpflicht beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt. Folgt man der hier vertretenen Modifizierungstheorie (vgl. oben unter 3 a), wonach sich beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt die Verkäuferpflicht auf die Verschaffung bedingten Eigentums beschränkt, ist die Situation klar: Der Verkäufer hat mit der Verschaffung bedingten Eigentums den Kaufvertrag voll erfüllt, § 17 KO ist grundsätzlich unanwendbar, dem Konkursverwalter steht ein Wahlrecht nicht zu [so auch Hj. Weber,

246

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

a.a.O., S. 130; Münchner Kommentar zum BGB (Westermann), München 1980, § 455 RNn. 27, 28 m.w.N.] Die wohl noch h.M. [vgl. Kuhn-Uhlenbruck, Komm. z. KO, 10. Aufl., München 1986, § 17 RNr. 18 c m.w.N.; BGH NJW 1962, 2296; BGH NJW 1982, 769] sieht dies indes anders: Sie geht meist implizit - von der Pflicht des Verkäufers zur Verschaffung vollen (unbedingten) Eigentums aus und differenziert zwischen Leistungshandlung und Leistungserfolg. Leistungshandlung sind danach die bedingte Einigung über den Eigentumsübergang und die Übergabe der Kaufsache, Leistungserfolg der sich mit Bedingungseintritt vollziehende Eigentumserwerb des Käufers. Erst mit Eintritt des Leistungserfolgs ist nach dieser Meinung der Kaufvertrag seitens des Verkäufers voll erfüllt, § 17 KO damit grundsätzlich anwendbar. Es werden dann aber Unterschiede zwischen Käufer- und Verkäuferkonkurs gemacht.

aa)

Käuferkonkurs

Wird über das Vermögen des Käufers das Konkursverfahren eröffnet, steht nach überwiegender Meinung [vgl. Kuhn-Uhlenbruck, a.a.O. § 17 KO RNr. 18 e m.w.N.; BGH WM 1967, 930; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 461; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 355] dem Konkursverwalter des Käufers das Wahlrecht des § 17 KO zu. Wie er sich entscheidet, wird von der Relation zwischen bereits gezahltem Kaufpreis und Wert der Kaufsache abhängen. Der Konkursverwalter [vgl. zu seiner Stellung und seinen Aufgaben Baur-Stürner, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Heidelberg 1991, § 10] ist zur bestmöglichen Befriedi-

247

V. Eigentumsvorbehalt

gung der Gläubiger des Gemeinschuldners und damit zu einer effektiven Verwertung der Konkursmasse verpflichtet. Er wird sich deshalb für die Erfüllung des Kaufvertrages um so eher entscheiden, je geringer der noch ausstehende Kaufpreisrest ist. Wählt er Erfüllung, so schuldet er dem Verkäufer den restlichen Kaufpreis als Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO. Zahlt er den Restkaufpreis, so erwirbt er das Eigentum an der Kaufsache

für die

verwerten.

Zahlt

Konkursmasse er

trotz

der

und

kann

die

Entscheidung

Sache

für

die

Vertragserfüllung nicht, kann der Verkäufer nach § 455 BGB vom Vertrag zurücktreten und die Kaufsache nach § 43 KO aus der Konkursmasse aussondern. Die Situation ist also nicht wesentlich anders gegenüber der Lage, die sich bei Verneinung des

Wahlrechts

des

Konkursverwalters

ergibt:

Da

der

Verkäufer dann auf seine Kaufpreisforderung lediglich die Konkursquote erhielte, kann er ebenfalls nach § 455 BGB vom Vertrag zurücktreten und die Kaufsache aussondern. Lehnt der Konkursverwalter die Erfüllung des Kaufvertrages ab, so kann der Verkäufer - er ist ja noch Eigentümer - die Kaufsache nach § 43 KO aus der Konkursmasse aussondern. Entsteht ihm infolge der Nichterfüllung ein Schaden, so hat er eine entsprechende Schadensersatzforderung, die allerdings als Konkursforderung lediglich mit der Konkursquote bedient wird. Hatten der Käufer (vor Konkurseröffnung) oder der Konkursverwalter (nach Konkurseröffnung) die Kaufsache an einen gutgläubigen Dritten veräußert und damit das Aussonderungsrecht des Verkäufers gegenstandslos gemacht, so kann der Verkäufer die Gegenleistung des Dritten resp. die - noch offene - Forderung auf die Gegenleistung im Wege der Ersatz-

248

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

aussonderung nach § 46 KO beanspruchen. Das Recht auf Ersatzaussonderung besteht jedoch nur für den Fall der unberechtigten Weiterveräußerung der Kaufsache durch Käufer oder Konkursverwalter. Dies folgt aus dem Wesen der Ersatzaussonderung: § 46 KO will nicht neue Ansprüche schaffen, sondern bestehende verstärken [vgl. Kuhn-Uhlenbruck, a.a.O., § 46 RNr. 10]. Das bedeutet, daß Ersatzaussonderung immer dann nicht verlangt werden kann, wenn die Veräußerung im Rahmen einer vom Verkäufer erteilten Veräußerungsermächtigung erfolgt ist [vgl. BGH NJW 1977, 901]. In diesem Fall kann der Verkäufer lediglich seinen Kaufpreisanspruch als Konkursforderung geltend machen (Konkursquote!). Zu beachten ist aber, daß Veräußerungsermächtigungen mit Zahlungseinstellung durch den Käufer gegenstandslos werden, so daß danach vorgenommene Veräußerungen regelmäßig rechtswidrig sind [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 467]

bb) Verkäuferkonkurs Die Anerkennung des Wahlrechts des Konkursverwalters nach § 17 KO beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt führt im Falle des Verkäuferkonkurses zu nicht akzeptablen Nachteilen für den Käufer, wenn der Konkursverwalter die Erfüllung des Kaufvertrages ablehnt. Entscheidet er sich für Vertragserfüllung, ergeben sich keinerlei Probleme: Der Käufer kann den Restkaufpreis zahlen und erwirbt damit infolge Bedingungseintritts Eigentum; befindet sich die Kaufsache ausnahmsweise im Besitz des Konkursverwalters, kann er dann nach § 43 KO die Sache aussondern. Lehnt hingegen der Konkursverwalter die Vertragserfüllung ab, so steht fest, daß die Bedingung für den

V.

249

Eigentumsvoibehalt

Eigentumsübergang auf den Käufer nicht mehr eintreten kann. Damit erlöschen sein Anwartschaftsrecht gleichermaßen wie sein Recht zum Besitz aus dem Kaufvertrag. Er muß die Kaufsache nach § 985 BGB an den Konkursverwalter herausgeben. Infolge der Nichterfüllung steht ihm zwar ein Schadensersatzanspruch mindestens in Höhe der bereits gezahlten Raten zu. Diese Forderung ist jedoch gewöhnliche Konkursforderung (§ 26 Satz 2 KO), auf die er dementsprechend lediglich die Konkursquote (in praxi 3% - 6%) erhält. Der Konkursverwalter hätte es damit bei Zubilligung des Wahlrechts des § 17 KO in der Hand, das Anwartschaftsrecht des Käufers zu zerstören, obwohl dieser vertragstreu war und es auch bleiben will. Der Käufer erhielte de facto nicht einmal die gezahlten Raten zurück. Dies ist nicht hinnehmbar. Der BGH hat in Einzelfällen [vgl. BGH NJW 1962, 2296; 1986, 2948] die Erfüllungsverweigerung durch den Konkursverwalter als rechtsmißbräuchlich (Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB) und damit unwirksam qualifiziert. Dies ist jedoch zurecht als 'systemlose Billigkeitslösung' kritisiert worden [so Honsell, JuS 1981, 708]. Eine systemgerechte Lösung des Problems hat von den §§ 161 Abs. 1 Satz 2 und 162 BGB zugrundeliegenden Wertungen auszugehen: Nach § 161 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verfügungen des Konkursverwalters, die die von dem Bedingungseintritt (vollständige Kaufpreiszahlung) abhängige Wirkung (Eigentumserwerb des Käufers) vereiteln würden, mit Bedingungseintritt unwirksam.

Nach

§

162 BGB

gilt

die

Bedingung

als

eingetreten, wenn der Konkursverwalter ihren Eintritt wider Treu und Glauben verhindert. Diese Wertungen müssen auch

250

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

auf die Konkursordnung durchschlagen. Es ist nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse der Konkursmasse der Verwalter mit der Erfüllungsverweigerung verfolgt [so auch Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 462]. Der Verkäufer selbst könnte bei Vertragstreue des Käufers dessen Eigentumserwerb nicht verhindern. Es ist nicht begründbar, weshalb sein Konkursverwalter weitergehende Rechte haben soll. Ein Recht zur Erfüllungsverweigerung steht dem Konkursverwalter im Verkäuferkonkurs damit nicht zu [h.M., Hj. Weber, a.a.O., S. 131 f.; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 462; Kuhn-Uhlenbruck, a.a.O., § 17 RNr. 18 d, je m.w.N.]. Das Anwartschaftsrecht des Käufers ist damit konkursfest.

VI.

Grundpfandrechte

1.

Allgemeines. Rechtsnatur und wirtschaftliche Bedeutung der Grundpfandrechte.

Bei den Grundpfandrechten - das BGB kennt diesen Begriff nicht - handelt es sich um Sicherungsrechte (genauer: Pfandrechte) an Grundstücken. Der Begriff ist Oberbegriff für die im BGB geregelten Sicherungsrechte Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld. Da die Rentenschuld (vgl. §§ 1199 - 1203 BGB) in der Praxis eine geringe, im Bereich der Kreditsicherheiten überhaupt keine Rolle spielt, beschränkt sich die folgende Darstellung auf Hypothek und Grundschuld. Den Grundpfandrechten ist gemeinsam, daß sie dem Rechtsinhaber/Kreditgeber ein dingliches Verwertungsrecht am Grundstück des Eigentümers/Kreditnehmers (Grundstückseigentümer und Kreditnehmer müssen allerdings nicht identisch sein) geben. Der

VI. Grundpfandrechte

251

Wortlaut der den Inhalt von Hypothek und Grundschuld statuierenden §§ 1113 und 1191 BGB, wonach an den Berechtigten "eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist", ist insofern mißverständlich, denn "aus dem Grundstück" kann nichts bezahlt werden. § 1147 BGB schafft hier Klarheit: Der Grundstückseigentümer ist nicht zur Zahlung verpflichtet, sondern muß die Befriedigung des Berechtigten aus dem Grundstück und den mithaftenden Gegenständen im Wege der Zwangsvollstreckung dulden, wobei die Verwertung des Grundstücks durch Zwangsversteigerung erfolgt und der Berechtigte aus dem Erlös wegen der durch das Grundpfandrecht gesicherten (Kredit-) Forderung befriedigt wird. Nun können auch andere Gläubiger des Grundstückseigentümers die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben, denn es haftet ihnen ja das gesamte Vermögen des Schuldners. Die Besonderheit der Grundpfandrechte (wie aller Pfandrechte) liegt jedoch darin, daß ihre Inhaber den anderen, dinglich nicht gesicherten Gläubigern vorgehen, das verpfändete Grundstück gewissermaßen für sie 'reserviert' ist [so Baur-Stürner, Sachenrecht, § 36 I, 1]. Diese Vorzugsstellung der Grundpfandrechtsgläubiger in Verbindung mit der Tatsache, daß Grundstücke in besonderem Maße wertbeständig sind, bei langfristigen Krediten vielfach sogar eine Wertsteigerung erfahren können, lassen die Grundpfandrechte aus der Sicht der Kreditgeber als das mit Abstand beste und solideste Sicherungsmittel erscheinen. Dies gilt es jedoch zu relativieren: Die Wertschätzung des Grundpfandrechts hängt im Einzelfall ab von dem Maß an Sicherheit, mit welchem der Grundpfandberechtigte einen Ausfall in der Zwangs-

252

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Versteigerung des belasteten Grundstücks nicht zu fürchten braucht. Dies wiederum richtet sich nach dem Rang seines Grundpfandrechts im Grundbuch: Wird ein Grundstück mit mehreren Grundpfandrechten belastet, so stehen diese in einer Rangfolge, die auch für die Befriedigung der Rechtsinhaber in der Zwangsversteigerung des Grundstücks maßgeblich ist. Dementsprechend ist das erstrangige Grundpfandrecht sicherer als das zweitrangige und dieses wiederum sicherer als das auf dem dritten Rang stehende Recht, wobei sich die Sicherheit (d.i. der Nichtausfall in der Zwangsversteigerung) der erststelligen Grundpfandrechte vielfach aus der Existenz gesetzlich festgelegter sog. Beleihungsgrenzen ergibt. Eine solche Beleihungsgrenze ergibt sich für Hypothekenbanken aus § 11 Abs. 2 Hypothekenbankgesetz: Danach darf die erststellige Beleihung die ersten drei Fünftel des Grundstückswertes nicht übersteigen. Damit soll sichergestellt werden, daß auf das erstrangige Grundpfandrecht in der Zwangsversteigerung auch unter ungünstigsten Verwertungsbedingungen ein Erlös entfällt. Derartige Beleihungsgrenzen bestehen für alle Kreditinstitute, die ein Darlehen nur gegen erststellige Sicherheiten auslegen dürfen; dazu zählen insbesondere auch die Sparkassen. Die von den Kreditinstituten praktizierte Gesamtbeleihungsgrenze (also unter Einschließung auch der zweit- und drittrangigen Grundpfandrechte) dürfte bei höchstens 75% des geschätzten Verkehrswertes des Grundstücks liegen [vgl. zu dieser 'Faustregel' Baur-Stürner, Sachenrecht, § 3615 b]. Ein weiterer Vorteil der Grundpfandrechte gegenüber anderen Sicherungsrechten ergibt sich aus der hier durch das Grundbuch gegebenen Publizität. Potentielle Kreditgeber können

VI. Grundpfandrechte

253

sich jederzeit über die Eigentumsverhältnisse am Grundstück sowie über bereits bestehende Belastungen durch Einsichtnahme in das Grundbuch informieren. Das Einsichtsrecht steht nach § 12 Abs. 1 GBO jedem zu, der ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme darlegt, wobei das Einsichtsinteresse eines potentiellen Kreditgebers immer 'berechtigt' ist. Die wirtschaftliche Bedeutung der Grundpfandrechte ist enorm. Das durch Grundpfandrechte besicherte Kreditvolumen betrug 1991 DM 914,390 Mrd. (!) [vgl. Statistisches Jahrbuch 1992, S. 378], Grundpfandrechte dienen den unterschiedlichsten wirtschaftlichen Zwecken. Aus dem Gesetz ergeben sich hier keinerlei Beschränkungen, § 1113 BGB spricht lediglich von einer gesicherten 'Forderung'. Ganz im Vordergrund stehen die sog. Produktiv-Kredite, für die charakteristisch ist, daß der Kreditbetrag für Investitionen in den mit dem haftenden Grundstück verbundenen Betrieb verwendet wird. Ein weiterer Grundpfand-Typ ist die sog. Restkaufgeld-Hypothek: Ihr liegt ein Grundstückskauf zugrunde, bei dem der Verkäufer dem Käufer den Kaufpreis ganz oder teilweise stundet; der in dieser Stundung liegende Kredit wird dadurch besichert, daß der Käufer dem Verkäufer eine Hypothek an dem erworbenen Grundstück bestellt. Eine dritte typische Form schließlich hat sich im Zusammenhang mit Erbauseinandersetzungen etabliert: Wenn ein Erbe das ererbte Unternehmen übernimmt, ist er den Miterben gegenüber ausgleichspflichtig. Die für die Begleichung dieser - oft hohen Abfindungsforderungen erforderliche Liquidität wird meist

254

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

nicht vorhanden sein. Der übernehmende Erbe bestellt dann den Miterben zur Sicherung ihrer Abfindungsforderungen Hypotheken resp. Grundschulden, die sog. Abfindungs- oder Erbteilungshypotheken. Diese Abfindungshypotheken sind wirtschaftlich problematisch, denn sie sind unproduktiv: Dem Unternehmen werden keine Mittel zugeführt, sondern im Gegenteil Mittel entzogen. Die Kreditinstitute legen jedoch seit einiger Zeit auch nichtzweckgebundene sog. 'persönliche Hypothekendarlehen' aus, bei denen der Darlehensnehmer also über die Mittelverwendung frei entscheiden kann. Für den BGB-Gesetzgeber stand konzeptionell und in der Einschätzung der praktischen Bedeutung die Hypothek als RegelGrundpfandrecht ganz im Vordergrund, während er der Grundschuld offenbar nur Ausnahmecharakter beimaß. Dies wird in der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung der beiden Grundpfandrechte deutlich: In den §§ 1113 - 1190 BGB wird ausführlich die Hypothek geregelt, für die Grundschuld kam man mit den §§ 1191 - 1198 BGB aus, wobei in § 1192 BGB die Vorschriften über die Hypothek als auf die Grundschuld entsprechend anwendbar erklärt werden, "soweit sich nicht daraus ein anderes ergibt, daß die Grundschuld nicht eine Forderung voraussetzt." Dieses Verhältnis hat sich jedoch in der Grundkreditpraxis der Kreditinstitute mittlerweile in sein Gegenteil verkehrt: Die Kreditinstitute präferieren regelmäßig die Grundschuld, Hypothekenkredite sind demgegenüber eher selten. Der wesentliche Grund für diese Entwicklung liegt in dem entscheidenden

VI.

Gnindpfandrechte

255

strukturalen Unterschied zwischen den beiden Grundpfandrechten: Die Hypothek ist - wie die Bürgschaft - streng akzessorisch, d.h. für Entstehung und Bestand der Hypothek ist die Existenz der zu sichernden Forderung unverzichtbare gesetzliche Voraussetzung, während dies bei der Grundschuld nicht der Fall ist. Das die Hypothek beherrschende Akzessorietätsprinzip äußert sich insbesondere im folgenden: Die Hypothek entsteht nur, wenn auch die zu sichernde Forderung entstanden ist. Ist also das zugesagte Darlehen nicht ausgezahlt worden, war aber bereits die Hypothek bestellt worden, so ist sie als solche nicht entstanden, sondern steht nach §§ 1163, 1177 BGB dem Eigentümer als Eigentümergrundschuld zu. Ist die gesicherte Forderung erloschen - das Darlehen ist zurückgezahlt so gilt das gleiche: Auch dann wird aus der Fremdhypothek nach §§ 1163, 1177 BGB eine Eigentümergrundschuld. Weitere Auswirkung der Akzessorietät: Mit der Abtretung der gesicherten Forderung geht automatisch auch die Hypothek auf den neuen Gläubiger über (§ 1153 Abs. 1 BGB). Forderung und Hypothek sind also untrennbar, keine kann ohne die andere übertragen werden (§ 1153 Abs. 2 BGB). Ferner: Der Eigentümer kann gegenüber dem dinglichen Anspruch aus der Hypothek (Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück) die gleichen Einwendungen geltend machen wie gegenüber der gesicherten Forderung. Die Grundschuld ist demgegenüber nicht-akzessorisches Sicherungsrecht, d.h. sie ist in ihrer Existenz unabhängig von der Existenz einer gesicherten Forderung, sie ist abstraktes Sicherungsrecht. Dies folgt eindeutig aus dem zuvor zitierten Wortlaut des § 1192 BGB: "... daß die Grundschuld nicht eine For-

256

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

derung voraussetzt." Hierin liegt der entscheidende Grund für die Bevorzugung der Grundschuld durch die Kreditinstitute: Wie die Hypothek wird auch die Grundschuld in der Praxis regelmäßig zur Sicherung von Forderungen eingesetzt (sog. Sicherungsgrundschuld), die Grundschuld ist jedoch - anders als die Hypothek - wegen der fehlenden Bindung an eine (bestimmte) Forderung ein außerordentlich flexibles Sicherungsmittel: Sie kann zur Sicherung mehrerer, auch wechselnder und in der Höhe schwankender Forderungen verwendet werden, eignet sich also insbesondere auch für die Besicherung von sich aus einem Kontokorrentverhältnis ergebenden Ansprüchen des Kreditgebers. Wie dem Sicherungseigentum und der Sicherungsabtretung liegt auch der Sicherungsgrundschuld eine Sicherungsabrede zugrunde [vgl. hierzu ausf. Baur-Stürner, Sachenrecht, § 45 II]. Ihr wesentlicher Inhalt ist die Zweckbestimmung der Grundschuld, d.h. die Festlegung, für welche Forderungen des Sicherungsnehmers das Grundstück haften soll. Damit wird doch eine gewisse Verknüpfung von gesicherter Forderung und Grundschuld herbeigeführt, ohne daß aber die Grundschuld dadurch akzessorisches Grundpfandrecht würde. Die Formularpraxis der Kreditinstitute bezieht regelmäßig auch alle künftigen Forderungen gegen den Schuldner in den Haftungsbereich der Sicherungsgrundschuld ein. Der BGH [vgl. BGHZ 101, 29] hält eine derartige Klausel für mit dem AGBG vereinbar, die Einbeziehung auch künftiger Forderungen stellt keine unangemessene Benachteiligung des Schuldners i.S.v. § 9 AGBG dar.

VI. Grundpfandrechte

257

Trotz der Tatsache, daß Grundschuldbestellungen die Bestellung von Hypotheken in der Praxis quantitativ weit übersteigen, geht die folgende Darstellung zunächst auf die Hypothek ein. Dies hat seinen Grund in der gesetzgeberischen Konzeption der Grundpfandrechte und hier vor allem in der Tatsache, daß § 1192 BGB für die Grundschuld auf die Vorschriften über die Hypothek verweist. Das Verständnis der Probleme der Grundschuld setzt daher in gewissem Umfang Kenntnis über die Regeln der Hypothek voraus.

2.

Hypothek

a)

Rechtsnatur und Bestellung der Verkehrshypothek

Die Hypothek ist ein dingliches Verwertungsrecht an einem Grundstück und sichert eine schuldrechtliche (meist Kredit-) Forderung. Ihre Besonderheit besteht in der Akzessorietät, d.h. in der spezifischen rechtlichen Verknüpfung mit der gesicherten Forderung (dazu oben unter 1). Der 'Normalfall' der Hypothek ist die sog. Verkehrshypothek. Von ihr ist die Sicherungshypothek des § 1184 BGB zu unterscheiden. Der Unterschied zwischen beiden Formen besteht im Grad der Akzessorietät: Bei der Verkehrshypothek hat der Gesetzgeber die Akzessorietät aus Gründen des Verkehrsschutzes insofern gelockert, als er in § 1138 BGB den gutgläubigen Erwerb einer Hypothek auch dann ermöglicht, wenn eine zu sichernde Forderung nicht besteht. Die Sicherungshypothek (der hier vom Gesetz verwandte Begriff ist wenig aussagekräftig, denn auch die Verkehrshypothek sichert ja eine Forderung) ist demgegenüber streng akzessorisch, § 1138 BGB findet auf sie keine Anwendung (§ 1185

258

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

Abs. 2 BGB), d.h. gutgläubiger Erwerb der Hypothek bei nicht bestehender Forderung ist ausgeschlossen. Die Sicherungshypothek ist wegen des damit hier nicht gegebenen Verkehrsschutzes schwer übertragbar und daher in der Praxis eher selten. Die Verkehrshypothek kann als Buch- oder Briefhypothek ausgestaltet sein. Bei der Briefhypothek wird zur Förderung der Zirkulationsfähigkeit der Hypothek vom Grundbuchamt ein Hypothekenbrief erteilt. Die Übertragung der Hypothek erfolgt bei der Briefhypothek durch schriftliche Abtretung der gesicherten Forderung und Übergabe des Hypothekenbriefes (§§ 1153, 1154 Abs. 1 BGB), vollzieht sich also außerhalb des Grundbuchs. Die Briefhypothek ist nach der gesetzlichen Konzeption der Regelfall (§1116 Abs. 1 BGB). Eine Buchhypothek kann nur dann entstehen, wenn die Erteilung des Briefes durch (ins Grundbuch einzutragende) Vereinbarung zwischen Gläubiger und Grundbucheigentümer ausgeschlossen wird (§ 1116 Abs. 2 BGB). Die Sicherungshypothek ist nur in der Form der Buchhypothek möglich (§ 1185 Abs. 1 BGB).

aa)

Zu sichernde Forderung

Wegen des Akzessorietätsgrundsatzes spielt für die Bestellung einer Hypothek die zu sichernde Forderung eine entscheidende Rolle. Die Grundeigenschaften der zu sichernden Forderung ergeben sich aus §§ 1113, 1115 BGB: Die Forderung muß auf eine bestimmte Geldsumme gerichtet sein, kann aber auch künftig oder bedingt sein (§1113 Abs. 2 BGB). Ferner verlangt §1115 BGB für die Eintragung der Hypothek, daß der Gläubi-

VI.

Gnindpfandrechte

259

ger, der Geldbetrag der Forderung und, falls die Forderung verzinslich ist, der Zinssatz im Grundbuch anzugeben sind. Der Bestimmtheitsgrundsatz führt zu Problemen für den Gläubiger dann, wenn sich nach Hypothekenbestellung und Valutierung der gesicherten Forderung herausstellt, daß der Rechtsgrund für die gesicherte Forderung später weggefallen ist resp. nie bestanden hat. Beispiel: Bank B hat Grundstückseigentümer E einen Kredit in Höhe von 100.000,- DM gewährt. Die Kreditrückzahlungsforderung wird dadurch gesichert, daß E der B eine Hypothek bestellt. Stellt sich später die Nichtigkeit des Darlehensvertrages - etwa wegen Dissens oder infolge Irrtumsanfechtung

- heraus, so steht fest, daß die gesicherte

Darlehensrückforderung nicht besteht. E ist jedoch um die Darlehensvaluta ungerechtfertigt (rechtsgrundlos) bereichert, so daß B ein entsprechender Bbereicherungsanspruch

nach

§ 812 Abs. 1 BGB gegen E zusteht. Als E nicht zahlt, möchte B aus der Hypothek gegen ihn vorgehen. Sichert die Hypothek auch den Bereicherungsanspruch? Ob die Hypothek auch Bereicherungsansprüche sichert, die an die Stelle der ursprünglich gesicherten Forderung getreten sind, ist umstritten. Die Frage wird zu bejahen sein [so auch Baur-Stürner, Sachenrecht, § 37 V, 2 a m.w.N.; BGH NJW 1968,1134 für das Pfandrecht an beweglichen Sachen]. Denn es handelt sich hier nicht um eine beliebige Forderungsauswechselung, zu der nach § 1180 BGB eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner erforderlich wäre, sondern der Bereicherungsanspruch ist ja infolge der Vertragsnichtigkeit gewis-

260

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

sermaßen als Ersatz an die Stelle der nichtigen Darlehensforderung getreten. Der Schuldner hat die Darlehensvaluta erhalten und genutzt und kann nun nicht infolge der Nichtigkeit des Darlehensvertrages besser stehen, als er bei Vertragswirksamkeit stünde [a.A Pottschmidt-Rohr, a.a O., RNr. 873 m.w.N.: Forderungsauswechselung nur bei einem wenigstens durch Auslegung feststellbaren Parteiwillen]. Ist die - noch nicht valutierte - gesicherte Forderung nicht entstanden (etwa: die Bank zahlt das zunächst zugesagte Darlehen nach Bestellung der Hypothek aufgrund einer erneuten Bonitätsprüfung endgültig nicht aus) oder fällt sie nach Tilgung des Darlehens weg, so ergibt sich infolge des Akzessorietätsprinzips, also der Abhängigkeit der Hypothek vom Bestand der zu sichernden Forderung, folgende Rechtslage: Da die Hypothek nach § 1113 BGB begrifflich den Bestand einer Forderung voraussetzt, kann sie 'als solche' ohne Existenz dieser Forderung nicht entstehen, bzw. sie fällt weg, wenn die Forderung getilgt wird. Die im Grundbuch eingetragene Hypothek bleibt jedoch als dingliche Belastung bestehen: Sie wandelt sich bei fehlender Forderung in eine Eigentümergrundschuld (§§ 1163 Abs. 1, 1177 Abs. 1 BGB). Diese Konstruktion hat rangwahrende Funktion zugunsten des Grundstückseigentümers. Würde die Hypothek ersatzlos wegfallen, so würden die nachrangigen Sicherungsrechte aufrücken. So aber verbleibt dem Eigentümer die zuvor von der Hypothek eingenommene Rangstelle, die er dann einem neuen Kreditgeber für dessen Grundpfandrecht anbieten kann. Ist die Hypothek für eine künftige Forderung bestellt worden, so ist die Situation die gleiche: Da eine zu sichernde Forderung

VI.

261

Gnindpfandrechte

- noch - nicht existiert, ist zunächst eine Eigentümergrundschuld entstanden. Sie verwandelt sich jedoch mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Forderung ohne weiteres in die (Fremd-) Hypothek, wenn es sich um eine Buchhypothek handelt. Bei der Briefhypothek muß zu ihrer Entstehung noch die Briefübergabe an den Hypothekengläubiger hinzukommen (§ 1163 Abs. 2 BGB). Aus dem Wortlaut des § 1113 Abs. 1 BGB folgt, daß der Gläubiger der zu sichernden Forderung und der Gläubiger der Hypothek identisch sein müssen. Diese Personenidentität ist auf der Schuldnerseite nicht erforderlich: Schuldner der Forderung und der Eigentümer des zu belastenden Grundstücks können, wie sich aus § 1143 BGB ergibt, verschiedene Personen sein. Beispiel: S möchte einen Kredit zur Existenzgründung aufnehmen, verfügt aber über keine Sicherheiten. Sein Vater E kommt ihm zur Hilfe und bestellt der kreditgebenden Bank eine Hypothek an seinem, des E, Grundstück

Zahlt S den

Kredit zurück, wandelt sich die Fremdhypothek in eine dem E zustehende

bb)

Eigentümergrundschuld.

Sicherungsabrede

Auch der Hypothekenbestellung liegt regelmäßig eine Sicherungsabrede als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft zugrunde. Sie ist der Rechtsgrund {causa) für die abstrakte Hypothekenbestellung. Ist die Sicherungsabrede nichtig, berührt dies die wirksam

entstandene

Hypothek

nicht

(Abstraktions-

262

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

prinzip!). Der Hypothekar ist jedoch rechtsgrundlos um die Hypothek bereichert. Der Grundstückseigentümer hat deshalb gegen den Hypothekar nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB einen auf Befreiung von der Hypothek gerichteten Bereicherungsanspruch. Dieser kann dadurch realisiert werden, daß der Hypothekar auf das Pfandrecht verzichtet; die Hypothek steht dann dem Eigentümer als Eigentümergrundschuld zu (§§ 1168, 1177 BGB). Der Eigentümer kann aber auch Aufhebung der Hypothek nach §§ 873, 1183 BGB verlangen. Mit der Aufhebung erlischt die Belastung gänzlich, es entsteht also auch keine Eigentümergrundschuld. Sind Darlehensvertrag und Sicherungsabrede nach § 138 BGB wegen Wuchers nichtig, so schlägt dies ausnahmsweise (Durchbrechung des Abstraktionsprinzips) auch auf die Hypothek durch. Denn § 138 Abs. 2 BGB erfaßt auch Rechtsgeschäfte, durch die sich jemand Vermögensvorteile (hier: die Hypothek) 'gewähren läßt' [vgl. BGH NJW 1982, 2767].

cc)

Dinglicher Bestellungsakt bei der Briefhypothek

Die Grundregel über die Begründung von Rechten an Grundstücken enthält § 873 Abs. 1 BGB. Sie gilt auch für die Grundpfandrechte. Danach ist für die Bestellung einer Hypothek grundsätzlich erforderlich die Einigung zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Gläubiger der Forderung, die durch die Hypothek gesichert werden soll, darüber, daß eine Hypothek entstehen soll sowie die Eintragung der Hypothek im Grundbuch (sog. materielles Konsensprinzip). Bei der Briefhy-

VI. Griindpfandrechte

263

pothek muß zusätzlich die Übergabe des Hypothekenbriefes an den Gläubiger erfolgen (§1117 Abs. 1 BGB). Die Einigung ist dinglicher Vertrag, auf den die allgemeinen Regeln über Verträge (Geschäftsfähigkeit, Zustandekommen, Willensmängel, Stellvertretung etc.) Anwendung finden. Einer besonderen Form bedarf die Einigung nicht (anders: die Einigung im Rahmen der Grundstücksübereignung, § 925 BGB). Für die Eintragung sieht § 1115 BGB folgenden Mindestinhalt vor: Es müssen stets im Grundbuch eingetragen werden der Gläubiger, der Geldbetrag der Forderung, der Zinssatz und der Geldbetrag etwaiger Nebenleistungen (z.B. Zinseszinsen nach § 248 Abs. 2 BGB). Im übrigen kann nach §§ 874, 1115 Abs. 1, 2. Halbsatz

BGB auf

die Eintragungsbewilligung

Bezug

genommen werden. Zweck des § 1115 BGB ist in erster Linie zu gewährleisten, daß das Höchstmaß der Belastung aus dem Grundbuch selbst ersichtlich ist. Entsprechend dem grundbuchamtlichen Muster lautet eine Eintragung z.B.: "Fünfzigtausend Deutsche Mark Darlehen mit 12 vom Hundert jährlich verzinslich für die G-Bank in Berlin. Unter Bezugnahme auf die Eintragsbewilligung vom ... eingetragen am...". Grundbuchrechtlich erfolgt die Eintragung nur, wenn eine wirksame Eintragungsbewilligung des Berechtigten, also hier des Grundstückseigentümers, vorliegt, § 19 Grundbuchordnung (GBO) (sog. formelles Konsensprinzip). Die Eintragungsbewilligung muß nach § 29 GBO in öffentlich beurkundeter oder beglaubigter Form vorliegen. Sie ist scharf zu unterscheiden von der im Rahmen der Einigung nach § 873 BGB abgegebe-

264

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

nen Willenserklärung des Eigentümers. Für diese gelten die Vorschriften des BGB, während für Voraussetzungen und Wirkungen der Eintragungsbewilligung die Regeln der GBO maßgeblich sind [vgl. hierzu ausf. Baur-Stürner, Sachenrecht, § 16

in]. Hinsichtlich der bei der Briefhypothek zusätzlich zur Einigung und Eintragung erforderlichen Briefübergabe sieht das Gesetz in § 1117 Abs. 1 Satz 1 BGB als Regelfall vor, daß der Eigentümer den Hypothekenbrief (er wird vom Grundbuchamt erteilt, § 56 GBO) dem Gläubiger übergibt. Nach § 1117 Abs. 1 Satz 2 BGB sind jedoch hier die gleichen Übergabesurrogate möglich wie bei der Übereignung beweglicher Sachen, die Übergabe kann also ersetzt werden durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses ( § 930 BGB) oder Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB). Die praktisch wichtigste Möglichkeit des Übergabeersatzes statuiert § 1117 Abs. 2 BGB mit der sog. Aushändigungsabrede. Danach können Eigentümer und Gläubiger vereinbaren, daß der Gläubiger berechtigt sein soll, sich den Brief vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen. Die Hypothek entsteht dann bereits (sofern sie eingetragen ist und die gesicherte Forderung existiert) mit dieser Aushändigungsabrede, nicht also erst mit der Aushändigung des Briefes an den Gläubiger durch das Grundbuchamt. In der Praxis der Kreditinstitute ist die Aushändigungsabrede der Regelfall, sie wird bereits bei Abschluß des Kreditvertrages getroffen. Der Eigentümer weist dann im Eintragungsantrag (er ist von der Eintragungsbewilligung zu unterscheiden) das Grundbuchamt in öffentlich beglaubigter

VI. Grundpfandrechte

265

Form (§§ 60 Abs. 2, 29 GBO) an, den Brief an das Kreditinstitut auszuhändigen.

dd)

Dinglicher Bestellungsakt bei der Buchhypothek

Bei der Buchhypothek ist die Erteilung eines Hypothekenbriefes ausgeschlossen. Sie ist nach der gesetzgeberischen Konzeption der Ausnahmefall (vgl. Formulierung § 1116 Abs. 1 BGB). Auch die Buchhypothek entsteht nach § 873 BGB durch Einigung und Eintragung. Hinzukommen muß aber nach § 1116 Abs. 2 BGB die Einigung der Parteien über den Ausschluß des Briefes und die Eintragung dieser Einigung im Grundbuch (übliche Formeln: "brieflos", "Hypothek ohne Brief' oder "Die Erteilung eines Briefes ist ausgeschlossen"). Nach § 1116 Abs. 3 BGB kann die Buchhypothek nachträglich in eine Briefhypothek umgewandelt werden (und umgekehrt). Es ist dann jeweils eine entsprechende Einigung der Parteien und die Eintragung der Änderung im Grundbuch erforderlich.

b)

Übertragung der Hypothek

Die vorstehende Überschrift - sie findet sich so in nahezu allen einschlägigen Lehrbüchern zum Sachenrecht - gilt es sogleich zu präzisieren. Als akzessorisches Sicherungsrecht kann die Hypothek nicht isoliert übertragen werden. Sie geht vielmehr mit der Abtretung der gesicherten Forderung automatisch auf den Abtretungsempfänger über (§ 1153 Abs. 1 BGB, sog. Mitlaufgebot). Die Frage nach den Möglichkeiten und damit den Regeln und Problemen der Übertragung hypothekarisch gesi-

266

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

cherter Forderungen ist indes aus Praxis-Sicht von höchst untergeordneter Bedeutung. Dies hat seinen Grund zunächst in der bereits erwähnten Tatsache, daß die Geschäftsbanken heute fast ausnahmslos nur die Grunschuld als Grundpfandrecht akzeptieren (anders die Hypothekenbanken, die kraft Gesetzes auf Hypotheken verwiesen sind, vgl. § 1 HypothekenbankG). Der weitere Grund liegt darin, daß sich die Geschäftsbanken nicht durch Abtretung hypothekarisch gesicherter (i.d.R. Darlehens-) Forderungen refinanzieren, sondern diese im Portefeuille halten. Die Hypothekenbanken refinanzieren sich durch Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber. Die Abtretung hypothekarisch gesicherter Forderungen spielt damit eine Rolle lediglich bei der - heute seltenen - Kreditvergabe durch Privatpersonen. Die folgende Darstellung kann sich daher auf die Grundlinien beschränken. Der sich für die Übertragung von Hypothek und/oder gesicherter Forderung aus dem Akzessorietätsprinzip ergebende Grundsatz wurde bereits angesprochen: Die Forderung kann nicht ohne die Hypothek, diese nicht ohne die Forderung übertragen werden (§ 1153 Abs. 2 BGB). Forderung und Hypothek sind damit untrennbar miteinander verbunden. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung die Verdoppelung der Gläubigerrechte verhindern: Wäre das Auseinanderfallen von Forderung und Hypothek möglich, so könnte der Grundstückseigentümer, wenn er zugleich auch Schuldner der gesicherten Forderung ist, sowohl vom Hypothekengläubiger, als auch vom Forderungsgläubiger in Anspruch genommen werden.

VI.

aa)

Gnindpfandrechte

267

Übertragung der Briefhypothek

Bei der Briefhypothek wird die Hypothek im Brief verdinglicht. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Abtretung: Die Abtretung der gesicherten Forderung (der die Hypothek folgt, Mitlaufgebot!) kann nach § 1154 Abs. 1 BGB durch schriftliche Abtretungserklärung und Übergabe des Briefes erfolgen oder nach § 1154 Abs. 2 BGB durch Briefübergabe und Eintragung der Abtretung im Grundbuch vollzogen werden. Nach § 1154 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der neue Gläubiger vom bisherigen Gläubiger statt der schriftlichen eine öffentlich beglaubigte Abtretungserklärung verlangen. Es empfiehlt sich, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, denn mit der öffentlich beglaubigten Abtretungserklärung kann der neue Gläubiger seine Eintragung im Grundbuch erreichen, ohne daß es einer Mitwirkung des Altgläubigers bedarf (§§ 26 Abs. 1, 29 Abs. 1 GBO).

bb)

Übertragung der Buchhypothek

Die Übertragung der Buchhypothek erfolgt schlicht nach §§ 1154 Abs. 3, 873 BGB durch (formlose) Einigung über die Abtretung der gesicherten Forderung und Eintragung des neuen Gläubigers im Grundbuch.

cc)

Gutgläubiger Erwerb der Verkehrshypothek

Es kann vorkommen, daß die hypothekarisch gesicherte Forderung getilgt wurde, ohne daß sich der Schuldner/Eigentümer

268

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

den Hypothekenbrief hat zurückgeben lassen (Briefhypothek) bzw. ohne daß die Hypothek gelöscht wurde (Buchhypothek). Es ist dann zwar gemäß § 1163 Abs. 1 Satz 2,1177 BGB aus der Hypothek automatisch eine Eigentümergrandschuld geworden, der Hypothekar aber durch Innehabung des Briefes resp. die Grundbucheintragung (das Grundbuch ist insofern unrichtig geworden) immer noch als solcher ausgewiesen. Überträgt er nun die Hypothek auf einen Dritten, so stellt sich die Frage, ob dieser die Hypothek gutgläubig erwerben kann. Die Frage ist indes von noch geringerer praktischer Bedeutung, als die nach den Möglichkeiten der Abtretung der hypothekarisch gesicherten Forderung [dies belegen die Beispiele mit dem 'geisteskranken' Hypothekengläubiger resp. Grundstückseigentümer bei Baur-Stürner, Sachenrecht, § 38 IV; PottschmidtRohr, a.a.O., RNr. 890; Schwab-Prütting, a.a.O., § 60 V]. Nach § 892 BGB ist der Erwerb von nicht bestehenden, aber im Grundbuch eingetragenen Rechten an Grundstücken möglich, sofern der Erwerber gutgläubig ist. Für die Hypothek ergeben sich jedoch hier wegen des für sie geltenden Akzessorietätsprinzips (§ 1153 Abs. 2 BGB: "Die Forderung kann nicht ohne die Hypothek, die Hypothek nicht ohne die Forderang übertragen werden.") dogmatisch-konstruktive Schwierigkeiten, wenn die Forderang nicht (mehr) besteht. Weil die Hypothek begrifflich eine Forderang voraussetzt, fingiert das Gesetz in § 1138 BGB den Erwerb auch der Forderang durch den gutgläubigen Hypothekenerwerber. Diese Fiktion gilt allerdings nur für den Erwerbsakt. Da unsere Rechtsordnung den gutgläubigen Erwerb von Forderungen (wegen ihrer mangelnden Körperlichkeit) nicht kennt, hat der Gutgläubige hier letztlich nur die ('forderungsentkleidete') Hypothek erworben, kann also

VI.

Gnmdpfandrechte

269

nur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück verlangen, nicht aber aus der Forderung vorgehen, da er diese nicht erworben hat. Auf die Streitfrage, ob die forderungsentkleidete Hypothek in Wirklichkeit nicht eine Grunschuld ist [so Schwab-Prütting, a.a.O., § 60 IV m.w.N.; a.A. Hj. Weber, a.a.O., S. 157 m.w.N.], braucht nicht eingegangen zu werden, da sie keinerlei praktische Bedeutung hat. Beim gutgläubigen Erwerb einer Briefhypothek ist § 1155 BGB zu beachten: Nach dieser Vorschrift wird ein Briefbesitzer, der durch eine auf einen im Grundbuch eingetragenen Hypothekar zurückführende Reihe von öffentlich beglaubigten Abtretungserklärungen ausgewiesen ist, bezüglich der Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff., 1138 BGB genauso behandelt, als sei er im Grundbuch eingetragen. Der Briefbesitz plus Kette der Abtretungserklärungen ersetzt also die Grundbucheintragung.

c)

Umfang der Hypothekenhaftung

aa)

Allgemeines

Nach § 1113 BGB haftet dem Hypothekar das hypothekarisch belastete Grundstück einschließlich seiner wesentlichen Bestandteile (§§ 93-95 BGB), wie etwa der vorhandenen Gebäude. Die Hypothekenhaftung erfaßt darüberhinaus aber auch diejenigen Gegenstände, die zur Bewirtschaftung des Grundstücks erforderlich sind oder sich aus der Nutzung des Grundstücks

ergeben,

also

das

Grundstückszubehör,

die

Früchte und bestimmte Forderungen (§§ 1120 ff. BGB). Der Hypothekar kann also das Grundstück als wirtschaftliche Einheit [vgl. Baur-Stürner, Sachenrecht, § 39 I, 1] für sich

270

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

verwerten. Dieser Umstand erhöht den Wert der Hypothek, denn die Gesamtverwertung gerade etwa von Betriebsgrundstücken wird regelmäßig einen höheren Erlös erbringen als eine Einzelverwertung. Die Mithaftung auch des Zubehörs (d.s. nach § 97 BGB bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteil des Grundstücks zu sein, dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks dienen und zum Grundstück in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Zusammenhang stehen) kann Kollisionsprobleme aufwerfen, da die Zubehörsachen Gegenstand von Sicherungsübereignungen und Eigentumsvorbehalten sein können. Zur Kollisionsproblematik gleich unter bb). Die Tatsache, daß dem Hypothekar das Grundstück als wirtschaftliche Einheit haftet, bedeutet nun keinesfalls, daß der Grundstückseigentümer mit der Hypothekenbestellung die Verfügungsbefugnis über das Grundstück und dessen Bestandteile und Zubehör sowie die in den Haftungsverband fallenden Forderungen verliert. Die Hypothekenhaftung ist vielmehr eine potentielle Haftung, die erst mit der im Wege der Zwangsvollstreckung auf der Basis eines Vollstreckungstitels (§§ 704, 794 ZPO) erfolgenden Beschlagnahme des Grundstücks aktualisiert wird. Vor der Beschlagnahme kann der Eigentümer das Grundstück (allerdings belastet mit der Hypothek) sowie dessen Bestandteile, die vom Grundstück getrennten Erzeugnisse und das Zubehör beliebig veräußern. Diese werden nach §§ 1121 Abs. 1, 1122 Abs. 1 BGB durch Veräußerung und/oder Entfernung vom Grundstück von der Haftung frei. Diese Regelung ist gerade unter dem Aspekt einer sinnvollen Weiterbewirtschaftung des Grundstücks durch den Eigentümer und die

VI.

Gnindpfandrechte

271

damit gerade auch im Interesse des Hypothekars gegebene Möglichkeit, die für die Kreditrückführung erforderlichen Mittel zu erwirtschaften, alleine sinnvoll.

bb)

Haftung der Grundstücksbestandteile, der Erzeugnisse und des Zubehörs im einzelnen.

Wesentliche (ungetrennte) Bestandteile des Grundstücks haften der Hypothek immer, sie sind gegenüber dem Grundtsück nicht sonderrechtsfähig (§ 93 BGB). Auch die nicht wesentlichen Bestandteile (etwa: mit dem Grundtsück nicht fest verbundene Gebäude, vgl. § 94 Abs. 1 BGB) sowie die vom Boden noch nicht getrennten Erzeugnisse (sie sind nach § 94 Abs. 1 BGB wesentliche Bestandteile) unterliegen regelmäßig der hypothekarischen Haftung. § 1120 BGB erstreckt die Haftung aber auch auf die geernteten Erzeugnisse, soweit sie mit der Trennung nicht in das Eigentum eines anderen fallen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Grundstück verpachtet ist: Hier erwirbt nach § 956 B G B der Pächter das Eigentum an der Ernte. Schließlich bezieht § 1120 BGB auch das Zubehör (zum Begriff oben unter aa) mit in den Hypothekenverband ein. Die Vorschrift enthält jedoch darüberhinaus einen zentralen Grundsatz: Nicht wesentliche Bestandteile, getrennte Erzeugnisse und Zubehör unterliegen der hypothekarischen Haftung dann nicht, wenn sie nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen, wenn also ein anderer Eigentümer etwa des Zubehörs ist. Damit ergeben sich für die bereits oben angesprochene Kollision zwischen Hypothekenhaftung einerseits und Sicherungsübereignung und Eigen-

272

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

tumsvorbehalt andererseits zunächst folgende Feststellungen: Hat der Eigentümer Bestandteile oder Zubehör unter Eigentumsvorbehalt des Lieferanten erworben, so bleibt der Lieferant bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises Eigentümer, das Eigentum an der gelieferten Sache fällt damit nicht in den hypothekarischen Haftungsverband. Der Grundstückseigentümer hat jedoch infolge der bedingten Übereignung der Sache an ihn ein Anwartschaftsrecht an der Sache erlangt (vgl. dazu oben V, 3 b). Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Hypothekenhaftung nicht wenigstens auf die Anwartschaft erstreckt, da diese ein eigenes Recht des Grundstückseigentümers darstellt. Beispiel (nach Baur-Stürner, Sachenrecht, § 39 III, 1): Fabrikant E hat für seine Fabrik von V einen fahrbaren Hebekran für 150.000 DM unter Eigentumsvorbehalt erworben. Das Betriebsgrundstück des E ist mit einer Hypothek zugunsten der G-Bank belastet. Als nur noch 5.000 DM Kaufpreisrest ausstehen, überträgt E sein Anwartschaftsrecht aus der bedingten Übereignung nach § 930 BGB auf seinen Gläubiger X. E fällt in Konkurs. Sowohl G wie auch X beanspruchen den Kran für sich, G ab Hypothekar, X als Anwartschaftsberechtigter; jeder von ihnen ist bereit, den Restkaufpreis an Vzu bezahlen. Die h.M. [vgl. Baur-Stürner, Sachenrecht, § 39 IV, 1; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 932, 933, je m.w.N.; BGH NJW 1970, 2212] bezieht das Anwartschaftsrecht entgegen dem Wortlaut des § 1120 BGB (Eigentümer ist ja nach wie vor der Lieferant) in die Hypothekenhaftung mit ein. Zur Begründung

VI. Grundpfandrechte

273

wird zutreffend darauf verwiesen, daß das Anwartschaftsrecht ein eigenes Vermögensrecht des Erwerbers darstellt und daß es ja auch sonst als dem Eigentum 'wesensgleiches Minus' behandelt wird [vgl. Baur-Stürner, a.a.O.]. Die Hypothekenhaftung umfaßt also zunächst das Anwartschaftsrecht und setzt sich dann - mit Bedingungseintritt, also vollständiger Bezahlung des Kaufpreises - am Vollrecht Eigentum fort, gleichgültig in wessen Person es entsteht. Bezahlt also im Beispiel X den Restkaufpreis an V, erwirbt er damit zwar das Eigentum am Kran, jedoch belastet mit der Hypothek der G-Bank. Bezüglich der Sicherungsübereignung von Zubehörstücken ist zunächst auf den Zeitpunkt der Hypothekenbestellung abzustellen: Ist die Sicherungsübereignung vor der Hypothekenbestellung vorgenommen worden, so entfaltet sie ihre volle Wirkung, das Zubehörstück unterliegt gemäß § 1120 BGB wegen Fremdeigentums nicht der Hypothekenhaftung [vgl. PalandtBassenge, a.a.O., § 1120 RNr. 6]. Wurde das Zubehörstück jedoch nach der Hypothekenbestellung sicherungsübereignet, so lag ja zunächst Eigentum des Grundeigners vor, die Hypothekenhaftung ist mit der Bestellung der Hypothek entstanden. Das betreffende Zubehörstück könnte allerdings durch die Sicherungsübereignung nach den Grundsätzen über die Enthaftung von zunächst im Eigentum des Grundeigners befindlichen Bestandteilen, getrennten Erzeugnissen und Zubehör aus dem Haftungsverbund wieder ausgeschieden sein. Diese Grundsätze - ihr Verständnis bereitet nicht nur dem Nicht-Juristen erfah-

274

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

rungsgemäß einige Schwierigkeiten - sollen im folgenden in ihrem Kern dargestellt werden. Es geht hierbei im wesentlichen um die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen die Veräußerung und/oder Entfernung eines Bestandteils, von getrennten Erzeugnissen oder eines Zubehörstücks vom haftenden Grundstück das Ausscheiden des betreffenden Gegenstandes (sein 'Freiwerden') aus dem Haftungsverband bewirken. Hier ist zunächst zu differenzieren, ob die Veräußerung/Entfernung vor oder nach der Beschlagnahme des Grundstücks erfolgt ist. (1) Die Situation vor der Beschlagnahme: Es wurde bereits oben (unter aa) darauf hingewiesen, daß der Grundstückseigentümer auch nach der Hypothekenbestellung völlig frei ist, über die mithaftenden Gegenstände zu verfügen, sofern die Beschlagnahme des Grundstücks noch nicht erfolgt ist. Ob und wann ein ursprünglich mithaftender (dies beantwortet § 1120 BGB) Gegenstand durch Veräußerung und/oder Entfernung vom Grundstück durch den Eigentümer aus dem Haftungsverband ausscheidet, hängt nach der gesetzgeberischen Konzeption davon ab, ob damit die wirtschaftliche Zugehörigkeit des betreffenden Gegenstandes zum Grundstück beendet werden soll. Nach der allgemeinen Lebensauffassung des Gesetzgebers kann diese Zugehörigkeit einmal enden mit der Veräußerung und Entfernung, aber auch mit der Entfernung alleine, wenn sie eine endgültige sein soll. Die Entfernung für sich alleine genügt allerdings für das 'Freiwerden' des betreffenden Gegenstandes nur dann, wenn sie im Rahmen einer "ordnungsmäßigen Wirtschaft" (vgl. §

275

VI. Griindpfandrechte

1122 Abs. 1 BGB) erfolgt. Der Gesetzgeber will damit einen Raubbau - insbesondere mit den Grundstückserzeugnissen verhindern. Aus diesen Grundsätzen hat der Gesetzgeber folgende Regeln entwickelt: Getrennte Bestandteile und Erzeugnisse sowie Zubehör scheiden aus der Hypothekenhaftung durch Veräußerung

(d.i.

Übereignung) und Entfernung vom Grundstück aus (§ 1121 Abs. 1 BGB). Die bloße Entfernung bewirkt ein Freiwerden der genannten Gegenstände dann, wenn sie im Rahmen einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung geschieht und auf Dauer gewollt ist (§ 1122 Abs. 1 BGB). Für Zubehörstücke gilt die Besonderheit, daß sie auch ohne Veräußerung und/oder Entfernung dann frei werden, wenn ihre Zubehöreigenschaft im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung aufgehoben wird (etwa: der Eigentümer hat eine veraltete, nicht mehr benötigte Maschine zum Verkauf annonciert). Die nach der Hypothekenbestellung und vor der Beschlagnahme vorgenommene Sicherungsübereignung bewirkt damit ein Ausscheiden der übereigneten Gegenstände regelmäßig nicht, da hier die Übereignung nach § 930 BGB erfolgt, die übereigneten

Gegenstände

also

im

Besitz

des

Eigentü-

mers/Sicherungsgebers verbleiben, es also an der erforderlichen Entfernung vom Grundstück fehlt [vgl. B G H Z 60, 267]. (2) Die Situation nach der Beschlagnahme: Die vom Vollstreckungsgericht auf Antrag des Hypothekars angeordnete Zwangsversteigerung des Grundstücks gilt als Beschlagnahme des Grundstücks (§§ 15, 20 ZVG). Die Beschlag-

276

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

nähme hat die Wirkung eines (relativen) Veräußerungsverbots für den Grundstückseigentümer (§ 23 Abs. 1 ZVG). Veräußerungen von mithaftenden Gegenständen sind damit dem Hypothekar gegenüber unwirksam. Da jedoch die Beschlagnahme ein behördliches Veräußerungsverbot darstellt, kommt über § 136 BGB die Vorschrift des § 135 Abs. 2 BGB zur Anwendung: Danach kann der Erwerber der mithaftenden Gegenstände diese unter den Voraussetzungen der §§ 932 ff. BGB gutgläubig erwerben. Der gute Glaube des Erwerbers muß sich dabei auf die Beschlagnahme beziehen (§ 1121 Abs. 2 BGB), sie darf ihm nicht bekannt sein, seine Unkenntnis darf nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen (§ 932 Abs. 2 BGB) [h.M., vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., m.w.N.]. Das ZVG schränkt die Gutgläubigkeit des Erwerbers hier allerdings durch zwei Fiktionen ein: Danach gilt die Beschlagnahme als bekannt, wenn der Erwerber Kenntnis vom Antrag des Hypothekars auf Zwangsversteigerung bzw. -Verwaltung hatte (§§ 23 Abs. 2 Satz 1, 146 ZVG) sowie bei Kenntnis des Zwangsversteigerungs- bzw. Zwangsverwaltungsvermerks im Grundbuch (§§ 23 Abs. 2 Satz 2, 146 ZVG). Ist der Erwerber gutgläubig, so erwirbt er nach § 936 BGB die Sache lastenfrei, d.h. nicht belastet mit der Hypothek, die Sache ist damit aus dem Haftungsverband ausgeschieden.

cc)

Haftung der Miet- und Pachtzinsforderungen

Die Hypothekenhaftung erstreckt sich nach § 1123 Abs. 1 BGB auch auf dem Eigentümer zustehende Miet- und Pachtzinsforderungen. Dem Hypothekar haften damit nicht nur die Sachsondern auch die Rechtsfrüchte des Grundstücks. Auch über die Miet- und Pachtzinsforderungen kann der Eigentümer vor

VI. Grundpfandrechte

277

der Beschlagnahme (sie erfolgt hier durch Anordnung der Zwangsverwaltung, § 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG, also nicht durch Zwangsversteigerung, § 21 Abs. 2 ZVG) frei verfügen, also die Forderungen einziehen oder an Dritte abtreten, §§ 1124, 1125 BGB. Ist jedoch Beschlagnahme erfolgt, so ist die Einziehung der Forderung (resp. ihre Abtretung) dem Hypothekar gegenüber nur hinsichtlich des laufenden Kalendermonats, bei Beschlagnahme nach dem 15. eines Monats auch hinsichtlich des nächsten Monats wirksam. [Zur Problematik der auf einen langen Zeitraum bezogenen, nach dem Mietvertrag geschuldeten Vorausentrichtung des Mietzinses durch den Mieter - dies betrifft insbesondere auf den Mietzins zu verrechnende Baukostenzuschüsse des Mieters - vgl. Baur-Stürner, Sachenrecht, § 39 V, 3 b].

dd)

Haftung der Versicherungsforderungen

In den Haftungsverband fallen schließlich auch Forderungen des Eigentümers gegen seine Versicherung(en), die aus der Zerstörung oder Beschädigung von auf dem Grundstück stehenden Gebäuden oder anderen Gegenständen resultieren (§ 1127 BGB). Diese Regelung ist nur folgerichtig, denn die entsprechenden Versicherungsforderungen stellen Surrogate für diese Gegenstände dar [vgl. i.e. Baur-Stürner, Sachenrecht, § 39 VI].

278 d)

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Realisierung der Hypothekenhaftung

aa) Pfandreife Wie bei allen Sicherungsrechten ist auch bei der Hypothek die Pfandreife Voraussetzung dafür, daß der Hypothekar aus dem Sicherungsrecht Hypothek vorgehen, d.h. das Grundstück für sich verwerten darf. Ebenfalls wie bei den anderen Sicherungsrechten tritt auch bei der Hypothek die Pfandreife mit der Fälligkeit (und Nichtzahlung der gesicherten Forderung durch den Schuldner) ein. Die Hypothek sichert regelmäßig - meist langfristige - Institutskredite. Die Fälligkeit der Darlehensrückforderung des Kreditgebers hängt hier von den im Darlehensvertrag getroffenen Vereinbarungen ab. Diese können einmal einen bestimmten Zeitpunkt für die Fälligkeit vorsehen (sog. Fälligkeitshypothek), es kann aber die Fälligkeit auch von einer vorgängigen, fristgebundenen Kündigung abhängig gemacht werden (sog. Kündigungshypothek). Nicht selten werden beide Varianten kombiniert, so daß auch bei fester Laufzeit des Kredits die Fälligkeit erst nach erfolgter Kündigung eintritt. Schließlich kann die Fälligkeit auch als Folge einer vertraglich vereinbarten außerordentlichen Kündigung eintreten. Ein solches außerordentliches Kündigungsrecht ergibt sich für die Banken aus Nr. 19 Abs. 3 ihrer AGB '93. Darüberhinaus enthalten aber auch die Darlehensvertragsformulare der Kreditinstitute regelmäßig Klauseln, die den Kreditinstituten außerordentliche Kündigungsrechte mit der Wirkung sofortiger Fälligkeit der Darlehensrückforderung einräumen für den Fall, daß der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Kreditver-

VI. Grundpfandrechte

279

trag nicht nachkommt. Als derartige außerordentliche Kündigungsgründe werden typischerweise unpünktliche Zins- und Tilgungszahlungen, Nichtabschluß vereinbarter Versicherungen, Abtretung oder Verpfändung der Miet- und Pachtzinsforderungen u.ä. vereinbart. Soweit Laufzeit des Darlehens und/oder Kündigungsmöglichkeiten vertraglich nicht geregelt sind - das kommt in der Wirtschaftspraxis so gut wie nicht vor gelten die gesetzlichen Kündigungsregeln der §§ 609, 609 a BGB. Für den Fall, daß Schuldner der gesicherten Forderung und Eigentümer des haftenden Grundstücks nicht identisch sind und die Fälligkeit der Forderung von der Kündigung abhängt, ordnet § 1141 BGB für den Eintritt der Pfandreife als Zusatzerfordernis auch die Kündigung der Hypothek gegenüber dem Grundstückseigentümer an. Zweck dieser Vorschrift ist der Schutz des Grundstückseigentümers: Er soll nicht durch die vom Kreditgeber dem Forderungsschuldner gegenüber ausgesprochene Kündigung überrascht werden.

bb)

Prozedur der Verwirklichung der Rechte des Hypothekars

Ist Pfandreife eingetreten, zahlt also der Schuldner der gesicherten Forderung trotz Fälligkeit nicht, kann der Hypothekar seine Rechte aus der Hypothek durchsetzen. Die hierfür allein vorgesehene Prozedur ist die Zwangsvollstreckung. Vereinbarungen über eine andere Art der Befriedigung sind vor Pfandreife unzulässig (§ 1149 BGB). Nach Eintritt der Pfandreife sind derartige Abreden zwar zulässig, bedürfen aber

280

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

der notariellen Beurkundung nach § 313 BGB [vgl. PalandtBassenge, a.a.O., § 1149 RNr. 1]. Wie immer ist auch die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek nur auf der Basis eines Vollstreckungstitels zulässig. Als Vollstreckungstitel kommen rechtskräftige oder für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteile in Betracht (§ 704 Abs. 1 ZPO) sowie die in § 794 ZPO aufgeführten Titel. Inhalt des (dinglichen) Titels ist nicht die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung einer Geldsumme, sondern "Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der in der Hypothek genannten Geldsumme in das Grundstück". Das Erstreiten eines gerichtlichen Urteils ist zeitaufwendig (ein durch mehrere Instanzen geführter Prozess kann Jahre dauern) und kostenriskant (der im Rechtsstreit Unterlegene trägt die gesamten Kosten des Verfahrens). Die Kreditinstitute nutzen deshalb fast ausnahmslos die Möglichkeit der vollstreckbaren Urkunde: In ihr unterwirft sich der Darlehensnehmer/Grundstückseigentümer bereits bei der Hypothekenbestellung der "sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück". Der Eigentümer wird diese Erklärung regelmäßig abgeben, da er Geld braucht. Die entsprechende Urkunde bedarf der notariellen Beurkundung und ist Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Soweit die Unterwerfungsklausel ins Grundbuch eingetragen worden ist - hierzu ist Zustimmung des Eigentümers erforderlich - wirkt sie gegenüber allen späteren Eigentümern des Grundstücks (§ 800 ZPO). Die Zwangsvollstreckung setzt weiter voraus, daß sich der Hypothekar die Vollstreckungsklausel verschafft, d.h. sich vom

VI.

Gnindpfandrechte

281

Gericht oder Notar eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels erteilen läßt (§ 797 ZPO) und diese dem Eigentümer zustellt. Sofern die genannten Voraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) vorliegen, kann der Hypothekar die Zwangsvollstreckung durch Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung betreiben (§ 866 ZPO). Auf die Einzelheiten dieser Verfahren kann hier nicht eingegangen werden [vgl. dazu die Kurzdarstellung bei Hj. Weber, a.a.O., S. 171 ff. sowie Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, München 1991].

e)

Erlöschen der Hypothek

Befriedigt der Schuldner der gesicherten Forderung den Hypothekar, so erlischt die Hypothek nicht, sondern steht dem Eigentümer zu (§ 1163 Abs. 1 BGB) und wird in dessen Person zur Eigentümergrundschuld (§ 1177 BGB). Als Erlöschensgründe kommen daher nur in Betracht die - kaum praktische Aufhebung durch Rechtsgeschäft (§§ 975, 1183 BGB) sowie das Erlöschen infolge Befriedigung des Hypothekars in der Zwangsvollstreckung. Daß die Hypothek dann erlischt, wenn der Hypothekar in der Zwangsvollstreckung Befriedigung erlangt hat (§ 1181 Abs. 1 u. 3), ist die logische Konsequenz der Tatsache, daß er damit ja die Substanz des Grundstücks für sich verwertet hat. In der Zwangsversteigerung bleiben nur die dem die Vollstreckung betreibenden Gläubiger vorrangigen Rechte bestehen (§ 44 Abs. 1 ZVG). Das Grundpfandrecht des betreibenden

282

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Gläubigers und die ihm nachrangigen Rechte erlöschen mit dem Zuschlag (§§ 52 Abs. 1 Satz 2, 19 Abs. 1 ZVG). Die Inhaber der erloschenen Rechte haben allerdings die Chance, insofern aus dem Versteigerungserlös befriedigt zu werden, denn nach § 92 Abs. 2 ZVG setzen sich die erloschenen Rechte kraft Surrogation am Erlös fort.

f)

Sonderformen der Hypothek

Da die Sonderformen der Hypothek im Wirtschaftsleben noch seltener sind als die ohnehin schon seltene Grundform, beschränkt sich folgende Darstellung auf eine Skizze des Wesens der jeweiligen Form.

aa)

Sicherungshypothek

Während bei der zuvor dargestellten Verkehrshypothek das Akzessorietätsprinzip insofern 'gelockert' ist, als sie gutgläubig auch ohne bestehende Forderung erworben werden kann (die Forderung wird insoweit als bestehend fingiert, als sie für den Hypothekenerwerb als 'Unterlage' dienen muß, § 1138 BGB), ist die Sicherungshypothek streng akzessorisch ausgestaltet: Der gutgläubige Erwerb einer forderungslosen Sicherungshypothek ist ausgeschlossen (§§ 1184, 1185 BGB; der Wortlaut dieser Vorschriften ist insofern etwas verklausuliert.) Der potentielle Erwerber einer Sicherungshypothek muß also, will er sicher gehen, daß er die Hypothek auch erwirbt, schwierige, oft gar nicht mögliche Nachprüfungen bezüglich der Existenz der gesicherten Forderung anstellen. Die Sicherungshypothek ist

VI. Grundpfandrechte

283

deswegen schwer übertragbar und aus diesem Grund in der Praxis unbeliebt. Neben der durch Rechtsgeschäft (§ 873 BGB: Einigung und Eintragung) bestellten Sicherungshypothek hat der Gesetzgeber diese Form auch als Mittel zwangsweiser Sicherung vorgesehen; sie ist eine der Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung in Grundstücke: Der Inhaber eines gegen den Grundstückseigentümer gerichteten vollstreckbaren Titels kann beim Grundbuchamt (es ist insofern Vollstreckungsorgan) die Eintragung einer Zwangshypothek beantragen. Diese Zwangshypothek ist Sicherungshypothek (§ 866 Abs. 1 u. 3 ZPO). Durch die Eintragung der Zwangshypothek erlangt der Gläubiger

zwar

(zunächst) keine Befriedigung, er ist aber wegen der titulierten Forderung gesichert und kann bessere Zeiten beim Schuldner abwarten. Ähnlich können die Finanzämter auf der Basis eines bestandskräftigen Steuerbescheides (er ist vollstreckbarer Titel, § 249 AO!) die Eintragung einer Sicherungshypothek am Grundstück des Steuerschuldners beantragen (§ 322 AO). Wegen weiterer Besonderheiten der Sicherungshypothek kann auf die einschlägige Lehrbuchliteratur verwiesen werden [vgl. etwa Baur-Stürner, Sachenrecht, § 42].

bb)

Höchstbetragshypothek

Die Höchstbetragshypothek ist nach der gesetzlichen Definition des § 1190 BGB eine Sicherungshypothek, bei der nur der Höchstbetrag bestimmt wird, bis zu dem das Grundstück haften

284

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

soll. Es ist hier also - in Abweichung von §§ 1113, 1115 BGB kein bestimmter Geldbetrag der Forderung eingetragen. Für welchen Betrag das Grundstück real haftet, ergibt sich erst im Vollstreckungsfall. Die Höchstbetragshypothek bietet sich für all diejenigen Rechtsbeziehungen an, für die eine wechselnde Höhe der zu sichernden Forderung charakteristisch ist. Trotz ihrer Flexibilität hat die Höchstbetragshypothek kaum praktische Bedeutung. Ihr entscheidender Mangel aus der Sicht der Kreditgeber liegt darin, daß sich hier der Eigentümer nicht in einer notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung entsprechend § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unterwerfen kann, da es an der dafür erforderlichen "bestimmten Geldsumme" mangelt. Die Höchstbetragshypothek ist daher insbesondere durch die ebenso flexible - da nicht akzessorische - Grundschuld verdrängt worden.

cc)

Gesamthypothek

Die Besonderheit der Gesamthypothek besteht darin, daß sie zur Sicherung einer Forderung an mehreren Grundstücken bestellt wird. Es haftet dann jedes Grundstück für die ganze Forderung, der Hypothekar kann Befriedigung nach seinem Belieben aus jedem der Grundstücke ganz oder teilweise suchen (§ 1132 Abs. 1 BGB). Gleichgültig ist, ob die Grundstücke einem Eigentümer oder mehreren gehören. Die Gesamthypothek bietet dem Hypothekar ein Optimum an Sicherheit. Die Sicherungsalternative wäre die Verteilung der Forderung - und damit der Sicherung - auf jedes der mehreren Grundstücke. Das wäre für den Hypothekar jedoch insofern riskant, als er bei Wertverlust eines der Grundstücke einen nicht durch Über-

VI. Gnindpfandrechte

285

schüsse bei der Verwertung der anderen Grundstücke kompensierbaren Ausfall erleiden könnte. Diese Risiko vermeidet er mit der Gesamthypothek: Die mögliche Wertminderung eines Grundstücks ist durch die Wertreserven der anderen ausgleichbar. Für den (die) Grundstückseigentümer ist die Gesamthypothek höchst nachteilig. Denn jedes Grundstück ist mit dem Gesamtbetrag der Forderung belastet, so daß eine weitere - nachrangige - Belastung kaum möglich sein wird: Jeder weitere Gläubiger muß damit rechnen, daß gerade dieses Grundstück vom Gesamthypothekar voll in Anspruch genommen wird. Als praktisches Anwendungsfeld der Gesamthypothek kommt insbesondere der landwirtschaftliche Bereich in Betracht, soweit der Kreditnehmer Eigentümer kleinerer, verstreut gelegener Grundstücke ist und einen größeren Kredit benötigt: Hier wird der Kreditgeber vielfach nur in der Gesamtheit der Grundstücke eine ausreichende Sicherheit sehen. Wegen der Einzelheiten der Gesamthypothek muß auch hier auf die einschlägige Lehrbuchliteratur verwiesen werden [vgl. etwa ausf. Baur-Stürner, Sachenrecht, § 43].

dd)

Wertpapierhypothek

Die Wertpapierhypothek dient in erster Linie der Besicherung von Schuldverschreibungen auf den Inhaber (§ 793 BGB), die ein Unternehmen zum Zweck der Kapitalbeschaffung emittiert hat (vgl. dazu oben Kap. 2,1, 1 a). Aber auch zur Sicherung von Forderungen aus Wechseln und anderen Orderpapieren kann eine Wertpapierhypothek bestellt werden (§ 1187 BGB).

286

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Bei Schuldverschreibungen auf den Inhaber besteht die wertpapierrechtliche Eigenart darin, daß ein Berechtigter namentlich nicht benannt ist. Folglich kann auch bei der die Forderungen aus den Inhaberschuldverschreibungen sichernden Hypothek kein Hypothekengläubiger im Grundbuch eingetragen werden, es sei denn, erster Nehmer ist eine Bank, die die Anleihe insgesamt übernimmt und ihrerseits die Schuldverschreibungen emittiert. Hier hilft die Wertpapierhypothek: Sie kann gemäß § 1188 BGB durch einseitige Erklärung des Grundstückseigentümers (d.i. das emittierende Unternehmen) gegenüber dem Grundbuchamt bestellt werden. Die Wertpapierhypothek ist immer Sicherungshypothek, auch wenn sie als solche im Grundbuch nicht bezeichnet ist (§ 1187 Abs. 1 BGB). Die Eintragung im Grundbuch lautet dann etwa: "500.000 DM Sicherungshypothek mit 6% jährlich seit 1.11.92 zu verzinsen zur Sicherung der von der X-AG ausgegebenen 1000 Stück Teilschuldverschreibungen auf den Inhaber zu je 500 DM Reihe A Nr. 1-1000." Damit ist der jeweilige Inhaber der numerisch bestimmten Schuldverschreibung hypothekarisch gesichert. Auch die Wertpapierhypothek ist in der Praxis weitgehend durch die Grundschuld verdrängt. Grundschuldgläubiger ist dann meist eine die Emission der Schuldverschreibungen vermittelnde Bank, die die Rechte der Inhaber der Schuldverschreibungen treuhänderisch wahrnimmt.

287

VI. Grundpfandrechte

3.

Grundschuld

a)

Allgemeines. Rechtsnatur und wirtschaftliche Bedeutung

Wie die Hypothek gewährt auch die Grundschuld ihrem Inhaber ein Verwertungsrecht am Grundstück des Sicherungsgebers. Der wesentliche Unterschied zwischen Hypothek und Grundschuld wurde bereits mehrfach hervorgehoben: Die Hypothek ist akzessorisches Sicherungsrecht, d.h. in ihrer Existenz abhängig von dem Bestand der zu sichernden Forderung, während die Grundschuld dies nicht ist, sie ist im Entstehen und Fortbestehen unabhängig von einer durch sie zu sichernden Forderung. Indes wird auch die Grundschuld in der Kreditpraxis regelmäßig zur Sicherung einer Forderung (der Darlehensrückzahlungsforderung des Kreditgebers) bestellt und wird dann als Sicherungsgrundschuld bezeichnet. (Diese Bezeichnung - das Gesetz kennt sie nicht - ist allerdings insofern irreführend, als sie die Vorstellung erwecken kann, es handele sich hier um ein Pendant zur streng akzessorischen Sicherungshypothek!) Die Verknüpfung von Sicherungszweck und Grundschuldbestellung wird in der Praxis - wie bei Sicherungsübereignung und Sicherungszession - durch eine - schuldrechtliche Sicherungsabrede ('Zweckerklärung') bewirkt, in der u.a. festgelegt wird, daß der Grundschuldgläubiger seine Rechte aus der Grundschuld (nur) im Sicherungsfall ausüben darf. Damit wird die Sicherungsgrundschuld freilich nicht zu einem akzessorischen Grundpfandrecht. Die durch die Sicherungsabrede herbeigeführte Verbindung von Sicherungszweck und Grundschuld bedeutet also keine Annäherung der Sicherungsgrundschuld an die Hypothek. Die Parallele ist vielmehr zu den nicht-akzessorischen

Sicherungsgeschäften

wie

Sicherungs-

288

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Übereignung und Sicherungszession zu ziehen: Infolge der Zweckbindung der Sicherungsgrundschuld kommt dem Sicherungsnehmer durch das Bestellungsgeschäft nach außen hin ein Mehr an Rechten zu als ihm im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber zustehen soll; denn nach außen hat der Grundschuldgläubiger das volle Recht, vom Sicherungsgeber Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück verlangen zu können, im Innenverhältnis jedoch darf er diese Rechtsmacht nur im Rahmen des Sicherungszwecks ausüben. Wie bei Sicherungsübereignung und Sicherungszession überschreitet also das rechtliche 'Können' des Sicherungsnehmers sein rechtliches 'Dürfen', wie Sicherungseigentum und Gläubigerschaft bei der Sicherungszession ist auch die Sicherungsgrundschuld damit fiduziarisches (treuhänderisches) Sicherungsrecht [ganz h.M., vgl. nur Hj. Weber, a.a.O., S. 196; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 987; BGH NJW 1989,1733, je m.w.N.] Nach der gesetzgeberischen Grundvorstellung sollte die Grundschuld dem Gläubiger das Verwertungsrecht am Grundstück des Grundschuldbestellers gewähren, ohne daß sie an das Fälligwerden einer Forderung des Gläubigers gebunden ist. Diese sog. 'isolierte' Grundschuld (etwa: Vater schenkt seiner Tochter als Mitgift Grundschuld an seinem Grundstück) kommt in der Praxis außerordentlich selten, in der Kreditpraxis (hier geht's ja gerade um Forderungssicherung!) überhaupt nicht vor. Die folgende Darstellung behandelt deshalb auschließlich die Sicherungsgrundschuld. Wenn weiterhin von der Grundschuld die Rede ist, ist also immer die Sicherungsgrundschuld gemeint.

VI. Gnindpfandrechte

289

Die aufgezeigte Parallele der Sicherungsgrundschuld zu Sicherungsübereignung und Sicherungszession setzt sich auch in der Rechtsbeziehung

zwischen

Grundstückseigentü-

mer/Kreditnehmer ( E ) (unter der Prämisse, daß beide identisch sind, was wie bei den anderen Sicherungsgeschäften nicht sein muß) und Grundschuldgläubiger/Kreditgeber (sie müssen immer identisch sein) fort: W i e dort findet sich auch bei der Sicherungsgrundschuld die typische dreigliedrige Rechtsverbindung.

Darlehensvertrag

Bank

Eigentümer (Kreditnehmer /

Sicherungsabrede

(Kreditgeber / Sicherungsnehmer)

Sicherungs— geber) Grundachuld

Auf die Interdependenzen dieser Beziehungsteile, insbesondere die Rechtslage bei Nichtigkeit des einen oder anderen Gliedes, wird unten (unter c) eingegangen. Auf die Grundschuld finden gemäß § 1192 B G B die Vorschriften über die Hypothek entsprechende Anwendung, ausgenommen diejenigen Regelungen, die die Abhängigkeit des Grundpfandrechts von der Forderung voraussetzen. Dies betrifft insbesondere die §§ 1137-1139, 1141, 1153, 1161, 1163 Abs. 1,

290

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

1164-1166, 1173 Abs. 1 Satz 2, 1174, 1177, 1184-1190 BGB: Diese Vorschriften sind auf die Grundschuld nicht anwendbar. Die wirtschaftliche Bedeutung der Grundschuld wurde bereits angesprochen (vgl. oben VI,1). Sie ist enorm. Wie oben (vgl. unter 1) referiert, betrug das durch Grundpfandrechte besicherte Kreditvolumen 1991 DM 914,390 Mrd.. Der Anteil der Grundschulden an den bestellten Grundpfandrechten betrug Ende der 70iger Jahre 81% [vgl. Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte, 1980, S. 11]. Da die Grundschuld wegen ihrer - von den Kreditinstituten als vorteilhaft eingeschätzten Nichtakzessorietät die Hypothek mittlerweile auch bei den langfristigen Krediten verdrängt hat, kann davon ausgegangen werden, daß der Grundschuldanteil an den bestellten Grundpfandrechten heute wohl bei 90% oder darüber liegt.

b)

Sicherungsabrede

Die Sicherungsabrede (vgl. dazu allg. oben Kap. 3, I) ist die schuldrechtliche Vereinbarung, in der sich der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer/Kreditgeber gegenüber verpflichtet, diesem zur Sicherung einer bestimmten Forderung eine Grundschuld zu bestellen. Die Sicherungsabrede enthält also in ihrem Kern zweierlei: Einmal die Begründung der Verpflichtung des Sicherungsgebers zur Grundschuldbestellung und des damit korrellierenden entsprechenden Anspruchs des Sicherungsnehmers (sog. Bestellabrede), zum anderen die in der Festlegung der zu sichernden Forderung liegende Bestimmung des Sicherungszwecks (sog. Sicherungszweckerklärung). Damit

VI. Grundpfandrechte

291

ist die Sicherungsabrede der Rechtsgrund, die causa, für die dingliche Grundschuldbestellung. Da die Sicherungsabrede gesetzlich nicht geregelt ist, existieren für sie auch keine Formvorschriften. In der Kreditpraxis wird die Sicherungsabrede jedoch regelmäßig schriftlich unter Verwendung der einschlägigen Vertragsformulare der Kreditinstitute fixiert. Diese Formulare enthalten über Bestellabrede und Sicherungszweckabrede hinaus durchgängig weitere Regelungen, die ausnahmslos eine Stärkung der Position der Kreditinstitute intendieren. So werden etwa der Sicherungsgeber und, soweit er mit diesem nicht identisch ist, auch der Kreditnehmer zur Unterhaltung und Versicherung der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude und Zubehörstücke verpflichtet; die Bank ist berechtigt, Erteilung aller Auskünfte und Nachweise zu verlangen, die sie bei der Verwaltung und Verwertung der Grundschuld benötigt, sie darf das belastete Grundstück, die Gebäude sowie das Zubehör besichtigen und in alle das belastete Grundstück betreffenden Unterlagen Einblick nehmen. Schließlich enthalten diese Formulare auch Abreden über die Verwertung von Grundschuld und Grundstück. Da diese Formulare allen Sicherungsabreden zugrundegelegt werden, haben ihre Klauseln AGB-Charakter, unterliegen also hinsichtlich ihrer Wirksamkeit der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz. Im Vordergrund steht in diesem Zusammenhang die durchgängig praktizierte sog. erweiterte Zweckerklärung. Mit ihr wird der Sicherungszweck der Grundschuld in der Weise erweitert, daß die Grundschuld nicht nur die eigentliche Darlehensrückforderung, sondern darüberhinaus alle zukünftigen Forderungen des Kreditinstituts aus der Geschäftsbezie-

292

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

hung mit dem Sicherungsgeber resp. Kreditnehmer (wenn beide nicht identisch sind) sichern soll. Der BGH [vgl. BGH ZIP 1987, 245 sowie 565 u. ZIP 1981, 147] will hier danach differenzieren, ob der Kreditnehmer auch der Eigentümer des zu belastenden Grundstücks ist, also eine sog. Eigensicherung vorliegt, oder ob Kreditnehmer und Grundstückseigentümer verschiedene Personen sind, sog. Drittsicherung. In den Drittsicherungsfällen wendet der BGH in ständiger Rechtsprechung [vgl. grdl. BGHZ 83, 66] § 3 AGBG an und wertet die erweiterte Zweckerklärung regelmäßig dann als den Grundstückseigentümer überraschende Klausel, wenn die Grundschuld einen betragsmäßig feststehenden - gar zweckgebundenen - Kredit sichern soll. Die Klausel ist dann entsprechend § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden. Entscheidend ist hier also für das Gericht der mit der erweiterten Zweckerklärung beim Grundstückseigentümer bewirkte 'Überrumpelungseffekt'. Genau besehen ist jedoch in vielen Drittsicherungsfällen das Anstößige nicht die 'Überrumpelung' als solche, sondern das, womit der Eigentümer überrumpelt wird [treffend Eickmann ZIP 1989, S. 138 unter 2.]. Denn die erweiterte Zweckerklärung bedeutet für den Eigentümer, daß sein Grundstück für Ansprüche haften muß, auf deren Entstehen und Umfang er keinerlei Einfluß nehmen kann. Die hierin liegende Einschränkung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ist unverhältnismäßig und als unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 9 AGBG zu qualifizieren [so auch Eickmann, a.a.O.; demente ZIP 1985, 193 ff.; Pottschmidt-

VI. Grundpfandrechte

293

Rohr, a.a.O., RNr. 994] mit der Folge der Nichtigkeit dieser Klausel. Den Überraschungseffekt i.S.v. § 3 AGBG sieht der BGH dann als nicht gegeben an, wenn dem Eigentümer von vornherein klar ist, daß Forderungen aus laufender Geschäftsverbindung (etwa: Kontokorrentkredit) besichert werden sollen oder wenn durch entsprechende drucktechnische Gestaltung der Klausel und/oder eindeutige Belehrung Klarheit geschaffen war [vgl. BGH ZIP 1987, 245; BGH NJW 1991, 3141]. An der unangemessenen Benachteiligung des Eigentümers i.S.v. § 9 AGBG wird es dann fehlen, wenn er - etwa wegen gesellschaftsrechtlicher Beziehungen - auf das Geschäftsgebaren des persönlichen Schuldners steuernden Einfluß nehmen kann, denn dann fehlt es an dem mißbilligten Element der mangelnden Kontrolle hinsichtlich der Entstehung weiterer, durch die Grundschuld gesicherter Forderungen [vgl. Eickmann, a.a.O., S. 140], Die erweiterte Zweckvereinbarung wird also in den Drittsicherungsfällen schon gar nicht Bestandteil der Sicherungsabrede, wenn und soweit die Voraussetzungen des § 3 AGBG (Überraschungseffekt) gegeben sind. Ist § 3 AGBG nicht erfüllt, die Klausel also Vertragsbestandteil geworden, kann sie unter den genannten Voraussetzungen nach § 9 AGBG nichtig sein. In den Fällen der Eigensicherung - der Kreditnehmer ist zugleich Eigentümer

des zu belastenden

Grundstücks

-

verneint der BGH sowohl den Überraschungseffekt i.S.v. § 3 AGBG [vgl. BGH ZIP 1981, 147] als auch die unangemessene

294

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Benachteiligung i.S.v. § 9 AGBG [vgl. BGH WM 1991, 1748]. Dem wird man folgen können, soweit es sich um geschäftsgewandte Personen handelt. Für den 'Häuslebauer' hingegen, der für den Ausbau seines Dachbodens einen Kredit benötigt, wird die erweiterte Zweckerklärung genauso überraschend sein wie für den Drittsicherer. Es ist deshalb auch in diesen Fällen § 3 AGBG anzuwenden, wenn nicht die oben genannten Ausnahmen vorliegen [so auch Eickmann, a.a.O., S. 139,140].

c)

Rechtslage bei Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und/oder Nichtentstehen resp. Erlöschen der gesicherten Forderung

aa)

Unwirksamkeit der Sicherungsabrede

Die Bedeutung der Sicherungsabrede für die Grundschuld wurde bereits angesprochen: Die Sicherungsabrede ist der Rechtsgrund {causa) für die Grundschuldbestellung. Ist die Sicherungsabrede (aus welchen Gründen auch immer) unwirksam, so ist der Gläubiger um die Grundschuld rechtsgrundlos bereichert i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, dem Kreditnehmer/Eigentümer steht ein entsprechender Bereicherungsanspruch gegen den Gläubiger zu. Dieser Bereicherungsanspruch ist nach Wahl des Eigentümers auf Rückübertragnung der Grundschuld, auf Verzicht (§§ 1169, 1168 BGB) oder ihre Aufhebung (§§ 873, 1183 BGB) gerichtet [vgl. BGHZ 108, 237; BGH NJW 1985, 800]. Versucht der Gläubiger gleichwohl, die Grundschuld geltend zu machen, so kann ihm der Eigentümer

VI. Gnindpfandreclite

295

die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegenhalten.

bb)

Nichtentstehen resp. Erlöschen der gesicherten Forderung

Ist die gesicherte (Darlehens-) Forderung nicht entstanden (Hauptfall: NichtValutierung des Darlehens) oder erloschen (etwa durch Tilgung), so ist der Sicherungszweck nicht mehr gegeben. Da es nichts mehr zu sichern gibt, ist offenkundig, daß der Grundschuldgläubiger die Grundschuld nicht behalten kann. Zur Eigentümergrundschuld, wie sie in dieser Situation bei der Hypothek nach §§ 1163, 1177 BGB automatisch entsteht, wird die Fremdgrundschuld hier nicht, da § 1163 BGB auf die Grundschuld nicht anwendbar ist. Dem Eigentümer steht nach allg. Meinung [vgl. nur Baur-Stürner, Sachenrecht, § 45 II 2 b; B G H NJW 1989, 1733] aber ein Rückgewähranspruch gegen den Gläubiger zu. Umstritten ist allerdings auf welcher Rechtsgrundlage dieser Anspruch basiert. Da dieser Streit indes eher akademischer Natur ist [zutr. Baur-Stürner, a.a.O.: "mehr konstruktive Frage mit kaum praktischer Bedeutung"], soll er hier nicht vertieft werden. Zunächst fällt die Parallelität der Problematik bei Grundschuld und Sicherungsübereignung

ins

Auge: Beide sind nicht-akzessorische Sicherungsrechte, denen eine Sicherungsabrede als causa zugrundeliegt. Auch bei der Sicherungsübereignung stellte sich die Frage nach der Rechtslage bei Nichtbestehen resp. Erlöschen der zu sichernden Forderung. Wie oben (vgl. unter III, 4) dargelegt, geht die h.M. bei

296

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

der Sicherungsübereignung über § 139 BGB vor: Da Darlehensvertrag und Sicherungsabrede eine wirtschaftliche Einheit bilden, führt das Nichtentstehen resp. Erlöschen der Darlehensforderung zur Nichtigkeit der Sicherungsabrede mit der Folge, daß der Sicherungsgeber das Sicherungsgut über § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB herausverlangen kann. Es läge nun nahe, diese Konstruktion wegen der großen Ähnlichkeit der Sachverhalte auch auf die Grundschuld zu übertragen. Soweit ersichtlich, wird diese Lösung jedoch nirgendwo vertreten. Die h.M. [vgl. nur Baur-Stürner, a.a.O.; Palandt-Bassenge, a.a.O., § 1191 RNr. 17 je m.w.N.] hebt vielmehr auf den Treuhand-Charakter der Sicherungsabrede ab und entnimmt dieser unmittelbar (auch wenn entsprechendes explizit nicht vereinbart ist) den durch den entgültigen Fortfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten - Anspruch des Eigentümers auf Rückgewähr der Grundschuld [a.A. Westermann-Eickmann, Sachenrecht, Bd II, 6. Aufl. München 1988, § 131 II, 4 für den Fall des Nichtentstehens der zu sichernden Forderung: Bereicherungsanspruch für den Eigentümer nach § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz, da der mit der Grundschuldbestellung bezweckte Erfolg Sicherung der Forderung - nicht mehr erreicht werden kann]. Geht der Gläubiger trotz Nichtbestehens der Forderung aus der Grundschuld vor, so kann der Eigentümer ihm diesen Rückgewähranspruch einredeweise entgegenhalten.

d)

Bestellung der Grundschuld

Der - dingliche - Bestellungsakt vollzieht sich bei der Grundschuld wie bei der Hypothek nach § 873 BGB durch Einigung

297

VI. Grundpfandrechte

zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Grundschuldgläubiger darüber, daß eine Grundschuld begründet werden soll, und ihre Eintragung im Grundbuch. Anders als bei der Hypothek (§ 1115 BGB) darf bei der Sicherungsgrundschuld die zu sichernde Forderung nicht ins Grundbuch eingetragen werden. Eingetragen werden müssen aber - neben dem Gläubiger - die Geldsumme, die "aus dem Grundstück zu zahlen ist" (§§ 1191, 1115 BGB), also die Haftungssumme der Grundschuld sowie der Zinssatz. Die Eintragung einer Briefgrundschuld lautet dann etwa: "Fünfzigtausend Deutsche Mark Grundschuld

mit

12%

jährlich verzinslich für den Kaufmann Max Krause in Berlin. Unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung vom ... eingetragen am Auf der dinglichen Ebene ist damit eine Verknüfung der zu sichernden Forderung mit der Grundschuld nicht möglich, diese Verbindung kann nur schuldrechtlich durch die Sicherungsabrede hergestellt werden. Umstritten ist, ob eine Verknüpfung zwischen Forderung und Grundschuld dadurch bewirkt werden kann, daß das Entstehen der Forderung zur aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) für das Entstehen der Grundschuld und das Erlöschen der Forderung zur auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) der Grundschuld gemacht werden. Die Frage ist indes akademischer Natur, da sich in der Kreditpraxis kein Gläubiger auf eine solche Konstruktion einlassen wird [diese Einschätzung teilen Baur-Stürner, Sachenrecht, § 45 II, 3 b]. Im übrigen ist

298

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

dieser Weg auch nicht gangbar, da auf ihm letztlich doch Akzessorietät zwischen Forderung und Grundschuld begründet würde, was das Gesetz gerade ausschließen will (§ 1192 BGB) [h.M., vgl. Baur-Stürner, a.a.O.; Hj. Weber, a.a.O., S. 198 f.; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 988 je m.w.N.]. Wie die Hypothek kann auch die Grundschuld als Brief- oder Buchgrundpfandrecht bestellt werden. Ist eine Buchgrundschuld gewollt, so muß - wiederum entsprechend der Lage bei der Hypothek - die Erteilung des Briefes ausgeschlossen und dies ins Grundbuch eingetragen werden (§§ 1192, 1116 Abs. 2 BGB). Auch hier stehen Brief- und Buchgrundpfandrecht im Regel /Ausnahme-Verhältnis. Die Briefgrundschuld entsteht - weitere Parallele zur Hypothek - erst mit der Briefübergabe (§§ 1192, 2117 Abs. 1 Satz 1 BGB). Vor der Briefübergabe besteht die eingetragene Grundschuld als Eigentümergrundschuld gemäß § 1163 Abs. 2 BGB; die Vorschrift gilt auch für die Grundschuld, da ihr das Akzessorietätsprinzip nicht zugrundeliegt [h.M., vgl. nur Baur-Stürner, Sachenrecht, § 44 II, 1]. Die von den Kreditinstituten verwendeten Grundschuldbestellungsformulare enthalten häufig eine Klausel, mit der der Grundstückseigentümer für die Zahlung des Grundschuldbetrages die persönliche Haftung übernimmt und sich wegen dieser Forderung des Kreditinstituts der sofortigen Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unterwirft. Die Übernahme der persönlichen Haftung hat dann den Charakter eines abstrakten Schuldversprechens i.S.v. § 780 BGB. Die Vorteile dieser Vereinbarung für die Kreditinstitute liegen auf der

VI. Grundpfandrechte

299

Hand: Sie erhalten damit eine zusätzliche - abstrakte - Forderung gegen den Grundstückseigentümer, für die nicht nur das Grundstück, sondern dessen gesamtes Vermögen haftet und haben mit der Vollstreckungsunterwerfung einen sofort vollstreckbaren Titel in der Hand. Eine so weitgehende, kumulativ zur Grundschuldsicherung hinzutretende Sicherung weckt Bedenken gegen ihre Zulässigkeit. D a die entsprechende Klausel aufgrund ihrer formularmäßigen Verwendung als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren ist, hat die Zulässigkeitskontrolle anhand des AGB-Gesetzes, insbesondere nach § 9 AGBG, zu erfolgen. Der B G H differenziert auch hier danach, ob auf der Schuldnerseite Personenidentität vorliegt (Eigensicherung) oder ob Kreditnehmer und Grundstückseigentümer verschiedene Personen sind (Drittsicherung). Für die Fälle der Eigensicherung verneint der B G H mit der h.M. [vgl. B G H ZIP 1987, 439; ausf. zur gesamten Problematik Eickmann, ZIP 1989, 140 ff. m.w.N.] einen Verstoß der Haftungsübernahme-Klausel gegen § 9 AGBG mit der Begründung, es entspreche schutzwürdigen Interessen eines Gläubigers, sich hinreichende Sicherheiten zu beschaffen. Dem ist zu folgen: Das Verlangen der Kreditinstitute nach Begebung mehrerer Sicherheiten kann grundsätzlich nicht als unangemessene Benachteiligung des Kreditnehmers i.S.v. § 9 A G B G gewertet werden. Die Kreditinstitute sind sogar nach den im Rahmen des Kreditgeschäfts anzuwendenden Grundsätzen der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu bestmöglicher Kreditsicherung verpflichetet, dies schon deshalb, weil sie in erster Linie

300

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

mit fremden Geldern arbeiten und die Sicherheit der Kundeneinlagen gewährleisten müssen [vgl. Jährig-Schuck-Woite, a.a.O., S. 587]. Eine Grenze ergibt sich durch eine vom Sicherungszweck her nicht notwendige Übersicherung, die allerdings nur im Einzelfall festgestellt werden kann [vgl. hierzu Eickmann ZIP 1989, 141]. Auch die Vollstreckungsunterwerfung i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO verstößt nicht gegen § 9 AGBG. Das wäre nur dann der Fall, wenn es ein gesetzliches Leitbild "Vollstreckung erst nach Klageverfahren" gäbe. Das gibt es aber nicht. Es ist vielmehr darauf abzustellen, daß die in § 794 Abs. 1 ZPO aufgeführten Titel dem Urteil als Vollstreckungstitel ausdrücklich gleichstellt sind [so auch Eickmann ZIP 1989, 141]. Anders ist die Lage hingegen in den Fällen der Drittsicherung. Hier verstößt die Haftungsübernahme-Klausel gegen § 9 AGBG. Denn es stellt eine unangemessene Benachteiligung des Grundstückseigentümers dar, wenn er neben der Grundschuld auch noch die persönliche Haftung (mit seinem gesamten Vermögen!) für die fremde Schuld aufgrund abstrakten Schuldversprechens übernehmen muß. Dies widerspricht der mit der Stellung von Sachsicherheiten ja gerade gewollten Risikobegrenzung. Wenn man sich schon auf eine Haftung für fremde Schuld einläßt und eine Sicherheit stellt, dann bringt das zum Ausdruck, daß das übrige Vermögen eben frei von Haftungsrisiken bleiben soll. Wer sein gesamtes Vermögen als Haftungsmasse für die fremde Schuld einsetzen will, der wählt die Bürgschaft [so auch Eickmann, a.a.O., S. 142]. Die Haftungsübernahme-Klausel ist damit in den Fällen der Drittsicherung als eine dem Grundgedanken der Grundschuld-

VI. Grundpfandrechte

301

haftung zuwiderlaufende, den Eigentümer unangemessen benachteiligende Haftungserweiterung zu werten. Sie ist nach § 9 AGBG unwirksam [so jetzt auch BGH WM 1991, 758, 759 m.w.N. mit der h.M., vgl. Eickmann, a.a.O., m.w.N.; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 988 a],

e)

Übertragung der Grundschuld und Einwendungen

Anders als die Hypothek kann die Sicherungsgrundschuld nicht gemäß § 1153 BGB durch Abtretung der gesicherten Forderung übertragen werden, da sie nichtakzessorisch, d.h. forderungsunabhängig besteht. Die Übertragung der Sicherungsgrundschuld erfolgt vielmehr ausschließlich nach sachenrechtlichen Regeln. Dementsprechend geht die Buchgrundschuld nach § 873 BGB durch Einigung des Veräußerers und des Erwerbers und dessen Eintragung im Grundbuch über. Für die Übertragung der Briefgrundschuld ist schriftliche Übertragungserklärung und Briefübergabe erforderlich (§§ 1192, 1154 BGB): Die gesicherte Forderung hingegen wird - wie jede andere schuldrechtliche Forderung auch - durch Abtretung nach §§ 398 ff. BGB übertragen. Die Nichtakzessorietät der Grundschuld macht es möglich, daß der Gläubiger Grundschuld und Forderung an verschiedene Erwerber überträgt oder aber nur die Forderung an eine dritte Person abtritt, der Eigentümer/Schuldner sich dann also einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt sieht. Diese mißliche Situation ist dadurch vermeidbar, daß in die Sicherungsabrede eine Vereinbarung des Inhalts aufgenommen wird, daß der Gläubiger verpflichtet ist, Grundschuld und Forderung nur zu-

302

Fünftes Kapitel:

Realsicherheiten

sammen geltend zu machen und zu übertragen. Die Sicherungsabredeformulare der Kreditinstitute enthalten regelmäßig eine derartige Verpflichtung des Kreditinstituts. Die Abtretung der Forderung kann in der Sicherungsabrede auch ganz ausgeschlossen werden (§ 399 2. Halbsatz BGB). Eine gleichwohl vorgenommene Abtretung ist dann unwirksam [vgl. BGHZ 40, 156, 160]. Aber selbst dann, wenn die Sicherungsabrede derartige Abtretungseinschränkungen resp. -ausschlüsse nicht enthält, ist die Situation des Eigentümers im Falle der Abtretung von Grundschuld und Forderung an verschiedene Personen nicht so hoffnungslos, wie es scheint. Denn wird er vom Forderungsgläubiger in Anspruch genommen, kann er diesem entgegenhalten, daß er aufgrund der Sicherungsabrede nur Zug um Zug gegen Aushändigung der für die Löschung der Grundschuld erforderlichen Papiere (Grundschuldbrief, Berichtigungsbewilligung) zu zahlen braucht [vgl. BGH NJW 1982, 2769]. Diese Papiere stehen dem Forderungsgläubiger nicht zur Verfügung, da sie sich im Besitz des neuen Grundschuldgläubigers befinden. Dem neuen Grundschuldgläubiger gegenüber kann er hingegen Vereinbarungen aus der Sicherungsabrede nur dann geltend machen, wenn dieser sie kannte oder wenn sie sich aus dem Grundbuch resp. Grundschuldbrief ergaben. Hat also etwa der Eigentümer den Forderungsgläubiger befriedigt, so entsteht für ihn aus der Sicherungsabrede hinsichtlich der Grundschuld ein Rückübertragungsanspruch, den er dem Verwertungsanspruch des (neuen) Grundschuldgläubigers einredeweise (§ 273 BGB) aber nur dann entgegenhalten kann, wenn die Einrede der

VI. Grundpfandrechte

303

Rückübertragungspflicht im Grundbuch eingetragen ist oder der Grundschuldgläubiger sie kennt (§§ 1192, 1157 BGB).

f)

Tilgung der Grundschuld

Hinsichtlich der sich bei Tilgung der Grundschuld oder der gesicherten Forderung ergebenden Rechtsfolge ist in zweierlei Hinsicht zu differenzieren: Zunächst kommt es darauf an, ob zwischen Eigentümer und Schuldner der Forderung Personenidentität besteht oder ob beide verschiedene Personen sind. Ist der Eigentümer mit dem Schuldner identisch, ist weiter zu unterscheiden, ob der Eigentümer/Schuldner auf die Grundschuld oder die Forderung leistet. Zahlt im Falle der Personenverschiedenheit der Eigentümer auf die Grundschuld, dann geht diese als Eigentümergrundschuld auf ihn über [ganz h.M. im Ergebnis, unterschiedlich die Begründungen: Es werden entweder die §§ 1142, 1143 BGB, der § 1163 Abs. 1 Satz 2 BGB oder die §§ 1168, 1170, 1171 BGB analog angewendet, vgl. Hj. Weber, a.a.O., S. 202 m.w.N.]. Die Forderung nimmt an diesem Übergang jedoch nicht teil, da § 1143 BGB Akzessorietät voraussetzt und damit auf die Grundschuld keine Anwendung findet [vgl. B G H Z 105, 154], Der auf die Grundschuld leistende Eigentümer hat jedoch nach h.M. [vgl. etwa Baur-Stürner, Sachenrecht, § 45 IV, 3 m.w.N.; R G Z 150, 371, 374] gegenüber dem Gläubiger einen Anspruch auf Abtretung der gesicherten Forderung, der aus dem 'Wesen' der Sicherungsgrundschuld hergeleitet wird [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 1064]. Zahlt der Schuldner der gesicherten Forderung an den Gläubiger, so erlischt die For-

304

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

dernung (§ 362 BGB), die Grundschuld bleibt bestehen. Für den Gläubiger ergibt sich jedoch dann aus der Sicherungsabrede (Sicherungszweck ist entfallen) eine Pflicht zur Rückübertragung der Grundschuld. Der entsprechende Rückübertragungsanspruch (dazu i.e. gleich unter g) steht regelmäßig dem Eigentümer zu; der Schuldner ist hier anspruchsberechtigt ausnahmsweise nur, wenn er - etwa als früherer Eigentümer - Partei der Sicherungsabrede ist [vgl. Baur-Stürner, Sachenrecht, § 45 IV, 4]. Für die Fälle der Personeneinheit von Eigentümer und Schuldner gilt folgendes: Zahlt der Eigentümer/Schuldner auf die Grundschuld, so entsteht für ihn eine Eigentümergrundschuld. Zahlt er auf die Forderung, so berührt dies wiederum den Bestand der Grundschuld nicht, es steht ihm dann aber der Rückübertragungsanspruch aus der Sicherungsabrede zu. Ob die Zahlung auf die Grundschuld oder die Forderung erfolgt, hängt nach h.M. [vgl. BGH ZIP 1990, 34; Baur-Stürner, Sachenrecht, § 45 II, 4] vom - erkennbaren - Willen des Eigentümers/Schuldners ab. In der Kreditpraxis spielt der Wille des Eigentümers insofern jedoch keine Rolle. Denn die von den Kreditinstituten für die Sicherungsabrede (sog. Sicherungszweckerklärung) verwendeten Formulare enthalten regelmäßig eine sog. Anrechnungsvereinbarung, nach der Zahlungen auf die Forderung und nicht auf die Grundschuld verrechnet werden. Typische Formulierung: "Alle Zahlungen werden auf die durch die Grundschuld gesicherten Ansprüche verrechnet."

VI. Grundpfandrechte

305

Der Eigentümer/Schuldner ist damit grundsätzlich gehindert, auf die Grundschuld zu leisten. Besteht ausnahmsweise eine solche Anrechnungsvereinbarung nicht und zahlt der Eigentümer den vollen Betrag an den Gläubiger, so geht die h.M. [vgl. BGH NJW 1986, 2108; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 1003 m.w.N.] davon aus, daß er Forderung und Grundschuld tilgen will, es entsteht dann eine Eigentümergrundschuld, die Forderung ist erloschen (§ 362 BGB). Anders bei der Verpflichtung des Eigentümers zur Ratenzahlung: Hier nimmt die h.M. auch bei Fehlen einer Anrechnungsvereinbarung einen nur auf die Forderung bezogenen Tilgungswillen des Eigentümers/Schuldners an [vgl. BGH NJW 1974, 2280; Baur-Stürner, Sachenrecht, § 45 II, 4 b, bb]. Die Grundschuld bleibt dann Fremdgrundschuld.

g)

Rückübertragungsanspruch

Ein Anspruch des Eigentümers auf Rückübertragung der Grundschuld kann - das wurde bereits in den unterschiedlichen Zusammenhängen angesprochen - aus der Sicherungsabrede resultieren (so in den Fällen des Nichtentstehens oder der Tilgung der gesicherten Forderung: hier ist der Rückübertragungsanspruch durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingt, vgl. oben c, bb u. f), er kann sich aber auch aus 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben (so bei Nichtigkeit der Sicherungsabrede); in diesen Fällen ist der Gläubiger um die Grundschuld rechtsgrundlos bereichert (vgl. oben c, aa). Die Rückübertragung der Grundschuld erfolgt durch ihre Abtretung an den Eigentümer (§§ 1192, 1154 BGB). Der Eigentümer

306

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

kann aber auch den Weg des Gläubigerverzichts wählen: Verzichtet der Gläubiger nach §§ 1192, 1169 Abs. 2 BGB auf die Grundschuld, so erwirbt sie entsprechend § 1168 Abs. 1 BGB der Eigentümer. Dieser hat schließlich auch die Möglichkeit, vom Gläubiger Aufhebung bzw. Löschung der Grundschuld gemäß §§ 1183, 875, 876 BGB verlangen zu können. In diesem Fall wird allerdings aus der Fremdgrundschuld keine Eigentümergrundschuld, das Grundpfandrecht wird vielmehr gänzlich beseitigt, die Rangstelle wird frei, so daß nachfolgende Belastungen aufrücken. Als schuldrechtlicher Anspruch ist der Rückübertragungsanspruch abtretbar, verpfändbar und pfändbar. Die Kreditinstitute machen sich die Möglichkeit der Abtretbarkeit dergestalt zunutze, daß sie sich regelmäßig in ihren Sicherungsabredeformularen Rückübertragungsansprüche abtreten lassen, die dem Eigentümer gegen ihnen gegenüber vorrangige Grundpfandgläubiger zustehen. Eine gängige entsprechende Klausel lautet: "Zur Sicherung der in Nr. 1 a bezeichneten Ansprüche ... werden der Bank hiermit die Ansprüche auf Rückgewähr aller Grundschulden ..., die gegenwärtig oder künftig der Bank vorgehen oder gleichstehen... abgetreten." Das Kreditinstitut kann dann über den Rückübertragungsanspruch Löschung des vorrangigen Grundpfandrechts erreichen und selbst im Rang aufrücken. Die Abtretung des Rückgewähranspruchs bezweckt also letztlich eine Rangverbesserung und damit eine Verstärkung der Sicherheit.

VI.

307

Gnindpfandreclite

Soweit die einschlägigen Formulare der Kreditpraxis eine Zweckerklärung dahingehend enthalten, die von dem abgetretenen Rückgewähranspruch betroffenen vorrangigen Rechte sollten 'als weitere Sicherheit' dienen, ist dies mit dem B G H [vgl. B G H Z 110, 108] dahin auszulegen, daß der Gläubiger nur den Vorrang ausnutzen darf, nicht aber über die Höhe seiner nachrangigen

Grundschuld

hinaus

Befriedigung

verlangen

kann.

h)

Umfang und Realisierung der Grundschuldhaftung

Wie für die Hypothek haftet auch für die Grundschuld das belastete Grundstück nebst Bestandteilen und Zubehör als wirtschaftliche Einheit. Es kann deshalb bezüglich des Haftungsumfangs vollumfänglich auf die entsprechenden Ausführungen zur Hypothek (oben unter 2 c) verwiesen werden. Es gilt für die Grundschuld nichts anderes. Mit Eintritt der Pfandreife kann der Grundschuldgläubiger das Grundstück für sich verwerten. Er hat dann das Recht, vom Eigentümer Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück verlangen zu können, §§ 1192 Abs.

1, 1147 BGB.

Die

Pfandreife tritt mit der Fälligkeit der Grundschuldsumme ein. Da die Grundschuld eine (Darlehens-) Forderung sichert und die Fälligkeit der Grundschuld regelmäßig durch entsprechende Vereinbarungen an die Fälligkeit der gesicherten Forderung geknüpft wird (derartige Vereinbarungen läßt das Gesetz zu, vgl. § 1193 Abs. 2 BGB), entstehen Pfandreife und damit das Verwertungsrecht des Gläubigers mit der Fälligkeit der gesicherten Forderung.

308

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

Fehlt ausnahmsweise eine solche Vereinbarung, wird die Grundschuldsumme erst nach vorheriger Kündigung fällig (§ 1193 Abs. 1 BGB). Das Kündigungsrecht steht sowohl dem Eigentümer als auch dem Gläubiger zu. Die Kündigungsfrist beträgt mangels anderer Vereinbarung sechs Monate. Hinsichtlich der Voraussetzungen und der Durchführung der Verwertung des Grundstücks und der mithaftenden Gegenstände gelten dieselben Regeln wie bei der Hypothek: Zwangsvollstreckung auf der Basis eines vollstreckbaren Titels durch Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung. Es kann deshalb auf die Ausführungen zur Realisierung der Hypothekenhaftung (oben unter d) Bezug genommen werden.

i)

Sonderform: Eigentümergrundschuld

Das für die Hypothek geltende Akzessorietätsprinzip hat u.a. zur Folge, daß bei Nichtexistenz der hypothekarisch gesicherten Forderung (sei es, daß sie endgültig nicht entstanden, noch nicht entstanden oder - meist durch Tilgung - erloschen ist) die Hypothek sich in eine Eigentümergrundschuld wandelt (§§ 1163, 1177 BGB). Eigentümergrundschulden entstehen aber auch in den Fällen der Rückübertragung und Aufhebung von Fremdgrundschulden (vgl. oben f u. g). Daneben kann die Eigentümergrundschuld aber auch von vornherein für den Eigentümer begründet werden (§ 1196 BGB). Der Sinn dieser Möglichkeit erschließt sich dem Laien meist schwer. Was will der Eigentümer mit einem Pfandrecht an seinem eigenen Grundstück? Die ratio der Grundschuldbestellung am eigenen Grundstück liegt in der Rangwahrung. Be-

309

VI. Gnindpfandrechte

stellt also der Eigentümer eine erstrangige Eigentümergrundschuld, dann hat er damit den ersten Rang gegenüber anderen Gläubigern 'gesichert'. Er erleichtert sich damit eine künftige Kreditaufnahme, da er dem späteren Kreditgeber für dessen Grundschuld resp. Hypothek den ersten Rang anbieten kann. Die Bestellung der Eigentümergrundschuld dient also in erster Linie der Vorbereitung künftiger Kreditaufnahme. Daneben ist die Eigentümergrundschuld dann, wenn sie als Briefgrundschuld ausgestaltet ist - das ist der Regelfall - bestens geeignet, ein etwaiges Interesse des Eigentümers an der Geheimhaltung der Kreditaufnahme zu realisieren. Denn der Kredit wird dann dadurch gesichert, daß der Eigentümer dem Kreditgeber die Eigentümergrundschuld nach (§§ 1192, 1154 BGB, d.h. durch Aushändigung der schriftlichen Abtretungserklärung und des Grundschuldbriefes, abtritt (die Eigentümergrundschuld wird damit zur Fremdgrundschuld). Da eine Eintragung des neuen Gläubigers/Kreditgebers im Grundbuch hierbei

nicht

erfolgt,

ist

damit

die

Kreditgewährung

(insbesondere Höhe des Kredits, Person des Kreditgebers) für Dritte nicht erkennbar, bleibt also 'geheim'. Hinsichtlich der durch Umwandlung aus einer 'forderungsentkleideten' Hypothek oder infolge Rückübertragung von Fremdgrundschulden

(Realisierung

von

Rückübertragungs-

anspriichen) entstandenen Eigentümergrundschulden ist § 1179 a BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift steht in den genannten Fällen dem nach- oder gleichrangigen

Grund-

pfandgläubiger ein Löschungsanspruch gegen den Eigentümer zu: Der nachrangige Gläubiger kann verlangen, daß die - vorrangige - Eigentümergrundschuld gelöscht wird, so daß er mit

310

Fünftes Kapitel: Realsicherheiten

seinem Recht im Rang aufrückt. § 1179 a BGB gilt nicht für die vom Eigentümer bestellte Eigentümergrundschuld [zu Einzelheiten dieses Löschungsanspruchs und ausf. zur Eigentümergrundschuld siehe Baur-Stürner, Sachenrecht, § 46].

Dritter Abschnitt: Sonderformen der Finanzierung mit Kreditsubstitutionscharakter Sechstes Kapitel: Leasing I.

Allgemeines. Grundstruktur, Erscheinungsformen und wirtschaftliche Bedeutung des Leasinggeschäftes.

Leasing (vom Engl, to lease: (ver-) mieten, (ver-) pachten) ist in seiner Grundform die entgeltliche Nutzungsüberlassung von Sachgütern durch eine Leasinggesellschaft an Unternehmen, sonstige Gewerbetreibende oder

Verbraucher, wobei die

Leasinggesellschaft das Leasinggut zuvor von einem Hersteller/Verkäufer zu Eigentum erworben hat.

1.

Grundstruktur des Leasinggeschäfts

Charakteristisch für das Grundmodell des Leasinggeschäfts ist also die Dreiparteienstruktur: Beteiligte sind 1. der investierende Unternehmer, der am Erwerb der Nutzungsmöglichkeit eines Anlagegutes interessiert ist, als Leasingnehmer, 2. der Hersteller resp. Händler, der das Anlagegut gegen Kaufpreiszahlung veräußern will, und 3. - gewissermaßen als Financier 'dazwischengeschaltet' - das Leasingunternehmen als Leasinggeber, das das Anlagegut vom Hersteller/Händler auf der Grundlage eines Kaufvertrages gegen Kaufpreiszahlung zu Eigentum erwirbt und es dem Leasingnehmer im Rahmen des Leasingvertrages zu Besitz und Nutzung gegen Zahlung der Leasingraten überträgt. Diese Dreiecksbeziehung läßt sich wie folgt skizzieren:

312 Hersteller/ Händler

Sechstes Kapitel: Leasing

^

Kaufvertrag

^

Übereignung des Le asinggute s

Leasinggesellschaft (Leasinggeber)

Leasingvertrag

Nutzungaiiberlassnng des Leasing— gutes

Invest. U n t e r nehmen (Leasingnehmer Ì

Vertragliche Beziehungen bestehen bei diesem Grundmodell des Leasinggeschäftes also nur zwischen Hersteller/Händler und Leasinggeber einerseits und zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer andererseits, nicht aber zwischen Hersteller und Leasingnehmer. Die Anbahnung des Leasinggeschäfts kann so erfolgen, daß das investierende Unternehmen zunächst beim Hersteller/Händler ein geeignetes Anlageobjekt aussucht und erst dann zum Zwecke der Finanzierung in Kontakt zu einer Leasinggesellschaft tritt, die dann mit dem Hersteller den - vom Investor möglicherweise schon unterschriftsreif ausgehandelten Kaufvertrag - im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abschließt und danach das in ihr Eigentum gelangte Anlagegut an den Investor 'verleast'. Hat sich der Investor jedoch schon von vornherein für Leasing als Finanzierungsalternative entschieden und kann er auf ein besonderes Know-how der Leasinggesellschaft hinsichtlich der Auswahl eines geeigneten Anlage-

I.

Allgemeines

313

Objektes vertrauen, so wird er gleich den Leasinggeber ansprechen.

2.

Erscheinungsformen des Leasing

Die Wirtschaftspraxis subsumiert unter den Leasingbegriff ganz unterschiedliche Formen und Vertragsgestaltungen, wobei man Typologien anhand ganz verschiedenartiger Unterscheidungskriterien bildet. Die insoweit entwickelten Einteilungen - oft im Sinne von Begriffsgegensätzen - sind indes aus juristischer Sicht zum Teil wenig aussagekräftige Deskriptionen, die rechtlich bedeutsame Schlußfolgerungen oft nicht ermöglichen [vgl. i.d.S. auch Ebenroth, JuS 1985, 425 f.], wie etwa die Unterscheidung hinsichtlich der Art des Leasingobjektes

(Mobilienleasing

/Immobilienleasing), des Status des Leasingnehmers (Gewerbliches Leasing/Konsumenten-Leasing) oder der Neuwertigkeit des Leasingobjektes (Neuwertig: first-hand-leasing; gebraucht: second-hand-leasing). Von - auch rechtlicher - Relevanz ist hingegen die auf die inhaltliche Ausgestaltung des Leasingvertrages - d.h. konkret auf Vertragslaufzeit und Kündigungsmöglichkeiten - sowie die unterschiedlichen Rollen der Beteiligten abstellende, grundlegende Dichotomie der Leasinggeschäfte in Finanzierungsleasing und Operating-Leasing.

a)

Finanzierungsleasing

Das Finanzierungsleasing ist dadurch gekennzeichnet, daß der Leasinggegenstand nur einmal verleast wird, und daß Leasing-

314

Sechstes Kapitel: Leasing

geber und Leasingnehmer im Leasingvertrag eine feste sog. Grundmietzeit vereinbaren, während der der Vertrag von beiden Seiten nicht gekündigt werden kann. Die Grundmietzeit liegt aus steuerlichen Gründen (dazu i.e. unten) zwischen 40% und 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des betreffenden Objektes. Im Vordergrund steht der Finanzierungszweck des Leasinggeschäfts: Der Leasingnehmer ist der Investor, der Leasinggeber finanziert seine Investitionsentscheidung dadurch vor, daß er das Investitionsobjekt vom Hersteller/Händler

gegen

Kaufpreiszahlung

erwirbt

und

dem

Leasingnehmer gegen Zahlung der Leasingraten zur Nutzung überläßt. Daß der Leasingnehmer kein Eigentum am Investitionsobjekt erwirbt, ist für ihn unwesentlich: Für ihn kommt es allein auf die insoweit bestehende faktische Nutzungsmöglichkeit an ('leadership, not ownership'). Die vom Leasingnehmer als Gegenleistung für die Nutzungsmöglichkit zu zahlenden Leasingraten sind so kalkuliert, daß sie in ihrer Summe die Anschaffungskosten (Kaufpreis für das Leasingobjekt) sowie die Refinanzierungskosten des Leasinggeber einschließlich eines Geschäftsgewinnes decken (sog. Vollamortisationsmodell). Der Finanzierungsfunktion des Finanzierungsleasing entspricht es, daß der Leasinggeber - wie auch sonst ein Kreditgeber - lediglich das Risiko der Bonität des Leasingnehmers trägt, während das Investitionsrisiko voll bei diesem liegt, d.h. der Leasingnehmer trägt die Risiken des Unterganges und der Verschlechterung des Leasingobjektes, damit also auch die Reparatur- und Instandhaltungskosten (sog. Sachgefahr). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gehört das Finanzierungsleasing zum Instrumentarium der Außenfinanzierung der Un-

I. Allgemeines und wirtschaftliche Bedeutung des Leasing

315

ternehmung. Es ist damit Alternative zum kreditfinanzierten Kauf, womit sich die praktisch wichtige Frage stellt, welche Finanzierungsform die für den Investor günstigere ist. (vgl. dazu i.e. unten unter II).

b)

Operating-Leasing

Dem Finanzierungsleasing wird im Schrifttum regelmäßig das Operating-Leasing gegenübergestellt [vgl. nur Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 4. Aufl., Köln 1992, Rz. 5; Seifert in: Hagenmüller-Eckstein, Leasinghandbuch, 6. Aufl., Frankfurt/M. 1992, S. 54; Martinek, Moderne Vertragstypen, Bd. 1, München 1991 § 3 V, 2], Operating-Leasing

unterscheidet

sich vom

Finanzierungs-

leasing zunächst dadurch, daß der Leasinggeber das Leasingobjekt einem Leasingnehmer nur kurzfristig zur Nutzung überläßt, wobei der Leasingvertrag beiden Parteien ordentliche Kündigungsrechte entweder zu jeder Zeit oder zu bestimmten Zeitpunkten einräumt. Anders als beim Finanzierungsleasing ist der Leasingnehmer hier also nicht an eine feste Grundmietzeit ohne Kündigungsmöglichkeit gebunden. Aus der Kurzfristigkeit des Nutzungsverhältnisses beim

Operating-Leasing

folgt, daß hier die Leasingraten regelmäßig nicht zu einer Vollamortisation der Anschaffungs- und Finanzierungskosten des Leasinggebers führen, weshalb der Leasinggeber, um zu einer vollen Amortisation zu kommen, das betreffende Leasingobjekt regelmäßig mehrmalig verleasen muß. Daraus aber ergibt sich notwendig die gegenüber dem Finanzierungsleasing ganz andere Bewertung der Rollen der Beteiligten: Anders als

316

Sechstes Kapitel: Leasing

beim Finanzierungsleasing, wo der investierende Unternehmer/Leasingnehmer das gewünschte Anlagegut im voraus aussucht, ist hier der Leasinggeber der Investor, der die Investition - Anschaffung des zu verleasenden Objekts - im Hinblick auf eine am Markt erwartete Nachfrage potentieller Nutzer vornimmt. Dementsprechend trägt beim Operating-Leasing der Leasinggeber im wesentlichen das Investitionsrisiko und übernimmt nicht selten auch die Wartung des Leasingobjekts, soweit er - im Hinblick auf die notwendige Mehrfach-Verleasung - an einem guten Erhaltungszustand des Objekts interessiert ist. Bezüglich der Rechtsnatur der hier im Einzelfall abgeschlossenen 'Leasingverträge' ergibt sich aus den dargestellten Charakteristika des Operating-Leasing die zwingende Schlußfolgerung: Sie sind 'reine' Mietverträge i.S.v. §§ 535 ff. BGB [so auch h.M., vgl. nur Seifert in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 54; Graf von Westphalen, a.a.O., Rz. 125; Ebenroth, JuS 1985, 427]. Ist also beim Operating-Leasing der Leasinggeber der Investor, der Leasingnehmer lediglich Mieter des Anlageguts, so fehlt dem Operating-Leasing - bezogen auf den Leasingnehmer auch jegliche Finanzierungsfunktion, da auf seiner Seite eine zu finanzierende Investition eben nicht stattfindet. OperatingLeasing gehört damit nicht zum Instrumentarium der Außenfinanzierung der Unternehmung und muß deshalb, entsprechend der Konzeption der vorliegenden Untersuchung aus der weiteren Betrachtung ausscheiden. Die folgende Darstellung beschäftigt sich deshalb im wesentlichen mit dem Finanzierungsleasing und seinen Ausgestaltungen [vgl. schon die allerdings eher auf Empirie gegründete Feststellung von Flume, DB 1972,

I. Allgemeines und wirtschaftliche Bedeutung des Leasing

317

7: "Wenn in Deutschland von Leasing die R e d e ist, so meint man das sog. Finanzierungsleasing"].

3.

Wirtschaftliche Bedeutung des Leasinggeschäfts

Das Leasinggeschäft [vgl. zur historischen Entwicklung ausf. Martinek, a.a.O., § 3 II] hat seinen Ursprung - die englischsprachige Begrifflichkeit legt die Vermutung nahe - in den USA. Die erstmalig im Jahre 1877 vorgenommene Vermietung von Telefonanlagen durch die Bell Telephone

Company

an ihre

Großkunden (sie war als Absatzstrategie gedacht) gilt allgemein als die Geburtsstunde

des Leasinggeschäfts. Seinen

Durchbruch vom Instrument der Absatzförderung in der Hand der Hersteller zur eigenständigen Finanzierungsform für investierende Unternehmen erlebte das Leasinggeschäft jedoch erst mit der Gründung der United States Leasing Corporation in San Francisco im Jahre 1952. Danach etablierte sich die gewerbliche Vermietung von Anlage- aber auch Konsumgütern mit gewissen zeitlichen Verzögerungen in allen Ländern mit marktwirtschaftlicher Ordnung. Die Entwicklung in Deutschland setzte - zunächst allerdings in eher geringerem Umfang zu Beginn der 60iger Jahre ein: Im Jahr 1962 wurde die Deutsche Leasing GmbH, Industriemaschinen-Vermietung, Düsseldorf, gegründet, aus der die Deutsche Leasing AG, Bad Homburg, hervorgegangen ist. Die Zögerlichkeit der quantitativen Entfaltung des Leasinggeschäfts in Deutschland hatte ihren Grund vor allem in der erheblichen Unsicherheit, die in der Wirtschaftspraxis bzgl. der privatrechtlichen - der Leasingvertrag ist gesetzlich ja nicht geregelt - und steuerlichen Einordnung und Behandlung des Leasingvertrags bestand.

318

Sechstes Kapitel:

Leasing

Diese Unsicherheit wurde in den frühen 70iger Jahren durch richtungweisende Urteile des BGH, vor allem aber des BFH, sowie durch entsprechende Erlasse des Bundesfinanzministeriums (dazu i.e. unten II, 2) nachhaltig beseitigt. Nun gelang dem Leasinggeschäft der eigentliche Durchbruch: Eine Vielzahl von neugegründeten Leasinggesellschaften steigerten in dem Zeitraum bis 1980 die Investitionen in Leasinggüter um 800%, während das Bruttosozialprodukt in dieser Periode nur um 100% zunahm [vgl. Städtler in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 12]. Zu Anfang der 80iger Jahre erfuhr die Expansionsrate des Leasing wegen der zuvor schnell erreichten Marktsättigung zunächst eine Abschwächung, seit 1985 aber sind regelmäßige Zuwachsraten in zweistelliger Höhe zu verzeichnen. Im Jahre 1990 hatten die Leasinggesellschaften in die im Auftrag ihrer Kunden gekauften Anlagegüter bereits 41 Mrd. DM investiert [vgl. Städtler, a.a.O., S. 14], im Jahr 1992 repräsentierten diese Güter gar einen Wert von 57,7 Mrd. DM [vgl. Der Tagesspiegel, Berlin, Nr. 14549 v. 8. Mai 1993, S. 21], Damit lag der Leasinganteil an den bundesdeutschen

Gesamtinvestitionen

(ohne Wohnungsbau) im Jahr 1992 knapp über 11% (sog. Leasingquote). Nach Berechnungen des Interessenverbandes der Deutsche Leasingunternehmen (IDL, in ihm sind 160 der insgesamt 1750 in Deutschland angemeldeten Leasinggesellschaften vertreten) ist der weitere leichte Anstieg der Leasingquote auf das überproportionale - verglichen mit der Nachfrage im Westen - Interesse am Leasinggeschäft in den neuen Bundesländern zurückzuführen: dort sind nach Angaben des IDL [vgl. Der Tagesspiegel, a.a.O.] im Jahr 1992 Anlagegüter im Wert von 8,3 Mrd. DM geleast worden.

II. Leasing: Eine sinnvolle Finanzieningsalternative?

319

Was die Objekte des Leasinggeschäfts anlangt [vgl. zum Leasingmarkt Bundesrepublik die informative Darstellung bei Städtler, a.a.O., S. 19 ff.], so liegen quantitativ auf den vorderen Plätzen Kraftfahrzeuge (Neugeschäft 1990: 46% der gesamten Leasinginvestitionen),

Büromaschinen

und

EDV-Anlagen

(20,2%) sowie Produktionsmaschinen und -anlagen (9%), daneben Nachrichtenanlagen, Medizintechnik und sonstige Ausrüstungsgüter (7%). Insgesamt läßt sich feststellen, daß mittlerweile alle Arten von Anlagegütern Gegenstand von Leasinggeschäften geworden sind; selbst Flugzeuge gehören heute zu den klassischen Leasingobjekten.

II.

Leasing: Eine sinnvolle Finanzierungsalternative? Betriebswirtschaftliche und steuerliche Aspekte des Finanzierungsleasing

Ist die unternehmerische Entscheidung für die Vornahme einer Investition gefallen, so steht die Folgeentscheidung über die Art und Weise ihrer Finanzierung an, wobei allerdings zwischen

beiden

Entscheidungen

regelmäßig

eine

Art

'dialektischer' Verknüpfung bestehen wird; denn die Finanzierungsentscheidung ist integraler Teil der Investitionsentscheidung, da die Rentabilität einer Investition wesentlich auch durch die Finanzierungskonditionen mitbestimmt wird [so auch Gzuk, AcP 190 (1990), 208]. Hinsichtlich der Beschaffung des gewünschten Investitionsgutes - und damit auch im Hinblick auf dessen Finanzierung - bieten sich dem Investor vier Alternativen:

320

Sechstes Kapitel: Leasing

- Kauf mit Kaufpreisfinanzierung aus Eigenmitteln - Kauf mit Kreditfinanzierung des Kaufpreises - Kauf mit Mischfinanzierung des Kaufpreises (Kredit- und Eigenmittel) -

Finanzierungsleasing

Der auf rationale Entscheidung bedachte Investor wird eine Analyse der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Beschaffungsarten vornehmen müssen, um zu einer angemessenen Bewertung kommen zu können. Der durch die oben referierten Zahlen belegte eindrucksvolle Erfolg des Leasinggeschäfts und seine anhaltende Beliebtheit gerade auch im Bereich der Anlagegüter-Investition legen die Vermutung nahe, daß es sich hierbei um eine relativ vorteilhafte Finanzierungsalternative handelt. Um zu klären, ob dies zutrifft, wird im folgenden auf die betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Aspekte der Wirtschaftlichkeit des Finanzierungsleasing im Vergleich mit den genannten Finanzierungsalternativen eingegangen.

1.

Betriebswirtschaftliche Aspekte

Ob sich eine Finanzierungsmethode betriebswirtschaftlich 'rechnet', hängt in erster Linie von den Kosten- und Liquiditätsersparnissen ab, die sie gegenüber anderen Alternativen erbringt. Als weitere Vorteile kommen in Betracht: Schonung des Eigenkapitals, Schonung der Kreditlinie bei Banken, Verbesserung der Bilanzrelationen u.a.. Hinsichtlich der Alternativen Leasing/Kauf finden sich in der Leasing-Spezialliteratur zahlreiche Vergleichsrechnungen und Vorteilhaftigkeitsanalysen [vgl. die umfangreichen Nachweise bei Tacke, Leasing, 2. Aufl.,

II. Leasing: Eine sinnvolle Finanzierungsaltemative?

321

Stuttgart 1993, S. 9 FN 23], die allerdings zu recht unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, wobei offenbar - wissenschaftstheoretisch formuliert - das erkenntnisleitende Interesse eine gewisse Rolle spielt. So ist es durchaus nachvollziehbar, daß die der Leasingbranche nahestehenden Autoren die Wirtschaftlichkeit des Leasing in besonders günstigem Licht sehen (und darstellen). Trotz Differenzen im Einzelnen kann jedoch mittlerweile innerhalb der Autoren, die vergleichende Wirtschaftlichkeitsanalysen bzgl. der Alternative Leasing/Kauf vornehmen, eine Art Grundkonsens festgestellt werden: Leasing kann häufig die wirtschaftlichere Finanzierungsalternative sein, generelle Aussagen über die Vorteilhaftigkeit des Leasing gegenüber alternativen Finanzierungsformen lassen sich jedoch nicht treffen. Die Entscheidung für die eine oder andere Alternative kann vielmehr immer nur Einzelfallentscheidung sein, da zum einen die betriebsindividuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen sind, und zum anderen auch rechnerisch nicht faßbare Aspekte die betriebswirtschaftliche Entscheidung vielfach mit konstituieren [vgl. Laumans in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 129 ff., 145; Gabele-Weber, Kauf oder Leasing, Bonn 1985, RNr. 202 ff.; 254; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 33 ff.; Martinek, a.a.O., § 3 II m.w.N. Leasing nur in Ausnahmefällen vorteilhafter: Perridon-Steiner, a.a.O., S. 374; Drukarczyk, a.a.O., S. 323]. Die Diskussion um die betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der einen oder anderen Finanzierungsalternative kann hier nicht vertieft werden. Nur auf einige Aspekte sei hingewiesen: - der mischfinanzierte (Fremd- plus Eigenmittel) Kauf scheidet als Alternative zu Leasing meist aus; denn die Einbeziehung der Leasingalternative in den Entscheidungsprozeß hat

322

Sechstes Kapitel: Leasing

ihren Grund ja i.d.R. in einem momentanen oder strukturellen Mangel an Eigenkapital des Investors, d.h. als Kaufalternative kommt in dieser Situation lediglich der zu 100% fremdfinanzierte Kauf in Betracht. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß nach den von den Kreditinstituten praktizierten Beleihungs- und Besicherungsregeln das Investitionsgut lediglich bis zu 50%-75% seines Wertes beliehen wird. Dies bedeutet, daß der Investor eine 100%ige Kreditfinanzierung seines Kaufes nur dann erlangen wird, wenn er zusätzliche Sicherheiten stellen kann. Kann er das nicht, wird er sich für Leasing entscheiden (müssen). - Leasing erspart

Beschaffung und

Einsatz

von

Eigen-

und/oder Fremdkapital für den Erwerb des Investitionsobjektes, entfaltet also eine liquiditätsschonende Wirkung [vgl. hierzu Laumans in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 142 f.; Gzuk AcP 190 (1990), S. 216 f.]. Diesen Vorteil weist allerdings auch der zu 100% kreditfinanzierte Kauf auf, soweit der Kredit ratenweise zurückgeführt wird. - Leasing ermöglicht eine 100%ige Fremdfinanzierung durch 100%ige Beleihung des Investitionsgutes, ohne daß weitere Sicherheiten gestellt werden müssen, ist also insofern vorteilhafter als die 100%ige Kreditfinanzierung beim Kauf. - Der Leasingnehmer kann die monatlichen Leasingraten aus den Erträgen erbringen, die er durch den Einsatz des Investitionsobjektes

erwirtschaftet. Leasing

erfüllt also

die

'goldene' Finanzierungsregel des 'pay as you earn', nach der sich Investitionen nach Möglichkeit in ihrer Einsatzzeit selbst finanzieren sollen. Da die Leasingraten für die Grundmietzeit fest vereinbart sind, ist dem Investor insofern eine sichere Kostenkalkulation möglich; er kann die sich aus

II. Leasing: Eine sinnvolle Finanzierungsaltemative?

323

der Finanzierung ergebenden Belastungen jederzeit im voraus berechnen. Das 'pay as you earn' ist allerdings auch beim zu 100% kreditfinanzierten Kauf möglich. Die vorstehenden Ausführungen haben die steuerlichen Besonderheiten und damit u.U. von dieser Seite her gegebene Vorteile des Finanzierungsleasing außer Betracht gelassen. Auf sie ist jetzt einzugehen.

2.

Steuerliche Aspekte des Leasing

Ein entscheidender steuerlicher Vorteil des Finanzierungsleasing wird darin gesehen [vgl. Martinek, a.a.O., § 3 IV, 1; Tacke, a.a.O., S. 11; Ullrich in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 77 ff., 86; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 27], daß der Leasingnehmer die Leasingraten ertragsteuermindernd als Betriebsausgaben geltend machen kann. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, daß das Leasinggut gemäß § 39 Abs. 2. Nr. 1 AO dem Leasinggeber und nicht dem Leasingnehmer steuerlich zugerechnet wird. Die Zurechnung des Leasinggutes ist jedoch nicht nur entscheidend für die Qualifizierung der Leasingraten als Betriebsausgaben: Ihr kommt darüberhinaus grundsätzliche Bedeutung für die steuerliche und handelsbilanzielle Behandlung des Leasing zu [vgl. Ullrich in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 78: "entscheidende Weichenstellung"]. Maßgeblich für die Zurechnung ist nach der Grundsatzentscheidung des BFH vom 26.1.1970 [vgl. BFH NJW 1970, 1148] eine wirtschaftliche Betrachtungsweise: Danach ist das Leasinggut demjenigen der Beteiligten zuzurechnen, der als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist. Auf der Basis dieser Entschei-

324

Sechstes Kapitel: Leasing

dung ist § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO im Jahre 1977 entsprechend neu formuliert worden. Nach dieser Vorschrift ist ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer (dies ist regelmäßig der Leasinggeber) dann zuzurechnen, wenn dieser andere die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, "daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann". Das bedeutet konkret, daß der 'andere' (das wäre der Leasingnehmer) dann als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist, wenn der Herausgabeanspruch des juristischen Eigentümers nach § 985 BGB faktisch ausgeschlossen oder doch wirtschaftlich wertlos ist [vgl. Martinek, a.a.O., § 3 IV, 1 a.E.]. Steuerliche und etwaige bilanzielle Vorteile ergeben sich für den Leasingnehmer damit nur, wenn der Leasinggegenstand dem Leasinggeber zuzurechnen ist, der Leasingvertrag also inhaltlich so ausgestaltet ist, daß der Leasinggeber als rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer qualifiziert werden kann. Eine weitere Konkretisierung haben die vom BFH in der o.a. Entscheidung entwickelten Zurechnungsgrundsätze durch mehrere Leasing-Erlasse des Bundesfinanzministeriums erfahren: - Vollamortisationserlaß vom 19.4.1971 [vgl. DB 1971, 795] - Immobilien-Leasingerlaß vom 21.3.1972 [vgl. DB 1972, 651] - Teilamortisationserlaß vom 22.12.1975 [vgl. DB 1976, 172] Teilamortisationserlaß

für

Immobilien-Leasing

vom

23.12.1991 [vgl. DB 1992, 112. Alle Erlasse sind abgedruckt bei Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., Anhang sowie Tacke, a.a.O., Anhang.]

II. Leasing: Eine sinnvolle Finanzierungsalternative?

325

Auf die Wiedergabe der Einzelheiten dieser Erlasse muß vorliegend verzichtet werden [vgl. die Darstellung bei Ullrich in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 80 ff.]. Entscheidender Tenor der Erlasse ist die folgende Feststellung: Eine Zurechnung des Leasinggutes zum Leasinggeber als wirtschaftlichem Eigentümer erfolgt nur dann, wenn erstens die im Leasingvertrag vereinbarte Grundmietzeit mindestens 40% und höchstens 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Sache beträgt und zweitens der Leasingnehmer mit den in dieser Zeit zu zahlenden Raten (Vollamortisationsmodell) oder einer zusätzlichen Abschlußzahlung (Teilamortisationsmodell) sämtliche Kosten des Leasinggebers einschließlich des Risiko- und Gewinnzuschlages voll aufbringt. Als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer ist grundsätzlich der in den amtlichen Afa-Tabellen angegebene Zeitraum zugrundezulegen. Liegt die Grundmietzeit unter 40% oder über 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, so ist der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer zuzurechnen, denn in diesen Fällen gilt er als wirtschaftlicher Eigentümer, da dann § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO greift: Für die Fälle der Unterschreitung der Grundmietzeit von 40% gilt die von der Finanzverwaltung aufgestellte unwiderlegliche - Vermutung, daß bei Vollamortisation in so kurzer Zeit der Leasingnehmer den Leasinggegenstand nach Ablauf der Grundmietzeit zu günstigen Bedingungen behalten wird, so daß ein verdeckter Teilzahlungskaufvertrag mit Eigentumserwerb vorliegt mit der Folge, daß der Herausgabeanspruch des Leasingggebers nach § 985 BGB entfällt. Überschreitet die Grundmietzeit 90%, kommt sie also nahe an 100% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer heran, so wird

326

Sechstes Kapitel: Leasing

davon ausgegangen, daß der Leasingnehmer die Sache damit 'verbraucht' hat, so daß der formell bestehende Herausgabeanspruch des Leasinggebers aus § 985 BGB wirtschaftlich wertlos geworden ist. Diese starre '40/90'-Grenze der Erlasse hat früher Kritik herausgefordert, wird aber heute in der Praxis respektiert. Das unbestreitbare Verdienst der Leasing-Erlasse liegt in dem Umstand, daß sie die früher unklare und umstrittene Frage der steuerlichen Zurechnung des Leasinggutes einer weitgehend tragfähigen Lösung zugeführt haben. In der Leasing-Praxis orientiert man sich heute regelmäßig an den Kriterien der Erlasse; Leasingverträge sind also i.d.R. erlaßkonform ausgestaltet, um die Zurechnung des Leasinggutes an den Leasingnehmer zu vermeiden. Bei der erlaßkonformen Gestaltung des Leasingvertrages wird das Leasinggut dem Leasinggeber als wirtschaftlichem Eigentümer zugerechnet. Das hat im wesentlichen die nachstehenden steuerlichen und bilanziellen Folgen [vgl. hierzu ausf. Bordewin, Leasing im Steuerrecht, 3. Aufl., Wiesbaden 1989; Ullrich in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 88 ff.; Meincke AcP 190 (1990), S. 361 ff.; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 26 ff.]: 1. Die Leasingraten sind beim Leasingnehmer in dem Geschäftsjahr, in dem sie anfallen, sofort abzugsfähige Betriebsausgaben. 2. Der Leasinggeber ist verpflichtet, das Leasinggut als Anlagevermögen zu aktivieren.

II. Leasing: Eine sinnvolle Finanzierungsaltemative?

327

3. Die Leasingraten sind beim Leasinggeber gemäß § 8 Nr. 7 Satz 2 GewStG der Gewerbeertragsteuer unterworfen; damit fällt Gewerbesteuer beim Leasingnehmer nicht an. 4. Der Leasingnehmer muß die Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten - anders etwa Zahlungsverpflichtungen aus einem Kreditkauf - in der handelsrechtlichen Bilanz nicht ausweisen. Nach § 285 Nr. 3 HGB kann der Leasingnehmer jedoch gehalten sein (abhängig von der Unternehmensgröße, vgl. §§ 288, 267 HGB), im Anhang seines handelsrechtlichen Jahresabschlusses auch seine Leasingverpflichtungen anzusetzen. Es stellt sich nun die Frage, ob das - erlaßkonforme - Finanzierungsleasing für den Investor nicht wenigstens steuerlich vorteilhafter ist als der zu 100% kreditfinanzierte Kauf. Die Frage ist wohl zu verneinen. Insbesondere Meincke [vgl. AcP 190 (1990), S. 358 ff.] hat überzeugend dargetan, daß etwaige Steuervorteile des Leasing gegenüber dem zu 100% fremdfinanzierten Kauf im Einkommen- und Körperschaftsteuerbereich dann praktisch in sich zusammenfallen, wenn der Investor bei der Alternative Kauf die degressive Absetzung der Kreditraten wählt

[vgl. a.a.O.,

S. 366 f.]. Meincke

sieht

allenfalls

Steuervorteile für den Leasingnehmer im Gewerbesteuerrecht, die jedoch für den gestaltungen

Leasingnehmer

erreichbar

Regelfall zusätzliche

sind, die

Kosten

nur durch dem

Vertrags-

Leasinggeber

aufbürden, die dieser

erhöhte Leasingraten auf den Leasingnehmer

im über

abzuwälzen

trachten wird [vgl. Meincke, a.a.O., S. 378 f.; Emmerich, JuS 1990, S. 2, FN 10; siehe im Ergebnis auch Haberstock, Kreditkauf oder Leasing, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83, S.

328

Sechstes Kapitel:

Leasing

496: "Die steuerliche Besserstellung der Leasingalternative ist jedoch

so

gering,

daß

man

die

Handlungsalternativen

Kreditkauf/Leasing - bei degressiver Abschreibung - nahezu als steuerindifferent ( =

nicht steuer-sensibel)

bezeichnen

kann." Zust. Perridon-Steiner, a.a.O., S. 374].

III.

Typische - erlaßkonforme - Vertragsmodelle des Finanzierungsleasing

1.

Vollamortisationsvertrag

D e r Vollamortisationsvertrag ist dadurch gekennzeichnet, daß hier die vom Leasingnehmer während der Grundmietzeit zu zahlenden Leasingraten in ihrer Höhe so kalkuliert sind, daß sie in ihrer Summe die Anschaffungs- und Finanzierungskosten des Leasinggebers sowie seinen Geschäftsgewinn voll abdecken (sog.

Full-pay-out-Vertrag).

Die

vertraglich

vereinbarte

Grundmietzeit liegt zwischen 40% und 90% der (nach dem Buchwert der amtlichen AfA-Tabellen zu bemessenden) betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des betreffenden Leasinggutes. Der Vertrag ist während dieser Grundmietzeit unkündbar. Ist die Grundmietzeit beendet, muß der Leasingnehmer das Leasinggut an den Leasinggeber herausgeben. Dies ist oftmals nicht im Interesse des Leasingnehmers. Deshalb wird ihm vielfach im Vertrag eine Kauf- oder Mietverlängerungsoption eingeräumt. Macht der Leasingnehmer von der Kaufoption Gebrauch, so darf der Kaufpreis nicht niedriger als der unter Anwendung der linearen Abschreibung nach der amtlichen AfA-Tabelle ermittelte Buchwert (oder der niedrigere gemeine Wert im Zeitpunkt der Veräußerung) sein, da andernfalls das

III. Typische Vertragsmodelle des Finanzierungsleasing

329

Leasinggut von Anfang an dem Leasingnehmer als wirtschaftlichem Eigentümer zugerechnet würde. Übt der Leasingnehmer eine Mietverlängerungsoption aus, so muß die Anschlußmiete so bemessen sein, daß sie den Wertverzehr für den Leasinggegenstand deckt, der sich auf der Basis des unter Berücksichtigung der linearen AfA ermittelten Buchwertes oder des niedrigeren gemeinen Wertes und der Restnutzungsdauer

(nach

AfA-Tabelle) ergibt, denn andernfalls erfolgt auch hier die Zurechnung des Leasinggutes zum Leasingnehmer.

2.

Teilamortisationsvertrag

Nicht selten steht ein Investor vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit, die ihn als Leasingnehmer während der Grundmietzeit belastenden Leasingraten so gering wie möglich zu halten. Für diese Fälle bietet sich das Teilamortisationsmodell (sog. Non-full-pay-out-Vertrag) an. Der Begriff täuscht auf den ersten Blick: Denn auch beim Teilamortisationsleasing muß der Leasingnehmer Anschaffungs-, Finanzierungskosten und den Gewinn des Leasinggebers letztlich voll aufbringen, wenn die Beteiligten dieselbe steuerliche Behandlung - Zurechnung des Leasinggutes zum Leasinggeber - wie beim Vollamortisationsmodell erreichen wollen. Beim Teilamortisationsleasing ist nur die Lastenverteilung für den Leasingnehmer eine andere: E r zahlt während der Grundmietzeit geringere Raten, so daß in dieser Zeit nur eine Teilamortisation eintritt, schuldet dann aber den sog. Restwert, d.h. den Differenzbetrag zwischen Vollamortisation und gezahlten Raten. Auch beim Teilamortisationsvertrag

ist Voraussetzung

für die Zurechnung

des

Leasinggegenstandes zum Leasinggeber, daß die Grundmiet-

330

Sechstes Kapitel:

Leasing

zeit zwischen 40% und 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer beträgt. Hinsichtlich der Realisierung des Restwertes haben sich in der Praxis drei unterschiedliche Vertrags-Varianten herausgebildet.

a)

Teilamortisationsvertrag mit Andienungsrecht des Leasinggebers

Bei dieser Vertragsgestaltung ist der Leasingnehmer - falls kein Mietverlängerungsvertrag abgeschlossen wird - auf Verlangen des

Leasinggebers

(Andienungsrecht)

verpflichtet,

das

Leasinggut zu einem bei Abschluß des Leasingvertrages bereits fest vereinbarten 'Andienungspreis' käuflich zu erwerben; dem Leasingnehmer steht ein Kaufoptionsrecht nicht zu. Der Andienungspreis entspricht i.d.R. dem Restwert, also dem in der Grundmietzeit nicht amortisierten Kosten- und Gewinnrest des Leasinggebers. Das Andienungsrecht nimmt dem Leasinggeber das Verwertungsrisiko bzgl. der Leasingsache nach Beendigung der Grundmietzeit ab: Wenn die Sache am Markt nicht oder nur zu ungünstigeren Bedingungen absetzbar ist, hat er immer den Leasingnehmer in der 'Hinterhand', der auf Verlangen des Leasinggebers kaufen muß. Andererseits kann der Leasinggeber einen bei einer Veräußerung der Sache am Markt erzielten, den Andienungspreis übersteigenden Mehrerlös einbehalten. Der Leasinggeber hat damit die Chance der Realisierung einer Wertsteigerung, der Leasingnehmer trägt das Risiko der Wertminderung.

III. Typische Vertragsmodelle des Finanzierungsleasing

b)

331

Teilamortisationsvertrag mit Aufteilung des Mehrerlöses

Dieses Vertragmodell ist durch eine Beteiligung des Leasingnehmers an einem vom Leasinggeber bei Veräußerung der Leasingsache etwa erzielten Mehrerlös gekennzeichnet. Der Mehrerlös stellt sich dar als die Differenz zwischen Restwert (Restamortisation) und vom Leasinggeber

eingenommenem

Kaufpreis. Der Leasinggeber ist bei diesem Modell zur Veräußerung der Leasingsache verpflichtet. Vom Mehrerlös erhält der

Leasingnehmer

mindestens

25%,

der

Leasinggeber

höchstens 75%. Der Veräußerungserlös kann jedoch auch niedriger als der Restwert sein; dann ist der Leasingnehmer zu einer Abschlußzahlung in Höhe der Differenz verpflichtet. Das Teilamortisations-Modell mit Aufteilung des Mehrerlöses wird vor allem im Kraftfahrzeug-Leasing praktiziert.

c)

Kündbarer Teilamortisationsvertrag mit Anrechnung des Veräußerungserlöses auf die vom Leasingnehmer zu leistende Schlußzahlung.

Wesentliches Merkmal dieses Modells ist, daß eine feste Grundmietzeit nicht vereinbart wird; der Leasingnehmer ist berechtigt, den Vertrag unter Einhaltung bestimmter Fristen zu kündigen. Auch für diese Vertragsvariante gilt allerdings bezüglich der Laufzeit die 40%-Untergrenze, d.h. der Vertrag ist kündbar erst nach Ablauf einer Mindestlaufzeit von 40% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes; nur bei dieser Vertragsgestaltung wird der Gegenstand steuerlich dem

332

Sechstes Kapitel: Leasing

Leasinggeber zugerechnet. Die Kündigungsfrist beträgt in der Regel sechs Monate. Sind zum Zeitpunkt des - durch Kündigung herbeigeführten - Endes der Vertragslaufzeit die Gesamtkosten (einschl. Gewinn) des Leasinggebers durch die bis dahin gezahlten Leasingraten nicht gedeckt, hat also nur eine Teilamortisation stattgefunden, so ist der Leasingnehmer zu einer Abschlußzahlung in Höhe der Differenz zwischen Gesamtkosten und Summe der gezahlten Raten verpflichtet. Auf diese Abschlußzahlung werden allerdings 90% des vom Leasinggeber bei der Veräußerung des Leasinggutes erzielten Kaufpreises angerechnet. Ein etwaiger Übererlös - die Summe aus Veräußerungserlös und vom Leasingnehmer gezahlten Raten übersteigt die Gesamtkosten des Leasinggebers - steht auch hier dem Leasinggeber zu. Ein Problem entsteht beim kündbaren, auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Teilamortisationsmodell dann, wenn der Leasingnehmer soviele Raten gezahlt hat, daß der Leasinggeber seine Anschaffungs- und Finanzierungskosten einschließlich seines Gewinnes erhalten hat, also Vollamortisation eingetreten ist, der Leasingnehmer aber den Vertrag nicht gekündigt hat. Ist er dann zur Weiterzahlung der vertraglichen Leasingraten verpflichtet? Die Beantwortung der Frage hängt entscheidend davon ab, ob die in den entsprechenden Leasingverträgen verwendete Klausel, wonach der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und nur durch Kündigung zu beenden ist, - die Klausel hat, da vom Leasinggeber bei derartigen Verträgen generell verwendet, AGB-Charakter - mit dem AGB-Gesetz vereinbar ist. Der BGH hat dies - in mittlerweile ständiger

III. Typische Vertragsmodelle des Finanzierungsleasing

333

Rechtsprechung - bejaht [vgl. B G H WM 1989, 1694; WM 1990, 23; dem B G H ist auch das OLG Köln gefolgt, vgl. J Z 1993, 746]. Das Gericht sieht in dieser Klausel keine unangemessene Benachteiligung des Leasingnehmers i.S.v. § 9 AGBG, sondern meint, dem Leasingnehmer stehe ja die rechtzeitige Kündigung offen und die Überwachung des Vertragsablaufs im Hinblick auf die Einhaltung der Kündigungsfrist sei insbesondere für ein kaufmännisches Unternehmen eine zumutbare Belastung [vgl. B G H WM 1989, 1697]. Diese Entscheidung ist bedenklich, denn sie läuft letztlich darauf hinaus, daß der Leasingnehmer, wenn er die Kündigung versäumt, dem Leasinggeber durch die Weiterzahlung der vereinbarten Leasingraten dessen Kosten nochmals erstatten muß, obwohl doch Vollamortisation bereits eingetreten ist [vgl. zur Kritik am B G H ausf. Canaris AcP 190 (1990), S. 441 ff.; Tiedtke, WM 1990, 337 ff.; ders. J Z 1993, 742 ff.]. Interessengerechter wäre eine Lösung, die die Vereinbarung einer unbestimmten Laufzeit des Vertrages an § 9 A G B G scheitern läßt und den kündbaren Teilamortisationsvertrag auf den Zeitpunkt der Vollamortisation

befristet mit der Folge,

daß der Vertrag mit diesem Zeitpunkt automatisch endet [so im Ergebnis Canaris und Tiedtke, a.a.O.]. Nutzt der Leasingnehmer das Leasinggut nach Vertragsbeendigung weiter, dann können dem Leasinggeber Bereicherungsansprüche

(Wert-

ersatz bzgl. der Nutzung §§ 812 Abs. 1, 812 Abs. 2 BGB) oder Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsvorenthaltung (§ 823 Abs. 1 BGB) oder dem Verschulden nach

Vertragsbeendigung

zustehen.

(sog. culpa post

contrahendum)

334 IV.

Sechstes Kapitel:

Leasing

Sonderformen des Leasing

Die Terminologie der Wirtschaftspraxis unterscheidet Sonderformen des Leasing, wobei auf unterschiedliche praktische Gegebenheiten abgehoben wird, wie etwa die Art des Leasingobjekts oder Spezifika in der Person der Beteiligten. Diesen Unterscheidungen kommt allerdings oft kein besonderer juristischer Erkenntniswert zu. Dies betrifft etwa die hinsichtlich der Mobilität des geleasten Wirtschaftsgutes getroffene Unterscheidung in Mobilien- und Immobilienleasing; denn Immobilien-Leasingverträge werden zivilrechtlich genauso behandelt wie sonstige Finanzierungsleasingverträge [vgl. BGHZ 106, 304; Emmerich, JuS 1990, 3]. Es soll deshalb hier auf diese Unterscheidungen und die in ihrem Rahmen gerne gegenübergestellten Begriffspaare [vgl. hierzu Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 1 ff.; Martinek, a.a.O., § 3 V, 3] bis auf zwei praktisch wichtige Sonderformen nicht eingegangen werden: Das Hersteller- (Händler-) Leasing und das Sale-and-lease-back-Geschäft.

1.

Hersteller- (Händler-) Leasing

Unter Hersteller- oder Händler-Leasing sind diejenigen Tatbestände zu verstehen, in denen der Hersteller oder Lieferant selbst oder ein ihm wirtschaftlich oder rechtlich verbundenes Unternehmen als Leasinggeber auftritt. Übernimmt der Hersteller selbst die Rolle des Leasinggebers, spricht man von direktem Hersteller-Leasing, während die Fälle, in denen der Hersteller eine - mit ihm wirtschaftlich und vielfach auch

IV. Sonderformen des Leasing

335

rechtlich verbundene - Leasinggesellschaft einschaltet, als indirektes Hersteller-Leasing bezeichnet werden [vgl. zur Terminologie Martinek, a.a.O., § 3, V, 3 b; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 113]. In beiden Konstellationen fungiert das Leasing als Absatzförderung. Dieser Umstand dient in der Literatur teilweise [vgl. vor allem Berger, Typus und Rechtsnatur des Hersteller-Leasing, Heidelberg 1988, S. 26 ff.] als Begründung für die Qualifizierung des Hersteller-Leasing als eigenständigen Vertragstyp, der dann als Nicht-Finanzierungsleasing dem Finanzierungsleasing gegenübergestellt und als 'reiner' Mietvertrag i.S.v. §§ 535 ff. BGB klassifiziert wird [vgl. Berger, a.a.O., S. 48 ff.]. Hier gilt es zu differenzieren: Das direkte Hersteller-Leasing ist nicht Finanzierungsleasing, sondern dem Operating-Leasing zuzuordnen [so auch Martinek, a.a.O., § 3, V, 3 b; Emmerich, JuS 1990, S. 3], denn es fehlt hier die leasingtypische Dreiecksbeziehung und damit der die Investitionsentscheidung des Leasingnehmers finanzierende unabhängige Dritte. Die Existenz dieses unabhängigen Financiers (des Leasinggebers) ist aber gerade das wesentliche typologische Merkmal des Finanzierungsleasing [vgl. i.d.S. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 4, 113]. Das direkte Hersteller-Leasing ist also in der Tat rechtlich als 'reiner' Mietvertrag zu qualifizieren [vgl. Martinek, a.a.O.; Emmerich, a.a.O.; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 119]. Beim indirekten Hersteller-Leasing hingegen liegt das leasingtypische Drei-Personenverhältnis vor: Als Leasinggeber tritt eine rechtlich selbständige - allerdings vom Hersteller vielfach abhängige - Leasinggesellschaft auf, wobei die Abhängigkeit das Ergebnis von kapital- und konzernmäßiger Verflechtung

336

Sechstes Kapitel:

Leasing

zwischen Hersteller und Leasinggesellschaft ist [vgl. hierzu die Fakten bei Tacke, a.a.O., S. 77 ff.]. Aus dieser Abhängigkeit wird dann in der Literatur gefolgert, auch das indirekte Hersteller-Leasing sei kein Finanzierungsleasing, da eine mit dem Hersteller kapital- und konzernmäßig verflochtene Leasinggesellschaft materiell "ein Geschäft des Herstellers" betreibe [so Berger, a.a.O., S. 37; Flume, DB 1972, S. 2]. Nach dieser Meinung sind dann auch die Verträge im Rahmen des indirekten Hertseller-Leasing als Mietverträge i.S.d. § 535 BGB einzuordnen. Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Denn für die rechtliche Würdigung eines Leasinggeschäfts kann es nicht darauf ankommen, ob dieses im Absatzinteresse des Herstellers erfolgt und die mit ihm verbundene Leasinggesellschaft (auch!) dieses Interesse besorgt, sondern für die Einordnung oder Nicht-Einordnung eines Vertrages als Finanzierungsleasing-Vertrag ist allein entscheidend, ob er eine Finanzierungsfunktion verfolgt, was immer dann der Fall ist, wenn die vom Leasingnehmer gezahlten Raten nicht nur das Entgelt für die Gebrauchsüberlassung des Leasinggutes darstellen, sondern mit ihnen auch die vom Leasinggeber erbrachte Finanzierungsleistung abgegolten wird [vgl. BGH NJW 1990, 1788], Indirektes Hersteller-Leasing ist also Finanzierungsleasing - unabhängig von der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verflechtung von Hersteller und Leasinggeber - immer dann, wenn der Leasingnehmer im Leasingvertrag die Vollamortisationspflicht übernommen hat [so zutr. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 121; im Ergebnis ebenso Martinek, a.a.O., § 3 V, 3 b a.E.]. Zur Rechtsnatur des Finanzierungsleasing-Vertrages gleich unter V.

337

IV. Sonderformen des Leasing

2.

Sale-and-lease-back-Geschäft

Die Besonderheit dieser Leasing-Version liegt darin, daß sich Lieferant und Leasingnehmer gewissermaßen in einer Person vereinigen: Der Leasingnehmer in spe veräußert ein bereits in seinem Betriebsvermögen befindliches Objekt an den Leasinggeber, um es von diesem 'zurückzuleasen'. Das Sale-and-lease-back-Verfahren bedeutet also der Sache nach die nachträgliche Finanzierung einer vom Leasingnehmer bereits getätigten Investition. Der betriebswirtschaftliche Sinn dieses Verfahrens liegt zunächst in dem dadurch bewirkten Liquiditätszufluß beim Leasingnehmer, denn er erhält ja auf der Basis des zwischen ihm und dem Leasinggeber über das Objekt abgeschlossenen Kaufvertrages den vereinbarten Kaufpreis als Gegenleistung

für

die

Übertragung

des

Eigentums

am

(späteren) Leasingobjekt auf den Leasinggeber. Die gewonnene Liquidität kann der Leasingnehmer zur Schuldentilgung verwenden und so die Finanzkennziffern verbessern. Ein weiterer betriebswirtschaftlicher Zweck des Sale-and-lease-backVerfahrens kann darin liegen, durch den Verkauf des Objektes über Buchwert stille Reserven zu realisieren und einen Buchgewinn zu erzielen, der zur Verbesserung des Bilanzergebnisses benötigt wird [vgl. hierzu i.e. Tacke, a.a.O., S. 86 f.] Sale-and-lease-back-Geschäfte sind regelmäßig dem Finanzierungsleasing zuzuordnen [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 17 u. 1059; Tacke, a.a.O., S. 88], auch hier liegt eine Dreiecksbeziehung vor, allerdings mit der Besonderheit, daß hier zwei Positionen von ein und derselben Person besetzt werden: Lieferant und Leasingnehmer sind identisch. Dies ist aber von

338

Sechstes Kapitel:

Leasing

untergeordneter Bedeutung [nach Martinek, a.a.O., § 3 V, 3 d soll das Sale-and-lease-back-Geschäft insbes. deswegen "nicht mehr dem Finanzierungsleasing im engeren Sinne" zuzuordnen sein.]. Entscheidend ist, daß der Leasinggeber genau die gleiche Finanzierungsfunktion ausübt wie beim 'normalen' Finanzierungsleasing. Leasingverträge im Rahmen des Sale-and-leaseback-Geschäfts können deshalb in jeder der erlaßkonformen Vertragsarten

(Vollamortisations-,

Teilamortisationsvertrag,

kündbarer Vertrag) abgeschlossen werden. Da das Leasinggut jedoch i.d.R. vorher im Betrieb des Leasingnehmers genutzt worden war, ist zu beachten, daß die Laufzeit des Vertrages nur in Höhe der restlichen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer vereinbart werden kann [vgl. hierzu das Rechenbeispiel bei Tacke, a.a.O., S. 88]. Eine - nur auf den ersten Blick komplizierte - Variante des Sale-and-lease-back-Geschäftes hat sich insbesondere in der EDV- sowie der Kopiergeräte-Branche etabliert: Hier ist es meist so, daß der Kunde die Geräte nicht kauft, sondern beim Hertseller/Händler mietet, wobei regelmäßig in den Vertrag weitere Dienstleistungen einbezogen werden, wie insbesondere die Wartung des gemieteten Geräts. Für den Kunden ist ein solches Produkt- und Dienstleistungspaket oft günstiger als die Beschaffung der jeweiligen Einzelleistungen [vgl. zu Einzelheiten Tacke, a.a.O., S. 89 f.]. Auf der Hersteller/Händler-Seite bildet sich durch diese Absatzstrategie oft ein beträchtliches Vermögen von vermieteten Wirtschaftsgütern, das zu "bilanziellen Unwuchten" [vgl. Tacke,

V. Rechtsnatur des Finanzierungsleasing-Vertrages

339

a.a.O., S. 90] führen kann. Zur Beseitigung dieser bilanzmäßigen Ungleichgewichte bietet sich aus Herstellersicht das Saleand-lease-back-Verfahren an: Er veräußert die vermieteten Geräte an eine Leasinggesellschaft (die Eigentümerin wird) und least sie zurück, wobei der Hersteller das Recht zur Untervermietung erhält; aus den Kunden-Mietverträgen werden damit Untermietverträge [vgl. zum Ganzen ausf. Tacke, a.a.O., S. 90 ff.]. Auch diese Variante ist als Finanzierungsleasing zu qualifizieren, weil der Leasinggeber es dem Hersteller (Leasingnehmer) mit der Kaufpreiszahlung ermöglicht, unter Schonung eigener Liquidität weitere Investitionen zu finanzieren.

V.

Rechtsnatur des Finanzierungsleasing-Vertrages

Die Frage nach der Rechtsnatur des Finanzierungsleasing, die Frage also danach, ob und gegebenenfalls welchem gesetzlich geregelten Vertragstyp der Finanzierungsleasing-Vertrag zugeordnet werden kann, ist keinesfalls akademischer Natur, sondern von eminenter praktischer Bedeutung. Denn von der Rechtsnaturbestimmung hängt es beispielsweise ab, welche gesetzlichen Vorschriften zur Ausfüllung von Lücken eines Leasingvertrages herangezogen werden können und an welchen gesetzlichen Wertungen sich eine Inhaltskontrolle formularmäßiger Leasingverträge nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AGBG zu orientieren hat. In der rechtswissenschaftlichen Literatur findet sich zur Frage der Rechtsnatur von Leasingverträgen ein breites Meinungsspektrum, auf das im Rahmen dieser Darstellung im einzelnen

340

Sechstes Kapitel:

Leasing

nicht eingegangen werden kann [vgl. zur Rechtsnatur-Diskussion ausf. Martinek, a.a.O., § 4; Graf von Westphalen, a.a.O., RNrn. 55 ff.]. Im wesentlichen lassen sich vier - in sich zum Teil mehr oder weniger ausdifferenzierte - Sichtweisen ausmachen: 1. Ein Teil der Lehre [vgl. etwa Ebenroth, JuS 1978, S. 593] qualifiziert das Finanzierungsleasing als Kaufvertrag, wobei die Varianten Sachkauf, Rechtskauf und Ratenkauf vertreten werden. Diese Auffassung ist abzulehnen. Denn der Kaufvertrag ist darauf gerichtet, dem Käufer Eigentum an der Kaufsache zu verschaffen (vgl. nur § 433 Abs. 1 BGB). Das wollen die Parteien des Leasingvertrages aber gerade nicht. Aus den oben dargestellten

steuerlichen

Gründen

soll der

Leasinggeber

rechtlicher und steuerlicher Eigentümer bleiben, der Leasingnehmer lediglich den unmittelbaren Besitz und damit die Nutzungsmöglichkeit der Sache erhalten [vgl. zur Kritik an der kaufvertraglichen Qualifikation Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S.476 f.; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 55; Martinek, a.a.O., § 4 V, 2]. 2. Nach anderer Ansicht [vgl. etwa Lieb, DB 1988, 946 ff., 2495, Martinek, a.a.O., § 4 IX und die Nachweise dort FN 89], deren Vertreter allerdings in Einzelfragen stark differieren, ist der Leasingvertrag ein atypischer, zwischen Miete, Kauf und Darlehen angesiedelter Vertrag sui generis (eigener Art). 3. Eine Sondermeinung vertritt Canaris [vgl. NJW 1982, 305 ff.; AcP 190 (1990), S. 452]. Nach seiner Ansicht ist der Leasingvertrag ein gemischttypischer Vertrag mit primär geschäftsbesorgungs- und darlehensrechtlichen Zügen: Der Leasinggeber besorge mit dem Abschluß des Kaufvertrages mit dem Lie-

V. Rechtsnatur des Finanzierungsleasing-Vertrages

341

feranten ein Geschäft für den Leasingnehmer. Er schließe den Vertrag zwar in eigenem Namen, aber für fremde (des Leasingnehmers) Rechnung, handele also wie ein (atypischer) Einkaufskommissionär, weshalb ihm auch gegen den Leasingnehmer ein Anspruch auf Provision und Ersatz seiner Aufwendungen zustehe. Diesen Anspruch kreditiere er jedoch dem Leasingnehmer und verwandele ihn damit in ein Vereinbarungsdarlehen i.S.v. § 607 Abs. 2 BGB. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Denn der Leasinggeber kauft das Leasingobjekt auf eigene Rechnung, er will mit ihm dadurch verdienen, daß er es dem Leasingnehmer gegen Entgelt zur Nutzung überläßt. Der Leasingnehmer will ja gerade nicht Eigentümer werden, was er nach der Lösung von Canaris folgerichtig würde [vgl. zur Kritik an der Auffassung von Canaris Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S. 474 ff.; Graf von Westphalen, RNr. 65 ff.; Martinek, a.a.O., § 4 VIII]. 4. Die überwiegende Meinung im Schrifttum und der BGH in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung heben auf den dem Leasingvertrag immanenten Aspekt der Gebrauchs- und Nutzungsüberlassung ab und qualifizieren den Leasingvertrag als Mietvertrag, wobei es letztlich eher eine lediglich sprachliche Nuance ist, ob man im Leasingvertrag einen 'reinen' Mietvertrag [so Flume, DB 1972, 4 ff.; Blomeyer, NJW 1978, 973 ff.; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S. 477 f.] oder einen atypischen Mietvertrag [so Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 86; Emmerich, JuS 1990, 4] sieht. Denn Einigkeit besteht allgemein darüber, daß das Mietrecht der §§ 535 ff. BGB auf den Leasingvertrag nur insoweit anwendbar ist, als dem nicht 'leasingtypische Besonderheiten' entgegenstehen [vgl. BGHZ

342

Sechstes Kapitel: Leasing

97, 70; Tiedtke, JZ 1993, 743]. Die 'Atypik' der Leasingverträge gegenüber dem Mietrecht der §§ 535 ff. BGB besteht im wesentlichen darin, daß in Leasingverträgen regelmäßig die sog. Sach- und Preisgefahr, d.h. die Risiken des Untergangs, der zufälligen Verschlechterung, des Diebstahls und der Beschädigung der Leasingsache, auf den Leasingnehmer überwälzt und die Haftung des Leasinggebers für Mängel der Leasingsache ausgeschlossen werden, während im Mietrecht des BGB alle diese Risiken der Vermieter trägt (vgl. §§ 536 ff. BGB). Der B G H hat den Leasingvertrag bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1975 als besonderen Mietvertrag bezeichnet, auf den "in erster Linie die §§ 535 ff. BGB anzuwenden" seien [vgl. B G H NJW 1977, 196]. Diese Sichtweise hat das Gericht in zahlreichen folgenden Entscheidungen fortgeschrieben [vgl. neuerdings BGH WM 1990, 25, 26], Gelegentlich klingen in Entscheidungsgründen des BGH jedoch Tendenzen in Richtung eines Verständnisses des Leasingvertrages als Vertrag sui generis an, wenn das Gericht etwa vom "Leitbild des Leasingvertrages" spricht [vgl. BGH NJW 1982, 1748]. Der grundsätzlichen Qualifikation des Leasinvertrages als Mietvertrag durch BGH und h.M. im Schrifttum ist zu folgen, denn es steht damit für die Lösung von sich aus Leasingverträgen ergebenden Einzelproblemen ein erprobtes und berechenbares Konfliktlösungspotential in Form des BGB-Mietrechts zur Verfügung, dessen Anwendung allerdings je unter der Prämisse der Beachtung der leasingspezifischen Interessenlage der Beteiligten zu erfolgen hat.

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

VI.

343

Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

Soweit vertragliche Leistungen dem vereinbarten Leistungsprogramm und damit den Erwartungen der Vertragspartner entsprechend erbracht werden, treten juristische Fragestellungen naturgemäß nicht auf. Dies ist jedoch dann sofort anders, wenn bei der Vertragsausführung etwas 'schief läuft': Das Leasingobjekt wird nicht, verspätet oder mit Mängeln behaftet geliefert, während der Nutzung beim Leasingnehmer zerstört, oder der Leasingnehmer zahlt die Leasingraten verspätet oder stellt die Ratenzahlung gar ganz ein. Diese unter dem Begriff 'Leistungsstörungen' zusammengefaßten Tatbestände gilt es im folgenden zu untersuchen.

1.

Gefahrtragung

Die im Falle einer Leistungsstörung auftretenden Rechtsfolgen hängen zunächst ganz wesentlich davon ab, wie im Leasingvertrag - er bildet ja das primäre Regelungskonzept - die potentiellen Risiken und Gefahren zwischen den Beteiligten verteilt werden. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Leasinggeber enthalten durchgängig eine Klausel, nach der der Leasingnehmer das Risiko des zufälligen Untergangs bzw. der zufälligen Verschlechterung (zufällig bedeutet hier: weder Leasingnehmer noch Leasinggeber haben das den Untergang oder die Verschlechterung herbeiführende Ereignis zu vertreten)

des

Leasingobjekts, die Gefahr der Zerstörung oder Beschädigung

344

Sechstes Kapitel:

Leasing

und des Diebstahls der Sache zu tragen hat (sog. Sachgefahrklausel). Damit ist regelmäßig die weitere Klausel verbunden, derzufolge der Leasingnehmer bei Realisierung derartiger Risiken zur Weiterzahlung der Leasingraten verpflichtet bleibt (sog. Preisgefahrklausel). Kurz gesagt gilt also: Der Leasingnehmer muß im Falle der Zerstörung, des Diebstahls u.ä. aufgrund dieser Klauseln die Leasingraten auch dann weiterzahlen, wenn ihn an den entsprechenden Ereignissen kein Verschulden trifft. Diese leasingtypische Risikoverteilung steht wie bereits oben festgestellt - im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung der Gefahrtragung im Mietvertrag. Die §§ 535 Satz 1, 536, 537 f., 548 BGB weisen die Sachgefahr eindeutig dem Vermieter zu (so entfällt z.B. die Pflicht des Mieters zur Mietzahlung bei Untergang oder Verschlechterung der Mietsache, § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB), so daß sich die Frage stellt, ob die Sach- und Preisgefahrklauseln in Leasingverträgen nicht nach § 9 Abs. 2 AGBG nichtig sind. Die überwiegende Meinung in der Literatur [vgl. ReinickeTiedtke, Kaufrecht, S. 498; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 631; Ebenroth, JuS 1985, 429 je m.w.N.] und der BGH [vgl. B G H WM 1987, 1338; NJW 1990, 1785] halten die entsprechenden Klauseln jedoch für zulässig. Zur Begründung wird im wesentlichen darauf abgehoben, daß der Leasingnehmer das Leasingobjekt (lediglich) aus steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Gründen nicht käuflich erwirbt, so daß es angemessen sei, daß der Leasingnehmer durch die Leasing-AGB wie ein Käufer behandelt werde, auf den nach § 446 BGB mit der Übergabe der Sache ebenfalls die Sach- und Preisgefahr übergeht [vgl. BGH WM 1987, 1340], Der h.M. kann man zu-

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

345

stimmen, obwohl die vorstehende Begründung letztlich eine petitio principii ist: Die Überwälzung der Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer ist zulässig, weil sie leasingtypisch ist. Allerdings ist die hieraus resultierende Belastung für den Leasingnehmer erträglich, da er die Leasingsache versichern lassen kann [i.d.S. auch BGH, a.a.O.]. Noch ein praktisches Argument für die Zulässigkeit der Überwälzungs-Klauseln: Würde der Leasinggeber die Sach- und Preisgefahr tragen, würde er aller Wahrscheinlichkeit nach dieses Risiko über eine Erhöhung der Leasingraten doch auf den Leasingnehmer abwälzen [so auch Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 498; Martinek, a.a.O., § 7 I, 1]. Angesichts des Ausnahmecharakters von Untergang oder Verschlechterung des Lasinggutes wird dementsprechend die Mehrheit der Leasingnehmer bei Übernahme der Sach- und Preisgefahr besser stehen als im anderen Falle. Mitunter enthalten Leasinggeber-AGB eine Klausel, derzufolge die Sach- und Preisgefahr bereits zu dem Zeitpunkt auf den Leasingnehmer übergeht, zu dem der Leasinggeber den Lieferanten mit der Verbringung des Leasingobjekts zum Leasingnehmer beauftragt. Derartige Klauseln sind mit der Folge ihrer Nichtigkeit als unangemessene Benachteiligung des Leasingnehmers i.S.v. § 9 Abs. 2 AGB zu werten [so auch Martinek, a.a.O., § 7 I, 1 a.E.]. Denn die leasingtypische Hauptpflicht des Leasinggebers ist die Gebrauchsüberlassung des Objekts an den Leasingnehmer [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 641; BGH WM 1985, 1448]. Es handelt sich dabei dann notwendig um eine Bringschuld, d.h. alle Ereignisse vor der Besitzerlangung des Objekts durch den Leasingnehmer fallen zwingend in die Risikosphäre des Leasinggebers.

346 2.

Sechstes Kapitel: Leasing

Rechtslage bei Realisierung der Preisgefahr

Realisiert sich die Preisgefahr für den Leasingnehmer durch (von ihm nicht verschuldeten) Untergang, Diebstahl

oder

schwerwiegende Beschädigung des Leasingobjekts, so hat dies keinerlei Auswirkungen auf den Fortbestand des Leasingvertrages, insbesondere bleibt der Leasingnehmer - das wurde bereits oben festgestellt - zur Weiterentrichtung der Leasingraten verpflichtet. Bei Teilamortisationsverträgen schuldet er auch die vereinbarte Abschlußzahlung (vgl. zur Situation bei den unterschiedlichen Teilamortisations-Modellen Martinek, a.a.O., § 71, 4 a], Für den Bereich des Kfz-Leasing hat der BGH in diesen Fällen dem Leasignehmer ein außerordentliches (fristloses) Kündigungsrecht entsprechend § 542 BGB dann zugestanden, wenn die Realisierung der Preisgefahr im "völligen Verlust oder einer nicht unerheblichen Beschädigung" des Fahrzeuges besteht [vgl. BGH NJW 1987, 377; bestätigt in BGH WM 1992, 236], Denn - so das Gericht - eine Klausel in den AGB eines KfzLeasinggebers, die die Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer abwälzt, benachteiligt diesen unangemessen i.S.v. § 9 Abs. 2 AGBG, wenn sie ihm nicht für die Fälle des Unterganges oder nicht unerheblicher Beschädigung des Fahrzeugs ein kurzfristiges Kündigungsrecht einräumt [vgl. BGH NJW 1987, 377, 1. Leitsatz], Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, denn in den genannten Fällen liegt eine so gravierende Äquivalenzstörung vor, daß dem Leasingnehmer - aber auch dem Leasinggeber! - ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist [so auch Martinek, a.a.O., § 7 1, 4 a]. Es sind nun allerdings keine spezifischen Besonderheiten des Kfz-Leasing erkennbar,

VI. Gefahrtragung und Leistlingsstörungen im Leasingvertrag

die

die

Beschränkung

der

Kündigungsberechtigung

347

des

Leasingnehmers in den zur Rede stehenden Fällen auf diese Branche rechtfertigen können. Es ist deshalb nach richtiger Ansicht [vgl. Martinek, a.a.O., m.w.N.; auch Seifert in: Hagenmüller-Eckstein, a.a.O., S. 61 findet die Beschränkung des BGH auf den Kfz-Leasing-Vertrag "eigenartig"] davon auszugehen, daß dem Leasingnehmer bei völligem Verlust oder nicht unerheblicher Beschädigung generell - d.h. nicht nur im KfzLeasing - ein kurzfristiges Kündigungsrecht zusteht. Aber auch der Leasinggeber muß außerordentlich kündigen können; denn er ist wirtschaftlich als Kreditgeber aufgetreten und nun infolge des Verlustes des Leasingobjekts insofern ungesichert [vgl. Martinek, a.a.O.], Dieses Kündigungsrecht der Beteiligten ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BGH [vgl. grdl. BGH WM 1985, 860] mit einem auf Vollamortisation gerichteten Ausgleichsanspruch des Leasinggebers gekoppelt. Übt also einer der Beteiligten sein Kündigungsrecht aus, so schuldet der Leasingnehmer eine sofort fällige Ausgleichszahlung. Bei der Berechnung der Höhe dieser Zahlung ist § 324 Abs. 1 Satz 2 BGB zu berücksichtigen, d.h. der Leasinggeber muß sich "dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart ...". Dies betrifft in erster Linie die Zinsen für die erst später geschuldeten Leasingraten sowie ersparte Refinanzierungskosten und ersparte sonstige Aufwendungen. Anzurechnen sind aber auch etwaige Schadensersatzzahlungen eines Schädigers. Beim Vollamortisationsvertrag ist folglich der vom Leasingnehmer zu leistende Ausgleichsbetrag notwendig niedriger als

348

Sechstes Kapitel: Leasing

die Summe der noch ausstehenden Leasingraten [vgl. zum Ausgleichsanspruch des Leasinggebers bei vorzeitiger Vertragsbeendigung ausführlich Martinek, a.a.O., § 81, 3 b].

3.

Fehlverläufe bei der Erfüllung des Leasingvertrages

I m folgenden sollen die praktisch wichtigen Tatbestände von Leistungsstörungen im Leasingvertrag erörtert werden, wobei der Gang der Darstellung nicht der juristisch-abstrakten Leistungsstörungs-Typologie folgt, sondern - um des besseren Verständnisses willen - auf die praktischen Fall-Konstellationen abhebt.

a)

Nichtlieferung des Leasingobjekts

Hauptpflicht des Leasinggebers aus dem Leasingvertrag ist es, dem Leasingnehmer für die Vertragsdauer (Grundmietzeit) ein funktionsfähiges Leasinggut zur Nutzung zu überlassen [vgl. B G H WM 1981, 1220]. Der Leasinggeber schuldet also die Gebrauchsgewährung. Zur Erfüllung dieser Gebrauchsverschaffungspflicht bedient sich der Leasinggeber des Lieferanten, der damit als Erfüllungsgehilfe des Leasinggebers i.S.v. § 278 BGB zu qualifizieren ist [h.M. vgl. B G H WM 1990, 513; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 404; Martinek, a.a.O., § 6 III, 3], Der Lieferant wird mit der Lieferung an den Leasingnehmer somit doppelfunktional tätig: Die Lieferung ist einmal Erfüllung der Hauptpflicht des Leasinggebers, der Lieferant bewirkt aber zum anderen mit der Lieferung auch die Erfüllung seiner eigenen

VI. Gefahrtragung und Leistitngsstörwigen

im Leasingvertrag

349

Verpflichtung aus dem Kaufvertrag gegenüber dem Leasinggeber, indem er diesem damit das Eigentum am Leasingobjekt verschafft: Die Übereignung Lieferant-Leasinggeber erfolgt nach der Grundregel des § 929 Satz 1 BGB mit der Besonderheit, daß die nach dieser Vorschrift neben der Einigung erforderliche Übergabe nicht an den Erwerber (Leasinggeber) sondern an den Leasingnehmer erfolgt, der dabei als antizipierter Besitzmittler des Leasinggebers anzusehen ist [so auch Martinek, a.a.O.]. Stellt sich heraus, daß der Lieferant das Leasinggut (endgültig) nicht liefern kann, so liegt leistungsstörungsrechtlich Unmöglichkeit i.S.d. §§ 306 f., 323 - 325 B G B vor, die sich primär auf den Kaufvertrag zwischen Lieferant und Leasinggeber auswirkt. Hinsichtlich der Rechtsfolgen ist zunächst danach zu differenzieren, ob die Leistungsunmöglichkeit auf Seiten des Lieferanten schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages mit dem Leasinggeber bestand (sog. ursprüngliche oder anfängliche Unmöglichkeit) oder ob sie erst nach Vertragsschluß eingetreten ist (sog. nachträgliche Unmöglichkeit). Bei der anfänglichen Unmöglichkeit wiederum unterscheidet das Gesetz danach, ob niemandem die Leistung möglich wäre (der verkaufte Computer hat nie existiert, sog. anfänglich objektive Unmöglichkeit), oder ob nur der Lieferant zur Lieferung außerstande ist (ein anderer Händler könnte liefern, sog. anfänglich subjektive Unmöglichkeit oder anfängliches Unvermögen). Im einzelnen ergibt sich dann: Liegt anfänglich objektive Unmöglichkeit vor, so ist der Kaufvertrag nach § 306 B G B nichtig. Aber auch der Leasingvertrag ist in diesem Falle nach § 306 B G B nichtig: Denn bei anfänglich objektiver Unmöglichkeit

350

Sechstes Kapitel:

Leasing

der Lieferung der Sache durch den Lieferanten ist folgerichtig auch die Gebrauchsüberlassung durch den Leasinggeber bereits bei Abschluß des Leasingvertrages objektiv unmöglich [richtig Martinek, a.a.O., § 6 III, 4 a]. Dem Leasingnehmer steht dann nach § 307 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen den Leasinggeber zu, wenn dieser die Leistungsunmöglichkeit seines Lieferanten und damit die Unmöglichkeit seiner eigenen Leistung kannte oder hätte kennen müssen (Kennen-müssen bedeutet Unkenntnis infolge Fahrlässigkeit). Dieser Schadensersatzanspruch ist auf das sog. negative Interesse gerichtet, d.h. der Leasingnehmer ist so zu stellen, als ob er vom Leasingvertrag 'nichts gehört hätte'; der Leasingnehmer erhält damit insbesondere alle Aufwendungen ersetzt, die er im Vertrauen auf den Bestand des Leasingvertrages gemacht hat. Dem Leasinggeber seinerseits steht unter den genannten Voraussetzungen ebenfalls der Schadensersatzanspruch des § 307 BGB gegenüber dem Lieferanten zu, d.h. er kann den an den Leasingnehmer zu zahlenden Schadensersatz auf den Lieferanten 'abwälzen'. Der Fall des anfanglichen Unvermögens ist im Gesetz nicht geregelt. Nach h.M. [vgl. nur Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd I, 14. Aufl., München 1987, § 8 II m.w.N.] gilt hier eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung, d.h. der Schuldner haftet auch ohne Verschulden, wobei hinsichtlich der Rechte des Gläubigers § 325 BGB herangezogen wird. Das bedeutet: Der Leasingnehmer hat bezüglich seiner Ansprüche gegenüber dem Leasinggeber ein vierfaches Wahlrecht (vgl. d. Wortlaut d. § 325 BGB), wobei praktisch die Alternative Schadensersatz oder Rücktritt vom Leasingvertrag im Vordergrund steht. Die

VI. Gefahrtragung und Leistungsstöriingen

gleichen Ansprüche

im Leasingvertrag

(§ 325 BGB) stehen wiederum

351

dem

Leasinggeber gegenüber dem Lieferanten zu. In den Fällen der nachträglichen Unmöglichkeit (objektive und subjektive werden hier gleich behandelt, vgl. § 275 Abs. 2 BGB) hängen die Rechtsfolgen davon ab, wer die Unmöglichkeit zu vertreten hat (Vertreten-müssen = Verschulden). Hat der Lieferant seine Leistungsunmöglichkeit verschuldet, so hat der Leasinggeber dem Leasingnehmer gegenüber nach § 278 B G B hierfür genauso einzustehen, wie wenn ihn selbst ein Verschulden an der Unmöglichkeit träfe. Dem Leasingnehmer steht dann auch hier das vierfache Wahlrecht nach § 325 B G B zu, d.h. er kann insbesondere wählen, ob er vom Leasinggeber Schadensersatz verlangt oder vom Leasingvertrag zurücktritt. Die gleichen Rechte hat auch hier der Leasinggeber gegenüber dem Lieferanten. Hat der Leasingnehmer die Leistungsunmöglichkeit des Lieferanten und damit die Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung durch den Leasinggeber verschuldet - das dürften eher seltene Fälle sein -, dann wird der Leasinggeber nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Gebrauchsüberlassungspflicht frei, behält aber nach § 324 Abs. 1 Satz 1 BGB den Anspruch auf die Leasingraten, muß sich jedoch nach § 324 Abs. 1 Satz 2 BGB dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von seiner Leistungspflicht erspart. Das kann der an den Lieferanten zu zahlende Kaufpreis sein, wenn man davon ausgeht, daß die Parteien des Kaufvertrages (Leasinggeber und Lieferant) infolge der von ihnen nicht zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistung des Lieferanten nach den §§ 275 Abs. 1, 323 Abs. 1 B G B beiderseits von ihren Leistungspflichten frei werden.

352

Sechstes Kapitel: Leasing

Etwas anderes würde allerdings dann gelten, wenn man den Leasingnehmer bezüglich der Abnahmepflicht des Leasinggebers nach § 433 Abs. 2 BGB als Erfüllungsgehilfen des Leasinggebers im Verhältnis zum Lieferanten ansieht: Dann würde der Leasinggeber den Kaufpreis nach § 324 Abs. 1 BGB weiterhin schulden. Hat keiner der Beteiligten die Leistungsunmöglichkeit zu vertreten (etwa: das Leasingobjekt ist nach Abschluß von Leasingund Kaufvertrag durch höhere Gewalt oder Verschulden eines Vierten zerstört worden), dann werden Leasinggeber und Leasingnehmer nach §§ 275 Abs. 2, 323 Abs. 1 BGB von ihren Leistungspflichten frei. Das gleiche gilt für die Parteien des Kaufvertrages, Lieferant und Leasinggeber.

b)

Verspätete Lieferung des Leasingobjekts

Wird dem Leasingnehmer das Leasinggut verspätet geliefert und trifft den Leasinggeber oder den Lieferanten als Erfüllungsgehilfen des Leasinggebers (§ 278 BGB) ein Verschulden an der Verspätung (§ 285 BGB), so hat der Leasingnehmer unter den Voraussetzungen des § 284 BGB (Verzug!) nach § 286 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihm aus der Verspätung entstandenen Schadens (z.B.: Produktionsausfall) gegen den Leasinggeber. Dieser Schadensersatzanspruch tritt neben den Anspruch auf Gebrauchsüberlassung, berührt diesen also nicht. Da der Leasingvertrag gegenseitig verpflichtender Vertrag ist, kann der Leasingnehmer jedoch auch über § 326 BGB vorgehen, dem Leasinggeber eine angemessene Nachfrist zur Bewirkung der Leistung (Gebrauchsüberlassung) setzen

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

353

und nach fruchtlosem Ablauf der Frist Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (dann ist er so zu stellen, wie er bei pünktlicher Leistung des Leasinggebers stehen würde) oder vom Vertrag zurücktreten. Zusätzlich [oder anstelle: vgl. BGH WM 1987, 1131] steht dem Leasingnehmer im Verzugsfalle auch das Recht auf fristlose Kündigung nach § 542 BGB zu.

c)

Nichtlieferungs- und Verspätungsklauseln in Leasingverträgen

In der vorstehenden Darstellung wurde die Rechtslage in den Nicht-Lieferungsfällen und den Fällen der verspäteten Lieferung der Leasingsache skizziert, wie sie sich unter Anwendung des gesetzlichen Regelungsprogramms des BGB ergibt. Es hat sich gezeigt, daß die einschlägigen BGB-Vorschriften den Leasinggebern hier nicht unerhebliche Haftungsrisiken zuweisen. Die Leasinggeber versuchen deshalb vielfach, sich im Leasingvertrag durch entsprechende Nichtlieferungs- und Verspätungsklauseln von der Haftung für die gänzlich ausbleibende oder verspätete Lieferung durch den Lieferanten freizuzeichnen. Eine typische Klausel lautet dann zum Beispiel: "Der Leasinggeber (Vennieter) haftet nicht für rechtzeitige und ordnungsgemäße Lieferung durch den Lieferanten." Zusätzlich enthalten die Leasing-Formularverträge häufig für den Fall der Nicht-Lieferung eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB: Wird die Sache nicht geliefert, ist der (wirksam zustande gekommene) Leasingvertrag automatisch

354

Sechstes Kapitel: Leasing

aufgelöst. Die Leasinggeber überbürden mit diesen Klauseln das sich für sie aus dem Leasinggeschäft ergebende Risiko voll auf die Leasingnehmer. Es stellt sich deshalb auch hier die Frage nach der Wirksamkeit derartiger Klauseln. Die Maßstäbe für die Wirksamkeitsprüfung ergeben sich - wie immer wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Rede stehen - aus dem AGBG. Für den nicht-kaufmännischen Bereich (Leasingnehmer ist kein Kaufmann: Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Ärzte etc.) sind hinsichtlich der Nichtlieferungs- und Verspätungsklauseln die Klauselverbote des § 11 Nr. 7, 8 a und b und § 9 AGBG einschlägig: Danach sind derartige Klauseln ohne weiteres unwirksam. Im kaufmännischen Bereich sind die Klauselverbote der §§ 10 und 11 AGBG nicht unmittelbar anwendbar (vgl. § 24 AGBG). Hier ist die Wirksamkeitsprüfung anhand der Generalklausel des § 9 AGBG vorzunehmen, es kommt also darauf an, ob Nichtlieferungsund Verspätungsklauseln als unangemessene Benachteiligung des Leasingnehmers zu werten sind. Die Bewertung hat davon auszugehen, daß die Gebrauchsverschaffungspflicht die leasingtypische Grundpflicht des Leasinggebers ist, der sich zu ihrer Erfüllung des Lieferanten bedient. Der vertragliche Ausschluß aller Rechte, die dem Leasingnehmer bei Fehlschlagen oder Verzögerung der Erfüllung nach dem Gesetz gegenüber dem Leasinggeber zustehen, stellt eine schwerwiegende Äquivalenzstörung dar, denn der Leasinggeber hat sich durch die zur Rede stehenden Klauseln letztlich von seiner Gebrauchsverschaffungspflicht freigezeichnet [vgl. i.d.S. Martinek, a.a.O., § 6 III, 5]. Nichterfüllungs- und

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

355

Verspätungsklauseln in Leasingverträgen sind damit, weil den Leasingnehmer unangemessen benachteiligend, nach § 9 Abs. 2 AGBG auch im kaufmännischen Bereich unwirksam [h.M. vgl. BGH NJW 1986, 179; Martinek, a.a.O., § 6 III, 5; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 408, 409 je m.w.N.; a.A. Flume DB 1972, 55 f.; Canaris, Bankvertragsrecht, RNr. 1736]. Um dem Verdikt der Unwirksamkeit der die eigene Haftung für Leistungsunmöglichkeit und Verzug des Lieferanten ausschließenden Klauseln zu entgehen gehen die Leasinggeber oft einen anderen Weg: Sie treten den Leasingnehmern in den Leasingbedingungen bei gleichzeitigem Ausschluß der eigenen Haftung die ihnen gegenüber dem Lieferanten im Falle von Unmöglichkeit und Verzug zustehenden Ansprüche ab (sog. Drittverweisungsklausel; sie wird auch im Zusammenhang mit dem Ausschluß der Haftung der Leasinggeber für Mangelhaftigkeit des Leasingobjektes praktiziert, dazu i.e. unten unter d). Mit dem BGH [vgl. BGH NJW 1986, 179 ff] wird man den mit der Drittverweisungsklausel kombinierten Haftungsausschluß des Leasinggebers als mit § 9 Abs. 2 AGBG vereinbar und damit wirksam ansehen müssen. Denn anders als bei den 'reinen' Haftungsausschlußklauseln ist der Leasingnehmer hier nicht gänzlich rechtlos gestellt, denn der Leasinggeber kompensiert den Ausschluß seiner eigenen Haftung dadurch, daß er dem Leasingnehmer seine ihm gegenüber dem Lieferanten zustehenden Ansprüche abtritt [so im Ergebnis auch Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 410 ff.; vgl. die Autoren bei Martinek, § 6 III, 6 FN 46. A.A. Martinek, § 6 III, 6 c]. Eine unangemessene Benachteiligung des Leasingnehmers i.S.v. § 9 Abs. 2 AGBG wird man hingegen nur dann annehmen können, wenn

356

Sechstes Kapitel:

Leasing

die zur R e d e stehende Abtretungskonstruktion zu seiner völligen Rechtlosstellung führen würde. Ein Folgeproblem ergibt sich unter Zugrundelegung der Wirksamkeit der Drittverweisung dann, wenn der Leasingnehmer im Unmöglichkeits- oder Verzugsfall aus abgetretenen Rechten gegen den Lieferanten vorgeht und etwa gemäß den §§ 325, 326 BGB den Kaufvertrag durch Rücktritt beseitigt. Wirkt sich das - und wenn ja wie? - auf den Leasingvertrag aus? Hier ist folgendes grundsätzlich zu berücksichtigen: Jeder Vertrag wird unter der Voraussetzung des Vorliegens oder Fortbestehens bestimmter Gegebenheiten abgeschlossen, ohne die der Vertrag den ihm zugedachten Zweck nicht erfüllen kann. Tritt eine von keiner der Vertragsparteien vorhergesehene gravierende Änderung dieser Gegebenheiten ein, kann dies dazu führen, daß der Vertrag den Intentionen der Parteien nicht mehr entspricht und sinnlos wird und bei seinem Fortbestehen einen oder auch beide - Vertragspartner in unzumutbarer Weise belasten würde. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Veränderung der Verhältnisse zu einer beachtlichen Äquivalenzstörung im Vertragsgefüge geführt hat, wenn also das von den Parteien vorgestellte Gleichgewicht zwischen den gegenseitigen Leistungen auch nicht mehr annähernd gegeben ist. Hier muß der durch die Änderung der Umstände beschwerte Vertragspartner die Möglichkeit zur Auflösung des Vertrages haben. Dieses Bedürfnis realisiert die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage [vgl. hierzu ausf. Larenz, Schuldrecht I, a.a.O., § 21 II]. Danach steht dem Beschwerten ein Rücktrittsrecht zu. Die Anwendung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrund-

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen

im Leasingvertrag

357

läge auf die zur Rede stehende Problematik ergibt folgendes: Ein Leasingvertrag wird immer unter der Prämisse der ordnungsgemäßen Lieferung des Leasinggutes geschlossen. Diese wiederum hat einen gültigen Kaufvertrag zur Grundlage, der Kaufvertrag ist Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages [vgl. BGH NJW 1982, 167; BGH WM 199, 954; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S. 483 m.w.N.]. Kommt er nicht zustande oder fällt er später weg, dann wird der Leasingvertrag sinnlos, denn nun steht fest, daß der Leasinggeber seine Gebrauchsüberlassungspflicht nicht (mehr) wird erfüllen können [treffend Flume DB 1972, 55: "Fällt das Liefergeschäft hin, so wird auch der Leasingvertrag gegenstandslos."]. Der Leasingnehmer kann den Leasingvertrag durch Rücktritt auflösen, wobei seine Weigerung zur (weiteren) Ratenzahlung als Rücktrittserklärung auszulegen ist. Unter der Annahme der Wirksamkeit der Drittverweisungsklausel ergibt sich ein weiteres Problem dann, wenn der Leasingnehmer, anstatt den Kaufvertrag zwischen Lieferant und Leasinggeber durch Rücktritt zu Fall zu bringen, den Lieferanten nach den §§ 325 oder 326 BGB auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch nimmt. Klar ist, daß er dann den

dem

Leasinggeber

entstandenen

Schaden

(Refinan-

zierungskosten, entgangener Gewinn) liquidieren kann. Kann er aber auch seinen eigenen Schaden ersetzt verlangen (etwa: Produktionsausfall, eigener entgangener Gewinn)? Die Frage wird zu verneinen sein [so auch Martinek, a.a.O., § 6 III, 6 b; a.A. Canaris, Bankvertragsrecht, RNr. 1794 f.; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 434], Ein Anspruch des Leasingnehmers auf Ersatz des eigenen Schadens ließe sich allenfalls

358

Sechstes Kapitel: Leasing

über das Institut der Drittschadensliquidation

[vgl. dazu

Larenz, Schuldrecht I, a.a.O., § 27 IV, b] konstruieren. Drittschadensliquidation setzt aber eine Schadensverlagerung voraus, d.h. der Schaden, der normalerweise bei dem eigentlich Ersatzberechtigten (d.i. der Leasinggeber) eintreten würde, ist aufgrund besonderer Umstände bei einem Dritten, nämlich dem Leasingnehmer eingetreten. Davon kann hier aber keine Rede sein. Der Schaden des Leasingnehmers ist sein genuin eigener, er hat sich nicht vom Leasinggeber auf ihn verlagert, ist also nicht 'anstatt' beim Leasinggeber bei ihm eingetreten.

d)

Mangelhaftigkeit des Leasingobjektes

aa)

Regelung der Gewährleistung in Leasingverträgen

Nach den allgemeinen mietvertraglichen Regeln der §§ 537 ff. BGB haftet der Vermieter dem Mieter bei Mangelhaftigkeit des Mietobjektes. Da auf den Leasingvertrag in erster Linie Mietrecht anzuwenden ist, würden die Vorschriften der §§ 537 ff. BGB auch dem Leasingnehmer zugute kommen, er könnte bei Mangelhaftigkeit des Leasingobjektes nach § 537 BGB je nach Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit die Leasingraten mindern oder die Zahlung ganz aussetzen. Nach § 538 BGB stünde ihm zusätzlich ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Mangel bereits bei Abschluß des Leasingvertrages vorhanden war oder später infolge Verschuldens des Leasinggebers entsteht. Die Leasinggeber entledigen sich dieses Haftungsrisikos durchgängig dadurch, daß sie sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ihren Gewährleistungspflichten freizeichnen,

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

359

indem sie die §§ 537 ff. BGB ausschließen. Eine ersatzlose Ausschließung der Gewährleistungspflichten wäre jedoch nach § 9 Abs. 2 AGBG unwirksam. Denn der Leasingnehmer wäre hierdurch unangemessen benachteiligt, die Leistungsäquivalenz des Leasingvertrages gravierend gestört, da der Leasingnehmer die Leasingraten in voller Höhe zahlen müßte, ohne eine gebrauchsfähige Gegenleistung bekommen zu haben [vgl. BGH NJW 1982, 105; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S. 481]. Die Leasinggeber wissen selbstverständlich um die Unwirksamkeit

des

ersatzlosen

Gewährleistungsausschlusses.

Sie

wählen deshalb auch hier die Abtretungskonstruktion, d.h. sie schließen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen einerseits die eigene Gewährleistung aus, treten aber dem Leasingnehmer 'dafür' andererseits alle ihnen gegenüber dem Lieferanten zustehenden Gewährleistungsansprüche ab oder ermächtigen den Leasingnehmer, diese Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Es stellt sich nun auch hier die Frage, ob die Abtretungskonstruktion und die hierin implizierte Verweisung des Leasingnehmers in den Fällen der Mangelhaftigkeit des Leasingobjekts an den Lieferanten geeignet ist, der Ausschließung der Eigenhaftung das Manko der unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 9 Abs. 2 AGBG zu nehmen. Die Frage ist mit dem BGH [ständ. Rechtspr. vgl. grdl. BGH NJW 1982, 105; NJW 1984, 2684; NJW 1985, 1547] und der ganz h.M. in der Literatur [vgl. zum Meinungsstand ausf. Martinek, a.a.O., § 7 II; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S. 481 ff.; Ebenroth, JuS 1985, 429; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 414] zu bejahen. Ausschluß der Eigenhaftung und Drittverweisungsklausel sind mit § 9 Abs. 2 AGBG vereinbar. Dem Leasingnehmer ist es durchaus zuzumuten, sich bei Mangelhaf-

360

Sechstes Kapitel:

Leasing

tigkeit des Leasingobjekts statt mit dem Leasinggeber mit dem Lieferanten auseinanderzusetzen; der Leasingnehmer ist durch die Drittverweisung nicht unangemessen benachteiligt. Es wird meist sogar im Interesse des Leasingnehmers liegen, die Auseinandersetzung über die Gewährleistung mit dem Lieferanten und nicht mit dem Leasinggeber zu führen, da der Lieferant regelmäßig größere Sachkunde und bessere Abhilfemöglichkeiten besitzen wird [so auch Martinek, a.a.O., S. 7 II, 2 u. 3]. Den Leasingnehmer verbindet mit dem Lieferanten zwar keine Vertragsbeziehung, er steht diesem faktisch aber genauso nahe wie dem Leasinggeber: Er hat den Lieferanten ausgesucht, mit ihm über ein für seine Bedürfnisse geeignetes Objekt verhandelt und den Kaufvertrag abschlußreif vorbereitet, so daß es durchaus sach- und interessengerecht erscheint, daß aufgrund der Drittverweisung der Lieferant die 'Bezugsperson' des Leasingnehmers bei der Lösung des Mangel-Problems ist. Die durch die Abtretungskonstruktion ausgeschlossene und kompensierte Eigenhaftung des Leasinggebers lebt jedoch dann wieder auf, wenn die Abtretung unvollständig oder unwirksam ist, denn andernfalls wäre der Leasingnehmer rechtlos, das Äquivalenzverhältnis gravierend gestört [sog. subsidiäre Eigenhaftung des Leasinggebers, vgl. BGH NJW 1986, 1744; Martinek, a.a.O., § 7 III, 4], Die Bejahung der Wirsamkeit der Drittverweisungsklauseln im Gewährleistungsbereich führt zu einer Reihe von Folgeproblemen, die nachstehend zu klären sind.

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

bb)

361

Rechtsfolgen der Drittverweisungsklausel in Gewährleistungsfallen

Hat die Leasingsache einen Mangel, d.h. ist sie mit einem Fehler behaftet, der den Wert oder die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert (§ 459 BGB), so kann der Leasingnehmer aus abgetretenem Recht vom Lieferanten Wandelung (Rückgängigmachung) des Kaufvertrages verlangen oder den Kaufpreis mindern (§ 462 BGB). I.d.R. wird er wandeln wollen, da ihm bei eingeschränkter oder aufgehobener Gebrauchstauglichkeit des Leasingobjektes eine Kaufpreisminderung nichts nützt. Das Wandelungsrecht steht dem

Leasingnehmer

jedoch

nur

dann

zu,

wenn

die

Leasingsache von Anfang an mangelhaft war (vgl. § 459 BGB: "..daß sie zur Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, nicht mit Fehlern behaftet ist, ..."). Der Fehler muß also schon bei der Übergabe der Sache an den Leasingnehmer vorhanden gewesen sein. Bei später auftretenden Mängeln kann der Leasingnehmer allenfalls auf etwaige, ihm vom Leasinggeber abgetretene Garantieansprüche gegen den Lieferanten rekurrieren, deren Inhalt i.d.R. ein Nachbesserungsrecht ist. Die Wirkungen der Wandelung (Umwandlung des Kaufvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis) treten jedoch nicht schon mit der Wandelungserklärung durch den Leasingnehmer ein. Nach § 465 BGB ist für den Vollzug der Wandelung erforderlich, daß der Lieferant sich mit ihr einverstanden erklärt. Wie die Wandelung im einzelnen vollzogen wird, ist Gegenstand eines Theorienstreits, auf den hier nicht eingegangen werden kann [vgl. den Überblick über den Meinungsstand etwa bei Medicus, Schuldrecht II, 4. Aufl., München 1990, § 74 III, 3

362

Sechstes Kapitel:

Leasing

und Brox, Besonderes Schuldrecht, 18. Aufl., München 1992, § 5 III 1, RNr. 77], Nach der heute ganz h.M. [vgl. nur B G H Z 29, 148] kann der Käufer (hier der Leasingnehmer) den sich der Zustimmung zur Wandelung verweigernden Verkäufer sofort auf Rückzahlung des Kaufpreises verklagen, muß also nicht erst Klage auf Zustimmung (Abgabe der entspr. Willenserklärung) erheben. Die vollzogene (durch Einverständnis des Lieferanten oder ein dies ersetzendes gerichtliches Urteil) Wandelung macht aus dem Kaufvertrag ein Rückabwicklungsschuldverhältnis (§§ 467, 346 ff. BGB). Der Leasinggeber (er ist ja der Eigentümer) muß dem Lieferanten die Sache rückübereignen; ihm steht dementsprechend

auch

der

Anspruch

auf

Rückzahlung

des

Kaufpreises zu. Die h.M. [vgl. BGH NJW 1977, 848; BGH WM 1984, 1090; Reinicke-Tiedtke,

Kaufrecht, a.a.O., S. 483;

Martinek, a.a.O., § 7 III, 1 c m.w.N.. A.A. Lieb DB 1988, 2495 ff.; Canaris NJW 1982, 306] legt die Drittverweisungsklausel so aus, daß dem Leasingnehmer nur das Recht auf Wandelung, nicht aber das Recht aus der Wandelung abgetreten wird. Dem ist zuzustimmen, denn andernfalls verlöre der Leasinggeber sein Eigentum und wäre hinsichtlich des Kaufpreises auf ungesicherte Ansprüche gegen den Leasingnehmer angewiesen [zutr. Reinicke-Tiedtke, a.a.O.]. Dementsprechend Drittverweisungsklausel

in vielen

Leasingverträgen

formuliert, der Leasinggeber trete seine ansprüche

"mit

Ausnahme

der

ist die dahin

Gewährleistungs-

daraus

entstehenden

Zahlungsansprüche" ab. Der Leasingnehmer kann also vom Lieferanten

nur

Rückzahlung

Leasinggeber verlangen.

des

Kaufpreises

an

den

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

363

Zu klären ist nun die entscheidende Frage, ob und wie sich die Wandelung des Kaufvertrages auf den Leasingvertrag auswirkt. Dabei ist zunächst an die oben (unter c) für das Verhältnis der beiden Verträge zueinander getroffenen Feststellungen anzuknüpfen: Der wirksame (und fortbestehende) Kaufvertrag ist Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages. Wird der Kaufvertrag durch die vollzogene Wandelung des Kaufvertrages in ein Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet, so ist damit die Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages (rückwirkend) weggefallen [ganz h.M., vgl. BGH in ständ. Rechtspr. NJW 1977, 850; NJW 1985, 129; NJW 1990, 315; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S. 483 ff.; Ebenroth JuS 1985, 430; Martinek, a.a.O., § 7 III, 2 b und 1 c m.w.N. FN 73; a.A. Canaris AcP 190 (1990), S. 416 ff.]. Nach der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage [vgl. dazu ausf. Larenz, Schuldrecht I, a.a.O., § 21 II] ist der Leasingvertrag nach § 242 BGB nunmehr den veränderten Umständen anzupassen. Dies bedeutet in erster Linie, daß die Verpflichtung des Leasingnehmers zur Zahlung der Leasingraten entfällt. Denn die Raten sind das Äquivalent für die Überlassung einer mangelfreien Sache zur Nutzung. Scheitert die Gebrauchsüberlassung und Nutzung an der Mangelhaftigkeit der Sache und muß diese infolge der Wandelung des Kaufvertrages an den Lieferanten zurückgegeben werden, dann kann der Leasinggeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch keine Leasingraten beanspruchen. Umstritten ist nun allerdings der Zeitpunkt, zu dem der Leasingnehmer seine Ratenzahlung einstellen darf. Hinsichtlich des Fortfalls der Ratenzahlungspflicht des Leasingnehmers

364

Sechstes Kapitel: Leasing

werden im wesentlichen zwei Alternativen diskutiert: Nach einer kaum noch vertretenen Mindermeinung [vgl. Flume DB 1972, 55, der seine Auffassung mittlerweile stark revidiert hat, vgl. DB 1991, 269; Canaris AcP 190 (1990), 421 ff., 426 f., unentschieden Lieb DB 1988, 24971. Sp.; s.a. OLG Hamburg WM 1985, 586] soll die Ratenzahlungspflicht des Leasingnehmers erst mit Vollzug der Wandelung (im Falle der Verweigerung des Einverständnisses durch den Lieferanten durch gerichtliches Urteil) entfallen. Diese Meinung ist konsequent, wenn man auch die Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages erst zu diesem Zeitpunkt wegfallen läßt [vgl. Canaris, a.a.O.], Es ist jedoch hier dem BGH zu folgen, wonach in den zur Rede stehenden Fällen bei Wandelung des Kaufvertrages dem Leasingvertrag 'von vornherein' (also ex tunc) die Geschäftsgrundlage fehlt [vgl. bereits BGH NJW 1977, 848; NJW 1982, 106]. Die logische Konsequenz dieser Ansicht wäre es, auch die Ratenzahlungspflicht des Leasingnehmers 'von vornherein', d.h. schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrages entfallen zu lassen. Der BGH hat jedoch zunächst [vgl. BGH WM 1985, 228] dem Leasingnehmer ein Zahlungsverweigerungsrecht erst ab Erhebung der Wandelungsklage gegen den Lieferanten konzediert, es jedoch offen gelassen, ob der Leasingnehmer die Ratenzahlung nicht schon mit der Erklärung der Wandelung gegenüber dem Lieferanten und einer entsprechenden Mitteilung an den Leasinggeber verweigern darf. Davon ist aber auszugehen. Denn die Begründung für den Wegfall der Ratenzahlungspflicht des Leasingnehmers kann doch hier letztlich nur die bei Lieferung eines mangelhaften, nicht benutzbaren Leasingobjekts zu konstatierende gravierende Äquivalenzstörung im Leistungsgefüge des Leasingver-

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

365

träges sein. Dann aber kann es für das Leistungsverweigerungsrecht des Leasingnehmers keinen Unterschied machen, ob er die Wandelungsklage bereits erhoben hat oder nicht. Die Fortzahlung der Raten nach der Wandelungserklärung ist dem Leasingnehmer auch unter dem eher praktischen Aspekt unzumutbar, daß er auf die Abwicklung und - oft jahrelange Dauer der wandelungsrechtlichen Auseinandersetzung kaum Einfluß nehmen kann. Andereseits entstehen für den Leasinggeber aus der Einstellung der Ratenzahlung unzumutbare Nachteile nicht: Kommt es zum Vollzug der Wandelung, steht sowieso fest, daß er von Anfang an keine Raten beanspruchen kann. Verliert hingegen der Leasingnehmer den Wandelungsprozess, bleiben Kaufvertrag und Leasingvertrag bestehen und es steht nun fest, daß auf seiten des Leasingnehmers Verzug eingetreten ist mit der Folge, daß dem Leasinggeber neben dem Anspruch auf die Raten Schadensersatzansprüche nach den §§ 286, 326 BGB zustehen. Es ist dem Leasingnehmer deshalb mit der h.M. [vgl. Martinek, a.a.O., § 7 III, 2 d; Ebenroth JuS 1985, 430; Reinicke-Tiedtke, DB 1985, 2087; Sonnenberger NJW 1983, 2220; Graf von Westphalen, a.a.O., RNrn. 469, 486] das Leistungsverweigerungsrecht bereits mit der Erklärung der Wandelung gegenüber dem Lieferanten und entsprechender Mitteilung an den Leasinggeber zuzubilligen. Verklagt der Leasinggeber den Leasingnehmer auf Ratenzahlung, dann ist dieser Prozeß nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung über das Wandelungsbegehren auszusetzen [vgl. BGH NJW 1985, 228], dies allerdings nur dann, wenn der Leasingnehmer spätestens bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Ratenzahlungsprozesses die Wandelungs-

366

Sechstes Kapitel: Leasing

klage erhoben hat; ansonsten ist er nicht schutzwürdig [vgl. Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 487]. Dies ist allerdings dann anders, wenn dem Leasingnehmer eine Klage gegen den Lieferanten nicht zugemutet werden kann, wie etwa dann, wenn die Lieferanten-GmbH liquidiert worden ist und damit gar nicht mehr existiert. Dann ist der Leasingnehmer - unter der Prämisse, daß das Wandelungsbegehren begründet ist - so zu behandeln, als habe ein Vollzug der Wandelung stattgefunden. Bestreitet der Leasinggeber die Mangelhaftigkeit, so ist dies im Ratenzahlungsprozess zu klären [vgl. Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 467 f.]. Der Leasingnehmer wird von seiner Zahlungspflicht auch dann frei, wenn der Leasinggeber den Kaufpreis vom Lieferanten nicht zurückerhält, etwa weil dieser in Konkurs gefallen ist. Das Risiko der Insolvenz des Lieferanten hat der Leasinggeber zu tragen, er hat den - jetzt rückabzuwickelnden - Kaufvertrag mit dem Lieferanten geschlossen [vgl. BGH NJW 1985, 130]. Daß der Leasingnehmer durch die Abtretungskonstruktion im Leasingvertrag das Prozessrisiko übernommen hat, rechtfertigt es nicht, ihm auch das Insolvenzrisiko zu überbürden [vgl. BGH, a.a.O.; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 489; Martinek a.a.O., § 7 III, 2 d]. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Leasinggeber auch das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Leasingnehmers trägt. Es handelt sich hierbei um eine leasingtypische Risikokumulierung, die aus der Tatsache resultiert, daß der Leasinggeber zur Durchführung des Leasinggeschäfts eben zwei Verträge schließen muß. Der Leasinggeber kann das Insolvenzrisiko auch nicht durch eine entsprechende AGBKlausel auf den Leasingnehmer abwälzen. Sie wäre als unan-

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

367

gemessene Benachteiligung des Leasingnehmers nach § 9 Abs. 2 AGBG unwirksam, da sie als Störung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer angesehen werden muß [vgl. BGH WM 1991, 934, 958; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 490; Martinek, a.a.O., § 7 III, 3]. Das Risiko der Insolvenz des Lieferanten verbleibt also beim Leasinggeber [h.M., vgl. BGH, a.a.O.; Reinicke-Tiedtke, a.a.O.; Martinek, a.a.O.; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 586. A.A. Canaris, AcP 190 (1990), 421 ff.; Lieb DB 1988, 2500]. Ist die Wandelung durch Einverständniserklärung des Lieferanten oder diese ersetzendes Urteil vollzogen, so steht spätestens jetzt fest, daß dem Leasingvertrag die Geschäftsgrundlage von Anfang an fehlte. Nach der Lehre vom Wegfall (resp. Fehlen) der Geschäftsgrundlage ist der Leasingvertrag den veränderten Umständen anzupassen, was hier nichts anderes bedeuten kann als die Feststellung, daß er von Anfang an keine Wirkungen entfalten, insbesondere keine Verpflichtungen des Leasingnehmers begründen konnte. Hat der Leasingnehmer bereits Raten gezahlt, so fehlt diesen Leistungen damit der Rechtsgrund, er kann die Raten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB als ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern [h.M., vgl. BGH WM 1990, 25; Martinek, a.a.O., § 7 III, 2d; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 513]. Nach anderer Auffassung [vgl. ReinickeTiedtke, Kaufrecht, S. 485, 486] besteht die Vertragsanpassung darin, dem Leasingnehmer hier ein Rücktrittsrecht zuzubilligen, dessen Ausübung (sie kann bereits in der Verweigerung weiterer Ratenzahlungen gesehen werden) den Leasingvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandeln würde. Auch das läßt sich vertreten.

368

Sechstes Kapitel:

Leasing

Soweit der Leasingnehmer die Sache trotz des Mangels eine Zeit lang nutzen konnte, schuldet er dem Leasinggeber Ersatz des Wertes dieser Nutzung nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs.

2

BGB

(oder

§ 347

BGB

auf

der

Basis

der

'Rücktrittslehre'). Die sich dann gegenüberstehenden Bereicherungsansprüche von Leasingnehmer und Leasinggeber sind nach der sog. Saldotheorie [vgl. dazu etwa Medicus, Schuldrecht II, a.a.O., § 129] gegeneinander zu verrechnen. Fraglich ist, ob der Leasinggeber von den zur Rückzahlung geschuldeten Raten seine Aufwendungen (insbes. die Refinanzierungskosten) absetzen kann, weil er um diese Aufwendungen 'entreichert' ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Dies ist jedoch zu verneinen. Die Aufwendungen des Leasinggebers, die dieser im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Leasingvertrages gemacht hat, wirken sich nicht bereicherungsmindernd aus. Denn die Äquivalenz des Leistungsgefüges im Leasingvertrag wäre gestört, wenn der Leasingnehmer die Aufwendungen des Leasinggebers ersetzen müßte, obwohl er eine mangelfreie Gegenleistung nicht erhalten hat [vgl. h.M. BGH NJW 1990, 315; Martinek, a.a.O., § 7 III, 2 d; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, S. 486]. Die Risikoverteilung kann im Rahmen des Bereicherungsrechts der §§ 812 ff. BGB keine andere sein als hinsichtlich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage [so auch Martinek, a.a.O.], Dem Leasinggeber steht auch kein Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB über die §§ 662 oder 675 BGB zu [so aber Canaris NJW 1982, 306]. Denn der Erwerb des Leasingobjekts erfolgte weder im Rahmen eines Auftragsverhältnisses zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber, noch liegt insofern

VI. Gefahrtragung und Leistlingsstörungen im Leasingvertrag

369

eine Geschäftsbesorgung des Leasinggebers für den Leasingnehmer vor. Der Leasinggeber erwirbt die Sache im eigenen Namen und im eigenen wirtschaftlichen Interesse [vgl. B G H NJW 1982, 107; Ebenroth JuS 1985, 430],

e)

Verspätete Zahlung der Leasingraten

Die Pflicht des Leasingnehmers zur Ratenzahlung wird in Leasingverträgen regelmäßig an feste, nach dem Kalender bestimmte Fälligkeitstermine gebunden, so daß der Leasingnehmer nach § 284 Abs. 2 BGB bereits dann in Verzug gerät, wenn er einen Termin zahlungslos verstreichen läßt, ohne daß es einer Mahnung des Leasinggebers bedürfte. D e m Leasinggeber steht dann nach § 286 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz des Verspätungsschadens zu. Da die Ratenschuld Geldschuld ist, kommt § 288 BGB zur Anwendung, d.h. der Leasinggeber kann nach § 288 Abs. 2 BGB den Schaden ersetzt verlangen, der ihm durch das Ausbleiben der Ratensumme entstanden ist, also etwa die Kosten für einen notwendig werdenden Kredit. In Leasingverträgen wird dieser Schaden vielfach pauschaliert i.S. eines immer zu ersetzenden 'Mindestschadens', wobei die Geltendmachung eines konkreten höheren Schadens vorbehalten bleibt [vgl. hierzu grds. Larenz, Schuldrecht I, § 24 II, c]. Derartige Schadenspauschalierungen sind grundsätzlich zulässig, die entsprechenden Klauseln müssen jedoch § 11 Nr. 5 A G B G [die Vorschrift gilt gemäß den §§ 9, 24 Satz 2 A G B G auch im kaufmännischen Bereich; vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 11 A G B G RNr. 27] standhalten. Danach hat sich die Schadenspauschale in der Höhe an dem in diesen Fällen gewöhnlich eintretenden Verzugsschaden zu orientieren (§ 11 Nr. 5 a

370

Sechstes Kapitel: Leasing

AGBG), d.h. es sind konkret die Sollzinsen für einen Kontokorrentkredit maßgeblich, den der Leasinggeber in Anspruch nehmen kann. Dementsprechend wird man eine Klausel, die den Schaden in Höhe von 3,5% bis 5% p.a. über dem jeweiligen

Diskontsatz

der

Deutschen

Bundesbank

pauschaliert, für zulässig erachten können [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 360]. Zu beachten ist weiter § 11 Nr. 5 b AGBG: Nach dieser Vorschrift darf dem Leasingnehmer im Verzug der Nachweis eines geringeren Schadens ebensowenig abgeschnitten werden wie der Nachweis, daß dem Leasinggeber infolge des Verzugs überhaupt kein Schaden entstanden ist. Eine Klausel, in der die Pauschalierung als immer zu ersetzender Mindestschaden deklariert wird, wäre damit nach § 11 Nr. 5 b AGBG nichtig. Die Leasing-AGB sehen ferner für den Fall des Verzugs des Leasingnehmers regelmäßig ein Recht des Leasinggebers auf fristlose Kündigung des Leasingvertrages vor, wobei an das Kündigungsrecht ein Schadensersatzanspruch des Leasinggebers wegen Nichterfüllung gekoppelt wird. Nicht selten finden sich Klauseln, nach denen der Leasinggeber zur fristlosen Kündigung bereits dann berechtigt sein soll, wenn sich der Leasingnehmer lediglich mit einer Rate im Rückstand befindet. Eine derartige Klausel scheitert an § 9 Abs. 2 AGBG und ist unwirksam, da sie den Leasingnehmer unangemessen benachteiligt [vgl. BGH NJW 1984, 2687; Martinek, a.a.O., § II 1; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 824 f.]. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG liegt eine unangemessene Benachteiligung dann vor, wenn die betreffende Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht vereinbar ist.

VI. Gefahrtragung und Leistungsstörungen im Leasingvertrag

371

Die zur Rede stehende Kündigungsklausel weicht von § 554 BGB ab: Nach dieser Vorschrift steht dem Vermieter im Falle des Zahlungsverzugs des Mieters das Recht zur fristlosen Kündigung erst dann zu, wenn der Mieter mit der Mietzahlung für zwei aufeinanderfolgende Termine in Rückstand ist. Der damit realisierte Mieterschutz ist aber gerade der

'wesentliche

Grundgedanke' des § 554 BGB. Die Unwirksamkeit der Klausel hat zur Folge, daß § 554 BGB gilt (vgl. § 6 Abs. 2 AGBG), der Leasinggeber also erst dann fristlos kündigen kann, wenn der Leasingnehmer mit zwei aufeinanderfolgenden Raten in Verzug ist. 'Leasingtypische' Besonderheiten stehen der Anwendbarkeit von § 554 BGB nicht entgegen. Der in Leasing-AGB an die Kündigung vielfach gekoppelte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung (er ist nicht identisch mit dem oben behandelten Anspruch auf Ersatz des Verspätungsschadens nach den §§ 286, 288 BGB!) ist nicht selten als Verfallklausel ausgestaltet, d.h. es werden für den Fall der fristlosen Kündigung sämtliche noch ausstehenden Raten sofort fällig gestellt. Auch eine solche Verfallklausel scheitert an § 9 Abs. 2 AGBG, da sie den Leasingnehmer unangemessen benachteiligt. Denn die fristlose Kündigung wandelt

den

Leasingvertrag in ein Abwicklungsverhältnis, so daß dem Leasinggeber keinerlei Erfüllungsansprüche mehr zustehen. Die Verfallklausel stellt sich aber - genau besehen - gerade als Erfüllungsanspruch dar. Verfallklauseln sind somit nach § 9 Abs. 2 AGBG unwirksam [ganz h.M., vgl. BGH NJW 1982, 871 und 1747; Martinek, a.a.O., § 8 II, 2 m.w.N.; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 827; Ebenroth, JuS 1985, 431 f.].

372

Sechstes Kapitel: Leasing

Hinsichtlich des Inhaltes und Umfangs des Anspruches des Leasinggebers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ist mit der Rechtsprechung des BGH [vgl. BGH NJW 1985, 2253; NJW 1991, 221] davon auszugehen, daß der Leasingnehmer dem Leasinggeber auch in Fällen der fristlosen Kündigung volle Amortisation der Anschaffungskosten des Leasingobjekts einschließlich der Finanzierungskosten und des Gewinnes schuldet. Schadensersatz wegen Nichterfüllung bedeutet eben, daß der Geschädigte (der Leasinggeber) so zu stellen ist, als sei der Vertrag vom Leasingnehmer voll erfüllt worden. Es hätte deshalb der Begründung seiner Ansicht durch den BGH, daß der Leasingnehmer hier volle Amortisation schuldet, mit der besonderen "leasingtypischen Konstellation" dieses Anspruches [vgl. BGH NJW 1990, 2378] nicht bedurft. Es ist damit bei der Schadensbewertung für das Vollamortisationsmodell von den vom Leasingnehmer während der Grundmietzeit zu zahlenden Raten auszugehen, die jedoch wegen des mit der Schadensersatzleistung eintretenden vorzeitigen Kapitalrückflusses an den Leasinggeber abzuzinsen sind. Ferner ist der vom Leasinggeber bei der Verwertung des Leasingobjektes erzielte Erlös schadensmindernd zu berücksichtigen. (Zu Einzelheiten dieser allgemeinen - da in allen Fällen vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrages auftretenden - Berechnungsproblematik unten unter VII, 2).

VII. Beendigung und Abrechnung des Leasingvertrages

373

VII. Beendigung und Abrechnung des Leasingvertrages 1.

Beendigung des Leasingvertrages

a)

Ordentliche Vertragsbeendigung

Der Leasingvertrag ist beendet, wenn die vereinbarte Grundmietzeit (bei erlaßkonformer Gestaltung des Vertrages zwischen 40% und 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer) abgelaufen ist oder wenn ein vereinbartes Kündigungsrecht (wie beim Teilamortisationsmodel] mit Kündigungsrecht) ausgeübt wird. Umstritten ist die Frage der Vertragsbeendigung bei den - häufig vorkommenden - auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen (Voll- und Teilamortisations-) Verträgen. Endet der Vertrag automatisch mit Eintritt der Vollamortisation, wenn also der Leasingnehmer mit den gezahlten Raten sämtliche Kosten und den Gewinn des Leasinggebers aufgebracht hat? Auf das Problem wurde bereist oben im Rahmen der Behandlung des kündbaren Teilamortisationsmodells eingegangen (vgl. oben III 2 c). Die Rechtsprechung [vgl. BGH NJW 1990, 248; OLG Köln JZ 1993, 740] verneint die Frage unter Heranziehung von § 564 BGB und läßt entspr. § 564 Abs. 2 BGB den Vertrag erst durch Kündigung enden. Vertragsklauseln, wonach das Leasingobjekt "auf unbestimmte Zeit mit Kündigungsmöglichkeit" verleast wird, sind nach Auffassung des BGH mit § 9 Abs. 2 AGBG vereinbar [vgl. BGH WM 1989, 1616]. Auf die hieran in der Literatur geübte (berechtigte) Kritik [vgl. Tiedtke, J Z 1993, 742 ff.; ders. WM 1990, 339; Canaris AcP 190 (1990), 445 f.] wurde bereits oben (unter III, 2) eingegangen. Das Problem ist unter Einbeziehung der damit eng zusammenhängenden Folge-

374

Sechstes Kapitel: Leasing

frage zu sehen, ob der Leasingnehmer dann auch - trotz Eintritt der Vollamortisation - Weiterzahlung der Leasingraten schuldet, wenn er den Vertrag nicht kündigt. Der BGH [vgl. a.a.O.] hat auch dies bejaht und zur Begründung ausgeführt: Der Leasingnehmer könnte aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus

daran

interessiert

sein,

die

Gebrauchsdauer

des

Leasinggutes über den Zeitpunkt der Vollamortisation hinaus auszudehnen. Der Leasinggeber erbringe dann im Vergleich zur ursprünglichen Kalkulation eine zusätzliche Leistung, "für die nach den Regeln des Wirtschaftslebens eine Vergütung geschuldet wird". Das vermag wenig zu überzeugen, denn es bleibt letztlich unbegründet, weshalb diese Vergütung in Höhe der Leasingraten erfolgen soll. Das Ergebnis des BGH ist unbillig und verletzt das Äquivalenzgefüge des Vertrages, denn mit der Weiterzahlung der Leasingraten nach Eintritt der Amortisation erstattet der Leasingnehmer dem Leasinggeber dessen Kosten und Gewinn, die er mit den bis zum Eintritt der Amortisation gezahlten Raten bereits voll aufgebracht hat, erneut [vgl. Tiedtke, J Z 1993, 743 f.]. Es ist keine Begründung dafür ersichtlich, daß der Leasingnehmer an den Leasinggeber doppelt zahlen muß. Eine ganz ähnlich gelagerte Problematik ergibt sich in den Fällen, in denen der Leasingnehmer die Leasingsache nach Vertragsbeendigung Kündigung) weiter Sachverhalt

§ 557

(etwa

infolge

Zeitablaufs

nutzt. Der BGH BGB

an

mit

wendet

der

Folge,

auf

oder diesen

daß

der

Leasingnehmer auch hier für die Dauer der Weiternutzung die Leasingraten entrichten muß [vgl. BGH NJW 1990, 247], Die Anwendbarkeit des § 557 BGB auf den Leasingvertrag ist

VII. Beendigung und Abrechnung des Leasingvertrages

jedoch

höchst

problematisch.

Der

BGH

selbst

375

hat

das

Mietrecht des BGB auf den Leasingvertrag nur dann für anwendbar erklärt, "soweit leasingspezifische Besonderheiten dem nicht entgegenstehen" [vgl. BGH NJW 1986, 1335]. Das aber ist bei § 557 BGB gerade der Fall. Daß der die Sache nach Beendigung des Mietvertrages weiter nutzende Mieter nach § 557 BGB die Miete weiter zahlen muß, die er bei Fortbestehen des

Vertrages

weiter

zahlen

müßte,

leuchtet

ein.

Der

entscheidende - leasingtypische!- Unterschied zwischen Miete und Leasing besteht darin, daß der Mietzins schlichtes Entgelt für die Gebrauchsüberlassung der Mietsache darstellt, während die Leasingraten beim Vollamortisationsvertrag die Kosten und den Gewinn des Leasinggebers voll aufbringen. Die Anwendung des § 557 BGB würde damit auch hier auf eine Doppel-Verpflichtung des Leasingnehmers hinauslaufen. § 557 BGB

ist

deshalb

nach

zutreffender

Ansicht

auf

den

Leasingvertrag nicht anwendbar [vgl. Tiedtke, J Z 1993, 743 f.; Canaris AcP 190 (1990), 441 f.; Martinek, a.a.O., § 8 I, 1. Differenzierend

danach,

ob

in

der

Weiternutzung

ein

'Vorenthalten' der Leasingsache durch den Leasingnehmer gesehen werden kann - dies soll nicht der Fall sein, wenn der Leasinggeber mit der Weiternutzung einverstanden ist -: Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 729 ff.]. Dies bedeutet indessen nicht, daß der Leasinggeber in den zur Rede stehenden Fällen leer ausgeht: Ihm steht nach den §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Ersatz des objektiven Wertes der Gebrauchsvorteile, die die Weiternutzung der Sache dem Leasingnehmer gebracht haben, zu, was praktisch auf einen Anspruch auf einen verkehrsüblichen Mietzins hinaus-

376

Sechstes Kapitel: Leasing

läuft [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 732]. Darüberhinaus kann er auch einen ihm möglicherweise entstandenen Vorenthaltungsschaden über die §§ 812 Abs. 1, 819 Abs. 1, 292, 988 ff. B G B beim Leasingnehmer liquidieren [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O.; Martinek, a.a.O.]. Mit der Vertragsbeendigung entsteht für den Leasingnehmer die Verpflichtung zur Rückgabe der Leasingsache an den Leasingnehmer oder einen von diesem bestimmten Dritten. Diese Verpflichtung des Leasingnehmers ist eine Bringschuld, d.h. er hat die Sache auf eigene Kosten und Gefahr zum Geschäftssitz des Leasinggebers (oder des Dritten) zu transportieren. Das bedeutet insbesondere, daß er für eine während des Transportes eintretende Zerstörung oder Beschädigung der Sache - auch wenn von ihm nicht verschuldet - einzustehen hat.

b)

Außerordentliche Vertragsbeendigung

Aus der Rechtsprechung des BGH, wonach auf Leasingverträge "in erster Linie" Mietrecht anzuwenden ist, ergibt sich in Konsequenz u.a. die Anwendbarkeit der §§ 553, 554 BGB [vgl. i.d.S. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 821], Leasingtypische Besonderheiten stehen der Anwendbarkeit dieser Vorschriften nicht entgegen. Danach kann der Leasinggeber den Leasingvertrag fristlos kündigen, wenn der Leasingnehmer ungeachtet einer Abmahnung des Leasinggebers einen vertragswidrigen Gebrauch des Leasinggutes fortsetzt (§ 553 BGB), oder wenn der Leasingnehmer mit zwei aufeinanderfolgenden Leasingraten in Verzug gerät (§ 554 BGB). D a der Leasingvertrag ein Dauerschuldver-

VII. Beendigung und Abrechnung des Leasingvertrages

377

hältnis darstellt, wird man dem Leasinggeber darüberhinaus das allen Dauerschuldverhältnissen

immanente

Recht

zur

fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund zugestehen müssen. Dieses Kündigungsrecht hat andererseits auch der Leasingnehmer. Modellhaft ist das Recht zur fristlosen Kündigung in § 626 B G B für den Dienst- resp. Arbeitsvertrag statuiert: Danach kann ein Dauerschuldverhältnis von jedem Vertragteil fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der (ordentlichen) Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Vertrages (bezogen auf den Leasingvertrag: bis zum Ablauf der vereinbarten Grundmietzeit, soweit nicht - wie beim kündbaren Teilamortisationsmodell - eine ordentliche Kündigung möglich ist) nicht zugemutet werden kann. Die Leasing-AGB enthalten durchgängig vertragliche Regelungen des Rechts (regelmäßig des Leasinggebers, selten des Leasingnehmers) zur fristlosen Kündigung, wobei in diesen Kündigungsklauseln regelmäßig die die fristlose Kündigung rechtfertigenden Gründe im einzelnen aufgeführt werden. Neben den Fällen des Zahlungsverzugs und des vertragswidrigen Gebrauchs spielen auch die Fälle des Vermögensverfalls (§ 321 BGB)

des

Leasingnehmers

oder

eine

diesem

drohende

Zwangsvollstreckung in den Leasing-AGB eine Rolle als Kündigungsgründe. Entsprechend dem in den §§ 553 und 326 Abs. 1 B G B zum Ausdruck gelangten Rechtsgedanken wird man in den Fällen,

378

Sechstes Kapitel:

Leasing

in denen der Kündigungsgrund in einer Vertragsverletzung des Leasingnehmers

besteht

(Zahlungsverzug,

vertragswidriger

Gebrauch, wozu etwa auch der Nicht-Abschluß einer vertraglich übernommenen Versicherung des Leasinggutes gehört), das Kündigungsrecht des Leasinggebers jedoch von einer vorgängigen - fruchtlos verlaufenen - Abmahnung des Leasingnehmers abhängig machen müssen: Der Leasingnehmer muß vor dem Eintritt einer so schwerwiegenden Rechtsfolge wie der fristlosen Kündigung gewarnt werden und so die Möglichkeit erhalten, sich vertragsgemäß verhalten zu können. Kündigungsklauseln, die eine solche Abmahnungspflicht des Leasinggebers nicht enthalten, verstoßen damit gegen § 9 Abs. 2 AGBG und sind unwirksam [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 822 f.; Martinek, a.a.O., § 8 II, 1 a.E.]. Infolge der fristlosen Kündigung entsteht dem Leasinggeber regelmäßig - insbesondere nach erst kurzer Vertragslaufzeit ein Schaden. Die ihm insoweit bereits entstandenen Schadensersatzansprüche bleiben ihm auch nach der Kündigung erhalten. Denn die Kündigung wirkt nur in die Zukunft, für die Vergangenheit bleiben der Vertrag und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche bestehen. Dies betrifft für den Fall des Zahlungsverzuges den Anspruch aus § 326 Abs. 1 BGB, für die anderen Fälle, wie etwa den vertragswidrigen Gebrauch des Leasinggutes, Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung [vgl. zu dieser Form der Leistungstörung Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl., München 1987, § 24 I], Diese Schadensersatzansprüche sind inhaltlich auf das Erfüllungsinteresse gerichtet, d.h. der Leasinggeber ist so zu stellen,

VII. Beendigung und Abrechnung des Leasingvertrages

379

wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages durch den Leasingnehmer stehen würde. Die Leasinggeber regeln den ihnen im Falle der fristlosen Kündigung

zustehenden

Schadensersatzanspruch

wegen

Nichterfüllung vielfach in ihren AGB im Zusammenhang mit der Statuierung des Kündigungsrechts (vgl. bereits oben zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzug unter VI, 3 e). Soweit sie dabei ihrem Ersatzanspruch die Gestalt einer Verfallklausel geben (sofortige Fälligkeit aller noch ausstehenden Raten) ist diese als unangemessene Leasingnehmers

Benachteiligung

des

nach § 9 Abs. 2 AGBG nichtig [h.M., vgl.

BGH NJW 1982, 871 u. 1747, Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 827; Martinek, a.a.O., § 8 II, 2]. Das gilt auch dann, wenn die Klausel eine Abzinsung vorsieht. Denn die Kündigung verwandelt den Leasingvertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis, so daß dem Leasinggeber keinerlei, wie auch immer geartete, Erfüllungsansprüche mehr zustehen (vgl. bereits oben VI 3 e für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs). Gelegentlich (heute seltener) finden sich in Leasing-AGB Klauseln, die den zu ersetzenden Nichterfüllungsschaden pauschalieren. Generell sind Schadenspauschalierungen dann mit dem AGBG vereinbar, wenn sie sich am typischen Durchschnittsschaden orientieren, wie er nach Einschätzung eines redlichen Beobachters bei der jeweiligen Vertragsverletzung normalerweise eintritt [vgl. BGH NJW 1984, 2094], Beim Leasing ergibt sich jedoch die Besonderheit, daß der Leasinggeber verpflichtet ist, bei der Berechnung seines Nichterfüllungsschadens (d.i. der Vollamortisationsanspruch) den Verwertungserlös des Leasinggutes anspruchsmindernd zu berück-

380

Sechstes Kapitel: Leasing

sichtigen [vgl. BGH NJW 1985, 2253; NJW 1991, 221], Der jedoch hängt ab von den Marktdaten, die zum Zeitpunkt der Kündigung gegeben sind, und die sind bei Vertragsschluß nicht vorhersehbar.

Schadenspauschalierungen

in

Leasing-AGB

scheitern deshalb an § 9 Abs. 2 AGBG [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 835; Martinek, a.a.O., § 8 11,2]. Der Nichterfüllungsschaden des Leasinggebers ist daher immer konkret zu berechnen. Auszugehen ist bei der konkreten Schadensberechnung für den Vollamortisationsvertrag von den noch ausstehenden Leasingraten der Grundmietzeit. Diese sind jedoch abzuzinsen: Der in den einzelnen Raten enthaltene Zins

für

den

Einsatz

von

Refinanzierungsmitteln

und

Eigenkapital, aber auch der in den einzelnen Raten enthaltene Gewinnanteil sind abzusetzen [vgl. BGH NJW 1991, 221; NJW 1986, 1746]. Der Gewinnanteil ist deshalb abzusetzen, weil nur so der sich für den Leasinggeber aus der Vorfälligkeit seines Anspruches ergebende Vorteil kompensiert werden

kann.

Abzuziehen sind ferner alle diejenigen (laufzeitabhängigen) Aufwendungen des Leasinggebers, die wegen der vorfristigen Beendigung

des

Vertrages

nicht

mehr

anfallen,

wie

Versicherungskosten, Verwaltungskosten und Objektsteuern. Selbstverständlich

ist

dann

in

Abzug

zu

bringen

der

Verwertungserlös des Leasinggutes, wobei zu beachten ist, daß der Leasinggeber in Erfüllung seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu einer optimalen Verwertung des Leasinggutes verpflichtet ist [vgl. BGH NJW 1991, 221 ff.]. Das OLG Stuttgart [vgl. NJW RR 1988, 501] hat hier eine Berechnungsformel entwickelt, die die höchst komplizierte Abrechnung des Nichterfüllungsanspruches des Leasinggebers

VII. Beendigung und Abrechnung des Leasingvertrages

381

im zur Rede stehenden Fall für die Praxis erheblich vereinfacht [die Formel ist abgedruckt bei Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 847. Zur

Berechnung

vgl. ferner

ausf. Graf

von

Westphalen, a.a.O., RNrn. 837 ff.; Martinek, a.a.O., § 8 II, 2], Die vorstehenden Ausführungen zur Schadensberechnung gelten grundsätzlich auch für die Teilamortisationsmodelle, denn auch hier schuldet der Leasingnehmer volle Amortisation, die letztlich durch die apriorisch

kalkulierte

Abschlußzahlung

(Restwert) realisiert wird. Der Restwert ist damit selbständiger Schadensposten, der allerdings ebenfalls abzuzinsen ist, da er den durch die Leasingraten nicht amortisierten Teil der Anschaffungs- und Finanzierungskosten des Leasinggebers darstellt [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 848. Zur Frage, ob und inwieweit dem Leasinggeber beim Teilamortisationsmodell mit Abschlußzahlung bei fristloser Kündigung ein Gewinnanspruch zusteht, siehe Martinek, a.a.O., § 8 II, 2].

2.

Abrechnung des Leasingvertrages

a)

Vollamortisationsvertrag

Ist die Grundmietzeit abgelaufen, so hat der Leasingnehmer beim Vollamortisationsmodell mit den gezahlten Raten die Anschaffungs- und Refinanzierungskosten sowie den Gewinn dem Leasinggeber voll aufgebracht. Einer weiteren Abrechnung bedarf es nicht. Übt der Leasingnehmer eine ihm eingeräumte Kauf- oder Mietverlängerungsoption aus, so kommt es zum Abschluß eines selbständigen Kauf- oder Mietvertrages, wobei - soll das Gut dem Leasinggeber zugerechnet bleiben der Kaufpreis nicht niedriger als der Buchwert des Gutes bei

382

Sechstes Kapitel:

Leasing

linearer A f A nach amtlicher AfA-Tabelle (resp. nicht niedriger als der niedrigere Verkehrswert im Zeitpunkt der Veräußerung) sein darf; die Summe der Anschlußmieten hat sich an denselben Werten zu orientieren.

b)

Kündbarer Teilamortisationsvertrag mit Abschlußzahlung des Leasingnehmers

Bei den Teilamortisationsmodellen erfolgt die Vollamortisation durch eine von vornherein kalkulierte und im Vertrag festgelegte Abschlußzahlung des Leasingnehmers. Abrechnungsprobleme entstehen dann auch hier nicht. Anders ist dies bei den kündbaren Teilamortisationsverträgen mit Abschlußzahlung des Leasingnehmers. Denn eine vorherige Kalkulation der vom Leasingnehmer bei vorzeitiger Kündigung geschuldeten Abschlußzahlung ist hier nicht möglich. Die Leasing-AGB enthalten für diesen Fall Abrechnungsklauseln, in denen die Berechnungsmodalitäten für die Abschlußzahlung konkretisiert werden. Soweit derartige Klauseln die Abschlußzahlung des Leasingnehmers in nach der Länge der bis zur Kündigung verstrichenen Vertragszeit gestaffelten Prozentzahlen des Anschaffungspreises festlegen, verstoßen sie gegen § 9 Abs. 2 A G B G und sind unwirksam. Denn der Leasingnehmer wird schon durch die Undurchschaubarkeit der Klausel unangemessen benachteiligt [vgl. B G H NJW 1982, 872 u. 1748], ferner dadurch, daß damit festgelegte Abschlußzahlungen regelmäßig überhöht sein dürften, da sie vom Leasinggeber ersparte Refinanzierungskosten und Aufwendungen sowie den Veräußerungserlös

VII. Beendigung und Abrechnung

des Leasingi'ertrages

383

des Leasinggutes nicht berücksichtigen [vgl. BGH, a.a.O.; Martinek, a.a.O., § 8 I, 3 a]. Nach der Rechtsprechung des B G H [vgl. BGH NJW 1985, 2253] sind Abrechnungsklauseln nur dann mit dem AGBG vereinbar, wenn sie die Gesamtkosten und den erwarteten Gewinn des Leasinggebers und die bei Zahlung der vereinbarten Leasingraten eingetretene Amortisation ausweisen sowie die Abzinsungsmodalitäten und die Anrechenbarkeit des Verwertungserlöses des Leasinggutes auf die Abschlußzahlung (nach dem Teilamortisationserlaß vom 22.12.1975 zu 90%) enthalten. Die Statuierung dieser Anforderung spiegelt die Grundvorstellung des BGH wider, wonach der Leasingnehmer auch beim Teilamortisationsmodell volle Amortisation schuldet, der Leasinggeber aber nicht besser stehen darf, als er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des nicht gekündigten Vertrages stehen würde [vgl. BGH NJW 1985, 2253], Die Abschlußzahlung beim gekündigten Teilamortisationsvertrag ist damit dem Wesen nach ein Rest-Erfüllungsanspruch [vgl. Martinek, a.a.O., § 8 I, 3 b] und damit inhaltlich weitgehend identisch mit dem oben dargestellten Schadensersatzanspruch des Leasinggebers wegen Nichterfüllung bei fristloser Kündigung des Leasingvertrages. Das bedeutet, daß bei der konkreten Berechnung der Abschlußzahlung Ausgangspunkt und zu berücksichtigende Faktoren und Größen die nämlichen sind wie dort. Es kann deshalb auf die Ausführungen oben (unter 1 b) Bezug genommen werden [vgl. zur Berechnung der Abschlußzahlung beim kündba-

384

Sechstes Kapitel:

Leasing

ren Teilamortisationsmodell ausf. Graf von Westphalen, a.a.O., RNrn. 758-820; s.a. Martinek, a.a.O.],

c)

Sonderproblem: Rechtslage bei (verschuldeter) Zerstörung des Leasinggutes durch einen Vierten

Ist das Leasinggut lediglich beschädigt, d.h. der Schaden reparierbar, so berührt dies den Bestand des Leasingvertrages regelmäßig nicht: Der Leasingnehmer verlangt aus eigenem oder vom Leasinggeber abgetretenen Recht vom Schädiger resp. dessen Versicherer Schadensersatz und bezahlt mit dem erhaltenen Betrag in Realisierung seiner Instandsetzungspflicht die Reparatur der Sache. Anders ist die Situation bei einer irreparablen Zerstörung der Leasingsache (Hauptfall in der Praxis: Der fremdverschuldete Totalschaden

am geleasten

Kraftfahrzeug). Hier

werden

Leasinggeber oder Leasingnehmer von dem ihnen in diesem Fall zustehenden Recht auf außerordentliche Kündigung des Vertrages (vgl. dazu oben VI, 2 und BGH NJW 1987, 379] Gebrauch machen mit der Folge, daß sich der Leasingvertrag in ein Abwicklungsschuldverhältnis wandelt, aufgrund dessen der Leasingnehmer volle Amortisation schuldet, denn er trägt die Sach- und Preisgefahr (vgl. oben VI, 1). Dem Leasinggeber steht neben diesem Amortisationsanspruch jedoch aufgrund der schuldhaften Zerstörung der Sache unter dem Aspekt der Eigentumsverletzung (er ist rechtlicher Eigentümer des Leasinggutes) auch ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB gegen den schädigenden Vierten zu.

VII. Beendigung und Abrechnung des Leasingvertrages

385

Andererseits kann auch der Leasingnehmer nach § 823 Abs. 1 BGB vom Schädiger Ersatz beanspruchen. Er ist zwar nicht Eigentümer der geschädigten Sache, sondern (lediglich) Besitzer. Aber auch der Besitz ist als "sonstiges Recht" i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB deliktsrechtlich geschützt [völlig unstreitig, vgl. nur Palandt-Thomas, a.a.O., § 823 RNr. 13]. Im Kfz-Bereich kann der Leasingnehmer seinen Schadensersatzanspruch zusätzlich auch auf § 7 StVG stützen. Nicht unumstritten ist indes die Frage, worin der Schaden von Leasinggeber und Leasingnehmer jeweils besteht. Bei Berechnung des Schadens des Leasinggebers ist festzustellen, daß er zwar einerseits durch den Substanzverlust seines Leasinggutes einen Wertverlust erlitten hat, daß dieser aber andererseits durch den infolge der Überwälzung der Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer fortbestehenden Anspruch auf Vollamortisation kompensiert wird. Als ersatzfähiger Schaden verbleibt dann lediglich der für die Zeit nach der Kündigung aus den ausstehenden Leasingraten (der Restamortisation) herauszurechnende Gewinnanteil sowie ein eventueller Restwertanteil beim Teilamortisationsmodell mit Aufteilung des Restwertes resp. Veräußerungserlöses [vgl. so auch Martinek, a.a.O., § 8 III, 2], Der Schaden des Leasingnehmers besteht nicht in der Verpflichtung zur Abschlußzahlung/Restamortisation (bei Kündigung) resp. zur Weiterzahlung der Raten (bei ausbleibender Kündigung). Denn diese Verpflichtung folgt unmittelbar aus der im Leasingvertrag statuierten Überwälzung der Sach- und

386

Sechstes Kapitel: Leasing

Preisgefahr und ist nicht etwa kausale Folge der Schädigungshandlung. Unter Anwendung der für die Schadensfeststellung primär anzustellenden Differenzhypothese (Vergleich der Vermögenslage des Geschädigten jetzt, d.h. nach Eintritt des schädigenden Ereignisses, mit der Vermögenslage, wie sie ohne das schädigende Ereignis jetzt - hypothetisch - sein würde) ergibt sich, daß der Schaden des Leasingnehmers in der nun nicht mehr gegebenen Nutzungsmöglichkeit des Leasinggutes besteht. Der Leasingnehmer hat dementsprechend einen Anspruch auf Ersatz des Wertes dieser Nutzungsmöglichkeit gegen den Schädiger. Da der Geschädigte nach § 249 Satz 1 BGB so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde (Grundsatz der Naturalrestitution), läuft dies letztlich darauf hinaus, daß der Leasingnehmer vom Schädiger die Kosten ersetzt verlangen kann, die ihm durch den Abschluß eines neuen - zeitlich begrenzt auf die Restlaufzeit des alten - Leasingvertrages entstehen. Der BGH [vgl. BGH BB 1990, 2442] hat den Nutzungswert allerdings begrenzt auf den Geldbetrag, der den "Erwerb eines Leasinggutes von gleichem Zeitwert ermöglicht." Dies ist indes problematisch. Denn vielfach wird die Beschaffung einer gleichwertigen Sache mit gleichem Zeitwert (also eine 'gleich alte') gar nicht möglich sein. Man wird dem Leasingnehmer deshalb einen Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Leasingvertrages über eine möglichst gleichwertige Sache, und wenn der Markt nichts entsprechendes hergibt, auch eine neue Sache, zubilligen müssen [so wohl auch Martinek, a.a.O., § 8 III, 2; Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1804].

Vili. Leasing in Zwangsvollstreckung und Konkurs

387

VIII. Leasing in Zwangsvollstreckung und Konkurs 1.

Zwangsvollstreckung

a)

Durch Gläubiger des Leasingnehmers

Vollstreckt ein Gläubiger in das Vermögen des Leasingnehmers und läßt das Leasinggut pfänden, so ist diese Pfändung zunächst wirksam, obwohl der Leasingnehmer nicht Eigentümer der Sache ist; denn nach § 808 Abs. 1 Z P O hat der pfändende Gerichtsvollzieher nicht die Eigentumsverhältnisse zu prüfen, sondern lediglich, ob sich die zu pfändende Sache im Gewahrsam (Besitz) des Vollstreckungsschuldners befindet. Es wirkt sich jedoch auch hier der allgemeine vollstreckungsrechtliche Grundsatz aus, daß dem Schuldner nicht gehörende Sachen nicht einer gegen ihn gerichteten Vollstreckung unterliegen. Der Leasinggeber kann deshalb gegen die - formell wirksame - Pfändung seiner Sache mit der Drittwiderspruchsklage des § 771 Z P O vorgehen und die Vollstreckungsmaßnahme vom Gericht für unzulässig erklären und aufheben lassen; sein Eigentum am Leasinggut ist ein "die Veräußerung hinderndes Recht" i.S.v. § 771 ZPO. Die Drittwiderspruchsklage ist jedoch dann nicht mehr möglich, wenn die Vollstreckungsmaßnahme vollständig durchgeführt, d.h. der Verwertungserlös für die Sache an den Gläubiger abgeführt worden ist. Dann steht dem Leasinggeber lediglich ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§812 Abs. 1 Satz 1 BGB, Eingriffskondiktion), auf Herausgabe des Erlöses gegen den Gläubiger zu. [Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in das Nutzungsrecht des Leasingnehmers am Leasinggut vollstreckt werden kann, vgl. ausf. Graf von Westphalen, a.a.O., RNrn. 878 ff.].

388

b)

Sechstes Kapitel:

Leasing

Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Leasinggebers

Eine Vollstreckung durch Gläubiger des Leasinggebers in das Leasinggut setzt nach § 809 ZPO voraus, daß der Leasingnehmer ein "zur Herausgabe bereiter Dritter" ist, also zur Herausgabe des Leasinggutes bereit ist. Das wird er regelmäßig nicht sein, so daß es zu einer Pfändung gar nicht erst kommt. Das Leasinggut ist also während der Grundmietzeit

'pfändungssicher',

gegen

den

Willen

des

Leasingnehmers ist eine Vollstreckung in die Sache durch Gläubiger des Leasinggebers nicht möglich. Die Gläubiger des Leasinggebers können allerdings den Anspruch des Leasinggebers auf Zahlung der Leasingraten gemäß §§ 829, 835 ZPO pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Auch diese Vollstreckungsmaßnahme wird jedoch in der Praxis meist ins Leere gehen, da die Leasinggeber diese Forderung

meist

refinanzierenden

im Bank

Rahmen zur

ihrer

Sicherheit

Refinanzierung abgetreten

der

haben

werden.

2.

Konkurs

a)

Konkurs des Leasingnehmers

Fällt der Leasingnehmer in Konkurs, so stellt sich zunächst die Frage, wie sich die Konkurseröffnung auf den Leasingvertrag auswirkt. Die ganz h.M. [vgl. BGH NJW 1978, 1383; Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 924; Seifert in: Hagenmüller-Eck-

Vili. Leasing in Zwangsvollstreckung und Konkurs

389

stein, a.a.O., S. 69; Martinek, a.a.O., § 8 IV, 2 m.w.N.] wendet hier § 19 KO an. Nach dieser Vorschrift können Miet- und Pachtverträge im Falle des Mieter- bzw. Pächterkonkurses sowohl vom Konkursverwalter des Mieters als auch vom Vermieter gekündigt werden. Die (wenigstens analoge) Anwendbarkeit des § 19 KO auch auf Leasingverträge läßt sich zunächst schon damit begründen, daß der Leasingvertrag auch in anderen Aspekten nach Mietrecht behandelt wird. Entscheidend ist aber die Argumentation aus der ratio der Vorschrift: § 19 KO will es im Interesse aller Konkursgläubiger vermeiden, daß die Konkursmasse durch Fortbestehen eines Dauerschuldverhältnisses belastet wird, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten oder sie angemessen nutzen zu können [so BGH NJW 1978, 1384]. Dieser Zweck des § 19 KO rechtfertigt es, die Vorschrift über den Wortlaut hinaus auch auf andere Dauerschuldverhältnisse wie den Leasingvertrag anzuwenden. Nicht anwendbar ist indessen § 17 KO, der dem Konkursverwalter des Leasingnehmers das Wahlrecht zwischen Vertragserfüllung und Erfüllungsverweigerung geben würde, denn § 19 KO ist gegenüber § 17 KO als Spezialvorschrift anzusehen. Vielfach findet sich jedoch in den Leasing-AGB bereits eine Klausel, derzufolge der Leasinggeber zur fristlosen Kündigung berechtigt sein soll, wenn der Leasingnehmer in Konkurs gerät. Eine solche Klausel ist im Hinblick auf den Regelungsgehalt des § 19 KO nicht zu beanstanden. Kündigt der Konkursverwalter des Leasingnehmers den Vertrag, so steht dem Leasinggeber nach § 19 Satz 3 KO (oder aufgrund einer entsprechenden AGB-Klausel) ein Schadens-

390

Sechstes Kapitel:

Leasing

ersatzanspruch wegen Nichterfüllung zu, der genauso zu berechnen ist wie in den anderen Fällen (vgl. hierzu oben unter VII), der also auf Restamortisation hinausläuft. Dieser Anspruch wird dem Leasinggeber jedoch praktisch wenig nützen, da er eine 'normale', d.h. nicht bevorrechtigte Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO darstellt, also lediglich mit der Konkursquote bedient wird [vgl. Graf von Westphalen, a.a.O., RNr. 929 m.w.N.]. Solange eine Vertragskündigung noch nicht erfolgt ist, sind die Leasingraten weiter zu entrichten. Sie stellen Masseschulden i.S.v. § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO dar. Masseschulden sind nach § 57 KO aus der Konkursmasse "vorweg zu berichtigen". Massegläubiger sind nicht Konkursgläubiger, da ihre Forderungen erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens entstehen; Masseforderungen unterliegen daher auch nicht der Gefahr der Quotierung. Leasinggeber haben deshalb insofern recht gute Befriedigungschancen, zumal sie, wenn die Masse zur Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht, nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO vor den anderen Massegläubigern befriedigt werden. Als

rechtlichem

(und

wirtschaftlichem)

Eigentümer

des

Leasinggutes steht dem Leasinggeber diesbezüglich das Aussonderungsrecht des § 43 KO zu. Er ist - anders als der Sicherungseigentümer (vgl. dazu oben Kap. 5, III, 9) - auch im Innenverhältnis zum Leasingnehmer voller Eigentümer, hat also nicht nur die Stellung eines Pfandgläubigers inne, die ihm nur ein Absonderungsrecht gewähren würde. Der Leasinggeber kann das Leasinggut allerdings erst nach Kündigung des Leasingvertrages aus der Konkursmasse aussondern, da erst

Vili. Leasing in Zwangsvollstreckung und Konkurs

391

dann das Besitzrecht des Leasingnehmers resp. seines Konkursverwalters aus § 986 BGB entfällt.

b)

Konkurs des Leasinggebers

Auch im Konkurs des Leasinggebers ist § 17 KO nicht anwendbar, es greift hier vielmehr die vom Wortlaut her auf Miet- und Pachtverträge abstellende Sondervorschrift des § 21 Abs. 1 KO [vgl. B G H WM 1984, 1219]. Für die Anwendbarkeit der Vorschrift auch auf Leasingverträge sprechen die gleichen Erwägungen, wie sie oben zu § 19 KO angestellt wurden. Nach § 21 Abs. 1 KO berührt die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Leasinggebers den Leasingvertrag nicht, er bleibt bestehen und kann auch nicht gekündigt werden. Das bedeutet in der Konsequenz, daß der Vertrag vom Konkursverwalter des Leasinggebers voll zu erfüllen ist, d.h. auch hinsichtlich etwaiger Nebenleistungspflichten und

einer

dem

Leasingnehmer vertraglich eingeräumten Mietverlängerungsoption [vgl. BGH NJW 1990, 1115 ff.; Martinek, a.a.O., § 8 IV, 4]-

Siebtes Kapitel: Factoring I.

Allgemeines. Grundstruktur, Erscheinungsformen, Kosten und wirtschaftliche Bedeutung des Factoringgeschäfts

Das Factoringgeschäft in der Form des sog. echten Factoring ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Unternehmen (sog. Klient oder Anschlußkunde) auf der Basis eines enstpr. Anschlußvertrages seine Forderungen aus Warenlieferungen, Werk- und Dienstleistungsverträgen i.d.R. vor deren Fälligkeit auf den Factor (meist Tochtergesellschaften von

Universalbanken)

überträgt, der dem Unternehmen dafür sofort nach Entstehen der Forderung auf diese einen Vorschuß zahlt und der die Haftung für die Bonität (Beitreibbarkeit) der erhaltenen Forderungen übernimmt (sog. Delkredererisiko). Der Factor übernimmt zudem regelmäßig die Debitorenbuchhaltung für die ihm übertragenen und von ihm bevorschußten Forderungen. Die betriebswirtschaftlichen Vorteile des Finanzierungsinstruments Factoring für den Klienten liegen auf der Hand: Er erhält durch die sofortige Bevorschussung seiner regelmäßig erst nach drei oder vier Monaten fällig werdenden Außenstände sofortige Liquidität durch einen ständigen umsatzkongruenten Bargeldzufluß. Diese Liquidität gibt ihm u.a. die Möglichkeit, die Forderungen seiner eigenen Lieferanten voll zu skontieren. Unter Zugrundelegung der üblichen Skontoerträge von 2%-3% ergibt dies einen Zinseffekt von 30% und mehr p.a. [vgl. Mayer in: Hagenmüller-Sommer, Factoring-Handbuch, 2.Aufl., Frankfurt/M. 1987, S. 40], Darüberhinaus genießt der Klient auch die sonstigen Vorteile eines Barzahlers wie etwa bessere

394

Siebtes Kapitel: Factoring

Einkaufspreise und bevorzugte Belieferung bei Lieferengpässen. Die durch das Factoring gewonnene Liquidität macht die Aufnahme von - teuren - Krediten zur Finanzierung der Lieferantenrechnungen und deren Besicherung durch Sicherungsübereignungen und -Zessionen überflüssig. Schließlich bringt das Factoring Kosteneinsparungen bei der Debitorenbuchhaltung, der Bonitätsprüfung und dem Mahnwesen. Da der Factor beim echten Factoring auch das Risiko der Bonität der übertragenen Forderungen übernimmt, bleiben dem Klienten - auch das ein nicht zu unterschätzender Vorteil des Factoring - Verluste erspart, die ihm aus Insolvenzen seiner Debitoren erwachsen könnten.

1.

Grundstruktur des echten Factoring

Wie beim Leasing ist auch beim Factoringgeschäft eine DreiPersonen-Struktur festzustellen: Der Unternehmer (Klient) tritt seine Forderungen an den Factor ab, der diese dann bei den Debitoren einzieht. Klient

Forderung»-

Factor

395

I. Allgemeines

Für das echte Factoring sind drei - zuvor schon angesprochene - Funktionen charakteristisch: 1. Liquiditätsfunktion; sie wurde bereits im Vorstehenden dargestellt. 2. Dienstleistungs- oder Service-Funktion: Der Factor übernimmt für den Klienten die Debitorenbuchhaltung inklusive Rechnungserstellung, Forderungsüberwachung, Mahn- und Inkassowesen. Damit sind vielfach weitere Service-Leistungen verbunden, wie die Erstellung von Bilanzen, Statistiken und Übersichten. Das Servicepaket des Factors wird gelegentlich dadurch erweitert, daß der Factor den Klienten in den Bereichen Produktion, Marketing und Steuerwesen berät. Daß die Externalisierung der genannten Funktionen sowie die weiteren Dienst- und Beratungsleistungen des Factors zu einer nicht unerheblichen Einsparung an Sach- und Personalkosten für den Klienten führt, muß nicht betont werden. Inwieweit diese Vorteile durch die Kosten des Factoring egalisiert werden, ist unten (unter 3) zu prüfen. 3. Delkredere- oder Kreditsicherungsfunktion.

Der

Factor

übernimmt nach entsprechender Prüfung der Debitorenforderungen das Risiko der Bonität der ihm übertragenen Forderungen. Das bedeutet, daß er im Falle der Nichtbeitreibbarkeit einer Forderung den Klienten insoweit nicht rückbelasten kann. Die Haftung für die Verität, also für den Bestand der Forderung, verbleibt indes entspr. § 437 B G B beim Klienten. Auch die Abnahme des Bonitätsrisikos durch den Factor bringt dem Klienten einen betriebswirtschaftlichen Vorteil gerade bei eher geringer Eigenkapitalausstattung, da er nun sein Lieferantenkreditvolumen überproportional ausweiten kann.

396

Siebtes Kapitel:

Factoring

2.

Erscheinungsformen des Factoring

a)

Unechtes Factoring

Die gegenüber dem zuvor dargestellten echten Factoring aus rechtlich-konstruktiver Sicht wichtigste Unterscheidungsform stellt das sog. unechte Factoring dar. Es ist dadurch gekennzeichnet, daß der Factor hier die Delkrederefunktion nicht übernimmt mit der Folge, daß der Klient im Falle der Uneinbringlichkeit einer dem Factor übertragenen Forderung zurückbelastet wird. Den Factor treffen damit keinerlei Ausfallrisiken bezüglich der Debitoren, wohl aber das Risiko der Bonität des Klienten; denn ist dieser insolvent, geht die Rückbelastung ins Leere. Die Unterscheidung echtes/unechtes Factoring bedeutet nun allerdings nicht, daß eine konkrete Factoringbeziehung entweder echtes oder unechtes Factoring ist. Es kann vielmehr in ein und derselben Factoringbeziehung zur Praktizierung sowohl der echten wie auch der unechten Form kommen; denn ob er das Delkredererisiko übernimmt oder nicht, entscheidet der Factor erst, wenn ihm - auf der Basis des Factoring-Rahmenvertrages (vgl. dazu unten II, 1) - eine konkrete Forderung vom Klienten angeboten wurde und er die Bonität des betreffenden Debitors überprüft hat. Je nach Ausgang dieser Bonitätsprüfung wird er sich für die eine oder andere Gestaltung entscheiden. Eine Ursache für die Formenmischung liegt vielfach auch darin, daß bzgl. einzelner Debitoren ein Höchstbetrag vereinbart wird, bis zu dem der Factor für Forderungen dieses Debitors das Delkredererisiko übernimmt. Hinsichtlich der dieses

397

I. Allgemeines

Limit übersteigenden Forderungen kommt dann unechtes Factoring in Betracht. Der Anteil des unechten Factoring am gesamten Factoring-Geschäftsvolumen ist jedoch mittlerweile stark zurückgegangen, seitdem der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1981 [vgl. BGH NJW 1982, 164, aber auch schon NJW 1972, 1715] das unechte Factoring als Darlehensgeschäft klassifiziert hat mit der Folge, daß dem Factor gegenüber den Lieferanten des Klienten und deren verlängertem Eigentumsvorbehalt

bei

Doppelabtretung der Debitorenforderung die ungünstigere Position zukommt (vgl. zur Kollisionsproblematik unten Kap. 9). Der Anteil des unechten Factoring am Gesamtgeschäft dürfte heute unter 10% liegen [vgl. die von Martinek, a.a.O., § 9 III, 1 FN 39 zitierte Angabe des Deutschen Factoring-Verbandes für 1990].

b)

Offenes und verdecktes (echtes) Factoring

Von 'offenem' Factoring spricht man dann, wenn dem Debitor die Abtretung der gegen ihn gerichteten Forderung des Klienten an den Factor angezeigt wird. Er hat dann Kenntnis von der Abtretung mit der Folge des § 407 BGB: Mit befreiender Wirkung kann er jetzt nur noch an den Factor zahlen; Leistungen an den Altgläubiger/Klienten sind dem Factor gegenüber unwirksam.

Zahlt

also der

Drittschuldner

in

Kenntnis der Abtretung an den Klienten, so kann der Factor von ihm nochmals Zahlung verlangen. Der Factor ist damit wirksam auch gegen versehentliche

Zahlungsfehlleitungen

geschützt. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß die Anzeige

398

Siebtes Kapitel: Factoring

der Abtretung an die Debitoren potentiell zu einer Minderung der Kreditwürdigkeit

des Klienten in den Augen

seiner

Geschäftspartner und Kreditgeber führen kann. Entsprechende Befürchtungen haben sich jedoch letztlich offenbar nicht bestätigt. Das Factoringgeschäft wird heute durchweg als seriöses Finanzierungsinstrument

angesehen und nicht als

Zeichen wirtschaftlicher Schwäche des Klienten [diese Einschätzung Dementsprechend

teilt Martinek,

wird

das

a.a.O.,

gewertet

§ 9 III, 3].

Factoringgeschäft

heute

in

Deutschland überwiegend in der offenen Form betrieben [vgl. Schepers in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 65].

c)

Halboffenes Factoring

Beim halboffenen Factoring wird den Debitoren des Klienten auf der Rechnung als Zahlstelle eine Bankverbindung (Konto) des Factors benannt, ohne allerdings den Kontoinhaber offenzulegen, so daß der Debitor von der Forderungsübertragung keine Kenntnis erhält, gleichwohl aber an den Factor zahlt. Hier gilt § 407 BGB nicht, d.h. der Debitor wird mangels positiver Kenntnis von der Forderungsabtretung frei, wenn er auf ein anderes Konto des Klienten zahlt. Das halboffene Verfahren hat sich in der Praxis kaum durchgesetzt. Es ist als Versuch eines Kompromisses zwischen offenem und verdecktem Factoring zu sehen, genau genommen aber - da § 407 BGB den Factor nicht schützt - der verdeckten Form zuzuordnen [so auch Schepers in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 68; a.A. Martinek, a.a.O., § 9 III, 6 a FN 48].

1. Allgemeines

d)

399

Fälligkeitsfactoring

Das Fälligkeitsfactoring ist mit Ausnahme des Zeitpunktes der Bevorschussung des Klienten durch den Factor identisch mit der oben skizzierten Grund-(Standard-)form des Factoring. Hier erfolgt die Bevorschussung erst dann, wenn der Debitor des Klienten an den Factor gezahlt hat resp. hätte zahlen müssen. Für die Zahlung des Factors maßgebliche Zeitpunkte sind also Zahlungseingang bei ihm bzw., bei Nicht-Zahlung durch den Debitor, Fälligkeit der gegen diesen gerichteten Forderung.

e)

Eigenservice-Factoring

Nachdem mittlerweile auch kleine und mittlere, ja auch kleinste Unternehmen über moderne Datenverarbeitungsanlagen verfügen, hat die Dienstleistungsfunktion des Factors (Führen der Debitorenbuchhaltung, Mahnwesen etc.) an Bedeutung verloren. Hier bietet sich die Variante des sog. EigenserviceFactoring (auch Inhouse- oder Bulk-Factoring genannt) an: Der Factor beauftragt den Klienten mit der Führung der Debitorenbuchhaltung, die Debitoren zahlen jedoch direkt an den Factor. Das Eigenservice-Factoring ist also echtes, offenes Factoring mit der Besonderheit, daß die Dienstleistungsfunktion des Factors in dessen Auftrag vom Klienten wahrgenommen wird [vgl. Schepers in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 68]. Für den Klienten hat das Eigenservice-Verfahren den Vorteil, daß der Factor seine Factoring-Leistung wegen Wegfalls der Kosten für die Dienstleistungsfunktion wesentlich preisgünstiger

400

Siebtes Kapitel:

Factoring

anbieten kann (zu den Kosten des Factoring unten 3). Der Factor muß allerdings unter dem Aspekt seines Delkredererisikos die Forderungsabwicklungen überwachen können. Die insofern relevanten Daten kann ihm der Klient jedoch problemlos im Wege des modernen Datentransfers übermitteln.

f)

Export-Factoring

Beim Export-Factoring geht es um die Finanzierung von Forderungen aus grenzüberschreitenden Warengeschäften (crossborder-factoring). Von den unterschiedlichen Varianten des Export-Factoring [vgl. dazu Schranz in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 174 ff.] wird am häufigsten das sog. Zwei-Factor-System praktiziert: Der Exporteur einer Ware überträgt seine Kaufpreisforderung gegen den ausländischen Käufer auf einen (Export-)

Factor

in

seinem

Heimatland.

Dieser

Factor

(regelmäßig eine Bank) veräußert die Forderung an einen (Import-) Factor im Land des Käufers. Der Import-Factor zieht die Forderung beim Käufer ein. Eine einheitliche Regelung des internationalen

Factoring

strebt das 1988 abgeschlossene UNIDROIT-Abkommen an [abgedruckt bei Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 234 ff.].

3.

Kosten des Factoring

Der Klient muß die Leistungen des Factors selbstverständlich bezahlen. Da die Unternehmensdaten der einzelnen Klienten sehr unterschiedlich sind, kann der Factor nicht mit einer Gebührentabelle arbeiten, aus der die Factoring-Kosten abzulesen

I. Allgemeines

401

wären [vgl. Mayer in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 49]. Es haben sich jedoch allgemein praktizierte, umsatzbezogene Gebührensätze für die einzelnen Leistungen des Factors wie folgt herausgebildet: 1. Für die Finanzierungsfunktion, also die Bevorschussung der Forderungen, berechnet der Factor für die Zeit vom Erwerb der Forderungen bis zu deren Bezahlung Sollzinsen, die sich in der Höhe an den banküblichen Zinsen für Kontokorrentkredite orientieren. 2. Für seine Dienstleistungen (Debitorenbuchhaltung, Forderungsüberwachung, Mahnwesen etc.) bringt der Factor eine Gebühr in Höhe von 0,5%-3% des Forderungsumsatzes in Ansatz. 3. Die Übernahme des Delkredererisikos schließlich läßt sich der Factor mit 0,2% bis 2,5% vom Forderungsumsatz vergüten. Die Höhe dieser Risikoprämie hängt im Einzelfall wesentlich von der Bonität der Debitoren ab [vgl. zu Kosten und Nutzen die Beispielrechnung bei Mayer in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 48 ff.] Darüberhinaus führt der Factor eine Garantiesumme in Höhe von 10% bis 20% des Forderungswertes einem Sperrkonto zu. Dieser Einbehalt dient der Sicherung des Factors für die Fälle, in denen sich im nachhinein die mangelnde Verität von Debitorenforderungen herausstellt, etwa weil der Debitor wegen mangelhafter Lieferung gewandelt hat oder den Vertrag aus anderen Gründen angefochten oder den Rücktritt erklärt hat, so daß die Forderungen des Klienten entfallen sind. Der Klient wird dann dementsprechend zurückbelastet.

402 4.

Siebtes Kapitel: Factoring

Wirtschaftliche Bedeutung des Factoring

Das Factoring geht in seinen Vorformen bis ins Mittelalter (Fugger und Weiser) zurück; erste Ursprünge finden sich sogar bereits im Altertum [Babylonier, Phönizier, Römer; vgl. den historischen Rückblick bei Binder-Degenschild in: HagenmüllerSommer, a.a.O., S. 26 ff.]. Das moderne Factoring in seiner heute in Deutschland praktizierten Ausprägung hat seine Wurzeln im amerikanischen 'Factor' des 19.Jh., der zunächst als Agent eines Textilherstellers für diesen auf Kommissionsbasis tätig wurde [vgl. hierzu Binder-Degenschild, a.a.O. und Schepers in: HagenmüllerSommer, a.a.O., S. 63 sowie Martinek, a.a.O., § 9 II]. In Deutschland begann das Factoring sich zu Beginn der sechziger Jahre zu verbreiten. Der Factoring-Jahresumsatz der im Factoring-Verband vertretenen Factoring-Unternehmen betrug im Jahr 1987 bereits rund 12 Milliarden DM [vgl. Jährig-SchuckRösler, a.a.O., S. 293; Martinek, a.a.O., § 9 II, 2 zitiert eine Auskunft des Deutschen Factoring-Verbandes, derzufolge die in Deutschland getätigten Factoring-Umsätze zu Anfang der neunziger Jahre über 10 Milliarden DM betragen haben]. Der Deutsche Factoring-Verband rechnet auch für die kommenden Jahre mit weiterem Zuwachs [vgl. Martinek, a.a.O., § 9 II, 2], Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß in den genannten Zahlen auch das Export-Factoring enthalten ist, dessen Anteil am Gesamtumsatz immerhin ca. zwei Drittel beträgt [vgl. Martinek, a.a.O.]. Factoring hat also im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte in der Finanzierungspraxis einen festen Platz eingenommen. Vor allem mittelständische Unternehmen wäh-

II. Rechtliche Konstruktion des Factoringgeschäfts

403

len diese Finanzierungsform. Unter dem Aspekt der Branchenzugehörigkeit der Factoringklienten ist festzustellen, daß sich insbesondere Unternehmen der Textilindustrie, aber auch der sonstigen Konsumgüterindustrie sowie der metallverarbeitenden Industrie für Factoring entscheiden [vgl. die Branchenauflistung bei Binder-Degenschild in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 31]. Als den weiteren Aufwärtstrend des Factoringgeschäfts bremsend könnte sich der mittlerweile eingetretene Preisverfall im Hardware-Bereich erweisen: Immer mehr Klein- und Mittelbetriebe sind in der Lage, sich eine eigene EDV-Anlage anschaffen zu können, so daß die Dienstleistungsfunktion der Factoring-Unternehmen (Debitorenbuchhaltung, Mahn- und Inkassowesen etc.) an Attraktivität verlieren könnte [vgl. die Einschätzung bei Binder-Degenschild, a.a.O., S. 30]. Die Entwicklung bleibt abzuwarten.

II.

Rechtliche Konstruktion des Factoringgeschäfts und Rechtsnaturbestimmung

1.

Factoring-Rahmenvertrag

Als moderner, aus den USA 'herübergekommener' Vertragstypus ist Factoring - wie auch das Leasing - im Gesetz nicht geregelt. Für die Lösung auftretender Konflikte stehen also in erster Linie die von den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarungen zur Verfügung. Dementsprechend werden in den vorformulierten Verträgen der Factoring-Unternehmen das Verfahren der Forderungsübertragung und die damit verbundenen Rechte und Pflichten der Beteiligten akribisch geregelt.

404

Siebtes Kapitel: Factoring

Factoring-Recht ist also - wie das Leasing-Recht - Formular(Klausel-) Recht par excellence. Die schuldrechtliche Grundlage der einzelnen Forderungsübertragungen auf den Factor bildet der Factoring-Rahmenvertrag. Er wird über einen längeren Zeitraum (meist zwei Jahre) abgeschlossen, wobei die Vertragsgestaltung vielfach eine automatische Verlängerung vorsieht, wenn er nicht von einem der Vertragspartner gekündigt wird. Wesentlicher Inhalt des Rahmenvertrags ist zunächst die Anbletungspflicht des Klienten: Er muß dem Factor alle künftig entstehenden Debitorenforderungen zum Kauf anbieten. Damit korrespondiert eine entsprechende Ankaufspflicht des Factors, die jedoch abhängig gemacht wird von der Einhaltung des für den jeweiligen Debitor vereinbarten Höchstbetrages (Limit), bis zu dem der Factor Forderungen ankauft, sowie der Bonitätsprüfung. Es handelt sich hier also genaugenommen um eine relative Ankaufspflicht (mit Ablehnungsrecht). Weiter regelt der Rahmenvertrag die Modalitäten der über die einzelnen Forderungen abzuschließenden Kaufverträge, die Barbevorschussung des Klienten sowie die den Klienten treffenden Kosten. Weitere Vereinbarungen betreffen die Übernahme des Delkredererisikos sowie den Umfang der vom Factor zu erbringenden Dienstleistungen [vgl. zum Inhalt des Rahmenvertrages ausf. Martinek, a.a.O., § 10 I, zu den Rechten und Pflichten der Vertragspartner i.e. Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 98 ff.]. Neben der Statuierung dieser schuldrechtlichen Rechts- und Pflichtenlage zwischen den Parteien enthält der Rahmenvertrag meist aber auch einen dinglichen (Verfügungs-) Teil: Der Klient tritt dem Factor bereits im Rahmenvertrag im Wege der

II. Rechtliche Konstruktion des Factoringgeschäfts

405

Globalzession alle gegenwärtigen und künftigen Debitorenforderungen ab, wobei diese Abtretung (§ 398 BGB) aber regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158

Abs. 1

BGB) erfolgt, daß der Factor die einzelne Forderung auch ankauft. Diese Gestaltung hat das Ziel, dem Factor nach § 161 Abs. 1 BGB die Priorität gegenüber anderen Verfügungen des Klienten über die Forderungen zu sichern [vgl. PottschmidtRohr, a.a.O., RNr. 203 FN 86], Der Factoring-Rahmenvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis. Daraus folgt, daß die Partner nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einander zu besonderer Obhut und Sorgfalt verpflichtet sind. Das bedeutet etwa, daß der Klient den Factor umgehend über Umstände zu informieren hat, die an der Bonität eines Debitors zweifeln und damit die Realisierung der betreffenden Forderung(en) als gefährdet erscheinen lassen [vgl. Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 97 f.]. Die vertragstypologische Einordnung des Factoring-Rahmenvertrages ist umstritten. Wie generell ist auch hier die Zuordnung des Vertrages zu einem (oder mehreren) gesetzlich geregelten Vertragstyp(en) von wesentlicher Bedeutung einmal für die Inhaltskontrolle von einzelnen Klauseln des Vertrages nach § 9 Abs. 2 AGBG und zum anderen für die Frage nach den Rechtsfolgen im Falle von Leistungsstörungen. Der FactoringRahmenvertrag ist mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum [vgl. Martinek, a.a.O., § 10 II, 3 c und die Nachweise dort FN 43] als gemischttypischer Vertrag zu klassifizieren, als Vertrag also, der (Vertragsfreiheit!) die Elemente verschiedener, gesetzlich geregelter Vertragstypen in sich vereinigt oder genauer: ein Vertrag, bei dem die Gesamtleistung des einen Ver-

406

Siebtes Kapitel: Factoring

tragspartners aus verschiedenen Leistungen zusammengesetzt ist, von denen jede die charakteristische Leistung eines anderen Vertragstyps ist [vgl. Larenz, Schuldrecht II, a.a.O., § 62 II, a]. So enthält der Rahmenvertrag - je abgehoben auf die einzelnen Factoring-Funktionen - Elemente des Kauf- resp. Darlehensvertrages (Finanzierungsfunktion), des Geschäftsbesorgungsvertrages i.S.d. §§ 611, 675 BGB (Dienstleistungsfunktion) und des Kreditversicherungsvertrages (Delkrederefunktion). Die wirtschaftlich zusammengehörenden einzelnen Factorfunktionen bzw. -leistungen verbinden sich damit auch rechtlich im Rahmenvertrag zu einer Einheit, ohne aber ihre Typ-Charakteristik aufzugeben. Für die Fragen der Inhaltskontrolle von Klauseln nach § 9 Abs. 2 AGBG und der Rechtsfolgen bei Leistungsstörungen kommt es deshalb darauf an, welche Funktion die betreffende Klausel regelt bzw. in welcher Funktion die Leistungsstörung angesiedelt ist: Maßgebend ist dann der Vertragstyp, dem die jeweilige Funktion zuzuordnen ist.

2.

Rechtliche Konstruktion (Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft) der einzelnen Forderungsübertragung und Rechtsnaturbestimmung

a)

Echtes Factoring

aa)

Schuldrechtliche Ebene

In der Darstellung des Factoring-Rahmenvertrages klang an, daß sich die Rechtsbeziehung zwischen Factor und Klient in drei Ebenen gliedert: Die schuldrechtliche Basis, das

II. Rechtliche Konstruktion

des Factoringgeschäfts

407

'Grundgeschäft', bildet der Rahmenvertrag. Auf seiner Grundlage werden dann - gewissermaßen in Vollzug der rahmenvertraglichen Anbietungs- und Alikaufsverpflichtungen Kaufverträge über einzelne Forderungen geschlossen. Rahmenvertrag und einzelne Kaufverträge sind Verpflichtungsgeschäfte. Die dritte Ebene ist die dingliche: In Vollzug der kaufvertraglichen Verpflichtungen tritt der Klient die verkaufte Forderung an den Factor nach § 398 BGB ab, dieser zahlt als Gegenleistung den Kaufpreis, zunächst allerdings nur den Barvorschuß in der vereinbarten Höhe. Dies sind Verfügungsgeschäfte.

Rahmenvertrag Factor

4

• Kaufvertrag einzelne

Klient

über

Forderung(en)

Forderung sabtr etung • Kaufpreiszahlung

Die vorstehend vorgenommene Klassifizierung der den einzelnen Forderungsabtretungen beim echten Factoring zugrundeliegenden (einzelnen) Kausalgeschäften als Kaufverträgen entspricht der ganz h.M. in Literatur [vgl. Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 94; Martinek, a.a.O., § 10 II, 1 a m.w.N.] und Rechtsprechung [vgl. BGH NJW 1977, 2267; NJW 1987,

408

Siebtes Kapitel:

Factoring

1878]. Es handelt sich dabei um einen Rechts-(Forderungs-) kauf i.S.v. § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB, der den allgemeinen Regeln entsprechend dadurch zustande kommt, daß der Klient dem Factor eine konkrete Forderung zum Kauf anbietet (etwa durch Zusendung einer Rechnungskopie) und der Factor dieses Angebot annimmt (etwa durch Gutschrift des Barvorschusses auf dem Konto des Klienten). Dem gesetzlichen Leitbild des Kaufes entspricht es auch, daß beim Factoringgeschäft - wie dies § 437 Abs. 1 BGB für den Rechtskauf explizit vorsieht der Klient das Risiko der Verität (rechtlicher Bestand) der Forderung trägt. Nach einer insbesondere von Canaris [vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1655; ders. NJW 1981, 250] vertretenen Ansicht, soll das der Forderungsabtretung zugrundeliegende schuldrechtliche Einzelgeschäft als Darlehen i.S.v. § 607 BGB zu qualifizieren sein. Canaris verfolgt damit seine auch zum Wechseldiskontgeschäft vertretene [vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1532 und hier oben Kap. 2,1, 2 d] darlehensrechtliche Einordnung konsequent weiter; diese Sichtweise vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn die Zahlung des Factors an den Klienten - auch der Barvorschußteil - ist nicht i.S.v. § 607 BGB rückforderbar, sondern von den Parteien als endgültige Leistung, eben als Gegenleistung für die Forderungsabtretung gedacht und gewollt, wie auch die Forderungsabtretung als endgültige Leistung, die in das 'Eigentum' des Factors übergehen soll, gewollt ist [vgl. gegen die darlehensrechtliche Qualifizierung der schuldrechtlichen causa der Forderungsabtretung auch Martinek, a.a.O., § 10 II, 1 c]. Dieser

II. Rechtliche Konstruktion des Factoringgeschäfts

409

Leistungsaustausch (Forderung gegen Zahlung) ist aber gerade der typische Inhalt des Kaufvertrages des § 433 BGB.

bb)

Dingliche Ebene

Im Vollzug der entsprechenden kaufvertraglichen Verpflichtung tritt der Klient die Einzelforderung beim echten Factoring gemäß § 398 BGB, also durch schlichte (dingliche) Einigung, an den Factor ab, der damit neuer Gläubiger der abgetretenen Forderung wird. Diese Abtretung ist weder Sicherungszession noch Inkassozession; denn der Factor ist hier nicht dem Klienten gegenüber im Innenverhältnis treuhänderisch gebunden, sondern soll - nach innen wie nach außen - die volle Gläubigerstellung erhalten. Es wurde bereits oben angesprochen, daß die Abtretungserklärungen i.S.v. § 398 BGB meist schon in Form einer Globalzession ("Abtretung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen") im Rahmenvertrag enthalten sind. Hinsichtlich der Wirksamkeit der damit vorgenommenen Vorausabtretung auch der künftigen Forderungen ist auch hier - wie bei der Sicherungszession - der Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten (vgl. dazu oben Kap. 5, IV, 2 a). Diese Globalzession wird jedoch in aller Regel unter die aufschiebende Bedingung des Zustandekommens des jeweiligen Forderungs-Kaufvertrages gestellt (§ 158 Abs. 1 BGB), so daß die Abtretung erst mit Eintritt dieser Bedingung, dann aber ohne weiteres ('automatisch') wirksam wird.

410 b)

Siebtes Kapitel: Factoring

Unechtes Factoring

Nochmals zur Erinnerung: Das unechte Factoring unterscheidet sich vom echten dadurch, daß der Factor hier das Delkredere-Risiko nicht übernimmt, d.h. den Klienten jeweils zurückbelastet, wenn die betreffende Forderung nicht beitreibbar ist.

aa)

Schuldrechtliche Ebene

Ob

und welche Auswirkungen

die NichtÜbernahme

des

Delkredere-Risikos durch den Factor auf die Rechtsnatur der schuldrechtlichen Einzelverträge hat, ist umstritten. Ein Teil der Lehre [vgl. etwa Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 95; Bette-Marwede, BB 1979, 128; Schmitz NJW 1978, 202] klassifiziert auch beim unechten Factoring den schuldrechtlichen Einzelvertrag als Kaufvertrag i.S.v. §§ 433 ff. BGB. Zur Begründung wird ausgeführt [vgl. Stoppok, a.a.O.], es stehe den Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit frei, zu vereinbaren, daß der Forderungsverkäufer (Klient) über die Regel des § 437 BGB hinaus (lediglich Haftung für Forderungs-Verität) auch für die Zahlungsfähigkeit des Debitors haften soll. Dies folge aus der Auslegungsregel ("im Zweifel") des § 438 BGB. Das Factoring sei deshalb in beiden Erscheinungsformen als Forderungskauf anzusehen. Diese Begründung ist zwar für sich nachvollziehbar; wer den schuldrechtlichen Einzelvertrag beim unechten Factoring als Kaufvertrag einordnen will, verkennt jedoch den entscheidenden Aspekt, nämlich die hier - im Unterschied zum echten Factoring - gegebene Vorläufigkeit der Barbevorschussung. Wegen

II. Rechtliche Konstruktion des Factoringgeschäfts

411

des dem Factor hier zustehenden Rückbelastungsrechts fehlt es an der den Kaufvertrag charakterisierenden Endgültigkeit des Leistungsaustausches [richtig Martinek, a.a.O., § 10 II, 2 a mit weitergehender Kritik an der kaufvertraglichen Einordnung]. Richtigerweise ist vielmehr der schuldrechtliche Einzelvertrag beim unechten Factoring mit der h.M. in Literatur [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 208; Martinek, a.a.O., § 10 II, 2 c m.w.N.] und Rechtsprechung [vgl. BGH NJW 1972, 1715; NJW 1977, 2208] als Darlehensvertrag gemäß § 607 BGB zu qualifizieren. Diese Sichtweise gründet in der Vorläufigkeit der Barbevorschussung des Klienten durch den Factor beim unechten Factoring: Dem Klienten geht es im Kern nur darum, durch den Barvorschuß sofort Liquidität zu erhalten, die er im Falle der Uneinbringlichkeit der abgetretenen Forderung an den Factor zurückführen muß. Die Interessenlage ist damit nicht anders als beim 'gewöhnlichen' Darlehensvertrag. Der Unterschied liegt nur darin, daß beim unechten Factoring der Darlehensgeber (Factor) zunächst bei einem Dritten, dem Debitor des Darlehensnehmers versuchen muß, Befriedigung aus der abgetretenen Forderung zu erlangen, bevor er sich an den Darlehensnehmer (Klient) halten kann. Dies ist zu berücksichtigen, und das schuldrechtliche Einzelgeschäft beim unechten Factoring deshalb als atypischer Darlehensvertrag zu klassifizieren [vgl. Martinek, a.a.O., § 10 II, 2 c m.w.N.].

bb) Dingliche Ebene Diese Einordnung des schuldrechtlichen Einzelgeschäfts als atypisches Darlehen wirkt sich auch auf die Qualifizierung der

412

Siebtes Kapitel:

Factoring

Forderungsabtretung aus, für die konstruktiv zunächst allerdings nichts anderes gilt als für die Abtretung beim echten Factoring. Anders als diese ist jedoch beim unechten Factoring auch die Abtretung im Grundsatz nur eine vorläufige Rechtsübertragung, da sie immer unter dem Vorbehalt der Unbeitreibbarkeit der Forderung steht. Es kann der Forderungsabtretung damit nur eine Sicherungsfunktion im Hinblick auf den RückZahlungsanspruch des Factors zukommen, sie ist also Sicherungszession [h.M. vgl. Martinek, a.a.O., § 10 II, 2 m.w.N.], die erfüllungshalber (d.h. als 'Erfüllungsversuch') auf die Rückzahlungsverpflichtung des Klienten aus § 607 BGB erfolgt. Die 'normale' Sicherungsabtretung ist dadurch gekennzeichnet, daß der Sicherungsnehmer im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber diesem gegenüber treuhänderisch gebunden ist und die abgetretene Forderung erst im Sicherungsfalle für sich durch Einziehung verwerten darf (vgl. bereits oben Kap. 5, IV, 1 zur Sicherungszession). Hier hingegen ist der Factor zur sofortigen (ihre Fälligkeit vorausgesetzt) Einziehung der Forderung berechtigt. Erreicht er beim Debitor des Klienten Befriedigung, so ist damit sein entsprechender, gegen den Klienten gerichteter Darlehensrückzahlungsanspruch erfüllt. Erlangt er keine Befriedigung, dann kann er auf den Darlehensrückzahlungsanspruch gegen Rückübertragung der Debitorenforderung zurückgreifen.

Die

Vorgehensweise

des

Sicherungsnehmers

(Factors) ist hier also die umgekehrte wie bei der 'normalen' Sicherungszession, wo ja der Sicherungsnehmer aus der abgetretenen Forderung erst vorgehen darf, wenn die gesicherte Forderung nicht erfüllt wird.

III. Debitoren-Abtretungsverbot

und Debitoren-Aufrechnung

413

III.

Debitoren-Abtretungsverbot und Debitoren-Aufrechnung

1.

Debitoren-Abtretungsverbot

Häufig enthalten die AGB der Debitoren des Factoring-Klienten - inbesondere größerer, marktstarker Unternehmen und der öffentlichen Hand - Abtretungsverbote bzgl. der gegen sie gerichteten Forderungen. Akzeptiert der Klient die AGB der Gegenseite - wozu ihm angesichts der Machtverhältnisse am Markt meist nichts anderes übrigbleibt -, so ist damit eine Vereinbarung des Abtretungsverbots i.S.v. § 399 2. Alt. BGB zustandegekommen (sog.pactum de non cedendo). Die Problematik von Abtretungsverboten wurde bereits bei der Darstellung der Sicherungszession angesprochen (vgl. oben Kap. 5, IV, 2 d). Sie spielt auch im Factoring-Geschäft eine entscheidende - für das Geschäft verhängnisvolle - Rolle, denn das Abtretungsverbot nach § 399 2. Alt. BGB wirkt dinglich absolut, also gegenüber jedermann; die mit einem Abtretungsverbot behaftete Forderung ist unabtretbar, eine dennoch vorgenommene Abtretung geht ins Leere. Das bedeutet für das Factoring, daß die Factoring Globalzession derartige Forderungen nicht erfaßt, der Klient kann dem Factor insoweit also keine Forderungen verschaffen. Da diese Leistungsunmöglichkeit bereits bei Abschluß des jeweiligen Einzel- (Forderungs-) Kaufvertrags bestand, ist dieser nach § 306 BGB nichtig, so daß der Factor u.U. schon darauf gezahlte Vorschüsse nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangen kann. Für den Klienten hat das Abtretungsverbot also die bittere Konsequenz, daß er gerade die gegen seine Großkunden und die öffentliche Hand gerichteten Forderungsvolumina hier

414 nicht

Siebtes Kapitel:

einsetzen,

das

sinnvolle

Factoring

und

für ihn

vorteilhafte

(insbesondere keine Bonitätsprüfung beim echten Factoring) Finanzierungsinstrument Factoring also nicht nutzen kann [treffend Martinek, a.a.O., § 12 II, 1, der im Abtretungsverbot den bedeutsamsten und folgenreichsten Störfaktor des Factoringgeschäfts sieht; vgl. zur Problematik auch Blaurock in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 117 ff.]. Der Factor kann hinsichtlich der mit einem Abtretungsverbot behafteten Forderungen höchstens als Inkassostelle auftreten und diese (dem Klienten zustehenden) Forderungen für den Klienten in dessen Namen einziehen. Da diese Forderungen resp. die eingezogenen Beträge zum Vermögen des Klienten gehören, unterliegen sie dem Zugriff seiner Gläubiger, der Factor ist bzgl. evtl. geleisteter Vorschüsse ungesichert [vgl. Blaurock, a.a.O., S. 117]. Der Grund für die Praktizierung des Abtretungsverbots durch Kunden des Klienten liegt - neben dem Bestreben, die durch den mit der Abtretung verbundenen Gläubigerwechsel erforderlich werdende EDV-Umstellung zu vermeiden - insbesondere darin, daß man durch das Abtretungsverbot von vornherein die sonst mögliche Situation der Doppelinanspruchnahme durch Klient und Factor zu vermeiden trachtet: Zahlt nämlich der Debitor, obwohl ihm der Forderungsübergang angezeigt worden war, versehentlich an den Klienten, so greift - wegen der Abtretungsanzeige - der Schuldnerschutz des § 407 BGB nicht, der Factor kann nochmals Zahlung von ihm verlangen. Es fragt sich nun, ob derartige Abtretungsverbote in den AGB der Debitoren nicht nach § 9 Abs. 2 AGBG wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam sind, denn sie hindern den Klienten am Einsatz des - für ihn möglicherweise

III. Debitoren-Abtretungsverbot

und Debitoren-Aufrechnung

415

allein infrage kommenden - Finanzierungsinstruments Factoring. Diesem Interesse des Klienten steht jedoch auf Seiten des Debitors das eben beschriebene genauso schützenswerte Interesse an einer grundsätzlichen Vermeidung einer Verpflichtung zur Doppelzahlung gegenüber, so daß hier eine Art Interessen'Patt' zu konstatieren ist, das es verbietet, das Abtretungsverbot als unangemessene Benachteiligung des Factoring-Klienten zu bewerten. Es ist deshalb mit der h.M. [vgl. Martinek, a.a.O., § 12 II, 2 b m.w.N.] davon auszugehen, daß Abtretungsverbotsklauseln mit § 9 AGBG vereinbar und damit wirksam sind. Differenzierend sieht Blaurock [vgl. Blaurock in: HagenmüllerSommer, a.a.O., S. 123] das Problem. Er hebt darauf ab, ob der Factor dem Klienten-Debitor das Risiko der Doppel-Inanspruchnahme abzunehmen anbietet, ihm also zusichert, ihn bei irrtümlicher Zahlung an den Klienten nicht erneut in Anspruch zu nehmen. Der Debitor müsse dann der Abtretung zustimmen. Dementsprechend läßt Blaurock das Abtretungsverbot an § 9 AGBG scheitern, wenn die Abtretungsverbotsklausel eine derartige Zustimmungsbereitschaft nicht enthält. Diese Sichtweise ist durchaus diskutabel; das praktische Problem liegt jedoch darin, daß eine solche Nichtinanspruchnahme-Zusicherung des Factors zum Zeitpunkt der Forderungsabtretung kaum vorliegen wird. [Zur Wirksamkeitsdiskussion vgl. ausf. Martinek, a.a.O., § 12 II 2, der sich auch mit - letztlich erfolglosen - Strategien von Factor und Klient zur Umgehung der Abtretungsverbote auseinandersetzt].

416 2.

Siebtes Kapitel: Factoring

Debitoren-Aufrechnung

Steht dem Schuldner einer Geldforderung seinem Gläubiger gegenüber ebenfalls eine - fällige - Geldforderung zu, so kann er nach § 387 BGB diese Forderung gegen die Gläubigerforderung aufrechnen mit der Folge, daß nach § 389 BGB beide Forderungen erlöschen, soweit sie sich decken [vgl. zur Aufrechnung allg. Larenz, Schuldrecht I, a.a.O., § 18 VI]. Die Aufrechnung, die nach § 388 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil erfolgt, bewirkt also eine doppelte Schuldtilgung, ohne daß die entsprechenden Geldbeträge gezahlt werden. Die Aufrechnung ist damit Erfüllungssurrogat. Nicht selten steht dem Debitor eines Factoring-Klienten gegen diesen ebenfalls eine (Geld-) Forderung zu. Erklärt er die Aufrechnung, bevor der Klient seine Forderung gegen den Debitor an den Factor abgetreten hat, so geht die spätere Abtretung dieser Forderung an den Factor wegen des inzwischen infolge der Aufrechnung eingetretenen Erlöschens der Forderung ins Leere. Ist die Abtretung an den Factor vor der Aufrechnungserklärung des Debitors erfolgt, so greift zu dessen Gunsten die Schutzvorschrift des § 406 BGB: Danach kann der Debitor auch dem Factor gegenüber wirksam aufrechnen, wenn er erst nach dem Entstehen seiner Gegenforderung Kenntnis von der Abtretung erlangt hat. Nicht schutzwürdig ist der Debitor hingegen dann, wenn seine Gegenforderung erst nach Kenntniserlangung von der Abtretung und später als die abgetretene (Haupt-) Forderung fällig geworden ist (vgl. § 406 BGB a.E.)

III. Debitoren-Abtretungsverbot

und Debitoren-Aufrechnung

417

Kommt eine wirksame Aufrechnung zustande, hat der Factor aber auf die damit erloschene Forderung bereits einen Barvorschuß geleistet, so kann er diesen beim echten Factoring nach §§ 437, 440, 323 III, 812 ff. zurückfordern. Beim unechten Factoring resultiert der Rückforderungsanspruch aus § 607 Abs. 1 BGB.

IV.

Factoring im Konkurs

1.

Klienten-Konkurs

Die Teilnahme eines Unternehmens am Factoringverfahren ist nicht selten auf Liquiditätsprobleme zurückzuführen, die ihrerseits aus der bekanntermaßen dünnen Eigenkapitaldecke gerade kleinerer und mittlerer Unternehmen resultieren. Ob nun allerdings Factoring-Klienten generell ein höheres Konkursrisiko darstellen als Unternehmen, die sich anderer Instrumente der kurzfristigen Finanzierung bedienen, läßt sich so pauschal sicher nicht sagen. Gleichwohl ist es für den Factor wichtig, die Situation bei Klienten-Insolvenzen richtig antizipieren zu können. Wird über das Vermögen des Factoring-Klienten das Konkursverfahren eröffnet, so berührt das zunächst den FactoringRahmenvertrag, wobei umstritten ist, ob hier § 23 Abs. 2 KO analog zur Anwendung kommt mit der Folge, daß der Rahmenvertrag mit der Konkurseröffnung erlischt, oder § 17 KO anzuwenden ist, der dem Konkursverwalter das Wahlrecht zwischen Fortführung oder Beendigung des Vertrages gibt. Die Frage ist indes von geringer praktischer Bedeutung, da die in der Praxis verwendeten Factoringverträge dem Factor für den

418

Siebtes Kapitel: Factoring

Fall der Insolvenz des Klienten regelmäßig das Recht zur fristlosen Kündigung des Rahmenvertrages einräumen [vgl. Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 103]. Im Streit um die Anwendbarkeit von § 23 Abs. 2 KO oder § 17 KO entscheidet sich die wohl h.M. [vgl. Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 103; Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., § 12 V 1 m.w.N. FN 59] für § 23 Abs. 2 KO. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn § 23 Abs. 2 KO kann hier nur über eine Analogie zur Anwendung kommen - die Vorschrift gilt explizit nur für Dienst- oder Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt haben -, während § 17 KO direkt 'paßt': Der Factoring-Rahmenvertrag ist zweiseitiger Vertrag, der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt ist (Dauerschuldverhältnis!), denn die Forderungsanbietungspflicht des Klienten und die entsprechende Ankaufspflicht des Factors bestehen weiterhin. Dies gilt gleichermaßen für das echte wie das unechte Factoring; § 17 KO ist also auf beide Formen anwendbar [vgl. Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung, a.a.O., § 23 RNr. 20 a, die § 17 KO allerdings nur auf das echte Factoring anwenden wollen], so daß der Konkursverwalter des Klienten entscheiden kann, ob er den Factoring-Rahmenvertrag fortführt (woran er durchaus ein Interesse haben kann) oder beendet. Hinsichtlich der auf der Grundlage des Factoring-Rahmenvertrages vorgenommenen Einzelgeschäfte gilt folgendes: Sind Forderungskaufvertrag und Forderungsabtretung vor der Konkurseröffnung abgeschlossen worden, so werden sie durch den Konkurs nicht berührt, die abgetretenen Forderungen gehören zum und bleiben im Vermögen des Factors, gleichgültig, ob

III. Debitoren-Abtretungsverbot

und Debitoren-Aufrechnung

419

dieser die Forderungen bereits eingezogen hat oder nicht [h.M. vgl. Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung, a.a.O., § 23 RNr. 20 a; Martinek, § 12 V, 1; Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1676]. Die Position des Factors ist also insoweit 'konkursfest'. Allerdings kann der Konkursverwalter etwaige, noch nicht aufgelöste Sperrguthaben des Klienten zur Masse beanspruchen. Hat umgekehrt der Factor wegen Nichtbestehens einer abgetretenen Forderung einen Gewährleistungsanspruch (§ 437 Abs. 1 BGB) gegen den Klienten, so hat er insoweit lediglich die Stellung eines 'einfachen' Konkursgläubigers i.S.v. § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO, der nur mit der Konkursquote bedient wird, kann aber mit der Gewährleistungsforderung gegen die Forderung des Konkursverwalters auf das Sperrguthaben aufrechnen [vgl. Martinek, a.a.O., § 12 V, 1; Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 104], Schwieriger ist die Situation hinsichtlich der vor der Konkurseröffnung entstandenen Debitorenforderungen des Klienten, die dem Factor zwar mit der im Rahmenvertrag enthaltenen Globalzession im vorhinein, aber unter der Bedingung des Zustandekommens eines entsprechenden Forderungskaufvertrages abgetreten worden waren, der Kaufvertrag aber noch nicht abgeschlossen worden ist. Soweit bereits ein Angebot des Klienten auf Abschluß des Kaufvertrages vorliegt, ist der Konkursverwalter daran gebunden, der Factor könnte also den Kaufvertrag - und damit den Bedingungseintritt - durch Annahme dieses Angebots zustande bringen. Dem Konkursverwalter muß allerdings auch hinsichtlich dieses Kaufvertrages das Wahlrecht des § 17 KO zustehen [so auch Martinek, a.a.O., § 12 V, 1], wobei er sich wohl eher für Vertragserfüllung ent-

420

Siebtes Kapitel: Factoring

scheiden wird, da er damit Bargeld in die Masse erwirbt. Wählt er Nichterfüllung, verbleibt die Forderung mangels Bedingungseintritts in der Masse. Stellt sich beim unechten Factoring nach Konkurseröffnung die Uneinbringlichkeit einer dem Factor abgetretenen Debitorenforderung heraus, so steht dem Factor der dann begründete Darlehensrückzahlungsanspruch aus § 607 BGB als normaler Konkursanspruch nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO zu, auf den er nur die Konkursquote erhält. 2.

Factor-Konkurs

Der Konkurs des Factoring-Instituts dürfte als eher akademisches Problem einzuschätzen sein, da die Factoring-Institute in der Praxis meist Banken oder Banken-Töchter sind. Die folgende Darstellung kann sich deshalb auf die Grundlinien beschränken. Auch im Factorkonkurs steht dem Konkursverwalter hinsichtlich des Factoring-Rahmenvertrags und der schwebenden Einzelgeschäfte das Wahlrecht des § 17 KO zu [§ 23 Abs. 2 KO ist hier schon vom Wortlaut her nicht anwendbar, vgl. Martinek, a.a.O., § 12 V, 2; Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1680. A.A. Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 104]. Hier wird der Konkursverwalter in der Regel Nichterfüllung wählen, um Barabflüsse aus der Konkursmasse zu vermeiden. Der dem Klienten aus Erfüllungsablehung erwachsende Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung (§ 325 BGB analog) ist jedoch wiederum nur einfache Konkursforderung (§ 26 Satz 2 KO). Wählt der Konkursverwalter (ausnahmsweise) Vertragserfül-

III. Debitoren-Abtretungsverbot

und Debitoren-Aufrechnung

421

lung, so gibt die h.M. [vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1680; Martinek, a.a.O., § 12 V, 2, je m.w.N.] dem Klienten das Recht zur fristlosen Kündigung, da ihm die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem in Konkurs gefallenen Factor nicht zugemutet werden kann. Beim echten Factoring kann der Klient bei Konkurseröffnung bereits abgetretene Forderungen weder aus- noch absondern, da sie aufgrund der als endgültig gewollten Abtretung zum Vermögen des Factors und damit zur Konkursmasse gehören [vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1681; Martinek, a.a.O., § 12 V, 2]. Voraussetzung ist allerdings auch hier, daß die entsprechenden Kaufverträge abgeschlossen wurden und damit die Bedingung für die Wirksamkeit der Abtretung eingetreten ist. Dementsprechend kann der Klient diejenigen (bedingt abgetretenen) Forderungen nach § 43 KO aussondern, bzgl. derer Kaufverträge nicht bestehen und auch nicht (was vom Willen des Konkursverwalters abhängt) nach Konkurseröffnung noch abgeschlossen werden. Eventuelle Ansprüche des Klienten auf ein Sperrguthaben stellen wiederum nur einfache Konkursforderungen dar. Beim unechten Factoring ist die Situation eine andere, weil hier die Forderungsabtretung nicht als endgültige sondern lediglich als Sicherungszession bzgl. des Darlehensrückforderungsanspruchs des Factors aus § 607 BGB gewollt war. Dementsprechend steht dem Klienten hinsichtlich der abgetretenen Forderung ein Aussonderungsrecht nach § 43 KO zu [vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1682; Martinek, a.a.O., § 12 V, 2].

422

Siebtes Kapitel: Factoring

Soweit der Konkursverwalter Forderungen bei den Debitoren eingezogen hat, kann der Klient im Wege der Ersatzaussonderung nach § 46 KO den Forderungserlös beanspruchen.

Vierter Abschnitt: Kollision von Sicherungsrechten untereinander und mit Factoringzessionen Der Prüfstein für die 'Güte' eines Sicherungsrechtes ist neben seiner Bewährung im Konkurs vor allem auch seine Bestandskraft bei der Kollision mit anderen Sicherungsrechten resp. bei Sicherungszessionen - mit Factoring-Zessionen. Umgekehrt ist es für die Bereitschaft von Factoring-Instituten, im Factoringgeschäft tätig zu werden, von großer Bedeutung, ob sich die Factoring-Zession gegenüber anderen Abtretungen behaupten kann, die der Klient hinsichtlich desselben Forderungsbestandes bereits vorgenommen hat oder später noch vornimmt. Diese Kollisionsfälle werden im folgenden untersucht. Aus Gründen der besseren Übersicht und der Beförderung des Verständnisses der Wertungszusammenhänge wurden die einzelnen Kollisionstatbestände nicht bei den jeweiligen Sicherungsrechten behandelt, sondern werden zum Schluß zusammengefaßt dargestellt.

Achtes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten I.

Kollision von Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt sowie mehrfache Sicherungsübereignung

Muß ein Unternehmen zur Behebung eines Liquiditätsengpasses einen Kredit aufnehmen und hat es keine anderen Möglichkeiten der Besicherung, so wird es dazu neigen - und das geschieht gar nicht selten -, der kreditgebenden Bank Sachen zur Sicherheit zu übereignen, die ihm unter Eigentumsvorbehalt geliefert (und noch nicht bezahlt) worden waren, die also

424

Achtes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten

noch im Eigentum des Lieferanten stehen. Es stellt sich dann die Frage nach der Wirksamkeit einer solchen Sicherungsübereignung. Beispiel: Druckerei U hatte vom Hersteller L eine Druckmaschine unter Eigentumsvorbehalt erworben; der Kaufpreis ist noch nicht bezahlt. Als U in Liquiditätsschwierigkeiten gerät, nimmt er bei der B-Bank einen Kredit auf, der dadurch besichert wird, daß U der B-Bank die Druckmaschine sicherungsübereignet. Da in derartigen Fällen der Kreditnehmer/Sicherungsgeber (noch) nicht Eigentümer des sicherungsübereigneten Gutes ist, kann der Sicherungsnehmer das Sicherungseigentum nur nach den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§ 932 ff. BGB) erhalten. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Sicherungsübereignung nach §§ 930 oder 931 BGB vorgenommen wurde.

1.

Sicherungsübereignung nach § 930

Ist die Sicherungsübereignung nach § 930 BGB vorgenommen worden - das ist der Regelfall -, die nach § 929 Satz 1 BGB erforderliche Übergabe des Sicherungsgutes also durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses ersetzt worden (vgl. dazu oben Kap. III, 2 b), so richtet sich die Frage des gutgläubigen Erwerbs des Sicherungsnehmers nach § 933 BGB. Nach dieser Vorschrift erwirbt der Sicherungsnehmer - unter der Prämisse seiner Gutgläubigkeit - Eigentum am Sicherungsgut (erst) dann, wenn der Sicherungsgeber es ihm übergibt, wobei

I. Kollision von Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt

425

der Sicherungsgeber seinen Besitz restlos aufgeben muß, er darf auch nicht mittelbarer Besitzer bleiben [vgl. BGH WM 1977, 1355]. Zur Übergabe des Sicherungsgutes an den Sicherungsnehmer wird es aber regelmäßig gerade nicht kommen, denn es entspricht der für die Sicherungsübereignung typischen Interessenlage der Beteiligten, daß der Sicherungsgeber Besitzer bleiben will und soll. Eine Übergabe kann allenfalls bei Eintritt des Sicherungsfalles geschehen, wenn der Sicherungsnehmer die Sache zum Zwecke der Verwertung an sich nimmt. Eine i.S.v. § 933 BGB relevante Übergabe liegt jedoch nur dann vor, wenn der Sicherungsgeber die Sache willentlich herausgibt, was bei einer einseitigen Wegnahme durch den Sicherungsnehmer nicht der Fall ist [vgl. BGH WM 1977, 1353; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 539]. Vor dem gutgläubigen Erwerb des Sicherungsnehmers ist darüberhinaus noch eine weitere Hürde aufgebaut: Er muß hinsichtlich des Eigentums des Sicherungsgebers gutgläubig sein, wobei es ihm schon schadet, wenn ihm der Eigentumsvorbehalt infolge grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben ist (vgl. § 932 Abs. 2 BGB). Angesichts des Umstands, daß sich Lieferanten regelmäßig das Eigentum an den gelieferten Waren vorbehalten, wird man u.U. sogar eine entsprechende Erkundigungspflicht des Sicherungsnehmers annehmen müssen, bei deren Nichteinhaltung er sich den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit i.S.v. § 932 Abs. 2 BGB gefallen lassen muß. Nach § 933 BGB muß der gute Glaube auch noch zum Zeitpunkt der Übergabe der Sache bestehen. Läßt sich der Sicherungsgeber die Sache nach Eintritt des Sicherungsfalles herausgeben, so wird sein guter Glaube (so er bestanden hatte) meist

426

Achtes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten

dadurch zerstört worden sein, daß ihn die anderen Gläubiger des Sicherungsgebers über ihre Sicherungsrechte informiert haben. Damit ergibt sich, daß ein gutgläubiger Erwerb von dem Sicherungsgeber unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Sachen durch den Sicherungsnehmer nur ausnahmsweise zustandekommt. Bei der Kollision Eigentumsvorbehalt/Sicherungsübereignung 'obsiegt' also regelmäßig der Eigentumsvorbehalt. Zu berücksichtigen ist jedoch zugunsten des Sicherungsnehmers, daß der Sicherungsgeber ihm sein aus der bedingten Übereignung

der

Vorbehaltsware

resultierendes

Anwart-

schaftsrecht (vgl. dazu oben Kap. 5, V, 3 b) als eigenes Recht und damit ohne Zustimmung des Lieferanten wirksam übertragen kann. Nach ganz h.M. [vgl. B G H NJW 1956, 665; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 540 m.w.N.] ist in der - wegen § 933 B G B fehlgeschlagenen - Sicherungsübereignung zugleich auch die Übertragung des Anwartschaftsrechts als dem Vollrecht Eigentum "wesensgleiches Minus" zu sehen. Dann hat der Sicherungsnehmer wenigstens das Anwartschaftsrecht erworben und kann dann durch Zahlung des (Rest-) Kaufpreises an den Lieferanten des Sicherungsgebers das Entstehen des Vollrechts (Sicherungs-) Eigentum in seiner Person bewirken. Ob das ökonomisch sinnvoll ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls, insbesondere der Höhe des Restkaufpreises ab.

2.

Sicherungsübereignung nach § 931 BGB

Die - eher seltene - Sicherungsübereignung nach § 931 BGB erfolgt dann, wenn sich die zu übereignende(n) Sache(n) im Be-

I. Kollision von Sicheningsübereignung und Eigentumsvorbehalt

427

sitz eines Dritten befinden, wie etwa in dem Fall der Sicherungsübertragung von bei einem Lagerhalter eingelagerten Waren. Hier wird die nach § 929 Satz 1 BGB erforderliche Übergabe des Sicherungsgutes dadurch ersetzt, daß der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer seinen ihm gegenüber dem besitzenden Dritten zustehenden Herausgabeanspruch abtritt. Auch hier kann der Sicherungsnehmer Sicherungseigentum an dem Sicherungsgeber unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren nur nach den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb erlangen. Die für den Erwerb nach § 931 BGB zuständige Gutglaubensvorschrift ist § 934 BGB. Nach dieser Vorschrift ist zu differenzieren, ob der Sicherungsgeber mittelbarer Besitzer der zu übereignenden Sachen ist (§ 934 1. Fall BGB) oder nicht (§ 934 2. Fall BGB). Ist der Sicherungsgeber mittelbarer Besitzer - das ist immer dann der Fall, wenn der Dritte den unmittelbaren Besitz aufgrund eines Vertragsverhältnisses mit dem Sicherungsgeber innehat (wie etwa Lagervertrag, Werkvertrag, Miet- oder Pachtvertrag etc.) -, so erwirbt der Sicherungsnehmer das Eigentum mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs des Sicherungsgebers aus diesem Vertragsverhältnis (§ 934 1. Fall BGB). Ist der Sicherungsgeber nicht mittelbarer Besitzer - das sind eher seltene Fälle - so wird der Sicherungsnehmer - ein abtretbarer Herausgabeanspruch besteht hier nicht - erst Eigentümer, wenn er den Besitz an der Sache erhält, wobei der Erwerb des mittelbaren Besitzes ausreicht. Es zeigt sich damit, daß die Chancen des potentiellen Sicherungseigentümers in den Fällen der Sicherungsübereignung

428

Achtes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten

nach § 931 BGB ungleich besser stehen als bei der Übereignung nach § 930 BGB, umgekehrt das Risiko des Lieferanten, sein Vorbehaltseigentum zu verlieren, entsprechend wesentlich höher ist. Das ist nicht unbedingt nachvollziehbar. Warum soll es hier für Rechtserwerb resp. -verlust einen Unterschied machen, ob der Sicherungsgeber oder ein Dritter unmittelbarer Besitzer der Sache ist? Auf den hier festzustellenden Wertungswiderspruch zwischen § 933 BGB einerseits und § 934 BGB andererseits wurde bereits oben (vgl. unter Kap. 5,1, 6 c) hingewiesen. Die zuvor dargestellte Rechtslage gilt gleichermaßen auch dann, wenn der Sicherungsgeber eine bereits sicherungshalber übereignete Sache nochmals - zur Sicherung eines weiteren Kredits - übereignet. Denn auch hier übereignet er bei der zweiten Sicherungsübereignung eine ihm nicht (mehr) gehörende Sache, so daß ein Eigentumserwerb des zweiten Sicherungsnehmers wiederum nur nach den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§ 933 oder 934 BGB) erfolgen kann.

II.

Kollision von Sicherungsübereignung und Pfandrecht

Die zur Sicherungsübereignung vorgesehene Sache kann mit dem Pfandrecht eines Dritten belastet sein. Dies betrifft neben den Fällen des rechtsgeschäftlich bestellten Pfandrechts und des Pfändungspfandrechts vor allem die Fälle gesetzlicher Pfandrechte, wie etwa der Pfandrechte der Vermieter und Verpächter von Betriebsgrundstücken (§§ 559, 580, 581 BGB). Den Vermietern oder Verpächtern von Grundstücken und Räumen steht wegen ihrer Miet- oder Pachtzinsforderungen

III. Zusammentreffen von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt

429

kraft Gesetzes ein Pfandrecht an allen Sachen des Mieters oder Pächters zu, die sich auf dem Grundstück resp. in dem vermieteten Raum befinden. Werden derartige Sachen sicherungsübereignet, so stellt sich die Frage, ob der Sicherungsnehmer die Sachen mit dem Pfandrecht belastet oder lastenfrei erwirbt. Die Problematik wurde bereits oben (vgl. 5. Kapitel I, 6 c, dd) dargestellt: § 936 BGB ermöglicht grundsätzlich den gutgläubig-lastenfreien Erwerb, schränkt dies aber für Veräußerungen nach §§ 930, 931 BGB wieder ein, wobei die Einschränkungen inhaltlich den §§ 933, 934 BGB entsprechen, d.h. der Sicherungsnehmer erwirbt lastenfreies Eigentum (das Pfandrecht geht unter) bei einer Sicherungsübereignung nach § 930 BGB nur, wenn er den unmittelbaren Besitz an der Sache erlangt (§ 936 Abs. 1 Satz 3 BGB); bei einer Sicherungsübereignung nach § 931 BGB tritt der Untergang des Pfandrechts hingegen sofort mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs ein, sofern der Sicherungsgeber mittelbarer Besitzer war, andernfalls erst dann, wenn der Sicherungsnehmer den - wenigstens mittelbaren - Besitz an der Sache erhält.

III.

Zusammentreffen von kreditsichernder Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt

Zur Erinnerung: Der Begriff 'verlängerter Eigentumsvorbehalt' (vgl. dazu oben Kap. 5, V, 5 b) bezeichnet die kaufpreissichernde Vorausabtretung der (künftigen) Kundenforderungen des belieferten Unternehmens an den Lieferanten, der ja mit

430

Achtes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten

der Verarbeitung resp. Weiterveräußerung der gelieferten Waren seinen Eigentumsvorbehalt verliert. Die den Eigentumsvorbehalt somit 'verlängernde' Vorausabtretung der Kundenforderungen ist regelmäßig Bestandteil der Lieferanten-AGB. Nun ist es nicht selten so, daß sich eine kreditgewährende Bank dieselben Kundenforderungen zur Sicherung des Kredits zuvor im Wege der Globalzession hat abtreten lassen oder später abtreten läßt. Grundsätzlicher Entscheidungstopos für die Lösung derartiger Fälle der Mehrfachabtretung derselben Forderung(en) ist der Prioritätsgrundsatz ('Wer zuerst kommt, mahlt zuerst'), d.h. die zeitlich erste Abtretung ist wirksam mit der Folge, daß die Forderung auf den ersten Zessionar als neuen Gläubiger übergegangen ist, so daß die zeitlich zweite Abtretung ins Leere geht, der zweite Zessionar also nichts erwirbt, da der Zedent zum Zeitpunkt der zweiten Abtretung nicht mehr Forderungsinhaber war. Einen gutgläubigen Forderungserwerb gibt es grundsätzlich nicht, da die Forderung 'körperlos' ist, es damit an einem Rechtsscheintatbestand fehlt, an den der gute Glaube des Zessionars anknüpfen könnte (so wie an den Besitz des Veräußerers bei Übereignung beweglicher Sachen). Die Anwendung des Prioritätsgrundsatzes, der nach ganz h.M. [vgl. nur B G H NJW 1959, 1536; NJW 1982, 571] auch für die Fälle der Vorausabtretung künftiger Forderungen gelten soll, auf die Kollision des verlängerten Eigentumsvorbehalts

mit

III. Zusammentreffen von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt

431

der kreditsichernden Globalzession führt jedoch zu problematischen Konsequenzen, wenn die Globalzession zeitlich vorgängig ist. Denn nach dem Prioritätsprinzip ist dann (nur) diese wirksam, die nachfolgend im Rahmen von verlängerten Eigentumsvorbehalten vorgenommenen Abtretungen gehen ins Leere, die Lieferantenforderungen sind nach Wegfall des Eigentumsvorbehaltes ungesichert. Ein der Redlichkeit verpflichteter Kaufmann dürfte angesichts dieser Rechtslage nach Vereinbarung einer kreditsichernden Globalzession eigentlich keine Waren mehr unter verlängertem Eigentumsvorbehalt beziehen, denn er wird sonst den Lieferanten gegenüber notwendig vertragsbrüchig, da er ihnen, entgegen den getroffenen (Abtretungs-) Vereinbarungen, die Kundenforderungen nicht verschaffen kann. Als Alternativen böten sich an, die Lieferantenforderungen vor Verarbeitung resp. Weiterveräußerung voll zu bezahlen oder die Lieferanten dazu zu bewegen, auf die Abtretung der Kundenforderungen zu verzichten; die Realisierung der ersten Alternative wird meist an fehlender Liquidität scheitern und auf einen Abtretungsverzicht wird sich kaum ein Lieferant einlassen. Der Kreditnehmer befindet sich damit in einer nahezu ausweglosen Zwangssituation, die ihn letztlich doch den Lieferanten gegenüber vertragsbrüchig werden läßt. Um hier zu helfen, hat der BGH die sog. Vertragsbruchtheorie entwickelt [vgl. grdl. BGH NJW 1959, 1533, seither ständ. Rechtspr., s.a. BGH NJW 1974, 942]: Der Kreditnehmer/Käufer ist aus ökonomischen Gründen gezwungen, unter verlängertem Eigentumsvorbehalt einzukaufen. Wegen der

432

Achtes Kapitel: Zusammentreffen von Sicheningsrechten

zeitlich vorrangigen kreditsichernden Globalzession muß er dabei den Lieferanten gegenüber notwendig vertragsbrüchig werden, da er ihnen die Kundenforderung nicht (mehr) verschaffen kann. Die Bank verleitet den Kreditnehmer durch die Globalzession zu diesem Vertragsbruch, der gar auch als Straftat qualifiziert werden kann (Betrug, § 263 StGB; Untreue, § 266 StGB), denn sie weiß, daß der Kreditnehmer genötigt ist, unter Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts einzukaufen, soweit verlängerte Eigentumsvorbehalte branchenüblich sind. Die Globalzession ist damit, weil sie den Kreditnehmer zum Vertragsbruch nötigt, als Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig, soweit sie sich auf Forderungen erstreckt, die der Kreditnehmer seinen Lieferanten im Wege eines branchenüblichen verlängerten Eigentumsvorbehalt abtreten muß und auch abtritt. Wenn die Vereinbarung der Globalzession Bestandteil der AGB des Kreditinstituts ist, scheitert die entsprechende Klausel bereits an § 9 AGBG. Diese Vertragsbruchtheorie des BGH entspricht auch der h.M. im Schrifttum [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 676; Martinek, a.a.O., § 11 II, 2 je m.w.N. und die Darstellung der Kritik der Mindermeinung]. Die Kreditpraxis hat auf die BGHRechtsprechung reagiert und versucht, durch entsprechende Vertragsklauseln den Konflikt zu vermeiden. Nach mehreren untauglichen Versuchen - die betreffenden Klauseln [vgl. hierzu Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNrn. 679 f.] wurden vom B G H verworfen - verwenden die Kreditinstitute heute meist die vom BGH nicht beanstandete sog. Teiverzichtsklausel. Darin wird bestimmt, daß die Abtretung einer Forderung, die

III. Zusammentreffen von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt

433

von einem Lieferanten des Sicherungsgebers/Kreditnehmers aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes gegenwärtig oder künftig berechtigterweise in Anspruch genommen werden kann, erst mit Erlöschen des Eigentumsvorbehaltes (infolge vollständiger Bezahlung des Kaufpreises) wirksam werden soll. Damit werden die die Kaufpreisforderungen der Lieferanten sichernden Kundenforderungen des Sicherungsgebers - vorläufig - aus der Globalzession herausgenommen und so Kollisionsfälle vermieden.

Neuntes Kapitel:

Zusammentreffen von Sicherungsrechten und Factoring-Zessionen

I.

Kollision von Factoring • Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt

Die Frage, ob beim Zusammentreffen von verlängertem Eigentumsvorbehalt und Factoring-Globalzession auch die Factoring-Zession - wie die kreditsichernde Globalzession - infolge der Anwendung der Vertragsbruchstheorie unwirksam wird, ist für das Factoring-Geschäft von existentieller Bedeutung. Denn der Factor ist auf den Erwerb der Forderung, die beim echten Factoring die kaufvertragliche Gegenleistung seiner Barvorschußleistung darstellt, wirtschaftlich angewiesen; dies ist kaum minder so beim unechten Factoring, wo die abgetretene Forderung als Sicherheit für den Darlehensrückforderungsanspruch des Factors aus § 607 BGB fungiert. Der Factor hat deshalb ein genuines Interesse daran, daß von der Factoring-Globalzession seines Klienten dessen sämtliche Debitorenforderungen erfaßt werden. O b dies der Fall ist, hängt davon ab, ob auch auf die Kollision verlängerter Eigentumsvorbehalt versus FactoringGlobalzession die Vertragsbruchtheorie anzuwenden ist oder nicht. Der BGH differenziert hier zwischen echtem und unechtem Factoring.

1.

Kollision beim echten Factoring

Der B G H [vgl. grdl. B G H NJW 1977, 2208] und die h.M. im Schrifttum [vgl. Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 99; Reinicke-Tiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S. 394; Martinek,

436

Neuntes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten und Factoring-Zessionen

a.a.O., § 11 III, 3 m.w.N. FN 32] wenden die Vertragsbruchtheorie auf die Kollision zwischen Globalzession im Rahmen des echten Factoring und verlängertem Eigentumsvorbehalt nicht an, sondern lösen den Konflikt über die sog. Barkauftheorie: Ausgangspunkt dieses Lösungsweges ist der Umstand, daß die Lieferanten ihren Abkäufern hinsichtlich der ihnen abgetretenen Debitorenforderungen regelmäßig Einziehungsermächtigungen erteilen, d.h. die Abkäufer sind berechtigt, die Debitorenforderungen im eigenen Namen einzuziehen. Der Abkäufer ist also im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehaltes sowohl zur Veräußerung der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren - auch im Wege des Barverkaufs - wie zum Einzug von den Debitoren gestundeten Kaufpreisforderungen ermächtigt. Ist das so, dann kann es dem Lieferanten nach zutreffender Ansicht des BGH [vgl. a.a.O.] gleichgültig sein, ob sein Abkäufer das Geld vom Debitor oder als Barvorschuß von seinem Factor erhält. Die bei der Barbevorschussung durch den Factor getätigten Einbehalte sieht der B G H als aus der Sicht der Lieferanten vernachlässigbar an, da die

an

den

Factor

abgetretenen

Debitorenforderungen

regelmäßig höher sind als die Lieferantenforderungen, so daß der Abkäufer mit dem Barvorschuß des Factors hinreichend Mittel erhält, um die Lieferantenrechnung bezahlen zu können [vgl. BGH NJW 1978, 1972]. Die dem Abkäufer/FactoringKlienten

von

seinem

Lieferanten

erteilte

Einziehungs-

ermächtigung ist also dahin auszulegen, daß sie auch die Abtretung der Debitorenforderung an einen Factor mitumfaßt.

I. Kollision von Facloring-Globalzession Eigentumsvorbehalt

Die für diese Interpretation

der

und verlängertem

437

Einziehungsermächtigung

letztlich maßgebliche wirtschaftliche Betrachtungsweise (für einen 'vernünftigen' Lieferanten kann es letztlich nur darum gehen, daß sein Abkäufer sich durch Realisierung von Außenständen die für die Begleichung der Lieferantenrechnung notwendige Liquidität verschafft) führt noch einen Schritt weiter: D e n n dann muß der Abkäufer auch als ermächtigt gelten, die dem Lieferanten bereits zuvor zur Sicherung von dessen Kaufpreisforderung abgetretenen

Debitorenforderungen in

eine

spätere Factoring-Zession mit einzubeziehen, so daß es im Ergebnis keinen Unterschied machen kann, ob die FactoringGlobalzession gegenüber dem verlängerten Eigentumsvorbehalt zeitlich vorrangig oder nachrangig ist [vgl. i.d.S. ausf. Martinek, a.a.O., § 11 IV, 1], Entscheidend für Wirksamkeit und Bestand der FactoringGlobalzession gegenüber dem verlängerten Eigentumsvorbehalt ist für den B G H [vgl. B G H NJW 1977, 2208; NJW 1978, 1972] alleine, daß der Klient den Kaufpreis für die verkaufte und abgetretene Forderung (Barvorschuß) vom Factor sofort und endgültig erhält, denn nur dann ist die Sachlage die nämliche wie im Fall der Einziehung der dem Lieferanten abgetrenen Debitorenforderungen durch den Käufer/Klienten: D e r Klient verfügt dann über die Mittel, die Lieferantenrechnungen bezahlen zu können; ob er es auch wirklich tut, ist für den Bestand der Factoring-Globalzession unerheblich, das Risiko der anderweitigen Verwendung der erhaltenen Mittel durch den Klienten trägt im einen wie im anderen Fall der Lieferant [vgl. B G H NJW 1978, 1972],

438

Neuntes Kapitel: Zusammentreffen von Sicheningsrechten und Factoring-Zessionen

Den Factor trifft hinsichtlich der Weiterleitung der erhaltenen Mittel durch den Klienten an den Lieferanten grundsätzlich keinerlei Kontroll- und Überwachungspflichten, insbesondere kann die Nichtvornahme von Weiterleitungskontrollen durch den Factor auch nicht die Anwendbarkeit der Vertragsbruchtheorie auf die Factoring-Globalzession begründen [vgl. BGH NJW 1987, 1879; Martinek, a.a.O., § 11 IV, 2], Der BGH [vgl. B G H NJW 1977, 2207; NJW 1987, 1879] hält den Factor zur Vornahme von Schutzmaßnahmen erst dann für verpflichtet, wenn der Klient seinen Verpflichtungen gegenüber den Lieferanten erkennbar nicht nachkommt, wobei als Schutzmaßnahme etwa die Einrichtung eines Lieferanten-Sperrkontos in Betracht kommt [vgl. BGH, a.a.O.]. Die dargestellte Lösung der Kollision zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession im Rahmen des echten Factoring durch den BGH und die h.M. im Schrifttum ist nun allerdings nicht unproblematisch und hat deshalb zum Teil heftige Kritik erfahren [vgl. etwa Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 690; Peters-Wiechmann NJW, 1985, 2933; dies. ZIP 1982, 1407]. Nicht ganz zu unrecht wird darauf hingewiesen, daß es aus der Sicht der Lieferanten schon einen Unterschied macht, "ob ein Unternehmen mit Einverständnis des Lieferanten auch Bargeschäfte tätigt, oder ob es sich (durch das Factoring, d. Verf.) seiner gesamten Außenstände dauerhaft entkleidet" [so Pottschmidt-Rohr, a.a.O.] mit der Folge, daß - da Sachwerte meist mit anderen Sicherungsrechten belastet sein werden - die Lieferanten eine masselose Insolvenz befürchten müssen. Der Grund für diese Befürchtung liegt jedoch letztlich in der notorisch geringen Eigenkapitalausstattung der Unternehmen. Die-

I. Kollision von Factoring-Globalzession Eigenlumsvorbehalt

und verlängertem

439

ses Problem wird man jedoch schwerlich dadurch

lösen

können, daß man den Unternehmen - und das wäre ja die Konsequenz der von den Kritikern der BGH-Rechtsprechung befürworteten Anwendung der Vertragsbruchtheorie auch auf den zur Rede stehenden Kollisionsfall - die Teilnahme am Factoring verwehrt [vgl. i.d.S. und gegen die Kritik am BGH auch Martinek, a.a.O., § 11 III, 5]. Es besteht im Gegenteil Grund zu der Annahme, daß die durch die Teilnahme am Factoring erlangte - umsatzkongruente

- Liquidität

eher

insolvenzvermeidend wirkt.

2.

Kollision beim unechten Factoring

Das unechte Factoring ist mit dem BGH und der h.M. in der Literatur als Kreditgeschäft zu qualifizieren, da der Factor hier das Delkredere-Risiko nicht übernimmt: Der vom Factor an den Klienten gezahlte Barvorschuß ist als Darlehen anzusehen, denn der Factor nimmt bei Nicht-Beitreibbarkeit der abgetretenen Forderung eine entsprechende Rückbelastung des Klientenkontos vor. Auf der Grundlage dieser Rechtsnaturbestimmung ist es dann nur folgerichtig, wenn der BGH [im Anschluß an Serrick, vgl. Serrick NJW 1981, 797] auf die Kollision von verlängertem Eigentumsvorbehalt und der im Rahmen des unechten Factoring vorgenommenen Globalzession die Vertragsbruchtheorie anwendet [vgl. BGH NJW 1982, 165], Denn die Interessenlage ist die gleiche wie bei der kreditsichernden Globalzession: Hier wie dort sichert die abgetretenen Forderung einen Darlehens-

440

Neuntes Kapitel: Zusammentreffen von SiclierungsreclUen Factoring-Zessionen

und

rückforderungsanspruch mit der Folge, daß im Falle des Konkurses des Klienten der Factor - wie die Bank bei der kreditsichernden Globalzession - mit seinen infolge Nicht-Betreibbarkeit der ihm abgetretenen Forderungen (etwa wegen Konkurs des Debitors) entstandenen Rückforderungsansprüchen als Konkursgläubiger mit den Lieferanten in Konkurrenz tritt, was zu einer Verkürzung der Konkursquote führt. Diese Konkurrenzsituation - die die Lieferanten sicher nicht begrüßen - tritt beim echten Factoring nicht auf, da dort die Factoringzession eine endgültige ist, Rückforderungsansprüche des Factors also regelmäßig nicht (sieht man von dem eher seltenen Fall der fehlenden Verität der abgetretenen Forderung ab) entstehen. Die Anwendung der Vertragsbruchtheorie auf das unechte Factoring führt zur Nichtigkeit der gegenüber dem verlängerten Eigentumsvorbehalt zeitlich vorrangigen Factoring-Globalzession nach § 138 BGB (die zeitlich nachrangige FactoringZession geht wegen des auch hier geltenden Priotitätsgrundsatzes sowieso ins Leere), da der Factor seinen Klienten durch die Globalzession in sittenwidriger Weise zum Vertragsbruch gegenüber seinen Lieferanten verleitet. Die Globalzession beim unechten Factoring kann dem Urteil der Sittenwidrigkeit dann nur dadurch entgehen, daß die - später - dem verlängerten Eigentumsvorbehalt unterfallenden Forderungen

durch

eine dingliche Teilverzichtsklausel (vgl. dazu oben Kap. 8, III a.E.) aus der Factoringzession herausgenommen werden. Zieht der Factor die Debitorenforderung trotz Nichtigkeit der Abtretung beim Drittschuldner ein, so schuldet er dem Lieferanten als dem wahren Forderungsgläubiger Herausgabe des

I. Kollision von Factoring-Globalzession Eigentumsvorbehalt

und verlängertem

441

erlangten Betrages als ungerechtfertigter Bereicherung nach § 816 Abs. 2 BGB. Das gleiche gilt für die - ins Leere gegangene - zeitlich nachrangige (unechte) Factoring-Globalzession. Denn die dem Klienten von seinen Lieferanten bezüglich der Debitorenforderungen erteilte Einziehungsermächtigung kann unter der Herrschaft der Vertragsbruchtheorie keinesfalls als Befugnis zum unechten Factoring ausgelegt werden [vgl. Martinek, a.a.O., § 11 V, 1 a.E.; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 688 a.E.]. Die Lösung des zur Rede stehenden Kollisionsproblems mittels der Vertragsbruchtheorie wird auch (neben dem BGH) von der wohl h.M. im Schrifttum präferiert [vgl. grdl. Serick NJW 1981, 797; ders. NJW 1987, 1878; Martinek, a.a.O., § 11 VI, 1; Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 688, je m.w.N.; Baur-Stürner, Sachenrecht, a.a.O., § 59 VII, 1], ist aber immer noch heftig umstritten. So plädieren einige Autoren für eine Gleichbehandlung von echtem und unechtem Factoring dahingehend, daß auch auf das unechte Factoring die Vertragsbruchtheorie nicht angewendet werden soll [vgl. insbes. Canaris NJW 1981, 250 ff.; ders. Bankvertragsrecht, a.a.O., RNr. 1686; Blaurock NJW, 1978, 1975; Stoppok in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 100; kritisch gegenüber der BGH-Rechtsprechung auch ReinickeTiedtke, Kaufrecht, a.a.O., S. 396 ff.]. Zur Begründung der Gleichstellungsforderung wird im wesentlichen auf den Umstand abgehoben, daß die mit dem Barvorschuß des Factors bewirkte Verschaffung liquider Mittel an den Klienten in beiden Fällen - beim echten wie beim unechten Factoring - gegeben sei; auf den je unterschiedlichen Rechtsgrund - Kaufver-

442

Neuntes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten und Factoring-Zessionen

trag beim echten, Darlehensvertrag beim unechten Factoring könne es nicht ankommen [vgl. etwa Canaris, a.a.O.]. Der Lieferant habe auch beim unechten Factoring die Chance, aus dem bevorschußten Betrag seine Lieferung bezahlt zu erhalten [vgl. Stoppok, a.a.O.]. Es wäre nun in der Tat problematisch, die unterschiedliche Behandlung der beiden Factoringformen beim Zusammentreffen mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt formal aus der dem Barvorschuß zugrundeliegenden causa abzuleiten. Letztlich kann nur die Interessenlage der Beteiligten entscheiden. Insofern muß die oben angesprochene, unterschiedliche Interessenkonstellation im Falle des Klientenkonkurses - zugespitzt in der Situation des 'Doppelkonkurses' von Klient und dessen Debitor - in den beiden Factoringformen die entscheidende Rolle bei der Problemlösung spielen: Die beim unechten Factoring im Klientenkonkurs durch Hinzutreten des Factors als Konkursgläubiger

- er kann aufgrund der

Globalzession

Hauptkonkursgläubiger sein - zu Lasten der Lieferanten bewirkte Verkürzung der Konkursquote rechtfertigt die Anwendung der Vertragsbruchtheorie auf (lediglich) das unechte Factoring und die damit einhergehende Ungleichbehandlung der beiden Factoringarten [vgl. i.d.S. und zur Kritik an der Gegenmeinung von Canaris: Martinek, a.a.O., § 11 V, 2]. Die Rechtsprechung des BGH ist indes - wie leicht vorstellbar nicht ohne Auswirkung auf die Geschäftstätigkeit der Factoring-Institute geblieben: Sicherlich infolge der Anwendung der Verragsbruchtheorie durch den BGH wird unechtes Factoring heute kaum noch angeboten. Dies ist aus Unternehmenssicht

I. Kollision von Factoring-Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt

443

zu bedauern, denn das unechte Factoring ist gegenüber dem echten nicht unerheblich kostengünstiger, da hier wegen der NichtÜbernahme des Bonitätsrisikos durch den Factor eine Delkrederegebühr nicht anfällt. Für die Factoringinstitute böte sich die Möglichkeit, mit dinglichen Teilverzichtsklauseln (mit denen die dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Lieferanten unterfallenden Forderungen aus der Factoringzession ausgeklammert werden) zu arbeiten. Von dieser Möglichkeit wird jedoch, soweit ersichtlich, kaum Gebrauch gemacht.

3.

Abtretungsverbote der Lieferanten

Mitunter enthalten die Lieferanten-AGB ein ausdrückliches Abtretungsverbot hinsichtlich der Debitorenforderungen ihres Abkäufers. Dieses Abtretungsverbot ist entweder allgemein gehalten oder verbietet dem Abkäufer explizit die Zession dieser Forderungen an einen Factor. Im Unterschied zu den Abtretungsverboten der Debitoren des Abkäufers und potentiellen Factoring-Klienten (vgl. dazu oben Kap. 7, III, 1) unterfallen diese Lieferanten-Abtretungsverbote jedoch nicht § 399 2. Fall BGB, denn diese Vorschrift umfaßt nur entsprechende Vereinbarungen mit dem Schuldner der 'gesperrten' Forderung. Schuldner der mit dem Lieferanten-Abtretungsverbot gemeinten Forderungen ist jedoch nicht der Abkäufer /Factoring-Klient sondern dessen Debitor(en). Soweit diese Forderungen vom verlängerten Eigentumsvorbehalt des Lieferanten erfaßt werden, sind sie ohnehin an diesen abgetreten, der Abkäufer ist nicht mehr Forderungsinhaber, so daß das Abtretungsverbot ins Leere geht und lediglich als Einschränkung

444

Neuntes Kapitel: Zusammentreffen von Sicherungsrechten und Factoring-Zessionen

der dem Abkäufer erteilten Einziehungsermächtigung nach § 185 BGB dahingehend verstanden werden kann, daß ihm nur der Einzug der Debitorenforderungen gestattet ist, nicht aber deren Abtretung an einen Factor. Soweit eine derartige AGBKlausel des Lieferanten allgemein gehalten ist, also kein explizites Factoringverbot enthält, muß sie mit dem BGH [vgl. B G H NJW 1978, 1974] dahin ausgelegt werden, daß das Abtretungsverbot nur kreditsichernde Zessionen, nicht aber FactoringZessionen erfassen will; denn die Interessenlage des Grundkonfliktes zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Factoring-Globalzession bleibt ja auch bei Verwendung des Abtretungsverbotes durch den Lieferanten die gleiche: Ihm muß es gleichgültig sein, ob sein Abkäufer sich Liquidität durch Einzug der Debitorenforderungen oder Teinahme am (echten) Factoring verschafft [Barkauftheorie, vgl. i.d.S. auch

Martinek,

a.a.O., § 121, 1], Ist die Lieferantenklausel ausdrücklich als Factoringverbot formuliert - dies sind äußerst seltene Fälle, da offenbar auch die Lieferanten eingesehen haben, daß die Teilnahme ihres Abkäufers am Factoringverfahren die Chancen auf Erhalt ihrer Kaufpreise eher bessert - so ist diese Klausel wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG als nichtig anzusehen [h.M. vgl. Canaris NJW 1981, 254; Bette-Marwede BB 1979, 125; Graf von Westphalen DB 1978, 69 f.; Blaurock in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 119; Martinek, a.a.O., § 12 I, 1], Denn das Factoringverbot stellt eine unangemessene Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Unternehmers dar, die je sinnvollen Finanzierungsentscheidungen treffen zu können [zutr. Canaris, a.a.O.: "skandalöse Mißachtung der Interessen des

II. Zusammentreffen von kreditsichemder Globalzession Factoring-Globalzession

und

445

Vorbehaltskäufers". Der BGH hat, soweit ersichtlich, zum Problem bisher noch nicht Stellung genommen]. Die Nichtigkeit des Factoring-Abtretungsverbotes macht den Weg dahin frei, auch hier die dem Abkäufer vom Lieferanten erteilte Einziehungsermächtigung als Abtretungsermächtigung auszulegen; der u.U. dem entgegenstehende Wille des Lieferanten ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unbeachtlich, da es widersprüchlich wäre, dem Abkäufer einerseits die Beschaffung barer Mittel durch Einzug der Drittforderungen zu gestatten, ihn andererseits aber an der dem gleichen Zweck dienenden Teilnahme am (echten) Factoring zu hindern [vgl. i.d.S. auch Martinek, a.a.O., § 12 I, 2; s.a. Bette in: Hagenmüller-Sommer, a.a.O., S. 115].

II.

Zusammentreffen von kreditsichernder Globalzession und Factoring-Globalzession

Kollidiert die kreditsichernde Globalzession mit einer im Rahmen des unechten Factoring vorgenommenen Globalzession, so führt die Erkenntnis, daß die Zession beim unechten Factoring ebenfalls kreditsichernde Funktion hat, rasch zur Lösung des Konflikts: Konkurrieren zwei kreditsichernde Zessionen miteinander, so gilt das reine Prioritätsprinzip, d.h. die zeitlich vorrangige Abtretung hat Gültigkeit, so daß die zeitlich nachrangige ins Leere geht; für eine Anwendung der Vertragsbruchtheorie besteht kein Anlaß. Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum will das Prioritätsprinzip - ohne Korrektur - auch auf die Kollision der kredit-

446

Neuntes Kapitel: Zusammentreffen Factoring-Zession

von Sicherungsrechten en

und

sichernden Globalzession mit der im Rahmen des echten Factoring vorgenommenen Globalzession anwenden [vgl. Pottschmidt-Rohr, a.a.O., RNr. 691 m.w.N.]. Das würde bedeuten, daß die zeitlich nachrangige Factoring-Globalzession ins Leere geht. Richtigerweise ist jedoch zu fragen, ob nicht auch die dem Kreditnehmer/Factoring-Klient von der kreditgebenden Bank hinsichtlich der ihr zur Sicherheit zedierten Drittforderungen erteilte Einziehungsermächtigung - wie im Falle der Kollision von verlängertem

Eigentumsvorbehalt

und

Factoring-Glo-

balzession die Lieferanten-Einziehungsermächtigung - dahin ausgelegt werden kann, daß sie auch die Gestattung der Factoringzession mitumfaßt. Der BGH [vgl. BGH NJW 1980, 773] hat die Frage verneint mit der Begründung, anders als der Warenlieferant müsse die kreditgebende Bank auf das gesamte Sicherungsvolumen zurückgreifen können; dieses werde aber durch die vom Factor einbehaltenen Gebühren etc. nicht unerheblich gemindert, da den Factoring-Klienten der Gegenwert für die angekauften Forderungen regelmäßig um 10% bis 20% verkürzt gutgeschrieben werde. Da damit das Sicherungsinteresse der Bank nicht ausreichend gewahrt sei, sei ihre dem Kreditnehmer erteilte Ermächtigung darauf beschränkt, von dem Drittschuldner Barzahlungen oder bargeldgleiche Leistungen entgegenzunehmen. Das vermag nicht unbedingt zu überzeugen. Denn auch bei Barverkäufen ihres Kreditnehmers kann die Bank nicht immer sicher sein, daß die Bareinnahmen ihr Sicherungsvolumen voll abdecken, wie es etwa dann der Fall ist, wenn der Kreditnehmer - wozu er im Rahmen seiner Geschäftspolitik befugt ist unter Einstandspreis verkauft. Auch die Forderungen des Wa-

II. Zusammentreffen von kredilsichernder Globalzession und Factoring-Globalzession

447

renlieferanten können in einem solchen Fall 'untersichert' sein. Es sind deshalb die Einziehungsermächtigungen von Warenlieferant und kreditgewährender Bank gleich zu behandeln und auch die Ermächtigung der Bank dahin auszulegen, daß sie auch die Teilnahme am (echten) Factoring gestattet [so auch Martinek, a.a.O., § 11 VII; Canaris NJW 1981, 253 FN 42], Die Globalzession im Rahmen des echten Factoring hat damit auch gegenüber der zeitlich vorrangigen balzession Bestand.

kreditsichernden

Glo-

Literaturverzeichnis

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Literaturverzeichnis

Reinicke-Tiedtke Reinicke-Tiedtke SchlegelbergerHefermehl Schmelz Schmidt, Karsten Schwab-Prutting Stauder Tacke Weber, Hj WestermannEickmann Westermann-Gursky Zöller Zöllner

451

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Stichwortverzeichnis

Abfindungshypothek 254 Abstraktionsprinzip 109 ff. Abtretungsverbot 202 ff., 443 ff. Akkreditiv 47 ff. Akzeptkredit 44 ff. Akzessorietätsprinzip 54 -Bürgschaft 69ff. - Grundpfandrechte 255 f. -Hypothek 266,282 - Grundschuld 298, 308 -Pfandrecht 146 f. - Sicherungsabtretung 201 Andienungsrecht 330 Anleihe 17 ff. Anrechnungsvereinbarung 305 Anwartschaftsrecht 229 ff. - Pfändung 234 - praktische Ausgestaltung 232 ff. Anzahlungsgarantie 96 Ausbietungsgarantie 98 Ausfallbürgschaft 87 Ausstattungsgarantie 104 Avalkredit 49 Bankakzept 44 f. Bankgarantie 95 -Anzahlungs- 96 - Bietungs- 96 - Konossements- 96 -Zahlungs- 96 Besitz 114 ff. -mittelbarer 118 ff. -unmittelbarer 114 ff. Besitzberechtigung 120 f. Besitzentziehung 116 Besitzerlangung 115 Besitzkonstitut 126 f. - antizipiertes 181 f.

Besitzschutz 119 Besitzübertragung 122 ff. Bestimmtheitsgrundsatz 178 f. Bietungsgarantie 96 Briefhypothek 258 ff. Buchgrundpfandrecht 298 Buchhypothek 258 ff. Bürgenhaftung 69 ff. - Akzessorietät der 69 ff. - Subsidiarität der 74 ff. Bürgschaft 61 ff. -Ausfall- 87 - Blankett- 65 f. - Höchstbetrags- 83 f. - Erhöhungsklausel 84 - Erlöschen -Mit- 86f. -Rück- 88 -Rückgriffsanspruch 77 ff. - selbstschuldnerische 74, 83 -Teil- 86f. -Vor- 88 -Wechsel- 89 -Zeit- 85 Bürgschaftsauftrag 78 -unentgeltlicher 78 Bürgschaftsvertrag 63 ff. - Form -unwirksamer 66ff. - Zustandekommen! 63 Darlehen 1 ff. - atypisches 411 Darlehensvertrag 3 - atypischer 411 -Nichtigkeit 175 ff. Deckungsgrenze 186 Diskontkredit 38 ff. Drittverweisungsklausel 355

454

Stichwortverzeichnis

Effektenlombard 34 f. Edelmetallombard 34 Eigenservice-Factoring 399 Eigentümerbefugnis 112 Eigentümergrundschuld 260 ff. - erstrangige 309 Eigentum 111 ff. -Eigentumserwerb 140 -Enteignung 114 -Geheißerwerb 123 f. - Sozialbindung 113 - Übertragung 122 ff. - vorläufiges 172,194 -wirtschaftliches 194 Eigentumsgarantie 130 Eigentumsherausgabeanspru ch 120 Eigentumsvorbehalt 181 f., 219 ff. -Begründung 221 ff. - einseitig erklärter 223 ff. - Erlöschen 235 f. - erweiterter 237 ff. - im Konkurs 244 ff. - in Zwangsvollstreckung 242 ff. - nachgeschalteter 236 -Rückholrecht 227f. -Rücktrittsrecht 227f. - Verarbeitung 140 ff. - fremdwirkende 141 -vereinbarter 221 - verlängerter 239 ff. -vertragswidriger 225 - Verwertungsrecht 220 -weitergeleiteter 236 Einziehungsermächtigung 202, 205 ff., 436 f. Erbteilungshypothek 254 Export-Factoring 400

Factoring 393 ff. -Barkauftheorie 436 - Debitoren-Abtretungsverbot 413 ff., 443 ff. - Debitoren-Aufrechnung 416 ff. -Delkredererisiko 393 -echtes 394f. -Eigenservice- 399 - Export- 400 - Fälligkeits- 399 - Funktionen - Dienstleistungs- 395 -Delkredere- 395 - Liquiditäts- 395 - Globalzession 409 -halboffenes 398 -Inhouse- 399 -Kostendes 400 -offenes 397f. - Rahmenvertrag 403 ff. -unechtes 396 - verdecktes 397 f. Finanzierungsleasing 313 ff. Finanzwechsel 45 Garantie 90 ff. -Bank- 95 ff. -Leistungs- 98 -Lieferungs- 98 -selbständige 92 -unselbständige 92 - Ausbietungs- 98 -Verhaltens- 98 Garantievertrag 90 ff. Gegenstand 108 -körperlich 108 -unkörperlich 108 Geheißerwerb 123 f. Geldkredit 17 ff. Gesamthypothek 284 Gesellschafterdarlehen 27 ff.

Stichwortverzeichnis

-imKonkurs 29 Globalzession 209 ff., 430 ff. Grundpfandrechte 250 ff. - Briefgrundpfandrecht 298 - Buchgrundpfandrecht 298 Grundschuld 250 ff., 287 ff. - Rückübertragungsanspruch 305 f. - Tilgung 303 f. - Übertragung 301 ff. - Unwirksamkeit 294 f. Grundschuldbestellung 290 ff., 296 ff. Grundschuldbrief 302 Grundschuldhaftung 307 f. Hersteller-Leasing 334 ff. Höchstbetragsbürgschaft 83 - Erhöhungsklausel 84 Höchstbetragshypothek 383 f Hypothek 257 ff. -Abfindungs- 254 - Bestellung der 257 ff. - Brief- 258 ff. - Buch- 258 ff. - Erbteilungs- 254 - Erlöschen der 281 f. - Fälligkeits- 278 -Gesamt- 284f. - Kündigungs- 278 -Mitlaufgebot 265 -Restkaufgeld- 253 - Sicherungs- 282 f. - Verkehrs- 257 f. -Wertpapier- 285 f. Hypothekenbrief 258 Hypothekenhaftung 269 ff.

455

Immobilienleasing 313, 334 Industrieobligation 17 ff. - Wandelschuldverschreibung 19 Inhaberpapier 18 Knebelung 24, 57 ff. Kollision von - Globalzession/ Eigentumsvorbehalt 4 29 ff. - Factoring/Globalzession 435 ff. - Sicherungsübereignung/Eigentumsvorbehalt 423 ff. - Sicherungsübereignung/ Pfandrecht 428 ff. Kommunalobligation 17 Konossementsgarantie 96 Konsumentenkredit 1, 24 Konsumenten-Leasing 313 Kontokorrentkredit 31 ff. Kredit 1 ff. -Abtretungsverbot 14 - Akzept- 44 ff. -Aval- 49 - Diskont- 38 ff. - gewerblicher 24 -Kontokorrent- 31 ff. - Kündigung 25 -kurzfristiger 30ff. - langfristiger 17 ff. - Lieferanten- 30 f. - Lombard- 33 ff. -Rembours- 47ff. - revolvierender 12, 33 Kreditauftrag 102 Krediteröffnungsvertrag 5 ff. -Abrufrecht 12 ff. - Beendigung 8 ff.

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Stichwortverzeichnis

- Begründung 6 ff. - Begriff 6 ff. - im Konkurs 16 -Kündigung 8ff. - Pfändung 14 f. - Unwirksamkeit 11 ff. Kreditleihe 43 Kredittäuschung 57 ff. Kündigungshypothek 278 Leasing 311 ff. - Drittverweisungsklausel 355 - Finanzierungs- 313 ff. -first-hand- 313 -gewerbliches 313 -Hersteller- 334ff. - Immobilien- 313 - im Konkurs 388 ff. - in Zwangsvollstreckung 387 f. -Konsumenten- 313 - Mobilien- 313 - Operating- 315 ff. - steuerliche Aspekte 323 ff. - sale-and-lease-backGeschäft 337 f. -second-hand 313 Leasing-Erlasse 324 Leasingvertrag 312 - Beendigung 373 ff. - Leistungsstörungen 348 ff. - mit Kaufoption 328 - mit Mietverlängerungsoption 328 f. - Preisgefahr 344 -Sachgefahr 314,344 - Teilamortisationsvertrag 329 f.

- Vollamortisationsvertrag 328 f. Leistungsgarantie 98 Lieferantenkredit 30 f. Lieferungsgarantie 98 Listenvertrag 179 Lombardkredit 33 ff. - echter 34 - Edelmetallombard 34 - Effektenlombard 34 - Forderungslombard 34 -unechter 34 - Wechsellombard 34 Mantelzession 209 ff. Markierungsvertrag 179 Mitbürgschaft 86 Nachbürgschaft 88 Negativerklärung 22,105 ff. Nießbrauch 112 Obligation 17 Orderpapier 18, 37 Patronatserklärung 103 f. - Ausstattungsgarantie 104 -harte 104 -weiche 104 Personalsicherheiten 61 ff. Pfandgegenstand 158 Pfandrecht 143 ff. - am Anwartschaftsrecht 234 - an beweglichen Sachen 146 f. - an eigener Schuld 154

Stichwortverzeichnis

- an Rechten 153 ff. - Begründung des 149 ff., 155 ff. -gesetzliches 144 - im Konkurs 159 ff. - in Zwangsvollstreckung 158 ff. - Pfändungs- 144 -vertragliches 144 - Verwertungsrecht 151 ff, 157 f. Pfandrechtsbestellung 149 ff. Pfandreife 151 ff. Pfändungspfandrecht 144 Pfandverkauf 152,190 Pfandverwertung 157 Prioritätsprinzip 431,445 Raumsicherungsvertrag 179 Realsicherheiten 107 ff. Rektapapier 156 Rembourskredit 47 ff. Restkaufgeldhypothek 253 Revalierung 44 Rückbürgschaft 88 Rückgriffsanspruch 77 Rückubereignungsanspruch - schuldrechtlicher 185 Rückübereignungsklausel 185 Sachbegriff 108 f. Sachen 108 -bewegliche 108 -unbewegliche 108 Sachenrecht 115 Scheinbestandteil 148 Schuldbeitritt 99 Schuldmitübernahme 98 ff. Schuldscheindarlehen 20 -direktes 20

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-indirektes 20 - revolvierendes 22 Schuldverschreibung 17 Sicherungsabrede 52 f f , 261 f f , 290 ff. - Anrechnungsvereinbarung 304 -Bestellabrede 290 -Nichtigkeit 176 f. - Sicherungszweckerklärung 290 - Unwirksamkeit 56 ff. - Zustandekommen 55 ff. Sicherungsabtretung 197 ff. -Abtretungsverbot 204 - auflösend bedingte 214 Einziehungsermächti gung 205 - Gegenstand 201 - im Konkurs 217 ff. - in Zwangsvollstreckung 217 ff. -Verwertungsrecht 216 -Verwertungsreife 200 Sicherungseigentum 164, 170 f. Sicherungsgrundschuld 256, 287 ff. Sicherungshypothek 282 f. Sicherungsübereignung 162 ff. - auflösend bedingte 183 -im Konkurs 194 ff. - in Zwangsvollstreckung 191 ff. -Listenvertrag 179 - Markierungsvertrag 179 -Nichtigkeit 175 ff. - Raumsicherungsvertrag 179 - Verwertung 187 ff. -vorweggenommene 180

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Stichwortverzeichnis

Sola-Wechsel 37 Teilamortisationsvertrag 329 f. Teilbürgschaft 87 Teilverzichtsklausel 432 - dingliche 440 Trennungsprinzip 109 ff. Treuhandeigentum 189 Treuhandgeschäft 172 Übereignung 122 - bedingte 221 -Übergabe 122 - Übergabe-Surrogation 125 Übersicherung 58,186 Verarbeitungsbefugnis 180 Verarbeitungsklausel 142, 239 Veräußerungsbefugnis 180 Verhaltensgarantie 98 Vermieterpfandrecht 135 f. Verkehrshypothek 257 ff. Vertragsbruchtheorie 435 ff. - Teilverzichtsklausel 432 Vertragsfreiheit 90 ff. Vindikationsanspruch 230 Vollamortisationsvertrag 328 f. Vorbürgschaft 87 Wandelschuldverschreibung 19 Warenlombard 34 Warenwechsel 45 Wechsel 35 ff. -Akzeptanten- 41 -Bankakzept 44f.

-Finanz- 45 -gezogener 37 -Indossament 37 -Indossant 38 -Regreßhaftung 38 -Remittent 37 - Sola-Wechsel 37 - Sprungregreß 38 -Tratte 37 - Waren- 45 - Wechsel-ScheckVerfahren 41 Wechselbürgschaft 89 Wertpapierhypothek 285 f. Zahlungsgarantie 96 Zeitbürgschaft 85 Zession 205 - offene 205 -stille 206