Quantenphysik und Esoterik: Über die innere Notwendigkeit renitenten Randgeschehens für die Autopoiesis von Funktionssystemen 9783839438961

The Esoterics claim quantum physics in a communicative way yet these two areas are more alike than you would notice at f

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German Pages 280 Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Fragestellungen
Der Begriff Quantenphysik
Esoterik und die Problematik einer angemessenen Begriffsfindung
Esoterik als Diskursfeld
Analogien und Metaphern in Religion und Wissenschaft
Lichtäther – eine historische Annäherung
Kontraste und Kontexturen quantenphysikalischer Begriffe und Neologismen in verschiedenen Systemen am Beispiel des Begriffes „Quantenheilung“
Die sogenannte „Zwei-Punkt-Methode“
Wissenschaft und Esoterik – eine künstliche Abgrenzung?
Kommunikationen in der Quantenphysik
Theoretischer Rahmen
Vertrauen
Bereiche qualitativer Forschung
Schnittstellen-Phänomene
Das Teilsystem Physik
Die Problem-Lösung-Struktur esoterischer Kommunikationen über Quantenphysik
Zwischenergebnisse
Problem-Lösung-Konstellationen in Esoterik und Quantenphysik als exemplarische Beispiele für Randgeschehen in Funktionssystemen
Die Metapher des blinden Flecks
Randgeschehen in Systemen
Abschließende Bemerkungen und Ausblick
Literatur
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Quantenphysik und Esoterik: Über die innere Notwendigkeit renitenten Randgeschehens für die Autopoiesis von Funktionssystemen
 9783839438961

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Lisa Jane Klotz Quantenphysik und Esoterik

Diese Arbeit widme ich von ganzem Herzen meinem geliebten Ehemann Günter Klaus In Liebe

Lisa Jane Klotz (Dr. phil.), geb. 1976, arbeitet als freie Lehrbeauftragte. Sie hat Soziologie, Ethnologie und Religionswissenschaften studiert. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Wissens- und Wissenschaftssoziologie, Science and Technology Studies, Kultur- und Religionssoziologie sowie die Konstruktion von Mensch-Tier-Maschinen-Verhältnissen.

Lisa Jane Klotz

Quantenphysik und Esoterik Über die innere Notwendigkeit renitenten Randgeschehens für die Autopoiesis von Funktionssystemen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © Lisa Jane Klotz Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Bielefeld Print-ISBN 978-3-8376-3896-7 PDF-ISBN 978-3-8394-3896-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort | 7 Einleitung | 9 Fragestellungen | 15 Der Begriff Quantenphysik | 19 Esoterik und die Problematik einer angemessenen Begriffsfindung | 31 Esoterik als Diskursfeld | 43 Analogien und Metaphern in Religion und Wissenschaft | 55 Lichtäther – eine historische Annäherung | 69 Kontraste und Kontexturen quantenphysikalischer Begriffe und Neologismen in verschiedenen Systemen am Beispiel des Begriffes „Quantenheilung“ | 75 Die sogenannte „Zwei-Punkt-Methode“ | 89 Wissenschaft und Esoterik – eine künstliche Abgrenzung? | 92 Kommunikationen in der Quantenphysik | 107 Theoretischer Rahmen | 115 Vertrauen | 121 Bereiche qualitativer Forschung | 133

Esoterik, Wissenschaft und Quantenphysik im LuhmannȀschen Sinne | 133 Esoterische Bereiche | 135 Das „(...) Institut“ | 135 Die Esoteriktage in München | 142

Schnittstellen-Phänomene | 145 Das Teilsystem Physik | 155 Paradoxien | 155

Die HeisenbergȀsche Unschärferelation | 157 Die Wellenfunktion ψ und das Doppelspaltexperiment | 163 Das EPR-Paradoxon und die Verschränkung | 164 Nichtlokalität | 167 Superposition | 170 Interpretationen | 172 Die Kopenhagener Deutung | 172 Die BohmȀsche Mechanik | 174 Die Multiversen-Theorie von Hugh Everett | 178 QCC – Quantum Correlates of Consciousness | 180 Semantische Potentiale der Quantenphysik | 180 Die Problem-Lösung-Struktur esoterischer Kommunikationen über Quantenphysik | 187 Zwischenergebnisse | 191

Der Glaube an „die Wahrheit“ des jeweils unsichtbaren Gegenstands | 191 Parallelen in den Methoden der indirekten Überzeugung | 197 Interpretationen in beiden Funktionssystemen | 201 Reduktion von Weltkomplexität bei gleichzeitiger Erhöhung von Eigenkomplexität | 203 Zwei gar nicht so unterschiedliche Simulationen von Verstehen und Erklären | 206 Problem-Lösung-Konstellationen in Esoterik und Quantenphysik als exemplarische Beispiele für Randgeschehen in Funktionssystemen | 211 Die Metapher des blinden Flecks | 219

Der blinde Fleck im Diskursfeld der Esoterik | 222 Der blinde Fleck der Quantenphysik | 224 Der blinde Fleck der Systemtheorie | 229 Der blinde Fleck in den Wissenschaften | 232 Randgeschehen in Systemen | 235 Abschließende Bemerkungen und Ausblick | 253 Literatur | 257

Vorwort

Während der Vorbereitung auf die Magisterprüfung im Nebenfach „Vergleichende Religionswissenschaft“ unternahm ich einige Ausflüge ins spirituellesoterische Feld. Begegnet sind mir dort zahlreiche Menschen, die in allen möglichen Schattierungen Elemente aus der Quantenphysik heranziehen, um diese an ihr Weltbild zu knüpfen. Die große Anzahl derartiger Querverbindungen sowie deren Unstimmigkeiten1 mit dem Lehrstoff, den ich während mehrerer Semester als Gasthörerin in Vorlesungen, Übungen und Seminaren zur Quantenphysik parallel zu meinem Studium kennengelernt hatte, gaben den Ausschlag, mich damit tiefer und intensiver während meiner Promotion auseinanderzusetzen. Meinem Doktorvater, Prof. Dr. Armin Nassehi, möchte ich für die Betreuung meinen Dank aussprechen. Er ließ sich von meiner Begeisterung für das Thema anstecken. Bedanken möchte ich mich auch aus ganzem Herzen bei meinem geliebten Mann, der mich immer unterstützt und meine Arbeit sehr überzeugend findet. Meinem Mann verdanke ich darüber hinaus im Rahmen längerer intensiver Diskussionen erfrischende und wertvolle Impulse sowie kritische Nachfragen. Ihm widme ich meine Arbeit. Schließlich gebührt mein Dank auch und vor allem der Offenheit und Unvoreingenommenheit zahlreicher Physiker und esoterisch-spirituell Gläubiger, denen ich zuhören durfte, die mir geduldig und offen meine Fragen beantworteten und mir in langen offenen Gesprächen einen Einblick in ihren jeweiligen Bereich ermöglichten. Vielen herzlichen Dank. Diese Arbeit entstand als Dissertationsschrift an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) am Institut für Soziologie. Ein anonymer Interviewpartner notierte auf einem meiner Fragebö-

1

Daß solche Unstimmigkeiten logisch sind und sein müssen, ergibt sich besonders durch einen systemtheoretisch angeregten Hintergrund der Untersuchungen im Feld, worauf ich später noch genauer eingehen werde.

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gen zum Unterschied der Methoden von Quantenphysik zu klassischer Physik folgendes: „Die Quantenphysik kommt ohne Geist nicht aus.“

Einleitung

Der Begriff Quantenphysik umfaßt eine Sammlung von Theorien, die mathematisch hoch komplex ausgedrückt werden1 und experimentell sehr genau verifiziert worden sind. „The Quantum Theory is the result of long and successful efforts of physicists to account correctly for an extremely wide range of experimental results, which the previously existing classical theory could not even begin to explain.“ (Bohm 1989: III)2 Die Quantenphysik gilt als ein Spezialbereich der Physik und wird damit den Naturwissenschaften zugeordnet. Dabei laufen gerade einige Theorien, wie zum Beispiel die Heisenbergsche Unschärferelation die besagt, daß niemals Ort und Impuls eines Teilchens gleichzeitig exakt bestimmbar sind, und Interpretationen der Quantenphysik Sturm gegen den klassischen Duktus der „Hard Sciences“. Wenn in der Kopenhagener Deutung3 des

1

Vgl. auch Bohm 1989: 173 ff; Dirac 2001.

2

Siehe hierzu auch Lesch 2010: 665.

3

Es gibt verschiedene Interpretationen des sog. Doppelspaltexperiments und des damit verbundenen Kollaps der Wellenfunktion. Beim klassischen Experiment werden Photonen auf eine Platte mit zwei parallelen Schlitzen geschossen. Dahinter befindet sich eine Photoplatte, die das Auftreffen markiert. Werden mehrere Photonen durchgeschossen, ergibt sich ein Interferenzmuster in Form einer Welle. Dasselbe Interferenzmuster ergibt sich jedoch auch, wenn nur je einzelne Photonen nacheinander abgegeben werden. Das einzelne Photon kann nun nicht mit anderen Photonen interferiert haben, lautet eine Interpretation. Die Welle, mit Hilfe derer das schwingende System probabilistisch berechnet werden konnte, beschreibt die „Aufenthaltswahrscheinlichkeit der wellenschlagenden Partikel“. (vgl. Hoyer/Sallhofer 2007: 8) Eine der vielen weiteren Interpretationen ist die Multiversen- oder Viele-Welten-Theorie, von Hugh Everett eingeführt und von David Deutsch u.a. wieder aufgegriffen. Diese geht aufgrund des sich trotzdem auf der Photoplatte abzeichnenden und als Interferenzmuster interpretierten Welle von einer Interferenz mit „Schattenphotonen“ aus

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Doppelspaltexperiments die Grundfesten der Naturwissenschaft Physik, ihr klassisches Selbstverständnis einer Wissenschaft, die anhand arithmetisch prognostizierbarer und reproduzierbarer Werte verifizierbar ist, erschüttert wird, ist dies – nach Kuhn – Hinweis auf einen Paradigmenwechsel (vgl. Kuhn 1996: 12). Die Frage, ob es noch Sinn macht, von einem Graben zwischen den „Soft Sciences“ und den „harten“ Naturwissenschaften zu sprechen, dürfte, nebenbei bemerkt, weit mehr als konkludent sein, soll aber an dieser Stelle lediglich als parenthetische Anmerkung verstanden werden.4 Der subatomare Bereich des sehr Kleinen wird als Quantenmechanik bezeichnet (vgl. Lesch 2010: 664). Diese hat in vielen Bereichen die Newtonsche Mechanik abgelöst. „This means that, for all cases, the wave equation may be regarded as playing the same fundamental role in quantum theory as Newton`s laws do in classical theory.“ (Bohm 1989: 209) Auf die Wellenfunktion, die aus mehreren Gründen eine zentrale Rolle in der Quantenphysik spielt, wird später noch näher eingegangen. Vorab sei gesagt, daß sich daran Diskussionen um Varianten der Auffassung von Welt, Natur und den Platz des Menschen darin entzünden. Die Wellenfunktion, auch Psi-Funktion oder Schrödingergleichung genannt, besitzt damit einen ontologischen Status. „Aber nur in der Wissenschaft geht es um codierte Wahrheit, nur hier geht es um Beobachtung zweiter Ordnung, nur hier um die Aussage, daß wahre Aussagen eine vorausgehende Prüfung und Verwerfung ihrer etwaigen Unwahrheit implizieren.“ (Luhmann 1992: 274) Die Voraussetzung, daß wahre Aussagen der Möglichkeit bedürfen prinzipiell falsifizierbar zu sein, stellt auch den grundlegenden Unterschied zum System Religion dar, in dem es gerade nicht auf eine dieser beiden Modi ankommt, sondern „Wahrheiten“ aufgrund ihrer Tradition, Überlieferung oder aufgrund besonderer Umstände, wie etwa einer Offenbarung, ihren Anspruch erheben. anderen Universen aus. Es bestehe nicht nur ein Universum sondern ein Multiversum. „For similar reasons, we might think of calling the shadow particle, collectively, a parallel universe, for they too are affected by tangible particles only through interference phenomena.“ (Deutsch 1997: 45; vgl. hierzu auch Carr 2007) 4

„Die Verankerung der Objektwelt in der Praxis der Wissenschaften stellt eine Unterscheidung in Frage, die in der wissenschaftsphilosophischen und wissenschaftsmethodologischen Diskussion der letzten Jahrzehnte dominiert: die Unterscheidung zwischen den Natur- und technologischen Wissenschaften einerseits und den Sozial- bzw. Humanwissenschaften andererseits. Wenn die Welt der Natur wie die Welt der Gesellschaft sozialer Abstammung ist, wenn naturwissenschaftliche Objekte ähnlich gesellschaftlichen Objekten als sozial konstituiert angesehen werden müssen, dann verliert eine Dichotomie ihren Sinn, die die soziale Konstruktion der Wirklichkeit ausschließlich den Wissenschaften vom Menschen zugesteht.“ (Knorr Cetina 2012: 246)

E INLEITUNG

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„Religiöse Kommunikation tritt als immanente Thematisierung transzendenter Instanzen auf [...] [und] beruft sich auf einen Sinn, der von außen – was auch immer als dieses Außen thematisiert wird – an die Welt herantritt und gerade dadurch der Immanenz einen Sinn zu verleihen sich zumutet, der sich aus der Immanenz der Welt selbst nicht gewinnen läßt.“ (Nassehi 1995: 121)

Interessant ist an dieser Stelle die Frage, weswegen die Esoterik im System Religion nun zumindest vordergründig angibt, sich der Verifikation und Falsifikation aus dem System Wissenschaft zu bedienen, um religiöse „Wahrheiten“ zu Wahrheiten machen zu wollen. Ist dabei die Quantenphysik ein adäquates Referenzmodell, das für wissenschaftlich eindeutig belegbare Tatsachen spricht? War bis zum Einstein’schen Paradigmenwechsel die Physik Inbegriff für verläßliche, nachvollziehbare und logische Ergebnisse und Erklärungen, die mitunter durch eigene Beobachtungen im Alltag nachvollzogen und für wahr gehalten werden konnten, so hat sich die Physik des 20. und 21. Jahrhunderts mit ihrem publikums- und monetär5 wirksamen Fachgebiet der Quantenphysik in bestimmten Bereichen in eine Richtung bewegt, die vormals dem Gebiet der Philosophie zugeordnet worden sind6. Die Nachvollziehbarkeit von grundlegenden physikalischen Gesetzen, ebenso wie die häufige Nutzung von modernen Techniken7 auch im Alltag, scheint wieder und wieder als unumstrittener Beweis für den Realitätsbezug der Physik und ihre hohe Prognoserelevanz zu gelten. Wenn im Bereich der Physik Forschungsergebnisse präsentiert werden, wird dem ein signifikant hoher Bedeutungs- und Wahrheitsgehalt beigemessen. In verschiedenen Interpretationen der Quantenphysik wird Wert darauf gelegt, keine absoluten Aussagen mehr machen zu können, sondern Ausgänge von Experimenten mitunter in Probabilitätsamplituden8 auszudrücken. Damit wird auf eben jenen Vertrauens5

Ein Beispiel: laut Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert Deutschland die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) mit jährlich 130 Mio. Euro zuzüglich Fördermittel für den Aufbau der LHC-Experimente in Höhe von 90 Mio. Euro seit Ende der 1990er Jahre. (http://bmbf-fsp.physik.uni-bonn.de/, letzter Aufruf am 01.02.2013)

6

Vgl. u. a. den Beobachtereffekt: „Particles (and other simple, well-isolated systems) seem to behave one way when no one is looking (the odd quantum wave-like way) and another way when someone is“ (Barrett 2001: 2), die Viele-Welten-Theorie (Carr 2007), und das Problem der Kausalität (Bunge 1979).

7

Navigationsgeräte, Halbleitertechnik, Laser etc. (Lesch 2007); siehe hierzu auch:

8

„Born proposed that a particle`s wave function determines the probabilities of finding

Deutsches Museum 2002. that particle at various positions if one looks for it.“ (Barrett 2001: 20)

12 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK

vorschuß zurückgegriffen, der klassischer Physik entgegen gebracht wird, ohne jedoch mit eindeutigen Lösungen9 aufwarten zu können10. Wichtig dabei ist die Unterscheidung von Theorie, mathematischer Explikation und Experiment. Die angelsächsische Kultur der Wissenschaft, sich verständlich auch Nichtwissenschaftlern zu präsentieren, hat mittlerweile auch die deutsche Publikations- und Medienwelt ergriffen. Theoretisch kann auf die Quantenphysik nun rekurriert werden, praktisch nachvollziehen lassen sich die relativistischen Gleichungen aber nach wie vor nur von wissenschaftlich ausgebildeten Quantenphysikern. Es läßt sich jedoch beobachten, daß Begriffe aus der Quantenphysik den Alltag erreicht haben11. Aufgrund längerer Beobachtung und Forschung in verschiedenen Bereichen bemerkte ich einen länger anhaltenden Referenzbezug zu quantenphysikalischen Themen und dies auch in Feldern ohne wissenschaftlichen Kontext, wie in der Esoterik. Im Kern geht es in dieser Arbeit darum herauszufinden, weshalb an den Rändern von Funktionssystemen die Ressourcen anderer Systeme in Anspruch genommen werden. Warum wird, um es plakativ auszudrücken, in der Esoterik von Quantenheilung gesprochen? Zu beobachten ist ebenfalls, daß die Quantenphysik für die unterschiedlichsten Themen als Referenzmodell angeführt wird. Geht damit einerseits eine Trivialisierung der Wissenschaft, insbesondere der hoch komplexen Quantenphysik einher?12 Oder soll dadurch der jeweilige auf quantenphysikalische Erkenntnisse sich berufende Bereich komplexer gestaltet werden? Oder balancieren sich beide Bewegungen letzten Endes beim Abarbeiten – selbstverständlich entsprechend ihres verfügbaren modus operandi – an der Quantenphysik und ihren Termini aus? 9

Vgl. Schrödingers Weg von einer deterministischen Wellenfunktion bis zur Wahrscheinlichkeits-Interpretation von Max Born. „But it also suggested that Schrödinger was wrong to claim that one can get by with a deterministic formulation of quantum mechanics based solely on his deterministic dynamics.“ (Ebd.)

10 Eindeutige Lösungen im vollständigen Bereich sind etwa bei der Heisenbergsche Unschärferelation und der Schrödingergleichung prinzipiell nicht möglich. Egal wie gut unsere Meßgeräte sind, es ist systemimmanent, daß Ort und Impuls nicht gleichzeitig gemessen werden können. Die Unschärfe ist prinzipiell operativ nicht ausschließbar. 11 Damit ist nicht nur die Anwendung von technischen Apparaten gemeint, die auf quantenmechanischen Prinzipien beruhen, wie etwa der Kernspin, MRT, Laser etc. (vgl. Lesch 2007). Später wird auf einige Beispiele, wie der Anführung des Doppelspaltexperiments, des Welle-Teilchen Dualismus u.a. Fachtermini, die in anderen Systemen quasi in alltagsweltlichen Situationen verwendet werden, eingegangen. 12 Vgl. Peters 2011.

E INLEITUNG

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Auf die Gefahr hin manche damit zu verschrecken, wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, daß die hier vorliegenden Forschungsgegenstände es nicht nur zulassen, sondern geradezu nahelegen, daß sie als Systeme behandelt werden. Welche Vorteile sich daraus ergeben, wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher erläutert werden. „Die Aussage ‚es gibt Systeme‘ besagt also nur, daß es Forschungsgegenstände gibt, die die Merkmale aufweisen, die es rechtfertigen, den Systembegriff anzuwenden; so wie umgekehrt dieser Begriff dazu dient, Sachverhalte herauszuabstrahieren, die unter diesem Gesichtspunkt miteinander und mit andersartigen Sachverhalten auf gleich/ungleich hin vergleichbar sind.“ (Luhmann 2012: 16)

An dieser Stelle sei vorab schon einmal angemerkt, daß sich speziell mit der Systemtheorie Luhmannscher Prägung eben jene systemspezifischen Unterscheidungen miteinander vergleichen lassen, die ansonsten unentdeckt blieben oder nicht den nötigen Grad der Aufmerksamkeit erfahren würden. Speziell für meine Forschungsfragen und hier gerade in der Empirie hat sich der systemtheoretische „Ballast“ als äußerst wertvoll erwiesen. Doch dazu später mehr. Die Systemtheorie ist keine lineare Theorie und sie ist auf verschiedene Weise zugänglich. Man kann auf unterschiedliche Weise mit ihr beginnen und immer weiter anschließen. Becker und Reinhardt-Becker weisen auf die Zirkularität der Systemtheorie hin und darauf, daß ihre Begriffe aufeinander verweisen (vgl. Becker/Reinhardt-Becker 2001: 13). Nur logisch ist es darauf aufmerksam zu machen, daß in dieser Arbeit ebenfalls zahlreiche Begriffe und nachgezeichnete Operationen aufeinander rekurrieren, daß mitunter auch an anderen Stellen aufeinander aufgebaut werden könnte und hätte werden können. Die Art der Vorgehensweise ist zugleich dem Forschungsgegenstand sowie dem theoretischen Gepäck geschuldet. Trotz der Kontingenz und egal, wo mit der Niederschrift oder dem Lesen des Textes begonnen würde, verweisen die Forschungsergebnisse innerhalb der Arbeit stets aufeinander. Zwar eröffnen sich immer wieder neue Perspektiven(-Differenzen), da auch innerhalb des Forschungsgegenstandes ständig neue Perspektiven(-Differenzen) sichtbar werden, aber die Forschungsergebnisse würden dennoch immer wieder aufeinander verweisen; mitunter in einer noch dichteren Erzählung13, aber die Elemente dieser Erzäh13 Die Präsentation der Forschungsergebnisse mußte rein formell in eine bestimmte Struktur gebracht und auf eine bestimmte Art „erzählt“ werden. Immer werden die Ergebnisse aus einer bestimmten Perspektive dargelegt. Deshalb wurde an dieser Stelle der Begriff der Erzählung gewählt. In dieser „Erzählung“ sind alle inkludiert, auch wenn der Einfachheit halber die weibliche Form verwendet wurde.

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lung, die sie konstruieren, blieben gleich. Eine andere Frage ist natürlich, welche Lesarten diese Arbeit einerseits schon vorgibt und wie viele sich andererseits noch ergeben können. Der ontologische Status der Quantenphysik hat dazu geführt, daß ein sich als Naturwissenschaft gebarender Spezialbereich der Physik philosophische Fragen über die Auffassung von Welt, Natur und den Platz des Menschen darin aufwirft. Dabei geht die Quantenphysik, ebenso wie Religionen, mehrdeutig vor, weil keine Eindeutigkeit vorliegt. Diese Arbeit operiert auf mehreren Ebenen. Auf der empirischen Ebene werden die in Kapitel 1 eingeführten Fragestellungen qualitativ untersucht. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen gehen Hand in Hand mit einer theoretischen Analyse. Als Essenz erschließt sich in der vorliegenden Arbeit auf der Metaebene, daß eine innere Notwendigkeit renitenten Randgeschehens für die Autopoiesis von Funktionssystemen existiert.

Fragestellungen

Die Kernfrage, weshalb an den Rändern von Funktionssystemen die Ressourcen anderer Systeme in Anspruch genommen werden, wird zunächst, wie nachfolgend dargelegt ausdifferenziert, um sie im Anschluß daran auf der Metaebene zu lösen. In dieser Arbeit wird in einer qualitativen Studie untersucht, wie Begriffe und Elemente von Interpretationen der Quantenphysik in verschiedenen Bereichen rezipiert werden und wie Referenzen und Plausibilitäten der unterschiedlichen Bezugnahmen auf Wissenschaft in den verschiedenen Feldern1 erfolgen. Wie entstehen diese Plausibilisierungen? Gibt es dabei vorherrschende Narrative und Bezugnahmen? Was sagen diese Plausibilisierungen über die (Funktion der) Quantenphysik in der Gesellschaft, über das (Selbst-)Bild von Esoterikern und die Funktion der Quantenphysik bei ihnen sowie über die Wissenschaft der Quantenphysik aus? Welche (selbst erzeugten) Probleme2 lösen Referenzen auf Quantenphysik und wie genau tun sie dies? Weshalb erfolgt gerade ein Rekurs auf die Quantenphysik und nicht auf eine intuitiv nachvollziehbarere Wissenschaft? Reichen etwa eigene Sinnstrukturen und Konzepte nicht mehr aus oder werden dadurch nur die Anschlußmöglichkeiten erhöht? Vor welchem (virtuellen) Publikum werden

1

Ein Bereich, in dem zum Teil sehr stark auf „die Quantenphysik“ rekurriert wird findet sich in der Esoterik. Auf die genauere Definition dieses Begriffes wird später eingegangen.

2

„Problem“ wird hier verstanden als vorübergehende Störung eines (intendierten) Ablaufs. „Problem“ aus systemtheoretischer Perspektive beinhaltet die Fragestellung „nach den Bedingungen der Möglichkeit“ (Krause 2005: 209). Ein „Problem“ wird als solches nur definiert, wenn es gleichzeitig wenigstens prinzipiell gelöst werden kann. Dabei erscheinen mögliche Lösungen kontingent im Lichte anderer möglicher Lösungen (vgl. ebd.).

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die Texte formuliert? Dabei wird unter den Begriff „Text“ audio-visuelles Datenmaterial, werden Aussagen sowie aufgeschriebene Texte subsumiert. Bei der Rezeption und Präsentation von Quantenphysik ist forschungsrelevant, wie und was mit welchen Präsuppositionen gesagt wird, und mit welchen Ein- und Ausschlüssen. Drängen sich beim Gesagten bestimmte Anschlüsse auf? Dabei wird auch auf verschiedene Kommunikationstypen geachtet. Wie wird etwas gesagt? Manche reden ja wie Physiker, ohne welche zu sein. Und manch ein Physiker redet auch wie ein Theologe. Was bedeutet, und was beinhaltet das? Was wird dabei ausgeschlossen, nicht gesagt? Welche Funktionen können diese Texte mit den jeweiligen Ein- und Ausschlüssen haben und wovon grenzen sie sich – und aus welchem Grund – ab? Mit welchen Argumenten werden Plausibilitäten, wird Stichhaltigkeit erzeugt? Die Untersuchung ließe sich selbstverständlich noch viel weiter ausdehnen, doch an dieser Stelle werden die folgenden Felder und ihre jeweils entsprechenden Rezeptionen der Quantenphysik untersucht: verschiedene esoterische Bereiche im System Religion und verschiedene Bereiche im System Wissenschaft. Die Quantenphysik wird in einigen esoterischen Bereichen relativ stark rezipiert. Außerdem werden einige Eckpunkte der Esoterik mit Theorien der Quantenphysik in Beziehung gesetzt. Wie dies gemacht wird und warum, ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Dabei gerät genauer in den Fokus, wie Sätze aus der Quantenphysik in religiöse Chiffren übersetzt werden. Interessant ist natürlich auch die Frage, weshalb im System Religion versucht wird, sich des Systems Wissenschaft, explizit der Quantenphysik – zu bedienen. Wie und an welcher Stelle werden Kausalitäten aus den unterschiedlichen Systemen Religion und Wissenschaft geschaffen? Ausgehend von kleinen, qualitativen Studien und Feldforschung mag es vermessen erscheinen einen punktuell größeren Rahmen zu ziehen, um schließlich danach zu fragen, was die Plausibilisierungen über die Quantenphysik und über ihre Funktion innerhalb der Gesellschaft aussagen, wenn gerade diese Wissenschaft systemübergreifend verarbeitet wird. Was sagen diese Vorgänge und Plausibilisierungen zudem über das Bild und Selbstbild von esoterisch Interessierten aus? Welche Funktion übernimmt die Quantenphysik dort und was sagen diese Operationen über die Quantenphysik als Wissenschaft aus? Wie bereits erwähnt stammen die der Forschung zugrunde liegenden Daten aus einer qualitativen Studie sowie kleinen punktuellen Feldforschungen mit teilnehmender Beobachtung. Ganz ohne Wertung wird hier nur beobachtet, wie, weshalb, und mit welchen Mitteln systemfremde Elemente ganz plötzlich ins eigene System eingebaut werden.

F RAGESTELLUNGEN

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Dabei wird mit Hilfe der teilnehmenden Beobachtung, (halboffenen) (Experten)-Interviews, halboffenen Telefoninterviews, Befragungen und einem so weit als möglich offen gehaltenen Fragebogen gearbeitet. In der Soziologie ist die Teilnehmende Beobachtung nicht nur ein fester Bestandteil der qualitativen Methoden, sondern – um mit Aglaja Przyborski und Monika Wohlrab-Sahr zu sprechen – „Qualitative Forschung ist Feldforschung!“ (Przyborski/Wohlrab-Sahr: 2010: 53). Teilnehmende Beobachtung im Feld bedeutet eine Vertrauensbasis zu den Menschen aufzubauen und auch die eigenen Ressourcen und den Umgang mit dem Feldgeschehen kritisch während des gesamten Prozesses zu reflektieren (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010: 58f.). „So wie es am Anfang darum geht, Distanz zu überwinden und Vertrauen herzustellen, geht es im Verlauf und am Ende der Forschung vielleicht in einem sehr viel stärkeren Maße darum, Distanz zu schaffen und Involviertheit zu vermindern.“ (Przyborski/WohlrabSahr 2010: 59)

Die teilnehmende Beobachtung im Feld derjenigen, die Erkenntnisse, Theorieelemente und Worte der Quantenphysik rezipieren, kann sich aufgrund der verschiedenen Bereiche und der sehr voneinander unterschiedenen Felder nur auf die Teilnahme an Veranstaltungen und Workshops beschränken. Doch da die folgende Arbeit nur auf die Rezeption als solche fokussiert und nicht auf biographische Gemeinsamkeiten, da in erster Linie interessiert, wie das Wie rezipiert wird, und erst in zweiter Linie auf abstrakterer Ebene das Warum, wird der punktuelle aber intensive Vorstoß ins Feld als der Forschungsfrage angemessenstes Vorgehen erachtet. Auch wenn der Vorteil dieser Vorgehensweise gerade darin liegt, tief in den subjektiven Bedeutungszusammenhang der aktiven Teilnehmer im Feld vorzudringen und schließlich auf individuell ausgerichtete Semantiken zu stoßen, so sind doch bei aller Individualität, allen unvergleichlich einzigartigen Situationen vergleichbare Codes erkennbar, die zumindest den Versuch erlauben, eine ebenso individuelle Interpretation der vorangegangenen Fragen zu erlauben. Es erübrigt sich vermutlich darauf hinzuweisen, daß dabei stets mit Kontingenz, mit Unvollständigkeit und mit Präsuppositionen von Seiten der Forscherin gerechnet werden muß. Deshalb ist es genauso wichtig bei der Untersuchung darauf zu achten, wie die Forscherin durch bestimmte Fragen, ja schon bei der Auswahl an Befragten eine implizite Vorauswahl trifft, und den Gegenstand damit streng genommen ein Stück weit mitkonstruiert. Aus mehreren Gründen wurden diejenigen, die an Interviews oder Befragungen teilnahmen, sowie die Anwesenden der teilnehmenden Beobachtungen ano-

18 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK

nymisiert. Dabei soll in erster Linie eine „Demokratisierung“ aller Aussagen insoweit vollzogen werden, als bekannte und unbekannte Menschen hinter ihren Aussagen zurücktreten. Darüber hinaus wurde, was klar sein dürfte, Wert darauf gelegt, daß die Teilnehmenden mit keiner, zum Zeitpunkt der Aussage noch nicht absehbaren, und auch keiner eventuell darauf folgenden Negativwirkung ihrer Aussagen im wissenschaftlichen Bereich konfrontiert würden. Zudem half mir die Anonymisierung dabei, Bedenken bezüglich eventueller Konsequenzen meiner Interpretation für das Umfeld der Betreffenden in den Hintergrund zu stellen. Wichtig sind an dieser Stelle auch einige Informationen über meinen eigenen Hintergrund. Während meines Magisterstudiums der Ethnologie, Soziologie und Religionswissenschaften habe ich über mehrere Jahre Vorlesungen und Seminare in Astronomie und Quantenphysik besucht. Darunter fällt auch die Mathematik-Vorlesung für Physiker sowie Mathematik-Übungen. Dieser Hintergrund ermöglicht mir einen besseren Zugang zu diesen Themenbereichen. Hier wird keinesfalls der Anspruch erhoben, etwas im Bereich Quantenphysik aussagen zu können3. Es darf lediglich als Zubrot und erleichterter Zugang zu dieser soziologischen Arbeit angesehen werden. Bei situativen Feldbesuchen an esoterischen Veranstaltungen als Prüfungsvorbereitung im Fach Religionswissenschaft – ich wählte New Age und Esoterik als Prüfungsbereiche – sah ich zahlreiche Verweise auf die Quantenphysik, die dem widersprachen, was ich begleitend zu meinem Studium in diesem Bereich in der Quantenphysik gelernt hatte. Dies machte mich überaus neugierig und warf die zuvor erläuterten Fragestellungen auf. Zunächst sollen jedoch die wichtigsten Begriffe definiert werden, auf die Bezug genommen wird. Wovon genau ist die Rede, wenn hier von Quantenphysik gesprochen wird und gibt es überhaupt (noch) Esoteriker?

3

Dennoch wird später etwas über den Bereich Quantenphysik ausgesagt werden. Die Science Wars im Nacken wird hier darauf bestanden soziologisch etwas über funktionelle Operationsweisen der Quantenphysik im System Wissenschaft aussagen zu können, da dies in den Bereich der Soziologie fällt.

Der Begriff Quantenphysik

Quantenphysik, Quantentheorie und Quantenmechanik werden in der Praxis häufig synonym verwendet1. Quantentheorie bezeichnet die Situation zwischen 1900 und 1920, als sich alles, laut Al-Khalili, noch auf der Ebene von einfachen Postulaten und Formeln abspielte (vgl.: Al-Khalili 2003: 30). „It wasnȀt until the 1920s that the real revolution took place, and a completely new worldview (quantum mechanics) replaced NewtonȀs ,mechanicsȀ when it came to describing the underlying structure of the subatomic world.“ (Ebd.)2

Waren bislang mit Newtons Mechanik die Bewegungsgleichungen von Körpern im Raum, die Gravitation etc., berechnet worden, so erfuhren seine Gleichungen bereits mit Einsteins spezieller und allgemeiner Relativitätstheorie Einschränkungen für Teilchengeschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit und für astronomische Körper. Newtons Gleichungen gelten seitdem als Näherungen. Im mikroskopischen Bereich hat die Entwicklung der Quantenphysik mit der Quantenmechanik die Newtonsche Mechanik ersetzt (vgl. Lesch 2010; Penrose 2007; Sexl/Schmidt 1987). Ein von mir interviewter Physiker (interviewt am 25.06.2014)3 erläutert seine Verwendung der Begrifflichkeiten folgendermaßen:

1

Vgl. Lesch 2010: 223.

2

Siehe auch: Fischer 2013: 35.

3

Bei der Transkription war der Inhalt des Gesagten wichtig. Selbstverständlich birgt bereits die jeweilige Transkriptionsweise Gefahren. Etwa, wenn Intonation, Stimmlage, Pausen, etc. nicht beachtet werden. Da diese Aspekte ihrerseits wiederum Interpretationen des Gesagten vorschalten, wird in dieser Arbeit davon Abstand genommen, was ganz und gar nicht heißen soll, daß hier nur „Faktisches“ wiedergegeben würde.

20 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK Phys: „1900 hat Max Planck die Quantenhypothese aufgestellt. Dann gab es einen Zeitraum, so irgendwann 1909 bis 13 in etwa, wo die Quantenhypothese eigentlich nur eine Rolle gespielt hat in der Physik der Strahlung. Also wenn man sich überlegt hat, wie der schwarze Körper strahlt. Ab, sagen wir mal, 1913, haben dann viele Leute plötzlich versucht, das fing schon früher an, also 1909 mit Einstein oder so, aber das ist egal jetzt für diese gröbere Zeitskala, fingen dann Leute an zu sagen, vielleicht ist ja so etwas wie die Quantenhypothese auch relevant in anderen Bereichen der Physik, nicht nur in der Strahlungsphysik. Haben dann die spezifische Wärme fester Körper ausgerechnet und geguckt, ob man da mit einer Quantenhypothese weiterkommt und viele andere Dinge gemacht. Dann hat 1913 Bohr sein berühmtes Atommodell, dieses planetare Modell, wo Elektronen um den Kern kreisen, aufgestellt. Und das ist irgendwie so der Beginn der sogenannten Quantentheorie, die wir jetzt heutzutage als sogenannte alte Quantentheorie bezeichnen, weil dann 1925, 26, die Quantenmechanik kam, und sich dann die Akteure in der Folge auf die Theorie von 1913 bis 1925 als alte Quantentheorie bezogen haben. Die Quantenmechanik von 1925, 26 gehört auch zur Quantentheorie. Zumindest in meiner Nomenklatur. Also Quantentheorie wäre dann ein Überbegriff von allem was seit 1900 passiert ist. Man könnte auch sagen Quantenphysik. Quantenmechanik nenne ich nur die Sachen ab 1925, 26 und alte Quantentheorie das, was sozusagen vor 1925, 26 passiert ist.“

In dieser Arbeit wird beim Begriff Quantenphysik zwischen mathematischen Berechnungen,4 tatsächlich durchgeführten Experimenten5 und Interpretationen6 unterschieden. Näherungsverfahren, die eine meiner Physiker-Quellen (Phys) im Interview als mathematische Hilfsmittel bezeichnet, sind für die Quantenphysik sehr wichtig. Phys: „[...] Näherungsverfahren, die üblicherweise nicht den Rang einer Entdeckung per se haben, weil sie ja eigentlich nur Hilfsmittel sind zu einer Entdeckung, die aber für sich genommen spannend sind, weil sie etwas über die Praxis der Physiker aussagen und über deren Meinung, wie man Dinge begründen muß, über deren Ansichten dazu, wie man argumentiert. Und das ist das spannende an diesen Näherungsverfahren. Auch oft, weil die 4

„It seems impossible, however, to develop quantum concepts extensively without

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Zu aktuellen Experimenten siehe auch: Das Large Hadron Collider Beauty (LHCb)

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Teil mancher Interpretationen sind auch so genannte Gedankenexperimente. Das

Fourier analysis.“ (Bohm 1989:1) Experiment am CERN. Siehe zudem: Lesch 2007. Doppelspaltexperiment ist ein solcher Fall. Zunächst nur ein Gedankenexperiment von Einstein, wurde es später experimentell bewiesen. Siehe hierzu auch: Bronner et al. 2008 sowie Kuhn 1978, speziell das Kapitel „Eine Funktion für das Gedankenexperiment“.

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sich so weit verstetigen, daß sie dann mehr oder weniger als Voraussetzung in viele, viele Arbeiten späterer Generationen von Physikern einfließen, die vergessen, was die Begrenzung dieser Näherungsverfahren war. Also wenn man sich überlegt – die BornOppenheimer-Näherung zum Beispiel, die ist mehr oder weniger unwidersprochen. Es stimmt nicht ganz, aber mehr oder weniger unwidersprochen. Einfach als Voraussetzung angenommen worden in den 50 Jahren oder so nachdem sie aufgestellt wurde. Im Jahr 1927. Und erst dann haben Leute gesagt, was passiert denn jetzt eigentlich, wenn wir die mal nicht annehmen, diese Born-Oppenheimer-Näherung? Wenn wir sozusagen über die hinausgehen? Und da kommen unheimlich spannende Dinge bei raus.“7

Der Einfachheit halber wird in der Arbeit mehrmals von (der) Quantenphysik die Rede sein. Dieser Begriff schließt, wie bereits oben erwähnt, die Bereiche experimentelle Quantenphysik, Gedankenexperimente, mathematische Berechnungen sowie Interpretationen mit ein. Dennoch wird, wenn es sich um Bezüge zu einer anderen Interpretation als der gängigsten, der Kopenhagener Deutung handelt, explizit darauf hingewiesen. Auch wenn von der Quantenphysik die Rede ist, so versteht sich, daß damit kein geschlossenes und fest umrissenes Gebäude gemeint ist. Ebenso wenig wie es die (Wissenschafts-)Kultur, oder die Esoterik gibt, kann inhaltlich von der Quantenphysik die Rede sein. Im Bereich Quantenphysik habe ich, wie bereits erwähnt, einen Physiker, der sich speziell mit Wissenschaftsgeschichte auseinandersetzt, einen Universitätsprofessor und einige Experimentalphysiker interviewt, um zu sehen, wie die Begriffe im jeweiligen Bereich verwendet werden und wie damit umgegangen wird. Dabei war ich auch im Labor der Experimentalphysiker bei Experimenten anwesend und ließ mir Aufbau und Apparaturen erklären. Ausgebildete Physiker, die ebenfalls im esoterischen Bereich tätig sind, habe ich einer Schnittstelle zugerechnet. Sie werden separat behandelt. Auf den ersten Blick geht es in der Quantenphysik um den atomaren Aufbau der Welt. Die Bausteine der Welt, also die Elementarteilchen, teilen Physiker aufgrund ihres Eigendrehimpulses, Spin genannt, in Bosonen und Fermionen ein. „Die bekanntesten Fermionen sind Elektronen, Neutrinos und Protonen. Die bekanntesten Bosonen sind die Photonen.“ (Lesch 2010: 666)Fermionen werden ihrerseits wiederum in zwei Untergruppen, Quarks und Leptonen eingeteilt. „Bei Fermionen kann der Spin in zwei Richtungen zeigen, die üblicherweise als nach

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Heutzutage würde mit Hilfe von Computersimulationen über die Born-OppenheimerNäherung hinausgegangen, weil das nun möglich sei. Phys: „Und da kommen dann halt Dinge raus, die unter Umständen anderes Verhalten zeigen, als wenn man dieses vereinfachte Modell der Born-Oppenheimer-Näherung angenommen hat.“

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oben und nach unten (‚up‘ und ‚down‘) bezeichnet werden.“ (Lesch 2010: 666; vgl. auch Al-Khalili 2004: 204) Weitere Unterscheidungsmerkmale, wie zum Beispiel „colours“, interessieren uns an dieser Stelle nicht. Bei dem Begriff Spin, das sei hier angemerkt, handelt es sich um eine Analogie, die sich aus der mathematischen Beschreibung ergibt. „Der Begriff Spin wird lediglich mit Drehimpuls verglichen, weil die damit verbundene Größe sich mathematisch genauso beschreiben läßt wie eine Drehung, selbst wenn das Elektron8 keinerlei Dreh- oder Bahnbewegung aufweist.“ (Lesch 2010: 666) Der Spin eines Elektrons bezeichnet nun „weniger eine konkrete Drehung und mehr die abstrakte Form für die Freiheit, die einer Drehung offensteht“ (Fischer 2013: 34). Der große Unterschied von Bosonen und Fermionen sind sog. ganzzahlige (Bosonen) und halbzahlige (Fermionen) Spins. Kerne mit gerader Massenzahl besitzen einen ganzzahligen Spin, Kerne mit ungerader Massenzahl einen halbzahligen (vgl.: Bergmann/Schäfer 2003: 708). In der Physik wir der „Drehimpuls subatomarer Teilchen in Einheiten des PlanckȀschen Wirkungsquantums h9, dividiert durch 2 π“ (Fischer 2013: 34 Fn) gemessen. Wie man sich subatomare Teilchen nicht unbedingt vorstellen sollte, weil sie gerade das nicht seien (vgl. Lesch 2010: 667) – was aber recht anschaulich ist, um sich überhaupt ein Bild davon zu machen – ist das von winzig kleinen, rotierenden Bällen. Um die Vorstellung noch ein wenig weiter zu strapazieren, weisen Elektronen und ihre Spins noch eine weitere, sehr schwierig nachzuvollziehende Eigenart auf. „Their direction of spin is even weirder; it is a superposition of different directions at once, until we look.“ (Al-Khalili 2004: 164) Superposition, eine allen Wellen zugeschriebene Eigenschaft der Überlagerung (vgl. Al-Khalili 2004: 81; Friebe et al. 2015), bezeichnet in der Quantenphysik die Vorstellung, daß ein Teilchen, so lange man nicht hinsieht, es mißt und damit einen Kollaps der Wellenfunktion herbeiführt, an mehreren Positionen gleichzeitig sein kann. Das berühmteste und bekannteste Beispiel für die Veranschaulichung von Superpositionen ist das Gedankenexperiment von „Schrödingers Katze“10, die sich in einer verschlossenen Kiste mit einem radioaktiven Stoff befindet, das den sofortigen Tod der Katze nach seinem Zerfall auslöst. So lange man nicht nachsieht, ist die 8

Auch andere subatomare Teilchen verfügen über einen Spin (vgl. Lesch 2010: 666).

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Das Plancksche Wirkungsquantum wird gewöhnlich mit ħ bezeichnet. Bei manchen Quellen variiert die Schreibweise jedoch.

10 Schrödingers Katze ist ein von Erwin Schrödinger vorgeschlagenes Gedankenexperiment der Physik (Schrödinger 1935: 812). Gribbin nähert sich dem Thema ebenfalls unterhaltsam (Gribbin 1997).

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Katze theoretisch tot und lebendig zugleich. Denn das radioaktive Teilchen kann bereits zerfallen und die Katze deshalb tot sein. Oder sie könnte noch leben. Erst wenn man nachsieht, legt man das System auf eine endgültige Position fest. Bunge kritisiert die Einordnung der Superposition als eines Prinzips dahingehend, daß er – um metaphorisch zu sprechen – die Stellschraube für Superposition in der Hypothese einer Unabhängigkeit von Ursachen ausmacht. „In physics, nonlinearity illustrates nonadditive connectivity. Nonlinear systems do not ,obeyȀ the ,principleȀ (theorem) of superposition (of forces, displacements, and so forth), a law that plays a central role in most physical theories, such as mechanics, optics, electromagnetic theory, and quantum mechanics. The ,principleȀ of superposition may be regarded as the specific form taken in physics by the hypothesis of the independence of causes.“ (Bunge 1979: 167)

Mit seiner Unschärferelation hat Heisenberg dem Laplace’schen Dämon sozusagen die Grundlage geraubt (vgl. Heisenberg 1927; Bunge 1979). Bunge geht aber noch weiter und sagt, das Kausalgesetz selbst sei eine Hypothese, die sich auf eine Art von Verbindung zwischen sich ereignenden Phänomenen – egal, ob sie unter experimentellen Bedingungen geschehen, oder nicht – untereinander beziehe (vgl. Bunge 1979: 328). „It is only in order to test hypotheses concerning connections among phenomena that we have to know the antecedents from which predictable consequences will evolve.“ (Ebd.) Zur weiteren Untersuchung sollte der Begriff Quantenphysik nun in seinen entsprechenden wissenschaftshistorischen Kontext gestellt werden, um wenigstens ansatzweise nachvollziehen zu können, welcher Paradigmenwechsel11 hierdurch stattgefunden hat. Eine historische Argumentationslinie lautet, daß die Quantentheorie zwischen 1900 und 1930 zuerst als eine Art von „Notbehelf“ von Max Planck zur besseren Erklärung der Schwarzkörperstrahlung entwickelt wurde.12 Die 11 Kuhn spricht bezüglich der Quantenphysik eindeutig von einem Paradigmenwechsel mit schwerwiegenden und noch immer anhaltenden Folgen. „The transition from Newtonian to quantum mechanics evoked many debates about both the nature and the standards of physics, some of which still continue.“ (Kuhn 1996: 48) 12 Der genaue Ursprung der Quantenphysik ist umstritten. Al-Khalili und Kuhn sprechen von einem Irrtum. „Indeed, some historians of science deny that Planck deserves any credit at all for ,discoveringȀ quantum theory.“ (Al-Khalili 2004: 30) Kuhn, der laut eigenen Angaben jahrelang die oben dargestellte Sicht vertreten hatte, geht später davon aus, daß Planck das Energiekontinuum in Zellen oder Elemente der Größe ∈ aufteilen mußte, um sein Gesetz zur Schwarzkörperstrahlung zu erhalten. Damit sei er

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Schwarzkörperstrahlung bezeichnet einen Hohlraum mit perfekt absorbierenden Wänden. Absorbiert eine Fläche alle Strahlung, ist sie schwarz. „If a cavity with perfectly absorbing (i.e. black) walls is maintained at a fixed temperature T, its interior will be filled with radiant energy of all wavelengths.“ (Kuhn 1987: 3; Hervorh. im Orig.13) Ein nach klassischem Verständnis auftretender kontinuierlicher Anstieg der Energie trat jedoch nicht auf. Um dieses Problem zu lösen behalf sich Max Planck damit anzunehmen, daß die Energie nicht kontinuierlich, sondern in kleinsten, diskreten Einheiten, sog. Quanten, austritt (vgl. Lesch 2010; Kuhn 1987; Ingold 2002). Wenn diese Strahlung sich innerhalb des Hohlraums und seiner Wände im Gleichgewicht befindet, ist die Rate, zu der Energie quer durch jede Oberfläche und jeden Flächeninhalt abgestrahlt wird, unabhängig von der Position und Richtung dieser Oberfläche (vgl. Kuhn 1987: 3) „In zwei Vorträgen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin am 19. Oktober und 14. Dezember 1900 schlägt Max Planck eine Formel vor, die die Intensitätsverteilung der Strahlung eines schwarzen Körpers beschreiben soll.“ (Ingold 2002: 16)14 Die Annahme, mit der sich Planck bei der Berechnung der Schwarzkörperstrahlung behalf, hatte Auswirkungen weit über das Feld dieses Problems hinaus. Planck nahm damals an, „daß die Energie einer Lichtwelle nur ganzzahlige Vielfache eines Energiequants betragen kann“, das „sich aus dem Produkt der Lichtfrequenz und einer Konstanten ergeben, die Planck mit dem Buchstaben h abkürzt.“ (Ingold 2002: 16) Das kleine h wurde schon bald in die Physik als Planck’sches Wirkungsquant ħ15 übernommen. Damit legte Max Planck den Grundstein für die Quantentheorie.16 Er hatte mit seinem Wirkungsquantum, das zunächst als entbehrlich vorausgesetzt wurde (vgl. Fischer 2013: 31), „diskrete Übergänge der Natur und Lücken in ihrem Geschehen entdeckt“. (Ebd.) Wurden die physikalischen Naturgesetze bis vor der Entwicklung der Quantenphysik noch dahingehend aufgefaßt, Boltzmann gefolgt, der solche Aufteilungen 1877 eingeführt habe. Im Gegensatz zu Boltzmann jedoch erforderten Plancks Ableitungen, daß die Zellgröße proportional zur Frequenz des Oszillators sein müsse (vgl. Kuhn 1987: 350 f.). Dennoch ist AlKhalili der Ansicht: „Planck is rightly the founding father of the quantum; he just didnȀt know it at the time!“ (Al-Khalili 2004: 38) 13 Im Original kursivierte u.a. Hervorhebungen werden gesammelt durch „Hervorh. im Orig.“ gekennzeichnet. 14 „Historically, the quantum theory began with the attempt to account for the equilibrium distribution of electromagnetic radiation in a hollow cavity.“ (Bohm 1989: 5) 15 Die Naturkonstante ħ ist so klein, daß ihre Wirkung erst im atomaren Bereich eine Rolle spielt (vgl. Ingold 2002: 18f). 16 Siehe auch Kuhn 1987.

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daß die Übergänge kontinuierlich von statten gehen, so läutete die Einführung der kleinen Quanten-Wellenpakete durch Planck in der Atomphysik eine langsame Abkehr von Kontinuität und die erneute Hinwendung zur Auffassung von Übergängen in diskreten Portionen ein. „Die Physik geht mit dieser Frage naturgemäß hemdsärmliger um; nach Jahrzehnten einer Dominanz der überaus erfolgreichen Kontinuumstheorien im 19. Jahrhundert hat nun der Atomismus wieder die Oberhand. Dabei sollte aber nicht übersehen werden, daß weite Bereiche auch der theoretischen Physik – etwa die Strömungsmechanik – nach wie vor von einer kontinuierlichen Materie ausgehen.“ (Nickel 2008: 3)

An dieser Stelle wird ein gewisser Pragmatismus in der Physik erkennbar; die Definitionen und Begriffe richten sich unter anderem nach ihrer Handhabbarkeit im jeweiligen Bereich. Übergänge in diskreten Einheiten lassen nun Lücken zwischen diesen zu und bedürfen einer anderen Art der Erklärung. Diese Lücken im Geschehen der Natur werden mit dem Begriff Quantensprünge bezeichnet „und die wesentlich unstetige Quantität, die ihre Größe bestimmt, nennen die Physiker das Quantum der Wirkung. Das Wort „Wirkung“ meint [...] das Produkt aus Energie und Zeit – es ist also eine zusammengesetzte Größe – und ihre kleinste – von Null verschiedene – Einheit trägt den Namen h und heißt Planck’sches Wirkungsquantum.“ (Fischer 2013: 31) Das Planck’sche Wirkungsquantum, welches die nun entstandene „Lücke“ in der Natur ausfüllt, hat die Form eines „Letztbegriffes“, wie er auch durch den Begriff „Gott“ markiert wird. „ [...] dieser Letztbegriff [Gott] bedeutet auch, daß wir an Grenzen dessen stoßen, was wir tatsächlich bestimmen können.“ (Nassehi 2014) Das Planck’sche Wirkungsquantum ist die kleinste Einheit und ihre Einbettung in die Planck’sche Herleitung zur Schwarzkörperstrahlung dient damit der physikalischen Strukturierung des Phasenraumes17. „What differentiated PlanckȀs derivation from BoltzmannȀs was not that the former required the violation of these or other laws of classical physics but rather the entry of the constant h, which Planck referred to as the ,quantum of actionȀ and which he would later describe as giving a physical structure to phase space.” (Kuhn 1987: 351)

17 Ein Phasenraum ist ein „[a]bstraktes Koordinatensystem, in dem jede mechanische Variable einer unabhängigen Achse zugeordnet ist. Ein klassischer Zustand nimmt einen einzigen, genau definierten Punkt in Anspruch, in dem Position und Impuls jedes einzelnen Teilchens enthalten ist“ (Munowitz 2005: 517). Siehe hierzu auch Bammel 2004.

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Im Jahr 1905 zeigte Einstein „daß sich Licht nicht nur wie eine Welle verhält, sondern auch wie ein Strom von Teilchen (Photonen)“ (Bennett et al. 2010: 664). Einstein war laut Bohm die erste Person, die auf Plancks Hypothese Bezug nahm (vgl. Bohm 1989: 23). Eine eingehende Prüfung zeigte, daß ħ eine universelle Konstante ist (vgl. ebd.). Eine Antwort auf die Frage, warum Elektronen Energie nur in Quanten absorbieren, war die Interpretation, daß Licht aus Teilchen besteht, die während einer Kollision all ihre Energie in Photoelektronen transformieren können (vgl. Bohm 1989: 24). Licht wurde zugleich als Welle und als Teilchen verstanden, je nachdem, was man mißt. Die Entscheidung, die dem Meßprozeß vorausgeht, erhält dadurch erstmals in der Physik eine wirkmächtige Bedeutung. Der so genannte Welle-Teilchen Dualismus des Lichtes spielt eine große Rolle in der Quantenphysik, besonders für das Doppelspaltexperiment, auf das später noch näher eingegangen werden wird. „Bohr showed that in some experiments it was appropriate to describe what was going on in terms of waves and in other experiments in terms of particles.“ (Collins et al. 1982: 67) Wenn man Wellenfragen stellt, erhält man Wellenantworten – wenn man Teilchenfragen stellt, Teilchenantworten. Dabei verhalten sich Wellen- und Teilcheneigenschaften komplementär zueinander, sie ergänzen sich. Deshalb sind, worauf später noch eingegangen wird, Matrizenmechanik und Schrödingergleichung einander ebenfalls komplementär und widersprechen einander nicht.18 Die Quantelung von Energie wurde mit der Zeit nicht mehr nur auf die Schwarzkörperstrahlung bezogen, sondern erweiterte ihren Radius auf Elementarteilchen. „1913 erkannte der dänische Physiker Niels Bohr (1885-1962), daß Elektronen in Atomen nur bestimmte Eigenwerte annehmen können – die Energie von Elektronen ist also gequantelt“. (Lesch 2010: 664) Von einer strikten Trennung zwischen Wellen und Teilchen kann in der Atomphysik nicht mehr die Rede sein. Eine Öffnung für die Aufhebung der Trennung ist der 1905 von Einstein veröffentlichten speziellen Relativitätstheorie mit der berühmtesten Formel E = mc2 zu verdanken, der Transformation von Energie und Masse bei Lichtgeschwindigkeit. 1924 versuchte auch de Broglie „den Dualismus zwischen Wellenbeschreibung und Teilchenbeschreibung auch auf die Elementarteilchen der Materie, speziell auf die Elektronen, auszudehnen“. (Heisenberg 2006: 13) Poppers Lesart ist eine andere. Anstelle der anfänglichen Lückenbüßerfunktion der Quanten dienen sie in Poppers Lesart der Klärung und Einordnung von Fragen ganz grundsätzlicher Natur. Einsteins berühmter Ausspruch „Der Alte würfelt nicht!“ faßt dessen Seite der Dispute gut zusammen. 18 „While complementarity was central to the Copenhagen interpretation, it can now be regarded as a historical makeshift.“ (Vaas 2001: 6)

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„Werner Heisenberg und Max Born hatten 1925 die Quantenmechanik geschaffen; [...] Und von Anfang an herrschten Uneinigkeit und Verwirrung. Nach einem weithin akzeptierten Mythos hatte Bohr in der Auseinandersetzung mit Einstein den Sieg errungen, und die Mehrheit der schöpferischen Physiker stand auf Seiten Bohrs und glaubte diesen Mythos. Aber zwei der größten Physiker, Louis de Broglie und Erwin Schrödinger, stimmten mit Bohrs Ansichten (später bekannt als ‚die Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik‘) durchaus nicht überein und verfolgten unabhängige Überlegungen. Und nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Reihe von bedeutenden Dissidenten der Kopenhagener Schule, namentlich David Bohm, Mario Bunge, Alfred Landé, Henry Margenau und Jean-Pierre Vigier (später auch Leslie E. Ballentine und K. V. Roberts).“ (Popper 1979: 126)19

Popper thematisiert hier die Bohr-Einstein-Debatte und ihren Mythos. Mythos meint an dieser Stelle den Streitpunkt darüber, ob die Quantenphysik – wie Einstein20 sie verstand – als unvollständig zu gelten hatte, oder ob sie vollständig aber eben indeterministisch sei, wie Bohr et al. vertraten (vgl. Held 1999). Interessanterweise fand später der Glaube an den Indeterminismus der kleinsten Dinge seine mathematische Explikation in der deterministischen Schrödingergleichung, die heute aus pragmatischen Gründen der von Heisenberg entwickelten deterministischen Matrizenmechanik vorgezogen wird. „In der Tat bewegt sich der matrizenmechanische Zustandsvektor deterministisch; und auch die wellenmechanische Gleichung gehört als Differentialgleichung erster Ordnung zu dem mathematischen Instrumentarium, mit dem deterministische Sukzessionsgesetze formuliert werden.“ (Ströker 1990: 22)

Auch Laughlins Blick auf die Historie der Quantenphysik relativiert aktuell noch immer dominierende Schulen hinsichtlich konkurrierender Auffassungen (vgl. Laughlin: 2008). Wissenssoziologisch und wissenschaftshistorisch wird hier Kontingenz deutlich sichtbar. Gerade was die dem direkten Blick nicht zugänglichen kleinsten Teilchen betrifft, spielen in der Physik sogenannte Gedankenex19 Überaus lesenswert sind „Causality and Modern Science“ und „Quantum Theory and Reality“ von Marion Bunge. Der Physiker Michael Zirpel hat im Sommersemester 2012 ein sehr interessantes Seminar – „Quantenphysik und Realität“ – an der LMU in München gehalten, das sich u.a. intensiv mit Bunge auseinandersetzte, und an dem ich dankenswerterweise teilnehmen durfte. 20 Neben Einstein auch Podolsky und Rosen, was sie gemeinsam im Einstein-PodolskyRosen-Experiment zu untermauern suchten, und was später in Opposition dazu zur Idee der Verschränkung führte; doch dazu später mehr.

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perimente eine wichtige Rolle. Dabei wird in der Theorie gedanklich ein Experiment vollzogen und diskutiert, zu dessen tatsächlicher Ausführung die Apparaturen noch nicht vorhanden oder noch nicht genügend ausgereift sind. Eventuell wird auch davon ausgegangen, daß eine tatsächliche experimentelle Überprüfung niemals stattfinden wird. Die mathematische Formulierung der Quantentheorie führte 1925 zu zwei verschiedenen Ansätzen: zur Matrizenmechanik oder auch allgemeinen Quantenmechanik und zur Wellengleichung von Schrödinger. Bei der Matrizenmechanik wurden die Bewegungsgleichungen der Newtonschen Mechanik durch „ähnliche Gleichungen zwischen Formen der linearen Algebra“ (Heisenberg 2006: 15f) ersetzt21. Die Schrödingergleichung ist hingegen eine Wellengleichung und arbeitet mit statistischen Probabilitäten. Interessanterweise wird heute aus Gründen der Handhabbarkeit hauptsächlich mit der Schrödingergleichung gerechnet, wohingegen die Vorstellungen oftmals noch an klassischen Modellen hängen (vgl. Schrödingers Kritik an der Quantenphysik in: Schrödinger 1935). Die Matrizen- und Wellengleichung sind mathematisch äquivalent. Das bedeutet, daß die Ergebnisse dasselbe aussagen; unabhängig davon, ob sie durch Berechnungen mit der Matrizenmechanik oder durch die Schrödingergleichung gewonnen wurden. Eine „Brücke“ zwischen Schrödingergleichung und Matrizenmechanik ist die Definition der Probabilitätsamplitude als eindeutiges Ergebnis. Üblicherweise wird sie als Indikator für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit von subatomaren Teilchen (vgl. Al-Khalili 2004) interpretiert; doch dazu später mehr22. Nichtsdestotrotz war der Welle-Teilchen-Dualismus noch immer ein Problem. Um diesem großen Dilemma zu begegnen interpretierten Bohr, Kramers und Slater 1924 die elektromagnetischen Lichtwellen „nicht als wirkliche Wellen, sondern als Wahrscheinlichkeitswellen“ (Heisenberg 2006: 16 f.). Die Gesetze der Energieerhaltung und der Bewegungsgröße mußten sich dabei nur im „statistischen Mittel erhalten“ (Heisenberg 2006: 17). So konnten kleinere Abweichungen getrost übergangen werden. Der Energieerhaltungssatz ist eines der Grundgesetze in der Physik und besagt, daß Energie nicht zerstört oder produziert werden kann (vgl. Einstein/Infeld 2004)23. „Wenn wir das ganze Universum als geschlossenes System ansehen, 21 Zur Matrizenmechanik siehe Beutelspacher 2011. 22 Siehe hierzu das Interview mit einem Physiker in „Die Heisenbergsche Unschärferelation“, eingebettet in das Kapitel über „Paradoxa in der Quantenphysik“. 23 In seiner sehr umstrittenen wissenschaftskritischen Rede bei TEDx talks vertritt Rupert Sheldrake die Meinung, daß der Energieerhaltungssatz, neben u.a. der Big Bang Theorie, quasi-religiöse wissenschaftliche Dogmen der Naturwissenschaft seien. Seine

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können wir – wie es die Physiker des neunzehnten Jahrhunderts taten – stolz verkünden, daß die Energie des Weltalls unveränderlich ist, daß kein Teil davon je erschaffen oder vernichtet werden kann.“ (Einstein/Infeld 2004: 70) Man könne sie lediglich umwandeln, etwa von Potentialenergie in kinetische Energie, etc. (vgl. ebd.). Nach unzähligen Diskussionen mit Bohr und anderen Physikern entdeckte Heisenberg schließlich die Unschärferelation. Im Frühjahr 1927 „war man schließlich zu einer widerspruchsfreien Deutung der Quantentheorie gekommen, die häufig auch die Kopenhagener Deutung genannt wird“ (Heisenberg 2006: 21). Dabei ist die Kopenhagener Deutung keine einheitliche Theorie (vgl. Ijjas 2011; Friebe et al. 2015), und auch nicht ohne Widersprüche. Der Beobachtereffekt – die Annahme, daß das Experiment nicht von einer objektiven Warte aus beobachtet werden kann, sondern daß der Beobachtungsprozeß immer auch das Experiment beeinflußt, ist ein Grundpfeiler der Kopenhagener Deutung. „Die Quantenphysik hat mit ihrer These der Indeterminiertheit der Materie und der nur probabilistischen Grundlagen aller Alltagssicherheiten Aufsehen erregt. Aber Physiker argumentieren nicht selten so, als ob mit Indeterminiertheit oder Unbestimmtheit eine Eigenschaft der Materie bezeichnet sei, und geben sich damit zufrieden. Da es aber Negativitäten (wie Indeterminiertheit) und Probabilitäten nur als Zustände eines Beobachters gibt, muß die Quantenphysik als Theorie des Beobachtens interpretiert werden; und in der Tat ermöglichen ihre Gleichungen es nur, auf Grund von Beobachtungen anderer Beobachtungen vorauszusagen.“ (Luhmann 1992: 505f; Hervorh. u. Fußnote i. Original)

Die Beobachtung des Beobachtereffekts ist ihrerseits eine Beobachtung zweiter Ordnung (vgl. hierzu auch Glanville 2008). Insofern läßt sich wiederum a posteriori erschließen, weshalb ich mich Kommunikationen über Quantenphysik systemtheoretisch annähere. Diejenige Quantenphysik, die auf der Kopenhagener Deutung, oder Teilen daraus, aufbaut, erweist sich als unbedingt an Beobachtung gekoppelt. Der Beobachter muß inhärent von Beginn an mitgedacht werden und erhält dadurch eine ontologische Position (vgl. Friebe et al. 2015). Die Konsequenz des Beobachtereffektes in der Quantenphysik als eine von vielen möglichen Erklärungen für ein an und für sich klassisch nicht nachvollziehbares Zustandekommen von Ergebnissen, führt Luhmann auf der Metaebene ein. Alleine die Verwendung der Begrifflichkeiten wie Beobachter und Indeterminiertheit führen dazu, daß nicht nur dem Experiment, sondern auch der Theorie vorgeWissenschaftskritik verschwindet jedoch hinter seinen äußerst esoterisch anmutenden Ansätzen, wie den sog. „morphogenetischen Feldern“, die ebenfalls sehr stark im esoterischen Bereich rezipiert werden. (https://www.youtube.com/watch?v=zamrs3nE9ys zuletzt aufgerufen am 09. Juni 2015 um 12:35.)

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schaltet sich Beobachter herumtollen. Luhmann interpretiert die Quantenphysik als eine Theorie des Bobachtens von Beobachtungen, also als eine Kybernetik zweiter Ordnung (vgl. Luhmann 1992: 506). In der Quantenphysik wird stets Wert darauf gelegt, daß Indeterminiertheit und Unbestimmtheit mikrokosmische Charakteristika seien. Dadurch werden damit postulierte Konsequenzen von Beginn an in den unsichtbaren Mikrokosmos verlegt, der nicht unmittelbar beobachtbar und nachvollziehbar ist. Darüber hinaus wird ersichtlich, wie mit der Problematik der Kommunikation über Unsichtbares, über nicht eindeutig Beweisbarem, umgegangen, und wie dies innerhalb des Systems „gelöst“ wird.

Esoterik und die Problematik einer angemessenen Begriffsfindung

Es gibt mehrere Definitionen der Begriffe Esoterik und New Age in Soziologie und Religionswissenschaft. Die zahlreichen sich in ständigem Wandel und steter Neuausrichtung befindlichen Strömungen lassen sich dabei nur schwer unter einen gemeinsamen, eng definierten fixen Begriff bringen.1 Knoblauch faßt bestimmte religiöse Bewegungen, die mit Bezeichnungen wie New Age, Spiritualität oder Esoterik versehen werden, unter den Begriff Spiritualität2 zusammen und sieht unter ihnen gewisse Gemeinsamkeiten. „Sie vermeiden eine straffe kirchliche Organisation, sie sind ganzheitlich ausgerichtet und sie legen einen großen Wert auf subjektive Erfahrungen der Transzendenz.“ (Knoblauch 2009: 41) Zudem handle es sich bei esoterischem Wissen um ein nicht allen Menschen zugängliches Sonderwissen, das mit einem Gefühl des ausgewählt Seins verbunden sei (vgl. Knoblauch 1999: 235). „Esoterik“ bezeichnet auch nach Stenger „ein inneres, ‚geistiges‘ Wissen, das nicht wie anderes Wissen erlernbar ist. [...] Esoterische Gemeinschaft wäre somit eine Erfahrungsgemeinschaft und esoterische Lebenspraxis ein Aufzeigen und Bereitstellen von Wegen.“ (Stenger 1989: 120)

1

Siehe: von Stuckrad 2004; Zinser 2009: 13f; Gladigow/Laubscher 1990: 345; Hane-

2

Damit orientiert sich Knoblauch eher an einer Eigenzuschreibung, während heutzuta-

graaff 1998. ge der Begriff Esoterik stetig in eine Fremdzuschreibung transformiert. An manchen Stellen kann Esoterik aber zumindest teilweise noch als Eigenzuschreibung verstanden werden – etwa bei der gleichnamigen Esoterik-Messe, die in verschiedenen Städten stattfindet. Die Veranstalter müssen nicht aus diesem Bereich kommen, die Interessenten fühlen sich bei diesem Begriff jedoch, zumindest teilweise, noch angesprochen. (Sonst würden sie die Messe nicht besuchen.)

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Während meiner qualitativen Forschung haben sich Knoblauchs und Stengers Auffassungen nicht nur als äußerst relevant erwiesen, sondern speziell für meinen Forschungsbereich den Kern getroffen.3 Gerade angenommenes quantenphysikalisches Wissen, in Verbindung mit geistig-religiösem Wissen, bzw. Erfahrungen, markieren eine Exklusivität sondergleichen. Die Koppelungen dieser beiden Wissensbereiche, auf die es den von mir untersuchten esoterischen Individuen besonders ankommt, kann man nicht erlernen. Der Status selbst betont das Ausgewählt sein. Ich habe mich aus verschiedenen Gründen für den Begriff Esoterik als Arbeitsbegriff entschieden. Ausschlaggebend war der altgriechische Wortsinn von Āσωτερικός als „innerlich, nur für den Gebrauch im Innern (einer Schule, einer Gemeinde) bestimmt; im Mysterienkult: nur für Eingeweihte bestimmt. [...] Dazu der Esoteriker, der in Geheimnisse einer Religion, Lehre, Schule oder Sekte Eingeweihte.“ (Regenbogen/Meyer 2013: 202) Wenn hier von einem esoterischen Bereich gesprochen wird, dann wird von einem fluiden System ausgegangen, das aus einer Vielzahl von verschiedenen Diskursen, Narrativen und Semantiken besteht, die durchaus an andere Religionen anschließen können. Alle von mir untersuchten, und bisweilen durchaus konträr anmutenden Bereiche, werden mit dem soziologischen Analyseinstrument und mit der soziologischen Theorie der Systeme von Niklas Luhmann untersucht und analysiert. Gerade diese Systemtheorie ermöglicht es uns, die Ebene der Operationalisierungen und Kommunikationen4 messerscharf zu sezieren und zu analysieren. Damit kann auf der Systemebene verglichen werden, was sich ansonsten einer Vergleichbarkeit entzieht. Auch für die Systemtheorie gilt in meiner Arbeit, was Kneer bezüglich der sozialkonstruktivistischen Wissen3

Der Begriff Esoterik geht weit zurück bis hin zu Pythagoras. Da dies jedoch keine historisch fokussierte Arbeit ist und dies ihr Volumen sprengen würde, mögen an dieser Stelle folgende Literaturhinweise genügen, die sich mit Esoterik, Spiritualität und esoterisch-spirituellem Wissen in der Antike, dem Mittelalter, der Renaissance und der Neuzeit sowohl aus der Innen-, als auch aus der Außenperspektive befassen (wobei Esoterik in jenem Fall den in dieser Arbeit verwendeten Arbeitsbegriff überschreitet) (vgl. Ovid o. J.; insbes. 419 ff.; Thorndike 1941; Guardini 1956; Klossowski de Rola 1973; Yates 1974; Platon 1979; Wasson/Ruck/Hofmann 1984; Kant 1995).

4

Die Elemente sozialer Systeme sind nach Luhmann Kommunikationen. Das Funktionssystem Wissenschaft besteht aus wissenschaftlichen, das Funktionssystem Religion aus religiösen Kommunikationen. „Eine Einzelkommunikation ist zu beobachten als eine dreifach-selektive differenzielle Einheit. Die drei Differenzen sind: Information/Mitteilung, Mitteilung/Verstehen und Information/Verstehen.“ (Krause 2005: 173) Vgl. hierzu auch Nassehi 1997.

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schaftssoziologie postuliert. Es „sei hier doch gesagt, daß die Gleichbehandlung sämtlicher Aussagen des Wissenschaftssystems in der sozialkonstruktivistischen Wissenschaftssoziologie nicht unter epistemischen, sondern unter methodischen Gesichtspunkten erfolgt“ (Kneer 2009: 10). In dieser Arbeit werden, unter systemtheoretischer Betrachtung, nicht nur sämtliche Aussagen des Wissenschaftssystems, sondern ebenfalls des Systems Religion unter methodischen Gesichtspunkten gleich behandelt. In Abgrenzung dazu darf an die im Folgenden kurz angerissenen Definitionen von Religion erinnert werden. Friedrich Max Müller etwa ging davon aus, daß jede Religion Teil habe an einem höheren Sinn, und verschiedene Religionen somit als Offenbarungen Gottes in je eigener Sprache verstanden werden könnten (vgl. Klimkeit 2004: 37). Karl Marx wählte, anders als Müller, einen funktionalistischen Zugang. Sein Zitat Religion sei Opium fürs Volk hat sich bereits tief in den alltagssprachlichen Gebrauch eingegraben (vgl. Schlieter 2010: 100). Émile Durkheim, gleichermaßen wichtig für Soziologen als auch für Religionswissenschaftler, versteht Religion als kollektive Verbindlichkeit (vgl. ebd.: 131). Max Weber richtete seinen forschenden Blick auf den Einfluß religiöser Ideen, abseits einer heuristischen Begriffsdefinition (vgl. ebd.: 138). In dieser Arbeit verschiebt sich der Fokus von ontologischen Definitionen zur Funktion des Begriffes. Diese Wendung darf gleichzeitig als epistemologische Eingrenzung und Begrenzung sowie als Spezifikation gelesen werden – die, wiederum funktional gedacht – am besten zu den eingangs geschilderten Fragestellungen paßt. Laut dem Motto: Weg vom Substanzbegriff hin zu einem Funktionsbegriff. Die Systemtheorie beschränkt sich keinesfalls darauf, lediglich ein hervorragendes Analyseinstrument in der praktischen Forschung zu sein, das vornehmlich Operationsweisen funktionaler Systeme im Blick hat. Darüber hinaus ist die Systemtheorie von Luhmann eine Gesellschaftstheorie, die von der soziologischen Systemtheorie von Parsons, der Kybernetik zweiter Ordnung – vor allem von Foersters, Humberto Maturanas und Francisco Varelas Autopoiesis ausgeht und damit eine Gesellschaftstheorie sozialer Systeme ist (vgl. Luhmann: 2012). Der Impetus dieser Gesellschaftstheorie ist derart konsequent, daß sie sich selbst ihren eigenen Vorgaben unterwirft und sich – über die Kybernetik zweiter Ordnung, immer und stetig mitlaufend – selbst dabei beobachtet, wie sie beobachtet. Gleichzeitig ist die Luhmannsche Systemtheorie eine Metatheorie, die „einen ernst zu nehmenden metatheoretischen Rahmen für wissenssoziologische Forschungsobjekte“ (Vogd 2007: 295) und ebenso, wie in dieser Arbeit zu sehen sein wird, wissenschaftssoziologische, religionssoziologische, genau genommen

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alle in der Welt vorkommenden Systeme und deren metatheoretische Analyse und Vergleiche, bietet.5 „In der Beobachtung zweiter Ordnung sieht man jedoch die ,Unterscheidungsabhängigkeit allen Wissens und damit auch die notwendige Latenz, auf die man sich im operativen Gebrauch von Unterscheidungen einlassen muß. Hier dekonstruiert man dann, auf ihren blinden Fleck hinweisend, die Ontologie und mit ihr jede Hierarchisierung des Besserwissens.‘“ (zit. nach Vogd 2007: 297)

Diese Anerkennung einer notwendigen, impliziten Perspektivendifferenz ist jedoch gerade für funktional hoch differenzierte Gesellschaften von Vorteil, da immer wieder neue Blickwinkel auf das vordergründig scheinbar Selbe zu immer neuen Schattierungen von Ein- und Ausgeschlossenem, von blinden Flecken führen, was – so erfolgversprechend mutet zumindest die Possibilität an – zu einer höheren Selbstreflexivität führen kann. Als Gesellschaftstheorie, die zugleich Metatheorie ist, vermag die Systemtheorie einen Rahmen für operativ-funktionale Vergleiche verschiedener Funktionssysteme zu bieten, innerhalb dessen verglichen und interpretiert werden kann (vgl. Luhmann 1988: 23). Daß es sich bei jeder Analyse um eine kontingente Konstruktion handelt, muß an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. In dieser Arbeit wird großen Wert auf die Unterscheidung von Unterscheidungen gelegt. Selbstredend erfolgt die Beobachtung der Unterscheidung von Unterscheidungen von einer Position aus, die auch anders hätte gewählt werden können, und die aller Wahrscheinlichkeit nach Perspektivendifferenzen ausläßt und andere bevorzugt berücksichtigen wird; auch wenn dies zu vermeiden ein großes Anliegen ist, kann dies weder theoretisch noch praktisch jemals tatsächlich in vollem Umfange erfolgen. Anhand eines empirischen Beispiels soll nun direkt nachvollzogen werden, was es bei der Unterscheidung von Unterscheidungen auf sich hat. Die Quantenmechanik grenzt sich etwa von der klassischen Mechanik u.a. dadurch ab, daß sich ihr Gegenstandsbereich im Mikrokosmos befindet, während derjenige der klassischen Mechanik in der alltagsweltlichen Größenordnung angesiedelt ist, wie etwa Newtons Bewegungsgesetze (siehe hierzu: Einstein/Infeld 2004; Lesch 2010). Aus einem von mir geführten Interview mit einem Professor für Physik: PP: „Alles was es gibt in der Welt gibt es nur in der Einheit ħ. Und dieses ħ ist eben das Planck’sche Wirkungsquantum – eine sehr kleine Zahl – Gott sei Dank, und daran merkt man schon, daß die Quantenmechanik eben letztlich nur Dinge beschreibt, die mit unserer 5

Vgl. hierzu das Kapitel 15. Randgeschehen in Systemen.

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normalen, makroskopischen Welt zunächst einmal nichts zu tun haben. Könnte man meinen. Obwohl dieses digitale Aufnahmegerät schon ein Beispiel dafür ist, daß diese Theorie eben dann auch in unserer makroskopischen, also greifbaren Welt, ja offenbar Konsequenzen hat.“

Gleichzeitig haben bestimmte technische Apparaturen, die ihre Entstehung der Quantenphysik verdanken, praktische Konsequenzen in der Alltagswelt, wie eben jenes digitale Aufnahmegerät, mit dem das Interview aufgezeichnet wurde. Als weitere Beispiele seien an dieser Stelle lediglich kursorisch MRT6 und GPS7 genannt. Die Unterscheidung, welche innerhalb der Physik, in Mikro- und Makrokosmos vollzogen wird, erhält in der Esoterik die Dimension der Transzendenz. Mikrokosmische Prozesse, deren Abläufe sehr wohl der Quantenphysik zugerechnet werden, werden – wie nicht anders zu erwarten – nach systemeigenem Code religiös codiert. Die Vortragende des Workshops Quanten* vom 21.02.20138 H: „Es ist diese berühmten 0,000001 Prozent, die Materie ausmacht. Wir bringen es ein für die, die nicht im Erlebnisabend waren eine Erkenntnis der Quantenphysik, daß Atome zu 99,999 Prozent aus reinem Vakuum, heißt Nichts, bestehen und nur zu 0,0001 Prozent aus Materie. Und wir bestehen aus diesen Dingern. Also unser Körper, das sind Atome, die sich zu molekularen Strukturen zusammen bröseln und daraus entsteht Materie und genau diesen Teil, so interpretieren wir es zumindest heute, könnte man sagen: Das was Sie hier vorne sehen, ich, ist nur 0,0001 Prozent von mir. Und 99,999 Prozent von mir, nämlich diesen energetischen Teil, diese energetischen Schwingungsträger, die können wir nicht wahrnehmen. Aber er ist trotzdem da. Und auf dieser Ebene ist alles miteinander verbunden.“

An diesem Zitat sieht man sehr schön, wie Unvorstellbares mit systemeigener Semantik angefüllt wird. Das Ich in dieser Situation laboriert sich am Zustand des prinzipiell Nicht-Seienden ab. Woraus besteht nun der Rest des Ichs, wenn die Materie so wenig ausmacht? Die Antwort, die sie sich gibt ist religiösesoterisch. Der unsichtbare Teil zwischen den Atomen wird als „energetisch“ angenommen. Genau so, wie sich auch der Raum zwischen Protonen, Neutronen und Elektronen der Wahrnehmung entzieht – in der Übersetzung der Quantenphysik gesprochen, da er sich im Mikrokosmos befindet – so entzieht sich eben6

Magnetresonanztomograph.

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General Positioning System.

8

Ich durfte nach Einverständnis aller Teilnehmenden mein Aufnahmegerät mitlaufen lassen und sicherte allen im Gegenzug Anonymität zu.

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falls die esoterische Schwingung der Wahrnehmung. H: „Und auf dieser Ebene ist alles miteinander verbunden.“ In der systemeigenen Logik muß sich der leere Raum mit religiöser Schwingung anfüllen. Und an das physikalische Narrativ schließt sich wunderbar der Kern esoterischer Vorstellung an, daß alles miteinander verbunden sei. Die Frage könnte nun sein, aus welchem Grund wird sich überhaupt an Elementen eines fremden Systems abgearbeitet? Weshalb werden in der Esoterik Ressourcen aus der Quantenphysik verwendet? Einen möglichen Grund nannte mir in einem persönlichen Interview am 15.11.2012 eine andere Referentin, die selbst einen Vortrag in Verbindung mit Quanten hielt. Sie wisse auch nicht, ob ihre Vergleiche stimmig seien und ob das überhaupt passe. Die Menschen benötigten aber etwas fürs Hirn und diesem Drang entspreche sie mit der Einbindung der Quantenphysik in ihre Methode. Während der Analyse von Kommunikationen in der Esoterik, die sich auf Quantenphysik beziehen, wird deutlich, daß während der Fremdreferenz, der Bezugnahme auf systemfremde Elemente aus der Quantenphysik, ständig und daran gekoppelt, eine Selbstreferenz mitläuft. „Bei einer Analyse empirischer Systeme stößt man auf das Phänomen der gekoppelten, strukturell angegliederten, zwangsweise mitlaufenden Selbstreferenz“ (Luhmann 2012: 657). Und dies sowohl innerhalb des jeweils empirisch untersuchten Systems, als auch innerhalb des eigenen wissenschaftlichen Systems. Im Anschluß an die empirische Feldforschung und die Analyse ihrer Ergebnisse wird speziell hierauf im eigenen System Bezug genommen. Der an dieser Stelle verwendete Begriff „fluide“ lehnt sich an den von Zygmunt Baumann eingeführten Begriff an. „What all the fluids amount to, in simple language, is that liquids, unlike solids, cannot easily hold their shape. Fluids, so to speak, neither fix space nor bind time. While solids have clear spatial dimensions but neutralize the impact, and thus downgrade the significance, of time (effectively resist its flow or render it irrelevant), fluids do not keep to any shape for long and are constantly ready (and prone) to change it; and so for them it is the flow of time that counts, more than the space they happen to occupy: that space, after all, they fill but ,for a momentȀ.“ (Baumann 2000: 2)

Die von mir untersuchten esoterischen Bereiche reagieren auf ihre Umwelt und sind highly adaptive, was die Anpassung des Systems betrifft. Durch die Selbstreferentialität systemfremder Elemente – etwa aus den Systemen Wissenschaft, Medizin etc. – werden diese plötzlich mit der systemeigenen Codierung handhabbar. Die Fluidität bezieht sich auf die Bezugnahmen, die Art der eigenen

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„Ausstattung“ mit Metaphern und Analogien, die je mit systemeigener Codierung ver- und entschlüsselt werden. Worum es im Kern geht ist selbst so adaptiv, so allgemein gehalten (Bsp: Alles ist mit allem verbunden), daß die Kommunikationen fließen, und sich dabei immer wieder neu und frech an komplett verschiedene Themen anschmiegen können. „Fremdreferenz ist Bezugnahme auf anderes durch Bezugnahme auf sich selbst. Dies kommt zum Ausdruck in der Einheit der Differenz von operativer Geschlossenheit/kognitiver Offenheit. Oder: Ein systemisches Selbst ist nicht alleine aus sich heraus möglich, sondern bedarf der Sicherung seiner operativen Geschlossenheit nach innen durch seine kognitive Offenheit nach außen, seiner Fähigkeit zur internen Verarbeitung von selbst als für sich relevant ausgewählten Informationen aus seiner Umwelt.“ (Krause 2005: 222)

Am oben angeführten empirischen Beispiel erfolgte die Fremdreferenz auf die Quantenphysik über eine Referenz auf das eigene System Religion. In dem von mir untersuchten esoterischen Bereich wird alles, gerade auch Systemfremdes, religiös interpretiert. Egal womit operiert wird, die Operationen an sich sind immer geschlossen und verweisen trotz Fremdreferenz stets auf sich selbst. Dabei besteht eine große kognitive Offenheit. Es kann theoretisch – und wird auch – an Medizin, Natur, Aliens, etc. angeschlossen. Operativ angeschlossen wird in letzter Konsequenz jedoch immer an das eigene System. In meinem Forschungsfeld werden Bezugnahmen auf Elemente aus der Quantenphysik unternommen, welche dann erstens aus dem wissenschaftlichen Kontext Quantenphysik entfernt werden, um sie zweitens mit einer neuen Semantik anzureichern, die letztlich wieder auf Esoterik verweist. Die operative Geschlossenheit der Esoterik zeigt sich gerade darin, daß immer wieder auf sich selbst verwiesen wird, auch oder gerade wenn kognitiv auf Systemfremdes angeschlossen wird. Ähnlich verhält es sich in der Quantenphysik, weil hier keine, wie in der Esoterik, prinzipielle Anschlußoffenheit gegenüber allem (z.B.: Psychologie, Ernährung, ...) besteht, sondern lediglich gegenüber einem relativ breiten Feld (z.B.: Medizin, Technik, Informatik, Astronomie, ...). Dabei werden zwar bisweilen ontologische Argumentationslinien geführt, jedoch weniger religiös teleologische, bzw. wird dies nicht auf breiter Ebene akzeptiert, sondern es handelt sich dabei um regelhafte Ausnahmen9. Diese „Regelhaftigkeit“ befindet sich einerseits in einzelnen „Ausreißern“ und zum anderen ist sie nicht zuletzt der Kopenhagener Interpretation geschuldet, die gerade die Tür öffnet für ontologische sowie teleologische Weiterfüh9

Vgl. hierzu Bohm/Peat: 1987; Dürr 2009.

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rungen der Problemstellungen, die in anderen Interpretationen keine Problemstellungen mehr sind. An dieser Stelle sei Mario Bunge angeführt, der sich in seinen dreizehn Thesen gegen die Kopenhagener Deutung und für eine statistische Betrachtung (vgl. Bunge 1967: 15ff) der Vorgänge im Mikrokosmos ausspricht. Er versteht sich dabei als Realist. „In pleading for realism I wish, in the main, to argue that nothing has changed since Galileo or Newton or Faraday concerning the status or the role of the ‘observer’ or of our ‘consciousness’ or of our ‘information’ in physics.“ (Bunge 1967: 14) A dieser Stelle läßt sich deshalb folgendes festhalten: „Das Bezugsproblem des Erkennens ist ja gerade, daß es keinen unmittelbaren Zugang zum ‚Objekt‘ des Erkennens gibt – gäbe es diesen, bedürfte es gar keiner ‚Erkenntnis‘, was sich schon daran zeigt, daß wir Erkenntnisprobleme nur dort lokalisieren, wo sich nicht simulieren läßt, daß wir ohnehin schon einen unproblematischen Zugang zur Realität hätten.“ (Nassehi 2003: 310; Hervorh. im Original)

In beiden von mir untersuchten Feldern der Quantenphysik und Esoterik wird, wie bereits erwähnt, mit offensichtlich nicht direkt Zugänglichem, mit Problematischem operiert. Darüber hinaus ist das nicht unmittelbar Zugängliche ebenfalls unbestimmt. Diesbezüglich kann, unter Verweis auf Müller und von Groddeck, die Unbestimmtheit zugleich als Problem und Lösung in der sozialen Praxis (vgl. Müller/von Groddeck 2013) verstanden werden. Unbestimmtheit charakterisiert beide Bereiche. Etwa in der Unschärferelation, der Nichtlokalität, der Idee der Superposition in der Quantenphysik, um nur einige Beispiele zu nennen, und in einer weder begrifflich gefaßten, noch begrifflich faßbaren transzendenten Wesenheit. Trotzdem werden in beiden Systemen jeweilige Erkenntnisse ausgewiesen, um nicht zu sagen Erkennen simuliert. „Die Theorie selbstreferentieller Systeme [...] betrachtet Kausalität [...] als eine Art Organisation der Selbstreferenz; und sie ‚erklärt‘ die Differenz von System und Umwelt dadurch, daß nur selbstreferentielle Systeme sich die Möglichkeit schaffen, Kausalitäten durch Distribution auf System und Umwelt zu ordnen.“ (Luhmann 2012: 26)

Luhmann hat sich in seiner Systemtheorie vom klassischen Verständnis von Kausalität als Ursache-Wirkungsrelation verabschiedet und argumentiert zugunsten eines Blickwinkels auf Fragmentierung und Perspektivendifferenz (vgl. Eckert et al. 2006: 190). Eine Fokussierung mit Hilfe der Systemtheorie stellt scharf auf Perspektivendifferenzen und zeigt ebenfalls auf, wo mitunter gerade auf eine Perspektivendifferenz gesetzt wird.

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„So wie es heute offensichtlich nur selten die christliche Identität untergräbt, wenn Christen Zen-Meditation praktizieren, so war es für christliche Identitäten der Frühen Neuzeit keineswegs problematisch, pantheistische Gedanken aufzugreifen oder esoterische Disziplinen wie die Astrologie und die Alchemie zu betreiben.“ (von Stuckrad 2004: 18)10

Deshalb kann es auch geschehen, daß eine junge Frau, die sich selbst als „christlich orientiert“ bezeichnet, an einem Workshop zur Quantenheilung teilnimmt. Wichtig beim Begriff Esoterik ist allerdings daß „es sich hier um die Konstruktion eines analytischen Instrumentariums handelt. Man muß sich eines von vornherein klar machen: ‚Esoterik‘ als Gegenstand gibt es nicht“ (von Stuckrad 2004: 20). Den Begriff allerdings einzig als eine Vereinheitlichung eines Sammelsuriums von Diskursen zu verstehen würde den Kern verfehlen. Bestimmte Annahmen begegnen mir seit Jahren im esoterischen Feld oder besser gesagt, in den verschiedenen esoterischen Feldern. Und so divers die einzelnen Ausprägungen auch sein mögen, weisen die Bereiche, in denen ich geforscht habe, gewisse Ähnlichkeiten in ihrer semantischen Grundstruktur auf. Gemeinsam ist allen die Annahme, Alles sei mit allem verbunden. Ebenso der Glaube an eine Art von höherer Macht, Ordnungseinheit oder Transzendenz. Unter dem Begriff Esoterik wird kein einheitlicher Gegenstand verstanden, sondern eine Art von Diskursen und Annäherungen. „Was einen Diskurs esoterisch macht, ist die Rhetorik einer verborgenen Wahrheit, die auf einem bestimmten Weg enthüllt werden kann und gegen andere Deutungen von Kosmos und Geschichte – nicht selten die der institutionalisierten Mehrheit – in Stellung gebracht wird.“ (Ebd.)

Die Suche nach und die Auseinandersetzung mit einer „verborgenen Wahrheit“ werden in der Esoterik über die Verknüpfung von Kommunikationen darüber mit Kommunikationen über Quantenphysik quasi legitimiert. Denn auch die Quantenphysik ist voll von Begriffen wie indeterministisch, verborgene Parameter, gleichzeitig an mehreren Orten sein (Superposition) und sie räumt die höchst esoterisch-spirituelle Aussicht darauf ein, daß Beobachter ihren Gegenstand beeinflussen. Wenn in bestimmten spirituellen Bereichen auf Quantenphysik referiert wird, wenn quantenphysikalische Fachtermini verwendet und experimentelle Vorrichtungen (mehr oder weniger korrekt) „zur Veranschaulichung“ skizziert werden, findet dort trotzdem esoterische Kommunikation statt. 10 Vgl. auch Yates 1991. Interessant sind an dieser Stelle auch Einblicke in Newtons handschriftliche Notizen und die darin reich gesäten alchemistischen und religiösen Gedankengängen (http://www.newtonproject.sussex.ac.uk/prism.php?id=1).

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Die „verborgene Wahrheit“ (von Stuckrad 2004) wird in der esoterischen Logik durch eine ebenso verborgene Wissenschaft „zugänglich“. Zugänglich in dem Sinne, daß mit einer Art von „Beweisbarkeit“, von „experimenteller Verifizierbarkeit“ argumentiert wird, was den Glauben für viele anschlußfähiger macht. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit mit dem Begriff „Esoterik“ und nicht mit „Spiritualität“ gearbeitet, da der zweite Begriff ein weiteres Feld umfaßt als „Esoterik“, die sich hier auf den Umgang mit und den Einbau von Quantenphysik, von nicht direkt zugänglichem Sonderwissen, bezieht. Meine Verwendung des Begriffes Esoterik deckt sich deshalb nicht unbedingt mit der anderer Autoren. Der von mir hier verwendete Arbeitsbegriff Esoterik grenzt sich durch esoterisch-spirituelle Kommunikationen über Quantenphysik ab. Im spirituellen Feld kann man der Engelsbewegung ebenso begegnen wie der Auffassung, daß das Leben eines jeden auf einem Palmblatt zuvor festgeschrieben worden ist, der sog. „Russischen Methode“, bei der Zahlen auf den Körper geschrieben werden, die mit einer Art von Heilkraft ausgestattet sind. Ebenso findet sich der Glaube daran, daß islamischer Sufismus mit den Voraussagen eines um die Erde kreisenden Ufos verbunden sei11. Allen gemeinsam ist der 11 Es handelt sich um eine sehr spannende, von mir besuchte religiöse Gemeinschaft mit Sektencharakter. Die Mitglieder verbinden den Islam mit der Vorstellung, um die Erde kreise ein Ufo, das Eingeweihten über ein Buch, das – ähnlich wie der Koran – in verschiedene Abschnitte, sogenannte „Faszikel“ eingeteilt ist, und diese über Prophezeiungen unterrichtet. Jede dieser im Stuhlkreis von den 19 Anwesenden nacheinander laut vorgelesenen Prophezeiungen endet mit den Worten: „Das Ufo.“ Die Mitglieder haben nach Auskunft einer Organisatorin nur fünf Tage im Jahr frei und müssen – können sie nicht persönlich anwesend sein – per Mobiltelefon ihre „Seele“ mit denjenigen der anderen, die an der Sitzung teilnehmen, „verbinden“. Die Zahl 19 ist bei diesen Treffen unabdingbar, denn ihrer Vorstellung nach leben wir in 19 Dimensionen. Aus diesem Grund können Treffen nur mit insgesamt 19 „miteinander verbundenen“ Personen stattfinden. Die Mitglieder, die hauptsächlich aus Frauen bestehen, treffen sich laut eigenen Aussagen an ständig wechselnden Privatadressen. Kurz vor dem Treffen erhielt ich einen Anruf mit besagter Adresse. Insgesamt war zwischen einer ersten Kontaktaufnahme auf einer esoterischen Tagung und der Einladung über ein Jahr vergangen. Ich erhielt spontan und ein paar Stunden vor Beginn der Sitzung einen Telefonanruf mit der Einladung, die nur für genau diesen Zeitpunkt an genau der verabredeten Stelle galt und laut Aussage der Organisatorin zu keiner anderen Zeit jemals wiederholbar wäre. Durch dieses Vorgehen versieht sich diese Gemeinschaft mit einem geheimnisumwitterten Flair und zeigt deutlich nach außen, schwer zugänglich zu sein und den Mitgliedern hohe Einsatzbereitschaft abzuverlangen. Entgegen

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Glaube an eine höhere, wirkmächtige Transzendenz, an eine Vorsehung und daß alles mit allem verbunden sei. Ich habe mich bei meiner Forschung auf (esoterische) Diskurse über Quantenphysik beschränkt. „Weit davon entfernt, sie als etwas Exotisches, Marginales oder Obskures zu betrachten, sucht die neuere Forschung die Esoterik als ein Strukturelement der europäischen Religions- und Kulturgeschichte darzustellen, das bei der Entstehung dessen, was man gewöhnlich die ‚Moderne‘ nennt, nicht unwesentlich beteiligt war.“ (von Stuckrad 2004: 10)

Die historisch-politische Einbettung der Esoterik, im Folgenden als Diskursfeld verstanden, darf dabei nicht in Vergessenheit geraten.12 Der Grund, weshalb nun die Verbindung von Spiritualität und Quantenphysik hier unter den Begriff Esoterik subsumiert wird besteht darin, daß hier auf ein „Geheimwissen“ Bezug genommen wird, das nur wenigen zugänglich ist. Wie im Laufe der Arbeit noch zu sehen sein wird, bestehen Parallelen in esoterischen und wissenschaftlichen Diskursen über Quantenphysik, weshalb wiederum die (mittlerweile) Fremdzuschreibung Esoterik dem Begriff New Age vorgezogen wurde. Eine spirituelle Erfahrung in Verbindung mit einem „Quantenfeld“ oder der „Verschränkung“ wird bereits Laien zugesprochen, aber die genaue Abgrenzung und Definition unterliegt „Fachleuten“. Diese werden im esoterischen Bereich so verstanden daß sie Zugang sowohl zu Quantenphysik – „Mein Freund ist Quantenphysiker“ – als auch zu spirituellem Wissen haben und eine Heiler-Funktion für sich in Anspruch nehmen (können).

der ursprünglichen Aussage wurde ich anschließend per Telefon regelrecht „gestalkt“ und unter Druck gesetzt. Aus Vorsicht hatte ich glücklicherweise meine Adresse trotz wiederkehrender Anfragen nicht verraten. 12 Siehe zur Rolle der Esoterik während des Nationalsozialismus: Junginger 2008; Goodrick-Clarke 2004, Goodrick-Clarke 2009.

Esoterik als Diskursfeld

Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen, einander ergänzenden und bisweilen auch widersprechenden Glaubensinhalte, die im Feld der Esoterik zu finden sind, bei denen Elemente aus christlicher, buddhistischer und schamanistischen Religionen und Glaubensrichtungen u.a. an wissenschaftliche Topoi angeschlossen werden, wird – wie bereits erwähnt – im Folgenden von Stuckrads Oberbegriff eines Diskursfeldes ausgegangen, wenn von Esoterik die Rede sein wird. „Dreh- und Angelpunkt aller esoterischer Traditionen sind Erkenntnisansprüche, die auf das ‚eigentliche‘ oder das absolute Wissen abheben, und die Modi, dieses Wissen verfügbar zu machen – sei es durch einen individuellen Aufstieg des Suchenden, wie in gnostischen oder neuplatonischen Entwürfen, sei es durch ein Initiationsgeschehen, wie in den Geheimgesellschaften der Neuzeit, sei es durch Kommunikation mit geistigen Wesen, wie im ‚Channeling‘1 des zwanzigsten Jahrhunderts.“ (von Stuckrad 2004: 21)

In den von mir untersuchten Bereichen der Esoterik werden Erkenntnisansprüche mit quantenphysikalischen Topoi verbunden, resultieren sogar in einer gewissen esoterischen Eigenlogik. Im folgenden Fall einer von mir initiierten Gruppendiskussion nach einem Vortrag über Quanten (...)2 in einem sog. Institut, erhält die Esoterik ihre Legitimation als notwendige Brücke zu einem besseren Verständnis der Quantenphysik. Gleichzeitig wird ein beide verbindendes Dualitätsprinzip zwischen Wissenschaft und Spiritualität hergestellt.

1

Channeling bezeichnet in New Age und Esoterik einen Zustand bzw. eine Fähigkeit, mit körperlosen Entitäten zu kommunizieren. Dies kann in leichter bis stärkerer Trance, in Träumen oder bei Bewußtsein stattfinden. Die channelnde Person versteht sich als Kommunikationsrohr zu einer Geisterwelt (vgl. Hanegraaff 1998: 23).

2

Aus Gründen der Anonymität wird hier auf die genaue Bezeichnung der Veranstaltung sowie auf das Datum verzichtet.

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Den Status der Rezipienten mit anschließender Multiplikatoren-Funktion belegen etwa Physiker, ebenso wie Laien, die einen Workshop veranstalten, dessen Titel den Anschein hat, sich auf tatsächlich stattfindende quantenphysikalische Prozesse zu beziehen. Referentin H: „Das spirituelle Wissen, was hier auch gelernt und gezeigt wird, diese Fähigkeit ist uralt. [...] Nur dieser Spooky-Teil, die spooky physics, wie Einstein schon dazu sagte, dieser Spooky-Teil wird dadurch einfach modellhaft erklärbarer und damit kriegen manche Menschen einen Zugriff dazu oder einen Zugang dazu, weil ihre Ratio auch ein Stück weit was mitnimmt und sagt okay, kann ich nachvollziehen, ist irgendwie verständlich. Dadurch – wie soll ich sagen – verliert es so ein bißchen diesen Hokuspokus-MystikEffekt [...] Sie glauben gar nicht, wie viele Physiker in diesem Seminar sitzen. [...] Wenn in dieser Welt alles miteinander verbunden ist, ist auch die Spiritualität mit der Wissenschaft verbindbar.“ 3

In einem Atemzug nennt die Referentin zuerst den „Spooky-Teil“ im spirituellen Wissen und zitiert ein Einstein zugerechnetes Zitat mit dem Ausdruck „spooky physics“4. Es scheint so, als würden die „spooky physics“ durch spirituelle Sichtweisen, durch „uraltes Wissen“ „modellhaft erklärbar“. Unklar ist anfänglich, was genau wodurch erklärt und zugänglicher gemacht werden soll. Sogenannte spirituelle Herangehensweisen sollen hier die Quantenphysik für Laien „verständlich[er]“ machen. Damit erhält die spirituelle Ausrichtung, der Vortrag der Referentin, die Funktion eines Türöffners für wissenschaftliche Belange. Infolgedessen geschieht eine Umkehrung der Legitimierung. Nun ist es nicht mehr die Wissenschaft, die die Legitimationshoheit besitzt und Unverständliches näher erläutern darf, sondern die Esoterik5 besitzt die Deutungshoheit über einen Bereich, der bislang der Wissenschaft zugeordnet wird. In dem angeführten Zitat ist die Vorgehensweise sehr gut dargestellt. Darüber hinaus ist es auch nur konkludent, daß innerhalb des eigenen Systems eben jenem die Deutungshoheit zugesprochen wird. Doch wie die Erklärung auch vonstatten gehen mag, wichtig ist hierbei die Verquickung, die angenommene Aufeinander-Angewiesenheit von 3

Auf andere Schlüsselstellen in diesem Zitat wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.

4

„Spooky Physics“ bezieht sich vermutlich auf die sog. „spukhafte Fernwirkung“, mit der Einstein seine Haltung gegenüber der Verschränkung in der Quantenphysik zum Ausdruck gebracht haben soll.

5

Luhmann folgend kann Religion, und damit Esoterik als Diskursfeld, „nur im Modus der Beobachtung zweiter Ordnung, nur als Beobachtung ihrer Selbstbeobachtung definiert werden“. (Luhmann 2002: 15)

E SOTERIK ALS DISKURSFELD

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Quantenphysik und Spiritualität. Denn: H: „Wenn in dieser Welt alles miteinander verbunden ist, ist auch die Spiritualität mit der Wissenschaft verbindbar.“ Aus der esoterischen Annahme, alles sei mit allem verbunden, wird diskursiv eine Art von Quasi-Faktizität geschaffen und die Quantenphysik dient dabei als Legitimations(-hinter-)Grund.6 „Die Modi, in denen sich ein Diskurs absoluter Erkenntnis entfaltet, haben mit der Dialektik von Verborgenem und Offenbartem zu tun, also durchaus mit ‚Geheimnis‘, jedoch nicht in dem Sinne, daß die esoterische Wahrheit nur Eingeweihten zugänglich ist.“ (Von Stuckrad 2004: 21) Prinzipiell können an esoterischen Wahrheiten Interessierte sich über Kurse, Vorträge und Seminare Praktiken und Zugänge dazu aneignen. Ein beliebtes und oft angeführtes Beispiel für den Zugang zu quasi offenbartem Wissen sind auch Schlüsselerlebnisse, wie zum Beispiel schwere körperliche oder psychische Krankheit, oder die Begegnung mit einer Schlüsselperson, wie einem indischen Guru. Im Grunde genommen steht es auch allen Interessierten offen sich über Quantenphysik zu informieren. Die „wirklichen“ Verbindungen zwischen wissenschaftlichen Aussagen und dem Glauben an eine alles verbindende Macht als Botschaft zu verfassen, steht jedoch nicht allen zu. In dem von mir beobachteten esoterischen Bereich wurde großer Wert auf „Qualifikation“ in dem Sinne gelegt, als hier eine persönliche Verbindung der Referentin zu einem Physiker betont wurde. H: „Mein Partner ist Physiker.“ Die Referentin selbst „erklärte“ die Paradoxa in der Quantenphysik über einen esoterischen Kanal. In keiner von mir besuchten Sitzung wurde jemals eine ihrer Aussagen in Frage gestellt oder um eine genauere Erläuterung der behandelten quantenphysikalischen Vorgänge gebeten. Die Autorität der Referentin diesbezüglich wurde nicht in Frage gestellt. Der Kosmos wird bei Esoterikern als holistisch verstanden. „Alles ist mit allem verbunden“ ist ein immer wiederkehrender Satz, eine Grundannahme der Esoterik. „Das Entsprechungsdenken konstruiert dabei Zusammenhänge und Spiegelungen, beispielsweise zwischen Transzendenz und Immanenz, zwischen Planeten und irdischen Ereignissen, zwischen Seele und Körper, zwischen Geist und Materie.“ (Von Stuckrad 2004: 22) Diesem Entsprechungsdenken scheint die Quantenphysik, esoterisch verstanden, endlich eine wissenschaftliche Basis zu geben. Dabei wird gleichzeitig versucht, die abstrakten Themen der Quantenphysik mit dem emotional bestimmten Alltag zu verbinden und dem esoterischen Weltbild damit zu einem wissenschaftlichen Fundament zu verhelfen. Indem nun quantenphysikalische Begriffe aus dem System Wissenschaft in das System Religion eingebaut werden, müssen sie in die Sprache des eigenen Systems übersetzt werden. Das Funktionssystem Religion kann keine wissen6

Später wird noch auf mehrere diskursive Praktiken esoterischer Diskursfelder anhand von quantenphysikalischen Schlagwörtern eingegangen.

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schaftliche Perspektive, sondern immer nur eine religiöse Perspektive einnehmen. Die Besonderheit derjenigen esoterischen Diskurse, die auf Quantenphysik Bezug nehmen besteht darin, wie diese Diskurse sich von quantenphysikalischen Diskursen über Quantenphysik unterscheiden – sofern sie dies tun.7 Die aus den Fragebögen, den offenen Interviews und Gesprächen der teilnehmenden Beobachtung gewonnenen Daten unterliegen laut Nassehi und Saake (vgl. Nassehi/Saake 2002b: 339) damit einer doppelten Kontingenz. „Beide Male muß mit doppelter Kontingenz umgegangen werden, muß damit gerechnet werden, daß der andere wahrnimmt, wie man selbst wahrnimmt, und beide Male entstehen Erwartungsstrukturen, die bestimmte Dinge für eher wahrscheinlich, anderes für unpassend halten.“ (Nassehi/Saake 2002b: 339) Aus forschungsethischen Gründen wurde vor jedem Gespräch, und vor jeder Einführung/Vorstellung darauf hingewiesen, daß mein Interesse forschungspraktische Gründe und Auswirkungen hat und haben wird. Die Fremdheit im Feld und die Tatsache immer beeinflussender Störfaktor zu sein wurde dadurch umso sichtbarer. Doch selbst eine verdeckte Annäherung vermag eine Fremdheit innerhalb des Feldes nicht zu verstecken, da sich der komplette Habitus unterscheidet. Abgesehen davon ist aus forschungsethischen Gründen ein offener Umgang und eine Vorstellung als Forscherin unbedingt vonnöten. Die Anwesenheit einer Forscherin im Feld bedeutet immer einen Störfaktor, bedeutet immer auch eine Veränderung der Beobachteten durch – und sei es auch nur die Anwesenheit der – Beobachterin. Es wäre illusorisch anzunehmen, die Anwesenheit einer fremden Person zöge keinerlei (forschungstheoretische und –praktische) Konsequenzen nach sich. Als Forscherin verändert man immer auch das Beforschte.8 Aus diesem Grund wird hier jede teilnehmende Forschungssituation als „Quasi-Störfall“ behandelt und zwar auch dort, wo vermeintliche Störungen auf ein etwaiges Minimum reduziert wurden. Denn was genau wie von den Feldteilnehmern als störend erachtet wird, kann nie völlig eingeschlossen werden. In den Interview- und Beobachtungssituationen kam es in dieser Forschung hauptsächlich auf den Inhalt des Gesagten, auf die Semantik, die vorgenomme7

Was im Laufe der Arbeit noch zu untersuchen sein wird.

8

An dieser Stelle sei ein augenzwinkernder Vergleich mit dem Beobachterparadoxon aus der Kopenhagener Deutung der Quantenphysik erlaubt. Selbst dort wirkt jedes Beobachten als Meßvorgang auf das System ein. Wie das System ohne den Kollaps der Wellenfunktion ausgesehen hätte, vermag man anschließend nicht mehr nachzuvollziehen. Und zwar theorieinhärent. Die retrospektive Sichtweise darauf, was gewesen wäre, wenn nicht beobachtet worden wäre, ist auch in der Forschungspraxis weder möglich noch sinnvoll. Interessant ist doch gerade, was im Falle des Beobachtens als eines Quasi-Störfalles sich ereignet!

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nen Verknüpfungen und Schlußfolgerungen im Feld an. Systeme sind „operativ geschlossen, autopoietisch und selbstreferentiell. Das bedeutet, daß sich Systeme anhand ihrer eigenen Operationen (Kommunikationen) selbst herstellen. Die Geschlossenheit der Selbstorganisation ist also Voraussetzung für Offenheit gegenüber der Umwelt. Sowohl das Selbstverhältnis des Systems als auch das Verhältnis zur Umwelt werden ausschließlich im System hergestellt.“ (Siri 2012: 124; Hervorh. im Original) Dies bedeutet, daß die System-Umwelt-Differenz, im Falle der Quantenphysik9 mit systemeigener Semantik ausgestattet wird, ja ausgestattet werden muß. „Soziale Systeme können nicht nur über ihre Umwelt kommunizieren, sie können auch ihre Differenzen zur Umwelt (zum Beispiel die Vorstellung ihrer Grenzen oder der besonderen Konstitutionsmerkmale ihrer Elemente) in der internen Kommunikation verwenden. Sie sind, anders gesagt, in der Lage, die System/Umwelt-Differenz in das System wieder einzuführen und mit ihrer Hilfe Prozesse der Selbstbeobachtung, der Selbstbeschreibung, der Reflexion informativ durchzuführen.“ (Luhmann 2012: 640)

Aus diesem Grund erreichen Störfaktoren im System lediglich einen Status von Quasi-Störfaktoren – und wie mit ihnen umgegangen wird macht wiederum deutlich, wie das jeweilige System operiert und welche funktionalen Zuschreibungen vorgenommen werden. Der von Nassehi und Saake vorgeschlagenen Methodologie folgend, soll während des Forschungsprozesses und der Auswertung der Daten, die beide nur Interpretation sein können, und die Möglichkeit mehrerer Referenzrahmen mit einkalkulierend, „mitberücksichtigt werden, daß die Daten im Rahmen einer Interaktion gewonnen wurden, also auch z.B. auf den Interviewer zugeschnitten sind (recipient design), daß sie Ressourcen einer bereits mehrfach geübten autobiographischen Beschreibung10 anzapfen, die wiederum sowohl auf das individuelle Gedächtnis als auch auf Kultur zurückgreifen, indem sie Beobachtungsschemata und Semantiken verwenden, die schon vor der 9

Wiederum fällt der soziologische Blick gerade explizit auf die Quantenphysik, was nicht bedeutet, daß diese Überschreibungen mit neuer, systemeigener Semantik, nicht auch in anderen Fällen vorkommen. An diesem Beispiel werden die Vorgänge nur explizit deutlich.

10 In meiner Feldforschung wurden Erzählungen über das eigene Interesse an Esoterik und Quantenphysik immer mit autobiographischen Details verknüpft. Deshalb wird hier davon ausgegangen, daß Menschen, die sich bereits länger in diesem Bereich befinden, über eine mehrfach geübte Beschreibung davon verfügen, die Teil ihrer Autobiographie ist.

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Interaktion genutzt werden. Darüber hinaus finden sich in diesen Texten Einflüsse spezieller Inklusionserfahrungen in Organisationen und Funktionssystemen.“ (Nassehi/Saake 2002b: 340) Selbst die hauptsächlich vorgenommenen (halb)offenen Interviews, in denen die Gesprächspartner so wenig als möglich auf bereits Vorstrukturiertes gelenkt werden sollten, sind Interaktionen, die damit mindestens einer doppelten Kontingenz unterworfen sind.11 Indem zwischen Performanz, Propositionalität, Verstehen und Mitteilung unterschieden wird12, sollte sichtbar werden, wie der nach Luhmann – unvermeidliche – Ordnungsaufbau vonstatten geht. Gleichzeitig läuft im Hintergrund quasi stets die Frage mit wie der Gegenstand dieser Forschung konstituiert worden ist, der im Folgenden dann beschrieben wird. Gleich zu Beginn erfolgt nun der Versuch einer Offenlegung der hier immanenten Selbstverständlichkeiten: Als Text gelten alle sprachlichen und audiovisuellen Äußerungen. Es versteht sich von selbst, daß die tatsächlichen Kommunikationen durch die anschließende Textualisierung ihrer temporären Kontextualisierung entrissen worden sind. Die Ereignisreihen13, in denen Kommunikanden14 sich stets vorfinden, und an welche ihre Anschlüsse ursprünglich gebunden waren, werden letztlich – durch den Transport der Inhalte aus ihrem Kontext und aus ihrer Echtzeit heraus – unterbrochen. Auch hier findet, selbstredend, eine Auswahl und eine neue Kontextualisierung statt. Schließlich muß interpretiert werden!15 Während der Gespräche, Interviews und Befragungen wird auf die kontrollierte Methode des Fremdverstehens zurückgegriffen. Dabei werden die Gespräche, so gut es in der jeweiligen Situation durchzuführen ist, medial konserviert und anschließend einer Transkription unterzogen. Die Äußerungen sind damit in den von den Befragten selbst hergestellten Zusammenhang eingebettet und können in ihrem jeweiligen dargestellten Kontext interpretiert werden. „Me11 Einer potenzierten wechselseitigen Referentialität und Kontingenz unterlagen die offenen Interviews, bei denen mehrere Personen Kommunikationen tätigten. 12 Dem Impetus von Nassehi und Saake folgend, siehe: Nassehi/Saake 2002b: 340. 13 „Systemtheoretisch würden wir diese Information, daß sich Ereignisse an Ereignisse reihen, zusätzlich als Operativität oder – nicht im gleichen Sinne wie Habermas – als Performativität bezeichnen.“ (Nassehi/Saake 200b: 338) 14 Als Kommunikanden gelten in dieser Arbeit Akteure und Nicht-Akteure, Kommunikationsmedien und letztlich alles, was zumindest ein Kommunikationspotential beherbergt. 15 „Die Neigung dazu, sich an Sprache, am Mitteilungscharakter von Kommunikation zu orientieren, ist groß, wenn man Interpretationskompetenz demonstrieren will, ohne dabei sichtbar zu machen, daß interpretiert werden muß.“ (Nassehi/Saake 2002b: 340)

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thodisch kontrolliertes Fremdverstehen heißt, Bedingungen dafür zu schaffen, daß die Erforschten ihre Relevanzsysteme formal und inhaltlich eigenständig entfalten können.“ (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010: 31) Die Grounded Theory bildet den Rahmen und die Orientierung innerhalb der Datenerhebung. Hier wird insbesondere dem konstruktivistischen Ansatz von Charmaz gefolgt, nach dem „uns immer bewußt sein muß, von welchem Standpunkt aus wir über die Daten sprechen, die wir analysieren“ (Mey/Mruck 2011: 94). Daß die Auswahl der Methoden, der Daten, der theoretischen Einbettung, der Fragestellungen in ihrer Kontingenz jeweils auch konstruktivistische Konsequenzen einschließen, erfordert eine ständige Reflexivität. „Letztlich kann die empirische Sozialforschung vom kreativen (i.e. kontingenten) Umgang ihres Gegenstandes [...] mit Kontingenz lernen, wie sie sich selbst formiert: weder notwendig so, noch beliebig anders.“ (Nassehi/Saake 2002a: 84) Die methodologische Untersuchung der kommunikativen Strategien soll bei gleichzeitiger methodischer Selbstreflexion, die ständig parallel zur jeweiligen Untersuchung im Hintergrund mitlaufen muß, erfolgen. Wie wird während der Forschung der Gegenstand konstituiert und wie wird dabei, was während der laufenden Forschungsarbeit zu ermitteln gilt, die Kontingenz eingeschränkt? „Methodisch heißt dies, daß man eigentlich gar nicht viel falsch machen kann. Überall kann man Anschlußfähigkeit nachzeichnen.“ (Saake 2010: 62) Daß Sätze aus der Quantenphysik anschlußfähig sind an Sätze aus der Esoterik, und vice versa, wird im Laufe der Arbeit gezeigt werden. Laut Saake müsse auch gar nicht „ein gesamtes Feld in den Blick genommen werden. Es reicht, wenn im Hinblick auf eine Fragestellung ein Bereich herausgegriffen wird, dessen Spezialisierung im Weiteren untersucht wird.“ (Saake 2010: 62) Denn es müssen sich die Elemente des Systems gemäß der systemeigenen Codierung differenzieren und operieren. Wenn ich mich nun in dieser Arbeit systemtheoretisch dem Feld nähere, dann unter der Prämisse, daß die Funktionalität und Operabilität des Gesamtsystems sich in seinen wesentlichen Elementen zeigt, da diese alle seinen Gesetzmäßigkeiten gehorchen müssen, um das System aufrechtzuerhalten und zu perpetuieren. Im Laufe der Feldforschung dürfte dann erkennbar sein, ob die darin erhobenen qualitativen Daten dazu in der Lage sind, über die genannten forschungsrelevanten Fragen Auskunft zu geben, oder ob sie lediglich über die soziale Repräsentation ihrer jeweiligen Inhalte informieren. Worauf verweisen die jeweiligen Texte? Welches Problem lösen sie jeweils? Welche Probleme haben sie zuvor selbst produziert? Plausibilität wird in vielen Feldern, etwa in der täglichen Berichterstattung durch Referenz auf „Wissenschaft“, „wissenschaftliche Untersuchungen“, „Wissenschaftler“ und „Experten“ geschaffen. In zahlreichen Nachrichtenportalen

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genügt oftmals der Verweis auf eine ungenaue Anzahl von „wissenschaftlichen Experten“, ohne auf ihr jeweiliges Arbeitsgebiet, ihre Profession oder auf ihre Veröffentlichungen einzugehen, geschweige denn, sie namentlich zu nennen. Verwiesen wird auf eine Art von wissenschaftlicher Black Box, deren Ergebnis stets das gerade anstehende Problem zu lösen scheint. Oft werden dabei auch Argumente aus dem Gesamtzusammenhang genommen. Ganz anders erfolgt das Vorgehen in dieser Arbeit. Kritiker mögen zwar anfänglich argumentieren, daß – an den Stellen, an denen die Quellen anonymisiert wurden – ebenfalls eine Black Box geschaffen wurde. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, daß – wie weiter oben angeführt – Anonymisierungen auf positive Weise den Blick darauf fokussieren, daß selbst für den Fall, daß man wüßte, um wen es sich handelt, trotzdem nicht von einem erkenntnisoffenen Zugang gesprochen werden kann. Des Weiteren geht es ja explizit um den Inhalt, geht es darum, was kommuniziert wird. Die Fokussierung verläuft hier über den Blick auf die Ebene der Operationalisierung von weiteren Kommunikationen über eben jene Kommunikationen über Quantenphysik16. Durch die Kenntlichmachung der jeweiligen, ohnehin nicht direkt zugänglichen, Black Box-Quelle, kann erst die volle Aufmerksamkeit darauf gerichtet werden, was mit welchen Ein- und Ausschlüssen gesagt, und welche Bedeutung hineingepackt wird. Alle in dieser Arbeit verwendeten Daten, Interview-Transkripte, Aufnahmen, Texte (z.B. Antworten aus den halboffenen Fragebögen, etc.) werden als bedeutungsgenerierende Instrumente untersucht und darüber hinaus wird beleuchtet, wodurch sie diese Bedeutung erhalten (vgl. Nassehi/Saake 2002: 67). Zuerst erfolgt anhand qualitativer Analysen wie die Quantenphysik in den genannten Feldern rezipiert wird. Über welche Medien wurden sich aufgrund welchen Interesses und welcher Motivation welche Inhalte mit welchen Ergebnissen wie angeeignet? Was geschieht mit der Plausibilisierung, wenn sie von einem System ins andere transferiert wird? Beispielsweise vom System Wissenschaft in das System Religion, in das hier die esoterischen Felder eingeordnet werden (vgl. Nassehi: 1995: 121). Kann als Folge der Rezeption der Quantenphysik darauf geschlossen werden, welchen Status diese Wissenschaft (in dieser Gesellschaft) hat? Der Schwierigkeit des soziologischen Gesellschaftsbegriffes gewahr, meint Gesellschaft nur auf den ersten Blick die Kollektivität der a priori vorausgesetzten Gesellschaft und ihre Arena, in der faktisch Dinge geschehen. Auf den zweiten Blick meint der Gesellschaftsbegriff zugleich die fortwährende 16 Die Systemtheorie von Luhmann zeichnet sich, wie bereits angesprochen, unter anderem dadurch aus, daß sie sich auf sich selbst anwendet. Gegen Ende der Arbeit werden die Klammern gelöst, und über die Beobachtung der Forscherin der Beobachtung von Kommunikationen über Quantenphysik, eingelöst.

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Paradoxie, zu beschreiben und zu forschen, ohne sich aus der Einbettung in den Gegenstand je gänzlich lösen zu können, meint einen intendierten Blick auf das Zustandekommen, die Bedingungen von Kollektivitäten, von Identitäten und einen Blick auf die Operationen. „Die Soziologie kann an ihrer eigenen Praxis sehen lernen, daß sie Ähnliches tut wie andere: sie thematisiert die Gesellschaft und ist damit in ihren Gegenstand eingeschlossen – und zwar unweigerlich.“ (Nassehi 2006: 373) Der Gesellschaftsbegriff17 und seine Implikationen schwingen, auch wenn nicht explizit erwähnt, in den jeweiligen Feldern mit, weil diese laut Luhmann Funktionssysteme des Systems Gesellschaft18 sind. Gesellschaft selbst versteht Luhmann als ein „operational geschlossenes autopoietisches System [...], das nur produziert, was es produziert, nämlich Kommunikationen, und das seine Operationen fortsetzt, solange es geht“ (Luhmann 1992: 343). Die Auswahl der Begriffe impliziert immer auch bestimmte methodologische Konsequenzen. Wenn nun in verschiedenen Systemen die jeweilige Kommunikation und ihre Anschlußfähigkeit untersucht wird, muß berücksichtigt werden, daß religiöse Kommunikation nur religiös kommunizieren kann und Wissenschaft anhand wissenschaftlicher Kommunikationen operiert. Wenn sich vordergründig Kommunikationen aus verschiedenen Systemen überschneiden, die auf den ersten Blick Dasselbe kommunizieren, bedarf es eines Perspektivenwechsels, um die feinen Nuancen der semantischen Differenzen gewahr zu werden. Möglicherweise stößt man währenddessen überraschend darauf, daß bei einem – auf den ersten Blick ähnlichen Kommunikationsinhalt – tatsächlich über gänzlich verschiedene, inkommensurable Topoi kommuniziert und währenddessen genau darüber „verhandelt“ wird. Methodologisch bedeutet dieser Anspruch, sich stets der Gefahr zu vergegenwärtigen, den Blick von zu viel theoretischem und methodologischem Ballast frei zu halten – und sich beim genauen Hinsehen trotzdem der relevanten theoretischen und methodischen Topoi bewußt zu sein, ohne den Blick dabei zu präsuppositionsbeladen werden zu lassen. Bei der Untersuchung der Rezeption von 17 „Die Gesellschaft“ inkludiert als Arbeitsbegriff ausdrücklich keinen Substanz-, Kapazitäts-, oder Allgemeinheitsbegriff. Elmar Koenens Vorschlag auf den Münchener Theoriegesprächen 2013 folgend, den Begriff möglichst inhaltsleer, anspruchslos und niedrigschwellig zu halten, um aktuelle Prozesse beschreiben zu können, steht aber unterschwellig in Verbindung mit einer anspruchsvollen, kritischen Begriffssemantik sowie Luhmanns Kontingenzbegriff als „Eigenwert der Gesellschaft“ (Luhmann 2006: 93). 18 So nennt Luhmann in: Die Wissenschaft der Gesellschaft die Wissenschaft ein „Funktionssystem der Gesellschaft“ (Luhmann 1992 (1990): 7). Religion sei, so meint Luhmann, „durch ein Ausschließungsverhältnis charakterisiert“. (Luhmann 2002: 8)

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Quantenphysik werden auch die verschiedenen Kommunikationsformen, mit Hilfe derer Quantenphysik rezipiert wird, in den Blick genommen. Gleichzeitig wird während der Feldforschung darauf geachtet, welche Informationen die jeweiligen Kommunikationsformen über den Status einer Person, über den Status der Wissenschaft und den Bereich aussagen, in der die der Rezeption anschließende Adaption stattfindet. Warum ist es gerade die Quantenphysik, auf die so viele Rekurse erfolgen? Und wie genau laufen Bezugnahmen auf die Quantenphysik ab? Im Feld der Physik wird untersucht, wie Methoden, Theoriebildungen und Verifikationen in der Quantenphysik erfolgen. Könnte es einen Grund geben, der in diesen Bereichen verankert ist, weshalb gerade auf die Quantenphysik rekurriert wird, um völlig sachfremde Dinge einer intendierten Plausibilisierung zu unterziehen? Welche (Bezugs-)Probleme werden durch die Rezeption und Referenz auf Quantenphysik – scheinbar oder tatsächlich – gelöst? Welche Erwartungshaltungen werden mit dem Begriff Quantenphysik verbunden? Bezeichnet etwa der Verweis auf die Quantenphysik als einer stark kritisierten, in ihren Anfängen nicht überall akzeptierten Theorie19, hin zu einer mittlerweile anerkannten Wissenschaft, quasi die erwünschte und vorweg-genommene eigene Geschichte einiger esoterischer Strömungen, die sich noch im „Anfangsstadium der gesellschaftlichen Anerkennung“ befinden? Genauso wie ehemals die Quantenphysik? Wird hier eine Art von Mythos, von Heilsgeschichte geschaffen? Und weist die Rezeption auf Quantenphysik innerhalb bestimmter Bereiche, etwa im System Religion, auf einen Paradigmenwechsel hin? In vorliegender Studie werden die Plausibilisierungsmethoden in den einzelnen Forschungsfeldern untersucht: Die Erzeugung von Plausibilität und Mechanismen der Plausibilisierung in der Wissenschaft, in der klassischen Physik, der Quantenphysik und im esoterischen Milieu. Eine Kopplung zwischen Glaube und Wissenschaft bilden dabei esoterisch gläubige Wissenschaftler, wie Hugh Everett, David Bohm, Hans-Peter Dürr sowie Personen, die interessante Schnittstellen besetzen, wie etwa Dr. Q., ein Quantenphysiker, der im esoterischen Bereich Kurse anbietet. Von Interesse wird dabei auch die Plausibilität unterschiedlicher Bezugnahmen auf die Wissenschaft sein. Reichen eigene Sinnstrukturen und Entwürfe, Konzeptionen in bestimmten Feldern etwa nicht mehr aus, um Plausibilität und Glaubwürdigkeit zu schaffen? Wenn dem so sein sollte, warum? 19 An dieser Stelle sei an die Bohr-Einstein-Debatte erinnert, und an Einsteins Vorwurf, „daß die Wirklichkeit ‚unabhängig vom wahrnehmenden Subjekte‘“ (Held 1999: 212) sei und die „Auffassung einer vollständigen Quantenmechanik (...) diesem vernünftigen Realismus“ (ebd.) widerspreche.

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Die Anschlußfähigkeit von Physik und Religion hat eine längere Tradition. Schon bei Issac Newton20 läßt sich nachweisen, daß Alchemie in seinen wissenschaftlichen Arbeiten eine große Rolle eingenommen hat. „That alchemy played a role in NewtonȀs thought is no longer to be denied; one can now trace its contributions with some exactitude.“ (Dobbs 2002:13) Weiter unten wird beispielhaft näher auf die Geschichte des Lichtäthers und die damit verbundene Verflechtung von religiösen mit wissenschaftlichen Ansätzen und Gedanken eingegangen.

20 „Este universo, ademais, é ordenado e harmônico, existe uma ideia de totalidade que pode, após Newton (1642-1727), ser descrita por leis elegantes e simples. Neste sentido, a simplicidade ontológica vai ter sempre como referente uma epistemologia sistemática que apresenta as relações entre as coisas através de leis matemáticas.“ (Eckert et al. 2006: 184) “Dieses Universum ist im Übrigen geordnet und harmonisch. Es existiert eine Idee der Vollständigkeit, die Newton (1642-1727) zufolge mit eleganten und einfachen Gesetzen beschrieben werden kann. In diesem Sinne wird auf die ontologische Einfachheit immer referiert als eine systematische Epistemologie, welche die Beziehungen zwischen den Dingen quer durch die mathematischen Gesetze präsentiert.“ [Eigene Übersetzung; L. K.] Alle in dieser Arbeit vorgenommenen Übersetzungen stammen von mir. Nähere Informationen zu Sir Isaac Newtons wissenschaftlichen, theologischen u.a. Schriften incl. eingescannter Originalhandschriften sind in „The Newton Project“ (http://www.newtonproject.sussex.ac.uk/prism.php?Id= 43) zu finden. „Although newton wrote far more on alchemy, theology and ancient chronology than on either gravity or optics, he is now universally acclaimed as a scientific genius.“ (Fara 2002: xv)

Analogien und Metaphern in Religion und Wissenschaft

„A central aspect of scientific creativity is the scientist`s ability to create something new by relating it to something already understood. This is the goal of metaphors, an extremely important facet of scientific research.“ (Miller 2003: 198)

Analogien und Metaphern werden v.a. in Wissenschaften und Religionen dort hervorgeholt, wo über nicht oder nur schwer Vorstellbares, über Unaussprechliches und Unbegreifliches, im Sinne einer theoretischen bzw. religiösen Abstraktion kommuniziert wird. Dabei wird unter Zuhilfenahme von bereits Bekanntem etwas bislang Unbekanntes anschaulicher gemacht. „The very nature of a metaphor requires that we employ a familiar word to stand for the unfamiliar.“ (Maccormac 1975: 402) Bunge unterscheidet zwischen substantiellen und formalen Analogien (vgl. Bunge 1968). Wenn Vergleichsbasis und Zielbereich zahlreiche Eigenschaften miteinander teilen spricht er von einer substantiellen, wenn hingegen gemeinsame Relationen vorkommen, von formalen Analogien (vgl. ebd.). Beispiele für eine substantielle Analogie in der Physik sind Wasserwellen und Schallwellen, da beide Druckwellen sind (vgl. Bunge 1968: 266). Formal analog sind beide zu Lichtwellen, da sie ähnlichen Gesetzen folgen (vgl. ebd.). Während eines esoterischen Vortrags, an dem ich teilnahm und der sich auf Quantenphysik zu beziehen vorgab, wurde analogisch argumentiert, ohne jedoch tatsächlich aussagekräftige oder heuristische Analogien zu bilden. Die Referentin H verglich „das zwischen den Atomen“ mit einer außerweltlichen transzendenten Sache, worauf später noch näher eingegangen wird. Referentin H: „[...] Das zwischen den Atomen – die alles umfassende Kraft allumfassender Liebe, Göttliches oder die Info von Harmonie und Ordnung.“ H verknüpft in diesem Satz zwei unsichtbare Entitäten analogisch miteinander. Zum einen wird „das zwischen den Atomen“ genannt, womit entweder der Raum zwischen einzelnen Atomen gemeint sein könnte, der – in Bezug zur Grö-

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ße der Protonen, Neutronen und Elektronen – unvorstellbar viel größer ist und demnach sehr viel Raum dazwischen aufspannt. Auf der anderen Seite wird dieser Raum analogisch mit „alles umfassende Kraft allumfassender Liebe, Göttliches oder die Info von Harmonie und Ordnung“ aufgefüllt, was sich auf eine spezielle Art von religiöser Wirkmächtigkeit bezieht. Wirkmächtigkeit ist hier im Kontext sichtbarer und/oder hörbarer (sprachlicher) Wirkung zu verstehen. Gemeint ist damit die prinzipiell vorausgesetzte Macht eine mögliche Wirkung erzielen zu können. Durch die analogische Verknüpfung wird der unsichtbare und dennoch proportional unvorstellbar große Raum zwischen den Atomen mit religiöser Kraft und Wirkmächtigkeit ausgestattet. Eine logische Schlußfolgerung wäre dann zum Beispiel dieses paradoxerweise unvorstellbar große und trotzdem auf so kleinen Raum Gedrängte aber „Reale“ mit religiöser Fiktion zu versehen, und demgegenüber die religiöse Fiktion quasi mit „Materie“ auszustaffieren und mit einer Art von pseudowissenschaftlicher Begründung zu versehen, da beide Bereiche für das normale Auge unsichtbar sind. Obwohl man nun anhand dieser analogischen Argumentation sicherlich noch viele andere Dinge mit einbeziehen könnte, handelt es sich hierbei jedoch um einen sehr weit hergeholten attributiven und schwachen, weil oberflächlichen Schluß. Je weiter Basis- und Zielbereich voneinander entfernt liegen, desto schwächer die Analogie (vgl. Hentschel 2010; Bunge 1968). Von einer tatsächlich substantiellen, oder einer formalen Analogie, geschweige denn einer heuristischen Stärke, kann hier nicht die Rede sein. Es wird lediglich analogisch argumentiert. „Dann und nur dann, wenn der analogische Transfer von Basis- zum Zielbereich in der Übertragung eines oder mehrerer Attribute eines Objekts aus dem Basisbereich besteht, dem ein ‚analoges‘ Objekt im Zielbereich zugeordnet wird, liegt eine sogenannte attributive Analogie vor. Oft handelt es sich schlicht um äußere Ähnlichkeiten, aus denen aber in der Naturwissenschaft leider nur wenig geschlossen werden kann.“ (Hentschel 2010: 33)

Das einzige Attribut, welches Basis- und Zielbereich – das zwischen den Atomen und etwas Göttliches – im vorangegangenen empirischen Beispiel miteinander teilen ist auch in esoterisch-religiöser Lesart ihre Unsichtbarkeit. Im Folgenden wird erst die Verwendung von Metaphern und Analogien in den Wissenschaften behandelt um anschließend die Handhabung im System Religion und ihrer Schnittstelle zu analysieren. Dabei werden Gemeinsamkeiten und wichtige Unterschiede in ihrer Verwendung sichtbar. Über den Nutzen von Analogien und Metaphern in den Wissenschaften gibt es zum Teil sehr gegenläufige Meinungen. Während manche von einer wichtigen Funktion für die Wissenschaften

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sprechen, warnen andere vor einer zu starken Vereinfachung oder ziehen ihren Nutzen stark in Zweifel. „Vertreter klassischer Wissenschaftstheorie, wie beispielsweise Carl Gustav Hempel und Wolfgang Stegmüller, warnen vor einem Denken in Analogien. Denn immer, wenn jemand behaupte, A sei analog B, müsse er präzisieren, hinsichtlich welcher Gesetzesklassen G und G*, wobei er zugleich behauptet, daß jene Gesetzesklassen formal isomorph seien. Dies könne er aber erst aus Experimenten oder Beobachtungen wissen, so daß er dann das Analogiemodell nicht mehr benötige oder, wenn er nichts dergleichen wisse, sei sein Analogiemodell wertlos.“ (Hubig 2010: 76)

Diesen Regreß muß jedoch nur fürchten, wer eine Analogie als nicht vorläufig, als nicht provisorisch begreift und ihr einen tatsächlichen Bezug zur „Realität“ einräumt, eine Art faktischer Geltung. Auf das kreative Reservoir neuer Lösungsansätze vermögen jene zurückgreifen, die Analogien lediglich als Hilfsmittel, als vorübergehende Skizzierung zu Rate ziehen. „Diese Zurückweisung eines Denkens in Analogien ist jedoch nur sinnvoll im Diskurs, der sich unter einem naiv-realistischen Konzept mit der Geltung von Theorien beschäftigt.“ (Ebd.; Hervorh. im Original) Wichtig bei der Verwendung von Analogien in den Wissenschaften sind die Vorläufigkeit und die Funktion derjenigen, stellen sie doch eine „große heuristische Stärke [...] als Erkenntnisfindungs- und Erweiterungsinstrument“ dar. (Hentschel 2010: 25; vgl. auch Bunge 1968: 268) Wichtig ist, sich der Verwendung von Analogien bewußt zu sein und sie immer nur als temporäre Hilfestellung zu verwenden ohne dabei jedoch der Versuchung zu unterliegen, sie derart in wissenschaftliche Narrative einzubinden als sei es ein Faktum, worüber man spreche, und nicht eine Analogie. Bunge kritisiert, daß es keine „logic of analogy“ (Bunge 1968: 267) gebe, sondern daß ihr Erfolg maßgeblich in der Natur der Sache liege (vgl. ebd.). Gerade der abstrakte, nicht intuitive Bereich der Quantenphysik lebt davon, zumindest über Analogien einigermaßen zugänglich zu sein. Die Schwierigkeit, sich Unzugängliches über Analogien zugänglich zu machen liegt unter anderem darin, sich klassischer Sprache und klassischer Analogien zu bedienen, um nichtklassische Quantenphysik nachvollziehen zu wollen. Der heuristische Nutzen von Analogien verdeutlicht dabei ebenso ihre Limitation. „Analogy, then, is double-edged. On the one hand it facilitates research into the unknown by encouraging us to tentatively extend our antecedent knowledge to a new field. On the other hand, if the world is variegated then analogy is bound to exhibit its limitation at

58 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK some point, for what is radically new is precisely that which cannot be fully accounted for in familiar terms.“ (Bunge 1968: 269)

Ein von mir in einem halboffenen Interview befragter Physiker äußerte sich folgendermaßen zur Handhabung von Unbeobachtbarem über mathematisch nachvollziehbare Größen: Phys: „[...] [D]ie Idee, die auch Heisenberg dann schon in diesem Papier anspricht ist, wegzukommen davon, daß wir Begriffe benutzen, die wir auch im Prinzip nicht beobachten können. Also etwas wie der Ort oder der Impuls eines Elektrons hat nur dann Bedeutung, wenn wir Ort oder Impuls des Elektrons beobachten können. Da wir das wahrscheinlich prinzipiell nicht können müssen wir andere Größen, die wir beobachten können, zu Hilfe nehmen, wenn wir die Dynamik des Elektrons beschreiben wollen. Was können wir beobachten? Die Übergangswahrscheinlichkeiten und die Übergangsfrequenzen in Atomen. Also wenn Elektronen in einem Atom hin und her hüpfen, dann strahlen die Licht aus oder absorbieren Licht. Diese Frequenzen wissen wir und wir wissen, wie oft die das tun. Das sind die beobachtbaren Größen. Und jetzt müssen wir halt so was wie den Ort oder den Impuls eines Elektrons ersetzen durch diese Größen. Wie machen wir das? Das war ein komplizierter Prozeß, wie man da drauf gekommen ist, wie Heisenberg da drauf gekommen ist. Aber man kann sozusagen den Ort und den Impuls ersetzen durch unendlich-dimensionale Matrizen, die alle diese Größen enthalten. Vorstellung ist da glaube ich erst mal gar nicht gegeben.“

Die Analogie, mit der Ort und Impuls quasi beobachtbar werden, ist eine mathematische. Obwohl nun die Heisenbergsche Matrizenmechanik eine „adäquatere“ Herangehensweise an mikrokosmische Vorgänge zu sein scheint, da ihr – im Gegensatz zur Wellengleichung von Schrödinger – weder Analogien noch Interpretationen vorgeschaltet werden müssen, wird in der Alltagspraxis die einfacher zu lösende Wellengleichung verwendet, ohne daß jedoch auf ihre Vorbedingungen näher eingegangen wird. Das Prinzip von „Occam`s Razor“ wird hier eindeutig verletzt. Das Zitat eines von mir befragten Experimentalphysikers (EP) zeigt, daß die Interpretationen in der experimentellen Praxis, die quasi hinter die Rechenoperationen geschaltet sind, keine Rolle spielen. Das, was beobachtet wird, und das was gerechnet wird, ist von den Interpretationen der theoretischen Physik abgekoppelt. Die Kopenhagener Deutung wird zwar vorgeschaltet, aber die Handhabung erfolgt völlig pragmatisch. Der Beobachter-Effekt wird völlig außen vor gelassen und die Schrödingergleichung wird nur als Wahrscheinlichkeitsgleichung gelesen.

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EP: „Also die grundlegende Interpretation der Quantenmechanik ist jetzt nicht so sehr das Thema unserer Messung. Ich glaube, bei uns hat sich so die allgemeine KopenhagenDeutung so etabliert, daß die Atome eine Wellenfunktion darstellen, die schlicht und ergreifend eine Wahrscheinlichkeit darstellt, wo man dann die Atome messen wird. Aber zufällig. Das heißt auch – genau zum Beispiel, wenn wir ein Bild der Wolke nehmen, dann ist es oft so eine Gaußsche Verteilung wenn die Wolke noch in der Falle, in dem Gitter sitzt, dann ist das so eine Gaußsche Verteilung, also so ein rundes Bild. In der Mitte ganz viele Atome und am Rand immer weniger, so eine Gauß-Verteilung. Und die ist natürlich nicht perfekt glatt, sondern die hat ein bißchen Noise drauf. Wenn man die anschaut, dann geht das so leicht zickzack, aber im Allgemeinen wie ein Gauß. Und das ist letztendlich schon Quantenmechanik, die man sieht, denn jedes Atom könnte man sagen, ist über den kompletten Raum, über diese komplette Gauß-Verteilung, zufällig verteilt, aber wenn wir mit dem Laserstrahl reinschießen, um die Atome abzubilden, dann entscheidet sich jedes Atom, oder wie man das formulieren möchte, für eine bestimmte Position, wo es gemessen wird, und das sehen wir dann auf dem Foto. Das heißt, wenn wir so eine Zickzack-Linie auf dem Gauß haben, hat man an manchen Stellen in paar mehr Atome zufällig gehabt und an manchen Stellen ein paar weniger. Das ist eigentlich schon Quantenmechanik. Das heißt auch Shot-Noise, das heißt in jedem Schuß bekommt man ein bestimmtes Rauschen und das ist von Schuß zu Schuß anders. Und – genau. Da folgen wir eigentlich der Kopenhagen-Interpretation, genau.“

Im Zitat ist sehr schön zu sehen, wie völlig unklassische quantenmechanische Prozesse mit klassischen Analogien quasi anschaulich gemacht werden. Zum einen markiert die Wellenfunktion in dieser Lesart1 eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Atomen. Darüber hinaus kann an dieser Stelle von einer funktionalen Analogie gesprochen werden, denn „[i]n der Quantenmechanik steht als einzige Größe zur Beschreibung des Zustandes eines Teilchens bzw. eines Teilchensystems die Wellenfunktion zur Verfügung, also eine Funktion von Ort und Zeit, die charakteristische Züge der Momentanamplitude einer klassi1

An dieser Stelle sei daran erinnert, daß andere Lesarten hier ein Interferenzmuster erkennen (vgl. Deutsch 1998). Insbesondere in der Kopenhagener Deutung wird die Wellengleichung als Interferenz mit dem Beobachter gelesen (vgl. Friebe et al. 2015), was hier jedoch völlig ausgeklammert wird. Hier wird – vermutlich weil es so praktikabler ist – die Kopenhagener Deutung als Rechenoperation mit der Einstein’schen Interpretation als Wahrscheinlichkeitswelle (siehe Einstein/Infeld 2004: 267) vermengt. Auch Born, Bohr, Heisenberg und Jordan sind Probabilisten und interpretieren die Schrödingergleichung als Aufenthaltswahrscheinlichkeit (vgl. Hoyer/Sallhofer 2007; Heisenberg 1970).

60 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK schen Welle aufweist. Wir werden daher in Analogie annehmen, daß auch die quantenmechanische Wellenfunktion Lösung einer bestimmten Differentialgleichung = quantenmechanische Wellengleichung ist.“ (Lindström et al. 2002: 101; Hervorh. im Original)

Diese funktionale Analogie ist recht naheliegend, da die miteinander verbundenen Gebiete beide Teilbereiche der Physik sind. Darüber hinaus kommt man hier zum Zirkelschluß, daß sie ebenfalls rechnerisch nahe beieinander liegen – was sich jedoch gerade unter anderem aus der funktionalen Analogie ergibt. Die zweite Analogie, das „Bild der Wolke“, ist zunächst einmal eine substantielle Analogie, weil die Ansammlung dichtgedrängter Atome einer Wolke ähnlich sieht. Mit Welle und Wolke werden in der Natur vorkommende anschauliche Beispiele gewählt, da es sich bei der Quantenphysik gerade um nichtklassische, unintuitive Prozesse handelt, die in der Mesowelt nicht zu sehen sind. Laut Bunge wurde in der ursprünglichen Fassung der de Broglie-Schrödinger Interpretation davon ausgegangen, daß die Wellengleichung keine Analogie sei, sondern tatsächlich eine Welle beschreibe. „[I]t was an analogical inference based on an analogy of the formal kind. In the early days of the theory this interpretation was taken as literal not metaphorical, i.e. the formal analogy was taken as indicative of a substantial analogy.“ (Bunge 1968: 268) Born zeigte aber, daß der Zustandsvektor keine eigentümliche Substanz zeigt, die über den Raum geschmiert sei, sondern daß er den Zustand des Systems darstelle. Ohne die Analogie wäre laut Bunge die Wellenmechanik womöglich gar nicht erst aus der Taufe gehoben worden „and so-called diffraction of matter waves would not have counted as decisive empirical confirmation of it“ (ebd.). Analogien und Metaphern schränken somit einerseits Kontingenz ein, andererseits eröffnen sie wiederum mehrere Möglichkeiten, immer wieder von bereits bekannten Basen neue Vergleiche zu ziehen. Die Verwendung von Analogien und Metaphern präjudiziert demnach eingeschränkte Perspektivenwechsel. Das völlig Neue ist damit also nicht zu fassen. Die Analogie der Dualität von Welle und Teilchen ist laut Bunge ein Ergebnis der Kopenhagener Deutung (vgl. Bunge 1968). Zu sprachlichen Analogien kommen in der Quantenphysik mathematische hinzu. Wenn verschiedene Theorien in ein und dasselbe mathematische Bezugssystem gegossen würden, würde man nicht umhinkommen, formale Analogien zu produzieren (vgl. Bunge 1968: 271). Als problematisch erweist sich auch schon die Logik der jeweiligen Verbalsprache, die man benutzt. Stahl weist darauf hin, daß die linguistische Struktur indoeuropäischer Sprachen nur zwei Werte in sich trage; wahr oder falsch, „which lead to contradiction, incompleteness, mutual exclusiveness of ideas that

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are not necessarily antithetical and implications of causality in sequential events“ (Stahl 1987: 58). Auf dieses Problem westlicher Logik habe laut Stahl Gödel in seinem Unvollständigkeitstheorem hingewiesen (vgl. ebd.). An dieser Stelle wird auf die formale Analogie zwischen Gödels Unvollständigkeitstheorem mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann und der Kybernetik zweiter Ordnung hingewiesen. Kurz zusammengefaßt erklärt Gödel, daß eine Axiomatisierung, wie sie von Russell und Whitehead vorgenommen wurde, zur Bildung einer formalen Struktur oder eines Systems führe, welches sich selbst beobachten könne (vgl. Yourgrau 2007; Nagel/Newman 2010; Hofstadter 1982; Yourgrau 2005). Parenthetisch angemerkt erschließt sich an dieser Stelle wieder der hier vorgenommene theoretische Zugang über die Systemtheorie und die Einbettung der hier untersuchten Bereiche in die Eigenlogik dieser Arbeit. Unter wissenschaftshistorischen Gesichtspunkten ist die Verwendung von Analogien und Metaphern jeweils dahingehend interessant, wie Funktion und Operationsweise derselben in den jeweiligen historischen Kontext eingebettet sind. „Consequently, for Heisenberg, what began as a mere analogy with the H2+ ion became a more general visual metaphor in the nuclear case, which we may paraphrase from the quotation from his 1932 paper: The nuclear force acts as if a particle were exchanged. [...] The metaphor of motion is of the essence here because the attractive nuclear force is carried by the spinless nuclear electron. Although Heisenberg`s nuclear theory did not agree with data on the binding energies of light nuclei, his play with analogies and metaphors generated by the mathematics of quantum mechanics was understood to be a key to extending the concept of intuition in the subatomic world.“ (Miller 2003: 207; Hervorh. i. Orig.)

Die Bewegungsmetapher half Heisenberg in diesem Fall, die Austauschkraft, die sich aus seinen mathematischen Berechnungen ergeben hatte, zu visualisieren (vgl. Miller 2003: 206). Obwohl nun seine Theorie nicht in völliger Übereinstimmung mit den Daten stand, war seine Bewegungsmetapher insofern ein Zugewinn, als zuvor Unverständliches vorstellbar wurde. Von der Wahl der Metaphern und Analogien läßt sich darüber hinaus auf das dahinter liegende Wertesystem und die konzeptionelle Bedeutung bestimmter Begriffe und Vorstellungen schließen. „Two great analogies were at the heart of the conceptual development of the new physics: drawing upon the well-oiled theoretical machinery of atomic and nuclear physics, hadrons were represented as composites of more fundamental entities – quarks; and theories of the weak and strong forces were modelled upon the quantum field theory of electromagnetism, QUED.“ (Pickering 1984: 406f.)

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Die Vorstellungen, die Pickering hinter der „neuen Physik“ vermutet, zeigen sich in den zwei großen Analogien eben jener. Hadronen wurden hier als Verbünde fundamentalerer Entitäten – den Quarks – betrachtet. Darüber hinaus wurden die Theorien von schwacher und starker Kraft in die Quantenfeldtheorie des Elektromagnetismus eingearbeitet. Die Quarks treten nun an die Stelle der Atome als unteilbarer kleinster Elementarteilchen. Noch – oder erneut – lehnt man sich an die altgriechische Vorstellung des ༁τοµος an. Durch die Wissenschaftsgeschichte spielen fruchtbare Metaphern und Analogien eine nicht untergeordnete Rolle. Ein sehr frühes Beispiel für eine fruchtbare Analogie ist Platons Höhlengleichnis. In neuerer Zeit wird für gewöhnlich die Gummituchanalogie zu Hilfe genommen, um Einsteins vierdimensionale Raumzeitkrümmung zu veranschaulichen. Dabei wird eine Metallkugel in einem gespannten Gummituch liegend gedacht. Diese Kugel beult das ansonsten ebene Tuch nach unten aus, da es vom Gewicht der Kugel deformiert und durch die Gravitation (Raumzeitkrümmung) nach unten gezogen wird. Je massereicher ein Planet oder Stern nun ist, umso stärker fällt die Raumzeitkrümmung, veranschaulicht durch die Delle im Tuch aus und passierendes Licht wird stärker gekrümmt. Unbedingt von Analogien zu unterscheiden ist die verkürzte Form des Vergleichs äußerer Ähnlichkeit mit innerem Wirkmechanismus, wenn etwa Paracelsus von der Herzform der Melissenblätter auf ihre medikamentöse Wirkung auf das Organ schließt (vgl. Hentschel 2010: 33). Auch die reichhaltige Verwendung von Analogien und Metaphern im Corpus Hermeticum sowie in anderen religiösen Texten hat – im Gegensatz zur Wissenschaft – eine andere Funktion. Hier soll eine tiefere Einsicht in das Weltgeschehen – gedacht als transzendente Welten und Strukturen – ermöglicht werden. Sicherlich könnte man einwenden, daß auch hier eine Wissensvermehrung im Vordergrund stehe, doch unterscheidet sich dieses angestrebte Wissen entscheidend vom wissenschaftlichen Wissen. Die persönliche Erfahrung, ein Schlüsselerlebnis, oder der Kontakt zu im Feld als wichtig geltenden Personen kommt im esoterischen Diskursfeld eine besondere Art der Legitimation zu. Was zusätzlich in Erscheinung tritt, und das untersuchte esoterische Diskursfeld von Spiritualität generell unterscheidet, ist der wichtige Punkt, daß einem konstatierten Faktenwissen, das sich (u. U. vermeintlich)2 auf die Quantenphysik bezieht, eine ebensolche Legitimationshoheit zugesprochen wird.

2

Da in dieser Arbeit nicht die Richtigkeit quantenphysikalischer Verweise untersucht wird und im esoterischen Feld auch Quantenphysiker vertreten waren, gleichzeitig jedoch auch Nicht-Fachleute eine professionelle Sprecherposition in Anspruch nehmen, wurde dieser Wortlaut gewählt.

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An dieser Stelle mag die Frage erlaubt sein, weshalb im esoterischen Diskursfeld gerade auf die Quantenphysik rekurriert wird und damit systemfremde Ressourcen für das eigene System in Anspruch genommen werden. Neben der Legitimationshoheit von wissenschaftlichem Wissen über persönlichem Erfahrungswissen spielt die in beiden Bereichen verwendete Verbildlichung mit Metaphern sicherlich ebenfalls eine große Rolle. Denn wenn die Wissenschaft in gleichem Maße mit Bildern operiert, die auch im eigenen System Verwendung finden, liegt es nahe, von einer vermeintlichen Funktionsähnlichkeit auf kommunikativer Ebene auf eine Ähnlichkeit der kommunizierten Inhalte schließen zu wollen. Der Schwierigkeit, Materie einerseits in der Alltagserfahrung als etwas Greifbares, Widerstand Erzeugendes zu erleben und andererseits das Atommodell mit den immens großen Zwischenräumen zwischen Atomkern und Elektronen, mit der erfahrbar festen Materie, sinnvoll zu einem kognitiven Konzept zu verbinden, wird hier versucht Rechnung zu tragen. „Das zwischen den Atomen“ wird mit dem Konzept der „allumfassende[n] Kraft allumfassender Liebe“ aufgefüllt. Gleichzeitig wird genug Raum gelassen für auch weiterhin Verborgenes, denn „[w]ir können keinen Perspektivwechsel aufs große Ganze wahrnehmen“.3 Gleichzeitig ist von herausragender Bedeutung, daß beide Systeme über nicht direkt Beobachtbares sprechen und jeweils den Anspruch erheben, Experten in einem Gebiet zu sein, das der direkten Sichtbarkeit nicht zugänglich ist. Aus diesem Grund wird ja gerade mit Analogien und Metaphern operiert. Sowohl in der Quantenphysik, als auch in der Esoterik wird erst mittelbar sichtbar, was vor sich gegangen sein könnte. Im einen System erfolgt die interne Plausibilisierung über Apparaturen, wie z.B. Oszilloskopen, die direkt das Signal einer Photodiode (die Anzahl der Atome in einer Wolke) als Kurve anzeigen. Das vormals Unsichtbare wird damit stückweise „sichtbar“ gemacht. Dabei wird selbstverständlich nur das gemessen, was man der Theorie zufolge bereits zuvor als Meßgröße fixiert hat. „Das meiste, mit dem Wissenschaftler im Labor zu tun haben ist hochgradig vorstrukturiert, wenn nicht zur Gänze artifiziell. [...] Ob sie nun gekauft sind oder von den Wissenschaftlern selbst präpariert wurden4, diese Substanzen sind genauso das Produkt menschlicher Erzeugung wie die Meßinstrumente oder die wissenschaftlichen Artikel auf den Schreibtischen.“ (Knorr Cetina 2012: 23)

3

Ebd.

4

S. hier die Aussage eines Experimentalwissenschaftlers der speziell für die experimentelle Anwendung selbst geschriebenen Computerprogramme.

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Ebenso verhält es sich im von mir beobachteten Experiment in der Quantenphysik. Zwei Experimentalphysiker äußerten sich in einem Interview folgendermaßen: Physiker A: „The point of an experiment is to have an artificial system which you can control. You of course can`t have this [...]5 everything naturally. So they are really artificial.“ Physiker EP: „Exactly. It is artificial, but the idea of this whole experiment – one of the ideas – is also to [...] maybe simulate things that are present there in real life, [...] like real materials. [...] With all these complicated looking [...] we could, for example, in principle simulate a real [...] that actually exists in nature. Maybe in a cleaner way because in a real [...] you always have some defects. There are always some imperfections which we would not have here.“

In diesem Zitat wird zwar eingestanden, daß Experimente eine künstliche Umgebung schaffen, dennoch wird davon ausgegangen, dadurch ebenfalls Einblicke in das im „tatsächlichen Leben“ Geschehende zu erhalten. Die Realität soll innerhalb des Experiments simuliert werden, aber sauberer. Den in der „Realität“ vorkommenden Imperfektionen soll in der Simulation dieser durch das Experiment kein Raum gegeben werden. Dem Experiment müssen also – möglicherweise nicht hundertprozentig übereinstimmende – Festlegungen von Perfektion und Imperfektion vorausgegangen sein. Es wird sich hier „der Realität“ perfekter, realistischer und reiner angenähert, als sie tatsächlich, da ungenügend, vorzukommen scheint. Ideal ist nun also nicht mehr der Nachvollzug von realitas, sondern ihre Essenzialisierung auf das Wesentliche in „Reinform“. Hier unterscheidet sich der Impetus der Quantenphysik von dem herkömmlicher Naturwissenschaften. Bestand das Ziel der klassischen Physik noch darin, die Natur zu verstehen und ihre Gesetzmäßigkeiten nachvollziehen zu können, so hat sich die Quantenphysik teilweise bereits stark davon abgekoppelt und möchte – ähnlich wie die verschiedenen Religionen und die Esoterik – „das Wesentliche“ der Welt in seiner Reinform erfassen. Interessant sind bei der Untersuchung der Rezeption quantenphysikalischer Termini zudem die unterschiedlichen Funktionsweisen und Operationen, die Metaphern und Analogien in den verschiedenen Systemen zugesprochen werden. Über einen Kamm geschert könnte man sagen, daß im esoterischen Bereich vornehmlich mit simplen Analogieschlüssen hantiert wird, während im wissenschaftlichen Bereich Analogien und Metaphern als Instrumente zur Generierung 5

Um die Gesprächspartner zu anonymisieren mußten bisweilen Schlüsselbegriffe, die sich auf ihr Forschungsfeld beziehen, ausgelassen werden. Die Auslassung dieser Fachtermini hat keine Auswirkung darauf, was in dieser Arbeit untersucht wird.

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von Wissen stets nur temporäre Assistenz, keinesfalls jedoch, wie im esoterischen Diskursfeld, Geltung zugesprochen wird. Eine interessante Ausnahme stellt der Teilchenphysiker Dr. T dar, der sich an der Schnittstelle zur Esoterik befindet: Dr. T: „Das wichtigste Prinzip, das überall zitiert wird, und das heißt: Wie unten so oben, wie innen so außen. Es ist so nicht verständlich, aber ich war ja bei der Darstellung der wissenschaftlichen Methoden, Vorstellungen und so weiter. Abgesetzt jetzt von der Straßenesoterik definiert man eine wissenschaftliche Esoterik. Und die geht vor nach diesen Prinzipien, nach diesen Hauptsätzen, hermetischen Hauptsätzen. Und das ist eben eine Forschungsmethode, so ein Hauptsatz. Wie innen so außen, wie oben so unten. Also die arbeiten dann nicht mit Kausalketten und mit Experimenten, sondern mit Beobachtungen und Analogien. Und das Analogieprinzip ist, wie oben so unten. Ein schönes Beispiel ist wie unser Planetensystem, so die Atome.“

Der Physiker Dr. T spricht nicht allgemein über die Verwendung von Analogien als heuristisches Instrument in den Wissenschaften, sondern bettet diese in eine sogenannte „wissenschaftliche Esoterik“ ein. Er führt dabei das Corpus Hermeticum an, eine Reihe von Abhandlungen, die historisch ins zweite bis dritte Jahrhundert nach Christus zurückreichen (vgl. Yates 1991) und ursprünglich der mythischen Person Hermes Trismegistus zugerechnet wurden. „A large literature in Greek developed under the name of Hermes Trismegistus, concerned with astrology, and the occult sciences, with the secret virtues of plants and stones and the sympathetic magic based on knowledge of such virtues, with the making of talismans, for drawing down the powers of the stars, and so on.“ (Yates 1991: 2)

In der Renaissance erfolgte eine Wiederbelebung alchemistisch-hermetischer Ideen und Vorstellungen. Wissenschaft und Magie waren damals eng miteinander verbunden und zahlreiche Wissenschaftler – darunter Giordano Bruno und Isaac Newton – arbeiteten mit der hermetischen Denktradition (vgl. Yates 1991; Dobbs 2002; Thorndike 1941; Thorndike 1951; Fischer 2013). Dr. T: „Das wichtigste Prinzip, das überall zitiert wird, und das heißt: Wie unten so oben, wie innen so außen.“ Durch seinen nachfolgenden Satz ordnet Dr. T ein Prinzip des Corpus Hermeticum in die wissenschaftliche Methodik ein: Dr. T: „Es ist so nicht verständlich, aber ich war ja bei der Darstellung der wissenschaftlichen Methoden, Vorstellungen und so weiter.“ In diesem Satz wird wissenschaftlichen Methoden und Vorstellungen, durch die Beifügung von „aber“, in gewissem Maße Unverständlichkeit unterstellt. Dr. T unterscheidet „wissenschaftliche

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Esoterik“ von „Straßenesoterik“ und verknüpft erstere mit eben jenem mystischreligiösen Corpus Hermeticum. Dr. T: „Und das ist eben eine Forschungsmethode, so ein Hauptsatz. Wie innen so außen, wie oben so unten. Also die arbeiten dann nicht mit Kausalketten und mit Experimenten, sondern mit Beobachtungen und Analogien.“ Was Dr. T nicht vornimmt, ist eine Unterscheidung von simplen Analogieschlüssen, wie bei den zitierten hermetischen Sätzen und temporären Analogien mit hoher Komplexität6, wie etwa Niels Bohrs Analogie der Atomstruktur mit unserem Planetensystem. Beide Analogien werden ohne weitere Unterscheidung gleichwertig behandelt. Während Bohr zahlreiche Ähnlichkeitsrelationen anführt, und etwa die Atomstruktur mit dem Sonnensystem vergleicht, den Atomkern mit der Sonne und Elektronenbahnen mit Planetenbahnen (vgl. Hentschel 2010: 51), beinhaltet der ganz allgemeine Satz „Wie unten so oben, wie innen so außen.“ keinerlei Tiefe, Querverbindungen oder Ähnlichkeitsrelationen. Das zentrale Thema, welches Horst Stenger bereits für New Age extrahierte, ist „eine holistische, eine ganzheitliche Sicht der Welt [...]. Tatsächlich hängt alles mit allem zusammen, Mensch, Welt und Kosmos. Das hermetische Entsprechungsprinzip des „Wie oben, so auch unten“ ist Ausdruck des alten ganzheitlich-okkulten Wirklichkeitsverständnisses.“ (Stenger 1989: 122) Wie bereits erwähnt geht die hermetische Textsammlung auf das zweite bis dritte nachchristliche Jahrhundert zurück. Immer wieder wurde darauf Bezug genommen. Mal in Verbindung mit Alchemie, mal in wissenschaftlichen Bereichen. Von Stuckrad spürt eine alternative esoterische Historie auf, die sich selbst eine Geschichte weit vor der Antike bis in die Gegenwart zuschreibt, und deren fundamentaler Text laut Eigenangaben der des Hermes Trismegistus sei (vgl. von Stuckrad 2004; Faivre 2010). Die kopernikanische Wende wird dabei als metaphysische Transformation verstanden. „Was Naturphilosophen seit Pythagoras vermutet hatten wurde nun zur wissenschaftlich begründeten Gewißheit: Gott war ein Mathematiker, und die konsequente Anwendung mathematischer Prinzipien würde zur endgültigen Erkenntnis der göttlichen Schöpfungsordnung führen.“ (Von Struckrad 2004: 146f)7 Neue astronomische Modelle wurden mit astrologischen Vorstellungen verknüpft. Genau darin sieht Stenger eine große Stärke in der Esoterik. „Ich meine, daß die inhaltlichen Mehrfachorientierungen ein typisches esoterisches Handlungsmuster sind, das auf der grundsätzlichen Kompatibilität heterogener Aktivitätsmöglichkeiten basiert.“ (Stenger 1989: 122) 6

Zu einer näheren Ausdifferenzierung verschiedener Analogietypen vgl. Hentschel

7

Vgl. hierzu auch Fischer 2003.

2010.

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Dies unterstützt die hier vertretene Auffassung, wie in Kapitel 3. und 4. näher erläutert, Esoterik als fluides System mit multiplen Anschlußfähigkeiten zu verstehen. Indem Metaphern und Analogien zunächst Unverständliches in Bilder und Narrative kleiden, sind sie ein Hilfsmittel zur Reduktion von Komplexität. Allerdings ist dabei wichtig, sie stets im Status des temporären Hilfsmittels zu halten und nicht vom bekannteren Bild ausgehend vermeintlich logische Schlüsse zu ziehen. Darüber hinaus hemmt möglicherweise der Verbleib in bekannteren Bildern und Narrativen die Kreativität, völlig neue Verknüpfungen herzustellen. „Metaphorische Konzepte haben demnach noch eine weitere Funktion [...]. Sie machen komplexe Sachverhalte verständlich, indem sie die Komplexität von Beschreibungsmöglichkeiten reduzieren. Wenn neue Dinge und Vorgänge mittels Dingen und Vorgängen bekannter Konzepte beschrieben werden, bleibt die Zahl der möglichen Beschreibungsformen geringer.“ (Kruse et al. 2011: 89; Hervorh. im Orig.)

Die funktionalen Vorteile von Metaphern in der Forschung bedeuten gleichzeitig ihren Nachteil und offenbaren nachgerade autopoietischen Vollzug. „Das enorme wissensgenerierende Potential der Metapher impliziert zugleich eine Zirkularität von Wissen. Es scheint bezüglich der Metapher Vilém Flussers (1994: 35) pointierte Feststellung zuzutreffen – nämlich, ‚daß nur solche Phänomene überhaupt wahrgenommen werden, die zuvor schon gewußt werdenȀ.“ (Kruse et al. 2011: 89)

Lichtäther – eine historische Annäherung

Als ein frühes historisches Beispiel der Verknüpfung von religiösen Basisannahmen und Wissenschaft dient uns hier das Ätherkonzept. Auf der Schnittstelle zwischen beiden Systemen, die sich ja auch, man nehme hier als Beispiel Sir Isaac Newton, in einer Person ereignen können, finden ähnliche Kommunikationen untereinander statt, vergleichbar mit denen in der späteren Esoterik. Die Verknüpfung dessen, was wir heute in den Bereich wissenschaftlicher Themen und religiöser Weltanschauungen einordnen, folgt einer langen Tradition. Aristoteles etwa verband astronomische Überlegungen mit einem Stoff, der bis zu Einsteins spezieller und allgemeiner Relativitätstheorie, und zu geringen Teilen noch danach herumspukte – Äther. „AristotleȀs view was the most detailed and explicit of all. He believed that there were just fifty-five real crystalline shells made of aether and that these shells embodied in a physical mechanism the mathematical system of homocentric spheres developed by Eudoxus and his successors.“ (Kuhn 1979: 80) Astronomie und Astrologie wurden lange Zeit als miteinander verbunden gedacht1. Die Sterne am Himmel waren Sinnbilder für Götter.2 Und auch Kepler versuchte noch das heliozentrische Weltbild und die Anzahl der Planeten innerhalb einer religiösen Logik zu beweisen (vgl. Holton 1988). „Kepler undertook to demonstrate why God had chosen to create a universe with six planets, that is, a heliocentric universe.“ (Westfall 1996: 4) Das Nachdenken über die Welt und die Zuordnung von grundlegendem Sinn wurden von der Antike über das Mittelalter bis hin zur Neuzeit gemeinsam als einander bedingend wahrgenommen. „Die wissenschaftliche Reflexion religiöser Überzeugungen und die religiöse Prägung wissenschaftlicher Interessen sind ein Grundmerkmal Europäischer Religionsgeschichte, welches im siebzehnten Jahrhundert besonders deutlich hervortritt.“ (von Stuckrad 2004: 152)

1

Vgl. Thorndike 1941; Yates 1991; Dobbs 2002; Fischer 2003.

2

Vgl. Thorndike 1941; Dobbs 2002; Yates 1991.

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Selbstverständlich genügen einige historische Begriffe nicht dem heutigen Verständnis von Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war es zwingend notwendig, sich in der Wissenschaft als religiös orthodox zu erweisen, da die Theologie damals als Inbegriff von Wissenschaft galt (vgl. Frietsch 2008: 54). Der Wissenschaftsbegriff und die Definition dessen was wissenschaftlich ist, kann nicht ohne historischen und (inter-)disziplinären Kontext, in welchem Wissenschaft gerade stattfindet, untersucht werden.3 „Es wird allgemein als historische Tatsache betrachtet, daß die moderne Wissenschaft im frühen 17. Jahrhundert entstanden ist, als die Strategie zum ersten Mal eingesetzt wurde, Beobachtungstatsachen als ernstzunehmende Basis für die Wissenschaft zu betrachten.“ (Chalmers 1999: 6)

Kontextbezogen muß auch das Aufbegehren von Fricke analysiert werden, wenn er von einer „Greuelpropaganda gegen den Äther“ (Fricke 1939: 7)4 spricht. Nachdem Fricke vermeintliche Fehler in der Auslegung Newtonscher Formeln, einen „Irrtum von Helmholtz“, einen „falschen Grundgedanken von Lorentz“ und einen „Widerspruch bei Maxwell“ (vgl. Fricke 1939) aufzuzeigen sich anschickt, unternimmt er eine Verbindung zweier Äthertheorien zu einer neuen (vgl. Fricke 1939: 19 f.). Dies ist ein weiterer Beleg dafür, daß die nationalsozialistische Ideologie sich zu einem großen Teil auf okkulte Gedanken gründet (vgl. Goodrick-Clarke 2004 und ebenfalls das „Pagan counter narrative“ zur jüdischchristlichen Theologie in der Ura-Linda-Chronik. Vgl. Junginger 2008: 118 ff.). Die Äthertheorie und speziell der sogenannte Weltäther spielten neben zahlreichen anderen okkulten Gedanken während der NS-Zeit eine Rolle5. Der Weltäther paßte nicht nur zum Rest des von Okkultem durchtränkten nationalsozialistischen Glaubens, sondern die antisemitische Propaganda wetterte auch mit allen Mitteln gegen neue, bessere Theorien, wie die allgemeine und spezielle Relativitätstheorie, die einen Paradigmenwechsel einleiteten. Die Geschichte des Ätherbegriffes geht weit zurück und blieb über einen sehr langen Zeitraum aktuell. „Die Vorstellung von vier oder fünf Grundelementen, aus denen alles Wahrnehmbare besteht, ist im europäischen, vorderasiatischen, indischen (Erde, Was3

Als Beispiel könnte man hier die Medizin anführen. „Seine [medizinisches Wissen] handwerklichen Anteile galten zum Teil nur als ars (Kunst, propädeutische Wissenschaft oder Hilfswissenschaft); die Medizin wurde in der Regel jedoch als niedrigste der scientiae (Universitätswissenschaften) anerkannt.“ (Frietsch 2008: 55)

4

Frickes Angriffe auf bestimmte Wissenschaftler und ihre Werke erfolgte ganz augen-

5

Siehe hierzu u.a. die antisemitische „Deutsche Physik“ in der NS-Zeit.

scheinlich im Kontext nationalsozialistischer Propaganda.

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ser, Feuer, Luft, Weltraumelement) und chinesischen Raum (Erde, Wasser, Feuer, Holz, Metall) nachweisbar“ (Haage 2000: 21). Lange nachdem Aristoteles das Element „quinta essentia, den Äther“ (Haage 2000: 25), eingeführt hatte, wurde in der Renaissance noch immer von Äther als interstellarem Medium ausgegangen. „For although an attractive force of gravity appeared in the Principia and was fundamental to later Newtonian dynamics, ideas of attraction (operating either between small particles of matter or between gross bodies) hardly constituted orthodox mechanical philosophy in 1687. Attractive force smacked of the ‘occult’ to the first generation of mechanical philosophers, writing thirty to forty years before Newton, and they had been careful to substitute for attraction the principles of ‘impact physics’ in which apparent attractions (magnetic, electrical, gravitational) were explained by the mechanical encounter of very fine and imperceptible particles of a hypothetical aether with the large particles of matter.“ (Dobbs 2002: 4; Hervorh. im Orig.)

Vor Newton wurde die Ursächlichkeit der Gravitation, magnetischer oder elektrischer Kräfte, durch nicht wahrnehmbare Teilchen eines hypothetischen Äthers erklärt. Jedoch widerstand der Physiker dem Versuch, auch Gravitation über Ätherteilchen zu erklären und führt die Attraktion ein (vgl. Dobbs 2002). 1862 gelang es James Clerk Maxwell, Licht als elektromagnetische Welle mit seiner Theorie des Elektromagnetismus in Einklang zu bringen. Von der Idee eines Äthers verabschiedete er sich dennoch nicht. „Although most Maxwellians continued to share Maxwell`s belief in a mechanical ether, they had little luck in unlocking its underlying structure. Nor could they say exactly how the field was connected to matter. Maxwell had sidestepped the question by treating material bodies simply as regions of the field with different electric and magnetic constants, but accumulating evidence, particularly from magneto-optics and the study of conduction in rarefied glasses, pointed to the need to take the microstructure of matter explicitly into account.“ (Hunt 2003: 324)

Daß Maxwell der Äthertheorie anhing, zeigt sich auch in seiner berühmten Analogie „der elektrischen und magnetischen Felder mit Spannungen und Wirbeln im elektromagnetischen Äther“ (Hentschel 2010: 37). Lange bevor Albert Einstein die Lichtgeschwindigkeit von rund 300.000 Metern pro Sekunde mit dem Kürzel c als Naturkonstante festlegte, bestand noch das Problem, daß das Licht als sich durch ein Medium fortbewegend verstanden

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wurde. Das Michelson-Morley-Experiment, um den Äther als Medium, das sich im ganzen Weltraum befindlich gedacht wurde und durch das sich das Licht als elektromagnetische Welle bewegen sollte, mißlang. „Der damaligen Auffassung zufolge sollte dieser Äther aufgrund der schnellen Bewegung der Erde durch den Raum in der dieser Bewegung entgegengesetzten Richtung ‚weggeweht‘ werden, wodurch sich – und mit ihm das Licht – in dieser Richtung schneller bewegen sollte als senkrecht dazu. Das Experiment ergab aber, daß sich das Licht in jeder Richtung gleich schnell ausbreitet.“ (Lesch 2010: 609)

War an dieser Stelle, aufgrund des Äthers als Medium, noch von einer substantiellen Analogie von Schallwellen und Lichtwellen ausgegangen worden, so entwickelte sich diese nach dem Experiment von Michelson und Morley in eine rein formale Analogie. Wurde zuvor die Ausbreitung einer Welle, egal ob Schalloder Lichtwelle, durch ein Medium gedacht, so konnte dies im Anschluß an das Ergebnis des Experimentes nicht mehr aufrechterhalten werden, wohl aber die mathematische Berechnung durch dieselbe Wellengleichung (vgl. Hentschel 2010: 32). Das Michelson-Morley Experiment ist als das bekannteste Nullexperiment in die Geschichte eingegangen. „Despite the central position of the question of ether drift in late-nineteenth-century physics, nobody before Michelson was able to imagine and construct an apparatus to measure the second-order effect of the presumed ether drift. The interferometer was a lovely thing. Invented by the twenty-eight-year-old Michelson in response to a challenge by Maxwell, it was capable of revealing an effect of the order of one part in ten billion. It is to this day one of the most precise instruments in science, and the experiment is one that carried precision to the extreme limits.“ (Holton 1988: 282)

Das Nullergebnis ließ noch andere Möglichkeiten zu und erst Albert Einstein bereitete der Äthertheorie mit seiner speziellen Relativitätstheorie endgültig ein Ende.6 Im Nationalsozialismus jedoch wurde neben zahlreichen anderen okkulten Topoi trotzdem noch von einem Äther ausgegangen. Miguel Serrano, ein argentinischer Nationalsozialist, der mit der sogenannten „Savitri Devi“ dem Nationalsozialismus zu einer spirituell-esoterischen Basis verholfen hatte, geht an mehreren Stellen auf Äther ein und spricht davon, daß das Hakenkreuz sich auf

6

Vgl. den Beitrag von Harald Lesch (http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen /alpha-centauri/alpha-centauri-aether-harald-lesch100.html, aufgerufen am 06.09.2013 und Lesch 2010: 609: Fn. Nr. 10) sowie: Einstein/Infeld 2004.

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den Äther beziehe. „The schematic Swastika is now that of Water and Aether“.7 Die Äthertheorie spielte auch im esoterischen Bereich lange Zeit eine große Rolle. Darüber, ob und wie Nationalsozialismus und esoterisch-spirituelles Gedankengut historisch miteinander verbunden sind, herrscht eine rege Debatte. Während Goodrick-Clarke die These vertritt, daß der Nationalsozialismus okkulte Wurzeln habe (vgl. Goodrick-Clarke 2004 und 2009), findet der Religionssoziologe Gerald Willms, daß es „Unfug“ sei, dem Nationalsozialismus okkulte Wurzeln zuzuschreiben, daß aber eine prinzipielle Anschlußfähigkeit bestehe (vgl. Willms 2012). „Während es einerseits also Unfug ist zu behaupten, Blavatskys Theosophie sei eine Grundlage der nationalsozialistischen Rassentheorie oder die Esoterik als solche besitze eine Affinität zum rechtsextremen Denken, so darf man dennoch nicht übersehen, daß die eben aufgezeigte Anschlußfähigkeit auch der ‚Gegenwartsesoterik‘ als Möglichkeit innewohnt.“ (Willms 2012: 137)

7

(http://aryanism.net/wp-content/uploads/Adolf-Hitler-The-Ultimate-Avatar-Part-Two. pdf:493; zuletzt aufgerufen am 11.09.2013 ).

Kontraste und Kontexturen quantenphysikalischer Begriffe und Neologismen in verschiedenen Systemen am Beispiel des Begriffes „Quantenheilung“

Das zuvor behandelte Thema Äther, das bis in die 1980er in der New Age Bewegung noch zu finden war, wurde vor einiger Zeit von der Vorstellung einer sog. „Quantenheilung“ abgelöst. Der Begriff „Quantenheilung“ stammt aus der Esoterik und wurde dort in neuerer Zeit vor allem in den USA von Frank Kinslow in mehreren Büchern ausgearbeitet.1 Nach Aussage der Informantin H wurde der Begriff in den 1980er Jahren „vom Mediziner und Naturwissenschaftler Deepak Chopra eingeführt“. Chopra verbindet insbesondere die Quantenphysik mit Spiritualität und alternativen Heilmethoden. „Quantenheilung arbeitet mit sanfter Berührung und versetzt das vegetative Nervensystem spontan und sofort in den Zustand, in dem tiefe Heilungsprozesse stattfinden können: Das Nervensystem schaltet unmittelbar auf Heilung um und kann all das ‚reorganisieren‘, was nicht optimal funktioniert.“ (Kinslow 2011: Klappentext) Kinslow behauptet in seinem Buch „Quantenheilung“, daß die „Quantum-Entrainment-Methode“ wissenschaftlich belegbar und reproduzierbar sei (vgl. Kinslow 2011: 47). Im gesamten Buch erfolgt der ständige Gebrauch des Präfixes „Quantum“.

1

In deutscher Übersetzung sind bisher erschienen: „Quantenheilung“, „Quantenheilung erleben“, „Quantenheilung Taschenkalender 2011“, „Quantenheilung – das Hörbuch“, „Quantenheilung – Meditationen und Übungen“, „Quantenheilung im Alltag 1“, „Quantenheilung im Alltag 2“ und die DVD: „Quantenheilung live“. Die englische Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel „The secret of instant healing“. Im Jahr 2011 ist bereits die 14. Auflage erschienen.

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„Die Quantum-Entrainment-Methode wirkt noch lange nach der Sitzung; sie ist ausgleichend und löst sanfte Blockaden auf, die das körperliche und emotionale Wohlbefinden beeinträchtigen.“ (Ebd.) „Quantenheilung“ nimmt hier stellvertretend den Platz für die sog. „Selbstheilung“ ein; ein Begriff aus der naturheilkundlichen Medizin, bei dem davon ausgegangen wird, daß der Körper die Fähigkeit besitzt, sich selbst regenerativ zu behandeln. Die Annahme, daß alles reorganisiert werden kann, was nicht optimal funktioniert geht davon aus, daß Krankheit ein Organisationsproblem sei und eine Neuanordnung innerhalb des Menschen zu einer Heilung führe. Selbstredend finden diese Vorgänge der Neuorganisation unbeobachtbar statt. Als Beweis für die Quantenheilung wird angeführt, daß sich die Menschen anschließend besser fühlten. In diesem Kontext wurde ich oft – u.a. während der Esoterik-Messe und bei einem Allgemeinmediziner, der homöopathisch arbeitet – mit dem Satz konfrontiert „Wer heilt, hat Recht“. Dieser Satz wird gerne in Ermangelung nachvollziehbarer medizinischer Studien angeführt. Über eine Recherche im Internet war ich auf das „Institut für Q2“ gelangt und hatte eine Kontaktaufnahme per E-Mail eingeleitet. Ich schrieb, daß ich gerade über die Rezeption der Quantenphysik in verschiedenen Bereichen forschte und fragte, ob ich als Wissenschaftlerin im Einführungsvortrag über „Quanten(...)“ und später in einem Kurs sitzen und mir Notizen machen dürfe. Beim ersten Mal unternahm ich handschriftliche Notizen und bei der Teilnahme an der Veranstaltung fragte ich zuerst die Organisatorin, die dann die Anwesenden darüber abstimmen ließ, ob ich für wissenschaftliche Zwecke mein Aufnahmegerät mitlaufen lassen dürfe. Keine der Beteiligten widersprach der Aufnahme des Workshops. Der Einführungsvortrag begann in den Räumen eines anders lautenden Verbands und reichte bis weit nach 23 Uhr. Beide Male wurde derselbe Raum im ersten Stockwerk benutzt. Der Raum hatte viele große Fenster. Es waren mehrere Stuhlreihen, die halbkreisförmig hintereinander angeordnet waren, aufgestellt. Von der Eingangstüre hatte man einen direkten Blick auf die Rednerin. Rechts von der Eingangstüre waren mehrere Stuhlreihen aufgestellt. Das Zimmer war in hellen Farben gehalten und die Stühle in einem hellbraunen Holz versehen und hell erleuchtet durch Deckenstrahler. Es befanden sich WCs im Gebäude, die über eine Treppe über den Gang im Geschoß darunter erreichbar waren. Die Veranstaltungen waren jeweils durch eine längere Pause unterbrochen. Der Einführungsvortrag wurde von einer Dame gehalten, der eine Assistentin zur Seite stand. Die Sprecherin – im Folgenden „H“ genannt – gab ihrer älteren Gehilfin mehrere Male eindeutige Arbeitsanweisungen und sagte, diese sei noch 2

Anonymisiert.

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in der Ausbildung. H wies die Assistentin unter anderem gleich zu Beginn dazu an, sich innerhalb des Raumes neben die Tür zu setzen, falls noch jemand klingle. Laut H seien 20 Gäste angemeldet gewesen, aber nur 11 Personen waren anwesend. Im Einführungsvortrag sprach H davon, daß seit 2009 die „Quanten(...)“ bei ihnen geschult werde und sie die Hintergründe erklären werde, „die die moderne Naturwissenschaft liefert und Anwendungen um am eigenen Leib zu testen“. Im Zentrum des Raumes stand ein vorbereitetes Flipchart welches H während des gesamten Einführungsvortrags benutzte, um währenddessen auf darauf abgebildete Skizzen und Stichwörter zu verweisen. Auf den Blättern des Flipcharts waren Aussagen der folgenden Art vorbereitet, die die Aussagen von H unterstützten sollten: „Isaac Newton

Kausalitätsprinzip Ursache – Wirkung

Charles Darwin

Evolutionsgeschichte ,EllbogenphilosophieȀ Der Stärkste gewinnt“

„Die klassische Physik“, so H, hätte eine sie begrenzende These gehabt. H: „Alle Materie besteht aus Atomen. Die Quantenphysik betrachtet die Welt auf einer metaphysischen Ebene. Betrachtet die kleinsten Teilchen.“ Auf dem Flipchart stand hierzu: „Quantenphysik: → tiefer in Details ° Atome teilbar ° Atome bestehen aus kleineren Einheiten + aus 99,9 % „Nichts“ ° Beobachtereffekt“

Während des Vortrags ging plötzlich das Licht aus. Daraufhin sagte H zu allen Anwesenden gewandt: „Ich glaube, ich muß ihr die Knöpfe nochmal erklären.“ H rief nun ihre Assistentin und erklärte ihr vor allen Zuhörerinnen, wo der richtige Schalter sei und daß sie gerade alles ins Dunkle gesetzt habe. Dies ist nur ein Beispiel unter vielen, das mir während meiner nun jahrelangen Beobachtungen im Feld der Esoterik begegnet ist. Im esoterischen Bereich wird viel mit strengen Hierarchien gearbeitet. Oft wird eine höhere Sprecherposition dadurch markiert, daß eine Assistenzperson anwesend ist, der ab und zu ein Verweis er-

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teilt wird. Aber dies ist in dieser Arbeit nicht weiter von Interesse und soll nur als parenthetische Randbemerkung verstanden werden. Der Begriff „Beobachtereffekt“ kommt aus der Quantenmechanik und wird innerhalb der Kopenhagener Deutung verwendet. Kurz gesagt soll damit die Einflußnahme der Experimentatoren, der Meßapparaturen sowie der einwirkenden Photonen auf das experimentelle Ergebnis ausgedrückt werden. Es wird angenommen, daß eine Interferenz durch die Beobachtung als solche über Photonen, die mit den subatomaren Teilchen wechselwirken könnten, geschehen kann. In der Interpretation Quantum Correlates of Consciousness3 wird hingegen angenommen, daß bereits das denkende Bewußtsein der anwesenden Menschen Einfluß auf das Experiment hat. Eine klare Trennung in Subjekt und Objekt, so ist der Kopenhagener Deutung zu entnehmen, geschieht hier4 nicht. Dieser Beobachtereffekt schmiegt sich ganz schön in eine der esoterischen Grundannahmen, daß alles miteinander verbunden sei, Geistiges mit Körperlichem, Tiere, Welt, Erde, Gedanken, Krankheit, etc. Auf der Esoterikmesse in München oder in persönlichen Gesprächen mit Menschen aus dem esoterischen Milieu tritt oftmals auch die Einstellung zutage, daß Menschen ihre Krankheiten selbst „herbeigeholt“ hätten, da alles miteinander verbunden sei. H hat den Fachbegriff „Beobachtereffekt“ gewählt und nicht andere Ausdrücke aus dem esoterischen Bereich. Dadurch wird die Grenze zwischen Esoterik und Wissenschaft für Laien verwischt und es erscheint der Eindruck, daß in beiden Bereichen dasselbe nur in anderen Worten ausgedrückt werde. Hinzu kommt, daß H den Fachbegriff viel besser und für Laien verständlich „erklären“ kann, während selbst einfache Ausführungen eines Physikers mit Sicherheit viele Laien überfordern können. H holt quasi mit ihrem Vortrag die Quantenphysik ins Leben ihrer Zuhörerinnen. Diese wiederum haben die Möglichkeit, sich das Thema anzueignen und zu denken, sie wüßten, worum es im Kern dabei gehe. Die Distanz, die sonst zwischen einem wissenschaftlichen Fachbereich und der „normalen“ Bevölkerung besteht, wird hier scheinbar überbrückt. Quantenphysik wird im System Religion somit alltagsplausibler und verständlicher als sie im eigenen System Wissenschaft für Laien ist.

3

Vogd vermengt Quantum Correlates of Consciousness mit der Viele-WeltenInterpretation von Hugh Everett III (vgl. Vogd 2014: 133). Sie stellen aber jeweils einen eigenständigen Interpretations-Ansatz dar. (Vgl Friebe et al 2015; Barrett 2001; Vaas 2001; Deutsch 1997)

4

Dieses „hier“ ist in der theoretischen Bearbeitung, weniger in der Praxis verortet, wie später noch zu sehen sein wird, wenn Experimentalphysiker zu ihrer Einstellung und ihren Schlüssen für die Praxis aus theoretischen Präsuppositionen befragt werden.

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Während besagter Veranstaltung stand H vor einem Flipchart. Inhalt des Vortrages, Anmerkungen aus dem Publikum und die Beschriftung des Flipchart werden im Folgenden dargestellt: H: „Wir sind auch schwingende Energieträger. Wir sind Beispiele von geladener Atmosphäre im Raum. In dem Moment kommen wir auch an die Wahrnehmung ran. Sie muß nur so dicht sein. Der ganze Rest ist –“ Eine Frau aus dem Publikum sagt: „Schwingung“. Währenddessen zeigt H folgendes auf dem Flipchart:

Subatomares Teilchen

Energie

Quantenfeld reine Bewußtheit

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Doppelspalt

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Im Vortrag von H soll das Doppelspaltexperiment5 dargestellt werden. (Die Referentin konnte mir ber nicht erklären, wie das Doppelspaltexperiment genau aufgebaut ist und was es erklärt.) Dieser Vortragsausschnitt zeigt nun mehreres: zuerst einmal werden hier verschiedene Dinge miteinander assoziiert. Die Quantenphysik, die ohne weiteres einfach nicht verständlich ist, eckt mit dem gesunden Menschenverstand, mit Alltagswissen, an. Auf das „Nichts“ zwischen den Atomen geht H später ein, wenn sie von den Anwesenden verlangt, an das, was zwischen den Atomen sei, zu denken. Die interessante und systemlogische Schlußfolgerung, dieses „Nichts“ einzubeziehen erfolgt metaphysisch. Der Quantenphysik wird hier also ein metaphysischer Blickwinkel zugesprochen:

5

Im Kapitel „Die Wellenfunktion Ψ und das Doppelspaltexperiment“ wird näher auf das Doppelspaltexperiment eingegangen werden.

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H: „Alle Materie besteht aus Atomen. Die Quantenphysik betrachtet die Welt auf einer metaphysischen Ebene. Betrachtet die kleinsten Teilchen.“ Darauf angesprochen distanzieren sich Physiker natürlich von – aus ihrer Sicht6 – solch einer unqualifizierten Annäherung an die Quantenphysik als Wissenschaft. Im Folgenden kommt ein Experimentalphysiker zu Wort, der einmal alleine und einmal zusammen mit Kollegen im Labor interviewt wurde. Ich durfte einem quantenphysikalischen Experiment beiwohnen, das mir zuvor einschließlich der Apparaturen erklärt wurde. Experimentalphysiker EP: „Also ich meine die Superposition und Verschränkung, die wird teilweise mystifiziert. Wir haben bei uns im Labor auch ein Büchlein über Quantenheilung liegen. Als Spaß haben wir uns das mal geschenkt. Aber das wird mystifiziert aber eigentlich ist das eine relativ klare Theorie. Die Interpretation ist vielleicht frag- also sagen wir sehr ungewöhnlich oder widerspricht den Alltagserfahrungen aber in sich ist die Theorie sehr schlüssig und sie erklärt auch alles. [...] Wir belächeln Quantenheilung eigentlich sehr. Ich muß ehrlich sagen, daß ich nicht viel darüber weiß, also ich lehne es auch ab und ich habe eine innere Ablehnung dagegen. Sie haben es mir trotzdem geschenkt. Ich habe aber nie wirklich drin rumgelesen. Aber wir machen uns dann über einzelne Textpassagen lustig, wo dann über scheinbare Experten, auf die referiert wird, aber ehrlich gesagt, um es jetzt fair zu behandeln weiß ich wahrscheinlich zu wenig. Aber mein Eindruck ist, daß Quantenheilung einfach den quantenmechanischen Wortschatz mißbraucht und total verdreht und – das hat mit quantenmechanischer Forschung überhaupt nichts zu tun und das ist einfach eine esoterische Erfindung, die dazu verwendet wird um Geld zu machen oder eine Art Religion. Es hat bei uns keinen guten Stand, sage ich mal, Quantenheilung.“

An dieser Aussage ist sehr gut zu erkennen, daß die esoterische Quantenheilung, wie nicht anders zu erwarten, von der Wissenschaft nicht ernst genommen wird. Und zwar nicht nur unter fachlichen Aspekten, sondern es wird davon ausgegangen, Quantenheilung mißbrauche und verdrehe den wissenschaftlichen Wortschatz, „um Geld zu machen oder eine Art Religion“. In der Wahrnehmung dieses Wissenschaftlers gibt es eine a priori Bedeutung der wissenschaftlichen Termini, die in der Quantenmechanik "richtig“ behandelt und in der Esoterik „total verdreht“ (EP) werden. Die Relation, bezüglich der eine Umdeutung vorgenommen wird, ist der eigene Wissenschaftsbereich. Dieser Bereich ist die Kontrastfolie, mit der die Semantik abgeglichen wird. Unter systemtheoretischen 6

An dieser Stelle ist es vermutlich vonnöten, explizit darauf hinzuweisen, daß dies nicht die Meinung der Autorin widerspiegelt, sondern sich logischerweise aus einer systemtheoretischen Argumentationsweise ergibt.

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Gesichtspunkten kann hingegen nicht von einer a priori Bedeutung ausgegangen werden, sondern lediglich von unterschiedlichen Systemen mit je unterschiedlichen Semantiken und Codes. Dies geschieht ohne normativen Impetus oder ontologischen Wahrheitsanspruch. Das Buch über Quantenheilung liege im Büro zum Zeitvertreib herum und kann als eine Art von Gegeninstanz gedeutet werden, die durch ihre pure Anwesenheit als etwas nicht ernst zu nehmendes dem eigenen Arbeitsbereich durch die pure Anwesenheit als Antagonist zu mehr Ernsthaftigkeit verhilft. Man hat ständig den Trigger zur Hand, der immer als Gegenentwurf zu eigenen, wissenschaftlich-kritischen Rationalitätsentwürfen – wenn auch unfreiwillig – als Kontrapunkt zum eigenen System gelesen wird. Dadurch erfährt der eigene Standpunkt, das eigene Vorgehen ständige Legitimation im eigenen System. EP: „[A]ber eigentlich ist das [die Quantentheorie] eine relativ klare Theorie. Die Interpretation ist vielleicht frag- also sagen wir sehr ungewöhnlich oder widerspricht den Alltagserfahrungen, aber in sich ist die Theorie sehr schlüssig und sie erklärt auch alles. [...]“ Wie anfangs erläutert, muß in der Quantenphysik zwischen mathematischen Berechnungen, hier Theorien genannt, Experimenten und Interpretationen differenziert werden. An dieser Stelle wird die Interpretation (Kopenhagener Deutung) möglicherweise beinahe als fragwürdig bezeichnet. Gerade noch rechtzeitig erfolgt das Verb „ungewöhnlich“. Im System Wissenschaft wird die Quantenphysik unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten untersucht, obwohl auch dort interessanterweise ähnliche Bezüge wie bei Esoterikern vorgenommen werden. Dies wird im folgenden Zitat aus einem Interview mit einem Physikprofessor deutlich. PP: „[W]enn man das ernst nimmt, was in der Quantenmechanik drin steht, dann muß man zur Kenntnis nehmen, daß die Quantenmechanik nicht mehr hintergehbar ist. Also alle anderen physikalischen Theorien, die nicht quantenmechanisch sind, die lassen sich ja mit Hilfe von quantenmechanischen Geräten messen. Also zum Beispiel mit dem Laser läßt sich sehr genau eine Länge messen. Zeiten lassen sich sehr genau messen, und so weiter. Atomuhren sind ja so etwas. Aber wie will ich die Quantenmechanik unabhängig von der Quantenmechanik überprüfen? Das geht überhaupt nicht mehr. Das heißt, dieses hehre Ideal des Falsifikationismus - ja? Hier haben wir eine Vorher - wollen wir mal gucken löst sich bei der Quantenmechanik völlig auf. Auf einmal muß man es einfach nur noch hinnehmen. Also das bedeutet, naturphilosophisch gesprochen, wir sind an eine Erkenntnisgrenze gekommen. Da mag man vielleicht ein bißchen lateral so hin und her laufen. Man kann dann vielleicht sehen, aha, es gibt vielleicht noch, an dieser Grenze gibt es verschiedene Bereiche, aber man kommt nicht drüber.“

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Die Erkenntnisgrenze, die der Quantenphysik in ihrer jetzigen Form als der Theorie inhärent mitgedacht wird, eröffnet damit implizit einen Horizont in Richtung Sinnfrage. Etwas einfach als gegeben hinnehmen zu müssen, den genauen Vollzug von etwas selbst nicht nachvollziehen zu können sondern es einfach glauben zu müssen, ist ebenfalls ein Imperativ im System Religion. An dieser Stelle vermag man mit der Systemtheorie – und derart nur mit ihr – Ähnlichkeiten der Beschränkung der eigenen Erkenntnis und des Nachvollziehbaren, der Plausibilität beim System Religion und beim System Wissenschaft, zu sehen. Es besteht natürlich keine Frage, daß diese beiden systemtheoretischen Ähnlichkeiten sich sowohl von ihrem Kontextbezug, als auch von ihren Inhalten her weit voneinander unterscheiden. Dies steht aber in dieser Arbeit nicht weiter zur Debatte. Es soll hier, wie bereits weiter oben dargelegt, kein Vergleich der Aussagekraft beider Systeme über die Quantenphysik erfolgen, was darüber hinaus weder zu leisten noch wünschenswert wäre, sondern es erfolgt hier ein systemtheoretischer Vergleich der beiden Systeme im Umgang mit, und in der Rezeption quantenphysikalischer Begriffe und Konzepte. Wichtig mag überdies noch sein, daß Quantenphysik in dieser Arbeit als systemkonstituierendes Element in der Quantenphysik und als wichtiges aber nicht systemkonstituierendes Element in der Esoterik verstanden wird. Interessant ist auch der obige Verweis der Quelle darauf, daß die Quantenphysik die Grenzen der Naturphilosophie aufzeige. „Die neuere Naturphilosophie geht zunehmend den umgekehrten (induktiven) Weg: ausgehend von den Ergebnissen der Naturwissenschaften, und der Erfahrung verzichtet sie auf eine Ableitung der Natur aus Begriffen, stellt sich aber die Aufgabe, die für die Weltund Lebensanschauung wichtigen Naturerkenntnisse zu einem naturwissenschaftlichen Weltbild zu vereinigen, die in den Naturwissenschaften selbst auftretende Probleme, deren Methoden und Hypothesen durch erkenntnistheoretische und logische Untersuchungen zu prüfen und die naturwissenschaftlichen Begriffe zu klären.“ (Regenbogen/Meyer 2013: 444)

Dieses naturwissenschaftliche Weltbild beinhaltet, ganz wie im System Religion einen Zustand der Welt, der vorgefunden wird. Über dessen Anfänge kann jedoch keine sichere Aussage gemacht werden. Unterschiedliche Narrative füllen die Lücken in den Anfangsbedingungen – die Urknalltheorie, eine angenommene leichte Asymmetrie in der Verteilung von Materie und Antimaterie, die Schöpfungsgeschichte, etc. Wenn PP davon spricht, daß man „naturphilosophisch [...] an eine Erkenntnisgrenze gekommen“ sei, ist dies ein möglicher Hinweis dafür, daß sich Naturphilosophie und Naturwissenschaft wieder aneinander annähern. So wie in der Antike, im Mittelalter und in der Renaissance

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auch immer wieder des Öfteren nicht zwischen beiden Zugängen unterschieden wurde und sowohl Naturphilosophie als auch Naturwissenschaft als Zugänge zum selben Gegenstand aufgefaßt wurden, so mutet die Aussage von PP an, es erfolge hier eine erneute Annäherung. Und schon erhielte die Quantenphysik eine metaphysische Grundlage. Die Quantenphysik erscheint geradezu als prädestiniert dafür, metaphysisch an sie anzuschließen. Schließlich wird nach dem Aufbau der Welt geforscht, nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Eine Grenze verweist auf eine binäre Opposition. Das „Hier und das Dort“. Eine binäre Opposition bietet immer auch beiderseitige Anschlußmöglichkeiten. Es ist unmöglich, ein hier und ein dort zu markieren und sich ausschließlich dem hier zuzuwenden. Die Anschlußmöglichkeit des dort bleibt bestehen – und sei es auch nur als Unmöglichkeit des eigenen Systems – im dort zu operieren und kommunikative Anschlüsse zu erlauben. „Eine Gesellschaft der Gegenwarten ist also eine Gesellschaft, die in erster Linie auf Perspektivendifferenz gebaut ist, auf Unversöhnlichkeit, auf widersprüchliche Praxisformen. Es entstehen dadurch unterschiedliche Anschlüsse, unterschiedliche Gegenwarten, unterschiedliche Kontexte, und gesellschaftliche Modernität scheint sich dadurch auszuzeichnen, mit dieser Differenziertheit klarzukommen.“ (Nassehi 2011: 18; Hervorh. im Orig.)

Die Autopoiesis im System, das sich mit Quantenphysik beschäftigt, operiert mit völlig anderen Gegenwärtigkeiten – je nachdem, ob diese in der Experimentalphysik, der theoretischen Physik oder der mathematischen Physik stattfinden. In der theoretischen Physik schließt die Quantenphysik in letzter Konsequenz nur an sich selbst autopoietisch an, was im wissenschaftlichen Kontext zum Problem wird. Die eigenen Erkenntnisgrenzen als unhintergehbar anzunehmen, die „Parkettierung der Welt“ (PP) und das Plancksche Wirkungsquantum als kleinste Grenze der Erkenntnis anzunehmen, sie nicht falsifikatorisch hinterfragen zu können, erinnert auf der einen Seite an das System Religion, auf der anderen Seite an das System Mathematik mit seinen Anfangsaxiomen, die ebenfalls angenommen werden (müssen). So wie etwa in der Axiomatik des Platon, der davon ausging, daß Mathematiker kein System erschaffen, sondern mathematische Begriffe in der Welt vorfänden und ihre grundlegenden Eigenschaften mit Hilfe von Axiomen beschrieben (vgl.: Bedürftig/Murawski 2015: 34). Die moderne axiomatische Methode habe mit Hilbert ihre Verbindung zu einer Wirklichkeit7 verloren (vgl. Bedürftig/Murawski 2015). David Hilbert setzte sich 7

Der Begriff „Wirklichkeit“ müßte nach der hier vertretenen Auffassung sowie strenggenommen ebenfalls nach der Auffassung Hilberts in Anführungszeichen gesetzt werden (vgl. Heintz 2000).

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mit der Metamathematik mit logischen Systemen und ihrer Vergleichbarkeit auseinander (vgl. Yourgrau 2005: 33) und warf das Problem der Vollständigkeit auf, das schließlich von Gödel aufgegriffen und als unlösbar gelöst wurde (vgl. ebd.). Gödels Unvollständigkeitstheorem hat schließlich dazu geführt, daß – ähnlich wie die Quantenmechanik nicht unabhängig von der Quantenmechanik überprüft werden kann – die Widerspruchsfreiheit der Mathematik nicht mit mathematischen Mitteln nachgewiesen werden (vgl. ebd. sowie Nagel/Newman 2010) kann. Wie weiter oben bereits angeführt, bestehen Kommunikationen im Luhmannschen Sinne aus der Triade Information, Mitteilung und Verstehen. Entsprechend des weiter oben dargelegten Falles des esoterischen Bereichs kann man zusammenfassend sagen, daß die Information darin bestand, bestimmte Schlüsselbegriffe aus der klassischen und der Quantenphysik zu nennen und diese mit esoterischen Begriffen in einen Sinnzusammenhang zu bringen. Durch die Art der Mitteilung, als Partnerin eines Physikers und der Nennung wichtiger Schlüsselbegriffe sowie der „Quantenheilung mächtig“, die sehr selbstbewußt vorgetragen wurde (was man an der Untermauerung der eigenen hierarchischen Position über kleinere aber immer wieder vorgenommenen Demütigungen der Mitarbeiterin sehen konnte), betont die Sprecherin eine angenommene Autorität auf dem eigenen Gebiet zu sein und darüber hinaus ständigen persönlichen Zugang zu Expertenwissen (ihrem Partner dem Physiker) zu haben. Eingangs wurde jedoch dargelegt, weshalb in dieser Arbeit hauptsächlich auf den Teil „Information“ des Luhmannschen Kommunikationsbegriff aus der Triade „Information“, „Mitteilung“ und „Verstehen“ (vgl. Luhmann 2012) eingegangen werden kann. Über Verstehen kann aus augenfälligen Gründen nichts ausgesagt werden und auf Mitteilung wird hauptsächlich in der Art der Sätze eingegangen. Auch die Physiker sagen nicht nur etwas über Quantenphysik aus, sondern dehnen ihre Argumentation auf Fragen der Ontologie und Epistemologie aus. Es scheint sogar, als erhalte die Quantenphysik in der Kommunikation von PP eine metaphysische Grundlage. Die Art, wie welche Sätze aufeinander folgen, lassen zumindest die Annahme zu, daß die Quantenphysik nicht nur als vorübergehende Arbeitshypothese als wahre Aussage angenommen, sondern ihr geradezu eine systemkonstituierende Grundlage im System Wissenschaft und der Welt zugesprochen wird. Das Planck’sche Wirkungsquantum betrachtet PP als Erkenntnisgrenze. (PP: „Also das bedeutet, naturphilosophisch gesprochen, wir sind an eine Erkenntnisgrenze gekommen.“) Darüber hinaus kann kleiner nicht geforscht, nichts gewußt

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werden. Und zwar prinzipiell, nicht etwa nur vorübergehend. „Der Natur“, bzw. dem Gegenstand der Physik sind somit inhärente Erkenntnisgrenzen eingeschrieben, die niemals überschritten werden können – folgt man PPs Argumentationslinie. Man sieht hier direkt bei der Beobachtung im Feld, wie im System Religion – auch wenn vorgeblich über Quantenphysik gesprochen wird – immer nur religiös kommuniziert wird und werden kann, und wie im System Wissenschaft immer nur wissenschaftlich kommuniziert wird und werden kann. Meine Feldforschungen bestätigen diesbezüglich die Grundannahmen der Systemtheorie.8 Auch wenn in der Quantenphysik über ontologische und epistemologische Fragestellungen debattiert wird, wird die Possibilität eines weiteren Kommunikationsverlaufs – wie in der klassisch-religiösen Kommunikation ebenfalls – mit absoluten, nicht zugänglichen a priori Anfangsbedingungen beendet. Darüber hinaus dürfte ersichtlich geworden sein, daß an Quantenphysik u.a. religiös, und an Religion und Philosophie quantenphysikalisch angeschlossen werden kann – und tatsächlich in praxi – auch angeschlossen wird.

8

An dieser Stelle wird der Form halber auf die Möglichkeit eines Zirkelschlusses verwiesen. Es wird derselben Argumentationslinie gefolgt, nein es muß sogar derselben Argumentationslinie gefolgt und darauf hingewiesen werden, daß die Systemtheorie hier ebenfalls an ihre Erkenntnisgrenzen stößt. Wieder erfolgt der Rekurs auf die Logik der Wahl des theoretischen Blickes in Anbetracht des Feldes. Daß die Wahl auf die Systemtheorie fiel, um dieses Feld zu bearbeiten, ist im Nachhinein genauso logisch wie die Sätze, die der derartig theoretisch aufgeladene Blick zu hören bekommt.

Die sogenannte „Zwei-Punkt-Methode“

Das untersuchte Institut im esoterischen Bereich verbindet nach eigenen Angaben die sog. „Zwei-Punkt-Methode“ von Kinslow mit Quanten(...). Bei der Anwendung der „Zwei-Punkt-Methode“ stellt sich eine Person mit dem Rücken vor die Person, die eine Art von Heiler-Funktion übernimmt. Die zu heilende Person soll an „den Raum dazwischen“ denken und sich auf ihr „Thema“ konzentrieren. Gemeint ist damit ein Problem, aber das Wort wird meist vermieden und statt dessen wird explizit auf das persönliche „Thema“ verwiesen, welches am besten gar nicht vor den anderen Gästen ausgeführt werden soll. Während die hinter der ersten Person stehende zweite Person „an den Raum zischen den Dingen (...), den Raum zwischen den Atomen“ denken soll, drückt H leicht auf einen Punkt auf ihrem Rücken, in den sie sich quasi einfühle und nach einiger Zeit auf einen zweiten Punkt. Diesen spüre sie quasi intuitiv. Bei der Vorführung stand H hinter einer Person, die ihr den Rücken zuwandte und an der Seite, das Gesicht zum Publikum, den Körper verdeckt durch die anderen beiden Personen, stand die Helferin von H. Erst bei genauerer Betrachtung war zu sehen, daß beide Frauen in einem bestimmten Rhythmus abwechselnd mit dem Finger erst auf die Schultervorderseite der einen Seite und anschließend auf die Schulterrückseite der anderen Seite tippten. Die „zu heilende“ Person kam leicht ins Schwanken. Währenddessen fuchtelte H mit dem dem Publikum zugewandten Arm wild umher, was die Aufmerksamkeit darauf lenkte und nicht auf das Anstupsen der Person. So erschien das Schwanken als Teil des Heilungsprozesses, insbesondere da das Pendeln explizit als mögliche Folge des Heilungsprozesses angesprochen wurde. Nach der Vorführung wurden die Anwesenden dazu angehalten, sich in Zweier-Gruppen zu ordnen. Abwechselnd sollte erst die eine, anschließend die andere Person die Heiler und die Geheilten-Funktion übernehmen. Nach Abschluß dieser Aktion fragte H in die Runde:

90 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK H: „Kurze Nachfrage. Wo gab es eine Veränderung, eine spürbare Veränderung beim Empfänger? Warum die Frage was ist anders? Es geht darum, den Fokus des Empfängers auf etwas anderes zu richten. Und nicht auf das Problem. Sonst hängt er in seiner Beobachtung schon wieder beim Thema.“

Weiter spricht H davon, daß es anfangs auch zu einer ,,Erstverschlimmerung“ kommen könne. Dies erinnert an die den Globuli in der Homöopathie zugeschriebenen Wirkungsbereich von einer möglichen Verschlimmerung der Symptome bis hin zur anschließenden Heilung. Gleichzeitig bleibt der angebliche Heilungsprozeß offen: Wer nicht gleich zu Beginn etwas spürt, bei dem könne es länger dauern oder sogar anfangs noch zu einer kurzzeitigen Verschlimmerung kommen. Genau wie die Funktionsweise der Quantenheilung bleibt auch der weitere körperliche Vorgang im unsichtbaren unbeobachtbaren Bereich. Nach anschließender Befragung im größeren Kreis sagten manche, sie fühlten sich besser als zuvor. (Inwiefern hier die Fragestellungen von H an die Gruppe, an das „gemeinsame intime Erlebnis“ außerhalb der Norm, oder einfach menschliche Gesellschaft, im Sinne eines kurzen körperlichen Kontaktes, eine Rolle gespielt haben könnten, steht an dieser Stelle nicht zur Debatte.) Es geht nicht darum, ob die sog. Quantenheilung ein medizinisch gerechtfertigtes Vorgehen ist oder nicht. Es geht einzig um die Funktionsweise quantenphysikalischer Begriffe und Topoi in einem fremden System, ihren Einbau in eben jenes fremde System Religion und die Ausstattung mit Eigensemantik.

Wissenschaft und Esoterik – eine künstliche Abgrenzung?

Wenn in dieser Arbeit Wissenschaft und Esoterik einander gegenübergestellt werden, könnte dies im ersten Moment wie eine künstliche Abgrenzung anmuten. Was unterschiedet die Diskursfelder der Naturwissenschaften und speziell die der Quantenphysik1 von denen der Esoterik? Die Abgrenzung und Gegenüberstellung soll hier keinesfalls als eine gegenseitige Ausschließung, sondern eher als ein Instrumentarium zur Kontrastierung, quasi zur Überbelichtung verstanden werden, worin auch leichte Unterschiede deutlicher werden. Dabei sollen die untersuchten Bereiche einer methodologischen – keinesfalls jedoch einer epistemologischen – Gleichbehandlung unterliegen. Die Beschäftigung mit Verborgenem, nur „Eingeweihten“ zugänglichem Wissen hat nicht nur mit Esoterik, sondern ebenfalls mit Wissenschaft und frühen Formen von Erkenntnisgewinn zu tun. „Eingeweiht“ meint in den Wissenschaften mindestens den fachspezifischen Gebrauch von bestimmten Termini und deren Kontext zu kennen, die Kenntnis eines Teils der Wissenschaftsgeschichte, vergangene und aktuelle Theorien- und Methodendiskurse. Die Erlangung des Doktorgrades ließe sich dergestalt als Initiationsritual und -praxis lesen (vgl. hierzu im ethnologischen Kontext: van Gennep 2005; Belliger/Krieger: 2003). C.P. Snow kritisiert in „The Two Cultures And The Scientific Revolution“ u.a. eine hochgradig wissenschaftliche Spezialisierung. „Somehow we have set ourselves the task of producing a tiny élite – far smaller proportionately than in any comparable country – educated in one aca-

1

Auf die Einordnung der Quantenphysik in den Bereich der Naturwissenschaften wird später noch näher eingegangen.

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demic skill.“ (Snow 1961: 21)2 Mit zunehmend funktionaler Ausdifferenzierung scheint eine solche Spezialisierung der einzelnen Wissenschaftsbereiche jedoch unausweichlich. In der qualitativen Wissenschaftsforschung ist es deshalb auch sehr wichtig, sich als Soziologin über einen längeren Zeitraum in den Wissenschaftsbereich einzuarbeiten, um Interviews mit Experten führen zu können. Es hat sich bislang als großer Vorteil erwiesen, daß ich neben meinem sozial- und kulturwissenschaftlichen Studium zusätzlich über einen längeren Zeitraum an physikalischen und mathematischen Veranstaltungen teilgenommen habe. Ich beschäftige mich seit mehreren Jahren mit Quantenphysik und Astronomie. In den Experteninterviews, die ich mit „Professionellen“ (vgl. Pfadenhauer 2009: 108) führen durfte, war es gut, über einen entsprechenden Hintergrund zu verfügen, allein um die Unterschiede in der Semantik zu erkennen. Pfadenhauers Definition des Gegenstandes eines Experteninterviews (vgl. Pfadenhauer 2009: 99) wurde in dieser Arbeit dergestalt erweitert, daß hier alle Gesprächspartner, ob Wissenschaftler oder nicht, für mich Inhaber von Sonderwissen und insofern als Experten zu verstehen sind. Seien sie nun Physiker oder religiöse SpezialistInnen3; wobei im Falle religiösen Expertenwissens eine Schwierigkeit darin liegt, daß es sich hierbei um schwer bis gar nicht explizierbares Wissen, sondern mitunter um implizites (Erfahrungs-)Wissen handelt. Soweit als möglich versuchte ich die Gespräche in einer entspannten Umgebung und Atmosphäre (im Café, im Restaurant, etc.) stattfinden zu lassen und den Redefluß der Gesprächspartner nicht zu unterbrechen (vgl. Bogner/Littig/Menz 2009). Mein Ziel war, sie nach einem kurzen Zwiegespräch in einen Monolog übergleiten zu lassen, in welchem sie selbst auswählten, was ihnen wichtig erschien und ihr Redefluß sich nach ihren eigenen Kategorien und Wertmaßstäben entfaltete. So konnte ich beobachten, wie der Teilchenphysiker Dr. T, der in dieser Arbeit auf der Schnittstelle zur Esoterik angesiedelt wird, die Auswirkungen der Quantenphysik auf Weltbilder mit religiöser Einflußnahme auf Weltbilder vergleicht. Sein Vergleich impliziert einerseits eine Einordnung, die vorgeblich nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgt, andererseits schreibt T der Quantenphysik beinahe eine Wirkmächtigkeit zu, die ansonsten den Religionen vorbehalten bleibt.

2

Charles Percy Snow bezieht sich hier zwar auf die britische Elite, doch eine wissenschaftliche Spezialisierung und die damit verbundene Trennung in Geistes- und Naturwissenschaften findet sich ebenfalls in Deutschland.

3

Zur Debatte um das Experteninterview siehe Bogner/Menz 2009; Przyborski/ Wohlrab-Sahr 2010.

W ISSENSCHAFT

UND

E SOTERIK –

EINE KÜNSTLICHE

A BGRENZUNG ?

| 93

Dr. T: „Und zwar ist es so, wenn etwas vorgestellt wird, was ein Weltbild betrifft, dann sind es immer Religionen oder ein Guru und so weiter. Und dann sind die ja immer, sage ich jetzt einmal vornehm, weltentrückt. Der Normalbürger sagt: Ja, das klingt ganz gut, aber das denkt sich halt der. Aber beweisen tun die nichts. Göttliche Offenbarung, ja gut, das sagen die aber andere sagen wieder - der eine sagt Jesus ist ein Prophet, der andere sagt, Jesus ist ein Gott, der sagt, Jesus ist ein ganz normaler Mensch gewesen, ein bißchen clever und so weiter. Also das ist nicht zwingend. Da ist der Abstand vom Normalleben zu dem was die sagen ist zu groß. Aber wenn jetzt einer mit der Quantenphysik daher kommt, und die verstehen überhaupt nichts davon, aber sie fühlen etwas raus, was ihr Weltbild ändert oder in eine Richtung bringt, die als sinnvoll erachtet wird, dann ist es eine ganz andere Ebene, weil sie sagen, da sind nicht Leute die spinnen, sondern die Quantenphysik gibt es seit hundert Jahren und es ist seit hundert Jahren kein Experiment gelungen, das die, sagen wir häufigste Deutung, nämlich die Kopenhagener Deutung, irgendwie zu Fall gebracht hätte. Also da kann ich nicht einfach so drüber gehen wie über diese oder jene oder jene Religion. Und das ist meiner Meinung nach ein völlig neuer Gedanke, daß die Naturwissenschaft so weit in das Weltbild rein dringt, daß man sagt, ich kann das einfach nicht wegschieben. Ich muß mich damit auseinandersetzen.“

Quantenphysik könne laut Dr. T das Weltbild mancher Menschen ändern, „oder in eine Richtung bring[en], die als sinnvoll erachtet wird“. Dadurch schreibt T der Quantenphysik die Possibilität einer Schlüsselrolle in der menschlichen Erfahrungswelt zu. Gleichzeitig verbindet T an dieser Stelle das Gefühl oder, man könnte sogar so weit gehen zu sagen eine Art menschlicher Intuition – mit der Quantenphysik4 und mit der Möglichkeit einer Falsifikation eben jener. Ein wenig später kommt Dr. T direkt darauf zu sprechen und widerspricht damit PP. Dr. T: „Wir behaupten ja gar nicht, daß es so skurril ist, aber diese Skurrilität können wir mathematisch fassen. Wir rechnen was aus und jetzt kommt die Bestätigung und sagt falsifizieren. Läßt sich die Theorie falsifizieren oder nicht? Und siehe da: Sie läßt sich falsifizieren. Und das ist das Tolle. Und da können die Leute nicht wegschauen. Und das ist der Grund für die Rezeption in der Gesellschaft. Für mich ist das der Hauptgrund.“

Im Gegensatz dazu behauptet PP, daß sich die Quantenphysik nicht falsifizieren lasse. Hier besteht Uneinigkeit. Trotz meiner langen Einarbeitung und teilweisen Fachkenntnis waren dies, insbesondere was die Physiker betrifft, keine Gesprä-

4

Die Verbindung von Intuition und Quantenphysik wird uns bei einem weiteren Gesprächspartner begegnen, dem Wissenschaftshistoriker und Physiker H.

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che „[a]uf gleicher Augenhöhe“ (Pfadenhauer 2009). Wo nötig fragte ich nach5, unterließ ansonsten jedoch sowohl Unterbrechungen im Redefluß der Interviewten als auch – so irgend möglich – eine zwangsweise Rückführung auf meine Leitfragen. Eine Ausnahme war PP, der nur sehr wenig Zeit hatte. Die Konversation mit ihm entwickelte sich aufgrund des Zeitmangels von einem Interview erst gegen Ende hin zu einem Gespräch. Als eine weitere Form früher Erkenntnisgewinnung kann auch die Alchemie in ihrem historischen Kontext aufgefaßt werden. Von Stuckrad weist darauf hin, daß die „Schöpfung aus dem Reagenzglas“ ein Forschungsfeld war, welches Alchemisten „ungemein faszinierte“ (von Stuckrad 2004: 152). Neben der Goldgewinnung aus anderen Materialien wollten Alchemisten hinter die verborgenen Dinge blicken. Erst im neunzehnten Jahrhundert wurde eine „klare Trennung zwischen Naturphilosophie und Naturwissenschaft im heutigen Sinne“ (von Stuckrad 2004: 169) vollzogen. Fischer geht davon aus, daß auch heute noch nach alchemistischen Prinzipien operiert wird und führt als Beispiel die Ökonomie an, die sich vielfach nur als alchemistischen Prozeß deuten lasse und verweist dabei auf Goethes Faust6 (vgl. auch Fischer 2013: 10). „Heute können wir uns aus weiter historischer Distanz relativ risikolos mit Newtons „unphysikalischen“ Bemühungen beschäftigen. Wir können seine alchemistischen Bemühungen als unverständliche Spielerei abtun, ohne ernsthaft zu überlegen, an welcher Stelle das aufhört, was wissenschaftlich ist, und das beginnt, was nicht weiter dazu gerechnet werden kann.“ (Fischer 2013: 16)

Das „alchemistische Gedankengut“ sei, wenn auch im Hintergrund, ein „unübersehbarer Teil der modernen Wissenschaft“ (Fischer 2013: 3), so der Wissenschaftshistoriker. Die in dieser Arbeit intendierte Kontrastierung zeigt, daß sich manche Diskurse sowohl in wissenschaftlichen, als auch in esoterischen Bereichen wiederfinden, die Art der jeweiligen Diskurse sich jedoch unterscheidet, bzw. unterscheiden kann. Esoterische Diskurse spielen sich im System Religion 5

Bei Begriffen, die mir unbekannt waren erbat ich eine kurze Erläuterung. Ich fragte ebenso nach, bei welcher Theorie sich die Physiker verorteten. Darüber hinaus hakte ich so wertneutral als möglich kurz nach (Blicke, Mimik, „Hm?“), wenn ich Brüche, Inkonsistenzen, Widersprüche oder eine besonders wichtige Stelle im jeweiligen Narrativ bemerkte.

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Der Großinvestor George Soros, der nebenbei bemerkt, die „Quantum Group of Funds“ betreut, hat ein m. E. ausgezeichnetes Buch geschrieben, in welchem er die These aufstellt, daß Finanzmärkte nach alchemistischen Methoden operieren (vgl. Soros 2003: 312).

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ab7. Keinesfalls wird die Physik dabei, wie bei Wagner (vgl. Wagner 2012), als gemeinsamer Nenner und Maßgabe betrachtet. „Den Prinzipien der kosmischen Evolution und der kausalen, nomologischen und explanatorischen Vollständigkeit des physikalischen Bereichs zufolge kann der Gegenstand der Soziologie nur eine weitere Ebene physikalischer Komplexität sein, auf der Ursache/Wirkungs-Beziehungen und Gesetze nur dann möglich und methodisch faßbar sind, wenn man sie mit fundamentalen physikalischen Strukturen identifiziert und auf diese zurückführt.“ (Wagner 2012: 2)

Der Soziologie werden an dieser Stelle mehrere Aspekte vorgeschaltet. Zum einen die auf Darwin gründende Theorie einer Evolution, die hier auf den gesamten Kosmos ausgeweitet wird, sodann eine angenommene „Vollständigkeit des physikalischen Bereichs“ (ebd.). Physik wäre dann sozusagen alles und die Soziologie lediglich eine „weitere Ebene physikalischer Komplexität“ (ebd.). Wagner argumentiert von der Physik aus, um Schlüsse in einem anderen Bereich, nämlich der Soziologie, zu ziehen. Dies ist für die Soziologie absolut sinn- und bedeutungslos. Wenn Wagner mit dem Begriff „fundamentale [...] Strukturen“ auf die vier fundamentalen Kräfte in der Physik zielt – die starke und die schwache Kraft innerhalb von Atomen, auf Gravitation und Elektromagnetismus – kann nur mit Erstaunen entgegnet werden, was denn der Grund sein könnte, gesellschaftliche Vorgänge auf die Fundamentalkräfte der Physik herunter zu brechen. Gefährlich bei Wagners Vorhaben, den Gegenstand der Soziologie auf die 7

Sehr aufschlußreich ist, wie mir im System Wissenschaft sehr häufig bezüglich meines Themas begegnet wird. Immer wieder werde ich mit der Frage konfrontiert, wie und wo ich mich in Bezug zum esoterischen Bereich positioniere, es taucht die Frage nach meiner Einstellung diesbezüglich auf und ob ich eher negativ oder positiv eingestellt sei. Eine Auseinandersetzung mit dem Bereich Esoterik im System Wissenschaft erfordert also eine genaue Positionsbestimmung bzw. Abgrenzung. Hier befindet sich eine sehr umfangreiche Anschlußfähigkeit, die viel größer ist, als die der Quantenphysik. Eine Antwort darauf ist zwingend erforderlich und es wird in jedem Fall, ganz gleich wie die Antwort ausfallen würde, weiter kommuniziert werden. Es geht in dieser Arbeit, wie bereits an mehreren Stellen erwähnt, ganz und gar nicht darum, ob quantenphysikalische Begriffe im esoterischen Diskursfeld „richtig“ rezipiert werden. Ein „richtig“ gibt es in diesem Fall nicht, da es keinen Sinn machen würde. Die Begriffe müssen geradezu mit einer anderen Semantik ausgestattet werden, die aus dem jeweils eigenen System stammt. Ebenso wenig geht es darum, die Glaubensinhalte eines Systems zu verifizieren oder zu falsifizieren. Dies wäre ebenso wenig möglich wie wünschenswert.

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„fundamentalen physikalischen Strukturen“ zurückzuführen (vgl. Wagner 2012: 2) sind dabei mehrere Aspekte. Soziologie beschäftigt sich mit Gesellschaft, mit gesellschaftlichen Strukturen, Kommunikationen, Funktionen und Entwicklungen. Die Soziologie als Wissenschaft reagiert also auf Gesellschaften, die immer komplexer werden und sich mittels dieser Wissenschaft ihre eigenen Vorgänge professionell erklären. Soziologie ist damit „eine unter konkurrierenden Selbstbeschreibungen der Gesellschaft“ (Nassehi 2008: 27). Wer nun gesellschaftliche Vorgänge und Bedingungen, Abhängigkeiten und funktionale Operationen über physikalische Elemente erklären wollte, würde damit den Forschungsgegenstand nicht nur verzerren, sondern ihn verfehlen. Das Gesellschaftssystem besteht aus Kommunikationen (vgl. Luhmann 2012: 54). Etwas auf fundamentale physikalische Strukturen zurückzuführen (vgl. Wagner 2012: 2) fällt in den Bereich der Physik und nicht in den der Soziologie. Das Vorgehen Wagners ist jedoch kein Einzelfall, wenn es darum geht, die Soziologie mit der Quantenphysik „zu liieren“. Rosado etwa möchte einen neuen theoretischen Zugang zu „Urban Studies“ über die Quantenphysik initiieren. „However, what this paper does address is the need for a new theoretical, contextual model – a holistic one generated by quantum mechanics – within which to understand how best to move forward particular social services and social policies that arise from this innovative, non-dualistic context.“ (Rosado 2008: 2076)

Einerseits besteht hier die Forderung nach einem neuen holistisch orientierten Modell, das auf der operativen Ebene Wege zeigen soll, wie bestimmte Sozialleistungen und eine sozialpolitische Linie befördert werden sollen. Andererseits wird der Quantenmechanik eine besondere Rolle bei der Entwicklung eines solchen (holistischen) Modells zugesprochen. Rosado bezieht sich auf David Bohms „Implicate Order“, die dieser mit Fraktalen vergleicht (vgl. Bohm 1987: 172). Bohm sei einer der ersten gewesen, konstatiert Rosado, der die Idee eines holographischen Universums einführte, in welchem alles mit allem verbunden sei (vgl. Rosado 2008: 2080). „This is the non-locality of quantum wholeness that transcends the binary separateness of localistic, traditional Newtonian thinking that has unfortunately pervaded our entire society, right down to our flawed views of urban-dwellers as ‘separate’ from ‘us’, the researchers.“ (Ebd.) Auch Rosado möchte nun den soziologischen Blick einer quantenphysikalischen Definition unterziehen und im operativen Vollzug des Beobachtens Beobachter und Beobachtete durch die mögliche Situiertheit in einem holographischen Universum wieder auflösen. Der veränderte Blick vollzieht sich nun nicht anhand soziologischer Argumentationslinien, wie der sozialen Konstruktion der

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Beobachtungssituation, und der dadurch möglich erfolgten Beeinflussung derselben, sondern wird auf eine dem Universum a priori zugrundeliegenden impliziten Ordnung berufen. Neben der Plausibilisierung über quantenphysikalische – und damit nur ausgebildeten Physikern zugänglichen – Logiken ähneln auch einige Quellenverweise – Capra, Sheldrake und Prigogine – an den Umgang esoterischer Diskursfelder mit der Quantenphysik. Soziologisch interessant ist dies allemal, wenn gesellschaftswissenschaftliche Methoden und Theorien plötzlich auf eine vermeintlich naturwissenschaftliche Basis gestützt werden sollen. Speziell für diese Arbeit ist nun interessant, wie argumentiert wird. Mehrheitlich wird in der Physik angenommen, daß quantenphysikalische Prozesse nur auf der Mikro-, nicht jedoch – bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa in Neutronensternen8, auf der Makroebene auftauchen. Die Kompatibilität von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und Quantentheorie sind bislang äußerst schwierig. „The problem is that these two theories [General Relativity and Quantum Theory] have hardly anything in common apart from the fact that they both approximate to Newtonian physics on an everyday scale. They depart from this limit at the extremes of very small objects and distances (quantum mechanics) and very large objects and distances (general relativity). But with this departure they take on very different mathematical structures, making them incompatible.“ (Al-Khalili 2004: 205)

Man denke nur an das Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“, die gleichzeitig tot und lebendig sein müßte, würde auch für sie das quantenmechanische Superpositionsprinzip gelten.9 Gleichzeitig gibt es aber noch mindestens eine weitere Argumentationsweise. Diese holistische Anschauung zieht Verbindungen von der Quantenphysik zum alltäglichen Leben (vgl. hierzu Dürr 2010) oder zur Religion (vgl. Polkinghorne 2007; O`Murchu 2004). Der zweite holistische Ansatz unterliegt Wagners und Rosados Vorschlägen und ist auch in esoterischen Diskursen anzutreffen. Entsprechend dem Standardmodell der Elementarteilchen, nach welcher „jede Kraft durch ein Austauschteilchen übertragen“ wird (Lesch 2010: 670), und im Falle der elektromagnetischen Kraft Photonen, also quantenphysikalische Objekte, „Austauschteilchen“ sind, stoßen wir hier auf mindestens ein physikalisches Problem, wollte man für einen Augenblick Wag8

Der „Tod“ eines Neutronensternes, in dessen letzter Phase Elektronen und Protonen in einen unglaublich dichten Kern verschmelzen, um dann unter der eigenen Schwerkraft zusammenzubrechen, ist makroskopisch sichtbar als Supernova vom Typ II (vgl. Lesch/Müller 2006; Hasinger 2009).

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Vgl. Schrödinger 1935: 812 und Gribbin 1997.

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ners Vorschlag folgen. Ganz zu schweigen von epistemologischen und soziologischen Ungereimtheiten sowie Widersprüchen. Wie bereits angeführt gelten die Prinzipien der Quantenphysik ganz allgemein nicht für makroskopische Objekte. Durch welche physikalischen Austauschteilchen sollten denn gesellschaftliche Prozesse oder Kommunikationen übertragen werden? Wollte man die Argumentation von Wagner konsequent weiterführen, würde sie an diejenige zur Rettung des Äthers erinnern. Denn auch in diesem Falle benötigte man Austauschteilchen, wollte man, wie Wagner dies vorsieht, physikalisch argumentieren. Entgegen der von Wagner unterstützten Annahme, der Gegenstand der Soziologie könne „nur eine weitere Ebene physikalischer Komplexität sein, auf der Ursache/Wirkungs-Beziehungen und Gesetze nur dann möglich und methodisch faßbar sind, wenn man sie mit fundamentalen physikalischen Strukturen identifiziert und auf diese zurückführt“ (Wagner 2012:2), hat sich gerade die moderne Quantenphysik teilweise vom Prinzip der Kausalität verabschiedet (vgl. hierzu insbesondere Bunge 1979). Bunge etwa führt das Ausschlußprinzip von Pauli10 als ein Beispiel dafür an, weder kausal noch statistisch zu sein, sondern Teil einer eigenen Gruppe. (vgl. Bunge 1979) „This is important because it shows that quantum mechanics, in either of its interpretations, is far from being a purely statistical theory – contrary to what is usually asserted. [...] This will not be enough, I hope, to show that scientific laws of nature need not be causal. [...] The reduction of lawfulness to causality is a mistake in scientific method and, like other mistakes of this sort, it is liable to have noxious consequences for science and for every general world outlook that claims to be based on science.“ (Bunge 1979: 262)

Bunge widerspricht ebenso Kausalbedingungen gesellschaftlicher Prozesse (vgl. Bunge 1979: 263). Aus welchem Grund sollte zudem in einer funktional differenzierten Gesellschaft mit einer Komplexitätssteigerung, anstatt mit einer Komplexitätsreduktion begegnet werden? „Die Darstellung der Theorie praktiziert mithin, was sie empfiehlt, an sich selbst: Reduktion von Komplexität. Aber reduzierte Komplexität ist für sie nicht ausgeschlossene Kom10 Das Pauli-Prinzip oder Ausschlußprinzip besagt für Fermionen (siehe den Teil am Anfang über den Aufbau der Materie), daß diese jeweils nur eine Stelle in der Atomstruktur besetzen können. Es können also nicht mehrere Fermionen denselben Platz belegen. Das hat weitreichende Konsequenzen für die Anfangsbedingungen im Universum (vgl.: Feynman 2004: 131; Hasinger 2009: 43, 87).

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plexität, sondern aufgehobene Komplexität. Sie hält den Zugang zu anderen Kombinationen offen – vorausgesetzt, daß ihre Begriffsbestimmungen beachtet oder theorieadäquat ausgewechselt werden. Wenn freilich das Begriffsbestimmungsniveau aufgegeben werden würde, würde auch der Zugang zu anderen Möglichkeiten der Linienziehung im Nebel verschwinden, und man hätte es wieder mit unbestimmter, unbearbeiteter Komplexität zu tun.“ (Luhmann 2012: 12)

Indem gesellschaftliche Differenzierung, Kommunikationen und dergleichen mehr heruntergebrochen werden sollen auf „fundamentale physikalische[n] Strukturen“ (Wagner 2012: 2), würde auf der Verständnisebene, bezogen auf Wagners Vorschlag, eventuell anfangs zunächst eine Komplexitätsreduktion vollzogen werden, denn komplexes Verhalten, komplexe Vorgänge und Kommunikationen würden in ihrer Ausdifferenzierung beschnitten und auf unsichtbar angenommene Vorgänge auf der Mikroebene reduziert. Die theoretischmethodologische Ebene jedoch würde eine rasante Komplexitätssteigerung erleben, ohne dabei auf der Verständnisebene dazugewonnen zu haben. Ganz im Gegenteil: der Sinn eines solchen Vorgehens bliebe opak. Stehen doch gesellschaftliche Vorgänge in keinem Gegensatz zum Energieerhaltungssatz oder dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik; noch lassen sie sich darauf reduzieren. Von einem theorieadäquaten Wechsel der Begriffsbestimmungen (vgl. Luhmann 2012: 12) kann hier keine Rede sein. Denn das Begriffsbestimmungsniveau würde mit solch einem Vorgehen gesenkt, würde „der Gegenstand der Soziologie [...] mit fundamentalen physikalischen Strukturen identifiziert und auf diese zurück[ge]führt“ (Wagner 2012: 2) werden. Der Gesellschaftsbegriff, wie ihn Wagner anwendet, orientiert sich in letzter Konsequenz an Handlungen. „Mit Simmel und Bourdieu gesprochen, werden die Wechselwirkungen der Menschen von solchen Kraftfeldern mitbestimmt. Dabei gibt es in einer Gesellschaft bzw. in einer sozialen Beziehung zu einem Zeitpunkt t1 nicht nur ein einziges Feld, sondern mehrere Felder.“ (Wagner 2012: 46) Diese „Kraftfelder“, in denen Sitten, Moden, Interessenlagen, etc. zum Ausdruck kommen, werden einerseits „von einzelnen Menschen hervorgebracht“, wirken andererseits jedoch auch wieder auf sie zurück (vgl. Wagner 2012: 46). Der Gesellschaftsbegriff mit dem Rosado operiert, bezieht sich auf segregierte Gesellschaften auf einem fragmentierten Planeten. An erster Stelle soll sein Ansatz ein kurativer sein. „We heal our segregated cities and fragmented planet through wholeness operating from within.“ (Rosado 2008: 2095) Mit Bohms „Implicate Order“ wird eine Ganzheitlichkeit angenommen, die in Ausübung dem Gesamtsystem Planet mit Gesellschaften anhand eines neuen, ganzheitlichen Verständnisses zur Genesung verhelfen soll. David Bohms Theorie unter-

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scheidet sich von anderen quantenmechanischen Theorien dahingehend, daß er die Wellenfunktion nicht als probabilistische Funktion betrachtet, sondern deterministisch (vgl. Bunge 1967; Friebe et al 2015; Hoyer/Sallhofer: 2007). Der Horizont, in welchem Rosado die Verbindung von Quantenphysik, Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften sieht, nimmt, trotz aller positiver Intention, einen bedrohlichen Gestus ein: „In light of this, the new kind of urban leaders needed in this third millennium are ,one worldȀ visionaries who are capable of a diversity of thinking levels. They are civic leaders who no longer take a ,one size fits allȀ approach to urban planning and neighbourhood revitalisation, but rather they are ones who understand that the content of urban transformation arises from an awareness of the context of the attractor forces at work.“ (Rosado 2008: 2095)

Die Quantenphysik ermöglicht für Rosado nun einen Ansatz, der diesem Spannungsverhältnis gerecht werden soll. Die Abstraktion, die Wagner und Rosado hier vorzunehmen gedenken, würde den Gegenstand der Soziologie außerhalb seines Gegenstandsbereiches selbst zurückstutzen – bis hin zur Unkenntlichkeit. Der Physik innerhalb des Systems Wissenschaft würden Definitions- und Freiheitsgrade zugemutet, die sich über die anderer Bereiche erstreckten. Dadurch käme es zu einer Entschleunigung und Aushebelung der Effekte der funktionalen Differenzierung bei gleichzeitiger Reduktion anderer Freiheitsgrade. Gleichzeitig wäre jedoch mit dieser Schein-Abstraktion mehr verloren als gewonnen. Denn von einer Reduktion von Komplexität kann an dieser Stelle auf keinen Fall gesprochen werden. Gleichzeitig bestünde bei Wagner ein Selektionszwang bezüglich der Rückführung soziologischer Theorien und Begrifflichkeiten auf fundamentale physikalische Strukturen. Dabei bedeutet funktionale Differenzierung gar nicht, daß hier Unlogiken vollzogen würden. Konträr dazu meint sie gerade eben einen logischen Weiteraufbau bereits vorhandener Präsuppositionen. „Daß Physiker Physik betreiben (mitsamt den Bedingungen und Grenzen, von denen das abhängt), ist auch ein physischer Vorgang. Schon die physische Welt ist, so müßten Physiker konstatieren, entstanden ‚in order to see itself‘11.“ (Luhmann 2012: 650) Daß Soziologen nun Soziologie betreiben, ist wiederum ein soziologischer Vorgang. Dabei kann in der Soziologie keine „objektiv“ anmutende Position au11 Das anthropische Prinzip besagt genau dies: „Roughly speaking, the anthropic argument takes as its starting point the fact that the universe we perceive about us must be of such nature as will produce and accommodate beings who can perceive it.“ (Penrose 2004: 757)

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ßerhalb der Gesellschaft eingenommen werden, da Soziologie immer schon in dieser stattfindet und nur dort stattfinden kann. Daraus nun aber die Konklusion zu ziehen und die Soziologie, und damit auch alle anderen Systeme innerhalb der Gesellschaft, an den fundamentalen Prinzipien der Physik zu orientieren und zu messen, dafür besteht weder ein Grund – da Physik zu betreiben immer schon ein physikalischer Vorgang ist – noch wäre dies gut. Zu schnell wäre man an die Inquisition erinnert und daran, wie ehemals ein System – Religion – als Maßstab für alle anderen Systeme zu gelten einforderte. Ob eine Differenzierung in Geistes- und Naturwissenschaften per se sinnvoll sei oder nicht, steht hier nicht zur Debatte. Interessant ist aber, daß erst ab dem 19. Jahrhundert eine langsame Differenzierung stattgefunden hat und heute scheinbar wieder eine Art von Vereinheitlichung angestrebt wird. Dabei sind verschiedene Vereinheitlichungstendenzen voneinander abzugrenzen. In der Physik wird mit verschiedenen Ansätzen eine vereinheitlichende Theorie angestrebt, die unter den Kürzeln GUT (Grand Unified Theory), TOE (Theory of Everything) von sich reden macht. „Bei den Bemühungen um eine einheitliche Theorie der fundamentalen Kräfte in der Natur konkurrieren zur Zeit die nichtkommutative Geometrie des Mathematikers Alain Connes, die Stringtheorie des Physikers Edward Witten und die Schleifengravitation des Physikers Abhay Ashtekar miteinander.“ (Zeidler 2009: 577) Dies ist seit längerer Zeit in der Physik zu beobachten, die nach einer „Theory of Everything“ (TOE) oder nach einer „Grand Unified Theory“ (GUT) sucht, in der eine große Vereinheitlichung angestrebt wird, die alle Fundamentalkräfte erklären und spezielle Relativitäts- und Quantentheorie einbinden kann. Solch eine TOE wäre aber trotz allem eine vereinheitlichte physikalische Theorie, die sich maximal auf bestimmte chemische Prozesse ausweiten könnte, da sie die elektromagnetische Kraft, die starke und die schwache Wechselwirkung und, im Gegensatz zur GUT auch die Gravitation einbeziehen möchte. Von einer vereinheitlichenden physikalischen Theorie, die die Fundamentalkräfte der Physik quasi unter einen Hut bringen möchte muß man das Bestreben einer Vereinheitlichung aller Wissenschaften unter eine allumfassende Theorie abgrenzen. Verblüffend ist an dieser Stelle die Intention in der Soziologie, durch Wagner, diese Wissenschaft und insgesamt alle Wissenschaften der Physik unterzuordnen und die „Soziologie als soziale Physik“ (Wagner 2012: 5) zu verstehen. Dabei beruft sich Wagner auf Simmel und Bourdieu und unterwirft beide Soziologen einer physikalischen Lesart. „So konnte er (Simmel) in einem physikalischen Sinne behaupten, daß ‚Alles mit Allem in irgend einer Wechselwirkung steht‘“. (Wagner 2012: 6; Hervorh. im Orig.) Explizit schließt Wagner bei seiner Lesart Metaphern aus (vgl. Wagner 2012: 5 f.), sondern spricht von einer „Be-

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ziehung der Kontiguität“ nach Günther (Wagner 2012: 6). „Kontiguität liegt vor, wenn zwei Phänomene raumzeitlich benachbart sind, oder wenn das Eine die Ursache des Anderen ist, oder wenn dieses aus jenem hervorgeht, etc.“ (Wagner 2012: 6) Interessant ist an dieser Stelle die Tatsache, daß auch im esoterischen Diskursfeld mit Referenz auf die hermetischen Prinzipien, solche Analogieschlüsse vollzogen werden. In einem Interview am 05.03.2013 mit dem Teilchenphysiker Dr. T, der eine interessante Schnittstelle zum esoterischen Diskursfeld besetzt, wird folgendermaßen argumentiert: Dr. T: „Es gibt eine Wissenschaftsesoterik und eine – ich nenne sie immer Straßenesoterik, wenn jemand anfängt zu pendeln, dann steht er auf der Straßenseite und wenn jemand mit den Hauptmerkmalen der hermetischen Prinzipien – das sind die Prinzipen des Hermes Trismegistus, ein Mann, der vor der Zeitenwende in Alexandria gelebt hat, sich aber einen griechischen Namen gegeben hat, der heißen soll: Hermes ist der Götterbote, der die Botschaft von den Göttern zu den Menschen bringt. Trismegistus heißt der dreifach große, soll heißen: der Größte, der Mächtigste, der Beste. So hat er sich genannt und man weiß gar nicht, ob er wirklich gelebt hat, aber diese Prinzipien, die er da niedergeschrieben hat, die sind erhalten. Ich habe einen Vortrag über diese hermetischen Prinzipien gehalten. Diese zehn Punkte, die habe ich dann einzeln beschrieben, diskutiert, und so weiter.“ LK: „Was sind das für Prinzipien?“ T: „Jetzt bin ich schon im fünften oder sechsten Vortrag. Ich sage einmal das Wichtigste. Das wichtigste Prinzip, das überall zitiert wird. Und das heißt: Wie unten so oben, wie innen so außen12. Es ist so nicht verständlich. Aber ich war ja bei der Darstellung der wissenschaftlichen Methoden, Vorstellungen und so weiter. Abgesetzt jetzt von der Straßenesoterik definiert man eine wissenschaftliche Esoterik. Und die geht vor nach diesen Prinzipien, nach diesen Hauptsätzen, hermetischen Hauptsätzen. Und das ist eben eine Forschungsmethode, so ein Hauptsatz. Wie innen so außen, wie oben so unten. Also die arbeiten dann nicht mit Kausalketten und mit Experimenten, sondern mit Beobachtungen und Analogien. Und das Analogieprinzip ist, wie oben so unten. Ein schönes Beispiel ist wie unser Planetensystem, so die Atome.“

12 Da Basis und Ziel dieses als Analogie verstandenen Vergleichs derart unpräzise und abstrakt gehalten sind und dabei nicht von einer Vielzahl von Relationen ausgegangen werden kann, ist diese – wenn überhaupt – eine flache Analogie (vgl. Hentschel 2010: 48). Darüber hinaus sollen Analogien und Metaphern als Erweiterungsinstrument die Erkenntnisfindung unterstützen. Von einer tatsächlichen Gleichartigkeit muß dabei nicht ausgegangen werden (vgl. Hentschel 2010).

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Als Wissenschaftler, der esoterischen Ideen nicht abgeneigt scheint, vermischt der Teilchenphysiker hier zwei Bereiche, die, aus streng wissenschaftlicher Sicht, absolut nichts miteinander zu tun haben: Wissenschaft und Esoterik oder „Straßenesoterik“, wie T. sie nennt. Mit dem Verweis auf „wissenschaftliche Esoterik“ und der Annahme, bei den Hermetischen Prinzipien handle es sich um sog. Hauptsätze, um „eben eine Forschungsmethode“, verhilft T. esoterischen Diskursen zu einem Anschluß an das wissenschaftliche Diskursfeld. An dieser Stelle sind Parallelen zu Wagners Argumentation erkennbar. Die Lesart des Begriffes Kontiguität, „wenn das Eine die Ursache des Anderen ist, oder wenn dieses aus jenem hervorgeht“ (Wagner 2012: 6) erinnern an die Analogieschlüsse in den von T. zitierten Hermetischen Prinzipien, „Wie unten so oben, wie innen so außen“, da in beiden Fällen völlig disparate Dinge, bzw. Beziehungen, in einen (bei Wagner: kausalen) Sinnzusammenhang gestellt werden. Eine raumzeitliche Nachbarschaft zweier Dinge ist etwas vollkommen anderes als eine Ursächlichkeit.13 Lediglich in astronomischen Dimensionen läßt sich bei raumzeitlicher Nachbarschaft von einer physikalischen Wechselwirkung sprechen, da erst bei wirklich großen Objekten die sie umgebende Raumzeit gekrümmt wird und damit die gegenseitige Anziehung zwischen zwei raumzeitlich benachbarten Objekten beeinflußt (vgl. Lesch 2010: 187 f. ). In den physikalischen Größen, die den Gegenstandsbereich der Soziologie bilden – wollte man unbedingt mit physikalischen Begriffen operieren – spielt die raumzeitliche Nachbarschaft nur insofern eine Rolle, als wir alle der Gravitation unseres Planeten unterliegen. Was jedoch eine physikalische Wechselwirkung betrifft, so spielt das Verhältnis der raumzeitlichen Nachbarschaft erst bei astronomischen Größen eine Rolle. Erst ab dieser Größenskala kann von einer gegenseitigen physikalischen Beeinflussung die Rede sein. Wenn Wagner das Eine und das Andere in Versalien schreibt, bezieht er damit eine ontologisch metaphysische Position und stellt eine Verbindung zu einem transzendenten, höchsten Prinzip her. In Verbindung mit seiner Lesart des Begriffes Kontiguität sind Parallelen zum esoterischen Diskursfeld erkennbar, in welchem eine spirituelle Lesart quantenphysikalischer Begriffe vorgenommen wird. Wagner betrachtet „die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantentheorie der Physik als facheinheitliche Basis“ (ebd.). Evolutionistisch und positivistisch mutet der Schluß an, in der Philosophie der Natur und des Geistes setzten sich deshalb nun „Positionen durch, die der Herausforderung der Physik“ (ebd.) entsprächen. Hier wird die Physik mit ihren beiden schlagkräftigsten Theorien, der Relativitätstheorie und der Quantentheorie, quasi als Überbau, als ein13 Vgl. die neun verschiedenen Typen von Analogien bei Hentschel (Hentschel 2010: 27 f.).

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zig gültiger Referenzrahmen bewertet. Anstatt sie als eine Facette unter mehreren Wissenschaften zu verstehen, wird die Physik hier in die Position des „Ersten Erklärers“, respektive „Ersten Bewegers“, gesetzt. An dieser Stelle sei an die Zeit erinnert, in der sich die Wissenschaft noch auf die Theologie berufen mußte, die – laut damaligem Verständnis – als einzige Quelle wahrhaftiger Wahrheit betrachtet wurde. Es scheint fast so, als habe die Physik mittlerweile in manchen Fällen den Status erlangt, den vormals Religion innehatte. Das Bestreben, alle Fundamentalkräfte unter eine facheinheitliche Theorie zu bringen unterscheidet sich gravierend vom nächsten Schritt, eine Wissenschaft auszuwählen, und diese als wissenschaftseinheitliches Epistemologiekriterium zu berufen. Während das eine Bestreben die verschiedenen Fundamentalkräfte in der Physik, und damit die verschiedenen Bereiche der Physik zu vereinheitlichen sucht, geht Wagner diesen Weg weiter und subsumiert einfach alle Wissenschaften unter das Theoriegebäude der Physik. Wie bereits erwähnt, erinnert dies an das vormalige Bestreben, alle Wissenschaften der Theologie unterzuordnen. Würde man Wagners Vorschlag folgen, so müßte sich fortan jede Wissenschaft daran messen lassen, inwieweit sie ihren Gegenstand mit den „fundamentalen physikalischen Strukturen identifiziert und auf diese zurückführt“ (Wagner 2012: 2). Hieße dies, jedem Studium ein paar Semester Quantenphysik voranzustellen? Oder wäre eine Art von quantenphysikalischer Peer-Review vonnöten, die – als eine Art intellektueller Zensur – jedwede wissenschaftliche Veröffentlichung auf ihre Vereinbarkeit mit der Quantenphysik zu überprüfen hätte? Gerade in einer funktional sehr stark ausdifferenzierten Gesellschaft wie der unseren ist es nicht mehr möglich, sich ein so breites Expertenwissen anzueignen, wie nötig wäre, um solch eine Zensurfunktion übernehmen zu können. Ob solch eine Ausrichtung an nur einer Wissenschaft, und sei sie noch so vermeintlich fundamental, mit allen Konsequenzen überhaupt erstrebenswert wäre – was intellektuelle, demokratische und forschungsoffene Freiheiten14 – speziell in der Wissenschaft – betrifft, mag sehr stark in Zweifel gezogen werden. Da aber die jeweilige Wissenschaft evtl. einem anderen Paradigma unterliegt, besteht schon auf der theoretischen Ebene eine Inkommensurabilität. Spätestens jedoch auf der experimentellen, bzw. qualitativen und quantitativen Forschungsebene kann nicht mehr von der Proposition einer Falsifizierbarkeit gesprochen werden, wenn diese ernst genommen werden will. Statt dessen würde jede wissenschaftliche Theorie einer ersten Verifikation dahingehend unterliegen, als in einem ersten Schritt geprüft werden müßte, ob sie mit der Quantenphysik vereinbar ist. Da aber laut Popper eine Asymmetrie zwischen Verifikation und Falsifikation besteht und von einer echten Verifikation niemals gespro14 Vgl. Wilholt 2012.

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chen werden kann (vgl. Popper 1966), treten hier gleich mehrere „Sollbruchstellen“ im Ansinnen Wagners auf. Diesem Reduktionismus müßte zusätzlich vorgeworfen werden, in Poppers Sinne metaphysisch, da nicht falsifizierbar (vgl. Popper 1979: 54), und dazu nur noch eindimensional auf die Quantenphysik beschränkt zu sein. Die systemtheoretische Soziologie registriert die Quantenphysik und ihre Rezeption in vielen Bereichen, unter anderem im System Religion, und bleibt sich dabei der Problematik ihrer eigenen Innenperspektive bewußt. Denn auch die Soziologie ist als eine Wissenschaft Teil der Gesellschaft und vermag sich aus dieser nicht vollständig zu lösen. Dennoch greift Wagners Furcht hier nicht. „Die Soziologie kann dies alles nur um den Preis ignorieren, in die Esoterik abzudriften.“ (Wagner 2012: 2) Ganz im Gegenteil spräche eine soziologische Rezeption und ein darauffolgender Einbau der Quantenphysik in das System für eine Übernahme esoterischer Diskurspraktiken.

Kommunikationen in der Quantenphysik

Wie wir bereits im Laufe der Arbeit sehen konnten, arbeiten sich Kommunikationen in der Quantenphysik immer wieder an ähnlichen Widerständen ab. Es bestehen divergierende Auffassungen über Kausalität, Eindeutigkeit, Uneindeutigkeit, Wahrscheinlichkeiten, etc. Das Doppelspaltexperiment ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich hier verschiedene epistemologische Annahmen und Ontologien aneinander reiben. Bezugnehmend auf Jansens und Vogds Rolle des Negators könnte man, nein müßte man sogar feststellen, daß durch die divergierenden und zu einem großen Teil widersprüchlichen Interpretationen der Quantenphysik und ihre jeweilige Negation der jeweils anderen Positionen ein logischer Raum aufgespannt wird, in dem das noch nicht Entschiedene, das noch nicht positiv beschreibbar ist, lediglich durch Reflexionen in die Welt eintritt (vgl. Jansen/Vogd 2014). Würde diese Wissenschaft ausschließlich Sicherheit und Eindeutigkeit transportieren1, bestünde kein Bedarf daran, die verschiedenen Modelle des Aufbaus der Materie in ein religiöses Gesamtkonzept einzubinden und zu erklären. Gerade dadurch, daß aber in der Quantenphysik nicht unbedingt mit Eindeutigkeiten und leicht vorstellbaren Begriffen operiert wird, bleibt viel In-

1

„Das Problem der Pragmatik wissenschaftlicher Erkenntnisse liegt ganz offensichtlich darin, daß die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung nicht schlicht in die Umwelt der Wissenschaft, also in andere Funktionssysteme implementiert werden, sondern aus deren funktionalem Horizont unmittelbar aufgegriffen werden müssen. Eine rein wissenschaftsinterne Perspektive wird womöglich so tun, als spende wissenschaftliche Wahrheit Sicherheit, Eindeutigkeit und Fraglosigkeit (...). Nimmt man freilich die Perspektive anderer Funktionssysteme ein, so kehren sich die Verhältnisse um. Denn für sie wird durch Wissenschaft nicht Sicherheit, sondern Unsicherheit gesteigert. Wissenschaftliche Wahrheit präsentiert sich nicht schlicht als Abbild der Welt, sondern v.a. als Ergebnis einer ungeheuren Auflösungs- und Rekombinationsmaschinerie, die die Verhältnisse nicht unbedingt einfacher machen muß.“ (Nassehi 2003: 319)

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terpretationsspielraum – sowohl in der Quantenphysik selbst durch die vielen Interpretationen, als auch gerade im System Religion, das ebenfalls mit nicht Sichtbarem und Unbegreiflichem zu tun hat. Eine Gruppe Experimentalphysiker2, bei denen ich am Laborgeschehen teilnehmen durfte, arbeiten in einem Bereich der Quantenphysik. Das Labor besteht aus mehreren großen Vorrichtungen, die abgeschirmt sind. Innerhalb dieser Vorrichtungen werden Teilchen in ein optisches Gitter geladen. EP: „Also wir haben ganz viele Laser bei uns im Labor. Und da ist ein weiterer Laser, der wird auf einen Spiegel reflektiert, auf sich selbst zurück reflektiert, dann bildet sich eine stehende Lichtwelle aus. Also wie so ein Seil, das man an der Wand festknotet und dann wackelt, bildet sich eine stehende Welle aus. Und dann hat man also bestimmte Stellen wo viel Licht ist und wo wenig Licht ist. Und das wechselt sich immer ab. Bei kleinem Abstand. Und die Atome, die wollen jetzt immer genau da sein, wo viel Licht ist, zum Beispiel. Das heißt, sie ordnen sich da genau in diesen bestimmten Punkten an. Wenn man jetzt dieses optische Gitter in allen drei Richtungen macht, dann hat man also bestimmte Punkte, wo viel Licht ist und dazwischen ist immer wenig Licht. Das heißt, die Atome ordnen sich regelmäßig an so einem Gitter an. Dann hat man effektiv so eine Kristallstruktur nachgebaut, wie man sie im Salzkristall hat, nur künstlich [...] einfach aus Licht.“

Die Zusammenarbeit mit den Theoretikern, die für die mathematische Berechnung zuständig sind, wird vom Experimentalphysiker folgendermaßen beschrieben: EP: „Wir sagen dann, wir haben jetzt experimentell folgendes gemessen, das ist interessant. Könnt Ihr das mal nachrechnen? Was die dann gemacht haben, die [...] Theoretiker, die haben dann genau dieselbe Frequenz produziert, aber theoretisch. Das heißt, sie haben eine entsprechende Schrödingergleichung aufgestellt für genau diese Sequenz, die wir gemacht haben. Die entwickelt sich im Laufe der Zeit, diese Schrödinger, dieser Hamil3

ton-Operator , der in der Schrödingergleichung steckt, aber das war alles unser experi-

2

Mein Hauptinformant war EP.

3

Mit Operatoren lassen sich quantenphysikalische Größen beschreiben (vgl. Osterhage 2014: 73). „Ein Operator ist ein mathematisches Gebilde, eine Matrix im Hilbertraum, hinter dessen Einführung in der Quantenphysik folgende Idee steckt: Werden einerseits quantenmechanische Zustände durch abstrakte Zustandsvektoren beschrieben, sollen andererseits Messungen weiterhin quantitativ, d.h. in Form von reellen Zahlen, erfaßt werden können, bedarf es einer (mathematischen) Operation, um die Zustände, genauer die diese repräsentierenden Zustandsvektoren, mit möglichen Meßwerten, al-

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menteller Input und die Werte für die Schrödingergleichung, die Parameter, haben wir wieder aus unseren Einzelmessungen.“

An dieser Stelle ist auffallend, daß eine doppelte Komplexitätsreduktion vorgenommen wird. Einmal wird die Komplexität vom festen dreidimensionalen materiellen Körper zur optischen Gitterstruktur reduziert und anschließend wird diese mehrdimensionale Gitterstruktur für nur eine Dimension berechnet. Die Atomwolken werden laut dem Experimentalphysiker mit CCD-Digitalkameras für wissenschaftliche Anwendungen aufgenommen. Analysiert werden die Fotos anhand selbstgeschriebener Computerprogramme. Gleichzeitig ist der Zugang nur über bestimmte Medien möglich. Der experimentelle Vorgang läßt sich nicht direkt einsehen, da die Apparaturen durch lange Vorhänge komplett abgedeckt sind. Das Laserlicht würde die Augen schädigen. Aus diesem Grund liegen Spezialbrillen bereit, mit denen man einen Blick hinter den Vorhang wagen kann. Doch die praktizierte Sichtbarmachung erfolgt über technische Medien, wie CCD-Kameras und Oszilloskope. Auf diesen Oszilloskopen sieht man eine Kurve, die die elektrische Spannung im zeitlichen Verlauf anzeigt. Der Blick auf das Geschehen erfolgt also immer nur durch ein Medium. Die „Fragmentierung [...] [von] Wissensprozesse[n]“ (Knorr-Cetina 2002: 13) erfolgt insgesamt über verschiedene Medien. Die optische Konstruktion eines Kristallgitters dient der Erkenntniskonstruktion über reale Kristalle. Auf der zweiten Abstraktionsebene, die gleichzeitig die zweite Ebene der Komplexitätsreduktion ist, wird wiederum Erkenntnis konstruiert. Doch diese unterscheidet sich von der vorangegangenen Ebene dahingehend, daß hier nach Methoden gesucht wird, die konstruierten experimentellen Ergebnisse in eine mathematische Form zu bringen, die es erlaubt, das Medium Mathematik zu verfeinern und immer besser an die Laborergebnisse anzunähern. In der Quantenphysik wird deshalb auch viel mit Näherungen gearbeitet, weil man die vorgefundenen Teilchenwechselwirkungen nicht alle in eine Gleichung integrieren kann. „Ein Elektron oder ein Lichtteilchen (Photon) wird durch eine sogenannte Zustandsfunktion beschrieben, die nur in einem abstrakten Raum definiert ist. Die entsprechenden mathematischen Größen müssen zudem alle neben einem realen einen imaginären Anteil haben. Die grundlegende Theorie der realen Welt kann nicht ohne imaginäre Zeichen und Zahlen auskommen. Das wirklich Gegebene – gemeint ist das im Experiment Meßbare – läßt sich durch eine wohldefinierte mathematische Operation berechnen, die den Imaginärso mit (reellen) Zahlen, zu verbinden. Und hierzu eignet sich das algebraische Konzept der Eigenvektoren, bzw. Eigenwerte bestimmter Matrizen“. (Ijjas 2011: 55)

110 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK Anteil zum Verschwinden bringt. Dafür muß aber ein Preis gezahlt werden, nämlich der, daß das Ergebnis keine bestimmte Größe mehr ist, sondern nur noch eine Wahrscheinlichkeit bezeichnet.“ (Fischer 2013: 35)

Die Mathematik als Methode der Darstellung4, auf die gerne, in Retrospektive auf Galilei, als „Sprache“5 der Naturwissenschaften verwiesen wird, ist das Medium das es zahlreichen Naturwissenschaften ermöglicht, eine Aussage darüber zu machen, wie die Welt in den verschiedenen Naturwissenschaften wahrgenommen wird. Dabei wird großer Wert darauf gelegt, daß Aussagen über die Welt, zum Beispiel den Aufbau der Materie, geologische Veränderungen, Quantenchemie, etc. auch empirisch aufzufinden sind. Die Mathematische Sprache ist ein konstruktivistisches Medium mit doppelter Kontingenz. Je nachdem, welche Rechenmethode angewendet wird – zum Beispiel Wahrscheinlichkeitsrechnungen, die eine gewisse Probabilität voraussagen können, oder eine Gleichung mit einer eindeutigen Lösung – so verändert sich auch die Wahrnehmung des Berechneten. Obgleich in der Mathematik die Wahrscheinlichkeitsaussage der Schödingergleichung probabilistisch ist, so wird das Ergebnis laut eines von mir befragten Physikers und Wissenschaftshistorikers dennoch als exaktes Ergebnis eingeordnet. Diese Paradoxie, eine Wahrscheinlichkeit als exaktes Ergebnis festzulegen, weist auf eine „Beobachtung des Unbeobachtbaren“ (vgl. Luhmann 1992: 92) erster Ordnung in praxi hin. Tatsächlich kann mit Hilfe einer Wahrscheinlichkeitsaussage nur eine Wahrscheinlichkeit ausgesagt werden. Da aber in der Mathematik nach der Unterscheidung in wahre oder falsche Aussagen codiert wird, muß die Wahrscheinlichkeitsaussage ebenfalls dieser Codierung unterzogen werden. Innerhalb des Systems macht diese Paradoxie wieder Sinn. Während in der Mathematik die Unterscheidung in wahre/falsche Aussagen vollzogen wird, ist die Codierung in der Experimentalphysik eine andere. Dort wird in experimentell nachvollziehbar/experimentell nicht nachvollziehbar unterschieden. Wie geschieht nun eine Kommunikation über „Dasselbe“ zwischen den beiden Systemen? In einem bestimmten experimentellen Aufbau sind rund 100.000 Atome vorhanden, die miteinander interagieren. Soll dieses Experiment nachgerechnet werden, wird gleich zu Beginn eine extreme Limitierung vorgenommen.

4

Ein Aufsatz, der sich mit diesem Thema befaßt, befindet sich zurzeit noch in Vorbe-

5

Siehe zum mathematischen Beweis als Kommunikationsmedium: Heintz 2000.

reitung.

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EP: „Und für Vielteilchenphysik, weil wir ja bei uns 100.000 Atome haben, die rechnen es dann oft nur für zehn Atome oder für 15. Das reicht oft schon und oft nur in 1-D, weil die Probleme also exponentiell schwierig werden, wenn man in höhere Dimensionen geht in der Quantenmechanik. Weil alles miteinander verschränkt ist. und je mehr Teilchen man nimmt, also dann steigt einfach der Rechenaufwand exponentiell. Darum ist bei 15 Teilchen Schluß. Also der Theoretiker, der das gerade macht, der sagt: also 18 Teilchen ist schon ein Ding der Unmöglichkeit. 15 geht, 18 geht überhaupt nicht mehr.“

Es wird also nur im Prinzip über „Dasselbe“ verhandelt. Was im Labor schon eine Reduktion von einem materiellen dreidimensionalen Körper in ein nur optisches Gitter war, so geschieht nun beim Übergang von der Physik in die Mathematik noch einmal eine Komplexitätsreduktion in einen Algorithmus. Um die Komplexitätsreduktion von einer im Labor mit Geräten und Visualisierungsmedien konstruierten Entität in einen bloßen Algorithmus vorzunehmen, wird auf rechnerischer Seite jedoch die Komplexität wieder enorm gesteigert. Nun tritt abermals eine Paradoxie auf. Um nämlich den visualisierten Kristallgitterverbund berechnen zu können, muß er in Dimension und Teilchenart so stark reduziert werden, daß sich die Frage aufdrängt, ob dann noch von der „selben Sache“ gesprochen wird. EP: „Weil es exponentiell anwächst, der Rechenaufwand. Und die rechnen immer 6

Schrödingergleichung und die gehen oft auch in die Matrixschreibweise und definieren 7

eben günstige Eigenzustände um das Problem zu berechnen, wie verhalten sich die Ato8

me in einem optischen Gitter [...]. Dann nehmen sie den Hamilton-Operator , den wir bei 6

Bei der Matrixschreibweise bilden die Zahlen in Reihen und untereinander geschrieben jeweils eine Matrix. Um zwei Matrizen miteinander zu multiplizieren werden nacheinander die einzelnen Zahlen der ersten horizontalen Reihe der ersten Matrix mit den nacheinander folgenden Zahlen der vertikalen Reihe der zweiten Matrix miteinander multipliziert. Das ganze wird in eine Summenformel gebracht (vgl. Bohm 1989: 361 f.; Osterhage 2014). Die Ergebnisse der Matrizenschreibweise und der Schrödingergleichung sind miteinander äquivalent. „The matrix formulation has the advantage of greater generality, but the disadvantage that it is very difficult to use in the solution of special problems of appreciable complexity, such as for example, the stationary states of atoms.“ (Bohm 1989: 361)

7

Eigenzustand bezeichnet die wohldefinierte eindeutige Größe nach einem fehlerfreien Meßergebnis (vgl. das Maudlin Trilemma und das Beispiel mit der Stern-GerlachApparatur in: Friebe et al. 2015: 62 ff.).

8

Hamilton-Operator: „Der die Entwicklung der Wellenfunktion des Teilchens bestimmende Ausdruck“ (Camejo 2007: 163) Zu Operatoren siehe auch: Stewart 2012.

112 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK uns im System haben. Da gibt es einen typischen Hamilton-Operator für unsere Systeme, 9

Bose-Hubbard-Hamilton-Operator heißt er dann. Das ist einfach, der beschreibt einfach bosonische Atome

10

in einem optischen Gitter, weit verbreitet, und setzten den in die

Schrödingergleichung ein, und berechnen die Zeitentwicklung der Atome im System. Das heißt, die werden auch Näherungen machen. Die werden nicht alle Eigenzustände mitnehmen, weil es meist unendlich viele Eigenzustände gibt. Die Zustände können beliebig hoch angeregt sein. Das kann man nicht mehr rechnen. Das heißt, man macht da irgendwo einen Cut. Ein Cut-Off und machen noch andere Näherungen, vielleicht daß der eine Parameter viel größer ist als der andere.“

Durch den (mitunter notwendigen) Einsatz von Näherungen werden nun der Einfachheit halber nicht mehr nur die mathematischen Objekte konstruiert (vgl. Heintz 2000), sondern ebenfalls ihre Umgebung und ihre Wechselwirkungen, bzw. das Fehlen eben jener. Die Kommunikationsbeziehung zwischen Mathematikern und Experimentalphysikern ließe sich als äußerst rücksichtsvoll und fehlerverzeihend umschreiben. Schließlich wird in den Experimenten mit Bedacht auf die spätere rechnerische Explikation mit so wenig Teilchen als irgend möglich operiert, während im mathematischen Beweis mit so vielen Teilchen als möglich gerechnet wird. Um überhaupt noch Aussagen treffen zu können, müssen ganze Dimensionen unberücksichtigt gelassen werden. Mathematik als Laborwissenschaft verstanden (vgl. Heintz 2000: 113) und Experimentalphysik im Laboratorium hätten nun mehrere Möglichkeiten angesichts des Dilemmas der Annäherung. Entweder müßte man die Maschinen und den gesamten experimentellen Aufbau überarbeiten, oder die Zielsetzung paßt nicht ganz, oder aber die mathematische Explikation müßte eine andere sein. Um aber alle Teilchen zu berücksichtigen, aus denen das Experiment besteht, und dies in allen Dimensionen, müßte die Matrizenmechanik angewendet werden, was zur Zeit jedoch unmöglich ist, da bislang die Rechenkapazität der Computer, auch nicht aller, ausrei9

Ein Operator ist „eine Abbildung, die jedem Vektor aus einem (seiner Dimension nach) vorgegebenen Vektorraum genau einen bestimmten, in der Regel anderen, Vektor dieses Raumes zuordnet“ (Friebe et al. 2015: 21). Die quantenmechanischen Zustände sollen beschrieben werden und in Form von reellen Zahlen erfaßt werden. Über Operatoren werden diese abstrakten Zustände mit Meßwerten verbunden (vgl. Ijjas 2011: 55). Man kann mit sog. linearen Operatoren, um etwas bildlicher zu bleiben, z. B. drehen oder strecken (vgl. Friebe et al. 2015: 21, 22).

10 Bosonische Atome, nach dem indischen Physiker Satyendra Nath Bose auch Bosonen, sind „Teilchen mit ganzzahligem Spin“ (Hasinger 2009: 43). Teilchen mit halbzahligem Spin werden unter den Begriff Fermionen, nach Enrico Fermi, subsumiert (vgl. ebd.).

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chen würde, dies in einigen hunderten Jahren auszurechnen, wie mir ein Physiker in einem Interview mitteilte. Deshalb werden noch auf beiden Seiten Abstriche gemacht. Schließlich geht es doch um den, wie Heintz ihn einführt, „context of persuasion“ (Heintz 2000: 120). „Die Welt“ wird den aktuellen Gegebenheiten angepaßt (vgl. Knorr Cetina 1984; Heintz 2000; Pickering 1995).

Theoretischer Rahmen

Neben den anfangs aufgeführten Fragestellungen ist ein weiterer Impetus dieser Arbeit, Theorie und Praxis miteinander zu vereinen und zu zeigen, daß sie einander gegenseitig bedingen und im weiteren Forschungsverlauf stets aufeinander angewiesen sind. Die Ziele liegen also auf mehreren Ebenen. Auf einer theoretischen, einer empirischen, einer theoretisch orientierten, die sich an der Empirie ausrichten muß und einer empirischen Ebene, die nicht losgelöst von Theorie sein darf und auch nicht sein kann. Die theoretische Hintergrundfolie, über die auch forschungspraktisch wahrgenommen und eingeordnet wird, ist die Systemtheorie nach Luhmann. Um dem Anspruch, den Operationalisierungen von Kommunikationen während der Rezeption von quantenphysikalischen Fachtermini und Inhalten, der währenddessen im Vollzug sich befindenden Plausibilisierungen und der Funktionalität der untersuchten Texte, gerecht zu werden, eignet sich die Systemtheorie als Hintergrund am besten, da sie einerseits von einer funktional differenzierten Gesellschaft ausgeht. Nur in einer funktional differenzierten Gesellschaft kann ein ganz spezieller Bereich einer spezifischen Wissenschaftsform in komplett differente Arenen transportiert und anschließend dort „eingebaut“ werden. Und nur in einer funktional hoch differenzierten Gesellschaft kann dies auf genau diese Weise geschehen, indem der semantische Gehalt bestimmter Begriffe nach Abschluß des Transportes teilweise oder vollständig differiert. Dabei variieren, laut Kucklick, Semantiken nicht beliebig, „sondern in Abhängigkeit von der Differenzierungsform“ (Kucklick 2008: 27). Andererseits eignen sich nicht nur die theoretischen Vorannahmen der Systemtheorie, sondern auch ihre dadurch gewonnenen Begrifflichkeiten hervorragend zur methodologischen Annäherung an das Feld und zur Arbeit dort. Dabei liegt die Betonung auf der methodologischen Annäherung an das Feld. Der Methode vorgeschaltet sind die systemtheoretischen Annahmen und Voraussetzungen, durch welche die Forscherin präsensibilisiert ist, und während der gesamten

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qualitativen Untersuchung über bleibt. Gerade indem die Systemtheorie der Annäherung ans Feld vorgeschaltet ist, wird Kontingenz als Variable integriert. Ebenso richtet sich der Blick klar auf die Anschlußfähigkeit von Sätzen, die sich im Feld ereignen. Es soll dabei auf Operationen geschlossen werden. Das Interesse richtet sich nicht etwa auf eine scheinbar hinter den gesagten Sätzen liegende Wahrheit, auf einen tiefer liegenden Sinn, sondern einzig und allein auf (mögliche) Operationalisierungen, die sich durch die Anschlußfähigkeit von Sätzen, von Begriffen oder Elementen eröffnen. Irmhild Saake betont den wichtigen Punkt, daß „tatsächlich bereits Forschungsergebnisse“ existieren, „die mit anderen Methodologien hergestellt wurden und von denen man schlecht behaupten könnte, sie seien alle im systemtheoretischen Sinne falsch“ (Saake 2010: 55). Mit den Kategorien „falsch“ und „richtig“ wird hier nicht gearbeitet, sondern es wird ausgewählt zwischen den Daten eher angemessener und eher unangemessener Methodologien. In Verbindung mit der Grounded Theory spricht für die methodologische Hintergrundfolie der Systemtheorie, daß die beiden einander in steter Oszillation und Annäherung, bei gleichzeitig kontingenter Möglichkeit eines „Reset“ dynamisch rückkoppeln. An den Daten, den im Feld vorkommenden Kommunikationen wird nach der Grounded Theory codiert, werden Kategorien geschaffen, die in einer weiteren Abstraktion zur Theoriebildung beitragen. Gleichzeitig erfolgt eine ständige Rückversicherung mit der Systemtheorie und an den Daten. Wollte man hier die Metapher der Bewegung eines Uhrwerkes anführen, so würde dies auf eine bewußte Sabotage der Funktion hinauslaufen. Zwei Zahnräder drehen sich aufeinander zu, verhaken sich ab und zu, sodaß sich der Drehimpuls, die Richtung ändern, bevor es zu einer weiteren Bewegung kommen kann. Bei der methodologischen Annäherung ans Feld und der gleichzeitigen Arbeit mit der Grounded Theory kann insofern von einem „bewußten Sabotageakt“ der Funktion gesprochen werden, als sich beide in und an der Arbeit miteinander an den Grenzen ihrer jeweiligen Funktion abarbeiten, bis es zu einer Störung kommt. Gerade die Störung verdeutlicht und macht sichtbar, wie der normale Mechanismus abläuft, offenbart seine Grenzen und zwingt zu einer Neujustierung der beteiligten Elemente im Getriebe. Dadurch läßt sich die Funktionalität beider in zweiter Ordnung theorie- und methodenreflexiv aneinander untersuchen. Dabei wird darauf geachtet, „wie in konkreten Kontexten eine eigenlogische Ordnungsbildung entsteht“ (Saake 2010: 55) und zwar bei gleichzeitiger Rückversicherung der Eigenlogik der Systemtheorie an den empirischen Daten. Mit einem systemtheoretisch orientierten Blick läßt sich die Eigenlogik des Codierens und der anschließenden Bildung von Kategorien anhand der Daten in der Grounded

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Theory Methodologie je nachvollziehen. Dabei wird mögliche Kontingenz im Feld berücksichtigt. Mit den Daten und der Rückkoppelung von Systemtheorie und der Grounded Theory Methodologie, sowie der Subjektabhängigkeit der Forscherin wird ebenfalls gerechnet. Mit Saake wird zudem angenommen, „daß (1) Sinn paradox entsteht, daß (2) Bedeutungen verzeitlichte Normen sind und daß (3) Kontexte erst in ihrer Vergleichbarkeit sichtbar werden“ (Saake 2010: 76). Aus diesem Grund wird speziell auf Paradoxien geachtet und – „Kontext als System“ verstanden (Saake 2010: 76f) – werden Systeme miteinander kontrastiert, die sich sehr stark voneinander unterscheiden, dabei aber gleichzeitig schon in Beziehung zueinander stehen. Ein weiterer Grund, der für die Systemtheorie nach Luhmann spricht wird ersichtlich, wenn man sich einem Problem zuwendet, das Kuhn folgendermaßen beschreibt: „Proponents of different theories (or different paradigms, in the broader sense of the term) speak different languages – languages expressing different cognitive commitments, suitable for different worlds. Their abilities to grasp each other`s viewpoints are therefore inevitably limited by the imperfections of the processes of translation and of reference determination.“ (Kuhn 1977: xxii)

Wenn man nun von einem unterschiedlichen Sprachgebrauch innerhalb unterschiedlicher Theoriegebäude ausgeht, so differieren diese Sprachen um so mehr, wenn wir die Systemschranken überwinden und die unterschiedlichen kognitiven Bekenntnisse, die Weltsicht und den Sprachgebrauch zweier verschiedener Systeme wie das der Wissenschaft und das der Religion untersuchen. Collins und Pinch sprechen bereits davon, daß Parapsychologie und Wissenschaft als inkommensurabel verstanden werden können (vgl. Collins/Pinch 1982: 89). Um verschiedene Plausibilitäten und den Einbau von systemfremden Elementen untersuchen zu können, bedarf es im Grunde genommen einer doppelten Übersetzung, wenn man dies mit Hilfe einer Theorie unternehmen würde, in der selbst schon Wertungen und ein moralisches Paradigma, inbegriffen sind. Die Systemtheorie ist weitgehend werturteilsfrei und eignet sich gerade deshalb dafür, Einblicke in verschiedene Systeme zu unternehmen, ohne sich – wie leider ansonsten oft der Fall – an einem theorieinternen normativen Referenzrahmen abzuarbeiten und dabei – sei dies intendiert oder unintendiert – schon währenddessen Werturteile1 zu vollziehen. 1

Eine Beruhigung, daß hier nicht der naiven Vorstellung Tür und Tor geöffnet wird, es gebe so etwas wie einen werturteilsfreien Blick oder eine tatsächlich werturteilsfreie Theorie, tut vermutlich Not. Der Versuch jedoch, sich asymptotisch an das Ideal anzunähern, mag einerseits idealistisch sein, ist andererseits aber auch ein Ziel der Wis-

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Eine Möglichkeit, diese Prozesse der doppelten Übersetzung zu entschärfen wäre, sie lediglich einmal zu übersetzen, in die abstrakte Systemtheorie, die generell ja auch, und am vorliegenden Beispiel, als Metatheorie verstanden werden kann. Die bloße Funktionalität der Wörter innerhalb der Systeme Wissenschaft und Religion könnte nach den Bedingungen ihrer Anschlußfähigkeit in ihrem jeweiligen System und ihrer semantischen Zurechenbarkeit im jeweils voneinander verschiedenen System verglichen werden. Gegen die Beibehaltung der Referenzunterscheidung innerhalb des jeweiligen Paradigmas würde nichts sprechen, da es der steten Vergegenwärtigung der Inkommensurabilität der beiden Systeme bedarf. Damit würde jedes Paradigma, unter dem in dem jeweiligen System Plausibilitäten geschaffen werden, innerhalb seines betreffenden Systems erfaßt werden. Lediglich die Funktionalität des jeweiligen Paradigmas innerhalb seines betreffenden Systems würde in analytischen, abstrakten Begrifflichkeiten verglichen werden. Alle Kommunikationen in den hier untersuchten Bereichen machen deutlich, daß hier Austauschprozesse stattfinden, die dem Konzept der Autopoiesis von Maturana und Varela unterliegen. „Offene Systeme sind also solche, die durch Austauschprozesse mit ihrer Umwelt eine Dynamik entwickeln und ihre Zuständlichkeiten variieren können, ohne mit jedem Wechsel von Umweltbedingungen sogleich die Systemstrukturen vollständig ändern zu müssen.“ (Kneer/Nassehi 2000: 22)

Dies trifft auf alle untersuchten Bereiche zu. Durch Austauschprozesse mit der Umwelt des Systems Religion, dem Teile der esoterischen Bewegung, die sich selbst nicht mehr diesem Bereich zugeordnet fühlen wollen, sondern eher einer Schnittstelle zwischen harter Naturwissenschaft und Spiritualität, findet eine Dynamik statt, in die (quanten-)physikalische Fachtermini eingebettet und mit einer neuen, quasi erweiterten Semantik ausgestattet werden. Beispielsweise, wenn es um den Raum zwischen Elektron und Proton und den Anteil an dunkler Materie und dunkler Energie geht, die im Seminar „Quanten(...)“ als Nachweis dafür verwendet werden, daß der „Zwischenraum“ zwischen den Lebewesen mit einer Art von Aura-Energie angefüllt ist, in der alles miteinander verbunden ist (vgl. S. 25). Als Untermauerung der systemeigenen Logik wird die Verschränkung aus dem System Wissenschaft angeführt. Die Referenz auf Quantenphysik dient einerseits der Steigerung des eigenen Komplexitätsmodus – so mutet der Verweis senschaften. Auch wenn heute, mehr denn je daran gezweifelt werden darf, daß dies überhaupt möglich ist.

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auf angeblich vergleichbare quantenphysikalische Vorgänge – „auch in der Quantenphysik ist es ja so,“ – an, als hätten damit verglichene Topoi ebenso ein wissenschaftliches Standing, andererseits dient sie der eigentlichen Reduktion der Komplexität der modernen Gesellschaft. Kommunikationen in der theoretischen Quantenphysik sind ebenfalls offen. Sie sichern sich bei veränderten Umweltbedingungen immer wieder durch neue theoretische Zugänge die Deutungshoheit. Auch ist die theoretische Quantenphysik hyperfluide, was sich an ihrem Umgang mit Paradoxien und deren Einbau ins jeweilige Theoriegebäude zeigt, wie weiter unten im Kapitel über die Paradoxa noch näher erläutert wird. Die Systemtheorie bewegt sich zugleich auf der Metaebene der Untersuchung. Mit ihr ist das höchste theoretische Abstraktionsniveau bei gleichzeitiger Scharfstellung auf Prozesse in den verschiedenen Systemen zu erreichen. Gleichzeitig ist die Systemtheorie ein interdisziplinäres Paradigma (vgl. Kneer/Nassehi 2000: 17 ff.), mit deren Abstraktionsniveau gerade die Einbettung von Systemstrukturen in andere Systeme und ihre einschließende Einbettung in eigene Systemoperationen untersucht wird – und untersucht werden kann. Neben der Systemtheorie und im Anschluß an sie erfolgt ebenfalls eine theoretische Einbettung in die Sociology of Scientific Knowledge (SSK), die den Konstruktivismus von Berger und Luckmann vom nur sozialen auch auf wissenschaftliche Bereiche ausgedehnt hat (vgl. u.a. Pickering 1984, 1995; Barnes 2004; Madrid 2009; Collins/Pinch 1993; Heintz 2000) sowie an die Laborstudien (vgl. Knorr Cetina 2012; Latour 1999; Latour/Woolgar 1979). Die Kommunikationen im vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, wie wissenschaftliche Apparate und mathematische Berechnungen sowie die anschließenden Aushandlungskommunikationen die Objekte bzw. ihre Beziehungen konstruiert haben. „Pero el poder de la ciencia es tangible y, por decirlo telegráficamente, la transformación del mundo mediante los aparatos, e de facto, la prueba de su verdad y objetividad. En resumidas cuentas, la cuestión no sería tanto,¿Cómo hacer ciencia con aparatos?Ȁ sino 2

,¡Cómo no hacer ciencia con aparatosȀ“. (Madrid 2009: 167)

2

„Jedoch ist die Kraft der Wissenschaft faßbar und, um es quasi telegrafisch auszudrücken, die Transformation der Welt mittels Apparate, de facto, der Beweis ihrer Wirklichkeit und Objektivität. Zusammenfassend wäre die Frage nicht so sehr: Wie wird Wissenschaft mit Apparaten gemacht? sondern: Wie könnte man nur Wissenschaft ohne Apparate machen!“ (Madrid 2009: 167) [Eigene Übersetzung; L. K.]

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Obwohl gerade die Quantenphysik über einen enorm abstrakten theoretischen Überbau verfügt, wird in dieser Arbeit, entsprechend den eigenen Vorgaben, Theorie und Empirie miteinander zu verbinden, auch beobachtet, was wie getan wird, welche Ressourcen dabei verfügbar sind und wie dabei notwendigerweise Kontingenz ins Spiel kommt. Je nach theoretischer Vorannahmen und auch finanzieller Möglichkeiten, guter oder weniger guter Kontakte, etc. erfolgt die Auswahl der technischen Geräte. Dabei können auch ganz pragmatische Gründe, wie der vorhandene Raum o.ä. vorliegen (vgl. Knorr Cetina 2012). Es wird sozusagen versucht, in dem Chaos einer Atomwolke eine gewisse Ordnung zu konstruieren und herauszulesen, die entsprechend den technischen Geräten parameterabhängig ist und auch sein muß. Weil man nie alles über die Welt aussagen kann, werden dabei immer auch bestimmte Parameter unberücksichtigt bleiben. Das geht auch gar nicht anders. Ebenso werden durch die theoretischen Zugänge in dieser Arbeit Dinge unberücksichtigt bleiben. Aufgrund des notwendig blinden Fleckes ist Beobachtung immer perspektivisch fokussiert, aber dadurch auch gerade erst möglich.

Vertrauen

„Im Akt des Vertrauens wird die Komplexität der zukünftigen Welt reduziert.“

(Luhmann 2009: 24)

Gleichzeitig zur Reduktion der Komplexität der gegenwärtigen Welt wird Plausibilität geschaffen. In den untersuchten Bereichen des Systems Religion wird sich der multiplen Variabilität verschiedener Sinnhaftigkeiten bedient, werden dabei aber ebenfalls Kohärenzen und Logiken miteinander gepaart, die bestimmte Dinge sinnvoller und einsichtiger erscheinen lassen als andere. Die Workshop-Anbieter der „Quanten(...)“ nutzen das Systemvertrauen in die Naturwissenschaft, um davon abzulenken, daß prinzipiell – und auch in den Wissenschaften – enttäuscht werden kann. So vertrauen die Teilnehmer eher, und die Verwendung von quantenphysikalischen Fachtermini unterstützt die präsupponierte Verbindung zwischen wissenschaftlicher Quantenphysik und esoterischer „Quanten(...)“ sowie die Glaubwürdigkeit, auf der dann das Vertrauen in das Gesagte anschließt. Wissenschaft unterscheide sich, laut Peters, „vor allem bei der unterstellten Allgemeinwohl-Orientierung“ (Peters 2011: 4). Diese unterstellte Allgemeinwohl-Orientierung und die Arbeit mit Daten, die reproduzierbar und falsifizierbar sind, schafft ein grundsätzliches Vertrauen in wissenschaftliche Arbeit, Begriffe und in Wissenschaftler an sich. Vertrauen kann zu Mißtrauen werden (vgl. Kieserling 2012). Doch dies Mißtrauen wird dann abgekoppelt vom Erklärungsmodus Quantenphysik, den „Quanten(...)-Trainerin“ H sagt: H: „Ich sah den Film und sagte was ist das denn für ein Scheiß? Mein Partner ist Physiker. Ich habe den Film an meinen Partner geschickt. Der sagte: was du mir zeigst ist vollkommen logisch und physikalisch erklärbar. Bei einer Veranstaltung von Bartlett sagte ich, die (Leute auf der Bühne) sind doch alle gekauft und mein Freund sagte dann, ich solle mich

122 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK melden. Da kam er und ging auf die Bühne. Mich hat es so geschmissen. Aber ich war so wie Sie. Aber ich war sehr skeptisch.“ Jemand aus dem Publikum sagt: „Ja, das war ich auch.“ H: „Mein Freund war vorher eine Woche Bergsteigen und war verletzt am Knie. Das war die Grenze des Physikers. (Einige Worte aus meinen handschriftlichen Aufzeichnungen unleserlich) und kam heil wieder. Das wollte ich lernen. Ich komme überhaupt nicht aus der Esoterik-Ecke. Ich kann Ihnen das anbieten mit Engeln, Klangschalen. Ich baue das bewußt aus. Alles andere wäre nicht authentisch“. (Vortrag „Quanten(...)“ im Jahr 2012)

An dieser Stelle des Vortrags geschieht eine „Bekehrungs-Erzählung“. H hat zuvor einen Film von Richard Bartlett gezeigt, in dem mit der „Zwei-PunktMethode“ gearbeitet wird und die „Patienten“ im Verlauf zucken und nach hinten fallen. Durch das spontane nach hinten fallen, sich fallen lassen, werden mehrere Dinge sichtbar: zuerst einmal eine Art blindes Vertrauen. Die Menschen schließen die Augen und nach einer Weile kippen sie nach hinten und vertrauen darauf, von der hinter ihnen stehenden Person aufgefangen zu werden. Gleichzeitig wird deutlich, daß es sich hier um eine in kleinem Rahmen tradierte Vorgehensweise handeln könnte. Es wird geradezu erwartet, daß die Person sich nach hinten fallen läßt. Erst wenn dieses von der Norm abweichende Verhalten auftritt, kann mit einer „normalen“ Heilung gerechnet werden, dann wird diese Heilung sichtbar für das Publikum, sichtbar auch für die Patienten. In einem gewissen Rahmen wird abweichendes Verhalten toleriert, wird geradezu erwartet und das Individuum zeigt sich, sein „Thema“ (H) und seine Heilung auf eine individuelle Art des nach hinten Wegfallens. Darüber hinaus wird hier das Wirken einer Art von Transzendenz sichtbar, ähnlich wie beim „Zungenreden“ der Pentecostalisten (vgl. Anderson 2007), bei denen das Wirken des „Heiligen Geistes“ über plötzliches, konfuses und unverständliches Gerede, das „Zungenreden“ hörbar wird. So wird hier bei der „Quanten(...)“ eine unsichtbar wirkende Kraft, die heilende Wirkung zu haben scheint – denn davon wird ausgegangen und die betroffenen Personen bestätigen anschließend, daß sie sich besser fühlen – wirksam. Indem vordergründig über den Bartlett-Film gesprochen wird, erfolgt eine scheinbare Objektivierung der Sache. Man spricht über jemand anderen und die Referentin nimmt kurzfristig die andere Position ein, bis ihr Physiker-Freund – ein Fachmann auf dem Gebiet der Quantenphysik aus den Augen von Nichtakademikern – jeden Zweifel ausräumt. Zu Beginn hatte H darauf verwiesen, daß ihr Freund Physiker sei. Damit wird indirekt ausgesprochen, daß sie quasi über

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eine Art von wissenschaftlichem Hintergrund verfüge, und sei es auch nur ein indirekter. Mit dem Satz „Mein Partner ist Physiker“ möchte sie einen eigenen Zugang zur Quantenphysik markieren. Dadurch wird das, was sie behauptet, für viele glaubwürdiger. Gleichzeitig wird der angebliche Freund hier entpersonalisiert und aus dem Beziehungszusammenhang herausgerissen, nämlich nur noch als „der Physiker“ bezeichnet. Während H skeptisch ist und in ihrer Erzählung deutlich macht, daß sie dieser Heilmethode zu Beginn nicht getraut habe, überzeugt sie ihr Partner von der Wirksamkeit, und zwar mit Verweis auf die Naturwissenschaft Physik: H: „Der sagte: was du mir zeigst ist vollkommen logisch und physikalisch erklärbar.“ Erst nachdem der Wissenschaftler, der nur als anonymer Oberbegriff „der Physiker“ auftritt, H von der Validität des Videos überzeugt hat, geht sie darauf ein und erlernt die Methode. Im ganzen Abschnitt ist eine abgeschwächte Form der „Vom Saulus zum Paulus“-Geschichte lesbar, die mit einer Art von Bekehrung verbunden ist, die – interessanterweise – nicht über religiöse, sondern über wissenschaftliche Chiffren erfolgt. Die anfängliche Abneigung gegen die visuelle Erfahrung, H: „Ich sah den Film und sagte was ist das denn für ein Scheiß?“ kehrt sich nach der „Verifikation“ über den Wissenschaftler, ausgedrückt durch die Worte ihres Partners, in eine Art Missionarstätigkeit um. Nun, quasi auf wissenschaftlicher Basis überzeugt von der Wirksamkeit und eingebettet in wissenschaftliche Begriffe, wie Verschränkung, Beobachtereffekt oder Atome, erfolgt die Weiterverbreitung über Seminare. Damit holt H ihr Publikum dort ab, wo es sich aller Wahrscheinlichkeit nach befinden muß, in Ungläubigkeit, manche in Skepsis und eventuell in einer möglichen Abwehrhaltung. Indem mit einer kurzen, biographischen Historie die eigene Abwehr und Skepsis zu Beginn des Kontaktes mit der „Zwei-Punkt-Methode“, der „Quanten(...)“ und dem seltsamen Abkippen der Behandelten verwiesen wird, fühlen sich die Zuhörerinnen ernst genommen in ihrem Rest von Ungläubigkeit. Mit diesem Satz drückt H das aus, was wohl viele denken, die solche Filme sehen. Indem sie sagt, sie habe gedacht „was ist das denn für ein Scheiß?“ offenbart sie eine Abwehrhaltung als vollkommen normal. Und da sie nun selbst solche Dinge anbietet, kann die anfängliche Abwehr in den Kontext eines „Entwicklungsprozesses“ umgedeutet werden. Ein Satz, den man sehr häufig in verschiedenen Bereichen der Esoterik-Szene zu hören bekommt, wenn man sich kritisch gebärdet, lautet: „Das macht nichts. Sie sind noch nicht so weit.“ Dabei wird oft vertraulich die Hand auf den Arm oder die Schulter der Person gelegt und sie wird mit den Augen länger fixiert. Es ging der Referentin ja schließlich auch so, als sie zuerst Kontakt damit hatte. Doch ihre Unsicherheit und Ungläubigkeit wurde quasi „intellektuell auf-

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gefangen“ durch die Versicherung ihres Partners. H: „Der sagte: was du mir zeigst ist vollkommen logisch und physikalisch erklärbar“. Das Auffangen problematischer Lebenssituationen erfolgt beim Vortrag „Quanten(...)“ und dem späteren Workshop in mehrerlei Hinsicht. Körperlich werden die Behandelten abwechselnd in einem Rhythmus von zwei nahe bei ihnen stehenden Menschen berührt, und von der hinter ihnen stehenden Person aufgefangen. Emotional aufgefangen werden die Leute durch die individuelle Ansprache und die Möglichkeit, sich in einem kleinen, aber nicht zu kleinen Kreis, freiwillig zu melden. Das Publikum von 11 Gästen, 10 Frauen und einem Mann, begleitet die kurze Sequenz als eine Art von Zeugenschaft. Intellektuell aufgefangen werden die Menschen durch die vielen Verweise auf quantenphysikalische Begriffe, die wiederum in ein religiös-transzendentes Kleid eingepackt werden. Den gesamten Vortrag über werden quantenphysikalische Begriffe mit religiöser Semantik angefüllt, wie in diesem Beispiel, der Raum zwischen den Atomen mit einer „allumfassende(n) Liebe, Göttliches oder die Info von Harmonie und Ordnung“. Unverständliches soll so über tradierte, religiöse Begriffe, verständlich gemacht werden. Jeweils als gegenseitige, interdependente Referenz angeführt werden Elemente aus dem System Religion und Elemente aus dem System Wissenschaft. H: „Ich komme überhaupt nicht aus der Esoterik-Ecke. Ich kann Ihnen das anbieten mit Engeln, Klangschalen. Ich baue das bewußt aus. Alles andere wäre nicht authentisch.“ Authentizität wird an dieser Stelle ebenfalls als Beweggrund angeführt, um Glaubwürdigkeit zu erzeugen. „Wer im Medium des Glaubens spricht, setzt sich selbst in eine Position des authentischen Sprechers. Das macht es religiöser Kommunikation wie keiner anderen möglich, sich indirekt zu äußern, in Bildern und Symbolen zu sprechen, Unbestimmtheit zuzulassen.“ (Nassehi 2011: 39) Interessant ist, daß einerseits Esoterik ausgeschlossen wird, H: „Ich komme überhaupt nicht aus der Esoterik-Ecke“, indem mit der Verbindung des Begriffes „Esoterik“ mit „Ecke“, eine pejorative Wertung erfolgt. Andererseits wird die Möglichkeit aufgezeigt, trotz der negativen Abgrenzung, bei Bedarf darauf eingehen zu können: H: „Ich kann Ihnen das anbieten mit Engeln, Klangschalen.“ Im gleichen Atemzug, wie abfällig über „die Esoterik-Ecke“ gesprochen wird, werden zutiefst esoterische Themen angesprochen, die sich im Repertoire von H befinden können, falls nötig. Obwohl eine mehr oder weniger strenge Gegenposition zur „Esoterik-Ecke“ eingenommen wird, bleibt H dabei elastisch und kann darauf eingehen. Dennoch schwingt in einem Unterton mit, daß die „Quanten(...)“ nicht dem esoterischen, sondern eher dem Bereich Wissenschaft zuzurechnen sei. Durch die Verbindung mit Wissenschaft und in Abgrenzung

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zur „Esoterik-Ecke“ werden religiöse Gefühle aufgewertet. Indirekt füllen religiöse Gefühle und Chiffren den großen Raum aus, den verwendete quantenphysikalische Termini offen lassen. „Die „Wiederkehr“ des Religiösen/Spirituellen tritt deshalb exakt bei den Themen und in den Kontexten auf, in denen tatsächlich Unbestimmtheit bearbeitet werden muß.“ (Nassehi 2011: 40) Die Quantenphysik bietet sich geradezu an, anschlußfähig für Esoterik und Religion zu sein. Dort wird nicht nur mit Unbestimmtheit (Heisenbergsche Unschärfe- oder Unbestimmtheitsrelation) und Unsichtbarkeit, dem direkten Blick nicht Zugänglichem gearbeitet, sondern die Quantenphysik gerät in einigen Interpretationen an grundlegende, transzendente und/oder philosophische (Grund)Fragen. Was ist die Wirklichkeit? Gibt es sie? Ist sie unabhängig von demjenigen, der meint, sie zu beobachten? Auch wenn bei den von mir untersuchten Experimentalphysikern die Grundfragen der Interpretation vorgeblich keine Rolle spielten, so wird dennoch mit der Kopenhagener Deutung, die den sogenannten Beobachtereffekt beinhaltet, gearbeitet. Indem in der Quantenphysik das Territorium der eigenen wissenschaftlichen Aussagekraft geöffnet wird für philosophische und religiöse Fragen und vor allem Aussagen, hat sich diese Wissenschaft bereits selbst vom Entwurf der modernen Wissenschaft entfernt und nähert sich wieder dem Gestus der Naturphilosophie an. Wenn auf der einen Seite eine Übernahme systemeigener Termini durch das System Religion1 erfolgt, mutet das Aufbegehren als Naturwissenschaft geradezu als Kampfansage an, im System Wissenschaft zu bleiben. Dabei wird jedoch nach kritischer Untersuchung klar, daß zwar die Praxis, beziehungsweise die technischen Produkte der Quantenphysik zu Wissenschaft und Technik zählen, Theorie und Interpretationen sich aber schon längst von den exakten Wissenschaften verabschiedet haben, wie später noch zu sehen sein wird. Die zum Teil in Widerspruch mit der Alltagslogik stehenden quantenphysikalischen Topoi werden so in eine transzendentale Logik und Begrifflichkeit „eingespeist“, um verständlicher und nachvollziehbarer zu werden. Schließlich besteht die Funktion des religiösen Systems unter anderem darin, nicht nachvollziehbaren, unverständlichen Geschehnissen über eine Anreicherung mit unsichtbarer Transzendenz Bedeutung und Sinn zu verleihen. Laut Luhmann werde man damit rechnen müssen, daß Vertrauen mehr und mehr in Anspruch genommen werden müsse, „damit technisch erzeugte Kom1

In England nimmt sich etwa der anglikanische Bischof und Physiker John Polkinghorne der Quantenphysik und ihrer Aussagekraft für das Christentum an, in Deutschland öffnet die ausgezeichnete Arbeit von Anna Ijjas das Thema Quantenphysik für die Theologie.

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plexität der Zukunft ertragen werden kann“ (Luhmann 2009: 20). Dabei dient der Verweis auf Quantenphysik einerseits der Reduktion von Weltkomplexität, andererseits einer Komplexitätssteigerung eigener, differenter Inhalte. Mit Verweis auf Inhalte und Chiffren des je anderen Systems wird das darauf bezogene System legitimiert und stabilisiert. Stabilisiert wird per Referenz auch eine angebliche Interdependenz der beiden Systeme Religion und Wissenschaft. Dies wird am Beispiel der Verbindung von Atomen und ihren unvorstellbar großen, leeren Zwischenräumen mit einer transzendenten Kraft, die diese Zwischenräume mit etwas Seiendem ausfüllt, deutlich: Der Mangel an Vorstellungskraft, etwa wie etwas überhaupt faßbar und undurchdringlich sein kann, wenn sich so viel leerer Raum zwischen Protonen, Neutronen und Elektronen etc., befindet, wird mit religiösem Glauben, religiösem Gefühl und Vertrauen überbrückt. Religiöse Chiffren dienen einem angeblich besseren Verständnis von Quantenphysik und vice versa. Die Wahrscheinlichkeit, daß es in diesem speziellen Fall zu einem Vertrauensproblem kommen wird, ist eher unwahrscheinlich, da kein großer Schaden entsteht (vgl. Kieserling 2012: 141). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die nach der Einführungsveranstaltung kostenpflichtige Kurse besuchen, bringen der „Quanten(...)“ schon ein gewisses Vertrauen entgegen. Im Kurs geht es im Grunde um eine Verbesserung der Eigenwahrnehmung, was anhand angeblicher quantenphysikalischer Prozesse erklärt wird. Und schließlich ist fragwürdig, ob von seiten der Zuhörerinnen überhaupt jemals die Erwartung bestand, über Quantenphysik im wissenschaftlichen Sinne aufgeklärt und unterrichtet zu werden, und daß vielmehr andere Beweggründe dazu beigetragen haben könnten, den Workshop zu besuchen. Wenn Referenzen auf Quantenphysik lediglich der Legitimation religiöstranszendentalen Interesses dienten, könnten tatsächliche wissenschaftliche Exkurse als störend empfunden werden und die Anschlußfähigkeit beider Systeme wieder in Frage stellen. Daß aber beide Systeme überhaupt so aneinander anschließbar sind, liegt hauptsächlich an ihrem gemeinsamen Thema: Unbestimmtheit. „Zugleich gibt es ein Funktionssystem der modernen Gesellschaft, das Unbestimmtheit als solche zum Thema hat – Religion nämlich.“ (Nassehi 2013: 59) Genau hier befindet sich die Anschlußfähigkeit an Quantenphysik, denn ihr Thema ist genauso die Unbestimmtheit. Wenn man von der HeisenbergȀschen Unschärferelation, bei der ja gerade die grundlegende Eigenschaft die ist, Ort und Impuls eines subatomaren Teilchens niemals gleichzeitig messen zu können, ausgeht, ist die Unbestimmtheit quasi ein Merkmal der Quantenphysik. Ebenso verhält es sich mit der Schrödingergleichung, mit der Aussagen über Wahr-

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scheinlichkeiten getroffen werden können. Auch hier ist die Unbestimmtheit immanent und a priori per definitionem gegeben. Durch die Verbindung von quantenphysikalischen und religiösen Inhalten, respektive Elementen, wird im esoterischen Diskursfeld suggeriert, daß die jeweilige Unbestimmtheit eine Rechengröße sei, mit der operiert werden könne. Die Unbestimmtheit hat damit nicht nur in der Quantenphysik ihre Daseinsberechtigung, sondern hat immanenten Bestand und definiert gerade durch ihre unbestimmbaren Elemente auch nach außen die Quantenphysik. Zusätzlich erhält die Spiritualität im esoterischen Diskursfeld eine wissenschaftliche Legitimation die sogar so weit gehen kann, eine quantenphysikalischwissenschaftliche Legitimationshoheit über andere Bereiche und Systeme zu beanspruchen. „Die zurückliegenden Kapitel haben gezeigt, daß es möglich ist, geistige Phänomene wie das Bewußtsein, die Organisation und Steuerung biologischer Prozesse, die Struktur der menschlichen Seele und die materielle Reorganisation durch Wiederverkörperung mit physikalischen Modellen zu beschreiben, mit konkretem Bezug zu den physikalischen Eigenschaften von Elementarteilchen.“ (König 2013: 246)2

Hier ist wieder eine Parallele zu Wagners Impetus erkennbar, der der Physik die Legitimations- und Deutungshoheit über begriffliche Operationen mit implizit quantenphysikalischer Lesart über sämtliche Wissenschaften und sogar der Soziologie zugesteht, sie sogar fordert. Dem in seinen Augen wahrgenommenen „Mißstand“ des Faches Soziologie, „nicht einmal annähernd eine facheinheitliche Konzeption von Gegenstand und Methode“, sondern „viele widersprüchliche Positionen“ (Wagner 2012: 1) innezuhaben, solle laut Wagner mit Hilfe eines externen Maßstabes überwunden werden, „mit dem man die anschlußfähigen Positionen von den nicht-anschlußfähigen trennen“ (Wagner 2012: 2) könne. Diesen Maßstab findet Wagner „in der Herausforderung, die die Physik für die Einzelwissenschaften und damit auch für die Soziologie“ (Wagner 2012: 2) darstelle. Die Verbindung von Quantenphysik und Spiritualität reichert auf seiten der Quantenphysik hingegen das leere Feld der Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit, mit der in jedem Fall gerechnet werden muß, mit einer spirituellen Semantik an. Die Quantenphysik läßt zumindest prinzipiell auch Raum für eine derartige Anreicherung. Wie sonst ließe sich erklären, daß die beiden Teilchen- und Quantenphysiker aus dem Feld gerade diese beiden Systeme miteinander verbinden. Natürlich liegt die Verbindung der beiden Bereiche auch zu einem großen 2

Vgl. auch Heede et al. 2010.

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Teil daran, daß beide in ihrer persönlichen Geschichte sich mehr oder weniger beiden Bereichen interessiert zuwenden. Doch existierte dieser leere Raum der Black Box nicht, in dem bestimmte Dinge geschehen, die sich generell niemals beobachten lassen können, wie am Beispiel der HeisenbergȀschen Unschärferelation und des Doppelspaltexperiments bereits erläutert, bestünde ebenfalls keine Anschlußfähigkeit von Quantenphysik und Esoterik, dann würden solche Deutungen auch nicht vorkommen. „Minimalbedingung [der religiösen Sinnform] ist jedenfalls, daß die Unbeobachtbarkeit der Welt im zunächst unsichtbaren „Sinn“ von „allem“ gerinnt und beobachtbar wird, ohne positiv sichtbar werden zu müssen (oder: zu dürfen).“ (Nassehi 2013: 61) Gerade in der Unsichtbarkeit offenbart sich das Religiöse. Sichtbarkeit würde es vom sakralen wieder dem profanen sichtbaren Raum zuordnen. Die „Beobachtbarkeit“ unbeobachtbarer Experimente in der Quantenphysik wird im System Religion als unbeobachtbare Faktizität des Religiösen wahrgenommen und dies auf „wissenschaftlicher Basis“, weil sakral nur sein kann, was unsichtbar ist, sich den kritischen Blicken entzieht und unerkannt, quasi nebenbei zu operieren vermag. Beriefe sich diese Unsichtbarkeit nur auf die Operationalität, die Unterscheidungen, die einem anschließend sichtbar gewordenen Ereignis vorangehen – das Wie des Zustandekommens darf inhärent nicht sichtbar sein – würde diese Unsichtbarkeit sonst ihrer (sakralen) Erklärungsbedürftigkeit abhanden kommen, wäre sie prinzipiell objektiv beobachtbar und nachvollziehbar, überprüfbar und damit profanisiert, also entsakralisiert. Denn was noch unsichtbar motiviert bedarf einer Erklärung, die sich mitunter in den sakralen, unsichtbaren Bereich verschiebt. Gerade die Unsichtbarkeit des Agens und der Vorgänge heben Ereignisse wiederum aus dem alltagsweltlichen Bereich ins prinzipiell und a priori Unerklärliche und sakralisieren sie. Die Heisenbergsche Unschärferelation hat das Potential zur Sakralisierung durch ihre a priori inhärente Unberechenbarkeit bei gleichzeitiger Unbestimmbarkeit von Ort und Impuls3. Am Doppelspaltexperiment und seinen verschiedenen Interpretationen ist nachvollziehbar, wie das Potential zur Sakralisierung zunimmt, um so mehr Unsichtbarkeit die jeweilige Interpretation zuläßt. Genau aus diesem Grund bietet die Quantenphysik eine sehr breite Anschlußfähigkeit an esoterische Diskursfelder. Neben der Unsichtbarkeit ist die Nachvollziehbarkeit eine weitere Eigenschaft, die beide Systeme miteinander vereinbar macht. Die Nachvollziehbarkeit 3

Wie bereits an anderer Stelle erwähnt nimmt Diarmuid OȀMurchu, ein New Age Autor und Sozialpsychologe, die Unbestimmtheitsrelation zu Hilfe, um pseudowissenschaftlich die Gott-Mensch-Dualität von Jesus zu „erklären“ (vgl. OȀMurchu 2004).

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im religiösen System gestaltet sich auf den ersten Blick ambivalent. Einzelne Elemente und Operationen des Systems Religion müssen nicht nachvollziehbar sein, ja sollen sogar temporär nicht nachvollziehbar sein. Aber im Großen und Ganzen, mit Blick auf die Struktur des Systems, soll eine Nachvollziehbarkeit moralischer Natur einsichtig sein. Sichtbar wiederum nicht, denn sichtbar ist die Struktur im System Religion erst im Jenseits, im Himmel oder Nirvana oder wie auch immer dieser transzendente, außerweltliche Bereich jeweils benannt wird. Zwischenschritte im Leben, Leidensgeschichten oder Prüfungen können für die Dauer ihres Geschehens für den einzelnen Menschen keinen Sinn machen und bisweilen grundlegende Fragen nach dem Sinn des Lebens aufwerfen. Systemimmanent ist jedoch die Annahme, daß schließlich alles „aufgeklärt“ wird und in eine Art kausalen Zusammenhang gestellt wird. Darauf wird vertraut. Der schwere Schicksalsschlag mußte zum Beispiel erfolgen, weil man ansonsten nicht über das Wesentliche im Leben nachzudenken begonnen hätte. In diese Kategorie gehören auch die „Bekehrungsgeschichten“. Und seien es auch nur nachträglich zugeschriebene „Bekenntnisse“ zur Pragmatik oder „Nützlichkeit“ der Geschehnisse. Generelle Unsichtbarkeit bei sich schließlich erfolgender Nachvollziehbarkeit sind aneinander gekoppelte qualitative Merkmale von Kommunikationen über Quantenphysik und Religion. Die jeweilige Interpretation des Quantenzustandes oder des individuell menschlichen Zustandes, führen zur nachträglichen Nachvollziehbarkeit dessen was unsichtbar und nicht unter dem direkten Blick stattgefunden hat. „Je komplexer freilich die Welt, desto stärker wird sich das Unbeobachtbare jenseits der Welt vorfinden müssen, schon weil es innerhalb der Welt aufgrund ihrer Differenziertheit und Komplexität immer mehr Unbeobachtbares gibt“ (Nassehi 2013: 61). Der Versuch der rationalen Einbindung eben jener Unbeobachtbarkeit und ihrer anschließenden Anreicherung mit religiösen Inhalten, mit Sinnstruktur, kann als Versuch gewertet werden, die Welt in ihrer Unbeobachtbarkeit nachvollziehbarer zu machen. „Wenn es stimmt, daß das Besondere der religiösen Kommunikation ihr Potential ist, sich indirekt zu äußern, das Unsichtbare gerade in seiner Unsichtbarkeit sichtbar zu machen, Unbestimmtheit mit Bestimmtheit vertreten zu können und immanent einen transzendenten Standpunkt einnehmen zu können, ohne die Differenz selbst einzubeziehen, dann ist Spiritualität jene Form, die auf noch weniger Bestimmtheit setzt uns sich ganz auf die Authentizität des Sprechers verläßt.“ (Nassehi 2013: 64)

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Bei Spiritualität, die vorgibt, mit Quantenphysik zu tun zu haben, kann sich die Sprecherin auf Wissenschaft und die Legitimation von Unbestimmtheit in der Wissenschaft berufen, und erlangt über ihren wie auch immer gearteten aber auf jeden Fall beanspruchten Zugang zur Wissenschaft quasi eine doppelte Authentizität. Einerseits die Authentizität der Sprecherposition des ReligiösSpirituellen, andererseits – und dies ganz nebenbei – erhält die Sprecherin in den Augen der Zuhörer die Authentizität derer, die über den wissenschaftlichen Bereich „aufgeklärt“ ist und diesen, obwohl es gar nicht nötig wäre, zur Bestätigung des religiösen Weltbildes anführen kann. Zu überlegen wäre, ob die Authentizität der spirituellen Sprecherin, die über Quantenphysik spricht, ohne darin ausgebildet worden zu sein, sich im esoterischen Diskursfeld ausweitet und ihr durch die zugestandene veritabel authentische Sprecherposition auch eine gewissermaßen authentische Sprecherposition über Belange der Quantenphysik zugestanden wird4. Dies würde bedeuten, daß – hierarchisch betrachtet – das System Religion für seine Teilnehmer noch immer eine übergeordnete Position, auch über dem wissenschaftlichen System, besitzt und die wissenschaftliche Legitimierung, der Prozeß, der durch wissenschaftliche Faktizitäten erfolgten Plausibilisierung lediglich vordergründig, quasi aus PR-Gründen, geschieht, da aktuell Reliabilität und Legitimation eher über die Wissenschaft denn über die Religion erfolgen muß. Durch die Referenz von quantenphysikalischen Vorgängen in den Alltag, sozusagen als das, was im Hintergrund, auf subatomarer Ebene abläuft, wird Unsichtbares, Erklärungsbedürftiges ebenfalls in die Alltagswelt integriert und alles, was „faktisch“ geschieht, erhält dieses „quantenphysikalische Hintergrundrauschen“5. Die außeralltägliche Zuständlichkeit wird dahingehend verändert, als sie sich auch auf Alltägliches bezieht, in gewisser Weise beziehen muß. Unsichtbare und der Interpretation bedürftige Ergebnisse der Quantenphysik werden mit religiösen Zusatzbedingungen überzogen. Damit wird eine Leerstelle aufgefüllt. Die Rolle der authentischen Sprecherin bedarf auf der anderen Seite unbedingt eines Vertrauens in eben jene Authentizität. Vertrauen spielt auch eine große Rolle im wissenschaftlichen Bereich. Dies beginnt beim Vertrauen in die Funktionalität und Praktikabilität der technischen 4

Hinweise darauf haben sich während meiner qualitativen Studien insofern ergeben, als der Eindruck entstand, die Rezipienten würden einfach glauben, was gesagt wird, und keine mehrsträngige, kritische Recherche unternehmen. Ob dieser Eindruck sich jedoch erhärtet oder falsifiziert wird, kann nur nach weiteren Untersuchungen ermittelt werden.

5

Das „quantenphysikalische Hintergrundrauschen“ soll an dieser Stelle nur als Metapher verstanden werden.

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Geräte in der Experimentalphysik bis hin zum Vertrauen in die Arbeit der Kollegen. Hier ist nicht gemeint, daß anstelle der prinzipiellen Falsifizierbarkeit experimenteller Ergebnisse eine Art „wissenschaftliches Gottvertrauen“ oder eine „Wissenschaftsgläubigkeit“ tritt, sondern ganz einfach der Umstand, daß wissenschaftliches Arbeiten wissenschaftliche Ergebnisse produziert und technische Geräte zur Akkumulation von Ergebnissen herangezogen werden können. Knorr-Cetina weist hier auf die Wichtigkeit des Vertrauens, in ihrem Falle, bei Hochenergiephysikern, hin. „Wie behält man als menschlicher Akteur, der in eine plurale Objektwelt eingepaßt wird, die Kontrolle? Eine Antwort der untersuchten Physiker bestand im Rückgriff auf Vertrauen, auf dem sie einen Großteil der relevanten Interaktionen aufbauten [...].“ (Knorr Cetina 2002: 185) Genauso wie es ein Vertrauen in die Arbeit der Kollegen, in technische Apparaturen und die eigenen „Werkzeuge“ gibt, das die Grundvoraussetzung dafür ist, flüssig weiterarbeiten zu können, genauso scheint der Verweis des von mir interviewten Physikers (Phys) auf seine Intuition auf ein Vertrauen in die eigene Begabung, in eine Art eigener physikalischer Grundintuition hinzuweisen. Phys: „Wenn Sie ein Problem vor sich haben, was sich für Sie zumindest in der Praxis als unlösbar herausstellt, dann müssen Sie versuchen als Physiker Ihre Intuition, Ihr physikalisches Verständnis zu aktivieren, um zu sehen, ob Sie nicht doch einen Weg finden, mit diesem Problem, dem Verhalten von Elektronen [...] fertig zu werden.“

In dem von Heintz untersuchten Bereich Mathematik spielt Vertrauen ebenfalls eine sehr große Rolle. „Im Gegensatz zur Publikation wird in Vorträgen oft an die Intuition appelliert, und es werden Formulierungen verwendet, in denen die experimentelle Dimension noch deutlich sichtbar ist“ (Heintz 2000: 169).

Die meisten Mathematiker mit denen sie gesprochen habe, hätten eine Art Konsenstheorie der Wahrheit vertreten (vgl. Heintz 2000: 178) und ein mathematischer Satz sei für diese Mathematiker wahr, „wenn er von der mathematischen Gemeinschaft als wahr akzeptiert wurde“ (ebd.). Oft würden Ergebnisse einfach von Kollegen übernommen, ohne sie selbst nachzuprüfen (vgl. Heintz 2000: 180). Vertraut wird in der Quantenphysik ebenfalls auf eigene Methoden sowie Methoden und Ergebnisse der Mathematik. Vertrauen auf die Lösbarkeit von Unlösbarem und die Exaktheit von Uneindeutigem zeigt sich hier deutlich am folgenden Zitat eines Physikers, in dem die Ergebnisse der Wellengleichung,

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welche der Definition nach probabilistisch sind, als exaktes Ergebnis behandelt werden und sich somit wieder in den systemeigenen Code fügen. Phys: „Also man berechnet ja sozusagen Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Dinge. Die sind exakt berechnet aus einer deterministischen Gleichung. Das bedeutet natürlich nicht, daß dann auch deterministisch das Elektron in genau diesem Zustand ist, sondern das ist es nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Je nach Deutung der Quantenmechanik hat es dann unterschiedliche Auswirkungen was die Interpretation angeht. Aber zunächst einmal, diese Wahrscheinlichkeiten selbst sind exakt. Die gelten nicht nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit wiederum selbst. Das ist ein Punkt, wo tatsächlich viele Leute, die sozusagen nicht viel mit Quantenmechanik zu tun haben, erst mal verwirrt sind, würde ich sagen. Also die Schrödingergleichung an sich ist nicht anders als die, was weiß ich, Newtonsche Bewegungsgleichung oder so was. Nur die Interpretation dessen was dann raus kommt als Wahrscheinlichkeit führt dann zu anderen spannenden Dingen.“

Unlösbares wird deshalb als systeminhärent unlösbar, gleichzeitig paradoxerweise als Bedingung der Möglichkeit einer Lösung an sich definiert oder – über die Mathematik – wird eine statistische Verteilung als eindeutiges Ergebnis definiert. Damit entsprechen die Outcomes wieder der Grundunterscheidung des Systems in den Wahrheitscode wahr/unwahr (vgl. Krause 2005).

Bereiche qualitativer Forschung

E SOTERIK , W ISSENSCHAFT L UHMANN Ȁ SCHEN S INNE 1

UND

Q UANTENPHYSIK IM

Die beiden Bereiche Wissenschaft und Religion, in denen die semantischen Potentiale der Quantenphysik anhand qualitativer Forschungsmethoden miteinander verglichen wurden, werden als (Teil-)Systeme im Sinne Luhmanns verstanden. Und zwar aus dem Grund, aus dem auch Luhmann den Systembegriff vorzuziehen angibt. „Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß es Systeme gibt. Sie beginnen also nicht mit einem erkenntnistheoretischen Zweifel. Sie beziehen auch nicht die Rückzugsposition einer ‚lediglich analytischen‘ Relevanz der Systemtheorie. Erst recht soll die Engstinterpretation der Systemtheorie als eine bloße Methode der Wirklichkeitsanalyse vermieden werden. [...] Der Systembegriff bezeichnet also etwas, was wirklich ein System ist, und läßt sich damit auf eine Verantwortung für Bewährung seiner Aussagen an der Wirklichkeit ein.“ (Luhmann 2012: 30)

In dieser Arbeit wird Luhmann beim Wort genommen und es wird untersucht, ob seine Systemtheorie sich an der empirischen Wirklichkeit bewährt. Einerseits wird davon ausgegangen, daß es Systeme gibt und zusätzlich wird der Vorteil der analytischen Relevanz der Systemtheorie genutzt, ohne diesen als Einschränkung des Begriffes System zu verwenden. Der zusätzliche Mehrgewinn, um an dieser Stelle bewußt ökonomisches Vokabular zu verwenden, im 1

Man könnte auch innerhalb der Systeme von unterschiedlichen Kulturen sprechen, was die Kommunikation der Traditionen, der Sprache, der Begrifflichkeit, die Kommunikation über den Umgang miteinander, mit dem jeweiligen Forschungsgegenstand oder „transzendenten Gegenüber“ betrifft.

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Sinne eines forschungsrelevanten Zusatzgewinnes, den die Systemtheorie bietet, wird gepaart mit einer tatsächlichen Prüfung systemtheoretischer Annahmen an der empirischen Wirklichkeit. Die vorliegende Forschungsarbeit nutzt damit gleichzeitig die analytischen Vorteile der Systemtheorie und prüft sie im Feld, indem davon ausgegangen wird, daß verschiedene semantische Potentiale der Quantenphysik in verschiedenen Systemen mit ihren je unterschiedlichen Umwelten vorkommen. „Die Umwelt eines Systems ist alles, was durch das System ausgegrenzt wird, also nicht zu ihm gehört. Der Umweltbegriff wird mithin systemrelativ definiert; jedes System hat zumindest insofern eine besondere Umwelt, als es sich selbst nicht in seiner Umwelt findet. Die Umwelten verschiedener Systeme können daher nicht identisch sein, sie können sich nur weitestgehend überschneiden. Die Gesamtheit dessen, was nicht zu einem System gehört, kann ihrerseits kein System sein, da sie grenzenlos in die Welt übergeht und die Welt selbst kein System ist.“ (Luhmann 1982: 13)

Wichtig an dieser Stelle ist, daß die Umwelten – genauso wie die Systeme – voneinander verschieden sind. Im System Wissenschaft kommen esoterische Diskurse als Umwelt vor, werden mitunter ganz bewußt als solche wahrgenommen und vom eigenen System abgegrenzt, um sie dennoch als systemfremd „einzubauen“; wobei dabei immer klar bleibt, daß sie systemfremd sind. An dieser Stelle sei die Interviewsequenz von EP in Erinnerung gerufen, in der er über das Buch Quantenheilung spricht, welches sie „aus Spaß“ im Labor haben. Der Experimentalphysiker spricht von einer teilweisen Mystifizierung zumindest von Teilen der Quantentheorie; in diesem Fall Superposition und Verschränkung. Angeführt wird als Beispiel einer Mystifizierung der beiden Begriffe die „Quantenheilung“, sozusagen als Verschleierung, Vortäuschung der für den Physiker klaren Theorie. EP: „Das lernt man im Studium. Quantenmechanik, Atomphysik-Vorlesungen. Und das ist allgemeines Handwerkszeug. Also das diskutieren wir. Okay, es gibt einen Superpositionszustand und so weiter. Wir interpretieren nichts weiter hinein, würde ich jetzt behaupten, als das wirklich ist. Nämlich ein Zustand, den man einfach aufschreiben kann. Eins durch Wurzel zwei.“

Die Begriffe Superposition und Verschränkung werden als „allgemeines Handwerkszeug“ verstanden. Wichtig an dieser Stelle ist, daß diese Elemente der Quantenphysik als tatsächlich real aufgefaßt werden, als das, was „wirklich ist“. Schlüssel für den Realitätsbegriff ist hier: „ein Zustand, den man einfach auf-

B EREICHE QUALITATIVER FORSCHUNG

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schreiben kann. Eins durch Wurzel zwei“. Durch das Aufschreiben wird eine (mathematische) Realität geschaffen und in Zeichen gefaßt. Kommunikationen in der experimentellen Quantenphysik grenzen sich also hier durch die Unterscheidung experimentell nachvollziehbar/experimentell nicht nachvollziehbar durch die Unterscheidung von Transzendenz/Immanenz vom System Religion ab. Im eigenen Bereich sind die Dinge berechenbar, überprüfbar, und werden als „ein Zustand, den man einfach aufschreiben kann“, zur Realität. Die Umwelt ist das, was vom System ausgegrenzt und systemrelativ definiert wird. Mit Unterscheidungen operiert bedeutet dies, daß wenn die Umwelt als verschleiernd verstanden wird, die eigenen Systembegriffe im Gegensatz dazu als eindeutig und klar verstanden werden. Wichtig ist hier, daß ganz klar zwischen Theorie und Interpretation unterschieden wird. Das eine kann also ohne das andere verwendet werden. Später wird sichtbar, daß dies in der Experimentalphysik vielleicht geradezu notwendig ist, die Theorie (die hier mathematisch aufgefaßt wird2), die experimentelle Anwendung und die Interpretation voneinander getrennt, bzw. gar nicht zu behandeln. „Shut up and calculate!“

E SOTERISCHE B EREICHE Der esoterische Bereich, in dem quantenphysikalische Begriffe verwendet werden, wird, wie bereits gesagt, dem System Religion zugeordnet. Das „(...) Institut“ Das Institut, welches ich besuchte, bietet unter anderem Vorträge und Workshops zur „Quanten(...)“ an. Auf ihrer Homepage3 sieht man Erlebnisabende sowie Online-Kurzpräsentationen und kann sich vorab über das Konzept der Verbindung von „Quantenheilung“ und „Quanten(...)“ informieren. „Quanten(...) basiert auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Quantenphysik und vereint

2

Dies war die Umschreibung des Experimentalphysikers, der sich laut eigener Aussage nicht um die Interpretationen in der theoretischen Physik kümmert und diese in seiner Arbeit ausblendet. Hier wird Theorie als mathematische Explikation, bzw. mathematischer Beweis der eigenen Laborarbeit verstanden. Eine theoretische Physikerin würde die Theorie als ihr Fachgebiet bezeichnen und dieses wiederum von Mathematik und Laborarbeit abgrenzen.

3

Aufgrund der Anonymisierung aller befragten Personen wird die Homepage – obwohl im Netz öffentlich zugänglich– nicht genannt.

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die nutzbaren Umsetzungen von Dr. Richard Bartlett (Matrix Energetics®) und Dr. Frank Kinslow“, ist auf der Homepage zu lesen. Über die Internetrecherche holte ich Informationen über Vortragsabende und Workshops ein. Ich meldete mich per E-Mail an und sprach mit der Veranstalterin über mein Promotionsthema und mein wissenschaftliches Interesse an den von ihr veranstalteten Abenden. Ich nahm insgesamt zwei Mal an einem Vortragsabend und einem Workshop teil. Das erste Mal wurde ein Informationsabend für Neulinge angeboten mit dem Namen: „Erlebnisabend Quanten(...)“. Elf Gäste, darunter zehn Frauen und ein Mann, waren anwesend. Ich suchte mir einen hinteren Platz auf der linken Seite aus, von dem ich einen guten Überblick über die Rednerin und das Publikum hatte. Während des gesamten Vortrags unternahm ich handschriftliche Notizen. Eine Reihe vor mir saß eine Frau, die ebenfalls viele handschriftliche Notizen machte. Insofern könnte es sich einerseits zwar als störend ausgewirkt haben, andererseits aber hätte sich, bis auf die Referentin, jeder nach hinten umdrehen müssen, um mich und mein Schreiben zu bemerken. Zudem war ich, wie gesagt, nicht alleine dabei, handschriftliche Notizen zu machen. Die junge Dame, die ebenfalls mitschrieb, wurde anschließend als Kollegin der Referentin vorgestellt und machte noch auf weitere Veranstaltungen des Instituts aufmerksam. Falls es einer Zuschauerin oder dem Zuschauer aufgefallen sein sollte, daß ich mitschrieb, hätte ich Anfangs eventuell mit der Kollegin der Referentin assoziiert werden können. Da die Referentin jedoch informiert war und ich mich schon während der Pause als Soziologin vorstellte, die eine Forschung unternimmt, wurden Fragen und die Notizen quasi legitimiert. Einzig die Frage, was an diesem Abend von Interesse für eine Forschung sein könnte, hätte möglicherweise zu vereinzelten, temporären Irritationen führen können. Aber die Menschen begegneten mir offen und stellten mir ebenfalls Fragen über mein Interesse und den Grund der Forschung. Bei der Beantwortung der Fragen ging ich aus Gründen der Forschungsethik offen um, skizzierte aber nur kurz meinen Forschungsansatz und erklärte, daß ich allgemein daran interessiert sei, wie in verschiedenen Bereichen die Quantenphysik rezipiert werde, um das Feld nicht über die Maßen zu beeinflussen. Zwei Frauen führten durch den Abend, wobei hier eine eindeutige Hierarchie zu erkennen war, wie bereits weiter oben ausgeführt. Die jüngere der beiden Damen sagte gleich zu Beginn, daß ihre Kollegin, die sie auch vor der Gruppe nur mit ihrem Vornamen ansprach, noch in Ausbildung sei. Die jüngere Referentin wies die Ältere nach der Vorstellung an, sich auf einen Stuhl direkt neben die

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Türe zu setzen, falls noch jemand klingeln sollte.4 Einleitend erfolgte ein kurzer historischer Abriß des Begriffes „Quantenheilung“. H: „Quantenheilung kam erstmals in den 80ern in die Welt. Deepak Chopra Mediziner, Naturheiler brachte (sehr schwer leserlich5) den Begriff auf, der erstaunliche Parallelen zwischen Medizin, Naturwissenschaft und Spiritualität bot. (Ein Wort nicht lesbar) Heilung in Deutschland seit Kinslows Buch „The Quantum Entrainment“ heißt korrekt übersetzt Quantenangleichung. Wir heilen nicht die Quanten, weil die Quanten nicht krank sind. Der Begriff ist nicht geschützt und wird verwendet für die bekannte Methode der Zwei-Punkt-Methode. Unterschiedliche Erklärungsmethode, es gab skurrile Darstellungen und darauf folgt Skepsis in der Medizin. Heute sitzen viele Doktoren der Medizin in meinem Publikum.“

Zuerst einmal fällt auf, daß am Begriff argumentiert wird. „Quantenheilung“ bietet „erstaunliche Parallelen zwischen Medizin, Naturwissenschaft und Spiritualität“. Der Begriff zeigt nicht auf, er offenbart nicht, sondern er bietet. An dieser Stelle wird mehr oder weniger bewußt nach ökonomischen Gesichtspunkten argumentiert. Das Angebot des Begriffes „Quantenheilung“ spannt somit ein neues Feld auf. Nur stringent erweist sich der Vermerk darauf: A: „Der Begriff ist nicht geschützt und wird verwendet für die bekannte Methode der Zwei-PunktMethode“. So gesehen ist die Marke „Quantenheilung“ mit keinerlei finanziellem oder datenrechtlichem Risiko behaftet und kann verwendet werden. Eingebettet in den kurzen historischen Abriß findet man hier den quasi-juristischen Hinweis, daß im Folgenden auf einen ungeschützten Begriff referiert wird. Unterstützt wird dies durch ein anonymes Statement einer Dame, die während der Esoterikmesse in München interviewt wurde und folgendes zu bedenken gab: A: „Die 4

Der Zugang zum Vortragsraum erfolgte über das Erdgeschoß. Später kommende Gäste mußten klingeln, um von innen durch die Eingangstüre in den ersten Stock zu gelangen.

5

Meine handschriftlichen Notizen bestehen, sofern in Anführungszeichen angegeben, aus direkten Zitaten, ansonsten aus dem indirekten Wortlaut, was ebenfalls sichtbar gemacht wird. In Klammern wird angegeben, falls die Notizen im Nachhinein nicht mehr leserlich waren. Da es in dieser Untersuchung um den Inhalt geht, wurde davon abgesehen, Pausen, Intonationen und nonverbale Gesten in phonetischer Transkription zu erfassen. Schließlich bedeutet es Saake zufolge: „Für den konkreten Alltag der empirischen Forschung [...] zunächst zu verstehen, daß die Definitionen, die man als Wissenschaftler geben will, gar nicht so spannend sind. Viel interessanter ist es nachzuzeichnen, wie sich die Wirklichkeit selbst definiert.“ (Saake 2010: 62)

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sind ganz schnell mit dem Abmahnen, wenn man da was sagt. Und das kostet dann viel Geld. Bis hin zum Ruin. Die sind da ganz fix mit ihren Anwälten.“ Mit „Die“ wird an dieser Stelle die Konkurrenz im esoterischen Diskursfeld bezeichnet. Insofern kann über die „Unbestimmtheitsökonomie von Spiritualität“ (vgl. Nassehi 2013) hinaus zumindest teilweise von ökonomischen Interessen ausgegangen werden.6 „Spiritualität koppelt sich von den ‚guten Gründen‘ konfessioneller Großorganisationen und ihrer Mitgliedschaftsbedingungen ab, ohne damit im Übrigen dem Kirchlichen/Konfessionellen prinzipiell entgegenstehen zu müssen.“ (Nassehi 2013: 64)

Verstärkt wird die Abkoppelung der Spiritualität von den „guten Gründen“ von seiten der Referentin durch den abschließenden Satz: H: „Heute sitzen viele Doktoren der Medizin in meinem Publikum.“ Dieser Satz beinhaltet zum einen eine gewisse Unabhängigkeit esoterisch-spiritueller Annahmen und Vorgehensweisen von den „guten Gründen“ der Medizin. Auf der anderen Seite deutet dieser Satz quasi einen Mangel, ein Bedürfnis von Seiten der Medizin an und das eigene Angebot, diesen offensichtlichen Mangel auszugleichen. Weshalb sollten sonst angeblich so viele Mediziner im Publikum sitzen, wenn nicht, um offen zu sein für alternative Heilmethoden? Wenn die eigenen Methoden perfekt funktionierten, bestünde diesbezüglich gar kein Handlungsbedarf. Esoterik und Spiritualität demonstrieren ihrerseits Offenheit. Diese Offenheit gegenüber anderen Konfessionen und Organisationen verdeutlicht nur wieder den eigenen Anspruch und die eigene innere Haltung „über den Dingen“ zu stehen. Aus diesem Grund kann auch beim Besuch einer spirituell-esoterischen Veranstaltung ein christliches Bekenntnis erfolgen, ohne damit auf Widersprüchlichkeiten zu stoßen. Wie dies am Falle einer jungen Frau deutlich wird, die im Anschluß an den späteren Workshop folgendes angab: F: „Also bei mir ist es halt so, ich bin ein christlich orientierter Mensch. Ich mag jetzt so etwas Esoterisches nicht so gerne, aber ich mag es auch nicht so gerne, daß sehr viele Christen vieles als Esoterik abtun, was sie sich nicht vorstellen können und das dann damit gleich so runtermachen. Ich mag den Begriff Esoterik ein bißchen ausklammern, weil der oft als negativ verwertet wird. Manche Sachen gehen mir auch zu sehr ins Abgehobene. Also ich mag es schon ein bißchen bodenständiger. Aber ja, ich fand es jetzt sehr gut, weil 6

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat z.B. für das Jahr 2010 eine Umsatzsteigerung von 7,8 % im Segment Psychologie, Esoterik, Spiritualität und Anthroposophie angegeben. (http://www.boersenverein.de/de/portal/Juli_2010_inkl._Special_ Sachbuch_/389778).

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es nicht so dieses abgehoben Esoterische war, sondern einfach auf dem Boden geblieben, normal erklärt, so daß es glaubhaft rüberkommt und nicht so abgehoben ist.“

In diesem Zitat kommt einiges zum Vorschein. Zuerst einmal scheint es keinen Widerspruch zu bergen, sich einerseits als „christlich orientierter Mensch“ zu verorten und an einem Vortrag über „Quantenheilung“ teilzunehmen. Zudem scheint der Begriff „Esoterik“ oder „esoterisch“ im Verständnis dieser Frau für gewöhnlich pejorativ verwendet zu werden. Zumindest gilt dies für besagten christlichen Bereich, auf den die junge Frau Bezug nimmt, da sie anführt: „aber ich mag es auch nicht so gerne, daß sehr viele Christen vieles als Esoterik abtun, was sie sich nicht vorstellen können und das dann damit gleich so runtermachen“. Alleine die Verwendung des Begriffes „esoterisch“ scheint damit zu beinhalten, etwas „herunterzumachen“. Esoterik erhält in diesem Fall die Zuschreibung für Dinge, die außerhalb des Vorstellungsbereiches liegen. Man könnte auch sagen, für unsichtbare, unverständliche Dinge. Obwohl die junge Dame in unserem Gespräch zuerst den Begriff Esoterik verwendet hat, möchte sie ihn hier doch nicht so recht verwenden. „Ich mag den Begriff Esoterik ein bißchen ausklammern, weil der oft als negativ verwertet wird.“ Möglich wäre in diesem Fall, daß der Dame öfter eine Art von Dualität begegnet, in der unsichtbare und unverständliche Dinge eingeordnet werden. Die eine Seite wäre die christliche, positiv besetzte Art, sich konfessionell um Unsichtbares, wie etwa die Seele, Gerechtigkeit oder das Paradies, zu kümmern, die andere Seite wäre die esoterische, pejorativ besetzte Seite, in der dann das „Abgehobene“ Platz hat. Außergewöhnlich interessant ist die Verbindung von Bodenständigkeit, Glaubwürdigkeit und Quantenphysik und Quantenheilung. F: „Also ich mag es schon ein bißchen bodenständiger. Aber ja, ich fand es jetzt sehr gut, weil es nicht so dieses abgehoben esoterische war, sondern einfach auf dem Boden geblieben, normal erklärt, so daß es glaubhaft rüberkommt und nicht so abgehoben ist.“ Eine Referenz auf quantenphysikalische Phänomene in Verbindung mit spirituell-esoterischreligiösen Überzeugungen wird hier als „glaubhaft“ (F) empfunden. An keiner Stelle wird das von der Referentin angeführte „Wissen um quantenphysikalische Dinge“ in Frage gestellt. Um vergleichen zu können, müßte sich die Referentin doch zumindest sehr gut in beiden Bereichen auskennen. Armin Nassehis Aussage, daß Spiritualität jene Form von Authentizität ist, die „noch weniger auf Bestimmtheit setzt und sich ganz auf die Authentizität des Sprechers verläßt“ (Nassehi 2013: 64), läßt sich damit direkt am empirischen Material beobachten und nachvollziehen. Die Authentizität der Sprecherin erstreckt sich darüber hinaus auch noch auf Bereiche außerhalb der Spiritualität und Esoterik. Denn es

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scheint kein Bedarf zu sein, zu recherchieren, offene Fragen zu klären oder sich anderweitig zu informieren. Anstelle von Skepsis oder einem weiteren Bedürfnis nach Information erweckt die spirituell-esoterische Sprecherin das Gefühl, „einfach auf dem Boden geblieben“ zu sein, und die Bezüge von Quantenphysik und Spiritualität „normal erklärt,“ zu haben, „so daß es glaubhaft rüberkommt und nicht so abgehoben ist“. F: „Aber wenn es einem da wissenschaftlich erklärt (wird), kann man es einfach trotzdem besser annehmen. Dann ist es nicht alles so – ja, das mußt du jetzt halt glauben. Man kann es für sich besser annehmen, man kann es glauben und nachvollziehen und sagen, das ist jetzt nicht nur Hexerei oder mystisch esoterisch, sondern es ist einfach näher beim Menschen, besser, glaubhafter.“

Eine Akzeptanz religiös-spiritueller Inhalte scheint leichter zu sein, wenn dabei wissenschaftlich argumentiert wird, wenn quasi-wissenschaftliche „Belege“ hierfür angewendet werden. „Dann ist es nicht alles so – ja, das mußt du jetzt halt glauben.“ Glaube wird an dieser Stelle eher mit einem Dogma, mit Zwang, verbunden und nicht mit einer vermeintlichen Option der Wahlfreiheit, wie im Falle der Quantenheilung, also der Verbindung von esoterisch-spirituellem Glauben und Quantenphysik. Die Verbindung von Glaube und Dogma tritt an anderer Stelle wieder auf, wenn ein Quantenphysiker, der gleichzeitig eine Schlüsselposition im esoterischen Diskursfeld innehat, zu folgendem Schluß kommt: Dr. Q: „Weil viele Leute haben es satt, sich irgendwas vorgaukeln zu lassen oder irgendwas zu glauben, was nur dogmatisch begründet ist und nicht evidenzbasiert oder erfahrensbasiert ist und da bietet jetzt diese Anwendung, diese spezielle Anwendung der Quantenphysik auf Fragen wie Bewußtsein oder solche Dinge natürlich mehr Vertrauen an für die Menschen.“

Glaube wird hier seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt. Glaube bedeutet ja gerade nicht, etwas zu wissen, sondern auf etwas zu vertrauen, einfach einmal annehmen, daß dem so sein wird. Glaube und Wissen stehen gemeinhin in Kontrast zueinander. Wissen findet seine institutionelle Verankerung in Bildung, Schule und Wissenschaft, während der Glaube, im Gegensatz dazu, im System Religion behandelt wird. „Insofern ist und bleibt religiöser Glaube immer Bekenntnis.“ (Luhmann 2002 :42) Dieser speziellen Form des esoterischen Glaubens, in Verbindung mit Quantenphysik, wohnt gleich eine doppelte Bekenntnis inne, deren erster Teil – die Bekenntnis zu einem tieferen Sinn, zur „alles umfas-

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sende(n) Kraft allumfassender Liebe, Göttliches, oder die Info von Harmonie und Ordnung“ (H) – insofern nur halbherzig zu sein scheint, als er zusätzlich der Bekenntnis zur Wissenschaft bedarf. Glaube an sich wird mit „sich irgendwas vorgaukeln zu lassen oder irgendwas zu glauben, was nur dogmatisch begründet ist und nicht evidenzbasiert“ (Dr. Q) assoziiert. Anstelle von Vertrauen und Bekenntnis tummeln sich hier negative Entwürfe von Glauben, im Sinne von Einfalt, derer vielleicht gerade durch die hochkomplexe Quantenphysik gerecht werden soll, als sie in diesem Fall gerade nicht vorausgesetzt wird, sondern als Gegenentwurf herhalten muß. Glaube muß nun „evidenzbasiert“ oder zumindest „erfahrensbasiert“ sein, um standzuhalten und ernst genommen zu werden. Im vorangegangenen Zitat wird Quantenphysik, wie wir auch schon im vorigen Kapitel gesehen haben, mit Vertrauen in Beziehung gebracht. „[...] [D]a bietet jetzt diese Anwendung, diese spezielle Anwendung der Quantenphysik auf Fragen wie Bewußtsein oder solche Dinge natürlich mehr Vertrauen an für die Menschen.“ Dies stärkt meine Annahme empirisch, daß bei der Verbindung von Quantenphysik und Esoterik auf den Vertrauensvorschuß, den die Naturwissenschaften bieten, gesetzt wird. Eine Evidenz kann entweder durch empirisch zusammengetragene wissenschaftliche Erkenntnisse, oder, dem Zitat zufolge, durch eine Erfahrung – „erfahrensbasiert“ – Gültigkeit erlangen. Dies sind wieder zwei sehr unterschiedliche Bereiche, die schnell zu Antagonisten werden können. Je nachdem, wie Erfahrung definiert wird. An späterer Stelle wird noch näher auf Dr. Q. eingegangen. An dieser Stelle sollte das folgende Zitat ausreichen, um zu zeigen, in welchem Bogen der Begriff Erfahrung für Q. aufgespannt wird: Dr. Q: „Also was ich in der Seminarreihe vermittle ist, wie wirken sich bestimmte Methoden der Selbsterfahrung auf einen Menschen aus? Und zwar aus der Sicht der Quantenphysik. Aus Sicht der Interpretationen der Quantenphysik, so wie ich sie vertrete. Das heißt, wir sind heute in der Lage, auf physikalischer Ebene zu beschreiben was passiert, wenn ein Mensch zum Beispiel Dehnungsübungen macht, Meridianübungen. Da wird seine Leitfähigkeit für Elektronen erhöht. Und das wirkt sich aus auf seinen VitalitätsStatus.“

Die junge Frau F. hatte im Anschluß an den von mir besuchten Workshop bei H7 folgendes angegeben:

7

Dr. Q und H bieten unabhängig voneinander an unterschiedlichen Orten Kurse an.

142 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK F: „Ich selber mache geistiges Heilen, das geht ja auch sehr in die Richtung. Also habe ich mich in vielen Dingen wiedergefunden. Und war aber gut, das nochmal in anderer Weise verfestigt zu kriegen. Man versteht dann auch vom anderen wieder mehr, also es war gut. Ja.“

Daß diese Themen, geistiges Heilen und Quantenheilung, eher in den Bereich Esoterik, als in den des Christentums gehören, scheint ihr klar zu sein, da sie selbst Esoterik ins Spiel gebracht hat und sagt: „das geht ja auch sehr in die Richtung“. Esoterik scheint besser an andere Lebensbereiche der jungen Frau anzuschließen, die nichts mit dem Christentum zu tun haben. Dadurch wird „das nochmal in anderer Weise verfestigt“. Die Quantenheilung hat somit zur Verfestigung, zur Absicherung von schwer Definierbarem, von in letzter Instanz Unbestimmbarem, beigetragen, es verstärkt. Die Esoteriktage in München Die sogenannten „Esoteriktage“ finden zwei Mal im Jahr in verschiedenen deutschen Städten unter anderem in München statt. Ich besuchte diese Messe insgesamt zwei Mal. Beim ersten Mal diente der Besuch noch der Orientierung im Feld, bzw. der näheren Auswahl des Feldes an sich. Bei meinem zweiten Besuch im November 2012 nahm ich vorbereitete Fragebögen und ein Aufnahmegerät zur Aufzeichnung von Interviews und offenen Gesprächen mit. Der hier vorgenommene Einblick gibt Aufschluß darüber, wie breit gefächert das esoterische Diskursfeld bezüglich seiner Anschlüsse an die Quantenphysik ist. Neben Vorträgen und Präsentationen, bei denen schon im Teaser das Wort „Quanten“ verwendet wird, finden sich im Programm auch „schamanistische Heilgesänge“, „Engelsmeditation“, Trommeln, „Selbstheilungsworkshops“ etc. Dort ist unter anderem von „wegquanteln“, von „Quantentransformation“, etc. die Rede. Ich nahm an zahlreichen Vorträgen teil und führte im Anschluß daran spontane Interviews mit den Vortragenden und Teilnehmerinnen durch. Als mein Aufnahmegerät einmal versagte, fertigte ich ein Gedächtnisprotokoll an. Der Vortrag einer Dipl. Psychologin und ihrem jüngeren, männlichen Assistenten wurde im Programm unter anderem mit den Worten „wegquanteln“, „wegmatrixeln“, „Selbstheilung“ und „Wunscherfüllung“ beworben. Im Anschluß an den Vortrag wurden die zehn teilnehmenden Frauen und fünf Männer dazu aufgefordert, Fragen zu stellen. Während des Vortrags sprach nur die Psychologin, während ihr Assistent ihr zuarbeitete und Karten verteilte. Gleich zu Beginn des Vortrags führte sich die Referentin selbst ein und sagte, sie habe an der Ludwig Maximilians Universität in München Psychologie

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studiert8. Dadurch wies sie ihren professionellen Status als Psychologin aus. Als ein Mann im Publikum der Aussage der Referentin, „Bei der Selbstheilung, wenn ich den Wunsch habe, daß ich die aktivieren kann ist das stets dasselbe. In die Mitte kommen“ widerspricht, verteilt ihr Assistent rote und grüne Karten, auf deren Vorderseite einfache Anweisungen zu sehen sind. Auf der Rückseite der roten Karte befindet sich ein Bild. Dann spricht die Referentin von ihrem eigenen Burnout, dem Wunsch damals sterben zu wollen und daß sie die Karten gehabt hätte, um nach ihnen zu leben. Dies ist ein in der Esoterik sehr häufig auftretendes „Erlösungs-Narrativ“. Die vortragende Person verweist stets auf eine hoffnungslose Phase im eigenen Leben, eine beinahe tödliche Krankheit, eine Scheidung oder eine psychische Krankheit. Die eigene Heilsgeschichte schafft Respekt und Authentizität. Gleichzeitig ordnet sie der Person einen authentischen „Expertenstatus“ zu. Referentin: „Wenn wir mit allem verbunden bleiben dann wissen wir, was wir tun sollen. Bewußt danke sagen. Dadurch bleiben wir in unserer Kraft. Grüß Gott sind Heilwörter. Heute redet jeder von Quantenheilung, was aber nicht ganz stimmt. Die Begründung wird mißbraucht. Auf der feinen Ebene.“ Die Referentin behauptete u.a. Kontakt zu Nobelpreisträgern der Quantenphysik zu haben. Referentin: „Da kommen irgendwelche Heiler und sagen Quantenquatsch. Die Quanten sind nicht das Letzte. Schwingungen.“ Viele mit denen ich gesprochen habe führten zwar das Wort Quantenheilung im Titel, kritisierten jedoch die Verwendung des Begriffs in ihrem eigenen Vortrag. Indem die Referentin behauptet, Kontakt zu Nobelpreisträgern zu haben, die sich mit Quantenphysik beschäftigen, weist sie sich selbst einen höhergeordneten Status zu. Sie unterschiedet den, wie sie ihn nennt – „Quantenquatsch“, von der richtigen Quantenphysik. Die Markierung der Differenz durch das Wort „Quantenquatsch“ markiert ebenso den Bereich, in dem „richtige“ Wissenschaft vonstatten geht. „Nobelpreis“ ist hierfür der Marker. Wenn dann im eigenen Programm von „wegquanteln“ die Rede ist, und dabei gleichzeitig der „Quantenquatsch“ von „Heilern“ kritisiert wird, haben Laien vielleicht den Eindruck, hier werde kritisch damit umgegangen. Im gesamten Vortrag werden Wörter und Begriffe aus der Esoterik aneinander gereiht und mit einfachen Selbstanleitungen versehen, um sich mit einfachsten Mitteln selbst zu „heilen“.

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Inwieweit im Folgenden ihre Professionalität streitbar sein könnte ist hier zweitrangig. Es bleibt lediglich anzumerken, daß im nachfolgenden Kontext meine Schwierigkeit darin bestand, trotz innerer Rebellion gegen die Situation aufgrund des Widerspruchs gegen eigene ethisch-moralische Werte nach außen „neutral“ zu bleiben und die Feldsituation so wenig als möglich zu beeinflussen.

Schnittstellen-Phänomene

In der Geschichte der Quantenphysik gibt es zahlreiche Beispiele von Physikern, die sich zwischen Quantenphysik und dem System Religion aufhalten und gerade dadurch auffallen, daß sie diese beiden unterschiedlichen Systeme kommunikativ miteinander verbinden. An dieser Stelle sei auf die langjährige Zusammenarbeit des Physikers David Bohm mit dem indischen Philosophen und spirituellen Autor Jiddu Krishnamurti (vgl. Krishnamurti/Bohm 1999), Hans-Peter Dürrs Auseinandersetzungen mit Glaube und Wissenschaft (Dürr 2009), das Buch „Yoga und die Evolution des Bewußtseins“ von Carl Friedrich von Weizsäcker und dem Yoga-Meister Gopi Krishna (von Weizsäcker/Krishna 2010) verwiesen. Was David Bohm am indischen Guru Krishnamurti faszinierte, sei seine tiefe Einsicht in die Frage von Beobachter und Beobachtetem gewesen (vgl. Krishnamurti/Bohm 1999: vii), schreibt Bohm. Diese spirituelle Einsicht knüpft Bohm kommunikativ an das Beobachterproblem in der Quantenphysik. „My first acquaintance with Krishnamurti`s work was in 1959 when I read his book The first and last freedom. What particularly aroused my interest was his deep insight into the question of the observer and the observed. This question had long been close to the centre of my own work as a theoretical physicist who was primarily interested in the meaning of quantum theory.“ (Krishnamurti/Bohm 1999: vii; Hervorh. im Orig.)

An dieser Stelle gesteht der Physiker Bohm einer spirituellen Persönlichkeit eine tiefe Einsicht in Grundfragen seines eigenen Fachbereichs zu. Die beiden haben einander, in jahrelangen Diskussionen, die zum Teil verfilmt, zum Teil herausgegeben worden sind, inspiriert.

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Bohm wurde lange u.a. für diese Verbindung belächelt und ins akademische Abseits gestellt1. Doch neben einer kritischen Reflexion dieses Einflusses ließe sich eine weitere Frage auch in die andere Richtung stellen: Bedeutet eine offene Haltung, ein offener Austausch von Ideen auch aus anderen Richtungen zwangsläufig, daß die wissenschaftliche Haltung und Herangehensweise an Themen nicht mehr gegeben ist? Wichtig ist hier der Verweis darauf, daß Bohm an dieser Stelle eine tiefe Einsicht in die Fragestellung und eben nicht in mögliche Antworten als inspirierend bewertete. Zwei von mir befragte Quantenphysiker befinden sich, wie bereits erwähnt, an einer für diese Untersuchung interessanten Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Esoterik. Dr. T ist Teilchenphysiker2 und hält u.a. Vorträge an der Volkshochschule für interessierte Laien. In der Kursbeschreibung steht, daß man ohne Formeln und Vorkenntnisse daran teilnehmen könne. Zusätzlich zu den VHS-Kursen hat Dr. T. einen Kreis organisiert, den er „interdisziplinäre Quantengruppe“3 (Gespräch am 05.03.2013) nennt. Am 05.03.2013 traf ich Dr. T. in einem Lokal zu einem halboffenen Interview. Wir unterhielten uns etwa zwei Stunden lang während eines Abendessens über seine Arbeit als Physiker, seine Vorträge und Fortbildungen. Nachdem mein Gesprächspartner über die interdisziplinäre Ausrichtung seiner „Quantengruppe“, die aus einem VHS-Kurs entwachsen sei, gesprochen hatte, ergab sich u.a. das folgende Gespräch: Dr. T.: „Und die Philosophie muß aufpassen was sie sagt. Es darf der Quantenphysik nicht widersprechen. Übrigens, mein Lieblingsthema: Die Religionen dürfen der Quantenphysik nicht widersprechen. Da schaut es böse aus. [...] In der Quantenphysik sind genau diese Parameter drinnen. Ich kann in der Wirklichkeit nicht mehr beschreiben, zum Beispiel die löst sich ja auf. Die Zeit löst sich auf, die Kausalität löst sich auf, die Örtlichkeit, Lokalisierung. Also non-lokal, instantan sind die Fachbegriffe. Das löst sich alles auf. Und das ist ja das, was mich zum Beispiel auch persönlich so fasziniert. Man hat hier religiöse Systeme. Wenn man die abstrahiert kommt man auch auf ein gewisses Beschreibungskonzept und da hat man die Quantenphysik. Und jetzt kann ich das glatt übereinander legen und es deckt sich. Das ist doch phantastisch. Religion und Physik und Naturwissenschaft brau1

Siehe hierzu die Ausführungen weiter unten im Kapitel über die Bohmsche Mechanik. Interessant und durchaus kritisch zu lesen ist auch Sharpes Analyse (vgl. Sharpe 1993), sehr aufschlußreich sind Forstner 2008 und insb. Olwell 1999.

2

Quanten- und Teilchenphysiker sind an dieser Stelle Eigenbeschreibungen.

3

Ob bei dieser Bezeichnung ein augenzwinkernder Vergleich zu sog. Quantengruppen, einem Forschungsfeld in der Quantenphysik namensgebend war, wurde versäumt zu fragen. Es liegt jedoch nahe, dies nicht auszuschließen.

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chen sich nicht mehr bekämpfen, sondern die reichen sich die Hand. Ich finde in einer solchen Zeit zu leben, wo man sich nicht gegenseitig die Schädel einschlägt und bekämpft und Bücher schreibt, Bibliotheken gegeneinander hetzt, die ganzen Religionskriege und alles, das braucht man doch gar nicht mehr. Weil ich habe ja – habe ich öfter gesagt – in 500 Jahren gibt es nur mehr den Buddhismus. Das ist das einzige System. Nicht Religion. Das einzige philosophische System – jetzt übertreibe ich ein bißchen – das die Quantenphysik vor dreitausend Jahren schon erfunden hat. Ohne Experiment. Und die werden sich dann decken. Und die Leute werden mit ihrer Erweiterung der Bildung immer mehr dort hinkommen, daß sie die Konkretisierung und die Anschaulichkeit und von dem alles Ablehnen, wo sie sagen: Sagt der, soll er es mir beweisen. Die Gesellschaft nimmt das nicht mehr hin. Und dann landen Sie in der Quantenphysik oder im Buddhismus oder in beiden. Die Religion kann die Quantenphysik nicht okkupieren oder irgendwas. Ich fordere ja: Jede Religion, die Bestand haben will, muß die Prinzipien der Quantenphysik akzeptieren oder schärfer ausgedrückt: Sie darf nicht eines verletzen.“

An diesem Gesprächsausschnitt ist zu sehen, wie der Teilchenphysiker Dr. T. Religionen nicht nach religiösen Maßstäben mißt, zum Beispiel ob dort eine Heilserwartung inbegriffen ist, sondern nach Maßstäben, die innerhalb der Quantenphysik gelten. Damit erhebt Dr. T. die Quantenphysik nicht nur in die Position einer Leitwissenschaft, der sich alle anderen Wissenschaften unterzuordnen haben, sondern ebenfalls in eine Position, die vor der Aufklärung noch in Europa die katholische Religion innehatte. In ähnlicher Weise argumentiert auch – wie bereits weiter oben dargelegt wurde – der Soziologe Wagner, der die Quantenphysik zur Leitwissenschaft für die Soziologie und alle anderen Wissenschaften aufbaut (vgl. Wagner 2012). Daß seine quantenphysikalische Lesart und seine Forderung an die Religionen, diese dürften der Quantenphysik nicht widersprechen, Widerständen begegnet, hat Dr. T. erkannt, denn er meint, „Da schaut es böse aus.“ Diese gegenseitigen Anschlüsse sind sehr aufschlußreich. An Religionen schließt er, wie gesagt, wissenschaftlich an und die Nichterfüllung wissenschaftlicher Kriterien in den Religionen wird mit einem ethisch-moralischen Adjektiv bewertet, welches wiederum religiös konnotiert ist: „böse“. Im weiteren Verlauf ist die Rede von einer Auflösung von Zeit, Lokalität und Kausalität in der Quantenphysik. Daran schließt Dr. T. mit dem Satz an: „Man hat hier religiöse Systeme.“ Eine mögliche Lesart seiner Ausführungen könnte sein, daß er hinter der Quantenphysik religiöse Systeme vermutet. Eine andere Lesart wäre, daß Dr. T. Quantenphysik und Religion ebenfalls als Systeme versteht. „Wenn man die abstrahiert, kommt man auch auf ein gewisses Beschreibungskonzept und da hat

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man die Quantenphysik. Und jetzt kann ich das glatt übereinander legen und es deckt sich.“ Quantenphysik und Religion würden einander in ihrer Grundsystematik entsprechen, so seine These. Die Religion scheint bei ihm, ganz nach Nietzsches Vorbild (vgl. Nietzsche 1941 und 1976; Safranski 2000), ein Übergangsphänomen, welches überwunden werden muß. Schließlich bleibe nur noch der Buddhismus übrig, den Dr. T. nicht dem System Religion zuordnet.4 Das beliebte Narrativ des Buddhismus, in dessen Konzept die Quantenphysik bereits angelegt sei (vgl. Dalai Lama 2005; Kohl 2005), nimmt Dr. T. zum Anlaß, eine religiöse Teleologie zu entwerfen, an deren Ende die beiden – seiner Ansicht nach – einander in der Struktur gegenseitig abbildenden Systeme Quantenphysik und Buddhismus, stehen. Die Art und Weise, wie interessierte Menschen quantenphysikalischen Themen in seinen Kursen und Vorträgen begegnen, beschreibt Dr. T folgendermaßen: Dr. T.: „Ganz grundsätzlich kann ich sagen, es sind alle extrem begeistert und haben Angst.“5 Denn die ersten Assoziationen, die Menschen bei Quantenphysik hätten, seien „Physik“ und „Atombombe“. Also: „schwierig“ und „gefährlich“. Dr. T drehe das dann in „verstehbar“ und „nützlich“ um. Er mache auch Querverweise zum Gehirn, zum Bewußtsein und zur Quantenkosmologie. Die Quantenphysik sei das „um und auf. Ohne quantenphysikalische Prinzipien kann man überhaupt nichts erklären. Die Quantenphysik setzt genau dort an, wo in der Relativitätstheorie dunkle Punkte sind.“ Dr. T versteht es als seinen persönlichen Auftrag, den Menschen die Angst vor der Quantenphysik zu nehmen und auf ihre Nützlichkeit in Kursen aufmerksam zu machen. Der Teilchenphysiker hat die Wahrnehmung, daß er Quantenphysik für Laien „verstehbar“ mache. Quantenphysik als „um und auf“ zu verstehen impliziere die Frage nach dem „Wozu?“. Er stellt die physikalische Theorie damit in einen Sinnzusammenhang mit allem anderen. Über das Gehirn, bis hin zur Quantenkosmologie stellt der Teilchenphysiker über Querverweise Zusammenhänge her. Quantenphysik erhält bei ihm damit eine Welterklärungs4

Es herrscht bei weitem keine Einigkeit darüber ob „der Buddhismus“, von dem es ja wie bei allen religiösen Strömungen viele Richtungen gibt, eher als Religion, als Philosophie, oder als philosophische Praxis eingeordnet werden sollte. Von Brück zeigt, daß er „alles zugleich“ sei (vgl. hierzu insbes. von Brück 2007).

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Dieses und die folgenden Zitate sind, soweit nicht anders vermerkt, einem telefonischen Vorgespräch zum Interview am 30.01.2013 um 12:30 entnommen. Die Schwierigkeit bei Telefoninterviews besteht darin, daß der Zugang zur befragten Person, mitunter durch die Tatsache, daß keine Face-to-Face Situation stattfindet, erschwert wird. Es ist selbstredend wichtig, vor jedem Interview die Zustimmung zur Aufnahme des Telefongesprächs zu erbitten.

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funktion, eine ontologische Sinndeutung. Die klassische Unterteilung in Mikro-, Meso- und Makrokosmos verflüssigt sich durch solche Sinnzusammenhänge. In den Kursen sage Dr. T. den Leuten immer, daß die Quantenphysik eine Hypothese sei. „Aber wir haben die Ergebnisse auf dem Tisch. Ich muß sagen, die Aufnahme der Quantenphysik hat sich sehr verbessert durch meine Vorträge.“ Dr. T hat damit das Gefühl, einen Beitrag zum Verständnis der Quantenphysik in der Allgemeinbevölkerung zu liefern. Dennoch sind bei näherer Analyse seine Informationen häppchenweise mit esoterischen Elementen gespickt. Dr. T: „Also was ist ein Photon? Was ist Licht? Teilchen natürlich, sagt der. Der hat den gleichen Fehler gemacht, nämlich daß er das in der Realität rücküberträgt in die – ich sage jetzt mal gleich den Fachausdruck – Wirklichkeit. Also von der Realität in die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist aber ganz anders. Die ist nicht so, wie wir die Realität dann sehen. Und das ist der Fehler. Weil der eine kommt und sagt A, Der nächste sagt B. Und beide können es beweisen. Also die Rückübertragung ist ein Fehler. Aber da kommt ja gleich die nächste Frage raus: Ja was ist jetzt dann diese Wirklichkeit? Was ist überhaupt wirklich? [...] Also wir können nur sagen, die Wirklichkeit ist das, was wirkt. Drum heißt es nämlich auch so. Also das sind die Aussagen bei Dürr – Liebe, Urquelle des Kosmos.“

In einem beispielhaften Disput zwischen zwei Parteien skizziert Dr. T den Welle-Teilchen-Disput nach, ob Licht Welle oder Teilchen sei. Beide Seiten könnten ihre Position untermauern und beweisen. An dieser Stelle unterscheidet der Teilchenphysiker den Begriff Realität von dem der Wirklichkeit. Die Realität sei das, was wir sehen würden, die Wirklichkeit bleibe uns aber verborgen. Einzig, und hier führt er einen weiteren Wissenschaftler an der Schnittstelle zwischen Quantenphysik und Esoterik an, nämlich Dürr, der sage, an der Kausalität, also an einer Wirkung könne man die Wirklichkeit festmachen. Diese sprachliche Ableitung erinnert an das bestechende Argument in der Physik: „It is real if it kicks back“ (vgl. Deutsch 1997: 86 ff.). Interessanterweise stellt Dr. T im Anschluß an Dürr den Begriff der Wirklichkeit, der ontologisch angefüllt ist, über den der Realität. „Im speziell metaphysisch-ontologischen Sinne ist W[irklichkeit] der Inbegriff des Seienden, in einer anderen Hinsicht des Wesentlichen (Idee, an sich) im Gegensatz zum Erscheinenden, Unwesentlichen, nur Empirischen, Zufälligen (Schein) und auch im Gegensatz zum Nicht- bzw. Noch-nicht-Wirklichen (Möglichkeit)“ (Regenbogen/Meyer 2013: 736).

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Dr. T und Dürr spielen mit der Unterscheidung der Begriffe Realität und Wirklichkeit, die man im Anschluß an Gotthard Günther als Realität ¬ Wirklichkeit fassen könnte. Jansen und Vogd spannen mit dem Negator einen Möglichkeitsraum auf, in welchem „die Negation als eine Reflexion zu fassen“ (Jansen/Vogd 2014: 457) wäre. Wie beim Sein, im Gegensatz zum Nichts, eine positivsprachliche Welt mittels eines einen Möglichkeitsraum eröffnenden Operators eine „nur negativ-sprachlich formulierbare Welt eines offenen, noch nicht entschiedenen Seins, das nicht positiv erreichbar ist, jedoch über die Reflexion in die Welt eintritt und hier einen Unterschied macht“ (Günther, zit. nach Jansen/Vogd ebd.; Hervorh. im Orig.) durch Reflexion ermöglicht, so bestünde auch hier die Möglichkeit Realität und Wirklichkeit durch die Operation eines Negators zu verknüpfen. Stellt doch bei Dr. T und Dürr gleichermaßen die Wirklichkeit einen ontologisch essentialisierten Möglichkeitsraum dar, wie das folgende Zitat verdeutlicht. „Wir stellen also fest: Die Wirklichkeit ist im Grunde keine Realität, keine dingliche Wirklichkeit. Was bleibt, ist – wie wir es nennen – Potentialität. Es ist nicht die Realität selbst, sondern nur eine mögliche Fähigkeit, sich auf verschiedene Weise zu realisieren, sich in Materie zu verwandeln. Im Grunde gibt es nur Gestalt, eine reine Beziehungsstruktur, ohne materiellen Träger. Wir können dazu vielleicht auch sagen: Information oder besser: ‚informiert sein‘, denn es handelt sich um eine Information, die sich nicht greifen läßt. Aber es ist bemerkenswert, daß wir eine Struktur haben, die sich – wenn sie sich genügend verdichtet – wie Materie anfühlt und uns vorgaukelt, wir könnten sie greifen.“ (Dürr 2009: 104)

Während Dr. T esoterischen Diskursen nicht abgeneigt ist, jedoch eher am Rande der Schnittstelle steht, befindet sich Dr. Q als Quantenphysiker und Anbieter von Kursen wie die „Ausbildung zum Quanten(...)“ genau innerhalb der Schnittmenge zwischen Wissenschaft und Esoterik und ist diesbezüglich für uns äußerst interessant. Dies betrifft vor allem die Verknüpfung unterschiedlicher semantischer Potentiale. Da Dr. T und stärker noch Dr. Q sich nahe an der Schnittstelle zu esoterischen Diskursen befinden und gleichzeitig professionelle und ausgebildete Quanten- und Teilchenphysiker sind, besitzen sie einerseits natürlich als Experten einen enormen Wissensvorsprung und andererseits die Definitionsmacht über ihren Bereich. In dieser Arbeit geht es jedoch nicht um die „richtige“ Anwendung oder Interpretation quantenphysikalischer Termini, sondern um die darin liegenden semantischen Potentiale. Dr. Q. bietet im esoterischen Bereich Kurse an, die laut seinen eigenen Angaben Quantenphysik mit Heilberufen verbinden. Dr. Q. hatte ich schon auf einem Vortrag auf einer Esote-

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rikmesse, die ich während meiner Themenfindung besucht hatte, gehört. Ich kontaktierte ihn per E-Mail und wir vereinbarten einen Termin. Am 21.05.2013 folgte ich seiner Einladung und wir führten ein halboffenes Gespräch. Dr. Q: „Also was ich in der Seminarreihe vermittle ist, wie wirken sich bestimmte Methoden der Selbsterfahrung auf einen Menschen aus? Und zwar aus der Sicht der Quantenphysik. Aus Sicht der Interpretationen der Quantenphysik, so wie ich sie vertrete. Das heißt, wir sind heute in der Lage, auf physikalischer Ebene zu beschreiben was passiert, wenn ein Mensch zum Beispiel Dehnungsübungen macht, Meridianübungen. Da wird seine Leitfähigkeit für Elektronen erhöht. Und das wirkt sich aus auf seinen Vitalitäts-Status. Ich kann das sofort messen mit dem System, was ich Ihnen vorhin skizziert habe machen wir auch solche Aufnahmen in den Seminaren und das hat nur die Funktion des BioFeedbacks für den Teilnehmer. Der sieht, daß er durch die Methodik, die er da anwendet, eine Verbesserung seines Vitalitäts-Zustands erfährt. Oft braucht er nicht diese Bestätigung, weil die Leute es von sich aus spüren, daß es gut ist, daß es ihnen gut tut. Aber es geht einfach darum, diese ganze Methodik der Selbsterfahrung – Meditation, Atemtechniken, sonstige körperorientierte Methoden, was es da so alles gibt – ich habe eine kleine Auswahl solcher Methoden – ohne den Anspruch der Vollständigkeit halber, in diese Seminarreihe eingebaut. Quasi um exemplarisch anhand dieser Methoden aufzuzeigen, wie sich das physikalisch auswirkt auf den Menschen. Welche Gesetzmäßigkeiten dahinter stehen.“

Nach Dr. Qs Beschreibung besuchen Menschen seine Seminare, die eine wissenschaftliche Bestätigung dafür suchen, daß ihnen bestimmte körperliche Übungen gut tun. Da es sich dabei vorwiegend um Menschen aus sog. Heilberufen handelt, liegt die Vermutung nahe, daß sie die Übungen, die ihnen selbst gut tun, auch ihren Patienten nahebringen wollen und dabei bisweilen an die Grenzen der Erklärungsmöglichkeiten stoßen. Die esoterischen Seminare, die der ausgebildete Quantenphysiker nun anbietet, eignen sich hervorragend dafür, psychischen Befindlichkeiten, also höchst subjektive Empfindungen als Reaktion auf spirituell-esoterische Meridianübungen, eine wissenschaftliche Basis zu verschaffen. Dr. Q.: „Und das versuche ich den Teilnehmern auf möglichst einfache Weise – jetzt vom physikalischen her – zu vermitteln. Weil sie sind dadurch stärker akzeptiert in ihrem Berufsfeld, wenn Sie sich evidenzbasiert abstützen. Wenn sie das nur über eine esoterische Lehre machen, die so frei schwebend im Raum ist und nicht zu viele Bezüge hat zu unserem Wissen, zu unserer Gesellschaft, dann wird das oft nicht so akzeptiert. Das sagen mir die Teilnehmer immer wieder, daß das ein wesentlicher Beweggrund für sie ist, an dieser Seminarreihe teilzunehmen. Und diese Zertifizierung des Q*, das bedeutet einfach, daß

152 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK die Menschen im Laufe dieser Seminarreihe moderne physikalische Modelle kennenlernen, die eben die Wirkung dieser Methoden beschreiben. Das ist, grob gesagt, ungefähr der Inhalt dieser Seminarreihe.“

Dr. Qs Grundlage der Anschlüsse von Quantenphysik und Esoterik entspringen einer Naturphilosophie, die sich jedoch von der PPs unterscheidet, als Dr. Qs sich an einer philosophia naturalis im stoischen Sinne zu orientieren scheint, in der Physik und Metaphysik noch in einem gemeinsamen Konzept vereint waren (vgl. Regenbogen/Meyer 2006: 443) während PP aus epistemologischen Gründen eine moderne Orientierung der Naturphilosophie zu vertreten scheint (vgl. Kapitel 5.2). Dr. Q: „Also irgendwie kommt es mir vor, als würden Weisheitslehren, Religion und auch Wissenschaften irgendwie wieder miteinander zusammenkommen. Also ich sehe das für mich auch einheitlich. Das liegt vielleicht an meiner Person, weil ich bringe natürlich nicht nur jetzt die wissenschaftlichen Erkenntnisse ein, wenn ich jetzt ein Weltbild aufspanne, sondern das basiert natürlich auch auf meinen persönlichen Erfahrungen. Da kann ich mich nicht getrennt sehen und seit es Quantenphysik gibt ist es eh so eine Sache. Früher war das einfach. Da hat man einen Stern beobachtet und wußte genau, wenn ich den ein paar Tage beobachte, einen Planet, wie der sich bewegt, dann konnte ich vorhersagen, wo er sich nächsten Monat oder nächstes Jahr aufhält. Also die Vorausberechenbarkeit aufgrund der Himmelsmechanik das war eine große Errungenschaft der modernen Wissenschaft und dieses Denken hat einen ziemlich starken Knacks bekommen seit wir die Welt des sehr Kleinen erforschen. Und da hat sich das jetzt ergeben, daß Beobachter und beobachtetes Objekt nicht mehr scharf getrennt sind voneinander. Sondern der Beobachter beeinflußt auch das beobachtete Objekt. Das findet seinen wissenschaftlichen Ausdruck in der Quantenphysik bei der HeisenbergȀschen Unschärferelation. Ich kann also ein Objekt nicht beliebig genau seinen Aufenthaltsort und seine Geschwindigkeit messen. Das geht prinzipiell nicht und das hat Heisenberg in den 20er 30er Jahren sehr streng wissenschaftlich herausgearbeitet. Dafür hat er auch den Nobelpreis gekriegt. Und – ja, wie gesagt, die Quantenphysik, die stellt unser althergebrachtes mechanistisches Weltbild ziemlich auf den Kopf.“

Die Quantenphysik hat für Dr. Q. nicht nur Auswirkungen auf sein berufliches Feld, sondern sie hat, wie er sagt, auch Auswirkungen auf sein Weltbild. In diesem vereint er „einheitlich“, „Weisheitslehren, Religion und auch Wissenschaften“. Seine persönlichen Erfahrungen sieht er selbstkritisch als untrennbar inbegriffen in sein Weltbild. Dr. Q. radikalisiert damit moderne Wissenschaftsphilosophie und spiegelt sie an der Achse Privatleben. Wenn die eigene Arbeit auch

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im Bereich der Wissenschaften selbstverständlich durch die Persönlichkeit, kreative Inputs6, die Erziehung, etc. beeinflußt wird, und die private Einstellung auch durch die (wissenschaftliche) Arbeit, so öffnet Dr. Q. diesen Übergang für eine völlige Vermischung von wissenschaftlichen Inputs, religiös-spiritueller Haltung, körperlichen Übungen und persönlichen Befindlichkeiten. Das Ergebnis ist ein homo authenticus, der sich jeweils in die entsprechende Richtung durch Fachwissen, persönliche Erfahrung, Lebenswelt und Spiritualität abzusichern und jeweils „gute Gründe“ anzugeben vermag. Dr, Q.: „In unserer Zeit sehe ich ganz stark die Möglichkeit – weil die Quantenphysik ja evidenz-basiert ist. Sie beruht auf genauer Beobachtung, auf Gesetzmäßigkeiten. es ist ja eine der großen Theorien im Lehrgebäude der Physik, die besonders gut bestätigt ist. Und aufgrund dieser Evidenzbasiertheit genießt sie ein hohes Vertrauen. Und wenn man jetzt her geht und mit diesen Gesetzmäßigkeiten der Quantenphysik eigentlich auch nichtphysikalische Prozesse zu beschreiben oder besser gesagt, die auf den ersten Blick nicht physikalisch sind, faktisch ist ja alles Physik. Das heißt auch unsere Art und Weise wie wir wechselwirken mit anderen Wesen in der Beziehung. Soziologie ist ja eine Wissenschaft der Beziehungen, so verstehe ich die, liefert die Quantenphysik jetzt auch Modelle, um da auch Interaktion zu verstehen.“

Auch Dr. Q. nutzt den Vertrauensvorschuß der Physik um einerseits davon abzulenken, daß auch prinzipiell enttäuscht werden kann, andererseits, um der eigenen Tätigkeit in der Esoterik mehr Respekt abzuringen. Wenn Dr. Q. davon spricht, die Quantenphysik als Wissenschaft des Mikrokosmos auch zur Grundlage von alltagsweltlichen Interaktionen zu führen, sagt dies einerseits viel über den Erklärungsradius dieser Wissenschaft für ihn persönlich aus, andererseits jedoch auch über den Erklärungsradius der Quantenphysik insgesamt, indem sie hypertextuelle kommunikative Anschlüsse in alle denkbaren Richtungen hin eröffnet. Nur wenn man die Quantenphysik als so wirkmächtig erlebt, bzw. empfindet, kann man eine solche Aussage machen und kann man sie auch seiner Alltagswelt zugrunde legen. Eine Frage rein praktischer Natur drängt sich hier, genauso wie bei Wagner und dessen Impetus, auf: Wie könnte man ernsthaft den Versuch wagen, gesellschaftliche Prozesse mit handelnden Individuen und handelnden Gruppen über die Bewegung von subatomaren Teilchen und ihren Interaktionen zu erklären? Ist es nicht so, daß sich dieser Vergleich für manche anbietet, weil diese unvorstellbar winzig kleinen Teilchen sich manchmal so unberechenbar zu verhalten scheinen wie menschliche Individuen? 6

Joerges etwa behandelt in seinem Aufsatz Kreativität „mehr als ein[en] Aspekt von Wissenschaft, denn als ein[en] Aspekt von Kreativität“ (Joerges 1977: 384).

154 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK Dr. Q.: „Also daß da mal ein Quantenphysiker etwas philosophischer ist als der andere, das mag an der Person liegen, aber sicher nicht an der Quantenphysik. Wobei die Quantenphysik natürlich gerade dazu einlädt, philosophisch zu argumentieren, weil sie einfach einen weiteren Horizont hat über unser Weltbild als das klassische Weltbild. Das ist halt etwas beschränkter, das klassische. Und deshalb lädt die Quantenphysik eher dazu ein über den Tellerrand zu schauen, als vielleicht andere physikalische Disziplinen.“

Die Quantenphysik lädt, wie Q. schon sagt, dazu ein, philosophisch zu argumentieren. Das könnte möglicherweise daran liegen, daß die physikalischen Argumente ausgehen. Wo dieses Philosophieren dann beginnt und wo es endet untersteht dann auch nicht mehr eindeutigen Grenzziehungen, was sie offen macht auch für esoterische Erklärungen.

Das Teilsystem Physik

Die Physik mit ihren verschiedenen Bereichen (Plasma-, Hochenergie-, Strahlenphysik, Astronomie etc.) wird hier als Teilsystem des Systems Wissenschaft verstanden, da sie eine „spezifische Universalzuständigkeit für“ (Krause 2015: 247) das Gesamtsystem Wissenschaft übernimmt. Die Historie der Quantenphysik, als einem Bereich der Physik, ist Thema zahlreicher Bücher. Sie sind informativ, weil sie einerseits trotz gewisser mehr oder weniger übereinstimmender Eckpunkte eine Vielzahl ausdifferenzierter Narrative über die Entwicklung dieser Wissenschaft aufweisen. Die wichtigsten Debatten in der Quantenphysik betreffen insbesondere die Kopenhagener Deutung, die Bohmsche Mechanik, Hugh Everetts Multiversen-Theorie und ihre jüngste Wiederaufnahme in das Gebäude der Physik. Aus zahlreichen, hier naheliegenden Gründen kann die Geschichte der Quantenphysik sowie die darin vorkommenden Paradoxa nicht bis ins Detail analysiert werden. Für weitere Fragen wird auf die Literatur im Anhang verwiesen. Es soll lediglich ein grober Überblick über die Spannung innerhalb der Quantenphysik aufgrund noch offener Fragen sowie bislang unlösbarer Paradoxa nachgezeichnet werden.

P ARADOXIEN In der Quantenphysik spielt eine Reihe von Paradoxien eine große Rolle. Diese sind gewissermaßen systembildend. „Die Quantenmechanik legt nicht wirklich ein neues Fundament der Naturwissenschaft, weil sie zwar konsistent zu formulieren und anzuwenden, doch nicht verständlich zu deuten ist; stattdessen gibt sie bis heute ungelöste Paradoxien auf, bis heute ist sie im Grunde unverstanden.“ (Held 1999: 9)

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Diese Paradoxien und ihre Einschlüsse, die im weiteren Verlauf skizziert werden, stellen wiederum in bestimmten Fällen keine Anschlußfähigkeit für die klassische Physik dar. Friebe ordnet verschiedene Interpretationen in der Quantenphysik je nach der Größe ihres Interpretationsspielraumes ein (vgl. Friebe et al. 2015: 43 ff.). Der Realitätsbezug der instrumentalistischen Minimalinterpretation bleibe noch im Makrokosmischen stehen (ebd.), während etwa die GRWTheorie, eine Erweiterung der Kopenhagener Deutung, „in den mathematischen Apparat eingreift, indem sie die lineare Schrödinger-Gleichung durch eine nichtlineare zeitliche Dynamik ersetzt“ (Friebe et al. 2015: 44). Zahlreiche Vorgänge, die im Mesokosmos direkt nachvollzogen werden können, wie etwa Newtons Bewegungsgleichungen, folgen im Mikrokosmos völlig unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten. Man denke an dieser Stelle nur an die Heisenbergsche Unschärferelation. „Ob eine Theorie in den Bereich der klassischen Physik oder den der Quantenphysik gehört, sieht man daran, wie diese Theorie interpretiert wird und insbesondere welche Art von Wirklichkeit daraus folgt.“ (Audretsch 2008: 35 f. ) Schrödinger merkt in seinem Artikel „Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik“ über die Verbindung von klassischer Physik und Probabilitätsaussagen in der Quantenphysik an: „Also alle Voraussagen beziehen sich nach wie vor auf Bestimmungsstücke eines klassischen Modells, auf Orte und Geschwindigkeiten von Massenpunkten, auf Energien, Impulsmomente u.dgl. m. Unklassisch ist bloß, daß nur Wahrscheinlichkeiten vorausgesagt werden.“ (Schrödinger 1935: 809)1

Schrödinger kritisiert eine Vermischung von klassischen Konzepten mit unklassischen Ergebnissen. Die, wie er sie nennt, „Bestimmungsstücke“ der Rechnungen entstammen der klassischen Welt, operiert wird jedoch mit Wahrscheinlichkeiten. Dies ist zunächst einmal aus klassischer Sicht widersprüchlich und hat auch zu zahlreichen Debatten geführt, in welchen der Quantenphysik u.a. vorgeworfen worden ist, unvollständig zu sein. Im Prinzip könnte man sagen, daß sich generell mehrere grundlegende Oppositionen innerhalb der Quantenphysik nachvollziehen lassen. Die Verfechter eines kausal deterministischen Standpunktes und diejenigen, die einer statistischen Interpretation zusagen. „Zu den Verfechtern einer prinzipiell statistischen Theorie gehörten außer Bohr und seiner „Kopenhagener Schule“ die „Göttinger Schule“ um Heisenberg, außerdem Pauli, 1

Neben Schrödinger vertraten Einstein, Planck und de Broglie einen kausalen Standpunkt in der Quantenphysik. Zudem hielten sie die Quantenphysik für unvollständig (vgl. Rebhan 2008: 460).

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von Neumann und viele andere.“ (Rebhan 2008: 460) Sehr gut lassen sich die Differenzen bei Schrödinger nachvollziehen, der kritisiert, daß in der Quantenmechanik die „Lehrmeinung“ bestehe, „daß Modelle mit Bestimmungsstücken, die einander, so wie die klassischen, eindeutig determinieren, der Natur nicht gerecht werden können“ (Schrödinger 1935: 808). Jedoch würden dennoch gerade die klassischen Modelle verwendet und „die herabgeminderte gegenseitige Determinierung die danach noch übrigbleibt, wird so beschrieben, als bestehe sie zwischen denselben Variablen derselben Modelle, die früher benutzt wurden“ (Schrödinger 1935: 808). Neben der Unterscheidung in kausal deterministische und statistische Arten von Interpretation hat es weitreichende Konsequenzen, ob wir in der Quantenphysik mit epistemischen Problematiken oder gar einem ontologischen Problem konfrontiert werden. „Ist es also bloß so, daß unser Wissen (notwendig) beschränkt ist, wir niemals in der Lage sind, Spin-Werte in abweichender Raumrichtung festzustellen? Oder ist es sogar so, daß quantenmechanische Systeme solche Eigenschaften nicht zugleich haben, sondern immer nur eine – also etwa nur Spin-up (bzw. Spin-down) in x-Richtung und keinen Spin-Wert in y-Richtung und auch keinen in irgendeiner anderen Raumrichtung?“ (Friebe 2015: 11; Hervorh. im Orig.)

Insgesamt läßt sich sagen, daß die Problematik, wie mit Messungen aus der Makrowelt Aussagen über die Mikrowelt gemacht werden können, auch weiterhin nicht gelöst ist (vgl. Friebe 2015: 3). Paradoxien bestehen also schon in der Berechnung und der Auswahl der Variablen. „Heisenbergs Ungenauigkeitsbeziehung“, wie Schrödinger sie nennt (vgl. Schrödinger 1935: 809) zeige, daß Ort und Impuls „einander in der Schärfe“ beschränkten, „mit der sie gleichzeitig bekannt sein können, indem das Produkt ihrer Toleranz- oder Variationsbreiten (die man durch ein der Größe vorangesetztes ∆ zu bezeichnen pflegt) nicht unter den Betrag einer gewissen universellen Konstante herabsinken kann“ (ebd.). Wenn die Variablen nicht durch die anderen bestimmt seien, dann könne dies auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, was man „einen Bruch mit dem Kausalitätsprinzip nennen“ (Schrödinger 1935: 809) könne. Laut Rebhan besteht eine Uneinigkeit darüber, ob die Quantentheorie „prinzipiell eine statistische Theorie ist, oder ob sie das nur aufgrund von Unvollständigkeiten ist und durch geeignete Ergänzungen zu einer kausalen Theorie umgestaltet werden könnte“ (Rebhan 2008: 461), was u.a. Bohm vorgenommen hat. Doch dazu später mehr. Die Quantenphysik selbst beruht also schon auf einem Paradox. Entweder sie ist unvollständig oder sie bricht mit dem Kausalitätsprinzip, während sie sich klassisch kausaler Variablen bedient.

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Doch abgesehen davon weist die Quantentheorie weitere Paradoxien auf, die eine gute und breite Anschlußfähigkeit zum System Religion aufweisen und darin teils mit einer neuen Semantik ausgestattet werden. Die HeisenbergȀsche Unschärferelation Im Jahr 1927 veröffentlichte Werner Heisenberg seine Unschärfe- oder Unbestimmtheitsrelation die besagt, daß wenn ganz bestimmte Parameter untersucht werden, wie Ort und Impuls eines Teilchens, beide niemals gleichzeitig gemessen werden können (vgl. Collins/Pinch 1982: 67; Schrödinger 1935). Ort und Impuls eines Teilchens sind insofern miteinander korreliert, als bei zunehmender Genauigkeit einer der beiden zu messenden Faktoren, die Ungenauigkeit des anderen zunimmt. „Die Unschärfe des Ortes und die Unschärfe des Impulses sind in diesem Sinne komplementär.“ (Schaller 2010: 126) Ebenso komplementär ist zum Beispiel die Energie-Zeit-Beziehung (vgl. Hammer/Hammer 2002: 63). Orts- und Impulskoordinaten können eine gewisse Grenze der Genauigkeit nicht überschreiten. Die Grenze der Meßgenauigkeit wird durch die Plancksche Konstante, das kleine h mit dem durchgestrichenen Balken, markiert. „Aber man konnte nicht beide Größen gleichzeitig mit einer beliebigen Genauigkeit bestimmen. Es ergab sich, daß das Produkt dieser beiden Ungenauigkeiten nicht kleiner gemacht werden konnte als die Plancksche Konstante, geteilt durch die Masse des Teilchens, um das es sich dabei handelte.“ (Heisenberg 2006: 20)

Diese Ungenauigkeit wird für gewöhnlich nicht als Meßproblem interpretiert, sondern als den quantenphysikalischen Teilchen inhärent. Dies bedeutet, daß man mit keinerlei Verbesserung der Meßgeräte beide Größen zugleich in den Bereich des Sichtbaren, des Meßbaren bewegen könnte. Je größer die Meßgenauigkeit des Ortes, umso ungenauer wird automatisch das Ergebnis des Impulses und umgekehrt. Wir finden hier nun eine Paradoxie bei der Messung vor. Je genauer gemessen wird, umso ungenauer ist der komplementäre Faktor, der an das eine Meßergebnis gekoppelt ist. Weil gemessen wird, also genau hingeschaut wird, wird das Ergebnis (des jeweils entsprechenden Korrelats) um so unsichtbarer. Jede Messung ist gleichzeitig eine Beobachtung. Dies gilt nicht nur für die systemtheoretische Betrachtungsweise in der Soziologie, sondern darüber hinaus auch in der Quantenphysik, speziell für die Kopenhagener Deutung. Da jede Messung eine Beobachtung ist, verändert jede Messung im subatomaren Bereich das zu Messende. Im „einfachsten“ Falle wechselwirken die Photonen des Meßgerätes mit den quantenphysikalischen Teilchen.

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„Beobachtung ist paradox; sie operiert mit einer Unterscheidung, die sich ihrer Reflexion als Einheit entzieht; jeder Versuch, die Einheit einer Differenz zu beobachten, die beide Seiten einer asymmetrischen Unterscheidung, läuft auf eine Paradoxie auf. So ist jedes Beobachten ein nicht unterscheidbares Unterscheiden, das vorauszusetzen ist, um genau diese Unterscheidung handhaben zu können;[…]“ (Krause 2005: 205)

Um mit der HeisenbergȀschen Unschärferelation operieren zu können – und dies, obwohl man mit ihr operieren muß, da sie unhintergehbar immanenter Bestandteil der Quantenwelt ist – muß unterschieden werden. Und genau in dieser Unterscheidung wird deutlich, daß eine tatsächliche Unterscheidung mit Blick auf die Einheit der Differenz gar nicht möglich ist. Dies ist nicht das einzige Paradox, das mit eben jener Unschärferelation zu tun hat. Schrödinger kritisiert die zu seiner Zeit praktizierte Operationsweise in der Quantenmechanik scharf. Gerade was die Unschärferelation betrifft, tadelt Schrödinger: „Wenn nicht einmal in jedem Augenblick alle Variable durch einige von ihnen bestimmt sind, dann natürlich auch nicht in einem späteren Augenblick aus erlangbaren Daten eines früheren. [...] Wenn in keinem Augenblick ein klassischer Zustand feststeht, kann er sich auch nicht zwangsläufig ändern.“ (Schrödinger 1935: 809)

Das einzige was sich verändern würde seien „Statistiken oder Wahrscheinlichkeiten“ (ebd.). Im Kern kritisiert Schrödinger, daß sich die Voraussagen noch immer „auf Bestimmungsstücke eines klassischen Modells, auf Orte und Geschwindigkeiten von Massenpunkten, auf Energien, Impulsmomente u. dgl. m.“ (ebd.) bezögen. Unklassisch sei lediglich, daß Wahrscheinlichkeiten vorausgesagt würden (vgl. ebd.). Wichtig hierbei ist, Indeterminismus und Unbestimmtheit voneinander zu trennen. „One of the most important consequences of the probabilistic nature of this wavefunction is the concept of indeterminacy. Do not confuse this with indeterminism, which we met earlier and which states that knowledge of certain aspects of the state of a particle, such as its position at a particular moment in time does not imply that its future position can be known with certainty. Indeterminacy on the other hand states that we can never know at the same time, and with total precision, everything about a quantum system, even if we try to measure it.“ (Al-Khalili 2004: 68)

Was Schrödinger im Kern nun kritisiert, ist der Umstand, daß weiterhin in Kategorien der Bestimmbarkeit gedacht und auch operiert wird, obwohl einem Quantensystem inhärent eine Unbestimmbarkeit des gesamten Systems sei. Davon zu

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trennen ist Indeterminismus, der – entgegen der klassisch deterministischen Physik – bedeutet, daß die Kenntnis der Anfangszustände keineswegs eine Vorausberechnung späterer, daraus folgender Zustände mit sich bringt. Die Variablen nun entstammen noch immer der klassischen Betrachtungsweise, dem klassischen Weltverständnis, aber das was gesagt wird, ist unklassische Wahrscheinlichkeit. Gehen wir nun noch einen Schritt weiter, so sehen wir, daß dieser Paradoxie noch eine weitere hinzugefügt wird. Das Ergebnis einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, wie etwa der Schrödingergleichung, ist eine statistische Verteilung. Das Ergebnis, das nicht genau festgelegt werden kann – deshalb die statistische Verteilung – bewegt sich innerhalb einer errechneten Probabilitätsamplitude. Ein von mir befragter Wissenschaftshistoriker und Physiker erläuterte die Einordnung eines solchen Ergebnisses in der Physik folgendermaßen: Phys: „Daß man das [die SchrödingerȀsche Wellengleichung, L. K.] berechnet, diese Wahrscheinlichkeit, die ist dann erst mal exakt gegeben. [...] Das ist deterministisch. Also man berechnet ja sozusagen Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Dinge. Die sind exakt berechnet aus einer deterministischen Gleichung. Das bedeutet natürlich nicht, daß dann auch deterministisch das Elektron in genau diesem Zustand ist, sondern das ist es nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Je nach Deutung der Quantenmechanik hat es dann unterschiedliche Auswirkungen was die Interpretation angeht. Aber zunächst einmal, diese Wahrscheinlichkeiten selbst sind exakt. Die gelten nicht nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit wiederum selbst. Das ist ein Punkt, wo tatsächlich viele Leute, die sozusagen nicht viel mit Quantenmechanik zu tun haben, erst mal verwirrt sind, würde ich sagen. Also die Schrödingergleichung an sich ist nicht anders als die, was weiß ich, Newtonsche Bewegungsgleichung oder so was. Nur die Interpretation dessen was dann raus kommt als Wahrscheinlichkeit führt dann zu anderen spannenden Dingen. [...] Die Wellenfunktion gibt exakt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei einer Messung bestimmte Ergebnisse rauskommen.“

Das Ergebnis der Schrödingergleichung, die statistische Verteilung, die die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der bestimmte Ereignisse eintreten werden, wird selbst als exaktes Ergebnis verstanden und definiert. Phys: „Aber zunächst einmal, diese Wahrscheinlichkeiten selbst sind exakt. Die gelten nicht nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit wiederum selbst.“ Durch die Definition einer statistischen Wahrscheinlichkeit als exaktes Ergebnis erfolgt systeminhärent wiederum die Einteilung nach der Basisunterscheidung der Mathematik in wahr/unwahr. Das exakte Ergebnis ist eine wahre Aussage. Selbst wenn ein noch

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so unwahrscheinlicher Fall eintreten würde wie das Tunneln2, wäre das Ergebnis noch immer wahr, so unwahrscheinlich es auch sei, da an beiden Enden der Wellenfunktion, die Wahrscheinlichkeitsdichte nicht Null ist. Soziologisch interessant ist in diesem Falle besonders, wie die Inhalte kommunikativ wieder ins System eingepaßt werden. Die Wahrscheinlichkeiten selbst gelten nicht mit einer Wahrscheinlichkeit, sondern sind exakt, also genau festlegbar. Dadurch wird die Aussage der Wahrscheinlichkeit wieder „entwahrscheinlicht“ und der Basisunterscheidung angepaßt, nach der im System differenziert wird. Man sieht hier ganz deutlich, daß – ob nun im System Religion im esoterischen Diskursfeld – nach dem Code immanent/transzendent, oder in den mathematischen Formulierungen der Quantenphysik nach wahrer/falscher Aussage, differenziert wird. Was beobachtet wird unterliegt auch stets einer Unterscheidung und wird so auch immer wieder unterschieden. Und so wie das Tunneln in esoterischer Lesart die potentielle Wahrscheinlichkeit bezeichnet, daß etwa Leute Begegnungen mit Verstorbenen haben können, so bezeichnet das Tunneln in der Quantenphysik ein mögliches Ergebnis der Schrödingergleichung, welches nicht Null ist. Die komplexe Gleichung mit ihren vielfältig potentiell möglichen Ergebnissen selbst als exaktes Ergebnis zu bezeichnen, zeigt den blinden Fleck in der mathematischen Theorie der Quantenphysik. Blinder Fleck meint hier die Paradoxie der Unterscheidung dessen, was nicht unterschieden werden kann. Im Falle der Schrödingergleichung müßte es auch eine falsche Aussage geben, wenn es ein exaktes Ergebnis, also eine wahre Aussage gibt. Zumal das unexakte Ergebnis der statistischen Verteilung paradoxerweise selbst als exaktes Ergebnis definiert wird. Da sich jedoch beide Enden der Gleichung asymptotisch an Null annähern, sie aber nie erreichen, ist theoretisch alles möglich, also alles Teil eines exakten Ergebnisses, was wiederum gegen die Basisunterscheidung rebellieren würde. Dem möglichen Ein2

Normalerweise bewegen sich Elektronen auf bestimmten Bahnen um den Kern mit niedrigster Energie. Dies wird als sogenannter Grundzustand bezeichnet. Erhalten die Elektronen eine Zustandsanregung, können sie ihre Bahn ändern. Mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit befinden sich nun Elektronen oder andere subatomare Teilchen auf bestimmten Bahnen, die voneinander durch sogenannte Potentialbarrieren getrennt sind. Da, bildlich gesprochen, die Wellengleichung nur gegen Null geht, sich also asymptotisch annähert aber die Null nie erreicht, besteht rein rechnerisch eine Wahrscheinlichkeit, die nicht Null ist, daß subatomare Teilchen eine Potentialbarriere trotzdem mit zu wenig Energie überwinden können (vgl. Lesch 2010: 1132; McMahon 2006: 88). Die Analogie hierfür wird Tunneln genannt. Das Teilchen „rutscht“ irgendwie doch durch die Barriere, obwohl beinahe unmöglich. Aber eben nur beinahe.

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spruch, daß dann das Konzept einer Basisunterscheidung falsch sei, kann damit widersprochen werden, daß der Physiker und Wissenschaftshistoriker das Ergebnis der Schrödingergleichung selbst wieder anhand dieser Differenzierung der folgenden Aussage einordnet: Phys: „Die Wellenfunktion gibt exakt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei einer Messung bestimmte Ergebnisse rauskommen.“ Die Quantenphysik bewegt sich noch immer in einem Spannungsverhältnis zwischen teilweise deterministischer Handhabung und indeterministischer Unbestimmtheit bezüglich ihrer Prognosefähigkeit. Diesbezüglich hat Schrödingers Kritik keineswegs an Aktualität eingebüßt. „Sie [die Quantenmechanik] entnimmt die ganze unendliche Musterkarte denkbarer Variablen oder Bestimmungsstücke unbedenklich dem klassischen Modell und erklärt jedes Stück für direkt meßbar, ja sogar mit beliebiger Genauigkeit meßbar, wenn es nur auf es allein ankommt.“ (Schrödinger 1935: 809; Hervorh. im Orig.)

Die verschiedenen Ansätze, um zunächst zur Historie zurückzukehren, führten bisweilen zu heftigen Diskussionen unter den Physikern. Heisenberg notiert, daß sich ihre Fragestellung mit der Zeit umkehrte. „Statt zu fragen: Wie kann man in dem inzwischen bekannten mathematischen Schema eine gegebene experimentelle Situation beschreiben? Stellte man die andere Frage: ist es vielleicht so, daß nur solche experimentellen Situationen überhaupt in der Natur vorkommen, die in dem mathematischen Formalismus der Quantentheorie auch ausgedrückt werden können?“ (Heisenberg 2006: 19f)

Hier zeichnet sich bereits das anthropische Prinzip ab, das später u.a. in der Multiversen-Debatte (vgl. Carr 2007) und besonders in der Kosmologie behandelt wird. Das anthropische Prinzip führt eine anthropozentrische Perspektive ein, um der Frage zu begegnen, weshalb gerade alles so ist, wie es ist, und zwar in Kenntnis, daß alle Werte auf kosmologischer Ebene genau so sein müssen, damit Sterne und mindestens ein bewohnbarer Planet entstehen können. Die starke anthropozentrische Sichtweise3 erklärt also das Vorhandensein der Welt retrospektiv in Verbindung mit Beobachtenden, uns Menschen. Die Welt ist so, wie sie ist, damit wir sie wahrnehmen und beobachten können (vgl. u.a. Ball 2004).

3

Vgl. Vaas 2004: 375. Zum starken und schwachen anthropischen Prinzip siehe ebenfalls Carr 2007.

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Die Wellenfunktion ψ und das Doppelspaltexperiment Ein sehr wichtiges Experiment in der Quantenmechanik ist, wie bereits erwähnt, das sogenannte Doppelspaltexperiment4. Darin werden die Welle-TeilchenDualität des Lichtes, die Kausalität und das anthropische Prinzip auf verschiedene Weise verhandelt. Das Doppelspaltexperiment, in kleinen Abwandlungen, hat seinen Ursprung in einem Gedankenexperiment. Zum ersten Mal brachte Einstein dieses Gedankenexperiment 1927 in einer Debatte mit Bohr mit einem weiteren zwischengeschalteten Spalt ins Spiel (vgl. Held 1999: 81 f.). Im Folgenden sei dies kurz geschildert: Es strömt aus einer Quelle Licht auf eine Photoplatte. Zwischen Lichtquelle und Photoplatte wird eine weitere Platte mit zwei parallelen Spalten geschoben. Die Photoplatte, auf der die Photonen auftreffen, zeigt eine Welle, ein Interferenzmuster. „This is a sequence of light and dark bands that are due to the way the separate light waves emerging from the two slits spread out, overlap and merge before hitting the back screen.“ (Al-Khalili 2004: 13) Daraus ergeben sich – je nach Interpretation – verschiedene Schlußfolgerungen. Eine Möglichkeit ist, daß die Photonen miteinander interferiert haben. Dies entspräche einer Wellennatur des Lichtes, da nur Wellen, nicht aber Teilchen miteinander interferieren können. Zum Vergleich kann man sich das bildlich in etwa so vorstellen als werfe man einen Stein ins Wasser. Um den Stein gibt es Wellenberge und Wellentäler. Wirft man zwei oder mehr Steine ins Wasser, interferieren ihre Wellen. Wo zwei Wellenberge aufeinander treffen, bildet sich ein noch höherer Wellenberg. Treffen ein Wellenberg und ein Wellental aufeinander, annihilieren sie sich. Auf der Photoplatte wird die Interferenz von Wellen ebenfalls sichtbar. „Where two wave crests (or troughs) meet they combine together to form a higher crest (or lower trough) that corresponds to more intense light and hence a bright band on the screen.“ (Al-Khalili 2004: 13) Werden jedoch einzelne Photonen nacheinander abgegeben, erfolgt nach geraumer Zeit ebenfalls die Abbildung eines Wellenmusters auf der Photoplatte. „When a single photon at a time is passing through the apparatus, what can be coming through the other slits to interfere with it?“ (Deutsch 1998: 43) Die Frage stellt sich nun, mit was das jeweils einzelne Photon5 interferiert haben könnte, um anschließend ein Interferenzmuster abzubilden. Das Dop4

Es gibt verschiedene Modifikationen des Doppelspaltexperimentes, bei dem abwechselnd die Spalte abgedeckt werden (vgl. z.B. Deutsch 1998) oder zusätzliche Wände eingefügt werden (vgl. z.B. Rebhan 2008: 465 f.). Siehe zum Doppelspaltexperiment auch Friebe et al. 2015, Osterhage 2014 sowie Rennert/Chassé/Hergert 2013.

5

Das Experiment ist prinzipiell auch mit anderen Elementarteilchen durchführbar.

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pelspaltexperiment wird auf vielfältige Weise interpretiert6 und im Jahr 1999 wurde es in Österreich mit Carbon-Molekülen durchgeführt (vgl. Hawking 2011: 81 ff.). Die Welle-Teilchen-Dualität des Lichtes und anderer subatomarer Teilchen, wie Elektronen, wird hier geradezu in ihrer Paradoxie eingefangen. Der lange Disput darüber, ob Licht nun wie eine Welle oder aus kleinsten Partikeln, Korpuskeln, bestehend gedacht werden sollte, zielt darauf ab, stets mitzudenken, was genau beobachtet wird. Werden Fragen bezüglich der Wellennatur gestellt, wird auch die Wellennatur sichtbar. Ebenso verhält es sich mit den Teilchen. Eine Paradoxie tritt nur dann auf, wenn dergestalt differenziert und in der Differenzierung das jeweils Andere ausgeschlossen wird. Seinen Ausdruck findet dies im Begriff der Welle-Teilchen-Dualität. Das EPR-Paradoxon und die Verschränkung Grundlage für das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon (EPR-Paradoxon) ist ein Gedankenexperiment, „das sich aber, von technischen Schwierigkeiten abgesehen, heute tatsächlich ausführen läßt“ (Held 1996: 9)7. War das EPR-Paradoxon 1927 noch ein reines und vorläufiges Gedankenexperiment, das Albert Einstein auf der Solvay-Konferenz vorbrachte (vgl. Barrett 2001: 41), erweiterte er es 1935 gemeinsam mit Boris Podolsky und Nathan Rosen, um auf die Unvollständigkeit der Quantentheorie hinzuweisen. „The basic argument was that since one can without in any way disturbing the state of a system (assuming that all disturbances are local) predict with certainty the value of a physical quantity that is not determined by the (pre-measurement) quantum-mechanical state, the quantum-mechanical state must be an incomplete description of the physical properties of the system.“ (Barrett 2001: 41 f.)

6

Deutsch („The Fabric of Reality“) und zahlreiche andere Physiker (u.a. im Sammelband „Universe or Multiverse“, Hrsg.: Bernard Carr) beschäftigen sich mit der ursprünglich von Hugh Everett entwickelten Multiversen-Theorie, bei der davon ausgegangen wird, daß die hiesigen einzelnen Photonen mit Photonen aus anderen Universen, sog. Parallel-Universen in einem Multiversum, interferiert haben. Des Weiteren gibt es u.a. noch die BohmȀsche Mechanik, die von verborgenen Variablen ausgeht, Quantum Correlates of Consciousness, bei der das beobachtende Bewußtsein als mit Photonen interferierend gedacht wird.

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Vgl. auch Näger/Stöckler 2015: 115 ff.

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Indem man nun – dem traditionellen physikalischen Weltbild entsprechend – Messungen vornimmt, ohne das System zu stören, erhält man einen bestimmten Wert einer physikalischen Entität, der nicht vom quantenphysikalischen Zustand abhängt. Störungen können in diesem Gedankenexperiment und in der klassischen Physik nur lokal auftreten. Um nun dem Vorwurf zu entgehen, die Quantenphysik sei unvollständig, bieten sich klassischem Verständnis nach, paradox erscheinende Lösungen an. Zunächst einmal stört jede Messung den quantenphysikalischen Zustand und in der Kopenhagener Deutung ist der Beobachter mit dem zu Beobachtenden verflochten. Störungen sollen dann nicht auf Lokalität beschränkt sein, sondern über riesige kosmologische Entfernungen wirken können, was man anschließend Verschränkung nennen wird. Die Quantenphysik, die als vollständig verstanden wird, operiert in unbeobachtbaren Zuständen. John Bell löste 1964 mit seiner BellȀschen Ungleichung die Sache mathematisch. In dieser wird das Paradoxon durch den Beobachter aufgelöst. Die Quantenphysik ist nichtlokal. Laut Held läßt sich das Experiment folgendermaßen beschreiben: Eine Maschine sendet Teilchen in entgegengesetzter Richtung aus. In sehr weiter Entfernung steht jeweils ein Apparat, der ihren Spin8 messen kann (vgl. Held 1996). „Immer wenn die Apparate beide auf die Größe A oder auf B eingestellt sind und eines der Teilchen mit dem Wert +1 gemessen wird, wird das andere mit -1 gemessen und umgekehrt.“ (Held 1996: 10) Das bedeutet nun, daß die beiden Teilchen als jeweils miteinander verbunden gedacht werden. Denn wenn der Spin des einen Teilchens seine Drehbewegung um die eigene Achse verändert, ändert sich instantan auch derjenige des weit entfernten anderen Teilchens. In der Quantenphysik spricht man deshalb von miteinander verschränkten Teilchen. Paradox ist an dieser Stelle der Widerspruch zum Alltagsverständnis sowie zu Einsteins Relativitätstheorie, nach der sich nichts schneller als Licht fortbewegen kann. Eine instantane Änderung des Spin bedeutet aber, daß keine Zeit vergangen ist zwischen der Änderung des Spin des einen Teilchens und der Änderung des sehr weit entfernten anderen Teilchens (vgl. Einstein/Infeld 2004: 189; Hasinger 2009: 43 f.). Die einzig vernünftige Erklärung laute nach Held, daß für beide Teilchen „eine gemeinsame Ursache für das Vorliegen dieser stets verknüpften Eigenschaften“ (Held 1996: 10) vorliege. Dadurch ordnet Held sie in das System der klassischen Physik ein, denn nach Audretsch sind „Eigenschaften (z.B. Energie) klassisch beschreibbarer physikalischer Systeme [...] diejenigen Größen, deren Wert man mit Sicherheit vor der entsprechenden Messung (z.B. Energiemes8

Es sei nochmals daran erinnert, daß Physiker mit dem Begriff Spin den Eigendrehimpuls von Teilchen bezeichnen (vgl. Lesch 2010: 666).

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sung) vorhersagen kann“ (Audretsch 2008: 38). In der Theorie ließe sich aber nur der Wert für eine der Größen angeben. „Es scheint also, als sei die Quantenmechanik eine unvollständige Beschreibung der wirklichen Vorgänge.“ (Held 1996: 10) Wie bereits an anderer Stelle notiert, verläuft ein Graben in der Quantenphysik zwischen denjenigen, die sie für unvollständig halten und denen, die ihr lediglich probabilistische Vorhersagen zuschreiben. Es gab verschiedene Versuche, das EPR-Paradoxon aufzulösen. „Beim EPR-Experiment macht es nach Bohr keinen Sinn, den auseinanderfliegenden Teilchen, bzw. Photonen eine voneinander unabhängige Realität zuzuschreiben, bevor an beiden eine Messung durchgeführt wurde, ganz unabhängig von ihrer Entfernung. [...] Da Ort und Impuls prinzipiell nicht gleichzeitig genau meßbar sind, gebe es keine gleichzeitig existierenden Elemente der Realität, denen sie entsprechen.“ (Rebhan 2008: 492)

Die Paradoxie des EPR-Paradoxons trifft gerade zu, weil sie nicht zutrifft. Während einerseits keine instantane Reaktion auf etwas, kein Informationsaustausch schneller als Licht vonstatten gehen kann, trifft dies in diesem Fall aber gerade zu. Das System der beiden sehr weit voneinander entfernten und miteinander verschränkten Teilchen ist aufeinander angewiesen und kann aber ebenso nicht aufeinander angewiesen sein. Diese Paradoxie ist jedoch nur eine in klassischer Betrachtungsweise. Indem die Quantenphysik sich von der klassischen Physik in zahlreichen Punkten abkehrt, nicht-klassisch wird, werden diese Paradoxien in einen neuen quantenphysikalischen Kontext gerückt und erhalten dadurch eine Legitimation. „P(.)[aradoxie]n sind nun nicht zu vermeiden, man muß mit ihnen leben; oder: obwohl sie allgegenwärtig sind, blockieren sie nicht [...] Operationen von Systemen. Da sie nicht umgehbar sind, kommt es darauf an, mit ihnen umzugehen, sie fruchtbar zu machen.“ (Krause 2005: 205)

Viele (Gedanken-)Experimente und Interpretationen der Quantenphysik sind nicht anschlußfähig an die klassische Physik. Indem man sich aber von traditionellen Begriffen und Auffassungen wie Lokalität oder Kausalität entfernt und neue Zusammenhänge in der Quantenwelt schafft, die oft entgegen dem Alltagsverständnis oder den klassischen physikalischen Theorien funktionieren sollen, werden die Anschlußfähigkeiten in Bezug auf philosophische und religiöse Fragen erhöht. Gerade die Quantenphysik eignet sich mit ihren paradoxen und der klassischen Physik oft widersprechenden Theoremen hervorragend dazu, an Philosophie und Religion angegliedert zu werden.

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„Wird nun der hier vertretenen These zugestimmt, daß Quantenwahrscheinlichkeiten die Irreduzibilität der Erste-Person-Perspektive und somit nicht die völlige Unkontrollierbarkeit von Naturvorgängen, sondern eine gewisse Freiheit der Natur selbst offenbaren, wären Evolutionstheorie und Gotteshypothese kompatibel, wenn diese Freiheit Leid und Übel aufwiegt und dennoch mit der Schöpfungsidee vereinbar ist.“ (Ijjas 2011: 196 f.)

Der Indeterminismus der Quantenphysik erhält hier einen doppelten Status. Den des Naturgesetzes, das in sich Sinn macht und einen gottgewollten teleologischen. Ziel wäre dann eine kontingente Weltentwicklung, die auch hätte anders, aber nicht völlig unkontrolliert anders ablaufen können. Ziel wäre dann auch eine menschliche Freiheit, die sich geradezu aus der Freiheit der Natur, als indeterminiert bei aller Freiheit zur moralisch richtigen Entscheidung offenbarte. Der Indeterminismus in der Quantenphysik erlaubt nun auch, zu folgendem Schluß zu gelangen: „Wenn Gott eine Welt mit freien Wesen erschaffen will, die sich allmählich aus unbewußten Lebensformen herausbilden, muß er eine Welt erschaffen, die indeterministischen Gesetzen funktioniert.“ (Ijjas 2011: 199) Es hätte aber auch ein völlig anderer Schluß gezogen werden können. (Gerade durch diese multiplen Möglichkeiten zeichnet sich die Quantenphysik explizit aus.) Nichtlokalität Die „Verschränkung“ von subatomaren Partikeln über eine weite Distanz wird mit der quantenphysikalischen Eigenschaft Nichtlokalität bezeichnet. Unter Verschränkung versteht man, allgemein gesprochen, die Verbindung von Zuständen eines Mehrteilchensystems, wie z.B. Photonen. Der Spin, also die Eigenrotation, von miteinander verschränkten Teilchen verläuft immer gegensätzlich. Das bedeutet, wiederum vereinfacht gesprochen, wenn das eine Teilchen sich in einer Spin-up-Bewegung befindet, hat das verschränkte Teilchen automatisch den Spin down. Ein wenig abseits der Alltagslogik bedeutet es aber, daß sich die Teilchen – so lange ihr Zustand nicht gemessen wird, und sie deswegen nicht auf ihn festgelegt werden währenddessen in einer Superposition von Zuständen befinden. Kollaps der Wellenfunktion bezeichnet in der Kopenhagener Deutung die Festlegung des Zustandes durch die Messung. Dadurch kollabiert quasi die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen an einem bestimmten Ort anzutreffen in einen tatsächlichen Zustand (vgl. Osterhage 2014: 142). Sie könnten einen Spin nach oben oder einen nach unten haben. Hätte das erste Teilchen a 1 einen Spin up, symbolisiert durch den Pfeil nach oben, dann hätte das mit ihm verschränkte Teilchen a 2 automatisch den Spin down und vice versa. Wären die miteinander

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verschränkten Teilchen auch noch sehr weit voneinander entfernt, so hat die Verschränkung haarsträubende Folgen für die spezielle Relativitätstheorie. In dieser Hinsicht widerspricht ihr die Verschränkung. Denn sie besagt, daß bei der Änderung des Spins eines Teilchens, z.B. durch ein Magnetfeld, die Veränderung des Spins des anderen Teilchens instantan erfolgt, also im selben Augenblick. Damit würde diese Information schneller als das Licht vermittelt. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten mit der Problematik dieses Widerspruchs umzugehen. Entweder Teile der Quantenphysik stimmen nicht, oder die spezielle Relativitätstheorie, die jedoch im makroskopischen Bereich hinreichend ausgetestet worden ist, stimmt nicht, oder Mikro- und Makrokosmos folgen nicht (immer) denselben Gesetzmäßigkeiten, was gegensätzlich zur bisherigen Annahme der Naturwissenschaften und wie die Welt im Allgemeinen funktioniere, steht. Nichtlokalität ist eine notwendige Schlußfolgerung, wenn man die Quantenphysik aufrechterhalten möchte. Ist dies der Fall, muß man die Randbedingungen dergestalt anpassen, daß entweder der Begriff der Kausalität verabschiedet werden muß oder der Begriff der Lokalität. Egal wo und wie weit entfernt voneinander sich zwei verschränkte Teilchen befinden, stehen ihre Spins dennoch in Verbindung. Dies widerspricht, wie bereits erwähnt, der speziellen Relativitätstheorie. Kausalitätskonzepte greifen hier nicht mehr, auch wenn diese lediglich der probabilistischen Wellenfunktion zugeschrieben werden (vgl. ebd.). „If one assumes that all physical interactions are local (something that Einstein seems to have associated with the correctness of relativity), then one`s measurement that A could in no way have disturbed the state of the particle at B, so there must have been an objectively real, determinate value for the x-spin of B all along, even before our measurement of A. [...] Consequently, there must exist elements of physical reality that are not specified by the standard quantum-mechanical description, which means that it provides only an incomplete description of the real physical world (or quantum-mechanics is nonlocal and thus, on Einstein`s view, somehow incompatible with relativity.“ (Barrett 2001: 42; Hervorh. im Orig.)

Unter der Annahme, alle physikalischen Interaktionen seien lokal, könnte der Spin eines Teilchens keinen instantanen Einfluß auf den eines sehr weit entfernten anderen Teilchens haben. Angenommen, Partikel A befände sich in der Andromeda-Galaxie und Partikel B hier auf der Erde, dann müßte die Information der Veränderung des Spins von Partikel A laut Relativitätstheorie einige Zeit in Anspruch nehmen, um zu Partikel B hier auf der Erde zu gelangen und diesen zu einer Veränderung auch seines Spins veranlassen. Dies ist aber nicht der Fall.

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Die Veränderung der beiden Spins von Partikel A und Partikel B erfolgt zeitgleich instantan. Wenn man das Konzept der Lokalität aufrechterhalten möchte, wäre die Quantenphysik unvollständig. Diese Ansicht vertrat Einstein mit Podolsky und Rosen. Falls man der Quantenphysik jedoch eine Vollständigkeit zugesteht, müßte sie demzufolge non-lokal sein und auch inkompatibel mit der speziellen Relativitätstheorie, die ja gerade besagt, daß sich nichts schneller als Licht fortbewegen kann. Barrett konstatiert an dieser Stelle das Vorhandensein physikalischer Elemente, die nicht mit der Standard-Beschreibung der Quantenphysik, gemeint ist hier die Kopenhagener Deutung, spezifiziert werden können. Deshalb sei die Quantenphysik unvollständig oder, aufgrund der Nichtlokalität, inkompatibel mit Einsteins spezieller Relativitätstheorie (vgl. ebd.). Geht man einen Schritt weiter über den Widerspruch zur speziellen Relativitätstheorie und der Lichtgeschwindigkeit als Naturkonstante hinaus, bricht Nichtlokalität darüber hinaus mit einer weiteren zentralen Annahme der speziellen Relativitätstheorie, der Abhängigkeit der Bewegung von der des beobachtenden Bezugssystems. Das Prinzip der Verschränkung bedeutet eine Abkehr von der klassischen Kausalität, als realistisches oder a priori Ursache-Wirkungsprinzip hin zu einem neopositivistischen Verständnis von Kausalität als reinem Wahrscheinlichkeitsgesetz. Vorstellungen über quantenphysikalische Vorgänge klingen metaphysisch. Gerade die statistische Deutung öffnet die Tür für Kontingenz, und schreibt dieser sogar quantenphysikalisch eine Teleologie zu. Je nach Fokussierung und Kontextualisierung sind bestimmte Dinge miteinander verbunden. Es scheint so, als weite sich der Blick für mögliche Interkonnektionen – je nach dem Kontext der entsprechenden Interpretation. „Neste sentido [Niklas Luhmann; L. K.], não parte da ideia de unidade, mas de diferença. Busca na ideia de complexidade a superação de relação causa-efeito, do conceito, caro aos clássicos, de totalidade, argumenta a favor da fragmentação, da lógica do indivíduo e de sua ação, passa à análise da comunicação e sistema, e finalmente, da dualidade sujeito/objeto oportuna, por sua vez, à diferença sistema/entorno (Neves & Samios).“ (Zit. nach Eckert et al. 2006: 190)9 9

“In this case, [Niklas Luhmann; L. K.] does not start from the idea of unity, but from difference. He intends to overcome the relationship between cause and effect through the idea of complexity. Regarding the concept of totality, that has been so dear to the classics, he argues in favour of fragmentation. Niklas Luhmann goes from the logic of the individual and his/her actions to the analysis of communication and system. Lastly, he goes beyond the duality of subject/object to the difference between system and

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Luhmann suche nach einer Idee der Komplexität, die die Relation von Ursache und Wirkung überwindet, ein Konzept, welches den Klassikern so teuer gewesen sei. Argumente zugunsten einer Fragmentierung, und letzten Endes der Differenz von System und Umwelt, sollen den alten Kausalitätsbegriff ablösen. „Systemtheoretisch ist K[ausalität][.] kein zu erkennender Sachverhalt einer als bestehend vorauszusetzenden Außenwelt, sondern eine beobachtungsabhängige Konstruktion [...]. Bei K[ausalität][.] handelt es sich stets um eine operativ eingesetzte Komplexitätsreduktion“. (Krause: 2005: 171) Mit diesem theoriegeleiteten Analyseinstrument, das keineswegs darauf beschränkt werden soll, lassen sich gerade Operationen und Kommunikationen innerhalb der Quantenphysik genauer unter die Lupe nehmen. Denn auch dort verliert der alte Kausalitätsbegriff immer mehr an Wirkung. Nichtlokalität in der Quantenphysik ist eine hilfsweise Erklärung für Vorgänge, die im bisherigen System noch keinen Sinn machen. Was wir hier erkennen können ist wie in der Quantenphysik, die sich selbst den harten Naturwissenschaften zurechnet, mit logischen Widerständen umgegangen wird. Um das Gebäude der Quantenphysik weiterhin aufrecht erhalten zu können, werden Elemente, die im Grunde genommen systemimmanent für die Naturwissenschaft Physik sind, wie Lokalität, Kausalität, etc., ausgetauscht durch neue Elemente, die ihrer Logik nach eher aus der Philosophie oder dem System Religion kommen. Die Handlungsfreiheit so zu operieren, erhält das Teilsystem Quantenphysik durch seinen Ausnahmecharakter. Superposition Superposition meint einerseits die wellenartige Überlagerung verschiedener Zustände. Erst wenn gemessen wird, verwandelt sich die Superposition als Möglichkeit von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten in einen definitiven Aufenthaltsort. Epistemisch könnte es sich aber auch einfach um ein Nicht-Wissen-Können handeln. Ontologisch betrachtet bestünde darüber hinaus noch die Möglichkeit, daß erst mit der Messung der Ort nicht nur dem Wissen zugänglich, sondern überhaupt erst zum Ort wird (vgl. Friebe et al. 2015). Spätestens beim Doppelspaltexperiment taucht der Begriff Superposition auf, bei dem einer Interpretation nach ein Teilchen so gedacht wird, daß es durch beide Spalte wandern kann, um am anderen Ende das Interferenz-Muster zu ergeben. Hier sei an das veranschaulichende Beispiel von Schrödingers Katze erinnert, das in Kapitel 2 bereits geschildert wurde, um sich die Widersprüchlichkeit zwischen Quantenphysik und klassischer Physik vor Augen zu führen. In diesem environment (Neves & Samios).” (Zit. nach Eckert et al. 2006: 190) [Eigene Übersetzung; L. K.]

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Gedankenexperiment wird eine Katze in einer Schachtel gedacht, in welcher sich ebenfalls ein radioaktiver Stoff befindet, der jederzeit zerfallen und die Katze töten kann. Sie befindet sich, so lange nicht nachgesehen wird, im Zustand der Superposition. Sie ist tot und lebendig zugleich. Das anschauliche und vielzitierte Beispiel von Schrödinger (Schrödinger 1935: 9) „Das Superpositionsprinzip impliziert zwei sehr allgemeine Merkmale der Quantentheorie. Das eine Merkmal besteht darin, daß es unmöglich geworden ist, sich den Ablauf des physikalischen Geschehens bildlich vorzustellen. Da wir in einer (klassischen Gesetzen gehorchenden) Alltagswelt leben, können wir uns einfach nicht vorstellen, daß ein unteilbares Teilchen sich gleichzeitig durch zwei Spalte bewegt. Das andere Merkmal der Quantentheorie besteht darin, daß sich nicht mehr genau vorhersagen läßt, was geschehen wird, 10

wenn wir eine bestimmte Beobachtung machen.“ (Polkinghorne 2006: 44)

An dieser Stelle darf wieder an die bildliche Analogie mit den in einen Teich geworfenen Steinen erinnert werden. Die Überlagerung von Zuständen ist eine Welleneigenschaft. Denkt man aber an die Überlagerung von Teilchenzuständen selbst, tritt ein Widerspruch zur klassischen Physik auf. Neben der Ansicht, daß die Quantenphysik durch unintuitives, nicht-klassisches „Verhalten“ auszeichnet, ist auch wichtig, was beobachtet wird. Wenn Welleneigenschaften beobachtet werden, ist im Umkehrschluß zuvor nach Welleneigenschaften gefragt worden. Wenn Teilcheneigenschaften auftreten, wurden auch diese beobachtet. Während der Beobachtung kollabiert die Wellenfunktion und wird in einen Zustand fixiert. Aus zahlreichen Möglichkeiten hat sich, durch die Beobachtung – die Superposition ist eng mit dem Beobachtereffekt verbunden – ein Zustand „realisiert“. Der Begriff der Superposition beinhaltet ebenfalls Kontingenz. Diese ist auch hier systemstiftend und leistet einen Beitrag zum „Mysterium Quantenphysik“. Der Kollaps der Wellenfunktion wird durch die Vielzahl von Möglichkeitsbedingungen, die sich dem Blick entziehen und dem anschließenden Blick auf etwas Bestimmtes, erst herbeigeführt.

10 John Polkinghorne war ursprünglich Professor der mathematischen Physik, der jahrelang einen Lehrstuhl in Cambridge innehatte, bevor er sich 1982 zum anglikanischen Priester ausbilden und weihen ließ. Polkinghorne kann dem New Age zugerechnet werden. Er verbindet die Quantenphysik mit dem Glauben. Gleichzeitig kann er unter den von mir hier verwendeten Begriff Esoterik als Diskursfeld, das sich mit der „verborgenen Wissenschaft“ Quantenphysik religiös beschäftigt, gefaßt werden. New Age umfaßt die Verbindung von zahlreichen wissenschaftlichen Bereichen mit religiösspiritueller Weltsicht, und nimmt ihren Anfang in den 1970er Jahren.

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I NTERPRETATIONEN Im Folgenden wird nur ein fragmentarischer, kurzer Überblick über einige Interpretationen der Quantenphysik gegeben. Die Deutung, deren einzelne Aussagen auch außerhalb des Wissenschaftsbereiches am meisten rezipiert werden ist die Kopenhagener Deutung. Auf sie wird später hauptsächlich eingegangen werden. Die folgenden Interpretationen sollen nur als kurzer Überblick über darüber hinaus noch existierenden Deutungen verstanden werden. „Interpretationsversuche der Quantenmechanik sind (Re-)Formulierungen des soeben dargestellten quantenmechanischen Formalismus; dennoch handelt es sich nicht um identische Theorien. Denn obwohl sämtliche Reformulierungen von denselben empirischen Fakten ausgehen und eine theoretische Erfassung derselben Meßergebnisse anstreben, legen sie gleichzeitig völlig unterschiedliche Wirklichkeitsbilder nahe.“ (Ijjas 2011: 59)

Die Kopenhagener Deutung In der Kopenhagener Deutung, ehemals um Bohr und Heisenberg entwickelt, wird davon ausgegangen, daß (beim Doppelspaltexperiment) ein sog. Kollaps der Wellenfunktion stattfindet, wenn beobachtet wird. Das Doppelspaltexperiment wurde bereits (in Kapitel 2.1 b.) näher erläutert. Unter Beobachtung versteht man in diesem Falle jegliche Aufzeichnung, bzw. Einschaltung eines Meßgerätes, sowie das tatsächliche Beobachten, bei dem ein Photonenaustausch stattfindet. Bevor gemessen oder beobachtet wird, befinden sich die Photonen noch in einer Superposition. Das bedeutet, daß sie theoretisch gleichzeitig an mehreren Stellen angetroffen werden könnten. Aber der Moment der Messung „zwingt“ sie quasi dazu, eine tatsächliche Position einzunehmen. Es erfolgt damit eine sog. Zustandsreduktion. Die Kopenhagener Deutung oder Interpretation bezeichnet kein festes Forschungsprogramm, sondern spiegelt eine Vielzahl von Varianten, die einander zum Teil widersprechen (vgl. Ijjas 2011). Dementsprechend gibt es auch unterschiedliche Einordnungen der entsprechenden Physiker.11 Heisenberg setzt der Physik mit seiner Unschärferelation epistemologische

11 Vgl. hierzu Ijjas 2011; al-Khalili 2004; und Friebe et al 2015. Interessant ist an dieser Stelle auch ein Blick auf Schrödingers Antwort (Schrödinger 1935) auf die HeisenbergȀsche Unschärferelation sowie Poppers (Popper 1979, 1966) und Bunges (Bunge 1979) Auseinandersetzung mit der Kopenhagener Interpretation. „To say the least, it is hasty to proclaim the failure of determinism on the bare ground that it is not possible to gather all the information that is needed to test the causal principle in a particu-

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Grenzen. Man kann demnach nicht gleichzeitig Ort und Impuls eines Teilchens fixieren, sondern mit der jeweiligen Annäherung an den einen Wert verschwimmt der andere (vgl. Heisenberg 1970 und 2006; Friebe et al 2015; Bunge 1979). Einstein, Podolsky und Rosen widersprachen gemeinsam mit ihrem EPRParadoxon12 der Kopenhagener Deutung, und Einsteins Ausspruch: „Gott würfelt nicht“ ist vermutlich aufs engste mit der Problematik der Kopenhagener Deutung verknüpft. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Kopenhagener Interpretation des Doppelspaltexperiments folgende Paradoxa umfaßt: Zunächst einmal wird der Streit darum, ob es sich bei Licht um eine Welle oder um Teilchen handelt derart „entschieden“, daß von einer Welle-TeilchenDualität ausgegangen wird. Es komme darauf an, welche Fragen gestellt würden. Bei Wellenfragen erhalte man Wellenantworten, bei Teilchenfragen Teilchenantworten. Eng verknüpft ist dieser Umstand mit der Problematik, durch welchen Spalt die Sache wandert. Darüber läßt sich ebenfalls keine eindeutige Vorab-Antwort finden, da sich die Sache – Welle oder Teilchen – in einer Superposition befindet; also theoretisch an vielen Stellen gleichzeitig, bis nachgesehen und damit der Kollaps der Wellenfunktion ausgelöst wird, der über die Zustandsreduktion die Superposition aufhebt und auf einen Ort festlegt. Und wieder ist der Grund hierfür der menschliche Beobachter. Die Kopenhagener Deutung kann somit als eine durch und durch anthropozentrische Interpretation des Doppelspaltexperiments, und in Folge auch von Physik und Welt gelesen werden. Dreh- und Angelpunkt ist immer der Meßvorgang, ist schließlich immer der Beobachter. Dies wirft zwangsläufig ontologische, epistemologische und – wie Ijjas sie behandelt – theologische Fragestellungen auf. Die Kopenhagener Interpretation als Standard-Interpretation der lar domain (such as atomic physics). On the erroneous equations Determinism = Causality (ontological narrowness) and Causality = Predictability (anthropomorphic conceit) can be made the ground of indeterminism. Uncertainty in knowledge is far from being the unequivocal sign of physical indeterminacy or haziness. Moreover, the empirical indeterminacy characterizing the usual interpretation of the quantum theory is a consequence of its idealistic presuppositions regarding the nonexistence of autonomous physical objects.“ (Bunge 1979: 328) „In fact, it was Louis de Broglie who came up with the first serious alternative to the Copenhagen view. He called it his ‘principle of the double solution’, implying a synthesis of the wave and particle aspects of matter which he had proposed. The Solvay conference at Brussels in 1927 represents one of the landmark events in the development of quantum mechanics.“ (Al-Khalili 2004: 141) 12 Später wird näher auf das EPR-Paradoxon eingegangen.

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Quantenphysik offeriert hier, wie man nachvollziehen kann, zahlreiche Anschlußmöglichkeiten in Richtung Philosophie und Religion. Es ist nicht nur aus der Perspektive des Systems Religion daran religiös, theologisch und esoterisch anzuschließen, sondern es ist ebenfalls logisch aus der Perspektive des Teilsystems Quantenphysik selbst. Die BohmȀsche Mechanik David Bohm interpretierte die Psi-Funktion als reale Führungswelle (vgl. Forstner 2008: 371) und nicht als statistisches Meßergebnis. In seinem zweiteiligen 1952 erschienenen Aufsatz A suggested Interpretation of the Quantum Theory in Terms of „Hidden Variables“. I und II kritisiert Bohm an der Kopenhagener Deutung, diese sei „self-consistent“ (Bohm 1952: 166) und die Annahmen, die man treffen müßte, könnten nicht experimentell getestet werden (vgl. ebd.). Deshalb führte Bohm sog. verborgene Variablen ein, die zu denselben Ergebnissen wie die Kopenhagener Deutung führen, würde die mathematische Theorie ihre Form beibehalten, aber im Gegensatz zur Standard-Deutung zu einer präzisen Beschreibung der Quantenprozesse führen würde (vgl. ebd.). Mit seiner Forderung, präzise, rationale und objektive Beschreibungen auch auf der Ebene der Quantenphysik, im mikrokosmischen Level einzufordern, stieß Bohm auf erheblichen Widerstand (vgl. Forstner 2008). Mit den verborgenen Variablen umschiffte Bohm auch ein Kern-Paradoxon der Quantenphysik, die HeisenbergȀsche Unschärferelation. „This limitation is not, however, inherent in the conceptual structure of our interpretation. We shall see, for example, that simultaneous measurements of position and momentum having unlimited precision could in principle be possible if, as suggested in the previous paper, the mathematical formulation of the quantum theory needs to be modified at very short distances in certain ways that are consistent with our interpretation but not with the usual interpretation.“ (Bohm 1952: 180)

Mithilfe seiner verborgenen Variablen versuchte David Bohm die Quantenphysik wieder in den Bereich der klassischen Physik zurückzuholen, der klassischen Gesetzmäßigkeiten folgt. Die Vehemenz, mit welcher gerade die nichtklassischen Elemente der Quantenphysik verteidigt wurden, ist in mehrfacher Hinsicht überaus interessant. Wurde und wird doch die Quantenphysik ja gerade darüber definiert, daß sie eben nicht den Gesetzmäßigkeiten klassischer Physik folgt. An diesen Mythos schließt Niels Bohrs Ausspruch geradezu an, wenn er

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behauptet, wen die Quantentheorie nicht entsetze, der habe sie nicht verstanden (vgl. Ingold 2002). Bohm hatte sich seine Grundlagen hauptsächlich selbst angeeignet und seine kreative, freie Arbeitsweise stieß sich an dem pragmatischen Geist, dem die Forschung in den USA zu seiner Zeit unterlag (vgl. Forstner 2008). Bohms Weltbild war dialektisch-materialistisch, beeinflußt durch den dialektischen Materialismus, was sich u.a. neben der zeitweisen Teilnahme an der Kommunistischen Partei durchaus als Problem für einen Physiker herausstellte, der am Manhattan Project mitarbeitete (vgl. ebd.). Wobei man Bohm, aufgrund des fehlenden Klassenbegriffs, nicht als „Marxist“ bezeichnen könne, sondern „vielmehr als einen philosophisch geprägten dialektischen Materialisten“ (Forstner 2008: 386). Im Jahr 1949, ein Jahr nach der Verlängerung seiner Professur in Princeton wurde Bohm zu einer Befragung anläßlich eines Spionagefalles vor das Committee on Unamerican Activities geladen (vgl. Forstner 2008: 377). Dort mußten David Bohm, der Bruder seines ehemaligen Doktorvaters, Frank Oppenheimer und der ehemalige Student J. Robert Oppenheimers, Giovanni Rossi Lomanitz, sowohl über ihre eigene Mitgliedschaft bei der Kommunistischen Partei, als auch über die ehemaliger Mitstudenten aussagen. Sie verweigerten die Aussage über andere und gaben nur Informationen über ihre eigene ehemalige Mitgliedschaft an, was dazu führte, daß Frank Oppenheimer bereits eine Stunde nach der Anhörung seine Stelle als Assistenzprofessor an der Universität von Minnesota verlor. Lomanitz büßte seine Stelle einen Tag später ein (vgl. Wang 1999). Obwohl die Anklage der Spionage gegen Bohm 1951 fallen gelassen und seine damit verbundene Suspendierung der Universität Princeton aufgehoben wurde, hat man seinen Vertrag nicht weiter verlängert (vgl. Wang 1999). Mit der fortwährenden räumlichen Isolation des Wissenschaftlers, seiner Emigration nach Brasilien an die Universität São Paulo und der Einbehaltung seines amerikanischen Passes, begann seine schleichende Isolation von der Academic Community Nordamerikas (vgl. Forstner 2008 und Olwell 1999). Bohm kritisierte den pragmatischen Ansatz der Quantenphysik, der zu dieser Zeit in den USA herrschte, sowie die Überbetonung der Mathematik in der Physik. Es mißfiel Bohm ebenso, daß immer weiter darauf verzichtet wurde, diese mathematischen Größen physikalisch zu verstehen (vgl. Forstner 2008: 376). „Die Angst Paulis vor Bohms Einfluß auf junge Studenten macht deutlich, daß der eigentliche Gegenstand der Debatte um die versteckten Variablen die Verteidigung einer etablierten Theorie durch ihre Protagonisten war.“ (Forstner 2008: 390) Seine dialektisch-materialistische Auffassung entwickelte sich über die Zeit in eine holistische Weltanschauung, die seine Arbeiten beeinflußte. Er-

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kennbar wird dies bereits in seinem Fachbuch über Quantentheorie, in welchem er den Weg von der klassischen Physik zur Quantenphysik nachzeichnet, um einen radikalen Wechsel bezüglich der physikalischen Konzepte zu formulieren (vgl. Bohm 1989). „The new theory to which we are led represents, however, not only a far-reaching change in the content of scientific knowledge, but also an even more radical change in the fundamental concepts, in terms of which such knowledge is to be expressed. The three principal changes in these concepts are: Replacement of the notion of continuous trajectory by that of indivisible transitions. Replacement of the concept of complete determinism by that of causality as a statistical trend. Replacement of the assumption that the world can be analyzed correctly into distinct parts, each having a fixed „intrinsic“ nature (for instance, wave or particle), by the idea that the world is an indivisible whole in which parts appear as abstractions or approximations, valid only in the classical limit.“ (Bohm 1989: 144)

Kontinuierliche Bewegungsabläufe versteht Bohm als nicht zu unterteilende Übergänge, und Kausalität von Determinismus zu trennen erinnert u.a. sehr an Bunge (vgl. Bunge 1979). Bohms holistischer Ansatz tritt deutlich in seinem dritten Punkt hervor, der davon ausgeht, daß die Welt nicht in unterschiedliche Teile separiert und analysiert werden könne, sondern als Ganzes funktioniere und zusammenhänge. Teile davon, wie etwa ein Materieteilchen, Individuen, etc., werden dabei lediglich als Näherungen verstanden. Bohms Ansatz möchte die Quantenphysik und die spezielle Relativitätstheorie, die einander in zahlreichen Punkten widersprechen,13 in eine umfassendere Theorie einbetten (vgl. Bohm 2002).

13 In der Quantenphysik gibt es sog. Quantensprünge, während die Relativitätstheorie konsistent ist, es gibt dort keine Sprünge. Die Lichtgeschwindigkeit wird in der speziellen Relativitätstheorie als Naturkonstante verstanden, die gleichzeitig die maximale Obergrenze für alle Geschwindigkeiten ist. In der Quantenphysik wurde mit der Problematik, daß ein Impuls sich theoretisch schneller als mit Lichtgeschwindigkeit durch subatomare Teilchen bewegen könnte derart umgegangen, daß diese Teilchen als punktförmig und ohne Ruhemasse verstanden werden, um nicht mehr der Relativitätstheorie zu widersprechen (vgl. Bohm 1989; Lesch 2010).

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Große Auswirkungen auf diesen späteren Bohm hatte Jiddu Krishnamurti14, ein indischer Philosoph und religiöser Lehrer, der u.a. sehr großen Einfluß auf die Theosophische Gesellschaft hatte, deren deutscher Generalsekretär Rudolf Steiner war (von Stuckrad 2004: 209), bevor dieser sich später abspaltete und die Anthroposophische Gesellschaft gründete (vgl. von Stuckrad 2004). Interessant sind in diesem Zusammenhang verschiedene Diskussionsrunden auf Youtube, in denen David Bohm mit Rupert Sheldrake, Jiddu Krishnamurti, Francisco Varela und dem Dalai Lama teilgenommen hat, und in welchen zahlreiche holistische Gedanken in Verbindung mit Wissenschaft expliziert wurden (a. a. O.). Während Krishnamurti das Selbst als größtes Hindernis der Menschheit verstand (vgl. Krishnamurti/Bohm 1986), liest sich bei Bohm die Auflösung des Selbst als eine Auflösung des Materiegedankens in ein unteilbares Universum mit Feldern (vgl. Bohm 2002), das einer impliziten Ordnung unterliege. Forstner macht „die Entfernung vom Denkstil der Community“ (Forstner 2008: 393) in der Hauptsache für die Ausgrenzung seiner Theorie verantwortlich. Diese in erster Linie geographische und anschließend auch intellektuelle Trennung von der Community brachte Bohm schließlich dazu, eine distanzierte Analyse von Problemen in der Quantenphysik vorzunehmen und bestimmte Probleme als solche zu benennen, und darüber hinaus sich mit völlig anderen Fragestellungen an diese Probleme anzunähern (vgl. Forstner 2008). Bohm eröffnet spätestens mit seinem holistischen Ansatz (vgl. gemeinsam mit Peat 1987) einen neuen paradigmatischen Ansatz im Sinne Kuhns (vgl. Kuhn 1996), der nicht nur das gesamte physikalische Weltbild, sondern ebenfalls die Relationen der bisher untersuchten Gegenstände verändert (vgl. hierzu Pylkkänen 2007).

14 Krishnamurti, Übersetzung: Verkörperung/Personifikation/Erscheinung des Krishna (vgl.spokensanskrit.de) wurde schon als Kind in die Theosophische Gesellschaft eingeführt und auf seine Rolle als Reinkarnation des Buddha Maitreya, als spiritueller Lehrer vorbereitet (vgl. Von Stuckrad 2004: 214 f.). Krishnamurti distanzierte sich nach dem Tod seines ebenfalls mit ihm nach England gebrachten Bruders immer mehr von der Theosophischen Gesellschaft und propagierte infolgedessen u.a. das Ideal eines freien Menschen, dessen Weg nur individuell und frei zu einer religiösen Wahrheit führen könne (vgl. ebd.).

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Die Multiversen-Theorie von Hugh Everett Es liegt nahe, Hugh Everett III als eine tragische Figur zu interpretieren. Sein Leben war gezeichnet von einer psychischen Krankheit, die seinen wissenschaftlichen Ruf stark beschädigt hat, und seine Theorie auch noch ein halbes Jahrhundert danach in eine schattige Ecke rückt. 1957 veröffentlichte Everett seine PhD-These als Lösung zum Meßproblem der Quantenphysik. Er bewies, daß es mathematisch konsistent sei, den Meßprozeß eines atomaren Teilchens als eine Aufspaltung in unzählige Kopien seiner selbst zu interpretieren (vgl. Byrne 2010: 5). Äußerst signifikant ist hier die Rolle des mathematischen Beweises. Ein kurzer parenthetischer Einschub legt hier den Fokus auf die historische Veränderung der Rolle der Mathematik. Die Entwicklung der Motivation Mathematik zu betreiben könnte kurz zusammengefaßt werden als ursprüngliche Suche nach einer der Welt innewohnenden Wahrheit bis hin zum reinen Formelspiel im Formalismus. Von einer ursprünglich (geometrischen) Abbildung einer als Realität gedachten und mit Ontologie angefüllten Welt bei Platon und Pythagoras erweiterte sich die Mathematik dahingehend, daß auch unintuitive Konzepte wie z.B. irrationale Zahlen15 aufgenommen wurden. Seit Hilbert verabschiedete man sich in der Mathematik von einer darin enthaltenen Realität (vgl. Wußing 2009). Bei Everett hat sich die Mathematik derart abstrahiert, daß sie nicht mehr nur keinen vermeintlichen Bezug mehr zur Welt besitzt sondern – im Gegenteil – durch ihren hohen Grad der Abstraktion sogar neue Welten „erschaffen“ kann. Byrne hält fest, daß sich in Oxford eine philosophische Schule hält, die „Everettian“ sei (Byrne 2010: 5). Vor einigen Jahren hat die Universität von Cambridge mit einem Sammelband ebenfalls ihren Fokus wieder auf Everetts Theorie gelegt (Carr 2010). Die verschiedenen Paralleluniversen, die sich baumartig mit jeder neuen „Entscheidung“ vervielfältigen, nehmen keinen Einfluß aufeinander (vgl. Deutsch 1998). Einzig die Kurve auf der Photoplatte, welche die Ergebnisse des Doppelspaltexperimentes aufzeichne zeige laut Deutsch, daß hier eine Interferenz mit Photonen aus Paralleluniversen stattgefunden haben muß (vgl. Deutsch: 1998).

15 „Die Entdeckung der Irrationalität der Quadratwurzel von 2 [...] zerstörte das pythagoräische Denkmuster der ‚Arithmetisierung‘ der Geometrie und damit, so scheint es, auch die Lebenskraft der pythagoräischen Ordnung selbst. Die Überlieferung, daß diese Entdeckung zunächst geheimgehalten wurde, wird, so scheint es, von der Tatsache gestützt, daß Platon die irrationale Zahl zunächst ἄρρητος, arrhetos nennt, das heißt das Geheimnis, das unaussprechliche Mysterium […]“ (Popper 2006: 328).

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Die Mathematik der Multiversen-Theorie ist nun noch einen Schritt weiter gegangen als Heintz feststellt. „Ihre Wahrheitsinstanz verschiebt sich“ nicht nur „von außen nach innen, vom Gegebenen zur Konstruktion, von der inhaltlichen Übereinstimmung zum Verfahren“ (Heintz 2000: 350), sondern ist mit ausschlaggebend dafür, den Möglichkeitsraum einer Vielzahl von parallelen, unerreichbaren Welten zu konstruieren. Die Konstruktion eines Multiversums ist nun nicht mehr nur eine von vielen möglichen Interpretationen der Quantenphysik, sondern ergibt sich quasi mathematisch-logisch von selbst. Wenn Vogd davon ausgeht, daß die Mathematik aus der von ihm vorgenommenen Perspektive vor allen Dingen eine Formsprache darstelle, „die so angelegt ist, daß sie vollkommen auf die Referenz auf äußere Objekte verzichten kann. Ihre Gesetze folgen ausschließlich aus ihren inneren Axiomen. Damit ist ihre Form vollkommen bestimmt“ (Vogd 2014: 38), so hat er auf der einen Seite Recht damit. Einzig der ausschließlichen Festlegung auf die Mathematik als einer reinen Formsprache muß hier widersprochen werden. Cantors transfinite Zahlen16 erweiterten den ursprünglichen Unendlichkeitsbegriff in eine Unendlichkeit mit verschiedenen Arten von Unendlichkeit (vgl. Yourgrau 2005). Die kleinste transfinite Zahl (Aleph Null), beschreibt laut Cantor „die Menge der natürlichen Zahlen“ (Yourgrau 2005: 57). Cantors transfinite Zahlen und Russels Antinomie – der Tatbestand, daß es eine Eigenschaft einer Menge gibt, „die nicht Element ihrer selbst ist“ (Yourgrau 2005: 59) sowie Gödels Unvollständigkeitstheorem führten schließlich dazu, daß David Hilbert „ein positivistisches mathematisches Programm, das unter dem Namen „Formalismus“ bekannt werden sollte und in dem die intuitive Vorstellung von einer mathematischen Wahrheit ersetzt wurde durch das Formelspiel des Beweises aus einer Liste von Axiomen“ (Yourgrau 2005: 61; Hervorh. im Orig.) entwickelte. Der innermathematische Streit darum, Mathematik platonisch als Wahrheit oder als reinen Formalismus zu verstehen (vgl. Yourgrau 2005; auch Heintz 2000 und Bedürftig/Murawski 2015) läßt sich auch und insbesondere innerhalb der Quantenphysik weiterhin gut nachverfolgen. An Hugh Everetts MultiversenTheorie hat der mathematisch-logische Formalismus sich weit hervor gewagt. Paradoxerweise stellt sich dieser Formalismus selbst sein Bein als logische Folge auf der Suche nach der Wahrheit der durch den Formalismus hervorgebrachten Multiversen. Hatte sich der Formalismus doch schon längst und inhärent von der 16 „Seine erste Entdeckung war die Tatsache, daß Unendlichkeit ‚aktual‘ war, womit er sich gegen eine zweitausendjährige mathematische Tradition von Aristoteles bis Gauß stellte die Unendlichkeit lediglich als ‚möglich‘ angesehen hatte. Vor Cantor galt es als Axiom, daß Unendlichkeit nicht als eigentliche Zahl zu betrachten sei.“ (Yourgrau 2005: 56)

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platonischen Suche nach der Wahrheit verabschiedet. Auf der einen Seite logisch und auf der anderen Seite amüsant ist der Umstand, daß eine empirische Falsifikation dieser Multiversen-Theorie nicht möglich sein soll. Schließlich kann kein Beobachter außerhalb seines eigenen Universums ein anderes beobachten (vgl. Deutsch 1998). Womit wir wieder an den Anfang zurückgekommen wären. QCC – Quantum Correlates of Consciousness In Quantum Correlates of Consciousness wird davon ausgegangen, daß eine Interferenz zwischen den cerebralen Vorgängen im Gehirn des Beobachters und den Quanten vor sich geht. Das Bewußtsein der Beobachter hat bereits unhintergehbare Auswirkungen auf den Meßprozeß (vgl. Vaas 2001; Barrett 2001). Da jedoch bereits die analysierten Interpretationen voller Paradoxien sind, wird auf eine nähere Fokussierung von QCC abgesehen.

S EMANTISCHE P OTENTIALE

DER

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Im Laufe dieser Arbeit wurden bereits zahlreiche semantische Potentiale der Quantenphysik für die Esoterik, und vice versa angesprochen. Im Folgenden werden noch einmal zentrale semantische Potentiale herausgearbeitet und analysiert. Die Quantenphysik beschäftigt sich mit dem subatomaren Bereich. Obgleich bestimmte technische Apparate wie Laser praktische Anwendungen der Quantenphysik sind, entzieht sich dieser Bereich doch eher dem (Alltags-) Verständnis. Im Grunde genommen könnte man sagen, daß sich Quantenphysiker mit Dingen beschäftigen die man nicht sieht, die aber mitunter eine reale Auswirkung haben können. Der Raum, in dem sich die untersuchten Prozesse befinden hat nichts mit dem gewöhnlichen dreidimensionalen Raum, respektive der vierdimensionalen Raumzeit zu tun, in der wir uns bewegen und an die wir gebunden sind. Die Dinge, von denen in quantenphysikalischen Diskursen die Rede ist, bewegen sich im subatomaren Bereich, den sich vorzustellen sehr schwer fällt, wenn nicht gar unmöglich ist. Allein deshalb sind Anschlußfähigkeiten der Quantenphysik bezüglich transzendental religiöser Chiffren und Semantiken naheliegend und schlüssig. Schließlich ist die religiös-transzendentale Welt ebenso unsichtbar und wird von Gläubigen dennoch für wahr gehalten. So wie in der Quantenphysik nicht im Einzelnen nachvollziehbare Ergebnisse, mitunter im Nachhinein über Interpretationen, wie etwa die Kopenhagener Deutung, verständlich gemacht werden, so erhalten für Gläubige Kontingenzen im Alltag, in ihrer Lebenswelt, im Nachhinein über Interpretationen Sinn und

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Struktur über das religiöse Weltbild. Eine maßgebliche Gemeinsamkeit zeigt sich in der Reliabilität der zugrunde gelegten Interpretation. Während für die Wissenschaftler die Zeitlichkeit sowie die Falsifizierbarkeit dazu führen, daß stets nur von einem aktuellen „State of Science“ ausgegangen werden kann und stets damit gerechnet werden muß, daß ein anderer Erklärungsansatz die Oberhand gewinnen könnte, ist auch der von mir beobachtete esoterische Bereich fluide und vermag sich an neue Definitionshierarchien spontan anzupassen. In beiden Fällen ist der äußere Rahmen flexibel und kann mehr oder weniger geschmeidig angepaßt werden, der Kern bleibt jedoch fest. Eine sowohl in der Quantenphysik als auch in der Esoterik wichtige Chiffre ist die Verschränkung. Daß bislang wissenschaftlich ungeklärt ist, wie genau und aus welchem Grund bestimmte Teilchen miteinander über sehr weite Entfernungen verschränkt sind und instantan miteinander wechselwirken, obwohl dies strenggenommen der speziellen Relativitätstheorie widerspricht, nehmen manche im esoterischen Diskursfeld zum Anlaß, diese Lücke mit einem transzendenten Beweger und „Verknüpfer“ aufzufüllen. Es steht dort quasi außer Frage, daß die Dinge miteinander verbunden sind. Denn selbst die Wissenschaft – in Form der Quantenphysik mit ihrer Verschränkung – „steht“ ja in den Augen der Esoteriker zu dieser Aussage. Lediglich wie dies vonstatten geht, das ist noch nicht geklärt. Und an dieser Stelle nehmen einige Gläubige denn auch an, der Wissenschaft gegenüber einen gewissen Vorsprung innezuhaben. H: „Wenn du dich nicht durchsetzt, dann kommen die anderen und machen dich klein. Und irgendwann wird dieses Leben dann nur noch zu einem einzelnen, großen Kampf. Und Kampf, sage ich Ihnen, ist überhaupt keine gute Schwingung. Und eine gute Schwingung ist eine Voraussetzung für ein gutes Leben. Das heißt, so lang ich mich nur in dem Kampfmodus befinde, da zehrt, das kostet unendlich viel Kraft und Energie und ich bin letztendlich unterm Strich doch [unverständlich] dabei. Weil ich kann nicht nur kämpfen. Und es macht auch gar keinen Sinn. Diese neue Betrachtungsweise, und die basiert nun tatsächlich auf den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften. Hier ist der Gedanke, oder diese Betrachtungsweise geht von einer metaphysischen Sicht aus. Meta-, jenseits oder übergeordnet, der Physis, der Materie, Hier ist alles miteinander in irgendeiner Form verwoben, verbunden. Und all das wird zusammengehalten durch eine allumfassende Kraft. Und die kann man nun als allumfassende Liebe, als göttliche Intelligenz, als Schöpferkraft bezeichnen, je nachdem, wo man steht. Oder aber man kann ihr den ganz einfachen Begriff zuordnen: Die Information von Harmonie und Ordnung. Diese Betrachtungsweise hat einen sehr, sehr schönen Nebeneffekt. Die hat aber auch, und das ist immer so, eine Kehrseite. Wenn ich weiß, daß alles miteinander verbunden ist, wenn ich weiß, daß ich Einfluß

182 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK habe auf das, was ich mein Leben nenne, aufgrund meiner Schwingung, die ich aussende, dann habe ich eine hohe Eigenkraft in mir, um mein Leben zu führen und zu lenken. Das ist sehr schön, weil ich rauskomme aus der Opferrolle.“

Hier werden ganz deutlich „Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften“ als Basis für das eigene Weltbild und den Glauben beansprucht. Miteinander kontrastiert werden dabei ein negativer Weltentwurf – das Leben als Kampf und die Opferrolle, in die man sich begebe auf der einen Seite – und die „allumfassende Liebe“, die einer Metaphysik innewohne, die ihre Basis in den modernen Naturwissenschaften habe auf der anderen Seite. In diesem Zitat wird auch der semantische Gehalt der Kopenhagener Deutung für esoterische Diskurse deutlich. Der Beobachtereffekt in der Kopenhagener Deutung besagt ja, daß während der Messung eine Interferenz mit dem Beobachter stattfinden muß, da „jede Beobachtung atomarer Phänomene eine nicht zu vernachlässigende Wechselwirkung mit dem Messungsmittel fordert“ (Niels Bohr, zit. Nach Held 1996: 52). H: „Wenn ich weiß, daß alles miteinander verbunden ist, wenn ich weiß, daß ich Einfluß habe auf das, was ich mein Leben nenne, aufgrund meiner Schwingung, die ich aussende, dann habe ich eine hohe Eigenkraft in mir, um mein Leben zu führen und zu lenken.“ „Die Schwingung“, die man – so wie es den Anschein macht – generell aussende, übernimmt hier die Rolle des „Messungsmittels“, das gleichzeitig Einfluß darauf nimmt, was gemessen wird, „das, was ich mein Leben nenne“. Wichtig scheint jedoch, sich darüber bewußt zu sein, um sich der „hohen Eigenkraft“ bedienen zu können. Geschehen kann dies nur, da „alles miteinander verbunden ist“. Hier wird an die Verschränkung angeschlossen. Interessant dabei ist auch wieder die Rolle des Wissens. Denn es klingt beinahe so, als sei die Nutzung der „hohen Eigenkraft in mir“ auch wiederum nur möglich, „wenn ich weiß, daß alles miteinander verbunden ist“. Hier kommt eine Art geistiger Kausalität ins Spiel. Der große Unterschied zwischen den beiden Semantiken besteht jedoch darin, daß in der Kopenhagener Deutung die Wechselwirkung mit dem Meßinstrument oder Beobachter prinzipiell einer Kontingenz unterliegt. Denn das Teilchen oder Photon könnte hier, da oder dort sein und die Messung „zwingt“ es quasi dazu, an einem Punkt beobachtbar zu sein, der nicht vorhersehbar, sondern nur mit einer statistischen Probabilität annähernd zu vermuten ist. Das angeführte Zitat aus dem esoterischen Diskursfeld geht von einem prinzipiellen kausalen Zusammenhang zwischen „der Schwingung, die ich aussende“ und dem „Einfluß [...] auf das, was ich mein Leben nenne“ aus. Ein Bruch mit der Kausalität wird in diesem Zitat nicht sichtbar, sondern – im Gegenteil – als Wir-

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kungszusammenhang semantisch verortet. An einer anderen Stelle wird der Beobachtereffekt auch in einer Diskussionsrunde nach dem Vortrag „Quantenfeld Transformation“ direkt angesprochen. H: „Gerade dieser Beobachtereffekt ist für meine Begriffe ein ganz entscheidender Faktor.“ (Gruppeninterview nach der Veranstaltung „Workshop Q(...)“). Dies bedeutet, daß klar ist, was begrifflich genannt werden muß, um die Legitimationsforderung aufzubauen, sich eines quantenphysikalischen Diskurselements zu bedienen, wenn nicht sogar, sich innerhalb eines solchen Diskurses zu befinden, um vorgeblich wissenschaftliche Legitimation zu simulieren. Der Beobachtereffekt hat das semantische Potential, daß Menschen die Dinge, die sie sich ansehen, die ihnen klar werden, beeinflussen können, sogar unweigerlich beeinflussen müssen. In der Quantenphysik bedeutet dies, daß – je nachdem, mit welchem Instrument gemessen wird – die Einflußnahme kontingent und u.U. nicht berechenbar ist. In esoterischen Diskursen bedeutet es vielmehr, daß durch das bewußt werden des Beobachtereffekts, anhand der Einstellung und der Stimmung, die auch „Schwingung“ genannt wird, sehr wohl berechenbar und beeinflußbar ist, wie sich der Beobachtereffekt auswirkt. In der Esoterik hat sich der Mensch wieder die Position des Agens zurückerobert. In der philosophischen Richtung der Quantum Correlates of Consciousness (QCC) findet der Beobachtereffekt nicht mehr aufgrund einer Interferenz mit dem Meßinstrument, sondern wegen des denkenden Individuums, des schauenden und beobachtenden Bewußtseins, statt (vgl. Vaas: 2001). Barrett führt die Single-Mind-Theory und die Many-Minds-Theory aus folgendem Grund an: „These theories provide a way of understanding what Everett meant when he claimed that his goal was to recapture the usual predictions of quantum mechanics as subjective appearances.“ (Barrett 2001: 185) Diese Semantik ähnelt sehr der in esoterischen Diskursen, obwohl sie als QCC hauptsächlich in philosophischen und physikalischen anzutreffen ist.17 In esoterischen Diskursen wird häufig davon ausgegangen, daß das Bewußtsein, verbunden mit dem denkenden Individuum, einen Zugang nicht nur zu einer höheren, transzendentalen Macht, sondern ebenso zu äußeren Einflüssen habe. Das eigene Bewußtsein läßt sozusagen die Krankheit erst zu. Die Handlungsperspektive wird damit aus der alltagsweltlichen Umgebung herausgelöst und verschafft sich Zugang zu einer Art von inhärenter „Maschinerie der Welt“ oder Transzendenz, die es positiv zu beeinflussen gilt. Nach einem Vortrag während der Esoteriktage am 09.11.2012 ereignete sich in einer offenen Fragerunde, wie bereits weiter oben angemerkt, folgende Situation: Ein älterer Herr stellte der Referentin eine Frage. Währenddessen brach 17 Vgl. Barrett 2001; Vaas 2001.

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seine Stimme. Der Mann, der offenbar die Diagnose Krebs im Endstadium erhalten hatte fragte, was die Referentin zu besagter Diagnose, die eine geringe Lebenserwartung zur Folge habe, sagen würde. Die Referentin antwortete, die Aussage habe schlechte Auswirkungen auf das Energiefeld und käme deshalb nicht an sie ran. Sie würde den Arzt anlächeln und sagen, das mache ihr gar nichts aus. Dabei warf sie ihr Haar zurück und lachte. (Handschriftliche Mitschrift während der Veranstaltung)18 Bei diesem Gespräch kann der Eindruck entstehen, daß das wirklich Fatale nicht etwa die Diagnose Krebs im Endstadium ist, sondern daß das sog. „Energiefeld“ beschädigt werden könne, indem etwas „schlechte Auswirkungen“ darauf habe. Die Art des psychischen oder auch „seelischen“ Umgangs präjudiziert den weiteren Verlauf des Lebens, des Befindens, der Seele oder des „Energiefeldes“. Menschen, die sich an der Schnittstelle Esoterik/Quantenphysik befinden wird über den Beobachtereffekt zugesprochen, die Einflußnahme in ihr Schicksal in ihren eigenen Händen zu halten. Daß „die Seele“, oder wie man es auch nennen mag, nun keinen Schaden nehme, scheint am Beispiel der Psychologin das Hauptinteresse zu sein. Dabei wird einer unsichtbaren, abstrakten, transzendenten Entität mehr Beständigkeit und Wichtigkeit zugemessen als dem sichtbaren und greifbaren Körper. Kann vielleicht gerade deshalb beim Verweis auf unsichtbare subatomare Entitäten von der logischsten aller Anschlußmöglichkeiten gesprochen werden? Welche Funktion hat nun ein Rekurs auf Quantenphysik, wenn es – wie im vorliegenden Fall – vordergründig gar nicht um Quantenphysik geht? „Neben den physikalischen Grundlagen können mit dem Zufallsprozeß der Quantenphysik auch philosophische und theologische Fragestellungen behandelt werden.“ (Bronner et al. 2008: 5) Eben darin liegt das semantische Potential von Quantenphysik und Esoterik. In beiden Bereichen werden kausale Verknüpfungen und kontingente Möglichkeiten von kausalen Verbindungen gelesen. Beide Bereiche sind sozusagen offen für versteckte Verbindungen und ebenso offen für Retrodiktion und Sinnkonstitution. In beiden Systemen wird sich mit Unbeobachtbarem und Indirektem auseinandergesetzt. In der Esoterik werden subatomare Strukturen, werden wissenschaftliche Kontingenzen und Paradoxien aus dem System Quantenphysik herangezogen, um bestimmte Probleme zu lösen. Das Theodizee-Problem wird in der Esoterik quasi nebenbei über die Verschränkung gelöst. Fragen, wie zum Beispiel „Wenn es einen Gott gibt wie, kann 18 An dieser Stelle sei explizit an die FN 8 auf S .143 verwiesen .Es ist mir in diesem Moment sehr schwer gefallen meinen inneren moralischen Aufruhr im Zaum zu halten, um die Feldsituation nicht zu beeinflussen. Die Frage ob dies die richtige Entscheidung war, bleibt bestehen.

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er/sie dann Leid zulassen?“ erhalten esoterisch betrachtet eine völlig andere Wendung durch die Verschränkung und den Beobachtereffekt. Auf einmal ist es, wie wir am Beispiel des vermutlich krebskranken Mannes sehen konnten, die Person selbst, die dieses Leid auf sich gezogen, und es dadurch erst verursacht hat. Leid und Lösung liegen damit in der Person selbst. Das Problem der Theodizee-Fragen der Eigenverantwortung und des Glaubens, Probleme der Welt, werden wieder ins Individuum selbst hinein verlegt. Begründet wird diese Haltung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, denen sich die postmodernen Menschen schlecht entziehen können. Die Situation in der Quantenphysik ist auf spiegelsymmetrische Weise vergleichbar mit derjenigen in der Esoterik. Während es im esoterischen Bereich zahlreiche Theorien gibt, die sehr anschlußfähig sind für zahlreiche individuelle Lebensentwürfe, muß die Praxis noch angeglichen werden. Die Menschen haben praktische Probleme. Deshalb besuchen sie Seminare, in welchen sie vermeintliche Erklärungen auf quantenphysikalischer Basis zu praktisch-religiösen und lebensweltlichen Problemen erhalten. In der Quantenphysik funktioniert hingegen die Praxis wunderbar problemlos. Die atomare Kernspaltung hat dazu geführt, daß die Menschen die Macht haben, das gesamte Leben auf dem Planeten theoretisch gleich mehrmals hintereinander auszulöschen. Kernfusionen führen dazu, über eine neue Art von Reaktoren zu sprechen, Hochenergiephysik, Nachrichtentechnik etc. sind in der Praxis relativ gut handhabbar, aber über die aller Praxis zugrundeliegende Theorie besteht noch weitgehende Uneinigkeit. Vielleicht klappt die oberflächliche Verbindung von Esoterik und Quantenphysik mit ihrem jeweiligen semantischen Potential so gut, weil beide ihre jeweilige Leerstelle an die Pragmatik der jeweils Anderen anschließen können.

Die Problem-Lösung-Struktur esoterischer Kommunikationen über Quantenphysik

In bestimmten esoterischen Bereichen wird mit quantenphysikalischen Narrativen gearbeitet. Angefüllt werden diese Begriffe mit religiös-spirituellem Sinn. Warum ist dies der Fall? Reichen eigene Sinnstrukturen und Konzepte etwa nicht mehr aus? Rekurse auf Wissenschaft scheinen, aufgrund mangelnder eigener Glaubwürdigkeit in manchen Teilen sogar nötig, weil es in unserer Gesellschaft plausibler ist, etwas mit einem Rekurs auf Wissenschaft, als auf Glauben zu (er)klären. Selbst esoterisch orientierte Menschen sagen, daß im esoterischen Milieu zu viel „Schindluder getrieben“ (Dr. T) wurde. Deshalb wird neben dem Ruf nach mehr Glaubwürdigkeit und der daraus folgenden eigenen Anbindung an wissenschaftliche Theorien auch eine Abgrenzung zum Begriff Esoterik ersucht. Auf meine Frage in einem Interview, was der Impetus für Menschen in therapeutischen Berufen sei, sich quantenphysikalisch fortzubilden, antwortete mir der Quantenphysiker Dr. Q, der selbst im esoterischen Bereich Seminare anbietet und sich auf der Schnittstelle dazwischen befindet: Dr. Q: „Einfach um das etwas evidenzbasierter anzugehen, weil die Leute stehen oft in dem Bereich, daß sie gesagt bekommen: Ach, das ist ja nur Esoterik was Ihr da macht? Dann wird das oft abgelehnt. Und wenn das eine Verbindung hat zum Wissenschaftlichen dann ist die allgemeine Akzeptanz größer. Das ist der Grund.“

Möglich ist dies wiederum am ehesten im Wissenschaftsbereich Quantenphysik, da diese selbst Theorien beherbergt, die erstens mit dem klassischen physikalischen Weltbild nicht übereinstimmen, ja zum Teil entgegen der klassischen Physik operieren und zweitens theoretische Ähnlichkeiten mit Elementen esoterischer Weltanschauung haben. Der Begriff der Verschränkung paßt ideal zu der

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Annahme, alles sei miteinander verbunden. Um die Vorgehensweise eines verschränkten Quantensystems und die Auswirkungen der Verschränkung richtig zu verstehen, müßte man viel tiefer in die theoretische Materie der Quantenphysik und der mathematischen Formeln eintauchen. Da dies aber nur wenigen vorbehalten bleibt, können sich Nicht-Quantenphysiker nur über vereinfachte Literatur ohne mathematische Formeln informieren. Hinzu kommt, wie weiter oben bereits angemerkt, daß einzelne Quantenphysiker esoterischen Richtungen durchaus zugewandt waren und sind. Wenn Glauben und Wissenschaft besonders im Bereich Esoterik immer mehr an Abgrenzung verlieren, könnte dies bedeuten, daß sich die Esoterik nicht mehr nur auf den Glauben berufen kann. Gerade diese Abgrenzung ist es doch, welche die beiden Systeme Wissenschaft und Religion essentiell voneinander trennt. Religiöser Glaube läßt sich per se nicht falsifizieren. Hat religiöser Glaube bei manchen oftmals nur mehr den Status einer Hypothese? Es liegt nahe, dies zu vermuten. Während institutionalisierte Religionen über die Zeit immer stärkere Organisations-Strukturen mit verschiedenen Ämtern und Privilegien entwickelt haben, schienen esoterische Strömungen näher am Individuum. Um so weiter sich Religionen strukturierten, hierarchisierten und organisierten, um so weiter weg rückte eine eventuelle direkte Gotteserfahrung, rückten Transzendenz, das direkte Zwiegespräch mit der Gottheit und dergleichen mehr. Die Beichte in der katholischen Kirche verläuft nach festgelegten Ritualen. Es gibt bestimmte Sünden, die in einen Kanon aufgenommen wurden und mit bestimmten Bußen belegt werden. Auf der Homepage des Vatikan steht, „Die Sünde ist vor allem Beleidigung Gottes und Bruch der Gemeinschaft mit ihm. Gleichzeitig beeinträchtigt sie die Gemeinschaft mit der Kirche. Darum führt die Bekehrung zugleich die Vergebung Gottes und die Versöhnung mit der Kirche herbei. Das Sakrament der Buße und der Versöhnung bringt das liturgisch zum Ausdruck und bewirkt es“ (http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P4I.HTM; 03.02.2016 um 12:55).

Da eine Sünde auch den Bruch mit der religiösen Gemeinschaft bedeutet, muß auch diese, über Beichte und anschließende Buße, um Vergebung gebeten werden. Durch solche Strukturen und Organisationen hat sich also der katholische Glaube, als ein Beispiel für institutionalisierte Religionen, strukturell immer mehr von der direkten persönlichen Verbindung mit dem entsprechenden Gott entfernt. Es wird starken Wert darauf gelegt, daß bestimmte Rituale eingehalten werden. Dies ist in einigen Fällen sogar wichtiger als der persönliche Glaube, um in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen zu werden. Man verfolge

D IE P ROBLEM -L ÖSUNG -S TRUKTUR

ESOTERISCHER

K OMMUNIKATIONEN

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an dieser Stelle die Diskussionen der Bischofssynode über die Eucharistie für Wiederverheiratete. Im esoterischen Bereich hingegen steht auf den ersten Blick die direkte persönliche Kommunikation mit dem Gott – mitunter aus Gründen der Flexibilität wird hier eher von der Transzendenz u. dgl. gesprochen – an vorderster Stelle. Durch eine „Basisdemokratisierung“ über eine Individualisierung von Religion, religiösen Erlebnissen, Ritualen und Praktiken wurde im esoterischen Bereich ein grundlegendes Problem geschaffen, nämlich das der Legitimation. Wer dazu legitimiert ist, spirituelle Teilhabe zu beanspruchen, Wege zu Glauben, zur Transzendenz, zu Göttlichem aufzuzeigen, entscheidet sich von Fall zu Fall. Entscheidend ist die Authentizität der Sprecherin, des Sprechers. „Spirituelle Kommunikation setzt vor allem Sprecher in Szene, und zwar authentische Sprecher, die mit Bestimmtheit auf die Unbestimmtheit von Situationen hinweisen.“ (Nassehi 2014: Vortrag) Gerade die Unbestimmtheit dessen, worüber gesprochen wird – außerkörperliche Erfahrungen, Transzendenz, etc. – setzt wiederum voraus, daß der Verweis darauf mit authentischer Bestimmtheit erfolgen muß. Es ist der Nachteil dieser Ent-Institutionalisierung, bzw. NichtInstitutionalisierung, daß aufgrund fehlender Struktur legitime Sprecherinnenpositionen hierarchischer zum Ausdruck kommen. Weiter oben wurde bereits beschrieben, wie die Assistentin der Referentin eines esoterischen Vortrages über Quantenphysik angewiesen wurde, sich neben die Tür zu setzen, wie sie ausgeschimpft und vor dem Publikum bloßgestellt wurde. Neben der Authentizität spielt eine gewisse Rigidität ebenfalls eine große Rolle im Prozeß der Legitimierung von Sprecherinnenpositionen in der Esoterik. Worüber und wie jeweils darüber kommuniziert wird, erzeugt also Probleme in der Alltags-Realität, die durch Referenz auf Quantenphysik aufgelöst werden sollen. Darüber hinaus geschieht es auch, daß über die Kommunikation von theoretischen Aspekten der Quantenphysik selbst Status und Glaubwürdigkeit unter Gläubigen auf derselben Ebene hergestellt werden. Es hat den Anschein, als würde der Anschluß an – alleine das Wort Quantenphysik – Glaubwürdigkeit, Beweisbarkeit herstellen. Dr. T. stimmt etwa anhand eigener Erfahrungen damit überein, daß alleine das Wort Quantenphysik per se Respekt einflöße. Außerdem habe er die Erfahrung gemacht, daß selbst interessierte Menschen vom Besuch eines VHS-Kurses zur Quantenphysik, in dessen Beschreibung „ohne Vorkenntnisse“ und „ohne Formeln“ vermerkt worden sei, letzten Endes öfter davon absehen würden, teilzunehmen. „Ganz grundsätzlich kann ich sagen, es sind alle extrem begeistert und haben Angst“, so Dr. T. während eines Telefongesprächs am 30.01.2013.

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Als forschungspraktisch überaus interessant erwiesen sich die Personen, die doppelte oder Mehrfachschnittstellen zwischen verschiedenen Bereichen belegen, wie zum Beispiel eben jener Teilchenphysiker Dr. T., der als Physiker den Standpunkt vertritt, daß es zwei Sorten von Esoterik gibt. Die, wie er es nennt, „Straßenesoterik“, wenn jemand beginne zu pendeln, und die Wissenschaftsesoterik, „wenn jemand mit den Hauptmerkmalen der hermetischen Prinzipien“ arbeite. In der Quantenphysik besteht die Anschlußfähigkeit darin, eine permanente Unterscheidung, eine Demarkationslinie aufzuwerfen, um sich selbst als „das Andere“ und als – im Gegensatz zur Esoterik – wissenschaftlich legitime Quelle von wissenschaftlichem Wissen zu bezeichnen. In der Esoterik erfolgt Anschlußfähigkeit durch Verwendung quantenphysikalischer Begriffe, die mit einer neuen Semantik ausgestattet werden und den in der Quantenphysik unsichtbaren Anteil mit – in ihren Augen logischem – Sinn auszustatten. Viele Menschen haben Bedürfnisse, die religiöser Verortung bedürfen (vgl. Pollack/Müller 2013). Und viele davon gehen nicht mit den angebotenen religiösen Systemen konform, widersprechen ihnen bisweilen auch, möchten aber dennoch bestimmte Dinge einordnen. Daraus ergibt sich ein Bedürfnis nach Führung und Erläuterung im religiösen Bereich an welches esoterische Vereinigungen anschließen. Insbesondere, da dort der Gottesbegriff so flexibel und offen gehalten wird, daß viele daran anschließen können. Pantheistisch läßt sich ebenso daran anschließen wie buddhistisch und ebenso christlich, wie ich während meiner Feldforschungen sehen konnte.

Zwischenergebnisse

In den vorangegangenen Kapiteln wurde untersucht, wie in verschiedenen Systemen in unterschiedlichen Situationen an Begriffe aus der Quantenphysik angeschlossen wird. Ferner wurden vorherrschende Narrative beobachtet, die jeweils für Quantenphysik und Esoterik beiderseits Anschlußfähigkeiten besitzen, welche in praxi auch durchgeführt werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Zwischenergebnisse des Vergleichs der Kommunikationen über Gegenstandsbereiche, Methoden und Interpretationen innerhalb der Quantenphysik und Esoterik dargelegt, um anschließend mögliche „Lösungen“ für die zu Beginn der Arbeit eingeführten differenzierten Fragestellungen vorzuschlagen. Im Anschluß daran widme ich mich auf empirischer Basis und auf Basis der Zwischenergebnisse wieder der Kernfrage, weshalb an den Rändern von Funktionssystemen einfach die Ressourcen anderer Systeme in Anspruch genommen werden. Schließlich werden die Ergebnisse dieser Untersuchung auf der Metaebene erweitert und in einen Gesamtzusammenhang gestellt.

D ER G LAUBE AN „ DIE W AHRHEIT “ DES JEWEILS UNSICHTBAREN G EGENSTANDS Wenn es um den in beiden Fällen nicht direkt sichtbaren Gegenstandsbereich geht, wird nicht nur in der Esoterik, sondern ebenfalls in der Wissenschaft Quantenphysik mit „Glauben“ operiert. Wie in den vorangegangenen Kapiteln erläutert, wird in Esoterik und Quantenphysik jeweils über etwas kommuniziert, das unsichtbar und nicht direkt zugänglich ist. Während bei der Esoterik der Mensch und seine Beziehung zur Welt und einer angenommenen Jenseitigkeit im Mittelpunkt des Interesses stehen, ist es bei der Quantenphysik die Welt der kleinsten Zusammenhänge, und in letzter Konsequenz ihre Verbindung zur Lebenswelt der Menschen (Laser, MRT, GPS; noch in Vorbereitung: Quantencomputer,

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etc.). Quantenphysik und Esoterik beschäftigen sich ebenfalls beide auf ihre ganz spezifische Art mit – um Goethes Faust zu zitieren – dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Dabei ist besonders interessant, daß zwar jeweils systemadäquate Interpretationen des Gegenstandsbereichs vorgenommen werden, daß sich aber die Quantenphysik gerade in besonderer Weise dazu eignet, an sie esoterisch anzuschließen. Auch dort wird unintuitiv argumentiert. Argumente, die gegen die Alltagserfahrung und gegen die Intuition sprechen sind geradezu charakteristisch für die Quantenphysik – und ebenso für die Esoterik. Und diese an und für sich unplausiblen Argumente und Interpretationen in ein kohärentes Gebäude einzuweben, ist in der Quantenphysik oft schon Ausdruck für besonders intelligenten Forschergeist gewesen. Man erinnere sich nur an Max Born1 und die Kopenhagener Deutung mit dem Beobachtereffekt – der zur Zeit immer noch am stärksten vertretenen Interpretation in der Quantenphysik. Schließlich ist der Quantenphysik und der Esoterik auch noch wichtig, daß zahlreiche Elemente2 auf Glauben basieren. Während in der Esoterik an eine transzendente, alles verbindende Einheit geglaubt wird, bezieht sich der Glaube in der Quantenphysik3 darauf, daß sie sich – wie PP in einem Interview mit mir konstatierte – nicht mehr unabhängig davon falsifizieren lasse und aller Wahrscheinlichkeit nach wahr sei. PP: „Die Quantenmechanik ist vor allen Dingen ein Know-How. Ist vielleicht ein bißchen zu viel. Das weiß ich nicht. Aber die Faszination, die da einhergeht – es hat auch damit zu tun, daß – wenn man ein bißchen was davon – wie soll ich sagen, ich will nicht sagen versteht. Aber wenn man ein bißchen, wenn man das ernst nimmt, was in der Quantenmechanik drin steht, dann muß man zur Kenntnis nehmen, daß die Quantenmechanik nicht mehr hintergehbar ist. Also alle anderen physikalischen Theorien, die nicht quantenmechanisch sind, die lassen sich ja mit Hilfe von quantenmechanischen Geräten messen. Also zum Beispiel mit dem Laser läßt sich sehr genau eine Länge messen. Zeiten lassen sich sehr genau messen, und so weiter. Atomuhren sind ja so etwas. Aber wie will ich die Quantenmechanik unabhängig von der Quantenmechanik überprüfen? Das geht überhaupt nicht mehr.“

1

Born interpretierte die von Erwin Schrödinger aufgestellte Gleichung als Wahrscheinlichkeitsdichte (vgl. Kuhlmann et al.: 2015: 47).

2

Vgl. hierzu den Umgang mit Paradoxien in der Quantenphysik, wie weiter oben be-

3

Unter den hier verwendeten Begriff Quantenphysik wird, wie eingangs erläutert,

reits näher erläutert. ebenfalls die Quantenmechanik subsumiert.

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Man muß die Quantenphysik als eine Art von Axiom also zuerst einmal als wahr annehmen. Die vielen verschiedenen Interpretationen in der Quantenphysik weisen darauf hin, daß diese Annahme verschiedentlich ausfallen und an verschiedene Bedingungen geknüpft sein kann. Die Quantenphysik selbst läßt sich nicht durch andere davon unabhängige Wissenschaftsbereiche überprüfen. An dieser Stelle wird immer gerne darauf verwiesen, daß die Quantenphysik ja funktioniere – im Sinne technischer Gerätschaften (Experimentalphysiker), und daß dies ein Beweis dafür sei, daß sie stimme. Vorderhand wird also in der Quantenphysik an ihre Existenz und Folgerichtigkeit geglaubt, obwohl sie sich bislang einer Gegenprüfung entzieht. Interessant ist weiterhin, worauf der Physikprofessor PP nun in Bezug auf seinen Wissenschaftsbereich zu sprechen kommt: auf einmal wird die Möglichkeit der Falsifikation mit dem philosophischen Begriff der Wahrheit verknüpft. PP: „Übernehmen wir mal die philosophische Position der modernen Naturphilosophie und fragen uns, was bedeutet es für eine Welt, also für das Sein des Seins, wenn die Quantentheorie wahr wäre? Also wenn sie die Wahrheit präsentieren würde? Dann wird es natürlich interessant. Dann bedeutet es nämlich, daß die Welt parkettiert ist. Das heißt, sie ist grundsätzlich in Einheiten von der Größe des PlanckȀschen Wirkungsquantums eingeteilt. Alles was es gibt in der Welt gibt es nur in der Einheit ħ. Und dieses ħ ist eben das PlanckȀsche Wirkungsquantum – eine sehr kleine Zahl – Gott sei Dank, und daran merkt man schon, daß die Quantenmechanik eben letztlich nur Dinge beschreibt, die mit unserer normalen, makroskopischen Welt zunächst einmal nichts zu tun haben. Könnte man meinen. Obwohl dieses digitale Aufnahmegerät schon ein Beispiel dafür ist, daß diese Theorie eben dann auch in unserer makroskopischen, also greifbaren Welt ja offenbar Konsequenzen hat.“

In einem ersten Schritt erhalten physikalische Grundeinheiten auf einmal eine ontologisch-essentialistische Färbung. „[D]as Sein des Seins“ deutet auf eine Abgrenzung von Dasein und Sosein hin. Das spezielle Sosein des Daseins an sich, hier: der Welt4, erführe eine Veränderung, falls die Quantenphysik wahr wäre. Falls die Quantenphysik wahr wäre, würde dies implizit nach Aussage von PP bedeuten, daß sie die Wahrheit repräsentiere. Eine Verifikation der Quantenphysik5 schlösse somit eine Erweiterung derart ein, daß sie selbst nun nicht mehr nur wahr wäre, sondern die Wahrheit an sich – was immer das bedeuten mag – 4

Der Weltbegriff hier unterscheidet sich vom Weltbegriff Luhmanns, der später noch

5

An dieser Stelle wird explizit nicht näher auf Verifikation/Falsifikation eingegangen,

kursorisch berührt wird. da Popper hier die weitaus bessere Anlaufstelle ist.

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repräsentierte. PP geht also im Grunde davon aus, daß ein neutraler Zugang zur Welt prinzipiell möglich ist. Und sei es auch nur in der Feinkartierung durch das PlanckȀsche Wirkungsquantum. Dagegen spricht, „daß wir keinen begriffs- und interpretationsfreien Zugang zur Welt haben. Unsere Wirklichkeit ist immer schon eine sprachlich erschlossene Wirklichkeit.“ (Kneer 2009: 13) Im zweiten Schritt wird auf ganz greifbare, praktische Konsequenzen der quantenmechanischen Welt auf unsere makroskopische hingewiesen und damit mehr oder weniger indirekt eine Verbindung vom PlanckȀschen Wirkungsquantum zu allem anderen gezogen. PP: „Dann bedeute es nämlich, daß die Welt parkettiert ist. Das heißt, sie ist grundsätzlich in Einheiten von der Größe des PlanckȀschen Wirkungsquantums eingeteilt. Alles was es gibt in der Welt gibt es nur in der Einheit ħ.“ Wenn man diese Aussage mit der Aussage der Esoterikerin H vergleicht, werden erneut Gemeinsamkeiten augenfällig. H: „Wenn in dieser Welt alles miteinander verbunden ist, ist auch die Spiritualität mit der Wissenschaft verbindbar.“ Auch hier erfolgt eine retrospektive Plausibilisierung. Beiden geht die Grundannahme über eine tatsächliche Existenz ihres Gegenstandsbereiches voraus. In der Quantenphysik lautet die Grundannahme, daß die Quantenphysik vermutlich wahr ist, denn CD-Player und Magnetresonanztomographen funktionieren. Diese sinnlich und quasi haptisch erfahrbare Präsenz der Funktionalität von Quantenphysik stattet alles, was unter diesem Oberbegriff vereint ist – Quantenmechanik, mathematische, experimentelle und theoretische Quantenphysik samt ihren Interpretationen – mit einer Art von Evidenz aus. Interessant ist an dieser Stelle außerdem, daß auch in der Quantenphysik die Vorstellung, die Welt bestehe aus kleinsten Grundeinheiten, noch präsent ist. Der blinde Fleck in der Quantenphysik versteckt sich dadurch, daß er gar nicht erläutert, auch nicht überprüft werden muß, weil er nicht geprüft werden kann. Es steht kein Instrumentarium außerhalb der Quantenphysik zur Verfügung, um Elemente und Operationen im System Quantenphysik zu falsifizieren. Paradoxerweise kommt dies kaum zur Sprache und wenn, dann als Indiz dafür, sich den Grundmechanismen der Welt, den kleinsten Wirkungseinheiten angenähert zu haben. Beide Grundannahmen sind nicht falsifizierbar und die Deutungsschemata beider Systeme sind durch ihre hohe Flexibilität und Anpassungsbereitschaft dazu imstande, neu auftretende Elemente durch neue Interpretationen und/oder neue Adaption in bereits bestehende Interpretationen, immer wieder anschlußfähig zu halten. Diese Gemeinsamkeiten machen die Quantenphysik geradezu prädestiniert dafür, daß daran religiös, bzw. esoterisch angeschlossen wird. Wenn man nun die funktionalen Operationsweisen beider Systeme miteinander vergleicht ohne diese Beobachtung mit einer Bewertung zu verknüpfen,

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kommt man zum Schluß, daß beiden Systemen die vordergründige Unsichtbarkeit des Gegenstandsbereichs und der Glaube daran gemeinsam sind. Daß der jeweilige Gegenstandsbereich für Laien nicht ohne weiteres sichtbar ist – in der Esoterik erhält Zugang erst die Person, die sich einen tieferen Einblick durch Training, ein Schlüsselerlebnis oder eine seelische oder körperliche Krise erarbeitet, in der Quantenphysik durch das Erlernen der Fachsprache und den Umgang mit den speziellen Gerätschaften, und/oder der speziellen Denkart in der Quantenphysik – stattet diese beiden Bereiche geradezu mit „geheimem“ Sonderwissen aus. Damit ist das Wissen jeweils nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich – ༁σωτερικός. Bevor sich ein lauter Vorwurf der „Häresie“ bemerkbar macht, sei erneut betont, daß die Operationsweise und die Kommunikationen der jeweiligen Systeme im Fokus stehen. Und damit schließt sich der Kreis einer möglichen anfänglichen Irritation der hier vorgenommenen Begriffswahl „Esoteriker“. Gleichzeitig mutet das Teilsystem Quantenphysik, in seiner Operationsweise, dem griechischen Wortstamme nach, bisweilen „esoterisch“ an. Das selbst erzeugte Problem, welches eine Referenz auf Quantenphysik „löst“ ist also in beiden Fällen das der Unsichtbarkeit des eigenen Gegenstandsbereiches. Im System Religion werden Wunder, Transzendenz und die Verbundenheit von allem mit allem durch quantenphysikalische Vorgänge „gelöst“. Der Arbeitsbegriff „Esoterik“ wurde aus den oben genannten Gründen gewählt, keinesfalls jedoch aus Gründen einer aktuellen Eigendefinition. Ganz im Gegenteil wurde sich im untersuchten Feld mehrmals eindeutig von „Esoterikern“ distanziert. Es wurde explizit nicht auf Glauben verwiesen, sondern auf „wissenschaftliche Eindeutigkeiten“, selbst dort, wo wissenschaftlich klar auf Uneindeutigkeit verwiesen wurde. In der Esoterik erhält Uneindeutigkeit strenggenommen sogar mehr Kontingenz als in der Quantenphysik. Die Antwort in der Esoterik darauf lautet, daß alles schon irgendwie Sinn mache, auch wenn dies zunächst einmal nicht ersichtlich ist. In der Esoterik scheinen eigene Sinnstrukturen nicht mehr auszureichen, um die Welt außerhalb der sichtbaren Welt, die Transzendenz, das Göttliche oder Numinose zu explizieren. Gleichzeitig ist zu beobachten, daß sich selbst die Menschen im System Religion, welches gerade auf Glauben basiert, nicht mehr auf reinen Glauben einlassen. Es erschient nicht mehr legitim zu sein, sich von wissenschaftlichen Belangen und Interessen zu distanzieren, sondern in dem von mir untersuchten und esoterisch genannten Bereich besteht die Anstrengung, dem Bedürfnis nach Glauben mit Hilfe von wissenschaftlichen Elementen Rechnung zu tragen. Dabei unterstützt die Quantenphysik gerade durch ihre unintuitiven Gesetzmäßigkeiten und deren Dominanz innerhalb dieser Wissenschaft den Glauben an verborgene, den Menschen nicht direkt zugängliche

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Vorgänge. Deren Sinnhaftigkeit zeigt sich erst im großen Ganzen, also jeweils an der Pragmatik des Experiments, der Interpretation dessen, oder der mathematischen Explikation, in das dann die jeweils anderen Bereiche zu einem sinnvollen Ganzen eingeordnet werden. Das vorgestellte Publikum solcher Plausibilisierungsversuche ist (gesellschafts-)kritisch, möchte seine Entscheidungen vornehmlich über rationale Erwägungen treffen, ohne dabei die eigene „emotionale Bodenhaftung“ zu verlieren. Die Zuhörerinnen gestehen der Wissenschaft einerseits einen hohen Stellenwert bezüglich eines Zuganges zur Welt zu, andererseits sind sie dermaßen wissenschaftskritisch, diese als für ihre Belange nicht vollständig genug zu erachten. Schließlich besuchen diese Menschen, die offensichtlich sehr an Quantenphysik interessiert sind, keine wissenschaftlichen Seminare oder OnlineVorlesungen dazu, sondern möchten sich auf einer esoterischen Veranstaltung dazu „weiterbilden“, die das gerade nicht Faßbare beider Systeme explizierbar zu machen vorgibt. Nicht nur in der Esoterik, sondern auch in der Quantenphysik ist Uneindeutigkeit in manchen Belangen strukturell ein Zeichen für Eindeutigkeit. In der Physik, und insbesondere in der Mathematik, bedeutet die Uneindeutigkeit einer Probabilitätsamplitude, wie bereits weiter oben erläutert, ein eindeutiges Ergebnis. Phys: „Aber zunächst einmal, diese Wahrscheinlichkeiten selbst sind exakt. Die gelten nicht nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit wiederum selbst.“ Im System Wissenschaft wird der Unsichtbarkeit mit Kalkulationen und technischen Apparaturen begegnet, die das eigene Unvermögen punktuell in potentielle Machbarkeiten erweitern. Das virtuelle Publikum, das über die verschiedenen unter den Begriff Quantenphysik vereinten Bereiche angesprochen wird, ist überzeugt von der intellektuellen Weiterentwicklung des eigenen Faches und dessen Machbarkeit in praxi. Dadurch wird der Gegenstandsbereich vom Mikrokosmos auf den Makrokosmos erweitert (z.B. in der Halbleitertechnik). Gleichzeitig wird der Deutungshorizont in philosophische Arenen hinein erweitert (Wahrheitsbegriff). Durch meine Beobachtungen und Interviews zeigt sich nun, daß in der Quantenphysik der Glaube eine ebenso große und nicht zu vernachlässigende Rolle spielt, wie in der Esoterik eine angebliche Nachprüfbarkeit durch in der Wissenschaft verwendete Analogien und Darstellungen. Ein gradueller Unterschied besteht auf der Systemebene darin, daß in der Quantenphysik auf Glauben nicht verzichtet werden kann, während die Esoterik fluider auf mögliche Unruhen reagiert und stets mit Modifikationen aufwarten kann. H: „Ich kann Ihnen das anbieten mit Engeln, Klangschalen. Ich baue das bewußt aus.“

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P ARALLELEN IN Ü BERZEUGUNG

DEN

M ETHODEN

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DER INDIREKTEN

Das, worüber verhandelt wird, ist jeweils verhandelbar – oder: die Parenthese der je unterschiedlichen Plausibilisierung von prinzipiell Unplausiblem. Wenn hier im Folgenden von Methoden gesprochen und diese „verglichen“ werden sollen, so geschieht dies in Anbetracht mehrerer wichtiger Aspekte. Zum einen erfolgt dieser Vergleich – wie in der gesamten Arbeit – in dem Wissen, traditionell per se Unvergleichliches miteinander zu vergleichen. Religion und Wissenschaft folgen, wie bereits eingangs dargelegt, einer längeren Tradition des inOpposition-Stellens. Einerseits ist es Unfug, Religion und Wissenschaft, (heutzutage) miteinander zu vergleichen. Zu sehr wurde sich seit der Aufklärung wieder an vermeintlich Gegensätzliches gewöhnt. Glaube und Wissen widersprechen einander seit längerem oder sind mindestens komplementär, wenn es um Inhalte und insbesondere die Methoden geht. Was hier andererseits jedoch zur Debatte steht – das kann vermutlich nicht oft genug betont werden – ist der Vergleich der Operationsweisen zweier als in unterschiedlichen Systemen gedachte Arten der Handhabung von Gegenstandsbereichen. In der Quantenphysik gibt es verschiedene Wege vorzugehen. Zum einen haben wir den Fall, in welchem eine experimentelle Vorrichtung Daten erzeugt, wie etwa Kurven auf Oszilloskopen, auf denen Atomwolken abgebildet werden. Verschiedene technische Apparaturen erzeugen eine Vielzahl von verschiedenen Daten, die dann – entsprechend der Ausgangshypothese und/oder der Fragestellung als Ergebnisse in Papers formuliert und veröffentlicht werden. Um das ganze kohärent darzulegen wird es in eine mathematische Form gebracht. Ferner gibt es noch die Operationsweise des Gedankenexperimentes. Dort beschäftigt man sich anfangs gedanklich mit Lösungsmöglichkeiten eines logisch aus den Anfangsbedingungen ergebenden Problems oder einer Fragestellung beschäftigt. Es dauert dann – sofern es praktisch durchführbar ist – meist einige Jahre, bis das Gedankenexperiment im tatsächlichen Experiment nachvollzogen werden kann. Eine Mathematisierung ist in diesem Fall meist schon zuvor erfolgt. „Gedanken, or thought experiments are imagined experiments used to focus in the crucial aspects of a particular problem. There is no expectation that a gedanken experiment will ever be performed (on the contrary), and therefore there are no practical restrictions.“ (Barad 2007: 288) Die Bedingungen, unter denen der experimentelle Aufbau vorgenommen wird, richten sich selbstredend nach denen des Gedankenexperiments, bzw. den

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finanziellen, technisch machbaren Möglichkeiten, dieses Experiment bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchzuführen (vgl. hierzu Knorr Cetina 2002, 2012). In der Laborarbeit spielt zudem der pragmatische Umgang mit verfügbaren Ressourcen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. „Denn schon der Forschung selbst müßte geradezu praktisch deutlich werden, daß sich das Ergebnis der Forschung gerade dem Versuchsaufbau, der Fragestellung, den methodologischen Präsuppositionen und den methodischen Setzungen verdankt, daß es die Bilder der Forschung selbst sind, die den Forschungsgegenstand konstruieren und die Begriffe, mit denen das Forschungsobjekt begriffen wird. Daß die Welt unter einem optischen Mikroskop anders erscheint als unter einem Elektronenmikroskop, bezeichnet keineswegs nur einen quantitativen Aspekt variabler optischer Auflösung, sondern beobachtet ganz unterschiedliche Realitäten, in denen ganz und gar unterschiedliche Welten sichtbar werden.“ (Nassehi 2003: 30)

Schon innerhalb der einzelnen Disziplinen werden unterschiedliche Referenzen, Operationsweisen und Plausibilisierungen in den jeweiligen Kommunikationen sichtbar. Im Laufe der Arbeit war zu sehen, daß in der Theorie bislang wichtige Entitäten fehlen, um deterministische Aussagen zu treffen. In der theoretischen Ausrichtung der Quantenphysik, die an der Kopenhagener Deutung ausgerichtet ist, wurden Plausibilisierungen vorgenommen, die darüber hinweghelfen sollen, Quantenphysik als unvollständig zu verstehen. Man hat sich vom Verständnis der Lokalität verabschiedet und die Idee der Verschränkung, die ursprünglich von Einstein, Podolsky und Rosen als Gedankenexperiment zur Kritik an der Kopenhagener Deutung der Quantenphysik (vgl. Osterhage 2014: 109) entwickelt wurde, in das Gesamtkonzept eingearbeitet. Aus dem EPR-Paradoxon wurde fortan „Die Verschränkung“. Mit diesem hochadaptiven Vorgehen wurden die Kritikpunkte von Einstein, Podolsky und Rosen an einer Unvollständigkeit der Quantenphysik derart neu interpretiert und in das System eingearbeitet, daß sie nun nicht mehr als Schwäche, sondern als eine weitere Stärke der Quantenphysik, und insbesondere der Kopenhagener Deutung ausgelegt wurde. Das Ergebnis fügt sich wiederum hervorragend in das quantenphysikalische Narrativ der völlig neuen, unintuitiven und so hochkomplexen weil unverständlichen Wissenschaft ein. In der Experimentalphysik orientiert man sich stattdessen an Praxisnähe und technischer Machbarkeit, Handhabbarkeit, orientiert. So wie diese verschiedenen Forschungsbereiche innerhalb der Quantenphysik ihren je eigenen Zugang und ihren eigenen Blickwinkel einnehmen (müssen), so unterscheidet sich auch das, worüber tatsächlich verhandelt wird. Die Operationsweisen in der Quantenphy-

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sik erfolgen sowohl top-down, von der Theorie zur experimentellen Vorrichtung, als auch bottom-up über die nachträgliche Interpretation experimenteller Ergebnisse, die vordergründig praxisnah sind und nicht unbedingt einer vorangegangenen Theorie gefolgt sein wollen (Interview-Ausschnitt mit einem Experimentalphysiker). In der Esoterik, die ja – im Gegensatz zur Quantenphysik – nicht dem System Wissenschaft sondern dem System Religion angehört, erfolgt die Operationsweise ebenfalls top-down und bottom-up. Entweder wird deduktiv argumentiert und alles Mögliche als Beweis für den Glauben daran, daß alles miteinander verbunden sei, angeführt – auch und gerade Unsichtbares – oder es wird induktiv argumentiert und verschiedene Phänomene nachträglich dem Explanans des Alles-Verbindenden untergeordnet. An die zum Teil unintuitive und unplausible Logik der Quantenphysik kann nur mit (zunächst)6 Unplausiblem angeschlossen werden. In der Mathematik wird auf die Probabilitätsamplitude des Doppelspaltexperimentes derart angeschlossen, daß, wie weiter oben im Zitat von Phys angeführt, die Wahrscheinlichkeiten selbst wieder exakt sind und damit dem binären Code wahr/unwahr untergeordnet werden können. Innerhalb der Quantenphysik wird darauf mit Superposition, verborgenen Variablen, Quantum Correlates of Consciousness, und weiteren (zunächst) unplausiblen Lösungsmöglichkeiten reagiert. Einzig einige plausible Anschlüsse befinden sich zum Teil in der Praktikabilität.7 Quantenphysik eignet sich deshalb in herausragender Weise dazu, darauf esoterisch zu antworten. Die Argumente auf der Schnittstelle zwischen Quantenphysik und Esoterik8 zeigen deutlich, daß hier auf beiden Seiten durch Elemente des jeweils anderen Systems Plausibilisierungen vorgenommen werden, die ge6

Die Stringtheorie, ein möglicher Anschluß an spezielle Relativitätstheorie und Quantenphysik, erscheint zunächst unplausibel (vgl. Dawid 2008). Darauf kann nun aber nicht näher eingegangen werden. Zunächst meint hier allgemein, daß anschlußfähige Kommunikationen auf den ersten Blick nicht unbedingt stichhaltig erscheinen. Ob sie es dann sind, entscheidet der kontextuelle Rahmen, also das betreffende System (vgl. hierzu auch Heintze 2000).

7

Vgl. das „Beobachten“ von Quanten-Meßprozessen mit Hilfe des Ein-Atom-Masers (Walther 2002: 28 ff.), Frequenzkämme (Hänsch 2002: 67 ff.), die optische Pinzette (Rempe 2002: 45). Es ist hier zu beachten, daß diese praktischen Anwendungen jeweils auf Lasern aufbauen.

8

Wie bereits dargelegt, habe ich je einen von mir interviewten ausgebildeten Teilchenund einen Quantenphysiker, die sich mit Esoterik beschäftigten auf dieser Schnittstelle angesiedelt. Der Quantenphysiker nimmt eine Schlüsselposition im esoterischen Diskursfeld ein, während der Teilchenphysiker in abgeschwächter Form an esoterischen Diskursen teilnimmt.

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rade an der Schnittstelle auf beiden Seiten logisch anmuten. Aus diesem Grund kann ein Physiker an manchen Stellen wie ein Theologe sprechen, und sich trotzdem in der Rolle des Quanten/Teilchenphysikers sehen. Dr. Q: „Wenn man sich das Elektron anschaut, aus der CharonȀschen9 Theorie heraus – das Besondere an der Theorie ist ja, daß man jetzt neue Dimensionen einführt und die dann aus der Geometrie dieser Zusatzdimensionen ergeben sich bewußtseinsrelevante Aspekte. Also die Grundlage für Bewußtsein ist immer Gedächtnis. Man braucht eine Einheit, die in der Lage ist, etwas zu erinnern und das ist bei den Elektronen so, aufgrund dieses Photonengases im Innern der Elektronen werden quasi alle Erlebnisse, die ein Elektron jemals gehabt hat in Form von Lichtmustern im Innern des Elektrons abgespeichert. Das ist jetzt eines von vielen Modellen, wobei die Wissenschaft noch nicht weiß, welches ist jetzt das Richtige. Aber alle gegenwärtigen Modelle haben eines gemeinsam. Sie sprengen den Rahmen des klassischen Weltmodells, wo wir nur Raum und Zeit haben – also die drei Dimensionen des Raumes und die eine Dimension der Zeit und da kommen noch etliche weitere, neue Dimensionen dazu. [...] Aber wenn man das ausdeutet kommt man relativ schnell in solche Bereiche wie, ja da gibt es noch andere Räume, in denen sich auch Erleben manifestieren kann. Das heißt wir Menschen, da wir ja aus Atomen und Elektronen aufgebaut sind, tragen natürlich all diese Eigenschaften auch in uns und das kann man als Erklärungsmodell heranziehen, um so etwas wie Bewußtsein zu erklären. [...] Vor allen Dingen auch außerkörperliches Bewußtsein, das also jetzt nicht an eine neuronale Struktur oder an eine bestimmte biologische Struktur gebunden ist – auch da gibt es ja Evidenz mittlerweile, aus dem Bereich der Medizin. [...] Und nicht erst seit es moderne Medizin gibt, seit es jetzt einer wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich ist, sondern auch schon in früheren Zeiten ging man davon aus, daß der Mensch eigentlich unsterblich ist, daß es so etwas wie eine unsterbliche Seele gibt. Das ist ja ein gemeinsamer Punkt bei vielen Religionen.“

Der Quantenphysiker Dr. Q spannt an dieser Stelle einen Bogen von der von ihm stark vertretenen Theorie des Chardin über Informationsspeicherung, Gedächtnis und außerkörperliche Erfahrungen bis zur menschlichen Seele. Stellenweise verwendet Q. eine wissenschaftliche Diktion, wenn er sagt, daß dies eines von vielen wissenschaftlichen Modellen sei, aber insgesamt klingt der Quantenphysiker, vor allem am Schluß, wie ein Prediger, wenn er e- mit außerkörperlichem Bewußtsein, Seele, o.ä. verbindet. Das, worüber verhandelt wird, ist – auch und gerade – in den Wissenschaften verhandelbar. Einerseits weil eine prinzipielle Offenheit u.a. gegenüber der Fal9

Jean E. Charon war französischer Physiker, Philosoph und Metaphysiker und wollte Materielles und Geistiges in einer neuen Weltformel verbinden (vgl. Charon 1982).

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sifizierbarkeit von Theorien, Modellen und wissenschaftlichen Aussagen gerade ein Hauptmerkmal von Wissenschaftlichkeit ist, andererseits weil es auch bei streng Definiertem gar nicht möglich ist, daß alle tatsächlich auch dasselbe meinen (vgl. Knorr Cetina 2012, 2002; Kuhn 1978). Bettina Heintz etwa analysiert in ihrem Aufsatz „Welterzeugung durch Zahlen. Modelle politischer Differenzierung in internationalen Statistiken, 1948-2010“, nationale und internationale Statistiken soziologisch und weist die Konstruktion bestimmter Wirklichkeiten durch diese nach. „Die Umwandlung von Zahlen in immer neue Zahlen erzeugt mit der Zeit eine Eigenrealität, die praktisch nicht mehr rückübersetzbar ist. Die Zahlen erscheinen als ‚harte‘ Fakten, die ihre Selektivität immer perfekter verbergen.“ (Heintz 2012: 12)

I NTERPRETATIONEN

IN BEIDEN

F UNKTIONSSYSTEMEN

Retrospektive Kausallogiken als Charakteristikum von Quantenphysik und Esoterik, sowie die offensichtliche Notwendigkeit von Interpretationen, zeichnen den jeweiligen Umgang damit aus, womit nicht (mehr) direkt umgegangen werden kann, aber dennoch muß. Nachdem nun Gegenstandsbereich und Methode der beiden Systeme miteinander verglichen wurden, kann man bei näherer Untersuchung auch bei den Interpretationen in den beiden so unterschiedlich anmutenden Funktionssystemen Parallelen entdecken. In der Esoterik erfolgen Interpretationen religiös-spirituell, und auch in der Quantenphysik muten zahlreiche Interpretationen wie der Beobachtereffekt in der Kopenhagener Deutung, die Multiversen-Theorie, Quantum Correlates of Consciousness (QCC) oder Bohms verborgene Variablen beinahe religiös an – verschiebt sich doch gerade bei QCC der Aktionsradius der das Experiment beobachtenden Menschen in unsichtbare Dimensionen. Dort wird eine Interferenz des Bewußtseins des Beobachters z.B. mit einem Photon während des Doppelspaltexperimentes angenommen. In Esoterik und Quantenphysik werden Unbeobachtbares und dem direkten Blick Verborgenes, Unschlüssiges retrospektiv einer Kausallogik unterworfen, die den Operationsweisen des jeweiligen Systems absichtlich gerade nicht in der Form unterstellt wird, wie sie in der Alltagswelt praktiziert wird. Einfacher gesagt: Eigentlich können Lichtjahre voneinander entfernte Teilchen in keinem unmittelbaren Kommunikationsverhältnis zueinander stehen. Wenn sich aber die Spins von zwei Teilchen in Abhängigkeit voneinander zu ändern scheinen, dann nennt man es Verschränkung. Dadurch wird das Phänomen erst als miteinander ver-

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bunden betrachtet und in einen Kausalzusammenhang gestellt, wo noch zuvor Kausalbezüge undenkbar waren (klassische Physik). Die Grenze zwischen dem Bereich, in welchem paradoxe logische Bezüge das Fundament der eigenen Wissenschaft, und damit legitim sind und dem Bereich, in welchem das Feld der Wissenschaft verlassen und in den Bereich der Esoterik abgedriftet wird, scheint mehr oder weniger unscharf zu sein. In beiden Feldern wird auf dasselbe Basisreservoir von Wissenschaftlern rekurriert. In der Esoterik kommen bisweilen noch Namen hinzu, auf welche sich in der Wissenschaft nicht mehr ohne Gesichtsverlust berufen werden kann, wie etwa Rupert Sheldrake.10 Ein weiterer Physiker, um an der Schnittstelle zwischen Esoterik und Quantenphysik zu bleiben, hat das Glossar eines seiner Bücher in „Naturwissenschaftliche Begriffe“ und „Spirituelle Begriffe“ unterteilt. (König 2013: 270 ff.) Interessanterweise finden sich im ersten Teil zwischen Begriffen wie „Atom“ und „Antiteilchen“ auch Begriffe wie „Chi“. Chi ist ein Begriff aus dem Daoismus, der ebenfalls in der chinesischen Medizin sowie in esoterischen Lehren vorkommt. Zusammenfassend stellt sich heraus, daß sowohl im Teilsystem Quantenphysik, als auch in der Esoterik mit retrospektiven Kausallogiken argumentiert wird. Im Nachhinein macht dann alles wieder Sinn und erscheint bisweilen einem teleologischen Impetus gefolgt zu sein.

10 Sehr interessant sind die Auseinandersetzungen, die sich in Folge eines Vortrags von Rupert Sheldrake auf TED Talks ergeben haben. In seinem Vortrag unternahm der Biologe eine umfassende Wissenschaftskritik. Als Folge davon wurde sein Vortrag zensiert und ausgeschlossen. Dies mag einerseits an der Art seiner Kritik an „wissenschaftlichen Dogmas“, wie er sie nennt, liegen, andererseits auch an der Vermischung von Wissenschaftskritik mit seiner eigenen esoterisch angehauchten Theorie morphogenetischer Felder. Auf jeden Fall lohnt sich eine weitere Beobachtung dieser Auseinandersetzungen auf der direkten (welche Argumente werden von welcher Seite wie angeführt etc.) sowie auf der Metaebene (Abgrenzung des Systems Wissenschaft, sagbare und unsagbare Kritik etc.) (vgl.: http://blog.ted.com/the-debate-about-rupertsheldrakes-talk/; letzter Aufruf am 24.02.2016 um 14:52; https://www.youtube.com/ watch?v=JKHUaNAxsTg; letzter Aufruf am 24.02.2016 um 4:53; sowie Sheldrake 2013). Sheldrake nahm ebenfalls an mindestens einer Diskussion mit David Bohm und Jiddu Krishnamurti Teil (vgl.https://www.youtube.com/watch?v=nghaOldx8uM; letzter Aufruf am 24.02.2016 um 14:58).

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R EDUKTION VON W ELTKOMPLEXITÄT BEI GLEICHZEITIGER E RHÖHUNG VON E IGENKOMPLEXITÄT Transzendenz und Mikrokosmos – zweierlei Arten der Unterscheidung nach Seinszugehörigkeiten von Operationsweisen. Meine Forschungen in Quantenphysik und Esoterik haben weiterhin ergeben, daß in beiden Bereichen in den Interpretationen eine Reduktion der Weltkomplexität, aus der je eigenen Perspektive, bei gleichzeitiger Erhöhung der Eigenkomplexität vollzogen wird. In der Esoterik erfolgt die Reduktion der Weltkomplexität durch die Annahme, daß alles miteinander verbunden sei, und damit auch anfänglich nicht sinnvoll Erscheinendes in Retrospektive eine kausale Dynamik von Ursache und Wirkung offenbart. Es macht, wie gesagt, im Nachhinein dann alles doch irgendwie Sinn. Und was selbst damit nicht erklärt werden kann, dessen Sinnperspektive eröffnet sich eben erst im Jenseits. Die Erhöhung der Eigenkomplexität erfolgt durch die Einbindung von Elementen aus der Quantenphysik, die das Ganze auf ein wissenschaftliches Fundament stellen sollen. Doch zuvor bedarf es einer Definition der Begriffe Welt und Eigenkomplexität, wie sie hier verwendet werden. In Luhmanns Systemtheorie ist Welt ein stets nur am Horizont erscheinender differenzloser Begriff, der selbst unbeobachtbar bleibt. Die Welt nach Luhmann ist „die Einheit der Differenz von System und Umwelt. Je nachdem, mit welcher Unterscheidung man beobachtet, hat man mithin einen anderen Zugang zur Welt, die als solche, als Korrelat eines differenzlosen Begriffs, unbeobachtbar bleibt.“ (Luhmann 1992: 316) Verschiedene Systeme haben, entsprechend ihrer eigenen Systemcodierung einen andern Zugang, einen anderen Blick auf die Welt und damit u.a. auch auf scheinbar dieselben Begrifflichkeiten. Im Laufe dieser Arbeit wurde expliziert, daß unterschiedliche Systeme vordergründig „dieselben“ Begrifflichkeiten mit einer anderen Semantik versehen. Man könnte nun, was oft der Fall ist, dem System Wissenschaft die Vorrangstellung einräumen und die im System Religion befindlichen unterschiedlichen Semantiken für dieselben Begriffe der Unwahrheit, der Falschheit bezichtigen – oder sie als voneinander verschiedene Zugänge zu Welt verstehen und keinem System, so wie es in der Systemtheorie von Niklas Luhmann der Fall ist, eine Vormachtstellung zugestehen. „Wissenschaft, also der explizite Ausweis von Erkenntnissen als wahr oder unwahr unter Hinweis auf den Weg zu dieser Erkenntnis, also unter Hinweis auf die Erkenntnismethode, ist letztlich der Versuch, verbindliche Aussagen darüber möglich zu machen, was der Fall ist.“ (Nassehi 2003: 312; Hervorh. im Orig.) Die Leitunterscheidung des Systems Religion, Transzendenz/Immanenz differenziert über eben jene Unterscheidung. Deshalb sind Aussagen aus unter-

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schiedlichen Systemen nicht widersprüchlich, da sie einer anderen primären Codierung folgen und letztlich dieser Differenzierung entstammen. Dadurch wird die zunächst paradox anmutende Legitimation von gleichzeitig Unterschiedlichem durch die Orientierung an der je systemeigenen Codierung systemtheoretisch aufgebrochen. Meine Forschungen unterstützen die Ansicht von Eckert et al., daß soziale Systeme einerseits durch Komplexitätsreduktion operieren, andererseits ihre eigene Komplexität konstruieren. „Se, de um lado, os sistemas sociais operam para a redução da complexidade, por outro, eles também constroem sua própria complexidade. Para que isto aconteça, o sistema precisa fechar-se operacionalmente em relação ao entorno, produzindo seus próprios elementos, (autopoiésis) operando, assim, a construção de sua própria complexidade. É, sem dúvida, é neste processo que ocorre a evolução.“ (Eckert e al. 2006: 192)11

Ob nun diese Reduktion der Eigenkomplexität und die eigene Rekonstruktion durch Autopoiesis dadurch geschieht, daß sich das System bezüglich seiner Operationen in Relation zu seiner Umwelt schließen muß, soll im Folgenden noch diskutiert werden. Mit Sicherheit produziert es seine Elemente durch Autopoiesis und operiert dergestalt, daß es, wie Eckert et al. an dieser Stelle schreiben, seine eigene Komplexität konstruiert. Meine Untersuchungen haben, wie gesagt, ergeben, daß diese Konstruktion der Eigenkomplexität in beiden Fällen dazu führt, diese gleichzeitig zu erhöhen. In der Quantenphysik erfolgt die Reduktion der Weltkomplexität durch die Unterscheidung in den subatomaren Gegenstandsbereich und in den Makrokosmos, der vordergründig nicht Teil des Gegenstandsbereiches ist.12 Auf der Erklärungsebene ist dann „nicht mehr jedes Element mit jedem anderen Element verknüpfbar“ (Krause 2005: 178). Bestimmte Dinge, die in der Quantenwelt möglich sind, sind im Makrokosmos unmöglich, geschweige denn denkbar. Hier stoßen wir erneut auf eine Paradoxie. Die „Bausteine“ der Welt selbst, um mit einer beliebten Analogie zu beginnen, 11 „Wenn einerseits soziale Systeme durch die Reduktion von Komplexität operieren, konstruieren sie andererseits auch ihre eigene Komplexität. Damit dies geschieht, muß das System seine Operationen in Relation zur Umwelt schließen, seine eigenen Elemente produzieren (Autopoiesis), und so operieren, um seine eigene Komplexität zu produzieren. Und ohne Zweifel ist es dieser Prozeß, durch den Evolution geschieht.“ (Eckert e al. 2006: 192) [Eigene Übersetzung; L. K.] 12 Hier ist die theoretische Quantenphysik gemeint, nicht die experimentelle, in der gerade auf technische Praktikabilität geachtet wird und häufig das Narrativ zu finden ist, die Experimente seien auch für andere Bereiche von hohem Nutzen.

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aus denen alles zusammengesetzt sein soll, operieren in der Quantenphysik nach Prinzipien, die in der sichtbaren und erfahrbaren Welt nicht anschlußfähig sind. Durch die Erhöhung der Eigenkomplexität in der Quantenphysik, man denke nur an die zahlreichen Interpretationen, vom Beobachtereffekt, über verborgene Parameter bis hin zum Multiversum, die wiederum nur im eigenen System erläuterbar und plausibilisierbar sind, erfolgt eine weitere Reduktion von Weltkomplexität. Was quantenphysikalisch passiert, ist zwar kontingent, aber eine derartige Kontingenz ist nur im Mikrokosmos möglich, nicht aber in der direkt erfahrbaren Alltagswelt, die demgemäß ausgeschlossen wird; ebenso wie alles andere, was nicht in die „Quantenwelt“ gehört. In der in seinem Buch „Geschlossenheit und Offenheit“ vorgestellten Theorieperspektive geht Armin Nassehi davon aus, „daß sich alles, was geschieht, der Geschlossenheit operativer Verknüpfungen von Ereignissen verdankt. Offenheit wurde stets als Funktion operativer Geschlossenheit postuliert; und die hier versammelten Studien exekutieren diese Idee dahin gehend, daß sie versuchen, diese Offenheit generierenden Geschlossenheiten in ihrem Gegenstandsbereich wiederzufinden.“ (Nassehi 2003: 310; Hervorh. im Orig.) Das erkenntnistheoretische Bezugsproblem sei ja gerade, daß es keinen unmittelbaren Zugang zum „Objekt“ des Erkennens gebe (ebd.). Dieses Bezugsproblem der Erkenntnistheorie wird gerade auf wissenschaftlicher Ebene in der Quantenphysik deutlich sichtbar, da dort noch nicht einmal visuelle Sichtbarkeit vorgetäuscht werden kann. Die Simulation von Sichtbarkeit muß dort über mathematische Funktionen und die Ergebnisse hochtechnisierter Apparaturen erfolgen. Was jedoch in letzter Konsequenz nicht in der Behauptung gipfeln sollte, man wisse ohnehin gar nichts, bzw. könne gar nichts wissen. Das „Wissen“ ist jeweils systemabhängig und diesbezüglich kontextbezogen. Ganz im Gegenteil: ohne den systemeigenen spezifischen Code ginge die Fokussierung gänzlich verloren. „Jegliche Operation beginnt irgendwie und irgendwo, für sich unsichtbar, überraschend und dennoch strukturbildend. Und so beginnt jegliche Theorieform mit für sie selbst letztlich unsichtbaren Voraussetzungen, die das generieren, was sie in ihrem Gegenstand vorfinden.“ (Nassehi 2003: 311) „Offenheit“ versteht Nassehi „stets als Funktion operativer Geschlossenheit“. (Nassehi 2003: 310) An den in dieser Arbeit behandelten exemplarischen Beispielen aus Quantenphysik und Esoterik wurde deutlich, daß, was auf den ersten Blick wie eine Offenheit gegenüber der Umwelt anmuten mag, letztlich wieder eine Differenzierung bedeutet. Es werden zwar systemfremde Termini verwendet, diese können jedoch nur aufgrund einer ständigen Selbstreferenz auf das eigene System Bestand haben. Darüber hinaus werden, wie in der Arbeit zu sehen

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war, gerade dadurch die systemeigenen Elemente autopoietisch konstruiert. Ein Ziel dieser Arbeit war es, eine Metaperspektive einzunehmen, sich den epistemologischen Operationsweisen in der Quantenphysik wissenschaftssoziologisch anzunähern und sie anders zu beleuchten. Quantenphysik und Esoterik folgen dem ersten Blick nach jeweils anderen Unterscheidungen. Während in der Quantenphysik danach differenziert wird, ob etwas im Mikrokosmos stattfindet oder nicht (Makrokosmos), ist der primäre Code in der Esoterik: Transzendenz/Immanenz. Allein von der primären Codierung her betrachtet wird in beiden nach Seinszugehörigkeiten von Operationsweisen unterschieden. Eine Seite der jeweiligen Seinszugehörigkeiten – Transzendenz und Mikrokosmos – stellen jeweils eine für den Menschen nicht (direkt) zugängliche Welt außerhalb/innerhalb der Welt dar, die dennoch auf die greifbare, tatsächlich erlebbare Welt Auswirkungen haben kann. Insofern transzendiert, rein von der funktionalen Operationsweise des Codes her betrachtet, jeweils eine der beiden Differenzierungen des systemeigenen Codes in Esoterik und Quantenphysik. Eine weitere Übereinstimmung besteht darin, daß in beiden Systemen Operationen erlaubt, sogar systemfundierend sind, die in der Alltagswelt faktisch nicht möglich sind. Wir haben gesehen, daß in der Quantenphysik Superposition und Verschränkung maßgeblich zur Erklärung ansonsten bislang nicht erklärbarer Phänomene beitragen, will man sich nur an die „Konservativste“ aller Interpretationen halten. Dies steht im Widerspruch zur klassischen Physik.13 In der Esoterik werden aufgrund des Glaubens daran, daß alles miteinander verbunden sei und in irgendeiner Art von Wechselwirkung zueinander stehe, zum Teil sehr von der Alltagspraxis differierende Konstellationen und Kausalitäten angenommen.

Z WEI GAR NICHT SO UNTERSCHIEDLICHE S IMULATIONEN VON V ERSTEHEN UND E RKLÄREN Sowohl in der Quantenphysik als auch in der Esoterik erfahren Beobachtende gerade dadurch, daß sie und wie sie beobachten. Das Wissen um das eigene Verwoben-Sein in den Gegenstandsbereich macht der Annahme Platz, dadurch besser erklären und verstehen zu können. Gleichzeitig werden Verstehen und Erklären auch simuliert, und zwar aus denselben Gründen der Inanspruchnahme der je eigenen Sonderposition.

13 Das gilt trotz längerer Bemühungen, spezielle Relativitätstheorie mit Quantentheorie, über die Quantenelektrodynamik oder die Quantenfeldtheorie zu vereinen.

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Menschen, die eine Schlüsselposition im esoterischen Bereich innehaben, verweisen darauf, wie eingangs dargestellt, über eine bestimmte Verknüpfung, eine Einsicht oder ein Schlüsselerlebnis zu verfügen, das sie mehr „sehen“ läßt, als andere. In der Quantenphysik wird die Trennung von Beobachter und Gegenstandsbereich nicht mehr im herkömmlichen Sinne aufrechterhalten. Die Kopenhagener Deutung des Doppelspaltexperimentes als Standardinterpretation sieht eine Wechselwirkung zwischen Beobachter und Gegenstand. Weitere, bereits mehrmals dargelegte Interpretationsschulen variieren in den meisten Fällen nur die Art der Interferenz. „Der Erfolg der Wissenschaften, gewissermaßen ihre innere Pragmatik hängt auch davon ab, inwieweit es ihr gelingt, jene Scheidung von Subjekt und Objekt, von Beobachtung und beobachterunabhängiger Realität möglichst stabil zu halten, um die Gesellschaft tatsächlich mit Wissen darüber zu versorgen, was der Fall ist.“ (Nassehi 2003: 313 f.)

Dies ist in vielen Bereichen der Quantenphysik gerade nicht der Fall. Dort werden Beobachtende speziell durch die Beobachtung immer mehr verwoben in das, was untersucht werden soll. Von einer beobachterunabhängigen Realität ist in der theoretischen Physik sehr oft nicht mehr die Rede, und es darf selbst dort, wo dies gerade im experimentellen Arbeiten noch ausgeblendet wird, eigentlich auch nicht mehr die Rede sein. Den Beobachtereffekt kann man nicht ignorieren. Die Rezeption der Quantenphysik schließt in den von mir beobachteten Feldern sowohl der Quantenphysik als auch der Esoterik Verstehen und/oder die Simulation von Verstehen sowie Erklären und/oder die Simulation von Erklärungen mit ein. Und zwar in beiden Feldern. Während es in der „quantenphysikalisch angehauchten“ Esoterik kaum zu einer Verwunderung führen dürfte, daß hier hauptsächlich mit Simulationen von Verstehen und Erklären gearbeitet wird, so gilt dies ebenfalls für die Quantenphysik. Die Explikationsversuche sind weitaus komplexer und an eine Vielzahl von Bedingungen und Kontingenzen geknüpft, aber neben Verstehen und Erklären arbeiten die Wissenschaftler in den verschiedenen Bereichen der Quantenphysik ebenfalls mit Simulationen von Verstehen und Erklären. Quantenphysik und Esoterik scheint nicht nur eine Ähnlichkeit innerhalb ihrer Operationsweisen innezuwohnen, sondern es wird ebenfalls eine (inhärente) rekursive Logik der Anschlußfähigkeit zueinander vermutet.14 Die Distanz von Wissenschaft und Religion als zwei unterschiedliche Operationsvollzüge mit einer jeweils für sich beanspruchten Legitimationshoheit über 14 Näher darauf eingegangen wird in einem bislang noch nicht veröffentlichten Artikel über die rekursive Anschlußfähigkeit von Quantenphysik und Esoterik.

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„Wahrheit“, läßt sich wissenschaftshistorisch bis in die Neuzeit zurückverfolgen (vgl. von Stuckrad 2004, 2009; Grant 1977; Faivre 1994, 2010; Yates 1991). „Mit ganz wenigen Ausnahmen war für die großen Naturwissenschaftler vor der Aufklärung ihre Wissenschaft nicht eine Gegeninstanz zur Religion, sondern für sie wurde durch ihre wissenschaftliche Entdeckungen die göttliche Einrichtung der Welt erst sichtbar, lieferte Beweise für das Dasein Gottes.“ (Gladigow 2005: 247)

Was jedoch sowohl Quantenphysik als auch Esoterik eint ist, daß ihr Gegenstandsbereich unsichtbar, unbestimmbar ist. Wie Armin Nassehi herausstellt, „[...] gibt es ein Funktionssystem in der modernen Gesellschaft, das Unbestimmtheit als solche zum Thema hat – Religion nämlich“ (Nassehi 2013: 59). Das Transzendente, Göttliche, die Seele, der Glaube sind zugleich unsichtbar und unbestimmbar. Allein über die Kommunikation über den eigenen Glauben wird dieser kommunikativ anschlußfähig, bleibt aber dennoch unbestimmbar. Ähnlich verhält es sich mit subatomaren Teilchen, deren (Inter-)Aktionen nur über technische Geräte indirekt sichtbar sind und bei deren Aufzeichnung über Meßgeräte stets eine Interpretation vorgeschaltet sein muß, um „zu sehen“, was da vor sich geht. Ohne Wechselwirkung lassen sich (sub-)atomare „Teilchen“ nicht detektieren, denn laut der Kopenhagener Deutung15 bedeutet jede Messung, jeder Blick, eine Wechselwirkung mit eben jenen Teilchen.16 Zahlreiche Interpretationen in der Quantenphysik basieren ebenfalls auf ihrer Unbestimmbarkeit – und seien es auch noch so „konservative“ Interpretationen, wie die statistische. Immanenter Bestandteil aller quantenphysikalischen Interpretationen ist gerade die Aussage darüber, daß per se keine genaue Aussage darüber gemacht werden kann. Jede Beobachtung ist eine Messung, folglich eine Störung und führt damit zum Kollaps der Wellenfunktion17. Wenn aufgrund des Welle-Teilchen-

15 Obwohl allgemein „Kopenhagener Deutung“ genannt, handelt es sich Ijjas zufolge nicht um ein einheitliches Forschungsprogramm oder eine philosophische Schule. Vgl. Ijjas 2011: 60. Siehe zur Kopenhagener Deutung auch Heisenberg 2006; Deutsch 1998; Bauberger 2009. 16 Vgl. Carter 2007: 285. 17 Bis gemessen wird, befinden sich beispielsweise die Elektronen in einer Superposition. Das bedeutet, daß sie mehrere Zustände zugleich einnehmen. Erst während der Messung nehmen sie einen eindeutigen Zustand ein. Vom sog. Kollaps der Wellenfunktion, oder auch „Reduktion des Zustandsvektors“, spricht man, wenn eine Messung vorgenommen wird. Dann wird das Elektron auf einen Zustand reduziert. „Wel-

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Dualismus eine Superposition besteht, ein Elektron oder Photon etc. sich also zugleich in verschiedenen Zuständen befindet, dann ist keine eindeutig bestimmbare Aussage darüber zu machen. Erst wenn gemessen wird, wird die Superposition verlassen, doch die Beobachtung erfolgt nicht unabhängig von der Beobachterin, sondern nur in Abhängigkeit vom und in Interferenz mit dem Meßprozeß. Rein statistisch lassen sich Probabilitäten ermitteln, in welchem Zustand sich das Teilchen am wahrscheinlichsten befinden könnte; eindeutig aber ist dies nicht. Von der Viele-Welten-Theorie über die Kopenhagener Deutung bis hin zur Interpretation, daß bereits das menschliche Bewußtsein einen Meßvorgang darstellt, gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Interpretationen18, die sich jedoch alle an der Unbestimmbarkeit, die der Quantenphysik inhärent zu sein angenommen wird, entlanghangeln. Die Logik der Anschlußfähigkeit von Quantenphysik und Religion zeigt sich nun gerade darin, daß auf Unbestimmtheit nur mit Unbestimmtheit angeschlossen werden kann. „Daß man sich systemtheoretisch darauf geeinigt hat, religiöse Kommunikation über die Codierung Immanenz/Transzendenz zu unterscheiden [...] meint nur, daß sich hier die immanente Beobachtung von Unbeobachtbarem ereignet, das dann in eine Form gebracht werden muß, die sich dennoch festlegt – auf Sätze, Praktiken, auf kommunikative Ereignisse eben. Immanenz/Transzendenz meint keine Seinsbereiche. Es geht [...] um eine Beobachtungsform, die zugleich religiöse Formen einschließt, die auf eine vorgestellte transzendente Sphäre verzichten.“ (Nassehi 2013: 61; Hervorh. im Orig.)

In genau dieser Referenz auf etwas Unsichtbares, Unbeobachtbares entsprechen Quantenphysik und Esoterik einander. Denn auch in der Quantenphysik wird sich prinzipiell Unbeobachtbarem gewidmet. „In der Quantentheorie, so wie Bohr sie verstanden hat, lassen sich Objekte der Theorie (der Zustandsvektor, die Wellenfunktion) und die Phänomene nicht mehr eindeutig einander zuordnen.“ (Bauberger 2009: 173) Es lassen sich Wahrscheinlichkeiten abbilden; und bei jeder Beobachtung wird mit dem zu Beobachtenden interferiert. Erkennbar ist nur Indirektes in Verbindung mit der Spur, die man selbst aus Erkenntnisinteresse gelegt hat. Unbestimmbarkeit ist in der Quantenphysik gewissermaßen systemimmanent19. Das bedeutet, daß die Quantenphysik mit der traditionellen Auffassung von Naturwissenschaften mit eindeutig bestimmbaren und objektiv nachvollziehbaren Ergebnissen aus Experimenten, die in der Praxis die jeweilige cher der Eigenwerte gemessen wird, kann allerdings lediglich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden“. (Ijjas 2011: 56) 18 Siehe Bohm 1989: 167 f.; Barrett 2001; Schrödinger 1935; Hertel 2007; Vaas 2001. 19 Man denke nur an die HeisenbergȀsche Unschärferelation.

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Theorie falsifizieren können sollen, eher nicht konform geht, wenn ihr nicht sogar widerspricht. Im Bereich Quantenphysik wird sehr viel Wert auf die technische Nutzbarkeit und die ökonomische Bedeutung gelegt.20 Die praktische und technische Nutzbarkeit wird oft als eine Art von Verifikation angeführt. Schließlich muß ja auch theoretisch stimmen, was praktisch funktioniert. Gleichzeitig halten sich schon über einen langen Zeitraum Theorien und Interpretationen, die beinahe religiös, zumindest jedoch transzendental, anmuten21. „Die Interpretationsprobleme der Quantenmechanik haben in entscheidender Weise damit zu tun, welche Bedeutung der Wellenfunktion Ψ beigemessen wird.“ (Rebhan 2008: 461) Die Anschlußfähigkeit quantenphysikalischer Begriffe an das System Religion stattet dieses vordergründig mit einer wissenschaftlichen Legitimation aus, die weit über das System hinausgeht und selbst Legitimationshoheit über andere Systeme reklamieren läßt. Die scheinbare wissenschaftliche Beobachtbarkeit unbeobachtbarer Experimente, wie dem des Doppelspaltes in der Quantenphysik, wird im System Religion als quasi-unbeobachtbare Faktizität des Religiösen verstanden und dahingehend (um)gedeutet, daß es im System Wissenschaft religiöser Experten bedarf, die die uneindeutigen wissenschaftlichen Experimente mit ihren uneindeutigen Interpretationen klar auszulegen imstande sind. Durch die Anreicherung mit Eigensemantik verweist das System Religion bei der vordergründigen Einbettung quantenphysikalischer Begriffe doch nur wieder auf sich selbst. „Am Anfang steht die Überlegung, daß es Systeme gibt, daß es Geschlossenheiten gibt, die nur auf sich verweisen.“ (Saake 2010: 60) Vielleicht könnte davon die Rede sein, daß es sich in allerletzter Konsequenz um eine Chimäre handelt, die in wissenschaftlich anmutendem Gewand daher kommt und bei aller Hoffart doch nur auf sich selbst, versteckt im Gewand der Quantenphysik, verweist. Während im System Wissenschaft wissenschaftliche Experten per Definitionem miteinander über wissenschaftliche Topoi kommunizieren, wird dies im System Religion von religiösen Experten – ebenfalls per Definitionem – vorgenommen. „Wer im Medium des Glaubens spricht, setzt sich selbst in eine Position des authentischen Sprechers.“ (Nassehi 2013: 62) Auch diese Arbeit bewegt sich innerhalb des Systems Wissenschaft; es wird eine Reduktion der Weltkomplexität bei scheinbar eigener Erhöhung der Eigenkomplexität vorgenommen.

20 Z.B.: MRT, Kernspintomographie, PET (Positronen-Emissions-Tomographie), Laser, etc. 21 Hugh Everetts Multiverse, des weiteren: Quantum Correlates of Consciousness, Quantenholismus, Non-Lokalität.

Problem-Lösung-Konstellationen in Esoterik und Quantenphysik als exemplarische Beispiele für Randgeschehen in Funktionssystemen

Wie im Laufe der Arbeit dargelegt wurde, weisen Quantenphysik und Esoterik zahlreiche operationale und strukturelle Gemeinsamkeiten auf. Werden nun die beide Bereiche in ihre jeweiligen Systeme – Wissenschaft und Religion – integriert, und die Interaktionen der verschiedenen Systeme zueinander in Beziehung gesetzt, so fällt auf, daß die jeweiligen Systeme ganz allgemein gesprochen, immer in mehreren Dimensionen operieren. Im Folgenden wird an ausgewählten Beispielen argumentiert, um schließlich zur Metaebene zu gelangen und diese zu thematisieren. Dabei liegt der Fokus auf der operativ-funktionalen, nicht aber auf der ontologischen Ebene. Über die Zeit hinweg bezeugt beispielsweise die Institution der katholischen Kirche, daß Verwaltung und Organisation immer stärker geworden sind. Es haben sich vom anfänglichen Urchristentum, in dem besitzlose Anhängerinnen und Anhänger gegen bestimmte strukturelle Eigenheiten des Judentums rebellierten und einen neuen, individuellen Zugang zu ihrem Gott propagierten, die Kirchen nicht mehr nur als Zusammenkunft ihrer Anhänger, sondern als feste Gebäude, Ämter mit bestimmten klar definierten Rechten, Pflichten und Aufgaben herausgebildet. Das höchste Amt der katholischen Kirche ist das Amt des Papstes, der als Vertreter Gottes auf Erden gilt (vgl. Chidester 2000). Das hohe Organisationsniveau des Christentums wird auf operativer Ebene durch die sehr starke Verschriftlichung unterstützt – wie es auch im Judentum und im Islam der Fall ist. „Gespräche mit Gott“ sind als Gebete, Buße, etc., stark ritualisiert in den Organisations-Kontext und die Strukturen der Kirche eingebettet. Eine Kommuni-

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kation mit Gott erfolgt für die Gemeinde mit Hilfe eines Priesters, der ebenfalls seelsorgerische Pflichten übernimmt. Je stärker nun Macht und Einfluß dieser Leistungen zunehmen, um so mehr nimmt ebenfalls ihre Problematik zu. Die starke Verschriftlichung etwa macht es mancherorts bereits zur Herausforderung, den alttestamentarischen mit dem neutestamentarischen Gott zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zu vereinen, das frei von Widersprüchen ist. „Gott“ läßt sich quasi an „den eigenen Aussagen“ messen. So wird das transzendentale Wesen, das ehemals durch außerweltliche Potenz Furcht und Respekt einzuflößen vermochte, zu einem Sammelsurium zum Teil widersprüchlicher bürokratischer Notizen und Narrative, die verschiedenen Interpretationen über die Zeit zugänglich sind. In einem aktuellen Beispiel stehen sich etwa der neutestamentarische Gott der Barmherzige und Papst Francisco als Vertreter Gottes auf Erden mit dessen Aussage gegenüber, es sei in Ordnung, wenn ein Vater seine Kinder zu Erziehungszwecken mit Schlägen korrigiere, sofern sie nicht die Würde des Kindes verletzten.1 Der inneren Logik der Organisation und der Verschriftlichung zufolge muß sich die katholische Kirche unter anderem die Frage gefallen lassen, wer denn nun spreche: der Papst als Vertreter des alttestamentarischen Gottes oder ein Individuum mit bestimmtem Habitus in einem bestimmten Amt? Die starke Strukturierung und Organisation lassen keinen Raum mehr zu für Chaos und Emotionen außerhalb bestimmter Räume und Zeiten für ganz bestimmte legitime Emotionen. Als Gegenbeispiel sei an dieser Stelle das „Zungenreden“ der Pentecostalisten erwähnt, die davon ausgehen, daß während des Gottesdienstes der „heilige Geist“ in die Gläubigen fahren kann und sie in einen Zustand versetzt, in dem sie unter Zuckungen wilde Lautäußerungen von sich geben (vgl. Anderson 2007). Ebenso wenig Platz ist mehr für Strukturbrüche und differente Zuschreibungen, die außerhalb des institutionalisierten Deutungshorizontes liegen. Die direkte und individuelle Beziehung zu Gott hat in der katholischen Kirchenstruktur weniger Raum und unterliegt funktionalen und organisatorischen Präsuppositionen. Es befinden sich zu viele Ämter zwischen Gott und dem einzelnen Individuum. Interaktionen sind gebunden an bestimmte Ämter, und Sanktionen wie Buße sind fest in die Struktur eingebaut. Reglementierungen lassen keinen Raum mehr für „das Dazwischen“ (siehe die vorherige Aussage von H), für das Regellose, Dionysische. Das Göttlich-Transzendente wurde spätestens 1

Vgl.: http://www.theguardian.com/world/2015/feb/06/pope-francis-parents-ok-smackchildren-dignity (aufgerufen am 12.02.2015 um 13:29); http://edition.cnn.com/2015/ 02/06/europe/vatican-pope-spanking-children/index.html (Video zuletzt angesehen am 12.02.2015 um 13:34).

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seit der Verschriftlichung seines göttlichen Überraschungsmomentes beraubt. Die Kern-Stärken der Funktionssysteme werden zu Problemen je stärker sie werden. Zur näheren Analyse ist es nun erforderlich, sich die Autopoiesis und Operationen in Funktionssystemen generell mehrdimensional vorzustellen. Die erste Dimension könnte die der Stärke sein, die – je stärker diese Stärken werden – mit Problemen korrespondieren, die man sich auf zwei gegenüberliegenden und miteinander verbundenen Polen derselben Operationalität vorstellen kann. Zwischen den beiden Polen Stärken und Probleme wären Operationen der Stasis, wohingegen an den Rändern der Pole Raum für jeweilige Veränderungen wäre. Die zweite Dimension in Funktionssystemen hat in der einen Richtung die Zeitachse, während t in Richtung potentieller Unendlichkeit strebt. Verbunden mit der zeitlichen Dimension ist der Begriff der Evolution und Entwicklung. Problematisch sind bei diesem DarwinȀschen Konzept die Ein- und Ausschlüsse, sowie die Präsuppositionen, Konzepte und blinden Flecken, die aus der Basisannahme einer ständigen evolutionären Praxis folgen. Die eine Seite der hier vorgestellten Zeitdimension geht immer von einem Anfang aus, der sich mit fortschreitender Zeit zu höheren, komplexeren Strukturen, Funktionen, Relationen ausbildet. Der Blick erfolgt stets in Referenz zu vorangegangenen defizitären Momenten der Entwicklung oder hinsichtlich eines sich in unbestimmter und von jedem neuen Augenblick weiter in die Zukunft verschiebenden vollständigeren Zieles. Eine Unterscheidung erfolgt stets als eine des Mangels. Im evolutionistischen Denkschema befindet sich damit jedes Beobachtungsziel auf einer Werteskala. Bezogen auf das System Religion wird aus evolutionistischer Perspektive beispielsweise von „anfänglichen“ Naturreligionen gesprochen, die auf einem gesellschaftlich niedrigeren Entwicklungsstadium befindlich gedacht werden, als die „höher entwickelten“ verschriftlichten Religionen wie Judentum, Christentum und Islam (vgl. etwa Eliades Differenzierung von „archaischen und modernen Menschen“ Eliade 1998: 58; vgl. ebenfalls Stark/Finke 2000; Kippenberg/von Stuckrad 2003: 28). Die Elemente auf der Dimension der Stärke werden erst im Laufe der Zeit stärker und sind somit immer auch an einen zeitlichen Faktor gebunden. Je weiter entwickelt eine Institution ist, desto poröser wird die Basis, wie wir am Beispiel der katholischen Kirche gesehen haben. Die Basis „transpiriert“ sozusagen nach unten hin ein wenig und diffundiert in Richtung der Ränder des Funktionssystems. Auf den Katholizismus bezogen bedeutet dies, daß mit zunehmender Bürokratie und einer Erweiterung von Ämtern, Gott und das Paradies immer weiter vom Einzelnen weg rücken und dieser so entstehende Mangel von den Menschen als Wunsch, ihrem Gott wieder näher zu sein und „ihn“ zu verstehen artikuliert

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wird. Sie begeben sich auf die Suche nach mehr Nähe zur Transzendenz, nach direkter Gotteserfahrung und werden unter Umständen in der Esoterik fündig. Dort ist zunächst einmal Platz für individuelle Kommunikation mit Gott, die sich bürokratischen Zwängen entzieht und Platz für das Ungeordnete, für Chaos und Emotionen zuzulassen scheint. An dieser Stelle sei beispielhaft an H. erinnert, die den Platz zwischen den Atomkernen und Elektronen mit Transzendenz auffüllen möchte. Genau dort ist also noch Platz für Gott – ein äußerst begrenzter mikroskopisch kleiner Platz. In der Esoterik wird mit modernen wissenschaftlich anmutenden Sätzen Gott in die Welt eingebunden; bei näherem Hinsehen jedoch erneut bürokratisch einem Weltbild ein- und untergeordnet. Wenn man nun vom gewählten Beispiel auf die Ebene der Operationalisierungen geht, diffundieren einzelne Teile der Basis und der Stärken eines Systems nach außen, da sie mitunter zu Problemen werden. An den Rändern angekommen, werden diese Elemente in den Rand des Funktionssystems eingebaut und operieren sozusagen in neuem Gewand nunmehr als Randstärken. Die sich in ständigem Prozessieren befindlichen zähflüssig-liquiden Ränder der Funktionssysteme erhalten wichtige Inputs aus der porösen Basis im Zentrum. Der Transport von der Basis zu den Rändern hin sorgt wiederum für eine damit verbundene Bewegung von den Rändern hin zur Mitte. Dadurch, daß die sich ablösenden Elemente wieder zu systemlogischen Strukturen ordnen erhält sich das jeweilige Funktionssystem autopoietisch. Die andere Richtung der Dimension auf der Zeitachse würde nicht in die Vergangenheit zeigen, da diese bereits inhärenter Teil der Dimension der Zeit ist. Zeit wird hier verstanden als logische Abfolge von verschiedenen Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukünften, oder aber – und damit wären wir beim gegenüberliegenden Pol angelangt – als eine Art von NietzscheȀscher ewiger Wiederkehr des Gleichen2 (vgl. Nietzsche 1976), die man sich als ewig prozes-

2

Bereits in der Antike wurde eine Struktur der ewigen Wiederkehr u.a. von Heraklit und Platon entworfen. „Platons Theorie knüpft an alte Gedankengänge an. Schon Heraklit und Empedokles hatten zu zeigen versucht, daß immer ein Gegensatz aus dem anderen hervorgehe, ja der ganze Prozeß des Werdens sich in der Form der Gegensätze vollziehe. Und ferner, daß dieses Entstehen, Währen und Vergehen sich wiederhole, so daß der Gesamtprozeß des Naturgeschehens einen Kreislauf bilde, in welchem alles wiederkehre.“ (Guardini 1956: 120)Da jedoch Nietzsches Zarathustra im Allgemeinen präsenter ist und zugleich keine historische Skizze dieses Gedankens vonnöten ist, wurde in diesem Pol der zeitlichen Dimension auf Nietzsche Bezug genommen.

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sierende selbst-emergente Strukturen, die sich immer wieder von neuem auflösen um sich wieder autopoietisch zu erneuern, vorstellen könnte. Hier wird davon ausgegangen, daß Funktionssysteme an und für sich schon immer a priori Ränder haben und es ist zu beobachten, daß es eine interdependente Wechselwirkung zwischen den Stärken innerhalb des Kerns und dem Randgeschehen gibt, welches über Perforationen in der Basis während des Prozessierens stimuliert wird.3 Eine weitere Dimension dieser als vorläufig zu verstehenden Skizze bezeichnet die räumliche Expansion auf der einen Seite, deren Operationsweisen ebenfalls auf Veränderung eingestellt sind, und auf der anderen Seite eine immer stärkere Konzentration auf ein Ego. Diese zwei Pole sind bei genauerer Betrachtung ebenfalls interdependent als sie die wechselseitige Negation des jeweils anderen Poles sind. Während bei einer Expansion der Raum immer weiter aufgespannt wird und eine Ausdehnung stattfindet, könnte man die immer stärkere Konzentration auf ein Ego auf der gegenüberliegenden Seite mit der Metapher der Singularität umschreiben. Bei der Singularität ist die Raumzeit derart stark gekrümmt, daß sich eine unglaublich hohe Masse auf einen Punkt – die Singularität – konzentriert und selbst das Licht innerhalb des sog. Schwarzschild-Radius ihr nicht mehr entkommt. Als philosophische Figur ließe sich anstelle des Egos der Solipsismus einsetzen. Während sich auf der Seite der räumlichen Expansion die Operationen wieder und wieder verändern, befinden sie sich auf der komplementären Seite in einer Stasis. Das Geschehen der Funktionssysteme in ihren systemischen Gesamtkontext zu integrieren, kann hier nur als vorläufiger Entwurf verstanden werden. Es besteht Grund zu der Annahme, daß die Dimensionen noch ergänzt werden könnten. Unterschiedliche Sprach- und Grammatikmodalitäten, ebenso wie verschiedene Raum- und Zeitentwürfe könnten hierzu den Anstoß geben, ebenso wie kulturelle Differenzen4. Um wieder etwas praxisnaher zu argumentieren, werden nun die Problemlösungen, die das Randgeschehen Quantenphysik dem Teilsystem Physik innerhalb des Systems Wissenschaft offeriert, näher untersucht. Die ersten ontologischen Probleme, mit denen sich die Physik nun konfrontiert sieht, ist die Frage, ob es überhaupt eine objektive Realität gibt, und falls ja, welchen Bezug die eigenen Messungen, Experimente etc. zu dieser haben. Zunächst ist in der klassischen Physik immer von einer objektiven, meßbaren und 3

Diese Systemanalyse klingt selbst schon wieder etwas „esoterisch“. „Esoterismen“ tauchen auch in der Kybernetik und der Systemtheorie immer wieder auf (vgl. Grössing 2000; Schulte 1993).

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Hier verstanden als einander ergänzenden Verschiedenheiten.

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über Experimente nachvollziehbaren berechenbaren Realität ausgegangen worden. Das zweite Problem der Validität ist eng damit verbunden. Können wir überhaupt etwas darüber aussagen und falls ja, was? Dem Problem der Validität wurde mit quantitativen Messungen und Experimenten begegnet. Gleichzeitig wurde Aussagekraft über mathematische Nachvollziehbarkeit konstatiert. Die Statistik gliedert einzelne Ausreißer in eine Gesamtverteilung ein, die trotzdem Prognosen erlaubt. Ein weiteres Problem ist, daß der Blick auf die Untersuchungsgegenstände nie direkt erfolgt, sondern nur über Apparaturen oder zeitversetzt. So zeigt selbst der unverstellte Blick in den Nachthimmel nicht die Sterne wie sie leuchten, sondern wie sie vor langer Zeit geleuchtet haben, als das Licht den Stern verließ. Man blickt dabei nur in die Vergangenheit. Der Blick ist zudem unumgänglich und a priori theoretisch vorbeladen. In der Astronomie wird, da die menschliche optische Wahrnehmung nur innerhalb eines bestimmten Bereiches erfolgen kann, mit Hilfe von Teleskopen, Infrarotkameras, Detektoren bis hin zu Low Frequency Instrumenten, die im Mikrowellenbereich detektieren, normalerweise Unsichtbares sichtbar gemacht. In der Astronomie tauchen diesbezüglich nun zwei Probleme auf. Das erste Problem betrifft den Anfang des Universums. Unter dem evolutionistischen Paradigma hat sich die Big-Bang Theorie durchgesetzt, die von einem Beginn des Universums ausgeht. Die mathematischen Berechnungen erlauben jedoch erst Aussagen ab einer gewissen Zeit nach dem Urknall. Im Verborgenen bleibt, was davor geschehen ist. Dies entzieht sich prinzipiell mathematischer Zugänglichkeit. Hinzu kommt, daß die Berechnungen über die Materieverteilung den Beobachtungen widersprechen. Es müßte viel mehr Materie und Energie vorhanden sein, als nachweisbar ist. Man kann nun zu verschiedenen Schlüssen kommen. Ein logischer Gedanke könnte sein, daß die Berechnungen und/oder die mathematischen Modelle falsch sind. Es könnte ebenfalls sein, daß die Präsupposition falsch ist, daß die Welt bestimmten logisch nachvollziehbaren Naturgesetzen über Raum und Zeit hinweg folgt. Ein dritter, eher märchenhaft klingender Schluß könnte sein, daß die Berechnungen, Modelle und Präsuppositionen stimmen, aber ein Teil der Materie und Energie unsichtbar ist und sich unseren Blicken entzieht: dunkle Materie und dunkle Energie. Die Problematik liegt in einem unerschütterlichem Vertrauen in die Beweiskraft und Aussagefähigkeit mathematischer Modelle – welches nur vorübergehend leicht erschüttert wurde durch Russels Antinomien und die GödelȀsche Unvollständigkeit. Das Problem der Kontingenz ist in der Physik und Mathematik in die Statistik inkorporiert und damit „gezähmt“ worden. Auf lange Sicht lassen sich einzelne Ausreißer wieder in eine statistische Verteilung integrieren und mathematisieren. Dadurch wird Kontingenz auf gewisse Weise berechenbar und handhabbar.

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In der Quantenphysik ist auf diese Problematik auf zweifache, widersprüchliche Weise reagiert worden. Den Themen objektive Realitätsfrage und Validität sind Physik und Quantenphysik äußerst pragmatisch begegnet. Tatsächlich funktionieren beispielsweise Laser, Supraleiter etc. in der Alltagswelt. Die Theorie dahinter beschäftigt die Experimentalphysiker weniger. Über das Doppelspaltexperiment, eine Kernfrage in der Quantenphysik, hat sich die Kontingenz über die verschiedenen Interpretationen wieder Zutritt verschafft. Photonen und mikroskopische Teilchen reagieren nicht wie gedacht. Sie reagieren nicht logisch und sind nicht direkt beobachtbar. Wiederum stehen mehrere Vorschläge zur Verfügung: entweder sind die Präsuppositionen, die Theorien und/oder Rechnungen fehlerhaft, es muß eine neuen Extraklasse von Teilchen eingeführt werden oder im Kleinsten funktioniert alles nach ganz eigenen Gesetzen und Kontingenz taucht einfach kontingent auf. An diesen Beispielen ist nachvollziehbar, wie die jeweiligen Probleme an der Basis von verschiedenen Systemen verankert sind und wie sie notwendig an das Randgeschehen geknüpft sind. Durch die Diffusion der mit dem jeweiligen System verbundenen Grundproblematik an die Ränder wird die Autopoiesis des Systems überhaupt erst in Gang gesetzt und nach einer Lösung an den Rändern des jeweiligen Systems gesucht. Durch die Auslagerung der Grundproblematik wird das System an sich wieder stabilisiert, das Randgeschehen bewegt sich immer weiter in Richtung Basis und der autopoietische Kreislauf geht unaufhörlich weiter. An anderer Stelle wird noch näher auf die Metaebene eingegangen und das System-Rand-Geschehen wird an weiteren Systemen nachvollzogen. Doch vor einer Third Order Cybernetics muß der beobachtende Blick analysiert, und muß auf den blinden Fleck und seine Notwendigkeit eingegangen werden. Schließlich ermöglicht erst der blinde Fleck das Sehen.

Die Metapher des blinden Flecks

Der blinde Fleck ermöglicht erst das optische Sehen weil sich dort, wo alle Nervenzellen im Auge bündeln, selbst kein Lichtrezeptor befindet. Die Bündelung der Nervenzellen und ihre Verbindung ins Gehirn ermöglicht erst das Sehen, gleichzeitig kann in dem Punkt, der das Sehen ermöglicht, selbst nichts wahrgenommen werden. Das Gehirn ergänzt den fehlenden Punkt im Bild logisch. Heinz von Förster hat mit dem mittlerweile altbekannten Selbstversuch, bei dem ein Stern und ein Kreis in einem Abstand auf einem Blatt Papier etwa in Armlänge voneinander weggehalten werden, bis eines davon aus dem Sichtfeld verschwindet (vgl. von Förster 1985: 26) Blinde Flecken sind eine logische Notwendigkeit von Beobachtungen in der Systemtheorie. Die Metapher des blinden Fleckes soll ausdrücken, daß, genau wie das optische Sehen nur über den blinden Fleck geschehen kann, jedes Funktionssystem der Gesellschaft über einen je eigenen blinden Fleck verfügt. Die Metapher des blinden Flecks wurde zuerst von Francisco Varela und Humberto Maturana auf Rückkoppelungs-Systeme und sog. biologische Systeme übertragen. Auch von Foerster und später Luhmann übernahmen im Anschluß an Varela und Maturana diese Metapher (vgl. Schulte 1993). Ganz allgemein könnte man sagen, daß der blinde Fleck, spätestens postkonstruktivistisch, die Aufgabe einer objektiven, bzw. neutralen Beobachterposition symbolisiert. Genauso wie der blinde Fleck im Auge das Sehen erst ermöglicht und in die Funktionalität des Auges eingebaut ist, so ist in der Systemtheorie der blinde Fleck ebenfalls in alle Funktionssysteme logisch eingebaut und ermöglicht erst funktionale Operationen. „Wenn ein System sich beobachtet, tritt die Paradoxie auf, daß die Beobachtung zum Beobachteten gehört. Im Moment der Beobachtung selbst kann das Ereignis dies aber nicht sehen. Die Beobachtung selbst ist nicht in der Lage, sich selbst zu beobachten.“ (Nassehi 1993: 479) Nicht nur in abstracto ist die Beobachtung von Gesellschaft durch diese selbst, also etwa das Funktionssystem Wissenschaft, davon geprägt die Prägung durch sich selbst nicht ausmachen zu können. Auf die vorliegenden Feldforschungen

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bezogen bedeutet dies, daß um mehr über Kommunikationen über Quantenphysik herauszubekommen, diese Kommunikationen beobachtet werden müssen. Durch die Anwesenheit und während eben jener Beobachtung kann aber keine neutrale Beobachtung der Beobachtung stattfinden. Gerade in der empirischen Forschung bedarf es der stets gegenwärtigen Einsicht, daß „das Beobachten [...] die eigene Unterscheidung als seinen blinden Fleck“ benutzt (Luhmann 1992: 85). In der Operation des Unterscheidens vollzieht sich damit ständig und für die Beobachterin unsichtbar das Nicht-SehenKönnen an eben jenem blinden Fleck mit. Das Bild erscheint vollständig in der Wahrnehmung, obwohl im Kernbereich etwas fehlt, eine Lücke ist, die von den angrenzenden Bereichen logisch aufgefüllt wird. „Note that this localized blindness is not perceived as a dark blotch in our visual field (seeing a dark blotch would imply ‘seeing’), but this blindness is not perceived at all, that is, neither as something present, nor as something absent: Whatever is perceived is perceived ,blotchlessȀ.“ (von Foerster 2003: 212)

Aufgrund der in dieser Arbeit vorgenommenen Kontrastierung von Quantenphysik und Esoterik ist ein sehr scharf gezeichnetes Bild entstanden, wie Quantenphysik kommunikativ verwendet wird, um bestimmte Logiken zu verfolgen und diese in Retrospektive zu plausibilisieren. Unscharf bleiben mußte dabei jedoch die eigene Unterscheidung. Auf der nächsthöheren Ebene der Kybernetik zweiter Ordnung jedoch, bei der Beobachtung der Beobachtung, kann diese wiederum nicht ohne den logisch und zwangsläufig immer anwesenden Blinden Fleck geschehen. Es ist geradezu logisch ausgeschlossen, daß es diesen Blinden Fleck nicht gibt. Außer der Beobachter wäre Teil des Systems, in dem er die Beobachtung vollzieht, und dabei gleichzeitig und ebenso während dieser Beobachtung nicht Teil davon. Dies ließe den paradoxen Schluß zu, er könnte sich selbst von außen während der Operation, in der noch im Entstehen auf was sich die Operation später beziehen wird, neutral und zeitlich vorwegnehmend, beobachten. Was wiederum zu einem zwangsläufigen Paradox ad Infinitum führt. „Die Paradoxie fängt schon da an, wo ein System sich selbst mit Unterscheidungen ausstattet, die es selbst nicht sehen kann.“ (Nassehi 1993: 479) Genau an dieser Stelle sind Theorie und Empirie sehr stark miteinander verflochten und bedürfen einander geradezu – was auch sonst der Fall, aber bisweilen nicht so offensichtlich ist. Man könnte an dieser Stelle das Sich-Gewahr-Seins des Blinden Flecks als notwendiges NichtReflektieren-Können der je eigenen Operationsweise – während eben jener – quasi-ironisch metaphorisch mit der Heisenbergsche Unschärferelation verglei-

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chen. Dem Sichtfeld sind somit inhärent Grenzen gesetzt, die während der jeweiligen Operation mit einer Struktur aufgefüllt werden, die das restliche Bild logisch ergänzen. Ob das Bild vollständig ist und die Relationen tatsächlich genau so ablaufen, kann nicht eindeutig und aktuell festgestellt werden, sondern immer erst virtuell im Nachhinein. „Erst wenn sich gegenwärtige Ereignisse beobachtend auf frühere oder erwartbare Ereignisse beziehen, entsteht eine Selbstbeobachtung bzw. -beschreibung, die die so entstandene Zeit explizit nutzt, um sich zum Beispiel eine beharrliche Substanz zuzuschreiben.“ (Nassehi 1993: 481) Das Beobachten und das aufeinander Beziehen verschiedener Ereignisse im Nachhinein ist somit eine Funktion der Zeit, deren Folge eine Zuschreibung von beharrlicher Substanz ist. Eine augenfällige Bedingung ist die der Kausalität. Sowohl in der Annahme eines a priori gesetzten „Ichs“ als auch in der Beobachtung der Ereignisse in zeitlicher Abfolge bedarf es einer Kausalität, um Relationen herzustellen. Bei der Beziehung von beobachteten Elementen zueinander, die erst im Anschluß an die Ereignisse vollzogen werden kann, werden erst durch die Beobachterin der Beobachtung Sinnzusammenhänge1, wird erst Kausalität hergestellt. Ob diese Zusammenhänge schon vor der Beobachtung der Beobachtung den Elementen inhärent waren, läßt sich – nicht zuletzt aufgrund des Blinden Flecks – nie mit Genauigkeit sagen. Niklas Luhmann stellt fest, daß „strukturelle Kopplung keine kausale Verknüpfung von Umwelt und System“ ist, (Luhmann 1992: 58) denn die „Gleichzeitigkeit von System und Umwelt ist der unvermeidliche Ausgangspunkt“. (Luhmann 1992: 57) Nur im jeweiligen Moment der Gegenwart finde ein neues aufeinander Einlassen der Operationen in System und Umwelt statt.

1

„Sinn“ in dieser Arbeit meint einen hochgradig kontingenten Horizont, der sich je nach individuellen Entwürfen und je nach Ausrichtung neu justieren kann. Operativ wird „Sinn“ prozessual und kausal in einer Funktion der Zeit (immer wieder neu) hergestellt. Er erschließt sich entweder progredient oder retrospektiv. Problematisch bei diesem Begriff ist, daß er entweder normativen Kategorien unterworfen ist oder wie z.B. in der Systemtheorie lediglich zirkulär eingekreist wird. „Als Bezeichnung für die Form des nur in S[inn]systemen möglichen sinnhaften Erlebens und Handelns ist S[inn] eine Modalkategorie, denn sie gibt an, daß aktuelles sinnhaftes Erleben oder Handeln immer nur im Lichte virtuellen sinnhaften Erlebens oder Handelns S[inn] macht. In jedem Augenblick präsentiert S[inn]die ganze Welt, und zwar die ganze Welt, so wie sie von je aktualisiertem S[inn] aus als ganze Welt erscheint. “ (Krause: 2005: 224)

222 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK „In diesem aufgespannten Zeitschema kann dann erfaßt werden, daß die Sequenzen der Operationen in System und Umwelt verschiedene Wege gehen, daß die Operationen sich ständig integrieren und desintegrieren und daß folglich auch Kommunikation und Bewußtsein, momentan aufeinander angewiesen, sich ständig entkoppeln, nur um in dem Moment, der dann Gegenwart wird, sich auf eine neue Koppelung einzulassen.“ (Ebd.)

Demnach kann jede Beobachtung zweiter Ordnung nur probabilistische Aussagen und Bezüge herstellen. Im Folgenden wird untersucht, welche möglichen blinden Flecken in den beobachteten Systemen ausschlaggebend waren. Gleichzeitig wird versucht, im Nachhinein den vermutlich blinden Fleck der eigenen Beobachtung zu ermitteln. Aus den oben genannten Gründen kann diese Analyse bei der eigenen Beobachtung zweiter Ordnung nur auf die Verwendung der „theoretischen Brille“ angewendet werden.

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Das Esoterische Diskursfeld innerhalb des Systems Religion erweist sich als regelrecht hyperfluide, wenn es um die Aufrechterhaltung von Anschlußfähigkeiten geht. Durch die eingebaute Differenz zum System Wissenschaft, deren Fachtermini trotz oder gerade wegen der systemeigenen Gegenüberstellung sowie einer Ergänzung mit esoterischer Semantik auch im System Religion verwendet werden, kann die hergestellte „Verbindung“ jederzeit wieder unterbrochen und das eigene System als „wahrhaftiger“, weil intuitiv nachvollziehbar und erlebbar, tituliert werden. In der Esoterik meint Verschränkung etwas anderes als in der Quantenphysik und so lange der Begriff in der Wissenschaft verwendet wird, beruft man sich auch in der Esoterik darauf. Aber angenommen das Konzept der Verschränkung würde wissenschaftlich widerlegt werden, hätte dies in der Esoterik nicht zur Folge, daß das dortige Konzept ebenfalls einer Neubearbeitung unterzogen würde. Ganz im Gegenteil, denn das eigene Konzept ist ja außerweltlich und unterliegt damit einer völlig anderen Logik. Gerade die konsequente Verwendung von Eigensemantik bezüglich quantenphysikalischer Fachtermini verleiht dem System Religion seine Stärke. Sollte sich etwas innerhalb der Quantenphysik als falsch herausstellen, gelänge es der Esoterik, mit Verweis auf die eigene Semantik, Distanz zum wissenschaftlichen Vorgehen herzustellen und der eigenen Bedeutung mehr Gewicht zu verleihen. Letztendlich wäre eine Möglichkeit gegeben, sich noch immer jener Termini zu

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bedienen und auf die Quantenphysik nur noch eindeutig metaphorisch zu verweisen. „Spirituelle Kommunikation setzt vor allem Sprecher in Szene, und zwar authentische Sprecher, die mit Bestimmtheit auf die Unbestimmtheit von Situationen hinweisen.“ (Nassehi 2014: Vortrag) Die Unbestimmtheit der hier beobachteten esoterischen Sprecher schließt aus esoterischer Sicht geradezu in idealer Weise an die Quantenphysik an. Auch dort ist die Unbestimmtheit systemimmanent. Die Anschlußfähigkeit des Systems ist, was die Operationen und die kommunikativen Anschlüsse betrifft, hyperfluide. Die Rede wird aber um so eingeschränkter, desto zentraler und höher die eigene Position. Dies bedeutet, um zu einer Führungsrolle aufzusteigen, muß das, wovon die Rede ist, unbedingt authentisch sein. „Wenn Spiritualität also eine solche religiöse Form ist, die mit den religiösen Inhalten selbst ein Problem hat, trotzdem aber religiös sein will, dann bleibt letztlich nur Authentizität als Form. Die setzt nicht auf gute Gründe, sondern auf den Sprecher oder die Sprecherin.“ (Nassehi 2014: Vortrag)

Was nun ist der Blinde Fleck im untersuchten esoterischen Diskursfeld und wie kommt man ihm auf die Spur? Dazu ist es nötig, sich ins Feld zu begeben und Kommunikation in quantenphysikalisch-esoterischen Seminaren zu analysieren, was oben bereits dargelegt wurde. Bei einem Vortrag und im daran zu einem späteren Zeitpunkt anschließenden „Seminar“ fand von einer Physik-Laiin eine Einführung in einen wissenschaftlichen Bereich statt. Ihre Legitimation als Sprecherin begründete sie erstens damit, daß ihr Freund Physiker sei, und daß sie zweitens eine authentische Sprecherin hinsichtlich der Verbindung von Quantenphysik und Spiritualität sei. Es stellt sich die Frage, aus welchem Grund das Auditorium stattdessen nicht eine Vorlesung für Quantenphysik besuchte. Oder war es gerade der akademische „Hauch“, der dem esoterischen Vortrag einen Flair verlieh, weswegen sie sich genau dafür interessierten? Die Zuhörerinnen hätten sich aber auch zum gemeinsamen Gebet treffen können, wenn es ihnen um Religion ginge. Die Vermutung liegt nahe, daß es ihnen im Kern um Religiöses, um Spiritualität geht, daß aber genau dies nicht sein darf. Völlig untypisch für einen naturwissenschaftlichen Vortrag ist die Emotionalität, mit der dieser abgehalten wurde. Das eigene Unwohlsein und die emotionale Hilfsbedürftigkeit, die vermutlich Grund dafür gewesen sein könnten, das Seminar zu besuchen, in dem wildfremde Menschen einander am Rücken berühren und sich tatsächlich vereinzelt fallen lassen, sind besser zu kompensieren, wenn diese nicht

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als solche angesprochen werden sondern, mit Verweis auf die Quantenphysik, „verwissenschaftlicht“ und „objektiviert“ werden. Der blinde Fleck des esoterischen Diskursfeldes, das hier untersucht wurde, ist die eigene Sinnsuche, eine leichte emotionale Asymmetrie, welche in einem festen Rahmen für kurze Zeit in bestimmten Grenzen ausgelebt werden darf. Um diese Sinnsuche im Alltag unter Verschluß halten zu können, wird sie an etwas gekoppelt, mit dem man gemeinhin keinen Kontakt hat, nämlich Quantenphysik. Und geschähe dennoch ein kurzer emotionaler „Ausbruch“, so ließe sich dieser hervorragend objektivieren und mit Hilfe von quantenphysikalischem Vokabular erklären und entpersonalisieren. Nicht im gesamten System Religion darf es also offensichtlich um Religiöses gehen.

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Laut Luhmann unterscheidet sich das System Wissenschaft von anderen Funktionssystemen (vgl. Luhmann 1992: 273). „Ihr „frame“ ist ihr eigener Code, aller „anchoring effect“ wird, wie immer es einstmals wirklich angefangen haben mag, auf die Unterscheidung von wahr und unwahr bezogen. [...] Gerade daß die Wissenschaft durch ihren Code auf keine spezifische Ansichten festgelegt ist, macht ihre evolutionäre Unwahrscheinlichkeit aus [...] zeichnet ihre Identität aus“. (Luhmann 1992: 274)

Diese Aussage mag für „herkömmliche“ Naturwissenschaften Bestand haben, doch gerade die Quantenphysik zeichnet sich dadurch aus, daß bestimmte und fundamentale Theorieannahmen, wie etwa die HeisenbergȀsche Unschärferelation, das Tunneln, die Superposition etc. sowie ihre Interpretationen – man denke nur an die „konservativste“ und gebräuchlichste Kopenhagener Deutung mit dem Beobachtereffekt – die früheren Annahmen von Objektivität, einer beobachtbaren Realität, und der prinzipiell möglichen Falsifikation von Theorien durch Experimente zum Teil untergraben. Gerade der letzte Punkt, daß in den Naturwissenschaften eine Theorie durch Experimente wenigstens prinzipiell falsifizierbar sei, wird durch die Quantenphysik herausgefordert. Man könnte es auch so sehen, daß die Wissenschaftlichkeit der Quantenphysik – so erfolgreich sie in der Praxis auch sein mag – gerade durch den letzten Punkt in Frage gestellt wird – zumindest was die Einordnung unter bisherige Wissenschaften betrifft. Wie eingangs erläutert sind Theorie, Ex-

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periment und mathematische Formulierung in der Quantenphysik – zumindest prinzipiell – miteinander verzahnt. In der Praxis jedoch finden diese Bereiche relativ getrennt und unabhängig voneinander statt. Dies wird während eines Interviews mit einem Experimentalphysiker deutlich. Das Besondere an seinem Gebiet erläutert der Experimentalphysiker so: EP: „Und das coole ist, daß man dann also ein (makroskopisches) System hat, was aus relativ vielen Teilchen besteht und die verhalten sich aber trotzdem rein quantenmechanisch, weil alle im identischen Quantenzustand sind. Weil normalerweise verhält sich jedes Teilchen quantenmechanisch. Aber wenn man viele Teilchen hat, wie jetzt hier bei Raumtemperatur, die Cola oder so, dann besetzen die vollkommen unterschiedliche Quantenzustände. Jedes einzelne Molekül oder Atom ist quantenmechanisch aber in der Gesamtheit sieht man überhaupt keine Quantenmechanik mehr und man sieht nur noch eine klassische Cola. Und bei dem Bose-Einstein-Kondensat hat man halt viele Teilchen und alle verhalten sich genau identisch. Und drum sieht man bei vielen Teilchen immer noch die rein quantenmechanischen Effekte.“

Durch Experimente könne man bestimmte Dinge rein optisch erzeugen. Gerade für die Festkörperphysik sei dies wichtig, da man dort optisch Kristalllegierungen mit verschiedenen Gitterabständen nachbauen könne. Durch die Veränderung der Wellenlänge des Laserlichtes, aus dem das optische Gitter besteht, kann der Gitterabstand modifiziert werden. Der von mir besuchte Bereich arbeitet praktisch und experimentell in einem Labor. Die Physiker sitzen an Bildschirmen, auf denen sie indirekt über die visuelle Darstellung der Ergebnisse von Meßgeräten und einzelnen Photographien Rückschlüsse auf die unsichtbaren Vorgänge hinter dem Vorhang ziehen können. Auf die Teilnahme an experimentellen Vorgängen wird später noch eingegangen, doch vorab erfolgte ein längeres Interview mit einem Experimentalphysiker. EP: „Wir kollaborieren oft mit Theoretikern, die das System dann berechnen. In einem zweiten Projekt zum Beispiel, da warte ich jetzt gerade noch auf Rechnungen von [...] Theoretikern und die rechnen immer Schrödingergleichung. Und für Vielteilchenphysik, weil wir ja bei uns 100.000 Atome haben, die rechnen es dann oft nur für zehn Atome oder für 15. Das reicht oft schon und oft nur in 1-D, weil die Probleme also exponentiell schwierig werden, wenn man in höhere Dimensionen geht in der Quantenmechanik. Weil alles miteinander verschränkt ist. Und je mehr Teilchen man nimmt, also dann steigt einfach der Rechenaufwand exponentiell. Darum ist bei 15 Teilchen Schluß.“

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Nachdem die Experimentatoren mit 100.000 Atomen gearbeitet haben und die experimentellen Ergebnisse vorliegen, rechnen die „Theoretiker“ diese Zustände und Zustandsänderungen mit nur 15 Atomen in einem eindimensionalen System nach. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit der mathematischen Berechnung eine Prognoserelevanz über die Anzahl der 15 Atome und der einen Dimension hinaus zukommen kann. Können diese beiden Systeme überhaupt miteinander verglichen werden und falls ja, mit welchen Einschränkungen? Denn daß die Ergebnisse sich verändern, je mehr Atome man einbezieht, ist offensichtlich. EP: „Also der Theoretiker, der das gerade macht, der sagt: also 18 Teilchen ist schon ein Ding der Unmöglichkeit. 15 geht, 18 geht überhaupt nicht mehr. Weil es exponentiell anwächst, der Rechenaufwand. Das heißt, die werden auch Näherungen machen. Die werden nicht alle Eigenzustände mitnehmen, weil es meist unendlich viele Eigenzustände gibt.“

Der Rechenaufwand steigt demnach exponentiell, umso mehr Teilchen integriert werden müssen. Je höherdimensional, desto mehr mögliche räumliche Positionen können eingenommen werden. Es liegt nahe zu vermuten, daß eine Reduktion der mathematischen Komplexität zu einer Reduktion der Aussagekraft führt. Dies wird u.a. auch daran deutlich, daß Näherungen vorgenommen werden. Näherungen geben Auskunft über Probabilitäten. Denn, wie der Experimentalphysiker sagt: EP: „Die Zustände können beliebig hoch angeregt sein. Das kann man nicht mehr rechnen. Das heißt, man macht da irgendwo einen Cut. Ein Cut-Off und machen noch andere Näherungen, vielleicht daß der eine Parameter viel größer ist als der andere, dann wird die Rechnung noch einfacher.“

Die Frage ist, wo man den Cut-Off vornimmt, wo man ihn unter welchen Umständen bewerkstelligen kann, und wo die mathematische Berechnung sich der Limitation der Machbarkeit unterwerfen muß – ganz gleich wie legitim dieser Bruch in Anbetracht der Vorhersagekraft sein mag. Auf die Frage, wie diese unterschiedlichen Gegebenheiten miteinander verglichen werden können und ob man dann noch von einer Abbildung der „tatsächlichen“ Bewegung oder eines „tatsächlichen“ Vorganges durch diese mathematische Rechnung sprechen könne, argumentiert der Experimentalphysiker folgendermaßen: EP: „Ja das ist ein schwieriges Problem. Auf jeden Fall. Das heißt, wenn die so ein eindimensionales System rechnen, [...] sollte man das erst mal nur mit einem eindimensionalen

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Experiment vergleichen. Das ist auch genau was wir machen in diesem zweiten Projekt. [...].“

In diesem speziellen Fall läuft die Unterscheidung nicht mehr auf wahr/unwahr hinaus, sondern auf die Kompatibilität der Ergebnisse untereinander, also quasi was vergleichbar ist und was sich Vergleichbarkeit entzieht, und damit auch der Akkumulation von Wissen, von Wißbarem. Hier schließt sich die Frage an, wie das Berechnende durch die Vereinfachung der Rechnung verändert und beeinflußt wird. Die Erörterung hätte jedoch den Rahmen der Arbeit gesprengt. Es wird nicht nach einer vermeintlich objektiv situierten und mathematisch „greifbaren“ Sache geforscht, sondern die Sache an sich wird über ihre Berechnung vereinfacht. EP: „Das heißt, wir rampen diese Gittertiefe nur in einer Dimension nach unten. Jetzt haben wir natürlich experimentelle Constraints, daß, wenn wir so ein Bild nehmen fotografieren wir alle Atome auf ein Mal. Unser System besteht jetzt aber aus 100.000 Atomen und nicht aus 15 Atomen und die 100.000 Atome, die verteilen sich jetzt in dieser eindimensionalen Messung auf viele einzelne Röhren, auf viele einzelne eindimensionale Systeme. Und da hat dann jedes – in jeder Röhre sitzen vielleicht 50 Atome – Größenordnung – und dann haben wir vielleicht so 1.000 Röhren und die fotografieren wir alle gleichzeitig. Da können wir nicht anders machen. Das ist leider experimentelle Limitierung, wohingegen die Theoretiker berechnen nur eine Röhre mit nur 15 Atomen. Erst mal stimmt die Atomzahl nicht. Und zweitens, was wir auch noch experimentell machen, wir mitteln. Das heißt, der Abbildungslaser, der geht durch die Atomwolke durch und schaut sich alle Röhren gleichzeitig an. Alle, die auch hintereinander sitzen. Das wird alles aufaddiert in dem Bild. Das können wir auch nicht verhindern.“

Die mathematische Limitierung hat nun in diesem Fall Auswirkungen auf das tatsächlich ausgeführte Experiment. Normalerweise erfolgt eine Rückkoppelung in den Naturwissenschaften derart, daß das Experiment zeigt, ob die entsprechende Theorie verändert oder verabschiedet werden muß. Ein Experiment ist ein Versuch mit unklarem Ausgang. Experimente falsifizieren Theorien, denn – so die frühere Annahme – das Gedachte, die Präsuppositionen, müßten sich an der Realität messen. „Die Realität“ und unser mitunter vermeintlicher Zugang zu ihr stehen nicht nur in den Geistes- und Sozialwissenschaften auf dem Prüfstand. Gerade in der Quantenphysik können wir uns nur bis zu einer gewissen Annäherung, dem Planck’schen Wirkungsquantum, rechnerisch annähern. An dieser Stelle muß Luhmann Recht gegeben werden mit seiner Feststellung, „Je feinkörniger die Umwelt angesetzt wird, desto mehr Rekombinationsmöglichkeiten

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werden vorstellbar, und desto unübersichtlicher werden sie; desto deutlicher erscheint die Kontingenz der Welt, wie sie nun einmal geworden ist“. (Luhmann 1992: 370 f.) Zurzeit wird davon ausgegangen, daß die feinkörnigste Struktur der Welt auf quantenphysikalischer Ebene abläuft, bzw. daß wir nur bis zu diesem Bereich und lediglich anhand von Wahrscheinlichkeitsrechnungen dorthin vordringen können. Daß sich durch diese Feinkörnigkeit ins Kleinste die Rekombinationsmöglichkeiten bis ins Unendliche erhöhen – jedenfalls prinzipiell – darauf ging der Experimentalphysiker ebenso ein, wie auf die wissenschaftliche Limitation der Beobachtung derselben.2 Zusammenfassend kann festgehalten werden: Während die Menschen im esoterischen Bereich, welcher Quantenphysik in sein Glaubenssystem einarbeitet, auf der Suche nach dem „Großen Sinn“ von allem und nach ihrem Platz im Ganzen suchen, und auf dem Weg zur alles verbindenden Einheit aus verschiedenen Gründen auch Elemente der Quantenphysik fokussieren, gelangen die Wissenschaftler in der Quantenphysik gerade über die Fokussierung des ganz Kleinen, des Mikrokosmos, wieder zu den großen alles verbindenden Theorien3. In einer bildlichen Metapher gesprochen könnte man die Beziehung von Quantenphysik und Esoterik mit einer Penrose-Treppe von M. C. Escher symbolisieren. In beiden Systemen wird stets um dieselbe Frage laboriert, nämlich was die Welt im Innersten zusammenhält, oder anders ausgedrückt, was ihre Grundbausteine sind. Dabei kann es, wie wir bereits mehrfach gesehen haben, schnell geschehen, daß man die Ebene verwechselt und gleichsam die Richtung ändert. Dabei werden Elemente und Ressourcen anderer Systeme an den Rändern eingebaut und für das eigene System in Anspruch genommen. Entscheidend ist jedoch, daß die Quantenphysik bei allen irrationalen und unintuitiven Annahmen und Interpretationen noch immer nach wissenschaftlichen Grundsätzen und Modi arbeitet, um – zumindest in der Theorie – ausschließlich falsifizierbare Ergebnisse zu produzieren, während es bei der quantenphysikalisch orientierten Esoterik im Kern darum geht, ihr Konzept einer pseudo-rationalen Annäherung an Transzendentes interessant zu machen. Manchmal geschieht dies aus rein wirtschaftlichen Gründen, manchmal um einem „verkopften“ Publikum spirituell Religiöses wieder „schmackhaft“ und persönlich erlebbar zu machen.

2

Wissenschaft könne sich, so Luhmann, nur autopoietisch, als sich selbst fortsetzende Unruhe begreifen und so werde Wissenschaft zum Mittel, durch das die Gesellschaft die Welt unkontrollierter mache (vgl. Luhmann 1992: 371).

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Z.B. Superstringtheorien, GUTs (Great Unifying Theories).

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Diese Arbeit hat sich bereits mit dem blinden Fleck in der Esoterik und dem der Quantenphysik beschäftigt. Daher ist es nur konsequent, das eigene theoretische Gepäck ebenfalls auf einen blinden Fleck abzusuchen, was so einfach gar nicht sein dürfte. Ermöglicht zwar erst der blinde Fleck das Sehen, doch wird das, was sich dem Blick entzieht, durch die Eigenlogik des Gehirns, respektive des Systems, aufgefüllt. Darüber hinaus kann ein System strenggenommen nicht aus sich selbst heraus treten, um einen „objektiven“ Blick auf sich selbst zu werfen. Lediglich über einen Double Re-Entry ließe sich eine Differenz ermitteln. Während Schulte den blinden Fleck der Systemtheorie Luhmanns in einer verkappten Theologisierung (vgl. Schulte 1993) sieht und Luhmann sogar pathologisiert: „Sein propagierter Beobachtungsstil hat jedenfalls paranoische Züge. Mißtrauische Bewachung des Latenten, des Hintergrundes oder des unmarked space durch den Blick von der Seite kennzeichnet nach Conrad z.B. die beginnende Schizophrenie.“ (Schulte 1993: 202), wird in dieser Arbeit ein anderer blinder Fleck in Luhmanns Systemtheorie konstatiert. Man könnte ihn auch als operativen blinden Fleck bezeichnen. Der blinde Fleck der Systemtheorie, der Vorbedingung für Wahrnehmungen ist und diesen gleichzeitig ausblendet, ist das evolutionistische Fortschrittsparadigma. Auf ihm baut die Systemtheorie auf. Nachfolgend wird näher erläutert, worum es sich dabei handelt und wie eng dieser blinde Fleck mit der Systemtheorie verbunden ist. Des Weiteren wird deutlich werden, daß es sich hierbei um ein Paradigma handelt, das nicht nur die Systemtheorie, sondern ebenfalls das System Wissenschaft im Allgemeinen grundlegend beeinflußt4. Nimmt man den theoretischen Aufbau der Systemtheorie nun genauer unter die Lupe und teilt den Aufbau in verschiedene Dimensionen ein,5 ist auf der temporalen Dimension zu erkennen, daß Luhmann sich nicht etwa für eine NietzscheȀsche ewige Wiederkehr des Gleichen entscheidet, sondern für eine Evolution, die in der funktionalen Ausdifferenzierung verschiede-

4

Auf die Differenz von Luhmanns Begriff des Evolutionismus und den häufig verwendeten und von ihm kritisierten wird gleich näher eingegangen. Diese Unterscheidung macht jedoch an sich keinen Unterschied dahingehend, daß sowohl in der Systemtheorie als auch im System Wissenschaft im Allgemeinen nach dem evolutionistischen Fortschrittsparadigma operiert wird und dies allen theoretischen Annäherungen zugrunde gelegt wird.

5

Wie bereits im 11. Kapitel angeschnitten, doch dazu später im Einzelnen mehr.

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ner funktionaler Systeme gipfelt (vgl. Nietzsche 1979: 103; Nietzsche 1976; Luhmann 2008, 1992, 2012; Kneer/Nassehi 2000: 15, 117). Luhmann selbst unterscheidet „Globaltheorien“, die den Titel Evolutionstheorien zu Unrecht usurpiert hätten (Luhmann 2008: 7), da sie einer allgemeinen Prozeßvorstellung verhaftet blieben und eine Einheit solcher Theorien zu Grunde legten (Luhmann ebd. 7 f.), die er lediglich als „Entwicklungstheorien“ bezeichnet (vgl. ebd.). Sozialdarwinistische Interpretationen der Evolutionstheorie gründeten nach Luhmann somit nicht in der Evolutionstheorie, sondern würden einen gemeinsamen historischen Anfang, und eine damit verbundene Entwicklungsgeschichte annehmen.6 Schulte hat in seinem Buch „Der blinde Fleck in Luhmanns Systemtheorie“ auf folgenden Punkt hingewiesen: „Die Systemtheorie erklärt sich aber nun schlicht mit sich selbst. Das macht überhaupt das Spezifische dieser Theorie, ihre Universalität aus: die Selbstreferentialität oder der Zirkel. Sie kann es sich leisten, meint Luhmann, ‚den Begründungszirkel anzuerkennen und ihn selbst mit darauf abzielenden Unterscheidungen zu brechen.‘ (WdG, 507) Evolutionstheoretiker machen es so. Denn Evolution kann nur durch Evolution erklärt werden – und ist gerade deshalb wahr.“ (Schulte 1993: 19 f.)

Wenn wir einen kurzen Blick zurück auf das Zitat des Physikprofessors PP werfen, sehen wir, daß die Quantenphysik ebenso verfährt: PP: „Aber wenn man ein bißchen, wenn man das ernst nimmt, was in der Quantenmechanik drin steht, dann muß man zur Kenntnis nehmen, daß die Quantenmechanik nicht mehr hintergehbar ist. Also alle anderen physikalischen Theorien, die nicht quantenmechanisch sind, die lassen sich ja mit Hilfe von quantenmechanischen Geräten messen. Also zum Beispiel mit dem Laser läßt sich sehr genau eine Länge messen. Zeiten lassen sich sehr genau messen, und so weiter. Atomuhren sind ja so etwas. Aber wie will ich die Quantenmechanik unabhängig von der Quantenmechanik überprüfen? Das geht überhaupt nicht mehr. Das heißt, dieses hehre Ideal des Falsifikationismus - ja? Hier haben wir eine Vorher - wollen wir mal kucken - löst sich bei der Quantenmechanik völlig auf. Auf einmal muß man es einfach nur noch hinnehmen. Also das bedeutet, naturphilosophisch gesprochen, wir sind an eine Erkenntnisgrenze gekommen.“

Die je eigene zirkuläre Praxis von Systemtheorie, Evolutionstheorie und Quantenphysik führt schließlich dazu, daß diese in ihrer Eigenlogik wahr sein müssen. 6

Inwiefern diese sog. Evolutionstheorien und Weiterführungen von Darwins Gedanken dessen Evolutionstheorie eigentlich widersprechen, habe ich in meinem Artikel „Evolutionistis und andere Evolutionismen“ ausgearbeitet.

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Sie begründen sich auf sich selbst. Dies ist zugleich ihre größte Stärke und größte Schwäche. Für die Systemtheorie bedeutet die Begründung auf dem evolutionistischen Fortschrittsparadigma, insbesondere verbunden und geradezu perfektioniert mit dem Konzept der Autopoiesis, daß sich jedwede Empirie perfekt in funktionale Ausdifferenzierungsprozesse einordnen läßt. Die Differenz von Variation und Selektion kennzeichnet Evolution (vgl. Luhmann 2008: 8). Eng an die beiden Operationen Variation und Selektion ist Kontingenz geknüpft. Variation ist ja gerade variabel und sie hätte, genauso wie Selektion, immer auch anders verlaufen können. Das theoretische Konzept der LuhmannȀschen Systemtheorie mutet an den Rändern bisweilen genauso fluide an wie die Esoterik. Nur der Referenzrahmen ist ein anderer. Der Referenzrahmen für die Systemtheorie und die Wissenschaften im Allgemeinen ist derjenige der Empirie, ist die Verbindung mit der „tatsächlichen“ Welt. Und genau dort befindet sich der Haken; ist doch spätestens seit dem Konstruktivismus auch und gerade in der Systemtheorie klar, daß jede Fokussierung der „wirklichen Welt“ gerade keinen Zugang zu dieser hat und auch nicht wirklich haben kann. Einerseits mag es auf den ersten Blick verwundern, daß noch immer davon ausgegangen wird, in den Wissenschaften Aussagen treffen zu können, die sich falsifizieren lassen. Obwohl für PP klar ist, daß man mit der Quantenphysik an einer epistemologischen Grenze angekommen ist, und obwohl auch für Soziologen klar ist, daß wir über „die Wirklichkeit“ keine Aussage treffen können, trotz der konstruktivistischen Wende also, ist auf einen weiteren Blick jedoch ebenfalls klar, daß es nicht anders sein könnte. Schließlich funktioniert das System Wissenschaft genau so. Und so muß es auch weiter funktionieren. Aufgrund der Unmöglichkeit „tatsächliche Wahrheit“ eruieren zu können eine fundamentale Wende zu vermuten wäre höchst naiv. Das System läuft so weiter und muß so weiter laufen. Die gesamte Systemtheorie basiert auf der Vorstellung des evolutionistischen Fortschrittsparadigmas. Das Konzept der funktionalen Ausdifferenzierung, der Spezialisierung von Systemen und ihrer autopoietischen Selbsterneuerung funktioniert nur vor dem Hintergrund der Differenz von Variation und Selektion, von Weiterentwicklung, Fortschritt und spezifischen gesellschaftlichen Bedürfnislagen. Genau dieser Fokus auf Gesellschaft ist ungemein wichtig, weil nur mit Hilfe des blinden Fleckes der Systemtheorie und der Wissenschaften insgesamt, bestimmte Praxen, Operationen, Bedürfnisse, Kooperationen und Aushandlungsprozesse interpretiert werden können. Wichtig ist dabei, sich stets gewahr zu sein, daß nur ganz bestimmte Vorgänge gesehen werden können, andere nicht. Über eben jene spezifischen Kategorisierungen in beispielsweise Menschen, Tie-

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re, Pflanzen, Wirtschaft, Leben, Tod etc. werden Wahrnehmungen kategorisiert, ja erfolgen erst bestimmte Wahrnehmungen. Bei aller Kompetenz bedarf es der per se ganz eigenen „In_Kompetenz“7 stets von neuem gewahr zu sein und ein wenig mit dieser, durch das Zulassen von differenten Perspektiven, zu spielen.

D ER BLINDE F LECK

IN DEN

W ISSENSCHAFTEN

Der von mir eingeführte Begriff des evolutionistischen Fortschrittsparadigmas (vgl. Klotz 2016: 375-386) verweist darauf, daß alles Geschehen in Kategorien der Weiterentwicklung, der Evolution, der Veränderung zum höher Entwickelten8 eingeordnet wird. Der Begriff Evolution geht bekanntlich auf Charles Darwin zurück. Evolution beinhaltet bei Darwin mehr oder weniger gute Anpassungsleistungen an veränderte Umweltbedingungen (vgl. Darwin 2009). Dem evolutionistischen Fortschrittsparadigma inhärent ist ein Gefälle von Veränderungen und von Anpassungsleistungen zwischen verschiedenen als Arten gedachten Kategorisierungen. So wird zum Beispiel noch immer von einer „biologisch-ökologische[n] Sonderstellung des Menschen“ (Storch/Welsch/Wink 2013: 529) gesprochen, dessen Macht sich durch die Entwicklung von Waffen ausdehnte, und der schließlich auch „Kulturschädlinge“ (Storch/Welsch/Wink 2013: 530) zurückgedrängt habe (ebd.). Das evolutionistische Fortschrittsparadigma zeichnet sich ebenfalls durch die anthropozentrische Annahme einer „geistig-kulturelle[n] Sonderstellung des Menschen“ (Storch/Welsch/Wink 2013: 531) aus. Eine Sonderstellung schließt einerseits eine Ebene der Hierarchisierung ein. Besonders kann nur sein, was sich aus der Allgemeinheit in besonderem Maße hervorhebt. Des weiteren erinnert das Begriffspaar der „Sonderstellung“ einerseits und des „Kulturschädlings“ andererseits an ein „Othering“, in

7

Der Unterstrich symbolisiert alles, was über eben jene Inkompetenz der a priori Kategorisierungen ausgeschlossen wird. Durch Kategorisierungen entsteht erst die Möglichkeit, Gruppen zu bilden, zu klassifizieren und zu vergleichen, also auf eine ganz bestimmte Art hin wahrzunehmen. „In_Kompetenz“ bedeutet genau genommen, die Bedingung der Möglichkeit der Erlangung von Kompetenz. Jedoch nur unter der Bedingung einer Ausschließung des Nicht-Eigenen.

8

Hier weicht der blinde „Meta-Fleck“ der Wissenschaften allgemein von jenem der LuhmannȀschen Systemtheorie ab. Diese Differenz hat aber keine Auswirkungen darauf, daß es sich um einen blinden Fleck handelt, der jeweils eine unterschiedliche Perspektive auf das evolutionistische Fortschrittsparadigma hat.

D IE M ETAPHER

DES BLINDEN

FLECKS

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welchem durch die Verknüpfung des pejorativen Ausdrucks „Schädling“ auf einem Pol mit dem Begriff Kultur, den Menschen für gewöhnlich ausschließlich ihrer eigenen Art vorbehalten, eine Entfremdung der menschlichen Spezies von „der Natur“ ausgedrückt wird. Urban analysiert in ihrer Dissertation „Von Ratten, Schmeißfliegen und Heuschrecken. Judenfeindliche Tiersymbolisierungen und die postfaschistischen Grenzen des Sagbaren“ (Urban 2014) wie solch ein „Othering“ mit Hilfe von pejorativen Tier- und Insektenbegriffen während des Nationalsozialismus hauptsächlich an der jüdischen Bevölkerung vorgenommen wurde, und wie dies den ersten Schritt des gesamten Vernichtungsprozesses markierte (vgl. Urban 2014). Darüber hinaus stellt sie pejorative Konstruktionen in einen historischen Kontext. „Im Mittelalter werden „Juden“ durch die Darstellungen ihrer (vermeintlichen) Verhaltensweisen und Handlungen degradiert. Vom 17. Jahrhundert an treten dann körperliche Charakteristiken des „Jüdischseins“ hervor.“ (Urban 2014: 127) Solche Konstruktionen eines höhergestellten Eigenen und der notwendig damit verbundenen Herabstufung der Anderen findet sich ebenso in kolonialistischer Zeit, in der Indigene als „Primitive“ stilisiert wurden (vgl. McGovern 1923: 116) wie vereinzelt auch deutlich später (vgl. „Primitive und hohe Kulturen“ Spengler 1991: 593)9. „Das Problem des ‚Fortschrittsdenkens‘ hängt zusammen mit der Gewichtung, die den Möglichkeiten menschlichen Handelns in der Geschichte gegeben wird, mit dem Problem der Freiheit also. [...] Erst dort, wo der Mensch zum Subjekt seiner eigenen Geschichte wird, ist der Übergang vom Fortgang zum Fortschritt vollzogen“ (von Brück 2012: 56 f.; Hervorh. im Orig.).

Es gilt, sich der Einschränkungen des evolutionistischen Fortschrittsparadigmas und seiner (historisch) semantischen Implikationen gewahr zu sein. Dieser Begriff bedient a priori ein hierarchisierendes eindimensionales Konzept, mit dem bestimmte Dinge erst gesehen werden, das jedoch blind macht für Variationen und Gemeinsamkeiten auf mehrdimensionalen Ebenen (vgl. Searle 2005; Dennett 2005: 393; Allen/Saidel 2005). Der blinde Fleck dieses evolutionistischen Fortschrittsparadigmas ermöglicht zunächst einmal die Wahrnehmung von entwicklungsgeschichtlichen Veränderungen und Anpassungsleistungen an veränderte Umweltbedingungen. Er ermöglicht ebenfalls eine spezifische Kategorisierung von verschiedenen Individuen in Arten mit ihren jeweiligen Differenzierungen. Auf der anderen Seite wird 9

Zu näheren Ausführungen vgl. meinen Aufsatz „Evolutionistis und andere Evolutionismen“.

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über eben jene Kategorisierungen der Blick extrem verengt für tatsächliche Individualität außerhalb von kategorialen Zugehörigkeiten. Der Begriff „Fortschritt“ beinhaltet eine Entwicklung von einer Basis zu immer komplexeren Funktionen. Vergleiche orientieren sich an der Basis und erfolgen eindimensional. Dadurch wird die Komplexität anders gearteter Systeme nur teilweise und nur in Bezug zu einer binären Unterscheidung erfaßt. Referenzrahmen dieses in einem Gefälle angeordneten Vergleichs ist und kann dabei auch wieder nur der Mensch als Spezies sein.10

10 Wie anfällig dieser Spezies-Begriff ist, wird schnell deutlich, wenn man ihn, wie zuvor angedeutet, historisiert. In sog. „Völkerschauen“ wurden im 19. Jahrhundert Menschen anderer Ethnien in Zoos ausgestellt. Indigene Bevölkerungen oder als „Juden“ Klassifizierte wurden lange Zeit nicht als der menschlichen Spezies zugehörig verstanden, was wiederum eine Unterdrückung legitimierte (vgl. Armbruster 2011).

Randgeschehen in Systemen

Während der qualitativen Feldforschung und im Laufe der anschließenden Analyse war mit der Zeit zu sehen, daß sich die Vermutung von immer wieder aneinander anschließenden Kommunikationen aus Quantenphysik und Esoterik bestätigt hat und daß ihnen eine Art strukturelle Logik innewohnt. In meinem zur Zeit noch nicht veröffentlichten Aufsatz „Quantenphysik und Esoterik – ein Fall von rekursiver Logik der Anschlußfähigkeit“, gehe ich noch näher auf die Interdependenz beider Systeme ein. Beiden Bereichen gemeinsam ist auf der Metaebene, daß es sich hierbei um eine Art von Randgeschehen handelt. Wie wir sehen konnten widersprechen geradezu viele theoretische Zugänge der Quantenphysik dem Naturverständnis der klassischen NewtonȀschen Physik. Aus einer historischen Perspektive heraus betrachtet, ist einer von zahlreichen Gründungsmythen – wenn auch der dominante –, daß sich die Quantenphysik aus der Lösung des Schwarzkörperproblems1 heraus entwickelte. Mittlerweile erhebt die Quantenphysik für immer weitere Bereiche den Anspruch, generell

1

Auch wenn Vogd davon ausgeht, Beginn und Ende der Quantenphysik genau bestimmen zu können – „Der Beginn der Quantenphysik läßt sich recht genau definieren, nämlich mit der Einsicht von Max Planck, daß sich das Strahlungsverhalten eines schwarzen Körpers nur angemessen beschreiben läßt, wenn man hypothetisch annimmt, daß die Strahlungsaufnahme oder -abgabe gequantelt, das heißt in Form diskreter Energieelemente stattfindet“ (Vogd 2014: 51; vgl. ebd. 91) – bin ich doch bei meiner Forschung und intensiven Literaturrecherche auf unterschiedliche Gründungsmythen der Quantenphysik (vgl. Kuhn 1996 mit Al-Khalili 2004; Wagner 1975: 88 ff. und Barrett 2001: 18 ff. sowie Popper 1979) gestoßen, auf die z.T. bereits in Kapitel 2. eingegangen wurde.

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bzw. bessere Lösungen zu bieten2. Was sich anfangs wie ein unbequemer und zum Teil schmerzhafter Stachel im Fleisch des Kanons lediglich am Rande der Physik abspielte, bohrte sich über einen Zeitraum von über hundert Jahren immer tiefer ins Fleisch und arbeitete so auch bislang klassisch gelöste Teilgebiete der Physik ein. Dazu zählen zum Beispiel die Mechanik, die von der klassischen Mechanik zur Quantenmechanik avancierte und die Statistik, die sich von der relativistischen zur quantischen Statistik (vgl. Schulz 2005) ausdehnte. Der Stachel im Fleisch der Physik arbeitete sich so immer mehr vom Rand bis hin zur Mitte des Systems Physik vor und sorgte dabei für große Verwerfungen bis hin zur Begründung einer Ontologie der Quantenphysik (vgl. Friebe et al 2015). Die binäre Codierung des Systems Wissenschaft in wahr/unwahr wird zwar in der Quantenphysik langfristig ebenfalls weiter verfolgt, doch wird diese zeitweise überlagert vom Glauben an3, bzw. das Vertrauen in die Funktionalität bestimmter Postulate, Theorien, Interpretationen und Berechnungen. Diese Wissenschaft widerspricht in weiten Teilen der bisherigen logischen Argumentation, wie sie ansonsten bezeichnend ist für die Wissenschaften4. Lediglich dem Postulat eines prinzipiellen Falsifikationismus muß sie sich, zumindest theoretisch, unterziehen können. Popper schreibt in seinem 1967 erschienenen Aufsatz „Quantum Mechanics without ‚The Observer‘“ entschieden gegen die Kopenhagener Deutung an.

2

Ein Beispiel sind die als „optische Pinzetten“ bezeichnete, fokussierte Laserstrahlen, mit denen lebende Zellen und andere kleine Objekte bewegt werden können (vgl. Rempe 2002: 45; Gaub 2002: 112 ff.). Weitere Beispiele sind die Verwendung von Kernspintomographie und PositronenEmissions-Tomographie als bildgebende Verfahren (vgl. Lesch 2007: 58 ff.).

3

Zu diesem Glauben gehört ebenfalls der Verweis auf die Intuition. Eine meiner Quellen aus der Physik sprach von einer physikalischen Intuition: „Man muß sozusagen seine physikalische Intuition aktivieren, um irgendwelche Konzepte zu finden, die nicht auf dieser tiefliegenden Ebene - ich schaue mir alle Teilchen und deren Paar-zuPaar Paarwechselwirkung an und versuche daraus das Verhalten diese Körpers zu bestimmen, sondern man muß irgendwelche Konzepte finden, die eine Ebene höher liegen.“ Auch andere Physiker und Philosophen wie Einstein und Bunge haben die Wichtigkeit von Intuition betont (vgl. hierzu auch Scriven 1963). Hier wird die Quantenphysik auch in ihren Operationen wieder esoterisch.

4

Vgl. Popper 1966; Ockham 2008. Deutsch etwa betont die ungebrochene Wichtigkeit von Occam`s Razor (Deutsch 1998).

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„If a mere philosopher like myself opposes a ruling dogma such as this, [Copenhagen interpretation; Erg. L. K.] he must expect not only retaliation, but even derision and contempt. He may well be browbeaten (though I am happy to remember how kindly and patiently I was treated by Niels Bohr) with the assertion that all competent physicists know that the Copenhagen interpretation is correct (since it has been ,proved by experimentȀ).“ (Popper 1967: 7; Hervorheb. im Orig.)

Er kritisiert anschließend ebenfalls eine Zunahme an indirekten Messungen und einen Verlust an Objektivität (Popper 1967: 11). Zudem bezweifelt Popper den experimentellen Beweis der Richtigkeit der Kopenhagener Deutung stark. Die Quantenphysik insgesamt markiert quasi einen zum Teil widersprüchlichen, zum Teil logischen Extraraum, in welchem die PopperȀschen Postulate (Popper 1966) nicht mehr in ihrer ursprünglich beabsichtigten Form greifen (können). Sie gelten partiell nur in Richtung der jeweils intendierten Lesart. Denn mathematischer Formalismus konsequent zu Ende gedacht bedeutet, wie in Kapitel 2.1 besprochen, eine Vielzahl parallel existierender Universen anzunehmen, die inhärent von außen nicht falsifiziert werden können (vgl. Everett 1973; Deutsch 1998). Ebenso wenig experimentell falsifizieren lassen sich etwa der Beobachtereffekt der Kopenhagener Deutung oder verborgene Parameter bei Bohm. „Unter einer konstruktivistischen Epistemologie kann Wissenschaft jedoch nicht mehr mit Popper unter einer allgemeingültigen ‚Logik der Forschung‘ subsumiert werden. Spätestens mit Gödel ist deutlich geworden, daß jeder Versuch eines formallogischen Systems, sich aus sich selbst heraus zu beweisen, grundsätzlich zu Widersprüchen oder Paradoxien führen muß.“ (Vogd 2014: 29)

Die Quantenphysik verfügt über eine erstaunliche Interpretations-Offenheit. Gerade weil die nicht-klassische Quantenphysik auf Uneindeutigkeit aufgebaut ist, gibt es eine Vielzahl zum Teil widersprüchlicher Interpretationen und Lesarten. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, jede liest was sie lesen möchte. Gerade aus diesem Grund ist es wichtig, bestimmten Lesarten besonderen Nachdruck zu verleihen. Schließlich kann nicht vollständig mit Plausibilität argumentiert werden. Insgesamt echauffiert man sich im Bereich Quantenphysik häufig über den Umstand sie sei unintuitiv und folge einer nicht-klassischen Logik. Nach Luhmann bestehen sämtliche Kommunikationen in der Quantenphysik und über Quantenphysik wie sämtliche andere Kommunikationen aus der Triade Information, Mitteilung und Verstehen. Je verquerer, unplausibler und unlogischer nun

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die Information, um so nachdrücklicher muß sich die Mitteilung gebärden – ganz wie im System Religion. Das Randgeschehen der Quantenphysik im Teilsystem Physik des übergeordneten Systems Wissenschaft scheint sich nur auf den ersten Blick sehr von den Operationen des restlichen Systems zu unterscheiden. Wir können jedoch von einer Metaebene aus auch in anderen Systemen solche Randerscheinungen beobachten, die sich immer weiter in Richtung des Systemzentrums einarbeiten. Als ein weiteres Beispiel für derartige Randerscheinungen an Systemgrenzen können etwa bestimmte Bereiche in der Ökonomie angeführt werden. „Der autopoietische Elementarvorgang, die letzte, nicht weiter dekomponierbare Kommunikation, aus der das System [Ökonomie; Erg. L. K.] besteht, ist die Zahlung.“ (Luhmann 2012: 625). Die Codierung lautet somit: zahlen/nicht zahlen. Stark verkürzt könnte man das folgendermaßen skizzieren: Geld als haltbares Zahlungsmittel erweitert ursprüngliche Tauschgeschäfte über Zeit und Raum. Von Anfang an waren auch hier Glaube und Vertrauen in die Funktionalität und Praktikabilität der Tauschwährung Teil des Systems. Mit der Entwicklung von Aktien konnte in jüngerer Geschichte das Vertrauen in den Erfolg eines Unternehmens durch Wertpapiere symbolisiert werden. Ziel war, in Form eines Anteilscheins dem damit ausgedrückten Vertrauen in das Unternehmen finanziellen Ausdruck zu verleihen. Verkaufte man die Aktien wieder, was früher noch eher als langfristige Investition gedacht war, erhielt man bei guter Anlage eine mehr oder weniger geringe Wertsteigerung (vgl. Sedláček 2012). Bereits Schumpeter warnte vor einer dem Kapitalismus inhärenten Krisen-Systematik, da das Kapital dazu neige, sich zu großen Handelsgesellschaften mit beträchtlicher Monopolmacht zusammenzuballen (vgl. Varoufakis 2015: 49). Erfolgreiche Kapitalgesellschaften würden erst groß und dann selbstgefällig und „hungrige, innovative Neulinge attackieren [sie; Erg. L. K.], bis die Alten schließlich am Ende sind. [...] In diesem Sinn spielt die Krise eine entscheidende, rettende Rolle in der kapitalistischen Entwicklung einer Gesellschaft“ (ebd.). Das Jahr 1929 wird oft als erste große Krise des modernen Kapitalismus angeführt, und das Jahr 2008 als zweite (vgl. Varoufakis 2015: 52; Kamp 2009). Zusammenbruch und Überwindung sind, folgt man Schumpeter, Mügge und Sedláček damit in die Programmatik des Kapitalismus eingeschrieben. Ebenso systemimmanent und eine logische Folge ist die in jüngster Geschichte erfolgte Abkoppelung des Finanzmarktes von der restlichen Ökonomie. Und mit dieser Abkoppelung wird der Glaube an die Funktionalität dieser speziellen nunmehr abstrakten Handhabung der Ökonomie schleichend immer wichtiger. Wollte man dieser Entwicklung einen Anfangspunkt zuordnen, spielt das Ende des Gold-

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standards mit Sicherheit eine entscheidende Rolle (vgl. Varoufakis 2015: 60 ff. und Otte 2006). CDOs, Collaterized Debt Obligations5 und CDS, Credit Default Swaps, um nur zwei Beispiele zu nennen, befanden sich noch in den frühen 1990ern am Rand der Ökonomie. CDS sind Kreditausfallversicherungen, die Wetten auf einen Kreditausfall von externen Beteiligten erlauben. So können, unabhängig von einer eigenen Beteiligung, Wetten auf den Ausfall der Rückzahlungen gemacht werden (vgl. Varoufakis 2015: 180). CDS sind höchst virulent und brandgefährlich. Selbst George Soros bezeichnete CDS als „’instruments of destruction’ that should be outlawed“ (Reuters: 12. Juni 2009). Fischer Black und Myron Scholes hatten 1973 neben der Black-Scholes Equation, an der auch Merton beteiligt war, Derivate entwickelt; Investments in Investments, welche die jüngste Weltwirtschaftskrise maßgeblich getriggert haben sollen (vgl. Kamp: 2009; Acharya; Richardson: 2009; Varoufakis: 2015: 24 ff.)6. “The theory of option pricing developed by Black and Scholes (1973) and Merton (1973) was a crucial breakthrough that won the 1997 Nobel Prize for Scholes and Merton (Black died in 1995). This theory allowed reformulation of a host of issues such as business decisions and the valuation of corporate debt, and it became the central paradigm – in the full Kuhnian sense – of financial economics“ (MacKenzie/Millo 2003: 109).

Das Vertrauen in gute Unternehmensführung wurde im Laufe der Zeit abgelöst durch den Glauben an kurzfristige Renditen, die nicht mehr an die Produktivität von Unternehmen gekoppelt sind und auch nicht mehr sein sollen, denn durch die Abkoppelung von der Realwirtschaft erhielten einerseits Finanzinnovationen eine größere Marktbeteiligung (vgl. Kemp 2009), während andererseits wieder die „mystisch-religiösen Wurzeln“ der Ökonomie sichtbarer wurden. Sedláček zeichnet in „Die Ökonomie von Gut und Böse“ diese Wurzeln nach (Sedláček 2012). Diesem System war nun nicht nur der Glaube an die Funktionalität und Praktikabilität des Kapitalismus inhärent, sondern ebenfalls die Verbindung zum Glauben an eine „höhere Macht“, die sich im Homo oeconomicus oder im Glau-

5

Unter CDO versteht man ein Wertpapier, in welchem verschiedene Schuldtitel zu-

6

Vgl. hierzu das Gutachten von Hellwig: 2010, in welchem er von „Fehler[n] in der

sammengefaßt sind (vgl.: Varoufakis 2015: 17 f.). Architektur des globalen Finanzsystems“ (Hellwig 2010: 2) spricht, bei denen Derivate eine große Rolle spielen. Auch Mügge schließt sich dem an: „Es ist weithin anerkannt, daß Kreditderivate in der gegenwärtigen Finanzkrise eine entscheidende Rolle gespielt haben.“ (Mügge 2011: 53)

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ben an „Ökonomen als Propheten der modernen Zeit“ (Sedláček 2012: 378) offenbart. „Horst Kohler, former head of the International Monetary Fund, recently compared bankers with alchemists, arguing that they are responsible for the ,massive destruction of assetsȀ. [...] The NFA is so dangerous that it cannot reproduce itself over time without frequent government bailouts. But after every such ,rescueȀ, financial markets become larger, more complex, more opaque, and more highly leveraged. Thus, every rescue eventually leads to the need for yet larger and more aggressive future bailouts because the potential cost of nonintervention keeps rising along with the size and influence of financial markets.“ (Crotty 2008: 55)

Durch den Stachel im Fleisch des Finanzsystems – u.a. CDS, Derivate und die neue finanzielle Architektur (NFA), die laut Crotty aus einem riesigen globalen Konglomerat von Investment-Banken, Hedge Fonds und Special Investment Vehicles bestehe (vgl. Crotty 2008: 2) – der sich langsam aber sicher bis ins Zentrum des Systems vorgearbeitet hat, gilt zwar einerseits noch immer die binäre Codierung von zahlen/nicht zahlen, doch wird diese unterwandert durch eine zusätzliche Codierung, die dem System weniger sichtbar zwar, doch nichtsdestotrotz zu eigen ist, nämlich den Glauben an die Funktionalität und das Vertrauen in die Praktikabilität dieser Finanzprodukte. Das ehemalige aggressive Randgeschehen hatte sich bereits weit vor der großen Finanzkrise von 2008 bis ins Zentrum des Systems Ökonomie gefressen, so daß es bereits im Vorfeld der Krise vermehrt zu Warnungen kam (vgl. Otte 2006; Martin/Rey 2006). Auch hier ist es zu großen Verwerfungen gekommen, die zum Teil über das System Ökonomie hinausreichen. Als Beispiel sei hier die Verpflichtung Griechenlands genannt, bereits vor der parlamentarischen Abstimmung über neue Gesetze diese im Vorfeld von der Troika, in „the institutions“ umbenannt, auf ihre Finanztauglichkeit hin zu überprüfen, bevor sie überhaupt im Parlament debattiert werden dürfen7(vgl. auch: Euro Summits Statement vom 12. Juli 2015).

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„[...] to fully normalize working methods with the Institutions, including the necessary work on the ground in Athens, to improve programme implementation and monitoring. The government needs to consult and agree with the Institutions on all draft legislation in relevant areas with adequate time before submitting it for public consultation or to Parliament. The Euro Summit stresses again that implementation is key, and in that context welcomes the intention of the Greek authorities to request by 20 July support from the Institutions and Member States for technical assistance, and asks the European Commission to coordinate this support from Europe;“

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Dieses aggressive Randgeschehen hat, wie wir sehen konnten, nicht nur zu großen Verwerfungen im Finanzsektor und im ökonomischen System insgesamt geführt, sondern ebenfalls starken Einfluß auf das politische System genommen. Fortan haben sich politische Entscheidungen an ökonomischen Rentabilitätskriterien zu orientieren. Da, wie Sedláček zeigte (Sedláček 2012), Mythologien bereits in die Grundstruktur des ökonomischen Systems eingearbeitet sind, und es darüber hinaus immer wieder zu großen Krisen gekommen ist, die – wie wir sehen konnten – ebenfalls Teil des Systems sind, liegt es nahe davon auszugehen, daß umwälzendes Randgeschehen, welches die spezifische Kultur des jeweiligen Systems in Frage und auf den Kopf stellt, die andere Seite der Medaille ist, die das System durch Aufruhr, Umwälzung, autopoietische Neuorientierung am selben Systemcode aufrechterhält. Der Blick in ein weiteres System mag hier näheren Aufschluß geben. Auch das System Medizin verfügt über derartige Alternativen. Homöopathie, chinesische Medizin und Naturheilverfahren sind schon sehr lange Begleiterinnen, bzw. Vorläuferinnen der modernen Medizin (vgl. Bruchhausen/Schott 2008). Während die traditionelle chinesische Medizin (außerhalb Chinas oft TCM genannt) etwa 200 v. Chr. in der Han-Dynastie (vgl. ebd.: 14) wegweisend war und die moderne Medizin damals als Stachel im Fleisch der traditionellen Medizin Chinas wahrgenommen wurde, hat sich heutzutage in der modernen Medizin in Deutschland ein Aspekt der TCM, nämlich die Akupunktur, von einer randständigen Behandlungsmethode so weit ins Zentrum des Systems Medizin laviert, daß mittlerweile einige Krankenversicherungen zumindest einen Teil der Kosten dieser uralten Methode übernehmen8. Ebenso verhält es sich mit homöopathischen und naturheilkundlichen Anwendungen. Die Homöopathische Medizin wurde von Samuel Hahnemann (1755-1843) entwickelt. Die aus der Natur entnommenen essentialisierten hochverdünnten Stoffe sollen nach dem Ähnlichkeitsprinzip wirken. Zudem gilt, daß je geringer die Dosierung des Stoffes, umso wirksamer sei er auf der geistigen Ebene.

(http://money.cnn.com/2015/07/13/news/economy/greece-deal-full-text/; Status: 02.12. 2015; 20:21). 8

Die gesetzliche Techniker Krankenkasse übernimmt beispielsweise „bei bestimmten Indikationen“ die Kosten für eine Akupunkturbehandlung. (http://www.tk.de/tk/leistun gen-a-z/a/akupunktur/26138; zuletzt aufgerufen am 04.12.2015 um 14:37), die private Hallesche (http://www.hallesche.de/tarif-primob-pm65.pdf#search=Akupunktur% 2A; Status: 04.12.2015; 12:02) übernimmt ebenfalls die Kosten für eine AkupunkturBehandlung.

242 | Q UANTENPHYSIK UND E SOTERIK „Nun lehrt aber das einzige und untrügliche Orakel der Heilkunst, die reine Erfahrung in allen sorgfältigen Versuchen, daß wirklich diejenige Arznei, welche in ihrer Einwirkung auf gesunde menschliche Körper die meisten Symptome in Ähnlichkeit erzeugen zu können bewiesen hat, welche an dem zu heilenden Krankheitsfalle zu finden sind, in gehörig potenzirten und verkleinerten Gaben auch die Gesammtheit der Symptome dieses Krankheitszustandes, das ist [...], die ganze gegenwärtige Krankheit schnell, gründlich und dauerhaft aufhebe und in Gesundheit verwandle, und daß alle Arzneien, die ihnen an ähnlichen Symptomen möglichst nahe kommenden Krankheiten, ohne Ausnahme heilen und keine derselben ungeheilt lassen.“ (Hahnemann 1992: 79)

Der Autor bezieht sich hier auf ein „Orakel der Heilkunst“, welches lehre, daß seine Methode der Essenzialisierung von Stoffen, die dieselben Symptome verursachten, wie die, unter denen der Kranke leide, den Patienten helfe. Obwohl diese Auffassung wider den Methoden der klassischen Medizin ist, hat sie einen nicht vernachlässigbaren Zulauf, der sich, wie bereits erwähnt, sogar auch an der Kostenbeteiligung gesetzlicher Krankenversicherungen an alternativen Methoden zeigt. Interessanterweise besteht dieser Stachel am Rande des Systems Medizin nicht aus Praktiken einer aggressiven feindlichen Übernahme, sondern – ganz im Gegenteil – darin, sich aus sensitiver und meditativer Innenschau auf das Befinden des eigenen Körpers und der eigenen Psyche zu konzentrieren. Die Praktiken der Schulmedizin werden konträr zum eigenen Vorgehen als aggressiv bewertet, und es wird von einem „Kriegscharakter“ der Schulmedizin gesprochen, der sich in zahlreichen Medikamenten mit dem Präfix Anti- und einer Überbewertung apparativer Diagnostik äußere (vgl. Stöhr: 2001). Daß diese „Unterwanderung“ nur auf den ersten Blick scheinbar harmlos vonstatten geht, davon zeugt die Buchbesprechung im Deutschen Ärzteblatt zu Stöhrs Buch „Ärzte Heiler Scharlatane“ (2001) „Der Muslim glaubt an die Mondspaltung, der Christ an die Auferstehung, und der Anhänger der Homöopathie zweifelt nicht an der Wirkung von D30. Dies gilt oft auch dann, wenn der Muslim Astronom und der Christ Pathologe ist, und zu den Anhängern der Homöopathie zählen ja bekanntlich viele Mediziner. Kein Wissenschaftler vermag einen religiösen Menschen von der mangelnden Evidenz seines inneren Wissens zu überzeugen, und so dürfte das Buch des Neurologen Manfred Stöhr wenig ausrichten, so beredt seine Ausführungen zur Homöopathie und den anderen alternativen Heilmethoden auch sind (und so sehr man dem Autor auch zustimmen mag). Nach kurzer Lektüre fragt man sich aber, für wen der Text geschrieben ist. Anhänger der verschiedenen Heilmethoden unter den Ärzten wird Stöhr kaum erreichen, und rational denkende Menschen dürften sich zu den verschiedenen Verfahren ihre eigene Meinung

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gebildet haben. Vollkommen in Widersprüche verwickelt sich Stöhr, wenn er die integrative Medizin als Zukunftsmodell entwirft. Die integrative Medizin ist der Versuch, die soliden schulmedizinischen Methoden durch ausgewählte Elemente von Komplementär- und Alternativmedizin zu bereichern. Die Auswahl, die Stöhr trifft, ist aber rein willkürlich, denn wirklich überzeugende Wirkungsbelege gibt es für Chiropraxis, Akupunktur, spirituelle Heilverfahren und künstlerische Therapien, die Stöhr für ‚integrationswürdig‘ hält, nicht. Auch am Wert von Klima- und Heliotherapie sind Zweifel möglich, einmal abgesehen vom Wert der richtigen Ernährung, der derzeit allseits hochgehalten wird, dann aber in Interventionsstudien nicht hält, was man sich davon verspricht.“ (Meyer: Dtsch. Ärztebl. 2002; 99 (4): A-185/B-159/C-154)

Es geht am Rande des Systems Medizin darum, in Harmonie mit dem eigenen Körper und der Umwelt zu leben. Eine schnelle schulmedizinische Behandlung von Symptomatik wird hingegen mißtrauisch beäugt. Nichtsdestotrotz haben homöopathische und naturheilkundliche Diskussionen und Vorgehensweisen Einzug in die westliche Medizin gehalten und diese nachhaltig verändert – man könnte sagen – durchgepflügt. Und wieder tauchen auch in diesem System Glaube an und Vertrauen in die Wirkung von alternativer Medizin auf. Das Bild des Körpers in der westlichen Medizin als eines aus vielen Teilgebieten bestehenden Ganzen, dessen qualifizierter Fokus um professionell zu sein, sich auf wenige Gebiete beschränken muß, hat einer holistischen Annahme Platz gemacht, die mittlerweile bis in die Epigenetik auch Umwelteinflüsse mit einbezieht (vgl. Hesman/Saey 2013). Mit einem Analogon könnte man das Randgeschehen als Pubertät oder pubertäres Verhalten karikieren, welches wichtig ist, um Familie und Gesellschaft aufzurütteln und zu hinterfragen, das sich aber stets innerhalb gewisser normativer (System-)Grenzen vollzieht und vollziehen muß. Am Beispiel Esoterik werden nun noch einmal die Gemeinsamkeiten von Randgeschehen in Systemen aufgezeigt und dargelegt. Im Anschluß erfolgt ein Resümee von Randgeschehen in Systemen. Die Leitdifferenzierung des Systems Religion lautet Immanenz/Transzendenz (vgl. Luhmann 2002: 118). Esoterische Diskurse sind laut von Stuckrad schon zur Zeit der alten Ägypter mit Thot über zahlreiche Strömungen, etwa dem Manichäismus, die griechischen Orphiker, die Kabbala, mittelalterliche Strömungen bis hin zur Neuzeit zu finden (vgl. von Stuckrad 2004). Stets bildeten solche Diskurse einen Kontrapunkt zu institutionalisierten und kanonisierten Religionen wie dem Judentum, Christentum oder Islam. Das Urchristentum kann in seinen Anfängen historisch als Kontrapunkt zum Judentum verstanden werden. Der Religionswissenschaftler und Theologe Frenschkowski weist, um nur ein Beispiel zu nennen, darauf hin, daß Jesus im

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Lukas-Evangelium den gleichen Gedanken in zwei Analogien ausdrückt. Jesus stellt zwei Vergleiche, einen aus der damaligen Arbeitswelt der Männer und einen aus der Arbeitswelt der Frauen her. Das jenseitige Reich wird einmal mit einem Samenkorn und dessen Folgen für Ackerbauern verglichen, und einmal mit der Zubereitung von Sauerteig, dem Zuständigkeitsbereich der damaligen Frauen (vgl. Frenschkowski 2007: 364 f.). „Die Lebenswelt der Frau wird genauso ernst genommen wie die des Mannes. Beide stehen ganz parallel. Das ist in der damaligen Zeit, unter den Rahmenbedingungen des Patriarchates außerordentlich.“ (Ebd.: 365) Das Urchristentum kann somit unter historischer Betrachtung als Stachel im Fleisch des Judentums verstanden werden, der sich über die Zeit vom Rand des Systems widerborstig und zum Teil schmerzhaft bis hin zur Mitte des Systems vorgearbeitet hat, indem bestehende Strukturen und Verhältnisse, wie das Patriarchat, hinterfragt und auf einmal anders gehandhabt wurden. Alle angeführten Randgeschehen von Systemen lassen sich in verschiedenen Dimensionen analysieren. Das Randgeschehen ist, in mehrdimensionaler Betrachtung, wiewohl zu Beginn am Rande, in die Basis des Systems eingebettet. Je brüchiger und perforierter die Basis für „Transpirationen“ an den Rändern des Funktionssystems wird, desto stärker werden die Elemente der Basis zu Problemzonen, auf die reagiert werden muß und durch eben jenes Randgeschehen auch reagiert wird. Die jeweiligen Funktionssysteme, die wie eine Knospe in die Basis eingebettet sind, werden von Ereignissen an ihren Rändern in Bewegung gebracht, sind sie doch selbst auch an die Struktur gekoppelt. Je stärker die Struktur, desto ritualisierter, bürokratisierter die Operationsweisen, und mit der Zeit auch die Funktionen. Am System Religion können wir das an kirchlichen Institutionen sehr gut nachvollziehen. Das Randgeschehen besteht u.a. darin, Struktur-, ontologische und epistemologische Fragen an die Basis zu stellen, sowie Fragen der Organisation. Diese verbreiten sich mitunter virulent vom Rand her in immer mehr Bereiche des Systems. Je stärker die Basis durch eben jene Fragen etwa der Unmittelbarkeit von Gotteserfahrungen erschüttert und porös wird, desto mehr diffundieren kritische Bewegungen ins Gesamtsystem, die ihrerseits ja selbst Teil des jeweiligen Systems und seiner operativen Funktionalität sind. Kirchen als organisierte religiöse Institutionen sind auf der einen Seite zwischen die Gläubigen und ihren Gott geschaltet. Der Glaube ist in Kirchen nicht mehr zwangsläufig etwas unsichtbares, sondern die Gläubigen konkurrieren in der „adäquaten“ Ausübung von rituellen Praktiken. Dadurch wird der Glaube auf eine Art sichtbar, die es der Kirchengemeinde ermöglicht, einzelne Mitglieder zu vergleichen und teils latente Regeln aufzustellen, „was sich gehört“, wie man sich im Gottesdienst zu kleiden hat, welche Rituale unbedingt von jeder Person

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durchgeführt werden müssen, um als ordentliches Mitglied der religiösen Gemeinschaft zu zählen, und dgl. mehr. Man muß hier unterscheiden zwischen den Kirchen als Institutionen der Herrschaft über den religiösen Bereich, den religiösen Praktiken von Kirche und Gemeinschaft sowie den Operationen des Systems Religion ganz allgemein. Kirchen produzieren durch ihre Organisationen innerhalb der Institution Eindeutigkeit in einem Bereich, der nicht eindeutig sein kann. Glaube, transzendentale oder auch spirituelle Erfahrungen leben geradezu von ihrer Unzugänglichkeit. Götter entziehen sich jedem Beweis, weshalb man an sie glauben muß. Einzig das Individuum vermag solche Erfahrungen für sich zu machen. Das darüber Sprechen muß dann wiederum den institutionellen Argumentationslinien folgen, um nicht „häretisch“ zu sein. Ein spirituelles Erweckungserlebnis eines Gläubigen durch den sog. Heiligen Geist hätte während der Messe keinen Platz in der katholischen Kirche. Dies würde einen Aufruhr erzeugen und die Institution in Frage stellen. Diese Form der spirituellen Teilhabe hat dafür, wie bereits erwähnt, ihren mitunter notwendigen Platz in Pfingstkirchen (vgl. Anderson 2007). Wenn wir nun die Widerstände des Urchristentums gegen das Judentum mit den Widerständen von esoterischen Bereichen mit dem heutigen Christentum vergleichen, so fällt zunächst einmal auf, daß beide sich an denselben Stellen gerieben haben und Probleme gleicher Natur lösen möchten. Auf der einen Seite bieten institutionalisierte Religionen, wie beispielsweise die katholische Kirche oder das Judentum hoch organisierte Strukturen. Sie bieten ritualisierte Praktiken der Vergebung und Buße, normative Leitfäden, die die Einordnung des Alltags sowie das eigene Handeln in diesem in „gut“ und „böse“ klassifizieren. Die, zu einem großen Teil, verschriftlichten Handlungsanweisungen ermöglichen es, den Alltag einfacher zu gestalten, ohne sich jedes Mal sehr viele Gedanken über mögliche Auswirkungen der eigenen Handlungen zu machen. Sollte dennoch ein Mißgeschick oder eine üble Tat verursacht worden sein, so kann über eine Beichte und anschließende Abbitte die Weltordnung wiederhergestellt werden. Die organisatorischen Vorteile, die religiöse Institutionen bieten, sind gleichzeitig auch ihr Nachteil. Dieser Nachteil wird an den Rändern des Systems besonders sichtbar und wird aufgrund dessen auch stark kritisiert. Die eigene Nähe zur Transzendenz, zur Gottheit, wird unterbrochen und es werden bestimmte Ämter mit Privilegien dazwischen geschaltet. Es ist ja kein Zufall, daß in den religiösen Narrativen der Bibel, die Jesus und die Anfänge des Christentums betreffen, auch Menschen vorkommen, die ihrerseits am Rande der Gesellschaft lebten, wie Prostituierte oder Zöllner. Esoterik und spirituelle Bewegungen insgesamt übernehmen den von den meisten Kirchen abgekoppelten Anteil der direkten spirituell-transzendenten Erfahrung. Auch wenn in der Esote-

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rik plötzlich ganz andere Erfahrungen und Zugänge möglich zu sein scheinen, unterliegen sie doch auch den Funktionsweisen des Systems. Wo es ganz „esoterisch“ ist, wird wieder Struktur, werden Hierarchien und „Sagbarkeiten“, wird Authentizität eingebaut. Und diese Authentizität wird umso autoritärer, je unklarer die Information ist. Wie weiter oben zu sehen war, kann nicht jeder Alles in esoterischen Zirkeln sagen. Die Workshop-Anbieterinnen und diejenigen, die „Ihre Erfahrung“ vermarkten (können) sind die, welche eine Leidensgeschichte (Krebs, Scheidung, etc.) mit anschließendem spirituellem Erweckungserlebnis hinter sich haben. Gerade durch die vermeintliche Einbettung von Wissenschaft in spirituelle Praktiken und Erfahrungen wird auf paradoxe Weise wieder eine Art von Eindeutigkeit des Unfaßbaren erzeugt. Paradoxien fungieren damit als systemkonstituierende Operationen von Funktionssystemen (vgl. Luhmann 2012). Die Sichtbarmachung des an und für sich unsichtbaren Glaubens erfolgt über rituelle Praktiken. Der Unsagbarkeit religiöser und spiritueller Erfahrung wird durch rituelle Texte und Lieder begegnet, wie etwa die Auferstehung im Osterritus. Dabei wird versucht „erfahrbar“ und nachvollziehbar zu machen was sich nicht nachvollziehen läßt. So kann es auch geschehen, daß der Trinität Gottes als Vater, Sohn und heiliger Geist mit Hilfe der HeisenbergȀschen Unschärferelation „zu Leibe gerückt“ wird und daß vorgegeben wird, die religiöse Metapher über Wissenschaft erklärt zu haben (vgl. O`Murchu 2004). Randerscheinungen des Systems Religion, wie zum Beispiel Esoterik werben mit einem direkten und individuellen Zugang zu Transzendenz. Wie wir sehen konnten bedeutet es im Kern, daß das System Religion insgesamt ständig zwischen den beiden Polen der Unsichtbarkeit von Religiösem (z.B. Glaube, religiöse Erfahrungen, Erweckungserlebnisse, etc.) und der Institutionalisierung von religiösen Strukturen, Rollen und Praktiken (z.B. Rituale in Kirchen, Klöstern) hin und her pendelt. Deshalb erfolgt auf eine notwendige Steigerung von an Organisation gebundenen Operationen innerhalb von Institutionen eine kritische Distanzierung an den Rändern, mit dem Versuch, der „Ursprünglichkeit“ von religiöser Erfahrung wieder mehr Raum zu geben. Diese beiden Bewegungen sind notwendigerweise aneinander gebunden und bedingen einander. Der rebellische Stachel am Rand des Systems verliert über die Zeit, und je näher er tatsächlich in die Institutionen eindringt, an Widerborstigkeit. Das Zentrum wird hingegen gezwungen, sich über autopoietische Selbst-Emergenz mit den Bedürfnissen am Rand auseinander zu setzen und diese in die eigenen Strukturen und Institutionen einzubauen. Ein katholischer Militärpfarrer erzählte mir

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beispielsweise in einem Interview, daß immer mehr Gläubige ihn fragten, ob sie als Christen ihre Wohnung nach Feng-Shui Maßstäben einrichten dürften. Der Einbau selbst erfolgt aber nach den Operationsweisen der Institutionen des Zentrums. Wie auch sonst? Und so pulsieren wieder Stachel vom Rand her in die festen Strukturen des Zentrums und der autopoietische Kreislauf geht weiter und weiter. Was die Problemlagen (am Rand) von Systemen betrifft, so sind diese zwar einerseits selbst vom System in das System selbst mit eingeschrieben, darüber hinaus sind sie aber auch noch zusätzlich polykontextural (vgl. Günther 2004). „Zwischen Vergangenheit und Zukunft besteht ein logischer Bruch, der dadurch angezeigt wird, daß das ‚tertium non datur‘ zwar in beiden Bereichen gilt, aber nur in einem der beiden Bereiche anwendbar ist. Dieser logisch-temporale Bruch ist ein irdisches Gleichnis für den metaphysischen Bruch zwischen Diesseits und Jenseits, oder zwischen irdischer Zeit und überirdischer Ewigkeit.“ (Günther 2004: 5)

Die beiden Extrempole der jeweiligen Dimension werden theoretisch durch einen Negator differenziert. Praktisch bedeutet dies, daß dazwischen lauter Möglichkeitsräume einer „nur negativ-sprachlich formulierbare[n] Welt eines offenen, noch nicht entschiedenen Seins [aufgespannt werden], das nicht positiv erreichbar ist, jedoch über die Reflexion in die Welt eintritt und hier einen Unterschied macht“ (Jansen/Vogd 2014: 457). Um nun auf die weiteren Dimensionen zurückzukommen, so werden hier die Dimension von Stasis versus Expansion, von temporaler Dimension, von Problematiken versus Stärken und der Dimension von Organisation versus Veränderung differenziert. Im Folgenden wird hierauf näher eingegangen. Wir haben nun auf der einen Seite die räumliche Expansion, deren eine Seite danach strebt, räumlich zu expandieren. Auf der gegenüberliegenden Seite erfolgt eine immer stärkere Konzentration auf den Fixpunkt Ego, vergleichbar mit einer Art räumlicher Singularität, in der alles zusammenfällt und auf den ausschließlichen Radius des Ego bezogen wird. Dieser Zustand wird hier Stasis genannt. Alles bleibt im Fixpunkt Ego konzentriert und staut sich dort. Dies hat im Extremfall notwendigerweise ein solipsistisches Denken zur Folge. Zwischen den beiden Achsen der jeweiligen Dimension pendelt das System(Rand)Geschehen. Am Beispiel des Randgeschehens Esoterik im System Religion gibt es zwar eine räumliche Strukturausdehnung, die sich wie wir sehen konnten immer weiter entfernte Bereiche – wie etwa die Quantenphysik – aneignet, diese selbst aber in solipsistischer Manier deutet. Quantenphysikalische Verschränkung wird so zur religiösen Deutung: Alles ist mit allem verbunden.

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Auf der temporalen Basis wäre auf der einen Seite eine Art NietzscheȀsche ewige Wiederkehr des Gleichen, hier als theoretische Spielart zu verstehen, angesetzt. Es gibt schon a priori Ränder in Systemen, und Bewegungen hin zur Mitte bei gleichzeitiger Perforation der Basis, und zugleich ein ewig geschehendes Strukturwerk, welches selbst-emergent ist. Es entstehen immer wieder die gleichen Strukturen. Das gleiche System mit derselben Codierung faltet sich mit Hilfe seiner stacheligen Ränder immer wieder in sich selbst ein und um. Bildlich vorstellen ließe sich das als Blume, die im Zeitraffer wächst und deren Blüten, je weiter sie nach außen wachsen, sich vom Rand her wieder in Richtung Mitte einrollen, umfalten und zur Mitte in die bestehende Struktur einwachsen. Perforation und Neu-Entstehung sind systemimmanente Bedingungen für Systeme. An eine autopoietische ewige Wiederkehr des Gleichen in Form einer Abarbeitung an der zentralen Fragestellung des jeweiligen Systems ist ein kybernetisches Argument gebunden. Funktionen und Operationen passen sich notwendig an die Operationsweisen und Funktionsweisen der Grundstrukturen des jeweiligen Systems an. Daraus folgt eine Art mandelbrotbaumartige fraktale Struktur der Selbstähnlichkeit9. Diese Selbstähnlichkeit besteht innerhalb von Systemen, deren Operationsweisen sowie auf der Metaebene: von Funktion zu Struktur. Am Beispiel des Systems Religion, in dessen Zentrum sich Institutionen wie die katholische und evangelische Kirche, verschiedene Formen des Islam und des Judentums befinden, die sich alle daran abarbeiten wie das Leben Sinn macht, warum es alles gibt und insbesondere zerstörerische Neigungen, und die alles auf eine transzendente Entität beziehen, durch die alles Sinn macht, „wachsen“ am Rand z.B. esoterische Strukturen, die das Zentrum erschüttern, weil sie eine direkte Gotteserfahrung postulieren und das gesamte Leben wieder einer religiösspirituellen Lesart unterziehen. Diese Ränder sind Bestandteil des Systems, differenzieren nach derselben Codierung und arbeiten sich nach und nach in die institutionalisierten Strukturen des Zentrums ein. Damit vollzieht sich – systemtheoretisch gesprochen – ein ewiger Kreislauf.

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Selbstähnliche Strukturen sind uns allen über Blumenkohl, Eiskristalle u.a. bekannt. Ein einzelnes Blumenkohlröschen repräsentiert im Kleinen die Struktur des gesamten Kohls. In der Chaosforschung beschäftigt man sich u.a. mit dem Aufbau und den Algorithmen solcher selbstähnlicher Strukturen und bedient sich dabei der fraktalen Geometrie. In dieser Arbeit wird gezeigt, daß sich die Systemtheorie bildlich und operational an die Selbstähnlichkeit der fraktalen Geometrie und der Chaostheorie anlehnt. Benoît Mandelbrot, dessen berühmte Figur der „Mandelbrot-Menge“ nach ihm benannt wurde, bezieht in seinem Buch „Fraktale und Finanzen“ sehr eingängig die Chaostheorie auf Finanzmärkte (vgl. Mandelbrot/Hudson 2009).

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Diametral entgegengesetzt wäre die zeitliche Expansion unter dem Fokus des in dieser Arbeit herausgefundenen evolutionistischen Fortschrittsparadigmas, das bereits weiter oben expliziert worden ist. Im Gegensatz zur ewigen Wiederkehr beinhaltet das evolutionistische Fortschrittsparadigma den Glauben an eine permanente Weiterentwicklung durch Anpassungen über die Zeit. Die beiden Pole der zeitlichen Dimension schließen einander einerseits gegenseitig aus, auf der anderen Seite ist der jeweils andere Pol die versteckte Vorbedingung der Möglichkeit des anderen. Dieses Zeitparadoxon ist in vielen verschiedenen Bereichen, vor allem in den Wissenschaften, immer wieder anzutreffen. Zum Beispiel besagt die Theorie des Big Bang, daß erst ab einer kurzen Zeit nach Eintreten des Urknalls die Naturgesetze greifen. Was aber vor dem Urknall passiert ist, entzieht sich einem Zugang, weil Zeit, Raum und Teilchen etc. erst kurz nach dem Urknall entstehen10. Die Anfangsbedingungen entziehen sich laut Harald Lesch, Marcelo Gleiser u.v.a. Physikern dem System Wissenschaft und sind maximal ein Fall für das System Religion. Die Naturwissenschaften behandeln die Frage nach dem wie, während Religionen die Frage nach dem warum im Fokus haben (vgl. Falcão 2011). „É importante fazermos uma distinção entre o que a ciência pode e o que a ciência não pode tratar. Uma das coisas importantes nessa discussão é que existe uma grande diferença entre o ‘porque’ e o ,comoȀ, a ciência é muito boa com o ,comoȀ.“ (Falcão 2011: 97)11

Somit ist der Physik mit ihren Teilgebieten der Quantenphysik, Kosmologie etc. inhärent, die Frage nach der Grundlegung ihrer Anfangsbedingungen beim System Religion abgeben zu müssen. Das evolutionistische Fortschrittsparadigma beinhaltet von seiner Funktionsweise her theoretisch einen Anfangszustand und eventuell einen finalen Zustand oder eine ewige Fortentwicklung. Kausalität ist ebenfalls an dieses Paradigma gekoppelt. Einen möglichen Telos hat Darwin mit seiner Evolutionstheorie zwar teilweise abgedeckt (vgl. Dennett 1995), doch die – um mit Gleiser zu sprechen – „Warum“-Frage, weshalb überhaupt etwas ist und nicht nichts und wieso die Welt gerade so ist wie sie ist, wird dadurch nicht berührt. Aus systemtheoretischer Perspektive ist es nicht nur unmöglich, etwas über den Zustand vor dem Urknall auszusagen, sondern ebenfalls nicht lösbar ist 10 Der englische Ausdruck ist hier weitaus passender: They come into existence. 11 „Es ist wichtig, eine Unterscheidung zu machen zwischen Fragen, die die Wissenschaft behandeln kann und denen, die sich nicht behandeln kann. Einer der wichtigen Aspekte in dieser Diskussion ist, ob es eine große Differenz zwischen dem ‚warum‘ und dem ‚wie‘ gibt. Die Wissenschaft ist sehr gut in der Behandlung des ‚wie‘.“ (Falcão 2011: 97) [Eigene Übersetzung; L. K.].

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eine Theory of Everything (TOE). Denn in beiden Fällen wäre dies nur infolge einer Metaperspektive außerhalb der Welt, bzw. außerhalb des Urknallgeschehens möglich, was ja nicht möglich ist. Als Beispiel sei hier eine virtuelle Maschine im Computer angeführt, ein Computer im Computer. Die virtuelle Maschine im Computer weiß nicht, daß sie selbst eine Simulation ist. Sie kann sich nicht selbst löschen und ebenso wenig ihre Systemgrenzen verlassen. Am Beispiel der Dimension Problematiken versus Stärken wird ersichtlich, wie die verschiedenen Dimensionen aufeinander Bezug nehmen, miteinander interagieren und voneinander abhängen. Stärken werden problematisch, je stärker sie werden. Dies zeigt sich auch an der letzten Dimension, der von Organisation versus Veränderung. Je höher der Grad der Organisation, umso weniger Raum für Veränderung und umso weniger Raum für Kontingenzen-Varietät. Am Beispiel des esoterischen Stachels im System Religion wurde ja bereits dargelegt, daß feste religiöse Institutionen, wie zum Beispiel die katholische Kirche, Zeit benötigen, Probleme die am Rand auftreten, (zwangsläufig) zu bearbeiten und in die eigene Organisationsstruktur zu integrieren. Die Stärke einer institutionalisierten Organisation mit ihren festen Strukturen wird problematisch, umso weniger Raum für Operationen offen bleibt, die auf Probleme am Rande des Systems eingehen. Gleichzeitig ist diese gegenseitige Interdependenz von Basis und Stachel am Rande der Systemstruktur zwingend notwendig für die Autopoiesis des jeweiligen Systems. Wir sehen nun auf der einen Seite, daß die grundlegenden Funktionsweisen der Interdependenz von widerborstigem Randgeschehen und institutionalisierter Basis in allen hier untersuchten Systemen auf dieselbe Weise funktionieren. Jedes System hat und muß auch zugleich seine(n) spezifischen Stachel am Rand des Systems haben, damit die Autopoiesis am Laufen bleibt. Deuten kann man diese systemtheoretischen Operationen auf der Metaebene anhand der zeitlichen Dimension. Das evolutionistische Fortschrittsparadigma ist in die Funktionsweise der Systemtheorie eingebaut. Aufgrund dessen müssen sich Systeme immer wieder an ihre selbst geschaffenen Probleme anpassen und sich an ihnen abarbeiten. Alle Ränder übernehmen dieselbe Funktion in ihren jeweiligen Systemen. Um es auf den Punkt zu bringen verkörpert der jeweilige Stachel das Problem, welches theoretisch im System gelöst werden soll. Die jeweilige Problematik des Systems ist damit die Bedingung seiner eigenen Möglichkeit12. Da die eigene Unmöglichkeit der spezifischen Problemlösung keines12 Alle hier angeführten Dimensionen greifen dabei ineinander und sind maßgeblich mit an der Autopoiesis des Systems beteiligt. An der bereits angeführten floralen Metapher werden die Abstracta in ein lebendiges Bild, das der Blume, ausgestaltet, deren Stiel die Stasis symbolisiert, Blüten, Blätter und Wurzelwerk die räumliche Expansion. Je stärker die Pflanze verhaftet bleibt, um so problematischer. Schließlich verliert

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falls eingestanden werden kann, weil das System sonst implodieren würde, wird die je systemeigene Problematik an den Rand gedrängt. Es scheint somit, als würden die Probleme gelöst, die funktionale Ausdifferenzierung von verschiedenen Systemen erfolgt jedoch, um (prinzipiell nicht lösbare) Probleme zu „lösen“, bzw. lösen zu wollen. „Die soziale Welt erscheint im Lichte derjenigen Theorie, in die man investiert hat, genauso wie die Theorie sie darstellt und sichtbar macht, weil sonst die Investition in diese Theorie sinnlos würde. Diese Kontextualisierung bedeutet wiederum, daß soziologische Theorie nicht als Repräsentationsidiom verstanden werden kann, so als würde sie Gesellschaft oder gesellschaftliche Umstände auf realistische Weise abbilden: Theorien sind keine wörtlichen Übersetzungen gesellschaftlicher Wirklichkeit, sondern Vorschläge, diese mir der theoretischen Begrifflichkeit zu sehen und zu begreifen.“ (Kalthoff 2008: 15)

Mit der hier vorgenommenen theoretischen „Brille“ ist es möglich, das menschliche Bemühen an existentiellen epistemologischen und ontologischen Fragestellungen als Sisyphos-artiges Unterfangen zu lesen. Schließlich sind – wie wir sehen konnten – Probleme, mögliche Problemlösungen und die gleichzeitige ständige Aktualisierung der Problematik in die autopoietischen Anfangsbedingungen der jeweiligen Funktionssysteme eingebaut. Allen untersuchten Randgeschehen in verschiedenen Systemen gemeinsam ist ein aufbegehrendes Hinterfragen systemspezifischer Normen sowie die hilflose Umklammerung des Glaubens an und das Vertrauen in die jeweilige Alternative innerhalb des Systems. Schlußfolgernd bedeutet dies, daß Glaube und Vertrauen in die jeweilige systemspezifische Funktionalität dadurch aufrechterhalten werden. Schließlich spielt sich auch das ganze Aufbegehren innerhalb von Systemen ab. Bei aller Problem-Lösung-Strategie, bei aller Polykontexturalität bleibt der Mensch gefangen zwischen der ontologischen Fragestellung warum überhaupt etwas ist und was tatsächlich ist, und der epistemologischen, ob und wie wir überhaupt etwas darüber in Erfahrung bringen können.

– mit Nietzsches ewiger Wiederkehr des Gleichen gesprochen – die Blume immer wieder ihre Blüten und knospt erneut im Frühjahr. Gleichzeitig paßt sie sich an umweltbedingte Veränderungen an.

Abschließende Bemerkungen und Ausblick

Nachdem in dieser Arbeit Esoterik und Quantenphysik anhand eigener empirischer Feldforschungen systemtheoretisch analysiert wurden und ihre Operationen als typologisch für Randgeschehen in Systemen dargelegt worden sind, kann auf den Punkt gebracht, Esoterik als Stachel im Fleisch des Religionssystems verstanden werden, weil sie wirklich authentische und individuelle Gottes- und Transzendenzerfahrungen zuläßt. Quantenphysik ist demgegenüber der Stachel im Fleisch der Physik, da sie die Beobachterabhängigkeit, zumindest in der Kopenhagener Deutung, wirklich ernst nimmt. Zudem ist die theoretische Quantenphysik so kritisch, selbst übliche wissenschaftliche Herangehensweisen zu öffnen und ganz im Sinne eines naiven Forschergeistes vorab zuzulassen, was möglicherweise zu einer Lösung führen könnte – und sei dies auch noch so extravagant, wie etwa die Viele-Welten-Theorie. Das Paradoxe an der Quantenphysik ist, daß sie einerseits offene Forschung zuläßt und damit Wissenschaft logisch bis ins Extrem weiterführt, daß sie jedoch auf der anderen Seite darüber gerade wieder an die Grenzen der Wissenschaft stößt und sie teilweise öffnet für naturphilosophische, religiöse und esoterische Interpretationen. Weiterhin wurde in dieser Arbeit gezeigt, daß mit Hilfe der Systemtheorie deutlich geworden ist, daß sich die verschiedenen untersuchten Systeme in ihrer Funktionsweise und ihren grundlegenden Operationen ähnlich sind. Die im letzten Kapitel beschriebene Ähnlichkeit der systemspezifischen Problem-LösungStrategie deutet darauf hin, daß unter systemtheoretischer Beobachtung zu sehen ist, wie Menschen und ihre verschiedenen Strukturen und Institutionen noch immer ontologisch und epistemologisch gefangen sind in ihrer eigenen Unmöglichkeit, sich die Welt und den eigenen Grund in ihr zu erklären. Eine Möglichkeit, diesem Dilemma konstruktiv zu begegnen besteht darin, wie auch in dieser Arbeit gezeigt werden konnte, mit Hilfe von Systemtheorie und Empirie funktionalistische und strukturelle Aussagen über Systeme und ihre Operationen zu treffen, die sich in gegenseitiger Interdependenz wieder je empirisch oder theore-

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tisch falsifizieren lassen. Schulte hat Recht damit, der Systemtheorie Mystik zuzuschreiben (vgl. Schulte 1993). Berechtigt ist sein Vorwurf der „Ich-Rettung“ (Schulte 1993: 32) und der „umgestülpte[n] Subjekttheorie“1 (Schulte 1993: 12). Schließlich hat die Systemtheorie gerade für diese Arbeit hervorragende Anschlüsse bereitgestellt. Nicht umsonst wurde die Systemtheorie als theoretischer Überbau ausgewählt, um gerade diesen Themenkomplex zu bearbeiten. Auf der Metaebene der Systemtheorie und der Wissenschaften insgesamt wurde zudem das Auftauchen eines blinden Meta-Flecks entdeckt – das evolutionistische Fortschrittsparadigma. In weiteren empirischen Untersuchungen wird sich zeigen, ob und wie die hier durch theoretische und empirische Nachforschungen entdeckten Dimensionen von Systemen und Systemoperationen noch ergänzt werden können. Darüber hinaus wird eine (selbst)kritische Haltung bezüglich des evolutionistischen Fortschrittsparadigmas zu einer Öffnung hin zu neuen Perspektiven (-differenzen) und einer möglichen kritischen Re-Evaluation dahingehend führen, als neue Möglichkeitsräume im Sinne von Jansen und Vogd (Jansen/Vogd 2014) eröffnet werden könnten. Meine Arbeit zeigt einerseits die empirische Verwertbarkeit der Systemtheorie, andererseits wird hier auch die notwendige Verbindung von Theorie und Empirie deutlich. Durch eben diese Verbindung konnte eine systemtheoretische Metaebene erreicht werden, auf welcher sichtbar wurde, daß alle hier herausgefundenen Dimensionen von Systemen miteinander zusammenhängen und aufeinander Bezug nehmen, ja sogar interdependent sein müssen. Als Essenz läßt sich nun sagen, daß renitentes Randgeschehen notwendigerweise in die Struktur von Systemen eingebaut und sogar systemrelevant für ihre jeweilige Autopoiesis ist. Jedes Funktionssystem kann auch als Strategie einer Problemlösung begriffen werden. Dabei ist, wie bereits erwähnt, das jeweilige Problem, sind mögliche Problemlösungen und die gleichzeitige ständige Aktualisierung der Problematik in die autopoietischen Anfangsbedingungen der jeweiligen Funktionssysteme eingebaut. „Seiner Natur nach“ renitentes Randgeschehen ist die gleichzeitige Anfangsbedingung für Funktionssysteme. Durch ontologische, epistemologische und strukturelle Fragen sowie Fragen der Organisation, die vom Rand aus an das Zentrum des jeweiligen Systems gestellt werden wird in einem autopoietischen Prozeß sowohl die generelle Fragestellung bzw. Problematik des jeweiligen Systems sowie seine Abarbeitung an der Lösung dieser Problematik ständig aktuell gehalten. Diese Aktualität beinhaltet eine je systemeigene Auseinandersetzung mit neu auftauchenden (u.a. systemfremden) Fragestellungen, die jedoch grundsätzlich die systemeigene Ontologie und Epistemo1

Deshalb kann im Zusammenhang mit der Systemtheorie auch nicht von einer Verabschiedung des Subjektes gesprochen werden.

A BSCHLIESSENDE B EMERKUNGEN

UND

A USBLICK

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logie betreffen. In dieser Arbeit ließ sich dies beispielhaft an Quantenphysik und Esoterik nachvollziehen. Am Rand der Physik, den theoretischen Interpretationen der Quantenphysik tauchen ontologische Fragen auf, die ebenfalls bedeutend für das System Religion sind: (Inwiefern) Beeinflussen Beobachter die Welt die sie beobachten? Bis zu welchem Grad und auf welche Weise sind sie mit den Dingen um sie herum verbunden und inwiefern nehmen sie Einfluß? In welchem Zusammenhang steht alles miteinander? Solche Randprobleme legen es nicht nur nahe, sondern machen es notwendig, die Ressourcen anderer Systeme für das eigene in Anspruch zu nehmen. Dabei wurde in dieser Arbeit ersichtlich, daß es sich hierbei um ein generelles Vorgehen von Randgeschehen in Systemen handeln könnte. Alle hier untersuchten Systeme haben über dieselben Vorgehensweisen die widerborstigen Fragen ihrer Ränder langsam aber stetig wieder ins eigene System eingebunden. Darüber hinaus wurde theoretisch erarbeitet, daß jedes System von Beginn an seine(n) spezifischen Stachel am Rand hat um so die Autopoiesis am Laufen zu halten. In beiderseitiger „Umarmung“ von Theorie und Empirie steht nun an, über weitere empirische Forschungen diese theoretische Erweiterung und darüber hinaus die verschiedenen Dimensionen empirisch zu falsifizieren. Basis, Struktur und renitentes Randgeschehen sind autopoietisch, strukturell und funktional interdependent miteinander verflochten. Die Inanspruchnahme bestimmter systemfremder Ressourcen, die im weiteren Sinne die Problemstellung des eigenen Systems betreffen, müssen, wie dargelegt, sogar an den Rändern des eigenen Systems in Anspruch genommen werden. Schließlich ist die eigene Problem-Lösung-Struktur die beste. Von Beginn an hat jedes System den ihm eigenen Stachel eingebaut, der notwendig für die Autopoiesis ist. Die Erkenntnisgrenze von ħ ist der Stachel im Fleisch der Quantenphysik. Die Quantenphysik kann nicht außerhalb ihrer selbst falsifiziert werden, wie der Interviewpartner PP darstellte, man muß sie einfach hinnehmen. Etwas einfach als gegeben hinnehmen zu müssen, es faktisch glauben zu müssen, ist ebenfalls ein Imperativ im System Religion. Passend kann an dieser Stelle ein anonymer Interviewpartner zitiert werden: „Die Quantenphysik kommt ohne Geist nicht aus.“ Damit schließt sich wieder der Kreis zum Anfang.

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Soziologie Uwe Becker Die Inklusionslüge Behinderung im flexiblen Kapitalismus 2015, 216 S., kart., 19,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3056-5 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3056-9 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3056-5

Gabriele Winker Care Revolution Schritte in eine solidarische Gesellschaft 2015, 208 S., kart., 11,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3040-4 E-Book: 10,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3040-8 EPUB: 10,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3040-4

Johannes Angermuller, Martin Nonhoff, Eva Herschinger, Felicitas Macgilchrist, Martin Reisigl, Juliette Wedl, Daniel Wrana, Alexander Ziem (Hg.) Diskursforschung Ein interdisziplinäres Handbuch (2 Bde.) 2014, 1264 S., kart., 2 Bde. im Schuber, zahlr. Abb. 44,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-2722-0 E-Book: 44,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2722-4

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Soziologie Silke Helfrich, Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.) Commons Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat 2014, 528 S., kart., 24,80 € (DE), ISBN 978-3-8376-2835-7 als Open-Access-Publikation kostenlos erhältlich E-Book: ISBN 978-3-8394-2835-1

Carlo Bordoni Interregnum Beyond Liquid Modernity März 2016, 136 p., 19,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3515-7 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3515-1 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3515-7

Kijan Espahangizi, Sabine Hess, Juliane Karakayali, Bernd Kasparek, Simona Pagano, Mathias Rodatz, Vassilis S. Tsianos (Hg.)

movements. Journal für kritische Migrationsund Grenzregimeforschung Jg. 2, Heft 1/2016: Rassismus in der postmigrantischen Gesellschaft September 2016, 272 S., kart. 24,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3570-6 als Open-Access-Publikation kostenlos erhältlich: www.movements-journal.org

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