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German Pages [388] Year 1983
Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Ulrich Wehler
Band 54
Hans-Gerhard Husung Protest und Repression im Vormärz
Göttingen· Vandenhoeck & Ruprecht · 1983 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Protest und RAepression im Vormärz Norddeutschland zwischen Restauration und Revolution
von
Hans-Gerhard Husung
Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1983 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Husung, Hans-Gerhard: Protest und Repression im Vormärz: Norddeutschland zwischen Restauration u. Revolution / von Hans-Gerhard Husung. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1983. (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd. 54) ISBN 3-525-35712-5 NE: GT
© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1983. - Printed in Germany. Alle Rechte des Nachdrucks, der Vervielfältigung und der Übersetzung vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Werk oder Teile daraus auf photomechanischem (Photokopie, Mikrokopie) oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesetzt aus Bembo auf Linotron 202 System 3 (Linotype). Satz und Druck: Guide-Druck GmbH, Tübingen. Bindearbeit: Hubert & Co., Göttingen
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Frieda und Erich Thier in großer Dankbarkeit
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Inhalt Vorbemerkungen
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Einleitung
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I. Fallstudien zum kollektiven Protest im Vormärz 1. Zur strukturellen Ausgangstage in Norddeutschland nach 1815 35 1. 1. Die Restaurationsbestrebungen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft . 35 1.2. Zum politischen Bewußtseinsstand bürgerlicher Schichten 40 2. Die politisch-soziale Krisensituation 1830/31 in den norddeutschen Staaten 2.1. Tendenzen der ökonomischen und sozialen Entwicklung bis zum Ende der 1820er Jahre 2.2. Unterschichtenprotest mit revolutionären Folgen im Herzogtum Braunschweig 2. 2. 1. Die wachsende politische Krise und der Ausbruch der Septemberunruhen 2.2.2. Obrigkeitlicher Autoritätsverlust und Folgeprotest 2.2.3. Die Protesterfolge und die Festigung des politischen Systems nach innen und außen 2. 3. Revolutionäre Auflehnungsversuche im Königreich Hannover . . . . 2.3.1. Die soziale und politische Situation im Herbst 1830 2. 3. 2. Die politische Herausforderung des Osteroder ›Gemeinderates‹ 2.3.3. Der Göttinger Auflehnungsversuch 2.3.3.1. Autoritätsverlust und Entmachtung der Lokalbehörden 2.3.3.2. Militärische Unterdrückung der Auflehnung und politische Reformbereitschaft der hannoverschen Regierung 2.3.3.3. Die Resonanz der Göttinger Ereignisse 2.3.4. Münsters Entlassung und die Vorbereitung des Verfassungskompromisses von 1833
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2.4. Exkurs: Formen bürgerlichen Protests während des Hannoverschen Verfassungskonflikts 95 2.4.1. Der königliche Verfassungsbruch und die Göttinger Sieben . . 95 2.4.2. Widerstandsformen der liberalen Opposition 96 2.4.3. Repressionspolitik als königliche Krisenstrategie 102 2.5. Massenproteste und politischer Reformdruck in Hamburg 105 2.5.1. Antijüdische Ausschreitungen und Ordnungskonflikte im Herbstl830 105 2.5.1.1. Die Eskalation von Protest und Repression 105 2.5.1.2. Die Protestträger und ihre Erfolge 109 2.5.2. Kollektiver Protest der Vorstadtbewohner 1831 gegen ihre anhaltende Diskriminierung 113 2.6. Krisenmanagement in der Hansestadt Bremen 1830 118 2.6.1. Die Lernfähigkeit des Senats und seine Präventivmaßnahmen . 118 2.6.2. Verfassungspolitische Herausforderungen 122 2.6.3. Die Wehrpflichtordnung als Partizipations- und Legitimationsoroblem 123 2.7. Präventive Krisenmanipulation im Großherzogtum Oldenburg . . . 126 2.7.1. Vorsorge zur Milderung aktueller Not 126 2.7.2. Verfassungsversprechen als Krisenstrategie 129 2.8. Zusammenfassung: Kollektiver Protest und politische Krisen 1830/31 131 3. Gemeinschaftlicher Protest in der Lebenswelt vormärzlicher Unterschichten 3.1. Soziale und wirtschaftliche Entwicklungstendenzen bis zum Beginn der 1840er Jahre 3.2. Protestaktionen in der zünftigen Arbeitswelt 3.3. Konflikte um Elemente der Volkskultur und obrigkeitliche Ordnungsvorstellungen 3.4. Umrisse des Unterschichtenprotests in den 1830er Jahren
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4. Exkurs: Studentischer Protest in Göttingen
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5. Arbeitskämpfe beim Eisenbahnbau in den 1840er Jahren 5.1. Die Arbeitsorganisation und das Konfliktverhalten an Eisenbahnbaustellen 5.2. Zum Vergleich: Grundzüge traditioneller Arbeitskonflikte an Deichbaustellen
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6. Kollektives Protestverhalten in der Teuerungskrise 1846/47 6.1. Mißernten und Teuerung 6.2. Teuerungsprotest und Brotunruhen im Frühjahr 1847
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7. Kollektiver Protest - ein Indikator für eine revolutionäre Situation im Frühjahr 1848?
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II. Kollektiver Protest im norddeutschen Vormärz - eine quantifizierende Analyse 1. Die raum-zeitliche Verteilung des Protests
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2. Die Ursachen kollektiven Protests 2.1. Sozioökonomischer Protest 2.2. Zunftskonflikt 2.3. Ordnungskonflikte 2.4. Antijüdische Ausschreitungen 2.5. Politischer Protest
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3. Manifestationsbedingungen 3.1. Das Potential an Einwohnern, Repressionskräften und Objekten in den Protestorten 3.2. Psychologische Faktoren 3.3. Der Zeitpunkt des Protestbeginns
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4. Die Konfliktparteien 4.1. Die Protestpartei 4.1.1. Strukturmerkmale der Protestmenge 4.1.2. Die sozialen Trägerschichten 4.1.3. Die Rolle von Führungspersonen 4.1.4. Das ›soziale Gesicht‹ der Protestierenden 4.1.4.1. Soziale Randgruppen und Fremde 4.1.4.2. Die Berufsgliederung 4.1.4.3. Die Altersstruktur 4.2. Die Ordnungspartei und ihre Handlungsmuster 4.2.1. Die Polizei 4.2.2. Das Militär 4.2.3. Die Bürgerwehr 4.2.4. Administrative Repression
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5. Die Protestobjekte und Konfliktgegner 5.1. Die Konfliktgegner der Protestierenden 5.2. Die Protestobjekte auf der Aktionsebene
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6. Formmerkmale des kollektiven Protests 6.1. Die Protestdauer 6.2. Die Beteiligung an Protestaktionen
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6.3. Die Bedeutung von Organisationsansätzen 6.4. Die Protestformen und die Merkmale ihrer Träger
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7. Die Funktion und der Erfolg des gemeinschaftlichen Protests 7.1. Motivstrukturen des traditionellen Volksprotests 7.2. Der soziale Umweltbezug 7.3. Die Funktionen des Protests 7.4. Die Protesterfolge und ihre sozialen Kosten
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8. Der vormärzliche Protest und seine Rationalität
255
Liste der Protestfälle in Norddeutschland 1815-1847/48
259
Abkürzungen
286
Anmerkungen
288
Quellen- und Literaturverzeichnis
354
Verzeichnis der Tabellen Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab, Tab. Tab.
1: 2: 3: 4: 5: 6: 7: 8: 9: 10: 11: 12: 13:
Die Häufigkeitsverteilung von Protest im Vormärz Protestursachen Städtisches Bevölkerungswachstum und Protestaktivität Der Zeitpunkt des Protestbeginns Die Struktur der Protestmenge Die Protestaktivität einzelner Trägergruppen Altersstruktur der Protestteilnehmer Die Konfliktgegner der Protestierenden Die Objekte des Protests auf der Aktionsebene Der Umfang der Protestmenge Die Anzahl der Protestteilnehmer . Die in Protest eingebrachte menschliche Energie in Mann/Tagen . . Die Struktur der Protestträger und der Grad von Gewaltanwendung Tab. 14: Die gesellschaftliche Orientierung der Protestierenden nach ihrer Struktur Tab. 15: Protesterfolg
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Vorbemerkung Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation von der Philosophischen und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Carolo-Wil“ helmina zu Braunschweig im Wintersemester 1978/79 angenommen. Für die Drucklegung erfolgte eine gründliche Überarbeitung, insbesondere eine Kürzung des ursprünglich umfangreichen Tabellenanhangs. Für steten Zuspruch und Unterstützung von den ersten Überlegungen bis zur Fertigstellung der Studie danke ich Herrn Professor Dr. Werner Pöls. Seine Toleranz erlaubte ein Forschen in freier Entscheidung und eigener Verantwortung. Wertvolle Anregungen für die Überarbeitung gab mir Professor Dr. Klaus Erich Pollmann. Freundschaftliche Kritik nach oftmals recht mühevoller Durchsicht einzelner Kapitelentwürfe übte Professor Dr. Hans-Ulrich Ludewig. Mit anregender Gesprächsbereitschaft begleiteten Frau Dr. Birgit Pollmann sowie die Herren Dr. Jörg Calließ und Dr. Gerhard Schildt den Fortgang der Arbeit. Herr Professor Dr. Heinrich Volkmann gewährte mir nicht nur großzügige Einsicht in unveröffentlichte Manuskripte, sondern forderte darüber hinaus mit seinen Kommentaren zum Überdenken einiger Passagen heraus. Gelegenheit zum Gedankenaustausch und Benutzung seiner Protestkartei gab mir Herr Professor Dr. Richard Tilly. Konstruktive Kritik und Anregung verdanke ich für die Schlußfassung den Herren Professoren Helmut Berding, Jürgen Bergmann, Jürgen Kocka und Hans-Ulrich Wehler. Weit mehr als nur die Erfüllung einer Konvention ist mir der Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt- und Staatsarchive in Aurich, Braunschweig, Bremen, Göttingen, Hamburg, Hannover, Oldenburg, Osnabrück, Wolfenbüttel und Merseburg sowie des Universitätsarchivs und der Universitätsbibliothek Göttingen und nicht zuletzt der Stadtbibliothek Braunschweig für ihre geduldige Unterstützung. Es ist keineswegs Ausdruck einer Geringschätzung für die materielle Basis, wenn ich erst an dieser Stelle der Friedrich-Ebert-Stiftung für ihre großzügige materielle Unterstützung danke. Sie legte damit die Grundlage für eine weitgehend von finanziellen Alltagssorgen befreite Arbeit, ohne gleich vollständig den Hauch innerweltlicher Askese zu nehmen. Zudem beugten ihre Seminarveranstaltungen der Gefahr vor, die Probleme der Gegenwart über dem Protest im norddeutschen Vormärz zu vergessen. 11 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Schließlich sei den Herausgebern für die Aufnahme der Arbeit in ihre Reihe gedankt! Die Drucklegung wurde durch Zuschüsse des Philosophischen und Sozialwissenschaftlichen Fachbereichs der TU Braunschweig und der Stadt Braunschweig unterstützt. London, im Oktober 1982
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Einleitung Die drei Jahrzehnte zwischen der Befreiung von napoleonischen Truppen 1813/14 und den Revolutionen im März 1848 bildeten den letzten Zeitabschnitt in einem längeren Prozeß des Wandels auf nahezu allen Gebieten des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens, der die alte Ständegesellschaft auflöste und Grundlagen für eine industrielle Klassengesellschaft in Deutschland legte. Dabei erzeugten die Geschwindigkeit, die Schärfe und die Ungleichmäßigkeit der Entwicklungen weitreichende gesellschaftliche Spannungen. So begleiteten - stark vereinfacht - den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg bürgerlicher Schichten Abstiegs- und Differenzierungsprozesse bei handwerklichen und agrarischen Schichten. Gleichzeitig dauerten überkommene ständisch-feudale Besitz-, Herrschafts- und Privilegienstrukturen fort. Die wirtschaftliche und soziale Verelendung breiter Bevölkerungsschichten symbolisierten schließlich 1844 die schlesischen Weber-Unruhen, die außerordentlich große publizistische Beachtung fanden. Sie ereigneten sich in einer Phase wachsenden öffentlichen Bewußtseins für die »soziale Frage«. Um 1830 und in verstärktem Ausmaße seit Beginn der 1840er Jahre beschäftigte sich die bürgerliche Öffentlichkeit mit den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen, die einerseits Anlaß zu Gefühlen angstvoll übersteigerter sozialer Bedrohung gaben, andererseits aber auch teilweise scharfsinnige Untersuchungen der verzweifelten Lage der Unterschichten auslösten.1 Die Geschichtsschreibung über den Vormärz konnte an solche zeitgenössischen Beobachtungen anknüpfen, wenn sie sich mit den Problemen der Frühindustrialisierung beschäftigte oder nach den sozioökonomischen Voraussetzungen für die 1848er Revolution fragte. Große Beachtung schenkte sie den sozialen und politischen Ideen jener Jahrzehnte, der liberalen Bewegung und der Rolle des Bürgertums für die verfassungspolitischen Emanzipationsbestrebungen. Der Krise des zünftigen Handwerks als ständischer Korporation galt ebenso die Aufmerksamkeit wie den geheimen Gesellenverbindungen, den politischen Zirkeln im Ausland und den Arbeiterbildungsvereinen, wobei organisationsgeschichtliche Ansätze vorherrschten, in deren Mittelpunkt die Genese der deutschen Arbeiterbewegung unter politischem und gewerkschaftlichem Aspekt stand.2 Nachhaltigen Anstoß zu einer veränderten Betrachtungsweise gab Mitte der 1950er Jahre Werner Conze mit seinem Aufsatz »Vom ›Pöbel‹ zum ›Proletariat‹«. Ausgehend von einer Begriffsanalyse skizzierte er die Einflüs13 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
se und Folgen des sozialen Wandels auf untere soziale Schichten.3 Seine Anregungen fanden ihren Niederschlag nicht nur in der Erforschung des Vormärz, sondern auch in vielfältigen Diskussionen über Theorie und Praxis der Sozialgeschichtsschreibung.4 Vor allem seit Ausgang der 1960er Jahre gingen daraus neue, fruchtbare Fragestellungen und methodische Überlegungen hervor. Demgegenüber konnte eine systematische Untersuchung der sozialen Lage von unterbürgerlichen und unterbäuerlichen Schichten in Frankreich und England als ›historie d'en bas‹ bzw. ›history from below‹ bereits auf eine längere Tradition zurückblicken.5 Dabei wurde der Zugriff auf die Lebenslage und die Alltagswelt ›stummer‹ Massen dadurch wesentlich erleichtert, daß die Untersuchungen an Ereignissen ansetzten, in denen sich Menschengruppen kollektiv auf eine Weise äußerten, die Niederschlag in den heute verfugbaren Quellen fand. Das waren in diesen Fällen nicht Parteiprogramme oder Gewerkschaftsresolutionen, sondern Gemeinschaftshandeln, das unterhalb einer solchen Organisationsschwelle untersucht werden konnte: nämlich Protest in seinen vielfältigen Erscheinungsformen. In Frankreich riefen orthodoxe Sichtweisen der französischen Revolution von 1789 eine intensive Erforschung sozialer Unterschichten und ihrer besonderen Aktionen hervor. Um nähere Aufschlüsse über ihre Zusammensetzung zu erhalten, wurde versucht, aus Aktenserien biographisches Material zu ermitteln. Auf solcher Quellengrundlage und mit verfeinerten Untersuchungsmethoden ließen sich dann Fragen wie die nach den Anteilen einzelner Sozialschichten oder Berufsgruppen am Revolutionsverlauf oder der Binnenstruktur einer nun nicht mehr anonymen Masse in Aktion neu aufgreifen.6 Das idealisierende Bild von einer angeblich gewaltfreien, in parlamentarischen Bahnen verlaufenden Entwicklung Englands zur industriellen Gesellschaft stellten Rudé, Thompson, Hobsbawm u. a. mit ihren Untersuchungen von zahlreichen gewaltsamen Protestaktionen in Stadt und Land in Frage. Die Äußerungen von Unzufriedenheit der Unterschichten in Protesthandeln vermittelten weitreichende Einsichten in Motivationsstrukturen und Gruppenmentalitäten in einer Zeit frühindustriellen Umbruchs.7 Vor allem E. P. Thompson verfolgte das übergreifende Erkenntnisziel, die Formierung der englischen Arbeiterklasse nicht primär an der Entwicklung ihrer Organisation zu messen, sondern am Wandel der Erfahrungen, Einstellungen und Handlungsweisen konkreter Individuen in konkreten Situationen zu demonstrieren, weil, wie er betonte, »Klasse« weder als eine Struktur noch gar als eine Kategorie angesehen werden könne, »but as something which in fact happens (and can be shown to have happened) in human relationships«.8 Darüber hinaus übten Hypothesen und Theorienansätze von Soziologen und Politologen erheblichen Einfluß auf die Fragestellungen historischer Protestforschung aus. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlich prosperierenden 1950er und frühen 1960er Jahre in den westlichen Industriestaaten 14 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
sahen insbesondere amerikanische Soziologen kollektive Gewaltsamkeit als ein Übergangsphänomen im Modernisierungsprozeß von einer traditiona“ len Gesellschaft zur industriellen Gesellschaft westlichen Zuschnitts an. Hiernach hatte der demokratisch verfaßte, soziale Rechtsstaat mit seinem wirtschaftlichen Wohlstand Gewalt in den Sozialbeziehungen und insbesondere im politischen Prozeß nachhaltig verringert.9 Spätestens aber seit den Unruhen an amerikanischen Universitäten, in Ghettos und in europäischen Hauptstädten am Ende der 1960er Jahre wurde dieses Paradigma in Frage gestellt. Das erwachende Bewußtsein von einem scheinbar allgegenwärtigen Protest- und Gewaltpotential erweiterte die bisherige Betrachtung um sozialpsychologische und nicht zuletzt auch historische Perspektiven. In diesem Sinne stellte Robert Gurrs Untersuchung »Why Men Rebel« einen Umbruch dar. Von einem Protestereignis aus rückschauend suchte er nach einer zureichenden Erklärung des »Warum«. Allerdings behielten auch bei ihm historische Protestaktionen eher den Stellenwert einer Illustration für Überlegungen, die auf Allgemeinaussagen abzielten.10 In unzähligen makrosoziologischen Untersuchungen wurde versucht, den Zusammenhängen von sozialem Wandel und der Entstehung von Unzufriedenheit und Protest nachzugehen. Allerdings gelang es trotz eines erheblichen Forschungsaufwandes noch nicht, eine Liste von Unzufriedenheitsmerkmalen zu entwickeln oder eine allgemein anerkannte Korrelation zwischen Modernisierungsprozessen und Protest nachzuweisen, die der Komplexität sozialer Wirklichkeit angemessen wären. Dabei standen die destabilisierenden Wirkungen schnellen sozialen, politischen und ökonomischen Wandels im Mittelpunkt, der traditionelle soziale Beziehungen und Verhaltensweisen abbaue und neue, noch nicht adäquat erfüllbare Erwartungen wecke. Der technische Wandel und die dadurch gesteigerte Ausbeutung schüfen neue Zwänge und förderten eine allgemeine Verelendung. Die Schwächung der traditionellen Eliten gehe in solchen Entwicklungsphasen mit einer Trennung der Massen von ihren traditionellen Normen und einem tiefgreifenden Verlust an sozialer Kontrolle einher.11 Besondere Beachtung fanden die Erklärungsversuche von Davies und Johnson. Ausgehend von einem funktionalistischen Ansatz bewirkt nach Johnson sozialer Wandel Ungleichgewichtigkeiten im sozialen System, die Unzufriedenheit erzeugen. In solchen Situationen kommt dann den herrschenden Eliten entscheidendes Gewicht zu. Versagen sie bei ihrer Aufgabe, durch angemessene Reformen einen Ausgleich herbeizuführen, erhöht sich sprungartig die Gefahr von Protestaktionen und schließlich sogar von Revolution. Zunehmender Gewalteinsatz und Autoritätsverlust der herrschenden Eliten deuten bereits auf das Scheitern der Reintegrationsbemühungen hin. Es genügt dann ein unbedeutender Anlaß, und Unzufriedenheit schlägt in Aktion um. 12 Neben Johnsons Überlegungen spielt in der sozialwissenschaftlichen Diskussion vor allem der sozialpsychologische Ansatz von Davies eine herausragende Rolle, der Beobachtungen Tocquevilles zur fran© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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zösischen Revolution von 1789 aufnimmt: Nach einer ökonomischen Boom-Phase enttäuscht ein plötzlicher, gravierender Abschwung die weiter ansteigenden Erwartungen und erzeugt intensive Gefühle relativer Benachteiligung, die individuell bewältigt werden oder sich in kollektiver Aktion ausdrücken können. 13 Sowohl die historischen als auch die soziologischen und politologischen Untersuchungen brachten eine Fülle neuer Erkenntnisse über Konflikt und dessen vielfältige Wirkungen auf eine Gesellschaft. Er wird längst nicht mehr als eine Gefahr für das soziale System schlechthin angesehen, sondern seine sozialen Wandel und Stabilität fordernden Beiträge finden Beachtung. 14 In gleicher Weise wandelte sich das wissenschaftliche Urteil über die Rolle und die Eigenschaften von Massen im politischen und sozialen Prozeß. Gegenüber der maßgeblich von Le Bon geprägten Ansicht von der prinzipiellen Destruktivität einer Menschenmenge, die er mehr vom »Rückenmark« denn vom »Gehirn« geleitet ansah,15 betont die neuere Forschung die Zielorientiertheit und vielfältige soziale Funktionalität von Massenhandeln. Dies gilt selbst für sich spontan sammelnde Menschenmengen, die noch ein Mindestmaß an Zweck-Mittel-Orientierung offenbaren.16 In diesem Zusammenhang ist auch das wissenschaftliche Verständnis von kollektiver Gewaltanwendung modifiziert worden. Sie wird zunehmend als Teil eines Interaktionsprozesses begriffen, in dem Gewalthandeln der Obrigkeit einen hohen Stellenwert einnimmt. 17 Die erfolgreiche Überwindung der Konzentration auf Revolutionen und die Erweiterung der Betrachtungsperspektive über revolutionäre Extremsituationen hinaus auf kollektive Gewalt trug entscheidend dazu bei, gemeinschaftlichen Protest einer Menschengruppe als ein Alltagsphänomen zu begreifen. Nach Hobsbawms Forschungen beispielsweise bildete ›bargaining by riot‹ eine häufig praktizierte Äußerung von Unzufriedenheit ansonsten weitgehend ›stummer‹ Massen, die gewöhnlich sogar als Beitrag zum politischen Prozeß akzeptiert wurde. 18 Angesichts der gerade auch im deutschen Vormärz beschränkten legalen Möglichkeiten für Unterschichtenangehörige, ihre Interessen wirksam auszudrücken, bestand in Teilen der Öffentlichkeit durchaus Verständnis für kollektive Protestaktionen.19 Insgesamt vermitteln die skizzierten Ergebnisse der neueren Forschung einen sinnhaften Zusammenhang von Protestursachen, Motiven, Zielen und konkreter Aktion, der kollektiven Protest als Reflex gesellschaftlicher Verursachung begreifen läßt. 20 Eine erste systematische, auf Zählen der Einzelfälle abhebende Protestanalyse versuchte in den 1930er Jahren Sorokin unter weitgehender Vernachlässigung der grundsätzlichen Beziehungsprobleme zwischen sozialem Handeln von Menschen in besonderen Situationen und einer quantifizierenden Makroanalyse. Ausgehend von der bloßen Annahme gesellschaftlicher Verursachung wertete er Massenproteste als Spannungsindikatoren für Raum-und Epochenvergleiche aus. Er wollte die »social storms« in europäi16
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scher Perspektive vom 7./8. bis ins 20. Jahrhundert ermitteln. Anhand von ›Fieberkurven‹ zog er dann Schlüsse wie den, daß manche Nationen einen Hang zur Anarchie offenbarten. Ferner bemühte er sich, Zusammenhänge von Unruhen und soziokulturellem Verfall aufzuzeigen.21 Zeitlich und räumlich bescheidener ist dagegen der Versuch von Charles, Louise und Richard Tilly, gewaltsamen Protest als eine Herausforderung des staatlichen Machtmonopols für das 19. und 20. Jahrhundert mit Industrialisierung, Urbanisierung und Staatenbildung zu korrelieren, um deren Einflüsse auf die Form, den sozialen Ort und die Träger von Protestaktionen verdeutlichen zu können. Grundlegend für ihre Protest-fallauswahl ist das Kriterium der kollektiven Gewalt. Generell charakterisieren diese Autoren Protest als politisch, weil die Protestierenden immer die staatliche und gesellschaftliche Machtverteilung oder -ausübung verändern wollten. 22 Zu Recht ist insbesondere von Historikern an diesem Ansatz kritisiert worden, daß er mit der Erklärung von Unzufriedenheit und Protest allein aus dem Defizit des politischen Systems heraus zur Eindimensionalität tendiere. Konkret sozialer Verursachung kann damit ebensowenig nachgegangen werden wie einer Differenzierung unterschiedlicher Adressaten und Ziele von Protest. Das hohe Abstraktionsniveau verfuhrt außerdem dazu, völlig verschiedene Fälle als gleichartig zu quantifizieren und als Etappen ein und desselben Veränderungsprozesses zu interpretieren.23 Nicht zuletzt greift »Gewalt« als grundlegendes Merkmal der Fallauswahl zu kurz, weil damit Protest als allgemeine Kategorie von Gruppenverhalten im Konflikt mit seiner Extrem Variante gleichgesetzt wird. 24 Aber auch innerhalb der Fallauswahl ruft eine Konzentration auf Gewalt Verzerrungen hervor. Wenn nämlich Gewaltanwendung von seiten einer Menschenmenge häufig als Antwort auf Aktionen der Ordnungskräfte erfolgt, dann gelangen bei einer Auswahl nach dem Kriterium »Gewalt« Fälle ins Untersuchungsfeld, die ihre Aufnahme primär dem provozierenden Verhalten der Ordnungskrise und gerade nicht der Mittelwahl der Menge selbst verdanken. Andere gewichtige Fälle bleiben u. U. nur wegen der Abwesenheit von Polizei oder Militär beim Protestereignis oder deren einfühlsamen und konfliktmildernden Auftreten unberücksichtigt.25 Um solchen Verzerrungen und unnötigen Beschränkungen der Erkenntnismöglichkeiten zu begegnen und die Mittelwahl der Protestierenden selbst in den Blick zu nehmen, schlägt Volkmann »Illegalität« als Auswahlmerkmal für Protestfälle vor. 26 Da die meisten deutschen Staaten im Vormärz für legalen Kollektivprotest ohnehin wenig Raum ließen, wird durch dessen Ausgrenzung die Aussagefähigkeit zum Gesamtphänomen »Protest« nicht über Gebühr beeinträchtigt. Auch hierbei zeigt Normverletzung die Ernsthaftigkeit und Außergewöhnlichkeit des Handelns gerade solcher Schichten an, die in ihrem täglichen Leben ansonsten für die historische Forschung weitgehend ›stimmlos‹ bleiben. Die kollektive Normverletzung erst sorgte im Vormärz regelmäßig dafür, daß die obrigkeitliche Bürokratie sich auf 17 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
eine Weise mit Unterschichten beschäftigte, die über eine routinemäßige Erhebung von Verwaltungsdaten hinausging. Allerdings gilt es bei der Benutzung solchermaßen entstandener Akten kritisch zu berücksichtigen, daß sie in den meisten Fällen aus der Perspektive der Ordnungskräfte verfaßt wurden, die Protest gerade verhindern bzw. bekämpfen sollten. Diese Funktion beließ den Ordnungshütern selbstverständlich bei der konkreten Bestimmung von »illegal« und »legal« gewisse Spielräume. Allgemein verlief die Definitionsgrenze für illegalen kollektiven Protest während des Vormärz im Bereich der Petition, die sowohl im formalen Recht wie in der täglichen Rechtspraxis eine breite Grauzone bildete. Nach den norddeutschen Verfassungen war es Einzelpersonen oder staatlich anerkannten Korporationen gestattet, sich an Fürst, Regierung, Staatsbürokratie oder, unter bestimmten Voraussetzungen, auch an die Landstände zu wenden, um Klagen, Beschwerden und Bitten vorzubringen. Darüber hinaus wurden nicht in allen Staaten zu jeder Zeit mit gleicher Intensität formal illegale Gemeinschaftspetitionen von der Obrigkeit strafrechtlich verfolgt. So legten beispielsweise die Regierungen während der Krise 1830/31 das Petitionsrecht großzügig aus, nicht zuletzt, um die Unzufriedenheit von der Straße in gewaltlose, obrigkeitlich leichter kontrollierbare Bahnen abzulenken. Mit der Reaktionspolitik des Deutschen Bundes erfuhr auch das ›gcmeinschaftli“ chc‹ Petitionieren wieder drastische Einschränkungen und verstärkte Kriminalisierung.27 Dem Bestimmungsspielraum der Behörden entsprach auf Seiten der Bittsteller eine weitgehende Unberechenbarkeit des Risikos, das sie mit ihrer Unterschrift unter Suppliken eingingen. Dieser Umstand bedeutet natürlich auch für die Auswahl der relevanten Protestfälle eine Unsicherheit, die dadurch verkleinert werden soll, daß über das Merkmal formaler Illegalität hinaus die jeweilige Sanktionsbereitschaft der Obrigkeit zusätzlich in Betracht gezogen wird. Die Einbeziehung der Petition in die Untersuchung erschien umso sinnvoller, da Illegalität als ein entscheidendes Protestcharakteristikum dazu tendiert, solche sozialen Schichten zu vernachlässigen, die zur Artikulation von Unzufriedenheit über korporative Organisationen und institutionalisierte Möglichkeiten verfugten. Mit der Petition als Protestmittel kommen möglicherweise Trägerschichten in den Blick, die in schriftlichem Ausdruck geübter waren als ein großer Teil der Unterschichten und die mehr Einsicht ins politische System besaßen als jene, um eine Petition möglichst effektiv zu adressieren. Auf diese Weise kann schichtenspezifisches Protestverhalten verdeutlicht werden. Gehört die Gemeinschaftspetition zu den mit klassischen historischen Methoden seit langem faßbaren Ausdrucksformen von Unzufriedenheit, so sind einer wünschenswerten systematischen Analyse latent vorhandener, aber passiv und leicht zu tarnender Resistenz einzelner Menschen quellenund methodenbedingte Grenzen gesetzt. Um diesem vielschichtigen Bereich individuellen Widerstandsverhaltens gegenüber Protest die notwendi18
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gen Konturen zu verleihen und der Gefahr der Beliebigkeit zu entziehen, muß er als Ausdruck von Konflikt und Unzufriedenheit die Qualität der Ereignishaftigkeit als conditio sine qua non besitzen. Der Zugang historischer Protestforschung zu gesellschaftlichen Konflikten öffnet sich, wenn sie direkt in Wort oder Schrift, Aktion oder Leistungsverweigerung manifest werden. 28 Soll Protest jenseits von individuellen Zufälligkeiten gewisse Indikatorfunktion für soziale Spannungen in einer Gesellschaft besitzen, muß er sich auf gesellschaftliche Ursachen zurückfuhren lassen, was oft ohne eine intensive Untersuchung des Protestereignisses selbst und seines sozialen Umfeldes nur mit großer Unsicherheit zu bestimmen ist. Um überhaupt erst einmal relevanten Fällen auf die Spur zu kommen, scheint zunächst ein eindeutig und einfach zu identifizierendes Ersatzkriterium zu taugen: Ausgehend von der Hypothese, daß eine Vielzahl gemeinschaftlich Handelnder ein Indiz für überpersonale Motive darstellt und daher die Wahrscheinlichkeit für eine gesellschaftliche Verursachung in einer Aktion relativ hoch zu veranschlagen ist, kann Kollektivität diese Funktion übernehmen. Hiermit lassen sich alle diejenigen Protestfälle von vornherein ausgliedern, die, obwohl durchaus sozial verursacht, bezüglich der Motivstruktur und des Handlungsträgers auf das Individuum als zentrale Kategorie verweisen. Darunter fallen mögliche Protestformen wie Selbstmord oder eine breite Skala individuell verübter Kriminalität, deren Herausforderungsgrad an das soziale und politische System im Vergleich zu kollektiv ausgeführtem Protest geringer erscheint. Mit Bedacht wird der vielfach gebräuchliche Terminus »sozialer Protest« vermieden, der zwar auf die gesellschaftlichen Ursachen verweist, doch insgesamt wegen seiner inhaltlichen Ambivalenz eher verwirrt. Zur möglichst weiten und eindeutigen Abgrenzung des Untersuchungsfeldes nach formalen Kriterien ist »kollektiver Protest« oder als Synonyme »gemeinschaftlicher Protest« bzw. »Gemeinschaftsprotest« angemessener. Zur definitorischen Ausgrenzung individuellen Protests ist eine eindeutige Mengenangabe notwendig, von der an Protesthandeln als kollektiv gilt. In einigen Studien wurde relativ willkürlich mit einer Zahl von 50 Personen gearbeitet.29 Ein Vergleich von Teilnehmerzahlen und obrigkeitlicher Begrifflichkeit legt für den Vormärz dagegen einen Schwellenwert von 20 Personen nahe, der ungefähr mit den zeitgenössischen Termini »Haufe«, »Schwarm« oder »Trupp« zusammenfiel und auch juristische Signifikanz besaß. 30 Zusammenfassend kann nun kollektiver Protest definiert werden als in Wort oder Schrift, in Aktion oder Verweigerung einer Leistung manifest gewordener Konflikt, an dem als Protestpartei mindestens 20 Personen teilnehmen, die gesetzwidrige Verletzung von Ruhe und Ordnung als Instrument in ihr Handeln einbeziehen oder als Konsequenz riskieren.31 19 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Das durch Zugrundelegung dieser Definition aus den Quellen ermittelte Protestereignis wird zunächst als Fallstudie in seinem konkreten historischen Bezugsrahmen untersucht, ehe es in einem zweiten Schritt, in Einzeldaten zerlegt, für eine quantifizierende Analyse vormärzlichen Protests verarbeitet wird. Das Protestereignis als Fall bietet einen fruchtbaren Ansatzpunkt, um den sozialen Lebensbedingungen und deren mentalen Vermittlungen nachzuspüren. Untersuchungen über Mentalitäten,32 Attitüden33 und deren ideologische Verfestigungen34 kommt entgegen, daß gerade bei Unterschichten allgemeine Einstellungen und konkretes Handeln direkter aufeinander bezogen zu sein scheinen als bei Schichten mit höherer Bildung, deren Handeln ein größeres Maß an individueller Reflektion mitbestimmt.35 Ausgeblendet bleibt allerdings das Spektrum von solchen Mentalitäten, die kollektivem Protest entgegenwirken und ein stumpfes Sich-Abfinden mit der sozialen Lage bestärken oder andere individuelle Bewältigungsstrategien fördern. Entsprechend der Absicht, mit Protest einen Aspekt der realen Lebenswelt insbesondere vormärzlicher Unterschichten zu untersuchen, ist es notwendig, die soziale Zusammensetzung der jeweiligen Protestmenge zu ermitteln. Allerdings erlauben die Quellen gegenüber den methodischen Ansprüchen einer Stratifikationsanalyse lediglich die Bildung relativ weiter Kategorien. So kann vielfach sinnvoll nur unterschieden werden zwischen städtischem Bürgertum, Handwerkern und Tagelöhnern, notorischen Armen und Landbevölkerung, deren notwendige und der sozialen Wirklichkeit im Dorf durchaus angemessene Untergliederung, beispielsweise in besitzende Mitglieder der Gemeinde und besitzlose Unterschicht, am mangelnden Informationsgehalt der Behördenberichte scheitert.36 Die städtische Schichtgrenze zwischen bürgerlichen Schichten und Unterschichten verlief durch die Gruppe der Handwerker. Ein Teil der Meister konnte durchaus bereits als kapitalistische Unternehmer gelten und unterschied sich auch in seinem Lebenstil deutlich vom Kleinmeister, dessen soziale, politische und ökonomische Lebenschancen denen der Gesellen nahezu gleichkamen. Sie rechneten zu den Unterschichten: Sie lebten äußerst dürftig, dicht über dem Existenzminimum von der Hand in den Mund; obwohl in den Arbeitsprozeß eingegliedert, war ihre Existenz permanent gefährdet. Ferner waren alle die Menschen hierzu zu rechnen, die, durch welche Umstände auch immer, akute Not litten, keine Arbeit fanden und auf Unterstützung durch andere angewiesen waren.37 Das »soziale Gesicht« einer Protestmenge kann in einigen Fällen durch biographische Daten von Verhafteten, Verurteilten, Verwundeten oder Toten genauer gezeichnet werden. Ferner erlaubt die Quellenlage meistens die Schätzung der Anzahl der Protestteilnehmer nach Mengenklassen. Zusätzlichen Aufschluß über die Struktur einer Protestpartei geben Informationen über bereits bestehende Organisationsformen, die in der Protestaktion bedeutsam wurden, wie am offensichtlichsten bei Studenten und Bauhand20 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
werkern. Zur weiteren Beurteilung der Homogenität einer Protestpartei dienen Nachrichten über den Koordinationsgrad des Handelns, dessen Konzentration auf ein oder mehrere Objekte sowie das Wiederholen gemeinsamer Schlagworte oder Parolen, so daß schließlich mit Volkmann eine Einordnung in die Kategorien - diffuse Menge: unterschiedliche Zusammensetzung ohne erkennbare Konzentration von Berufs- oder Statusgruppen, - strukturierte Menge: unterschiedliche Zusammensetzung bei signifikanter Konzentration von Berufs- oder Statuseruppen, - spezifische Gruppen: Berufs- oder Statusgruppen als Hegemon oder ausschließliche Träger des Protests, möglich wird. 38 Interaktionspartner der Protestierenden sind in vielen Fällen die Ordnungskräfte, deren Eingreifen wesentlichen Einfluß auf den weiteren Handlungsverlauf hat. Allein das Erscheinen von Polizei, Militär oder Bürgergarde kann bei Protestlern Abwehrreaktionen hervorrufen und Gewaltanwendung provozieren. Entsprechend dem prozessualen Charakter von Protestund Gewaltanwendung ist es nicht unerheblich, wie eine Maßnahme der Ordnungskräfte von den Protestierenden aufgenommen wird. Interpretieren sie sie als absichtsvolle Steigerung der obrigkeitlichen Repressionsbereitschaft, ist eine Eskalation des Konflikts wahrscheinlich. In diesem Zusammenhang wird die Hypothese zu prüfen sein, daß der Staat und seine Organe in die Interaktionen erst Gewalt einbringen, auf die die Protestpartei dann allenfalls defensiv reagiere. Darüber hinaus soll das staatliche Repressionsverhalten auf seine Intentionen, Strategien und Aktionen hin untersucht werden, um mögliche typische Reaktionen auf Herausforderungen durch kollektiven Protest ermitteln zu können. Aufgrund der Materiallage läßt sich das Ordnungshandeln allerdings nur als gewaltloses oder gewaltsames Einschreiten mit oder ohne Opfer sinnvoll kategorisieren. Um die Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes von Polizei, Militär und Bürgermilitär abzuschätzen, wird ihr Eingreifen mit der Gewaltsamkeit der Protestsituation - charakterisiert als gewaltlos oder gewaltsam - konfrontiert.39 Die Objekte des Protests sollen nicht von vornherein der Ordnungsformation zugerechnet, sondern im Kräftefeld des Konfliktes gesondert betrachtet werden. 40 Sie können bedeutsame, eigenständige Beiträge zum Aufbau einer Protestsituation auf zwei unterschiedlichen Handlungsebenen leisten: auf der Konflikt- und der Aktionsebene. Beispielsweise kann die Zentralregierung durch ihre Entscheidungen Konflikt verursachen, zum Objekt von Protesthandeln in der Provinz aber die Lokalbehörde werden, weil andere Regierungsinstitutionen außerhalb der Reichweite der Protestierenden liegen. In jedem Falle ermöglicht das Interesse einer Vielzahl von Personen an den Protestobjekten sowie deren Symbolwert die Bildung einer Menschenmenge. Gleichzeitig erlaubt die Auswahl durch die Protestierenden Rückschlüsse auf das Ursachengeflecht der demonstrierten Unzufrie21 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
denheit. Außerdem wird in den Objekten regelmäßig ein sinnhafter Zusammenhang mit den Intentionen der Menge erkennbar, ohne daß sie ihre Protestziele programmatisch formulieren müßte. 41 Dieser erkennbare Sinnzusammenhang zwischen der Aktion, ihrem Objekt und ihrem Ursachengeflecht leistet einen Brückenschlag für das zweifellos schwierige Problem, die komplexen historischen Handlungsabläufe und deren mentale Vermittlungen in analytische Kategorien zu übersetzen, die dem Ideal der Eindeutigkeit und der gegenseitigen Ausschließlichkeit entsprechen sollen. Dieses grundsätzliche Spannungsverhältnis tritt besonders bei dem Versuch der Bildung von Ursachenklassen hervor; denn Protestaktionen lassen sich nur sehr selten eindeutig und allein einer Ursachenkategorie zuordnen. Beispielsweise traten bei den zahlreichen Zunftkonflikten zünftig-ideologische, ökonomische und ordnungspolizeiliche Ursachenelemente miteinander vermischt auf. Das gleiche gilt für antisemitische Ausschreitungen, wo ökonomische, politische, ethnisch-religiöse und nicht zuletzt ordnungspolizeiliche Momente zusammenwirkten, so daß die Forderung nach einer Zuordnung zu nur einer Kategorie mit dem Gebot der historischen Angemessenheit konkurriert. Um die Erkenntnismöglichkeiten nicht von vornherein übergebühr zu beschneiden, erscheint trotz dieser schwerwiegenden Problematik eine Klassifizierung nach sozioökonomischen, politischen und ethnischen bzw. religiösen Ursachen vertretbar, die in sich weiter untergliedert werden können.42 Zum sozioökonomischen Bereich gehören beispielsweise kurzfristig-konjunkturelle Ursachen, wie Teuerung oder Lohnprobleme, und langfristig-strukturelle, die in erster Linie Steuern und Abgaben betreffen, die aber auch Konflikte um zünftige Regelungsansprüche im Handwerk umfassen. Die Auseinandersetzungen über Einschränkungen von Zunftrechten gehören ebenfalls in den Bereich der politisch verursachten Proteste, wie sie im Zusammenhang mit der Dekorporierung der Ständegesellschaft auftraten; verfassungsrechtliche Motive sind dieser Ursachenkategorie gleichfalls zuzurechnen. Dem politischen Bereich werden auch allgemeine Ordnungskonflikte als eine Sammelkategorie zugeordnet, weil ihr Objekt und ihr Protestziel im Umfeld staatlicher Institutionen zu finden sind. Auf unterschiedlichen Ebenen wird dabei gegen den Gebrauch und die Ausübung der staatlichen Macht protestiert, die keineswegs als grenzenlos legitim angesehen wird. 43 Im dritten Komplex richtet sich Protest gegen ethnische und rassische Minderheiten, z. B. in Hamburg gegen die Juden und Ausländer, die größtenteils als wirtschaftliche Konkurrenten angegriffen werden. Überwiegend religiöse Ursachen liegen Protesten zugrunde, in denen sich beispielsweise eine Kirchengemeinde gegen die Einsetzung eines Pfarrers wehrt, dessen theologische Ansichten von den Gemeindemitgliedern abgelehnt werden; dabei sind selbstverständlich politische Implikationen unübersehbar. Die Zuordnungsproblematik kann in ihren gröbsten Verzerrungen dadurch entschärft 22 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
werden, daß einzelne Protestfalle in ihren Ursachenbezügen eine Mehrfachzuordnung erfahren. In eine Analyse des Entstehungsprozesses von Protest müssen neben den Ursachen lokale Strukturmerkmale als spezifische Manifestationsbedingungen eingehen. Dazu gehört zunächst das Protestpotential, das ist die Gesamtheit der Menschen, die als mögliche Teilnehmer von Protest überhaupt vorstellbar sind; die maximale Menschenmenge fallt mit der Einwohnerzahl eines Ortes zusammen. Eine Einordnung der Protestorte in Einwohnergrößenklassen erlaubt außerdem gewisse Rückschlüsse auf soziale Lebenswelten, grob unterscheidbar als Stadt und Land. Wünschenswert wäre zudem die Erhebung von Daten zur örtlichen Protesterfahrung und zu Demonstrationseffekten, die von außen einwirken. Beide Kategorien sind jedoch für den Vormärz nur schwer mit Information zu füllen, was keineswegs in ihrer Außergewöhnlichkeit seinen Grund hat.44 Als begünstigender Faktor kommt ferner der Zeitpunkt des Protestbeginns in Betracht. Unter dem Aspekt der Abkömmlichkeit ist das Unruhepotential an arbeitsfreien Tagen oder Tagesabschnitten größer als zur üblichen Arbeitszeit an Werktagen. Selbst die Tageszeit ist von Belang, da die Akteure in der Dunkelheit des Abends oder der Nacht eher unerkannt bleiben können als tagsüber, wodurch die Risikoschwelle erheblich sinkt. Emotionalfaktoren, wie Gerüchte und Neugier oder der Genuß von Alkohol, können ebenfalls von Einfluß auf die Manifestation von Unzufriedenheit sein.45 Neben dem Protestpotential bildet das verfügbare Ordnungspotential ein Element zur Bestimmung der Protestvoraussetzungen, da das Vorhandensein von Polizei, Militär oder Bürgergarde am Ort den Umfang des Risikos mitbestimmt. Für eine Situationseinschätzung wäre es bedeutsam, ließen sich systematisch Informationen über die Entschlossenheit zum Einsatz der Ordnungskräfte und die erwartete Loyalität der Ausfuhrenden sammeln; die vormärzliche Quellenbasis setzt hier allerdings enge Grenzen. Darüber hinaus ist das Objektpotential überaus bedeutsam. Die Verwaltungsfunktion eines Ortes gibt erste Aufschlüsse über Ämter und Behörden, die als mögliche Objekte für Protestierende erreichbar sind. Schließlich müssen solche Faktoren in den Blick genommen werden, die schwelende Konflikte verschärfen und zum Ausbruch in Protest bringen: die Anlässe und Auslöser. Sie sind nur im konkreten Handlungszusammenhang zu ermitteln und können in großer Gestaltsvielfalt auftreten.46 Der Analyse der Aktion selbst dienen die Merkmale der Dauer, der Teilnehmerzahl sowie der Art der Beteiligung und der Protestmittel. Dem Grad der Gewaltsamkeit kommt als ein wesentliches Charakteristikum der Schwere einer Auseinandersetzung besondere Bedeutung zu. Die systematische Auswertung von Polizei- und Behördenberichten ermöglicht es, die ansonsten von der Protestforschung verwendete kleinste Kategorie der Zeitdauer von einem Tag zu unterschreiten. Die Klasse »bis 1 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Stunde« trägt wesentlich dazu bei, Protest in dieser Beziehung genauer zu charakterisieren. Allerdings werden alle kurzen Fälle, für die keine detaillierte Zeitangabe ermittelbar ist, der Sammelkategorie »bis 6 Stunden« zugeordnet. - Geben die Quellen keine ungefähren Zahlenangaben zur Protestmenge an, erfolgt keine Registrierung des Protestfalles in dieser Kategorie. Die Anwendung der von Volkmann herausgearbeiteten Bilinguen böte zwar eine größere Informationsdichte, entwertete aber gleichzeitig die Aussagekraft der Einzeldaten durch eine sehr weite nominale Einteilung.47 Die relativ häufig verfügbaren genaueren Schätzungen der Beteiligten besitzen höheren Erkenntniswert. Ein großes methodisches Problem für vergleichende und quantifizierende Protestforschung stellt die Gewichtung des Einzelfalles dar. Als einen ersten Schritt zur Lösung kombinierten Charles Tilly u. a. die Teilnehmerzahl und die Dauer des Protests zum Index »Mann/Tage«, der trotz erheblicher methodischer Vorbehalte aus dem Bestreben nach Vergleichbarkeit verschiedener Untersuchungen heraus auch für die vormärzlichen Proteste in Norddeutschland errechnet wird. 48 Ein Kritikpunkt dabei ist die mangelnde Berücksichtigung des Ausmaßes der Gewaltanwendung. Dies wiegt umso schwerer, wenn die definitorischen Grenzen von »Gewalt« als entscheidendes Auswahlkriterium überschritten werden und »Illegalität« auch gewaltfreie Protestaktionen in das Untersuchungsfeld einbezieht. Eine Unterscheidung der gemeinschaftlich angewandten Protestmittel ist unausweichlich; sie werden kategorisiert als: - Petition: die schriftliche Artikulierung einer Protestforderung durch spontane oder organisierte Trägergruppen, die dazu nicht durch das Institutionengefüge des Staates autorisiert sind und von ihm daher als Herausforderung seines Ordnungsmonopols angesehen werden; - Demonstration: Die Vertretung einer Forderung mit primär friedlichen Mitteln unter Ausnutzung der Konfliktfähigkeit der Demonstranten als Gruppe; diese Kategorie umfaßt sog. Oppositionsessen ebenso wie Versammlungen und Umzüge, die im Vormärz als gewaltlose Störungen der öffentlichen Ordnung von den Behörden interpretiert wurden; - Verweigerung: eine Forderung wird durch den Entzug einer normativ definierten Leistung vertreten, wozu ein höheres Maß an Koordinierung des Handelns erforderlich ist als bei einer Demonstration; - Tumultuarische Aktion: Der Versuch zur Durchsetzung einer Forderung durch Androhung oder Anwendung von Gewalt; als schwere Störung der öffentlichen Ordnung veranlaßt sie gewöhnlich das Einschreiten von Ordnungskräften.49 Bei gewaltsamem Protesthandeln ist zu unterscheiden zwischen einer Gewaltanwendung gegen Sachen und gegen Personen.50 Außerdem muß nach der Motivation der Gewaltausübung gefragt werden, die meistens nur aus dem Verlauf der Protestaktion selbst erschlossen werden kann. Sie gilt als offensiv, wenn Protestierende ohne sichtbare Herausforderung durch 24 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
einen Interaktionspartner selbständig gewaltsam handeln; defensiv erfolgt Gewaltanwendung als Reaktion auf das Vorgehen der Ordnungspartei.51 Schließlich erlaubt eine Zusammenfassung von Angaben über Spontaneität und Homogenität der Träger sowie die Koordination ihres Handelns und ihre Organisationsstruktur eine Kategoriesierung der Protestform nach dem Organisationsgrad als - regellos: spontaner Beginn, diffuse Menge, unkoordiniertes Handeln, keine Organisationsstruktur; - regelhaft: spontaner Beginn, strukturierte Menge, koordiniertes Handeln, informelle Organisationsstruktur; - organisiert: spontaner Beginn, spezifische Trägergruppen, koordiniertes Handeln, formelle Organisationsstruktur; - geplant: geplanter Beginn, spezifische Trägergruppen, geplantes Handeln, formelle oder informelle Organisationsstruktur.52 Der Handlungsverlauf sowie die Objekte des Protests vermitteln Anhaltspunkte für die Ziele der Protestierenden. Sie können auf verschiedenen Ebenen angestrebt bzw. erreicht werden. So erscheint es durchaus denkbar, daß Protest sich auf die konkrete Lebenssituation in einem Ort richtet, aber Veränderungen nicht dort, sondern im politischen System bewirkt; auch der umgekehrte Fall ist nicht unrealistisch. Inhaltlich wird die gewollte Veränderung des gegenwärtigen Zustandes entweder durch die Durchsetzung neuer Problemlösungen, also innovativ, oder restaurativ in der erneuten Herstellung vermeintlich oder tatsächlich traditioneller Zustände erstrebt. In diesem Kontext kann Erfolg bzw. Mißerfolg eingeschätzt werden. Überragende Bedeutung für das Protestergebnis kommt offensichtlich dem vormärzlichen Staat und seinen Organen als Entscheidungsinstanz sowie als Objekt- und Ordnungspartei zu; denn illegaler Protest bedeutete für ihn immer eine Verletzung der öffentlichen Ordnung und eine Herausforderung seines Machtmonopols, zu deren Beantwortung ihm eine breite Palette an Möglichkeiten zur Verfügung stand: sie reichte von Passivität über administrative Repression53 und bloße Machtdemonstration bis zu entschlossener Gewaltanwendung. Waren dagegen Regierung und Verwaltung gewillt, die soziale Verursachung von Protest in ihre Antwort einzubeziehen und über eine rein ordnungspolizeiliche Behandlung hinauszugehen, konnten sie als Ausdruck von Flexibilität für kurzfristige Abhilfe im begrenzten Rahmen des unmittelbaren Protestbereiches sorgen, die die Unzufriedenheit erregende Lage vorübergehend entspannte, ohne damit jedoch längerfristig einer Wiederholung von Protest aus den gleichen Gründen entgegenzuwirken. Wollte die Obrigkeit die Ursachenkonstellation nachhaltig verändern, mußte sie weiterreichende Entscheidungen fällen, die nicht selten sozialen Wandel initiierten oder beschleunigten. Bei der Analyse von Reformmaßnahmen und Wandel muß eine am vermeintlichen Endziel »Industriegesellschaft« ausgerichtete Wertung vermieden werden;54 denn für die Systemerhaltung sind die auf die Protestursachen eingehenden Maßnahmen der Obrigkeit 25 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
zunächst funktional gleichwertig, ob sie nun innovierenden Inhalt und modernisierende Richtung oder restaurativen Charakter besitzen. Für eine Bewertung erscheint es angemessener, statt Modernisierung zum Maßstab zu erheben, den Stellenwert der Tradition für Regierungshandeln und Protest zu untersuchen. Die Demonstranten maßen den Erfolg ihrer Aktion an der subjektiv erwarteten Veränderung ihrer sozialen Lage. Für sie fand Wandel auf der Protestebene mit jedem obrigkeitlichen Eingehen auf die Ursache ihrer Unzufriedenheit statt. Die subjektiv interpretierte Adäquanz der staatlichen Maßnahmen war für sie allein von Bedeutung. Der Herausforderung durch Protest entspricht keine Automatik staatlicher Reaktion im Sinne von Erfolg und Mißerfolg. Für jeden Einzelfall bleibt vielmehr die konkrete Vermittlung und die Systemebene zu klären. Illegalität und Konfliktfähigkeit der protestierenden Gruppen allein reichen häufig zur Erklärung des staatlichen Handelns, das über ordnungspolizeiliche Reaktion hinausgeht, nicht aus. Dazu müssen zusätzliche Bedingungen einbezogen werden, die Erfolg oder Mißerfolg von Protest begünstigen.55 Zunächst kommt dabei der interpretierenden Information und solidarischen bzw. unbeabsichtigten Verstärkung des Protestgewichtes durch Petitionen, Flugblätter oder Zeitungen eine wichtige Rolle zu. Sie heben den Fall aus seiner lokalen Begrenztheit heraus und machen eine breitere Öffentlichkeit mit der Aktion sowie ihrem Hintergrund vertraut und bilden öffentliche Meinung. Eine ähnliche Druckwirkung auf Regierungshandeln kann auch die mündliche Propaganda ausüben, sofern sie durch Offizianten in die Informationskanäle der Staatsbürokratie gelangt. 56 Schließlich stellt die allgemeine politische Kultur57 historische Interpretationsmuster bereit, die für manche Protestformen einen selbstverständlichen traditionellen Sinnzusammenhang zwischen der Aktion, ihrer Ursache und dem Regierungshandeln nahelegten.58 Zudem muß die Rolle solcher sozialer Schichten geklärt werden, die sich selbst nicht am Protest beteiligen. Sie können dadurch ihr politisches Gewicht erhöhen, daß sie sich als Verbündete der Obrigkeit bei der Unterdrückung von Kollektivprotest zur Verfügung stellen. Ferner können sie Protest als Argument dafür benutzen, daß rechtzeitige Reformen, wie sie sie sich vorstellen, der Störung von Ruhe und Ordnung in Staat und Gesellschaft vorgebeugt hätten oder daß ihre schnelle Durchführung weiteren Kollektivprotest verhindern werde. 59 Von der Erfolgsfrage nicht zu trennen sind die Kosten sowohl für die Protest- als auch für die Ordnungspartei und die Objekte des Protesthandelns. Vor allem die sozialen Kosten an Verhafteten, Verletzten und Getöteten sind in eine Beurteilung nicht nur des Erfolges, sondern auch der Rationalität von Protesthandeln einzubeziehen.60 Diese Vorüberlegungen leiten zunächst die Untersuchung einzelner Protestfälle, in denen sie vor allem Hilfestellung bei der Bestimmung von Proble26
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men leisten und Erklärungshypothesen bereitstellen. Im zweiten Teil der Arbeit werden einzelne Elemente des Hypothesengerüstes zu einem Kategoriensystem verdichtet, daß ein Raster für die Datenerhebung zu einer quantifizierenden Analyse vormärzlichen Protests bildet. Diese Kategorien sind so angelegt, daß sie folgende Anforderungen möglichst optimal erfüllen: Sie sollen a) den gesamten Untersuchungsgegenstand abdecken und dessen kennzeichnende Merkmale hinreichend unterscheiden; b) gleichzeitig soweit generalisieren, daß in den Kategorien ausreichende Datenmengen für eine Quantifizierung anfallen; c) in ihrer Begrifflichkeit und ihrem Inhalt den Quellen angepaßt sein; d) schließlich das historische Material für Fragestellungen aufbereiten, die nicht nur aus ihm selbst gewonnen, sondern auch durch Erkenntnisinteressen geprägt werden, die der Geschichte für die Gegenwart Relevanz verleihen.61 Entsprechend diesen Grundsätzen werden Klassen gebildet, die eine möglichst eindeutige Zuordnung historischer Informationen erlauben. Über die Feststellung eines Merkmales hinaus läßt es das Material allerdings kaum zu, dessen Ausprägung nach Intensität, Größe oder Stärke zu messen. Eine historische Analyse unterliegt bei derartigen Untersuchungen der Gefahr, daß eine Ordinal- bzw. Rangskalierung vorgenommen wird, wo lediglich eine Nominalskalierung erlaubt wäre. Wenig zusätzlichen Erkenntnisgewinn verspricht in diesem Zusammenhang die Skalierung von Merkmalsausprägungen nach »stark - mittel schwach«, wie sie Tilly und Rule vornehmen, weil ohne eindeutige Abgrenzung der Kategorien der subjektiven Bewertung ein über Gebühr hoher Einfluß eingeräumt würde. 62 Methodisch angemessener ist deshalb eine Kategorienbildung, die sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ihrer Beschränkung auf Nominaldaten bewußt bleibt.63 Die Quellenbasis für die Fallstudie und die Datenerhebung stellt primär Archivmaterial dar, das durch Informationen aus Lokalblättern und überregionalen Zeitungen sowie anderen zeitgenössischen Quellen ergänzt wird. Eine kombinierte Verwendung von Zeitungsmeldungen aus der für den Vormärz führenden Augsburger ›Allgemeinen Zeitung‹64 und Archivalien ist für eine dem Ideal der Vollständigkeit folgende Protesterfassung unumgänglich, da, wie in vorliegenden Arbeiten mit Zeitungsinformation als ausschließlicher Basis dokumentiert wurde, die Verbreitung einer Nachricht von ihrem geographischen Ursprung abhängt.65 So ergibt eine systematische Durchsicht der Augsburger Allgemeinen aller Jahrgänge von 1814-1847/48, daß der norddeutsche Raum unterschiedlich abgedeckt wurde. Während Hamburg als überregionales Pressezentrum über sich und seine Umgebung ausführlich Informationen nach Augsburg lieferte, war der Informationsfluß von Bremen oder gar Oldenburg dorthin nur spärlich; ihre Informationskanäle liefen offenbar über Frankfurt. Im Zusammenhang mit dem Hannoverschen Verfassungskonflikt wurde besonders deutlich, daß auch zeitliche Schwankungen des journalistischen Interesses an einem Territorium bestanden. Daß außerdem Protestmeldungen sich als pure Spekula27 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
tion erwiesen und durch Widerruf korrigiert werden mußten, fiel nicht weiter ins Gewicht.66 Sollen das soziale Umfeld analysiert und die sozialen Träger von Protest über biographische Daten einer möglichst großen Zahl von Teilnehmern ermittelt werden, 67 steht Archivmaterial im Vordergrund, da Zeitungsberichte in aller Regel entsprechende Information kaum enthielten. Schwerpunktmäßig wurden deshalb Akten solcher Institutionen durchgearbeitet, die mit der Aufrechterhaltung der Ordnung, der Unterdrückung und der Untersuchung eingetretener Unruhen sowie der Verwahrung Verhafteter und der Behandlung von Opfern befaßt waren, also Bestände der Polizei, Gerichte, Ermittlungsbehörden und Gefängnisse sowie Berichte von Wundärzten und Krankenhäusern. Von den Protestierenden selbst lagen nur selten eigenständige Angaben über den Ablauf und das soziale Umfeld von Protesten vor, so daß zur Beurteilung ihrer Handlungen meistens obrigkeitliche Aussagen die einzige Informationsquelle darstellten, für deren Qualität die einseitig an der Erhaltung von Ruhe und Ordnung interessierte Interpretation der Offizianten kritisch zu berücksichtigen war. 68 Besonders deutlich wurde ihre Parteilichkeit in der Terminologie zur Kennzeichnung der Protestträger, in die Wertungen am offensichtlichsten einflossen. Das Bemühen um ein Differenzieren der sozialen Träger der Proteste war nur selten erkennbar. Funktionsgemäß galt ihr Interesse primär der justiziablen Bestimmung der vorgefallenen Normverletzung gemäß den bestehenden gesetzlichen Vorschriften oder ordnungspolizeilichen Anleitungen. So definierten ζ. Β. Rönne und Simon sehr praxisnah für die preußische Polizei »Zusammenrottierung« als Ausdruck des Mißvergnügens mehrerer Personen über ein bestimmtes Ereignis. Wenn sich dabei die Menge »auf den Ausdruck des Verlangens oder Mißfallens durch Worte beschränkt«, handele es sich lediglich um einen »Auflauf«. Wolle sie dagegen »eine bestimmte, im Ressort der Behörden liegende Verhandlung verhindern oder erzwingen« oder »ihr Vorhaben allenfalls durch Mißhandlung von Personen und Zerstörung von Eigentum« durchsetzen, sei der Tatbestand des »Aufstandes« oder »Tumultes« erfüllt. Würden hierbei lediglich Privatrechte und »einzelne Rechte des Staates und der Organe desselben verletzt«, so drücke sich dagegen im »Aufruhr« als höchster juristisch unterscheidbarer Stufe der Massenaktion »allgemeiner Ungehorsam gegen den Staat und dessen Behörden« aus. Durch solche »förmliche Empörung gegen die bestehende Staatsgewalt« werde »das Dasein des Staates in seiner jetzigen gesetzlichen Form gefährdet«.69 Das Braunschweigische Kriminalgesetzbuch von 1840 kam zu einem umfassenderen Aufruhrbegriff, der prinzipiell den von Rönne und Simon als »Aufstand oder Tumult« bezeichneten Tatbestand einschloß. Seine drei Abstufungen bezogen ihre Kriterien einzig aus dem Umfang des zur Auflösung einer »zusammengerotteten« Menge nötigen staatlichen Mitteleinsatzes. Die Definitionen von »Auflauf« deckten sich aber tendenziell,70 so daß insgesamt von 28 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
einem relativ inhaltsgleichen Sprachgebrauch innerhalb staatlicher Bürokratien ausgegangen werden kann. Die höheren Beamten als studierte Juristen werden diese Termini bewußt zur Einschätzung eines Protestereignisses verwendet haben. Rückschlüsse aus ihren Berichten unter kritischer Konfrontation mit anderem Material auf die Gewichtigkeit des Protestfalles erscheinen nicht als ungerechtfertigt. Aus ihren Äußerungen als Mitglieder und Funktionsträger des politischen Systems kann der eingeschätzte Bedrohunesgrad abgelesen werden. Um die einseitig am Erhalten der formalen Ordnung ausgerichtete und ideologisch entsprechend belastete zeitgenössische Begrifflichkeit für eine analytische Terminologie zu meiden, werden die lediglich juristisch differenzierten Massenaktionen gemäß dem Ansatz der Arbeit als kollektiver Protest thematisiert, der über die hier vorgestellten Formen hinaus Arbeitsniederlegungen, illegale Petitionen u. ä. einschließt. Jedoch ist auch Protest in der gegenwärtigen politischen Diskussion ideologisch vorbelastet, was beim jeweiligen Gebrauch kritisch zu reflektieren ist. Die weitgehende Übereinstimmung deutscher Obrigkeiten des Vormärz in der Frage der Gesetzwidrigkeit der meisten Formen des kollektiven Protests und die relative Konstanz der Schwelle, von der ab Gruppenverhalten als illegal gewertet wurde, legten es nahe, die Untersuchungen im Februar 1848 enden zu lassen, weil sich mit dem Ausbruch der Revolution die Konturen der Illegalität als konstitutives Merkmal für eine Fallauswahl verwischten. Nur so bleibt ein angemessenes Vergleichsniveau für Protest erhalten.71 Damit soll allerdings keinesfalls einer prinzipiellen inhaltlichen Absetzung der deutschen Revolution von ihrer Vorgeschichte das Wort geredet werden. Vielmehr ist die Frage nach der Wahrscheinlichkeit der 48er Revolution vom Ausmaß des sozialen Protests in den 1840er Jahren aus urteilend, besonders vor dem Hintergrund des Jahres 1847, zu stellen. Die zeitliche Abgrenzung gegenüber der Franzosenzeit bedarf wegen der mit der Befreiung eintretenden einschneidenden Veränderungen vor allem auf der Ebene des politischen Systems keiner zusätzlichen Begründung. Gleichwohl wird dieser Schnitt nicht schematisch eingehalten, sondern sowohl für die strukturellen Gegebenheiten als auch im Bereich des Protestverhaltens überschritten. Geographisch umfaßt »Norddeutschland« für die vorliegende Arbeit das Herzogtum Braunschweig, das Königreich Hannover, das Großherzogtum Oldenburg72 sowie die Hansestädte Bremen und Hamburg. Diese Territorien wiesen sowohl in ihrer strukturellen Ausgangslage wie auch bezüglich des Wandels während des Vormärz Unterschiede auf. Es bestanden Regionen mit dünner Besiedelung und große städtische Zentren; agrarische Zonen grenzten an vorwiegend heimgewerblich geprägte Gegenden; Bergbau wurde ebenso betrieben wie größere Gewerbebetriebe, nicht zu vergessen der Großhandel. Verfassungsmäßig war die Skala der politischen Institionalisierung breit: geradezu absolutistisch wurde in Oldenburg regiert, wäh29 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
rend Braunschweig und Hannover nach 1830 den Anschluß an den süddeutschen Konstitutionalismus fanden und in den Hansestädten eine mehr oder weniger kaufmännisch-bourgeoise Schicht in einem erstarrten Verfassungssystem herrschte. Der Untersuchungsgang wird zunächst von einer raum-zeitlichen Häufigkeitsverteilung des kollektiven Protests grob vorstrukturiert, die - keineswegs überraschend - für die Jahre 1830/31 eine deutliche Häufung von Protestaktionen anzeigt. Dieser Befund ist zwar der Forschung nicht unbekannt, doch hob sie bisher allein auf die spektakulären Ereignisse des Braunschweiger Schloßbrandes und der »Göttinger Revolution« ab und interpretierte sie unter dem vorherrschenden Aspekt politischen Wandels. Demgegenüber soll in der vorliegenden Analyse der Vielfalt des Protestgeschehens sowie seiner Träger nachgegangen und sowohl den Unterschichtenaktivitäten als auch den Beruhigungs- und Unterdrückungsstrategien der Obrigkeiten größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Selbstverständlich soll darüber die Frage nach der Wirkung einzelner Proteste für sozialen und politischen Wandel ebenso wenig übergangen werden wie die nach dem Anteil bürgerlicher Schichten daran. Auch die anderen drei Staaten des Untersuchungsgebietes sahen sich in dieser Zeit sozialen und politischen Herausforderungen gegenübergestellt, deren Formen und Träger ebenso variierten wie die obrigkeitlichen Antworten. Ein Exkurs über den Hannoverschen Verfassungskonflikt soll Formen illegalen bürgerlichen Kollektivprotests verdeutlichen.73 Um die Ebene der Faszination des Spektakulären weiter zu unterschreiten und der Lebenswelt gerade vormärzlicher Unterschichten näherzukommen, werden anschließend Fallstudien zum Protest in der handwerklichen Arbeitswelt und zu Konflikten um Elemente der Volkskultur angestellt. Dabei kann es allerdings bei dem jetzigen Forschungsstand nur darum gehen, erste Schlaglichter auf wenig bekanntes Terrain zu werfen; eine umfassende Darstellung oder Theorie der Alltagswelt soll keineswegs geleistet werden. Für die Frage nach dem Protestverhalten in veränderten Arbeitsstrukturen kommt den Aktionen der Eisenbahnbauarbeiter besondere Bedeutung zu. Auf der Grundlage technischer Innovation und wirtschaftlichen Wandels nahm am Beginn der 1840er Jahre der Eisenbahnbau auch in Norddeutschland einen großen Aufschwung. Die Arbeitssituation an diesen Großbaustellen brachte Konflikte mit sich, die mit traditionellen Arbeitskonflikten beim Deichbau an der Nordseeküste verglichen werden. Ein Protesttyp, der für französische und englische Unterschichten bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts charakteristisch war, wird mit den Teuerungs- und Brotunruhen während der ökonomischen Krisensituation des Frühjahrs 1847 thematisiert. Um seine Konturen schärfer zeichnen und sein Auftreten bzw. Ausbleiben erklären zu können, wird die preußische Provinz Sachsen in die Untersuchung einbezogen. 30 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Den ersten Teil der Arbeit beschließen Überlegungen zur möglichen Indikatorfunktion kollektiven Protests für das Entstehen einer revolutionären Situation im Frühjahr 1848. Zielsetzung des zweiten Teiles dieser Studie ist es, strukturelle Bedingungen, Beschleunigungs- und Intensivierungsfaktoren von Konflikt und nicht zuletzt das Verhalten der Protestierenden und der Ordnungskräfte zu analysieren. Um dabei bloßen Impressionen zu einer exakteren Basis zu verhelfen, wird zunächst als Ersatz für eine direkte Messung das Auftreten gleicher Merkmale in einer Objektklasse ausgezählt. Die auf diese Weise ermittelten Häufigkeiten nominalskalierter Daten74 bilden die Grundlage für weitere statistische Operationen beschränkten Umfanges.75
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I. Fallstudien zum kollektiven Protest im Vormärz
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1. Zur strukturellen Ausgangslage in Norddeutschland nach 1815
1.1 Die Restaurationsbestrebungen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Die französische Expansionspolitik brachte die norddeutschen Territorien in Berührung mit »Napoleonischer Herrschafts- und Gesellschaftspolitik«. Dieser Reformansatz zur Überwindung feudaler Strukturen litt allerdings von Anfang an unter gewichtigen Unzulänglichkeiten. Insbesondere stand er unter dem Zwang, umfangreiche Finanzmittel für Napoleons Kriegsunternehmen bereitstellen und zur sozialen Absicherung seiner Herrschaft in Frankreich selbst beitragen zu müssen.1 Trotz dieser prinzipiellen Einschränkungen wurden jedoch Wandlungen in Gang gesetzt, die vor allem die sozialen Strukturen in den deutschen Territorien aufbrachen und ansatzweise reformierten. Den nach der Vertreibung der Franzosen wieder etablierten deutschen Fürsten erschien die erfolgte Dynamisierung immerhin so bedenklich, daß sie eine Wiederherstellung traditioneller Ordnungen und Regelungen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen anstrebten. In diesem Zusammenhang mußten sie grundlegende Entscheidungen über die Strukturen des Gewerbe- und Agrarsektors treffen und das infolge der Kriegslasten immens gestiegene staatliche Finanzbedürfnis auf die Bevölkerung verteilen. Ferner galt es, Regelungen der Beteiligung bestimmter Gruppen am politischen Entscheidungsprozeß zu finden und auf dem Wiener Kongreß einzelnen Staaten zugesprochene neue Gebiete in den historischen Kern zu integrieren. Insgesamt also eine Problemkonzentration, die erhebliches Konfliktpotential bergen konnte, wenn jeweils interessierte Gruppen ihre Forderungen anmeldeten.2 Dem standisch-feudal eingebundenen, ökonomisch dominierenden Agrarsektor wurde unter der französischen Fremdherrschaft der Code Napoleon aufgepfropft. Seine modernisierenden Wirkungen blieben jedoch gering, da die bürgerliche Erwerbsgesellschaft, auf die er zugeschnitten war, in Norddeutschland nur in bescheidenem Umfang existierte; sie zu schaffen, galten weitere Bemühungen der Regierungen in Paris und Kassel. Adlige und ritterschaftliche Privilegien wurden aufgehoben; durch Eintragung der Grundrenten in Hypothekenbücher wurden »die feudalen und lehnsrechtlichen Rechtsansprüche in privatrechtliche Eigentumstitel« umgewandelt.3 35 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Die Edikte beseitigten die Reste des Lehnswesens, hoben Dienste auf und erklärten feudale Abgaben für ablösbar. Die Breitenwirkung dieser Maßnahmen blieb allerdings bescheiden, weil das zur Ablösung notwendige Kapital nicht bereitstand. Bauern litten unter den Folgen der Kontinentalsperre und der überaus hohen staatlichen Abgabenlast, die ihnen bis zu 60 v.H. ihrer Einnahmen wegsteuerte, und ein breites Bürgertum - wie in Frankreich - existierte nicht, das in ländlichem Renteneigentum eine lohnende Kapitalanlage gesehen hätte. Statt nach einheitlichen bürgerlichen Prinzipien die Besitz- und Eigentumsverhältnisse zu ordnen, steigerten die gesetzlichen Maßnahmen die bereits vorhandene Unübersichtlichkeit weiter ins Chaotische.4 Als projektierte Reformen bargen die Bestimmungen jedoch grundsätzliche soziale Sprengkraft, die unter entsprechenden äußeren Bedingungen die soziale und ökonomische Basis der Gesellschaft hätte erschüttern können.5 Um die sozialen Grundstrukturen des Agrarsektors als entscheidender Basis der politischen Machtverteilung zu erhalten, beseitigten die norddeutschen Regierungen die französische Agrargesetzgebung sehr schnell, ohne dabei auf nennenswerten Widerstand seitens der Betroffenen zu stoßen. Neben der geringen Dynamisierungswirkung der Reformansätze kam ihnen dabei entgegen, daß sie mit ihrer Restauration den eingelebten regionalen und lokalen historischen Rechtsverhältnissen und -bräuchen Rechnung trugen. 6 Die traditionellen Strukturen des Handwerks sollte unter der Franzosenherrschaft ein Patentsystem überwinden, dessen mobilisierenden Wirkungen vor dem Hintergrund der Krise dieses Sektors in den 1830er und 1840er Jahren vielfach überschätzt wurden. Im Sinne der Entfaltung einer bürgerlichen Erwerbsgesellschaft sollte es die Zünfte samt ihren Privilegien beseitigen und gleichzeitig eine stärkere fiskalische Belastung der Handwerk- und Gewerbetreibenden ermöglichen. Wenngleich die Forschung noch keine letzte Klarheit über den Umfang des dadurch initiierten Wandels erarbeiten konnte,7 ist doch seine Begrenzung abschätzbar: das Potential derer, die von der Aufhebung des Zunftwesens hätten profitieren können, war durch Kriegsdienste von vornherein vermindert. Auch fand noch keine spürbare Abwanderung aus dem von relativ günstigen Preisen bestimmten Agrarsektor in den sekundären Bereich statt, so daß insgesamt die zahlenmäßige Zunahme der Gewerbetreibenden bescheiden gewesen sein dürfte. Hauptsächlich nutzten abhängige Gesellen und unzünftige Landhandwerker die Chance, um als Patentmeister ihren Status zu verbessern. Zudem fiel der innovierende Effekt in manchen Regionen ohnehin geringer aus, da dort bereits vorher die Zunftschranken durchbrochen oder sogar beseitigt worden waren. 8 Diese sehr unterschiedlichen Verhältnisse suchten die Restaurationsmaßnahmen zu beachten. Besonders uneinheitlich waren die Zunftverhältnisse im Königreich Hannover, wo über die Restaurationsverordnungen hinaus 36
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allein zwischen 1814 und 1832 über 140 Einzelverordnungen die Gewerbeausübung reglementierten. In den südlichen Landesteilen mit ihren größeren, älteren Städten konnten sich die Zünfte weitgehend behaupten, während in den Bezirken der späteren Landdrosteien Osnabrück und Stade, denen es an einer größeren Zahl bedeutender Städte mangelte, die Freiheiten insbesondere der ländlichen Gewerbetreibenden bestätigt wurden. Zudem milderte überall ein recht großzügig gehandhabtes Konzessionssystem die Bestimmungen, die einer freieren Gewerbeausübung im Wege standen, so daß die Anzahl der konzessionierten Handwerker im gesamten Königreich größer war als die derjenigen, die ihr Handwerk im Rahmen der Zunft ausübten.9 Im Großherzogtum Oldenburg ging man noch einen Schritt weiter und behielt eine nur durch die staatliche Konzessionierung begrenzte Gewerbefreiheit bei; dem Herzog erschien eine Restaurierung der Zünfte aus politischen Gründen bedenklich zu sein, da sie die Grundlagen von Korporationen mit politischen Ansprüchen hätten bilden können.10 In Bremen und Hamburg, wo die zünftigen Handwerker seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert nicht mehr in der Lage waren, die gewachsene Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen zu befriedigen und deshalb sog. »Bönhasen« einen festen Bestandteil des städtischen Produktionssystems ausmachten, zog man dennoch nach 1814 nicht die Konsequenz einer Bestätigung der Gewerbefreiheit; zu sehr glaubten die Senate, auf die ganz von ihnen bevormundeten Zünfte als innerstädtische Ordnungsinstrumente angewiesen zu sein. So fand hier eine vollständige Restauration der Zünfte und ihrer ohnehin nur noch geringen eigenen Befugnisse statt.11 Auf andere Weise versuchte die Regierung im Herzogtum Braunschweig das Zunftwesen zu kräftigen: im Gildeverband ausgeübten Gewerben wurden Abgabenerleichterungen gewährt. 12 Ohne Zweifel brachte die Restauration der Organisationen des Handwerks den Betroffenen auch Vorteile, so daß gegen solche Maßnahmen von ihnen kein kollektiver Protest zu erwarten war; die traditionellen Privilegien wurden im Gegenteil dankbar begrüßt. Unzünftigen Handwerkern erleichterten die Regierungen mit großzügiger Handhabung des Konzessionswesens ein Sich-Abfinden mit den sie diskriminierenden Zunftregelungen. Die ständische Vorrechte nivellierenden Tendenzen des französischen Steuersystems konnten im Bewußtsein vor allem bürgerlicher und kleinbürgerlicher Schichten nicht zum Tragen kommen, da die Einführung des Prinzips der Abgabenerhebung nach Eigentum und Einkommen mit der verstärkten Heranziehung aller Bevölkerungsschichten zu den kriegsbedingten Finanzbedürfnissen des Staates einherging.13 Dieser ständig wachsende Abgabendruck - nicht nationale Befreiungsvorstellungen - und gerade in Norddeutschland fühlbare wirtschaftliche Schwierigkeiten bildeten den Hintergrund für aktiven Widerstand ostfriesischer Bauern gegen die 37 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
französische Obrigkeit. 14 Infolgedessen war nach der Befreiung der Wunsch nach einer finanziellen Entlastung allgemein und geriet nur zu leicht in Zusammenhang mit der Forderung nach einer Restauration des vormaligen Abgabensystems, das sich im Bewußtsein großer Bevölkerungsteile durch niedrigere öffentliche Finanzbürden ausgezeichnet hatte. Da die Ausgestaltung des künftigen Steuersystems der Mitwirkung der Stände bedurfte, waren in diesem Bereich am deutlichsten direkt finanzielle und wirtschaftliche mit politischen Grundsatzentscheidungen verwoben. 15 Stand in den Flächenstaaten die Wiederherstellung ständisch-feudaler Herrschaftsstrukturen außerhalb der politischen Diskussion, so prallten bei der Frage der Finanzverteilung die unterschiedlichen Interessen der am Entscheidungsprozeß Beteiligten aufeinander. Um eine möglichst befriedigende Losung beim Schuldentilgungsproblem durchsetzen zu können, war der Adel in den norddeutschen Flächenstaaten zuvor bemüht, seine politische Präponderanz zu sichern und ergriff zu ihrer Restauration gegenüber den noch zögernden Landesregierungen die Initiative. In gemeinschaftlichen Petitionen drang er bei den Fürsten auf die Einberufung der alten Stände; ein Vorgehen, das umso leichter gelingen konnte, als die in Aussicht genommene überregionale, sozial ausgeweitete Partizipation im Königreich Westfalen nicht realisiert und u. a. auch deshalb kaum eine spürbare Steigerung des politischen Emanzipationsdranges, insbesondere in bürgerlichen Schichten, initiiert worden war. 16 hin Blick auf die Lösungen des politischen Beteihgungsproblems in den norddeutschen Staaten zeigt, daß auch in diesem Bereich charakteristische Unterschiede bestanden, wie sie ebenfalls für den Agrarsektor sowie für Handwerk und Gewerbe kennzeichnend waren: dem Vorstoß des Münsterländischen Adels war im Großherzogtum Oldenburg, das in seinem Kernland keine altständische Tradition kannte, wenig Erfolg beschieden. Zwar beschäftigte sich Herzog Peter Friedrich Ludwig mit dem Gedanken einer Einführung landständischer Einrichtungen, doch konnte er sich trotz seiner Unterschrift unter die Bundesakte mit ihrer Verfassungsverheißung im Artikel 1317 zu diesem Schritt nicht durchringen.18 Er dekretierte die Restauration des feudalen Abgabewesens mit all seinen Unzulänglichkeiten.19 Im Herzogtum Braunschweig kam die für den unmündigen Herzog Karl II. die Geschäfte führende Regierung dem Wunsch nach einer Einberufung der Stände erst 1819 nach. Überraschend mußten sie sich zunächst mit einer »Erneuerten Landschaftsordnung« beschäftigen, die in Orientierung an die für Hannover vorgesehenen Bestimmungen den Inhabern freier Bauernstellen bescheidene Repräsentation gewährte und die Vertretung der Städte verstärkte. 20 Als danach das Finanzproblem behandelt wurde, erwies sich der Adel als einsichtig genug, einer Aufhebung seiner Exemtionen gegen Entschädigung seine Zustimmung zu geben und damit ein wesentliches Hindernis für den Aufbau eines allgemeinen Steuersystems zu beseitigen, das von den Ständen ab 1820/21 mit ausgestaltet wurde. Dank ausge38 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
dehnten Dominialbesitzes konnte der Gesamtumfang der Steuern relativ niedrig gehalten werden, so daß gegenüber 1814 spürbare Erleichterungen eintraten.21 Im Königreich Hannover gelang es dem mächtigen Adel, seine Vorherrschaft erneut abzusichern. Unter Umgehung der provisorischen Ständeversammlung 22 wurde mit den Provinziallandschaften - hier dominierte der Adel eindeutig - ein Verfassungspatent verhandelt, das am 7. Dezember 1819 vom König oktroyiert wurde. 23 Obwohl prinzipiell auch der Adelsstand in zähen Verhandlungen nach 1814 einem allgemeinen Abgabensystem zugestimmt hatte, scheiterte dessen konkrete Ausgestaltung längerfristig immer wieder an den Machtverhältnissen in den Ständen.24 Auch in den Hansestädten Bremen und Hamburg nutzten politische Kräfte das Finanzproblem als Ansatzpunkt für eine Diskussion der Verfassungsverhältnisse. Unter Hinweis auf die zu tragenden Finanzlasten wurden eine einfache Restauration der alten Verfassungsordnung vielfach nicht akzeptiert und Forderungen nach Ausweitung der politischen Beteiligungsmöglichkeiten erhoben. Diese Wünsche wurden an Reformkommissionen überwiesen, die sich - je länger sie tagten, desto mehr- als Verschleppungsinstrumente der auf Zeitgewinn arbeitenden Senate erwiesen. Die schließlich vorgelegten Kommissionsvorschläge bewirkten nahezu keine Veränderungen. Allerdings standen sie als formulierte Forderungskataloge bereit, die von Zeit zu Zeit für politische Auseinandersetzungen aktiviert werden konnten. Immerhin bewirkte der politische Reformdruck, daß in Hamburg 1814 Katholiken und Reformierte die Zulassung zur Erbgesessenen Bürgerschaft erhielten; 1819 wurden sie für bürgerschaftsfähig erklärt. Der Bremer Senat schränkte 1816 im Ratmannswahlstatus sein Selbstergänzungsrecht zugunsten einer Beteiligung der Bürger am Auswahlverfahren ein. 25 Die von den französischen Okkupanten durchgeführte Zerschlagung der Verwaltungsstrukturen, die sich gemäß den historischen Landschaften entwickelt hatten, nutzten die Regierungen von Braunschweig und Oldenburg nach 1815 bei ihrer administrativen Reorganisation. Historische Landschaften wurden weniger beachtet als verwaltungstechnische Erwägungen. 26 Wesentlich komplizierter stellte sich dieses Problem für die Regierung des Königreiches Hannover dar, das auf dem Wiener Kongreß eine beträchtliche territoriale Erweiterung erfahren hatte. Diese neuen Gebiete mußten politisch, sozial und verwaltungsmäßig mit den Kernlandschaften vereinigt werden, wo selbst noch partikularistische Orientierungen vorherrschten: am energischen Widerstand der vom Adel beherrschten Provinziallandschaften scheiterte der halbherzige Versuch, durch Zentralisierung der Beteiligungsmöglichkeiten in einer provisorischen Ständeversammlung die Integration voranzutreiben. Es herrschte die Rechtsauffassung vor, daß eine Neuordnung nicht unter Vernachlässigung alten Rechts geschaffen werden sollte, sondern sich nur auf einer historischen Basis entwickeln könne. Die historischen Landschaften spiegelten sich fortan in der mittleren Verwal39 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
tungsebene wider; lediglich die Verwaltungsspitze bildete eine integrale Klammer. 27 1.2. Zum politischen Bewußtseinsstand bürgerlicher Schichten Abgesehen von den beiden Hansestädten Bremen und Hamburg artikulierten weder Stadtbürger noch ländliche Grundbesitzer in den Flächenstaaten Reformforderungen in nennenswertem Umfang, die die Regierungen und Verwaltungen ernsthaft herausgefordert hätten. Protest oder gar aktiver Widerstand gegen die emanzipationsfeindliche Restaurationspolitik trat nicht auf. Vielmehr bestand gerade in bürgerlichen Schichten ein immer wieder demonstriertes Bedürfnis nach unbedingter Erhaltung von Ruhe und Ordnung. Deshalb hatten sie die Franzosen bei der Unterdrückung aufständischer Bauern unterstützt und sich nur zurückhaltend nach der Befreiung an weiteren kriegerischen Aktionen gegen Napoleon beteiligt.28 Weder die zwangsweise Vertreibung von zwanzigtausend Hamburgern im Dezember 1813 durch die Franzosen noch die seit August desselben Jahres betriebene Verwüstung der Vorstadt Hamburger Berg hatten bürgerlichen Widerstandswillen zu entscheidenden Taten angeregt.29 Nach dem Abzug der Franzosen wurden in den Städten überall Garden auf der Grundlage einer streng beachteten, sozial begrenzten Rekrutierungsbasis gebildet, die lediglich bis in zuverlässig erscheinende Teile des Kleinbürgertums hinabreichte. Sie verschafften den begeistert begrüßten provisorischen Regierungsorganen der unmittelbaren Übergangszeit die nötige Autorität,30 die unter anderem dazu eingesetzt wurde, Übergriffe gegen Offizianten zu verhindern, die mit den Franzosen kollaboriert hatten und daher verhaßt waren. Als bedeutsames Element nicht nur bürgerlichen politischen Bewußtseins erwiesen sich sowohl während der Okkupation als auch in der Restaurationsphase historisch gewachsene dynastische Bindungen, die den Regierungen von vornherein ein hohes Maß diffuser Unterstützung sicherten und durch genaue Beachtung traditioneller Rechts- und Verhaltensmuster gestärkt werden konnten. Diese verbreitete Grundhaltung trug wesentlich dazu bei, daß die französischen Reformmaßnahmen, so sehr sie mittelfristig eine Emanzipation des Bürgertums gefördert hätten, überwiegend mit dem Odium der Besatzung und des Unpatriotischen behaftet blieben.31 Spießig, obrigkeitshörig und kleinmütig blieb das Bürgertum noch ganz in einer eher patriarchalischen Staatsauffassung befangen;32 selbst die wenigen Vertreter, die in Ständeversammlungen oder Bürgerschaften der Freien Städte an der politischen Herrschaft ansatzweise beteiligt waren, offenbarten eine erstaunliche Passivität und ein Desinteresse an Verfassungsproblemen, die nur defensiv durchbrochen wurden, wenn die Regierungen ihren Untertanen neue Lasten oder Ansprüche auferlegen wollten. 33 Größerer Teilnah40 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
me als das Verfassungsproblem erfreute sich auch in der publizistischen Öffentlichkeit die Neuordnung der Steuerverhältnisse, die eine Reihe von Broschüren provozierte; offensichtlich inspirierte die materielle Betroffenheit das Nachdenken der Autoren. 34 Wenn überhaupt ein Bewußtsein von einer absichtsvollen Veränderung des politischen Systems in manchen Kreisen anzutreffen war, 35 bezog es sich überwiegend lediglich auf Modifikationen, die an den Grundstrukturen kaum Änderungen vornehmen wollten. Reformbestrebungen in den Hansestädten unmittelbar nach dem Abzug der Franzosen gingen immerhin so weit, andere Konfessionen als die lutherische an den Bürgerschaftsverhandlungen teilhaben zu lassen. Die Beteiligung freier Bauern im Herzogtum Braunschweig bedeutete zwar ebenfalls eine Partizipationsausweitung, doch blieb sie ganz innerhalb der Grenzen neuständischer Verfassungskonzeptionen. Traditionen bestimmten auch hier die Vorstellungswelt. Wie eine keineswegs repräsentative Umfrage der preußischen Bürokratie ergab, dominierten Wünsche nach korporativen Verfassungsbestimmungen die Aussagen derjenigen, die sich außerhalb des akademischen Bereiches Gedanken zu diesem Problemkreis machten. Abgesehen von einer verschwindend kleinen Minderheit mit wenig politischem Gewicht blieben Interesselosigkeit und Passivität das vorherrschende politische Verhaltensmerkmal sowohl in Verfassungsfragen als auch in der nationalen Frage. 36 Der vielzitierte Mangel an ökonomischer Stärke des deutschen Bürgertums konnte diese Haltung sicher nicht allein bewirkt haben, ebensowenig wie die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft für die Staatsfinanzen den Bauern zu einem politischen Bewußtsein verholfen hätte, das über an begrenzten Lebensräumen orientierten persönlichdinglichen Vorstellungen wesentlich hinausreichte. Zwar machte sich im Zuge des Zerfalls der dörflichen Sozialstruktur bei ihnen ein Streben nach Abschüttelung der belastenden und hindernden Elemente der ländlichen Besitzverhältnisse bemerkbar, dessen politisch-partizipatorischen Konsequenzen wurden jedoch noch nicht erkannt.37 Als die Maßnahmen der Restauration immer weitere Sektoren von Staat und Gesellschaft gemäß überkommenen Gewohnheiten regelten und der Alltag des politischen und vor allem wirtschaftlichen Lebens mit all seinen Problemen wieder die Oberhand gewonnen hatte, verstummten zum großen Teil auch die wenigen Reformanhänger.38 Zudem trug die Politik der Regierungen mit der Wiederherstellung einer tendenziell durch Zunftreglement und ländliche Besitzformen eingebundenen Sozialstruktur den Ängsten all derer Rechnung, die eine Dekorporierung der Gesellschaft fürchteten, und leistete damit einen beachtlichen Stabilisierungsbeitrag. Die restaurierten traditionellen Strukturen wirkten durch ihre vielfältigen sozialen, rechtlichen, ökonomischen und geographischen Barrieren ebenso einer sozialen Mobilisierung entgegen, wie die bewußte staatliche Beschränkung gesellschaftlicher Kommunikation durch Zensurmaßnahmen, Koalitions41 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
verbote u. ä.; politische Aktivitäten im weitesten Sinne mußten immer wieder an die Grenzen der Korporation, der sozialen Gruppe oder des engen geographischen Lebensbereiches stoßen.39 In den Flächenstaaten stellte der zurückgekehrte Fürst mit seinen Stäben die einzig landesweit präsente politische Kraft mit einer festumrissenen Wertorientierung und einem Organisationsmonopol dar. Die verfassungsmäßigen Regelungen ließen für eine Aktivierung oder gar Durchsetzung alternativer politischer Forderungen kaum Raum. Angesichts solcher struktureller Ausgangslage wurde jeder diesbezügliche Versuch auf eine Ebene verwiesen, wo das Wertsystem und die Herrschaftsordnung der Gesellschaft selbst zur Diskussion gestanden hätte.
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2. Die politisch-soziale Krisensituation 1830/31 in den norddeutschen Staaten 2. 1. Tendenzen der ökonomischen und sozialen Entwicklung bis zum Ende der 1820er Jahre Ehe die Krisenkonstellation in den norddeutschen Einzelstaaten in ihrer spezifischen Ausformung analysiert wird, erscheint es sinnvoll, als Verbindungselement zur Folie der Restaurationsperiode die allgemeine ökonomische Entwicklung und die sozialen Prozesse bis zum Ende der 1820er Jahre zu skizzieren. Dabei wird das sozio-ökonomische Beziehungsgeflecht für den spannungsreichen Auftakt der 1830er Jahre deutlich. Schlaglichtartig erhellte die sozial angespannte Situation des flachen Landes eine Protestaktion, die im August 1819 im Oldenburgischen Wildeshausen vor allem von Frauen und Handwerksgesellen getragen wurde. Sie griffen das Haus eines Kaufmannes an, weil er sich für eine Verpachtung des Zehntfeldes an einen Auswärtigen eingesetzt hatte. Vor dem Hintergrund der gerade erst erlebten Teuerung von 1816/17 bewegte die »dürftige Klasse« des Ortes die Angst, wichtige Pachtgelegenheit zur gewohnten Anpflanzung von Kartoffeln zu verlieren. Ferner trieb die Akteure die Sorge, »daß ein bedeutendes Quantum Brotkorn aus ihrem Distrikt abgeführt werden« könnte.1 Die Erfahrung der Vorjahre ließ die unterbäuerliche Schicht besonders darauf achten, daß ihre Versorgung in dem für die Landlosen überschaubaren lokalen Marktbereich sichergestellt war. In einer Periode ohnehin steigender Getreidepreise hatte eine Mißernte 1816 große Teile Europas heimgesucht. Das dadurch verknappte Angebot hatte die Agrarpreise sprunghaft steigen lassen. Vielerorts war die wachsende Not der Unterschichten auf traditionelle Weise mit staatlichen Kornexportverboten, Maßnahmen gegen Wucher, öffentlichen Kornunterstützungen, der Verteilung von Brot und privater Mildtätigkeit, so gut es ging, gemildert worden. 2 Ebenso unterschiedlich wie die Ausprägung der Teuerung war regional und sozial die Betroffenheit. Begünstigt waren einzig wenige ländliche Produzenten, die in nennenswertem Umfang Marktabsatz hatten.3 Die während jener Teuerungsmonate gerade auf dem Lande deutlich werdende Not verwies massiv auf die seit dem 18. Jahrhundert gewandelte soziale Situation im ländlichen Raum. Lockerungen der Heiratsbeschrän43 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
kungen, die zeitweise gewachsenen Möglichkeiten einer Existenzgründung auf der Basis veränderter Agrarproduktion und protoindustrieller Familienwirtschaft, in der Kinderarbeit einen eminenten Produktionsfaktor darstellte, sowie von merkantilistischen Vorstellungen geleitete Maßnahmen zum Landesausbau und zur Peupelierung hatten ein Bevölkerungswachstum initiiert, dessen Folgen gerade in Notzeiten vielfach als soziales Bedrohungspotential angesehen wurden. Die dörfliche Sozialstruktur geriet unter zunehmenden Druck der Landlosen, die teilweise weit über die Hälfte, mancherorts gar 80 v.H., der Bevölkerung ausmachten.4 Allgemein war die Auffassung, daß eine Aufnahme in eine Gemeinde gerade als »Mietmann« strenger Prüfung und Genehmigung der Polizeibehörde bedürfe, da sich sonst »nur zuleicht fremde, verdächtige und unnütze Personen« niederließen, die »in Ermangelung eines gehörigen Nahrungszweiges dem Publico gefährlich werden oder den Armenanstalten zur Last fallen . . .«.5 Aus der veränderten sozialen Lage gerade auf dem Lande zogen die Regierungen von Hannover und Braunschweig den Schluß, daß die rechtlichen und ökonomischen Möglichkeiten zur Familiengründung als Keimzelle des vor allem unterbäuerlichen Bevölkerungszuwachses wieder eingeschränkt werden müßten. Dazu sollten insbesondere die Festsetzung eines Mindestalters für Eheschließungen, die Erhöhung der Häuslingssteuer und die Restaurierung des Städtezwanges für Gewerbe- und Handwerksausübung dienen.6 Gegenüber diesen traditionellen Maßnahmen plädierten vereinzelt warnende Stimmen für einen behutsamen Ausgleich der krassen sozialen Unterschiede, um die Grundstruktur des Agrarsektors zu erhalten; durch eine Ablösungsordnung sollte eine breite bäuerliche Privateigentümerschicht als sozialer Puffer zu unterbäuerlichen Schichten geschaffen werden. »Die allgemeine Stimmung spricht sich für die Aufhebung der zum Teil höchst drückenden, dem Steigen des Wohlstandes entgegenwirkenden Grundlasten aus. Es läßt sich voraussehen, daß der Andrang der mit diesen Lasten beladenen Untertanen mit der fortschreitenden Kultur, mit der Verbreitung neuer Grundsätze und Ideen immer heftiger werden . . .« würde. Dann könnte unter Umständen eine Lösung nicht mehr in der politischen Macht der Berechtigten stehen und die Entschädigung geringer ausfallen, als es bei einer momentan erreichbaren Lösung der Fall wäre; es sei möglich, daß »in manchen Fällen auch wohl gar keine Entschädigung zu erwarten« stünde.7 Die Situation im Bereich des Handwerks gestaltete sich in Folge des Nachhol- und Ersatzbedarfs nach den napoleonischen Kriegen zunächst nicht ungünstig. Vor allem die Bauberufe konnten über Arbeitsmangel nicht klagen. Zwar hatte auch die Angehörigen dieser Branche die Getreidepreissteigerung 1816/17 in arge Bedrängnis gebracht, doch entspannte sich ihre soziale Lage bei im wesentlichen ausreichenden Arbeitsmöglichkeiten und nachhaltig sinkenden Getreidepreisen wieder.8 Gleichwohl machte sich in vielen Handwerkszweigen das anhaltende Bevölkerungswachstum drükkend bemerkbar. Gerade die anwachsenden unterbäuerlichen Schichten 44 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
suchten Auskommen bei handwerklichen Tätigkeiten. Daher wurden unzünftige Handwerker und das Landhandwerk, das nach Borchardts Schätzungen um 1800 bereits ein Drittel aller im Handwerk Beschäftigten stellte,9 von den städtischen Zünften zunehmend als lästige Konkurrenten empfunden, die durch genaue Beachtung der Zunftbefugnisse und -gerechtsame bekämpft werden sollten. So protestierten beispielsweise Hamburger Bauhandwerker 1818 mit der Zerstörung eines Wachthäuschens gegen die Vergabe der Bauarbeiten an einen auswärtigen Meister, der sich darüber hinaus unzünftiger Arbeiter bedient hatte.10 Die Forderung nach Verschärfung der Zunftbestimmungen, die so alt war wie die Zünfte selbst, war verbreitet und wurde ebenso nachdrücklich vertreten wie eine möglichst extensive Auslegung der Arbeitsbefugnisse. Selbsthilfeaktionen gegen arbeitsuchende auswärtige Gesellen oder sogenannte »Bönhasen« gehörten zu den traditionell geübten, selbstverständlichen Mitteln des in diesen Jahren defensiv ausgerichteten Handwerkerprotests.11 Die Einkommens- und Lebenslage großer Bevölkerungsteile veränderten sich nach 1818 als Ergebnis anhaltend sinkender Getreidepreise. Eine Reihe guter Ernten bei gleichzeitig geschrumpften Möglichkeiten zum Export und unelastische inländische Nachfrage sorgten dafür, daß die PreisefürGetreide mehrere Jahre hintereinander sanken. Auf dem Höhepunkt dieser relativen Übererzeugungskrise 1825 erzielte Roggen z. B. auf dem Markt in Braunschweig nur noch 15 v.H. des Preises12 von 1817. Für die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die individuelle Lebenslage waren u. a. der jeweilige Selbstversorgungsgrad, der Anteil des Geldlohnes am Gesamteinkommen, die Lohnhöhe, das Ausmaß von Natural- und Geldabgaben sowie die Beschäftigungssituation bestimmend. Allgemein gab für die Beschäftigungslage im Handwerk die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen den Ausschlag, die von den Bedürfnissen, der Anzahl und der Einkommenhöhe der Nachfrager abhängig war.13 Obwohl Detailstudien noch ausstehen, kann für das Untersuchungsgebiet angenommen werden, daß auf dem Lande ein großer Teil der auf Handwerk und Gewerbe bezogenen Leistungen im agrarischen Lebensbereich selbst befriedigt wurde, der sich bis in die Landstädte hinein erstreckte. Hier kamen als nennenswerte potentielle Käuferschicht ohnehin nur diejenigen Bauerngruppen in Betracht, die regelmäßig in größerem Maß für den Markt erzeugten, also Hofbesitzer ab etwa fünf bis sieben Hektar Ackerfläche, die z. B. im Königreich Hannover maximal 37 v.H. der Besitzer von Ackerland und Weiden ausmachten.14 Dabei dürfte sich die Nachfragestruktur auf den unmittelbaren Bedarf und nur ausnahmsweise, wie bei den begüterten ostfriesischen Marschbauern, auf Luxusgüter bezogen haben. Diese Gruppe war zweifellos in erheblichem Ausmaß von der Agrardepression betroffen, blieben doch die Betriebskosten in Form von Löhnen, Abgaben und Steuern zunächst auf unverändertem Niveau. So sollen denn auch über 50 v.H. der 45 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Marschhöfe in jenen Jahren ihren Besitzer gewechselt haben; die Augsburger »Allgemeine Zeitung« berichtete 1826 aus Hannover, daß ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe nur auf Grund der Nachsicht der Gläubiger existieren könnte, denen wegen der stark gefallenen Hof- und Güterpreise allerdings kaum Handlungsalternativen offengestanden haben dürften.15 Als Nachfrager nach gewerblichen und handwerklichen Produkten fielen mangels Kaufkraft die große Masse der Klein- und Nebenerwerbsbauern sowie die Landlosen kaum ins Gewicht. Ihre soziale Lage wurde von der prinzipiellen Möglichkeit, über bescheidene agrarische Selbsterzeugung hinaus monetäres Einkommen zu erzielen, bestimmt. Zwar folgten die Löhne im Agrarsektor den Preisen mit erheblicher zeitlicher Verzögerung und nicht in gleichem Ausmaß, doch verschlechterte sich in den 1820er Jahren die ländliche Arbeitsmarktlage insgesamt: Besitzer größerer Höfe trachteten danach, die Lohnarbeit so gering wie möglich zu halten, zumal ohnehin ein Großteil der Arbeiten im Rahmen von Dienstverpflichtungen ausgeführt wurde.16 Flachsanbau und Garnspinnen rentierten sich kaum noch; vom rapiden Sinken der Garnpreise seit Beginn der 1820er Jahre profitierte anfangs wenigstens noch die große Zahl der Leineweber. Die niedrigen Lebensmittelpreise verdeckten zunächst die tatsächliche strukturelle Misere im ländlichen Textilgewerbe. Einerseits erleichterten die gesunkenen Lebenshaltungskosten eine selbständige Existenzerhaltung bei gleichfalls gesunkenem Verdienst in diesem Wirtschaftssektor, andererseits konnten viele Familien als Produktionsgemeinschaft im Verlagssystem einem Absinken ihres Einkommens dadurch entgegenwirken, daß sie ihre Produktion steigerten und auf diese Weise versuchten, den gefallenen Stückpreis durch eine erhöhte Anzahl der gefertigten Stücke halbwegs auszugleichen. Gestattete solche gesteigerte Selbstausbeutung in Jahren niedriger Getreidepreise eine Subsistenz in erträglichem Rahmen, so brachte die Mißernte 1828 mit ihren starken Lebensmittelverteuerungen große Not nicht nur über die Angehörigen der familienwirtschaftlichen Textilproduktion, sondern auch insgesamt über die unterbäuerlichen Schichten, die teilweise bereits durch Auswanderung ihrer materiellen Lage zu entgehen suchten.17 Im Gegensatz zu dem insgesamt recht düsteren Bild des ländlichen Raumes verwiesen zeitgenössische Berichte auf einen bedeutend gesteigerten städtischen Luxus.18 Dies war ein Indiz dafür, daß sich offenbar in dem von der agrarischen Depression nicht unmittelbar in Mitleidenschaft gezogenen mittel- und großstädtischen Bereich während der 1820er Jahre eine andere Wirtschaftsentwicklung abzeichnete. Vor allem die öffentlichen Haushalte boten durch expandierende Nachfrage nach Bauleistungen umfangreiche Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten. Größere Projekte wurden überall mit den Wallabtragungs- und -bebauungsmaßnahmen in Angriff genommen. Daneben bestand eine rege private Bautätigkeit, die in Hamburg sogar spekulative Züge annahm. Arbeitskräftemangel in dieser Branche war keine Seltenheit.19 46 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Auch außerhalb der Städte konzentrierten öffentliche Großbauprojekte Kapital und Kapazitäten: Nachdem Springfluten im Februar 1825 die Deiche der deutschen Nordseeküste beschädigt hatten, stellten Oldenburg und Hannover zusammen 1,7 Mill. Taler für Deichbaumaßnahmen bereit, die vielen Arbeitskräften Verdienst verschafften, sofern die Arbeiten nicht, wie in Oldenburg angestrebt, teilweise als Naturaldienste geleistet werden mußten. 416000 Taler veranschlagte der Bremer Senat zunächst für den Bau eines Hafens und dazugehöriger Anlagen im späteren Bremerhaven, wo mehrere hundert Arbeiter Beschäftigung fanden.20 Somit kennzeichneten das wirtschaftliche Bild des größten Teiles der 1820er Jahre zwei Tendenzen: eine ausgesprochene Depression prägte den ländlichen Bereich sowie Handwerk und Gewerbe bis in die von der agrarischen Nachfrage abhängigen Landstädte; vornehmlich die Hanse- und Residenzstädte sowie kleinere Städte mit entsprechender Nachfragestruktur wie Göttingen und Celle verzeichneten einen allgemein lebhaften Konjunkturverlauf, der im Bausektor geradezu boomhafte Züge trug. Für alle, die ausreichend Beschäftigung fanden, stieg bei im wesentlichen gleich gebliebenen Nominallöhnen in den 1820er Jahren die Reallohnhöhe kräftig an; zusätzliche Kaufkraft stand den privaten städtischen Haushalten für Gütererwerb zur Verfügung, woraus Handwerk und Gewerbe sowie der Handel mit ausländischen Waren ihren Nutzen zogen.21 Diesen weitgehend positiven Eindruck der städtischen Gewerbekonjunktur verdunkelte der erneute Anstieg der Getreidepreise am Ende der 1820er Jahre. Der schlechte Ausfall der Ernte 1828 verbunden mit plötzlich einsetzender ausländischer Nachfrage ließen die Getreidepreise fast das Niveau von 1817 erreichen; dem kurzfristigen Absinken 1829 folgte 1830 eine zweite Getreideteuerungswelle, die zwar die Höhe von 1828 kaum überschritt, deren Wirkungen gleichwohl wesentlich einschneidender waren.22 Gegenüber 1828 hatte sich nämlich die wirtschaftliche Lage insgesamt wesentlich verschlechtert: die Handelskonjunktur flaute 1829 stark ab; der Bauboom erreichte seine Grenze; viele Betriebe gerieten in Konkurs; Garnspinner und Leineweber konnten den gestiegenen Lebensunterhalt aus eigener Kraft nicht mehr bestreiten; viele Lohnempfänger rückten, wenn sie überhaupt Arbeit fanden, wieder an die Grenze des Existenzminimums. Einzige Nutznießer waren wiederum Bauern mit Marktproduktion und die wenigen Kapitalbesitzer, die im Kornhandel angelegt hatten; in Hamburg soll der Getreideumschlag so lebhaft gewesen sein wie in den vorangegangenen 30 Jahren nicht.23 Sowohl der Preisverfall in den 1820er Jahren als auch die Teuerung am Ende des Jahrzehnts verbreiteten Krisenbewußtsein. Insbesondere richtete sich die Sorge vieler Beobachter auf den landwirtschaftlichen Bereich, der in physiokratischer Tradition als einzig produktive Quelle für den Volkswohlstand angesehen wurde. Dabei rief häufig der Vergleich mit den Reformgesetzen 47 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
im benachbarten Preußen ein Gefühl der Rückständigkeit hervor, das den steigenden Innovationsdruck auf die Regierungen von Hannover und Braunschweig noch erhöhte.24 Kernstück der Forderungen für eine strukturelle Umgestaltung des Agrarsektors war eine gesetzliche Regelung der Ablösung feudaler Dienste und Abgaben, die den Bauern in der Entfaltung seiner Produktivität behinderten. Neben den verschiedenen Diensten für Gemeinde und Staat erwiesen sich die Meiergefälle und Zehnten sowie Hand- und Spanndienste, die den Gutsherrn oder der Domäne zu leisten waren, als äußerst drückend; sie schränkten die Dispositionsfreiheit des Landwirts über den Boden, seine Arbeit und die Produkte seiner Arbeit wesentlich ein. Langfristige Ablösungsmöglichkeiten, gefördert durch Kreditanstalten, sollten diese feudalen Hindernisse beseitigen. Im Unterschied zur preußischen Lösung wurde von den meisten Autoren die Ablösung gegen Geld und nicht gegen Land als Regel vorgeschlagen, um einen mittelständischen Bauernstand zu erhalten und zu fördern.25 Nicht in gleicher Weise zur Entfaltung gelangten Reformforderungen, die Änderungen der Verfassungsordnungen zum Gegenstand hatten; die Zensur verhinderte ihre Artikulation und ließ den Innovationsdruck auf diesem Gebiet für die Regierungen gering erscheinen. Wie die vielen publizistischen Äußerungen dann seit dem Herbst 1830 in einer Phase gelockerter Zensurpraxis belegten, waren solche Reformvorstellungen, die nach einer größeren politischen Beteiligung der Besitzenden sowohl in den Städten als auch auf dem Lande strebten, sehr wohl vorhanden, ohne jedoch einen radikalen Umsturz der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zu beabsichtigen. Ihnen hatten die napoleonische Besetzung und die anschließende Restauration immerhin grundsätzlich demonstriert, daß nicht nur bis in das tägliche Leben eingreifende Verordnungen, sondern auch Verfassungsstrukturen wandelbar waren. Vor diesem Erfahrungshintergrund bestimmte die ausgehenden 1820er Jahre ein gerade im Bürgertum der Städte verbreitetes Bewußtsein darüber, daß sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich Veränderungen unumgänglich seien. Nicht zuletzt wurde diese Grundansicht in der zunehmend politisch räsonierenden Öffentlichkeit durch die Verhaltensweisen von Fürsten, Senaten und Ministern und dadurch ausgelöste Konflikte gefördert, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.
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2.2. Unterschichtenprotest mit revolutionären Folgen im Herzogtum Braunschweig 2.2.1. Die wachsende politische Krise und der Ausbruch der Septemberunruhen 1830 Die Vorgeschichte der aktuellen Krisensituation im Herzogtum Braunschweig 1830 begann mit dem Streit um die Frage der Volljährigkeit des Herzogs Karl IL Nach dem Tode seines Vaters, des Herzogs Friedrich Wilhelm, war 1815 das Herzogtum an den damals erst 11jährigen Karl übergegangen. Für ihn hatte der englische Prinzregent, der spätere König Georg VI. von Großbritannien und Hannover, als nächster Verwandter die Vormundschaft übernommen. Er hatte sich wegen der offensichtlichen Unreife des jugendlichen Herzogs bemüht, die in den Hausgesetzen nicht eindeutig bestimmte Volljährigkeit zu einer Verlängerung der Vormundschaft über den 18. Geburtstag Karls hinaus zu nutzen. Dessen gegenteilige Bestrebungen hatten aus übergeordneten politischen Motiven die Unterstützung Metternichs gefunden, mit dessen Hilfe schließlich ein Kompromiß gelungen war: die Volljährigkeit und der Regierungsantritt sollten 1823 mit dem 19. Geburtstag beginnen; allerdings mußte sich Karl gegenüber Metternich verpflichten, weitere dreiJahrejeden Eingriff in die Regierungsgeschäfte zu unterlassen.1 Unterdessen führte das Braunschweigische Staatsministcrium mit dem Geheimrat Schmidt-Phiscldeck als primus inter pares die Geschäfte relativ selbständig, unterstützt vom Adel des Landes, der nach wie vor wichtige Positionen in Regierung und Verwaltung besetzte.2 Allerdings war die adlige Dominanz keineswegs so ausgeprägt wie im Königreich Hannover, zu dessen adligen Familien zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Mit weniger exklusivem Standesbewußtsein ausgestattet, blieb vor allem in der Hauptstadt diese Schicht zum Bürgertum hin geöffnet; Adel und gehobenes Bürgertum waren durch unzählige familiäre und gesellschaftliche Beziehungen verbunden und bildeten eine tendenziell einheitliche großbürgerlich-adlige Führungsschicht mit festen Amtspositionen im Herrschaftsgefüge des Herzogtums. Eine von der vormundschaftlichen Regierung erlassene »Erneuerte Landschaftsordnung« garantierte zusätzliche Mitbestimmungs- und -verwaltungsrechte.3 Unruhe in die funktionierende Regierung und Verwaltung brachte der tatsächliche Regierungsantritt Karls II. Seine neoabsolutistischen Herrschaftsansprüche stellten die Machtstruktur in Frage, die sich in einem Jahrzehnt ohne nachhaltige Einmischung eines Fürsten hatte entwickeln können. Als das Symbol der Vormundschaft und Statthalter Georgs IV. galt dem Herzog Schmidt-Phiseldeck, der sehr bald seinen Abschied nahm und vor einer von Karl gegen ihn eingeleiteten Untersuchung fluchtartig das Land verließ, um in hannoversche Dienste zu treten. Aus dieser Affäre resultierte eine Verordnung vom 10. Mai 1827, in der Karl alle zwischen 49 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
seinem 18. Geburtstag und dem Ende der vormundschaftlichen Regierung erlassenen Gesetze für aufgehoben erklärte;4 ein Affront gegen den englischen König und seinen hannoverschen Minister, den Grafen Münster, wie er herausfordernder kaum sein konnte. Er ließ in Hannover Überlegungen aufkommen, ob nicht gar durch militärische Besetzung Genugtuung erlangt werden sollte. Verkompliziert wurde die Situation dadurch, daß die Konfliktfront parallel zum persönlichen und sachlichen Spannungsverhältnis zwischen Metternich und dem Grafen Münster verlief. Der österreichische Staatskanzler versuchte, in seinem Sinn zu vermitteln und den Streit ohne größeres Aufsehen beizulegen, doch gelang das umso weniger, je mehr die unmittelbaren Kontrahenten mit ihren gegenseitigen Anschuldigungen die Öffentlichkeit suchten. Zu diesem Zwecke bildete Karl das Geheime Kabinett um und besetzte es mit ›schriftstellerisch‹ begabten Vertrauensleuten, die den entbrannten ›Federkrieg‹ führten.5 Vollends an eine breite Öffentlichkeit gelangte der für die deutschen Fürsten peinliche Vorgang, als der Deutsche Bund am 20. April 1829 Karl zum friedlichen Nachgeben bewegen wollte; doch erst die bevorstehende Bundesexekution gegen das Herzogtum bewirkte ein Einlenken des Fürsten. Eine Maßnahme, auf die viele Braunschweiger große Hoffnungen setzten; vor allem von einer Besetzung durch Hannover wurden innenpolitische Konsequenzen erhofft.6 Die großbürgerlich-adlige Führungsschicht verlor unterdessen immer mehr Einflußmöglichkeiten. Das ehemalige Geheimratskollegium, jetzt Staatsministerium, wurde zum bloßen Befehlsempfänger des Herzogs und seines Geheimen Kabinetts degradiert.7 Auch die formellen Partizipationsrechte der Landschaftsordnung wurden durch das Patent vom 10. Mai 1827 in Frage gestellt. Die Stände hätten turnusmäßig bereits 1826 einberufen werden müssen, doch ließen sie sich zunächst leicht von Karl vertrösten; die Weitererhebung der 1823 auf drei Jahre bewilligten Steuern duldeten sie ohne energischen Widerspruch, waren sie doch durch ihre gewählten Schatzräte an der Steuerverwaltung beteiligt. Darüber hinaus führte der Herzog immer korrekt Verhandlungen mit dem Engeren Ausschuß als Vertretung der Stände zwischen den Sitzungsperioden.8 Von gelegentlichen Bitten um Einberufung der Landstände abgesehen, dauerte es drei Jahre, ehe sich der Engere und der Größere Ausschuß der Stände zum Handeln entschlossen. Die durch den Streit mit Hannover immer bedrohlicher werdende Lage des Herzogtums und kursierende Gerüchte über Pläne Karls für eine zusätzliche Aushebung im Frühjahr 1829, die die ohnehin drückend empfundene Abgabenlast weiter erhöht hätte, brachten die Ausschüsse schließlich dazu, von ihrem Konvokationsrecht am 21. März 1829 Gebrauch zu machen.9 Ein Versuch des Herzogs, diesen Schritt in letzter Minute durch vages Entgegenkommen zu verhindern, scheiterte an seiner bekräftigten Weigerung, die Landschaftsordnung anzuerkennen. Diese Position glaubte er 50 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
aufrecht erhalten zu müssen, da seine Auseinandersetzungen mit Hannover vor dem Deutschen Bund gerade in die entscheidende Phase traten; ein Einlenken hier hätte seiner Ansicht nach in Frankfurt als Nachgeben gewertet werden können. 10 Lieber bemühte er den Bund auch in dieser innenpolitischen Frage; am 9. April 1829 beantragte Karl eine Unverbindlichkeitserklärung der Erneuerten Landschaftsordnung.11 Im Gegenzug verständigten sich die Landstände ebenfalls auf die Anrufung der Bundesversammlung. Dort zogen sich die Verhandlungen dann bis zum November 1830 hin, ehe endlich eine für die Stände positive Entscheidung fiel, die jedoch durch die aktuellen Ereignisse im Herzogtum bereits überholt war. Mit ihrer Klage reagierten die Stände endlich auf die absolutistische Herausforderung Karls, nachdem sie jahrelang durch ihren Engeren Ausschuß und ihre Mitgieder im Schatzrat den Handlungen des Herzogs Legitimität gesichert hatten, die sie ihm nun vor aller Öffentlichkeit streitig machten.12 Unterdessen untergrub Herzog Karl sein lädiertes Ansehen weiter durch Übergriffe gegen allseits geachtete Persönlichkeiten13 und einen spektakulären Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz, der in einer zunehmend auf berechenbare und das Individuum schützende Rechtssicherheit vertrauenden Gesellschaft Empörung hervorrufen mußte. 14 Um vor Bespitzelung und Anfeindungen sicher zu sein, verließen angesehene Familien das Land.15 Die Furcht, durch kritische Äußerungen in Ungnade zu fallen, ging so weit, daß Privatbriefe in Codes abgefaßt wurden. 16 Darüber hinaus mißachtete Karl ältere ständische Privilegien und verkaufte ohne die Zustimmung der Ständevertreter Kammergrundstücke; ferner ließ er zu günstigen Bedingungen Ablösungen vornehmen, deren Erträge in seine Privatschatulle flossen.17 Freigewordene Beamtenstellen blieben unbesetzt und Beförderungen wurden nicht vorgenommen; einberufene Militärs erhielten weiterhin nur Wartegeld.18 Für einen größeren Personenkreis geradezu existenzbedrohend wirkten sich Einsparungen bei Aufwendungen für Bergwerke, Chausseebau, Forstkultur und andere herrschaftliche Unternehmungen aus. Besonders drastisch mußte diese Sparpolitik dort spürbar werden, wo der Herzog nahezu ein Monopol als Arbeitgeber besaß, wie im Harz mit seinen ausgedehnten Forsten und den Bergwerks- und Hüttenbetrieben.19 Auch Handwerk und Gewerbe der Residenzstadt hätten von herrschaftlichen Aufwendungen profitieren können; stattdessen litt deren Absatz unter der unentschlossenen Zollpolitik und vor allem dem Streit mit dem Nachbarn Hannover.20 Wesentlich vermehrt wurde die allgemeine Unzufriedenheit schließlich durch die sich seit August 1830 abzeichnende Mißernte; zur Milderung ihrer Folgen machten Karl und seine Berater keine Anstalten. Sonst bei absehbaren Teuerungen übliche Vorkehrungen unterblieben trotz ausdrücklicher Mahnungen der Behörden; nicht einmal eine Ermäßigung der gerade jetzt besonders drückend empfundenen Personalsteuer wurde in Erwägung gezogen. 21 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Begierig wurden in dieser Situation Gerüchte über die Unfähigkeit und den angeblich skrupellos-hinterhältigen Charakter des Herzogs in der Bevölkerung aufgenommen. Die »mythenbildende Kraft des Volksgeistes«22 entwickelte ihre Wirkung als bedeutsamer Krisenbeschleuniger, der feindselige Gefühle intensivierte und mit der Vorstellung von der moralischen Minderwertigkeit des Herzogs den Weg zur Protestaktion ebnete.23 Unterdessen kletterten die Getreidepreise kräftig; innerhalb einer Woche vom 15. bis 22. August stiegen die Roggenpreise um über 21 v.H. auf eine Höhe, die 55 v.H. über den an sich bereits hohen Frühjahrspreisen lag. Das gewohnte Absinken nach der Ernte blieb aus; nicht einmal eine Beruhigung der Steigerungstendenz war absehbar.24 In dieser kritischen Situation versuchte eine städtische Deputation am 1. September nochmals, den Herzog zur Einsicht zu bringen. Alle Bitten um Geldbewilligungen für Arbeitsbeschaffung und Kornunterstützungen beantwortete er jedoch abschlägig. Stattdessen schreckte Karl die Bewohner der Hauptstadt durch eine Demonstration seiner vermeintlichen militärischen Stärke. Einberufungen und die Präsentation von Kanonen vor dem Schloß heizten die Unruhe an.25 Schließlich kam es am 6. September zu einem ersten Ausbruch des aufgestauten Unmuts, als der Herzog - durch eine ungewöhnlich zahlreich vor dem Theater versammelte Menge geängstigt - die Vorstellung hastig verließ; Schimpfen, Pfeifen und Steinwürfe begleiteten seine Abfahrt.26 Die aufgeregte Menge folgte seinem Wagen vor das Schloß, wo bereits alle verfugbaren Truppen zusammengezogen waren. Um die gespannte Situation zu entschärfen, erkundigte sich der kommandierende General v. Herzberg persönlich nach den Wünschen der Demonstranten und forderte die ca. 500 Menschen ohne Erfolg zum Heimgehen auf Das Militär griff ein und zerstreute die Menge, die sich nun anderen Protestobjekten in der Stadt zuwandte. Diesem Treiben stand der aufgeschreckte Stadtmagistrat mit seinem für solche Anlässe völlig unzureichenden Polizeiapparat machtlos gegenüber. Seine Bitten, Militärpatrouillen in die Stadt zu entsenden, lehnte Karl wegen der damit verbundenen Schwächung der Schloßbesatzung ab. Auf nachhaltiges Drängen genehmigte er am 7. September zögernd die Aktivierung der Bürger. Voller Mißtrauen beschränkte der Herzog jedoch ihre Bewaffnung auf Piken und Säbel und bestimmte, daß sie nicht in die Nähe des Schlosses kommen dürften.27 Wie 1813 appellierte der Magistrat nun an »die hiesigen Bürger und Offizianten, welche sich bereits zum wiederholten Male um die Ruhe unserer Stadt Verdienste erworben haben, . . . auch dieses Mal zu der Wiederherstellung der Ordnung nach Kräften beizutragen«. Alle Hausbesitzer und Inhaber des Bürgerrechts sowie deren Söhne über 20 Jahre sollten sich zur Bildung des genehmigten »Bürgervereins« an bestimmten Sammelplätzen einfinden.28 Gleichzeitig wurde die Unruhe durch weitere militärische Vor52 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
kehrungen des Herzogs und kursierende Gerüchte von Beschießungsplänen der Stadt gesteigert. Zu spät kam Karl mit dem Abzug der Kanonen den dringenden Forderungen der sich bedroht fühlenden Bürger nach. Endlich bewilligte er auch 5000 Taler für Lebensmittel und den Erlaß der Personalsteuer für Notleidende in den Wintermonaten; ferner sollte Geld für Bauarbeiten bereitgestellt werden. 29 Der Unmut war jedoch bereits zu stark gewachsen, als daß diese Maßnahmen eine tiefgreifende Beruhigung hätten bewirken können. Im Gegenteil: sie wurden von den Unzufriedenen als Erfolg interpretiert und stärkten deren Selbstbewußtsein; sie wähnten Karl in die Defensive gedrängt. 30 Gegen Abend fand sich erneut vor dem Schloß eine mehrere tausend Menschen zählende Menge ein. Bald begannen erste Sachzerstörungen. Das erfolgreiche Herausbrechen des Namenszuges Karls aus dem Schloßgitter schien der Menge ihre momentane Überlegenheit anzuzeigen, was weitere Protestaktionen stimulierte. Anschließend bemühten sich einige Demonstranten, ins Schloßinnere vorzudringen. In dieser eskalierenden Konfliktsituation traf der Fürst eine folgenschwere Entscheidung: Verkleidet und mit nur wenigen Begleitern flüchtete Karl gewissermaßen aus dem Dienstboteneingang des Schlosses. Die von einigen Ratgebern hiervon erhoffte Beruhigungswirkung blieb aus. Vielmehr sahen die Protestierenden darin einen weiteren Erfolg, der die Schwäche Karls und seiner Regierung offenbarte. Die fürstliche Autorität als mögliche moralisch-ethische Schranke gegen weitergehende Gewaltanwendung fiel nun vollkommen aus. 31 Als jetzt auch v. Herzberg und seine Soldaten kaum ernsthafte Anstalten machten, gegen die anstürmende Menge vorzugehen oder energisch das Schloß zu verteidigen, waren bald 20-30 Demonstranten in den rechten Schloßflügel eingedrungen, der geplündert und in Brand gesetzt wurde. Zwar forderten einige wenige Zusammenstöße mit dem Militär Verwundete und Tote, doch lockte der erfolgreiche Angriff auf das Schloß immer mehr Schaulustige an, von denen viele selbst aktiv wurden. 32 Ehe der allein verantwortliche General irgendwelche militärischen Abwehrmaßnahmen ergriff, wollte er offenbar den Stadtmagistrat als die einzig intakte Behörde in die Verantwortung einbeziehen; um größeres Blutvergießen durch Soldaten zu vermeiden, ersuchte er den Magistratsdirektor um den Einsatz der Bürgergarde, deren Erscheinen auf dem Kampfplatz jedoch ohne sichtbare Wirkung blieb. 33 Trotz ihrer sozialen Abschottung durch Hausbesitz und Bürgerrecht bezogen die Gardisten noch keine eindeutige Stellung gegen den Protest. Über die Zerstörung des Schlosses erschreckt und von Furcht vor weiteren Übergriffen gegen öffentliches und privates Eigentum erfüllt, nutzten Bürgertum und Adel die Pause im Protestgeschehen am nächsten Vormittag zu einer Stärkung der Bürgerwehr. An diesem Tag fanden sich 1800 Bürger 53 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
ein, die nun auch mit Schußwaffen ausgerüstet wurden. An ihre Spitze trat der Bankier Löbbecke, der in der Folgezeit die Aktionen mit dem Magistrat und der militärischen Führung absprach.34 Mit der Bürgergarde und dem Militär standen dem Magistrat als Koordinationszentrum zwei Ordnungsformationen zur Verfügung, die die allgemein gewachsene Repressionsbereitschaft der sozial und politisch führenden Schichten entschlossen in die Tat umsetzen sollten: Sei gestern das mäßigende Verhalten zur Vermeidung von Bürgerblutvergießen noch gerechtfertigt gewesen, so gelte es nun, alle zur Herstellung und Erhaltung von Ruhe und Ordnung notwendigen Maßnahmen »ohne alle Rücksicht« durchzuführen und nötigenfalls von der Schußwaffe Gebrauch zu machen.35 Trotz dieser Ankündigungen wurde die ›Ruhe‹ am 8. und 9. September wiederholt gestört, was sich jedoch nicht in offiziellen Berichten niederschlug; noch herrschte ein unbürokratisierter Ausnahmezustand. So wurde lediglich in einer Hildesheimer Zeitung berichtet, am Abend des 8. September seien Theater, Rathaus und Leihhaus Ziel von Protestaktionen gewesen, die den Einsatz der Bürgergarde erforderlich gemacht hätten; also Protestobjekte, die Verschwendungssucht, Ausgabenpolitik und aktuelle Repression symbolisierten. Darüber hinaus seien viele »Müßiggänger auf den Straßen« arretiert; »mehrere, welche Widerspenstigkeit gezeigt oder beim ersten Aufruf der Patrouille nicht haben Stand halten wollen, sollen verwundet und einige gar niedergeschossen sein«. 36 Am nächsten Tag fanden auf Gerüchte hin immer wieder Aufläufe statt, deren Unterdrückung erneut einige Opfer forderte;37 »es gab derer, die den Tumult gern fortgesetzt hätten, die davon Gewinn zu machen hofften und ihre eigenen Pläne schmiedeten«, wie der Magistratsdirektor notierte.38 Die Angaben über die Todesopfer dieser drei Tage schwankten in den verschiedenen Augenzeugenberichten zwischen einem und vierzig. Nach offiziellen Verlautbarungen forderten die Ereignisse des 7. September drei Tote und fünf Verletzte. Bis zum Monatsende starben weitere vier Personen an ihren Wunden, die sie sich bei Auseinandersetzungen an den folgenden Tagen zugezogen haben könnten.39 Auch die Gefangenenlisten bestätigten Übergriffe und Zusammenstöße bis zum 10. September, wenngleich bezüglich der jeweiligen Einzelaussage Skepsis angebracht war; denn die überwiegende Mehrzahl der Arrestanten wurde ohne gerichtliche Untersuchung bereits nach wenigen Stunden oder Tagen aus dem Gefängnis entlassen. Die Verhaftungsgründe, bei denen »Umhertreiben« und »Unfug« eindeutig vorherrschten, sowie das Hervortreten der Bürgergarde als Verhaftungsorgan legten die Vermutung nahe, daß erhöhte Sensibilität der Ordnungskräfte selbst für geringfügiges abweichendes Verhalten nur zu leicht eine Arretierung auslösen konnte. 40 Angesichts der in den Verhaftungen zum Ausdruck kommenden schichtenspezifischen Verdachtsstrategien war es kaum verwunderlich, daß von den insgesamt 111 in Haft Genommenen nur neun dem Distriktgericht als 54 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
aktive Teilnehmer der Unruhen am 6. und 7. September überstellt wurden. Selbst ihnen ließ sich schließlich lediglich zum Vorwurf machen, daß sie »übel berüchtigte Subjekte« seien. Um die allmähliche Beruhigung in der Stadt nicht durch weitere Verhaftungen und spektakuläre Gerichtsurteile zu stören und dadurch die Aufmerksamkeit des Auslandes immer wieder auf die Verhältnisse im Herzogtum zu lenken, beschloß das Staatsministerium noch im September 1830 auf Wunsch des Herzogs, »daß denjenigen, welche bei den ausgebrochenen Unruhen gegenwärtig gewesen, Amnestie bewilligt werden sollte, mit Ausnahme derjenigen, welche sich tätlich gegen die Herzoglichen Staatsbehörden vergangen haben sowie vorzüglich derjenigen Mordbrenner, welche Feuer an das Herzogliche Schloß legten«.41 Vierzehn Hauptverdächtige wurden freigesprochen oder wegen »ungenügender Verdachtsmomente« aus dem Verfahren entlassen. Auch die bis 1836 durchgeführte Fahndung, die sich z. T. ins Ausland erstreckte, verlief im Sande.42 Für die Frage nach der sozialen Zusammensetzung der Protestträger ist es durchaus von Bedeutung, daß vielen Verhafteten mindestens ihre Anwesenheit in Schloßnähe nachgewiesen werden konnte; ihre Sozialdaten und weitere Indizien lassen Konturen des »sozialen Gesichts« der Akteure erkennbar werden. Unter der Voraussetzung, daß eine aktive Teilnahme an Demonstrationen oder gar an Übergriffen gegen den Herzog mit einem erheblichen persönlichen Risiko verbunden war, denn mit einem Regierungssturz und einem allgemeinen Durcheinander konnte vorher niemand rechnen, lag die maßgebliche Teilnahme solcher Schichten nahe, die sich von der Sparpolitik des Fürsten in ihrer sozialen Lage herausgefordert fühlten. In Zeiten normaler Preise und ausreichender Arbeitsmöglichkeiten mit einem dürftigen Auskommen versehen, drohte ihnen jetzt ein Abrutschen in die Schicht der Armen. In dieser Notsituation verlor die Risikoschwelle ihre protesthemmende Bedeutung. Dies traf vor allem für Handwerksgesellen und Tagelöhner zu, die zusammen 80 v.H. der 111 Arretierten stellten.43 Zusätzlich mobilisierende Effekte für das Zusammenlaufen der Menschenmenge am 7. September ging von dem für die Demonstranten relativ gefahrlosen Verlauf der Ereignisse des Vortages aus; die provozierenden Aktionen des Herzogs und sein Zurückweichen vor den energisch vorgebrachten Forderungen der Stadtbewohner wurden überall besprochen und trugen dazu bei, daß sich viele Menschen zunächst nur als Neugierige am Abend des 7. September vor dem Schloß einfanden. Die Anwohner der Ägidienkirche und des Bohlwegs - überwiegend Handwerker und Gewerbetreibende, die sich von den Kanonen und der Pulvereinlagerung unmittelbar bedroht fühlten - gehörten jetzt zum Protestpotential, wie an der Person des Branntweinbrenners Götte deutlich wurde.44 55 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Was die Listen der Verhafteten andeuteten, bestätigten die Angaben über die Opfer der Auseinandersetzungen; alle dreizehn Verwundeten oder Getöteten waren Tagelöhner und Handwerksgesellen, unter ihnen drei Lehrlinge. Relativ hoch war daran mit sechs Personen der Anteil von Auswärtigen, die von den 111 Verhafteten nur dreizehn stellten. Gleichwohl mußten die Einheimischen die meisten Todesopfer beklagen; allein fünf Tote hatten im Bereich der Katharinenkirche gewohnt, wo am 6. und 7. September jeweils die Proteste ihren Anfang nahmen.45 Auch diese regionale Ausgangsbasis des Protests sprach für die Dominanz von Tagelöhnern und Handwerksgesellen, die ihrer sozialen Notlage entsprechend am 6. September gegenüber dem General v. Herzberg vor allem Brot und Arbeit sowie eine Entlastung vom Abgabendruck forderten.46 Ihnen standen Ordnungskräfte gegenüber, die eine schwankende Haltung offenbarten. Aus berechtigten Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Truppe und des Offizierkorps wagte ihr Kommandeur zunächst kein entschlossenes Vorgehen. 47 Auch die Bürgergarde war am ersten Tag ihrer Existenz noch wenig schlagkräftig. Erst als die Koalitionsbildung auf der Ordnungsseite mit dem Stadtmagistrat an der Spitze fortschritt, war die Basis für energisches Einschreiten geschaffen, das den Unterschichtenprotest gewaltsam beendete. Die nicht von Anfang an sichtbare ablehnende Haltung des Bürgertums und vor allem des Adels gegenüber dem Protest ließ in der Öffentlichkeit die Frage nach den Urhebern der Aktionen verstärkt aufkommen, weil viele Zeitgenossen sich die Erstürmung des Schlosses nicht als spontanes Handeln einer diffusen Menge vorstellen konnten. Das »niedrige Volk« erschien ihnen als bloßes Werkzeug einer Verschwörerclique, die mit Alkohol und Geld die Handlungen steuerte. Als Anstifter der »Revolution« galt in ihren Augen der Adel, der sich in seiner ständischen Vorherrschaft durch Karls Politik verletzt gefühlt habe; in irgendwelchen vermummten Gestalten glaubte man bei der Erstürmung des Schlosses sogar führende Adlige persönlich erkannt zu haben.48 Dagegen betonten die Gegner Karls IL, der namenlose »Pöbel« sei von der Politik des Herzogs zu blinder Zerstörung gereizt worden. 49 Wenngleich eine führende Beteiligung aus der adlig-großbürgerlichen Schicht wenig wahrscheinlich war, dürfte sie die Aktionen des 6. und 7. September doch mit Schadenfreude und gewisser Sympathie begleitet haben. Wie tief die Erbitterung bürgerlicher und kleinbürgerlicher Schichten über die Herrschaft Karls wurzelte, zeigte sich immer wieder in Strafaktionen einzelner Bürgergardenabteilungen gegen führende Gefolgsleute des Herzogs, so daß sich der Stadtdirektor Bode zu einer Bekanntmachung veranlaßt sah, in der es u. a. hieß, niemand solle »den bestehenden Behörden vorgreifen, Eigenmächtigkeiten sich erlauben und so . . . das Beispiel von Zügellosigkeit geben und der guten Sache schaden. Beschuldigungen aller Art sind untrennlich von solchen Zeiten und Begebenheiten, niemand wolle 56 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
aber fortan die Ruhe und Zufriedenheit seiner Mitbürger, das Glück ganzer Familien, auf nichtige Gerüchte sich stützend, untergraben«.50 Dem Stadtmagistrat, der das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung genoß, gelang es in den ersten Tagen nach dem Schloßbrand, mit Hilfe von Militär und Bürgergarde die Ruhe in der Hauptstadt einigermaßen wiederherzustellen. Dabei übernahm er Funktionen des Staatsministeriums, das bei Karls Abreise ohne Instruktionen geblieben war und nun völlig in den Hintergrund gedrängt wurde. 51 Dieser Umstand trug mit dazu bei, daß sich die Situation in der Hauptstadt relativ schnell beruhigte. 2,2.2. Obrigkeitlicher Autoritätsverlust und Folgeprotest In den folgenden Wochen und Monaten breiteten sich die Unruhen von der Hauptstadt auf die Peripherie aus. 52 Nicht nur die Aktionen der Braunschweiger selbst, sondern auch die Flucht Karls II. zeigten Autoritätsverlust an. Die Übernahme der Regentschaft durch Karls Bruder Wilhelm am 10. September wurde weniger als Kontinuität verstanden, sondern vielmehr als eine einmalige, günstige Gelegenheit angesehen, um eigene Bedrückungen abzustellen. Nach einem Bericht des Kreisamtes Vechelde brachten auf dem platten Lande vor allem Häuslinge »ihre Unzufriedenheit mit den nahrungslosen Zeiten, den hohen Kornpreisen, den allerdings hoch gestiegenen Mieten und den ihnen auferlegten Steuern, Dominial- und Gemeindelasten«53 zum Ausdruck. Das Distriktgericht Braunschweig meinte, die Ereignisse der jüngsten Zeit hätten bei der »niedrigsten Klasse der Gesellschaft . . . bedenkliche Verständnisse« hervorgerufen, so »daß die mindere Volksklasse in der Meinung stehe, als ob, zu Folge der in Braunschweig stattgefundenen neuerlichen Ereignisse, es erlaubt sei, gegen diejenigen Beamte und sonsten angestellten Personen, welche auf irgendeine Weise Mißfallen erregt, eigenmächtig durch Begehung allerlei Exzesse aufzutreten und denselben in den Dienstverrichtungen den ferneren Gehorsam zu verweigern«. 54 In Salder und Umgebung wurde sogar ein Komplott vermutet, um »die Herrschaftlichen Bedienten aus dem Wege zu räumen, Freiheit und Gleichheit zu proklamieren und die wohlfeilen Einwohner durch Drohungen und Epressungen zur Verabfolgung von Geld und Lebensmitteln zu bewegen«. In Bettmar verwüsteten Häuslinge unter Drohungen die Gemeindeholzung, in Vallstedt verweigerten sie die Schulgeldzahlungen.55 Die Mischung aus Volksjustiz, »Gehorsamsverweigerung« und Demonstration materieller Nöte fand ihren Niederschlag auch in den Städten des Herzogtums. Steuereinnehmer, Akziseinspektoren, Chausseegeldeinnehmer und Justizbeamte wurden für Abgabendruck, mangelnde Arbeitsbeschaffung und überharte Bestrafungen unmittelbar persönlich verantwortlich gemacht. In Schöningen und Königslutter boten Illuminationen der 57 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Stadt anläßlich der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Karls Bruder Wilhelm dem Protest günstige Manifestationsbedingungen.56 Bei ihren Aktionen gegen Offizianten genossen Handwerker, Lehrlinge und Tagelöhner die Sympathie bürgerlicher Kreise, die selbst für die Entlassung eines verhaßten Beamten eintraten. Nur dann könne die Ruhe wieder einkehren; denn die Einwohner Königslutters wollten sich zwar allgemein für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, doch nicht für den Schutz des Beamten einsetzen. Solange die Unterschichtenaktionen sich nur gegen die Offizianten richteten, weckten sie bei den eher bürgerlichen Sympathisanten noch kein Bedrohungsgefühl, wie die Gelassenheit der Schöninger in der Frage einer Bürgergarde zeigte. Die Obrigkeit mobilisierten derartige Angriffe umso mehr, wurde doch die Autorität ihrer Beamten in Frage gestellt. Durch die Vorgänge in den Nachbarstädten gewarnt, entschloß sich der Bürgermeister von Helmstedt zu durchgreifender Reaktion auf den Protest des »Pöbels«. Nachdem die unmittelbare Gefahr einer Eskalation der Aktionen vorüber war, ließ er einige Teilnehmer am folgenden Tag verhaften. Gleichzeitig meldete das Stadtoberhaupt die Vorfälle eilig dem Staatsministcrium, das sofort Soldaten sowie 200 Piken und Säbel aus dem Braunschweiger Zeughaus zur ersten Ausrüstung einer Bürgergarde schickte.57 Nicht nur auf Protestbereite, sondern auch auf an der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung Interessierte übten die Braunschweiger Ereignisse einen Demonstrationseffekt aus. In den Städten und Orten mit überlokaler Verwaltungsfunktion bemühten sich mit Unterstützung und z. T. auf Anregung der Regierung Honoratioren und Offizianten um die Bildung von Bürgergarden, um der zunehmend als Bedrohung empfundenen Möglichkeit von Unterschichtenprotest zuvorzukommen. Auch auf dem platten Land reichten »ein paar ohnehin stark beschäftigte Gerichtsdiener und . . . unzureichende Orts-Polizei« nicht aus; 58 alle »rechtlichen« Einwohner seien »bei der jetzt allgemein aufgeregten Stimmung des Pöbels im höchsten Grade besorgt« und verlangten eine Verstärkung des Polizeimilitärs59 sowie die Einrichtung von Kommunalgarden. Das Staatsministerium lehnte jedoch alle festeren Organisationsansätze im dörflichen Bereich unter dem Vorwand der unzumutbaren Belastungen für den Einzelnen als »nachteilig« ab. Den wahren Grund nannte der Blankenburger Oberhauptmann: die größtenteils »unbemittelten« Landbewohner hätten kaum Interesse für eine Sicherung von Eigentum; wegen dieser Unzuverlässigkeit der Träger erschien ihm eine Kommunalgarde als »höchst gefährlich«, böten ihre regelmäßigen Übungen doch Gelegenheit und »Veranlassung zu Schwärmereien«. 60 Aber auch Mitglieder von gestatteten Bürgergarden waren geneigt, aktiv an Protest teilzunehmen. In Gittelde stärkte die Formierung einer Garde, bei der nach Meinung der Behörden nicht genug Sorgfalt auf die Auswahl der Gardisten gelegt worden war, das Selbstbewußtsein der Bevölkerung in gleichem Maße, wie der Respekt vor den Offizianten abnahm; nicht länger 58 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
wollten sie deren Amtshandlungen als legitim akzeptieren. Noch am Abend der Gardengründung wurde das Haus des Akziseeinnehmers Ziel einer protestierenden Menge. Landdragoner, die zur Wiederherstellung der Ordnung zwei Verhaftungen vornahmen, wurden massiv eingeschüchtert: sie seien »Spitzbuben« und hätten nichts mehr zu befehlen; jetzt gelte allein die Bürgergarde. Statt beruhigend zu wirken, lenkte das ordnungspolizeiliche Auftreten die Aufmerksamkeit der Demonstranten auf das Haus der Polizisten selbst und das des Ortsvorstehers. Bei diesen Protesten wie auch beim einige Tage später erfolgten Durchsägen des Chausseeschlagbaumes sollen Mitglieder der Bürgergarde maßgeblich beteiligt gewesen sein.61 In Braunschweig protestierten Bürgergardisten gegen eine als Unrecht empfundene Verurteilung eines Messerschmieds wegen Beleidigung von Justizbeamten. Auf das Gerücht hin, der Schmied solle abends verhaftet werden, versammelten sich am 24. Juli 1831 seine Freunde und viele Neugierige vor seinem Haus, darunter bewaffnete Bürgergardisten, die ihn vor dem erwarteten ›Übergriff‹ der Justiz schützen wollten. Massives Einschreiten der Ordnungskräfte zerstreute den ›Tumult‹. Am nächsten Abend nahm weiterer Protest von hier seinen Ausgang, der sich gegen einen Justizbeamten und einen Bürgergardenoffizier richtete. Diesmal waren die Hauptaktivisten Lehrlinge und »junge Burschen«, von denen einige durch Bajonettstiche der Bürgergarde verletzt wurden. Elf Verhaftete übergab die Garde der Polizei. In einem Tumultmandat bemühte sich anschließend der Magistrat, öffentlich jeden Zweifel an der Einsatzbereitschaft der Bürgergarde zu zerstreuen: »Bei Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und Vollziehung der Richtersprüche, selbst durch Anwendung der strengsten Maßregel, die Obrigkeit unterstützen zu wollen, ist der durch die Tat so laut und kräftig ausgesprochene Wille der zur Sicherheit der Stadt bewaffneten Bürgerschaft . . .«. 62 Eine besondere Protestsituation herrschte im Zorger Bergbaurevier, wo ein schwelender Arbeitskonflikt in umfangreiche Volksproteste einmündete. Der Bergmeister Eichholz von der Oberhütteninspektion Zorge stand seit längerer Zeit im Mittelpunkt von zahlreichen »Denunziationen«, die jedoch von der vorgesetzten Behörde als unbegründet, unnachweisbar oder unerheblich zurückgewiesen worden waren. Die Spannungen mit den Bergleuten verschärften sich, als die Bergbehörde ihrerseits Untersuchungen gegen die Beschwerdeführer einleitete.63 Waren an diesen Auseinandersetzungen nur einige Bergleute beteiligt, so traf die rapide Verschlechterung der ökonomischen Bedingungen doch alle vom Bergbau mehr oder weniger abhängigen Harzbewohner. Seit der zweiten Hälfte der 1820er Jahre litten Bergbau und Eisenhüttenwerke unter zunehmenden Absatzschwierigkeiten infolge der angewachsenen preußischen Konkurrenz und der ungeschickten Zollpolitik gegenüber den Nachbarn Preußen und Hannover. Dazu traten die in dieser Gegend besonders spürbaren Einsparungen Karls, die die Lage der ohnehin in bescheidenen 59 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Verhältnissen lebenden Bevölkerung immer drückender werden ließ. Um »einen Aufstand zu verhindern«, bat die Berg- und Hüttendirektion bereits im September 1830 dringend, den vielen Arbeitslosen schleunigst Verdienst zu verschaffen.64 Im Laufe der folgenden Wochen steigerte sich die Unzufriedenheit. Im Anschluß an ihre Schicht zogen am 5. Oktober über fünfzig Kumpel zum Tagungsort der Kommissarien des Grubenvereins und verlangten dort binnen drei Tagen Lohnerhöhungen, die Ausgabe von Brennholz sowie die Absetzung des Steigers Thielkuhl und des Bergmeisters Eichholz, die sie schikanierten. Dazu sollten die lästigen Eisensteingehaltsproben abgeschafft und eine Brotzulage wie in früheren Jahren bewilligt werden. Diese Forderungen wurden in der Folgezeit immer wieder vorgebracht; noch gelang es jedoch den Offizianten, die Unzufriedenen zu vertrösten. In dieser Spannungssituation wurde ein zwei Jahre zurückliegender, scheinbar belangloser Vorfall65 zum Anlaß für Protest. Er bot der verbreiteten Unzufriedenheit mit dem Steiger Thielkuhl ein Ziel, auf das sich zunächst der steigende Unmut konzentrieren konnte. Im Anschluß an eine Demonstration gegen den Steiger wollten die Protestierenden einem Förster und anderen Offizianten eine »Fenster-Musik« darbringen, da jetzt »alles frei« sei. Am 4. November erreichten die Protestaktionen dann einen gewissen Höhepunkt mit Übergriffen gegen den Zöllner und Akziseeinnehmer. Von mehreren hundert Demonstranten, angeführt durch Berg- und Fuhrleute, drangen einige ins Zollhaus ein und verlangten Einsicht in die Unterlagen; denn Herzog Karl und seine Gesetze gälten nichts mehr. Fortan sollte der Zöllner keinerlei Abgaben erheben; früher hätten sie auch keinen Zoll, keine Akzise und keinen Schlagbaum gehabt.66 Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, demolierte die Menge anschließend unter »Freiheitsrufen« die Schranke als Symbol lästiger Bedrückungen. Mit dieser Sachzerstörung erreichten sie direkt eine zumindest zeitweise Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der bedrückenden Institution. Dann wandten sie sich dem benachbarten Haus des Ortsvorstehers zu und schleppten ein vor einigen Jahren konfisziertes Branntweinfaß fort. Völlig machtlos mußten die wenigen Landdragoner und der von der Ortsobrigkeit vorsorglich organisierte Bürgerverein diesen Übergriffen zusehen; die Polizisten, die in den Augen der Protestierenden »so viel als tote Katzen« seien, konnten nur durch gutes Zureden versuchen, auf die Menge einzuwirken. Der weitere Verlauf des Protestgeschehens dokumentierte beispielhaft die Möglichkeit der Obrigkeit, gegen Protestierende in der Provinz vorzugehen. Nachdem die örtliche Polizei und Offizianten keine Beruhigung der Situation erreicht hatten, wurde der Oberhauptmann als zuständige Mittelbehörde benachrichtigt, der sich zufällig mit militärischen Verstärkungen auf dem Wege ins Kreisamt Walkenried befand; Berichte über Drohbriefe, Maueranschläge, Forstfrevel und ähnliche Anzeichen zunehmender Unruhe sowie erste Meldungen von »Tumulten« in Zorge vom Monatsanfang 60 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
hatten bereits die Obrigkeit alarmiert. Zunächst gelang es ihm gleich nach seinem Eintreffen in dem Bergort, ohne großes Aufsehen einigen Demonstranten das Branntweinfaß wieder abzunehmen. Beunruhigender mutete dagegen das Gerücht an, abends sollten die herzoglichen Kassen im Hause des Ortsvorstehers Ziel erneuter Aktionen werden. Als bis zum Spätnachmittag die militärischen Verstärkungen noch nicht eingetroffen waren, wurden zur Abwehr eines möglichen Angriffs Honoratioren, Offizianten und Forstarbeiter aus der Umgegend bewaffnet zusammengerufen. Angesichts dieser schwachen Ordnungskräfte wollte der Oberhauptmann, als tatsächlich mit anbrechender Dunkelheit einige »Haufen« anrückten, einen gewaltsamen Austrag des Konflikts vermeiden; er ging ihnen entgegen und forderte sie auf, nach Hause zu gehen. Wenn sie etwas vorzubringen hätten, so sei jetzt weder der rechte Ort noch der rechte Zeitpunkt. Sie sollten am nächsten Tag einzeln wiederkommen oder eine Deputation schicken. Mit dieser hinhaltenden, dissoziativen Strategie gelang es tatsächlich, die Demonstranten von direkten Aktionen solange abzuhalten, bis das Militär einrückte. Das Zurschaustellen ihrer Bewaffnung genügte dann, um die Protestierenden endgültig von ihrem Vorhaben abzubringen. Wie in vielen Fällen militärischen Einsatzes lockte auch diesmal die ungewöhnliche Anzahl von Soldaten Neugierige an; aus dem benachbarten Ort Hohegeiß kamen viele nach Zorge, die nun die Gelegenheit nutzten, dem auch dort wenig beliebten Bergmeister Eichholz die Fenster einzuwerfen.67 Der Unterdrückung des Protests schloß sich eine Untersuchung an, in die auch die vorhergehenden Aktivitäten zur Verbesserung der sozialen Lage einbezogen wurden; sie führte zur Anklage von 35 Personen: beruflich dominierten in dieser Gruppe entsprechend der Erwerbsstruktur des Ortes eindeutig Bergleute und Bergburschen mit 22 Aktivisten. Ihnen zur Seite standen außer Handwerksgesellen aus verarbeitenden Gewerben fünf Frauen, deren Ehemänner ζ. Τ. selbst engagiert waren; sie schlossen sich offen sichtlich erst bei der letzten gescheiterten Aktion den Demonstranten an. 68 Zusammen mit der Altersstruktur - die 25- bis 40jährigen stellten 19 Angeklagte - verdeutlichten die Sozialdaten, daß nicht soziale Außenseiter, sondern Familienväter mit ehrbarem Beruf und deren Ehefrauen protestierten, für die keineswegs jugendlicher Übermut charakteristisch war. Sie erfreuten sich großer Sympathie und Unterstützung; denn auf dem Höhepunkt des Protests nahm mit 500 Personen etwa ein Drittel aller Einwohner teil. Diese hohe Teilnahmequote dokumentierte, daß von der gemeinsamen Frontstellung gegen staatliche Offizianten als Arbeitgeber und Bedrücker ebenso Solidarisierungseffekte ausgingen wie von dem gemeinsamen Anliegen nach »wohlfeilen« Lebensmitteln durch Brotzulagen. Frühere Zustände und die Praxis staatlicher Kornunterstützungen im benachbarten hannoverschen Oberharz führten den Notleidenden darüber hinaus vor Augen, wie ihnen effektiv geholfen werden könnte. 69 Als die bloße Artikulierung der Forderungen jedoch keinen unmittelbaren © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Erfolg zeitigte, richtete sich der Protest gegen solche Objekte, die direkt mit den hohen Lebensmittelpreisen in Verbindung gebracht werden konnten: die Zollschranke verhindere den notwendigen Getreideimport zu niedrigen Preisen. Die Berechtigung der Forderungen bestätigte die Presse der Hauptstadt, die sich für eine baldige Abstellung der Beschwerden aussprach und damit den Druck des Protests auf die Behörden ebenso erhöhte wie das Gericht, das in seiner Verhandlung gegen verhaftete Protestler ebenfalls die hohen Kornpreise und die Gefühle der Bedrückung durch den Bergmeister als strafmildernde Motive anerkannte. Als die Regierung verschiedene Abhilfemaßnahmen einleitete, hatte der Protest seine wesentlichen Ziele erreicht, verbunden allerdings mit relativ hohen Kosten für einzelne Akteure.70 Noch einmal ergritt die Protestwelle die Hauptstadt des Herzogtums, als sich die nach den Septemberereignissen eingeleiteten öffentlichen Bauarbeiten ihrem Abschluß näherten. Diese Arbeitsbeschaffung hätte nach Meinung des Landgerichts als Beschwichtigungsmittel beim »Pöbel« ein erhöhtes Anspruchsniveau gegenüber der Regierung geweckt, als sei es obrigkeitliche Pflicht, jene zu unterhalten und zu ernähren. Jede Einsparung in diesem Bereich müsse dann zwangsläufig die etwa 1100 betroffenen Arbeiter verbittern, die seit dem Schloßbrand glaubten, »physische Macht« zu besitzen. Zunächst richtete sich der Protest der bei Abbrucharbeiten an Dom und Schloß Beschäftigten am 8. Januar 1831 gegen einen Bäcker, dessen Brot für zu leicht befunden worden war; die Arbeiter von der Dombaustcllc warfen ihm die Fenster ein. Eine gleichzeitige Aktivierung der Kollegen an der Schloßbaustelle durch einen Abgesandten gelang nicht, weil die inzwischen alarmierte Bürgergarde anrückte. Ebenfalls vergeblich war der Versuch, die Arbeiter zu gewaltsamem Widerstand gegen die Ordnungskräfte zu bewegen. 71 Einige in den Augen der Obrigkeit als besonders gefährlich geltende Arbeiter wurden sofort verhaftet; sie waren von der Polizei seit längerem vorsorglich beobachtet worden. Nur zwei Tage später fanden erneut Protestaktionen bei den öffentlichen Arbeiten am Schloß statt. Zwei Tagelöhner wollten ihre Kollegen wegen des sich abzeichnenden Mangels an Arbeitsmöglichkeiten zur Arbeitseinstellung bewegen: ». . . wenn wir morgen keine Arbeit haben, so stürmen wir morgen früh dem Stadtbaumeister das Haus!« Schnell zerstreute die Polizei eine Ansammlung Neugieriger und verhaftete die Urheber. Zur Abschreckung vor weiteren Aktionen ordnete das Staatsministerium eine umgehende »korrektionelle Behandlung« der Verhafteten an, da sie ohnehin als notorische Ruhestörer und Trunkenbolde bekannt seien. Nach Meinung der Polizeibehörde hätten die Untersuchungen der Septemberereignisse gezeigt, daß umfangreiche Ermittlungen oft nicht die notwendigen Beweismittel für Gerichtsverfahren erbrächten; unter solchen Umständen entgingen einige Arretierte ihrer Strafe, die sie allein wegen ihres früheren Lebenswandels verdient hätten. Trotz des Leugnens der Inhaftierten sei die 62 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
»moralische Gewißheit vorhanden, daß sie sämtlich schuldig sind«. Deshalb sollten 14 Arbeiter bis Ostern und die beiden gefährlichsten bis zum 1. Mai im Gefängnis bleiben. Offenbarte dieses Verfahren bereits eine bürgerlichen Rechtsansprüchen hohnsprechende Behandlung von Mitgliedern der Unterschichten, so zeigte die Antwort des Stadtmagistrats auf den Wunsch zweier Bürger nach einer Proklamation gegen die Störung der öffentlichen Ruhe eine Verachtung und gefährliche Überheblichkeit gegenüber diesen zahlenmäßig starken Schichten, die die eingetretene Verunsicherung nur notdürftig überdeckte: Viele teilten zwar »den Widerwillen gegen die Arbeiter, welche den Versuch machten, die öffentliche Ruhe zu stören«; doch sei eine Proklamation völlig unnötig. Daraus könnten die Arbeiter gesteigertes Selbstbewußtsein ableiten, »als lege man Gewicht auf ihre Drohungen . . .«. 72 Im benachbarten Wolfenbüttel standen die auf öffentliche Arbeiten angewiesenen Handwerker und Tagelöhner ebenfalls im Mittelpunkt der Sorge um die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung.73 Nachdem es dem Magistrat den Herbst hindurch gelungen war, unter Hinweis auf die drükkende Lage vieler Einwohner vom Staatsministerium Geld für Arbeitsbeschaffung zu erhalten, sollten zum Jahresende die Mittel gestreckt und vom Beginn des Jahres 1831 an die Zahl der ca. 230 Arbeiter drastisch vermindert werden. Nur die Bedürftigsten von ihnen sollten überhaupt noch Arbeit erhalten, wobei dann auch nur jeweils eine Hälfte im wöchentlichen Wechsel beschäftigt werden sollte. Als dies den versammelten Arbeitern am 30. Dezember mitgeteilt wurde, verbreitete sich Unmut, und ungefähr 60 Arbeiter führten »widersetzliche Reden gegen die anwesenden obrigkeitlichen Personen«. Um angesichts des zahlenmäßig schwachen Militärs die Situation durch Verhaftungen nicht zuzuspitzen, wartete die Obrigkeit damit bis zum nächsten Tag. Obwohl von der Arretierung angeblicher Rädelsführer keine sichtbare Solidarisierung ausging, fürchtete sie größere Ausschreitungen zum Wiederbeginn der Arbeiten am 3. Januar 1831. Militär und Bürgergarde wurden aufgeboten und angewiesen, bei jedem Auftreten gewaltsamen Protests scharf zu schießen. Dazu kam es jedoch nicht, da die Arbeiter die freien Tage offenbar nicht zu irgendwelchen Verabredungen für gemeinsame Aktivitäten genutzt hatten und nun durch das große Aufgebot an Ordnungskräften abgeschreckt wurden. 74 Ein Beispiel, wie Bürger Unterschichtenprotest zur Durchsetzung ihrer eigenen Partizipationswünsche auf kommunaler Ebene nutzten, boten die Ereignisse in Holzminden, der größten Stadt des braunschweigischen Weserdistrikts, in der die Einwohner über die besonders spürbaren Folgen der Mißernte hinaus unter den Absatzstockungen für Leinwand und Eisenwaren litten. 75 Zur Beratschlagung über die wirtschaftliche Misere und die Sicherung ihrer bescheidenen Arbeitsmöglichkeiten gegenüber preußischen Konkurrenten traf sich am 19. Januar 1831 eine Gruppe von Tagelöhnern; ver© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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stärkt wurde ihr Unmut durch ein zu leichtes Bäckerbrot. Statt des bei solchen Anlässen üblichen aktionistischen Protests wählten sie den für ihre soziale Schicht seltenen petitionistischen Weg. Ihre schriftlich formulierten Wünsche wollten sie dem Bürgermeister vortragen: Kein Preuße solle in Holzminden Arbeit erhalten; innerhalb von zwei Tagen müsse verbilligtes Brotkorn herbeigeschafft und ihnen Arbeit gegeben werden. Zum Nachdruck drohten sie Protestaktionen mit über 200 Sympathisanten für den nächsten Tag an. Eine sofort vom Bürgermeister eingeleitete Untersuchung führte schließlich zur Verhaftung von 19 Personen: 13 Tagelöhnern, einem Leineweber und zwei Handwerksgesellen, die »wegen ordnungswidrigen Versammelns und dabei verübter Drohungen« zu Strafen zwischen vier Wochen und drei Monaten Zwangsarbeit verurteilt wurden. 76 Diese kurzfristig-konjunkturell motivierten Proteste gegen Versäumnisse des Bürgermeisters nutzten bürgerliche Schichten zu politischem Protest gegen die Organisation der Gemeindeangelegenheiten, für die symbolisch das persönliche Fehlverhalten des Stadtoberhauptes stand. Dabei erwiesen sich Teile der Bürgergarde unter ihren gewählten Offizieren als treibende Kraft. Sie hielten am 22. Januar eine Versammlung ab, die den Bürgermeister durch eine Abordnung zum Rücktritt auffordern ließ; denn mit der häufigen Mißachtung der Wünsche der Einwohner habe er den Nachweis seiner Untauglichkeit zur Ausübung eines solchen Amtes erbracht. Dem Vertrauen seiner Mitbürger setzte der Amtsinhaber als Quelle seiner Legitimität den Willen der Herzoglichen Regierung gegenüber; strikt lehnte er das Ansinnen ab, da er sein Amt bereits 21 Jahre zu »voller Zufriedenheit [seiner] Vorgesetzten« ausgeübt habe. Weil das politische Ziel auf direktem Weg nicht zu erreichen war, wandte sich die Versammlung in einer Petition an den Herzog: bereits »in der stürmischen Zeit der Umkehr 1813« habe sich die Öffentlichkeit gegen die Person des Bürgermeisters ausgesprochen, der in der Folgezeit die Geschäfte dem »allgemeinen Besten« immer abträglicher geführt habe. Darüber hinaus habe er einen Stadtsekretär eingestellt, der ein selbstherrliches Regiment nach Maximen führe, »welche er sich in seinen früheren militärischen Verhältnissen angeeignet« hätte. Das Deputiertenkollegium sei zu einem willfährigen Instrument des Bürgermeisters geworden, da es keinesfalls der Idee der Repräsentation entspräche. Was schließlich den akuten Notstand der mittellosen Einwohner angehe, so seien zwar 800 Taler für Wegebesserungen versprochen, jedoch nicht ausgegeben worden. Zudem sei rechtzeitiger Kornankauf versäumt worden, der erst nach starken Preissteigerungen erfolgt sei. 77 In der allgemeinen Spannungssituation dieser Monate konnte die Regierung die Beschwerden der Bürger nicht einfach ignorieren; um aber auch nicht sofort ihren Vorstellungen nachzugeben, setzte sie eine Untersuchungskommission auswärtiger Juristen ein, die die Gravamina bestätigte 64
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und sogar um einige Punkte erweiterte. So würden vom Stadtsekretär die »mit Nahrungsfragen« kämpfenden Familien »bis zur völligen Erschöpfung« besteuert. Zur aktuellen Abhilfe wurde dem Staatsministerium neben der Ablösung des Offizianten eine Funktionserweiterung des neu zu wählenden Deputiertenkollegiums empfohlen; einen »Entwurf von der Wahl und dem Wechsel der Stadtrepräsentanten« sandte die Kommission gleich mit ein. 78 Derartig in Zugzwang gebracht, stellte die Regierung eine befriedigende Lösung der Probleme nach der Regelung der Verfassungsfrage in Aussicht und entband als eine Sofortmaßnahme die Stadtdeputierten von ihrer Schweigepflicht über ihre Verhandlungen. Außerdem sagte sie die Versetzung des Stadtsekretärs zu. 79 Damit war der akute Konflikt entschärft, doch gingen die Gegensätze in der Bürgerschaft zu tief, als daß sie durch hinhaltende Einzelmaßnahmen hätten beseitigt werden können. Sie wurden durch den Tod des Bürgermeisters sofort reaktualisiert. Wieder entzündete sich der Streit an dem weiteren Verbleib des unbeliebten Sekretärs, der noch immer nicht versetzt worden war. Ganz andere Motive bewegten gleichzeitig Mitglieder »der niederen Volksklasse«, die die Wohnung des ihnen verhaßten Markt- und Armenvogtes attackierten. In dieser Situation erwies sich die Bürgergarde als durch innere Spannungen gelähmt; der Unterschichtenprotest bewirkte keine zeitweise Überbrückung der politischen Gegensätze. Nur ein Fünftel der Gardisten fand sich auf das Alarmzeichen hin ein. Mit Steinen von der Menge empfangen, mußten sie zusehen, wie einigen eifrigen Gardisten und einem Justizamtmann, der die Ermittlungen über die Januarereignisse geleitet hatte, die Fenster eingeworfen wurden. Schließlich kehrte wieder Ruhe ein, als der Armenvogt »auf Betreiben der Tumultuanten« aus der Stadt entfernt wurde. Diesmal wurden die Aktionen von Handwerksgesellen und Tagelöhnern als Hauptteilnehmergruppe, unterstützt durch untere städtische Bedienstete sowie durch einige Hirten und Kleinbauern, getragen. Ferner waren einige Meister aus allgemein überfüllten und armen Gewerben aktiv, deren soziale Lage sich kaum von der der übrigen Akteure unterschied. Einige Frauen und Kinder beteiligten sich beim Herbeischaffen der Wurfgeschosse. Entsprechend dem Ausmaß der Gewaltanwendung fielen die Strafen aus: neben 30 Freisprüchen ergingen 28 Zwangsarbeitsstrafen zwischen vier Wochen und 18 Monaten; die jugendlichen Teilnehmer erhielten Züchtigungsstrafen.80 Diesen von einigen Aktivisten zu tragenden Kosten stand mit der Entfernung des Armenvogts, ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung einiger Holzmindener Honoratioren, ein gewisser Erfolg gegenüber. Im Gegensatz zum Unterschichtenprotest konnte die politische Spannung im Bürgertum zwischen den Stadtdeputierten und Teilen der Bürgerschaft 65 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
nicht wirksam repressiv behandelt werden. Sie gab dem Oberhauptmann zu ernsten Befürchtungen Anlaß: zu große Nachgiebigkeit gegen »die von dem patriotischen Vereine eingereichte Vorstellung« werde neue Unruhe bringen; denn die Tumultuanten blieben sicher nicht bei der ersten, »ohne große Schwierigkeiten durchgesetzten Forderung stehen« und »einige Bösewichter, welche den großen Haufen leiten«, würden sicher die Schwäche der Behörden »zu neuen Unordnungen benutzen«. Außerdem müsse »bei gänzlichem Mangel an Eifer und Kraft« die Bürgergarde als faktisch suspendiert betrachtet und zur Stabilisierung der Verhältnisse Militär entsandt werden, das auf Kosten der Gemeinde längere Zeit in Holzminden zu stationieren sei. 81 Im politischen Kampf innerhalb der bürgerlichen Schichten versuchte der reformerische Flügel zunehmend, sich als einziger Stabilisierungsfaktor gegen Unruhestifter aus dem Lager der reformfeindlichen Stadtdeputierten zu empfehlen82 - ein Ziel, das er mit der Wiedererrichtung einer Bürgergarde, deren Reglement zur Wahrung der Disziplin entsprechend verändert worden war, und der Ernennung des oppositionellen Advokaten Gerhard zum Bürgermeister erreichte. Um diese politische Gewichtsverlagerung auf kommunaler Ebene nicht zu stören, verzichtete die Regierung auf eine Veröffentlichung der Ergebnisse einer Untersuchung gegen die ehemalige Bürgergarde; ein ähnliches Amnestieverfahren hatte sich bereits gegenüber den Demonstranten vom 7. September 1830 in der Hauptstadt bewährt.83 Über diese unmittelbaren Erfolge hinaus bewirkte die bürgerliche Opposition längerfristig, daß in der Regierung die Einsicht in die Notwendigkeit erweiterter Selbstverwaltung und gesteigerter Partizipation des Stadtbürgers wuchs, was seinen Niederschlag in der Städteordnung von 1834 fand, die u. a. das Landtagswahlrecht auch für städtische Wahlen einführte.84 2.23. Die Protesterfolge und die Festigung des politischen Systems nach innen und außen Die Erfolge des Protests in der Stadt Holzminden waren durch kurzfristige Abhilfen im ökonomischen und Reform im politischen Bereich gekennzeichnet. Dies galt im Herzogtum Braunschweig nicht nur allgemein für die kommunale Ebene, sondern auch für die gesamtstaatliche Ebene. Nach den ersten aktionistischen Unterschichtenprotesten in Braunschweig ging die Obrigkeit bereitwillig auf die primär kurzfristig-konjunkturellen Forderungen der Demonstranten ein. Bereits am 9. September wurden in der Stadt öffentliche Arbeiten begonnen, denen bald weitere Arbeitsgelegenheiten folgten. Insgesamt bewilligte das Staatsministerium bis zum 23. September 77000 Taler für Bauzwecke, Forstkulturen und Getreideankäufe. Ferner wurden das Häuslingsschutzgeld erlassen und die Personalsteuer um 60000 Taler gesenkt.85 Damit reichte der materielle Erfolg der Aktionen über den 66 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Protestort hinaus und kam Notleidenden im gesamten Herzogtum zugute. Wie kurzfristig er allerdings gerade bei der Arbeitsbeschaffung war, dokumentierten die Protestaktionen in Braunschweig und Wolfenbüttel im Dezember/Januar 1830/31. Demgegenüber zielten die Forderungen bürgerlicher Schichten auf politische Reform ab. Nachdem sich viele Flugschriften zunächst lediglich mit der Rechtfertigung der Vorgänge unter Bezugnahme auf die Legitimität traditionellen Widerstandsrechtes im Falle der Unfähigkeit eines Fürsten beschäftigt hatten, 86 wurden zum Jahresende 1830 immer deutlicher politische Reformwünsche erhoben. Aus den Reihen der Bürgergarde stammten zwei bald verbotene »Briefe eines Braunschweiger Bürgergardisten«, die geradezu revolutionäre Vorstellungen enthielten. Für den anonymen Verfasser war mit den Revolutionen in Paris und Brüssel, Hessen, Sachsen und Braunschweig endlich das »System Metternichs« gestürzt und aufgezeigt, daß die Nationen mündig geworden seien. In Braunschweig habe das Volk mit der Waffe in der Hand den Absolutismus und die Tyrannei abgeschüttelt und selbst einen Fürsten berufen, dessen Thron ganz auf der Stärke und dem Willen des Volkes und nicht länger auf »Gottes Gnaden« beruhe; wie in Frankreich habe man nun auch hier in Wilhelm einen »Bürgerherzog« als ersten Bürger des Staates, der Rechte und Freiheiten sichern solle, die sogenannte »legitime Herrscher« noch lange dem Volk vorenthielten. Bislang hätten die Fürsten den Artikel 13 der Bundesakte einseitig zu ihren Gunsten interpretiert, jetzt müsse ihn das Volk für sich selbst nutzen. Dem Grundsatz, daß die Souveränität des Fürsten auf dem Volks willen aufbaue, müsse durch ein nach dem politischen Entwicklungsstand des Volkes von Zeit zu Zeit zu erweiterndes Wahlrecht und eine Volksrepräsentation Rechnung getragen werden, wobei für eine Adelsvertretung kein Platz mehr sei. Steuererleichterungen durch Einsparungen beim fürstlichen und adligen Aufwand, Geschworenengerichte, freie Gemeinde- und Städteordnungen sowie für Beamte und Militär die Vereidigung auf die Verfassung und den Fürsten waren weitere Forderungen, bei denen völlige Pressefreiheit einen herausgehobenen Platz einnahm.87 In gemäßigtere liberale Bahnen lenkte der Holzmindener Advokat Steinacker die Diskussion, der pragmatisch seine konkreten Verfassungswünsche an der bisherigen Repräsentation in den Ständen entwickelte; gegenüber dem ritterschaftlichen Adel hätten mittlerweile andere »Klassen von Untertanen an Wichtigkeit gewonnen«, die sich als Vertreter der »gesamten Volksmasse« fühlten. Neben einer stärkeren Vertretung der Städte strebte er eine eigene Repräsentation des Bauernstandes auf Kosten der Ritterschaft an, die ebenfalls nur noch über Deputierte vertreten sein sollte. 88 Weniger reformfreudig äußerten sich v. Bülow und Strombeck;89 als konservativer Gegenspieler bestand der Rittergutsbesitzer Grone auf starrem Festhalten an altständischen Prinzipien, ohne jedoch größere politische Beachtung zu finden.90 67 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Hinter Reformforderungen standen vor allem Teile der adlig-großbürgerlichen Schicht, die in der Bürgergarde ein Instrument besaßen, ihr politisches Gewicht zu erhöhen; denn bis zum Sommer 1831 war es der Regierung unmöglich, auf diese Ordnungsformation zu verzichten, weil immer wieder aufkommender Protest an verschiedenen Orten des Herzogtums zum Eingreifen zwang. Die sich im gesamten Herzogtum ausbildende Organisationsstruktur der Bürgergarde stärkte politisch deren Führungsspitze um den Bankier Lübbecke.91 Treffend beschrieb der Justizamtmann Scholz aus Holzminden die politische Kraft der Garde: Sie »ist übrigens das beste Mittel, Einflüsse und Kommunikation« auf breite Bevölkerungskreise auszudehnen, weil die Menge nicht selbständig urteile, sondern in ihrer Meinung den Offizieren folge. »Ist dieser ein Liberaler, so ist es die ihm untergebene Menge auch . . .; und so kann eine Gegenpotenz gegen die Regierung entstehen, die sie nur schwer oder gar nicht überwinden kann. « 92 Großen Einfluß gerade im Herbst 1830 besaß der Braunschweiger Magistrat mit dem Stadtdirektor Bode an der Spitze. Als bereits am 10. September auf Bitten der ständischen Ausschüsse Herzog Wilhelm in Braunschweig eintraf und mit Zustimmung seines Bruders die Regierungsgeschäfte vorläufig übernahm,93 gelang es Bode, sich mit seiner taktischen Marschroute bei Wilhelm durchzusetzen: Der Herzog müsse »sofort an die Spitze der Regierung treten und als engster Agnat sich des Regimes annehmen«; das Staatsministerium müsse umbesetzt werden, wobei jedoch zwei Mitglieder einstweilen ihre Positionen behalten sollten, damit in der Veränderung kein Anlaß für auswärtige Interventionen geboten werde. Ferner sollten möglichst bald die erledigten Richterstellen besetzt und die mit Wartegeld zum aktiven Dienst herangezogenen Militärs gebührend besoldet werden. 94 Bereits einen Tag später wurden nach Bodes Urteil »einsichtsvolle und redliche Männer« ins Staatsministerium aufgenommen, das nun wieder allein die Amtsgeschäfte führte.95 Als eines seiner Hauptaufgaben galt es, eine neue Verfassung auszuarbeiten und den Ständen vorzulegen. Parallel zur innenpolitischen Stabilisierung mußte das Herzogtum außenpolitisch nach den abrupten Veränderungen des politischen Systems abgesichert werden. Erste Schritte dazu unternahmen bereits am 9. September 1830 die Ausschüsse der Stände, die zur Rechtfertigung der Ereignisse beruhigende Botschaften nach Berlin, Hannover und Frankfurt schickten, in denen sie hervorhoben, daß nicht »Neuerungssucht und Ideenschwindel«, sondern die verschiedenen Gravamina Karls II. die Ursache der Unruhen seien. 96 Sowohl Hannover als auch Preußen reagierten umgehend zugunsten der in Braunschweig nun dominierenden Kräfte, da ihnen die Entwicklung im Nachbarstaat keineswegs ungelegen kam. Von Karl jahrelang brüskiert, war dem Preußischen König bei der unsicheren internationalen Lage nach den Revolutionen von Paris und Brüssel in erster Linie daran gelegen, die 68
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Ruhe in der unmittelbaren Nachbarschaft aufrechtzuerhalten. Zudem bot sich die Möglichkeit, mit der Mission Herzog Wilhelms den österreichischen Einfluß in Norddeutschland zurückzudrängen. Diesen realpolitischen Notwendigkeiten wurde die Legitimität als Ordnungsprinzip untergeordnet3;97 denn nach den Beschuldigungen gegen Karl sei dieses Prinzip nach Ansicht des Preußischen Königs auf den Herzog nicht mehr anzuwenden. »Die Regierungen, welche die Legitimität geheiligt haben, konnten diese Heiligkeit der obrigkeitlichen Rechte doch nur in Begleitung der Pflichtmäßigkeit der Achtung der bestehenden Rechte und gesetzlichen Vorschriften sowie in der Wahrnehmung der ersten menschlichen Pflichten denken wollen, und müssen nun umso schmerzlicher beklagen, wenn die Mißkennung und Verachtung jenes Grundsatzes von der Seite selbst erfolgt, zu dessen Sicherheit und Vorteil er zunächst wirken sollte. «98 Bereits Ende September erklärte Wilhelm in Übereinstimmung mit beiden Mächten und auf massiven Druck der hauptstädtischen Bevölkerung die Übernahme der Regierung »bis auf Weiteres«;99 die Rücknahme der Regierungsvollmacht Anfang November durch Karl blieb belanglos. Als einige Tage später in der Hauptstadt Gerüchte kursierten, Karl sei überraschend zurückgekehrt, versammelten sich sofort bewaffnet die Bürgergardisten und erklärten feierlich, daß sie »niemals und unter keiner Bedingung den Herzog Karl für [ihren] Landesherrn wiederum anerkennen oder seinen Befehlen Folge leisten« wollten; Wilhelm sei jetzt der rechtmäßige Landesherr. Zwei Tage danach, am 22. November, leisteten auch die regulären Truppen eigenmächtig den Eid auf Wilhelm. 100 Diesen Beispielen folgten die übrigen Bürgergarden des Landes, die von der Braunschweiger Gardenführung über mögliche Restaurationsabsichten Karls informiert und zu größter Wachsamkeit aufgefordert wurden. 101 Tatsächlich bereitete Karl einen Restaurationsversuch vor, nachdem seine diplomatischen Versuche und Vorschläge, das Herzogtum zu besetzen und gegen hannoversches Gebiet auszutauschen,102 an der Haltung Hannovers gescheitert waren. Um die Gunst der Bevölkerung zu gewinnen, erließ er mehrere Proklamationen, in denen er eine Ablösung des Zehnten und der Herrenrechte zu günstigen Bedingungen in Aussicht stellte; der »ärmeren Klasse« versprach der Herzog eine Befreiung von allen Abgaben und Steuern. Um gleichzeitig die Regierung ihrer wesentlichen Machtmittel zu berauben, erklärte Karl das Heer für aufgelöst und entließ die Offiziere und Unteroffiziere unter Fortzahlung ihres Gehalts aus dem Dienst. Zum Entzug finanzieller Ressourcen verpflichtete er alle Landesbehörden, ihre Einnahmen zurückzuhalten; die Domänenpächter sollten keine Pachtzahlungen vornehmen. Schließlich verkündete er einen allgemeinen Steuererlaß und stellte eine Amnestie in Verbindung mit Belohnungen für ihm gegenüber pflichtbewußtes Verhalten in Aussicht. Den Höhepunkt des Propagandafeldzuges bildete eine Proklamation vom 26. November 1830, durch die Karl seine letzten legitimistischen Freunde 69 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
verprellte. Darin bewilligte er die Aufhebung der Konskription, die Wahl von Vertretern der Untertanen nach der Kopfzahl, Geschworenengerichte, Ablösungen zur Hälfte ihres Wertes, freie Wahl von Beamten, Richtern und Pfarrern durch die Gemeinden, denen eigene, beträchtliche Finanzen zugeordnet werden sollten, sowie die Trennung des Domaniums vom staatlichen Eigentum samt Regalien. 103 Die Breitenwirkung dieser Versprechungen blieb allerdings gering, weil Beamte und Ortsvorsteher sowie andere Multiplikatoren die ihnen per Post zugestellten Proklamationen den Behörden ablieferten und sich der neuen Regierung gegenüber loyal verhielten. Auch Karls direkter Abgesandter zur Beeinflussung der politischen Stimmung konnte bereits an der braunschweigischen Grenze verhaftet werden. 104 Noch entschlossener bekräftigte daraufhin Wilhelm seine Absicht, die Regierung fortzuführen, »da, wie aller Welt offenkundig vorliegt, Seine Durchlaucht der Herzog Carl sich gegenwärtig außer Stande befinden, die oberste Regierungseewalt in den hiesigen Landen auszuüben«.105 Nach dieser unmißverständlichen Deklaration kam es Karl darauf an, in einem Teil des territorial zersplitterten Herzogtums Fuß zu fassen und eine Gegenregierung zu etablieren, wozu er die Unruhe im Südharz auszunutzen hoffte; zudem bot Blankenburg als zweite Residenz der Braunschweigischen Herzöge eine geeignete Umgebung für einen angemessenen Regierungssitz. Bis auf die unzufriedenen Hohegeißer erhielt er jedoch keinen Zulauf von Harzbewohnern. Trotz dieser wenig günstigen Lage und ihm zugegangener Warnungen unternahm Karl am 30. November den Versuch, die Grenze ins Braunschweigische in Begleitung einer Volksmenge zu überschreiten. Dabei stieß er auf einen Leutnant mit einem Dutzend Soldaten, die ihm energisch den Übertritt verweigerten. Als sie sogar auf ihn anlegten, zog sich der Herzog resigniert nach Osterode zurück. 106 Wiederum nahm in dieser kritischen Phase das Militär gegen Karl Stellung, der formal noch Inhaber der höchsten Kommandogewalt war. Auf ihrer Seite stand die Bürgergarde, die einige Abteilungen aus Braunschweig per Eilwagen nach Zorge entsandte, ohne jedoch in die Geschehnisse noch eingreifen zu können. 107 Diese erste schwierige Phase der Konsolidierung nach innen und außen wurde außenpolitisch erfolgreich abgeschlossen, als am 2. Dezember 1830 die Bundesversammlung Herzog Wilhelm aufforderte, die Regierung zunächst fortzuführen, damit die Ruhe aufrecht erhalten bliebe. 108 Ihr folgten agnatische Verhandlungen zwischen Wilhelm und dem König von Hannover und Großbritannien, die mit der Erklärung der Regierungsunfähigkeit Karls endeten. Unterdessen verstärkte sich der innenpolitische Druck auf Wilhelm in der Huldigungsfrage. Bürgergarden und Klubs glaubten, wie aus Braunschweig nach Berlin berichtet wurde, an der Regelung dieser Frage selbständig mitwirken zu können; sie planten eine eigenmächtige Huldigung für den Geburtstag Wilhelms am 25. April 1831. 109 Dies zu verhindern, waren sich 70 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
alle beteiligten Regierungen einig; denn: »Eine eigenwillige Huldigung von Seiten der braunschweigischen Landeseinwohner wäre nichts weiter als eine vom Volk ausgegangene Proklamation oder Wahl des Herzogs Wilhelm zum Staatsoberhaupte gewesen und hätte nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa das höchste Ärgernis gegeben.« 110 Gleichwohl müsse, wie Braunschweiger Regierungskreise betonten, die Regentenfrage dringend gelöst werden, weil die Landleute in Unkenntnis der Sachlage »renitent in der Zahlung der Abgaben« seien, was auf die Kassen ruinös wirke, zumal sie zur Abwehr von »Hungersnot« in einigen Landesteilen und zur Mobilmachung des Militärs besonders beansprucht und die Kreditwürdigkeit des Landes erschüttert seien.111 Vor die Wahl zwischen eigenmächtiger Huldigung der Bürger, deren gewaltsamer Zurückweisung, dem Verlassen des Herzogtums oder der Festsetzung des Huldigungstermins von sich aus gestellt, entschied sich Wilhelm auf preußisches Anraten mit Unterstützung des englischen Königs für die letzte Möglichkeit. Mit Verkündung des definitiven Regierungsantritts am 20. April 1831 schuf der Herzog ein Faktum, das, wie von Preußen gefordert, vom Deutschen Bund nur passiv zur Kenntnis genommen werden konnte. 112 Mit diesem Schritt war die außenpolitische Absicherung der veränderten Regierungsverhältnisse im Herzogtum Braunschweig im wesentlichen abgeschlossen und die Festigung des politischen Systems vorangetrieben. Im innenpolitischen Bereich ließ währenddessen der Reformdruck bürgerlicher Kreise auf die politische Führung nicht nach. Organisiert in Bürgergarden und politischen Klubs, forderten sie eine Verfassungsreform, die vom Staatsministerium vorbereitet wurde. Unter dem Eindruck des Göttinger Revolutionsversuchs im Januar 1831 und des bevorstehenden Zusammentritts der hannoverschen Stände im März wollte die braunschweigische Regierung den Entscheidungsprozeß beschleunigen, da sie die »liberale, ja man kann sagen demokratische Tendenz in Zweiter Kammer« des Nachbarlandes und ihren Einfluß auf die eigenen Stände fürchtete.113 Dennoch flaute das gerade erst geweckte politische Interesse im Herzogtum bis zum Sommer 1831 deutlich ab; mit Bekanntwerden des Verfassungsentwurfs, der der Landschaft bei ihrem Zusammentritt am 30. September vorgelegt wurde, regte sich wieder kurzfristig lebhaftere politische Teilnahme. Über 5000 Personen setzten sich in Petitionen für eine grundlegende Veränderung der bisherigen Repräsentanz ein. 114 Auch bei öffentlichen Gelegenheiten wurde dafür demonstriert. So bedachten beispielsweise Zuschauer einer Aufführung im Hoftheater adelsfeindliche Passagen absichtsvoll mit heftigem Beifall und forderten immer wieder das Abspielen der Marseillaise, die beim anschließenden Straßentumult ebenfalls lauthals gesungen wurde. 115 Im Herbst 1832 konnte schließlich das Staatsgrundgesetz verabschiedet werden, das den Anschluß des Herzogtums an die konstitutionellen süddeutschen Verfassungen herstellte.116 Fortan bestand die Landschaft nur noch © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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aus einer Kammer mit zu Lasten der Ritterschaft verstärkter Repräsentanz von Bauern und Bürgern; ihr wurden die Gesetzesinitiative und eine starke Stellung im Bereich der Finanzwirtschaft zugebilligt3. In einem Finanznebenvertrag konnte die Trennung des fürstlichen vom Staatshaushalt durchgesetzt werden. 117 Diese Verhandlungsergebnisse erregten in der politischen Öffentlichkeit jedoch kaum besondere Aufmerksamkeit; sie wurden eher beiläufig zur Kenntnis genommen. 118 Auf so veränderter Verfassungsgrundlage wurden in den folgenden Jahren wichtige Innovationsmaßnahmen eingeleitet; zu nennen waren vor allem eine Städteordnung zur Stärkung der Selbstverwaltung und Ausweitung kommunaler Partizipation sowie eine an der Erhaltung eines mittelständischen Bauerntums orientierte Ablösungsordnung und eine Gemeinheitsteilungsordnung.119 Gleichzeitig gelang es der Regierung, nach ihrer Disziplinierung und Integration die Bürgergarde als potentiell selbständigen politischen Ordnungsfaktor auszuschalten. Kurzfristig flammte zwar das Engagement für die Garde bei der Diskussion um die Städteordnung noch einmal auf, der Herzog lehnte jedoch eine von einigen Landschaftsmitgliedern geforderte Kommandogewalt der Magistrate über die bewaffneten Bürger kategorisch ab. Sang- und klanglos löste sich die Bürgergarde im Herbst 1835 schließlich auf, nachdem sie seit längerer Zeit mit wachsender Dienstmüdigkeit angesichts ausbleibender Herausforderungen hatte kämpfen müssen.120 Damit war eine quasi extra-konstitutionelle Institutionalisierung von politischer Macht aufgegeben und das Gewaltmonopol des Staates in vollem Umfang wiederhergestellt, das im September 1830 so fundamental erschüttert worden war. Als wichtiger Partner von Fürst und Regierung in der inneren Folgekrise und bei der außenpolitischen Absicherung bis zum Frühjahr 1831 interpretierten bürgerliche Schichten den Volksprotest in ihrem politischen Interesse und unternahmen erfolgreich den Versuch, den Druck von unten, das für viele erschreckende Erlebnis von Massenaktionen und die Erinnerung an die permanente Möglichkeit der Wiederholung derartiger Ereignisse, in einen Verfassungskompromiß mit den traditionellen Gewalten umzusetzen. Von dem politischen Machtzuwachs des Bürgertums profitierte schließlich eine weitere soziale Schicht: Die Bauern hatten sich in keiner Weise als Träger aktionistischen Protests im Herbst und Winter 1830 besonders hervorgetan und für eine durchgreifende Veränderung der feudalen Besitz- und Verfugungsstrukturen aktiv eingesetzt. Die Initiative zur Ablösungsordnung ging vielmehr von der aufgeklärten Bürokratie und bürgerlichen Ständemitgliedern aus, die seit längerem ein solches Programm vertraten und es nach 1830 zusammen mit Gemeinheitsteilungsregelungen in Gesetz umsetzten. Auf diese vermittelte Weise bewirkte der Volksprotest schließlich doch revolutionäre Folgen mit Bürgern und Bauern als längerfristigen Hauptnutznießern. Die eigentlichen Hauptträger der Protestaktionen, die Unterschich72 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
ten, wurden dagegen mit kurzfristigen Abhilfen bei den schwerwiegendsten aktuellen Mißständen abgefunden. Im politischen Prozeß wurde ihre Unzufriedenheit von Bürgertum und Adel als Mittel zum Zweck benutzt, eigene politische Interessen als vermeintlich angemessenen Beitrag zur künftigen Erhaltung von Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung weiterer Volksproteste gegenüber dem Herzog und seiner Regierung durchzusetzen. Die Erstürmung des Braunschweiger Schlosses als Höhepunkt des kurzfristig-konjunkturell verursachten Protests zusammenfassend als Revolution anzusehen, erscheint allein schon deshalb verfehlt, da die Akteure mit ihren Protesten keine grundlegende Veränderung der sozialen und politischen Strukturen anstrebten, sondern lediglich Versäumnisse des Herzogs und seiner Regierung bestrafen und kurzfristige Abhilfemaßnahmen in einer Notsituation durchsetzen wollten. Nicht Revolution, sondern Demonstration konkreter Forderungen und Rache am Eigentum des Schuldigen waren die Motive der Protestierenden. Die sozial verursachte Unzufriedenheit der Unterschichten entwickelte sich parallel zur primär politisch motivierten Unzufriedenheit bei Bürgern und Adligen. Beiden Prozessen gemeinsam war, daß sie die Legitimität der Herrschaft Karls II. untergruben und jeweils im Tyrannei-Vorwurf gipfelten. Ihre zeitliche Überlagerung und möglicherweise gegenseitige Verstärkung machten die Brisanz der Tage vom 6. bis 10. September 1830 aus. Von den Akteuren auf dem Schloßplatz kaum beabsichtigt, versetzte der soziale Protest das politische System in Handlungsunfähigkeit, die dem Bürgertum und einigen politisch bewußten Führern die Chance bot, das entstandene Machtvakuum auszufüllen. Entschlossen übernahm der Braunschweiger Magistrat die Funktion der Regierung und formierte eine Koalition aus dem Militär als Teil des traditionellen Machtapparates und den bewaffneten Bürgergarden als Bestandteil der politisch nach größerer Teilhabe drängenden Schichten. Zur Sicherung öffentlichen und privaten Eigentums und Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung wandte sich die Bürgergarde dann gegen jeden weiteren Volksprotest, wodurch sie sich nachdrücklich dem die Regierungsgeschäfte übernehmenden Herzog Wilhelm als verbündete Ordnungskraft empfahl. Diese Doppelfunktion der Bürgergarden als politischer Gegner von Fürstenallmacht und als Ordnungsformation gegen die vermeintlich zerstörerischen Regungen des »Pöbels« fand ihren Ausdruck in zahlreichen Selbstzeugnissen des Bürgertums, die die Bedeutung des Unterschichtenprotests für die eigene politische Stärkung völlig ignorierten.121
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2.3. Revolutionäre Auflehnungsversuche im Königreich Hannover 2.3.1. Die soziale und politische Situation im Herbst 1830 Das Königreich Hannover schien die allgemeine soziale und politische Unruhe des Herbstes 1830 bereits ohne größere Erschütterungen überstanden zu haben, als zu Anfang des Jahres 1831 in Osterode und Göttingen Auflehnungsversuche unternommen wurden. Im Gegensatz zum benachbarten Herzogtum Braunschweig verliefen äußerlich die 1820er Jahre in Hannover ruhig. Gegen Ende des Jahrzehnts machten sich allerdings vereinzelt Stimmen bemerkbar, die Reformen der überkommenen ökonomischen und sozialen Strukturen befürworteten. Insbesondere in Göttingen fühlten sich die Bürger gegenüber zwanzig anderen hannoverschen Städten benachteiligt, weil bei ihnen keine reformierte Stadtordnung von der Regierung eingeführt worden war. In einer Petition mit 300 Unterschriften setzten sie sich 1829 für eine Ausweitung ihrer kommunalen Beteiligungsmöglichkeiten ein. Ehe die Bitte jedoch die zuständigen Stellen erreichte, wurde sie von der Polizei unterdrückt; große Erbitterung bei den Petenten war die Folge.1 Was für politische Forderungen 1829 noch möglich schien, konnte nach der zweiten Mißernte 1830 im sozialen Bereich nicht mehr praktiziert werden: die Artikulation der Bedürfnisse und Wünsche breiter Bevölkerungskreise, die teilweise in akute Not geraten waren, ließ sich nicht länger administrativ auf lokaler Ebene verhindern. Zudem gaben die französische Julirevolution sowie die Unruhen in Braunschweig und Kurhessen Beispiele verwundbarer Herrschaftsstrukturen und ansatzweise erfolgreicher politischer und sozialer Interessendurchsetzung, die großen Demonstrationseffekt ausübten. Jetzt gelangten Bittschriften in zunehmender Zahl an die Behörden,2 ohne daß die Regierung durch entsprechende Handlungen der Offizianten zu erkennen gab, daß die Wünsche im politischen System bearbeitet würden oder bestimmte Aktionen als ihre Erfüllung zu interpretieren seien. Die unruhige Stimmung war allgemein. Das Amt Westerhof berichtete, es sei unmöglich, »die Gedanken des Landmannes« länger in seiner »häuslichen Sphäre zu erhalten«;3 nach Meinung des Advokaten König, der die »Achtung des Volkes in Osterode« genoß,4 sei seit geraumer Zeit der Bauer »kein ungeschlachtetes Tier mehr«, sondern habe »sich auch zur gebildeten und zivilisierten Menschheit« erhoben. Er denke und frage sich: »Ist das auch Recht?« Dann komme er zu dem Schluß, daß die Dienst- und Abgabenverpflichtungen sich momentan als Existenzgefährdung erwiesen, die nur durch eine »Radikalkur« mit einer Umverteilung der finanziellen Belastung und Veränderung der politischen Repräsentation zugunsten des Bauerntums, das sich immer noch als »Leibeigene« »an die Erbscholle geschmiedet« fühle, zu beseitigen sei.5 Trotz der angespannten ökonomischen Lage auf dem Land, vor allem im 74 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Osnabrück'schen und Teilen Ostfrieslands, wo arbeitslosen Heuerleuten die Kornverteuerung besonders zu schaffen machte, blieb es jedoch relativ ruhig; viele Betroffene suchten durch verstärkten Forst- und Jagdfrevel sowie in organisierten Diebes- und Schmugglerbanden ihre Situation erträglicher zu gestalten.6 Häufiger trat Protest städtischer Gruppen auf Nachdem bereits im Juli 1830 beispielsweise in Hildesheim eigenmächtige Gildeversammlungen zur Beratung der spezifischen Probleme ihrer Mitglieder abgehalten worden waren, 7 griffen einzelne Berufsgruppen zur Selbsthilfe, um ihre bedrohte soziale Lage zu sichern: In Lüneburg murrten die Schiffer ebenso wie in Harburg, wo sie in großem Ausmaß Schmuggel betrieben; Hildesheimer Schuster lehnten sich gegen einige Kaufleute auf, die auswärts gefertigte Schuhe verkauften; in Goslar bestand ein »Komplott« unter den »Handarbeitern« gegen Arbeiter aus dem Braunschweigischen. In Hildesheim zogen Tischler und Schlosser im November auf eine Baustelle vor den Toren der Stadt und zerstörten dort sämtliche Tischlerarbeiten, die der Bauherr an Auswärtige vergeben hatte; durch die Sachzerstörung wollten sie gegen Verletzung ihrer Gerechtsame demonstrieren und aktiv die geographischen Grenzen ihrer Arbeitsbefugnis aufzeigen.8 Darüber hinaus protestierten nicht eindeutig sozial differenzierbare Menschenmengen gegen Offizianten und deren Amtsführung. In Uelzen warfen sie dem Torschreiber die Fenster ein, nachdem ein Steueroffiziant Waren beschlagnahmt hatte.9 Bedrohlich erschien der Obrigkeit das Vorhaben einiger Hundert Unzufriedener in der Hauptstadt, das Kornmagazin zu erbrechen; militärisches Einschreiten verhinderte die Aktion, so daß den Unmut über zu hohe Kornpreise lediglich ein Branntweinbrenner zu spüren bekam. 10 Überall tauchten anonyme Maueranschläge auf, die die Nöte der Bevölkerung dokumentierten; zusammen mit dem Verlangen nach ›wohlfeilen‹ Lebensmitteln und Herabsetzung des Abgabendrucks wurden in den Parolen die vermeintlich Schuldigen der Misere benannt und emotional bestimmte Wege zur Beseitigung der Bedrückungen und zur Bestrafung ihrer sozialen Träger aufgezeigt: »Nieder mit der Mahl- und Schlachtsteuer! Sonst wollen wir allen Adligen die Häuser abbrennen!« - »Weg mit der Steuer! Es lebe die Freiheit!« oder »Mitbürger! Es lebe Wilhelm IV. in unserer Mitte; es lebe die Freiheit! Nieder mit dem Erzadel; nieder mit der Mahlsteuer!« - Außer dem Adel wurden immer wieder Magistrate, Militär und Juden als Verantwortliche genannt, gegen die man vorgehen müsse; die empfohlenen Mittel reichten von der vagen Vorstellung der Abhaltung einer Volksversammlung bis zur Anweisung, Schlösser und Rathäuser zu stürmen. Insgesamt bezogen sich alle Wünsche, Forderungen und Aktionen auf die konkrete Lebenssituation; ebenso wie die Artikulationsformen blieb auch die Motivation in traditionellen Bahnen. So richtete sich keine Kritik gegen den König selbst, der in der Tradition mittelalterlichen Widerstandsdenkens als an sich gut und schuldlos dargestellt wurde; er erschien ganz als Opfer des 75 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
böswilligen Adels und der mit diesem verbündeten Bürokratie, die die gerechten Beschwerden der Bevölkerung unterdrückte. Wenn nur erst der dem Volke böswillig entfremdete König von den Nöten erführe, werde er sofort Abhilfe schaffen.11 Durchgängig erfolgte die Artikulation der Unzufriedenheit in relativ engen sozialen Grenzen und auf lokaler Ebene, so daß daraus keine außergewöhnliche Bedrohung für die Regierung erwuchs. Die Isoliertheit des Einzelfalles erleichterte die Reaktion, die mit Kornunterstützung, öffentlichen Arbeiten und Abgabenerleichterungen eingeleitet wurde. Regionale Schwerpunkte bildeten dabei insbesondere nach Ausbruch der Göttinger Unruhen die Landdrosteien Osnabrück und Ostfriesland, in denen nur wenig Ordnungskräfte zur Verfügung standen. Hier sollte vor allem die traurige Lage der landlosen Arbeiter gemildert werden, die sich der Aufmerksamkeit der Behörden erfreuten, weil gerade die unterbäuerlichen Schichten ihrer Meinung nach in Krisenzeiten eine große Gefahr für Ruhe und Ordnung darstellten.12 Gleiche Ziele verfolgte die Regierung in der traditionellen Sonderregion des Harzes; denn sie meinte, daß die »eigene direkte Wohlfahrt aller Harzbewohner und besonders aller Lohn empfangenden herrschaftlichen Arbeiter und Aufseher es diesen höchst rätlich erscheinen lassen muß, jede Unordnung und Störung des ruhigen Haushaltsgangcs aufjede Weise, soviel an ihnen selbst ist, zu vermeiden«. 13 Auch in der Hauptstadt Hannover kam es den Behörden darauf an, durch Hilfsmaßnahmen Unzufriedenheit zu dämpfen.14 Um jeden Anlaß zu Protest möglichst zu vermeiden, forderte die Regierung ihre Beamten auf, alle Handlungen zu unterlassen, die die Gemüter weiter erhitzen und Unruhen provozieren könnten. Zurückhaltendes Benehmen und schonendes Vorgehen bei der Abgabenerhebung wurden als Verhaltensmaximen ausgegeben. Selbst gegen die Errichtung von Bürgergarden in den Städten hatte das Ministerium »an und für sich« nichts einzuwenden, doch sollte ein solcher Schritt die Ausnahme bleiben für solche Orte, wo kein Militär stationiert sei oder aus der Umgebung schnell herbeigeschafft werden könne. Die jeweilige Beurteilung der Opportunität wurde dem Landdrosten überlassen, der streng auf die soziale Zusammensetzung einer Garde achten sollte. 15 Parallel zur defensiven Haltung der zivilen Behörden traf die Regierung umfangreiche militärische Vorbereitungen, um innere Unruhen sofort im Keim ersticken zu können. Unter dem öffentlich verbreiteten Vorwand, das Königreich vor Übergriffen aus dem von Protest erschütterten Hessen schützen zu müssen, wurde im Oktober 1830 ein umfangreiches Truppenkorps in den südlichen Landesteilen zusammengezogen. Lediglich die Kommandeure erhielten geheime Instruktion, daß die sog. Observations-Division die Hauptaufgabe habe, »Ruhe und Ordnung in den von ihr besetzten Landesteilen nötigenfalls mit bewaffneter Hand aufrecht zu erhalten . . .« Außerdem erhoffte sie sich von frühzeitiger Einberufung, die Soldaten gegen die Gärung im Lande zu immunisieren.16 76 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
2.3.2. Die politische Herausforderung des Osteroder ›Gemeinderates‹ Die allgemeine Stimmung wurde auch von einer Gruppe Göttinger und Osteroder Advokaten aufmerksam beobachtet,3 die sich im November zu gemeinsamen Beratungen in Northeim trafen. Der eigentliche Anlaß der Zusammenkunft, die Organisierung eines Advokatenvereins, geriet bald in den Hintergrund; den Schwerpunkt bildete die politische Diskussion, wobei beim zweiten Treffen im Dezember sogar Aktionen für den Fall eines Ausbruches von Unruhen besprochen wurden. 17 Um die Jahreswende veröffentlichte ein Teilnehmer, der Osteroder Advokat König, anonym eine Flugschrift »Anklage des Ministeriums Münster vor der öffentlichen Meinung«, mit der er die allgemeinen Unmutsgefühle in verständlicher Form zusammenfaßte und auf politische Objekte lenkte. Darin brandmarkte er unter dem Motto »Wilhelm, unser Bürgerkönig, weiß nichts davon« die nach 1813 restaurierte feudale Gesellschafts- und Herrschaftsstruktur und übte schärfste Kritik am ausbeuterischen Finanzsystem mit seinen anachronistischen Zehntabgaben und Herrendiensten. Geschickt brachte der Autor alle Fehlentwicklungen und Bedrückungen mit dem Grafen Münster und seinem Ministerium in Verbindung, »welches die Hannoveraner seit 16 Jahren unumschränkt und willkürlich regiert« habe. Mit Münster als Symbolfigur wurde unausgesprochen der dominierende Adel mit seiner Privilegiensucht, der als einzige Gruppe von der Restauration profitiert habe, vor der Öffentlichkeit angeklagt. 18 Diese Personalisierung von Ursachen entsprach dem Bewußtseinsstand breiter Bevölkerungskreise im Vormärz; sie erklärte den großen Erfolg der Schrift. In der Sylvesternacht vom Advokaten Freytag öffentlich in Osterode vorgetragen, erregte sie sofort große Aufmerksamkeit. Zunächst handschriftlich, wenig später gedruckt, erlebte die Flugschrift besonders im südlichen Landesteil eine weite Verbreitung, die durch Gegendarstellungen der Regierung und des Grafen Münster noch erhöht wurde. 19 Die Anklage-Punkte bildeten die politische Grundlage des Osteroder Auflehnungsversuches vom 5. Januar 1831: eine Bürgerversammlung bestimmte durch »freie, ungebundene, offene und laute Wahl« einen »Gemeinderat«, der »Mittel zur Aufhebung des Drucks suchen und finden« werde; er erhielt die Aufgabe, »unserem vielgeliebten Könige Wilhelm IV. und dessen erhabenem Stellvertreter, Herzog von Cambridge, unsere verzweiflungsvolle Lage vorzustellen«. - Die Osteroder vertrauten den Behörden, voran der Landdrostei, nicht mehr, weil sie bislang auf verschiedene Darlegungen der Notlage jede Antwort schuldig geblieben seien; darüber hinaus könnten sie den Schutz der Person und des Eigentums nicht gewährleisten. Aus diesem Argument - sei es lediglich Vorwand oder Ausdruck eines tatsächlichen Bedrohungsgefühls - leitete der ›Gemeinderat‹ die Notwendigkeit der Bildung einer ›Kommunalgarde‹ ab. 20 Wenngleich die politische Zielebene der Aktionen nicht mit letzter Sicher77 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
heit zu klären ist, scheint der Protest doch völlig systemimmanent gemeint gewesen zu sein: »Bürger! Treu und beharrlich wollen wir nach Abstellung des Notstandes und nach Erhaltung der Ordnung streben. Es lebe unser vielgeliebter König Wilhelm IV.!« - Nicht landesweite Revolutions- oder Umsturzabsichten kamen in den Verlautbarungen und Aktivitäten zum Ausdruck, sondern der Wunsch nach Einleitung von Reformen auf kommunaler Ebene. In naiver Fehleinschätzung der Reaktion der Regierung in Hannover machte der aus Handwerksmeistern, Gewerbetreibenden und Advokaten bestehende ›Gemeinderat‹ der Landdrostei von seiner Existenz und seinen guten Absichten Mitteilung in der Hoffnung, als Bürgervertretung akzeptiert zu werden. 21 Obwohl er sich keinerlei Kompetenz gegenüber den ordentlichen Behörden anmaßte und die ›Kommunalgarde‹ noch gar nicht formiert war, 22 genügte der Obrigkeit die bloße organisierte Artikulation von reformerischen Bürgerinteressen zusammen mit grob übertreibenden Meldungen des Osteroder Bürgermeisters über angebliche Absichten, das Volk zu Gewalt verleiten zu wollen, um mit einer ansehnlichen Militärmacht in die Harzstadt einzurücken. Ohne den geringsten Widerstand der Bevölkerung löste der aus Hildesheim herbeigeeilte Landdrost den ›Gemeinderat‹ auf und verhaftete die Advokaten König und Freytag. Die Einwohner verhielten sich gegenüber dem Militär so friedlich, daß der Oberbefehlshaber der jetzt erstmals nach innen eingesetzten Observations-Division sich sogar »für die gute Aufnahme der Truppen . . . sowie für die Ruhe und Ordnung« bedankte.23 Nach Gervinus' Urteil konnte damit die »Eigenmacht der Wohlgesinnten« leicht »im Guten auf den gesetzlichen Weg« zurückgebracht werden; ob die Bürger die regelmäßigen Behörden tatsächlich hatten ablösen wollen, wie in der »Augsburger Allgemeinen« angenommen wurde, blieb fraglich. Die Nichtbeachtung ihrer Notlage ließ sie zu ungewöhnlichen Mitteln Zuflucht nehmen; offenbar war aber auch der ›Gemeinderat‹ prinzipiell entschlossen, am petitionistischen Weg festzuhalten.24 2.3.3. Der Göttinger Auflehnungsversuch 2.3.3.1. Autoritätsverlust und Entmachtung der Lokalbehörden Trotz ihres sofortigen Einsatzes kamen die Truppen zu spät, um noch zu verhindern, daß die Göttinger Freunde Freytags und Königs am 6. Januar von dem bis dahin erfolgversprechenden Osteroder Unternehmen Nachricht erhielten.25 Die im Herbst 1830 geknüpften Verbindungen dienten jetzt als Nachrichtenkanal zur beabsichtigten Abstimmung des Vorgehens. Allerdings hatte dies das militärische Eingreifen in Osterode bereits in dem Moment unmöglich gemacht, als die Mitteilung ihre Adressaten in Göttin78 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
gen erreichte. In der Universitätsstadt verabredeten die Teilnehmer der vormaligen Advokatentreffen ihre Protestaktion für den kommenden Samstagvormittag, wenn der dann abgehaltene Markt günstige Voraussetzungen bot, um für eine Demonstration gegen die verschiedensten Bedrükkungen schnell eine beachtliche Anzahl von Anhängern, Sympathisanten und Neugierigen zu mobilisieren. Die allgemeine Stimmung in der Universitätsstadt war aufgeregt seit der Kassierung der erwähnten Petition durch die Polizei. Wie überall hinterließ die ökonomische Krise von 1830 auch hier ihre Spuren. Im Vergleich zu den nördlichen Regionen des Königreichs bestand in den südlichen Landesteilen ein ungünstigeres Verhältnis von Handwerkereinkommen und Kornpreisen, das sich in Teuerungsjahren drastisch bemerkbar machen mußte. Darüber hinaus herrschte in der Stadt Mangel an Arbeitsgelegenheiten, der häufig Klagen über das angeblich zu großzügig gehandhabte Konzessionswesen als Hauptursache der Misere hervorrief Auch eine andere, für die Einkommenssituation der Bevölkerung wichtige Einnahmequelle hatte sich seit den ausgehenden 1830er Jahren nicht wie erwartet entwickelt: die Zahl der Studenten war spürbar zurückgegangen; über 500 Zimmer sollen 1830 unvermietet geblieben sein, was die Mietpreise stark herabdrückte und die Einkommenssituation vieler Familien erheblich beeinträchtigt haben dürfte.26 Als in dieser angespannten Lage ein Justizrat im Oktober 1830 zur Überwindung der Krise »Deutschlands Erlauchten Souveränen« eine noch stärkere Hinwendung zum Adel empfahl, blieb die Reaktion der Bevölkerung nicht aus; ein ›Pereat‹ mit ›Fenster-Musik‹ als üblicher Ausdrucksform der Mißbilligung wurde ihm dargebracht.27 Zwei weitere Protestereignisse waren symptomatisch für die Situation in Göttingen. Die Schwäche der lokalen Ordnungskräfte demonstrierte die straflose Befreiung eines Burschenschaftlers aus dem Konzilienhaus im Dezember 1830. Nachdem 350 Studenten in einer Petition vergeblich die Entlassung ihres Kommilitonen aus dem Konzilienhaus gefordert hatten, schritten sie noch am selben Abend zur Selbsthilfe und befreiten ihn gewaltsam. Die Obrigkeit fühlte sich derartig in die Defensive gedrängt, daß sie keinen erneuten Verhaftungsversuch des Studenten wagte, »weil nun«, wie der Prorektor fürchtete, »zu erwarten steht, daß er in der nächsten Nacht wieder befreit werden würde, wir aber ohne alle ausreichende Mittel sind, unsere Autorität aufrechtzuerhalten«.28 - Wie gering das Protestrisiko war, erfuhren Bürger und Studenten in der Neujahrsnacht, als sie einem Justizbeamten und einem des Kornwuchers verdächtigten Kaufmann eine ›FensterMusik‹ bereiteten, bei der Ordnungskräfte sich nicht einmal sehen ließen.329 Diese Zwischenfalle waren bemerkenswert, weil im Gegensatz zum sonstigen Spannungsverhältnis30 zwischen Bürgern und Studenten dabei gemeinsames Handeln beider Gruppen sichtbar wurde. Ferner verdeutlichten die Protestobjekte den engen Zusammenhang von wirtschaftlichen und 79 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
politischen Anliegen, der einige Tage später erneut gemeinsames Handeln beider Gruppen ermöglichte. Im akademischen Bereich bewegte in diesen Monaten das Druckverbot einer bereits gehaltenen Vorlesung des Privatdozenten Ahrens die Gemüter, in der er die politische Ausgestaltung des Deutschen Bundes kritisch untersuchte. In der Presse griffen Rauschenplat und Schuster den Senat wegen dieser unerträglichen Einschränkung der akademischen Freiheit heftig an; die Obrigkeit antwortete mit einem Verweis und der Mitteilung, daß die beiden Kritiker aufgrund ihrer Äußerungen keine Aussicht auf Anstellung im Staatsdienst besäßen.31 Über den Zensurstreit hinaus waren die drei Dozenten bemüht, durch die Gründung eines Leseklubs im Herbst 1830 den politisch interessierten Studenten ein Forum zu verschaffen, wo bald über 200 Kommilitonen die aktuelle Situation und deren politische Veränderungsmöglichkeiten besprochen haben sollen.32 Die politische Aktivität der drei beschränkte sich keineswegs auf die Studenten als einzige Zielgruppe. Noch am 3. Januar 1831 hielten sie eine Versammlung in einem Wirtshaus unter Beteiligung zahlreicher Bürger ab, auf der eine Petition diskutiert und die vage Möglichkeit der Errichtung einer Nationalgarde erörtert wurden. Konkrete Planungen resultierten daraus jedoch nicht.33 Als nun am 7. Januar sich Gerüchte über eine Einberufung der Garnison und eine beabsichtigte Verhaftung der mit den Osterodern in Verbindung Stehenden verdichteten, drängte die Zeit. Da den Behörden die politischen Aktivitäten vor allem der Privatdozenten nicht verborgen geblieben waren, standen Rauschenplat und seine Freunde unvermittelt vor der Alternative, sich der drohenden Arretierung durch Flucht zu entziehen oder zu versuchen, eine zahlreiche Anhängerschaft zu mobilisieren und die Behörden durch Demonstration der Unterstützung ihrer Anliegen in der Bevölkerung von ihrem Vorhaben abzuschrecken. Im Vertrauen auf den gerade in den letzten Wochen erlebten Zulauf von Studierenden und Bürgern entschieden sie sich zur Aktion, die für den nächsten Mittag verabredet wurde. Pünktlich um 12 Uhr, der samstägliche Markt wurde gerade beendet, zog ein bewaffneter Bürgertrupp unter Anführung der Prokuratoren Eggeling und Laubinger sowie des Advokaten Seidensticker vor das Rathaus, wo die Polizeikommission gerade tagte. Eine Abordnung drang in deren Sitzungszimmer vor und verlangte durch ihren Wortführer Eggeling den Rücktritt des allgemein verhaßten Polizeikommissars Westfal sowie die Errichtung einer bewaffneten Garde zum Schutz der Bürger. Ferner trugen die Eindringlinge ihre Absicht vor, den König um eine neue Verfassung gemäß dem hessischen Vorbild zu ersuchen.34 Die Forderungen nach verfassungspolitischem Wandel sowie nach Erleichterungen für den Landmann seien, wie die Polizeikommission berichtete, von den »Höhergebildeten« in der Abordnung vorgetragen worden, wohingegen die übrigen auf Herabsetzung der städtischen Abgaben gedrängt hätten.35 80 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Während sich noch die Ablösung des Polizeikommissars vollzog, liefen vor dem Rathaus, begünstigt durch die Marktsituation, viele Neugierige und bereits bewaffnete Bürger zusammen, denen sich zahlreiche Studenten zugesellten. Letztere vor allem waren sofort zur Organisation einer bewaffneten Macht bereit, die nach innen den Schutz des Eigentums aufrechterhalten und nach außen das Einrücken von Militär in die Stadt verhindern sollte. Bis zum Abend bekundeten nach Angaben einer Proklamation 2000 Bürger und 500 Kommilitonen ihren Willen zur Bildung einer Nationalgarde.36 Bei der Wahl ihres Befehlshabers traten allerdings unerwartete Schwierigkeiten auf, weil der angesehene Hofrat Langenbeck, dem dieses Amt auf einer Volksversammlung angetragen werden sollte, sich dem akademischen Senat und dessen Beschluß verpflichtet fühlte, die Studenten aus der Aktionsgemeinschaft mit den Privatdozenten und den Bürgern herauszulösen. Sie sollten zur Stützung der alten Behörden eingesetzt werden. Dagegen erhob sich verbreiteter Widerspruch im Auditorium; vielmehr sollte gemeinsam gehandelt und Eingriffen von außen Widerstand geleistet werden. Da der Hofrat diesem Konsens nicht Rechnung tragen wollte, wurde Rauschenplat zum Führer der zu bildenden Nationalgarde gewählt, die aus einer Garde der Bürger unter Seidensticker und einer akademischen Garde mit dem Privatdozenten Schuster an der Spitze bestand. Gegen den Willen der schwachen Garnison besetzten bewaffnete Studenten noch am selben Abend die Tore, 37 wobei sich besonders Burschenschaftler hervorgetan haben sollen.38 Gemeinsame Umzüge durch die festlich illuminierte Stadt steigerten die allgemeine Euphorie und bekräftigten die beabsichtigte Einheit von Bürgern und Studierenden; Musik und Gesang befriedigten die folkloristischen Erwartungen der Teilnehmer und Zuschauer. Abwechselnd sang man die ›Marseillaise‹ und die ›God Save the King‹, eine erstaunliche Mischung von Revolutionshymne und Bekenntnis zum König, die charakteristisch für das politische Selbstverständnis der Demonstranten war. Dem Osteroder Beispiel folgend, konstituierte sich am 9. Januar ein ›Gemeinderat‹, der in seinen politischen Zielen jedoch über sein Vorbild hinausging. Er sollte neben Beschwerden an den König vor allem die Wünsche nach einer »vollkommen freie(n) Verfassung« vortragen, die »andere Länder und namentlich unsere Nachbarn« bereits erlangt hätten. Wie die Osteroder die Göttinger ermuntert hatten, forderten diese nun alle anderen Orte des Königreiches auf, es ihnen gleich zu tun und mit der Universitätsstadt »zur Erreichung des allgemeinen Zwecks in Kommunikation« zu treten.39 Nicht durchsetzen konnten sich offenbar in diesem Moment diejenigen, die per Bekanntmachung konkrete Beschwerdepunkte und Abhilfeforderungen, u. a. die unentgeltliche Aufhebung aller bäuerlichen Lasten und die Entschädigung der Gutsbesitzer aus Domänenbesitz, artikuliert sehen wollten. Dennoch wurden auf dem umgebenden flachen Land viele Sympathi© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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santen gewonnen, was militärisches Einschreiten gegen die Städter in den Augen des auf einen gewaltlosen Ausgang bedachten Magistrats als übergroßes Risiko erscheinen ließ. Die »Volksbewegung« habe einen allgemeinen Charakter angenommen und stehe »mit dem platten Land in Verbindung«; unbedachtes Handeln würde sofort »die Masse der bewaffneten Bauern in die Stadt führen«, berichtete er nach Hannover. Zudem gehe die Nationalgarde bei Erhaltung von Ruhe und Ordnung »mit vieler Mäßigung zu Werke«, so daß eine militärische Intervention die zu allem entschlossenen Bürger und Studenten unnötig provoziere.40 Tatsächlich schritten die neuen Machthaber gegen Übergriffe des »Pöbels« energisch ein, der die Aufhebung der alten Machtstrukturen zum Angriff auf das Haus eines Kornhändlers und des abgesetzten Polizeikommissars nutzen zu können glaubte. 41 Mit der faktischen Ausschaltung des Magistrats und der traditionellen Ordnungskräfte bis zum 9. Januar erreichte der Auflehnungsversuch, der sich in vieler Beziehung von gewöhnlichem vormärzlichen Protest unterschied, seinen Zenit. Im Königreich Hannover blieb Unterschichtenprotest sozial und geographisch isoliert und vorwiegend auf kleinere Provinzstädte mit unteren Verwaltungsfunktionen sowie auf einige Landstädte begrenzt. Dazu trug nicht zuletzt das angestrengte Bemühen der Regierung und der Mittelbehörden im Herbst 1830 bei - verstärkt durch den Schrecken der Braunschweiger Unruhen-, dem Umschlag von sozialer Unzufriedenheit in kollektiven Protest entgegenzuwirken. Die ergriffenen traditionellen Abhilfemaßnahmen kamen durchaus den Erwartungen breiter Bevölkerungskreise entgegen; eine bewußt schonende Abgabenerhebung leistete ihren Beitrag zur präventiven Protestabwehr. Inwieweit die Repressionsvorbereitungen der Regierung abschreckend wirkten, muß offenbleiben; allerdings zogen die zahlreichen Einberufungen zum Militär gerade aus den westlichen und nördlichen Landesteilen Protestpotential zeitweise ab. Schließlich blieb ein Anlaß aus, der breite Bevölkerungsschichten empört und Gcmeinschaftshandeln hätte initiieren können. Bis zu einem gewissen Grade ersetzte ihn die ›Anklage des Ministeriums Münsten, die zumindest indirekt den Diskussionen der Osteroder und Göttinger Advokaten entsprang. Ihre Planung der Auflehnungsversuche ersetzte die Initialzündung des Unterschichtenprotests, der im benachbarten Braunschweig die Protestlawine ausgelöst hatte, zweifellos begünstigt durch die Hauptstadtfunktionen des Protestortes. Den Verschwörern kam in beiden hannoverschen Städten ihre große Bekanntheit sowohl durch ihre berufliche Funktion als auch durch ihre politische Agitation zustatten, die ihnen im entscheidenden Moment die Bildung einer Anhängerschaft erleichterte. Die Advokaten und Universitätslehrer traten an die Spitze der Bürger, die durch das aufsehenerregende Eindringen weniger Akteure ins Rathaus und durch die Bildung eines ›Gcmeinderats‹ mobilisiert wurden. Ihre Protestziele zeichneten sich nicht le82 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
diglich über den Zusammenhang von Protestmotiv und -objekt ab, sondern wurden programmatisch formuliert. Gerade die Allgemeinheit der Forderungen, nämlich eine Abhilfe von Beschwerden, eine Sicherung von Ruhe und Ordnung sowie Bitten an den König, »in einer durch freie selbstgewählte Volksvertreter gebildeten Ständeversammlung das Wohl und das wahre Beste Seines getreuen Volkes beraten und für das hannoversche Land eine vollkommen freie Verfassung errichten zu lassen«, ermöglichte es weiten Kreisen der Bevölkerung, ihre spezifischen Wünsche und Hoffnungen in den interpretationsfähigen Formulierungen wiederzuerkennen. In dem artikulierten Ziel einer Veränderung der Herrschaftsstruktur bestand der entscheidende Unterschied zum Ostcroder Auflehnungsversuch, der allerdings bereits in seinen ersten Anfängen verhindert worden war. Weil »die Ursache unseres Zusammenbleibens allgemein« sei, hofften die Initiatoren nicht ganz zu Unrecht auf breite Unterstützung im Königreich. Dazu konnten sie sich über das traditionelle mündliche Kommunikationssystem hinaus des Mittels gedruckter Proklamationen bedienen, in denen der Eindruck bestehender Zustimmung erweckt wurde, der Zögernden durch Anonymität der großen Teilnehmerzahl die Furcht vor persönlichem Risiko nehmen sollte und gleichzeitig einen Sogeffekt ausübte. Darüber hinaus war dem Führungskreis daran gelegen, seine Aktionen seriös erscheinen zu lassen; um einen möglichen Anschein studentischen Übermuts nicht aufkommen zu lassen, wurde der zweifellos beträchtliche Anteil dieser Gruppe heruntergespielt.42 Bürger und Studenten traten bewaffnet zusammen, um die alten Behörden lahmzulegen und den autonom konstitutierten Organen Autorität nach innen und Schutz nach außen zu sichern. In der Namensgebung knüpften offensichtlich die Initiatoren an die Pariser Vorbilder von 1830 an; ›Nationalgardc‹ stand allerdings keineswegs für ein nationales Programm. 2.3.3.2. Militärische Unterdrückung der Auflehnung und politische Reformbereit' schaft der hannoverschen Regierung Nach den schnellen Anfangserfolgen der Göttinger setzte ab 10. Januar die planmäßige Gegenwehr der Regierung ein. Die folgenden Tage bis zur schlicßlichcn Kapitulation der Stadt wurden durch das Bestreben der beiden Parteien bestimmt, ihre einander ausschließenden Ziele zu erreichen. Dem ›Gemcindcrat‹ kam es darauf an, das erreichte lokale Machtmonopol aufrechtzuerhalten, um die Regierung zur Abstellung der Beschwerden und Einleitung von Reformen zu bewegen; vorher lehnte er jede Auflösung ab. Demgegenüber strebte die Regierung eine bedingungslose Kapitulation des Gegners an, um keineswegs den Eindruck entstehen zu lassen, sie gebe der Auflehnung nach, was zur Nachahmung hätte anregen können. Als taktisches Etappenziel beabsichtigte sie, die Aktionseinheit von Bürgern, Stu83 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
denten und Bauern aus der Umgebung aufzuspalten. In Fehleinschätzung der Lage vertraute sie zunächst auf die Autorität des zum Regierungskommissar ernannten Hildesheimer Landdrosten Nieper, dessen Verhandlungen in Göttingen ergebnislos blieben, weil er für ein Eingehen auf die Hauptwünsche der ›Unruhestifter‹ keinerlei Kompetenz besaß und entsprechend der Aufgabe seiner Mission nur auf schleunigste Rückkehr zu den vorherigen Verhältnissen drängen konnte. 43 Als dies nicht zu erreichen war, verhärtete sich die Haltung der Regierung; sie behandelte jetzt die Ereignisse in der Universitätsstadt als ›Auflehnung‹. Um dennoch einen möglichst glimpflichen Ausgang zu bewirken, verstärkte sie ihr Werben um die Bürger. Sie wies den Magistrat und die Polizeikommission in Göttingen an, den ›ruhigen‹ Bürgern eine zeitgemäße Stadtverfassung zu versprechen, die ihrerseits als Gegenleistung für Ruhe sorgen und andere Bürger zum Abfall vom ›Gemeinderat‹ bewegen sollten.44 Noch schlugen derartige Bestrebungen fehl, weil der ›Gemeinderat‹ seine Autorität in der Stadt behaupten konnte. Geschickt erweiterte er durch Kooptation von Handwerkern und Studenten seine soziale Basis. Gleichzeitig behinderte er regierungsfreundliche Bestrebungen u. a. dadurch, daß er Proklamationen der Regierung zurückhielt oder mit Erklärungen des ›Gemeinderats‹ zusammen veröffentlichte; der gesamte Schriftverkehr zwischen Regierung und Lokalbehörden unterlag seiner strengen Überwachung; die Bewegungsfreiheit des Regierungskommissars engte eine ihm beigegebene ›Ehrcnwache‹ auf ein Minimum ein; eine dem errichteten Machtmonopol entgegenlaufende Verselbständigung der vormaligen Schützenkompanie wurde verhindert.45 Zur Festigung seiner Position und Erweiterung der Anhängerschaft im Königreich ließ der ›Gemeinderat‹ die ›Anklage des Minsteriums Münsten drucken und mit einer Proklamation, in der zur Nachahmung aufgefordert wurde, an Multiplikatoren verbreiten. Meistens gaben die Empfänger sie jedoch sofort den Behörden ab. 46 Nach Kräften förderte er zur Stärkung des Selbstbewußtseins und der Aktionsbereitschaft der Göttinger den Eindruck großer auswärtiger Unterstützung, den zahlreich in die Stadt gekommene Landbewohner vermittelten. Darüber hinaus bemühte er sich, zur Sicherung möglichst breiter Anerkennung wenigstens einige Mitglieder des Magistrats zu gewinnen. Dahinter stand auch ein materielles Interesse: zahlreiche Gemeinderatsmitglieder lehnten einen Griff in die öffentlichen Kassen gegen den Willen des Magistrats ab. Dieser Versuch und die nachdrückliche Erinnerung der Einwohner, die offenbar vielfach ihre Abgabenzahlungen - im Glauben, daß jetzt alles anders sei oder aus dem Bestreben heraus, den ›Unruhestiftern‹ keinerlei Unterstützung angedeihen zu lassen - eingestellt hatten, an ihre Zahlungsverpflichtungen verdeutlichten die zwiespältige Haltung des ›Gemeinderates‹, bei aller ›Auflehnung‹ einen revolutionären Bruch mit den alten Gewalten zu vermeiden. »Alle Bürger« sollten pünktlich ihre Abgaben entrichten; 84 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
zwar sei man bestrebt, »eine neue und bessere Ordnung der Dinge« in Gang zu setzen, »aber mit Ordnung. Ohne Abgaben kann kein Staat bestehen . . . Die Abgaben also verweigern, hieße die Nerven unserer Kraft abschneiden. Unsere Sorge wird es dann sein, für Sicherung und zweckmäßige Verwendung dieser Gelder zum Besten der guten Sache zu sorgen«. 47 Allen Gegnern der neuen Machthaber und denjenigen, die Abhilfe von lokalen Bedrückungen über den petitionistischen Weg durchsetzen wollten, gab Nieper Auftrieb, als er dem ›Gemeinderat‹ eine Deputation nach Hannover empfahl, die aus seinen Vertretern und Magistratsmitgliedern bestehen sollte; ihre Einbeziehung vermittelte den Anschein von Loyalität und konnte deshalb bei Verhandlungen mit der Regierung ebenso von Nutzen sein wie bei der Durchsetzung möglicher Ergebnisse. Beim Empfang durch den Herzog von Cambridge wurde sofort offenbar, daß die Deputation in sich zerstritten war. Differenzen traten vor allem in bezug auf die wichtige Machtfrage und die zu verfolgende weitere Strategie zutage: Während es den Magistratsmitgliedern hauptsächlich auf milde Behandlung der Stadt und einen Besuch des Herzogs bei den Göttingern ankam, bestanden der Student Stölting und Dr. Kirsten auf der Beibehaltung von ›Nationalgarde‹ und ›Gemeinderat‹ zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung bis zur endgültigen Regelung der Angelegenheiten durch den König, dem sie ihre Nöte selbst vortragen wollten; dessen unumschränkte Autorität bestritten allerdings auch sie in keiner Weise. Dennoch waren sie nicht bereit, bis dahin einmal errungene Positionen ohne Gegenleistung aufzugeben. Zur vorläufigen Absicherung der geschaffenen Fakten forderten die beiden den Abzug der normalerweise nicht in Göttingen stationierten Militäreinheiten.48 Diese unterschiedlichen Positionen demonstrierten der Regierung die realen Möglichkeiten einer Spaltung der Göttinger als wichtiger Voraussetzung zur Beilegung der ›Auflehnung‹. Um das am wenigsten homogene Glied der Koalition49 und die zugleich für die Regierung wichtigste Gruppe, die Bürger, vom ›Gemeinderat‹ zu trennen, lehnte der Herzog jede Unterhandlung mit seinen Vertretern ab und verwies für Petitionen auf die allein zuständigen alten Behörden. Ultimativ verlangte er die Rückkehr zur gesetzlichen Ordnung durch Auflösung des ›Gemeinderates‹ und der ›Nationalgarde‹ sowie die Aufnahme von Truppen in die Stadt; andernfalls müsse mit dem Einsatz der Waffengewalt gerechnet werden.50 Damit zeigte die Regierung allen oppositionellen Kräften in der Universitätsstadt die Grenzen ihrer noch verbliebenen Handlungsmöglichkeiten auf, wollten sie es nicht auf bewaffnete Auseinandersetzungen ankommen lassen: bedingungslose Kapitulation! Dieses Endziel verfolgte das Ministerium stufenweise: da es der Meinung war, »daß, sobald es sich um aufrührerische Volksbewegungen handelte, die Truppen niemals der Gefahr ausgesetzt werden dürften, den Kürzeren zu ziehen«, hatte es zunächst eine hinhaltende Taktik bevorzugt. Nur deshalb 85 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
und weil die Chancen einer Spaltung der Göttinger als friedlicher Lösungsweg erkundet werden sollten, war die Deputation an den Herzog überhaupt gestattet worden; reale Verhandlungen über Wünsche der ›Unruhestifter‹ hatte die Regierung nicht in Erwägung gezogen in der Überzeugung, daß es »der eigentlich im Hintergrunde liegende Zweck der Aufrührer [sei], die Lähmung der Kraft der Staatsbehörden und endlich der Regierung selbst« voranzutreiben. Entsprechend der Lagebeurteilung, »daß eine imponierende Militärmacht allein geeignet dazu sein kann, die verleitete Masse zu reiflicher Überlegung zurückzuführen«, wurden um Göttingen immer mehr Truppen zusammengezogen als Voraussetzung zur entscheidenden Gegenoffensive bei gleichzeitig wachsender Uneinigkeit der Bevölkerung.51 Am 13. Januar fiel im Geheimen Ratskollegium unter Zuziehung des Generals v. Alten als Oberbefehlshaber der hannoverschen Truppen die endgültige Entscheidung zugunsten eines schnellen, rigorosen Militäreinsatzes, nachdem alle Risikofaktoren erörtert worden waren: die Gefahr für die Gebäude der Stadt; die hartnäckige Gegenwehr von Leuten, die bereits ihre Existenz aufs Spiel gesetzt hätten; ein möglicher Kampf mit Teilen des Landvolkes; Göttingen könnte den Auslöser allgemeiner Aufregungen des Landes bilden. Für den Einsatz den Ausschlag gab die Befürchtung, daß weiterer Aufschub die Soldaten noch länger ›rcvolutionärcm‹ Einfluß aussetzte. Zusammen mit der schlechten Unterbringung sowie der mangelhaften Verpflegung und Ausrüstung müßte dies zur Demoralisierung der Truppe führen, die dann kaum noch kampfbereit wäre. Momentan sei der Geist dagegen in Erwartung eines sicheren Sieges noch gut. 52 Außerdem belastete jeder Tag der Militäraktionen die ohnehin angespannte Kassenlage, so daß auch unter finanziellen Aspekten eine baldige Beruhigung der Situation erstrebenswert war. 53 Umfassend wurde die Aktion vorbereitet: Die Regierung schloß die Universität und forderte die Studierenden zur Rückkehr in ihre Heimat auf; die Göttinger Garnison, die bei einer Belagerung oder Erstürmung der Stadt einen schweren Stand gehabt hätte, wurde abgezogen; in separaten Proklamationen forderte der Herzog von Cambridge als Vertreter des Königs die Bewohner der Region, die Stadtbürger und die Studenten zur Bewahrung von Ruhe und Ordnung sowie zum Abfall von den ›Unruhestiftern‹ auf; als Gegenpropaganda zu den Forderungen des ›Gemeinderates‹ bekundete er seine Bereitschaft, sich der größtenteils berechtigten Wünsche anzunehmen und, soweit irgend möglich, für Abhilfe Sorge zu tragen.54 Noch bevor die allgemeine Kapitulationsforderung in Göttingen bekannt wurde, verstärkte der ›Gemeinderat‹ seine Bemühungen, die »Soldaten! Verteidiger des Vaterlandes! Mitbürger! . . . im Namen der Göttinger Bürgerschaft« zur Solidarität aufzufordern. Sie sollten nicht die Waffen gegen diejenigen erheben, deren Einstehen für »das Gute« auch ihnen Nutzen brächte. Denn: »Kurze Zeit verstreicht und Ihr gehört wieder ganz zu uns. Ihr seid unsere Brüder, bedenkt das wohl, und laßt euch nicht vielleicht zu 86 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Schritten verleiten, vor denen Ihr, Eure Kinder, ja Eure ganze Nachkommenschaft erröten müßtet. «55 Als sich die Lage weiter zuspitzte und nicht mehr vor der Bevölkerung verheimlichen ließ, wurden verzweifelt die Landbewohner aufgerufen,56 was wohl mehr den psychologischen Zweck einer Stärkung der eigenen Kampfbereitschaft hatte, als auf eine reale zahlenmäßige Verstärkung der Widerstandskräfte abzielte, die immer mehr abnahmen. Zwar bekundeten große Teile der Bevölkerung am 14. Januar ihren Verteidigungswillen nochmals öffentlich und begannen mit der Verbarrikadierung der Tore, doch bekamen die Kräfte um den Magistrat deutlich Auftrieb. Auch die studentischen Formationen litten unter unübersehbaren Verfallserscheinungen. Die sich ausbreitende allgemeine Resignation kam den alten Behörden zugute, die, gestützt auf die bürgerliche Schützengarde, am 15. Januar die Initiative wieder ganz an sich reißen konnten.57 An jenem Tag erließ der vorübergehend auch zum Chef der Zivilbehörden ernannte General v. d. Busche ein auf zwölf Stunden befristetes Ultimatum. 58 Mit der Alternative konfrontiert, den Kampf gegen einige tausend Soldaten mit einer zahlenmäßig ungewissen Schar schlecht ausgerüsteter Bürger und Studenten aufzunehmen oder durch Kapitulation der unabweislichcn Niederlage auszuweichen und möglicherweise eine allgemeine Amnestie zu erreichen, faßte der ›Gemeindcrat‹ den Entschluß zur Übergabe. Rauschenplat, Schuster, Ahrens, Eggeling und einige Magistratsmitglieder begaben sich ins Hauptquartier, wo v. d. Busche jedoch jedes Zugeständnis kategorisch ablehnte. Lediglich eine Verlängerung der Übergabefrist bis zum 16. Januar 6 Uhr wurde gewährt. 59 Für einige führende Köpfe reichte dieser Zeitgewinn immerhin, sich der Arretierung durch Flucht zu entziehen; hätte der General gemäß seinen Instruktionen gehandelt und die Deputation als Geiseln festgehalten, wäre selbst das nicht mehr möglich gewesen. Schleunigst wurden nun alle Barrikaden beseitigt, so daß am Sonntagmorgen das Militär ungehindert in die Stadt einziehen konnte; gerüchteweise angekündigte terroristische Widerstandsaktionen wie das Anzünden der Universitätsbibliothek oder das Übergießen der einrückenden Soldaten mit siedendem Öl blieben aus. 60 In den folgenden Tagen erhielt die Stadt militärische Einquartierung von 4000 Mann, die nach einer Woche der Ruhe auf 2000 reduziert wurde. Um die Ordnung besser aufrecht erhalten zu können, wurde angeordnet, daß in der Dunkelheit nicht mehr als sechs Personen zusammengehen dürften, die Wirtshäuser um 20 Uhr zu schließen seien »und daß ein jeder sich nachsichtig und bescheiden gegen Posten und Patrouillen zu betragen habe«. 61
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2.3.3.3. Die Resonanz der Göttinger Ereignisse Das anfangs so erfolgreiche Aufbegehren der Göttinger fand im südlichen Hannover große Resonanz und z. Τ. Nachahmung. Mit Sympathie verfolg ten viele Hildesheimer die Aktionen des Göttinger ›Gemeinderates‹. Sein Unterstützungsgesuch vom 15. Januar löste in der Bischofsstadt zahlreiche Versammlungen aus, auf denen eine Abordnung als Zeichen der Solidarität mit der Universitätsstadt beschlossen wurde. Abends versammelte sich eine große Menschenmenge vor dem Rathaus und verlangte die Verlesung der sog. ›Göttinger Proklamation‹, von der ihr ein Exemplar ausgehändigt wurde. Lärmend zog sie nun vor das Haus des Bürgermeisters, um die gewonnene ›Freiheit‹ zu demonstrieren. Dann wandte man sich dem Haus des Zensors zu, von dem eine Druckerlaubnis der ›Anklage des Ministeriums Münster‹ verlangt wurde; dessen Weigerung bestrafte die Menge sofort mit dem Einwerfen der Fenster.62 Diese Störung der öffentlichen Ordnung durch untere soziale Schichten wollten die Bürger nicht dulden. Aus Furcht vor solchen Übergriffen hatten sie den Magistrat mit der Drohung, eigenmächtig eine ›Nationalgarde‹ zu gründen, unter Druck gesetzt, so daß er die Bürgergarde von 1813 reaktiviert hatte, die nun gewaltsam gegen den »Pöbel« vorging. 63 Nachahme3r fanden die Göttinger im benachbarten Bovenden, wo bereits im Herbst 1830 eine aus der Feuerwehr hervorgegangene ›Sicherhcitsgarde‹ bestanden hatte, die sich im Januar 1831 als ›Nationalgarde‹ formierte. In engem Kontakt zu den Göttingern konstituierte sich auch ein ›Gemeinderat‹; eine Volksversammlung beriet auf dem Rathaus deren politische Forderungen und antwortete mit einer von vielen Bovendern unterzeichneten Schrift. Hauptträger dieser Aktionen waren begüterte Bauern und bemittelte Advokaten, die im Anschluß an eine ›Generaluntersuchung‹ zu beträchtlichen Zuchthausstrafen verurteilt wurden. 64 In Geismar ergriffen ein Grundsteuereinnehmer und ein Ackermann die Initiative zur Unterstützung und Nachahmung; in Grone bildete sich eine ›Nationalgarde‹, gegen deren Anführer später ermittelt wurde. Keine genauen Angaben lagen über Aktionen in Waake und deren fünf Hauptträger vor. 65 Die versammelten Gilden von Herzberg ließen sich durch Vorstellungen des Amtes über die Ungesetzlichkeit ihres Vorhabens gerade noch von der Bildung einer ›Kommunalgarde‹ abbringen.66 In anderen Orten des südlichen Königreiches blieb dagegen die Situation völlig ruhig, wie z. Β. im erst 1815 an Hannover gelangten Duderstadt, wo die Honoratioren mit Hilfe der königlichen Proklamationen Loyalitätsadressen an die Regierung zustande brachten.67 Doch stellten solche Zustände für die Gesamtsituation des Königreiches eher die Ausnahme dar. Überall ermunterten die Göttinger Vorgänge breite Schichten der Bevölkerung, ihre Bedrückungen und Forderungen zu artikulieren. Angesichts der Entblößung weiter Teile des Königreiches von militäri88
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schen Kräften kam es der Regierung darauf an, die Unzufriedenheit in von ihr zu kontrollierende gewaltfreie Bahnen zu lenken. Immer wieder verkündete daher der Generalmajor v. d. Busche aus seinem Northeimer Hauptquartier, daß der Bevölkerung »alle mögliche Erleichterung gegeben« würde, um die »gegründeten Beschwerden dem Könige vorzutragen«. In den Tagen vor und nach der Unterwerfung beteuerte die Obrigkeit, daß der König wie in der Vergangenheit auch jetzt verfassungsmäßig vorgebrachten Wünschen und Beschwerden Aufmerksamkeit schenken und nach Kräften bemüht sein werde, für Abhilfe zu sorgen.68 Eine solche Öffnung der Staatsbürokratie bis in ihre höchsten Spitzen für die Wünsche der Bevölkerung war zwar einerseits geeignet, die Möglichkeit von Gewaltausbrüchen zur aktiven Veränderung der sozialen Situation zu reduzieren, leistete jedoch andererseits einer breiten, kurzfristig nicht umkehrbaren Politisierung Vorschub, die die Regierenden weiterhin einem beträchtlichen Veränderungsdruck aussetzte. Die Ermunterung zur Benutzung des petitionistischen Weges ohne eine gleichzeitige Erhöhung des staatlichen Leistungsniveaus, letztlich ohne wirkliche Reform, konnte wohl für einen Moment der Hoffnung auf staatliches Handeln die Regierung vom Zwang unmittelbarer Repression entlasten, doch barg dieses Vorgehen nach Enttäuschung der Erwartungen verschärft Bedingungen für Gewaltausbrüche. Erfolgreich im Sinne einer Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung als vorrangigem Ziel der hannoverschen Regierung war ein solches Krisenmanagement nur im Zusammenhang mit wirklicher Veränderungsbereitschaft durchführbar. Die Bevölkerung forderte eben nicht länger nur die Abstellung jeweils örtlich begrenzter Nöte, die unter Aufrechterhaltung des sozialen und politischen Statusquo hätten befriedigt werden können, sondern strebte als schwerwiegende Herausforderung des Staates politische und soziale Veränderungen an, deren bisheriges Ausbleiben vor allem liberal gesinnte bürgerliche Schichten für die eingetretene sozioökonomische Krise verantwortlich machten.69 Während des Göttinger Auflehnungsversuches und im Anschluß daran entwickelte sich eine umfangreiche Petitionsbewegung, in der als regionale Zentren die Städte Hildesheim und Osnabrück eine wichtige Rolle spielten. In ihrer Umgebung setzten sich auch ländliche Unterschichten, die teilweise die dörflichen Grenzen bei der Abfassung von Bittschriften erfolgreich überwanden, für strukturelle Reformen ein. 70 Der Hildesheimer Advokat Weinhagen, der auf Druck vieler Einwohner zum Mitkommandanten der Bürgergarde ernannt worden war, sammelte Eingaben von 151 Landgemeinden, die er dem Herzog von Cambridge überreichte. Ein Bote war dazu durch die Ortschaften gezogen und hatte vor allem die Vorsteher der bäuerlichen Gemeinden zur Unterschrift aufgefordert, was die Behörden mit großer Sorge verfolgten.71 Die Älterleute von Osnabrück traten zusammen mit angesehenen Bürgern in Kontakt zu anderen Städten, um gemeinsam über eine zukünftige 89 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Vertretung in einer zu reformierenden Ständeversammlung zu beraten und schriftlich die Meinungen auszutauschen in der Absicht, ein einheitliches Auftreten möglichst vieler Städte in dieser Frage zu erreichen.72 Alle diese Vorstöße versäumten es nicht, auf volkstümliche Weise unmittelbar wahrnehmbare Bedrückungen mit allgemeinen Forderungen nach einer »das hannöversche Volk so vollständig als möglich repräsentierende(n) Verfassung«73 zu verknüpfen. Besonderes Gewicht erhielten solche Bestrebungen dadurch, daß die Einzelpetition zugunsten einer gemeinschaftlichen Artikulation in den Hintergrund trat. Hatten sich einzelne Bitten von der Regierung relativ gefahrlos vernachlässigen oder durch Abstellung der größten lokalen Mißstände beantworten lassen, so war dieser Weg angesichts der gemeinsamen Zielrichtung aller Vorstellungen nicht länger gangbar, sollten keine weiteren Ausbrüche der Unzufriedenheit provoziert werden. Gerade vor dem Hintergrund der in Göttingen demonstrierten Aktionsbereitschaft von Bürgern, Bauern, Studenten und Handwerkern blieb dem König nur ein Eingehen auf die Wünsche. Wie weit er den Forderungen nachgeben würde, war Ergebnis des weiteren Konfliktaustrages in den folgenden Monaten.
2.3.4. Münsters Entlassung und die Vorbereitung des Verfassungskompromisses von 1833 Ihre prinzipielle Reformbereitschaft, die bereits in den königlichen Proklamationen in unbestimmten Wendungen zum Ausdruck gekommen war, signalisierten König und Regierung durch die ›Good-Will-Tour‹ des Herzogs von Cambridge, der bald nach der Unterwerfung der Universitätsstadt die politisch rege Landdrostei Hildesheim bereiste; in einigen Städten und im Harz hörte er sich die Klagen und Wünsche der Bevölkerung an und versprach bei jeder Gelegenheit, ihnen gebührend bei seinen Entscheidungen Rechnung zu tragen. 74 Schließlich machte der König selbst den Weg für Reformen frei, als er den Grafen Münster, das Symbol des Adelsregiments und aller aufgestauten Mißstände, am 12. Februar 1831 entließ und einige Tage später den allgemein recht beliebten Herzog von Cambridge zum Vizekönig in Hannover ernannte. Diese Veränderung an der Regierungsspitze war zweifellos den Reformen zuneigenden Gegnern Münsters im Ministerium und vor allem in der sog. bürgerlichen ›Sekretareokratie‹75 zuzuschreiben, die im hannoverschen Regierungssystem in diesen Jahren dank ihrer umfassenden Fachkompetenz eine überragende Rolle spielte. Entscheidende Bedeutung kam dabei einer Denkschrift des Kabinettrats Rose über die Lage im Königreich zu, die er im Auftrage des Vizekönigs verfaßt hatte; sie vermittelte dem König den Eindruck von der Reformbedürftigkeit der Verfassungsverhältnisse und 90 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
verdeutlichte ihm, daß Münster und seine Politik eine Lösung der Probleme nicht bewirken könnten.76 Rose betonte darin, daß die Unruhen zwar zunächst gedämpft seien, aber jeden Augenblick erneut und dann in größerem Rahmen als »Bürgerkrieg« ausbrechen könnten; »man will eine freie Konstitution, eine wahre Volksvertretung in der allgemeinen Ständeversammlung, Erleichterung städtischer sowie ländlicher Lasten und Abgaben, Öffentlichkeit der Verhandlungen, Vorlegung oder Überlassung der Dominial-Einnahmen, wahrscheinlich also auch Feststellungen einer angemessenen Zivilliste«. Solange die Regierung »noch die Gewalt wirklich in Händen« habe, sei es ratsam, »solche Reformen zu machen . . ., wodurch begründeten oder eingebildeten Beschwerden einigermaßen abgeholfen und die öffentliche Meinung so weit wieder gewonnen werden kann, daß man mit Ruhe auf deren Kraft sich verlassen darf» als vollwertigem Ersatz für nicht in jeder Situation verfügbare Truppen. 77 Die demonstrativen Veränderungen an der Regierungsspitze wirkten zunächst beruhigend und ermunternd zugleich, zeigten sie doch, daß der eingeschlagene petitionistische Weg Erfolg bringen konnte;78 keinesfalls entlasteten sie jedoch das politische System spürbar von dem auf ihm lastenden Reformdruck. Auch die Erweiterung des Handlungsspielraumes der Regierung durch administrative Einschränkung des von ihr bald als zügellos empfundenen Pctitioniercns ließ sich in nennenswertem Umfang nicht erzielen. Sie untersagte dazu »die eigenmächtige Errichtung von Vereinen zu politischen Zwecken« und wies die Magistrate an, »allen und jeden zu ihrer Kenntnis gelangten Assoziationen verschiedener Kommunen zu gemeinsamen Gesuchen und Beschwerdeführungen ernstlich und schleunig Einhalt zu tun«. Stattdessen sollten sich die Beamten den Klagen »aller Klassen« aufgeschlossen zeigen und darüber mit Abhilfevorschlägen berichten, um der Regierung eine genaue »Kenntnis des Landes« zu verschaffen.79 Die Bevölkerung ließ sich jedoch ihre zeitweise von der Obrigkeit geradezu begrüßte Möglichkeit zu gemeinschaftlichen Petitionen als Bestandteil einer ansatzweisen Emanzipation nicht wieder von den Behörden entwinden. In Göttingen erlaubte die Militärbehörde sogar eine Bürgerversammlung zur Beruhigung der politisch erregten Stimmung, wobei die politischen Streitpunkte unter den Bürgern mit aller Schärfe deutlich wurden. Viele sahen ihre Interessen nicht mehr in traditioneller Weise durch Gilden und ohne ihre Zustimmung erwählte Stadtdeputierte vertreten. Sie wollten selbst ihre Angelegenheiten durch eine eigene Deputation und gesonderte Abordnung höheren Orts vorbringen. Daraufhin wurde die Polizeikommission angewiesen, keinerlei Versammlungen mehr zu dulden, da »solche nur zu Spaltungen und Reibungen unter der Bürgerschaft« führten. Zur Beruhigung sollte der baldige Erlaß einer neuen Stadtverfassung angekündigt werden. 80 Nahtlos ging die Petitionsbewegung im Königreich in eine rege Wahlbewegung für die Stände über, die auf den 7. März einberufen worden waren. 91 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Auf Urwählerversammlungen wurde die Lage diskutiert und versucht, den Wahlmännern oder schließlichen Deputierten Aufträge zu erteilen.81 Viele Städte akzeptierten nicht länger die Praxis, sich durch in der Residenz wohnende Beamte aus Kostengründen vertreten zu lassen; als erste entzog Stade öffentlich ihrem Deputierten das Vertrauen, der daraufhin sein Mandat zurückgab. Andere Städte folgten diesem Beispiel, so daß auf diese Weise plötzlich zahlreiche liberal gesinnte Abgeordnete in die zweite Kammer eintraten, die im Gegensatz zu früheren Jahren sich recht zahlreich versammelte.82 Bislang überwiegend lediglich lokal bekannte und beachtete Liberale fanden hier nun Gelegenheit, ihre politischen Vorstellungen mit Gleichgesinnten zu besprechen und einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Zweite Kammer entwickelte sich schnell zum Sprachrohr des allgemeinen Reformwillens, wodurch die gerade erst entfaltete politische Dynamik in verfassungskonforme Bahnen umgelenkt wurde. Hier war allerdings die Regierung dank der Vorgaben der bisherigen Verfassungsbestimmungen in einer günstigeren Position. Auf Anraten Roses verzichtete der Vizekönig bei der Eröffnung der Stände zunächst auf eine Initiative zur Verfassungsreform, um keinen zu offensichtlichen Zusammenhang zu den Göttinger Ereignissen herzustellen. Entsprechende Enttäuschung riefen die allgemeinen Absichtserklärungen der Thronrede zur Modifikation des städtischen Wahlrechtes und Teilnahme des Bauernstandes an den Ständeversammlungen hervor.83 Statt einen Legitimationszuwachs durch Reformbereitschaft anzustreben, befolgte der König Roses zurückhaltende Taktik, dem es gefährlich erschien, »die desfalsigen Veränderungen einseitig von Ε. Κ. Μ.« in Gang gesetzt zu sehen, weil »selbige schwerlich irgendeine Partei befriedigen und nur zu Beschwerden beim Bundestag fuhren würden; wenn aber Veränderungen, wodurch die bisherige ständische Verfassung modifiziert würde, mit den Ständen erst beraten werden sollten, so würde man sich auf das Feld der Verträge begeben, deren Ende und Maß nicht abzusehen ist«. 84 - Weder Oktroyieren noch Paktieren, sondern Passivität als Verhaltensmaxime in der beherrschenden Verfassungsfrage! Dadurch ging die Initiative an die Stände über. Stüves Antrag auf Gewährung eines Staatsgrundgesetzes wurde am 29. März von der Zweiten und nach einigem Widerstand am 14. April von der Ersten Kammer gutgeheißen. Am 15. November 1831 legte die Regierung ihren Entwurf der Verfassungskommission, bestehend aus sieben landesherrlichen Kommissarien und je sieben Vertretern beider Kammern, vor. Nach überaus zähen und langwierigen Verhandlungen trat schließlich 1833 eine Verfassung in Kraft, die das Königreich in die Reihe der konstitutionellen Deutschen Bundesstaaten einreihte.85 Vielen Wünschen nach ›zeitgemäßer‹ Teilhabe kam man damit entgegen; die Öffentlichkeit der Ständeversammlungen wurde ebenso zugesagt wie eine verstärkte Beteiligung der Stadtbürger an der indirekten Wahl ihrer 92 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Deputierten und eine Repräsentanz des Bauernstandes.86 Den speziellen Wünschen der Göttinger, die u. a. ihren Protest ausgelöst hatten, trug die Regierung durch eine neue Stadtverfassung bereits 1831 Rechnung, die vor allem eine Repräsentation der Bürger durch zu wählende Bürgervorsteher gewährte. 87 Die Verfassungsreformen, die bürgerlichen Schichten und einem Teil der Bauern zugute kamen, begleiteten, wie in Braunschweig, kurzfristige Abhilfemaßnahmen für notleidende Unterschichten. Noch vor ihrer Diskussion der Verfassungsreformen bewilligten die Stände gegen die soziale Ignoranz einiger Deputierter 200000 Taler, ehe eine günstige Ernte 1831 die soziale Notlage entspannte.88 Darüber hinaus wurden der 5. und 6. Klasse der Personalsteuerzahler Erleichterungen zuteil; vor allem in der Landdrostei Osnabrück und in der Hauptstadt senkte der Erlaß des Häuslings- und Dienstgeldes 1831/32 die Abgabenhöhe großer Bevölkerungsteile. Für die Städte insgesamt wurde die Mahl- und Schlachtsteuer vermindert, deren gänzliche Aufhebung allerdings ebensowenig von der Zweiten Kammer durchgesetzt werden konnte wie die die Bauern bedrückende ungerechte Grundsteuerverteilung.89 Für diese Erfolge, die ohne den Göttinger Revolutionsversuch und die ausgedehnte Petitionsbewegung nicht denkbar waren, mußten erhebliche Opfer gebracht werden, die die führenden Personen der Januarbewegung zu tragen hatten.90 Bis 1836 durchliefen die Advokaten König und Freytag sämtliche Gerichtsinstanzen und erhielten schließlich 5 Jahre Zuchthaus.91 Im selben Jahr kam es gegen die Göttinger Gefangenen überhaupt erst zum Prozeß, zu dem wahre Aktenberge zusammengetragen wurden. Nachdem in der ersten Instanz einige Angeklagte nur knapp der Todesstrafe entgangen waren, zogen sich die Revisionsverhandlungen bis 1838 hin. 92 Keiner der zehn Verurteilten brauchte jedoch seine Strafe vollständig abzusitzen; nach Seidensticker, der 1845 entlassen wurde, befand sich nur noch Schuster in Haft.93 Sämtliche Versuche, durch Petitionen aus allen Landesteilen die Niederschlagung der Untersuchung bzw. die Einstellung des Prozesses bei der Regierung zu erwirken, blieben trotz ihres großen Aufsehens in der Öffentlichkeit ohne Erfolg.94 An den bald über die Grenzen des Königreichs hinaus bekannten Advokaten und Universitätsdozenten wollte die Regierung ein Exempel statuieren, das von jeglicher Nachahmung abschrecken sollte. Das demonstrative Vorgehen der Obrigkeit signalisierte, daß keinesfalls mit der Schwäche und Nachsicht der Regierung zu rechnen war. Der von den Behörden angebotene petitionistische Weg schien dagegen ohne größeres Risiko die Möglichkeit zu bieten, Unzufriedenheit und Abhilfeforderungen ins politische System einzubringen. Zudem wußten sich die bürgerlichen Schichten mit der Obrigkeit darin einig, jegliche Störung von Ruhe und Ordnung durch Unterschichtenangehörige zu verhindern; zusammen mit Maßnahmen zur Linderung der akuten Not trug diese Repressionsbe93 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
reitschaft dazu bei, daß Übergriffe, wie sie während der Folgekrise in Braunschweig stattfanden, in Hannover ausblieben.95 Im Unterschied zum benachbarten Herzogtum zeigten die Bürger in Osterode und Göttingen, daß sie mit Unterstützung von Studenten und Teilen der Bauernschaft in der Lage waren, durch aufständische Aktion selbst die Regierung unter Druck zu setzen und reformbereit zu machen; sie benötigten dazu Unterschichtenprotest nicht, der anderswo erst den bürgerlichen Erfolg ermöglicht hatte. Umgekehrt sollten die Unterschichten auch nicht den bürgerlichen Verfassungsprotest unmittelbar für ihre kurzfristigkonjunkturellen Protestaktionen nutzen können. Diese Haltung gegenüber Protestaktionen anderer sozialer Schichten demonstrierten die Bürger Göttingens am 18719. Februar 1831, als es zu schweren Unruhen unter dem in der Stadt stationierten Militär wegen der zu schlechten Verpflegung und des anmaßenden Verhaltens von Offizieren kam. 96 Hätte sich während dieser Tage die Bevölkerung nicht passiv und loyal gegenüber den Behörden verhalten, wäre es mit einiger Sicherheit zu einer erneuten Krisensituation gekommen. 97 Zusammenfassend war für bürgerliches Protestverhalten in Osterode und Göttingen charakteristisch: Die Aktionen wurden von einem Führungskader geplant, der von Anfang an dem Protest ein Programm zugrunde legte, das die allgemein von bürgerlichen Schichten geteilte Kritik an den herrschenden Zuständen in Reformforderungen umsetzte. Nicht kurzfristige Entlastung von materiellem Druck, sondern Reform der politischen Struktur war das Ziel des Protests, der auf jegliche Übergriffe gegen Eigentum verzichtete; nicht Sachzerstörung, sondern Demonstration der eigenen Stärke wurde als Mittel angewandt. Jede Aktion, die einen Bruch mit den alten Gewalten bedeutet hätte, wurde tunlichst vermieden, um die kalkulierte Provokation nicht in eine offene Konfrontation mit dem König abgleiten zu lassen. Als der Staat entschlossen seine weit überlegene militärische Macht demonstrierte, gaben die Göttinger ihre noch kurz zuvor betonte Kampfbereitschaft in realistischer Einschätzung ihrer Möglichkeiten auf Stattdessen kehrten auch sie in der Folgezeit zu dem alternativen petitionistischen Weg zurück, der über die Wahlbewegung schließlich in ständische Verhandlungen einmündete. Eine Folgekrise nach den bürgerlichen Auflehnungsversuchen zeichnete sich allenfalls in der Flut von Petitionen ab, die wiederum keine aktive Bedrohung des politischen Systems darstellte, sondern den in Göttingen demonstrativ erzeugten Druck zu nutzen suchte und den in schriftlicher Artikulation ebenfalls zum Ausdruck kommenden passiven Loyalitätsentzug verstärkte.
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2.4. Exkurs: Formen bürgerlichen Protests während des Hannoverschen Verfassungskonflikts 2.4.1. Der königliche Verfassungsbruch und die Göttinger Sieben Das Staatsgrundgesetz war nur wenige Jahre in Kraft, als 1837 König Wilhelm IV. starb und die Möglichkeit weiblicher Erbfolge in Großbritannien Victoria auf den Thron brachte. Da für das weifische Stammland Hannover männliche Erbfolge galt, fiel das deutsche Königreich an den Bruder Wilhelms IV., den auf der Insel als ›Hochtory‹ bekannten ErnstAugust. 1 Hatte er als Agnat die konstitutionelle Verfassung Hannovers immer wieder erfolglos abgelehnt, so bot ihm die Thronbesteigung nun die Voraussetzung, seine Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Mit Unterstützung und auf Drängen v. Scheles, des Führers der hannoverschen Adelsopposition, ging er sofort nach seinem Regierungsantritt an die Abschaffung des Staatsgrundgesetzes.2 Dazu erklärte er in einem Patent vom 1. November 1837: »Das Staatsgrundgesetz vom 26. November 1833 können Wir als ein Uns verbindendes Gesetz nicht betrachten, da es auf eine völlig ungültige Weise errichtet worden ist. . . und erklären nunmehr hiermit: ›daß die verbindliche Kraft des Staatsgrundgesetzes von jetzt an erloschen sei.‹« An seine Stelle sollten wieder die Bestimmungen von 1819 treten, deren Restaurierung zur Sympathiewerbung bei der Bevölkerung mit einer Steuererleichterung von 100 000 Talern an Personen-und Gewerbesteuer verbunden wurde. 3 Dieser einseitige Verfassungsbruch rief engagierten Protest hauptsächlich von bürgerlichen Anhängern des Staatsgrundgesetzes von 1833 hervor. Sic wollten durch Widerstandsakte die Aufrechterhaltung der Verfassung erzwingen, wobei sie allerdings bemüht waren, nur solche Möglichkeiten auszuschöpfen, die nicht ausdrücklich gesetzlich verboten waren. Diesem legalistischen Selbstverständnis der bürgerlichen Opposition stand der vom König und seiner Regierung erhobene Anspruch zur Oktroyierung und Auslegung der Verfassung gegenüber, der keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Staatsgrundgesetzes und der Wiedereinführung der Verfassung von 1819 duldete. Damit mußte gemeinschaftlicher bürgerlicher Protest mit den Grundansichten des Königs vom monarchischen Prinzip in Konflikt und dadurch tendenziell in die Illegalität geraten, wie die polizeiliche Überwachungs- und Verfolgungspraxis verdeutlichte. In der nach dem Königlichen Patent vom 1. November aufkommenden lähmenden Ratlosigkeit setzten sieben Göttinger Professoren mit ihrem gemeinsamen Protest gegen die willkürliche Rechtsverletzung ein Signal, das alle Anhänger des Staatsgrundgesetzes ermutigte. Die bekannten Professoren Albrecht, Dahlmann, Ewald, Gervinus, Jakob und Wilhelm Grimm sowie Weber ergriffen aus juristisch-moralischem Antrieb, keineswegs aus politisch-liberalem Engagement, die Initiative und reichten beim Universi95 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
tätskuratorium eine Vorstellung ein, in der sie die Gültigkeit des Staatsgrundgesetzes feststellten und betonten, daß sie »ohne ihr Gewissen zu verletzen, es nicht stillschweigend geschehen lassen, daß dasselbe ohne weitere Untersuchung und Verteidigung von Seiten der Berechtigten, allein auf dem Wege der Macht zu Grunde gehe.« Es bleibe ihre »unabweisliche Pflicht . . ., daß sie sich durch ihren auf das Staatsgrundgesetz geleisteten Eid fortwährend verpflichtet halten müssen, und daher weder an der Wahl eines Deputierten zu einer auf anderen Grundlagen als denen des Staatsgrundgesetzes berufenen allgemeinen Ständeversammlung teilnehmen, noch die Wahl annehmen, noch eine Ständeversammlung, die im Widerspruch mit den Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes zusammentritt, als rechtmäßig bestehende anerkennen dürfen . . .«. 4 Mit diesem passiven Widerstandsakt, der im In- und Ausland Aufsehen und Sympathie erregte, war das Handlungsprogramm der staatsgrundgesetzlichen Opposition für die nächsten Jahre vorgezeichnet. In der Universitätsstadt wurden die ›Göttinger Sieben‹, wie sie bald genannt wurden, von den Studenten für ihr mutiges Auftreten gefeiert; trotz behördlicher Verbote und im Angesicht der verstärkten Ordnungskräfte versuchten Kommilitonen immer wieder, den Professoren Vivats zu bringen; selbst Verhaftungen schreckten sie nicht ab. 5 Andererseits bekamen Kritiker der Sieben den Zorn der Kommilitonen zu spüren: Fenstermusik oder Zischen und Scharren in den Vorlesungen waren die angewandten Protestmittel.6 Große Entrüstung rief die Entlassung der Professoren am 14. Dezember hervor, insbesondere die gleichzeitige Ausweisung Dahlmanns, Gervinus' und Jakob Grimms. 7 Nachdrückliche Sympathiebekundungen der Studenten führten daraufhin zu einigen Auseinandersetzungen mit dem Militär. 8 Trotz aller Unterdrückungsmaßnahmen wurde der Abschied der Ausgewiesenen zu einer Demonstration gegen den König; etwa 200 Studierende feierten die drei jenseits der Grenze in Witzenhausen; 40 Kommilitonen zogen sogar bis Kassel mit. 9 2.4.2, Widerstandsformen der liberalen Opposition Die Aktionen der Studenten blieben allerdings lokale Episode im Protest gegen den Staatsstreich; ein von vielen Liberalen erwarteter energischer Widerstand,10 den auch die Regierung befürchtete, blieb aus. Radikale Widerstandsaufrufe aus der Schweiz, vermutlich von wandernden Gesellen eingeschmuggelt, zeigten keine Wirkung; sie beschäftigten lediglich die Behörden.11 Die sich allmählich formierende bürgerliche Opposition verfolgte den von den Göttinger Sieben vorgezeichneten Weg, den Verfassungsbruch des Monarchen mit parlamentsbezogenen Maßnahmen rückgängig zu machen. 96
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In der Ständeversammlung erreichten liberale Oppositionelle am 25. Juli 1838 einen Beschluß der Zweiten Kammer, in dem sie sich selbst für inkompetent erklärte, mit der Regierung in Verfassungsverhandlungen einzutreten. 12 Ziel dieser Taktik war es neben der Verhinderung jeglicher Unterhandlung über eine veränderte Verfassung den Deutschen Bund gemäß Artikel 56 der Wiener Schlußakte zum Eingreifen in den Verfassungskonflikt zu bewegen. 13 Darüber hinaus versuchten staatsgrundgesetzlich gesinnte Abgeordnete, durch verabredeten Boykott der Ständeversammlung die von der Regierung beabsichtigte Einleitung von Verfassungsverhandlungen unmöglich zu machen. Die Regierung ihrerseits nutzte ihr beanspruchtes Verfassungsdefinitionsmonopol in der Weise, daß sie die der Ständeversammlung fernbleibenden Abgeordneten ultimativ zum Erscheinen oder zur sofortigen Resignation aufforderte. Andernfalls werde »die Resignation des einzelnen Deputierten regelmäßig angenommen und sodann weiter verfügt, was Ordnung und Recht« erforderten. Auf diese Weise und durch Minoritätswahlen brachten der König und seine Berater eine beschlußfähige Zweite Kammer zusammen, wobei das parlamentarische Prüfungsrecht der Abgeordnetenvollmacht völlig ignoriert wurde. 14 Diese Versammlung kam nun dem Wunsch der Regierung nach und bat, Verhandlungen über die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Königreichs zu beginnen. Dieser Erfolg Ernst-Augusts stärkte zweifellos seine Position in den gleichzeitigen Verhandlungen der Deutschen Bundesversammlung, 15 die die Hannoversche Verfassungsfrage auf der Tagesordnung hatte. Sie erklärte schließlich am 5. September 1839 das Verfassungsproblem kurzerhand zur inneren Landesangelegenheit, die keine bundesgesetzlich begründete Einmischung erfordere. Immerhin wurde jedoch betont, daß Ernst-August baldmöglichst »mit den dermaligen Ständen über das Verfassungswerk eine den Rechten der Krone und den Ständen entsprechende Vereinbarung« treffen solle.16 Der hannoverschen Bevölkerung machte der König diesen Beschluß in seiner eigenen Interpretation bekannt als angeblich vollständige Bestätigung der königlichen Rechtsauffassung.17 Ein letzter Versuch, die Verfassungsrevision durch eine Petitionsbewegung für eine Auflösung der Stände zu verzögern, bis Neuwahlen wieder eine stärkere liberale Repräsentanz gebracht hätten, scheiterte.18 Stattdessen schritten die Unterhandlungen zwischen den Ständen und der Krone zügig fort und fanden ihren Niederschlag in der Verfassungsurkunde vom 6. August 1840.19 Durch den Bundesbeschluß vom 5. September 1839 war das Scheitern der liberalen Taktik, das politische Problem mit seinen machtpolitischen Implikationen auf eine Rechtsfrage zu verkürzen und in erster Linie mit juristischen Mitteln zu lösen, offenbar geworden. Ihr unbedingter Glaube an die Durchschlagskraft des Rechts, an die Vernunft und Einsicht des König und seiner Regierung gestattete zwar ein moralisches Überlegenheitsgefühl, 97 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
erwies sich jedoch gegenüber der königlichen Machtpolitik als hoffnungslos unterlegen. Der legalistischen Grundhaltung der liberalen Opposition entsprach ihr Mißtrauen gegen eine breitere politische Mobilisierung oder gar gegen Massendemonstrationen, die ihr für eine politische Auseinandersetzung den Druck einer möglicherweise gewichtigen Basis gesichert hätten. Nicht zu verkennen war allerdings, daß es dadurch den Regierungen der deutschen Staaten erleichtert worden wäre, in ihre allgegenwärtige Revolutionsfurcht die liberale Opposition in Hannover einzubeziehen. Das hätte dem König in seiner intransigenten Haltung zweifellos Unterstützung verschafft.20 Selbst Möglichkeiten zu Massenpetitionen wurden von den Oppositionsführern nicht genutzt. So kam es nur zu wenigen, ein breites Publikum aktivierenden Bittschriften.21 Die Konzentration auf den Rechtswegerlaubte umgekehrt, daß ein kleiner Kreis überwiegend juristisch Gebildeter unter sich bleiben konnte. Magistratsmitglieder, Älterleute, Bürgervorsteher, Wahlmänner und Deputierte waren der kleine Kern und die eigentlichen Träger der Opposition gegen den königlichen Verfassungsbruch. Seit Ostern 1838 trafen sich die führenden Köpfe von Zeit zu Zeit zur Beratung der Situation und Koordinierung des Handelns meistens im Ausland, um Repression und Bespitzelung zu entgehen.22 Zur regionalen und lokalen Abstimmung und gleichzeitig als Demonstration gegen den König dienten Essen mit z. Τ. über 100 Teilnehmern, die Honoratioren und Gesinnungsgenossen aus der jeweiligen Umgebung zusammenführten. Sie stellten wichtige Ansätze zu einer Organisation der liberalen Opposition dar. 23 Selbstverständlich bemühte sich die Obrigkeit, Erkenntnisse über Teilnehmer und besprochene Absichten zu erlangen; verschiedentlich versuchte sie, die Bankette durch Androhung hoher Strafen für Gastwirte zu unterbinden mit dem Erfolg, daß »das Geld nicht gescheut wird, wenn damit für politische Ansichten ein Triumph zu gewinnen ist«. 24 Die Hauptkampfform, nämlich juristische Deduktionen, und die herausragende Bedeutung der Advokaten auf allen Ebenen bedingten sich gegenseitig. Sie übersetzten das politische Wollen in juristische Termini und Regeln, mit denen der Verfassungskampf in erster Linie bestritten wurde. Dadurch kam ihnen eine funktional bestimmte Führungsaufgabe zu, die einige von ihnen im Lande bekannt machte.25 Vor allem Stüve und Detmold sorgten für eine Koordination und für ›Öffentlichkeitsarbeit‹ der Opposition, deren Bestrebungen in nahezu allen bedeutenden deutschen Blättern immer wieder unterstützende Berücksichtigung fanden.26 Über den kleinen Kreis der Mitglieder von Institutionen und Wahlkorporationen hinaus bot allen Anhängern des Staatsgrundgesetzes das Mittel der Steuerverweigerung die Möglichkeit, gegen, den Staatsstreich und die Rechtsauffassung der Regierung zu protestieren. Wenngleich dadurch die bis zu revolutionärem Widerstand reichenden Mittel, die ein Tübinger Rechtsgutachten als Antwort auf einen Verfassungsbruch aufzeigte,27 nicht 98 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
ausgeschöpft wurden, stellten sie doch eine Verschärfung des kollektiven Protests dar. Die Verweigerer begründeten ihr Vorgehen zwar weiterhin mit dem juristischen Argument, daß das Budget nicht von einer gemäß dem Staatsgrundgesetz zusammengekommenen Ständeversammlung beschlossen worden sei, leisteten jedoch bei genau kalkulierbarem Risiko aktiven Widerstand.28 Bei vielen stand allerdings nicht der Entzug materieller Ressourcen im Vordergrund, sondern wiederum eine juristische Herausforderung der Regierung. Treibe sie nämlich die Abgaben ein, wollten sie die Verweigerer auf Rückzahlung verklagen, wobei die Hoffnung bestand, daß sich dann die Gerichte mit dem Verfassungsproblem beschäftigen müßten. Erlaube dies die Regierung nicht, könnten sich die Betroffenen an den Deutschen Bund wegen Rechtsverweigerung wenden; so gelange »die Verfassungsfrage von neuem an ihr eigentliches Forum, die durchlauchtigste Bundesversammlung«. Daher sei die Zahl der Fälle völlig belanglos; denn materielle Wirkung sollte nicht erzielt werden.29 Dennoch war bei einem Teil der Steuerverweigerer die unmittelbare Demonstration gegen den Staatsstreich des Königs das Hauptmotiv. Erste Gerüchte über beabsichtigte Verweigerungen kursierten in Osnabrück bereits im Sommer 1838.30 Durch das Rechtsgutachten der Tübinger Juristenfakultät bestärkt, setzten mit Beginn des Jahres 1839, als das staatsgrundgesetzlich bewilligte Budget endgültig ablief, Verweigerungen in größerer Zahl ein. Neben zahlreichen Advokaten, die ungestempelte Formulare verwandten,31 weigerten sich in Osnabrück über 360 Personen, ihren Steuerzahlungen nachzukommen; nach der ersten Mahnung zahlten immerhin 146 von ihnen. Die angekündigte Pfändung schreckte weitere 43; schließlich wurden 92 Exekutionen durchgeführt.32 Besonders intensiv wurden Steuerverweigerungen in den Erhebungsgebieten der Kreiskassen Neuhaus und Stade betrieben. Öffentlich forderten die Oppositionellen während einer Sitzung des Kirchspielausschusses des Amtes Neuhaus im September 1839 zur Abgabenverweigerung auf, wobei Gastwirte, Handwerker und »Handarbeiter« von den Grundbesitzern angeblich massiv unter Druck gesetzt worden sein sollen; wenn sie sich ihrem Protest nicht anschlössen, hätten sie mit einem Boykott durch die vermögende bäuerliche Schicht zu rechnen, auch würde nicht länger Brotkorn verabreicht.33 Eine Untersuchung34 der sozialen Zusammensetzung der Steuerverweigerer in diesen beiden Kirchspielen zeigte, daß eine solche Beeinflussung, wenn sie überhaupt stattgefunden hatte, nur geringe Wirkung auf eine Verbreiterung des Teilnehmerkreises besessen haben konnte. In der Zeit vom Dezember 1839 bis Dezember 1840 stellten die Grundbesitzer etwa zwei Drittel der Verweigerer. Sie erhielten Unterstützung von einigen Handwerkern, Gastwirten, Advokaten und Kanzleiprokuratoren, Kaufleuten, Ärzten und einem Apotheker. Eine bedeutende Rolle für die Struktur der Steuerverweigerer spielten Verwandtschaftsbeziehungen, die für mindestens 23 Beteiligte wahrscheinlich waren.35 Insgesamt entsprach der Anteil 99 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
der freien Bauern ihrer Bedeutung im Lande Hadeln und Kehdingen. Ohne grundherrschaftliche Tradition hatten sie seit dem Mittelalter auf Gemeindeebene ein starkes politisches Freiheitsbewußtsein entwickelt, das ihnen aufgrund des öffentlichen Echos des Verfassungsbruches als bedroht erscheinen mußte. Darüber hinaus hatte ihnen das Staatsgrundgesetz verstärkte Partizipation eingeräumt, die sie jetzt unmittelbar in Gefahr sahen.36 Eine Schlüsselrolle für ihre oppositionelle Haltung spielte der ehemalige Hauptmann und Gutsbesitzer Böse, der mit einigen Wahlmännern und Deputierten37 wichtige politische Mittlerfunktionen zwischen der lokalen ländlichen Lebenswelt und der Landespolitik in einem noch weitgehend durch mündliche Verständigung geprägten traditionellen Kommunikationssystem ausübte. Diese politisch Interessierten mit ihrem weiten intellektuellen Horizont und ihren persönlichen Verbindungen, die die Grenzen der Gemeinde und Region meistens überschritten, besaßen als Deuter der politischen Vorgänge großen Einfluß auf die Ansichten und politischen Handlungen der Bauern. 38 Unter juristischer Anleitung von Advokaten, die für die Grundbesitzer oft gleichlautende Protesterklärungen gegen die Aktionen der Behörden und Gerichte abfaßten, organisierten sie Steuerverweigerungen auf dem Lande.39 Höhepunkt dieser Aktionen war nach den vorliegenden lückenhaften Berichten der Zeitraum vom Herbst 1839 bis zum Februar 1840.40 Mit der Bereitschaft vieler Wahlkorporationen, Deputierte zu Verfassungsverhandlungen zu wählen und der schließlichen Verkündung der revidierten Verfassung nahmen die Steuerverweigerungen in den untersuchten Ämtern merklich ab. Im letzten Quartal 1840 wurden nur noch vierzehn Verweigerer verzeichnet, die nach der ersten Mahnung ihren Zahlungsverpflichtungen sofort nachkamen, unter ihnen keiner der führenden Oppositionellen. Die verfolgte Absicht einer Einschaltung der Gerichte zur Beurteilung der Verfassungsfrage scheiterte, weil die Regierung anhängige Prozesse zunächst verschleppte und dann nach dem Bundesbeschluß durch den im September 1839 einberufenen Staatsrat den Gerichten die Kompetenz für eine Beurteilung der Verfassungsfrage und der Ausübung königlicher Hoheitsrechte entzog.41 Die Berechenbarkeit des Rechts war noch keineswegs so weit etabliert, daß sie den entschlossen durchgesetzten Herrschaftsansprüchen Ernst-Augusts hätte standhalten können. Das legalistische Vorgehen der bürgerlichen Opposition konnte unter solchen Bedingungen kaum substantiellen Erfolg bringen und war anhaltend der Gefahr ausgesetzt, kriminalisiert zu werden. Trotz aller Bemühungen der Liberalen, Massenprotest zu vermeiden, fanden doch einige größere Demonstrationen statt, die jedoch nur mittelbar mit dem Staatsstreich in Verbindung standen. Ausgelöst wurden sie jeweils durch spezifische Übergriffe des Königs gegen die Magistrate von Osnabrück und Hannover als wesentliche Träger der oppositionellen Bewegung. Eine »große Menge Bürger« bekundete dem Osnabrücker Magistrat ihre 100 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Sympathie, als die Regierung die Magistratsmitglieder barsch zur Unterschrift unter einen verlangten Huldigungsrevers ohne jeden Vorbehalt aufforderte; die Demonstranten legten ihnen nahe, weiterhin das Staatsgrundgesetz aufjede mögliche gesetzliche Weise zu verteidigen.42 Empörung unter den Bürgern Hannovers rief eine Untersuchung gegen den Magistrat und die Suspendierung des Stadtdirektors Rumann hervor, weil dieses Gremium beim Deutschen Bund wegen Wahlmanipulation Beschwerde geführt und Verwahrung gegen alle Beschlüsse der unrechtmäßig zusammengekommenen Ständeversammlung eingelegt hatte. 43 Vorübergehend sollte deshalb ein Oberamtmann Rumanns Stelle einnehmen. Zu seiner geplanten Amtseinführung am 17. Juli 1839 sammelten sich sechs- bis achthundert Bürger vor dem Rathaus, um ihre Solidarität mit Rumann und dem gegen den Übergriff protestierenden Magistrat zu bekunden. Nur mit Mühe konnte der Magistrat in den Sitzungssaal drängende Demonstranten davon abhalten, den königlichen Beamten aus dem Fenster zu stürzen, um auf diese Weise handgreiflich einen Eingriff in städtische Rechte zu unterbinden, wonach kein Staatsdiener Magistratsmitglied sein durfte. Im Gegensatz zu dem von der bürgerlichen Opposition sonst bevorzugten Verfahren juristischer Auseinandersetzungen zeigte die Menge der Bürger keinerlei Neigung, die Regierung Fakten schaffen zu lassen, die kaum rückgängig zu machen gewesen wären. Noch am selben Vormittag erklärte sich der König zum Empfang einer Magistratsdeputation bereit, die von einer »Tausende umfassenden Menschenmenge« begleitet wurde. Angesichts solcher Massendemonstrationen, die bei Scheie sofort Furcht vor einer Erhebung aufkommen ließen,44 und der fundierten Vorstellungen der Deputation willigte Ernst-August in die interimistische Amtsübernahme durch den Stadtsyndikus ein; eine Rücknahme der Rumannschen Suspension verweigerte er dagegen. 45 Als zwei Tage spater der Stadtgerichtsdirektor schließlich Rumanns Amt vorübergehend übernahm, versammelten sich zu seinem Amtsantritt erneut mehrere Hundert Bürger vor dem Rathaus, um sich durch eine Abordnung seine staatsgrundgesetzliche Haltung bestätigen zu lassen.46 Ebenfalls große Erbitterung löste der Entzug der Zuständigkeit des städtischen Gerichts Osnabrück für die Untersuchung von staatsgrundgesetzlichen Kundgebungen aus, die im Wirtshaus ›Musenburg‹ anläßlich eines großen Essens stattgefunden haben sollen.47 Daraufhin weigerten sich Magistratsmitglieder demonstrativ, den Vorladungen der staatlichen Untersuchungsorgane Folge zu leisten. Die Verhaftung des Vorsitzenden Altermanns wegen Aussageverweigerung gab schließlich den Anlaß für eine Versammlung der Bürgerschaft auf dem Rathaus, die allerdings nicht die geforderte sofortige Freilassung bewirken konnte. 48 Diese Massendemonstrationen stellten insgesamt jedoch die Ausnahme in der politischen Bewegung um den Verfassungskonflikt dar. Ihr Entstehen begünstigte der Bezug auf den unmittelbaren, lokalpolitischen Lebensbe© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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reich des Stadtbürgers, auf seine Selbstverwaltungsrechte sowie seine politischen Repräsentanten. Demgegenüber überließen die lediglich in seltenen Urwahlen gesamtstaatlich angesprochenen Bürger die Verteidigung des Staatsgrundgesetzes weitestgehend ihren Wahlmännern und Deputierten. Nur einmal war nach der Wahlrechtserweiterung von 1832 ein Teil der Bevölkerung zu Urwahlen aufgefordert worden, ansonsten hatten die Stände jenseits der politischen Aufmerksamkeit vor allem des Provinzeinwohners gearbeitet. Nicht zuletzt daraus erklärte sich die mangelnde Popularität der Verfassung von 1833.49 Angesichts eines derartig begrenzten politischen Erfahrungsbereiches konnten viele Einwohner den Staatsstreich ihres Königs kaum als fundamentale Herausforderung empfinden. Vielmehr fühlten sie sich positiv durch Steuererleichterungen in ihren materiellen Sorgen verstanden;50 im Spiegel der allgemeinen Stimmung erwies sich diese Maßnahme Ernst-Augusts als außerordentlich geschickt.51 2.4.3. Repressionspolitik als königliche Krisenstrategie Im Gegensatz zum streng legalistischen Taktieren der Opposition machte der König entsprechend seinen patrimonialen Verfassungsvorstellungen ohne größere Skrupel von den ihm seiner Meinung nach zustehenden Rechten und verfügbaren Machtmitteln Gebrauch. Zwar mußte er dabei auf die Stimmung beim Deutschen Bund gewisse Rücksichten nehmen, doch durch die von Anfang an bestehende Unterstützung Österreichs52 für seinen politischen Kurs waren die Grenzen relativ weit gezogen. Sein Hauptziel, eine willfährige Zweite Kammer für Verfassungsverhandlungen zusammenzubringen, verfolgte er regelmäßig mit Wahlmanipulationen, die von bloßer Beeinflussung der Wahlmänner über Minoritätswahlen bis zur Mandatsaberkennung für unliebsame Oppositionelle reichten. Selbst nach Einführung der Verfassung von 1840 ließ er einem Großteil der trotz dieses Drucks gewählten Oppositionellen als Beamten den Urlaub verweigern, so daß die führenden Oppositionspolitiker nicht in die Kammer eintreten konnten, obwohl sie alle eine geforderte Anerkennung der neuen Verfassung unterschrieben hatten.53 Einzelne herausragende Persönlichkeiten der staatsgrundgesetzlichen Opposition bekämpfte trotz ihrer Popularität die Regierung mit Amtsenthebung, polizeilichen Untersuchungen und sogar Landesverweisung. Solche spektakulären Aktionen stärkten zwar kurzfristig moralisch die Gegner Ernst-Augusts, indem sie Märtyrer schufen und dadurch personenbezogene Solidarität hervorriefen, längerfristig schwächten sie jedoch die liberale Opposition, weil sie ihre Führer von wichtigen politischen Funktionen und Einflußmöglichkeiten ausschlossen.54 Mancher staatsgrundgesetzlich Gesinnte sah sich Bespitzelungen und kriminalgerichtlichen Untersuchungen bis in den häuslichen Bereich hinein 102
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ausgesetzt.55 Beschränkungen der Bewegungsfreiheit einiger führender Liberaler sollten die Kommunikation und Koordination unter den Anhängern des Staatsgrundgesetzes unterbrechen.56 In ihrem Vorgehen gegen die Steuerverweigerer wich die Regierung vom normalen Weg der Pfändung ab, weil die Behörden dabei oft auf energischen Widerstand der Betroffenen, z. Τ. ganzer Ortschaften, stießen. Stattdessen ermächtigte sie die Landdrosteien, Verweigerer mit militärischem Einlager zur Zahlung zu bewegen. Zunächst waren dabei auf Kosten des Betroffenen ein Unteroffizier und fünf Soldaten zu verpflegen, die täglich um zwei weitere Soldaten vermehrt werden konnten. Nur wenige Verweigerer wollten sich derart kostspieligen Protest leisten; die meisten zahlten daher jeweils kurz vor Ablauf der gesetzten Frist.57 Die einseitige Auslegung des Bundesbeschlusses vom 5. September 1839 ermunterte die Regierung, alle Zurückhaltung gegenüber der Opposition aufzugeben; Aktionen zur Einschüchterung und verstärkte polizeiliche Kontrolle waren die Folgen. Alle Behörden wurden zur Präventivpolizei gegen jegliche staatsgrundgesetzliche Regungen der Opposition verpflichtet,58 so daß namentlich in den Zentren der Opposition politische Zusammenkünfte, Informations- oder Kontakttreffen aufgrund eines etablierten Spitzelsystems nahezu unmöglich waren. Über politische Regungen der Oppositionellen in der Hauptstadt und ihre Reisen ließ sich der König täglich ausführlich Bericht erstatten.59 Zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung bediente sich der Fürst des gängigen Mittels der Zensur, für die er auch die Nachbarstaaten, vor allem Preußen, gewinnen konnte. Wenig Erfolg hatte er dagegen mit Broschüren und Zeitungsartikeln, die in seinem Auftrag verfaßt wurden. 60 Insgesamt engten die Gegenmaßnahmen der Regierung den Spielraum der Opposition so sehr ein, daß Anfang 1840 kaum noch reale Möglichkeiten zu legalistischem Protest bestanden. Darüber hinaus war für den Ausgang des Verfassungskonflikts entscheidend, daß der König den größten Teil der Bevölkerung auf seiner Seite hatte. Durch geplante Propagandareisen durchs Land mobilisierte er immer wieder große Menschenmassen selbst in oppositionellen Hochburgen, wo sich dann liberale städtische Repräsentanten genötigt sahen, artige Reden auf Ernst-August zu halten.61 In Stadt und Land Osnabrück stand die zahlenmäßig starke, von der Stadtverwaltung gänzlich ausgeschlossene katholische Minderheit im Regierungslager, bestärkt durch die Amtskirche; hier wie auch in anderen Städten war also sogar das Bürgertum als Potential der Opposition gespalten.62 Die ostfriesischen Partikularisten63 hatten dem Staatsgrundgesetz ebensowenig Positives abgewinnen können wie der hannoversche Adel;64 beide Gruppen versuchten nun, ihre Interessen in die zu verändernde Verfassung einzubringen. Trotz der verbreiteten verfassungspolitischen Passivität und der zweifellos vorhandenen Sympathie für den König sowie der energischen Anwendung aller Machtmittel konnte Ernst-August nicht verhindern, daß sich der © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Verfassungskonflikt im Frühjahr 1839 zeitweise zu einer Legitimitätskrise zuspitzte, in der das politische System partiell seine Handlungsfähigkeit verlor. Die Boykottaktik der Opposition und die ernsten Zweifel der Deutschen Bundesversammlung an der Rechtmäßigkeit des königlichen Vorgehens zeigten ihre politischen Wirkungen. Der Nichteinmischungsbeschluß des Deutschen Bundes stellte dann den entscheidenden Wendepunkt dar; er erlaubte nun noch entschiedeneren Machteinsatz gegen die bürgerliche Opposition. Die Lösung der politischen Krise im Sinne des Königs wurde insgesamt dadurch erleichtert, daß sie unter gegenüber 1830/31 grundlegend anderen Bedingungen vorangetrieben werden konnte. Nicht veränderungswillige Aufbruchsstimmung, genährt durch Vorbilder in ganz Europa, bestimmte die politische Großwetterlage, sondern das Bemühen, den politischen Statusquoante wiederherzustellen bzw. zu erhalten. Besonders deutlich im Vergleich wurde ein anderer Faktor, der den relativen liberalen Erfolg unmittelbar nach 1830/31 mitbewirkt hatte: der soziale Protest breiter Bevölkerungsschichten, die vielerorts das staatliche Machtmonopol herausforderten. Eine solche Konstellation von politischem und sozialem Protest bestand 1837 bis 1840 nicht, da vor allem günstige Ernten eine verhältnismäßig befriedigende Versorgungssituation des agrarisch geprägten Königreichs bewirkten und Ernst-August durch Steuererlasse für weitere Erleichterung gesorgt hatte. Das Ausbleiben sozial motivierten Massenprotests schwächte entscheidend die Konfliktfähigkeit der insgesamt doch kleinen staatsgrundgesetzlichen Opposition und erklärte zum Teil ihre schließliche Erfolglosigkeit. Der Regierung ermöglichte diese Konstellation nach 1837, sich ganz auf die Bewältigung des Legitimitätsproblems zu konzentrieren. Zudem lenkten in der Endphase des Verfassungskonflikts 1840 die Orientkrise und der Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. in Preußen die politische Aufmerksamkeit nach außen.65 Vor diesem Hintergrund war der schließliche Verfassungskompromiß von 1840, der dem König erweiterte Befugnisse sicherte, den Ständen jedoch wichtige Rechte beließ, gemessen am königlichen Vorhaben sogar noch als gewisser Erfolg der Opposition zu bewerten. 66 Ernst-August sah offensichtlich ein, daß Scheles Maximalprogramm selbst in einem durch Pressezensur und politische Restauration gekennzeichneten Klima kaum durchführbar war. Neoabsolutistische Herrschaftsvisionen wurden durch die gewonnene Einsicht korrigiert, daß zur vollen Herrschaftslegitimierung nach innen und außen die Zustimmung wenigstens eines Teiles der ›classe politique‹ notwendig war.
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2.5. Massenproteste und politischer Reformdruck in Hamburg 2.5.1. Antijüdische Ausschreitungen und Ordnungskonflikte im Herbst 1830 2.5.1.1. Die Eskalation von Protest und Repression Die Hansestadt Hamburg war im Herbst 1830 Schauplatz mehrerer Unruhen, die inhaltlich miteinander kaum in Verbindung standen, obwohl sie auf dem engen Raum der bevölkerungsreichsten Stadt Norddeutschlands und ihrer Vorstädte stattfanden. Dabei war im Gegensatz zu Braunschweig und Hannover kein zentrales Ereignis erkennbar, das eine politische Krise bewirkt hätte. Zeitlich einander folgend, standen die Proteste nach ihrer Bedeutung nebeneinander als Ausdruck eines allgemeinen Protestklimas, das vielfältige Ursachen erkennen ließ. Erhebliches Gewicht kam dabei kurzfristig-konjunkturellen Entwicklungen zu, die in ihrer konkreten Ausprägung durch lokale Besonderheiten bestimmt wurden. Als großer Getreideumschlagplatz war die Hansestadt in den nationalen und internationalen Markt eingegliedert, was von entscheidendem Einfluß auf das lokale Niveau der Lebensmittelpreise war. Sie richteten sich weitgehend nach der überregionalen Nachfrage und den verfügbaren bzw. zu erwartenden Zufuhren. Als sich 1830 eine Roggenmißernte in Norddeutschland abzeichnete, stiegen die Preise für dieses wichtige Getreide ab August des Jahres ständig an, angetrieben von der gleichzeitig zunehmenden überregionalen Getreidenachfrage; erst im Dezember zeichnete sich eine leichte Entspannung ab. Die Beschäftigungsseite1 kennzeichnete in jenem Jahr eine steigende Zahl von ›Fallisements‹, die 1831 einen erst 1846 wieder übertroffenen Höhepunkt erreichten. Nach dem Zusammenbruch der Baukonjunktur Ende der 1820er Jahre gingen auch einige der größten Bauunternehmer in Konkurs.2 In einer solchen Situation mußten Steuererhöhungen die Lage der betroffenen Bevölkerungsschichten weiter verschlechtern. Der Senat und die Bürgerschaft waren nämlich Anfang 1830 den kaufmännischen Interessen mit der Senkung der Einfuhrzölle von 1,5 auf 0,5 v.H. entgegengekommen und hatten den dadurch entstehenden Einnahmeausfall auf die breite Masse der Bevölkerung abgewälzt, indem sie die Entfestigungssteuer verdoppelt und auf die Vorstädte ausgedehnt, die Akzise auf wichtige Lebensmittel erhöht sowie eine Mietabgabe in Höhe von 2 v.H. eingeführt hatten. Gleichzeitig hatte die Bürgerschaft eine Besteuerung der Zoll- und Bankzettel abgelehnt.3 Die verbreitete Unzufriedenheit darüber wurde im Spätsommer durch die Sorge vergrößert, daß die Getreidepreise in den bevorstehenden Monaten erheblich steigen könnten.4 Großen Eindruck machten schließlich die eingehenden Nachrichten aus Paris, deren Demonstrationseffekt besonders auf © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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untere Schichten die Obrigkeit fürchtete; eine Mahnung an den Zensor, in den sog. ›Volksblättern‹ keine Details über Unruhen im Ausland durchgehen zu lassen, sollte das Problem entschärfen.5 Gleichwohl erfreuten sich Marseillaise und Trikolore besonders in kleinbürgerlichen Schichten großer Beliebtheit, ohne daß daraus jedoch spürbar gehobenes politisches Bewußtsein mit partizipatorischer Tendenz hervorgegangen wäre. 6 Vielmehr äußerte sich die allgemeine Unzufriedenheit zunächst erneut in einer für Hamburg bekannten Form, nämlich in antijüdischen Ausschreitungen, wie sie die Stadt bereits 1819 erlebt hatte: Im Zuge ihrer Restaurationsbestrebungen nach dem Abzug der Franzosen bemühten sich Ämter und Zünfte auch um Wiederherstellung von Beschränkungen der Gewerbe- und Handelsfreiheiten für Juden, die sich überwiegend als Kleinhändler und Trödler ein bescheidenes Einkommen sicherten. Besonders herausragend war die Opposition des Krameramtes, das auf einem Hausierverbot für Juden bestand; alle Ausgleichsversuche scheiterten 1819, als es diesem Amt erneut gelang, ein entsprechendes Verbot durchzusetzen. Aber auch andere Zünfte waren darauf bedacht, jüdische Lehrlinge nicht in nennenswertem Umfang auszubilden und keine jüdischen Handwerker in die Zunft aufzunehmen. Den ›Erziehungsabsichten‹ der jüdischen Gemeinde, nach 1814/15 durch eine Vorschußkasse und eine Freischule mit veränderten Erziehungsinhalten das Vordringen in Handwerk und Gewerbe zu erleichtern, stand das christliche Kleinbürgertum ablehnend gegenüber. Die verschlechterte wirtschaftliche Lage und die Teuerung 1817 verstärkten und aktualisierten diese antijüdischen Einstellungen, deren stereotype Begründungen im verzerrt und übersteigert wahrgenommenen wirtschaftlichen Erfolg - durch Betrug, Wucher und unehrlichen Kundenfang erzielt- zu suchen waren. Der traditionellen zünftigen Ehrbarkeit wurde die mindere Moral des jüdischen Konkurrenten gegenübergestellt, den keine Zunfttradition leitete. Gerade in den wirtschaftlich angespannten Jahren des zweiten Jahrzehnts ebenso wie in der ökonomischen Krise 1830 wurde für die bedrohten Gesellschaftsschichten der jüdische Handel- und Gewerbetreibende zum Symbol einer neuen Gesellschaft, deren ökonomische Regelungsmaximen nicht mehr korporative Privilegien und auskömmliche ›Nahrung‹, sondern Konkurrenz, Geld und Profit bildeten.7 Vor diesem Hintergrund fanden in Hamburg vom 20. bis 26. August 1819 antijüdische Ausschreitungen statt, wie sie sich ähnlich in anderen deutschen Städten zur gleichen Zeit ereigneten.8 Sie nahmen ihren Ausgang von Beschimpfungen und Schlägereien und setzten sich in ›Fenster-Musiken‹ fort, entscheidend begünstigt durch anfängliche Passivität der Obrigkeit. Erst als Ordnungskräfte bei der zaghaften Wahrnehmung ihrer Aufgaben angegriffen wurden, reagierte der Senat mit einem Tumultmandat, das die Aufregung nur noch steigerte, da es der Bevölkerung als zu Judenfreundlich galt. 9 Schließlich sah sich die Obrigkeit genötigt, zur Beruhigung in einem veränderten Mandat der Stimmung Rechnung zu tragen, das diesmal 106
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»besonders auch der Judenschaft das Zuhausbleiben zur Pflicht« machte und ihr befahl, »jede Veranlassung zu Unruhe und Tätlichkeiten« unter Androhung schwerer Strafe zu unterlassen.10 ElfJahre danach, im Spätsommer 1830, waren die allgemeine Situation und der Protestverlauf in der Hansestadt zunächst ähnlich. Längerfristiger sozialer Wandel und aktuelle wirtschaftliche Not verstärkten sich gegenseitig in ihren Wirkungen auf die Ausbildung eines verbreiteten Krisenbewußtseins, in dem die Juden als Sündenbock eine zentrale Rolle spielten. Die allgemeine, vermutlich wenig spezifische Unzufriedenheit ließ sich in diese außerständische Bevölkerungsminorität hineinprojizieren und in Personen vergegenständlichen.11 Am letzten Augusttag 1830 begannen die Unruhen in Kaffeehäusern mit tätlichen Angriffen auf jüdische Gäste, weil sie sich das Abspielen der Marseillaise angeblich verbeten haben sollen.12 Die Nachricht von diesen Ereignissen lockte am nächsten Abend viele Neugierige an, deren Sensationslust erfüllt wurde. Aus einem Pavillon am Jungfernstieg wurden Juden »wie Hunde herausgetrieben«, ehe die Polizei eingriff und einige Verhaftungen vornahm. Fast schlagartig wechselten damit die Protestobjekte; bisher passiv gebliebene Neugierige versuchten nun, die Arretierten zu befreien, wobei es zu einer »fürchterlichen Prügelei« mit den Ordnungskräften kam. Viele Teilnehmer sollen gefährlich verwundet worden sein.13 Ein ähnlicher Geschehensablauf auch am folgenden Tag: Diesmal warf die Menge unter Hep-Hep-Rufen jüdischen Einwohnern die Fenster ein, bis erneut eine Verhaftung die Situation veränderte. Eine Menschenmenge zog hinter dem Arretierten her bis zum Stadthaus, wo immer mehr Schaulustige zusammenliefen. Bei einer überfallartigen Attacke berittener Soldaten zur Zerstreuung der Menschenmenge »wurden nun auch die hinter dem rohen Haufen lustwandelnden Neugierigen teils umgeritten, teils mit der flachen Klinge zum Zurückgehen gezwungen«.14Ohne Befehl hätten die Reiter »mit den Säbeln ganz blind auf die Leute eingeschlagen; das hat alle Bürger ungemein erzürnt«.15 Die Juden waren vergessen; aller Protest richtete sich jetzt gegen die Ulanen. Der Senat sah sich gezwungen, seine Passivität, die er gegenüber den antijüdischen Ausschreitungen geübt hatte, aufzugeben; ein Tumultmandat und die Alarmierung eines Teiles des Bürgermilitärs sollten erneute Ruhestörungen verhindern. Doch wieder wurde abends das Stadthaus von einer großen Menschenmenge umlagert, mit der Mitglieder des aufgebotenen Bürgermilitärs offen sympathisierten. Ein weiterer Konflikt entwickelte sich zwischen dem Bürgermilitär und den aufgrund seines mangelnden Einsatzwillens requirierten Ulanen. Das Bürgermilitär verweigerte den Reitern mit gefälltem Bajonett den Zutritt zur Innenstadt; »die Ulanen mußten erbärmlich abtrollen«, wobei sie ausgepfiffen und von der Bevölkerung mit Dreck und Steinen beworfen wurden. 107 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Am Jungfernstieg setzten die Reiter schließlich auf den Fußweg und »schlugen mit blanken Säbeln auf alle Menschen ohne Unterschied«.16 Nahezu ungestört zogen den ganzen Abend Volkshaufen singend durch die Straßen. Zu Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften kam es erst, als sie ihr Fenstereinwerfen verstärkten, u. a. beim Bankier Heine, dem Chef der Ulanen sowie einem unbeliebten Polizeibeamten. Angeblich sollten auch einige Häuser von Senatoren, die wegen der Abgaben »der geringen Leute« verhaßt waren, Angriffsziele werden. Es gelang dem Bürgermilitär nicht, die Demonstranten auf dem Stein weg zu zerstreuen, so daß Militär eingriff; dadurch wurde »ein Teil des Pöbels auf die inzwischen nachrückende Kompanie des Bürgermilitärs geworfen, und es war dabei unvermeidlich, daß Gardisten, Soldaten und Pöbel ineinander gerieten«. Daraufhin forderte die Bürgermilitärführung eine sofortige deutliche Trennung ihrer Formation von den immer unbeliebter werdenden Soldaten.17 Diese unerwartet ernste Zuspitzung der Lage veranlaßte den Senat zur Änderung seiner Situationseinschätzung; die Vorgänge könnten nicht mehr als »Volkstumulte« behandelt werden, sondern stellten »offenen Aufruhr« dar, zu dessen Unterdrückung nun das gesamte Bürgermilitär alarmiert wurde. Gleichzeitig erließ er ein Tumultmandat, das Verhaftung aller Teilnehmer an Menschenansammlungen ohne Unterschied von Urhebern, Mitläufern und Neugierigen sowie scharfes Schießen ankündigte. Um auf drohende Komplotte »und die größeren Gefahren, welche hinsichtlich der Tagelöhner und anderer Handarbeiter, in den Eigentümlichkeiten des heutigen Löhnungsabends, des morgigen Sonntags und des Montags lägen«, 18 vorbereitet zu sein, bot der Senat fast 10000 Ordnungskräfte, ungefähr 10 v.H. der Gesamtbevölkerung, auf. Diese Streitmacht sorgte dafür, daß die Ruhe in der Stadt aufrecht erhalten wurde; 19 nicht jedoch in der Vorstadt Hamburgerberg. Gleich nach der wegen der allgemeinen Aufregung vorzeitig erfolgten Schließung der Tore verlangte ein ›Haufen‹ am Altonaer Tor Zugang zur Stadt, vermutlich in der Absicht, an den auch für diesen Abend erwarteten Ausschreitungen teilzunehmen; vergeblich attackierte er das Tor mit Wurfgeschossen. Als die Demonstranten sahen, daß ihre Aktion in der Stadt keine erhoffte Unterstützung hervorrief, zogen sie zum Vergnügungsviertel Hamburgerberg, nicht ohne unterwegs Laternen und öffentliche Anschlagpfähle aus Protest gegen die Aussperrung zu demolieren. Hier konzentrierte sich der ›Pöbel‹ auf ein Freudenhaus, das aus Rache ›spoliiert‹ wurde, weil dessen Wirt einige Tage zuvor einen Matrosen mißhandelt und schließlich dessen Arretierung veranlaßt hatte. Bereits an jenem Tag hatte man dort und am benachbarten Haus eines Polizeioffizianten Sachzerstörungen verübt. An diesem Samstagabend stellten die Ulanen und das Bürgermilitär die Ruhe wieder her. Am nächsten Tag lockte der Ort der Geschehnisse viele Schaulustige an, aus deren Reihen nachmittags erneut Steine gegen das Haus und eine davor 108 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
aufgestellte Ulanenwache geworfen wurden, die daraufhin Verstärkung holte. Wieder bewies das Militär seine Neigung zur Überreaktion. Formal korrekt ließ nach zweimaligem Verlesen des Tumultmandats ein Infanterieoffizier zwei Schüsse »scharf in die Luft abgeben«; »allein erst durch wirkliches scharfes Feuern und einen Choc der Kavallerie konnte die Mannschaft sich Luft verschaffen. Der Pöbel wurde jetzt allmählich bis auf das Plateau getrieben; hier setzte er sich und schleuderte von neuem Steine auf die Soldaten«. Im Gegenangriff versuchte die Menge, wieder in Richtung Wirtshaus vorzudringen; »allein bei dem fürchterlichen Steinhagel mußte wieder geschossen werden; aus den Häusern und von den Dächern wurde mit Steinen geworfen und die Soldaten schossen dagegen auf die Dächer hinauf«, wie es im Bericht des Militärs hieß. Anschließend durchkämmte es die Straßen und »säuberte« systematisch Buden und Schenken, wobei kräftig vom Gewehrkolben als Schlaginstrument Gebrauch gemacht wurde. 20 Blutige Bilanz des brutalen Vorgehens der Ordnungskräfte waren nach Angaben des an der Untersuchung beteiligten Senators Hudtwalcker ein Toter und 14 Verletzte im hamburgischen Krankenhaus, von denen in den folgenden Tagen drei weitere starben; andere Verletzte waren nach Altona transportiert worden, so daß die Gesamtzahl wesentlich höher lag. 21 In der Stadt glaubten Ewerführerknechte, die allgemeine Unruhe zu ihren Gunsten ausnutzen zu können. Am Montagabend schleppten sie einen auswärtigen Konkurrenten aufs Stadthaus und verlangten dessen Ausweisung, weil er ihnen Arbeit und Brot nähme. Angeblich rottierten sie sich nach ihrem erfolglosen Unternehmen auf dem ›Kehrwieder‹ zusammen, doch alarmierte Ordnungskräfte fanden alles ruhig. Dennoch wurden auf Beschwerde der Ewerfuhrebaase, die nicht auf die Arbeitskraft der Auswärtigen verzichten wollten, sechs Knechte verhaftet.22 Hiernach wurde die Ruhe nicht weiter gestört, so daß der Senat am folgenden Mittwoch zu der Ansicht gelangte, »Vertrauen und Eintracht kehrten zurück, man müsse auch obrigkeitlicherseits wieder Vertrauen zeigen«. Deshalb solle die frühe Schließung der Wirtshäuser aufgehoben und das Bürgermilitär bis auf eine Kompanie pro Bataillon demobilisiert werden. Die Normalität kehrte allmählich zurück.23
2.5.1.2. Die Protestträger und ihre Erfolge Da die diffusen Menschenmengen keine soziale Struktur erkennen ließen, bleibt zu einer groben Umschreibung der Protestträger nur der Weg über eine Analyse des Potentials der Unzufriedenen sowie der einzelnen Protesthandlungen, der Objekte und der Parolen.24 Als Protestpotential kamen wie 1819 auch 1830 zunächst die über 2500 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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vom Kleinhandel, -handwerk und -gewerbe Lebenden in Betracht. Ihre über eine bloße Existenzsicherung hinaus auf die unbedingte Wahrung ihres sozialen Status gerichteten Erwartungen an die Einkommens- und Beschäftigungslage wurden in der sich gerade zum Ende der 1820er Jahre verschlechternden Konjunktur erheblich von den realen Bedingungen unterschritten. Dazu intensivierte die Steuerumverteilung zugunsten der Großkaufleute und Bankiers der Hansestadt im Kleinbürgertum diffuse Gefühle von Unzufriedenheit und Ungerechtigkeit,25 die in Hamburg immer wieder dazu tendierten, die nur schwer durchschaubaren, mit alltäglicher Erfahrung kaum hinreichend erklärbaren Ursachen der Verschlechterung der eigenen sozialen Lage in den Juden zu sehen und zu personalisieren. Bei solcher Grunddisposition bedurfte es nur eines kleinen Anlasses, um die latente Aggressionsbereitschaft in Aktion umschlagen zu lassen. Die in keinem zeitgenössischen Bericht ausgelassene angebliche Kritik einzelner jüdischer Gäste des Kaffeehauses am Jungfernstieg an dem von anderen Gästen immer wieder geäußerten Wunsch nach einem Abspielen der Marseillaise übte diese Auslöserfunktion aus. Die ersten Judenmißhandlungen lockten sofort viele Neugierige an, die anschließend teilweise selbst an Sachzerstörungen teilnahmen. Auf das Kleinbürgertum als wesentlicher Träger deutete auch das Verhalten des Bürgermilitärs, das sich größtenteils aus dieser Schicht rekrutierte; in seiner »Antipathie gegen das Linien-Militär« stimmte es mit den Demonstranten überein. Wenngleich die Alarmierung des gesamten Bürgeraufgebots dem Protestpotential zahlreiche Aktivisten entzog, änderte sich damit dennoch nicht die Disposition zu Protest;26 zu sehr waren Angehörige dieser Formation von der Senatspolitik negativ betroffen. Dies bestätigte ein vielbeachteter Zwischenfall: Eine Bürgergardenkompanie gab am Samstagabend auf dem Heimweg einige Schüsse ab; mit dem Gewehrkolben stießen einige ihrer Mitglieder die Scheiben einer Brotbude ein und beschimpften in der Nähe befindliche Nachtwächter, die wegen der großen Zahl der Tumultanten nicht einzugreifen wagten. 27 Bezeichnenderweise rekrutierte sich die Kompanie aus eben denselben Straßenzügen, wo zwei Tage später die Ewerführerknechte sich ›rottiert‹ haben sollen. Diese Gegend war charakterisiert durch eine hohe Bevölkerungsdichte und im Verhältnis zur Einwohnerzahl viele Wohnstätten in sog. Gängen, Höfen und Kellern.28 In diesen sozialen Verhältnissen war offenbar die Unzufriedenheit und Neigung zum Protest stark ausgeprägt. Differenzierungen zwischen Kleinbürgertum und Unterschichten verloren in solcher sozialen Umgebung an Bedeutung; sicher standen die über 8000 ›Arbeitsleute‹ und ›Handarbeiter‹ nicht abseits, wenn die Möglichkeit geboten wurde, die vermeintlich Schuldigen ihrer angespannten sozialen Lage bei geringem eigenen Risiko zu bestrafen.29 Dieser kleinbürgerlichen und unterbürgerlichen Zusammensetzung der Protestträger entsprachen die vom Senat sorgfältig registrierten »Wahlsprü110
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che und Ausrufungen«: »Zoll wieder erhöht, Steuern abgeschafft! - Weg mit den reichen Kaufleuten, die keinen Zoll wollen! - Weg mit der Mietabgabe und dem Wallgeld (Entfestigungssteuer)! - Weg mit der Akzise! - Weg mit der Staatssteuer«. Mit diesen aktuellen Bedrückungen wurde die Ablehnung der Bauarbeiten an den Wallanlagen, von ›Volksgärten‹ und Chausseen in Verbindung gebracht, die in den Augen der Demonstranten nur den reichen Kaufleuten und dem gehobenen Bürgertum zugute kämen, während die Gesamtbevölkerung dafür das Geld aufzubringen hatte. Aus ähnlichen Gründen riefen die Demonstranten »Keine Naturforscher hier!«, die in Hamburg zusammenkommen sollten; Gerüchte wollten wissen, die Gelehrten versammelten sich nur, um auf Kosten der Bevölkerung ausgiebig zu essen und zu trinken. Wie zu Juden, reichen Kaufleuten und ›Aristokraten‹ sah man sich in krassem Gegensatz zum Rat, der als für die Interessenpolitik jener Gruppen und das materielle Ergebnis verantwortliche Instanz angegriffen wurde. Hier bestand die Nahtstelle im Übergang von emotional aufgeladenen wirtschaftlichen Forderungen zu solchen, für deren Formulierung ein gewisses Maß an politischem Bewußtsein vorhanden sein mußte: »Weg mit dem Nepotismus! (wobei einzelne Namen genannt wurden). - Nieder mit der Zensur! - Budget, Öffentliches Budget! Rechenschaft des Rates! - Gemeindeordnung!« Zusammen mit den Hochs auf die »dreifarbige Fahne« und die »Pariser Liberalen« sowie dem Schlachtruf »Aux armes citoyen!« bestätigten diese Parolen die Mehrschichtigkeit der Protestierenden, indem sie über Unterschichten hinauswiesen. Gleichwohl durfte die französische Revolutionssymbolik nicht überschätzt werden, zeigte das Singen der Marseillaise bei so unterschiedlichen Gelegenheiten wie dem Göttinger Auflehnungsversuch 1831 oder wie beim Auslösen antijüdischer Angriffe auf Kaffeehausbesucher in Hamburg doch, daß der Inhalt nicht allzu ernst genommen wurde; vielmehr erstarrte sie bei den Protesten in Norddeutschland zur inhaltsleeren Begleitmusik beliebiger Aktionen. Große Bedeutung für alle Beteiligten hatte das religiöse Moment, das in Form des Mystizismus Emotionen provozierte; »Nieder mit den Mystikern!« hieß die Losung, die mit dem Namen des Pastors Rautenbach in Verbindung gerufen wurde. Diese Personalisierung machte das abstrakte Glaubensproblem demonstrierbar.30 Wie in solchen Situationen häufig, hielt die Obrigkeit diese Parolen für »Scheinvorwände«, die an den »Pöbel« gleichsam von außen herangetragen würden, um ihn anzureizen. Wirklich »unzufriedene Bürger« konnte es doch ihrer Meinung nach in einem »glücklichen Freistaate, welcher nur durch von Rat und Bürgerschaft gegebene Gesetze regiert wird«, einfach nicht geben. Nur die ohnehin außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft Stehenden waren zur Störung von Ruhe und Ordnung fähig. Für die Bürgermilitärführung bewiesen angeblich die Verhaftungen, »daß Vagabunden, die nun einmal in großen, volkreichen Städten nicht ganz zu © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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vertreiben sind; daß ehemalige Sträflinge des Zucht- und Spinnhauses; daß Taugenichtse, die in den Tretmühlen der Gefängnisse manchen Gang gemacht haben, von Straßenjungen begleitet, die friedlichen Bewohner Hamburgs in ihrer Ruhe gestört haben.« 31 - Diese schichtenspezifische Verdachtsstrategie legte einem Teil der Protestwilligen eine soziale Distanzierung von den vermeintlichen Trägern nahe, wollte man nicht selbst von der Obrigkeit als ›Pöbel‹ betrachtet werden. Die verschiedenen Proteste bewirkten dennoch, daß sich die Behörden mit der angespannten sozialen Lage breiter Bevölkerungsschichten beschäftigten und aus der Erkenntnis heraus, daß ausreichende Beschäftigung und »die öffentliche Ruhe und die Sicherheit des Eigentums in genauer Verbindung« ständen, sich dem Problem der Arbeitsbeschaffung intensiv widmeten. 32 Immer wieder wies die Baudeputation nachdrücklich auf die Gefahr hin, »müßige brotlose Menschen der niedrigsten Klasse umhertreiben zu lassen, sie von einer Behörde zur anderen zu verweisen und gewissermaßen in einen Zustand der Verzweiflung zu versetzen«. Sie würden dann in einen Kreislauf von Auflehnung, Verhaftung und Gefängnis getrieben; die »schlechten« der Arbeitslosen begännen gleich nach dem ersten vergeblichen Versuch, Arbeit zu erlangen, mit Vagabundieren und Betteln sowie dem damit »in natürlicher Verbindung stehende(n) Stehlen«. Für solche, die sogar dem verbotenen Knochengraben nachgingen, wäre es geradezu eine Wohltat, ins Gefängnis eingeliefert zu werden, weil, wie sie sagten, sie dort wenigstens nicht verhungern könnten.33 Der Senat verschloß sich solchen Argumenten nicht und bewilligte als Sofortmaßnahme im Vorgriff auf das Ausgaben volumen des nächsten Jahres zusätzliche Geldmittel, die er in diesem Bereich zweckmäßiger ausgegeben sah als für ›Almosen‹. 34 Aber auch im Winter und Frühjahr 1831/32 blieb die Situation bei den Arbeitsmöglichkeiten angespannt; bei öffentlichen Arbeiten konnten längst nicht alle Arbeitsuchenden Verdienst finden. Ein Tumult auf dem Bauhof im März 1832 sorgte dafür, daß eine Erweiterung der öffentlichen Beschäftigungskapazität im Rathaus erneut diskutiert wurde. 35 Darüber hinaus entsprach der Senat mit Abgabenerleichterungen den Forderungen der Demonstranten. In einer zahlreich besuchten Bürgerschaft wurde am 9. Dezember 1830 beschlossen, die Entfestigungssteuer, die Mietabgabe und die Akziseerhöhung auf Schlachtvieh sowie die Milchakzise rückgängig zu machen. 36 Weniger präzise ließen sich die sozialen Kosten der Proteste ermitteln. Das brutale Vorgehen der Soldaten forderte einige Tote und zahlreiche Verletzte. Daneben wurden bis zum 8. September über 60 Personen in Haft genommen, die auf dem Detentionshaus von einer Senatskommission verhört wurden; dabei war sie bestrebt, nach Möglichkeit »die dazu Qualifizierten zu entlassen«. Abgesehen von den verurteilten 14 Ewerführerknechten war es fraglich, wieviele Personen einer Gefängnisstrafe zugeführt wurden. 37 Laufenberg sprach von einem »beträchtlichen Teil«, der zu Gefängnis zwi112
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schen 2 Monaten und einem Jahr verurteilt worden sei. Gallois bescheinigte dem Senat »bemerkenswerte Milde«, 38 was sich nicht gegenseitig ausschloß. 2.5.2. Kollektiver Protest der Vorstadtbewohner 1831 gegen ihre anhaltende Diskriminierung Im Gegensatz zu Braunschweig und Hannover blieb in Zusammenhang mit den Unruhen im September 1830 in Hamburg unmittelbarer verfassungspolitischer Reformdruck in nennenswertem Umfang aus. Immerhin besaßen in der Hansestadt bereits drei- bis viertausend sogenannte Erbgesessene39 die Möglichkeit, an der Bürgerschaft teilzunehmen. Davon machten in der Regel jedoch nicht mehr als zwei- bis dreihundert Personen Gebrauch. In ihren Kreisen bestand lediglich der Wunsch nach einer besseren Kontrolle des Finanzgebarens des Rates, dem 1832 Rechnung getragen wurde; eine Forderung, die angeblich auch von den Straßendemonstranten artikuliert worden sein soll. 40 Ebensogut konnte sie aber während der Unruhen von interessierter Seite lanciert worden sein. Zwar machten sich in den Vorstädten 1830 verstärkt Stimmen bemerkbar, die nach Teilhabe im Rahmen der bestehenden Verfassung strebten, doch wurde die Spannungssituation Anfang September noch nicht zu einem energischen Vorstoß benutzt. Erst nach erneuter administrativer Ausgrenzung aus der Stadt beschritten vor allem die Einwohner St. Georgs den petitionistischen Weg. Ihren Partizipationsforderungen trat die Bürgerschaft mit dem Hauptargument der unterschiedlichen sozialen Zusammensetzung von Stadt und Vorstadt entgegen, wo meist weniger begüterte Personen und Arbeiter lebten, die einen relativ kleineren Beitrag zu den Staatslasten leisteten als die Städter.41 Der Konflikt spitzte sich unerwartet zu, als am 30. Juli 1831 ein Oberalter42 in der Bürgerschaft den Chef des St. Georger Bürgermilitärbataillons, der eine Beteiligung an einer wegen der bevorstehenden Cholera zu bildenden Kommission verlangte, einen »Unruhestifter« nannte. Diese unbedachte Herausforderung rief in der Vorstadt Entrüstung hervor.43 Um gegen ihre anhaltende Diskriminierung zu protestieren, unternahmen am 2. August etwa einhundert Personen einen »förmlichen Angriff« auf das Deichtor, dessen Schließung als Symbol sozialer und politischer Ausgrenzung verhindert werden sollte. Unter Rufen »Weg mit dem Tor; Sperre hätten sie nicht nötig« stürmten sie den Stadtdeich, ohne jedoch die Wachen direkt anzugreifen. Nach einem Bericht des Militärs habe der diensthabende Feldwebel mit »besser gekleideten Männern« durch »förmliches Parlamentieren« sogar einen Rückzug der Soldaten ins Wachgebäude bei gleichzeitigem Abzug der Demonstranten verabredet. Offensichtlich ließ sich die Menge von diesen Personen lenken.44 Eine geordnete und von Städtern und Vorstädtern verabredete Demon113 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
stration fand am folgenden Abend statt. Von beiden Seiten zogen die Aktivisten bis zu bestimmten Punkten ans Tor heran; dabei »sangen sie und brachten sich gegenseitig Hurrahs«. Bald ließen sie als Zeichen der Solidarität das erste städtische, bald das siebente vorstädtische Bataillon des Bürgermilitärs und deren sich großer Beliebtheit erfreuenden Majore hochleben. »Sperre weg! Akzise weg!« war ihr Programm. Ohne jeden Zwischenfall ging man später friedlich auseinander.45 Die bei diesen disziplinierten Aktionen zutage tretende dominierende Rolle des vorstädtischen Bürgermilitärbataillons charakterisierte auch die Geschehnisse des 4. August 1831. Gerüchte über grobe Mißhandlungen von arretierten Vorstädtern, die wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration vom 2. August nachträglich in Haft genommen waren, »hatten in St. Georg gärende Unzufriedenheit erregt, und andererseits glaubte auch der Senat, zu ernsten Maßregeln schreiten zu müssen«. Ein Mandat und militärische Verstärkungen der Wachen sollten von Aktionen abschrecken. In der Vorstadt verlangten Bürgergardisten als Anführer eines lärmenden und singenden »Haufens« von ihren Offizieren »unter den heftigsten Drohungen, nach der Stadt geführt zu werden und die fünf Gefangenen zu befreien«.46 Als der Senat den dringenden Bitten des Chefs des vorstädtischen Bürgermilitärs nach einer Freilassung der Arretierten und damit der Beseitigung des Anlasses der Aufregung nicht entsprach, versuchten Gardisten und andere Leute, die Schließung des Tores um Mitternacht zu verhindern, um den Gefangenen den Weg freizuhalten und zu einer möglicherweise notwendig werdenden Befreiungsaktion ungehindert in die Stadt ziehen zu können. Erst das Vorgehen städtischer Gardisten mit gefälltem Bajonett vermochte die Vorstädter zurückzudrängen. Als in dieser spannungsgeladenen Situation zwei blinde Schüsse abgefeuert wurden, entstand ein großes Durcheinander. Gardisten stürzten in panischer Angst davon und stießen bei ihrer Flucht auf nachrückendes Bürgermilitär. - Dem Senat wurde über die unübersichtliche Situation berichtet, es fänden Feuergefechte und blutige Kämpfe »Bürger gegen Bürger« statt, woraufhin er Generalmarsch schlagen lassen wollte. Noch rechtzeitig stellte sich der Rapport jedoch als Fehlinformation heraus. 47 Am folgenden Tag gelang es dem Senat mit der Drohung, das verhaßte Militär zur Aufrechterhaltung der Ruhe in die Vorstadt zu entsenden, das dortige Bürgermilitär zu disziplinieren und zur Wahrnehmung seiner Ordnungsfunktionen zu bewegen. 48 Dem Protest kam besonderes Gewicht zu, weil Teile des staatlichen Ordnungsapparates, nämlich des Bürgermilitärs, sich den Forderungen anschlossen und mehr oder weniger offen gegen den Senat rebellierten. Die demonstrative Unterstützung durch innerstädtische Sympathisanten, möglicherweise gleichfalls aus Bürgermilitärkreisen, zeigte dem Senat, daß nicht 114 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
ohne weiteres die Stadtbevölkerung gegen die Vorstädte, also In-group gegen Out-group, auszuspielen war. 49 Zwar wurden den St. Georgern im November 1832 die Konstituierung einer eigenen Kirchenverfassung, die Ausdehnung der Stadtpräfekturen auf die Vorstadt und eine Erleichterung bei der lästigen Torsperre gewährt, allein eine institutionalisierte politische Beteiligung, zu der der Senat bereit war, lehnte die Bürgerschaft ab. Ein weiterer Vorstoß scheiterte im Juli des folgenden Jahres. Die politische Partizipation sollte nach bürgerschaftlichem Willen nicht auf solche Schichten ausgedehnt werden, deren soziale Zusammensetzung den unmittelbar kaufmännisch-materiell interpretierten Interessen der Hansestadt nicht besonders förderlich schien.50 Während der unruhigen Tage 1830 hatten es die Bürger der Vorstadt vermieden, ihre Wünsche mit den Ausbrüchen der ›Hefe des Pöbels‹ in Verbindung zu bringen, sondern versucht, ohne Bezug auf die Vorfälle mit dem Senat und der Bürgerschaft auf dem Verhandlungswege zu einer politischen Einigung zu gelangen. Doch erst der Druck der Protestaktionen 1831 demonstrierte dem Senat die Konfliktfähigkeit der Unzufriedenen. Das plötzliche Schwinden der Kontrolle über die Institution des Bürgermilitärs als obrigkeitliches Ordnungsinstrument sowie die innerstädtischen Sympathisanten verstärkten in senatorischen Kreisen die Bereitschaft zu vorsichtiger Ausdehnung der politischen Partizipation, der die Bürgerschaft jedoch erfolgreich Widerstand entgegensetzte. Damit wurde das politische Ziel der Vorstädte nur zum kleinen Teil erreicht. Darüber hinaus hatten sie empfindliche soziale Kosten zu tragen. Wenn die Untersuchung gegen das vorstädtische Bürgermilitär insgesamt auch glimpflich verlief,51 wurden doch sieben Gardisten arretiert, von denen einer mit zwei Jahren Zuchthaus sogar die höchste der überhaupt im Zusammenhang mit diesen Protesten verhängten Strafen erhielt, weil er, im Dienst befindlich, die Schließung des Tores zu verhindern gesucht hatte.52 Diese Vorgänge waren ein Beispiel dafür, daß eine politische Beteiligung offenbar über Protest erkämpft werden mußte; der petitionistische Weg ohne Kostenrisiko blieb ein stumpfes Instrument gegenüber einem Senat und einer Bürgerschaft, die ihre soziale Exklusivität bewahren wollten und im Bereich der Stadt auch konnten, weil noch keine andere soziale Schicht entschieden Beteiligungsrechte einforderte. Die politisch motivierten und durch Ordnungskonflikt intensivierten Proteste standen zeitlich in deutlicher Distanz zum protestreichen Herbst 1830. Inzwischen bewiesen allerdings überall in Norddeutschland eingeleitete Verfassungsverhandlungen, daß aktionistischer Protest in einen Verfassungskompromiß umgesetzt werden konnte. Diesen Funktionszusammenhang nutzten im August 1831 gewissermaßen als Nachzügler die Bewohner St. Georgs. Bemerkenswert für alle Protestfälle in Hamburg 1830/31 war die durchgängige Abneigung nahezu aller Gruppen der Bevölkerung gegenüber dem 115 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
regulären Militär. Sein Auftreten und Eingreifen verschärfte jedesmal die Spannungen. Die Soldaten gerieten gewöhnlich sofort zum Objekt dann überwiegend gewaltsamer Protestaktionen. Doch nicht erst in diesen Monaten außergewöhnlicher Protesthäufigkeit traten solche Gefühle der Feindseligkeit auf, sondern sie gehörten zu den dauernden Manifestationsbedingungen in der Hansestadt. Denn bereits in der Vergangenheit hatte sich der Senat wiederholt veranlaßt gesehen, Untersuchungen über Reibereien zwischen Soldaten der Garnison und Bürgermilitär anzustellen, in die häufig auch Nachtwächter und Polizeioffizianten verwickelt waren. Die gegenseitige Abneigung entsprang der Konkurrenz um Kompetenzen und Prestige.53 Ferner waren die Militärangehörigen allgemein als größtenteils Nicht-Hamburger mit dem negativen Image eines Sammelbeckens gescheiterter Existenzen behaftet und als »Leibgarde« des Senats verschrien; selbst untere Schichten betonten ihnen gegenüber ihr hanseatisches Selbstbewußtsein.54 Vor diesem Hintergrund wurde gerade in Spannungssituationen ihr Ordnungshandeln nicht als legitim akzeptiert; dem Anspruch der professionellen Ordnungshüter Polizei und Militär, eine Konfliktsituation gültig einzuschätzen, setzten dann Zivilisten und auch Bürgermilitär Widerstand entgegen.55 Zudem verstärkte in Zeiten knapper Arbeitsgelegenheiten die Konkurrenz der gemeinen Soldaten um zünftige und unzünftige Arbeit die Antipathie in Kreisen der Handwerker und Tagelöhner beträchtlich.56 Solche ökonomischen und sozialpsychologischen Motive zusammen prägten die Schärfe des Gegensatzes zwischen dem Militär und der Hamburger Bevölkerung 1830/31. Das Partizipationsproblem durchzog die innenpolitische Geschichte Hamburgs im Vormärz wie ein roter Faden mit deutlichen Höhepunkten nach den Befreiungskriegen und 1830/31. Ein Jahrzehnt später war es die große Brandkatastrophe vom 5. bis 8. Mai 1842,57 die Forderungen nach einer Verfassungsreform aktualisierte. Während jener Tage entglitt dem völlig überforderten Senat weitgehend die Führung bei der Beherrschung der außergewöhnlichen Situation.58 Der Verlust sozialer Kontrolle war allgemein; Diebstähle, Einbrüche und kollektive Plünderungsaktionen zeugten neben dem Bestreben nach unmittelbarem materiellem Nutzen auch von einer tiefgreifenden, aufgestauten Feindseligkeit bei Unterschichten und Kleinbürgertum gegen den als zutiefst ungerecht empfundenen großbürgerlichen Wohlstand,59 zumal gerade kleine Handwerker, »Arbeitsleute« sowie »Näherinnen, Putz- und Händearbeiterinnen« und deren Familien zu den Hauptleidtragenden der Katastrophe gehörten, die annähernd 20000 Menschen obdachlos machte. 60 Da sowohl die Ursache als auch das schnelle Ausbreiten und die Bekämpfung des Feuers insbesondere durch ausgedehnte Sprengaktionen für viele Betroffene kaum einsichtig und aus ihrem Erfahrungshorizont heraus erklärbar waren, setzte sofort die Suche nach vermeintlichen Schuldigen ein. 61 116 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Untere Bevölkerungsschichten machten als Täter die zahlreich in der Stadt beim Bau und Betrieb der Eisenbahn nach Bergedorf sowie als Arbeiterstamm in zwei Maschinenfabriken beschäftigten Engländer ›dingfest‹. In diese Verdachtsstrategie wurden andere Ausländer sowie äußerlich auffallende Personen, wie Schwachsinnige, arme Handwerksburschen, Schiffsleute und ›Arbeitsmänner‹, einbezogen.62 In politisch bewußteren Schichten ging die sofort einsetzende Diskussion bald über die Ursache des Brandes und die Verantwortung für mangelhafte oder unterlassene Maßnahmen hinaus und erfaßte politische Institutionen sowie die Verfassung der Hansestadt selbst.63 Das Bestreben des Senats, durch unbestimmtes Andeuten politischer Konsequenzen in einer Proklamation vom 19. Mai die Kritik einzudämmen, scheiterte; in dieser Verlautbarung sprach er von der Notwendigkeit einer »Mitwirkung gesamter Bürgerschaft« bei den bevorstehenden Wiederaufbauaufgaben und deutete unbestimmt mit den vielzitierten »verjüngende^) Keime(n)«, die in der Verfassung angelegt seien, die Bereitschaft zu Modifikationen an, um »neu geweckte Kräfte sich anzueignen, den Geschäftsgang zu beschleunigen, die Ausführung der Beschlüsse zu sichern« . 64 Der Wunsch nach einer Verfassungsreform wurde in bürgerlichen Kreisen allgemein.65 Intensiv beschäftigte sich die Patriotische Gesellschaft mit Reformforderungen und reichte verschiedene Petitionen mit jeweils mehreren hundert Unterschriften ein. 66 Der Senat seinerseits lehnte alle Vorschläge zur Modifizierung der Verfassung ab und hoffte, durch Kooptation einiger Oppositioneller unter Umgehung der bislang praktizierten Anciennität die Vertrauenskrise zu entschärfen und die Opposition zu beschwichtigen. Ferner legte er angesichts der anstehenden umfassenden Finanzprobleme ein spezifizierteres Budget vor und gab kurz vor den Konventen seine Anträge an die Bürgerschaft bekannt.67 Die offenen Partizipations- und Legitimationsfragen führten zu einem Vertrauensschwund in die Fähigkeit der Stadtregierung, Problemlösungen zum Wohl der Gesamtbevölkerung zu finden. In der Folgezeit rief nahezu jede Sachfrage in der Öffentlichkeit und in den politischen Gremien scharfe Kontroversen hervor. 68 Im politischen Entscheidungsprozeß konnte sich der Senat oft nur dank der Abstimmungsmodalitäten in und zwischen den politischen Organen der Hansestadt behaupten.69 Diese verfassungsmäßigen Vorgaben riefen um so größere Unzufriedenheit hervor, als sich die Mehrheitsverhältnisse in den Kirchspielen - der politischen Basisorganisation der Stadt - infolge der Vernichtung von 1200 sog. ›Erben‹ während der Brandkatastrophe entscheidend verändert hatten. Durch Umzug innerhalb der Stadt oder in die Vorstädte stimmten die Inhaber dieser Erben nun in anderen Kirchspielen. Zudem bewirkte die nach dem Brand einsetzende Bodenspekulation, daß der Haus- und Grundbesitz erheblich in seinem Wert anstieg und dadurch viele Eigentümer die Qualität der Erbgesessenheit erhielten, die an den Besitz eines unbelasteten Grundstücks im Wert von 117 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
1000 Talern im Stadtgebiet oder 2000 Talern im Landgebiet geknüpft war. Durch beide Veränderungsprozesse verlor der Senat seine vormals meistens sichere Mehrheit von drei der fünf Kirchspiele. Allerdings konnte sich die Opposition in den Kirchspielen nur in passiver Ablehnung der Senatspolitik äußern, da für eine aktive Alternative den Erbgesessenen das Initiativrecht fehlte.70 Die unzufriedenen Bürger begannen nach dem Brand verstärkt, ihre materiellen und politischen Interessen in Vereinen zu organisieren, die nun zum Träger der Verfassungsbewegung wurden. Sie versuchten, innerhalb der Bürgerkonvente durch Koordination des Abstimmungsverhaltens dem Senat ihr politisches Gewicht zu demonstrieren; gleichzeitig setzten sie ihn außerparlamentarisch durch die Artikulation ihrer Forderungen in Petitionen und Flugschriften unter Druck. Mit der Gründung des Vereins Hamburgischer Juristen erhielten ab 1846 die Forderungen nach Partizipationsausweitung in einem angestrebten Repräsentativsystem weiteren Nachdruck,71 während gleichzeitig der Senat sich in den Augen der Opposition immer mehr diskreditierte: Überalterung und verfassungspolitische Intransigenz waren Dauervorwürfe; dazu trat Kritik an seiner sozial einseitig ausgerichteten Entschädigungspolitik, die private Ansprüche in öffentliche Schuldverpflichtungen zum Teil auf Kosten zusätzlicher Belastung der Vorstädte, des Landes und unterer städtischer Schichten umwandelte. 72 Die Wiederaufbauplanungen, das Hammerbrookprojekt und die Wasserkünste brachten dem Senat den Vorwurf der Begünstigung ein, 73 weil er unter Umgehung der eigenen Baubehörde einen während des Brandes in besondere öffentliche Mißgunst geratenen englischen Ingenieur mit den Planungen beauftragte.74 Die Verfassungsbewegung mündete schließlich am 7. Februar 1848 in eine Petition ein, die 140 Mitglieder der Kollegien und 194 Bürger beim Rat gemeinsam vorbrachten. Nach ihren Vorstellungen sollte der Rat baldmöglichst bei der Bürgerschaft eine Deputation zur Verfassungsberatung beantragen. Bereits am 24. Januar hatte der Senat in seinen eigenen Reihen eine Verfassungskommission gebildet, um seine künftige Politik in diesem Bereich zu bedenken. Doch bedurfte es erst noch der Nachrichten von den Pariser Unruhen, ehe er Anfang März prinzipiell in die Berufung der beantragten Kommission einwilligte. 75
2.6. Krisenmanagement in der Hansestadt Bremen 1830 2.6.1. Die Lernfähigkeit des Senats und seine Präventivmaßnahmen Im Gegensatz zu den anderen drei norddeutschen Staaten wurden Bremen und Oldenburg 1830/31 nicht von nennenswertem aktionistischen Protest 118
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erschüttert. Die Hansestadt Bremen hatte bereits 1827 äußerst unruhige Tage zu überstehen, aus denen der Senat für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Herbst 1830 seine Schlüsse zog. Diese Lernfähigkeit der Obrigkeit unterschied die Hansestadt von Hamburg, Hannover und Braunschweig. 1827 entwickelte sich aus geringfügigem Anlaß - ein Armenvogt verhaftete einen angeblich bettelnden Schustergesellen - ein bedeutender Ordnungskonflikt. Die Verhaftungsaktion wurde von Passanten und Neugierigen deutlich mißbilligt; immer mehr Menschen folgten dem Arretierten und seinem Bedrücker zum Schuldturm, auf den sich der Volkszorn zunächst konzentrierte, bis mit dem Anrücken von Soldaten das Objekt wechselte. Nachdem das Militär von einem Steinhagel zurückgedrängt worden war, gelang es schließlich 120 Soldaten, die Ruhe einigermaßen wiederherzustellen, wobei drei Personen verletzt und 29 in Haft genommen wurden. Am folgenden Abend wiederholte sich der Ablauf des Geschehens: Gegen acht Uhr sammelten sich viele Neugierige, aus deren Reihen eine halbe Stunde später erste Steine auf die Wache geworfen wurden. Bis zum Eintreffen der sofort angeforderten Verstärkungen verhielt sich das Militär zurückhaltend; denn die Offiziere wollten »nichts unternehmen, bevor sie sich nicht überzeugt halten konnten, der Sache schnell und durchgreifend, mit einem Schlage ein Ende zu machen«. Nach ihrem Bericht habe allerdings die Passivität der Ordnungskräfte die »Verwegenheit« der Demonstranten nur vergrößert. Mit dem Eintreffen der Verstärkungen ging das Militär dann gewaltsam gegen die Menge vor und machte vom Gewehr als Schlaginstrument Gebrauch. Die von beiden Seiten mit großer Verbitterung geführten Auseinandersetzungen forderten zwei Todesopfer und sechs Schwerverletzte.1 Nachdem die Schwere der Zusammenstöße dem Senat die Empörung der Bevölkerung vor Augen geführt hatte, erließ er am 13. Juli 1827 das übliche Tumultmandat und alarmierte zwei Kompanien Bürgermilitär. Gleichzeitig wurde der Schuhmachergeselle der Polizei zur Ausweisung übergeben; der Stein des Anstoßes sollte beseitigt werden, ehe er zu weiteren Aktionen Anlaß geben konnte. Die Verhaftung des Gesellen zeigte, wie stark die Solidarität in Unterschichten ausgeprägt war; allen voran protestierten Handwerksgesellen, die, unterstützt von Lehrlingen, kleinen Meistern und »Arbeitsmännern«, gegen die Verletzung ihrer sozialen Ehre durch die Obrigkeit. Zunächst ging nach den nur spärlich verfügbaren Sozialdaten die Initiative offensichtlich von auswärtigen Gesellen aus, ehe am zweiten Protesttag einheimische Kollegen in größerer Zahl mobilisiert wurden. 2 Aus diesem Protestfall, aus anderen ordnungspolizeilichen Erfahrungen und aus Unruhen im Ausland zog der Senat Konsequenzen, als ihm Ende September 1830 Gerüchte zu Ohren kamen, der bevorstehende Gedenktag an die Leipziger Völkerschlacht sollte zur Inszenierung von Ausschreitun119 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
gen benutzt werden. Eine diskutierte Absetzung der Feier hielten die Senatoren nicht für ratsam, da eine solche Maßnahme erst recht Protest provozieren könne. Sie versprachen sich eine Minderung der Gefahr von Maßnahmen, die ohne besonderen Zwang die Konzentration der erwarteten Menschen an einem Punkt der Stadt verhinderten. Dazu beabsichtigte der Senat, abends auf der Weser ein Feuerwerk abzubrennen und an verschiedenen Plätzen der Stadt Musik zu veranstalten. Zudem wurden für diesen Tag ebenso wie für den Freimarktbeginn am 21. Oktober umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen beschlossen. Eine Senatskommission, die mit »zuverlässigen« Personen Maßregeln in den einzelnen Stadtdistrikten verabreden sollte, wurde eingesetzt und Rücksprache mit dem Kommandanten des Bürgermilitärs gehalten, welche Kompanien aufgrund ihrer »Komposition« am geeignetsten wären, bei etwa entstehenden Aufläufen oder Unruhen durch persönlichen Eindruck beruhigend auf die Mitbürger zu wirken. Sie sollten im Normalfall eingreifen, während das Militär »nur für den äußersten Notfall« in Bereitschaft gehalten und mit scharfen Patronen ausgestattet werden sollte. Über die Ämter und Sozietäten wollte der Senat Gesellen und Lehrlinge, besonders die auswärtigen, vom Wirtshausbesuch und »Umhertreiben« abhalten lassen. Informanten aus den unteren Klassen sollten ausgesucht werden, die etwaige Veranlassungen für Unzufriedenheit sofort direkt der Kommission zu melden hätten, damit schnell vorgebeugt werden könne.3 Um möglichst wenig Anlaß zu spontanem Ordnungskonflikt zu geben, wurden die Polizeidirektion und der Direktor des Armeninstituts aufgefordert, über kleinere Verstöße in dieser Zeit hinwegzusehen und »besonders Aufsehen erregende Arrestationen zu vermeiden«. Auch das Torsperrgeld wurde zum Freimarkt aus diesem Grunde ausgesetzt.4 Diese großzügige Handhabung der Ordnungspolizei in Kombination mit den erwähnten Präventivmaßnahmen trug dazu bei, daß der 18. Oktober ohne Zwischenfälle verlief. Wie spannungsgeladen die Situation war, zeigte ein Vorfall am 21. Oktober: Am frühen Sonntagabend wurde ein Unteroffizier, der mit seiner Patrouille gerade in die Hauptwache zurückkehrte, durch einen Steinwurf verletzt. Die sofortige Verhaftung eines Verdächtigen lockte viele Neugierige an, die bald das Gebäude mit Steinen bewarfen, um ihre Mißbilligung über das Verhalten der Wachsoldaten zum Ausdruck zu bringen. Mit dem Anrücken des Bürgermilitärs vergrößerte sich die Zahl der Schaulustigen erneut, darunter bezeichnenderweise viele Frauen. Immer wieder forderten die Demonstranten die Freilassung des Verhafteten, doch blieben weitere Aktionen aus. 5 Sofort besprach der Senat den Vorfall. Das Beispiel anderer Städte habe gezeigt, daß sich unruhige Auftritte gewöhnlich an mehreren Tagen hintereinander verstärkt wiederholten; deshalb müßten für die nächsten Tage besondere Vorkehrungen angeordnet werden. An wichtige Medien sozialer Kontrolle über solche Gruppen, die der Senat für besonders protestanfällig 120 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
hielt, erging daher die Aufforderung, ihre Funktionen aufmerksam wahrzunehmen: Schullehrer sollten die Kinder ermahnen, sich nicht im Dunkeln während des Freimarktes herumzutreiben; Tabaksfabrikanten hatten auf ihre Arbeiter einzuwirken. Eine Warnung ging auch an die Alt- und Jungmeister des Zimmer- und Maurerhandwerks, wenngleich sich ein Verdacht gegen verschiedene Zimmerleute in Zusammenhang mit dem Steinwurf nicht bestätigt hatte. Gleichzeitig bemühte sich der Senat um eine Ergründung der Ursache des Protests: Man habe mit dem Steinwurf den Unwillen über das Militär ausdrücken wollen; neben sinngemäßen Äußerungen während des Auflaufs deuteten darauf seit einiger Zeit Beschwerden hin, »daß Soldaten zum Nachteil der Bürger zu vielen Arbeiten gebraucht würden« und der Bevölkerung Arbeitsmöglichkeiten wegnähmen. Trotz dieser Stimmung in breiten Bevölkerungsschichten sollten zum Abbau der Spannungen allerdings die Soldaten nicht durch Bürgermilitär an der Hauptwache ersetzt werden, weil ihr Ansehen dadurch in der Öffentlichkeit weiter sänke, vielmehr müsse die Einigkeit und Entschlossenheit von Militär und Bürgermilitär, gegen jegliche Störung der Ordnung vorzugehen, durch gemeinschaftliche Wache sichtbar demonstriert werden. 6 Der Bremer Senat beschränkte seine Präventivmaßnahmen jedoch nicht nur auf den ordnungspolitischen Bereich, sondern erörterte auch frühzeitig die Versorgungssituation der Bevölkerung im Mißerntejahr 1830. Der ohnehin geringe Ernteertrag im bremischen Umland wurde durch Überschwemmungen weiter geschmälert. Ländliche Unterschichten litten unter Arbeits- und Verdienstmangel,7 der durch den 1827 begonnenen Aufbau Bremerhavens nicht spürbar vermindert wurde. 8 Dagegen blühte in der Hafenstadt der Getreidehandel, der auch für die einheimische Bevölkerung ausreichende Zufuhr sicherte. Die städtische Obrigkeit hatte allerdings das Problem des Preises zu lösen, der sich vorwiegend nach auswärtiger Nachfrage bildete. Da eine staatliche Bevorratungspolitik in Kornmagazinen aus finanziellen Erwägungen nach der Franzosenzeit nicht wieder aufgenommen worden war, erwog der Senat Anfang September den Ankauf von 300 Last Roggen, was sich jedoch erübrigte, da vier Kaufleute die Menge zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellten. Im Januar 1831 setzten zudem staatliche Kornverkäufe ein, die bis in den August hinein andauerten.9 Auch private Initiative milderte die Not; aus der traditionell eingesetzten Senatskommission zur Beratung der Notmaßnahmen ging im Dezember 1830 ein privater ›Neuer Hilfsverein‹ hervor, der vor allem die Landbewohner mit Geld, Nahrungsmitteln und Saatgut versorgen wollte. 10 Neben dem Kornverteuerungsproblem beschäftigte sich die hansestädtische Regierung nach Eingang von Unruhemeldungen aus anderen deutschen Staaten intensiv mit möglichen Quellen von Unzufriedenheit der unteren Schichten, als welche die erhöhte Branntweinsteuer, die Feuerversicherungspflicht für Hauseigentümer auch geringerer Klasse sowie die Er© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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richtung eines Arbeitshauses, von dem einige Zünfte die Beeinträchtigung ihrer Gerechtsame fürchteten, angesehen wurden. Als bis zur Senatssitzung am 13. September 1830 sich die Befürchtungen jedoch nicht erfüllten, wurde auf konkrete Maßnahmen verzichtet.11 Auch in diesem Bereich bewies also der Senat seine Bereitschaft, aus auswärtigen Unruhen realistische Schlüsse zu ziehen, um die Situation in der Hansestadt auf mögliche Protestursachen zu überprüfen; nicht mit gleicher Intensität beobachtete er dagegen den verfassungspolitischen Sektor als mögliche Ursache von Unzufriedenheit. 2.6.2. Verfassungspolitische Herausforderungen Wie überall in Norddeutschland erhielt die politische Diskussion auch in Bremen im Herbst 1830 neuen Auftrieb. Die zwischenzeitlich in Latenz abgedrängten Forderungen nach Verfassungsreformen, die nach der Franzosenzeit so kläglich gescheitert waren, wurden wieder laut. Ohne den Druck außergewöhnlichen Unterschichtenprotests und eigener Aktionen blieben die bürgerlichen Reformanhänger allerdings auf den von der Verfassung eingeräumten Weg verwiesen. Ein kleiner politischer Zirkel um Duckwitz bereitete einen Vorstoß vor, der in einem bemerkenswert zahlreich besuchten Konvent mit Unterstützung der als Unionisten verbundenen jüngeren Kaufleute gelang. Um ihre parlamentarische Konfliktfähigkeit zu zeigen und ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen, sollten dem Senat so lange die Haushaltsmittel verweigert werden, bis er in Verhandlungen über eine Verfassungsreform einwilligte. Angesichts dieser Entschlossenheit eines Teiles der Bürgerschaft kam eine Verfassungsdeputation zustande, die nach langem Ringen um die Besetzung sowie um andere Formalitäten unter Bürgermeister Smidt im Februar 1831 ihre Arbeit aufnehmen konnte.12 Die dabei von der Bürgerschaft zur Eindämmung des senatorischen Einflusses durchgesetzte Geheimhaltung der laufenden Verhandlungen bewirkte in der Praxis gerade das Gegenteil des angestrebten Zweckes: vom Druck und der Unterstützung einer kritischen Öffentlichkeit befreit, dominierte der Senat durch Smidt die Beratungen. Wie beim ersten Reformversuch gelang es dem Senat im Laufe der Zeit wiederum, die Beratungen zu verschleppen und das öffentliche Interesse einzuschläfern.13 Zwar erinnerte die Bürgerschaft ab und zu, doch konnte sie sich erst 1836 zu einer ernsten Mahnung aufraffen mit dem Erfolg, daß im Mai 1837 endlich ein Verfassungsentwurf vorgelegt wurde, dessen von Smidt redigierte Fassung jedoch keineswegs den Intentionen der Reformer entsprach. Wegen der erneut zugunsten des Senats ausgefallenen Bestimmungen verweigerte nun die Bürgerschaft seine Behandlung; bis 1848 verschwand er in den Schubladen.14 Wenngleich die Verfassungsreform letztlich 122 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
wieder scheiterte, so rief ihre intensive Diskussion im Sommer und Herbst 1831 doch ein zunächst rapide ansteigendes politisches Interesse hervor, das zwar im Laufe der 1830er Jahre noch einmal nachließ, niemals aber völlig in den Hintergrund gedrängt werden konnte und sich bei entsprechenden Anlässen stets aktualisierte.15 2.6.3. Die Wehrpflichtordnung als Partizipations- und Legitimationsproblem Die Bildung politischen Bewußtseins beschränkte sich nicht nur auf kaufmännische und akademische Kreise, sondern erfaßte auch städtische und ländliche Mittelschichten, die sich durch ein der Wehrpflichtordnung am 9. Januar 1832 angefügtes ›Stellvertretungs-Regulativ‹ eklatant benachteiligt fühlten. Daraus erwuchs bei ihnen eine grundsätzliche Einsicht in die Begrenzung ihrer politischen Teilhabemöglichkeiten und die Erkenntnis eines fundamentalen Interessengegensatzes zu der Senat und Bürgerschaft bildenden Schicht. Die Städter protestierten in einer vom bekannten Bremer Liberalen Donandt verfaßten und von 2047 Bürgern unterzeichneten Bittschrift; 267 Vorstädter beschuldigten Senat und Bürgerschaft, »eine Last der Allgemeinheit auf die Schultern einzelner, des Mittelstandes und der unteren Stände und zwar teilweise wenigstens zu Gunsten der reichen Bürger« abzuwälzen. Sämtliche Dorfschaften des bremischen Gebiets schlossen sich durch ihre Landgeschworenen, Bauermeister und Dorfvögte den Protesten unter Hinweis auf ihre bedrängte wirtschaftliche Lage an, die den Einsatz der ganzen Familie als Arbeitsgemeinschaft erfordere. Sie, die ebenso wie die mittelständischen Städter im Konvent nicht vertreten waren, verbanden ihren Protest gegen die Wehrpflicht mit energischer Kritik am Verfassungssystem: Der Bürger könne nicht als Repräsentant des Bauern akzeptiert werden, weil jener nur seine eigenen Interessen vertrete. »Wir sind also in der Regulierung unserer Staatspflichten von einer Versammlung abhängig, deren Interesse von dem Unsrigen fast immer verschieden ist und nicht selten ihm widerstrebend, ja der unsere Bedürfnisse mitzuteilen uns jedes gesetzliche Organ fehlt«. Steuerlich würden sie wohl ganz als Staatsbürger eingestuft, entsprechende Rechte stünden ihnen dagegen nicht zu. Es sei gegen ihre »republikanische staatsbürgerliche Gleichheit sogar förmlich protestiert worden«. Von den Staatsausgaben habe der Landmann keinerlei Vorteil, da sie sich überwiegend auf die Stadt und deren Handel und Gewerbe konzentrierten. Im vorliegenden Fall brauche der Kaufmann und Wohlhabende aus dem Konvent nicht unter der persönlichen Last der Wehrpflicht zu leiden; denn er verfuge über genug Geld für einen Stellvertreter, den sich der Bauer nicht leisten könne. Doch auch hier müsse nach dem Prinzip »staatsbürgerlicher Gleichheit« verfahren werden. 1 6 - Zwei weitere städtische Petitionen folgten, wobei immer wieder auf die mangelnde Repräsentation hingewie© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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sen wurde, die es erlaube, daß eine kleine Minorität »aus jener Klasse der Reichen« versuche, allen anderen Bürgern ihren Willen aufzuzwingen. Nach diesen Protesten wurde die endgültige Entscheidung vertagt; die Wehrpflichtordnung blieb zunächst suspendiert.17 Wenn damit auch der unmittelbare Anlaß der Unzufriedenheit zurückgenommen war, ließ sich das geweckte politische Selbstbewußtsein nicht in gleicher Weise kurzfristig manipulieren. Aus dem Interessengegensatz zur politisch dominierenden großkaufmännischen Oberschicht heraus entstanden oppositionelle Klubs, deren bedeutendster, der »Bremische Mittelstands-Bürger-Club ›Einigkeit‹«, mit Donandts »Bremischen Magazin« über ein publizistisches Sprachrohr verfügte.18 Hier konnten sich die in der Bürgerschaft vernachlässigten Interessen in liberal-konservativen Bahnen artikulieren. Der Konflikt um die Wehrpflicht ließ die auf eine Partizipation drängenden sozialen Kräfte deutlich hervortreten. Mittelständische Kaufleute, Handwerker und Gewerbetreibende sahen ihre Interessen von den 4—500 konventsfähigen Mitgliedern einer im wesentlichen handelskapitalistischen Bourgeoisie19 nicht genügend berücksichtigt und strebten nach einer eigenen Repräsentanz in den politischen Entscheidungsgremien. Auch Teile der Landbevölkerung verlangten für sich eine angemessene Vertretung; darüber hinaus wurde in ihren Klagen deutlich, daß sie sich insgesamt von der einseitig auf das Wohl der Stadt konzentrierten Politik des Senats vernachlässigt fühlten. Eine weitere Konfliktlinie verlief zwischen reformfreudig gesinnten Bürgerschaftsmitgliedern und dem Senat vor allem in der Verfassungsfrage; Smidts taktischer Rat, durch drastische Schilderung der Revolutionsgefahr und durch eine Spaltung die Reformkräfte von ihrer Verfassungsinitiative abzubringen,20 mißlang. Dennoch mündeten diese Herausforderungen an den Bremer Senat nicht in eine Verfassungsreform ein. Ein nicht unbedeutender Faktor dieser Entwicklung dürfte das Ausbleiben außergewöhnlichen Unterschichtenprotests 1830/31 gewesen sein, weil dadurch der Senat nicht unter öffentlich und überzeugend demonstrierten Druck von unten geriet, der ihn gezwungen hätte, sich nach Unterstützung in Teilen des Bürgertums umzusehen, das selbst nach Reform strebte. Ohne diese Herausforderung sah sich die politisch dominierende, traditionelle Elite keineswegs zu nachhaltig erhöhter Kompromißbereitschaft gedrängt, um durch Ausweitung politischer Beteiligung die Legitimität des politischen Systems zu stabilisieren. Stattdessen verlief die politische Reformbewegung in Bahnen, die für den Senat kalkulierbar und kontrollierbar blieben. Selbst die Bewegung um die Stellvertreterfrage konnte die Funktion von aktionistischem Protest nicht ersetzen, weil sie ohne Risikobereitschaft der Petenten dem politischen System zwar Loyalitätsentzug androhte, das Gewalt- und Machtmonopol des Staates aber nicht ernsthaft herausforderte. Durch Vertagung der endgültigen Entscheidung ließ sich das Wehrpflichtproblem ebenso vorläufig suspendieren wie das Verfassungsproblem durch bewußte Verzögerung der Kommissionsverhandlungen. 124 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Die gewichtige Druckfunktion aktionistischen Protests wurde deutlich, als im Herbst 1830 der Senat sich unter dem Eindruck der Unruhen im Ausland und in Antizipation ähnlicher Aktionen in der Hansestadt genötigt sah, neben ordnungspolizeilichen Vorkehrungen die soziale Lage als Ursachenbereich möglicher Unzufriedenheit zu erörtern und Abhilfemaßnahmen ins Auge zu fassen. Als jedoch Protest im befürchteten Umfang ausblieb, schwand sofort die Bereitschaft, über traditionelle Kornunterstützungen hinaus Erleichterungen zu beschließen. Vor dem Hintergrund der Orientkrise und der durch französische Forderungen nach der Rheingrenze hervorgerufenen außenpolitischen Spannungen hielt es der Senat 1841 schließlich für unausweichlich, das Wehrpflichtproblem erneut aufzugreifen. Da der nationale Entrüstungssturm gegen die französischen Bestrebungen offensichtlich unter den Hanseaten keine Wehrbegeisterung auslöste und sich niemand freiwillig zur Urlaubsmannschaft gemeldet hatte, forderte der Senat erneut die allgemeine Wehrpflicht. Am 2. April 1841 entschloß sich der Konvent zu ihrer Durchführung, nicht jedoch, ohne gewisse Erleichterungen für alle nicht freiwillig Dienenden vorzuschlagen, die von der öffentlichen Meinung allerdings kaum beachtet wurden; zu sehr beherrschten in diesen Tagen markige Verse und Parolen gegen jegliche Wehrpflicht und die dafür als verantwortlich betrachtete Bürgerschaft die allgemeine Stimmung. 21 Handwerker, Gewerbetreibende und mittelständische Kaufleute wiesen wie 1830 auf die mangelnde Repräsentanz im Bürgerkonvent hin, dessen Mitglieder ihnen als bloße »JaSäger« des Senats erschienen. Sic selbst fühlten sich als die wahren Verteidiger der »Bremer Freiheit«, die von dem »meineidigen Senat« verraten würde. »Es lebe die Freiheit. Sonst lieber Preußisch!« drückte die tiefe Erregung der auf ihre Selbständigkeit so stolzen Hanseaten aus. 22 Mit einer ›Deputation‹ des Klubs ›Einigkeit‹ verfügte die Antiwehrpflichtkampagne über ein organisatorisches Zentrum, das für eine Petition an den Senat in kurzer Zeit über 4800 Unterschriften sammelte.23 Während diese Kräfte ihre Ablehnung mit der Forderung nach Partizipationsausweitung verbanden, baten die Alt- und Jungmeister des Handwerks den Senat lediglich, ihre traditionellen Rechte zu wahren und deshalb die Wehrpflicht fallenzulassen.24 Mit großer Spannung wurden die am 19. April 1841 beginnenden Einschreibungen der zukünftigen Rekruten auf dem Rathaus verfolgt, bei denen es zunächst nur zu verbal und schriftlich artikuliertem Protest kam. Am nächsten Morgen fanden dann doch ›tumultuarische Auftritte‹ innerhalb und außerhalb des Rathauses statt, die neben der Polizei auch die Reiterei auf den Plan riefen. Sie vereitelte den Versuch eines angeblich angetrunkenen ›Haufens‹, in die Stube der Militärdeputation einzudringen, und zerstreute Menschenansammlungen vor dem Gebäude und der Börse. Am energischen Verhalten der Bürgerwehr scheiterte das Vorhaben eines Teiles der ›Tumultuantem, sich im Schützenhof zu bewaffnen.25 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Das große Aufgebot an Ordnungskräften, ein allgemeines Tumultmandat, die verkündete obrigkeitliche Verdachtsstrategie, jeden Neugierigen bei Aufläufen als Mitschuldigen einzustufen, umfangreiche Kriminaluntersuchungen im Zusammenhang mit den vorgebrachten Petitionen und die Schließung aller Versammlungslokale ›öffentlicher Gesellschaften‹ verdeutlichten den Unzufriedenen die obrigkeitliche Entschlossenheit, jeden Protest zu ersticken.26 Die rasche Unterdrückung oppositioneller Regungen erlaubte es Senat und Bürgerschaft, die politische Herausforderung als ordnungspolizeiliches Problem abzutun. Mit ihrer deutlichen Spitze gegen den Konvent, dessen Verfassungsinitiative von 1830/31 ohne Erfolg versandet war, gelang es den Wehrpflichtgegnern nicht, Unterstützung in den politischen Institutionen zu finden, ohne die es keine legale Möglichkeit gab, die Verfassungsfrage erneut zum Gegenstand von Verhandlungen zu machen. Eine Lösung des drängenden Partizipationsproblems wurde erneut vertagt, da der Senat die Konflikt- und Durchsetzungsfähigkeit der kleinbürgerlich-mittelständischen Schichten offensichtlich als gering einschätzte und reformbereite Gruppen der ›classe politique‹ den aktionistischen Protest nicht entschieden als Herausforderung von Gewicht in den politischen Prozeß einbrachten.27
2.7. Präventive Krisenmanipulation im Großherzogtum Oldenburg 2.7.1. Vorsorge zur Milderung aktueller Not Ebenso wie die Hansestadt Bremen blieb auch das Kernland des Großherzogtums Oldenburg 1830 von schwerwiegendem aktionistischen Protest verschont. In diesem Flächenstaat trugen nicht nur die Präventivmaßnahmen des Großherzogs, sondern auch die strukturellen Bedingungen des Landes zur relativen Ruhe bei. Sie waren gekennzeichnet durch eine geringe Bevölkerungsdichte, die es als wichtige Manifestationsbedingung von Protest kaum ermöglichte, auf dem Lande kurzfristig ohne vorherige Planung eine größere Zahl von Unzufriedenen zu aktivieren und ihr Handeln auf ein erreichbares Protestobjekt zu konzentrieren. Auf eine Quadratmeile kamen in den am dünnsten besiedelten Geestgebieten 677 Einwohner und in den am dichtesten besiedelten Marschgebieten 3079 Einwohner. Nur 6,2 v.H. der Bevölkerung lebte in Orten, die Stadtrecht besaßen.1 Oldenburg als Hauptstadt zählte knapp über 5000 Einwohner, von denen über ein Drittel Beamte waren. 2 Zahlenmäßig starke bürgerliche Schichten fehlten ebenso wie eine größere Konzentration von Tagelöhnern und Handwerksgesellen als wichtiges Protestpotential. Nicht zuletzt erschwerte der Mangel an Straßen und ausgebauten Wegen die Kommunikation der Landbewohner, denen eine relativ breitgestreute Besitzverteilung zugute kam. 126 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Das politische System prägte ein aufgeklärter Absolutismus ohne landständische Beschränkung. Außer in den nach der Franzosenzeit dazugekommenen Teilen des Münsterlandes existierte kein Adel, der ständische Traditionen nachhaltig hätte pflegen können. Ihr Fehlen ebenso wie Anhänglichkeit an das angestammte Fürstenhaus und allgemeines Vertrauen in den Großherzog und dessen aufgeklärte Bürokratie prägten das politische Bewußtsein, sofern es überhaupt gesamtstaatlich orientiert war. Zu den wichtigsten Aufgaben der Beamten gehörte traditionell die sorgfältige Beobachtung der Ernteausfälle, so daß die Regierung besonders in Krisenjahren über ein detailliertes Bild der Versorgungslage und -probleme verfügte.3 Im Jahre 1830 wurde allgemein nach den schlechten Aussaatbedingungen des Vorjahres und der ungünstigen Witterung im Frühjahr sorgenvoll über die zu erwartende ungenügende Getreideernte berichtet. Die Kartoffelernte und die Heuernteerträge, die in Marsch und Geest nicht genügend Futter für das Milchvieh erbrachten, galten als mäßig. Mit einer wirklichen Notsituation rechneten dagegen die Behörden nur in einigen Landstrichen, vor allem im Kreis Övelgönne, einem Drittel des Kreises Delmenhorst und Teilen des Kreises Oldenburg.4 Überall im Großherzogtum herrschte allerdings spätestens ab Juli eine zunehmende Teuerung insbesondere des Brotkorns, die jedoch, wie im nachhinein festgestellt werden konnte, nur etwa zwei Drittel des Standes von 1817/18 erreichte.5 Vorsorglich wiesen die Behörden in ihren Berichten auf mögliche soziale Folgen von Preissteigerungen hin: Im Vertrauen auf die Armenkasse sei man »überzeugt, daß in unserem Lande niemand verhungern wird, aber am drückendsten wird sie [die Teuerung] für den Teil der Einwohner werden, der noch zuviel Ehrgefühl besitzt, um sich von anderen ernähren zu lassen, und nicht genügend Vermögen, um sich unter solchen Umständen selbst zu ernähren. Hält ihn nicht die Moral zurück, so wird er eigenmächtig die Ungleichheit des Vermögens zu heben versuchen«; deshalb sei eine Zunahme von Diebstahl zu erwarten. Als wirksame Gegenmaßnahme schlug das Amt Jever die Anlage von Kornmagazinen vor, »woraus denen, die weder zu den Wohlhabenden noch zu den Armen, weder zu den Ernährenden noch zu den Ernährten zu rechnen sind, ihr Brotbedarf zu möglichst geringen Preisen gesichert würde«. 6 - Das Hauptproblem stellten demnach nicht die eigentlichen Armen dar, die der zuständigen Armenkasse und privaten Mildtätigkeit zur Last fielen, sondern jene Schichten in Stadt und Land, die zu normalen Zeiten sich mit eigener Arbeit ernähren konnten und in Krisenjahren regelmäßig unter das Existenzminimum abzusinken drohten, gleichwohl in ihrer Selbsteinschätzung wie in den Augen der Behörden deutlich von den Armen zu unterscheiden waren; sie galten als besondere Gefahr für Ordnung und Eigentum. Solchen Lagebeurteilungen pflichtete die Regierung bei. Für sie stellte sich allerdings das Problem der Vereinbarkeit physiokratischer Prinzipien der © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Nichteinmischung in wirtschaftliche Abläufe und staatlicher Kornpreispolitik. Sie wollte die völlige Freiheit des Getreidehandels aufrechterhalten: Gäbe es nur im Lande kapitalkräftige Kaufleute, die Neigung zum Getreidehandel besäßen, dann brauchten keine Magazine eingerichtet zu werden; denn Kaufleute könnten in den augenblicklichen Zeiten keine »einträglichere . . Spekulation machen«. Mit ihnen wollte sie sich »unter der Hand und im Geheimen darüber vereinigen«, daß sie Roggen und Kartoffeln, die von der Regierung bereitgestellt würden, »zu den jedesmal gängigen Preisen, jedoch« nicht über einer bestimmten Höchstmarke gegen zu vereinbarende Provision »unter ihrem Namen« verkauften.7 Nach Meinung des Großherzogs würden dadurch zwei Probleme gleichzeitig gelöst: es werde »der wahrscheinliche Bedarf für das Land sichergestellt und die Anlegung öffentlicher Magazine vermieden«. Zudem sei ein »Verkauf unter den Marktpreisen nicht geraten . . ., indem davon nur zu leicht ein zweckwidriger Mißbrauch gemacht werden kann und ein Herabsinken der Marktpreise ohne sehr große und vielleicht unerschwingliche Opfer schwerlich zu erwarten sein dürfte«. Ganz besonderen Wert legte der Fürst darauf, »daß weder zuviel noch zu wenig geschehe, damit . . . der bedürftige Teil desselben [Publikums] auch nicht in dem gar zu leicht umgreifenden Wahn bestärkt werde, als ob die Staatsregierung alle Sorge für Abhilfe von Entbehrung und Notstand auf sich zu nehmen und wirklich genommen habe, da im Gegenteil jeder für sich sorgen muß und der Staat nicht selbst handelnd einzutreten, sondern nur zu fördern und zu erleichtern hat«. 8 Aus patriarchalischer Fürsorge wurden dennoch von 200 insgesamt vorgesehenen Lasten Getreide bereits Ende August 100 Lasten beim Handelshaus Delius in Bremen geordert, das jedoch schon nicht mehr bereit war, zu dem erst kurz zuvor mitgeteilten Preis zu liefern, der inzwischen um über 15 v.H. gestiegen war. 9 Darüber hinaus erließ die Regierung zur indirekten Preisbeeinflussung und als Anreiz zum Import den Einfuhrzoll, ein traditionelles Mittel bei Versorgungsengpässen.10 Diese Vorsorgepolitik sollte jeder sozialen Schicht die Existenzerhaltung zu Bedingungen sichern, die von der Regierung als angemessen erachtet wurden. Alle Wohlhabenden und Begüterten blieben nach wie vor auf den ›freien‹ Markt zur Deckung ihrer Bedürfnisse verwiesen; sie verfugten über genügend materielle Ressourcen, um durch die Zahlung eines hohen Preises einen Anreiz für Getreidehändler zu bieten, sie entsprechend zu versorgen. Gleichzeitig wurde vorausgesetzt, daß sie die bedeutende Gruppe derer, die mit ihnen als Dienstpersonal und Arbeitskräfte in einem Haushalt lebten, mitversorgten. Allen von eigenem Verdienst lebenden Personen wie Kleinbauern und Heuerlingen oder kleinen Handwerksmeistern und Gesellen wurde bis zu einer Preishöchstmarke ebenfalls zugemutet, Marktpreise zu zahlen und keine Versorgungserwartungen gegenüber der Obrigkeit zu hegen. Allerdings wurde vorab ohne einen direkten Eingriff in die Preisbildung, die in diesen Monaten stark spekulative Züge trug, sichergestellt, daß genügend Getreide zur Befriedi128
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gung auch ihrer Nachfrage vorhanden war und eine akute Hungerkrise für diese Schichten nicht eintreten konnte. Ziel aller Maßnahmen war es, jenseits von Almosen und spekulativen Aufschlägen ein als ›gerecht‹ empfundenes Preisniveau aufrecht zu erhalten, in dem saisonale und ertragsbestimmte Preisschwankungen durchaus akzeptiert wurden, das aber leicht zu Ausbrüchen von Unruhen fuhren konnte, wenn bestimmte Preisgrenzen in wucherischer Weise überschritten würden. Dazu war die Regierung zum frühzeitigen und entsprechend günstigen Einkauf von Getreide bereit, das über den privaten Verteilungsapparat der Kaufleute an die Käufer gelangte; durch Preisgarantien wollte sie die Auswirkungen der Spekulation für sozial schwache Bevölkerungsschichten mildern. Dabei hoffte sie, das verauslagte Kapital wieder einzunehmen und keinen Verlust zu machen.11 Ergänzt wurden die Maßnahmen durch das obrigkeitliche Bestreben, Arbeitsgelegenheiten bereitzustellen. Gelang es den von der Not Betroffenen dennoch nicht, genügend für den Broterwerb zu verdienen, waren sie auf das Armenwesen angewiesen, was mit einem deutlichen sozialen Abstiegsprozeß verbunden war. Auf die Versorgung dieser Schicht bedürftiger und armer Einwohner verwendete die Regierung wenig Gedanken; diese Aufgabe wurde der Kompetenz der Generaldirektion für Armenwesen überlassen.12 Obwohl die oldenburgische Regierung im Gegensatz zur bremischen, hannoverschen und braunschweigischen auf direkte Kornunterstützungen verzichtete, bildete die Teuerung des Herbstes 1830 dennoch keine offenkundige Ursache aktionistischen Protests.13 Über die indirekten Vorsorgemaßnahmen hinaus wurden selbstverständlich alle Behörden zu erhöhter Aufmerksamkeit besonders im Bereich der Fremdenpolizei aufgefordert, um keine Unruhe von Ausländern hereintragen zu lassen, die nach Meinung der Regierung doch überall die Aktionen angestiftet hätten; vor allem sollte Handwerksgesellen, die sich kurz zuvor in Braunschweig oder Hamburg aufgehalten hatten, die Einreise verwehrt werden. 14 Entgegen der bei der Kornpreispolitik verfolgten Maxime des ›laissez faire et laissez passez‹ kam die Regierung den Handwerksmeistern der Hauptstadt 1830 mit einer Gewerbeordnung entgegen, die die Möglichkeit eines Innungszwanges wieder einführte. Gleichzeitig sollte das Landhandwerk eingeschränkt werden zugunsten einer Absicherung der »bürgerlichen Nahrung« in den Städten.15 Damit trug sie dem subjektiven Bedrohungsgefühl vieler städtischer Meister Rechnung, um Protest dieser Gruppe präventiv zu vermeiden. 2.7.2. Verfassungsversprechen als Krisenstrategie Wie in Bremen wurden auch in Oldenburg unabhängig vom Ausbleiben des Unterschichtenprotests Stimmen für eine politische Partizipation laut. Im 129 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Jeverland wurden Bittschriften für die Einführung einer landständischen Verfassung beraten, die durch gleichzeitig im Ausland stattfindende Unruhen erhöhtes Gewicht im politischen Prozeß erhielten. Motiviert wurden diese Bestrebungen im nördlichen Landesteil durch eine eigene politische Tradition, die bei der Vereinigung mit Oldenburg 1813/18 abgebrochen war. 16 Um die politische Bewegung bereits im Anfangsstadium aufzufangen, warnte der Großherzog in einer Bekanntmachung vom 5. Oktober »väterlich«, »weder Einflüsterungen von außen Gehör zu geben, noch sich von einer gewissen Ungeduld bemeistern zu lassen«, und versprach, »alles, was durch die Bundesverfassung zugesichert ist, auch gewissenhaft« zu erfüllen. Zunächst käme es aber vorrangig darauf an, den akuten Notstand, »welcher der ärmeren Klasse ihrer Mitbürger infolge mißratener Ernte im bevorstehenden Winter zu drohen scheint«, gemeinsam zu bekämpfen.17 Weil diese Äußerung allseits als Verfassungsversprechen verstanden wurde, blieb der berechnete Beruhigungseffekt nicht aus. 18 Statt jedoch die Ankündigung in die Tat umzusetzen, berief der Großherzog Anfang 1831 Deputierte aus allen Landesteilen in die Hauptstadt, deren einzige Aufgabe es sein sollte, eine neue Gemeindeordnung zu beratschlagen. Sic sollte nach fürstlicher Meinung erst einmal die Grundlage für eine spätere Verfassung legen, da ihre Bestimmungen den Weg einer bislang noch nicht bestehenden Vertretung der Untertanen vorzeichneten und Möglichkeiten zur Übung politischer Teilhabe böten. In diesem Sinn beantwortete er erneut aufkeimende Verfassungsforderungen im Sommer 1831, die jetzt aus dem Stedinger, Stad- und Budjadingerland, Varel und Eutin vorgebracht wurden. Zusätzlich vertröstete er die Petenden mit dem Hinweis, daß die anerkanntermaßen zugestandene landständische Verfassung sich bereits in Vorbereitung befinde.19 Im Sommer 1832 trat als »Abschlagszahlung« eine Gemeindeordnung in Kraft, die eine bescheidene Beteiligung der Eingesessenen an den Kirchspielangelegenheiten brachte, ohne jedoch die Möglichkeiten zu Staatseingriffen zugunsten gestärkter Selbstverwaltung wesentlich zu reduzieren. Bezeichnenderweise wurde der im Entwurf vorgesehene Artikel über die Teilnahme des Kirchspielausschusses an der Wahl der Landtagsabgeordneten nicht übernommen.20 Das Verfassungsversprechen geriet darüber jedoch nicht in Vergessenheit. Anläßlich einer geplanten Revision der Gemeindeordnung 1836/37 trat das Amt Elsfleth dafür ein, diese Revision von einem baldigst einzuführenden Landtag vornehmen zu lassen. Passiver Protest gegen die Vorgehensweise der Regierung erfolgte in einigen Kirchspielen des Jeverlandes, die bis 1835 die Gemeindeordnung nicht einmal ansatzweise eingeführt hatten; in anderen Kirchspielen drückte sich die Unzufriedenheit in Minoritätswahlen aus. 21 In der kritischen Situation des Herbstes 1830 gelang es dem Großherzog mit seinem Verfassungsversprechen dennoch, die politische Bewegung auf130
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zufangen, bevor sie ein Krisenniveau erreichte. Erleichtert wurde dieses Vorhaben durch die Zersplitterung der politischen Opposition. Das partikularistisch motivierte Streben der Jeverländer stand unverbunden neben vereinzelten Protesten aus verschiedenen Marschgegenden, die eine Aktionseinheit vermissen ließen; hier waren es die wohlhabenden Bauern, die Forderungen vorbrachten. Sie bevorzugten den petitionistischen Weg, um mit aktionistischem Protest nicht ihre eigene soziale Kontrolle über Tagelöhner und andere Landlose zu lockern; Protestaktionen gegen die Obrigkeit hätten auf die Marschbauern als besitzende Schicht zurückschlagen können. Völlig passiv verhielt sich in der Verfassungsfrage die Geest, die ihre ökonomische Unterlegenheit gegenüber der Marsch nicht noch politisch durch eine an Besitzkriterien ausgerichtete landständische Verfassung verstärkt sehen wollte. 22 Mit zunehmender Stabilisierung der allgemeinen politischen Lage in den deutschen Staaten ließ für den Großherzog die unmittelbare Notwendigkeit zu einer Verfassungsreform spürbar nach, die er gleichwohl nicht kategorisch ablehnte. Durch die dynastischen Beziehungen zum russischen Zaren als führendem Vertreter europäischer Reaktionspolitik geriet auch das Großherzogtum Oldenburg in den Sog der Bestrebungen zur unbedingten Aufrechterhaltung des sozialen und politischen Status-quo,23 die eine Ablösung des aufgeklärten Absolutismus durch eine landständische Verfassung nicht mehr als dringend geboten erscheinen ließen. Unter diesen Umständen wurde das Verfassungsversprechen nicht eingelöst; rückschauend bestand seine Funktion in akuter Krisenmanipulation, um das politische System von unmittelbarem Entscheidungsdruck zu entlasten. In seinem kurzfristigen Beruhigungseffekt ähnelte es der Einwilligung des Bremer Senats in Verfassungsverhandlungen.
2.8. Zusammenfassung: Kollektiver Protest und politische Krisen 1830/31 Die von Paris ausgehende Welle aktionistischen Protests fand in den norddeutschen Staaten ein unterschiedliches Echo. In den Staaten, in denen sich die Regierungen während der 1820er Jahre und auch 1830/31 intransigent gegenüber den bürgerlichen Reformwünschen und der sozialen Not breiter Bevölkerungskreise erwiesen, entstand infolge des Massenprotests eine politische Krisensituation, die im Herzogtum Braunschweig durch den faktischen Sturz der Regierung und im Königreich Hannover durch einen regional begrenzten Auflehnungsversuch mit der dadurch ausgelösten Entlassung des leitenden Ministers gekennzeichnet war. Die Situation in Hamburg charakterisierten antijüdische Ausschreitungen als Ausgangspunkt und die offene Auflehnung vorstädtischen Bürgermilitärs als gewichtige politische Herausforderung von Senat und Bürgerschaft. Dagegen trug eine flexiblere © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Haltung gegenüber der sozialen und politischen Bewegung dazu bei, daß die Hansestadt Bremen und das Großherzogtum Oldenburg von gravierendem aktionistischen Protest verschont blieben. Die Unruhen im Ausland wurden hier antizipiert und bewirkten präventive Maßnahmen zur Krisenmanipulation. Kurzfristig ging dabei von den Vorgängen im Ausland eine Druckwirkung insbesondere im sozialen Bereich aus, die zwar das Erlebnis von Gemeinschaftsprotest im eigenen Land oder in der eigenen Hauptstadt nicht vollkommen ersetzen konnte, dennoch aber als drohendes Beispiel auf die Obrigkeit ähnlichen Eindruck machte wie Unterschichtenprotest. In gleichem Maße jedoch, wie sich die internationale, nationale und innerstaatliche Lage beruhigte, wuchs die bereits bei der früheren Durchführung des berühmten 13. Artikels der Bundesverfassung erkennbare Neigung der Regierungen, gegebene Zusagen restriktiv auszulegen und den politischen Statusquo möglichst weitgehend zu erhalten. So mußten sich die Oldenburger trotz der vom Großherzog geweckten Partizipationshoffnungen mit einer Gemeindeordnung zufriedengeben. In Bremen wurden die Verfassungsinitiativen erfolgreich im Sinne des Senats in einer Kommission begraben. Im Jahre 1833 gewährte Hamburg seinen Vorstädten immerhin bescheidene Mitwirkungsrechte. Unter Ausschaltung der Bürgergarde aus dem politischen Leben kam im Herzogtum Braunschweig unter einer gemäßigt konservativen Regierung eine Modernisierung der Verfassungszustände in gewissem Umfang zustande, die auch im benachbarten Hannover unter allerdings prinzipiellem Widerstreben adliger Kreise erfolgte und schließlich nur von kurzem Bestand war. Auf diese verfassungspolitischen Ergebnisse der Protestaktionen hatte das in den sog. ›Sechs Artikeln‹ des Deutschen Bundes dokumentierte wiedergewonnene Beharrungsvermögen der Fürsten und Regierungen nicht ohne Einfluß bleiben können. Die darin ausgesprochenen Beschränkungen des landständischen Petitions-, Budget- und Gesetzgebungsrechtes sowie der Redefreiheit in den Ständen und der Berichtsfreiheit über deren Verhandlungen erregte überall Aufsehen und löste vielfache Empörung aus. 1 Ein Maueranschlag in Hannover artikulierte die Meinung vieler politisch Interessierter: Während die Regierung noch mit den Ständen über »freie Grundsätze« verhandele, werde sie bereits in Wien aktiv gegen »Eure Freiheit, Eure heiligsten Rechte und stellt Euch den Russen und Polen gleich . . .« Nachdem sie die halbjährliche provisorische Steuerbewilligung »erschlichen« habe, mache die Regierung postwendend die Bundesbeschlüsse bekannt. »Hannoveraner, Ihr seid aufgefordert, keine Steuern zu bezahlen, welche nicht von Euren Ständen in freier Beratung bewilligt worden sind. Gott erhalte den guten, aber von Hannöverschen Aristokraten betrogenen König!«2 Insgesamt zeichneten sich 1830/31 Geschehensabläufe ab, die, wenngleich in ihrer landesspezifischen Ausprägung deutlich unterschiedlich, gemeinsame Tendenzen erkennen ließen: aktionistischer Protest setzte das politische 132 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
System erhöhtem Legitimierungs- und sozialpolitischem Veränderungsdruck aus, den liberale Politiker in eine Verfassungsreform umzusetzen suchten. Dabei traten bereits Unterschiede zwischen gemäßigten Liberalen, die auf ständischer Basis ein konstitutionelles Verfassungssystem errichten und ausbauen wollten, und radikaler Gesinnten auf, die nach französischem und belgischem Vorbild die fürstliche Legitimitätsgrundlage aus der Volkssouveränität abgeleitet sahen und die Fürstenherrschaft auf die Verfassung verpflichten wollten. Auf politische Forderungen der bürgerlicher Schichten reagierten die Fürsten und Senate mit Zugeständnissen in einer ersten Phase akuter Bedrohung und mit der Rücknahme von Konzessionen in der folgenden Phase einer Restabilisierung der politischen Lage. Mit den Maßnahmen von 1832 und deren reaktionärer Verschärfung 1833 nach dem politischen Abenteuer des Frankfurter Wachensturms bemühte sich der Deutsche Bund, den kräftig aufkeimenden Liberalismus, vor allem aber den sich bereits bemerkbar machenden Radikalismus, in die Illegalität abzudrängen. Die so erzwungene äußere Abstinenz täuschte in den nächsten Jahren darüber hinweg, daß die politische Mobilisierung breiter Schichten nicht wieder rückgängig zu machen war; Ständeversammlungen boten trotz ihrer Beschränkungen öffentliche Artikulationsmöglichkeiten ebenso wie die Presse, die unter geschickter Umgehung der Zensur häufig über ausländische Verhältnisse berichtete und inländische meinte.3 Daneben bestanden eine Vielzahl von im Untergrund betriebenen journalistischen Unternehmungen, die nahezu alle Bevölkerungsschichten erreichten.4 Entgegen den intensiven Bemühungen der Behörden ließ sich auch die politische Literatur des ›Jungen Deutschland‹ nicht unterdrücken;5 gleiches galt für Lieder, die folkloristische Bedürfnisse mit politischen Aussagen verbanden; sie wurden mündlich oft schichtenüberbrückend verbreitet.6 Diese unterschiedlichen Artikulationsformen trieben die politische Bewußtseinsbildung in allen Bevölkerungsschichten voran, die sich wegen der Unterdrückungsmaßnahmen nur im Gegensatz zur Politik von Fürsten und Regierungen entwickeln konnte.7 Die während der Revolution von 1848/49 sichtbar werdende Sozialrevolutionäre Komponente spielte um 1830 noch keine prägende Rolle, es sei denn, symbolische Angriffe auf Eigentum und gezielte Sachzerstörung als Bestrafungsaktion würden im Sinne erschreckter bürgerlicher Zeitgenossen bereits als sozialer Umsturzversuch interpretiert. Arbeitsbeschaffung, Kornunterstützungen und Abgabenerleichterungen entsprachen noch weitgehend den eher kurzfristig-konjunkturell motivierten Wünschen der Unterschichtenangehörigen.
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3. Gemeinschaftlicher Protest in der Lebenswelt vormärzlicher Unterschichten 3.1. Soziale und wirtschaftliche Entwicklungstendenzen bis zum Beginn der 1840er Jahre Die außergewöhnlich große Protesthäufung in der Ausnahmesituation 1830/31 sank mit der ReStabilisierung der politischen Herrschaft und der Wiederherstellung des staatlichen Machtmonopols, das Beamten und staatlichen Offizianten die nötige Amtsautorität verlieh. Wesentlich zur Abnahme des Protests seit Frühjahr/Sommer 1831 trug die deutliche Entspannung der ökonomischen Situation bei. Besonders bedeutsam für die Lebensumstände großer Bevölkerungsteile war der Ausfall der Ernten, die nach der Mißernte von 1830 in den folgenden Jahren regelmäßig als »mittel« bis »gut« angesehen wurden.1 Dadurch verkleinerte sich kurzfristig der Abstand zwischen Lebensmittelpreisen und Geldlöhnen, die seit den 1820er Jahren im wesentlichen konstant geblieben waren. Trotz aller regionalen und lokalen Unterschiede war jedoch im Verlaufe der 1830er Jahre das Wiedereinsetzen eines stetigen Preisauftriebs, vor allem beim Roggen, unverkennbar, der von der Bedarfsseite, d. h. von dem eingetretenen und anhaltenden Bevölkeruneswachstum, induziert wurde. 2 Die relativ günstige Lohn-Preis-Relation wurde durch die sich gerade in diesem Jahrzehnt einschneidend verschlechternde Beschäftigungssituation überschattet. Zwar war in den Jahren 1834 bis 1837 eine erste zaghafte zyklische Konjunkturbewegung zu verzeichnen, die sich z. B. für das Königreich Hannover in der Gründung und Erweiterung »fabrikmäßiger Etablissements« niederschlug,3 doch wurden ihre Wirkungen auf die soziale Lebenslage paralysiert durch das anhaltende Wachstum des Arbeitskräftepotentials. Die Ausweitung des Arbeitsmarktes hielt mit dem Bevölkerungswachstum nicht länger Schritt. Obwohl die Anzahl der Handwerktreibenden in den 1830er Jahren allgemein stärker als das Bevölkerungswachstum zunahm, war mit diesem Prozeß bei den gleichzeitig relativ stagnierenden Nachfragestrukturen keineswegs eine sozial befriedigende Lebenshaltung verbunden; vielmehr führte er zu einer ständigen Entwertung des einzelnen Arbeitsplatzes und teilweise zu offener Arbeitslosigkeit. Wenngleich regional und sektoral in unterschiedlichem Ausmaß, wurde Übersetzung von Handwerk und Gewerbe zu einem anhaltenden Strukturmerkmal des Vormärz. 4 134
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Im Harz, wo die Lage besonders angespannt war, stand am Beginn der 1830er Jahre dem Arbeitskräftepotential, das seit Jahrhundertbeginn um ein Drittel zugenommen hatte, nur noch die Hälfte der vormaligen Arbeitsgelegenheiten gegenüber.5 Kaum besser war die Situation im Oberwesergebiet, dessen Eisen- und Glashütten sowie Steinbruchbetriebe über zunehmenden Absatzmangel zu klagen hatten.6 Vielen Handwerkern bot ihr erlernter Beruf nur noch zeitweise Erwerbsmöglichkeiten; sie reihten sich dann in das große Heer derer ein, die auf gelegentliche Tagelohnarbeit angewiesen waren, um minimalen Verdienst zu erzielen.7 Ein Abstieg »zu der Klasse der gewöhnlichen Handarbeiter«8 war häufig unvermeidlich, besonders bei so stark übersetzten Handwerken wie der Schneiderei. Zuflucht in ›Pfuscherei‹ konnte zwar individuell zu einer Lageverbesserung fuhren, entschärfte aber keineswegs das grundsätzliche Strukturproblem. Dieses insgesamt triste Bild der 1830er Jahre hellte wie im vergangenen Jahrzehnt die städtische Baukonjunktur auf. Neben vielen Privatbauten waren es Großbaustellen wie der Schloßneubau in Braunschweig, die Börse in Hamburg oder der weitere Ausbau Bremerhavens, die die Lage für Bauhandwerker und einen Teil der Hilfs- und Gelegenheitsarbeiter bis in die 1840er Jahre hinein erleichterte. Nach dem Großen Brand Hamburgs 1842 fanden dort beim Wiederaufbau der zerstörten Stadtteile zeitweise 33000 Arbeiter Beschäftigung.9 Auf dem Lande erbrachten Garnspinnen und Leineweberei trotz erhöhter »Selbstausbeutung« der ganzen Familie in den 1830er Jahren immer weniger Verdienst, der eine ausreichende Lebenshaltung kaum noch ermöglichte. Eine stärkere Hinwendung zur Landwirtschaft bot in größerem Ausmaß keinen Ausweg zur Stabilisierung der sozialen Lage auf niedrigstem Niveau. 10 Die unterbäuerlichen Schichten im Osnabrückschen litten unter dem in jenen Jahren rapiden Rückgang der Hollandgängerei als traditioneller, lebensnotwendiger Einnahmequelle zwischen Saat und Ernte. Die sozialen Folgen dieses Verlustes an Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten wurden verschärft durch die allgemein forcierte Durchführung von Markenteilungen, die Heuerlingen und Häuslingen zunehmend die Möglichkeit nahm, Land zu pachten und die Gemeindeweide zur Viehhaltung mitzubenutzen. Die mit den Verkopplungen notwendig werdende Anlage von Wegen und Gräben bot nur kurzfristig Ersatz als Verdienstquelle.11 In dieser angespannten sozialen Situation suchten in den 1830er Jahren viele Kleinbauern, Heuerlinge, Handwerker und Tagelöhner auch in Norddeutschland, ihrer verzweifelten Lage durch Auswanderung zu entfliehen. Eine spürbare Entschärfung der sozialen Probleme, wie es viele Zeitgenossen erhofft hatten, trat trotz steigender Auswanderungszahlen jedoch nicht ein.12
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3.2. Protestaktionen in der zünftigen Arbeitswelt Diese skizzierten demographischen, ökonomisch-strukturellen und konjunkturellen Prozesse erhöhten in den 1830er Jahren den Druck auf die Strukturen und Funktionen des ›Alten Handwerks‹ als umfassender Lebenswelt von Meistern, ihren Familien, Gesellen und Lehrlingen. Die Ausgliederung des Gesellen aus dem Meisterhaushalt und der innerbetriebliche Kompetenzverlust des älteren Gesellen als Vertreter des Meisters waren Auflösungserscheinungen, die von Zeitgenossen als ›Entsittlichung‹ und ›Demoralisation beklagt wurden. 13 Zusammen mit der Zunahme und dem Bedeutungszuwachs unzünftiger Handwerker höhlten diese Tendenzen das Zunftwesen zunehmend aus. 14 Die polare Strukturierung15 einiger Handwerkszweige und die verstärkte fabrikmäßige Konkurrenz beschleunigten ebenso den Zerfall des ›Alten Handwerks‹ wie das verstärkte Bestreben des Staates, die Zünfte und Gesellenverbindungen möglichst zu unterbinden, mindestens aber der obrigkeitlichen Kontrolle und umfassenden Reglementierung zu erschließen.16 Das allmähliche Vordringen eines bürgerlichen, säkularisierten Arbeitsgedankens untergrub zunehmend die traditionellen Bräuche und Gewohnheiten der Zünfte, die von bürgerlichen Kritikern als entscheidendes Hindernis bei der Beseitigung von ›Trägheit‹ und ›Müßiggang‹ angesehen wurden. In diesem Zusammenhang galten seit Jahrhundertbeginn intensive Bemühungen der Obrigkeiten der Unterbindung und Abschaffung des ›Blaucn Montags‹ und des Krugtages als Bestandteile gemütlichen handwerklicher Lebenswelt; als kommunikative Elemente, die traditionell in die Arbeitszeit integriert waren, sollten sie aus ihr verbannt werden. Das Bestreben, die Arbeitszeit gemäß bürgerlich-rationaler, vom Arbeitsgedanken beherrschter Lebensführung auszudehnen und die Arbeitsintensität zu steigern, kam beispielsweise im Hamburger Zunftreglement von 1835 u. a. darin zum Ausdruck, daß grundsätzlich die »Abschaffung aller zu Geld- und Zeitverschwendung führenden Gebräuche« durchgesetzt werden sollte. In die gleiche Richtung zielte die 1837 in der Hansestadt verfugte Aufhebung von neun Feiertagen und ihre Umwandlung in normale Arbeitstage. 17 Diesen Herausforderungen gegenüber bewies die zünftige Lebenswelt beachtliches Beharrungsvermögen, blieb die Zunft doch in allen Gewerben intakt, »die in ihrer Struktur und Funktion von der wirtschaftlichen Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert wenig berührt waren«, wie zum Beispiel bei Zimmerleuten und Maurern, oder als Abwehrreaktion in jenen, die relativ früh von der industriellen Konkurrenz bedroht waren, wie Schmiede und Nadler. 18 Mit viel Verständnis schilderte 1835 die Braunschweiger Polizeidirektion die herrschenden Zustände: Trotz Verbots hätten die Gesellen in vielen Handwerken von sich aus Gilden gebildet, die nach wie vor Geld für die Aufnahme in eine Bruderschaft und die Erteilung eines Gesellenscheins 136 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
verlangten. Gesellenschein und -gruß seien immer noch unabdingbar, um eine zünftige Arbeitsstelle zu erhalten. Auch müßten Lehrlinge, die Gesellen werden wollten, »etwas zum Besten geben«; erst dann werde die gesetzliche Gesellenprüfung anerkannt. Man habe diese Bräuche stillschweigend geduldet, weil überall dort, wo die Gilden abgeschafft seien, die zünftigen Verfahren dennoch fortdauerten. Zudem könnten Braunschweiger Gesellen dem vorgeschriebenen dreijährigen Wandern ohne Gesellenschein nicht nachkommen und die hiesigen Meister ohne auswärtige Gesellen »nicht subsistieren«. 19 In ihrem Bemühen, den ganzen Menschen in seiner noch weitgehend als Einheit verstandenen Arbeits- und Freizeit in Anspruch zu nehmen und sein Verhalten entsprechend zünftigem Ethos durch detaillierte Vorschriften zu reglementieren, blieben Gesellenverbindungen offenbar auch im Vormärz relativ erfolgreich.20 Die hier vermittelten und das soziale Handeln der Mehrzahl der Handwerker, ob zünftig oder nicht, bestimmenden Wertvorstellungen und Interpretationen der sozio-ökonomischen Umwelt orientierten sich am › Alten Handwerk‹ 21 und bildeten den ideologischen Hintergrund für vielfältige Protestaktionen. Traditionell entsprang ein großer Teil der Spannungen zwischen Meistern und Gesellen, einheimischen und auswärtigen Gesellen sowie einheimischen Produzenten und auswärtigen Anbietern handwerklicher Leistungen den gewohnheitsmäßig geübten berufs-, produktions- und marktordnenden Regelungsansprüchen, die Gesellenverbände aus den vielfältigen Aufgaben und Leistungen des ›Alten Handwerks‹ ableiteten. Mit der zünftigen Restauration nach den napoleonischen Kriegen in Norddeutschland kehrten auch diese traditionellen Konfliktkonstellationen wieder. Vor allem waren es die Bauhandwerker - Zimmerer und Maurer -, die während des Vormärz mehrfach zum Mittel des aktionistischen Protests griffen, um vermeintlich erlittenes Unrecht zu sühnen und Eingriffe in ihre Gesellenverbindungen abzuwehren. Als 1818 die Bremer Zimmermeister beim Senat eine Verordnung gegen die ihrer Meinung nach überhandnehmende Entwendung von Bauholz durchsetzen konnten, reagierten die Gesellen mit der Weigerung, nicht länger Holz tragen zu wollen. Ihnen lag an der Aufrechterhaltung des Gewohnheitsrechtes, über Holzabfälle verfugen zu können. Gleichwohl waren sie gegen finanzielle Entschädigungen zum Verzicht bereit. Sie nutzten diesen von den Meistern ausgelösten Konflikt, um offensiv ihre Forderung nach einem finanziellen Ausgleich für die Abnutzung der von ihnen selbst zu stellenden Werkzeuge vorzubringen. Daß über die materiellen Streitpunkte hinaus die Anschuldigung des Holzdiebstahls die Handwerker zutiefst verletzte, trug zur Schärfe der folgenden Auseinandersetzung bei. 22 Mit der Entlassung einiger Zunftgenossen eskalierte der Konflikt; die Arbeitsniederlegung der Zimmerer war die Antwort. Gleichzeitig trugen sie ihre Bitten dem Senat vor, der die Supplik in Erwägung ziehen wollte, © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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sobald sie die Arbeit wieder aufgenommen hätten. Bei ihrer schließlichen Antwort machte sich die Obrigkeit erneut die Ansicht der Meister zu eigen. Dem folgenden Zimmergesellenstreik schlossen sich jetzt auch die bislang abwartenden Maurergesellen an, so daß »viele Bauunternehmer und -meister in große Verlegenheit« gerieten. Nun entschloß sich die Obrigkeit zu einer konsequenten Kriminalisierung des Gesellenverhaltens; »denn was sollte daraus werden, wenn jede Zunft durch dergleichen Widerspenstigkeiten die Gewährung ihrer oft unsinnigen Gesuche erlangen könnte«. Arbeiteten die Zunftangehörigen nicht entsprechend ihrer Monopolstellung, gingen ihre Gerechtsame verloren. Deshalb sei nun den Meistern gestattet, »sich zu ihrer Arbeit all derer zu bedienen, die ihnen dazu tauglich und geschickt« erschienen. Als alle Aufforderungen zu unverzüglicher Wiederaufnahme der Arbeit keine Wirkung zeigten, ließ der Senat am 3. Juli 1818 die Zimmergesellenlade durch Soldaten abholen. Dieser Zugriff auf eines der Fundamente der Verbindung sollte die Gesellen endlich zum Nachgeben zwingen. Um die Reihen der Streikenden zu schwächen, wurden die Auswärtigen, nachdem ein Ultimatum verstrichen war, mit entsprechenden Vermerken in ihren Pässen und Wanderbüchern aus der Stadt transportiert. Die Verhaftung der Alt- und Junggesellen sowie die Abnahme des Herbergsschildes stellten weitere obrigkeitliche Maßnahmen dar, die zum Zusammenbruch des Streiks nach über einer Woche Dauer führten. Der entschlossene Angriff des Senats auf konstitutive Elemente der Gesellenverbindung nahm den Streikenden nicht nur organisatorischen Rückhalt, sondern stellte darüber hinaus ihren Status als ›chrbarcr‹ Handwerksgeselle, verkörpert in der Zunftmitgliedschaft, grundlegend in Frage. Ohne eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen verhindert zu haben, sahen sie sich gezwungen einzulenken, um wenigstens die Zunft als die ihre Lebenswelt regelnde und sichernde Institution zu retten. In diesem Punkt entsprach der Senat dann im September ihren Wünschen.23 Daß mit einer Erhaltung der Zünfte selbstverständlich auch traditionelle ordnungspolitische Absichten verfolgt wurden, verdeutlichte eine Stellungnahme des Hamburger Senats im Rahmen der Untersuchung von Gesellenverbindungen durch den Deutschen Bund aufgrund eines sächsischen Antrages aus dem Jahre 1835: eine Aufhebung aller Gesellenbruderschaften sei nicht nur nicht durchführbar, sondern geradezu »nachteilig«. Denn: »Die Vereine bedingen in Hamburg Aufsicht über die Anwesenden, wie über die zahlreich fort- und zuwandernden Gesellen, namentlich auf den Herbergen. Sie haben aus den Älterleuten und aus Altgesellen gebildete Vorstände, welche die Legitimationen untersuchen, die Arbeitsuchenden unterbringen, die unentbehrlichen Gesellenkassen für die Unterstützung Hilfsbedürftiger, für die Verpflegung Kranker und für die Bestattung verstorbener Genossen verwalten, auch der Schlichtung häufig vorkommender Irrungen unter den 138 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Gesellen, in gleichen der Wegschaffung arbeitslos Umhertreibender sich annehmen usw.« 24 Diesen sozialen Kontrollfunktionen der Gesellenverbindungen, die im Hamburger Gewerbereglement von 1835 erneut festgeschrieben wurden, entsprang ein latentes Spannungsverhältnis zwischen einheimischen und auswärtigen Gesellen, das sich in herausragender Weise bei den Maurern in aktionistischem Protest aktualisierte. Sie verfugten gerade in Norddeutschland über ein funktionierendes Zunftsystem mit einer ungebrochenen Tradition. In ihrem Handwerk galt es im Vergleich mit anderen Handwerksberufen als wenig wahrscheinlich, eine selbständige Meisterschaft erlangen zu können, deren Aussicht in der Regel über manche Beschwernisse der Gesellenzeit als Durchgangsstufe in der handwerklichen Statushierarchie hinwegsehen ließ. Wenigen selbständigen Meistern standen vergleichsweise, insbesondere in den Städten, viele unselbständige Gesellen gegenüber, deren Arbeitsstelle produktionsbedingt von der Wohnstätte getrennt war. Seit langem war das Wohnen beim Meister nicht mehr üblich, so daß die Zunftherberge in viel stärkerem Maße Zentrum sozialer Aktivitäten wurde als in anderen Handwerken; vor allem auswärtige Gesellen verkehrten hier. Für den Maurergesellen bestand keine Verpflichtung mehr, sich Arbeit von dem Meister zuweisen zu lassen, der gerade zur Aufnahme an der Reihe war, sondern er durfte sich seine Arbeitsstelle bereits selber suchen; dazu hatte er in Hamburg während der Sommermonate über eine Woche Zeit, ehe er weiterwandern mußte. Die Bauarbeit selbst stand unter geringem Veränderungsdruck; maschinelle Fertigungsmethoden oder gar großbetriebliche Arbeitsorganisationen bedrohten die traditionelle Arbeitsteilung und die überkommenen Arbeitsmethoden nicht. Solche Bedingungen begünstigten die Erhaltung eines ausgeprägt zünftigen Ehr- und Standesbewußtseins, das durch - gemessen an den Lebenshaltungskosten - ausreichende und zeitweise sogar hohe Löhne für alle Gesellen gestützt wurde, die Arbeit fanden.25 Materielles Interesse und das Bestreben, den sozialen Status zu erhalten, waren eng miteinander verknüpft und ließen die Gesellen mißtrauisch auf die Erhaltung ihrer Gerechtsame achten. Gerade in einer Großstadt wie Hamburg, die mit ihren Großbauprojekten während des Vormärz viele Arbeitskräfte anlockte und benötigte, waren Maurergesellen ständig auf der Hut vor zünftiger und unzünftiger Konkurrenz und zeigten große Bereitschaft, ihre ständische Ehrbarkeit gegen Fremde und ›Unwürdige‹ zu verteidigen. Bei der autonomen Auslegung und Durchsetzung der Zunftordnung beanspruchten einheimische Gesellen eine Präponderanz, um ihre Interessen bevorzugt berücksichtigt zu sehen,26 was 1821 in der Hansestadt zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Auswärtigen auf der Herberge führte, die sich nach Arbeit umsehen wollten. 27 Hierbei wie auch bei schwerwiegenderen Konflikten 1836 war für einen Teil der einheimischen Maurergesellen kennzeichnend, daß sie verheiratet und deshalb in besonderem 139 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Maße auf den örtlichen Arbeitsmarkt angewiesen waren. 28 Den traditionellen Anspruch, bei der Arbeitsvergabe vor den Auswärtigen bevorzugt zu werden, wollten sie nicht durch eine Erhöhung des örtlich verfügbaren Arbeitskräfteangebotes geschwächt sehen. Daher waren sie 1836 bemüht, ihrem Wunsch, wonach jeder auswärtige Maurergeselle nach vierjähriger Arbeit in Hamburg wieder ein Jahr wandern sollte, Anerkennung zu verschaffen. Das Bestreben der einheimischen Gesellen, das Festwohnen ihrer zugereisten Kollegen zu verhindern, fand die Unterstützung der Obrigkeit, der an einer Beschränkung der Zuwanderung und ihrer Kontrolle sehr gelegen war. Die Reaktion der auswärtigen Maurer war unheitlich und verdeutlichte die Spannungen in dieser Gruppe. Wie ein offenbar jüngerer Geselle der Polizei anonym berichtete, hätten sie allgemein unter der Tyrannei der älteren Zunftgenossen sehr zu leiden. Diese würden gemessen am Zunftethos »einen schlechten Lebenswandel fuhren: ein Mädchen mit mehreren Kindern hier zu sitzen haben, wodurch sie uns alle Schande machen . . .«. 29 Hieraus resultierte die unterschiedliche Haltung in der Wanderfrage: die ›etabliertcn‹ zugewanderten Maurer lehnten die Wanderbestimmungen ab, während ihre jüngeren Kollegen, die sich vermutlich noch mitten in der Wanderschaft befanden, durchaus bereit waren, die entsprechenden Bestimmungen zu akzeptieren. Darüber entstanden mehrere Abende hintereinander schwere Schlägereien zwischen den Herbergsgästen, in denen bald einheimische Gesellen den Befürwortern der Wanderungsregelung zuhilfe kommen wollten. Ihr Versuch, die Herberge zu stürmen, verschärfte die Auseinandersetzungen, die drei Schwerverletzte forderten. Schließlich griffen die vom Polizeiherrn vorsorglich in der Umgebung zusammengezogenen Polizeidiener ein und räumten gewaltsam die Herberge, wobei acht ›Ruhestörer‹ arretiert wurden. Siebzehn weitere Verhaftungen erfolgten zwei Tage später, die ebenso wie die schließlich ergangenen Urteile vor ähnlichen Aktionen in Zukunft abschrecken sollten.30 Dann wollte nämlich der Senat Zuchthausstrafen verhängen und zudem einheimische Gesellen aus ihrer Zunft entfernen; Ausländer sollten mit entsprechenden Vermerken in ihren Papieren ausgewiesen werden. 31 Noch che solche Strenge bei Protesten der Maurergesellen 1839 praktiziert werden konnte, zogen die Fremden nach alter Sitte aus Hamburg kurzerhand aus. Wieder war es über der Frage der Aufenthaltsdauer und der Wanderpflicht zu Schlägereien über mehrere Tage gekommen. Die ausgezogenen Gesellen fanden traditionelle Unterstützung in Lübeck, dessen Maurerzunft sich zusammen mit denen von Hannover und Kopenhagen ihrer Angelegenheiten annahm. Die drei Zünfte beschlossen, zur Unterstützung ihrer Zunftgenossen das Amt der Hamburger Maurermeister zu schimpfen; fortan sollte traditionsgemäß kein zunftbewußter Maurergeselle bei einem Meister in der Hansestadt arbeiten, was angesichts einer belebten Baukonjunktur zu einer spürbaren Verknappung an Fachkräften führte. 140 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Offensichtlich wandten sich in dieser Situation die Meister hilfesuchend an die eigene Maurergesellenzunft, die nun zu ihren »lieben Freunden und Brüdern«, wie sie die Lübecker Zunftgenossen anredete, brieflich in Kontakt trat. Obwohl man gar nicht wisse, warum das Hamburger Amt »so zurückgesetzt werde von den fremden Maurergesellen auswärtiger Städte und Gewerke«, wollten sie dennoch sich um die Wiederherstellung der früheren Eintracht bemühen. Zu diesem Zweck hätten ihnen die Meister versichert, die Rechte der fremden Gesellen zu achten, und ihren Willen bekundet, nicht ohne Not »solche Maurer« zu beschäftigen, »die für rechtschaffende fremde zünftige Maurergesellen anstößig sind«. Käme unter diesen Bedingungen nicht schnell Einigkeit zustande, würden am Ende diese Unzünftigen in Hamburg dominieren, fürchteten die einheimischen Gesellen in ihrem Schreiben. Die »wertgeschätzten Freunde« aus Lübeck ließen sich mit der Antwort Zeit und formulierten dann um so entschiedener ihre Wünsche, die auf eine Wiederherstellung der »alten Rechte« der fremden Gesellen zielten: nämlich vor allem das Recht auf unbegrenzte Arbeit für jeden Maurergesellen, ob alt oder jung. Während dies die Hamburger Gesellen sofort zusagten, blieb als Streitpunkt die Einbeziehung derjenigen Auswärtigen, die trotz Verrufs in der Stadt weitergearbeitet hatten. Die Lübecker beharrten auf ihrer Ansicht, daß diese Gruppe unbedingt wegwandern müsse. Bestenfalls könnten sich die nach der Verrufserklärung dort in Arbeit gegangenen Fremden aussöhnen und bleiben. Insgesamt zogen sich die schriftlich und in der Endphase mündlich geführten Verhandlungen vom Mai 1839 bis zum Januar des folgenden Jahres hin, wofür die Lübecker 225 Mark Unkosten und weitere 30 Mark für den schließlichen Vertrag berechneten, in dem sich das Hamburger Amt mit einer Buße von 300 Mark vom Verruf befreite. Die Gesellen, die gegen den Boykott verstoßen hatten, sollen sich Ende Januar mit 1300 Mark haben »aussöhnen« müssen.32 Ebenfalls 1839 kam es in der Hansestadt Bremen zu einem Konflikt zwischen auswärtigen Maurergesellen und ihren Meistern über Kündigungsvorschriften, wie sie das Reichsgesetz von 1731 vorsah. Die Gesellen erblickten in der Bestimmung, eine Kündigung acht Tage vorher ihrem Meister anzeigen zu müssen, eine Beschränkung ihrer Freiheit und Bedrohung ihres Standes. Würden sie die Regelung anerkennen, wären sie »akkurat als wie ein Knecht«. In einem Schreiben an die Lübecker Zunftgenossen beschuldigten sie die Bremer Meister, daß diese »mit Lügen« ihren Standpunkt durchsetzen wollten; zu diesem Zweck würden sie »falsche Artikel« vorlesen, die nur für Einheimische Geltung besäßen. Zunächst wurde von beiden Parteien eine Konfliktregelung innerhalb der autonomen handwerklichen Regelungssphäre angestrebt. Als jedoch ein Teil der Meister nicht bereit war, ihr Fehlverhalten mit einer von der Gesellenversammlung ausgesprochenen Buße anzuerkennen, gelangte der 141 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Streit zur Kenntnis der Polizei, die daraufhin »den die sämtliche Papier enthaltenden Schrank der Fremden« auf der Herberge beschlagnahmte und ihren Wortführer verhaftete. Zur Verteidigung ihrer Position stellten die Gesellen nun die Arbeit ein und »trieben sich so lange umher, bis die Behörde einschritt und die Tumultuanten zur Ordnung zurückführte«. Weitere Verhaftungen und Ausweisungen waren die obrigkeitlichen Gegenmittel. Am 10. Januar 1840 befanden sich immer noch fünf Gesellen in Haft, die nun auf Drängen der Amtsmeister ihre »verletzende, ehrenkränkende Beschuldigung« und »üble Nachrede« vor der Polizei schriftlich zurücknehmen mußten, wonach vier von ihnen entlassen und ausgewiesen wurden; der fünfte blieb weiterhin im Gefängnis. Die der Stadt Verwiesenen wandten sich umgehend an die Gesellenbruderschaft von Hannover und klagten dort gegen die Bremer Meister, deren Amt daraufhin geschimpft wurde. Allerdings erfolgte auf dringenden Wunsch der »Brüder« in der Hansestadt eine Verschiebung des Inkrafttretens des Boykotts vom 28. September 1840 auf den 6. Januar 1841, 33 da inzwischen nahezu allen auswärtigen Gesellen nach erneuten Protesten vorübergehend ihre Wanderbücher abgenommen worden waren. Wieder hatte der Streitpunkt in den Kündigungsvorschriften bestanden: Der Senat hatte zeitweise die Arbeit an Feiertagen gestattet, doch wollten einige Maurer auf Geselligkeit und Unterhaltung am Himmelfahrtstag 1840 nicht verzichten. Weil sie auf ihrer Baustelle lärmten und »Unfug« trieben, schalt sie ihr Meister »Sabbatschänder«, eine Beleidigung, die sie mit Kündigung am folgenden Montag beantworteten. Die Ablehnung durch den Meister und das Vorenthalten der Papiere - weil »Austreten« aus der Arbeit nur an Wochenenden erfolgen dürfe - rief die sofortige Arbeitsniederlegung hervor. Mit der Anzeige des Meisters beim Kriminalgericht schritt die Eskalation des Konflikts fort; die begrenzte, eher private Auseinandersetzung gewann immer stärker öffentliche und ordnungspolizeiliche Dimensionen, als drei Gesellen verhaftet wurden. Dies war nun der Anlaß zur Einstellung der Arbeit aller fremden Gesellen. An mehreren Tagen hintereinander zogen sie durch die Stadt, um für die Freilassung ihrer Kollegen zu demonstrieren. Statt jedoch ihr Ziel zu erreichen, gerieten sie selbst-über 100 an der Zahlfür zunächst drei Tage in Haft; ihre Wanderbücher wurden von der Polizei eingezogen. Während vermeintliche ›Rädelsführer‹ im Gefängnis bleiben mußten, wurde die Mehrzahl der Verhafteten mit der Auflage freigelassen, sich zur späteren Urteilsverkündung wieder einzufinden. Am 30. Januar 1841 ergingen dann recht drakonische Strafen: 7 Gesellen kamen mit Ausweisung davon; 26 erhielten zwei- bis vierwöchige, 58 zweibis dreimonatige und 14 gar vier- bis sechsmonatige Gefängnisstrafen, die allerdings teilweise später reduziert wurden. 34 Die Bremer Vorgänge verfolgte die überregionale Presse sehr aufmerksam, allen voran die ›Leipziger Allgemeine Zeitung‹ - das führende Blatt jenes Staates, der sich beim Deutschen Bund seit längerem um gemeinsame 142 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Aktionen bemühte. In ihren dramatisierenden Artikeln verglich sie die Handwerksgesellen mit den Pariser ›ouvriers‹, wogegen Friedrich Engels als Zeuge der Bremer Ereignisse energisch Stellung bezog. Er zeigte die fundamentalen Unterschiede zwischen beiden Gruppen auf und stellte den Konflikt als das dar, was er eigentlich war: nämlich eine traditionell dem Zunftsystem innewohnende und seinen spezifischen Konfliktregelungsmechanismen unterliegende Auseinandersetzung.35 Gleichwohl fanden solche realistischen Einschätzungen kaum Beachtung, am allerwenigsten bei den Regierungen, die umfangreiche Ermittlungen in Gang setzten.36 Umgehend wurde jetzt auch der Deutsche Bund aktiv, der das Problem seit 1835 auf der Tagesordnung hatte; bereits am 3. Dezember 1840 erfolgte der Beschluß, »übereinstimmende Maßregeln hinsichtlich derjenigen Handwerksgesellen zu treffen, welche durch Teilnahme an unerlaubten Gesellenverbindungen, Gesellengerichten, Verrufserklärungen und dergleichen Mißbräuche gegen die Landesgesetze sich vergangen haben« 3 7 -». . . allein wird er ebenso wenig helfen, als das strenge Reichsgesetz von 1731, wenn die Behörden nicht sehr aufmerksam sind, die Kontraventionen zu entdekken und zur Bestrafung zu bringen«, 38 urteilte der Direktor des Bremer Kriminalgerichts. Diese Bereitschaft zur verschärften Aufsicht über die Handwerksgesellen war bei den Regierungen im ausgehenden Vormärz mit seinen unübersehbaren sozialen Spannungen zweifellos vorhanden. Dennoch bewiesen traditionelle Verbindungen und eingelebtes Brauchtum der Handwerkgesellen weiterhin ihre Beharrungskraft, wie zahlreiche erfolgreiche Verrufserklärungen und ähnliche Aktionen verdeutlichten.39 Bremer und Hamburger Maurergesellen hielten ihre Gesellengerichte statt in der Herberge nun auf ›grüner Heide‹ ab, wobei sich einmal z. Β. 1842 in Hamburg nach Polizeischätzungen nahezu 300 Gesellen beteiligt haben sollen. 40 Die Obrigkeit in Hannover überraschte 1840 Zunftgesellen beim ›Handwerken‹ und verwies daraufhin 64 Gesellen des Landes.41 In allen diesen Fällen lag den Zunftgenossen daran, die eigene autonome Gerichtsbarkeit ihrer Zunft über die Zunftangehörigen, die zum Kernbestand ihres Standesbewußtseins gehörte, nach außen vor den Ansprüchen der Obrigkeit zu schützen. Gleichzeitig demonstrierten sich die Angehörigen gegenseitig mit der Praktizierung ihrer Bräuche die Funktionsfähigkeit ihrer Korporation, die offensichtlich nach wie vor in der Lage war, ihren Vorschriften Anerkennung zu verschaffen und abweichendes Verhalten im Gesellengericht zu bestrafen. Als in Stade die Schuhmachermeister obrigkeitliche Anordnungen verteilten, deren Inhalt den erst später veröffentlichten ›Artikeln‹ des Deutschen Bundes entsprach, reagierten die Gesellen auf diesen Versuch der administrativen Beschränkung ihrer Verbindung mit eintägiger Arbeitsniederlegung. Die Meister gerieten nun vollends in die Zwickmühle: Zunächst sammelten sie die Verordnungen wieder ein und stellten damit die Gesellen zufrieden. Anschließend zwang sie allerdings der Magistrat unter Strafan143 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
drohung zur erneuten Verteilung, die diesmal scheinbar ohne Gesellenprotest verlief.42 Diese vielfältigen Protestaktionen der Handwerksgesellen ließen schlaglichtartig die Konflikte in ihrer vormärzlichen Arbeits- und Lebenswelt deutlich werden. Sie bestanden hauptsächlich im Bereich der Kontrolle über den lokalen Arbeitsmarkt, sei es durch Wanderbestimmungen oder durch die Prozeduren der Konfliktregelung selbst. Wenngleich lediglich in Zusammenhang mit dem Streit um Bauholzabfälle unmittelbar um materielle Interessen gerungen wurde, lagen sie doch - durch Zunftideologie vermittelt - letztlich auch den anderen Handwerksprotesten mit zugrunde. Sie wurden nachhaltig motiviert durch die von der Zunft wachgehaltene Vorstellung einer traditionellen, zünftig geordneten Handwerkswirtschaft. In ihr sollten Gilden und Zünfte die Arbeit und den Verdienst idealerweise so verteilen, daß ihre Angehörigen mit eigener Arbeit eine auskömmliche Lebenshaltung gemäß standesmäßiger »Nahrung« erzielen konnten. Die Lebendigkeit solcher Vorstellungen mag zum großen Teil das geringe Gewicht von direkten Lohnauseinandersetzungen erklären, die eher indirekt über Fragen des Zugangs zum Handwerk eines Ortes oder der Arbeitsbefugnisse ausgetragen wurden. Außerdem war in einigen Handwerken, wie z. B. bei den Bauberufen, die Festlegung der Lohnhöhe und der Arbeitszeit der eigenständigen Vereinbarung zwischen einzelnen Meistern und ihren Gesellen entzogen und wurde von der städtischen Obrigkeit allgemeinverbindlich vorgenommen, so daß dieser Problembereich vielfach aus den Meister-Gesellen-Konflikten ausgeklammert blieb.43 Um so größere Bedeutung erlangten eigenständig durchsetzbare Ansprüche an die selbstbestimmte soziale Ausgestaltung der Arbeits- und Lebenswelt, in der die Zunft als Institution der sozialen Sicherung für nahezu alle Eventualitäten des Lebens im Gesellenstand eine zentrale Rolle spielte. Sie wurde während des Vormärz zunehmend vom Vordringen eines bürgerlich-rationalen Arbeitsgedankens und staatlichen Omnipotenzstrebens bedroht, das sich um den Abbau zünftiger Regelungssphären bemühte. So bestimmte der Senat von Hamburg in seinem Generalreglement von 1835, daß die Gesellen die Schlüssel zu ihrer Lade einem Ladenmeister zu übergeben hätten, um ihnen die selbständige Verfügung darüber zu entziehen. Die Altgesellen der Goldschmiede, die bislang die Schlüsselgewalt innehatten, weigerten sich jedoch hartnäckig, den obrigkeitlichen Anordnungen Folge zu leisten. Der Polizeiherr, der Senator Hudtwalcker, sah sich daraufhin veranlaßt, das vom Staat den Meistern übertragene Aufsichtsrecht gewaltsam durchzusetzen. Am 10. Oktober beorderte er einige Polizisten zur Goldsehmiedegesellenherberge, die zusammen mit den Altmeistern die Schlüsselübergabe erzwingen sollten. Dort erklärten 60-70 Gesellen, sie wollten unter keinen Bedingungen die Ladenschlüssel herausgeben. Darüber hinaus gaben sie ihrer Verwunderung Ausdruck, was und mit welchem Recht die Polizei eigentlich auf ihrer Herberge zu suchen hätte. Dennoch schienen sie sich der polizeili144 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
chen Aufforderung zum Verlassen des Gebäudes gefügt zu haben, als der Herbergsvater ihren Widerstandswillen erneut weckte, indem er lauthals bekannte, er habe keine Polizei gerufen; man überfiele ihn in seinem eigenen Haus, wo außer ihm niemand etwas zu sagen hätte. Die Gesellen sollten bleiben! - Gegenüber diesem traditionellen hausherrlichen Standpunkt konnte sich allerdings die staatliche Macht in diesem Fall allein durch die Demonstration ihrer zahlenmäßigen Stärke durchsetzen und ihren Anordnungen Anerkennung verschaffen. Noch vor Eintreffen von Verstärkungen der Ordnungskräfte räumten die Gesellen ihr Versammlungslokal, wobei sie jetzt auch zuließen, daß ihnen die Ladenschlüssel abgenommen und sechs Funktionsträger der Zunft, nämlich Deputierte und Altgesellen, sowie der Herbergsvater verhaftet wurden. Nach zwei Tagen Haft erkannten die Arretierten ebenfalls bedingungslos den staatlichen Regelungsanspruch an; sie erklärten im Verhör, sie wollten sich fortan in alles fügen!44 Sowohl für die Kontrolle der Gesellenkassen durch die Meister als auch für die Ausdehnung und die intensive Nutzung der Arbeitszeit bedeutsam war die verbreitete Bestimmung von Zunftverordnungen, daß Gesellen sich während der Arbeitszeit nicht gegenseitig besuchen sollten. Sie wurde von Braunschweiger Tischlermeistern auch auf das Einsammeln von Beiträgen zur Gesellenkrankenkasse angewandt, was einen »kleinen Aufruhr« der Tischlergesellen provozierte. Wie meistens in solchen Fällen, beendete ihre Arbeitsniederlegung polizeiliches Einschreiten, ohne daß die Protestaktion unmittelbar das Ziel eines Schutzes der zünftigen Eigenständigkeit im Bereich der sozialen Sicherung erreicht hätte.45 Auf andere Aspekte des Handwerkerprotests verwiesen Aktionen der »Arbeiter in Eisen und Stahl« im Harzrandort Herzberg. Den vorherrschenden Gewerbezweig bildete hier die Gewehrherstellung, die sowohl für militärischen als auch für gehobenen privaten Bedarf betrieben wurde. Handwerkliche Ausbildungs- und Statushierarchien bestanden zwar, doch waren sie offenbar nicht zünftig institutionalisiert. 105 »Gewehrfabrikanten« und 36 Büchsenmacher waren als Meister, Gesellen, Lehrlinge und Hilfsarbeiter von einem Unternehmer abhängig, der 1816 die »Fabrik«, die bis dahin auf Rechnung der Hannoverschen Kriegs-Kanzlei gearbeitet hatte, in Privathand übernahm. Durch einen Vertrag mit der Regierung besaß er praktisch ein Monopol bei der Militärgewehrproduktion, die überwiegend im Verlagssystem mit einer festen Zahl von Meistern, Gesellen und Hilfskräften erfolgte. Nach Auskunft des zuständigen Amtes hätten bei der früher unter staatlicher Regie erfolgten Gewehrproduktion alle ihr gutes Auskommen sogar noch im Alter gehabt, seitdem sie sich jedoch in Privathand befinde, herrsche zunehmender Arbeitsmangel, weil nur noch sporadisch auf Bestellung gearbeitet werde. Von den ehemals 141 Beschäftigten erhielten lediglich 16 dauernd Arbeit; 92 würden wenigstens ab und zu beschäftigt, während 33 arbeitslos seien. Der »Unternehmer« vergebe seine Aufträge nur an seine © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Günstlinge; deshalb gehörte jetzt die Mehrzahl der einst wohlhabenden »Fabrikarbeiter« mit ihren mehr als 370 Familienangehörigen zu den Ärmsten des Ortes, der eine Bevölkerung von knapp über 3000 Menschen hatte. 46 Hilfesuchend wandten sich die Betroffenen an die Obrigkeit mit der wiederholt vorgetragenen Bitte um eine Konzessionierung der Herstellung von Jagdgewehren, von der sie sich ein existenzsicherndes Einkommen erhofften. Doch unter Hinweis auf den Vertrag mit dem »Fabrikanten« lehnte die Regierung ab. Als kurzfristige Hilfsmaßnahme bewilligte sie lediglich Kornunterstützungen.47 Die sozialen Spannungen verschärfte eine Äußerung eines Meisters in einer hannoverschen Zeitung, die von den arbeitslosen »Fabrikarbeitern« als gegen eine ihrer Bittschriften gerichtet angesehen wurde. Daraufhin drang am 15. Oktober 1832 abends ein »Haufen der arbeits- und verdienstlosen Fabrikanten und Genossen« in das Haus des Meisters ein, der in die Dunkelheit entkommen konnte. Von hier zog die Menge zum Haus eines Rohrschmiedes, dem die Fensterscheiben eingeworfen wurden. Beide Zielscheiben des Unmutes der Demonstranten waren als »Anhänger« des Gewehrfabrikanten bekannt. Nach zwei Tagen trügerischer Ruhe, an denen Landdragoner im Ort patroullierten, entstand nach Einschätzung der Behörden durch »eine höchst unvorsichtige Handlungsweise« des Unternehmers, »der oftmals bisher sein eigener Richter war«, eine Situation, die leicht hätte in blutige Gewalttätigkeiten einmünden können. Er kündigte persönlich einem Rohrschmiedemeister die Wohnung, den er für einen Teilnehmer an den vorangegangenen Protestaktionen hielt. Dabei drohte er dem Meister mit dem Spazierstock; als er ihn damit sogar unters Kinn stieß, wehrte sich der Handwerker mit einer schallenden Ohrfeige. Dieser Vorfall verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Bewohnern des Ortes. Als noch ein »Haufen unbewaffneter Fabrikarbeiter« die Beleidigung ihres Kollegen diskutierte, ritten die Söhne des »Fabrikherrn«, mit Pistolen und Säbeln bewaffnet, in die Gruppe. Jetzt sahen sich die Landdragoner zum Eingreifen veranlaßt und verhafteten die beiden Heißsporne. Die anschließende gerichtliche Untersuchung konzentrierte sich allerdings auf die Protestaktionen des 15. Oktober. In ihrem Verlauf gelang es der Obrigkeit nicht, die Solidarität unter den Arbeitslosen aufzubrechen und durch die Aussicht auf eine erhebliche Geldbelohnung die sich in verzweifelter Lage Befindenden zur Preisgabe der Namen ihrer aktivsten Kollegen zu bewegen. Zwar endeten damit die Proteste ohne gerichtliches Nachspiel, doch auch ohne sichtbaren Erfolg für die Demonstranten.48 Wenigstens kurzfristige Abhilfe erreichten die Schiffszieher im Raum Achim mit Aktionen, die an Luddismus erinnerten: sie stoppten im April 1831 gewaltsam die Weser-Schiffe, um das Schiffsziehen durch Pferde zu verhindern, weil ihnen dadurch ihre Existenzgrundlage streitig gemacht werde. Wenngleich der Ersatz menschlicher durch tierische Energie nicht 146 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
grundsätzlich verhindert werden konnte, lenkte der Protest doch die Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Behörden auf die Opfer der Innovation. Zunächst durch eine militärische Machtdemonstration und die Verhaftung einiger Teilnehmer zum Nachgeben gezwungen, wurde ihnen von den Weser-Reihe-Schiffern das Schiffsziehen in Konkurrenz zu den Pferdegespannen für den bevorstehenden Sommer zugestanden. Ferner wurde ihnen zugesagt, sie verstärkt bei Wasserbauarbeiten zu beschäftigen.49
3.3. Konflikte um Elemente der Volkskultur und obrigkeitliche Ordnungsvorstellungen Standen bei den bisherigen Protesten von Handwerkern und spezifischen Arbeitergruppen unmittelbare Probleme der Arbeitswelt im Vordergrund, so bezogen sich die folgenden Fälle auf verschiedene Aspekte der Lebenswelt, soweit sie nicht den Arbeitsplatz direkt betraf Gleichwohl konnten sich in dem weitgehend noch als Einheit von Arbeit und Freizeit begriffenen Alltag Konflikte außerhalb der Werkstatt auf den Bereich ›Arbeit‹ ausdehnen, weil sich das Protestverhalten von Gesellen in verschiedensten Konfliktsituationen der Arbeitsniederlegung als wirkungsvolles Mittel bediente. Dabei kam der Herberge als Versammlungsort für alle möglichen Gelegenheiten zentrale Bedeutung zu. Hier prallten die Bestrebungen der Obrigkeit nach sozialer Kontrolle unmittelbar mit dem Anspruch der Gesellen auf eine von obrigkeitlichen Reglementierungen freie, selbstbestimmte Sphäre zusammen, in der Vergnügen seinen Platz hatte und Bestandteil der Selbstdarstellung war. Als im Oktober 1835 die Behörden in Hamburg den Töpfergesellen untersagten, auf ihrer Herberge Musik zu machen, ließen diese sich in ihrer Geselligkeit dadurch kaum beeindrucken. Sie sammelten kurzerhand die angedrohte Geldstrafe und musizierten weiter. Dennoch fühlten sie sich in ihrem Anrecht auf eine Praktizierung autonomer Kultur derartig beeinträchtigt, daß sie am folgenden Tag die Arbeit verweigerten und dadurch erneut die Obrigkeit herausforderten, die nach vormärzlichem Muster mit Verhaftungen und Stadtverweisen reagierte.50 Geselligkeit auf der Herberge war auch der Ausgangspunkt für Ordnungskonflikte, die 1845 mehrere Abende hintereinander die Ruhe in Braunschweig störten. Beim sonntagabendlichen Tanz auf der Schusterherberge trieb nach dem Polizeibericht ein betrunkener Soldat »Unfug« und wurde deshalb »von den Schuhmachergesellen vor die Tür gedrängt«. »Dieser an sich unbedeutende und in dergleichen Herbergen nicht selten sich ereignende Vorfall« gab den Anlaß dazu, daß am folgenden Abend acht bis zehn Soldaten zur Herberge zurückkehrten und »Zank« mit den Gesellen begannen. In der ausbrechenden handfesten Schlägerei benutzten die Solda147 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
ten sogar ihr Seitengewehr und verletzten fünf Gesellen damit schwer. Die Polizei griff schließlich ein und stellte für diesen Abend die Ruhe wieder her. Um die Spannungen abzubauen, hielt die Polizeidirektion es nun für ratsam, den Vorstehern und Alt-Gesellen zu »disponieren«, die Herberge in ein anderes Lokal zu verlegen. Bei der Abnahme des Herbergsschildes traten Soldaten hinzu und verhöhnten unter Drohungen die Gesellen, die ihrerseits die Beleidiger mit Stöcken vertrieben, wobei diesmal zwei Soldaten verwundet wurden. Beide Vorfälle sorgten dafür, daß sich an diesem Abend viele Menschen in der Umgebung der Orte des Geschehens aufhielten, um ihre Neugierde zu befriedigen, »wie solches bei dergleichen Vorfällen gewöhnlich zu geschehen pflegt«. Dabei hatte die Polizei ein wachsames Auge auf das Betragen in der Öffentlichkeit. Am nächsten Abend provozierte das Erscheinen mehrerer Soldaten vor der ehemaligen Gesellenherberge erneut Neugierde und die Erwartung, daß Außergewöhnliches geschehen könnte. Allein die Anwesenheit der Soldaten wurde schon »von der Masse des Volkes als eine Herausforderung angesehen« und mit Pfiffen kommentiert, als sie sich auf Aufforderung der Polizei auf den Weg zur Kaserne machten. Einige Munden spater hatte sich erneut »eine große Masse Menschen, aus Gesellen und Lehrlingen verschiedener Handwerke und sonstigen Personen niedern Standes bestehend«, am selben Ort eingefunden und dem Wirt der vormaligen Gesellenherberge mit einigen Steinwürfen ihr Mißfallen über sein Verhalten in dem Streit mit den Soldaten ausgedrückt. Als die Protestierenden schließlich die Aufforderungen der Polizei zum Auseinandergehen mit »Verhöhnungen und Steinwürfe(n)« beantworteten, gingen die Polizisten »mit gezogener Klinge« vor. Die Spannungen zwischen Unterschichtenangehörigen und Soldaten hielten die Behörden jetzt für so schwerwiegend, daß die Soldaten angewiesen werden sollten, nicht in Trupps in dem Stadtteil umherzuziehen. »Am Tage«, meinte der Rittmeister des Polizei-Militärs, »wenn sie einzeln ihren Weg ruhig fortsetzen, wird es sicher Niemand einfallen, sie zu reizen, aber in den Abendstunden mögte es wohl vorkommen.« Zur schnellen Unterdrükkung weiterer erwarteter Zwischenfälle postierte die Obrigkeit bereits am frühen Abend des nächsten Tages berittene Landdragoner und Polizei in der unruhigen Gegend. Nun lockte diese außergewöhnliche Maßnahme ihrerseits Schaulustige an und bewirkte gerade das Gegenteil der obrigkeitlichen Absichten: schnell »hatten sich daselbst mehrere Gruppen gebildet, die teils aus Erwachsenen, aber auch aus Jungens oder Lehrburschen bestanden«. Nach mehrmaligem Auseinandergehen und erneutem Sammeln an anderer Stelle griffen die verstärkten Ordnungskräfte erneut mit der »flachen Klinge« und dem Gewehrkolben ein und trieben die Menschen auseinander. Am fünften Tag nach Ausbruch der Auseinandersetzungen war die Gereiztheit der Ordnungskräfte schließlich so groß, daß sie einen Schusterlehrling verhafteten, der »sich erlaubt« hatte, auf der Straße »zu pfeifen und zu schreien«. 51 148
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In Hamburg ging bei einem ähnlichen Konflikt 1817 die Herausforderung offensichtlich von Handwerksgesellen aus. Zuckerbäckerknechte hatten den arbeitsfreien Samstagabend gefeiert und anschließend übermütig einen Soldaten der Hamburger Garnison geneckt. Im Gefühl physischer Bedrohung zog sich der Soldat in ein Haus zurück und verteidigte sich dort mit dem Bajonett. Bald darauf anrückende Verstärkung konnte noch zwei flüchtende »Knechte« verhaften und auf die Wache ins Stadthaus bringen, wo sich kurz darauf etwa 60 Zuckerbäckerkollegen versammelten und die Freilassung der Arretierten forderten. »Gutes Zureden« der Wache beantworteten sie mit Pfiffen, so daß die Soldaten schließlich gewaltsam vorgingen. 52 In diesem Zusammenhang waren wegen ihrer sozialen Kosten Proteste herausragend, die sich aus einer zunächst geradezu idyllisch anmutenden Situation entwickelten: An einem schönen Oktobertag 1835 übte das Militär vor den Toren Hannovers auf der Bult, was viele Handwerker und andere Unterschichtenangehörige angelockt hatte. Sie nahmen die Militärübungen als unterhaltsame Ergänzung zur üblichen Feier des ›Blauen Montags‹. Der Konflikt entstand, als während einer Pause der Soldaten sich viele Zuschauer auf dem Übungsgelände gelagert hatten und nach anhaltendem Branntweingenuß nicht bereit waren, der militärischen Aufforderung zum Räumen des Geländes Folge zu leisten. Nun gingen Landdragoner mit der flachen Klinge gegen die Menge vor, die in einem Schneidergesellen, der von einem Hieb getroffen zu Boden fiel und für tot gehalten wurde, ihren Märtyrer fand. Diesen Übergriff galt es nun zu rächen! Vor allem konzentrierte sich der Volkszorn auf einen Dragoner, der sich offenbar beim Einschreiten gegen die Menge besonders hervorgetan hatte, und den Chef der Polizeitruppe. Von der Bult pflanzte sich die Unruhe mit der Rückkehr der Soldaten und Polizisten in die Stadt fort, wo es abends vor der Wohnung des Landdragonerchefs zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Neugierigen sowie dem aufgebotenen Militär kam, die ein Todesopfer und einige Verletzte forderten. Dabei wurden über 50 Personen verhaftet und zu Polizeistrafen verurteilt, die das Innenministerium als nicht angemessen monierte. Erneut erfolgten daraufhin 55 Arretierungen von einheimischen und auswärtigen Handwerksgesellen, von Meistern, Tagelöhnern und anderen Unterschichtenangehörigen, die sich jedoch überwiegend nicht als »zur Kriminal-Untersuchung qualifiziert« erwiesen. Schließlich wurden nur drei auswärtige Gesellen zu Gefängnis zwischen sechs und acht Wochen verurteilt.53 Ein nicht alltägliches Ereignis - ein Wagen war von der Weserbrücke gestürzt - weckte in Bodenwerder Neugierde und lockte viele Schaulustige an. Um die Bergung des verunglückten Wagens zu erleichtern, versuchte ein Landdragoner, die Neugierigen zurückzudrängen, und geriet dabei an einen Schustergesellen, der meinte, er könne stehen wo immer und solange er wolle. Als dieser sich auch noch weigerte, dem Polizisten seinen Namen 149 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
zu nennen, glaubte jener, seiner Autorität durch Verhaftung Nachdruck verleihen zu müssen. Die auf drei- bis vierhundert Menschen angewachsene Menge wagte allerdings keinen direkten Angriff auf den Vertreter der staatlichen Obrigkeit, sondern folgte ihm bis zum Rathaus, wo sich bald mehrere Bürger bei den kommunalen Offizianten für eine Freilassung des Gesellen einsetzten, andernfalls wollten sie dem Pächter bei der Reparatur seiner Brücke nicht helfen. Wie sehr derartiges Auftreten von Polizeioffizianten von der Zivilbevölkerung als Verletzung kollektiver und individueller Ehre aufgefaßt wurde, verdeutlichte der mutige Kommentar eines wohlhabenden und einflußreichen Kaufmanns auf dem Rathaus gegenüber dem Landdragoner: Er habe unrecht gehandelt. Hätte ihn der Polizist zurückgedrängt wie den Gesellen, hätte er ihn ins Gesicht geschlagen, daß der Dragoner in die Weser gefallen wäre. 54 Diese Protestaktionen verdeutlichten das allgegenwärtige Spannungsverhältnis zwischen der Zivilbevölkerung und den Ordnungskräften. Es wurde geprägt durch zivilen Stolz, handwerkliche Standesehre und einen grundsätzlichen Freiheitsanspruch einerseits und die Gruppensolidarität der Uniformträger und ihre Erwartung des Respekts der Zivilisten andererseits. Die besondere Schärfe erhielten die Gegensätze durch ein ziviles Überlegenheitsgefuhl, das den Soldaten und Polizisten geringes Ansehen zuschrieb, und die repressiven Funktionen der Ordnungshüter. Im Konfliktfall kam der ordnungspolizeilichen Lageeinschätzung entscheidende Bedeutung zu, nach der nahezu jede Menschenansammlung, und sei es lediglich aus offensichtlicher Neugierde, grundsätzlich als verdächtig galt. Solche Beurteilung war Ergebnis der obrigkeitlichen Wahrnehmungsmuster, wie sie im weit verbreiteten Polizeihandbuch von Rönne und Simon zum Ausdruck kamen: der Pflicht zum Schutz des Staates und der »allgemeinen Staats-Anstalten« entsprach die Interpretation eines jeden »Auflaufs« als potentiell staatsgefährdend, »weil daraus leicht bedenkliche Auflehnungen entstehen können«. 55 Diese konträren Auffassungen von Zivilisten und Ordnungskräften wirkten im Falle einer Menschenansammlung per sc spannungsaufbauend und -verschärfend. Gemäß solcher Einstellungen nahm beispielsweise die vorgesetzte Behörde in Hannover 1844 an, daß die zu lasche Handhabung der Polizei in den Harzorten Clausthal und Zellerfeld zu einer zeitweisen Häufung kollektiven Protests geführt habe. Der tatsächliche Zusammenhang war jedoch gerade umgekehrt: übertrieben repressives Vorgehen der Ordnungskräfte forderte die Bevölkerung heraus. Die Spannungen zwischen den Einwohnern und ihren Lokalbehörden manifestierten sich am 15. Juli 1844 anläßlich des Verhörs eines angeblichen Brandstifters, dessen Ankunft im Gefängnis von Zellerfeld außeralltäglichen Ereigniswert besaß. Das Nichtbefolgen der Aufforderung zum Räumen des Platzes vor dem Gefängnis intensivierte das obrigkeitliche Mißtrauen in die unterstellten schlechten Absichten der Men150
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ge; die vermeintliche Wahrnehmung erfüllte sich selbst, als das Einschreiten von Landdragonern und die Verhaftung eines Neugierigen nun Drohgebärden provozierte, verstärkt durch eine zweite Arretierung. Noch ehe jedoch der Unmut in Aktion umschlug, entspannte sich die Situation durch den überraschenden und schnellen Abtransport der Verhafteten. Nur wenige Wochen danach glaubten Polizeioffizianten, zur Schlichtung einer samstäglichen Wirtshausschlägerei in Clausthal einen Teilnehmer gegen seinen aktiven Widerstand verhaften zu müssen. Umstehende Bergleute ergriffen Partei und befreiten den Arretierten gewaltsam; der zunächst ins benachbarte Zellerfeld entkam. Hier wiederholten sich Verhaftung und Befreiung. - Noch während die Untersuchung dieser Zwischenfälle lief, ereigneten sich zwei Wochen später in Zellerfeld »unruhige Auftritte« unter den Bergarbeitern anläßlich der »polizeilichen Einschränkung« des Freischießens. Mit dem Verbot des Schüsseabfeuerns in der Stadt war der Vergnügungs- und Selbstdarstellungswert des festlichen Umzuges erheblich eingeschränkt, was einige Teilnehmer zur Mißachtung der Anordnung veranlaßte. Als einige Landdragoner und »Aufpasser« des Magistrats die Namen der Schützen ermitteln wollten, wurden sie tätlich angegriffen. Während die zivilen Ordner weiteren Einschüchterungen dadurch zuvorkamen, daß sie schleunigst nach Hause gingen, ließen es die Polizisten auf weitere gewaltsame Zusammenstöße ankommen, bei denen sie fünfzehn Personen verhafteten. Die Situation wurde von den Behörden als derartig bedrohlich eingeschätzt, daß noch am folgenden Tage Ordnungskräfte aus Hildesheim und Goslar in Clausthal zusammengezogen wurden. 56 Die symbolische Bedeutung eines solchen Festes als wichtiger Bestandteil der ›plebejischen Kultur‹ war außerordentlich groß, bot es doch regelmäßig gerade für untere soziale Schichten eine kurzfristige Befreiung von den Zwängen des Alltags und entschädigte für Anstrengungen und Entbehrungen. Oft längerfristige Vorbereitungen steigerten Erwartungen an den Ablauf, in dem häufig gerade Handwerkergruppen organisiert ihr Standesbewußtsein zur Schau stellten und entsprechende soziale Anerkennung erwarteten. Aber auch Individuen waren durch Festtagskleidung oder die Demonstration von symbolischem Konsum bemüht, gesellschaftliche Beachtung zu erheischen.57 In den größeren Zusammenhang des Fest- und Vergnügungsbedürfnisses sowie der damit verbundenen kulturellen Selbstdarstellung gehörten zweifellos die häufigen Paraden der Bürgergarde in Braunschweig 1830/31, deren Wachdienst zudem in der Bewältigung von vermeintlichen Gefahren und in seiner nächtlichen Lagerfeuerromantik auf ideale Weise der Zurschaustellung von Männlichkeitsattributen entgegenkam. Auch das Illuminieren der Fenster zu besonderen Anlässen bildete einen wichtigen Bestandteil vormärzlicher Volkskultur. 58 Hierbei wurden gewöhnlich vage politische Aussagen mit erheblichem emotionalen Engagement demonstriert und innerhalb einer Gemeinde konformes Verhalten erwartet. Als beispielsweise 151 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
anläßlich eines Besuchs des Hannoverschen Königs in Celle ein Bankier und ein Kaufmann - als politische Demonstration oder aus Arglosigkeit - nicht illuminierten, fühlten sich Unterschichtenmitglieder in ihrem fundamentalen Loyalismus verletzt und herausgefordert; ›Fenstermusik‹ sollte die Nichterfüllung der Verhaltenserwartung strafen. Sie weitete sich zu einem »Tumult« aus, in dem Militär gewaltsam vorging und schließlich sogar die betroffene Straße vor weiteren Demonstrationen absperrte.59 Ebenfalls durch Nichtilluminieren zog der französische Ministerresident in der Hansestadt Bremen zunächst die Aufmerksamkeit und dann den Zorn von Unterschichten anläßlich des Gedenkens an die Leipziger Völkerschlacht auf sich. »Trotz polizeilicher Abwehr« wurden an seinem Haus sämtliche Fenster zertrümmert, was wegen der möglichen politischen Konsequenzen und dem allgemeinen Aufsehen dem Senat äußerst unangenehm war. Nach seiner Einschätzung konnten die Täter nur »Gassenjungen« gewesen sein, von denen auch einige in Untersuchung gezogen wurden. Den Schaden ersetzten jedoch eilig Bremer Bürger mit freiwilligen Spenden.60 Einen festen Platz im täglichen und wöchentlichen Rhythmus von Arbeit und Vergnügen in der Alltagswelt vormärzlicher Unterschichten nahm der Wirtshausbesuch bzw. überhaupt der Alkoholkonsum ein. Sie waren Bestandteile der Unterschichtenkultur, die nach den bürgerlichen Enthaltsamkeits- und Sparvorstellungen zu den ›Geld- und Zeitverschwendungen‹ gehörten, die nicht nur der Hamburger Senat, sondern insbesondere auch pietistische Kreise der Hansestadt abgeschafft sehen wollten. Daß Alkohol über die Funktion als Medium von Geselligkeit, sozialer Kommunikation und wenigstens zeitweiser psychischer Entlastung vom Druck der Alltagsbeschwernisse hinaus auch während des Vormärz noch erheblichen Ernährungswert für Unterschichtenangehörige besaß, ließ der missionarische Eifer des hansestädtischen Mäßigkeitsvereins unberücksichtigt.61 Bei den Betroffenen begegnete man diesen Bestrebungen mit Mißtrauen und Abneigung. Sie galten ihnen als »eine Unternehmung des Pietismus, eine Art Muckerei, ein Jesuitenkram« - eine wenig reflektierte Sammlung politisch gefärbter, religiöser Schlagworte aus dem Begriffsfeld der gerade in den 1830er Jahren intensiv geführten kirchlich-politischen Auseinandersetzungen. Dabei nahmen die Unterschichten das Enthaltsamkeitspostulat nicht einmal dem Bürgertum als dessen eigene Verhaltensmaxime ab: »Die Herren des Mäßigkeitsvereins haben gut reden. Sie behalten ihren Wein bei, während die arbeitenden Klassen dem Branntwein entsagen sollen, ohne jedoch Wein bezahlen zu können!«62 In dieser bedrohlichen Stimmung veranstaltete der Mäßigkeitsverein demonstrativ an einem Montag - dem vor allem noch von Handwerkern gepflegten brauchmäßigen Feiertag - im Januar 1841 seine erste öffentliche Sitzung. Zunächst störten Zwischenrufe und Lärmen aus dem Kreis der Zuhörer die Versammlung. Dann wurde nach Angaben der Polizei »von Seiten zahlreicher, wahrscheinlich durch die Schankwirte zusammenge152 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
brachter oder aufgereizter Volkshaufen der niedrigen Stände« das Versammlungslokal »spoliiert«. Die Obrigkeit reagierte umfassend: die Polizei wurde zusammengezogen, ehe sie konzentriert gegen die Demonstranten vorging; das Bürgermilitär wurde alarmiert und vorsorglich auch am folgenden Tag in Bereitschaft gehalten. Der Senat diskutierte die Angelegenheit intensiv und beschloß, trotz seiner Sympathie für die Ziele der Mäßigkeitsbewegung zunächst keine Aufrufe des Vereins durchgehen zu lassen und keine spektakulären Versammlungen zu gestatten, um nicht erneut Anlaß zu Protest zu geben. Um das Ansehen der Stadt in der ausländischen Geschäftswelt besorgt, wurde den Hamburger Zeitungen nur ein kurzer, vom Polizeiherrn verfaßter Artikel gestattet; »zur Vermeidung unrichtiger und übertriebener Zeitungsberichte des Auslandes« wollte der Senat eine offiziöse Darstellung konzipieren.63 Die Protestursache selbst - die Frage der Alkoholkonsumeinschränkungbewegte die Gemüter weiterhin. 1843 formierte sich gewissermaßen als Gegengründung zum Mäßigkeitsverein ein Verein »für das Weintrinken«, der seine erste Versammlung im Eibpavillon abhalten wollte. Nach Rücksprache mit der Polizei, die ihm die Verantwortung für etwaige Tumulte vor Augen geführt hatte, war jedoch der Wirt nicht mehr willens, die Veranstaltung bei sich zu gestatten. Daraufhin zog der Verein ins dänische Eimsbüttel. Bei der Rückkehr der vier- bis fünfhundert Teilnehmer fand sich am Millerntor eine große Menge zur lautstarken Begrüßung ein, alle Aufforderungen zum Zerstreuen mißachtend. Als schließlich die seit langem verhaßten Dragoner gewaltsam einschritten, wehrten sich die Demonstranten mit Steinwürfen; auf dem Rückzug einzelner Demonstrantengruppen gingen Straßenlaternen zu Bruch. Am folgenden Samstag wiederholten sich die Auseinandersetzungen zwischen Soldaten und Schaulustigen, die zahlreich an den Ort der vortägigen Ereignisse aus Neugier und Sensationslust zurückgekehrt waren und in der Perzeption des Militärs eine Bedrohung der öffentlichen Ruhe und Ordnung darstellten. Dabei soll es neben Verhaftungen auch mehrere Verletzte gegeben haben. Auch am Sonntag zog es erneut Neugierige zum Millerntor, doch schreckten diesmal die Erfahrungen des Vortages und die weiter verstärkte militärische Präsenz von erneutem aktionistischen Protest ab. 64 Waren es in den bisher analysierten Fällen brutales Vorgehen der Obrigkeit, Verhaftungen oder Angriffe auf sozio-kulturelle Elemente des Alltagslebens, die Protest herausforderten, so stellte die Äußerung eines Apothekers in Schöningen, es müßten während der 1831 bevorstehenden Cholera 200 Personen aus dem »Pöbel« sterben, dann »würde es erst wieder gut«, eine grobe Mißachtung der kollektiven Ehre der lokalen Unterschichten dar. Im Schutze der Dunkelheit straften ihn dann einige der sich betroffen Fühlenden aus dem sogenannten »Pöbel« mit dem Einwerfen seiner Fenster und rächten sich auf diese volkstümliche Weise.65 Die solidarische Verteidigung des Selbstrespekts gehörte auch zu den 153 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Motiven von »Straßentumulten«, die sich an der Mißhandlung eines Dienstmädchens 1832 in Hannover entzündeten. Zunächst sammelten sich einige Stadtbewohner vor dem Haus des Frevlers, dem eine ›Fenstermusik‹ dargebracht wurde. Zufällig von einer Tanzveranstaltung vorbeikommende Handwerksgesellen und andere Leute blieben neugierig stehen und beteiligten sich bald an dem Protest. Wie so häufig trat mit dem Eintreffen der Polizei ein neues, weitere Emotionen weckendes Objekt im Protestgeschehen auf, das die Aufmerksamkeit der Protestierenden auf sich zog. Über mehrere Stunden zog sich der Konfliktaustrag hin, weil sich die Demonstranten immer aufs neue an anderer Stelle sammelten, sobald sie an einem Ort zerstreut waren. 66
3.4. Umrisse des Unterschichtenprotests in den 1830er Jahren Die verbreitete Annahme einer direkten Beziehung zwischen der ökonomischen Lage und Protest fand in den städtischen Unterschichtenaktionen keine unmittelbare Bestätigung. Die von der Krise des Handwerks, der Teuerung der Agrarerzeugnisse, von Armut und Unterbeschäftigung am stärksten Betroffenen vermittelten nicht den Eindruck herausragender Protestaktivität im Alltag. Gleichwohl gewann diese sozio-ökonomische Entwicklung in den Phasen der Krisenakkumulation, wie beispielsweise 1830/ 31, erhöhtes Erklärungsgewicht. Auch für die häufig Protest auslösende Gewerbe- und Ordnungspolitik der Obrigkeit war sie von erheblicher Bedeutung. Direkt in ihren Aktionen wiesen im Jahrzehnt nach 1830/31 allerdings lediglich die Schiffszieher in Achim und die »Arbeiter in Eisen und Stahl« Herzbergs auf ihre bedrängte ökonomische Situation hin. Die zweifellos fortschreitende Verelendung großer Bevölkerungsteile schlug sich dagegen nicht in entsprechendem Ausmaß im Protestbild nieder. Nach Meinung der Hamburger Behörden betraten Verelendete entweder »jede sich zeigende Bahn des Unrechts« - ein offensichtliches Vorurteil, das in den Kriminalstatistiken derselben Verwaltung keine Bestätigung fand - oder sie seien »dem Mißmut und der Verzweiflung preisgegeben«.67 Ebensowenig wie in der Stadt fand auf dem Lande die zweifellos angespannte soziale Lage Ausdruck in kollektiven Protestaktionen der Leidenden. Dem standen nicht nur die integrativen und eine soziale Kontrolle erleichternden Strukturen der Lebenswelt ›Dorf‹ entgegen, sondern auch die Möglichkeiten des direkten Zugriffs auf Mittel der Existenzerhaltung bei geringem persönlichen Risiko. Überwiegend individuell praktizierter Feld-, Wald- und Forstfrevel stellte eine den ländlichen Lebensbedingungen angepaßte Protestform dar, die durch Rückgriff auf traditionelle Rechtsvorstellungen gemeinschaftlicher Besitzformen legitimiert wurde. 68 Dies gehörte zum motivationalen Hintergrund eines Angriffs auf den »tödlich gehaßten dortigen Flurschütz« im 154 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Harzort Lauterberg, der diese Form der Selbstversorgung und des Widerstandes nicht im erwarteten Maß tolerierte, sondern nach Meinung der Unterschichten sein Amt mit übertriebener Strenge ausübte und im Zuge zunehmender Kriminalisierung dieser traditionellen Verhaltensweisen derartige Vergehen gnadenlos verfolgte. Die Kritik und der Zorn über seine Amtsführung wurden ihm sehr handgreiflich ausgedrückt. Unterschichtenangehörige verprügelten ihn auf dem Markt und verlangten von der Obrigkeit, daß er wegen seines Verhaltens in Gewahrsam genommen würde. 69 Zu dem auf dem Lande vielfach praktizierten Formen sozialen Protests gehörten auch Bettelei, Vagabundieren, kleinere Diebstähle und Auswanderung, 70 die allerdings mit dem bei dieser Untersuchung angewandten Begriffsinstrumentarium nicht systematisch analysiert werden können. Die Beschränkung der Untersuchung auf gemeinschaftlichen Protest verdeutlichte die herausragende Aktivität solcher Gruppen, die mit der Zunft oder Gesellenbruderschaft über einen festen Organisationskern verfügten. Innerhalb des Handwerks taten sich besonders die Angehörigen der Bauberufe hervor, deren Arbeitsbedingungen vergleichsweise geringem Veränderungsdruck unterlagen und deren fehlende Aussichten auf selbständige Meisterschaft die Gruppenidentität stärkten. Materielle und soziale Unzufriedenheit äußerte sich bei ihnen überwiegend vermittelt in der Verteidigung von Elementen der Standesehre. Die Lebenswelt der Stadt begünstigte auch die Bildung von gruppen- und schichtspezifischen Augenblickssolidaritäten außerhalb der Zünfte, wie sie bei Reaktionen auf die Bedrohung von Elementen der ›plebejischer Kultur‹ und auf Übergriffe gegen einzelne Angehörige der Unterschichten deutlich wurden. Obwohl sich Handwerks- und anderer Unterschichtenprotest meistens gegen Maßnahmen von Behörden und Regierungen richtete, fehlten ihm politischer Charakter oder gar sozialistische Tendenzen, wenngleich die von einem Revolutionstrauma beherrschten Landesregierungen und Teile der Öffentlichkeit solches unterstellten, nicht zuletzt, um Rechtfertigungsgründe für ihre alle assoziativen Bestrebungen unterdrückende Politik zu erhalten. 71 Politisch bewußtere Handwerksgesellen fanden sich in diesen Jahren nicht in den Zünften, sondern, als ›out group‹ größtenteils aus Deutschland verdrängt, in den zahlreichen Auslandsvereinen zusammen, die sich erfolgreich im Geheimen bemühten, bei ihren Kollegen in der Heimat politisches Bewußtsein zu wecken und zu fördern. Selbst ihre Agitation knüpfte aber weitgehend an traditionelle, volkstümliche Denkgewohnheiten an; religiöse Vorstellungen verbanden sich dabei mit frühsozialistischen Ideen.72 In abgeschwächter Form drückte sich die Kombination religiös fundierter Argumentation mit politisch-sozialer emanzipatorischer Absicht auch im theologischen Rationalismus aus, der gerade im städtischen Kleinbürgertum Norddeutschlands beachtliches Engagement hervorrief. Er stärkte die politische Bewußtseinsbildung in breiten Kreisen der Bevölkerung in ›vulgärliberalen Richtung. 73 155 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Während das bürgerliche Vereins wesen unmittelbar nach 1830 eine große Belebung und Politisierung erlebte,74 begannen dem ›Alten Handwerk‹ entwachsene Handwerksmeister und -gesellen am Ende der 1830er Jahre, nach außen meistens unpolitische Bildungsvereine überwiegend in enger Verbindung mit bürgerlichen Kreisen zu organisieren. In ihnen wurde dur;hweg weniger Wert auf eine selbstbewußte Pflege eigener Handwerkstraditionen und Identität gelegt, als vielmehr dem Bildungsideal des Bürgertums als kulturdominanter Schicht nachgeeifert. Dennoch trugen sie insbesondere während ihres Aufschwungs in den 1840er Jahren zweifellos zur politischen Bewußtseinsbildung in einzelnen Zirkeln der Handwerkerschaft bei.75
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4. Exkurs: Studentischer Protest in Göttingen Der Auflehnungsversuch 1831 mit seinen politischen Folgewirkungen und die mutige Protestation der ›Göttinger Sieben‹ gegen die eigenmächtige Verfassungsrevision Ernst-Augusts ließen die einzige Universität des Untersuchungsgebietes als ein geistig-politisches Zentrum des Königreichs Hannover hervortreten. Das aktive Engagement der Studenten bei diesen Ereignissen sowie die in Deutschland nach den napoleonischen Kriegen sich politisch artikulierende Burschenschaftsbewegung waren Ausdruck der fortschreitenden politischen Bewußtseinsbildung. Obwohl in der hannoverschen Universitätsstadt die burschenschaftliche Bewegung über bescheidene Organisationsansätze nicht hinauskam, waren ihre Leitideen der nationalen Einheit und politischen Freiheit immerhin so populär, daß einem Geheimrat im Januar 1816 ein ›Pereat‹ und ›Fcnstermusik‹ dargebracht wurden, weil er in einer Schrift »Über den 13. Artikel der Deutschen Bundesakte: die landständischen Verfassungen betreffend« das monarchische Recht betont hatte, alle politischen Institutionen des Landes nach fürstlichem Willen zu gestalten. Darüber hinaus nagelten die Studenten die Flugschrift an den Schandpfahl auf dem Markt, womit sie den Autor symbolisch an den Pranger stellten. 1 Die Aufmerksamkeit des Prorektors als der verantwortlichen staatlichen Aufsichtsinstanz über die Universität und ihre Angehörigen war geweckt. Als ihm im April 1816 die Existenz von sieben Korps zur Kenntnis kam, wurde eine Untersuchung und ihre förmliche Auflösung angeordnet. Relegationen für acht Landsmannschaftler und consilium abeundi für 21 Kommilitonen waren die Folge. Als Ausdruck der Mißbilligung und als Bestrafung seines strengen Einschreitens wurden dem Prorektor im September die Fenster seines Hauses eingeschlagen und ein Teil des Daches eines Nebengebäudes abgedeckt, was die Universitätsjäger nicht verhindern konnten. Sie waren vielmehr von den Studenten in die Flucht geschlagen worden. 2 In diesen beiden Protestfällen wurden bereits einige Grundzüge studentischer Gemeinschaftsaktionen deutlich. Sie wandten Rügebräuche an, wie sie auch im traditionellen Volksprotest praktiziert wurden: Pereat, Fenstermusik und - als weitere Steigerung - das Abdecken eines Daches, das den Betroffenen bestrafen und seinen Ausstoß aus der Gemeinde symbolisieren sollte, in diesem Fall den Ausstoß aus der akademischen Gemeinde. Das Hauptangriffsobjekt solcher Aktionen bildete regelmäßig der Prorektor mit seinem Amts- und Wohnsitz; ihm unterstanden die universitären Ordnungskräfte; in seinen Verantwortungsbereich fiel die Überwachung des 157 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
politischen Verhaltens und gesellschaftlichen Betragens der Universitätsangehörigen, besonders der Studenten. Die Intensität des alltäglichen Spannungsverhältnisses zwischen den Pedellen und Universitätsjägern als Ausführende des Kontrollanspruchs der Universität und ihres staatlichen Kontrollauftrages wurde durch das ausgeprägte Selbstbewußtsein beider Kontrahenten vergrößert.3 Die von den Studenten verachteten Ordnungskräfte suchten ihr Selbstwertgefühl durch eine intransigente Auslegung ihrer Kompetenzen zu stabilisieren und zu heben, während das Verhalten der Kommilitonen durch Standesbewußtsein und die Grenze zur Arroganz oft überschreitendes Ehrgefühl geprägt wurde, was sie nicht selten auch in Gegensatz zu einzelnen Gruppen der Bevölkerung der Stadt und des unmittelbaren Umlandes brachte. Ähnlich wie Handwerksgesellen interpretierten die Studenten obrigkeitliches Ordnungshandeln gegen einzelne Mitglieder ihres Standes als Übergriffe auf ihre kollektive Ehre. Daß die Ordnungskräfte bei Aktionen gegen Studenten zu besonders drastischem Vorgehen tendierten, gab selbst der für die Universität Göttingen zuständige Geheimrat Hoppenstedt in Hannover zu: »Die allerdings nicht zu rechtfertigende Behandlung« eines betrunkenen Studenten durch die Jägerwache provozierte 1815 dessen Kommilitonen zum Sturm auf das Wachthaus am Abend nach dem Zwischenfall; dabei wurden alle auffindbaren Gewehre zerschlagen. Die Obrigkeit mußte aus »Mangel an bewaffneter Macht« nicht nur tatenlos zusehen, sondern darüber hinaus dem Gesuch der Studenten nach Niederschlagung einer gerichtlichen Untersuchung stattgeben, zumal sich ihm auch der Senat angeschlossen hatte, um einem von den Studierenden angedrohten Auszug aus der Stadt vorzubeugen.4 Dieses Protestmittel des Auszuges wurde dann 1818 angewandt: Eine private Auseinandersetzung zwischen einem Schlachter und einem Studenten, der sich angegriffen und beleidigt fühlte,5 rief bei seinen Kommilitonen große Empörung hervor. Als die erwartete Genugtuung durch den Prorektor nicht verschafft wurde, warfen die Studenten dem Schlachter die Fenster ein und zogen in gleicher Absicht vor das Haus des für Polizeiangelegenheiten im Magistrat zuständigen Senators, der bei der Behandlung des Vorganges ebenfalls nicht studentischen Erwartungen entsprochen hatte.6 Aus dem begrenzten Protest entwickelte sich mit der Entsendung eines Regierungskommissars und der Verlegung starker Militäreinheiten nach Göttingen ein schwerwiegender Ordnungskonflikt, der den eigentlichen Anlaß in den Hintergrund drängte. Jetzt kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der geballten staatlichen Macht und den Studierenden, die dabei eine Anzahl Verletzter zu beklagen hatten.7 Den staatlichen Repressionskräften unterlegen, besannen sie sich auf das traditionelle Mittel des Auszuges aus der Stadt. Wegen »der bekannten Unannehmlichkeiten mit den Husaren« wollten die Kommilitonen erst nach obrigkeitlichen Zugeständnissen zurückkehren, die sie, wie in vorausgegangenen Fällen erfahren, 158
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mit einiger Wahrscheinlichkeit über Verhandlungen mit den Universitätsbehörden zu erreichen glaubten. Doch da sich ein schneller Erfolg nicht einstellte und jeder weitere Tag die studentische Solidarität schwächte, weil viele aus Geldnot abzogen, erließ der aus den Landsmannschaften und einigen sog. »Wilden« gebildete Lenkungsausschuß eine Verrufserklärung der Universität, die in den folgenden Jahren die Studentenzahlen erheblich sinken ließ. 8 Hannoveraner konnten dem Beschluß allerdings nur Folge leisten, wenn sie auf ihre Benefizien und Aussichten auf eine Anstellung im hannoverschen Staatsdienst verzichteten, was ihnen die Regierung als Konsequenz für eine weitere Teilnahme am Boykott androhte. Wenige Jahre danach erfolgte erneut ein Auszug aus der Stadt, nachdem es im Anschluß an Übergriffe eines Pedells im Rahmen der »Anstandsbeobachtung« des Marktgeschehens zu »Excessen« von seiten der Kommilitonen gekommen war. Auszug und Verruf wurden beschlossen, nachdem über achthundert Studierende sich in einer Petition dafür eingesetzt hatten, die Hauptakteure nicht zu bestrafen, und die Universitätsleitung sich über diese kollektive Willensäußerung hinweggesetzt hatte. Diesmal kehrten die meisten Studenten jedoch bereits nach zwei Tagen in die Stadt zurück, da man untereinander nicht einig war. Ein großer Teil hieß die dem Protest zugrundeliegenden Aktionen keineswegs gut, wie sie in der Petition betonten.9 Daher konnte die Bekanntgabe der Urteile keine umfassende Solidarität erzeugen, die zudem frühzeitig durch die schnelle Publizierung des Mandats für Inländer mit den gleichen Konsequenzen wie 1818 weiter geschwächt wurde. Vor dem Hintergrund des Mißerfolges der damaligen Aktionen erhob sich sofort beim Ausruf des Auszuges und der Verrufsabsicht eine lebhafte Opposition. Schließlich gelang es den Studenten nicht, auf den Dörfern eine einheitliche Führung zu etablieren, die das Handeln hätte koordinieren können. Den Beitrag der Ordnungskräfte zum Ausmaß der Spannungen, die in Göttingen nahezu permanent während des Semesters herrschten, verdeutlichten Vorgänge 1845/46. Aus Unzufriedenheit über einige Urteile des Universitätsgerichts ging eine Schar Kommilitonen am Vormittag des 13. November 1845 statt zu den Vorlesungen in ein Gasthaus, wo ihr durch reichlichen Biergenuß stimuliertes Lärmen bald einem Universitätspedellen auffiel. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es ihm schließlich am Nachmittag, mit der vom Prorektor ausgesprochenen Androhung der Relegation die Studierenden zum friedlichen Verlassen des Wirtshauses zu bewegen. Aber das Mißtrauen der Ordnungskräfte war einmal geweckt; weil sich die Studenten offensichtlich in größerer Zahl für den Abend in einem Biergarten vor der Stadt verabredeten, entstand beim Polizeidirektor Göttingens sofort der Verdacht, die Kommilitonen führten Böses im Schilde. Er vermutete, sie wollten »dem Prorektor die Fenster einwerfen oder andere Exzesse verüben«. Dieser bloße Verdacht genügte ihm, nicht nur die Universitätspedellen und seine Polizisten, sondern auch das berittene Gen159 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
darmerie-Detachement und die Garnison in Alarmbereitschaft zu setzen; dabei wurden an die Soldaten sogar scharfe Patronen ausgegeben. Als sich abends herausstellte, daß nur 40-50 Studenten zu friedlichem Umtrunk im Biergarten zusammengekommen waren, bewog dies den Polizeidirektor immer noch nicht, seine übertriebenen Repressionsvorbereitungen zurückzunehmen; sie hielt er bis nach der Sperrstunde für erforderlich. Nachdem ein offenbar seine Anordnungen kritisierender Bericht der Landdragonerführung dem Ministerium für Geistliche und Unterrichtsangelegenheiten zugestellt worden war, rechtfertigte der zur Stellungnahme aufgeforderte Polizeidirektor sein Vorgehen damit, daß im Ernstfall der Erfolg der »öffentlichen Gewalt« sichergestellt und den »Ruhestörern gleich im ersten Augenblicke die Hoffnung des Erfolges einer Widersätzlichkeit« genommen werden müßten. Pedelle und Polizisten seien dazu nicht geeignet; sie würden vermutlich in eine Schlägerei verwickelt- »zur Belustigung des Publikums« -, die ihr Ansehen in der Öffentlichkeit »vernichtet und die Autorität der Polizeidirektion auf das Spiel gesetzt« hätte. Eine Aufbietung der Landgendarmen und der Garnison würde dagegen großen »moralischen Eindruck« machen. Dabei sollten nach seinen Vorstellungen die berittenen Soldaten nur im Notfall die Demonstranten auseinandertreiben. In erster Linie sollten sie die Pedelle und Polizisten bei ihren Verhaftungsaktionen vor der Menge schützen; und zwar sollten so viele Arretierungen erfolgen, wie »die Karzer und sonstigen Gefängnisse nur hätten fassen können«. Solcher umfassenden Vorbereitungen hätte es sicher nicht bedurft, »um einen Pöbelauflauf auseinanderzutreiben . . . Hier handelt es sich aber um höhere Interessen und wer die Verhältnisse von Göttingen nicht genau kennt, der vermag auch die Maßregeln nicht zu beurteilen . . .« Nicht zuletzt müsse auch die »Vigilanz« der Pedelle berücksichtigt werden, die alle ehemalige Soldaten und Polizisten seien. Eine Mißbilligung ihrer Lagebeurteilungen berge die Gefahr, ihren Diensteifer zu zerstören. »Die Vigilanz solcher Leute ist leichter zu töten als zu wecken.« Im übrigen habe er sich intensiv bemüht, »ein Bekanntwerden« der Maßnahmen »zu verhindern und nicht unnütze Zeitungsartikel hervorzurufen«; bedauerlicherweise sei die Diskretion aber nicht von allen Beteiligten beachtet worden. 10 Ein knappes Jahr später - im Dezember 1846 - fand die Repressionsstrategie des Polizeidirektors scheinbar ihre späte Rechtfertigung. Wieder waren es Urteile des Universitätsgerichts, die bei den Studenten Unzufriedenheit auslösten. Nach Schließung eines Wirtshauses, wo einige mit dem ›consilio abeundi‹ bestrafte Studierende mit ihren Kommilitonen Abschied gefeiert hatten, zogen etwa 50 von ihnen lärmend zur Wohnung des Universitätsrats, der u. a. Vorsitzender des Polizeirates Göttingens war, und, inzwischen auf 200 Personen angewachsen, trieben dort »unter lautem Schreien und Singen Unfug«. Als dabei ein Pedell einen Studenten verhaften wollte, steigerten sich die Spannungen schlagartig. Ausgerechnet ein Sohn des Prorektors rief seine Kommilitonen auf, die Verhaftung zu verhindern; in 160 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
diesem Augenblick trat ein Polizist zur Unterstützung des Pedells hinzu, der nun plötzlich keine Notwendigkeit mehr für eine Arretierung sah. Offensichtlich bestanden zwischen Universitätspedellen und städtischer Polizei aufgrund von Kompetenzneid und unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche erhebliche Gegensätze, wie sie indirekt von dem Pedell bestätigt wurden. Auf sein Verhalten vom Polizeidirektor zur Rede gestellt, antwortete er nämlich »in einem frechen Tone: Sie [der Polizeidirektor] haben mir keine Vorwürfe zu machen. Ich stehe unter dem akademischen Gericht, und Sie haben mir nichts zu befehlen usw.« Der Polizeidirektor wußte sich keinen anderen Rat, als den Pedell daraufhin vorläufig verhaften zu lassen. Am folgenden Tag blieb die Spannung bestehen. Zunächst zogen die Ausgewiesenen geradezu im Triumphzug ungehindert durch die Stadt in Begleitung vieler Kommilitonen. Von ihnen sammelten sich einige nach Wirtshausschluß am Abend vor dem Hause des Polizeidirektors, schimpften auf ihn und warfen »mit Steinen nach den Fenstern«. Eilig herbeigerufene Polizeiverstärkung verhaftete die »Vordersten« der Demonstranten und führte sie zum Universitätsgebäude ab, wo der Prorektor eine andere Studentengruppe dadurch zu beruhigen suchte, daß er sie von der Straße in die Räume der Universität führte und dort den ankommenden Polizisten ihre Verhafteten abnahm sowie »deren Fortführung in das Karzer« verhinderte. Derweil demonstrierten auch vor dem Gebäude zahlreiche Studenten, so daß der Polizeichef die Situation für so bedrohlich hielt, daß er seine Repressionsstrategie mit einer Alarmierung der Garnison und der berittenen Landgendarmerie erneut in Gang setzte. Gegen die bisherige polizeiliche Lagebeurteilung und Behandlung der Proteste wandten der Prorektor, der Bevollmächtigte der Regierung sowie der Universitätsrat ein, daß ein Eingehen auf die Forderung der Studierenden und Freilassung ihrer Kommilitonen »zur Verhinderung größerer Exzesse unbedenklich erscheine«; ein Ansinnen, von dem der Polizeidirektor überzeugt war, »daß die Pflicht meines Amts und das Ansehen des öffentlichen Dienstes eine solche Nachgiebigkeit gegen aufrührerische Haufen nicht gestatten« würden. Da die Protestierenden im Universitätsgebäude offensichtlich Schutz fänden, müsse er auf dessen Räumung bestehen. Er könne »diesen alle Gesetze und alle Autorität der Behörden verhöhnenden Skandal nicht mehr länger dulden«. Wenn die Räumung nicht sogleich erfolge und die Verhafteten in die Karzer gebracht würden, sehe er sich gezwungen, »Gewalt zu gebrauchen und die dann etwa verhaftet Werdenden in die städtischen Gefängnisse bringen zu lassen«. Angesichts dieses Ultimatums wurde seinen Wünschen Folge geleistet. Vor dem Gebäude blieb die Situation jedoch nach wie vor spannungsgeladen. Seine Aufforderungen zum Nachhausegehen beantworteten die Studenten mit Gelächter und Hohngeschrei; lauthals forderten sie den Abzug der Landdragoner. Als diese schließlich den Befehl zum Abrücken erhielten, waren nun auch die Kommilitonen bereit, den Platz zu räumen. Unter Hurrageschrei zogen sie friedlich ab.11 161 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Gerade dieser schnelle Abbau der akuten Konfrontation verdeutlichte einmal mehr, daß Protest und Repression bis hin zu offener Gewaltanwendung in einer prozessualen Beziehung standen. In bemerkenswerter Weise fand sich hier die Bedeutung des obrigkeitlichen Handelns für den Protestverlauf dokumentiert. Zwar konnte in diesem Fall der offene Ausbruch größerer Gewalttätigkeiten in letzter Minute verhindert werden, doch war das durch die Fehleinschätzung der Lage und die Überreaktionen in den Reihen der Ordnungskräfte aufgebaute Gewaltpotential erkennbar. Eine Tendenz zur Überreaktion war allerdings nicht nur für das Agieren der Göttinger Polizei gegenüber den Studenten charakteristisch, sondern zeigte sich auch in besonderem Ausmaß auf Regierungsebene, als das Ministerium in Hannover die Göttinger Ereignisse von 1818 zum Anlaß nahm, beim Deutschen Bund vertraulich eine gemeinsame Aktion vor allem gegen die burschenschaftliche Bewegung anzuregen,12 obwohl, wie erwähnt, die Burschenschaften gerade im Göttingen jener Jahre keinen nennenswerten Einfluß hatten. Zweifellos wurde die Hannoversche Regierung zu diesem Schritt durch die außerordentliche publizistische Aufmerksamkeit ermuntert, 13 die die Studentenproteste erregten; in gewissem Umfang machten die Zeitungen das lokale Ereignis erst zu dem, was es für die Regierungen schließlich darstellte: eine revolutionäre politische Herausforderung ihrer einzelstaatlichen Souveränität. Fürsten und Minister ordneten diesen Studentenprotest, dessen Auslöser von ähnlichen Aktionen aus der Vergangenheit her ebenso bekannt gewesen sein dürfte wie sein Ablauf und die verfolgten Absichten, in ihren realitätsfernen Interpretationsrahmen ein, der von steter Revolutionsfurcht geprägt wurde. 14 Eine differenziertere Analyse der Umstände hätte vermutlich zu einer Entdramatisierung der Vorfälle und einer gelasseneren Reaktion geführt. Zwar bedurfte es zu den Karlsbader Beschlüssen noch des Sand'schen Attentats, doch hatte das Vorgehen Hannovers die politische Stimmung unter den Bundesregierungen vorbereitet. Auf diese vermittelte Weise trugen die Göttinger Studentenproteste mit dazu bei, auf der höchsten politischen Ebene, dem Deutschen Bund, Repressionsmaßnahmen auszulösen, die sowohl räumlich als auch inhaltlich die eigentliche Protestebene weit überschritten. Als die Göttinger Studenten dann im Januar 1831 und im Anschluß an die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes von 1837 tatsächlich politische Zeichen durch kollektiven Protest setzten, bemühte sich die Obrigkeit um Repression im lokalen Bereich auf der Protestebene, ohne die Außeralltäglichkeit dieser Aktionen adäquat zu berücksichtigen, die darin bestand, daß in beiden Fällen die Studenten ausnahmsweise die Sympathie und zum Teil sogar aktive Unterstützung aus der Göttinger Bürgerschaft genossen. Im traditionellen, gewissermaßen alltäglichen Studentenprotest wurde diese soziale Barriere in der Regel nicht überschritten; entsprechend gering erschien der Grad an Herausforderung des politischen Systems, der von den Ordnungskräften jedoch vielfach überschätzt wurde. 162 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
5. Arbeitskämpfe beim Eisenbahnbau in den 1840er Jahren
5.1. Die Arbeitsorganisation und das Konfliktverhalten an Eisenbahnbaustellen Die für die 1830er Jahre skizzierten Tendenzen der Zunahme des Arbeitskräfteangebots bei einem gleichzeitigen Rückgang traditioneller Beschäftigungsmöglichkeiten bestimmten auch die sozio-ökonomische Entwicklung im fünften Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in den norddeutschen Staaten. Entlastende Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt gingen hier von der einsetzenden Industrialisierung kaum aus. Die wenigen bestehenden Fabriken, konzentriert im oldenburgischen Varel, im hannoverschen Linden und in den Hansestädten,1 beschäftigten nur einen verschwindend geringen Prozentsatz der arbeitsfähigen Bevölkerung. Im Königreich Hannover arbeiteten 1833 nicht einmal 0,1 v.H. der Bevölkerung in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitskräften; selbst 1861 waren es erst 0,9 v.H. Die Zahl der Dampfmaschinen wuchs bis zum Ende der 1830er Jahre auf bescheidene 21, nachdem 1833 nicht eine in Betrieb gewesen war. 2 Die Dominanz des Kleinhandwerks und der mittelbäuerlichen Landwirtschaft war weiterhin charakteristisch für die norddeutschen Flächenstaaten.3 Auf nationaler Ebene stellte in den 1840er Jahren selbst der Kernbereich der einsetzenden Industrialisierung, nämlich Bergbau, Hüttenwesen und Eisenbahnbau, nur 5 v.H. der Wertschöpfung und der Beschäftigungsmöglichkeiten dar.4 Trotz dieses geringen Produktions- und Beschäftigungsanteils wurde in vielen Beiträgen zur zeitgenössischen Pauperismusdiskussion das ›Fabriksystem‹ als Ursache allen Übels gebrandmarkt,5 wobei an englischen Verhältnissen gewonnene Erkenntnisse und zünftig motivierte Vorstellungen den gedanklichen Hintergrund bildeten. Zum Symbol der sozialen Krise wurde der Aufstand der schlesischen Weber im Juni 1844 gegen Unternehmerwillkür und das Vordringen der Maschine in der Baumwollspinnerei. Zweifellos schärfte ihr Beispiel bei den Notleidenden in allen Teilen Deutschlands das Bewußtsein von der eigenen Lage und zeigte Möglichkeiten zu ihrer aktiven, kurzfristigen Verbesserung auf.6 Für viele in bedrängter Lage stellte erneut der Bausektor eine gewisse 163 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Hoffnung dar. Neben Privatbauten und dem Wiederaufbau der abgebrannten Hamburger Stadtteile, bei denen zeitweise 33000 Arbeitskräfte Beschäftigung fanden, war es hauptsächlich der forcierte Eisenbahnbau, der Bauhandwerkern sowie städtischen und ländlichen Unterschichtenangehörigen Verdienst versprach.7 Im Eisenbahnbau wurden gerade ab 1844 große Kapitalien investiert. So konnte die Augsburger Allgemeine aus Hamburg, wo der Große Brand immerhin einen Schaden von 42 Mill. Mark angerichtet hatte, berichten, daß die Bereitschaft zur Geldanlage in Eisenbahnaktien bedeutend gewachsen sei. Jetzt seien größere Summen selbst für Nebenbahnen innerhalb eines Tages aufzubringen, was zehn Jahre zuvor nicht einmal für Hauptbahnen möglich gewesen sei. 8 Innerhalb weniger Jahre stieg die Anzahl der in diesem Bereich Beschäftigten von zunächst 30000 im Jahre 1841 auf über 178000 im Jahre 1846. Zwischen 1841 und 1847 erhielten die Bauarbeiter insgesamt etwa 239,7 Mill. Mark an Löhnen ausbezahlt, die als bedeutende volkswirtschaftliche Kaufkraft allerdings überwiegend in den unmittelbaren Konsum flossen.9 Für den einzelnen Arbeiter bedeuteten sie während der Dauer seiner Beschäftigung eine existentielle Absicherung. Die Eisenbahnbaustellen lockten gewöhnlich Arbeitskräfte aus den umliegenden Dörfern der projektierten Strecke ebenso an wie »Ausländer«; als solche galten nicht nur die Zugewanderten aus anderen Staaten, sondern auch die aus anderen Regionen im weiteren Umkreis der Baustelle. Sie stellten gewöhnlich zehn bis fünfzehn Prozent einer Baustellenbelegschaft. Für sog. Kunstbauten wie Brücken, Tunnels und Bahnhöfe wurden Handwerker und gelernte Bauleute als Spezialkräfte benötigt. Aus ihrer überwiegend ländlichen Lebenswelt zogen die Arbeitsuchenden einzeln oder in Gruppen zu den Baustellen, die Aussicht auf Verdienst boten. Hier konnten sie üblicherweise über die Vermittlung eines Schachtmeisters die Erdarbeiten für einen bestimmten Streckenabschnitt zu vorher festgelegten Bedingungen übernehmen. Nach den Arbeitsordnungen vieler Eisenbahngesellschaften schlossen diese Schachtmeister den Kontrakt für einen Arbeitstrupp ab; ferner sollten sie die Lohnfragen verhandeln und etwaige Beschwerden weiterleiten. Je nach Umfang des »Arbeiter-Accords« und den Geländebedingungen verlagerte sich der Arbeitsplatz mit dem allgemein relativ schnellen Voranschreiten der Arbeiten mehrmals im Jahr, so daß sich weniger mobile Arbeiter, wollten sie nicht ihre sozialen Beziehungen in Gemeinde und Familie zeitweise gänzlich unterbrechen und der Arbeitsgelegenheit nachwandern, gezwungen sahen, die Arbeit wieder aufzugeben. Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von fünf bis zehn Kilometern wurden noch täglich überbrückt; mit zunehmender Distanz konnte die Heimatgemeinde allerdings nur noch am arbeitsfreien Sonntag aufgesucht werden, bis schließlich eine Rückkehr bestenfalls während der Wintermonate durchführbar war. 10 Infolge der zeitlichen und regionalen Begrenzung dieser wie auch der zahlreichen Chausseebauten blieb nach wie vor Unsi164 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
cherheit der Arbeitsmöglichkeiten ein Hauptmerkmal der sozialen Lage von Unterschichten. Für seine körperlich überaus anstrengende Arbeit wollten die Gesellschaften »bei gehörigem Fleiße« dem Arbeiter einen mäßigen, aber für seine Bedürfnisse als ausreichend erachteten Lohn zahlen, der nach der Art und Menge der zu bewegenden Erde, der Beschaffenheit der Transportwege und der Form des Transportmittels typisierend bestimmt wurde. Trotz solcher Vorgaben blieb für den Baubeamten vor Ort ein bedeutender Ermessensspielraum, der sich auch und gerade auf zwischenzeitliches Abschätzen der geleisteten Arbeit zur Bestimmung der wöchentlichen bzw. vierzehntäglichen Abschlagszahlung erstreckte. Wenngleich sich für die Eisenbahnbauarbeiter im Königreich Hannover keine genauen Angaben ermitteln ließen, dürfte sich die Lohnhöhe zwischen 15 und 20 Sgr pro Tag bewegt haben, wobei selbst an einer Linie erhebliche Lohndifferenzen auftreten konnten. Allgemein sank in den 1840er Jahren der Lohn jedoch erheblich ab, was auf die soziale Lage der Arbeiter nicht ohne Einfluß bleiben konnte, die ohnehin keineswegs so befriedigend war, wie der im Vergleich mit anderen Verdienstmöglichkeiten beachtliche Nominallohn vermuten lassen könnte.11 Die Schachtmeister, die ursprünglich von den Arbeitern eines Akkords aus den eigenen Reihen ausgewählt wurden, verselbständigten sich sehr bald zum Sub-Unternchmer, der gleichzeitig im Akkordsystem noch Arbeitertätigkeiten ausübte. Nach dem Reglement vieler Eisenbahngesellschaften standen ihnen sechs Pfennig pro Tag von jedem Arbeiter als sogenanntes »Schachtmeistergeld« zu. Ihre parasitäre Zwischenstellung zwischen Unternehmer und Arbeiter kam auch darin zum Ausdruck, daß sie Arbeitsuchende erst einmal einige Zeit zur Probe arbeiten ließen und den ihnen zustehenden Lohn ganz oder teilweise für sich behielten. Ferner war es ihre allseits geübte Praxis, den Arbeitern täglich gegen entsprechenden Lohnabzug ein Glas Branntwein auszuschenken. Solche Arbeiter, die nicht zu Hause wohnen und von dort verpflegt werden konnten, waren zudem den Wucherpraktiken von Gastwirten und Schlafstellenvermittlern ausgesetzt, die Unterbringungs- und Versorgungsprobleme in hohem Maße zur eigenen Profitsteigerung ausnutzten. Ebensowenig wie gegen solche Ausbeutungs- und Wucherpraktiken schritten die Eisenbahngesellschaften gegen die bis an den Rand physischer Erschöpfung ausgedehnte ›Selbstausbeutung‹ der Erdarbeiter ein: entgegen den Arbeitszeitbestimmungen nutzten die Akkordarbeiter die volle Zeit des Tageslichts von vierzehn bis fünfzehn Stunden während der Sommermonate, wobei sie innerhalb ihres Schachtes ihre Arbeitsintensität gegenseitig kontrollierten. Das individuelle Streben nach Verdienst kollidierte dagegen regelmäßig mit den Qualitäts- und Rentabilitätsüberlegungen der Eisenbahngesellschaften, wenn sich die Witterung saisonbedingt verschlechterte; dann wurden gewöhnlich im Spätherbst die Bauarbeiten kurzerhand eingestellt, was für die Arbeiter mit einer faktischen Entlassung gleichkam. Sie © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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mußten sich für den Winter nach anderen Verdienstquellen bei öffentlichen Arbeiten, beim Schneeräumen, im früheren Beruf oder im familiären Heimgewerbe umsehen.12 Wie an nahezu allen anderen Eisenbahnbaustellen fanden mit dem Beginn des Bahnbaues auch im Königreich Hannover Arbeitskonflikte statt, die überwiegend ihre Ursachen in der Lohnfrage hatten. Die Eisenbahnbauarbeiter an der Linie Harburg-Hannover klagten im September 1844 zunehmend über »Nachlässigkeiten und Ungerechtigkeiten bei der Löhnung«. Der Lohn würde statt am üblichen Samstag erst sonntags ausgezahlt. Hinter dieser Praktik stand offenbar das paternalistische Bestreben der Bauleitung, den samstäglichen Alkoholgenuß und das Geldspiel als lebendigen Ausdruck des Freizeitverhaltens der Baustellenbelegschaft einzuschränken. Schließlich versammelten sich an einem Löhnungssamstag Anfang Oktober die Arbeiter und verlangten unter Drohungen gegen den Inspektor ihren Lohn. Ohne daß Militär eingreifen mußte, konnte die Behörde sie beruhigen, doch hielt insgesamt eine »höchst bedenkliche Gärung« an. 13 Im Oktober des nächsten Jahres fanden Lohntumulte an den Strecken Lehrte-Celle sowie Lehrte-Hildesheim statt. Solche »Arbeiterexzesse«, wie die Augsburger Allgemeine sie bezeichnete, sollten Lohnerhöhungen durchsetzen. Nach ihrem Bericht genügten im letzten Fall »einige anwesende Kavalleristen«, um die »Tumultuanten« zur Ordnung zu bringen; ihr Eingreifen forderte allerdings einige Verletzte unter den Arbeitern.14 Noch nicht in den unmittelbaren Zusammenhang mit der Teuerungskrise 1846/47 gehörte die Unzufriedenheit bei Arbeitern an einer Eisenbahnbrükke über die Leine. Sehr bald nach Baubeginn entstanden Spannungen, weil die Arbeiter nicht, wie sonst üblich, im Akkord, sondern im Tagelohn bezahlt wurden. Ihren Unmut und den nachdrücklichen Wunsch nach besserer Bezahlung drückten sie durch »zu frühes Aufhören mit der Arbeit« aus, wodurch sie indirekt selbständig den Lohn pro gearbeiteter Zeiteinheit und damit auch die Kosten für den Unternehmer erhöhten; eine Strategie, die nach vorliegenden Untersuchungen über Eisenbahnbaukonflikte selten war. Schließlich gab der Unternehmer soweit nach, daß wenigstens die schweren Rammarbeiten im Akkord bezahlt wurden. Gleichzeitig entließ er zur Abschreckung vor weiteren Aktionen und zur Wiederherstellung der Ruhe einige vermeintliche Rädelsführer und einen Teil der Arbeiter, ohne daß dadurch Solidaritätsaktionen ausgelöst worden wären. Nach diesen Ereignissen hielt es die Eisenbahn-Direktion für äußerst wünschenswert, ein oder zwei Landdragoner zur Beaufsichtigung an der Baustelle zu stationieren.15 Solche Maßnahmen gehörten zum obrigkeitlichen Aktionspotential überall in Deutschland, wobei offensichtlich die Behörden voneinander lernten. Ein Vergleich mit der Behandlung von Arbeitskonflikten beim Deichbau verdeutlichte darüber hinaus, daß sie keineswegs originär mit dem Eisenbahnbau entstanden, sondern lange vorher bereits praktiziert wurden. 166 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
5.2. Zum Vergleich: Grundzüge traditioneller Arbeitskonflikte an Deichbaustellen Die für den Eisenbahnbau skizzierten Grundelemente der Arbeitsorganisation charakterisierten größere Deichbauprojekte an der Nordseeküste seit der Differenzierung des dortigen Arbeitsablaufs im 17. Jahrhundert. Lohnarbeit löste die im Rahmen der Gemeindelasten früher von den Gemeindemitgliedern selbst zu leistende Arbeit ab. Bauunternehmer wurden zunehmend mit der Durchführung betraut, die einzelne Arbeitsabschnitte zuverlässigen, zumeist einheimischen Arbeitern als Püttmeister überließen. Wie beim Eisenbahnbau kam es auch beim Deichbau regelmäßig zu Lohnauseinandersetzungen. 16 Bei Deichbaumaßnahmen in der Nähe von Aurich, die im Anschluß an die große Springflut vom Februar 1825 durchgeführt wurden, forderten die Beschäftigten vor allem eine Lohnerhöhung; einige hundert von über tausend Arbeitern legten im Juni in diesem Zusammenhang ihre Arbeit nieder und zwangen arbeitswillige Kollegen gewaltsam zur Streiksolidarität. Nachdem Soldaten die mutmaßlichen Anstifter verhaftet hatten, wurde der Lohnforderune weitgehend entsprochen.17 Im Juli 1840 streikten Deicharbeiter bei Norden. Mit der einsetzenden Erntezeit stand ihnen eine Beschäftigungsalternative in Aussicht, die zum Hintergrund ihrer Lohnforderung gehörte. Sie verlangten nicht nur eine Heraufsetzung der Akkordlöhne, sondern auch eine Ausdehnung der Arbeitsfrist, die ihnen eine Minderung der Arbeitsintensität und die Verlängerung der Beschäftigungszeit bringen sollte. Als Signal der Arbeitsniederlegung hißten sie am 20. Juli die sog. LaveeFahne; am folgenden Tag »rottierten [sie] sich in der Stadt mit dem Rufe Hurrah zusammen, wobei Schlägereien und Raufereien stattfanden«. Obwohl nach dem ersten energischen Einschreiten der örtlichen Landdragoner viele Arbeiter die Baustelle verließen und in ihre Heimatdörfer zurückkehrten, hielt der Ausstand an. Erst Militärverstärkungen verliehen den Aufforderungen zur Fortsetzung der Arbeit Nachdruck; angesichts solcher Machtdemonstration sahen die Arbeiter kaum noch Möglichkeiten, relativ risikoarm den Arbeitskonflikt zu ihren Gunsten zu entscheiden. »Wie immer in solchen Fällen«, berichtete die Landdrostei, war »nicht zu ermitteln«, wer die Lavee begonnen hatte, die nach ihrer Meinung in der brisanten Situation im Königreich 1840 »durchaus ohne politische Bedeutung« sei. 18 Nlurwenige Jahre spater brachen im Juni 1846 »Unruhen unter Arbeitern« am Deich bei Varel, dem »Fabrik-Ort« Oldenburgs, aus, weil ein Teil des gerade errichteten Bauwerks wieder zusammengebrochen war. Entsprechend dem Akkordsystem hätten die Arbeiter ohne Lohnausgleich den Wiederaufbau leisten müssen; denn bezahlt wurde allein der fertiggestellte Bauabschnitt. Um die unvorhergesehene Mehrarbeit entlohnt zu bekommen, legten sie die Arbeit nieder. Ihre Aktion erhielt besonderes Gewicht, © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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weil Fabrikarbeiter in Varel mit ihnen »gemeinschaftliche Sache« machten. Daraufhin sah sich die Regierung gezwungen, fast 200 Soldaten dorthin zu verlegen. Die Deicharbeiter erreichten immerhin, daß unter ihrer Mitbeteiligung eine Kommission die vorgebrachten Forderungen untersuchte und bereits am 4. Juli ein offensichtlich akzeptierter Kompromiß zustande kam. 19 Ebenso wie bei der Arbeitsorganisation wiesen auch die Konfliktformen und -inhalte bei Eisenbahn- und Deichbaustellen deutliche Parallelen auf. Der Schacht bzw. der Pütt wurde als ein vom Arbeitsprozeß vorgeprägter organisatorischer Kern zu Protestaktionen genutzt; sie erleichterten die Bildung solidarischer Beziehungen unter ihren Mitgliedern. Eine solche Arbeitergruppe ergriff gewöhnlich die Initiative und forderte ihre Kollegen zur Teilnahme auf. Regelmäßig wurde beim Deichbau in solchen Fällen eine Lavee-Fahne gehißt, die, ursprünglich als Zeichen der Essenspause, die Arbeitsniederlegung signalisierte. Die Fahne als Solidaritätssymbol tauchte bald auch bei Arbeitseinstellungen der Eisenbahnbauarbeiter auf.20 Um sie konnten sich alle Protestwilligen scharen. Nicht ungewöhnlich war auch, daß ein Musikant oder einfach nur ein Pfeifer ihr Aufmerksamkeit verschaffte und die Arbeitskollegen zur Teilnahme animierte.21 Die wichtige Rolle von Musikanten verdeutlichte bei allem kämpferischen Ernst die unübersehbaren folkloristischen Elemente dieses Protestverhaltens. Mit der Arbeitsverweigerung verfügten die Arbeiter über ein Mittel, das die ökonomischen Interessen des Bauherrn bzw. Unternehmers erheblich beeinträchtigen konnte und die Obrigkeit mit ihrem ordnungspolizeilichen Auftrag herausforderte, zumal Arbeitsniederlegungen bei Eisenbahnbaustellen vielfach von Sachzerstörungen begleitet wurden. Die meisten Aktionen hatten ihre Ursache in Lohnfragen, die aus der unterschiedlichen Bewertung der Arbeitsleistung durch Unternehmer und Arbeiter oder durch Lohnmanipulationen entstanden.22 Beim Deichbau war ein Lohnkonflikt nicht selten vom Bauherrn bzw. -Unternehmer vorab einkalkuliert, 23 so daß sie bei einem Lavee in der Frage einer Lohnerhöhung eine flexible Haltung einnehmen konnten. Demgegenüber zwang starker Konkurrenzdruck von Mitbewerbern den Eisenbahnbauunternehmer zu äußerst knapper Kalkulation, die den Spielraum bei Lohnauseinandersetzungen einengte. Der Deichbau, der gewöhnlich in geographisch abgelegenen Gebieten stattfand, war überwiegend auf das Arbeitskräftepotential seines unmittelbaren Umlandes angewiesen, das nicht beliebig zur Verfügung stand. Vor allem deshalb und wegen der Herbst- und Frühjahrsstürme begann er gewöhnlich nach der Aussaat im Frühjahr und wurde im wesentlichen vor der Erntezeit abgeschlossen. Demgegenüber zog der Eisenbahnbau überregional Arbeitskräfte an, die in den 1840er Jahren in großer Zahl nach Beschäftigung suchten. Für seinen zeitlichen Rhythmus standen die Witterungsbedingungen mit Regen und Frost als ihren Extremfaktoren im Vordergrund. 168 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Inwieweit der natürliche Rhythmus von Saat und Ernte darüber hinaus für die Arbeiter als Phasen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten von Bedeutung war, hing vom Grad ihrer jeweiligen Eingebundenheit in agrarische Lebensverhältnisse ab. Die verfügbare Datenbasis zu Eisenbahnbauarbeiterprotesten erlaubt indes keine eindeutigen Rückschlüsse auf mögliche Zusammenhänge zwischen der zeitlichen Häufigkeitsverteilung von Protest und dem agrarischen Produktionsrhythmus.24 Mögliche Spannungsphasen im Frühjahr, wenn zu Beginn der Arbeiten die Akkorde neu ausgehandelt wurden, oder zur Erntezeit, wenn alle die Arbeiter, die dann in ihre Dörfer zurückkehren wollten, ihre Ablöhnung verlangten, schlugen sich nicht in einem statistisch relevanten Ausmaß nieder, vielmehr fanden Arbeitskonflikte nahezu das ganze Jahr über ohne regelmäßig wiederkehrende Protesthöhepunkte statt. Bei allen Ähnlichkeiten der Protestsituation und des Protestverhaltens besaßen Deicharbeiter für ihren Konfliktaustrag den Vorteil, in spezifischen traditionellen Aktionsmustern handeln zu können, während für die Mehrzahl der Eisenbahnbauarbeiter die Situation an einer Großbaustelle neu war und ihnen eine bewußte Umorientierung abverlangte. Ihr Protestverhalten mußten sie erst aus gemachten Erfahrungen nach »Versuch und Irrtum« aufbauen. Allerdings boten Gesellenproteste und der große Aufmerksamkeit erregende Weberaufstand von 1844 Orientierungspunkte für Protestverhalten. Möglicherweise gingen auch direkt Erfahrungen von Wanderarbeitern ein, die sie an anderen Straßen-, Eisenbahn- oder sogar Deichbausteilen gesammelt hatten. Ein Vergleich dieser Arbeitskonflikte mit Handwerksgesellenprotest der 1830er und 1840er Jahre verdeutlichte, daß die bereits aus der ständischen Gesellschaft ausgegliederten Unterschichtenangehörigen auf Großbaustellen im Gegensatz zu den gelernten Handwerkern weder eine korporative organisatorische Basis noch ein zünftlerisches Gruppenethos mit seinem sozialen Substrat, der umfassenden Lebenswelt des »Alten Handwerks«, besaßen. Eine restaurative Korporierung der Gesellschaft hätte ihre soziale Situation nicht stabilisiert oder gar verbessert. Die Deich- und Eisenbahnbauarbeiter konzentrierten sich vielmehr direkt auf den Lohn als durch keine zünftige Ideologie verbrämte Existenzgrundlage. Das Fehlen sowohl gemeinsam geteilter Vorstellungen von der Gesellschaft und der eigenen Stellung darin als auch einer zunftähnlichen Organisationstradition erklärte die relative Schwäche der solidarischen Beziehungen untereinander, die überwiegend auf die jeweils eng definierte Gruppe beschränkt blieben. Nicht einmal unter den Arbeitern einer Eisenbahnlinie entwickelte sich ein erkennbares Bewußtsein von der gemeinsamen sozialen Lage. Noch ganz im Rahmen einer traditionellen Protestmotivation reagierten sie direkt auf konkrete Situationen allzu offensichtlicher Ausbeutung. Den Protest gegen alle Arten der Lohnmanipulation begründeten traditionelle Erfahrungen einer auskömmlichen Lebenshaltung, die die gegenwärtigen Wünsche bestimm169 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
ten. Die am gewohnten Konsum orientierten Lohnvorstellungen waren durchaus nicht starr fixiert, sondern akzeptierten Variationen entsprechend der geforderten Arbeitsleistung, dem jahreszeitlich schwankenden Arbeitskräfteangebot und dem Preisniveau vor allem in Teuerungszeiten. Durchaus traditioneller Protestattitüde entsprang ihr Hang zur Personalisierung abstrakter Protestursachen, die in unmittelbarem Zusammenhang zur Aktion standen. Politische Zielsetzungen fehlten ihnen noch ebenso wie ein ausgeprägtes Klassenbewußtsein, obgleich die Erfahrungen in diesen Lohnkämpfen dafür wichtige Grundlagen legen konnten.25
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6. Kollektives Protestverhalten in der Teuerungskrise 1846/47 6.1. Mißernten und Teuerung Seit Beginn der 1830er Jahre setzte sich der durch eine mehrjährige Agrarpreisdepression unterbrochene Trend steigender Agrarpreise fort. Im Laufe der 1840er Jahre verstärkten Mißernten die Verteuerung von Getreide und Kartoffeln, die 1846/47 in der letzten großen Hungerkrise alten Typs kulminierte. Dieser allgemein angespannten Versorgungslage entsprangen ›Teuerungskrawalle‹ und ›Hungertumulte‹ überall in Europa, von denen der norddeutsche Raum jedoch weitgehend verschont blieb. Zur Erklärung dieses Phänomens ebenso wie zur Charakterisierung der wenigen vorgefallenen Proteste erscheint es notwendig, erst einmal den Verlauf der Teuerungskrise selbst regional möglichst differenziert aufzuzeigen; denn die Preisentwicklung als Ausdruck der Verknappung verlief insgesamt recht unterschiedlich. Zeitlich und räumlich umfassende Durchschnittswerte können in diesem Zusammenhang wenig Aufschluß geben, weil sie eher die konkrete Entwicklung verschleiern, als daß sie sie aufhellen.1 Aufgrund der dürftigen Materialbasis ist es allerdings nicht möglich, für die norddeutschen Staaten ein flächendeckendes Bild der örtlichen Verhältnisse zu zeichnen; sie können nur beispielhaft dokumentiert werden. Dennoch lassen sich dadurch bislang am Gesamtverlauf der Teuerungskrise orientierte Forschungsergebnisse modifizieren. Erstreckten sich die Mißernten der ersten Hälfte der 1840er Jahre vorwiegend auf Getreide, so wurde 1845 der Nahrungsmittelspielraum erheblich durch Kartoffelkrankheit bedroht. Der von anhaltender feuchter Witterung bewirkte teilweise Ausfall der für die Ernährung gerade unterer sozialer Schichten bedeutsamen Kartoffel übte bereits in diesem Jahr erheblichen Druck auf die Kornpreise aus.2 Auf nationaler Ebene zeigte der um 150 v. H. gegenüber 1842, dem letzten Jahr eines Getreideexportüberschusses, gesteigerte Getreideimport den Rückgang der eigenen Nahrungsmittelversorgung an.3 Schließlich bahnte sich im Herbst 1846 mit einer Mißernte sowohl beim Roggen als auch bei Kartoffeln eine Krisensituation an, zumal auch im europäischen Ausland die Ernten mißrieten.4 Sprunghaft gesteigerter überregionaler Getreidehandel sorgte für eine Umverteilung entsprechend der Nachfrage und vor allem der Kaufkraft, die 171
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z. Β. entscheidend zur relativ günstigen Versorgungslage in der preußischen Rheinprovinz beitrug, während Regionen mit geringerer Kaufkraft der Bevölkerung, wie das Weserbergland, unterversorgt blieben, sofern nicht der Staat, die Kommunen oder finanzstarke Privatleute als Nachfrager auftraten.5 Dieser positiven Verteilungsfunktion des in diesem Jahr fast ausschließlich spekulativ betriebenen Getreidehandels standen insbesondere für den Konsumenten in exportorientierten Gebieten einschneidende negative Folgen gegenüber. Am geschrumpften West-Ost-Preisgefälle in Preußen wurde diese Tendenz deutlich: Das Preisniveau im agrarischen Osten mit seinen niedrigen Löhnen glich sich tendenziell dem bei der Industrialisierung führenden Westen mit der größeren Massenkaufkraft an; dementsprechend gravierend fielen die Preissteigerungen in den östlichen Provinzen aus. 6 Einzige Gewinner in der Teuerungskrise waren Landwirte mit Marktabsatz sowie Getreidehändler und Kaufleute, während alle Konsumenten einen erheblich höheren Anteil ihres Budgets für den Nahrungsmittelkauf ausgeben mußten. Oft reichte dann das gesamte Familieneinkommen nicht aus, 7 zumal Einsparungen in diesem Bereich nur begrenzt möglich waren. In diesem Zusammenhang ist die These vertreten worden, daß nicht die Teuerung an sich und unmittelbar die Protestaktionen der Betroffenen hervorbringt, sondern daß der relativen Preissteigerung in einer kurzen Zeiteinheit entscheidende Bedeutung zukommt. Preissprünge erlaubten Konsumenten plötzlich nicht mehr den Kauf oder Zukauf des gewohnten Nahrungsmittelquantums, das sich bei allmählichem Preisanstieg durchaus in Grenzen reduzieren ließ. In solchen Momenten protestierten dann Verbrauchergruppen spontan gegen den Export oder das Horten von Nahrungsmitteln in wucherischer oder spekulativer Absicht.8 Um diesen möglichen Beziehungen zwischen Preissprüngen und gemeinschaftlichem Protest nachzugehen, soll zunächst der Preisverlauf für Roggen als der zur Volksernährung wichtigsten Getreideart anhand von monatlichen Angaben für Oldenburg und Delmenhorst sowie wöchentlichen Preisangaben für Braunschweig aufgezeigt werden. 9 Die Roggenpreise stiegen ab August 1846 relativ stetig um etwa 10 v.H. im Monat. Während verstärkt die privaten Wintervorräte aufgebraucht wurden, gaben die Preise von Januar bis Mitte März 1847 etwas nach. Danach waren im April Steigerungsraten zwischen 10 und 20 v.H. und Mai sogar bis 40 v.H. zu verzeichnen, die im Vergleich mit den agrarexportorientierten preußischen Provinzen noch mäßig ausfielen.10 Die monatlichen Steigerungsraten des Jahres 1846 wurden jetzt bereits innerhalb einer Woche erreicht. In Braunschweig z. Β., dem Zentrum eines Bereiches »relativer Autarkie«,11 lagen die Roggenpreise im Mai um 180 v.H. über denen des Vorjahres. Ab April drängten noch einmal verstärkt binnendeutsche Nachfrager auf den Markt, dessen geringe Bestände wegen der mangelnden Zufuhren aus Rußland und Amerika, die durch ungünstige Witterung behindert wurden, zu absoluten Spitzenpreisen verkauft wurden. Vor dem Hintergrund der 172 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
mangelhaften innerdeutschen Verkehrsverbindungen lohnte es sich zeitweise sogar für englische Spekulanten, aus Deutschland importiertes Getreide über Hamburg wieder ins Ursprungsland abzusetzen.12 Von der zweiten Maihälfte an nahm die Getreidespekulation mit zeitlichen und regionalen Unterschieden ein rasches Ende. Ebenso schnell, wie die Preise gestiegen waren, sanken sie nun in wöchentlichen Raten von bis zu 18 v.H. auf dem Markt in Braunschweig wieder; im Juli unterschritten sie bereits das Märzniveau um über ein Viertel· Die allseits erhoffte Preisentspannung setzte offenbar zuerst in Süddeutschland ein, während die Agrarpreise wegen der plötzlich zunehmenden Nachfrage aus England und Frankreich in den preußischen Exportgebieten zunächst noch auf ihrem hohen Niveau verharrten und in den Hansestädten, voran in Hamburg, sogar noch weiter anzogen.13 Die sozialen Auswirkungen dieser Teuerungskrisen waren katastrophal. Konnten bei früheren Mißernten die individuellen Einbußen durch einen erhöhten Arbeitseinsatz wenigstens nach einiger Zeit vielfach wieder ausgeglichen werden, so trat 1846/47 die Teuerung in einer sozio-ökonomischen Situation auf, die durch tiefgreifende Strukturveränderungen gekennzeichnet war. Das Vordringen industrieller Produktionsformen und die Übersetzung bedrohten die ›Nahrung‹ des Handwerkers; die klein- und heimgewerbliche Textilproduktion befand sich seit langem in einer tiefen Krise; Hut und Weide waren überbesetzt; stark angewachsene ländliche Unterschichten fanden kaum Verdienst in der Landwirtschaft, bei traditioneller Wanderarbeit oder im Heimgewerbe. Das allgemeine Schrumpfen der Massenkaufkraft und die Umleitung bedeutender Kaufkraftanteile in den Agrarsektor entzogen dem Handwerk und Kleingewerbe Nachfrage. Dieser Prozeß beschränkte sich keineswegs auf das Krisenjahr 1846/47, sondern bestimmte die Handwerkskonjunktur seit Beginn der 1840er Jahre. Die sinkenden Verdienstmöglichkeiten und der Reallohnverfall bedrohten die Existenz eines großen Bevölkerungsteils akut. »Nicht hinreichend lohnende Arbeit« oder offene Arbeitslosigkeit charakterisierte die Lebenslage von Tagelöhnern, Handwerkern, Heimarbeitern und, infolge des starken Abschwungs der industriellen Konjunktur, auch von Fabrikarbeitern.14 Für die Masse der Notleidenden besaßen private Opferbereitschaft und Hilfstätigkeit in Stadt und Land existentielle Bedeutung. Der Staat und die vorkapitalistische Gesellschaft sahen die private Unterstützung sowohl in christlicher Tradition als auch vor dem Hintergrund der aktuellen Pauperismusdebatte, die die soziale Sprengkraft der Verelendung allen bürgerlichen Schichten ins Bewußtsein rief, als selbstverständliche Verpflichtung an. So lehnte die Braunschweiger Regierung ein Hilfsersuchen aus Seesen mit dem Hinweis auf zu geringes privates Engagement der begüterten Einwohner ab. 15 Durchaus verständnisvoll äußerte sich die Landdrostei Aurich über die Erregung unter den dortigen Landarbeitern; denn die reichen Bauern hätten sie nicht, wie eigentlich zu Recht erwartet, unterstützt.16 Dennoch linderte insgesamt © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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private Mildtätigkeit in Norddeutschland die Krisenauswirkungen durch den Ankauf von Saatgut, die Vergabe kleinerer Arbeiten, durch Geld- und Sachspenden an die Betroffenen, insbesondere aber durch die nahezu überall eingerichteten Speiseanstalten.17 Dazu traten Getreideankäufe von Kommunen, die das Korn unter den jeweiligen Marktpreisen abgaben; eine Hilfsmaßnahme, die nach wie vor in Notzeiten ebenso erwartet wurde wie öffentliche Arbeiten.18
6.2. Teuerungsprotest und Brotunruhen im Frühjahr 1847 Neben den gerade in Teuerungszeiten anwachsenden üblichen individuellen Protestformen, wie Diebstahl, Forst- und Jagdfrevel, Bettelei, Vagabondage, Auswanderung und Selbstmord, kam es in Norddeutschland auch zu vereinzelten kollektiven Protestaktionen. Den Herbst und Winter über mit seinen spürbaren kontinuierlichen, aber keineswegs sprunghaften Preissteigerungen blieb es relativ ruhig; erst im Frühjahr mit dem Aufbrauchen der Vorräte, dem sich verknappenden Angebot und dem rapide einsetzenden Preisauftrieb begannen die Betroffenen kollektiv zu protestieren. In der braunschweigischen Stadt Schöningen versäumte es die Stadtbehördc, dem im April 1847 besonders starken Anstieg der Kartoffelpreise wenigstens symbolisch durch ein Verbot des Schnapsbrennens und des Kartoffelverkaufs an Brennereien zu begegnen. Darüber hinaus kam sie den allgemeinen Erwartungen nach öffentlichen Kartoffelverkäufen und der Bereitstellung von Pflanzkärtoffeln nicht nach. Von diesen obrigkeitlichen Versäumnissen fühlten sich Unterschichtenangehörige nicht nur als Verbraucher, sondern auch und vor allem als Bebauer von kleinen Parzellen und Gärten betroffen. Wollten sie nämlich im nächsten Herbst wieder einen gewissen Selbstversorgungsgrad erreichen, mußten sie auf rechtzeitiges Pflanzen im Frühjahr achten. Den ganzen Winter über war es immer wieder einzelnen Angehörigen der landstädtischen Unterschichten gelungen, Kartoffeln zu stehlen. Als nun die Besitzer die zum Auspflanzen auf den Feldern angelegten Kartoffelhaufen bewachen ließen, sahen ›Handarbeiter‹ diese Möglichkeit der ›Selbstversorgung‹ verbaut und verabredeten für einen Samstagabend eine gemeinsame Aktion. Unter Drohungen schüchterten sie die wenigen Wächter an einem großen Kartoffelhaufen nahe der Stadt ein und »versorgten sich«. Noch auf dem Rückweg verabredeten sie bereits für den folgenden Abend eine Wiederholung des Gemeinschaftsdiebstahls. Im Gefühl ihrer Stärke und Überlegenheit sowie in der Überzeugung, daß die Polizei aus Furcht vor möglicher Rache sich passiv verhalten und die Obrigkeit keine Unterstützung bei den Bürgern finden würden, verbreiteten sie ihre Absichten offen untereinander. Abends zogen dann tatsächlich dreißig bis vierzig Personen, darunter 174 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
viele Frauen, singend und pfeifend vor eine Wachthütte, wo sie die Wächter einschlossen; ungestört trugen sie nun größere Mengen Kartoffeln davon. Am dritten Abend waren es fast 200 »Männer mit leeren Säcken und Knüppeln, Frauen mit Kiepen, Kinder mit Körben«, die sich auch durch eine inzwischen eingerichtete Bürgergarde nicht abschrecken ließen, »welche sich zunächst auf die Beobachtung der Vorgänge beschränken würde und nur im Falle, die öffentliche Sicherheit in der Stadt gestört werden sollte, tätlich wird einschreiten können«. Sie sah tatenlos zu, wie die Kartoffeln öffentlich durch die Stadt in die Häuser der ›Handarbeiter‹ getragen wurden. Die Polizei mußte sogar beschlagnahmtes Kartoffel-Diebesgut angesichts von Drohungen der Unterschichtenangehörigen wieder herausgeben. Erst am vierten Tag gelang es eilig in die Stadt Schöningen entsandtem Militär, das mit Pfiffen und unter großem Geschrei empfangen wurde, weitere kollektive Diebstähle zu unterbinden. Die obrigkeitliche Repression wurde in ihrer protesthemmenden Wirkung unterstützt durch die Bereitschaft des Schöninger Magistrats, unter dem Eindruck der Übergriffe Pflanzkartoffeln zu ermäßigten Preisen zu verkaufen. Das weiter rapide Absinkenden des Kartoffelpreises tat ein übriges. Allerdings sorgte die nun von der Regierung in Braunschweig mit Nachdruck betriebene gerichtliche Untersuchung der Vorgänge dafür, daß eine latente Spannungssituation zwischen der Obrigkeit und den Unterschichten bestehen blieb. Deutlich trat in den folgenden Monaten das Bestreben der Schöninger Bürger und der Lokalbehörden zutage, durch ›Erinnerungslükken‹ die Ermittlungen zu erschweren und durch ein Eintreten des Amtes Schöningen für grundsätzlich milde Behandlung der schließlich Angeklagten nicht erneut Unterschichtenprotest zu provozieren. Wie brisant noch im Sommer 1847 die Lage in der Stadt war, verdeutlichte ein gerichtlicher Konfrontationstermin am 1. August 1847, bei dem zwischen solchen Vorgeladenen, die bereits ihre Beteiligung gestanden hatten, und denen, die sie ableugneten, Streit entbrannte, der sich auf den Marktplatz fortpflanzte. Dort verursachte die Verhaftung mehrerer Neugieriger zusätzliche Aufregung. Trotz dieser unruhigen Stimmung war die Regierung in der Hauptstadt jedoch entschlossen, ihren Verfolgungsanspruch durchzusetzen. Von den 151 zunächst in die Untersuchung einbezogenen Schöningern wurden schließlich bis Mai 1848 vierzig Personen bestraft, ehe sich die Untersuchungsbehörden unter dem Eindruck »politischer Gründe« und der Gefahr einer Auslösung weiterer Protestaktionen für eine Einstellung der Ermittlungen aussprachen.19 Am 13. Mai 1847 erhoben im Anschluß an ein obrigkeitliches Vorgehen gegen verbotenes Geldspiel auf dem Marktplatz von Norden die »gemein Leute« Forderungen nach Brot, wie der Magistrat meinte, »vorgebend, sie hätten nichts zu essen«. Eine vorher geäußerte Ankündigung, »alles platt« schlagen zu wollen, wurde allerdings nicht in die Tat umgesetzt. In traditioneller Weise reagierte die Stadtbehörde mit einem Tumultman175 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
dat und der Organisation einer Bürgerwache; zur Milderung der Not durch Arbeitsbeschaffung glaubte sie, wie sie an die Landdrostei berichtete, jedoch nicht beitragen zu können. Bezeichnend für den hohen Grad der sozialen Spannung und die Furcht der Behörden, ein solcher Vorfall könne sich jederzeit in größerem Ausmaß wiederholen, war ihre Reaktion auf die Anzeige eines angeblichen Rädelsführers; ließ sich nun eine Untersuchung nicht mehr umgehen, so wollte der Magistrat sie nur auf diese Person beschränkt wissen, da »es gefährlich sei, durch Heranziehen zu vieler Komplizen die nicht zu verkennende Aufregung der hiesigen Arbeiter zu vergrößern«.20 Zu mehrere Tage anhaltenden Tumulten kam es dort, wo die Preise noch im Mai und Juni beträchtlich anstiegen und sich am längsten auf sehr hohem Niveau hielten, nämlich in Hamburg und Umgebung. Bereits im Mai 1847 zeigten sich angesichts des umfangreichen Getreideexports Anzeichen wachsender Sorge unter der Hamburger Bevölkerung um eine ausreichende eigene Lebensmittelversorgung. Sie manifestierte sich anläßlich der Verladung von Kartoffeln durch einen Engländer. »Mehrere Leute« traten hinzu und verlangten von ihm und dem einladenden Schiffer, daß sie vor dem Export jedem einheimischen Kaufinteressenten eine gewisse Menge zum eigenen Bedarf verkaufen sollten. Als die Käuferschar anwuchs, fühlte sich der Schiffer bedroht und holte die Polizei, die nun ihrerseits dem traditionellen Vorkaufsanspruch der Einheimischen gegenüber dem privaten Eigentums- und Verfügungsrecht Geltung verschaffte. Sic setzte durch, daß der Engländer auf der Stelle Kartoffeln an die Umstehenden verkaufen mußte.21 Nach »Teuerungstumulten« in Altona griff die Unruhe auf die Hansestadt über. Am 15. Juni demolierte und plünderte ein »Volkshaufen«, vor allem Frauen, Jugendliche und Kinder, das Haus eines Kartoffelhändlers, der im Verdacht stand, durch Zurückhalten seiner Vorräte eine Verteuerung bewirkt zu haben. Eine Abteilung der verhaßten und gefürchteten Garnison konnte die Ruhe zunächst wiederherstellen, doch wiederholten sich die Übergriffe, die auch gegen einzelne Bäcker gerichtet waren.22 Am 17. Juni wurde sogar am hellen Tag in der belebten Hamburger Steinstraße der Keller eines Gemüsehändlers ausgeplündert; einen anderen Versuch verhinderte das aufgebotene Bürgermilitär gerade noch. Daraufhin wurden alle möglicherweise bedrohten Läden unter Bewachung gestellt.23 In der Vorstadt St. Pauli erregte die abendliche Wachverstärkung am 18. Juni großes Aufsehen; die dadurch mobilisierten Neugierigen wandten sich bald dem Haus eines Bäckers zu, an dem die Fenster eingeworfen wurden.24 Ohne ernstere Auseinandersetzung stellte das Bürgermilitär die Ruhe wieder her. Als »der seinem Ende auf natürlichem Wege nahe Druck der Teuerung, unter der ein jeder leidet«,25 sich in einem spürbaren Preisrückgang niederschlug,26 entspannte sich auch bald in der Hansestadt die Situation. Diese großstädtischen Teuerungstumulte waren charakteristisch für die 176 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Vorstcllungswelt der Unterschichten, die Wucher und Preistreiberei nicht tolerierten; gegen die Besitzer zurückgehaltener Vorräte gingen sie gewöhnlich nicht aus einem unmittelbar materiellen Bestreben vor, sondern, wie auch die Behörden ausdrücklich betonten, primär in der Absicht, einzelne Händler zu bestrafen und den Anspruch auf eine Versorgung zu ›gerechten‹ Preisen handgreiflich zu demonstrieren.27 Bezeichnenderweise traten in Hamburg die Unruhen erst im Juni 1847 auf, als dort die Preise immer noch anstiegen, während gleichzeitig im übrigen Norddeutschland der allgemeine Preisrückgang spürbar fortschritt. Für diese dem Verbraucher unerklärliche Situation wurden Händler und Bäcker verantwortlich gemacht, mit denen der Käufer täglich auf dem Markt oder in den Läden Kontakt hatte. Großhändler und eigentliche Börsenspekulanten konnten sich dagegen vor spontaner Konsumentenwut relativ sicher fühlen, da sie auf einer kaum durchschaubaren, anonymen Ebene agierten; sie wurden lediglich in Zeitungsartikeln und Flugschriften gebildeter Kreise kritisiert, die jedoch Aktionen wenig zuneigten.28 Andere Ursachen besaß der ›Teuerungsprotest‹ offenbar in ländlichen Regionen. Die Gründe seines Ausbleibens in Norddeutschland verdeutlicht ein kurzer Vergleich mit der angrenzenden preußischen Provinz Sachsen: Im Einzugsbereich des Elbschiffahrtumschlagplatzes Magdeburg aktivierte einige Male eine bevorstehende Abfuhr von Getreide und Kartoffeln die Landbevölkerung zu Protest, der sich gegen die vermeintlich Verantwortlichen und deren Besitz richtete. Zudem wurde der Abtransport selbst durch eine Plünderung der Transportwagen verhindert.29 Auswärtige Händler sollten die Vorräte nicht zu hohen Preisen aufkaufen, bevor sich die einheimische Bevölkerung zu niedrigen Preisen angemessen versorgt fühlte. Der durch den Export aus der Gemeinde hervorgerufene Preisanstieg und die Furcht, für den eigenen Bedarf nicht genügend übrig zu behalten, lösten solche Aktionen aus. Indirekt waren sie Ausdruck der gerade in diesen Teuerungsjahren zunehmenden Eingliederung des lokalen Marktes in den nationalen oder gar internationalen Handel und dessen in solchen Zeiten spürbaren Auswirkungen auf die Lebenssituation des größten Teiles der Bevölkerung in agrarischen Exportgebieten.30 Diese bedeutsame Verursachung für ländlichen Kollektivprotest entfiel für das niedersächsische Untersuchungsgebiet weitgehend; denn hier existierte kein mit Teilen der Provinz Sachsen vergleichbares agrarisches Exportgebiet-abgesehen von einigen Gebieten Ostfrieslands.31 Die Erzeugung wurde für den Eigenbedarf genutzt oder auf traditionellen, überschaubaren Märkten der Umgebung verkauft. ›Relative Autarkien‹ konnten sich erhalten. Allenfalls durch notwendig gewordene Importe über die Hansestädte, voran Bremen, waren in diesem Jahr große Teile des Untersuchungsgebietes mit dem nationalen und internationalen Agrarmarkt verbunden. Im Vergleich mit anderen Regionen Deutschlands war in den norddeutschen Staaten die Gesamtsituation der Bevölkerung überhaupt günstiger, weil bei © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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einer mittelständischen agrarischen Grundstruktur auch während der Mißerntemonate ein hoher Selbstversorgungsgrad erreicht wurde.32 Selbst große Teile der städtischen Bevölkerung besaßen Gartenland, das eine teilweise Eigenversorgung ermöglichte; auf den Markt blieben sie dann lediglich für Zukauf angewiesen. Dies galt mit Einschränkungen selbst noch für das an sich arme Ober wesergebiet,33 dessen verkehrsgünstige Lage zum Importhafen Bremen eine notwendige Zufuhr erleichterte. Nicht zuletzt wurde die Bedrängnis vieler Notleidender durch die traditionelle öffentliche und private Unterstützungstätigkeit gemildert, die hier offensichtlich noch überwiegend funktionierte. Im Sommer 1847 war die Teuerungskrise in Deutschland weitgehend überstanden; die zu erwartende günstige Ernte ließ auf der Makroebene keine neuerlichen Versorgungsprobleme befürchten. Gleichwohl befanden sich viele Menschen weiterhin in einer bedrängten Lebenslage; denn Arbeitsgelegenheiten und Verdienstmöglichkeiten fehlten nach wie vor. Der Niedergang von Handwerk, Kleingewerbe und Hausindustrie setzte sich auf einem von der Krise beschleunigt veränderten Niveau fort. Zwar wurde vereinzelt von günstigen Arbeitsmöglichkeiten berichtet, doch hielten demgegenüber Konkurse von Kleinhändlern und Handwerkern unvermindert an. Die soziale Lage für sie ebenso wie für Gesellen, Tagelöhner und ländliche Unterschichten blieb bestimmt durch Mangel. Eine entscheidende Vermehrung der Arbeitsmöglichkeiten brachte erst die forcierte Industrialisierung während ihres zweiten Konjunkturaufschwungs in den 1850cr Jahren;34 im Verlauf des Jahres 1847 setzte jedoch zunächst in diesem Sektor ein konjunktureller Abschwung ein, der die Aufnahmekapazitäten an Arbeitskräften noch einmal reduzierte35 und das industrielle Produktionsniveau um Jahre zurückfallen ließ.
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7. Kollektiver Protest - ein Indikator für eine revolutionäre Situation im Frühjahr 1848? Die Analyse politischer Krisen und kollektiven Protests im Vormärz bliebe unvollkommen, würden die Revolutionen des Frühjahrs 1848 nicht wenigstens skizzenhaft in die Betrachtung einbezogen. In diesem Zusammenhang soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit in den norddeutschen Staaten Protest das Entstehen einer für das politische und soziale System bedrohlichen Situation signalisierte bzw. wie hoch der Stellenwert des auswärtigen Beispiels für den Ausbruch der Revolution zu veranschlagen war. Nach wie vor wesentliche Bedeutung für den Revolutionsausbruch besitzt in der wissenschaftlichen Diskussion die ökonomische Krisensituation 1846/47. Für Engels begann die Bewegung der Arbeiterklasse mit den schlesischen Weberunruhen 1844; die »Brotkrawalle« im »Hungerjahr 1847« hätten der sozialistischen und kommunistischen Propaganda erheblichen Auftrieb gegeben. Die »eigentliche Mutter der Februar- und Märzrevolution« stellte für ihn die »Welthandelskrise« von 1847 dar, so daß sich Deutschland »zu Beginn des Jahres 1848 am Vorabend einer Revolution« befand, die »bestimmt gekommen« wäre, durch den Ausbruch der französischen Revolution jedoch beschleunigt wurde. 1 Im Gegensatz zur marxistischen Interpretation betonte Stadelmann die Diskontinuität zwischen der Teuerungskrise und der Revolution. Vielmehr seien die Monate vor der Märzrevolution durch eine gewisse Konsolidierung der sozialen Zustände in den deutschen Staaten gekennzeichnet gewesen. Entsprechend seinem eher sozialpsychologischen Ansatz hob er als Kontinuitätselement und »eigentliche Wurzel der Märzereignisse« die »subjektive Unsicherheit und Gewissensqual« hervor, die sich »in der Ahnung und dem Frösteln« vor dem »Riesenschatten eines Umsturzes« niederschlugen. Entsprechend großes Gewicht bekam die internationale Lage und der Demonstrationseffekt, der für Deutschland von den Pariser Ereignissen ausging.2 Eine vielversprechende Zwischenposition vertritt Bergmann mit seinem Vorschlag, zur differenzierten Analyse der bedeutsamen Zusammenhänge der Teuerungskrise mit dem industriellen Abschwung und Revolutionsausbruch 1848 zunächst gruppenspezifisch das Ausmaß der Betroffenheit zu ermitteln und der relativen Veränderung der Lage und des Status verschiedener sozialer Gruppen bzw. sozio-ökonomischer Teilbereiche sowie den daraus resultierenden Handlungsdispositionen nachzugehen. Da die Nahrungs- und Teuerungskrise 1846/47 »im Frühjahr 1848 bereits überwiegend vorbei war«, sollte sie 179 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
seiner Meinung nach »kaum noch in den Bereich der unmittelbaren Revolutionsursachen einbezogen werden«. 3 Gleichwohl bestimmten die strukturellen Krisen in Handwerk und Gewerbe sowie im Agrarsektor - durch die Teuerungskrise mit ihrer nachhaltigen Verschiebung der Kaufkraftströme und die allgemeine Kapitalverknappung infolge des industriellen Aufschwungs der 1840er Jahre verschärft-die soziale Lage weiter Bevölkerungsschichten auch im Frühjahr 1848. Wie die besonders spürbaren Teuerungsjahre 1816/17, 1830/31 und 1846/47 zeigten, lösten die aktuelle Not und die zeitweise intensivierte Verelendung keineswegs direkt revolutionäre Ereignisse aus, sondern schlugen sich allenfalls in spontanen, lokal und sozial isolierten Hunger- und Teuerungsprotesten nieder. Sie richteten sich weder gegen den Fürsten oder den Staat als politische Institution, noch stellten sie die praktische Machtverteilung oder die soziale Besitzstruktur grundsätzlich in Frage. Ohnehin im Frühsommer 1847 nur vereinzelt, hörten sie mit dem Ende der akuten Teuerung auf.4 Zweifellos steigerte jedoch die Not jener Monate bei den Betroffenen die Unzufriedenheit mit der Obrigkeit und den Begüterten in Stadt und Land und erweiterte damit das Bewußtsein von der eigenen Lage und ihren Verbesserungsmöglichkeiten.5 Die Initiatoren der März-Bewegung in Norddeutschland und ihre Forderungen verwiesen auf die liberale politische Bewegung des Vormärz als bedeutsames Kontinuitätselement. Wenngleich zwischen dem Eintreffen der stimulierenden Nachrichten von den Pariser Ereignissen am 27./28. Februar und den ersten öffentlichen Aktionen zwei bis sieben Tage vergingen, waren die Vertreter liberaler Ideen doch programmatisch und organisatorisch soweit gerüstet, um den Demonstrationseffekt der französischen Februarrevolution, der Fürsten und Senate lähmte, für grundlegende Verfassungsreformen in ihrem Sinne zu nutzen. Die politische Bewußtseinsbildung hatte seit den Verfassungsbewegungen von 1830/31 Anschluß an die konstitutionelle Richtung des süddeutschen Liberalismus gefunden. Mit dem Hannoverschen Verfassungskonflikt von 1837, dem Thronwechsel in Preußen und der Rheinkrise 18406 traten die liberalen Ziele und Hoffnungen nach einer konstitutionellen Beschränkung der fürstlichen Souveränität und nationalen Einigung schärfer hervor. Auch die politisch aufgeladenen Auseinandersetzungen zwischen dem Pietismus und dem theologischen Rationalismus sowie die deutschkatholische Bewegung trieben die Politisierung bürgerlicher und kleinbürgerlicher Schichten voran. Gerade in Norddeutschland wurden mit großem Interesse die liberalen Verfassungsbestrebungen im benachbarten Preußen verfolgt; der Ausgang des Vereinigten Landtages 1847 enttäuschte auch hier, gerade weil dadurch das fundamentale Vertrauen der eindeutig vorherrschenden konstitutionell gesinnten Liberalen in Reform, getragen von parlamentarischem Druck, öffentlicher Meinung und aufgeklärter fürstlicher Einsicht, als Mittel der Veränderung erschüttert wurde. 7 Diese überregiona180
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len politischen Prozesse und Ereignisseflossenin die spezifischen Vorstellungen, Wünsche, Erfolge und Niederlagen der Liberalen in den norddeutschen Einzelstaaten ein, die für die unterschiedliche politische Situation und den Verlauf der Märzbewegung bedeutsam waren. Nach den Verfassungsreformen im Anschluß an die Volksproteste vom September 1830 bot das Herzogtum Braunschweig, wie Valentin urteilte, »vielleicht das erfreulichste Bild unter allen deutschen Bundesstaaten«.8 Der herausragende Parlamentarier des Herzogtums, Steinacker, hatte als Landtagspräsident während der Sitzungsperiode 1842/45 einen Teil der Liberalen an das Regierungslager herangeführt, während andere in der Opposition verharrten. Die politische Ruhe und das insgesamt gute Verhältnis zum Herzog störte ein Konflikt über die Kompetenz der Stände 1846 empfindlich, ohne jedoch prinzipiell die Loyalität zum einmal gefundenen Verfassungskompromiß zu erschüttern. Vor diesem Hintergrund konnte es kaum verwundern, daß die Märzforderungen 1848 keine spezifisch braunschweigischen Verfassungswünsche enthielten, sondern die nationale Frage einen relativ hohen Stellenwert bekam. Initiator und Träger war der Bürgerverein der Hauptstadt, der 1831 gegründet worden war und gerade in den Jahren vor 1848 beachtlichen Zulauf erhalten hatte. Unter seiner Führung verabschiedete eine öffentliche Versammlung am 3. März eine Petition, die dem Herzog am folgenden Tage übergeben wurde; die aufgeschlossene Haltung des Fürsten gerade in der nationalen Frage wirkte beruhigend. Gleichwohl drückte sich auch in den folgenden Tagen die politische Erregung in zahlreichen Versammlungen aus. Am 16. und 17. März kam es schließlich zu aktionistischen Volksprotesten, die sich als ›Fenstermusik‹ insbesondere gegen einen Stadtrat, der für Niederlassungsgesuche, Heiratskonsense u. ä. zuständig war, und den Stadtarzt richteten. Die Bürgergarde im Verein mit der Schützenkompanie und einem Korps der Studenten des Collegium Carolinum schritten gewaltsam ein und verhafteten einige Protestierende.9 Der Großherzog von Oldenburg war 1830/31 auf die zahlreich vorgebrachten Verfassungswünsche seiner Untertanen nicht eingegangen; deren nachdrückliche Wiederholung 1837 glaubte er ignorieren zu können. Erst zeitlich parallel zum Vereinigten Landtag von Preußen regte sich 1847 die Verfassungsbewegung wieder mit Petitionen aus Jever, Oldenburg und verschiedenen Landgemeinden. Nachdem der Großherzog einen ersten Verfassungsentwurf im Frühjahr desselben Jahres als zu liberal abgelehnt hatte, setzte er im November eine Verfassungskommission ein. Eine Reform schien näher denn je bevorzustehen.10 Zwar herrschte der Großherzog ohne Bindung an eine Verfassung oder an Landstände, doch bestanden während des Vormärz für liberal Gesinnte durchaus Möglichkeiten, wichtige Positionen in der staatlichen und kommunalen Verwaltung einzunehmen sowie sich in die Selbstverwaltungsorgane der Gemeinden und Städte wählen zu lassen. Von ihnen gingen im März 1848 die politischen Reformforderungen aus. Bereits am 2. März 181 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
erneuerte der Stadtmagistrat von Oldenburg seinen 1847 vergeblich geäußerten Wunsch nach der Beratung einer Verfassung in einem von Anhänglichkeit an das Fürstenhaus geprägten Ton. Erst nach der enttäuschenden Antwort des Großherzogs überschritt die politische Bewegung den institutionell vorgegebenen Rahmen, als Handwerker eine Bittschrift diskutierten, die am 9. März der ersten Volksversammlung der Hauptstadt zur Beratung unterbreitet wurde. Sie konzentrierte sich auf wenige Einzelforderungen, die in der künftigen Verfassung Niederschlag finden sollten. Diese schriftlich formulierten Forderungen wurden am folgenden Tag im Rahmen einer regulären Audienz dem Großherzog übergeben. Bei gleicher Gelegenheit überreichte auch eine Delegation aus Jever eine Vorstellung mit 289 Unterschriften; um ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen und den Ernst der Situation zu verdeutlichen, drohten sie für den Fall einer Ablehnung mit einer Massendemonstration. Unter diesen Umständen willigte der Fürst noch am selben Nachmittag in die Einberufung einer verfassungsberatenden Versammlung ein. Nach diesen prinzipiellen Zugeständnissen ging die Petitionsbewegung über Oldenburg und Jever in den folgenden Tagen hinaus, ohne dem Großherzog in der Verfassungs- und der nationalen Frage jedoch weitere Zugeständnisse abringen zu können. Wachsende obrigkeitliche Besorgnis vor der spürbaren Unzufriedenheit der Bevölkerung und vor allem die Nachricht, daß der König von Hannover den Forderungen seiner Untertanen nachgegeben habe, bewogen den Großherzog und seine Regierung am 18. März zu weiterem Entgegenkommen in der Verfassungsfrage, die damit bereits vor den Nachrichten von den Berliner Straßenkämpfen entschieden war. 11 Die relative politische Ruhe im Königreich Hannover während der 1840er Jahre nach dem Ende des Verfassungskonflikts durfte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die liberalen Opponenten Ernst-Augusts sich keineswegs mit dessen Verfassungskonzeption abgefunden hatten. Anfang März 1848 standen u. a. Freundentheil, Böse, von der Horst, Weinhagen sogleich an der Spitze der liberalen Bewegung, die innerhalb der ersten beiden Märzwochen in mehr als 170 Petitionen die üblichen »Märzforderungen« stellte. Doch erst am 17. März wurde mit einer machtvollen Demonstration von über 2000 Hannoveranern vor dem Leineschloß der Durchbruch erzielt. Die dabei vom Magistrat und den Bürgervorstehern überreichten Wünsche ließ der König den Kabinettsrat von Münchhausen öffentlich bewilligen; sie mußten zur Beruhigung der Situation und zum Abbau des Mißtrauens bei der Bevölkerung am 18. und 20. März vom König selbst wiederholt werden. An diesem Tag erfolgte auch eine Regierungsumbildung, in der Stüve zum Innenminister avancierte.12 Obgleich die Verfassungsreform in der Hansestadt Bremen 1837 zum zweiten Mal während des Vormärz am hinhaltenden Widerstand des Senats gescheitert war, blieb sie Gegenstand der politischen Diskussion, die teilweise sogar öffentlich in den Zeitungen geführt werden konnte. Die Wehr182
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pflichtfrage sowie der Streit zwischen den Rationalisten und den Pietisten stimulierten eine politische Bewußtseinsbildung, die in der Gründung von Vereinen ihren Ausdruck fand. Nach dem »Bremischen Mittelstands-Bürger-Club ›Einigkeit‹« wurde von einigen Volksschullehrern 1837 die Gesellschaft »Euphrosyne« gegründet, die in den 1840er Jahren zunehmend politische Themen behandelte. Als Initiator der Märzbewegung bekam der Bürgerverein besondere Bedeutung, der gerade erst im Januar 1848 vor dem Hintergrund neuer und erhöhter Steuern vornehmlich von Handwerkern nach Hamburger Vorbild ins Leben gerufen war. Nach aktionistischem Protest gegen die verhaßte Torsperre am Rosenmontag legten einige seiner Mitglieder am 7. März einer Bürgerversammlung im Kramer-Amtshaus eine Petition vor, die die freie und gleiche Wahl einer Konstituante, die Öffentlichkeit und den Druck ihrer Verhandlungen sowie Pressefreiheit forderte. Am folgenden Morgen wurde sie einer großen Menschenmenge verlesen, die auf eine Ergänzung der an den Senat zu stellende Forderungen drängte: öffentliche, mündliche Gerichtsverhandlungen, die Trennung von Justiz und Verwaltung, Geschworenengerichte und bremisches Eintreten beim Bundestag für ein deutsches Parlament. Über 2000 Bürger unterschrieben die öffentlich ausgelegten Forderungen, ehe sie von einer Deputation am 8. März dem tagenden Senat überbracht wurden. Angesichts der großen Menschenmenge in und vor dem Rathaus erkannten die Senatoren, daß ihre verfassungsrechtlichen Ausflüchte nicht verfangen konnten und gaben den Forderungen nach. Diese einmalige Massendemonstration reichte aus, um innerhalb von zwei Tagen die Verfassungswünsche zur Basis der nun eingeleiteten Reformen zu machen. Am 14. März trat die vormärzliche Bürgerschaft letztmalig zusammen, um eine Kommission zu wählen und sie mit der Ausarbeitung einer Wahlordnung für die Konstituante zu beauftragen.13 Die politischen Ereignisse in der Hansestadt Hamburg verdeutlichten augenfällig die Kontinuität der vormärzlichen Verfassungsbewegung und ihr Einmünden in die Märzrevolution von 1848, in der sie dynamisiert und radikalisiert wurde. Die seit dem 26. Februar eintreffenden Nachrichten aus Paris bewogen den Senat am 2. März, dem Wunsch einer Petition aus Kreisen des Grundeigentümervereins vom 7. Februar nach Einsetzung einer Verfassungsdeputation zuzustimmen. Doch im Moment der Bekanntgabe des Beschlusses am 3. März konnte er die Petenten und ihre Anhänger kaum noch zufriedenstellen. Jetzt forderten Nicht-Erbgesessene eine zeitgemäße Verfassungsreform, die ihre politische Partizipation zum Ziel haben sollte. Obwohl die Petition abends im Saal der Patriotischen Gesellschaft von einer Bürgerversammlung besprochen und zur Unterschrift ausgelegt wurde, blieb sie ohne direkte Wirkung. Erst sechs Tage später wurde der politischen Bewegung von sogenannten 24 Vertrauensmännern aus Juristen, liberalen Grundeigentümern, Kaufleuten und Gelehrten - möglicherweise in Anlehnung an das Vorbild der 51 Männer des Vertrauens der Heidelberger Ver© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Sammlung vom 5. März - ein neues Ziel gesetzt. An erster Stelle der von ihnen formulierten Petition stand das allgemeine, aktive und passive Wahlrecht als Basis jeder Verfassungsreform. Ihre insgesamt 10 Forderungen trugen sie am 10. März einer Volksversammlung vor, aus deren Reihen weitergehende Wünsche erhoben wurden: Ein Vetorecht der Wähler gegenüber ihren Vertretern bei wichtigen Beschlüssen, die freie Offizierswahl in der Bürgergarde sowie die Trennung von Schule und Kirche. Darüber und über der Frage, ob die Petition dem Senat im Rahmen einer großen Straßendemonstration übergeben werden sollte, drohte sich die Bewegung zu spalten. Die unmittelbare Übernahme dieser Märzforderungen durch das Kollegium der Hundertachtziger erleichterte den Verzicht auf eine Massendemonstration; sie setzten im nächsten Konvent gegenüber dem Senat durch, daß die von ihm selbst beantragte Rat- und Bürgerdeputation zur Ausarbeitung einer veränderten Verfassung die Märzforderungen zu ihrer Arbeitsgrundlage machen sollte. Weite Teile der Öffentlichkeit setzten allerdings wenig politisches Vertrauen in die Zusammensetzung der Deputation, da bekannte Gegner der Volksforderungen das Übergewicht zu haben schienen.14 Der hier nur skizzierte Verlauf der politischen Märzrevolution in den fünf norddeutschen Staaten verdeutlicht den hohen Stellenwert der jeweils während des Vormärz erreichten Lösung des Verfassungsproblems: die nach 1830/31 durchgesetzte, offensichtlich relativ befriedigende konstitutionelle Verfassung im Herzogtum Braunschweig trug zum ruhigen Verlauf der Märzbewegung bei, in der die nationale Frage von Anfang an ein großes Gewicht besaß. Im Königreich Hannover übernahm die liberale Opposition aus dem Verfassungskonflikt sofort die Führung; in den drei anderen Staaten hatte die politische Bewegung von 1830/31 nur belanglose Zugeständnisse des Fürsten bzw. der Senate erreichen können. Der während der 1840er Jahre zunehmende politische Veränderungsdruck ging hier in die Märzbewegung über, die mit einer Kombination aus Massenpetition und Volksdemonstration eine Zustimmung der Regierenden zu ihren Verfassungsvorstellungen erzielte. Die Bedeutung der Massendemonstration vor dem Regierungssitz verdeutlichten die Vorgänge in Hannover, wo der König durch Petitionen allein nicht zu Zugeständnissen zu bewegen war. Erst eine demonstrierende Menschenmenge ließ ihn seine Taktik des Zeitgewinns aufgeben und die Verfassungsforderungen bewilligen. In Oldenburg und Hamburg genügte die von den Petenten erwogene Möglichkeit von Straßendemonstrationen, um den Widerstand des Großherzogs bzw. des Senats zu brechen. Ohne daß gewaltsamer politischer Protest stattgefunden hätte, gelangte auf diese Weise bis zum 17. März - also noch bevor Nachrichten über die Wiener und Berliner Ereignisse eingetroffen waren - die liberale Opposition zum Erfolg.15 Überall wurde Anfang März die veränderte politische Infrastruktur zur 184
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Artikulierung und Durchsetzung politischer Forderungen genutzt. Eigene Protesterfahrungen im Vormärz und das Beispiel der preußischen Verfassungsbewegung der 1840er Jahre ließen städtische und gemeindliche Selbstverwaltungseinrichtungen die politische Führung übernehmen. In den Staaten, wo das Vereinsleben trotz aller Behinderungen sich hatte entwickeln können, gingen von führenden Mitgliedern die politischen Initiativen aus, wobei bereits im Vormärz bestehende, durch gemeinsame prinzipielle Opposition überdeckte politische Unterschiede zwischen moderaten und radikalen Liberalen offenbar wurden. 16 Erst das Weichen der Regierungen vor den politischen Märzforderungen bildete in den Flächenstaaten den Beginn einer Protestwelle, die hauptsächlich von Handwerkern, Arbeitern, der unterbäuerlichen Schicht und zum Teil auch von Bauern getragen wurde und sich über die Provinzstädte aufs Land ausdehnte. Vor dem Nachgeben der Senate war es lediglich in den Hansestädten zu gewaltsamem Protest gekommen: in Hamburg wurden am 3. März dem Bürgermeister Kellinghusen und dem Senator Hudtwalcker als Symbolen der Senatsherrschaft die Fenster eingeworfen. Das Bürgermilitär und die Garnison stellten die Ruhe wieder her. In Bremen trafen ähnliche Aktionen am 6. März den Bürgermeister Smidt und das Stadthaus. Dabei dürfte es sich weniger um verfassungspolitischen Protest gehandelt haben, als vielmehr um Protestaktionen für relativ unspezifische Bedrükkung, die in der seit langem die Gemüter erregenden Frage der Torsperre einen konkreten Ausdruck fand. Als diskriminierendes Grenzzeichen zwischen Stadt und Land sowie als Ort der Akziseerhebung für passierende Waren und der Einschränkung persönlicher Freiheit durch obrigkeitliche Kontrollen war ein Tor am selben Abend Objekt von Aktionen. Die Torschließung wurde gewaltsam verhindert und das Wachthaus demoliert. In Hamburg erstürmten Protestierende bei ähnlicher Gelegenheit am 13. März darüber hinaus das Akzisegebäude und vertrieben die Offizianten; die Gegenaktionen des Militärs forderten zahlreiche Verletzte und ein Todesopfer.17 Ebenso wie bei diesen Aktionen bildete auch in einer Reihe anderer gewaltsamer Proteste in Stadt und Land die konkrete Lebenssituation den Ausgangspunkt kollektiven Handelns, das sich traditioneller Rügebräuche wie dem Einwerfen von Fenstern, der Wohnungs- und Hauszerstörung, dem Fällen von Bäumen oder dem Einreißen von Zäunen bediente. Protestobjekte waren jedoch nicht nur staatliche oder kommunale Offizianten, sondern auch einzelne Gutsherren, die auf ihre feudalen Vorrechte der Patrimonialgerichtsbarkeit und der Exemtion verzichten sollten; weil sie »nicht mehr unter dem Druck leben« wollten, verwüsteten Angehörige der unterbäuerlichen Schicht sogar das Kloster Loccum. Entsprechend der jeweiligen Struktur der agrarischen Besitz- und Produktionsverhältnisse sowie der Stellung in der ländlichen Sozial- und Arbeitswelt waren die Forderungen: die Bereitstellung »wohlfeiler« Pachtgele185 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
genheiten, die Mitbenutzung der Gemeinheit und der Gemeindeholzungen für Laub, Brenn- und Bauholz, sowie Lohn- und Arbeitszeitregelungen. Häuslingen, Handwerkern, Landarbeitern und Arbeitern in ländlichen Gewerben gemeinsam war das Bestreben, an subsistenzwirtschaftlichen Vorstellungen orientiert, die Pacht- und Arbeitsmöglichkeiten auf lokaler Ebene zu erhalten und durch den Ausschluß Auswärtiger zu schützen.18 Nicht immer in Verbindung mit gewaltsamem Protest und einer Demonstration ihrer Stärke brachten ländliche Unterschichten im März/April 1848 in bemerkenswertem Umfang ihre Forderungen in schriftlicher Form vor. Dazu wurden vielfach ortsübergreifende Versammlungen z. Τ. verschiede ner unterbäuerlicher Gruppen abgehalten. Die Bittschriften richteten sich nicht nur an die Obrigkeit und ihre Vertreter, sondern in verstärktem Maß auch direkt an bäuerliche und gewerbliche Arbeitgeber. Auf der Oldenburgischen Marsch zogen z. Β. diszipliniert einzelne Landarbeitergruppen von Bauer zu Bauer, um sie zur Anerkennung durch Unterschrift der vorher mit Vertretern der Bauernschaft ausgehandelten Pacht-, Arbeits- und Lohnbe dingungen zu bewegen. 19 Politische Ziele wie die Beteiligung von Unter schichtenmitgliedern an der Beratung und Beschlußfassung von Gemeindeangelegenheiten standen demgegenüber im Hintergrund.20 Vor allem im Königreich Hannover artikulierten Bauern ihre Unzufriedenheit mit den gesetzlich vorgeschriebenen Ablösungsmodalitäten und setzten sich energisch für die Beseitigung gerade hier noch drückend fühlbarer feudaler Vorrechte ein. Um ihren aus der dörflichen Alltagswelt entspringenden Petitionen im Frühjahr 1848 Gehör zu verschaffen, übernahmen sie politische Vokabeln des liberalen städtischen Bürgertums und füllten sie mit ihren spezifisch-lokalen Veränderungswünschen, wenn sie beispielsweise forderten, »daß der König für die Bauern die freiesten Institutionen schaffen möge«. 21 In Zusammenhang mit der 1847 verabschiedeten Hannoverschen Gewerbeordnung traten viele Handwerker im Frühjahr 1848 verstärkt gegen vorgesehene Regelungen auf, die traditionell zünftige Gerechtsame zugunsten größerer Gewerbefreiheit durchbrachen.22 In hannoverschen Provinzstädten entsprang die Verfassungsbewegung zunächst der unmittelbar politischen Lebenswelt, wie sie die Gemeinde oder Stadt darstellte. Durchgehend wurde eine Partizipationsausweitung mit größerer Kontrolle über das kommunale Finanzgebaren gefordert.23 Insgesamt war für die petitionistische Welle vom März/April 1848 eine Mischung aus nationalen, auf die Verfassung der Einzelstaaten sowie der Städte und Gemeinden bezogenen, gruppen-, berufs- und lokalspezifischen Forderungen charakteristisch, die sich an der konkreten Lebenswelt der Petenten orientierten. Viele der vorgetragenen Abänderungswünsche waren bereits während des Vormärz, insbesondere in der protestreichen Zeit um 1830/31, artikuliert worden. Eine Kontinuität der Probleme und Reformvorstellungen im Handwerk, im Agrarsektor, auf dem Gebiet der 186 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Gemeinde- und Stadtordnung sowie der Verfassung wurde sichtbar, wobei jedoch antifeudale Forderungen mit größerem Nachdruck formuliert wurden. Auf verfassungsrechtlichem Gebiet war eine Radikalisierung unübersehbar. Im Vergleich mit den politischen Wünschen von 1830/31 trat der große Stellenwert der nationalen Frage deutlich hervor, vor allem dort, wo die innerstaatlichen Verfassungsverhältnisse wenig Veränderungsdruck ausgesetzt waren, wie im Herzogtum Braunschweig.24 Ein weiteres Kontinuitätselement zwischen dem Vormärz und der Märzbewegung 1848 bestand in den Einzelpersonen und den Vereinen, die die Initiative ergriffen und führend hervortraten. Auch die Protestformen der Petition, ihre Auslegung und Besprechung auf Bürgerversammlungen sowie die Massendemonstration als Mittel, um Forderungen Nachdruck zu verleihen, waren bekannt und bereits ebenso praktiziert wie die Vielfalt der von Unterschichten angewandten Rügebräuche. Wenngleich an dieser Stelle eine detaillierte Analyse des kollektiven Protests von 1848/49 unterbleiben muß, vermitteln die wenigen dazu vorliegenden Arbeiten den Eindruck, daß insbesondere die quantitative Ausdehnung und geographische Dichte von Petitionen und Demonstrationen sowie die soziale Spannweite ihrer Träger im Frühjahr 1848 den Unterschied zu 1830/ 31 ausmachte. Diese Protestformen hatten bis Mitte März durch die Zugeständnisse der Regierenden im verfassungspolitischen Bereich scheinbar ihre Effektivität bewiesen; die überall sichtbare obrigkeitliche Bereitschaft, politischen und sozialen Wünschen entgegenzukommen, übertrug sich auch auf andere soziale Gruppen: Bauern, Gutsherren und gewerbliche Unternehmer zeigten Entgegenkommen in Lohnfragen und Arbeitsbedingungen. Gerade die Bedeutungszunahme dieser Besitzerschichten als Objekte des Volksprotests zeigte die seit 1830 insbesondere auf dem Lande gewachsenen sozialen Spannungen an. Standen 1830/31 noch obrigkeitliche Institutionen und Amtspersonen eindeutig im Mittelpunkt der Aktionen, so gerieten sie noch im Laufe des März 1848 sehr schnell in den Hintergrund. Die teilweise veränderte Zusammensetzung der Regierungen und die erwarteten Verfassungsreformen ließen zumindest zeitweise die Erfolgsaussichten für den petitionistischen Weg steigen und machten ihn dadurch attraktiver. Dazu trat die Entschlossenheit von Bürgern, Teilen des Kleinbürgertums und Bauern, jeden gewaltsamen Protest ohne Rücksicht auf seine Ursachen und Zielsetzungen zu unterdrücken. Während in den Hansestädten ohnehin das Bürgermilitär bereitstand, wurden in den Flächenstaaten nach ersten gewaltsamen Protesten oder in ihrer Antizipation wie 1830 Bürgergarden reaktiviert bzw. neu eingerichtet, die auch ländliche Eigentümer im Dorf erfaßten. In der Erhaltung von Ruhe und Ordnung bestand nach wie vor Interessenparallelität zwischen Fürsten, Regierungen, Staat und besitzenden Schichten. Das vielfache Bemühen, für den Dienst in den Bürgergarden Gruppen aus den Unterschichten zu gewinnen, stieß dort jedoch teilweise auf entschlossene Ablehnung.25 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Der globale Ereignisablauf im Frühjahr 1848 vermittelte Strukturen, die bereits 1830/31 sichtbar geworden waren: Die Nachrichten aus Paris zeigten Ende Februar die Verwundbarkeit der Fürsten und ihrer Regierungen gegenüber entschlossenen Massenaktionen der Bevölkerung auf; während die Pariser Vorgänge jene lähmten und in ihrem Beharrungsvermögen schwächten, aktivierten sie politisch und sozial Unzufriedene zum Handeln. Das Nachgeben der Regierenden in Norddeutschland zwischen 8. und 17. März demonstrierte allen Bevölkerungsschichten den Autoritätsverlust der Obrigkeit, der als relativ offene Situation zur Artikulierung und Durchsetzung spezifischer Forderungen wahrgenommen wurde. Nachrichten über die Vorgänge in Wien und die erfolgreichen Unruhen in Berlin hatten vermutlich lediglich verstärkende Wirkung. Im Folgeprotest nach dem erfolgreichen Durchbruch der Verfassungsbewegung versuchten dann soziale Gruppen und Schichten, ihre eigene politische und soziale Position zu verbessern. Der »Ahnung« und dem »Frösteln« vor dem »Riesenschatten« eines Umsturzes, wie Stadelmann die Stimmung des Jahres 1847 beschrieb, korrespondierte allerdings keine bemerkenswerte Häufung kollektiven Protests in Norddeutschland. Weder quantitativ noch qualitativ deutete das Protestbild in den Monaten zwischen Frühsommer 1847 und Frühjahr 1848 auf das Entstehen einer revolutionären Situation hin; eigentlich im Gegenteil: noch während der Teuerungstumulte - herausragend dabei die sogenannte Berliner Kartoffelrevolution - standen bürgerliche Schichten und Teile des Kleinbürgertums bei der gewaltsamen Unterdrückung der Volksproteste auf der Seite der Obrigkeit. Der Hungerprotest wurde nicht in politisches Veränderungskapital umgesetzt. Dennoch wäre es verfehlt, daraus den Schluß zu ziehen, zwischen der Teuerung und der Märzrevolution hätte eine Phase sozialer und politischer Restabilisierung gelegen. Am offensichtlichsten hielten im politischen Bereich die Kritik an den bestehenden Zuständen und die Partizipationsforderungen an bzw. wurden immer nachdrücklicher vorgetragen. Diese Prozesse vermag allerdings das Konzept des kollektiven, illegalen Protests nicht adäquat zu erfassen. Dazu wäre es notwendig, einen umfassenden Index gesellschaftlicher Dissynchronisation zu bilden, in den neben dem kollektiven Protest die Partizipationsforderungen ebenso eingehen müßten wie die anwachsende Pauperismusdiskussion als Ausdruck eines sozialen Problembewußtseins, die religiös-politischen Auseinandersetzungen der 1840er Jahre, die vielen Vereinsgründungen auch außerhalb bürgerlicher Schichten und die zunehmende Zahl liberaler Zeitungen, die alle alternative Entwürfe für soziale und politische Strukturen entwickelten.26 Für den ausgehenden Vormärz zeigte ein solcher Indikator einen mangelnden gesellschaftlichen Konsens und politische Krisensymptome in den Bereichen der Verteilung sozialer Chancen und materieller Güter, der politi188
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schen Beteiligung und der staatlichen Integration an, die allerdings den Regierungen immer noch die Möglichkeiten reformerischer Auswege offenließen. Das Nichtbeschreiten dieses Wegesförderteallerdings die Gefahr einer revolutionären Lösung, zu deren Anstoß es in Norddeutschland zweifellos des auswärtigen Beispiels bedurfte.
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II. Kollektiver Protest im norddeutschen Vormärz eine quantifizierende Analyse
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1. Die raum-zeitliche Verteilung des Protests Für die Zeit von 1815 bis zum Februar/März 1848 konnten in den untersuchten Staaten insgesamt 153 Protestfälle registriert werden, die den eingangs entwickelten Kriterien für kollektiven Protest genügten (s. Tab. 1). Die Häufigkeitsverteilung zeigt einen eindeutigen Höhepunkt der Protestaktivitäten für 1830/31 an, wobei sich allein 40 der 48 Fälle in den beiden Staaten Braunschweig und Hannover ereigneten. Insgesamt ist für den Vormärz kein Trend steigender Protesthäufigkeit zu erkennen, der etwa in der Märzrevolution kulminierte. Allerdings fällt die Protestaktivität nach 1830/31 nicht wieder auf das niedrigere Niveau der Jahre vor 1830 zurück; für die ausgehenden 1830er Jahre sowie für die Mitte der 1840er Jahre weist die Verteilung zudem auf eine erhöhte Anzahl von Protesten hin. Geographisch ragt dabei das Königreich Hannover als der größte Staat des Untersuchungsgebietes heraus, gefolgt vom Stadt-Staat Hamburg; die wenigsten Protestfälle sind für das Herzogtum Oldenburg zu verzeichnen. Dieses sehr allgemeine Protestbild gilt es im folgenden einer genaueren quantifizierenden Analyse zu unterziehen, wobei insbesondere den Protestursachen und Manifestationsbedingungen sowie dem Handeln der Protestierenden und der Ordnungspartei nachgegangen werden soll; der Rolle der Protestobjekte wird ebenso die Aufmerksamkeit gewidmet wie der Frage nach den Funktionen und Erfolgen gemeinschaftlichen Protesthandelns.
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2. Die Ursachen kollektiven Protestes Warum protestierten die Menschen im Vormärz gemeinsam? - Eine Antwort auf diese bedeutsame Frage unterliegt der grundsätzlichen Einschränkung, daß die Ursachen kollektiver Protestaktionen nur in seltenen Fällen direkt mit der wünschenswerten Klarheit faßbar werden. Da allgemein - um mit Max Weber zu argumentieren- die letzten Ursachenquellen menschlichen Handelns dem methodischen Zugriff der historischen Forschung ohnehin versperrt bleiben, ist die kausale Erklärung immer eine Zurechnungsfrage:1 Welcher Konstellation ist ein Protest zuzuschreiben? Dazu lassen sich wichtige Hinweise aus dem Zusammenhang der Protestaktion mit den Forderungen der Protestierenden und den jeweiligen Protestobjekten sowie der sozialen Zusammensetzung der Protestpartei gewinnen. Weitere Rückschlüsse auf die Ursachen erlauben die Anlässe des Protesthandelns sowie die Reaktionen der Obrigkeit und der Ordnungspartei darauf. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß keine kurzgeschlossene Automatik zwischen dem Auftreten einer Ursache von Unzufriedenheit und kollektivem Protest besteht. Vielmehr hängt die jeweilige Reaktion der Betroffenen von ihrem Bewußtseinsstand ab, der die gesellschaftliche Wahrnehmung leitet und Handlungsspielräume bestimmt. Außerdem ist das Ausmaß, in dem sich die Ursachen in kollektivem Handeln sowie in den Zwecken und Zielen der Handelnden offenbaren, nicht immer für eine zureichende kausale Erklärung ausreichend und eindeutig genug. Um diese Problematik der quantifizierenden historischen Protestforschung in ihren verzerrenden Auswirkungen abzumildern, bezieht die Ursachenbeurteilung über die sozioökonomischen Rahmenbedingungen für einzelne Phasen des Vormärz hinaus differenzierende lokale und gruppenspezifische Informationen ein. Die Vielschichtigkeit der Protestursachen legt es nahe, in einigen Fällen eine Zuordnung zu mehreren Ursachenkategorien vorzunehmen (s. Tab. 2).
2.1. Sozioökonomischer Protest Im Bereich der untersuchten norddeutschen Staaten traten ausgesprochene Hungerproteste und Brotunruhen auf dem Höhepunkt der Unterversorgungskrise in den 1840er Jahren im Vergleich mit anderen Regionen selten auf, weil Regionen relativer Selbstversorgung nicht etwa automatisch für 194 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Tab. 1: Die Häufigkeitsverteilung von Protest im Vormärz
Basis: 153 von 153 Fällen Informationsdichte: 100
5
7
3
2
2
Gesamt
2
3
1
1
2
2
4
1
3
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8
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9
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1
4
4
1
2
153
4
67
38
18
26
Jahr 1815 1816 1818 1820 1822 1824 1826 1828 1830 1832 1834 1836 1838 1840 1842 1844 1846 gesamt - 1 7 - 1 9 - 2 1 - 2 3 - 2 5 - 2 7 - 2 9 - 3 1 - 3 3 - 3 5 - 3 7 - 3 9 - 4 1 - 4 3 - 4 5 -47/8
Großherzogtum Oldenburg
Königreich Hannover
Hansestadt Hamburg
Hansestadt Bremen
Herzogtum Braunschweig
Staat
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
195
196 Tab. 2 :
3 1 1
8 1
1 1
15
Gesamt
Basis: 152 von 153 Fällen Informationsdichte: 99,3 a) Bei den Ursachen erfolgte Mehrfachzuordnung.
6
2
1
4
kurzfristig-konjunkturell langfristig-strukturell Ordnungskonflikte Zunftstreitigkeiten Kommunalverfassung Staatsverfassung ethnisch-konfessionell antijüdisch 6
1
3
1825-29
1820-24
Zeitraum 1815-19
74
21 6 20 3 4 16 1 3
1830-34
Protestursachen
Protestursachena
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28
11 1 1
9 6
1835-39
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7 1
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1840-44
21
1 1
9
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180
41 6 63 19 5 35 6 5
1845-47/48 gesamt
bessere Ernten gesorgt hätten, sondern weil die Integration in den nationalen Getreidemarkt und damit eine preistreibende auswärtige Nachfrage nur schwach ausgebildet waren. Deshalb entfiel hier ein wichtiges Bündel von Protestanlässen, wurde die naturbedingte Verknappung doch weitgehend als vom Menschen kaum beeinflußbar akzeptiert. Zudem linderten in überkommener Weise öffentliche Kornversorgungsmaßnahmen und private Mildtätigkeit die größte Not, wie es den traditionellen Erwartungen der Unterschichten durchaus entsprach. Solche Erwartungen mißachtete der Herzog von Braunschweig nach der Mißernte 1830 und provozierte auf diese Weise den Unterschichtenprotest in seiner Hauptstadt; er nahm schließlich ein Ausmaß an, das den Fürsten sein Heil in der Flucht suchen ließ. Die mißliche Erwerbs- und Versorgungslage der Bevölkerung rief im September 1830 auch in Hamburg Protestaktionen hervor, die das politische System in Gefahr brachten. Dieser Bedrohungsgrad wurde im Königreich Hannover nicht erreicht, wo die soziale Lage, besonders in den südlichen Landesteilen mit ihrem hohen städtischen Bevölkerungsanteil, angespannt war. Hier reagierte die Regierung auf die Herausforderungen der Unterschichtenangehörigen frühzeitig mit Abgabenerleichterungen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Kornunterstützungen. Die Aussicht auf eine günstige Ernte im folgenden Jahr ließ die kurzfristig-konjunkturell hervorgerufenen Proteste bis zum Sommer 1831 in Norddeutschland deutlich abnehmen.2 Zwischen Herbst 1830 und Frühjahr 1831 wurde in nennenswertem Umfang auch aus langfristig-strukturellen Motiven protestiert, wobei der Steuer- und Abgabendruck im Mittelpunkt stand. Obwohl diese Ursachen in den 1820er Jahren kaum minder belastend bestanden hatten,3 führten sie erst in der relativ offenen Situation des Herbstes 1830, vor allem im Herzogtum Braunschweig, zu Protest, weil dessen Erfolgsaussichten durch die allgemeine Erschütterung des politischen Systems eine bedeutende Steigerung erfuhren. Diese günstigen Manifestationsbedingungen veränderten sich im Laufe des Jahres 1831, als es den Regierungen gelang, ihre zwischenzeitlich gelockerte Autorität wiederaufzurichten.4 Dagegen blieben das Großherzogtum Oldenburg und die Hansestadt Bremen weitgehend von sozioökonomischem Protest verschont, da beide Staaten rechtzeitig umfängliche Vorsorge getroffen hatten. Sie ließ bei den von der Versorgungskrise Betroffenen nicht die Notwendigkeit aufkommen, die Obrigkeit durch gemeinschaftliche Aktionen auf ihre traditionelle Fürsorgepflicht hinweisen zu müssen. Dies war zweifellos einer der Gründe, warum keine die staatliche Autorität erschütternde Situation entstand, die ihrerseits wieder zu weiterem Protest ermuntert hätte. Bei dem hohen Stellenwert, den die politische Lage des Gesamtsystems offensichtlich für die Manifestation von ökonomischem Protest besaß, konnte es kaum verwundern, daß es während der Versorgungskrise 1816/17 sowohl in Norddeutschland als auch in den übrigen deutschen Staaten ruhig © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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blieb; die gerade erst restaurierte Autorität des Staates und die noch intakte protesthemmende soziale Kontrolle einer Gesellschaft, deren große Bevölkerungszunahme erst allmählich spürbar wurde, schränkten den offenen Ausbruch sozialer Konflikte ein.5 Erhebliche Bedeutung für wirtschaftlich motivierten Protest in den 1840er Jahren besaßen die Aktionen der Eisenbahnbauarbeiter, die sich aus städtischen und ländlichen Unterschichtenangehörigen mit einer teilweise handwerklichen Ausbildung und einem dadurch geprägten Erfahrungshorizont zusammensetzten. Ohne die Ehrbarkeit eines Standes und zünftigen Handwerksberufs konnten sie von einer Restauration traditioneller Zunftstrukturen nichts erwarten; entsprechend ihrer sozialen Lage, die durch das Von-der-Hand-in-den-Mund-leben bestimmt war, richteten sie ihren Protest auf unmittelbare Erleichterungen am Arbeitsplatz und die Erhaltung einer als gerecht empfundenen Relation zwischen ihrem Arbeitsaufwand, ihrem Lohn und den Lebensmittelpreisen.
2.2. Zunftkonflikte Proteste um zünftige Angelegenheiten traten nach 1835 bis zum Beginn der 1840er Jahre häufiger auf als vorher und nachher. Ein wesentlicher Grund für eine solche Verteilung bestand darin, daß auf Anregung Sachsens der Deutsche Bund die Handwerksverbindungen intensiver in seine Reaktionspolitik einbezog, da sie ihm als revolutionäre Vereinigungen mit einem die einzelstaatlichen Grenzen überschreitenden Verschwörernetz erschienen. Da ein Teil der Zunftkonflikte sich auf die Wettbewerbsordnung bezog und damit langfristig-strukturelle Ursachenaspekte besaß, könnten die Zunftproteste 1835-1844 als ein Indiz für die in den 1830er Jahren zweifellos spürbare Strukturkrise des Handwerks angesehen werden; allein die Hauptträger der Aktionen, die hansestädtischen Maurer, und deren Motive verwiesen auf spezifische Bedingungen in Bremen und Hamburg und deuteten keineswegs das tatsächliche Ausmaß der sozialen Probleme und Spannungen an. Diese schlugen sich nicht annähernd quantitativ in entsprechenden handwerklichen Protestaktivitäten nieder. Bemerkenswert war, daß die Zunftkonflikte nach 1843 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums aufhörten und von kurzfristig-konjunkturell verursachtem Protest absorbiert wurden, der mit der rapiden Verschlechterung der Lebenslage breiter Bevölkerungsschichten erheblich anwuchs, nachdem er von der Mitte der 1830er Jahre bis in die 1840er Jahre bedeutungslos geblieben war.
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2.3. Ordnungskonflikte Für das vormärzliche Protestbild Norddeutschlands spielte insgesamt Konflikt über Ordnungsvorstellungen der Obrigkeit auf verschiedenen Ebenen eine dominierende Rolle. Abgesehen von den Jahren 1835/39 waren die meisten Kollektivaktionen diesem Ursachenbereich zuzuordnen. Entsprechend der Gesamtentwicklung lag der absolute Höhepunkt auch beim Ordnungskonflikt in den Jahren 1830-34, nämlich in einer Zeit der Lockerung staatlicher Autorität. Vor allem in Braunschweig erwies sich der Staat im September 1830 als handlungsunfähig und bedurfte zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung der Unterstützung bürgerlicher Schichten. Die Bereitschaft der staatlichen und kommunalen Obrigkeiten im Herbst jenes Jahres, den Wünschen nach Unterstützungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nachzukommen, bildete einen Erfahrungshintergrund für die städtischen Unterschichten, der dazu verführte, den aktionistischen Protest als erfolgversprechend einzuschätzen. Die allmähliche Restauration staatlicher Autorität seit Winter 1830/31 wurde nach ›Versuch und Irrtum‹ im Laufe des Jahres 1831 zum Teil unter erheblichen sozialen Kosten erfahren. Der größte Teil der Ordnungskonflikte zwischen 1837 und 1840 stand in Zusammenhang mit dem Hannoverschen Verfassungskonflikt. Vor dem Hintergrund der liberalen Opposition zeigte die Regierung des Königreichs eine große Sensibilität für Protest, als der nahezu jegliches abweichendes Verhalten - durch Revolutionsfurcht verzerrt - interpretiert wurde. Gerade in solchen Situationen akzeptierte oftmals die Bevölkerung das Eingreifen von Ordnungskräften nicht als angemessen. Wesentlichen Anteil an der Häufigkeit von Ordnungskonflikt im Königreich Hannover hatte außerdem studentischer Protest in Göttingen, wo spezielle universitäre Ordnungskräfte über das mit besonderen Maßstäben gemessene studentische Betragen wachten. Lästige Eingriffe von Universitätspedellen und Polizisten in das studentische Alltagsleben empfanden die Kommilitonen im Gefühl ihrer sozialen Überlegenheit nicht selten als völlig unakzeptabel und führten oft zu schweren Auseinandersetzungen, deren Schärfe durch das ausgeprägte Gruppenbewußtsein der Studierenden mitgeprägt wurde.6 Aus dem hanseatischen Selbstbewußtsein und dem Negativimage der Polizei und des Militärs resultierte in Hamburg ein intensives Spannungsverhältnis zwischen allen Bevölkerungsschichten einerseits und den professionellen Ordnungshütern andererseits, was zu einem großen Teil die Häufigkeit der dortigen Ordnungskonflikte erklärte. Vor allem die Handwerksgesellen faßten das polizeiliche oder gar militärische Eingreifen in zünftige Angelegenheiten als eine unerträgliche Einmischung auf, gegen die ein aktiver Widerstand nicht nur gerechtfertigt, sondern zur Ehrenrettung geradezu verpflichtend erschien. Insgesamt vermittelte der Ordnungskonflikt den Eindruck, daß die Be199 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
reitschaft unter vormärzlichen Gesellschaftsgruppen sehr ausgeprägt war, das kollektiv empfundene Ehr- und Standesbewußtsein und die eigenen Ansprüche auf eine Selbstbestimmung in der Sphäre des Alltags zu verteidigen. Vor diesem Hintergrund lauerte ein Konfliktpotential nahezu überall und zu jeder Zeit, das lediglich eines entsprechenden Auslösers bedurfte, um sich in gemeinschaftlichem Protest zu manifestieren.
2.4. Antijüdische Ausschreitungen Die begrenzte Anzahl antijüdischer Ausschreitungen darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre Wirkung als psychologischer Schock auf bürgerliche Kreise anhaltend und tiefgreifend war. Vor allem die ›Hep-Hep‹-Unruhen von 1819 bildeten nicht nur einen bedeutenden Einschnitt in den allmählich voranschreitenden Emanzipationsprozeß der Juden in Deutschland, sondern erschütterten auch den bürgerlich-liberalen Fortschrittsoptimismus, der solche Aktionen einer längst vergangenen und überwunden geglaubten Epoche zugehörig wähnte. Der antijüdische ›Volkszorn‹ wurde von Gegnern wie Befürwortern der Judenemanzipation als gewichtiges Argument benutzt und bedrohte ihren Fortgang. Die Ausschreitungen der Jahre 1819, 1830 und 1835 in Hamburg, der einzigen norddeutschen Stadt mit einem absolut und relativ bedeutenden jüdischen Bevölkerungsanteil, stellten ebenso wie ein Teil der Handwerksproteste eine Reaktion derjenigen sozialen Schichten dar, die sich von der fortschreitenden Auflösung der traditionellen Gesellschaftsstrukturen besonders betroffen fühlten. Die Lebensmittelteuerungen und wirtschaftlichen Depressionsphasen sowie die spürbare Strukturkrise des Handwerks steigerten die allgemeine Beunruhigung um jede Konkurrenz und verstärkten Lageinterpretationen, in denen die Juden zum Symbol einer ungeliebten, bedrohlichen anderen Gesellschaft wurden, deren einzige Profiteure sie zu sein schienen. Standeslos, unehrlich, wucherisch, betrügerisch galten als Merkmale der jüdischen Händler und Gewerbetreibenden. Neben der Teuerung und Not als 1819 und 1830 mitauslösende Faktoren bestimmten Gruppenrivalität und Fremdenhaß als typische Bestandteile der Unterschichtenkultur die antijüdischen Ausschreitungen. In diesem Zusammenhang waren auch folkloristische Elemente unübersehbar: Viele Teilnehmer betrachteten solche Ausschreitungen »von der belustigenden Seite«.7 Schlägereien und Sachzerstörungen, wie sie sich mehrere Tage hintereinander im Anschluß an die Erbitterung jüdischer Gäste über besondere Preisaufschläge in der Hamburger Alsterhalle 1835 ereigneten, boten zudem willkommene Möglichkeiten zur Stärkung des sozialen Selbstwertgefühls und des kollektiven Gruppenbewußtseins.8 200 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
2.5. Politischer Protest Nach Ordnungskonflikten und wirtschaftlich verursachten Protesten besaß etwa ein Fünftel der registrierten Protestfälle einen verfassungspolitischen Ursachenhintergrund, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf der Ausgestaltung des einzelstaatlichen Verfassungssystems lag. Die Verfassung des Deutschen Bundes veranlaßte dagegen lediglich in einem Falle Studenten aus Göttingen zum Protest gegen eine allzu fürstenfreundliche Stellungnahme; außerdem gehörte sie zum Ursachenbündel, auf das die Osteroder Advokaten König und Freytag durch Mobilisierung der Bürger im Königreich Hannover Einfluß zu nehmen hofften. Wurde die Restauration der vornapoleonischen Verfassungsverhältnisse noch nahezu widerspruchslos akzeptiert, so machte sich in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre vor allem in Braunschweig, wo ein intransigenter Fürst die Verfassung umging, und in Hannover, dessen einflußreicher Adel eine bürgerliche Emanzipation verhinderte, wachsender Unmut über die Verteilung und Ausübung der politischen Macht bemerkbar, der sich ab Herbst 1830 unter dem beispielgebenden Einfluß der Ereignisse von Paris, Brüssel und bald auch in deutschen Staaten in kollektivem Protest äußerte. Abgesehen von Oldenburg, wo über den petitionistischen Weg auf Verfassungszugeständnisse gedrängt wurde, kam es in den norddeutschen Flächenstaaten zu kurzen, heftigen Erschütterungen der politischen Systeme, die zunächst personelle Veränderungen an der Spitze der Staaten unmittelbar zur Folge hatten; nach längeren Verhandlungen traten darüber hinaus in Braunschweig und Hannover konstitutionelle Verfassungen in Kraft. Dagegen entwickelte sich die politische Bewegung in den Hansestädten während dieser Jahre unterschiedlich: in Bremen führte die öffentliche Verfassungsdiskussion auf dem institutionellen Weg über den Konvent zu Verfassungsverhandlungen mit dem Senat, von denen ein kurzfristiger Beruhigungseffekt ausging, ohne daß sie materielle Veränderungen bewirkten. Dazu trat die heftig umstrittene Wehrpflichtfrage, die nach 1832, besonders 1841, den politischen Protest hervorrief, der das Verfassungssystem einbezog. In Hamburg nutzten bürgerliche Kräfte die kurzzeitige Schwächung des politischen Systems durch schwere antijüdische Ausschreitungen nicht zur Durchsetzung ihrer politisch-partizipatorischen Forderungen. Die Integrations- und Partizipationsbestrebungen der Vorstädte manifestierten sich erst 1831 in Protestaktionen, denen zwei Jahre später bedingt Rechnung getragen wurde. Erneuten Auftrieb erhielt verfassungspolitischer Protest schließlich nach der die Autorität des Senats fundamental in Frage stellenden Brandkatastrophe von 1842. Auf dem petitionistischen Weg wurde bis zu den Märzereignissen 1848 von politischen Vereinen, vor allem der Patriotischen Gesellschaft, der Senat um Verfassungsänderungen ersucht. Die auffällige Häufung von Verfassungsprotest im Königreich Hannover verdeutlicht die Bemühungen der überwiegend liberalen bürgerlichen Kräf© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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te, die von Ernst-August 1837 selbstherrlich vollzogene Aufhebung des Staatsgrundgesetzes rückgängig zu machen. Ohne diese Vorgänge wären die Jahre nach 1831/32 arm an politischem Protest gewesen, weil einerseits bedeutende Verfassungsänderungen erkämpft und zugestanden worden waren, andererseits aber der Deutsche Bund, der 1830 zunächst ganz auf einer Sicherung der deutschen Westgrenze gegen das revolutionäre Frankreich bedacht war, seine Reaktionspolitik verstärkte. Nachdem die Gefahr eines erneuten Revolutionskrieges abgewendet worden war, konnte er sich verstärkt der restriktiven Absicherung des Status quo im Innern und dem Kampf gegen das politische Emanzipationsstreben und die revolutionäre Verschwörung‹ widmen, der die politische Bewegung dieser Jahre einengte. Die einzelstaatlichen Verfassungsbestrebungen standen vielfach in enger Verbindung mit kommunalen Partizipationswünschen. So fühlten sich die Bürger Göttingens beispielsweise in der Frage der Kommunalverfassung hinter anderen hannoverschen Städten zurückgesetzt, was zweifellos zur großen Anfangssolidarität mit dem revolutionären ›Gemeinderat‹ und seinen verfassungspolitischen Vorstellungen beitrug. Zwar stimulierte die Kommunalverfassungsfrage den Protest, doch konnte schnelles obrigkeitliches Entgegenkommen in diesem Bereich zur Beruhigung der Lage und zur Entlastung von politischem Reformdruck im Sinne der Regierungen beitragen; eine Taktik, die der Großherzog von Oldenburg versuchte.
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3. Manifestationsbedingungen 3.1. Das Potential an Einwohnern, Repressionskräften und Objekten in den Protestorten Der kollektive Protest im Vormärz war primär ein städtisches Phänomen. Im Lebensbereich von weniger als 20 v. H. der Bevölkerung ereigneten sich insgesamt etwa 80 v.H. der Protestfälle. Dabei ragte mit 37 Protesten die bevölkerungsreichste Stadt des Untersuchungsgebietes - Hamburg - heraus, gefolgt von Bremen mit 16 Fällen. In der Protesthäufigkeit deutlich dahinter rangierten Hannover mit 8 und Braunschweig mit 7 Protestaktionen. 9 Dieser Befund hätte Zeitgenossen kaum überrascht, galt ihnen doch die Stadt als ein Ort vielfältiger moralischer Gefährdungen, wo die Kriminalität zur Alltagswelt verwahrloster Massen gehörte. Zwar widersprachen städtische Behörden dieser Einschätzung nicht grundsätzlich, doch kam in der Regel für sie alles Übel mit dem Zustrom der Auswärtigen, die, wie sie klagten, in zu großem Umfang und ohne Überprüfung ihrer moralischen Qualitäten in die Städte aufgenommen würden. Vielfach fänden diese Zuwanderer dann keine Arbeit und bildeten so ein gefährliches Unruhcpotential. 1 0 - In rudimintärer Form wurde hier bereits der Kern der von der Modernisierungsforschung in den 1960er Jahren geprägten Urbanisierungsthese formuliert, die einen Zusammenhang zwischen absolutem und relativem Wachstum der städtischen Population und der Protestanfälligkeit postuliert: rapide städtische Bevölkerungszunahme, vor allem als Ergebnis von Zuwanderung aus dem ländlichen Raum, untergräbt die traditionellen Werte und Normen einer Gesellschaft sowie ihre sozialen und politischen Orientierungen, woraus Entfremdung und Anomie als bedeutsame Prädisponierung für Protest resultieren.11 Wenngleich eine methodisch befriedigende Korrelation zwischen Urbanisierung und Protesthäufigkeit flächendeckend für das Untersuchungsgebiet allein schon wegen der statistisch nicht mehr relevanten Anzahl von Protestfällen in einigen Regionen nicht möglich ist, erscheint die Konzentration von Protest in den vier genannten Städten doch als zu bemerkenswert, um als zufällig abgetan werden zu können. Ein Vergleich der relativen Bevölkerungszunahme mit der Protesthäufigkeit bietet allerdings kaum Anhaltspunkte für das Urbanisierungspostulat. Eine ganze Reihe vor allem kleinerer Städte wies ein größeres relatives Wachstum bei überwiegend fehlendem kollektiven Protest auf als beispielsweise Hamburg. Aber eine 203 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Liste der Städte, die 1848 über 5000 Einwohner besaßen und zwischen 1821 und 1848 um mehr als 2000 Einwohner zunahmen, zeigt Hamburg, Bremen und Hannover mit jeweils weit über 10000 Menschen Bevölkerungszunahme deutlich auf den ersten drei Plätzen sowohl bei der Protesthäufigkeit als auch dem städtischen Wachstum. Tab. 3: Städtisches Bevölkerungswachstum und Protestaktivität Stadt2
Hamburg Hannover Bremen
absolute Bevölkerungszunahme 1821-1848
Anzahl der Protestfälle
ca. 35000 ca. 16000 ca. 14000
37 8 16 61
Zwischensumme Braunschweig Oldenburg Celle Hildesheim Stade
5100 5100 3600 2800 2200
7 — 1 3 2 74
Gesamt
a) Die Liste umfaßt alle die Städte des Untersuchungsgebietes, die 1848 über eine Einwohnerzahl von mindestens 5000 verfügten und zwischen 1821 und 1848 um 2000 und mehr Einwohner zugenommen hatten. - Quelle für die niedersächsischen Städte G. Uelschen, Die Bevölkerung in Niedersachsen 1818-1955, Hannover 1966; für Bremen und Hamburg siehe Kraus, S. 30ff.; Schaefer, S. 35ff.
Gewissermaßen paradigmatische Züge im Sinne der Urbanisierungsthese wies Hamburg auf, wo mit Abstand das höchste absolute Bevölkerungswachstum und die weitaus größte Zahl von Protesten stattfanden. Im Vergleich mit der zweitgrößten Stadt des Untersuchungsgebietes, Bremen, wo die geringere Bevölkerungszunahme zu etwa zwei Dritteln durch Geborenenüberschuß erreicht wurde, resultierte die Zunahme Hamburgs zu ca. drei Vierteln aus Wanderungsgewinn. Darüber hinaus zeichnete sich das Bevölkerungsgeschehen der Eibhafenstadt durch zum Teil beachtlich höhere Raten bei Eheschließungen, Geborenen und Gestorbenen sowie unehelich und tot Geborenen aus.12 Was sich hinter solchen demographischen Merkmalen allerdings an konkreten sozialen Problemen verbarg, bedarf noch intensiver Erforschung, sollen die unterschiedlichen Abstraktionsebenen von Urbanisierungsprozessen und konkretem Protesthandeln sinnvoll ver204 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
mittelt werden. Verstädterung als quantifizierendes Konzept allein informiert beispielsweise nicht darüber, daß sich in der Hansestadt nach Antje Kraus etwa 60 v.H. der Bevölkerung in einer drückenden ökonomischen Lage befanden und weitere 20 v.H. gar in »knappen wirtschaftlichen Verhältnissen« lebten.13 Die Auswirkungen der Unzulänglichkeit der Wohnverhältnisse bei steigendem Mietzins, Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit sowie fabrikmäßiger Produktion und Konkurrenz oder der Teuerung in Mißerntejahren lassen sich allenfalls erahnen und gehen nicht systematisch in den Urbanisierungsansatz ein. Selbst als sehr grober Indikator ist die Tauglichkeit von Urbanisierungsdaten nur begrenzt, können sie doch ein städtisches Schlaraffenland von einem Elendsquartier nicht qualitativ unterscheiden. Gleichwohl weist dieser Ansatz in die Richtung, in der nach zureichenden Erklärungen für kollektives Handeln und nach sozialen Bestimmungsfaktoren für Lebenslagen zu forschen ist.14 Ähnliche Gewichtungs- und Interpretationsprobleme ergeben sich bei einer Auswertung der Zahlenangaben für gemeldete Fremde in Hamburg, die oberflächlich das Urbanisierungsargument stützen. Der Polizeiherr registrierte im Jahrfünft von 1831 bis 1835 jährlich im Durchschnitt 15000 Fremde; für 1836 bis 1840 wuchs ihre Zahl bereits auf über 23000 und stieg 1841 bis 1845 auf 36000 an. Ihren vormärzlichen Höhepunkt erreichte die Fremdenzahl 1847 mit 62400.15 Wieviele von diesen ›Fremden‹ aus handelsgeschäftlichen Gründen im weiteren Sinne in die Hansestadt kamen, ist ebenso wenig bekannt, wie der vermutlich beträchtliche Anteil von Arbeitsuchenden, deren berufliche Qualifikationen und soziale Beziehungen zu nicht urbanen Lebenswelten gerade für eine Abschätzung des Protestpotentials bedeutsam wären. Im Protestgeschehen der Hansestadt selbst taten sich ›Fremde‹ oder ›Auswärtige‹ lediglich bei den zünftig motivierten Aktionen der Maurergesellen hervor, wo sie über eine starke traditionelle Organisation verfügten und entsprechend dem Angewiesensein des städtischen Bausektors auf ihre qualifizierte Arbeit eine hohe Konfliktfähigkeit besaßen. Ansonsten beschränkte sich die Beteiligung Auswärtiger an Protest weitgehend auf die Objektrolle, nämlich vorwiegend als ein lästiger Konkurrent um knappe Arbeitsgelegenheit. Im stärkeren Maße als für zünftige galt dies für unzünftige Arbeitsuchende, die von einheimischen Handwerkern zudem als Bedrohung der eigenen Respektabilität und des sozialen Status empfunden wurden. Während des Großen Brandes waren es dann die Engländer, die als Träger der unzünftigen, maschinellen Produktions- und neuen Transportmethoden den kollektiven Protest erlitten. In diesem Motivationsbündel aus Angst vor Konkurrenz, Statusbedrohung und Fremdenhaß waren z. Τ. auch Antriebe zu antijüdischen Ausschreitungen enthalten. Zugespitzt formuliert, scheinen durch ›Fremde‹ die sozialen Probleme und Spannungen vor allem in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Versorgung verschärft worden zu sein, worauf Einheimische teilweise mit Protest reagierten.16 205 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Doch dürfen derartige Konstellationen im Ursachenbereich in ihrer Bedeutung für die konkrete Artikulierung von Unzufriedenheit in Protest nicht überschätzt werden. Gerade ein skizzenhafter Stadt-Land-Vergleich macht auf das entscheidende Gewicht der Manifestationsbedingungen für das Protesthandeln aufmerksam. Offensichtlich bot die Lebenswelt der Stadt - vor allem der Großstadt - Bedingungen, die kollektiven Protest entscheidend begünstigen. Allein bereits die an einem Ort konzentrierte Bevölkerung als Protestpotential und die Möglichkeiten der sozialen Kommunikation im ›face to face‹ Kontakt auf Straßen und Marktplätzen sowie in Gasthäusern stellten städtische Manifestationsvorteile dar gegenüber den engen Mobilisierungsgrenzen des Dorfes oder gar der regional vorherrschenden Streusiedlung, zu deren Überwindung es organisatorischer Anstrengungen - zumindest der Verabredung - bedurft hätte. Zudem bestanden mit den Zünften in der Stadt traditionelle Organisationen, die für Protestzwecke ›umgenutzt‹ werden konnten. Ihre Bedeutung für den zünftigen Gesellen, den sie in seiner ganzen Person vom Eintritt ins Berufsleben bis zu seinem Tod zu umfassen trachteten, wurde teilweise durch die zunehmende Ausgliederung des Gesellen aus dem Meisterhaushalt als einer wichtigen Instanz sozialer Kontrolle in einem zentralen Bereich der traditionellen Gesellschaft erhöht. Die Ablösung des Meisterhaushalts durch die Herberge stärkte zweifellos assoziative Tendenzen unter den Gesellen.17 Noch größer als in der handwerklichen Lebenswelt schien der Verlust an sozialer Kontrolle 18 gegenüber den Unterschichten gewesen zu sein, die den Rahmen eines Standes der Armut früherer Jahrhunderte sprengten. Der Bevölkerungsumfang einer Großstadt erlaubte ein gegenseitiges Sich-Kennen nicht mehr, das als ein Verhaltensregulator hätte wirken können. Das Schwinden traditionell ständischer Einbindungen steigerte die Anonymität und ließ das persönliche Risiko für eine Teilnahme an kollektiven Protestaktionen sinken. Obgleich Armut und soziales Elend, Wohnungsnot und Unterbeschäftigung auf dem Lande ebenfalls in großem Umfang existierten, tendierten die integrativen Kräfte der gemeinsamen dörflichen Lebens- und Arbeitswelt, zum Teil sogar noch die Interessen an kollektivem Besitz, dazu, die sozialen Spannungen zu überdecken. Die bäuerliche Familienstruktur band trotz ihrer unübersehbaren Auflösungserscheinungen die unterbäuerliche Schicht weitgehend ein; deren Abhängigkeit vom Bauern und Grundbesitzer blieb existenziell. Offenes Protestverhalten war unter solchen Bedingungen mit einem entsprechenden Risiko behaftet. Das offensichtlich noch effektiv funktionierende System informeller Kontrolle schien andererseits zeitweise die individuelle Sozialkriminalität bis zu einem gewissen Grad zu tolerieren bzw. informell zu sanktionieren. Zudem existierte auf dem Lande traditionell eine Vielzahl von Verweigerungsformen mit geringem Risiko. 19 Gegenüber den traditionellen, informellen dörflichen Kontroll- und Sanktionsformen war die formale Kontrolle städtischer und staatlicher Obrigkeiten wenig effektiv. In Augenblicken befürchteter oder eingetretener 206
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Unruhe sahen sie sich veranlaßt, in Tumultmandaten die alten hausherrlichen Gewalten hilfesuchend zur Wahrnehmung sozialer Kontrolle aufzurufen. So sollten die Hauswirte über ihre Hausbewohner, die Eltern, Schullehrer und Herrschaften über ihre Kinder, Schüler und ihr Gesinde sowie die Fabrikherren und Handwerksmeister über ihre Arbeiter, Gesellen, Lehrlinge und Tagelöhner wachen. Die häufige Wiederholung derartiger Appelle mochte bereits auf ihre Wirkungslosigkeit in einer sich dekorporierenden Gesellschaft hindeuten, ein Prozeß, der zum Beispiel im Handwerk auch durch das Postulat des Gesellenwohnens beim Meister in manchen vormärzlichen Handwerks- und Gewerbeordnungen nicht aufzuhalten war. In von einem Staat zum anderen unterschiedlichen Ausmaßen trug die Gesetzgebung bewußt gerade zur Auflösung dieser traditionellen Formen und Institutionen der sozialen Kontrolle bei, deren der auf den Ausbau seines Machtmonopols bedachte Staat in Zeiten der Krise offenbar noch bedurfte. Selbst der Hamburger Senat, der mit der Polizei, dem Militär und dem Bürgermilitär etwa ein Zehntel seiner Gesamtbevölkerung als Repressionspotential aufbieten konnte, glaubte in akuten Protestsituationen, nicht auf die alten hausherrlichen Gewalten bei der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung verzichten zu können.20 Wie eine Vielzahl von Protestfällen zeigte, war ein derartiges Mißtrauen gegenüber der Repressionswirkung von Ordnungskräften durchaus angebracht; denn statt die Protestaktivitäten wirksam einzudämmen, forderte das Auftreten und die Gegenwart vor allem des Militärs die Neugierde und Sensationslust der Bevölkerung heraus, was häufig erst Anlaß zu weiteren Ordnungskonflikten gab. 21 So ist es keineswegs verwunderlich, daß sich ein erheblicher Teil des Protestgeschehens in solchen Städten abspielte, wo alle drei Ordnungsformationen als Repressionspotential zur Verfügung standen.22 Angesichts der Protesthäufigkeit in den Hauptstädten Hannover und Braunschweig sowie den Hansestädten war es kaum verwunderlich, daß solche Städte mit Oberbehörden als Objektpotential einen Anteil von nahezu der Hälfte an den Protestfällen zu verzeichnen hatten. Dagegen entfiel auf neunzehn Städte mit Mittelbehörden in den Flächenstaaten nur knapp ein Zehntel der Protestaktionen, obwohl sie großenteils mit traditionellen Herrschaftszentren indentisch waren, auf die sich das öffentliche Leben gewohnheitsmäßig ausrichtete. Im Protestbild stark unterrepräsentiert waren die vielen vorwiegend agrarisch strukturierte Orte mit Unterbehörden als Verwaltungsfunktion und meistens zwischen 1000 und 5000 Einwohnern. Während hier immerhin noch etwa zwei Zehntel der Proteste stattfanden, war es in Orten mit unter 1000 Einwohnern nur noch ein Zwanzigstel. Dieser Befund sollte allerdings nicht dazu verführen, dem Objektpotential im Entstehungsprozeß kollektiver Aktionen ein zu großes Eigengewicht beizumessen; denn die Form sozialer Kontrolle und die lokale Objektstruktur bedingten sich weitgehend. Inwieweit schließlich die unterschiedliche administrative Durchdringung den zeitgenössischen publizistischen und 207 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
den späteren archivalischen Niederschlag von Protesten bestimmte, muß offen bleiben, tendierten doch die lokalen Offizianten dazu, sich als Herr der Situation in ihrem Amtsbereich, der als ruhig und konfliktarm gelten sollte, darzustellen. Zudem herrschte gerade auf den Dörfern eine Art kollektiver Gemeindeehre, die möglicherweise das heute verfügbare Informationsniveau über kollektive Aktion in statistisch relevantem Maße beeinflußte. Ob außerdem in dem hier verwandten Protestbegriff selbst eine Ursache der Stadt-Land-Verteilung zu suchen ist, kann ohne weitere Forschungen über ländliches Konfliktverhalten nicht mit wünschenswerter Sicherheit entschieden werden. Zusammenfassend lassen allein die sozialen Träger von Protest und ihre Motive die von der Entwurzelungsthese unterstellten engen Zusammenhänge zwischen dem städtischen Bevölkerungswachstum und der Protesthäufigkeit als fraglich erscheinen. Bestenfalls mögen die Zugewanderten die sozialen Probleme der Stadt verschärft und den Stadtbewohnern Anlaß gegeben haben, sie verstärkt im Angesicht der Fremden zu empfinden, allein beim Protest taten sich Entwurzelte nicht sonderlich hervor. Größeres Gewicht als die Urbanisierung besaß für das Entstehen von Protest zweifellos die Urbanität. Die Stadt als Lebenswelt bot für eine gemeinschaftliche Artikulierung von Unzufriedenheit günstige Voraussetzungen: Hier gab es zahlreiche öffentliche Gebäude; viele Menschen auf engem Raum sicherten einerseits erhöhte Anonymität und ermöglichten andererseits ein hohes Maß alltäglicher Kommunikation. Zudem bestanden mit Vereinen und Zünften organisatorische Strukturen, die für eine Protestmanifestation Bedeutung erlangen konnten. Im Vergleich mit der dörflichen Lebenswelt herrschte ein geringes Maß an sozialer Kontrolle. Ihr Schwinden in der Großstadt war keineswegs, wie die Entwurzelungstheorie annimmt, eine direkte Ursache von Kollektivprotest, sondern gehörte zu seinen Manifestationsbedingungen. Ihnen kam für das Entstehen einer Protestsituation und den Ausbruch von Gemeinschaftsprotest eine eigenständige Bedeutung zu. Die Ursachen zur Unzufriedenheit gab es überall in Stadt und Land, ihre Verdichtung zu Protest aber war an die lokalen Manifestationsbedingungen geknüpft, die kollektives Protesthandeln begünstigen oder behindern konnten.
3.2. Psychologische Faktoren Neben den strukturellen Gegebenheiten müssen in die Analyse der Manifestationsbedingungen einige psychologische Faktoren einbezogen werden. So ging in die Situationsdefinition durch potentielle Demonstranten deren Protesterfahrung ein, die sie möglicherweise bei früheren Aktionen hatten sammeln können. Eine abgesicherte, brauchbare Datenmenge konnte hier208
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für jedoch ebensowenig wie für den Demonstrationseffekt, der von anderen Protestaktionen in der Umgebung ausging, ermittelt werden, obwohl ihnen große Bedeutung zukam. Ohne sie bliebe beispielsweise der Ausbruch und der Verlauf der Krise von 1830/31 in Braunschweig und Hannover kaum zureichend erklärbar. Solche Faktoren allein führten jedoch kaum zu Protest, wenn nicht ein die Spannungen verschärfender Anlaß hinzutrat, der das Bewußtsein anregte und erhöhte Handlungsbereitschaft mobilisierte. Die Anlässe wiesen im Vormärz - von wenigen Ausnahmen abgesehen einen spezifischen Bezug zu den Protestursachen und -zielen auf, der der Obrigkeit die Möglichkeit eröffnete, das Entstehen von Gemeinschaftsprotest in begrenztem Umfang zu manipulieren. Wenn nämlich z. Β. in Zeiten angespannter Versorgung die Kornabfuhr einen wichtigen Anlaß für Teuerungsprotest darstellte, konnte ein Ausfuhrverbot die Chance seines Auftretens vermindern. Gleiches galt für öffentliche Kornverkäufe oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Der grundsätzliche Zusammenhang der Entstehung von Protest mit den aktuellen Anlässen schlug sich 1830 in der Entscheidung des Bremer Senats nieder, seinen Ordnungskräften zurückhaltendes Benehmen aufzuerlegen; auf diese Weise sollte der Ausbruch von Ordnungskonflikt eingeschränkt werden. Bedeutender mobilisierender Effekt ging auch von Gerüchten aus, die eine an sich unklare Situation definierten und Befürchtungen oder Haßgefühle bestätigten. Nicht selten weckten sie Neugier bei Unbeteiligten, die daraufhin an Protesthandeln teilnahmen oder zumindest durch ihre Anwesenheit am Protestort das Unruhepotential in einem die Ordnungskräfte beunruhigendem Maß erhöhten; wie die blutigen Unruhen auf dem Hamburger Berg 1830 zeigten, unterschieden Polizei und Militär bei ihrer Gewaltanwendung kaum zwischen dem aktiven Kern und der neugierigen Kulisse. Nicht zuletzt beeinflußte Alkohol die Handlungsdisposition; besonders Ordnungskonflikte entsprangen oft einer Fehleinschätzung der Situation infolge von Alkoholgenuß. 23
3.3. Der Zeitpunkt des Protestbeginns In enger Verbindung mit den Anlässen von Protest stand der Zeitpunkt seines Beginns. Nicht zu jeder Tageszeit, an jedem Wochentag und zu jeder Jahreszeit war eine gleich hohe Wahrscheinlichkeit des Auftretens spezifischer Anlässe gegeben. So bestand vermutlich an arbeitsfreien Sonntagen weniger Anlaß zu Teuerungsprotest und Arbeitsniederlegungen als an Markt- oder normalen Wochentagen. Umgekehrt dürfte das Potential für solche Proteste, für die die Abkömmlichkeit der Träger vom Arbeitsplatz 209 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
eine wesentliche Voraussetzung darstellte, an arbeitsfreien Tagen höher als an Wochentagen gewesen sein. Tab. 4:
Der Zeitpunkt des Protestbeginns Anzahl der Falle absolut in %
Wochentag des Protestbeginns Samstag Sonn- und Feiertag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag
24 13 20 10 13 11 14 105
Gesamt
22,9 12,4 19 9,5 12,4 10,5 13,3 100
Basis: 105 von 138 Fällen aktionistischen Protests Informationsdichte: 76
Die Bedeutung der Abkömmlichkeit potentieller Teilnehmer für aktionistischcn Protest unterstreicht die Häufigkeit der Protestaktionen an Wochenenden, an denen sich über 35 v.H. der Fälle ereigneten. Dabei war der Sonntag noch vergleichsweise protestarm. Die herausragende Rolle des Samstags und des Montags verweist auf das Gewicht besonderer Manifestationsbedingungen an diesen beiden Tagen. Der Samstag als Löhnungstag, an dem die Arbeit früher als gewöhnlich eingestellt und das Wirtshaus und die Herberge besucht wurden, war ebenso ein wöchentlicher Höhepunkt des traditionellen Vergnügens und des entstehenden Freizeitverhaltens wie der Montag, an dem auch noch während des Vormärz die Gesellen zur Regelung ihrer zünftigen Angelegenheit zusammenkamen und ihre Trinkbräuche pflegten. An diesen beiden Tagen bestand eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit für Ordnungskonflikte, was den Obrigkeiten durchaus nicht verborgen blieb. So bereiteten beispielsweise die Hamburger Behörden Repressionsmaßnahmen im September 1830 aus der Überzeugung heraus vor, daß erfahrungsgemäß besondere Gefährdungen von Ruhe und Ordnung »hinsichtlich der Tagelöhner und anderer Handarbeiter in den Eigentümlichkeiten des heutigen Löhnungsabends, des morgigen Sonntags und des Montags« ihren Grund hätten.24 Im Unterschied zum Protest der Handwerksgesellen zeigten die Studentenaktionen keine besonderen Höhepunkte an bestimmten Wochentagen. Die Manifestationsbedingungen in der studentischen Lebenswelt waren offen210
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bar keinen Schwankungen des Abkömmlichkeitsgrades unterworfen. Abgesehen von Ordnungskonflikten war die Wahrscheinlichkeit von Protestanlässen, die von obrigkeitlichen Anordnungen und Maßnahmen ausgingen, keinem ausgeprägten wochentäglichen Rhythmus unterworfen. Gerade für Arbeitskonflikte besaß die Situation am Arbeitsplatz, in der Werkstatt oder auf der Großbaustelle, konstitutive Bedeutung. Das in diesem Bereich überwiegend angewandte Kampfmittel der Arbeitseinstellung mußte an arbeitsfreien Tagen seinen Sinn verlieren. Bemerkenswerterweise spielte die spezifische Marktsituation als Manifestationsbedingung von Protest eine insgesamt geringe Rolle, wenngleich sie beispielsweise von den Initiatoren des Göttinger Aufstandsversuches bewußt und, wie sich zeigte, mit Erfolg in ihre Planungen einbezogen wurde. Als recht eindeutig erwies sich die Präferenz der Demonstranten für den Abend als Zeitpunkt des Protestbeginns. Von 101 Fällen, für die eindeutig der Tagesabschnitt ermittelt werden konnte, ereigneten sich 62 im Schutze der Dunkelheit, die die Anonymität erhöhte und damit das persönliche Risiko der Teilnehmer senkte. Nicht zuletzt war auch wiederum die Abkömmlichkeit in den freien Abendstunden wahrscheinlicher als tagsüber. Dagegen konnten andere Proteste, wie Teuerungsunruhen auf Märkten oder auch Arbeitseinstellungen, wohl abends verabredet werden, in die Tat mußten sie jedoch tagsüber umgesetzt werden, weil ihre spezifischen Entstehungsbedingungen nur dann in ausreichendem Maße gegeben waren und ihre Konfliktmittel ihre volle Wirkung entfalten konnten. Obgleich aus Quellengründen nicht in die systematische Analyse einbezogen, konnten weitere Bedingungen für die Mobilisierung einer Protestformation von Bedeutung sein: Besonders stark frequentierte Plätze oder Straßen erleichterten es den Demonstranten, Sympathisanten zu aktivieren und Neugierige als schützende Kulisse zu interessieren; in Hamburg übernahm diese Funktion häufig der Jungfernstieg. Nicht zuletzt beeinflußte das Wetter die Bildung einer protestierenden Menschenmenge. Ein spektakuläres Beispiel dafür war der Frankfurter Wachensturm, dessen Initiatoren hofften, in der gewöhnlich lebhaften Umgebung der Hauptwache durch eine erstes Aufsehen erregende Aktion Neugierige und Aktivisten mobilisieren zu können. Bei regnerischem Wetter blieben jedoch viele Passanten zu Hause, so daß am 3. April 1833 das Protestpotential wesentlich kleiner als erwartet war. 25 Abgesehen von den Anlässen, die für die Protestmanifestation unumgänglich waren, ließ sich für die psychologischen Faktoren keine Reihenfolge der Bedeutsamkeit aufstellen. Günstige zeitliche, geographische und meterologische Bedingungen konnten Protest wesentlich erleichtern, ohne daß sie jedoch eine unabdingbare Voraussetzung für seine Manifestation darstellten.
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4. Die Konfliktparteien 4.1. Die Protestpartei 4.1.1. Strukturmerkmale der Protestmenge Für die Obrigkeit und unkritische Zeitgenossen im Vormärz galt es als gewiß, daß Ruhestörer nur aus Randgruppen oder dem »Abschaum« der Gesellschaft kommen konnten. Typisch für diese Grundhaltung war die Meinung der Hamburger Bürgergardenführung 1830: Träger des »Unfugs« seien Frevler, Vagabunden, Sträflinge des Zucht- und Spinnhauses, Taugenichtse, Straßenjungen und Gesindel.26 Das waren die Bestandteile der »Hefe des Volkes«, die vom lesenden Publikum gemeinhin geringschätzig als anonymer »Pöbel« bezeichnet wurde. Ein grober Überblick über vormärzlichen Protest verdeutlicht bereits, daß die Bedeutung einer solchen diffusen, sozial nicht näher differenzierbaren Menge durchaus begrenzt war; lediglich auf dem Protesthöhepunkt um 1830 dominierte sie kurzzeitig. Ansonsten beherrschten spezifische Gruppen das Protestgeschehen, in dem seit 1830 in geringem Umfang auch die strukturierte Menge erkennbar war. 27 Tab. 5: Die Struktur der Protestmenge Struktur der Menge
Zeitraum 1815-19
1820-29
1830-34
Gesamt
3
2
26
6
11
48
6
5
7
18
1835-39 1840-47/48
diffuse Menge struktur. Menge spezif. Gruppen
12
7
19
10
20
68
Gesamt
15
9
51
21
38
134
Basis: 134 von 138 Fällen aktionistischen Protests Informationsdichte: 97,1
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Eine Korrelation der Struktur der Protestmenge mit verschiedenen Ursachenbereichen des Protests zeigt, daß zwar die Arbeiter und Tagelöhner insgesamt am häufigsten am Ordnungsprotest beteiligt waren, sie sich jedoch als spezifische Gruppe und damit als alleiniger Träger solchen Protestes nur in vier Fällen engagierten. Allerdings muß bei diesem Befund relativierend eingeräumt werden, daß gerade bei dieser Art von Protesten für den zeitgenössischen Beobachter eine Unterscheidung zwischen Handwerkern und Arbeitern oft nur schwer möglich war. Die spezifische Gruppe der Arbeiter und Tagelöhner hatte den eindeutigen Schwerpunkt ihrer Protestaktivität mit 21 Aktionen im engeren Bereich der Arbeitswelt, sei es beim Deich- und Eisenbahnbau oder bei öffentlichen Arbeiten. Hier nutzten sie die von der Arbeitsorganisation vorgegebenen Strukturen zum Protest für eine angemessenere Entlohnung ihrer anstrengenden Arbeit; vor allem bei öffentlichen Arbeiten löste auch eine drohende Arbeitsverknappung ihre Aktion aus. Außerhalb der Arbeitsstelle fehlte ihnen offensichtlich zur selbständigen Artikulation ihrer Unzufriedenheit ein notwendiger organisatorischer Rückhalt. Eine diffuse Menge war ebenso häufig wie spezifische Gruppen bei Ordnungskonflikten aktiv, insbesondere während der Folgekrise von 1830/31. Außerdem veranlaßten kurzfristig-konjunkturelle Ursachen die Betroffenen oft, spontan und schichtenübergreifend zu protestieren. So wurden die Teuerungstumulte von 1830 und in den 1840er Jahren von diffusen Mengen getragen. Dabei zeichneten sich allerdings gewisse soziale Konturen ab: Bei zeitgenössischen Beobachtern fanden Frauen, Jugendliche und Kinder besondere Erwähnung; denn einkaufende Frauen wurden zuerst und primär mit Preiserhöhungen konfrontiert, auf die sie mit spontaner Solidarität reagierten. Kinder und Jugendliche unterstützten sie vielfach aus Übermut. Auch an den kollektiven Kartoffeldiebstählen 1847 beteiligten sie sich zahlreich. Die vorherrschende spezifische Gruppe im Vormärz bildeten die Handwerksgesellen, deren Berufsaussichten allgemein durch einen Überschuß an Arbeitskräften im Verhältnis zu den auskömmlichen Arbeitsgelegenheiten gekennzeichnet war. Daraus resultierte eine verschärfte Beobachtung der Zunftgerechtsame und ein nachhaltiges Präponderanzstreben unter einheimischen Gesellen. Dies gab ebenso Anlaß zu Protest wie die vielfältigen Bestrebungen zur Ausschaltung der Konkurrenz unzünftiger Handwerkund Gewerbetreibender und auswärtiger Arbeitsuchender. Darüber hinaus riefen obrigkeitliche Versuche, die Zunftordnung zu durchbrechen oder gar aufzulösen, den Widerstand der Zunftangehörigen hervor. Ebenfalls kollektiv protestierten sie, wenn die Obrigkeit oder ihre Meister versuchten, in die Autonomie der Zunft einzugreifen, die die Lebensführung des Handwerksgesellen umfassend prägte. Insgesamt bildeten die Handwerksgesellen die am häufigsten protestierende Gruppe des Vormärz. Dabei kam den Bauberufen eine herausragende Bedeutung zu, in denen seit langem den Gesellen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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die Aussicht auf eine selbständige Meisterschaft genommen war und sich eine umfangreiche Schicht Lohnabhängiger gebildet hatte. Ihnen fehlte weitgehend eine Aufstiegsmentalität, die Wohlverhalten im obrigkeitlichen Sinne hätte fordern können. Von einem ausgeprägten Bewußtsein der gemeinsamen sozialen Lage getragen, verfügten sie über ein dichtes Netz von Zunftverbindungen in zahlreichen deutschen Städten. Ihr fachliches Können, ihre geographische Mobilität sowie das Angewiesensein von Meistern und Bauherren auf ihre Arbeit erhöhte ihre Konfliktfähigkeit. Weniger Stärke konnte demgegenüber die Zunft in solchen Handwerksberufen entfalten, in denen die Hoffnung auf eine Meisterschaft Anpassungstendenzen förderte und deren Mitglieder bei kleinen Meistern wohnten und arbeiteten. Dies galt beispielsweise für viele Schuster, deren soziale Lage zwar äußerst angespannt war, sie aber dennoch nicht zu einem herausragenden Träger von Protest werden ließ; diesem zahlenmäßig umfangreichsten Handwerk gehörten allein im Königreich Hannover über 15000 Personen an. In diesem Zusammenhang war auch die geringe Repräsentanz der Leineweber und Garnspinner beim vormärzlichen Protest in Norddeutschland bemerkenswert, 28 obwohl sich ihre ökonomische Existenzgrundlage vor allem am Ende der 1830er Jahre rapide verschlechterte. Abgesehen von den ohnehin nur nebenberuflich in diesem Bereich Tätigen, fiel es ihnen offensichtlich schwer, ihre soziale Lage in gemeinsamem Handeln zu artikulieren, weil sie größtenteils außerhalb der Zünfte, regional und lokal isoliert arbeiteten. Außerdem boten die große Konkurrenz, die familienwirtschaftlichen Produktionsformen und das Verlagssystem ungünstige Bedingungen zur Herausbildung solidarischer Beziehungen. Als ausgesprochen protestfreudig erwiesen sich die Studenten der Universität Göttingen, die über ein Zehntel aller Protestfälle trugen. Ähnlich wie bei Handwerksgesellen fühlten sie sich aufgrund ihres ausgeprägten Ehr- und Statusbewußtseins leicht von anderen sozialen Gruppen und den Ordnungskräften der Universitätsstadt herausgefordert und reagierten häufig mit gemeinschaftlichem Protest. Inwieweit eine solche Prädisposition durch eine Diskrepanz zwischen ihren beruflichen Erwartungen und den tatsächlichen Möglichkeiten bestimmt wurde, bedarf einer gesonderten Untersuchung. Die Aussichten, im Staatsdienst unterzukommen, schrumpften seit Beginn der 1830er Jahre beträchtlich, so daß vielfach ein Ausweichen in die sogenannten ›freien‹ Berufe, vor allem die Advokatur, mit teilweise nur dürftigem Einkommen notwendig wurde. Ein Indiz für die Wirkung enttäuschter Erwartungen war die aktive, führende Beteiligung von Juristen an den Osteroder und Göttinger Auflehnungsversuchen 1831, die eigentlich zunächst nur wegen berufsständischer Probleme untereinander Kontakt hatten aufnehmen wollen. 29
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4.1.2. Die sozialen Trägerschichten Entgegen der Ansicht der Behörden, daß es »unzufriedene Bürger in einem freien Hamburg nicht geben« könne, »da nur das geschehen kann, was Rat und Bürgerschaft gemeinschaftlich« beschlössen,30 ging in Hamburg wie auch in anderen Städten von bürgerlichen Schichten mit 17 v.H. des Protests erhebliche Unruhe aus. Sie zielten gerade auf Änderung jener Verfassungszustände ab, die der hamburgische Senat stellvertretend für vormärzliche Regierungen als funktionsgerecht und dem Stand der Emanzipation gemäß erachtete. Tab. 6:
Die Protestaktivität einzelner Trägergruppen Protestträgera Städtisches Bürgertum Studenten Handwerker Arbeiter und Tagelöhner Landbevölkerung Gesamt
Fälle absolut
in v.H.
28 18 60 33 22
17,4 11,2 37,3 20,5 13,6
161
100
Basis: 127 von 153 Fallen Informationsdichte: 83 a) Bei den Trägern erfolgte Mehrfachzuordnung.
Keine Bestätigung dieser obrigkeitlichen Ansicht stellte der Umstand dar, daß die Beteiligung an Protest in Hamburg weniger stark war als in den Hauptstädten Hannover und Braunschweig sowie in einigen Provinzstädten, allen voran Göttingen und Osnabrück, wo die Bürger im Vergleich zur Hansestadt protestfreudiger waren. Hierin drückte sich das wachsende Emanzipationsverlangen der Stadtbürger aus, wie es sich in den kommunalpolitischen Reformforderungen in Göttingen 1829 und Holzminden 1831 niederschlug. Dabei wie auch bei einer Reihe von Petitionen und bei Steuerverweigerungen während des Hannoverschen Verfassungskonflikts beteiligten sich zahlreiche Handwerker. Diese Schicht war wegen der sozialen Problemlage und der günstigen Manifestationsbedingungen in den Großstädten, allen voran Hamburg, wesentlich aktiver als in Mittelstädten mit wenig über 10000 Einwohnern. Dort wirkte offensichtlich eine streng durchgeführte Aufsicht über die Gesellenzünfte und die handwerklichen Gerechtsame zünftigem Protest entgegen; zudem war die Fluktuation durch wandernde Gesellen wesentlich geringer als in den großstädtischen Ver215 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
kehrsknotenpunkten, so daß von vornherein weniger Reibungsmöglichkeiten im handwerklichen Lebensbereich vorhanden waren. 31 Außerhalb der größeren Städte bildete das Harzer Bergbaurevier eine Region häufiger Protestaktionen. Hierin spiegelte sich die tiefe Strukturkrise des Harzer Bergbaus und der dortigen Eisenhüttenbetriebe wieder, die gerade in Teuerungsjahren den dortigen Bewohnern nicht genügend lohnende Arbeit bieten konnten. Die traditionell mit Privilegien und finanzieller staatlicher Förderung gestützte Monostruktur machte sich während des Vormärz immer drückender bemerkbar. Die ausländische Konkurrenz und der Verlust eigener Absatzmärkte sowie die Erschöpfung der Rohstoffvorkommen verschlechterten die Lebenslage ebenso wie der im Zuge der staatlichen Finanzknappheit fortschreitende Abbau der steuerlichen Vergünstigungen und Unterstützungsleistungen. Die standesbewußten Bergleute reagierten darauf gereizt mit entschlossen vorgetragenen Forderungen gegenüber den Bergbehörden. Nicht zufällig unternahm Herzog Karl II. von Braunschweig seinen Restaurationsversuch in dieser Gegend, weil er hoffte, die dortigen sozialen Spannungen durch großzügige Versprechungen für seine politischen Absichten nutzen zu können. Während der Zunftkonflikt typisch für das Protestgeschehen in den Großstädten war, verbargen sich hinter der handwerklichen Protestaktivität in Orten mit weniger als 10000 Einwohnern zum großen Teil Aktionen gegen die staatlichen und kommunalen Offizianten während der Krisenmonate 1830/31. Bei solchen Gelegenheiten handelten Handwerker vielfach gemeinsam mit Arbeitern und Tagelöhnern, was auch für Protestaktionen bei öffentlichen Arbeiten und im Harzer Bergbaurevier bezeichnend war. 4.1.3. Die Rolle von Führungspersonen Zu den Stereotypen der zeitgenössischen Protestberichterstattung gehörte die Gewißheit, daß irgendwelche Anstifter den ›Pöbel‹ geleitet hätten; es erschien unvorstellbar, daß eine Volksmasse von sich aus gemeinsam auftreten und konzentriert agieren könnte.32 Insgesamt kam allerdings nur in 16 Fällen identifizierbaren Einzelpersonen eine Führungsrolle zu. Bei den politisch motivierten Protesten 1830/31 und während des Hannoverschen Verfassungskonflikts dominierten einzelne Advokaten; sie standen an der Spitze der Bewegungen in Osterode, Göttingen und Bovenden. Unterstützt wurden sie dabei von anderen Akademikern, einigen Studenten und vermögenden Landwirten, vier Handwerkern, einem Branntweinbrenner und zwei Gastwirten. Die herausragende Rolle der Advokaten erklärte sich einerseits aus den trüben Berufsaussichten, andererseits aus ihrem täglichen Umgang mit Recht, der sie mit dem überholten Zustand des Herrschaftssystems vertraut machte. Sie waren daher zum Kampf gegen eine Privilegienordnung präde216 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
stiniert, von der sie selbst negativ betroffen wurden, weil gerade in Hannover die Regierung bürgerliche Juristen bei der Besetzung von Beamtenstellen gegenüber Adligen eklatant benachteiligte. In Kontakt mit ihren Mandanten, oft ganzen Dorfschaften, für die sie sich mit der staatlichen Bürokratie auseinandersetzten, erfuhren sie die soziale Not und den untere Schichten diskriminierenden Charakter des bestehenden Rechts. Während des Hannoverschen Verfassungskonflikts boten aufgeklärt-liberale Grundpositionen und intime Rechtskenntnisse die besten Voraussetzungen für die Führungsrolle von Juristen; denn die Auseinandersetzung, die von den Liberalen mit juristischen Mitteln geführt wurde, bedurfte für Beschwerden, Wahlverweigerungen, Einsprüche, Anklagen und Petitionen ausgeklügelter rechtlicher Deduktionen, sollte mit geringem persönlichen Risiko ein maximaler Effekt erreicht werden. 33 Bei Handwerksprotest und Studentenunruhen bestimmte weitgehend die Struktur der zu Protestorganisationen umfunktionierten Zünfte und Landsmannschaften die Führungsrollen. Allerdings konnte hierbei wie auch in anderen Bereichen kurzfristig einem Redner oder Parolenrufer die Führung zufallen, die im Zuge der weiteren Ereignisse gewöhnlich jedoch wieder schnell verlorenging, so daß insgesamt im traditionellen Volksprotest das Herausragen einzelner Führer und Anstifter begrenzt blieb. Ein Teil ihrer Funktionen für Protesthandeln, nämlich vereinfachend und leicht faßbar die Konfliktsituation zu bestimmen sowie ihre Ursache und die vermeintlich Schuldigen zu benennen, wurde vielfach von allgemeinen Überzeugungen und Verhaltenserwartungen erfüllt, die in der Lebenswelt der Betroffenen Geltung besaßen. Sie legten eine allgemein verstandene Situationsdefinition nahe und bildeten auf diese Weise die wesentliche Voraussetzung für spontanes Protesthandeln bei einem entsprechenden Anlaß. 4.1.4. Das ›soziale Gesicht‹ der Protestierenden 4.1.4.1. Soziale Randgruppen und Fremde Für eine weitergehende Analyse des ›sozialen Gesichts‹ der Massen im Vormärz wurden alle verfügbaren Sozialdaten von Protestteilnehmern, namentlich von Verhafteten, Verdächtigten, Verurteilten, Verletzten und Toten, ausgewertet. Dabei blieb allerdings die Breite der Informationsbasis gering, da nur in etwa 20 v.H. der verzeichneten Protestfälle entsprechende Daten erhoben werden konnten. Dieser Umstand war nicht zuletzt ein Reflex der schwankenden Intensität, mit der die vormärzlichen Behörden ermittelten, so daß von vornherein kleinere Protestaktionen und solche, an denen Ordnungskräfte nicht unmittelbar beteiligt waren, stark unterrepräsentiert waren. Demgegenüber wurden nahezu 20 v.H. der Personen, für die Informationen vorlagen, in Zusammenhang mit den Braunschweiger 217 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Septemberunruhen aktenkundig. Insgesamt bezogen sich über 85 v.H. der ausgewerteten Personaldaten auf nur 22 Fälle aktionistischen Protests, d. h. auf Demonstrationen und tumultuarische Aktionen; etwa 13 v.H. der Sozialdaten stammten von Steuerverweigerern während des Hannoverschen Verfassungskonflikts im Raum Stade. Entsprechend der dominanten Aktionsformen bezog sich der größte Teil der Fälle auf Ordnungskonflikte, gefolgt in der Häufigkeit von Aktionen mit ökonomischem und zünftlerischem Ursachenhintergrund. Nahezu gleich groß war der Anteil von verfassungspolitisch motiviertem Konflikt. Unter diesen Einschränkungen erschien es dennoch vertretbar, sämtliche verfügbaren Daten zunächst zusammen auszuwerten und bei den einzelnen Merkmalen besondere Einflüsse bestimmter Protestaktionen anzumerken. Eine Analyse auf solcher Basis ergab, daß von über fünfhundert erfaßten Personen lediglich 27 als polizeibekannte Herumtreiber und ›Trunkenbolde‹, bereits vorher einmal Verhaftete oder Vorbestrafte ausgemacht werden konnten.34 Dieser Befund charakterisierte erneut das zeitgenössische Urteil über das besondere Gewicht sozialer Randgruppen bei Protest als ein Vorurteil. Daß Protest, insbesondere größere Massenaktionen, selbstverständlich auch Kriminelle und Trunkenbolde anlockte, trug wesentlich zur übertriebenen negativen Beurteilung seiner Träger bei. Geflissentlich wurde übersehen, daß bei Verhaftungsaktionen die Ordnungskräfte einer Verdachtsstrategie gegen bekannte ›schlechte Subjckte‹ folgten; die ›Abschaum‹-Thcsc erfüllte sich dann selbst im praktischen Handeln der Obrigkeit, was den Fünfprozentanteil des städtischen ›Bodcnsatzes‹ zusätzlich relativierte. Neben Randgruppen hatte die Obrigkeit auf Fremde ein wachsames Auge. In den Krisenmonaten 1830/31 verstärkte die Regierung in Oldenburg z. Β. die fremdenpolizeilichen Aktivitäten, weil die aktuellen Beispiele ihrer Meinung nach zeigten, daß die Unruhen in der Regel von Ausländern, namentlich wandernden Handwerksgesellen, angestiftet seien.35 Wenngleich die Ausländerthese zur Entlastung der eigenen Bevölkerung, die dann lediglich als verführt erschien, nur zu bereitwillig gerade von solchen Regierungen aufgegriffen bzw. ausgestreut wurde, 36 die sich mit Unruhen im eigenen Land auseinanderzusetzen hatten, wies sie dennoch auf die unbestreitbare Bedeutung von Auswärtigen als Protestträger hin. Unter Ausschluß der Steuerverweigerungen, an denen sie sich nicht beteiligten, machten Auswärtige etwa 28 v. H. der erfaßten Einzelpersonen aus; 37 ein beachtlicher Anteil, bei dem allerdings ebenso wie bei ›schlechten Subjekten‹ zu beachten war, daß im Zusammenhang mit Protest ihnen mit großem Mißtrauen begegnet wurde. Sie waren in jedem Fall verdächtiger als Einheimische.38 Unter Einschluß solcher Protestfälle, für die keine Personaldaten, sondern lediglich Informationen über beteiligte Gruppen vorlagen, schienen Auswärtige in über der Hälfte aller kollektiven Proteste verwickelt gewesen zu sein. Dabei bildeten sie bei Studentenprotest und einem Teil des Zunftkon218 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
flikts allein die Protestformation, worin sich nicht zuletzt ein schroffer Gegensatz zu anderen einheimischen Gruppen und Schichten ausdrückte. Traditionell stellten auswärtige Handwerksgesellen in den Städten ein beträchtliches Unruhepotential dar, da sie durch größere Mobilität wesentlich konfliktfähiger und -freudiger waren als einheimische Gesellen, die teilweise Familie hatten. Sie stellten die Vorkämpfer für höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen, die auch Einheimischen zugute kamen. Im Zuge der sich verschärfenden Übersetzung des Handwerks sahen die Seßhaften jedoch zunehmend in ihnen lästige Konkurrenten, die es so weit wie möglich auszuschalten galt. Dazu versuchten sie, mit Hilfe der Kommunalbehörden die Wanderbestimmungen, Qualifikationsnachweise und Aufenthaltsbedingungen zu Ungunsten der Auswärtigen zu verändern. Aus solchen Bestrebungen resultierte eine Reihe von Protesten vornehmlich in den ausgehenden 1830er und am Beginn der 1840er Jahre. 4.1.4.2. Die Berufsgliederung Die berufliche Gliederung von 383 Personen bestätigte die Dominanz des Handwerks und die herausgehobene Beteiligung der Bauhandwerker, die mit 18 v.H. jedoch, gemessen an ihrer Protestaktivität, eindeutig unterrepräsentiert waren. Ihr Prozentanteil im vorliegenden Sample kam dem der Arbeiter und Tagelöhner gleich. In ihrer sozialen Lage unterschieden sich diese beiden Gruppen wenig von Hauspersonal, Dienstleistungsberufen und den Angehörigen des Berg- und Hüttenwesens sowie der Metallverarbeitung. Diese Berufsgruppen zusammengenommen stellten insgesamt fast 88 v.H. der registrierten Personen. Wesentlich geringere Bedeutung kam mit 4,7 v.H. den Freiberuflern, den öffentlichen Bediensteten und den Universitätsangehörigen mit 1,8 bzw. 1,6 v.H. zu. Aus dem Bereich der landwirtschaftlichen Berufe konnten in Zusammenhang mit aktionistischem Protest einige Hirten und Kleinbauern ermittelt werden, vornehmlich bei Protesten in Holzminden 1831. Fünf wohlhabende Grundbesitzer beteiligten sich 1831 an der Bildung von ›Gemeinderäten‹. Schließlich erhöhten die Steuerverweigerungen in der Umgebung von Stade 1839/40 mit größeren Grundbesitzern als ihren Hauptträgern den Prozentanteil des Agrarsektors auf 18 v.H. Mit acht Protestteilnehmern weit unterrepräsentiert waren im erfaßten Personenkreis die Frauen. Drei von ihnen agierten als Witwen mit Berufskollegen ihrer verstorbenen Ehemänner. Einige andere Frauen protestierten an der Seite ihrer Männer. Vor allem die von ihnen getragenen Teuerungstumulte schlugen sich nicht in entsprechendem Umfang mit Personaldaten in den Akten nieder, da die Obrigkeit offenbar gerade in Notzeiten ein gewisses Maß an Verständnis für die bedrängte Lage der Protestierenden aufbrachte und sich daher die Ordnungskräfte in solchen Fällen mit Objekt© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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schutz begnügten. Zudem sollten durch eine Verhaftung von Frauen nicht zusätzliche Emotionen geweckt und weiterer Protest ausgelöst werden; eine ähnliche Unterrepräsentanz bestand für Kinder und Heranwachsende, die vermutlich vielfach mit gewisser Schonung durch die Ordnungskräfte rechnen konnten. 4.1.4.3. Die Altersstruktur
Das Alter als grober, nicht explizit konstruierter Index für spezifische soziale Probleme und psychische Dispositionen besaß für die Protestfreudigkeit erhebliche Bedeutung. Tab. 7: Altersstruktur der Protestteilnehmer
Altera
Anzahl
in%
Kumulation
-15 16-20 21-25 26-30 31-35 36-40 41-45 46-50 51-55 56-60 61-65 66-70 über 70
16 29 36 41 24 26 5 6 8 8 1 2 2
7,8 14,2 17,7 20,2 11,8 12,8 2,5 2,9 3,9 3,9 0,5 0,9 0,9
22,0 39,7 59,9 71,7 84,5 87,0 89,9 93,8 97,7 98,2 99,1 100
Zum Vergleich die Altersstruktur der Bevölkerung Braunschweigsb in % Kumulation Alter 7-20
25,7
21-45
33,7
79,4
46-60
12,9
92,3
über 60
7,7
100
a) Für Steuerverweigerer lagen keine Altersangaben vor, so daß sich die Daten ausschließlich auf aktionistischen Protest beziehen. b) Quelle: Schröder, Assmann, S. 141.
Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre waren allein aufgrund natürlicher Gegebenheiten weniger protestfreudig als die 16-20jährigen, bei denen die Protestbeteiligung sprunghaft zunahm.39 Die insgesamt erstaunliche Aktionsbereitschaft dieser Altersgruppe resultierte größtenteils aus einem allgemeinen Sozialisationsdefizit der Familie, des sich gerade erst entwickeln220
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den umfassenden Schulsystems und der Berufslehre, die ihrer Erziehungs-, Integrations- und Ausbildungsfunktion nur ungenügend nachkamen. Die dürftige soziale Lage zwang gerade in Unterschichten die Eltern, außerhalb des Familienhaushaltes den ganzen Tag über zu arbeiten; um die familiäre Einkommenssituation aufzubessern, mußten zudem die Kinder selbst bereits schwere Arbeiten verrichten. Auch wenn sie nicht »gewerbsmäßig von ihren Eltern zum Betteln und Stehlen angelernt«40 wurden, waren sie der Verwahrlosung ausgesetzt. Die Schule, die sie nur unregelmäßig oder gar nicht besuchten, konnte wenig zur Sozialisation beitragen. Die Übersetzung des Handwerks ermunterte kaum zum Beginn einer Lehre; wenn überhaupt, dann wurde ein Beruf erlernt, der wenig Kosten für Werkzeuge und eine möglichst kurze Ausbildung erforderte, wie Schneider oder Schuster. Nur zu oft kam es vor, daß die Lehre abgebrochen werden mußte, weil der Meister selbst wegen Arbeitsmangel zur Aufgabe seines Berufes gezwungen wurde. 41 Die noch lohnenden Handwerke blieben den meisten Jugendlichen dagegen verschlossen, weil den Eltern sowohl die finanziellen Möglichkeiten als auch der nötige soziale Status fehlten, die ihre Kinder für solche Berufe qualifiziert hätten. Ohne eine soziale Bindung an die Familie und einen Beruf ließen sich die Kinder und Jugendlichen leicht für Protestaktionen mobilisieren, deren Tragweite sie nicht überblickten. Jugendlicher Leichtsinn und die Neigung zur Auflehnung gegen soziale Kontrolle sowie Neugier und nicht zuletzt das Bedürfnis nach Abwechslung und Unterhaltung im tristen Unterschichtenalltag bewirkten ein Übriges. 42 Den Hauptteil der Protestierenden stellten altersmäßig mit 38 v.H. die 21-30jährigcn, für die charakteristisch war, daß sie ihre Berufsausbildung überwiegend beendet hatten und sich z. Τ. auf der Wanderschaft befanden. Nur noch knapp 25 v.H. der registrierten Protestteilnehmer stellten die 31-40jährigen. Für sie war anzunehmen, daß sie sozial halbwegs etablierte, seßhafte Familienväter waren. Verglichen beispielsweise mit der Altersstruktur der Gesamtbevölkerung des Herzogtums Braunschweig, waren diese beiden Altersgruppen überrepräsentiert, wogegen die Teilnahmequote der 45-60jährigen noch fast ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprach. Die sozialen Begleitumstände zunehmenden Alters bewirkten offensichtlich eine wachsende Protestabstinenz. Zusammenfassend kamen als Protestträger eher integrierte Schichten denn soziale Randgruppen in Betracht: Keineswegs protestierten diejenigen am kräftigsten und häufigsten, deren materielle Not am größten war, sondern solche soziale Schichten, deren Existenzminimum bis zu einem gewissen Grade als gesichert gelten konnte. Gleichwohl spielte bei ihnen die Angst vor einem Verlust der Einkommensmöglichkeiten, vor einer Übervorteilung in Handel, Handwerk und Gewerbe sowie vor sozialem Abstieg eine erhebliche Rolle als Protestmotivation. Die Protestierenden in der Stadt bestanden vor allem aus kleinbürgerlichen Händlern und Handwerksmeistern, lohnabhängigen Gesellen ohne Aufstiegsmöglichkeiten, Lehrlingen, 221 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
vorindustriellen Arbeitern und Tagelöhnern, unterstützt z. Τ. von gewöhnlichen Armen, die in der Gesellschaft immer ihren Platz gehabt hatten; in Universitätsstädten bildeten Studenten ein großes Unruhepotential.43 In über der Hälfte der Protestfälle war die Menge heterogen zusammengesetzt; die gemeinsame Lebenslage und ein einigendes Objekt erzeugten Solidarität, die zum Handeln nötig war. In vielen Fällen agierte auch eine eng begrenzte Berufs- oder Statusgruppe. Schließlich protestierten Ortsansässige häufiger als Auswärtige, die bei Zunft- und Ordnungskonflikten ihren Handlungsschwerpunkt hatten. Idealtypisch kennzeichneten den vormärzlichen Demonstranten folgende Merkmale: er war ein zwanzig- bis dreißigjähriger ortsansässiger Handwerker, Arbeiter oder Tagelöhner, der an einer Arbeitsstelle ein minimales Einkommen erzielte, wobei er sich ständig der Gefahr ausgesetzt fühlte, durch kurzfristig-konjunkturelle Krisen und durch Strukturveränderungen seine materielle Existenzgrundlage und seinen sozialen Status zu verlieren. Für sein Protesthandeln besaßen schichtenspezifische Ehrbarkeitsvorstellungen und zünftiges Gruppenethos ebenso Bedeutung wie der Anspruch auf eine autonome Gestaltung der eigenen Lebenswelt innerhalb einer Zunft oder gemäß den Traditionen und Gepflogenheiten der Unterschichtenkultur.
4.2. Die Ordnungspartei und ihre Handlungsmuster Den Ordnungsformationen Polizei, Militär und Bürgerwehr kam für den Verlauf, den Erfolg und die Kosten des vormärzlichen Protests eine erhebliche Bedeutung zu. Die Wirkung ihres Eingreifens war ambivalent; es konnte die Protestsituation beruhigen oder eskalieren, Sachzerstörungen und Angriffe auf Personen verhindern oder Menschenopfer, Verhaftungen und Verurteilungen zur Folge haben. Verschaffte es der Obrigkeit mühelos die Gewißheit physischer Überlegenheit, erhöhte sich die Gefahr, daß die Ursachen des Protests sehr schnell in den Hintergrund gedrängt wurden. Diese Möglichkeit bestand auch, wenn massive, gewaltsame Aktionen gegen die Ordnungskräfte Gelegenheit boten, die Protestierenden in der Öffentlichkeit zu kriminalisieren, ohne auf deren wirkliche Motive eingehen zu müssen. Allerdings befand sich die Obrigkeit nicht immer in der Lage, ihrem Anspruch genügen zu können, auf jede Herausforderung ihres Gewaltmonopols zu reagieren. Gerade in Zeiten gesteigerter Protesthäufigkeit war es ihr unmöglich, jeden Protest repressiv zu beantworten. Dann reichte das institutionelle Ordnungspotential des Staates weder quantitativ noch qualitativ aus, um jede herausfordernde Aktion an der Peripherie unter Kontrolle zu halten. In solchen Situationen nahm der Autoritätsverlust zu, während 222
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gleichzeitig die Hemmschwelle für kollektiven Protest sank. Dieser Zustand trat am augenfälligsten im Herzogtum Braunschweig 1830 ein, während die anderen norddeutschen Staaten ihr Gewaltmonopol mit kurzen Unterbrechungen aufrechterhalten konnten. Ihr kurzfristiger Autoritätsverlust war zum großen Teil extern durch die allgemeine politische Erschütterung dieses Jahres bedingt. Im Vergleich mit anderen deutschen Staaten waren insgesamt in Norddeutschland die Ordnungskräfte bei Protest häufig präsent. In 97 von 135 Fällen aktionistischen Protests konnte ihre Anwesenheit festgestellt werden. 44 4.2.1. Die Polizei Die Beobachtung von Ruhe und Ordnung oblag allgemein der Sicherheitspolizei, mit der auf der lokalen Ebene Verwaltungsbeamte, Gendarmen, Dragoner, Polizeimilitär, oder wie sonst die Polizeikräfte im Vormärz bezeichnet wurden, betraut waren. In den Städten der Flächenstaaten wurden die Polizeiaufgaben in der Regel von den Magistraten wahrgenommen, die selbständig über ihre Polizeidiener verfügen konnten.45 Einen Großteil der sicherheitspolizeilichen Aktivitäten machte die Überwachung Fremder aus; 46 seit den 1840er Jahren beanspruchten auch die Eisenbahnbaustellen eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Obwohl in privater Regie betrieben, hielt die Obrigkeit sich zur Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens an den Baustellen für verpflichtet, da sie in der Konzentration der großen Arbeitermassen eine permanente Gefahr für Ruhe und Ordnung sah. 47 Entsprechend der wechselvollen allgemeinen politischen Lage in den Deutschen Bundesstaaten mußte die Polizei, oft unter Einschaltung von Spitzeln, exponierte Liberale und politische Verbindungen intensiv beobachten und je nach Zeitstimmung mehr oder weniger an der Verbreitung ihrer Ideen und dem Aufbau einer organisatorischen Basis hindern. Einen Höhepunkt politischer Polizeiaktivitäten stellten die Jahre des Hannoverschen Verfassungskonflikts dar. Unter Aufbietung aller Kräfte und Möglichkeiten wurde jede politische Regung registriert und polizeilich verfolgt. Manche Liberale sahen sich zeitweise auf Schritt und Tritt von einem Polizisten begleitet; Aufenthalts- und Reisebeschränkungen sollten die Kommunikation der Opposition stören und ihr öffentliches Wirken beschränken. Schikanöse Verhöre, zu denen Oppositionelle z. Τ. zwangsweise vorgeführt wurden, gehörten ebenso zu den Repressionsmitteln der Polizei wie das Eintreiben von Pfändungen bei Steuerverweigerungen. Auf ein so weit gespanntes, empfindlich in private Belange eingreifendes Aufgabenfeld waren die Polizisten in keiner Weise durch ihre Ausbildung vorbereitet. Selbst für den alltäglichen Dienst fehlte ihnen jegliches ziviles Einfühlungsvermögen und ein Mindestmaß an Achtung vor bürgerlichen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Freiheiten. Als ehemalige Soldaten, die den Militärdienst aus Altersgründen oder wegen körperlicher Gebrechen nicht mehr versehen konnten, standen sie völlig in einseitig obrigkeitlichen Denkgewohnheiten. Die Prinzipien von Befehl und Gehorsam neigten sie auf das zivile Leben zu übertragen; eine gewisse Reglementiersucht und parteiliche Wahrnehmung von Tatbeständen waren unübersehbar. Ihre obrigkeitlichen Funktionen, die teilweise durch eine finanzielle Beteiligung an den von ihnen verhängten Strafgeldern zusätzlich diskreditiert wurden, 48 und ihre soziale Herkunft als überwiegend Auswärtige, die eines ehrbaren Handwerks unfähig und unwürdig waren, erzeugten in der Bevölkerung eine tiefe Abneigung, die sich gerade in unruhigen Zeiten drohend bemerkbar machte. 49 Manifestierte sich Protest, wurden der untere Verwaltungsbeamte und die Polizei zuerst damit konfrontiert. Manchmal genügten bereits ihr Erscheinen und gutes Zureden, um die Demonstranten zu beruhigen. Wagten sie jedoch darüber hinaus, aktiv gegen die Menge vorzugehen und gar Verhaftungen vorzunehmen, eskalierten gewöhnlich die Spannungen schlagartig; anschließende Befreiungsversuche führten regelmäßig zu Gewaltanwendungen. Überstieg nach Einschätzung der lokalen Ordnungshüter der Protest die eigenen Kontrollmöglichkeiten, wurde die vorgesetzte Stelle benachrichtigt und militärische Hilfe requiriert. 50 Traf dann der Amtmann oder der Oberhauptmann vor dem Militärkommando am Protestort ein, versuchte er zunächst, durch den Einsatz seiner Amtsautorität eine Beruhigung herbeizuführen. Gelang das nicht, alarmierte er möglichst schnell die lokalen Honoratioren und staatlichen Offizianten, z. Β. die Revierförster und Forstbedienstete, die bewaffnet die Protestobjekte sicherten. Mit ihrer Hilfe bestand die Chance, eine Eskalierung zu verhindern und die Situation noch vor dem Eintreffen des Militärs zu bereinigen. Im Unterschied zu Preußen wurde in den norddeutschen Staaten die letzte Stufe der militärischen Intervention relativ selten erreicht.51 Städte ohne Garnison zögerten im allgemeinen die Requirierung von Soldaten möglichst lange hinaus, weil sie nicht nur Blutvergießen fürchteten, sondern auch die Stationierungskosten scheuten, die in der Regel die Stadtkasse belasteten.52 Von wesentlicher Bedeutung für die Ordnungsstruktur war die im Vergleich mit Preußen wesentlich größere Präsenz von Gendarmen und Polizeidienern im Untersuchungsgebiet; während dort auf einen Gendarmen 6-8000 Einwohner kamen, betrug die Relation für das Königreich Hannover 1:4300, für das Herzogtum Braunschweig ca. 1:2000 und für das Großherzogtum Oldenburg 1:1700. In den Städten, die teilweise auch noch eine Garnison beherbergten, war für 1300-1900 Einwohner ein Polizist vorhanden. 53 Dennoch reichte dieses Potential in unruhigen Zeiten für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung nicht aus; vor allem die Bewohner ländlicher Regionen fühlten sich dann nicht sicher vor Diebstahl und anderen befürchteten Übergriffen von Unterschichten.54 Gerade im ländlichen Raum prägte die mangelnde Mobilität und die geringe Schlagkraft das 224 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Erscheinungsbild der Polizei. Dennoch war sie in insgesamt 60 von 135 Protestfällen gegenwärtig. Zeitliche Schwankungen ihrer Präsenz ließen sich aufgrund der geringen Datendichte nicht eindeutig ermitteln. Gleichwohl deutete sich für die Zeit um 1830 ein vorsichtigeres Auftreten gegenüber den Protestierenden an. Nachdem die Gesamtsituation aber wieder unter Kontrolle war, neigte die Polizei bei Gewaltanwendung eher zur Offensive. Vergleiche ihres Handelns mit der Protestform und dem Grad der Gewaltanwendung durch Demonstranten zeigten, daß die Polizisten auf gewaltfreie Aktionen offensiver reagierten als bei gewaltsamen Tumulten; hier handelten sie vorwiegend defensiv oder blieben sogar passiv, da sie die zahlenmäßige Überlegenheit der Protestierenden fürchteten. Die größten Opfer des Polizeieinsatzes hatten organisiert protestierende spezifische Gruppen zu tragen, insbesondere Studenten und Handwerksgesellen. Bei diesen blutigen Auseinandersetzungen handelten Polizei und Militär oftmals gemeinsam. Insgesamt bemühten sich beide Ordnungsformationen in mindestens 13 Fällen zusammen um die Unterdrückung von Protest. 4 2 2 . Das Militär Das Militär handelte in 20 seiner 46 Einsätze als alleinige Ordnungsformation. 55 Dabei trat es auf den ersten Blick erstaunlich defensiv auf; vielfach wandten Demonstranten bereits Gewalt gegen Personen und Sachen an, che das Militär seinerseits Gewalt gebrauchte. Zweifellos hatte dieser überraschende Befund seinen Grund im Zeitpunkt des militärischen Auftretens: Nachdem andere Repressionsversuche fehlgeschlagen waren, forderten die Behörden die Soldaten an, die bei ihrem Eintreffen eine bereits eskalierte Protestsituation vorfanden. Da andere Mittel offensichtlich ihre Untauglichkeit bewiesen hatten, gingen sie nun entschlossen gewaltsam vor. Oftmals trug das Auftreten von Soldaten erst zur Verschärfung des Konflikts bei, das Protestierende emotionalisierte und häufig zu unüberlegten Taten provozierte, auf die die Soldaten dann formal defensiv antworteten. Das vorangeschrittene Proteststadium erklärte allerdings den Grad der Gewaltanwendung durch das Militär nur zum kleinen Teil. Die zahlreichen Opfer zeugten von der waffentechnischen Überlegenheit der Soldaten und ihrer Bereitschaft, die verfügbaren Mittel skrupellos einzusetzen; das planlose Abfeuern von Gewehrsalven in Menschenmengen ließ kaum eine Verhältnismäßigkeit der Mittel erkennen. Angesichts der militärischen Neigung zu brutaler Gewaltausübung stellte die in den norddeutschen Staaten größtenteils befolgte Anordnung, das Militär nur im Notfall als letzte Ordnungsformation einzusetzen, eine einsichtsvolle Entscheidung des Staates dar. 56 Jedoch waren zwangsläufig die Soldaten in den Hansestädten häufiger an der Dämpfung von Protest betei225 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
ligt als in den Flächenstaaten, da sie am Ort präsent waren. Sie leisteten Wachdienst und gingen Patrouille; die Chance, als erste Ordnungsformation mit Protest konfrontiert zu werden, war deshalb nicht unbedeutend. Demgegenüber mußten in den Flächenstaaten Militärkommandos oft erst erhebliche Wegstrecken zum Protestort zurücklegen, so daß sich nicht selten die Situation bei ihrem Eintreffen bereits entspannt hatte. Dann konnte allerdings ihr Erscheinen Neugier wecken, erneute Aufregung erzeugen und Ordnungskonflikte auslösen, wobei ihre allgemeine Unbeliebtheit ein protestförderndes Motiv darstellte. Vorübergehender Beliebtheit erfreute sich lediglich das Braunschweiger Militär, weil es sich bei den Demonstrationen und der schließlichen Erstürmung des Schlosses 1830 passiv verhalten hatte. Insgesamt konnte das formal zum großen Teil defensive militärische Eingreifen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Gewaltanwendung bei Protest sehr oft von den Ordnungskräften ausging. Die Eskalation der Spannungen in einer Protestsituation erschien als durch das Repressionsverhalten von Polizei und Militär vermittelt. 4.2.3. Die Bürgerwehr Die Erstürmung des Braunschweiger Schlosses ohne ernsthaften militärischen Widerstand demonstrierte der Bevölkerung des Herzogtums den obrigkeitlichen Autoritätsverlust und ermunterte dazu, die eigene Unzufriedenheit als kollektiven Protest zu artikulieren. In dieser Situation kam der Regierung das hauptstädtische Bürgertum zur Hilfe, das von wachsender Angst vor Übergriffen der Unterschichten gegen Besitz und Eigentum angetrieben wurde. Hier und in anderen Städten des Landes organisierten sich die Bürger selbst in Bürgergarden, die die Regierung bereitwillig anerkannte. Wo eine solche Initiative auf sich warten ließ, traten die Behörden nachdrücklich empfehlend hervor. Das bürgerliche Mißtrauen gegenüber den Unterschichten und die obrigkeitliche Anschauung vom Besitz als dem Garanten von Staats- und ordnungserhaltender Zuverlässigkeit bildeten den ideologischen Hintergrund der Gardenbildung, der sich sozial in einer Abschottung gegenüber besitzlosen Schichten niederschlug. Bezeichnenderweise wurden auf dem flachen Lande keine Kommunalgarden geduldet, da die Regierung das bürgerliche Element unter den Dorfbewohnern vermißte; sie tolerierte allenfalls informelle Zusammenschlüsse von Hofbesitzern. Die Bedeutung als zuverlässiger Ordnungsfaktor verlieh der Bürgergarde und ihren führenden Repräsentanten aus dem Braunschweiger Bürgertum beachtliches politisches Gewicht, das sich durch das entschiedene Auftreten gegen Herzog Karl noch erhöhte. Paraden, Umzüge und Versammlungen waren stolzer Ausdruck des erwachten bürgerlichen Selbstbewußtseins, das sich in seiner Selbstdarstellung militärischem Habitus annäherte. Das Nacheifern der militärischen Disziplin einerseits und andererseits die ausgelassene 226 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Volksfeststimmung charakterisierten das Spannungsverhältnis zwischen Befehl und Gehorsam und folkloristisch demonstriertem bürgerlichen Freiheitssinn, das nach einer ersten Phase der Euphorie zahlreiche Konflikte auslöste. 57 Mit der Beruhigung der Situation ab 1831 erlitt die Bürgergarde einen für ihre Fortexistenz bedrohlichen Funktionsverlust; die bürgerliche Ordnungskraft ließ sich nicht in kommunaler Verfügung als Gegenkraft zum Militär und der Kommandogewalt des Herzogs institutionalisieren. Nachdem einige politische Reformen absehbar waren, büßte sie auch in diesem Bereich ihre Funktion als ein politisches Sammelbecken und Artikulationsforum für bürgerliche Emanzipationsbestrebungen ein. Im benachbarten Königreich Hannover blieb der Autoritätsverlust der Obrigkeit dank des massiven Einsatzes der durch Einberufungen erheblich verstärkten Armee gering. Auf die auch hier bereitwillig angebotene Hilfe des städtischen Bürgertums konnte die Regierung weitgehend verzichten. Dennoch wies sie die Landdrosten an, vertraulich Kontakt zu zuverlässigen Bürgern aufzunehmen, um für den Notfall gerüstet zu sein. Trotz einiger erlaubter Bürger gardengründungen spielten sie jedoch insgesamt weder als Ordnungs- noch als politischer Faktor eine Rolle. 58 Anders in den Hansestädten, wo das Bürgermilitär zu den traditionellen Ordnungsinstitutionen gehörte und regelmäßig zum Dienst verpflichtet war. Als das bewaffnete Organ der selbstbewußten Bürger genoß es beachtliches Ansehen;59 sein Verhältnis zur Garnison war allerdings ebenso wie das der Gesamtbevölkerung sehr gespannt, was einige akute Konfrontationen dokumentierten. Trotz ihres militärischen Erscheinungsbildes dominierte sein bürgerliches Interesse die Rolle des Gardisten, wodurch der hamburgische Senat gerade 1830 in manche Verlegenheit geriet. 60 Als Ordnungsinstrument bot eine Bürgerwehr gegenüber dem Militär gewichtige Vorzüge: Die ortsansässigen Gardisten waren mit den lokalen Gegebenheiten vertraut und schnell zu aktivieren, so daß sie bereits in einem frühen Stadium des Protests eingreifen konnten. Dieser Umstand, das private Ansehen und die Autorität vieler Gardisten, die sich auf die Formation übertrugen, ermöglichten ihr eine abgestuftere Reaktion als dem Militär. Gleichwohl ließ sie bei Tumulten mit Gewaltanwendung der Protestierenden gegen Personen, z. Τ. gegen die Gardisten selbst, keinen Zweifel an ihrer Bereitschaft, energisch einzuschreiten. Dies war besonders um 1830 der Fall, ihrem Einsatzhöhepunkt im Vormärz. Danach blieb sie ausschließlich in den Hansestädten bei Protest als Ordnungsformation aktiv. Nur in drei Fällen wurde in Zusammenhang mit der Anwesenheit einer Bürgergardenformation von Verletzten und Toten berichtet. Da sie dabei zusammen mit dem Militär und der Polizei auftrat, war die Verantwortung für die Menschenopfer nicht eindeutig zuzuschreiben. Überhaupt agierten die Bürgergarden nur äußerst selten als alleinige Ordnungsformation bei der Dämpfung von Protest. Bei insgesamt 23 Protestfällen, an denen sie beteiligt © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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waren, trat eine Bürgergardenformation ohne Mitbeteiligung der Polizei und/oder des Militärs lediglich in 4 Fällen auf. Ebenso wie die Polizei offenbarte die Bürgerwehr ihr Mißtrauen gegen Unterschichten, Randgruppen und Fremde bei ihren Verhaftungsaktionen; wer durch ungewöhnliches Äußeres oder Verhalten an protestreichen Tagen auffiel, galt ihr als verdächtig und wurde in Haft genommen. 4.2.4. Administrative Repression Solches Verhalten entsprach durchaus den Intentionen der Obrigkeit, die zur Abschreckung immer wieder vor dem Aufenthalt in der Nähe einer Menschenmenge, und sei es nur aus Neugier, warnte. Die Ordnungskräfte sollten jeden Umstehenden als Teilnehmer behandeln. Zur üblichen administrativen Repression von Protest gehörte regelmäßig der Appell an die traditionellen hausherrlichen Gewalten, ihre sozialen Kontrollfunktionen wahrzunehmen. Der in den Tumultmandaten hervorgerufene Eindruck, jeder, der sich bei Dunkelheit auf der Straße aufhalte, sei von vornherein verdächtig, war durchaus erwünscht. Als eine der ersten Maßnahmen in Spannungszeiten ordneten die Lokalbehörden gewöhnlich die Schließung der Wirtshäuser und eine allgemeine zeitweise Vorverlegung der Sperrstunde an, bis die Lage als beruhigt angesehen wurde. Die Krüge und Kaffeehäuser sollten als Zentren von Information und Kommunikation, die assoziative Tendenzen förderten und damit die individuelle Protesthemmschwelle senkten, möglichst ausgeschaltet werden. Nicht zuletzt sollten unüberlegte Aktionen berauschter Randalierer keinen Anlaß zu kollektivem Protest bilden. Die zahlreichen Wiederholungen solcher Mandate deuteten jedoch auf ihre Wirkungslosigkeit in eskalierenden Protestsituationen hin. Obwohl zusammenfassend der Anteil des Militärs an der Unterdrückung von Protest in den norddeutschen Staaten relativ gering war 61 und durchaus differenzierte Strategien bei der Reaktion auf Herausforderungen verfolgt wurden, dominierten militärische Aktionsmuster. Die Polizei war aufgrund ihrer sozialen Zusammensetzung kaum in der Lage, nicht-militärische Wahrnehmungs- und Verhaltenstandards zu entwickeln. Trotz ihrer differenten sozialen Basis eiferte auch die Bürgerwehr soldatischem Verhalten nach, das ihr Vorgehen gegen Demonstranten prägte. Dennoch bestand in diesen Staaten keine ›Festungspraxis‹, in der, wie in Preußen, »den örtlichen Militärbefehlshabern von vornherein die Definition der Situation« überlassen wurde; 62 der Einsatz von Militär blieb überwiegend zivilen Stellen vorbehalten. Spezifisch polizeiliche oder gar zivile Repressionsformen entwickelten sich aber auch hier nicht.
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5. Die Protestobjekte und Konfliktgegner Nicht jeder Protest im Vormärz richtete sich direkt gegen den Konfliktgegner, der eigentlich das Protesthandeln verursachte. Die mangelnde Einsicht in das oft komplizierte Ursachengeflecht oder nur die räumliche Unerreichbarkeit des Konfliktgegners ließen für die Protestierenden solche Objekte in den Vordergrund rücken, deren Wirken aus der alltäglichen Lebenserfahrung heraus mit den Ursachen der Unzufriedenheit in Verbindung gebracht werden konnte und die jederzeit erreichbar waren. So wurden vielfach Amtspersonen als die Verantwortlichen erachtet oder rückten als Stellvertreter der eigentlichen Konfliktgegner in den Mittelpunkt von Protestaktionen. 63 Dieser Tatbestand ließ es sinnvoll erscheinen, zwischen dem Konfliktgegner der Protestierenden und dem Objekt ihrer unmittelbaren Aktion analytisch zu trennen.
5.1. Die Konfliktgegner der Protestierenden Die Konfliktgegner wurden als staatlich, kommunal und privat kategorisiert. Obwohl sich der Staat gerade bei Gemeinschaftsprotesten stark engagierte, war es angemessen, einen privaten Konfliktbereich zu unterscheiden, in dem die Obrigkeit zwar als Ordnungspartei auftrat, aber nicht zur ursächlichen Konfliktkonstellation gehörte, wie z. B. bei den meisten Lohn- und Arbeitskonflikten, bei antijüdischen Unruhen oder beim Teuerungsprotest gegen Bäcker, Kornhändler etc. Als Konfliktgegner dominierten Staat und Kommunen eindeutig. Sie wurden in über zwei Dritteln der Fälle als verantwortlich für den Grund der Unzufriedenheit der Protestierenden und als eigentlicher Adressat ihrer Abhilfe- und Veränderungswünsche angesehen. Dabei zeichnete sich für 1830-34 eine leichte Bedeutungszunahme der kommunalen Konfliktgegner ab, die vor allem bei Forderungen nach öffentlichen Vorsorgemaßnahmen und Arbeitsbeschaffung im Vordergrund standen. Außerdem spielten sie für eine Reihe von Ordnungskonflikten eine wichtige Rolle. Weiterhin unterstrich die Verteilung das Gewicht des Hannoverschen Verfassungskonflikts sowie der Verfassungsbewegungen in den Hansestädten, die selbstverständlich den Staat und seine höchsten Repräsentanten zum Konfliktgegner hatten. Auch die Arbeitskonflikte an hannoverschen Eisen229
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Tab. 8: Die Konfliktgegner der Protestierenden Konfliktgegner
Zeitraum 1815-29
1830-34
1835-44
1845-47/48 Gesamt
staatlich kommunal privat
12 (12,l) a 2(4,5) 9 (6,4)
28 (28,4) 14 (10,6) 12 (14,9)
30 (27,9) 10 (10,4) 13 (14,6)
8 (9,8) 3 (3,4) 7 (5)
Gesamt
23
54
53
18
78 29 41 148
C = 0,228 Cmax = 0,841 Basis: 148-153 Fällen Informationsdichte: 96,7 a) In Klammern die Daten der theoretisch zu erwartenden Verteilung.
bahnbaustellen richteten sich gegen die verantwortlichen staatlichen Institutionen. Demgegenüber fiel die Bedeutung privater Konfliktgegner ab. Auf dieser Ebene wurden beispielsweise Rivalitäten zwischen verschiedenen sozialen Gruppen ausgetragen; außerdem hatten antijüdische Ausschreitungen hier ihren Ausgangspunkt. Für sie wie für zahlreiche Meister-GesellenKonflikte galt, daß sie sehr schnell öffentlich-staatliche Dimensionen bekamen. Im hohen Anteil privater Konfliktgegner 1845-47/48 an der Protesthäufigkeit schlug sich der Teuerungsprotest nieder. Das insgesamt deutliche Vorherrschen des Staates als eigentlicher Konfliktgegner erschien weniger als Ausdruck seiner Allzuständigkeit,64 die gemessen am modernen Sozialstaat bescheiden war, denn als Ergebnis der zahlreichen Bestrebungen zur Reformierung überkommener Verfassungsverhältnisse bzw. der Verteidigung einer reformierten Verfassung im Königreich Hannover. Zudem ist bei der Verteilung einschränkend zu berücksichtigen, daß in Bremen und Hamburg der kommunale mit dem staatlichen Konfliktgegner praktisch identisch war. Unter Einbeziehung der Kommunen, die über erhebliche Regelungsspielräume sowohl bei der Handwerksordnung als auch bei Vorsorgemaßnahmen und der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung verfügten, deutet die Häufigkeitsverteilung - stark vereinfacht - einen Grundkonflikt zwischen Staat und Gesellschaft an, der sich im Zuge der Industrialisierung zum Konflikt zwischen Kapital und Arbeit zu wandeln schien. Allerdings zeigte der Vormärzprotest in Norddeutschland diese Entwicklung noch nicht in statistisch relevantem Umfang an.
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5.2. Die Protestobjekte auf der Aktionsebene Die Auswahl der Protestobjekte auf der Aktionsebene spiegelte das begrenzte räumliche Aktionsfeld der Protestierenden wider. Wollten sie den Fürsten- und Regierungssitz in den Flächenstaaten direkt attackieren, hätten sie dazu in die Hauptstadt ziehen müssen. Aber auch Hauptstadtbewohner richteten ihre Protestaktionen nur bemerkenswert selten auf das Schloß, nämlich 1830 in Braunschweig als Rache und zur Bestrafung des Herzogs Karl II. für seine unterlassenen Hilfs-und Vorsorgemaßnahmen und 1837 in Hannover als Ziel von politischen Demonstrationszügen. Ansonsten blieben die Residenzen offenbar außerhalb der Objektwahl bei aktionistischem Protest der Hauptstädter. Nicht in gleichem Maße dem Volksprotest entzogen waren dagegen die Rathäuser in den Hansestädten Bremen und Hamburg. Vor ihnen wurde nicht nur demonstriert, sondern sie wurden auch häufig mit Steinen attackiert. Erheblicher Symbolwert kam Polizei- und Militärwachthäusern sowie Gefängnissen zu, die überwiegend erst im Laufe der interdependenten Entwicklung von Protest und Ordnungshandeln als Objekte attackiert wurden. Das Hauptziel war dabei gewöhnlich die Forderung nach einer Freilassung von verhafteten Demonstranten; einige Male gelang es sogar, die vermeintlichen Opfer der staatlichen Willkür direkt durch eine Erstürmung des Gefängnisses oder Wachthauses zu befreien. Tab. 9: Die Objekte des Protests auf der Aktionsebene
Protestobjekte Institutionen Amtspersonen Privatpersonen Gesamt
Gesamt
Zeitraum 1815-29
1830-34
1835-44
5 (3,8)a 8(9,1) 8 (8)
9 (8,4) 23 (20,2) 14(17,4)
7(7,1) 16(17,1) 16 (14,8)
46
39
21
1845-47/48 1 (2,7) 6 (6,6) 8(5,7) 15
22 53 46 121
C = 0,32 Cmax = 0,841 Basis: 100 von 135 Fällen (ohne Petitionen und Steuerverweigerungen) Informationsdichte: 74,1 a) In Klammern die Werte der theoretisch zu erwartenden Verteilung.
Vereinzelt wurden 1830/31 auch Zoll- und Einnehmerbüros angegriffen, was über den Demonstrationseffekt hinaus teilweise die Funktionsunfähigkeit der als belastend empfundenen Institution bewirkte. Die Attacken gegen Hamburger Stadttore galten der obrigkeitlichen Beschränkung von © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Freizügigkeit und der politischen Diskriminierung der Vorstadtbewohner durch den Senat. Entsprechend dem geographisch begrenzten Objektpotential rückte für Protestierende das Rathaus ihres Wohnortes in den Vordergrund. Eine zahlenmäßig noch größere Rolle spielten staatliche und kommunale Amtspersonen,65 die nicht nur für ihre Amtsführung, sondern darüber hinaus als Symbol der eigentlich gemeinten Protestobjekte für Maßnahmen der Regierung einstehen mußten. Dies war in besonderem Ausmaß im Herzogtum Braunschweig im Anschluß an die fundamentale Erschütterung des politischen Systems im Herbst 1830 der Fall. Die Amtspersonen hafteten mit ihrem Besitz; denn die Protestierenden differenzierten keineswegs zwischen der Amtsperson als Funktionsträger einerseits und dem Bürger mit privatem Hausbesitz andererseits, was durchaus der im Staatsdienst selbst geringen Rollendifferenzierung entsprach, dessen Angehörige in ihrer gesamten Person vom Dienstverhältnis erfaßt wurden. Die Objekte leisteten in mehrfacher Weise für die vormärzliche Protestmanifestation bedeutsame Beiträge: Sie waren den potentiellen Demonstranten bekannt und genossen in ihrem Alltagsleben gewöhnlich besondere Aufmerksamkeit, was es erleichterte, im Ernstfall ein Aktionszentrum zu identifizieren; hierauf konnte sich zunächst gemeinschaftliches Handeln konzentrieren. Für die Demonstranten besaßen die Objekte symbolische Bezüge zu den Ursachen ihres Protests, die als handlungsrelevant vor dem Hintergrund ihres Erfahrungshorizontes einsehbar waren. Die Auswahl solcher Protestobjekte stimulierte zusätzlich die Handlungsbereitschaft der Unzufriedenen. Dieser Mobilisierungseffekt ermöglichte erst eine kollektive Aktion und ersetzte weitgehend die fehlende organisatorische Grundlage bei einer großen Zahl von Unterschichtenprotesten. Der Symbolgehalt der Objekte kam der allgemein geringen Abstraktionsfähigkeit der Unterschichtenangehörigen und ihrem Bedürfnis nach einer Reduzierung und Konkretisierung der ansonsten möglicherweise nur schwer einsehbaren Ursachen entgegen.66 Außerdem erwiesen sich Aktionen vor allem gegen Amtspersonen für eine Artikulierung von Unzufriedenheit und Veränderungswünschen bis zu einem gewissen Grade als systemgerecht, da der Staatjeden Angriff auf einen seiner Repräsentanten an der Peripherie auf sich selbst bezog und Reaktionsbereitschaft erkennen ließ. Schließlich drückte der Angriff auf einen bestimmten Offizianten auch ohne die verbale Artikulation einen Sinnzusammenhang der Ursachen mit der Aktion und den Veränderungswünschen der Protestierenden aus, der von ihnen durchaus gemeint war und von der Obrigkeit in der Regel verstanden wurde. In solchen Fällen war ein höheres Abstraktionsniveau auf seiten der Demonstranten kaum nötig, um Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu gewinnen. Unverkennbar bestand gerade mit Blick auf die weitere Entwicklung allerdings die Gefahr, daß sich die Obrigkeit taub stellte bzw. der traditionelle Sinnzusammenhang im Zuge des beschleunigten sozialen Wandels nach der Jahrhundertmitte an 232
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Geltung verlor und Kriminalisierung statt Verstehen die obrigkeitliche Reaktion bestimmte. Angesichts der Bedeutung der Sachzerstörung als einem traditionellen Mittel konnte es kaum verwundern, daß eine entsprechende Objektauswahl hauptsächlich von Handwerkern, Arbeitern und Tagelöhnern getroffen wurde, während bürgerliche Schichten lediglich bei antijüdischen Ausschreitungen an Übergriffen gegen Privateigentum teilnahmen. Ihr Protesthandeln, soweit es überhaupt mit dem zugrundegelegten Protestbegriff erfaßt werden konnte, zeichnete sich ferner durch die Fähigkeit zu abstrahieren und durch eine Abstinenz bei der Sachzerstörung sowie durch eine Bevorzugung des petitionistischen Weges aus, der die Kenntnis des politischen Institutionengefüges und eine Vorstellung von Politik als Ursache von Unzufriedenheit und Korrekturmittel voraussetzte. Bei ihnen rief eine Zerstörung von Eigentum die gleiche Abneigung wie ein Angriff auf Personen hervor.67 In dieser grundsätzlich unterschiedlichen Bewertung eines wesentlichen Mittels des aktionistischen Protests deutete sich eine Distanz des Bürgertums gegenüber traditionellem Volksprotest an, die kurzfristig in der Bildung von Bürgergarden und langfristig in einer Kooperationsbereitschaft mit den traditionellen Eliten gegen die als Bedrohung von Besitz und Ordnung empfundenen unteren sozialen Schichten ihren Niederschlag fand. Gerade der Hannoversche Verfassungskonflikt zeigte aber, daß die dem bürgerlichen Protestverhalten zugrundeliegenden Prinzipien von argumentativer Rationalität und unbedingtem Vertrauen auf das Recht noch keineswegs durchgesetzt waren. Das Bürgertum verzichtete bereits auf eine Form systemadäquaten Protests, noch ehe wirkungsvolle Alternativen vor allem durch eine Ausweitung der politischen Beteiligung institutionalisiert waren.68
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6. Formmerkmale des kollektiven Protests 6.1. Die Protestdauer Die in anderen Untersuchungen bereits herausgearbeitete Dominanz kurzer Protestdauer69 fand auch in den Ergebnissen für Norddeutschland Bestätigung. Nahezu 80 v.H. der Aktionen wurden innerhalb von 6 Stunden beendet; nur wenige Fälle dauerten länger als einen Tag. Selbst in der Situation obrigkeitlicher Schwäche 1830/31 veränderte sich der zeitliche Umfang des Einzelfalles nicht signifikant; dieser Befund legt die Vermutung nahe, daß die Präsenz von Ordnungskräften kein entscheidender Bestimmungsgrund für die Kürze des Protests war. Auch die Ortsgröße als Manifestationsbedingung übte kaum Einfluß aus. Vielmehr wiesen einzelne, länger andauernde Aktionen, insbesondere Verweigerungen, auf zwei andere wichtige Faktoren hin, nämlich die Protestträger und ihre Struktur. Es wurde erkennbar, daß solche Proteste häufiger von strukturierten Gruppen bzw. bürgerlichen Schichten, Studenten und Handwerkern getragen wurden als von diffusen Mengen bzw. anderen sozialen Kräften. Die Protestformationen, die Verweigerungen als Form ihres Konfliktaustrags wählten, mußten von vornherein mit einer längeren Zeitspanne rechnen, die die entscheidende Wirkung auf den Protestgegner ausmachte und zur Zielverwirklichung notwendig war. Nicht jede Protestgruppe konnte allerdings Verweigerungen durchführen; denn dazu bedurfte es einer gewissen organisatorischen Basis. Zünfte oder studentische Verbindungen, die direkt zu Protestinstrumenten umfunktioniert werden konnten, boten besonders günstige Voraussetzungen; aber auch unter Akteuren mit gleichem Beruf oder gemeinsamer politischer Überzeugung konnten ausreichende Informations- und Koordinationsbeziehungen bestehen. Umgekehrt war gerade der allgemeine Mangel an formellen und informellen Organisationsstrukturen im Vormärz ein entscheidender Grund für die typische kurze Dauer der Protestaktion. Die emotionale Spannung in einer spontan gebildeten Menschenmenge sank gewöhnlich schnell ab, nachdem mit erfolgter Sachzerstörung der unmittelbare Protestzweck erfüllt war. Allerdings schuf das Eingreifen von Ordnungskräften nicht selten neue Anlässe, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung einer Protestsituation beitrugen.
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6.2. Die Beteiligung an Protestaktionen Der kurze Protestdauer entsprach eine relativ geringe Teilnehmerzahl, die am häufigsten im Bereich zwischen 100 und 500 Personen lag, eine verglichen mit den außergewöhnlichen Aktionen von Braunschweig, Göttingen oder gar Paris 1830 recht kleine Anzahl.70 Tab. 10: Der Umfang der Protestmenge Anzahl der Protestteilnehmer
Protestfälle
(davon Petitionen und Steuerverweigerungen)
20- 50 51- 100 101- 500 501-1000 1001-2000 2001 und darüber
9 11 30 5 2 3
(1) (2) (12) (1)
Gesamt
60
(18)
(2)
Basis: 60 von 153 Fällen Informationsdichte: 39,2 Insgesamt unterlag die Protestteilnahme erheblichen Schwankungen; während 1820-24 durchschnittlich pro Jahr nur 120 Personen Unzufriedenheit in Protest artikulierten, waren es 1830-34 über 3900. Die Gesamtzahl der in der Krise am Beginn der 1830er Jahre Protestierenden dürfte weit über 19000 Menschen betragen haben. Den außerordentlichen Umfang des Protests 1830-32 in Norddeutschland verdeutlichte ein Vergleich mit der Teilnahmerate im Bereich des gesamten Deutschen Bundes, die Volkmann auf 0,27 v.H. der Bevölkerung schätzte;71 für das Untersuchungsgebiet erschien eine Rate von ca. 1,1 v.H. nicht als unrealistisch. Gegenüber diesem Protesthöhepunkt fiel die Beteiligung in anderen Zeitabschnitten des Vormärz deutlich ab, wobei die 1820er Jahre einen Tiefpunkt markierten. Für die 1840er Jahre mußte der Datenmangel für Aktionen auf Großbaustellen berücksichtigt werden, so daß die Teilnehmerzahlen vermutlich 1845-47 erheblich über den ermittelten Werten lagen, wenngleich die Höhe von 1830-34 nicht erreicht worden sein dürfte. Die Gesamtteilnehmerzahl in den norddeutschen Staaten während des Vormärz betrug schätzungsweise 55000 Personen oder etwa 2 v.H. der 235 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Basis: 74 von 153 Fällen Informationsdichte: 48,4
Gesamtteilnehmer mittlere Teilnehmerzahl Median Teilnehmer pro Jahr
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1300 433 300 260
349 300
629
1820-24
3145
Zeitraum 1815-19
Tab. 11:
3934
187
650
295 300
262 300
810 300
233 300
682
3250
3410
935
19670
1840-44
1835-39
1830-34
1825-29
Die Anzahl der Protestteilnehmer
825
247 300
2475
899
461 300
34 185
gesamter 1845-47/48 Vormärz
Gesamtbevölkerung.72 Aufgrund der geringen durchschnittlichen Protestdauer und -beteiligung kam dem Einzelfall für eine Erschütterung des betroffenen politischen Systems offensichtlich nur geringe Bedeutung zu; systemgefährdend wirkte er erst bei einer gesteigerten zeitlichen und geographischen Häufung und in Kombination mit einem besonders spektakulären und außergewöhnlich umfangreichen Ereignis wie dem Sturm auf das Braunschweiger Schloß oder dem Göttinger Auflehnungsversuch. Dann überwanden die Demonstranten die ansonsten eine Herausforderung an den Staat begrenzende lokale Isolierung; jede Aktion traf in solcher Situation erschütterter staatlicher Autorität den Kernbereich des politischen Systems. Um den Umfang eines Protestfalles quantitativ auszudrücken und ein Merkmal für die Schwere der Herausforderung zu gewinnen, kombinierte C. Tilly die Anzahl der Teilnehmer und die Dauer zu Mann/Tagen als Ausdruck der menschlichen Energie, die in Personen pro Zeiteinheit in Protest eingebracht wurde. 73 Wie nicht anders zu erwarten, bestätigte dieser grobe Index die herausragende Bedeutung der Zeitspanne 1830-34. Außerdem verdeutlichte er das Gewicht des kollektiven Protests während der zweiten Hälfte der 1830er Jahre. Bezüglich der 1840er Jahre vermittelte er allerdings den falschen Eindruck von einer relativen Protestarmut, der dadurch entstand, daß sich für jenes Jahrzehnt die geringe Informationsdichte besonders verzerrend bemerkbar machte. So konnten für die Zeit von 1840 bis 1847/48 immerhin 45 Protestfälle ausgemacht werden, wobei jedoch nur für wenige Fälle ausreichende Informationen zu den Merkmalen ›Teilnehmcrzahl‹ und ›Protestdauen vorlagen; dies galt insbesondere für die umfangreichen Arbeitskonflikte an Eisenbahnbaustellen. Auf schmaler Informationsbasis konnte für den gesamten Vormärz ein Medianwert von 300 Mann/Tagen errechnet werden, der als Produkt einer kleinen Teilnehmerzahl und einer kurzen Dauer die These vom geringen Gewicht des Einzelfalles erhärtete. Zwar zeichnete sich für 1845-47/48 ein zunehmender Umfang ab, doch zur Interpretation als Trendwende reichte die Zahl der Fälle nicht aus. Bei der Anwendung der Mann/Tage als Indikator für Systembedrohung offenbarte der Index eine gravierende Schwäche; sie wurde besonders deutlich durch die Einbeziehung auch solcher Fälle, die nicht mit Gewalt verbunden waren:74 Der Index überschätzte Aktionen, die das System nur schwach und periphär bedrohten, wie kollektive Steuerverweigerungen, den Studentenauszug 1818 oder den Gesellenstreik in Bremen vom selben Jahr. Mann/ Tage allein reichten offensichtlich zur Einschätzung der Systembedrohung durch Protest nicht aus; sie bedeuteten gegenüber der separaten Auswertung von Dauer und Teilnehmerzahl kaum einen Fortschritt. Erst die Einbeziehung qualitativer Merkmale wie die geographische Ausdehnung, die Konfliktfähigkeit der Träger und sympathisierender Gruppen, die Zielebene des Protests, die benutzten Mittel, der Einsatz von Repressivkräften sowie die 237 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
238
1780 593 300
15402 1710 600 328
1825-29 63027 3501 270
1830-34 34431 3129 240
2502 357 270
1840-44 3615 602 480
1845-47/48
121 085 2201 300
gesamter Vormärz
— 1 Stunde - 6 Stunden - 1 Tag — 2 Tage 3-7 Tage 8-14 Tage 15-30 Tage 31-180 Tage über 180 Tage
Zeitdauer
0,5 0,8 1 2 5 11 22,5 74,5 100
Faktor
Basis: 55 von 138 Fällen (ohne Petitionen) Informationsdichte: 39,8 a) Zur Berechnung der Mann/Tage wurde bei den Teilnehmergrößenklassen von der Klassenmitte ausgegangen; die Dauer wurde auf volle Tage bezogen. Bei mehreren zeitlich getrennten Aktionen innerhalb eines Protestfalles erfolgte zunächst für jede Aktion die Ermittlung des Zeitwertes; mit denen der anderen Teilaktionen wurde er zu einem Zeit-Multiplikator zusammengezogen. Für die Teilnehmerzahl wurde aus den jeweiligen Größenklassen der Mittelwert gebildet. Diese Berechnungsart tendierte dazu, länger andauernde Steuerverweigerungen im Umfang der eingebrachten menschlichen Energie zu überschätzen.
Mittel Median
Gesamt
1820-24
1835-39
Tab. 12: Die in Protest eingebrachte menschliche Energie in Mann/Tagen a
1815-19
Zeitraum
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Kosten und der Erfolg würde einem Gewichtungsindex erhöhte Aussagekraft verleihen.75 Sowohl Mann/Tage als auch die Teilnehmerzahl allein verdeutlichten allerdings, daß systembedrohender Protest von einer weit überdurchschnittlichen Personenzahl - angezeigt in der Größe der positiven Differenz zwischen mittlerer Teilnehmerzahl und Median und verdeutlicht in der Erstürmung des Braunschweiger Schlosses 1830 sowie im Göttinger Auflehnungsversuch 1831 - getragen wurde, die ihre Mobilisierung weniger dem Einfluß von Organisationsansätzen als vielmehr der Symbolkraft der Protestobjekte verdankte. Große Beteiligung korrespondierte gleichzeitig mit einer längeren Protestdauer, die dazu beitrug, daß immer mehr Menschen über mündliche Kommunikation notwendige Informationen über den Protest erhielten; zudem vermittelte ihnen die ungestörte Entwicklung der Aktion aus kleinen Anfängen den Eindruck eines sinkenden persönlichen Risikos, das sonst ein Anwachsen der Menge begrenzte. Dabei bot die Stadt in bezug auf die erreichbaren Objekte, die zahlreich und umfangreich genug waren, um nach einer ersten Aktion die emotionale Spannung nicht sofort wieder schwinden zu lassen, und als Rekrutierungsfeld weiterer Teilnehmer günstige Voraussetzungen. In ländlichen Regionen hätte dieses Manifestationsdefizit durch Planung und geographische Mobilität der Menge ausgeglichen werden müssen.76 Überdurchschnittlich umfangreichen Formationen stand als Protestform primär die Demonstration zur Verfügung, die vielfach durch das Auftreten von Ordnungskräften in eine tumultuarische Aktion überging. Dagegen überschritten die Verweigerungsproteste und Petitionen, die eine organisatorische Basis erforderten, selten die Anzahl von 500 Personen; größere Teilnehmerzahlen könnten in Norddeutschland lediglich bei Arbeitsverweigerungen der Eisenbahnbauarbeiter in den 1840er Jahren erreicht worden sein.
6.3. Die Bedeutung von Organisationsansätzen Eine der Hauptfunktionen von Organisationsansätzen für Protest bestand darin, Informations- und Kommunikationskanäle bereitzustellen, um die solidarischen Beziehungen unter den Mitgliedern einer Gruppe aufrechtzuerhalten und zu stärken sowie ihr Handeln zu koordinieren. Bei der Mehrzahl der vormärzlichen Protestaktionen konnte auf eine solche Organisationsbasis allerdings nicht aufgebaut werden; sie wurde bei der sich spontan bildenden Menschenmenge durch die Erfahrungen der gemeinsamen Lebens- und Arbeitswelt, eine bis zu einem gewissen Grad als verbindlich vorausgesetzte Situationsinterpretation, die eine Auswahl der Protestobjek239 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
te mit besonderem Symbolwert vorstrukturierte, und den Kontakt von Angesicht zu Angesicht ausgeglichen. Zudem erleichterten Schlagworte77 die Mobilisierung und ansatzweise Koordinierung einer Menge; das Singen von Liedern stärkte die Solidarität und das Selbstbewußtsein der Demonstranten. Dabei erfreute sich ›Ein freies Leben führen wir. . .‹ aus Schillers ›Räubern‹ großer Popularität, das mit martialischen Worten Tatkraft verkündete; mit Pfaffen und Pächtern, Amt und Besitz umriß es grob den Kreis der Protestobjekte und -gegner. Als Protestform entsprachen der schwach oder gar nicht organisierten Formation die Demonstration und die tumultuarische Aktion. Für die Qualität der Beteiligung bedeutete ein lockerer Zusammenhalt innerhalb der Protestformation, daß sie in einen aktiven Kern und eine eher passive Kulisse zerfiel,78 die gleichwohl als ein integraler Bestandteil zum Protestgeschehen gehörte, weil sie die Intentionen des Kerns tendenziell teilte; durch die große Zahl verhalf sie ihm zu schützender Anonymität und stellte ein Reservoir potentieller Teilnehmer dar, deren emotionale Solidarität sich jederzeit in aktive Unterstützung des Kerns verwandeln konnte. Demgegenüber definierten formell oder informell organisierte Gruppen ihre Mitglieder nach bestimmten Merkmalen; von ihnen wurden die Teilnahme an und der Vollzug von Protest erwartet. Für derartig strukturierte Träger stellten Verweigerungen und Petitionen die Hauptprotestformen dar, die nur die Alternative aktiver Teilnahme oder völliger Passivität zuließen. Der Zusammenhang von Organisationsansätzen und Protest wurde besonders deutlich, wo immer die Zunft, der gleiche Beruf oder die gleiche Arbeitsstelle den Ausgangspunkt von Protesthandeln bildete: Klare Gruppengrenzen und eine gewisse Binnenstruktur begünstigten den Verweigerungsprotest. Eine ebenso offenkundige Beziehung bestand zwischen Vereinen als Basis und Petitionen als Protestform. Die Struktur der Träger und der Organisationsgrad ihrer Protestaktion beeinflußten signifikant das Ausmaß der Gewaltanwendung, Während diffuse Menschenmengen zur Anwendung von Gewalt gegen Sachen und Personen neigten, protestierten strukturierte Menschenmengen und spezifische Gruppen überwiegend gewaltlos. Die Zurückhaltung spezifischer Gruppen bei der Gewaltanwendung wurde dadurch unterstrichen, daß in dem entsprechenden Tabellenwert für strukturierte Mengen 16 Petitionen und Steuerverweigerungsaktionen enthalten waren. Allerdings setzten auch spezifische Gruppen durchaus Gewalt gegen Sachen und Personen in einem erstaunlichen Ausmaß ein. Hierin schlugen sich die Aktivitäten von Handwerksgesellen und der Göttinger Studenten nieder. Der Grad der Gewaltanwendung hing jedoch nicht nur von der Struktur der Protestträger ab, sondern auch von dem Organisationsgrad ihres Protesthandelns. Allerdings wurde auf allen Organisationsstufen Gewalt in beachtlichem Ausmaß angewandt. Selbst in vielen Fällen von organisiertem Protest gehörte sie zum Handlungspotential der Akteure und stand offen240 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Tab. 13:
Die Struktur der Protestträger und der Grad von Gewaltanwendung Struktur der Träger
Grad der Gewaltanwendung gewaltlos Gewalt gegen Sachen
diffuse Menge strukturierte Menge spezifische Gruppen
12(21,5)a 26 (20,4) 34 (30,1)
17 (12,5) 11 (11,9) 14(17,6)
13(8) 3(7,7) 11 (11,3)
Gesamt
72
42
27
Gewalt gegen Personen
Gesamt
42 40 59 141
C = 0,315 Cmax = 0,816 Basis: 141 von 153 Fällen Informationsdichte: 92,1 a) In Klammern die theoretisch zu erwartende Verteilung.
sichtlich häufig nicht zu ihrer freien Disposition, sondern war durch traditionelle Formen von Rügebräuchen vorgegeben. Darüber hinaus entsprang Gewaltanwendung dem Interaktionsprozeß mit den Ordnungskräften, deren Auftreten nicht selten als Provokation angesehen wurde und gewaltsame Reaktionen mit einer deutlich defensiven Motivation herausforderte.79 Zweifellos konnten strukturierte und spezifische Protestgruppen ihre Mittel eher abschätzen als diffuse Menschenmengen, die gleichwohl nicht immer gewaltsam agierten, sondern beispielsweise im Rahmen einer Massendemonstration durchaus gewaltlos auftreten konnten. Doch auch spezifische Gruppen organisierten und planten Gewaltanwendung gegen Sachen und Personen, wobei hauptsächlich Studenten und Handwerksgesellen herausragten. Insgesamt galt dennoch: Je geplanter die Handlung, desto geringer der Gewalteinsatz. Während beim organisierten Protest noch die Hälfte aller Aktionen unter Anwendung von Gewalt gegen Sachen und Personen ablief, nahm die Gewaltanwendung auf der Stufe der geplanten Aktion deutlich ab. Deshalb wäre es verfehlt, die häufige Gewaltanwendung durch protestierende Unterschichtenangehörige einer naturgegebenen, besonderen Neigung zur Brutalität zuzuschreiben; sie wurde vielmehr durch volkstümliche Traditionen eines autonomen Konfliktaustrags innerhalb der Gruppe, der Schicht oder der Gemeinde geprägt. Zudem ließ der geringe Organisationsgrad den Unterschichten kaum einen größeren Spielraum für eine planvolle Mittelabwägung.
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6.4. Die Protestformen und die Merkmale ihrer Träger Aufgrund der bisherigen Ergebnisse lassen sich nun abschließend für vier Protestformen charakteristische Merkmale aufzeigen: - Petition: Das Bürgertum versuchte mit ihrer Hilfe auf politische Entscheidungen Einfluß zu nehmen oder sie zu provozieren. Von einem organisatorischen Kern, einer lockeren Verabredung, von einem Club oder Verein ausgehend, gelang häufig die Erweiterung der sozialen Trägerbasis unter der Einbeziehung von Handwerkern und besitzenden Teilen der Landbevölkerung. Griffen andere soziale Schichten zu diesem Mittel, kennzeichnete sie in der Regel mindestens ein gemeinsames Merkmal, auf das sich ihre Bittschrift bezog: der Beruf, die Arbeitsstelle, die als ungerecht empfundene soziale oder ökonomische Lage oder das Gefühl der politischen Benachteiligung. Am häufigsten bedienten sich dieses Protestmittels die dazu von den Verfassungen der norddeutschen Staaten autorisierten Korporationen, deren Petitionieren freilich außerhalb der Grenzen des zugrunde gelegten Protestbegriffs blieb. - Verweigerung: Sozial am engsten begrenzt war die militärische Gehorsamsverweigerung, bei der innerhalb einer durchstrukturierten Organisation einzelne Teile des sozialen Verbandes mißbraucht wurden. Die Steuerverweigerung wurde ebenso wie die Petition hauptsächlich von Bürgern unter Mitbeteiligung einzelner Landbewohner und Handwerksmeister angewandt. Sie war in besonderem Maße auf den juristischen Beistand angewiesen, um in der Bürokratie möglichst großen Effekt bei einem geringen Kostenrisiko für die Verweigerer zu erzielen. Advokaten bildeten dabei wichtige Koordinierungsstellen, ohne die eine notwendig längere Protestdauer kaum durchzuhalten gewesen wäre; denn die Wirkung der Verweigerung beruhte neben der Teilnehmerzahl auf einer möglichst bis zur positiven Konfliktlösung reichenden Dauer. Dies galt auch für andere Abgabenverweigerungen, die von unteren Schichten getragen wurden. Die gleiche soziale Lage und die Verabredung ersetzten hier die politische Überzeugung und formelle Koordination. Auch die Arbeitsverweigerung war darauf angelegt, bis zu einer Neuregelung des Lohnes oder der Arbeitsbedingungen anzudauern. Sie wurde von Handwerksgesellen, Arbeitern und Tagelöhnern getragen, die entweder eine Arbeitsstelle oder den gesamten Berufszweig eines Ortes bestreikten. Die Zunft, der gleiche Beruf oder die gemeinsame Arbeitsstelle bildeten die organisatorische Basis ihrer Aktion, die durch einen niedrigen Gewaltgrad und eine beachtliche Disziplin gekennzeichnet war. - Demonstration: Überwiegend wurde sie von einer spontanen Menschenmenge getragen, die eine gemeinsame Lebenslage oder politische Überzeugung vereinigte. Allerdings war die Qualität der Teilnahme meistens unterschiedlich; die Menschenmenge wurde aus einem aktiven Kern und einer passiven Kulisse gebildet. Beim Auftreten von Ordnungskräften 242
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glitt die Demonstration häufig in eine tumultuarische Aktion ab; ansonsten blieb ihr Gewaltgrad gering. Ihre Wirkung war vor allem bei wirtschaftlich verursachten Protesten begrenzt, da sie der Gegenpartei keine Ressourcen direkt entzog; ein Umstand, der ebenso wie die Voreingenommenheit der veröffentlichten Meinung gegen jede Art der Störung von Ruhe und Ordnung dazu beitrug, daß diese Protestform leicht zu kriminalisieren war und als Ordnungswidrigkeit abgetan werden konnte. Während des Hannoverschen Verfassungskonflikts verfolgte die Obrigkeit mit Mißtrauen und äußerster Aufmerksamkeit jede politisch motivierte Demonstration, die von Füßescharren in Kirchen und Universitätshörsälen über Oppositionsessen bis zur gewaltfreien Versammlung und zum Straßenumzug reichte. Als Träger traten hierbei bürgerliche Gruppen auf, die informelle oder formelle Organisationsstrukturen besaßen und ihre prinzipielle politische Opposition im Protest bekundeten. - Tumultuarische Aktion: Diese Protestform nutzen hauptsächlich unorganisiert Handelnde, um in einem kurzen Akt der Sachzerstörung ihren Unwillen auszudrücken, die Aufmerksamkeit zu wecken, Rache zu üben und eine Verbesserung ihrer sozialen Situation zu fordern. Der diffusen und selbst mancher strukturierten Menge mangelte es an einer Organisationsbasis, die eine Wahl zwischen gewaltlosen und gewaltsamen Mitteln zugelassen hätte. Vielfach provozierten Ordnungskräfte durch ihr Auftreten eine Gewaltanwendung gegen Personen. Dann vereinigte sich die in einen Kern und eine Kulisse aufgespaltene Menge zu gemeinsamem Handeln auf der Basis ohnehin geteilter Intentionen. Dominierende Träger dieser Protestform waren Handwerker, Arbeiter, Tagelöhner und andere Unterschichtenmitglieder; das Bürgertum beteiligte sich selten. Die tumultuarische Aktion stellte, abgesehen von verfassungspolitisch motiviertem Protest, die Hauptaktionsform in allen Ursachenbereichen dar, nicht zuletzt, weil ein Teil der Demonstrationen in Tumult abglitt. Dennoch war sie keineswegs Ausdruck blinder Zerstörungswut und ungezügelter Aggressivität. Selbst große Menschenmengen attackierten gezielt spezifische Objekte, ebenso wie bei der Demonstration trat bei ihr der Zusammenhang von einer zunehmenden Protestdauer und einer wachsenden Teilnehmerzahl deutlich hervor. Hauptsächlich kam es zu tumultuarischen Aktionen in Zusammenhang mit Zunftstreitigkeiten und antijüdischen Ausschreitungen, wogegen Hungerrevolten und luddistische Aktionen in Norddeutschland selten blieben. Abschließend sei darauf verwiesen, daß sich bei aktionistischem Protest keine typische Verlaufsform für ländliche Unterschichten, etwa die umfangreiche Schicht der Heuerleute, abzeichnete.80 Bei ihren wenigen Aktionen war lediglich ein höheres Maß an vorbereitender Verabredung erkennbar, die die nachteiligen Manifestationsbedingungen des ländlichen Raumes ausgleichen sollte. 243 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
7. Die Funktion und der Erfolg des gemeinschaftlichen Protests 7.1. Motivstrukturen des traditionellen Volksprotests Soll kollektiver Protest mehr sein als eine nur zufällige Aggressionsentladung, müssen seine rationalen Elemente in den Motiven und Zwecken der Protestierenden erkennbar werden; auch zwischen dem Mitteleinsatz, dem Erfolg und den Kosten sollte Angemessenheit ermittelt werden können. Schließlich ist seine Funktionalität für das soziale System zu skizzieren. Jedem Protest lag mehr oder weniger ein Auseinanderklaffen der materiellen oder ideellen Bedürfnisse und Interessen und der vorgefundenen Realität zugrunde. Unabhängig davon, ob die Bedürfnisse die Realität oder umgekehrt die Realität die Bedürfnisse übertrafen, strebten Protestierende die Verminderung des Abstandes durch eine Veränderung der Realität über eine Rückkehr zu traditionellen Zuständen oder die Etablierung neuer Lösungen an. Um die Motivationsstruktur der Demonstranten aufzuhellen, sollen zunächst einige Erwartungsmuster einer noch überwiegend vorindustriell orientierten Gesellschaft umrissen werden. Sie vermitteln gleichzeitig Anhaltspunkte, die die Funktionen des vormärzlichen Kollektivprotests verdeutlichen. Die ›plebejische Kultur‹,81 die noch in weiten Teilen der Gesellschaft die sozialen Einstellungen und Handlungen beherrschte, besaß ihre traditionelle Basis in der Einheit von Arbeit, freier Zeit und Konsum. Viele Angehörige des Bürgertums kritisierten in diesem Zusammenhang immer wieder die Neigung der Unterschichten, ihren Arbeitseinsatz und ihr Bemühen um Verdienst an den Notwendigkeiten der kurzfristig voraussehbaren Existenzerhaltung und den materiellen sowie immateriellen Voraussetzungen zur Teilnahme am brauchmäßigen Vergnügen als einem integralen Bestandteil ihres sozialen Lebens zu orientieren.82 Dieses weitgehend Von-der-Hand-inden-Mund-leben wurde allerdings auch von der allgemein niedrigen Höhe der Löhne bestimmt, die es nicht nur den ländlichen Hausgewerbetreibenden, sondern auch großen Teilen der städtischen Bevölkerung kaum ermöglichte, Geld- oder Warenvorräte in größerem Umfang für eine persönliche Notsituation oder für allgemein schlechte Zeiten anzulegen. Die unterbürgerlichen Vorstellungen über eine Angemessenheit der Lohnhöhe gingen weniger von der Arbeitsleistung und -Produktivität als vielmehr von den 244 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
konkreten Umständen der lokalen Lebenshaltung aus, wobei der Preis von Getreide, Kartoffeln und Brot Leitliniencharakter besaß. In diese Vorstellungswelt, die vorwiegend durch den Getreide-Nexus bestimmt wurde, paßte kaum ein Aushandeln der Löhne nach Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften, wie es die sich ausbreitende kapitalistische Ökonomie forderte. Wenn Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner für Lohnerhöhungen oder Verbesserungen ihrer sozialen Bedingungen die Arbeit verweigerten, dann nicht, um auf dem Wege des Kompromisses einen ihnen zustehenden Anteil am Gewinn des Meisters oder des Unternehmers zur Erhöhung des eigenen Lebensstandards zu erhalten, sondern um einen ihnen unrechtmäßig vorenthaltenen Teil des Lohnes, der sich nach den Ernährungskosten und der Arbeitsleistung bemaß, zur Sicherung ihrer traditionellen Existenzgrundlage einzufordern. Die Lohnhöhe erschien immer dann als ungerecht, wenn ein erfahrungsgemäß zur Existenzerhaltung notwendiges Quantum an Grundnahrungsmitteln nicht in einem Rahmen erarbeitet werden konnte, der als zumutbar erachtet wurde. Allerdings akzeptierten die Unterschichten durchaus Konsumbeschränkungen und Steigerungen der eigenen Arbeitsleistung in Zeiten einer durch Mißernten bedingten Teuerung, um eine minimale Selbstversorgung aufrechterhalten zu können.83 Gleichwohl drohten die Auswirkungen solcher ökonomischen Krisen auf die Verdienstund Ausgabensituation gerade der Unterschichtenangehörigen vielfach so gravierend zu werden, daß sie ihnen als nicht mehr individuell zu bewältigen erschienen. Dann wurde von der Obrigkeit erwartet, daß sie die Folgen von Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit durch ausgedehnte öffentliche Arbeiten milderte und die notwendigen Lebenshaltungskosten durch eine rechtzeitige Anlage von Kornvorräten und durch öffentliche Getreideverkäufe, behördliche Preisfestsetzungen sowie Ausfuhr- und Brennverbote in akzeptablen Grenzen hielt. Dadurch wurde es einem Großteil der Unterschichten ermöglicht, auch in Krisenzeiten durch eigene Arbeit ein gewisses Maß an selbständiger Ernährung sicherzustellen und die soziale Distanz zum ehrlosen Stand der Armen zu wahren, die auf private Almosen und die öffentliche Armenhilfe selbst in Jahren guter Ernten und ausreichender Verdienstmöglichkeiten angewiesen waren. 84 Eine Vernachlässigung solcher Erwartungen der ›ehrbaren‹ Unterschichten ignorierte wesentliche moralische Verpflichtungen lokaler und staatlicher Behörden und wurde von den Betroffenen als Mißachtung ihrer sozialen Ehre interpretiert. Aktionistischer Protest erschien ihnen dann nicht nur als legitim, sondern geradezu als Pflicht, um auf die Verletzung ihrer zu Volksrechten gewordenen moralischen Gewohnheitsansprüche aufmerksam zu machen. Der Notwehrcharakter eines solchen Vorgehens kam einem traditionellen Widerstandsrecht gegen ungerechte Herrschaft nahe,85 wobei jedoch der Fürst als Objekt des Volkszornes meistens im Hintergrund blieb; die Ziele der Aktionen bildeten vielmehr die Angehörigen der Kommunalbehörden und die lokal erreichbaren Repräsentanten der Regierung. 245 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Diesen Ansprüchen von unten stand im Vormärz das obrigkeitliche Bestreben entgegen, entsprechend den vorherrschenden physiokratischen Wirtschaftsauffassungen sich traditionellen Verpflichtungen bei der Regulierung von Lebensmittelzufuhren und Preisen zu entziehen und sie dem matürlichen Wege‹ von Angebot und Nachfrage zu überlassen.86 Als für das Handeln der Behörden letztlich ausschlaggebend erwies sich jedoch die Furcht vor einer akuten Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung in Teuerungszeiten, die wesentlich dazu beitrug, daß auf die Anwendung der traditionellen Maßnahmen zur Versorgung und Arbeitsbeschaffung nicht verzichtet wurde. Gewissermaßen als Zwischenlösung zur angestrebten staatlichen Enthaltsamkeit beauftragten einzelne Regierungen private Kaufleute mit dem An- und Verkauf öffentlich subventionierten Getreides oder veranlaßten sie so rechtzeitig zur Anlage von Vorräten, daß beim Verkauf während einer Teuerung unter dem jeweils gängigen Marktpreis immer noch ausreichend Gewinn zu erzielen war. 87 Auf diese Weise sollte längerfristig das Anspruchsniveau an den Staat allmählich gesenkt und den neuen ökonomischen Grundsätzen schließlich der Weg geebnet werden. Eher auf der privaten Ebene waren kollektive Protestaktionen gegen Händler und Bäcker angesiedelt, die des Wuchers verdächtig waren; zudem wurde ihnen häufig eine minderwertige Qualität oder ein falsches Gewicht des Brotes zum Vorwurf gemacht. Solche Aktionen fanden insbesondere im Frühjahr und Frühsommer 1847 statt, als auf den städtischen Märkten ein starker Preisanstieg binnen weniger Tage und Wochen bei den Unterschichtenangehörigen den Verdacht nährte, daß Getreidevorräte bewußt in der Absicht gehortet wurden, überhöhte Gewinne zu erzielen. In den ländlichen Exportgebieten westlich der Elbe kam als Motivation der gewohnheitsrechtliche Anspruch der Dorf- und Kleinstadtbewohner hinzu, ausreichend und zu wohlfeilen Preisen mit Getreide und Kartoffeln versorgt zu werden, bevor auswärtigen Händlern der Aufkauf der Überschüsse erlaubt würde. Solche moralischen Ansprüche an die Verteilungsmechanismen wurden durch langfristige Erfahrungen und die gewohnheitsmäßige Angemessenheit der örtlichen Lohnhöhe an die Lebensmittelpreise auf dem übersichtlichen lokalen Markt geprägt, wobei saisonale Preisschwankungen in gewissem Umfang toleriert wurden. Die während des Vormärz zunehmende Abhängigkeit der Preise von Angebot und Nachfrage auf überregionaler Ebene fand jedoch kaum Eingang in die ökonomische Vorstellungswelt der Unterschichten. Sie erlebten vielmehr die Preissteigerungen als ein direktes Ergebnis des Auftretens auswärtiger Kornhändler, das gerade in Mißernteperioden als Störung der ›moral economy‹ empfunden wurde und zu kollektivem Protest Anlaß gab. Eine Verteidigung von traditionellen sozialen Rechten und gewohnheitsmäßigen Ansprüchen spielte auch in vielfältigen anderen Handlungszusammenhängen im Protest dieser Jahrzehnte eine bedeutende Rolle. Konflikte um Zunftprivilegien und -gerechtsame, die der sich ausbreitenden kapitali246
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stischen Produktionsweise und der Schaffung eines freien Arbeitsmarktes weichen sollten, gehörten ebenso dazu wie die Mehrzahl der vielfältigen Ordnungskonflikte, die größtenteils den obrigkeitlichen Bestrebungen zur Beseitigung der ständischen Autonomie und der Beschränkung wichtiger Bestandteile der ›plcbejischen Kultur‹ entsprangen. Es war vor allem die in geradezu ritualisierter Form geübte Praxis des Protests als Mittel der Volksjustiz 88 selbst, die häufig heftige Zusammenstöße mit der Obrigkeit veranlaßte. Sie versuchte vor allem im ausgehenden Vormärz ihr Gewaltmonopol verstärkt zur Geltung zu bringen, das in die autonomen Regelungsphären der Handwerker und anderer Unterschichtengruppen eingriff. Insgesamt charakterisierte den Protest der unterbürgerlichen Schichten im Vormärz als durchgängiges Hauptmotiv die mehr oder weniger bewußte Verteidigung und Erhaltung ihrer traditionellen Gewohnheitsrechte und moralischen Erwartungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen sowie die Abwehr obrigkeitlicher Eingriffe in selbstbestimmte Sphären der Arbeits- und Lebenswelt, die als Unrecht empfunden wurden, so daß solches Protestverhalten durchaus als eine defensive Reaktion gelten kann. 89 Das galt weitgehend auch für Protestaktionen in Lohnangelegenheiten, die zwar formal als offensiv kategorisiert werden könnten, weil bei ihrem Ausbruch ein kurzfristig provokatorischer Akt von seiten des Konfliktgegners nicht erkennbar vorausging, doch gerade unter der Berücksichtigung ihrer traditionellen Motivationsstrukturen brächte eine solche Einstufung eine Verfälschung der Protestintentionen mit sich, die auf eine materielle und soziale Existenzsicherung im Rahmen der ›moral economy‹ und ›plebcjischen Kultur‹ abzielten. Dagegen trug der Gemeinschaftsprotest des Bürgertums überwiegend offensive Züge. Seine Emanzipations- und Partizipationsbestrebungen, die von aufgeklärtem liberalen Denken getragen wurden, verlangten nach einer innovativen Veränderung der sozialen und politischen Strukturen. Als selbstbewußte ›Mittel-Classe‹ oder ›mittlerer Stand‹, der den Adel als die Stütze der Fürsten durch seine wachsende ökonomische Bedeutung in Staat und Gesellschaft im Begriff war abzulösen, forderte es eine angemessene Beteiligung am politischen Entscheidungsprozeß. Zunehmend empfand es die ständisch strukturierte Rechtsordnung als gesellschaftsfremd und fortschrittshemmend, weil sie in seinen Augen eine gerechte und aufgeklärtrationale Regelung des sozialen Zusammenlebens nicht mehr gewährleistete.
7.2. Der soziale Umweltbezug Das kollektive Protestverhalten wies einen deutlichen Zusammenhang zwischen seinem sozialen Umweltbezug und der Struktur seiner Träger auf 247 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Während spezifische Gruppen ausgeprägt selbstorientiert agierten, charakterisierte das Protestverhalten der diffusen Menge eine kollektive Orientierung. Der sozialen Homogenität und Interessenidentität der Angehörigen einer Zunft, der Arbeiter an einer Baustelle oder der Göttinger Studenten entsprach ein ausgeprägter Rückbezug der Protestintentionen auf die Trägergruppe. Deren spezifische Lebenswelt spiegelte sich in den sozialen Beziehungen untereinander ebenso wider wie in ihrem Bewußtsein. Einerseits erleichterten solche Bedingungen die Durchführung von Protestaktionen, andererseits trug das Protestverhalten dazu bei, daß die Distanzierung der Trägergruppe von ihrer jeweiligen sozialen Umgebung vertieft und das eigene Sozialmilieu gestärkt wurde. Tab. 14: Die gesellschaftliche Orientierung der Protestierenden nach ihrer Struktur gesellschaftliche Orientierung Gesamt Protestmenge selbstorientiert kollektivorientiert diffuse Menge strukturierte Menge spezifische Gruppen
9 (20,6)a 6 (9,7) 50 (34,6)
25 (13,3) 10 (6,3) 7 (22,4)
Gesamt
65
42
34 16 57 107
C = 0,51 Cmax = 0,762 Basis: 107 von 153 Fällen Informationsdichte: 70 ι) In Klammern die Werte der theoretisch zu erwartenden Verteilung.
Demgegenüber mußte eine diffuse Menge wegen ihrer größeren Heterogenität und Interessenvielfalt eher Ziele mit breiterer sozialer Spannweite verfolgen. Sie ermöglichten erst eine Mobilisierung von Teilnehmern und gemeinschaftliches Handeln. Die gemeinsame Lebenslage und Erfahrungswelt als konstitutive Merkmale der Protestformation erlaubten im Erfolgsfall keinen Ausschluß von Nichtdemonstranten, so daß keine enge soziale Beschränkung der angestrebten Veränderungen auf die Gruppe der Demonstranten allein möglich war. Allerdings gingen auch ihre Zielsetzungen kaum über den begrenzten Lebensbereich hinaus. Gegenüber diesem lokal ausgerichteten Grundzug von Protest bildeten Aktivitäten, die sich auf überlokale oder gesamtstaatliche Anliegen bezogen, die Ausnahme. Sie richteten sich primär auf eine Veränderung der Verfassungsordnung, die mit Unterstützung von Handwerkern und großbäuerlichen Teilen der Landbevölkerung hauptsächlich von bürgerlichen Schichten betrieben wurde. Entsprechend ausgeprägt war die Orientierung an einer sozialen Schicht; für alle durch ein gewisses Maß an Besitz und Bildung 248 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
ausgezeichneten Personen sollten Partizipationsmöglichkeiten im Gesamtstaat institutionalisiert werden. Idealtypisch zugespitzt nutzten die Bürger für ihren gesamtstaatlich und kollektiv orientierten Protest das Mittel der Petition zur Überwindung der altständischen Verfassungsverhältnisse. Handwerksgesellen, Arbeiter und Tagelöhner wandten für ihre lokalen, selbstorientierten Ziele die Verweigerung vor allem im Bereich des Arbeitskampfes an. Sowohl bezüglich der sozialen Träger als auch der Umweltorientierung kennzeichnete die Demonstration Ambivalenz, während die tumultuarische Aktion am ausgeprägtesten den parochialen Charakter des vormärzlichen Gemeinschaftsprotestes widerspiegelte. Sie wurde in gleichem Maße von selbstorientierten wie von kollektivorientierten Akteuren getragen.
7.3. Die Funktionen des Protests Die Protestierenden strebten eine Überwindung des Abstandes zwischen ihren Erwartungen und der vorgefundenen Realität durch innovative Lösungen vor allem am Beginn der 1830er Jahre an. Allerdings vermittelte eine Kategorisierung des Protests nach ›innovativ‹ versus ›restaurativ‹ kein ausreichendes Bild vom wirklichen Reformdruck der 1830er und 1840er Jahre, unter dem zweifellos auch die norddeutschen Regierungen standen. So artikulierte sich die anwachsende Bewegung für eine Erweiterung der politischen Beteiligungsmöglichkeiten und für die Schaffung eines deutschen Nationalstaates weniger in illegalem Kollektivprotest als vielmehr in der politischen Publizistik, in Vereinen und wissenschaftlichen Gesellschaften, in legalen Eingaben von Magistraten, Bauernschaften, Zunftvertretern und anderer dazu von Amtswegen Befugter. Auf diesen Wegen wurden hauptsächlich die alternativen Vorstellungen zur Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialordnung formuliert und verbreitet. Die Umrisse dieses vormärzlichen Veränderungsdruckes werden etwas deutlicher, wenn solche Protestfälle in die Betrachtung einbezogen werden, deren Träger ihre Ziele an vermeintlich früheren Zuständen ausrichteten und die auf seiten der Regierungen und Behörden dennoch reformerische Maßnahmen erforderten. So konnte bei einem Großteil der sozialen Konflikte letztlich nicht die Lösung in einer Rückkehr zu vergangenen Zuständen gefunden werden, die durch den eingetretenen sozialen Wandel bereits unwiderruflich verändert waren, sondern sie ließ sich nur auf innovativem Wege erreichen. Eine solche Diskrepanz zwischen den subjektiven Absichten der Protestierenden und den objektiven Möglichkeiten erhöhte für alle Beteiligten die Schwierigkeiten für eine befriedigende Konfliktregelung. Zusammenfassend erforderte reformerischer Gemeinschaftsprotest von seinen Trägern eine kollektive Orientierung und einen gesamtgesellschaftli249 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
chen Bezugsrahmen; diesen Anforderungen genügten am weitestgehenden die Träger aus dem Bürgertum sowie dessen politische Stützen im Handwerk und unter der Landbevölkerung, wenn sie ihre Verfassungswünsche vorbrachten. Am häufigsten wurde dabei der petitionistische Weg beschritten. Dagegen war der restaurative Protest durch eine Konzentration der Träger auf ihre eigene Gruppe gekennzeichnet, deren Forderungen sich auf den unmittelbaren, lokalen Erfahrungsbereich beschränkten. Diese Merkmale kennzeichneten die unterbürgerlichen Schichten in ihrem aktionistischen Protest, der aus den verschiedensten Ursachen heraus unternommen wurde. Beiden Zielrichtungen gemeinsam war, daß sie dazu tendierten, die Spannungen zwischen den subjektiven Erwartungen und der vorgefundenen Realität zu verringern und dadurch Unzufriedenheit abzubauen; allerdings auf sehr unterschiedliche Art und Weise: auf der einen Seite sollten die durch sozialen Wandel hervorgerufenen Ungleichgewichtigkeiten auf einer neuen Grundlage ausgeglichen und insbesondere der politische Wandel vorangetrieben werden, auf der anderen Seite wurde den spürbaren sozialen, ökonomischen und politischen Veränderungen Widerstand entgegengesetzt. Welche dieser beiden Zielrichtungen größere Erfolgsraten erzielten und welche mit den höheren sozialen Kosten verbunden war, soll im folgenden untersucht werden. 7.4. Die Protesterfolge und ihre sozialen Kosten Die Anwendung der Kategorie des Erfolges, der an den Absichten der Protestträger gemessen wird, ist nicht ohne Probleme; denn vielfach lösten die Protestaktionen dynamische Prozesse aus, die weit über die ursprünglichen Intentionen der Protestierenden hinausgingen und von ihnen in ihren schließlichen Wirkungen kaum mehr zu beeinflussen waren. Ferner gilt es, kritisch zu berücksichtigen, daß zwischen der Aktion und ihrem schließlichen Erfolg - soweit die Obrigkeit als Protest- oder Objektpartei beteiligt war - Entscheidungsprozesse abliefen, die meistens von anderen sozialen Kräften mitbestimmt wurden. Sie konnten in solchen Fällen die Protestaktion als ein gewichtiges Argument benutzen, um ihre eigenen Interessen in die obrigkeitliche Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. Dann hing der Erfolg nur noch sekundär vom eigentlichen Ausmaß der Herausforderung und den Protestabsichten der Demonstranten ab. Darüber hinaus wurde eine Beurteilung des Erfolges durch den zeitlichen Abstand erschwert, der häufig das Protestereignis von seinem Niederschlag in Verordnungen, Gesetzen, Verfassungsänderungen, Lohnerhöhungen oder Verbesserungen der Arbeitsbedingungen trennte. Trotz dieser gewichtigen Einwände, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen, erscheint ein Quantifizierungsversuch vertretbar, um vergleichend eine Kosten-Nutzen-Analyse des Kollektivprotests zu skizzieren. 250 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Tab. 15: Protesterfolg
Erfolga
ohne Erfolg kurzfristige Abhilfe Reform Gesamt
Zeitraum Gesamt 1815- 1820- 1825- 1830- 1835- 1840- 18451819 1824 1829 1834 1839 1844 1847/48 4
10 3
4 2
4
13
6
28
17
20
7
90
5 13
3
3 4
4 1
20 18
46
20
27
12
128
Basis: 128 von 153 Fällen Informationsdichte: 83,6 a) Beim Erfolgsgrad wurde jeweils die höchste Stufe verzeichnet.
Da sich die Bestandsdauer einzelner Erfolge aus Datenmangel nicht genauer untersuchen ließ, konnte lediglich sinnvoll zwischen kurzfristiger Abhilfe und Reform differenziert werden. Beispielsweise wirkten ad-hocMaßnahmcn zur Arbeitsbeschaffung spezifischer und kurzfristiger als Vcrwaltungsvorschriften oder gar Gesetze. Gleichwohl konnten sogar Verfassungen nach relativ kurzer Zeit wieder zurückgenommen werden, wie König Ernst-August von Hannover 1837 demonstrierte. Insgesamt war für den vormärzlichen Protest in Norddeutschland seine weitgehende Erfolglosigkeit kennzeichnend. Nur etwas mehr als ein Viertel der Protestaktionen dürfte zu greifbaren Zugeständnissen des Konfliktgegners geführt haben, die fast ebenso häufig mit kurzfristiger Abhilfe wie mit Reform im kritischen Bereich antworteten. Deutlich höher waren allerdings die Erfolgsaussichten in den Jahren der fundamentalen Erschütterung des politischen Systems 1830/32. Vor allem zeichnete sich eine deutliche Zunahme der Reformbereitschaft ab, die hauptsächlich im politischen Sektor im engeren Sinne greifbar wurde. Dennoch blieb der Erfolg deutlich hinter der von Volkmann für den Deutschen Bund 1830/32 ermittelten Rate von zwei Dritteln zurück. So wurden zwar in Braunschweig und Hannover als den Staaten mit dem häufigsten Protest in diesen Jahren sehr schnell personelle Veränderungen der Regierungsspitze erreicht, doch blieben die Erfolge, beispielsweise im besonders erschütterten Herzogtum Braunschweig, auf lokaler Ebene sehr begrenzt, da die Regierung sich nachdrücklich bemühte, jede Ermunterung zu weiteren Aktionen durch vorausgegangene sichtbare Erfolge zu vermeiden und, zum Teil mit Unterstützung des Bürgertums, © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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generell die Erwartungen, die in Protest gesetzt werden könnten, zu dämpfen. Entsprechend intensiv war sie ebenso wie die Regierung im benachbarten Hannover bestrebt, die Veränderungen im politischen Zentrum nicht als Folge des Protests erscheinen zu lassen, obwohl nicht nur dieser personelle, sondern auch der in zeitlichem Abstand stattfindende verfassungsrechtliche Wandel ohne den Anstoß durch kollektiven Protest nicht vorstellbar gewesen wäre. Auch die Oldenburgische Gemeindeordnung als erstes, bescheidenes Zugeständnis auf die Verfassungsforderungen verdankte ihre Entstehung ebenso dem tatsächlichen oder antizipierten Druck von unten wie der Fortschritt bei der Integration der hamburgischen Vorstädte. Gewissermaßen Erfolge zweiten Grades stellten die im Anschluß an die Verfassungsreformen in den Flächenstaaten in Angriff genommenen Reformen in anderen Bereichen dar, vor allem der Abbau der einen agrarischen Produktionsfortschritt hemmenden ländlichen Besitz- und Lastenstrukturen. Darüber hinaus gehörte zu den kaum meßbaren längerfristigen Protesterfolgen dieser Jahre eine starke allgemeine politische Mobilisierung bis in untere soziale Schichten,90 der die Regierungen kurzfristig mit der Duldung von politischen Versammlungen und Vereinsgründungen sowie einer gelockerten Handhabung der Zensur Rechnung trugen und die sie gleichzeitig dadurch unbeabsichtigt forderten. Die bald einsetzende Reaktion des Deutschen Bundes konnte solche politischen Aktivitäten wohl kriminalisieren, eine nachhaltige Entpolitisierung auf den Status quo ante erreichte sie jedoch nicht, zumal gerade so reaktionäre Maßnahmen wie die aufsehenerregende Beseitigung der Hannoverschen Verfassung verstärkt politisches Bewußtsein weckten. Solche Reaktionspolitik tendierte vielmehr dazu, alle insbesondere im Bürgertum gehegten Hoffnungen zu beseitigen, politische Reform zusammen mit aufgeklärten Fürsten und Regierungen in Gang setzen zu können, und unterstrich dadurch ungewollt den prinzipiellen Oppositionscharakter der vormärzlichen politischen Emanzipationsbestrebungen. Gemessen an seiner Protestaktivität konnte das Bürgertum für seine politischen Intentionen sehr beachtliche Erfolge verbuchen. Dabei demonstrierte es vor allem 1830/31 seine bereits gewonnene politische Konfliktfähigkeit. Gerade die kollektive Orientierung und innovative Dynamik der Verfassungsforderungen sicherten eine umfassende Unterstützung unter Stadtbürgern und in Teilen der besitzenden Landbevölkerung, deren Mobilisierung zweifellos zum Erfolg beitrug. Mit großem Geschick nutzten sie die Formen des traditionellen Volksprotests, insbesondere die Demonstration in ihrer ganzen Variationsbreite, und verbanden sie mit der bürgerlichen Programmatik. Nicht selten deuteten ihre führenden Vertreter in der Publizistik, der Verwaltung und den Kammern den Unterschichtenprotest um und rationalisierten ihn nachträglich im eigenen politischen Interesse. Außerdem nutzten sie indirekt den Druck von unten und machten sich als zuverlässiger Partner den Fürsten, Regierungen und städtischen Obrigkeiten bei Unruhen als Ordnungskraft nahezu unentbehrlich, und sei es ledig252 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
lich, indem sie einmütig hartes Einschreiten der Obrigkeit moralisch unterstützten. Die gemeinsame Angst vor Angriffen auf Personen und Eigentum brachten das Bürgertum und die Fürsten gerade in Zeiten erhöhter Unruhe einander näher, was die zumindest kurzfristige gegenseitige politische Abhängigkeit erhöhte. Selbst die bloße Antizipation von möglichem Unterschichtenprotest konnte den politischen Entscheidungsprozeß entscheidend beeinflussen und das Gewicht der bürgerlichen Kräfte und ihrer Reformvorstellungen erhöhen. Umgekehrt wie der Erfolg waren die Kosten von Protest sozial verteilt. Tote und Verletzte hatten fast ausschließlich unterbürgerliche Schichten zu beklagen, die auch von Verhaftungen und Verurteilungen am häufigsten betroffen wurden. Bei ihnen standen maximale Kosten minimalen Erfolgen gegenüber, nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht. Ihre eher restaurativen Forderungen führten häufiger nur zu kurzfristiger Abhilfe auf sozial und geographisch eng begrenztem Raum als zu Reform, die konsequenterweise zu traditionellen Normen und Werten hätte zurückführen müssen. Zudem bot die überwiegend am lokalen Erfahrungsbereich orientierte Zielsetzung der Obrigkeit eine willkommene Gelegenheit, ebenfalls nur im begrenzten Umfang zu antworten. Als relativ erfolglosester Bevölkerungsteil erschienen die sozial stark differenzierten Landbewohner, auf deren kollektiven Protest der Staat kaum mit Abhilfe oder gar Reform reagierte. Die seit dem Beginn der 1830er Jahre vorangetriebene Modernisierung des Agrarsektors erfolgte nicht über eine emanzipatorische Partizipation oder gar als eine Reaktion auf entsprechende Protestmanifestationen, sondern auf dem Wege der Reform von oben im Zusammenwirken der Regierung mit bürgerlichen Kammermitgliedern. Erfolg und Kosten waren nicht zu trennen vom Ausmaß der Herausforderung, die der Protestfall für die Obrigkeit darstellte. Eine längere Protestdaucr brachte höhere Kosten mit sich, als solche Aktionen, die binnen sechs Stunden beendet wurden. Ein hohes Risiko gingen kleine Protestformationen ein - vor allem spezifische Gruppen -, weil die am Ort verfügbaren Ordnungskräfte größtenteils zum sofortigen Einschreiten ausreichten. Bei großen Massenansammlungen verhielten sich dagegen die Ordnungskräfte eher passiv, zumindest solange Verstärkungen von auswärts in Aussicht standen; wenn es dann nach einer vorübergehenden scheinbaren Überlegenheit der Protestierenden zur Konfrontation kam, war sie meistens mit Verwundeten und Toten verbunden. Sowohl bezüglich der Kosten als auch des Erfolges erwies sich gewaltloser Protest der tumultuarischen Aktion überlegen; bei weniger Kosten erzielte er häufiger Erfolg. Zweifellos verschaffte die allgegenwärtige Möglichkeit, daß gewaltloser Protest eskalieren und nach erfolgloser Demonstration bei nächster Gelegenheit tumultuarisch protestiert werden könnte, ihm Aufmerksamkeit bei der Obrigkeit. Das drohende Potential der Gewalt dürfte auch das politische Gewicht der Petition gesteigert haben. Ihr primärer 253 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Zielbereich und ihre Zielrichtung, nämlich eine grundlegende Reform der Verfassungsverhältnisse, trug allerdings dazu bei, daß ihre Erfolge zwangsläufig begrenzt blieben. Sollten die Erfolgsaussichten eines kollektiven Protests erhöht werden, erschien es während des Vormärz für Protestierende unabdingbar zu sein, ein gewisses Maß aktiven Ungehorsams und eine größere Risikobereitschaft zu zeigen, als es mit einer Petition verbunden war. Allein die Verbindung mit einer friedlichen Demonstration vor dem Amtssitz oder die bloße Ankündigung einer Massendemonstration, wie 1848 in Hannover und Oldenburg, konnten die Erfolgsaussichten bedeutend steigern. Wenngleich in der politischen Auseinandersetzung ein weitgehend stumpfes Instrument, erzielte die Verweigerung doch im Arbeitskampf beachtliche Wirkung, allerdings um den Preis einer erheblichen Kostenbelastung durch Entlassungen, Verhaftungen und Verurteilungen. Ihre Variabilität ermöglichte eine optimale Anpassung an die jeweiligen konkreten Umstände und trug so zu ihrem häufigen Erfolg bei. Das höchste Risiko bei geringster Aussicht auf unmittelbaren Erfolg nahmen Teilnehmer an tumultuarischen Aktionen in Kauf. Der erfolgärmste Protest schien im Vormärz die höchsten Kosten zu fordern. In diesem Zusammenhang sei jedoch nochmals darauf verwiesen, daß der Erfolg anderer Protestformen vielfach kaum eingetreten wäre, wenn die tumultuarischc Aktion als Eskalationspotential - sei es im zeitlichen Zusammenhang demonstriert oder lediglich von der Obrigkeit antizipiert - nicht Behörden, Magistrate und Regierungen verunsichert und ihre Neigung zu Zugeständnissen erhöht hätte.
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8. Der vormärzliche Protest und seine Rationalität Für eine abschließende Beurteilung des vormärzlichen Protests soll es unterbleiben, im Zusammenhang mit den Protestursachen und -zielen die Wertproblematik von Modernisierung und traditionellem Status quo zu erörtern. Vielmehr wird grundsätzlich angenommen, daß die Protestierenden, aus welchen Gründen auch immer, den Ursachen und Zielen ihres Protesthandelns hohen Wert und Legitimität beimaßen; das galt selbst noch für scheinbar so irrationale Aktionen wie die Ausschreitungen gegen Juden in Hamburg. Stattdessen wird die Fragestellung auf die Angemessenheit gemeinschaftlichen Protests an die strukturellen Bedingungen zur Artikulierung von Unzufriedenheit begrenzt. Für die vormärzlichen Strukturen war charakteristisch, daß große Teile der Bevölkerung keine Möglichkeit besaßen, ihre Bedürfnisse und Interessen auf verfassungsmäßigem Wege in den politischen Prozeß einzubringen. Weder hatten sie Interessenvertreter in den Kammern noch verfügten sie über das Recht, bei der Abgeordnetenauswahl mitentscheiden zu dürfen. Eine öffentliche Meinung mit freier Presse als kräftigem Sprachrohr, die kollektiven Hoffnungen und Wünschen hätte Nachdruck verleihen können, begann sich erst allmählich zu konstituieren. Grundsätzlich blieb die Presse während des Vormärz auf einen Problemausschnitt in ihrer Berichterstattung beschränkt, der durch Zensur und die schichtenspezifischen Interessen des lesenden Bürgertums bestimmt wurde; Unterschichten fanden hier überwiegend erst dann Aufmerksamkeit, wenn sie mit spektakulären Ereignissen in Verbindung gebracht werden konnten, sei es Massenelend in einer Hungersnot oder eben kollektiver Protest. Solche Bedingungen sowie die mangelnde aktive und passive Organisationsfähigkeit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung begünstigten bei der Interessenartikulation und -durchsetzung spontanes, ungeplantes Handeln, wobei Normverletzungen bewußt oder unbewußt begangen wurden. Der Gesetzesverstoß bildete größtenteils jedoch nicht das Ergebnis eines rationalen EntScheidungsprozesses, der die Nutzen und Kosten abgewogen hätte, sondern er war der Vollzug von Erfahrung und volkskulturellen Vorgaben: die kollektive Normverletzung sollte den Konfliktgegner und seine Repräsentanten bestrafen, die Ursachen und Ziele des Protests selbst verdeutlichen und die Aufmerksamkeit vor allem der Obrigkeit wekken, um die Protestziele ihrer Verwirklichung näher zu bringen. Dabei war es durchaus nicht ungewöhnlich, daß zeitweise mit Zollschranken, Stadttoren oder Akzisebüros die bedrückenden Institutionen direkt außer Funktion 255 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
gesetzt werden konnten; denn die in abgelegenen Orten nur begrenzt verfügbaren Repressionskräfte ermöglichten eine zeitweise Überlegenheit der Protestierenden gerade bei tumultuarischen Aktionen, die den Forderungen zusätzliches Gewicht verleihen konnte. In diesem Handlungszusammenhang hatte auch Gewalt ihren Platz. Sie wurde offensiv in Verbindung mit traditionellen Rügebräuchen angewandt, zur Funktionsbeeinträchtigung einer bedrückenden Institution oder zur Störung außerhalb der zünftigen Wettbewerbsordnung arbeitender Handwerker und Gewerbetreibender sowie zur Zerstörung ihrer Produkte geübt oder entstand aus einem Interaktionsprozeß zwischen den Ordnungskräften und den Protestierenden. Daß ihr darüber hinaus Unterhaltungswert und erhebliche Bedeutung bei der Austragung von Gruppenrivalitäten zukam, wurde häufig deutlich. Bei ihrer Beurteilung darf nicht übersehen werden, daß der Gewalteinsatz vom Bewußtseinsstand der Unterschichtenangehörigen mitbestimmt wurde. Darin hatten antijüdische Gefühle ebenso ihren Platz wie Fremdenressentiments, die es zweifellos erleichterten, abstrakte Ursachen von Unzufriedenheit zu personalisieren und in der Form eines angreifbaren Protestobjektes zu konkretisieren. Wenn insgesamt die Demonstration und die tumultuarische Aktion in ihren traditionellen Formen den Eindruck einer gewissen Angemessenheit an die vormärzlichen Strukturbedingungen vermitteln, dann weniger, weil sie die bewußt rationale Antwort auf blockierte institutionalisierte Ausdrucksmöglichkeiten darstellten, sondern weil die eigenen Erfahrungen vielfach zeigten, daß die Außergewöhnlichkeit des Handelns den Protestierenden und ihren Anliegen erhöhte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und bei den staatlichen Instanzen sicherte. Gerade die Reaktion der Obrigkeit auf den Unterschichtenprotest 1830, als sie eilig Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Kornunterstützungen und Abgabenerleichterungen durchführte, ließ erkennen, daß von ihr die Zusammenhänge zwischen den Ursachen, den Objekten, den Zielen und dem Protesthandeln selbst noch verstanden wurden. Dies galt beispielsweise auch für die antijüdischen Ausschreitungen in Hamburg 1819, als der Hamburger Senat den jüdischen Einwohnern zurückhaltendes Verhalten auferlegte, ihren Ausschluß vom zünftigen Handwerk bekräftigte und ihre politische Emanzipation aussetzte. Gleichzeitig deutete allerdings der insgesamt für den Vormärz relativ geringe Erfolg des kollektiven Protests darauf hin, daß dieses Verständnis im Zuge der Auflösung traditioneller sozialer, politischer und wirtschaftlicher Verhaltensweisen und Ordnungsvorstellungen im Abnehmen begriffen war. Gerade die Problematik der traditionellen öffentlichen Kornversorgung dokumentierte diesen Umbruchprozeß, an dessen Ende die Ideologie der politischen Ökonomie das Verhalten des Staates und seiner Behörden prägte. Immer weniger war zudem der Staat bereit, autonome Regelungssphären zu dulden; immer stärker war er darauf bedacht, sein Gewaltmonopol nachhaltig durchzusetzen. Die zunehmende ›Rechtsstaatlichkeit‹ tole256 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
rierte keine Gewaltanwendung außer der von seiten des Staates. Eine allerdings langsame Ausweitung der politischen Beteiligungsmöglichkeiten und die allmähliche Legalisierung der politischen und wirtschaftlichen Interessenorganisation eröffneten immerhin langfristig die Möglichkeit, einen Teil der während des Vormärz informell, gewissermaßen auf der Straße ausgetragenen Konflikte zu formalisieren und zu verrechtlichen, wie dies am augenfälligsten im Bereich des Arbeitskampfes geschah. Dabei bemühte sich die Obrigkeit, allein die Bedingungen und Formen des legalen Konfliktaustrages zu bestimmen und abweichendes Verhalten nachdrücklich zu sanktionieren. Zweifellos gelang es ihr mit der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und dem qualitativen und quantitativen Ausbau des Repressionspotentials im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts, das Kostenrisiko für aktionistischen Protest erheblich zu erhöhen.91 Inwieweit hiervon allerdings eine Abschreckungswirkung ausging und direkt ein nachhaltiger Verhaltenswandel erzwungen wurde, bleibt noch zu prüfen. Für eine befriedigende Erklärung des langfristigen Wandels von Protestverhalten müßten zweifellos die Auswirkungen des säkularen Prozesses der Industrialisierung einer genaueren Analyse unterzogen werden. In seinem Verlauf gewannen neue Formen der sozialen Kontrolle in der Arbeits- und Lebenswelt der Unterschichten an Gewicht. Der verbreitete Unternehmerpatriarchalismus und die Anfänge einer staatlichen Sozialpolitik trugen ebenso zum Verhaltenswandel bei, wie die Selbstdisziplinierung der entstehenden Arbeiterschaft in ihren Gewerkschaften. Ferner bliebe nach dem Anteil der Arbeiterbildungsbewegung, die bei bürgerlich-liberaler Grundorientierung von den 1840er bis zum Ende der 1860er Jahre ihre größte Bedeutung besaß, am Wandel der Wertvorstellungen bei einem Teil der Unterschichtenangehörigen zu fragen. Diese hier nur angedeuteten Entwicklungen hatten eine tiefgreifende Auflösung der zünftigen Arbeits- und Lebenswelt zur Folge, die noch während des Vormärz für so viel Konfliktstoff gesorgt hatte; damit verblaßte ein Bündel von Motiven des traditionellen Gemeinschaftsprotests. In den Vordergrund trat mehr und mehr der Konflikt zwischen Arbeitern und Unternehmern, in dessen Mittelpunkt die Lohnfrage stand. Sie wurde auf seiten der Unterschichten nicht länger als eine Frage der reinen Existenzerhaltung im Rahmen des Brot-Nexus angesehen, sondern erhielt mit dem Eindringen sozialistischer Gedanken eine neue Qualität. Die vielfältigen Anpassungsprozesse an die großstädtisch-industrielle Arbeits- und Lebenswelt ebenso wie die Widerstandsformen gegen neue Verhaltenszumutungen bedürfen einer weiteren Erforschung. Für die Veränderungen beim Protestverhalten schienen sowohl die Integrations- und Disziplinierungsprozesse bei ortsansässigen Unterschichtenangehörigen als auch die gleichzeitigen Desintegrationsprozesse bei Zuwanderern vom Lande von erheblichem Einfluß gewesen zu sein.92 Während fürjene die traditionellen Motive und Ursachenkonstellationen sowie ihre Organisations- und © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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Geselligkeitsformen an Bedeutung verloren und durch den Grundkonflikt zwischen Kapital und Arbeit sowie durch die vielfältigen kulturellen, politischen und gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiterbewegung ersetzt wurden, büßten die Abwanderer aus dem Dorf ihre gewohnten Sozialund Kommunikationsbeziehungen und damit wesentliche Voraussetzungen für kollektive Aktionen ein. Während also ein Teil der Unterschichtenbevölkerung bereits im Rahmen der sich ausbildenden kapitalistischen Industriegesellschaft zunehmend rational, d. h. organisiert, geplant und gewaltarm, protestierte, waren die Zuwanderer vom Lande in der städtischen Umgebung scheinbar zu sehr entwurzelt, um in erheblichem Maße auf traditionelle Weise Protest vollziehen zu können. Über dem zweifellos feststellbaren Wandel des Protestverhaltens, wie er am offensichtlichsten im Bereich des Arbeitskampfes stattfand, sollte allerdings nicht übersehen werden, daß traditionelle Protestformen nicht grundsätzlich verlernt wurden, sondern die vorindustrielle Gesellschaft durchaus überlebten; in anderen historischen Zusammenhängen wurden sie weiterhin praktiziert, sei es im gewerkschaftlichen Lokalismus oder sei es bei Hungerunruhen während des Ersten Weltkrieges.
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Liste der Protestfälle in Norddeutschland 1815-1847/48 Die im folgenden kurz charakterisierten 153 Protestfälle liegen der quantitativen Protestanalyse zugrunde. Die jeweiligen Quellenangaben verweisen auf die Informationsbasis. Die Literaturhinweise erfolgen in Kurzform analog zum Anmerkungsapparat; die vollständigen bibliographischen Angaben sind im Literaturverzeichnis zu finden. Die Ordnung der Fälle erfolgt in alphabetischer Reihenfolgenach Protestorten; Deich- und Eisenbahnbauarbeiterproteste sind am Schluß der Zusammenstellung aufgeführt. Achim April 1831 Schiffszieher auf der Weser wehrten sich gegen die zunehmende Einführung von Pferden für das Ziehen der Kähne flußauf mit gewaltsamem Anhalten der Schiffe. Militärische Machtdemonstration zwang sie zum Nachgeben. Zeitweise anderweitige Beschäftigung wurde in Aussicht gestellt. StASTD, Rep. 74 Achim Nr. 63; AAZ Beil. Nr. 121, 1831. Aurich 7. Sept. 1831 Einwohner demonstrierten mit »Fenstermusik« bei einem zum jüdischen Glauben übergetretenen Mitbürger. StAAUR, Rep. 6 10 490. Bodenwerder 21. April 1837 Nach einem spektakulären Unfall auf der Weserbrücke verhaftete ein Polizist zwei Schaulustige, was eine Massendemonstration von mehreren hundert Personen vor dem Rathaus auslöste. HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I Co 129. Bovenden Zwischen März und Sept. 1820 Nach einem dort ausgetragenen Streit zwischen den Landsmannschaften der Mecklenburger und Holsteiner attackierten beide Gruppen gemeinsam beobachtende Universitätspedelle und Jäger mit Stein würfen. Bünsow, Heer, S. 223. 259 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. 10. Jan. 1831 Begüterte Bauern und Advokaten bildeten zur Unterstützung des Göttinger Auflehnungsversuches einen Gemeinderat, dessen Mitglieder nach dem Zusammenbruch des Widerstandes in der Universitätsstadt zu beträchtlichen Zuchthausstrafen verurteilt wurden. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I, II; Hann. 74 Gö Κ 426; Hann. Des. 80 Hild. I Ε 1740. Ebd. 29. /30 Ju n i 1834 In eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen ca. 200 Studenten und Einwoh nern Bovendens griffen Landdragoner ein. HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 1741. Braunschweig 6.-8. Sept. 1830 Der Braunschweiger »Aufstand« begann am Abend des 6. 9. 1830 mit Steinwürfen auf die Kutsche des Herzogs Karl II. und setzte sich mit einer Massendemonstration fort. Am folgenden Abend wurde im Rahmen einer erneuten Massendemonstration mit mehreren tausend Teilnehmern und nach hastiger Abreise des Herzogs das Schloß gestürmt und in Brand gesetzt. Das Militär leistete kaum Widerstand. Am 8. September erwies sich die neugegründete Bürgergardc dann als Herr der Situation; sie unterdrückte zum Teil gewaltsam aufflackernde Folgeproteste. Hauptsächlich StAWF, HS VI 7 Nr. 29; 9 Nr. 61 Bd. 2; 34 Ν Fb. I Nr. XXI 6; 12 A Neu Fb. 5 5653; 38 Α Neu Gr. 2 Fb. 1 Abt. III 38 Vol. I; AAZ in zahlreichen Nummern und Beilagen zwischen 15. 9. und 3. 10. 1830; Koch; T. Müller, S. 98ff.; Böse, S. 95ff. Ebd. 27. Sept. 1830 Nach der offiziellen Bekanntgabe der Regierungsvollmachten für Herzog Wilhelm kam es u. a. auf dem Burgplatz zu einer Demonstration von einigen tausend Braunschweigern, die Karl II. ein Pereat brachten. Die Behörden befürchteten einen erneuten »Aufruhr«. Böse, S. 157; Ilse, S. 415ff. Ebd. 8. Jan. 1831 Beschäftigte bei öffentlichen Arbeiten warfen einem Bäcker die Fenster ein, dessen Brot zu geringes Gewicht hatte. Die Bürgergarde verhinderte eine Ausweitung des Protests und nahm 16 Verhaftungen vor. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 4; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 8 Bd. 1.
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Ebd. 24./25. Juli 1831 Ein Streit um das Verhalten einzelner Justizbeamter entzweite die Bürgergarde. Zum Schutz gegen die drohende Verhaftung ihres Meinungsführers versammelten sich einige Gardisten in dessen Haus; die Mehrheit der Bürgergarde zerstreute den »Tumult des Pöbels«. Am folgenden Abend nahm der Protest seinen Fortgang mit »Fenstermusik« bei einigen Offizianten. Einige Verletzte und Verhaftungen waren die Folge. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 4; AAZ Beil. Nr. 214, 1831; T. Müller, S. 130f. Ebd. 19. April 1832 Im Anschluß an eine Theateraufführung, in der adelsfeindliche Passagen mit demonstrativem Beifall bedacht und das Spielen der Marseillaise verlangt wurden, zogen »Volkshaufen« singend durch die Stadt, wobei ein Polizist mißhandelt wurde. Bürgergarde und Militär griffen ein. AAZ Beil. Nr. 147, 148, 1832. Ebd. 12. Mai 1839 Das selbständige Einsammeln der Krankenkassenbeiträge sollte bei den Tischlergesellen verboten werden, die mit Arbeitseinstellung sich zur Wehr setzten. Polizei schritt dagegen ein. AAZ Nr. 132, 12. 5. 1839. Ebd. 1.-3. Sept. 1845 Drei Abende hintereinander fanden z. Τ. schwere Schlägereien zwischen Schustergesellen und Soldaten statt, die aus einem unbedeutenden Anlaß auf der Herberge entstanden und sich zu Auseinandersetzungen zwischen Unterschichten und Militärangehörigen ausweiteten. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 211; AAZ Nr. 253, 10. 9. 1845; Wochenblatt für den Kreis Holzminden Nr. 38, 13. 9. 1845. Bremen Mai 1818 Auf einen Erlaß des Senats gegen Bauholzdiebstahl reagierten Zimmergesellen beleidigt mit der Weigerung, künftig kein Bauholz mehr zu tragen. Mit Entlassungen und anschließender Arbeitseinstellung eskalierte der Konflikt. Vermittlungsversuche des Senats entspannten vorübergehend die Lage. StAHB, 2-S-15.0.7.d.; 2-S-15.0.7.k.4.; Helm, S. 131 f.; Schaefer, S. 99.
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Ebd. 30. Tuni-8. Juli 1818 Nach dem Scheitern der Vermittlung ging die Obrigkeit gegen Arbeitsniederlegungen energisch vor. Als sich der Konflikt ausweitete, verhaftete sie die Alt- und Junggesellen der Bauhandwerke und erzwang die Herausgabe der Schlüssel zu den Gesellenladen. Nun gaben die Gesellen auf, um den Bestand ihrer Zunft zu retten. StAHB, 2-S-15.0.7.d.; 2-S-15.O.7.k.4.; Helm, S. 131f.; Schaefer, S. 99. Ebd. 11./12. Juli 1827 Nach der Arretierung eines angeblich bettelnden Schneidergesellen demonstrierte eine große Menschenmenge unter maßgeblicher Beteiligung von Handwerksgesellen vor dem Gefängnis für dessen Freilassung, wobei es zu schweren Auseinandersetzungen mit Ordnungskräften kam, die sich am folgenden Abend wiederholten. Zwei Tote und zahlreiche Verletzte waren auf beiden Seiten zu beklagen. Über 30 Verhaftete wurden in Untersuchung gezogen. Der Schneidergeselle wurde schließlich am 13. 7. ausgewiesen. StAHB, 2-D-17.b.4.; AAZ Nr. 208, 27. 7. 1827; Schaefer, S. 99. Ebd. Oktober 1828 Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen in Deutschland angeworbenen brasilianischen Rekruten, die vor Bremen auf ihre Ausschiffung warteten, und Angehörigen des bremischen Militärs. StAHB, 2-C-12.e.; Engelsing, Bremen, S. 22f. Ebd. 21. Oktober 1830 Ein Unbekannter verletzte einen Unteroffizier der Wache mit einem Steinwurf. Die sofortige Verhaftung eines Verdächtigen zog viele Neugierige vor die Wache, wo sie bald mit Steinwürfen ihrer Forderung nach Freilassung des Arretierten Nachdruck verliehen. Bürgermilitär zerstreute gewaltsam die Menge. StAHB, 2-D-20.b.2.a. Ebd. 24 J a n . 1832 Massenpetition von 2070 Bürgern gegen die Einführung der Wehrpflicht. StAHB, 2-R-6.b.2.a.2.c; Dammann, S. 105ff. Ebd. 7. Febr. 1832 Petition von 267 Vorstädtern gegen die Einführung der Wehrpflicht. StAHB, 2-R-6.b.2.a.2.c; Dammann, S. 108f. 262 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. Sept. 1834 Schustergesellen »insultierten« einen Trauerzug der Tischlergesellen, woraus eine schwere Schlägerei zwischen beiden Gruppen entstand. Helm, S. 37 f. Ebd. 14. Mai 1838 Der Bremer Club »Einigkeit« sammelte 4850 Unterschriften für eine Massenpetition zugunsten der Erhaltung des Werbesystems anstelle der beabsichtigten Wehrpflicht. Mit 30 Unterschriften führender Mitglieder des Clubs wurde sie an den Senat weitergereicht. StAHB, 2-R-6.b.2.a.2.d.; Weser Zeitung, 2. 11. 1841; AAZ Nr. 120, 30. 4. 1841; Dammann, S. 135ff. Ebd. 18. Okt. 1838 Anläßlich der Feier des 18. Oktober wurden dem französischen Ministerresidenten »trotz polizeilicher Abwehr« die Fensterscheiben von einer Volksmenge demonstrativ eingeworfen. AAZ Beil. Nr. 311, 1838; Nr. 330, 26. 11.; Nr. 345, 11. 12.; Nr. 346, 12. 12.; Nr. 351, 17. 12. 1838; Beil. Nr. 365, 1838. Ebd. Okt. 1839 Ein Streit zwischen zwei Gesellen und ihrem Meister weitete sich zum Konflikt zwischen beiden Gruppen aus, der mit dem Eingreifen der Polizei weiter eskalierte. Die Arbeitsniederlegung der Maurergesellen beantwortete die Obrigkeit mit zahlreichen Verhaftungen. Ausweisungen und schließlich der Verruf des Bremer Maureramtes waren längerfristige Folgen. StAHB, 2-D-19.n.4.; Verbindungen, S. 45ff., 79, 89f.; Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 301, 27. 10. 1840; Beil. Nr. 363, 28. 12. 1840. Ebd. Mai 1840 Ein Streit um die Auslegung von Kündigungsvorschriften bei den Maurern zwischen Gesellen und ihrem Meister eskalierte mit der Verhaftung von drei Gesellen auf eine Anzeige des Meisters bei der Polizei. Mehrtägige Arbeitseinstellung und Demonstrationen zur Freilassung der Gefangenen sowie Massenverhaftungen von über hundert Gesellen markierten den Fortgang der Auseinandersetzung, die mit einer Niederlage der Gesellen und zahlreichen, teilweise drakonischen Strafen endete. StAHB, 2-D-19.n. 4.; Verbindungen, S. 89f.; Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 263, 19. 9. 1840; Nr. 301, 27. 10. 1840. 263 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. 11. Sept. 1841 Vierzig Maurergesellen versammelten sich zum verbotenen Gesellengericht auf einer Viehweide. Die Polizei griff ein und verhaftete mehrere. Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 263, 19. 9. 1840. Ebd. April 1841 Petition gegen die Wehrpflicht mit 61 Unterschriften von Meistern aus allen Gewerben, deren Beteiligung anschließend gerichtlich verfolgt wurde. Damman, S. 157; Weser Zeitung, 2. 11. 1841 Ebd. 19./20. April 1841 Nach Unterschriftensammlungen für Protestpetitionen gegen die beginnende Einschreibung künftiger Rekruten kam es am 20. 4. zu »tumultuarischen Auftritten« innerhalb und außerhalb des Rathauses, die von Polizei und Reiterei gewaltsam unterdrückt wurden. StAHB, 2-D-17.b.4.a.1.; Weser Zeitung, 2. 11. 1841; Dammann, S. 161ff.; Schwarzwälder, S. 169. Ebd. Sept. 1841 130 Mitglieder der Gesellschaft »Einigkeit« protestierten in einer Petition gegen die Schließung ihres Versammlungslokals im Zuge der Untersuchung der Wehrpflichtproteste. StAHB, 2-R-6.b.2.a.2.d. Bremerhaven 2. Juli 1827 Beim Baubeginn für Bremerhaven nahmen zwei- bis dreihundert Arbeiter aus Protest gegen die nichterfüllten Lohnversprechungen des Unternehmers die Arbeit nicht auf. Sie verließen schließlich die Baustelle. Bessell, S. 217. Ebd. März 1846 Mit Arbeitseinstellungen über mehrere Tage protestierten Schiffszimmerleute für höheren Lohn und gegen das »Trucksystem« auf ihrer Werft. AAZ Nr. 83, 24. 3.; Nr. 134, 14. 5. 1846.
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Celle 13. Oktober 1845 Als anläßlich eines Besuches des Königs in der Stadt in zwei Häusern nicht illuminiert wurde, kam es zu »Fenstermusik« und anschließendem erheblichen Tumult mit Eingreifen von Polizei und Militär. AAZ Nr. 292, 19. 10. 1845. Clausthal/Zellerfeld 10. August 1844 Mit der Verhaftung eines Beteiligten an einer Wirtshausschlägerei zog die Polizei sich den Zorn von Bergleuten zu, die den Gefangenen gewaltsam befreiten. Seine erneute Verhaftung gelang der Obrigkeit wenig später im benachbarten Zellerfeld, wo ein Menschenhaufen jedoch abermals seine Freilassung erzwang. HStAH, Hann. Des. 84 II G 61. Cuxhaven Jan. 1820 Die Kapitäne und Besatzungen englischer Schiffe widersetzten sich einer Anordnung zur täglichen Inspektion der Feuerstellen an Bord und veranlaßten einen »allgemeinen Aufstand«, zu dessen Unterdrückung der Hamburger Amtmann sogar Kanonen auffahren ließ. AAZ Nr. 37, 6. 2. 1820. Emden 1846 Ein »Tumult« bei Öffentlichen Bauarbeiten wurde durch gewaltsames Einschreiten von Landgendarmen und städtischer Polizei unterdrückt. StAAUR, Rep. 6 Nr. 10505. Fürstenau (Landdrostei Osnabrück) 1844 Mitglieder der Kirchengemeinde demolierten das Pfarrhaus aus Protest gegen die Einsetzung eines unerwünschten Pfarrers. StAOS, Rep. 300 Nr. 1005. Gittelde (Herzogtum Braunschweig) 12.-17. Oktober 1830 An mehreren Abenden hintereinander bestraften die Einwohner OfFizianten für ihre Amtsführung mit »Fenstermusik«: Ortsvorsteher, Landwehrjäger, Akziseaufseher und Chausseegeldpächter. Im Zuge der Ereignisse wurde auch eine gewaltsame Gefangenenbefreiung aus dem Hause des Ortsvorstehers unternommen. Ein gewisser Höhepunkt war die Demolierung des Weghauses samt Schlagbaum. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2II Β 14. 265 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Göttingen 30. Mai 1815 Nachdem ein angetrunkener Student durch die Jägerwache gefährlich verletzt worden war, stürmten am folgenden Abend dessen Kommilitonen das Wachthaus und zerschlugen alle auffindbaren Gewehre. Hoppenstedt, S. 18f. Ebd. 18. Jan. 1816 »Fenstermusik« von Studenten für den Verfasser einer politischen Schrift zur Unterstützung des monarchischen Prinzips. UAGÖ, 6 b 47; AAZ Nr. 37, 6. 2.; Nr. 56,25. 2. 1816; Bünsow, Heer, S. 211. Ebd. 1. Sept. 1816 Studenten schlugen dem Prorektor die Fenster ein und deckten das Dach eines Nebengebäudes seines Hauses ab, nachdem er die Korps aufgelöst und einige Mitglieder mit dem consilio abeundi bestraft hatte. Hoppenstedt, S. 18ff.; Bünsow, Heer, S. 213f. Ebd. 11./12. Juli 1818 In einem privaten Streit zwischen einem Schlachter und einem Kommilitonen bestraften Studenten den Bürger mit dem Einwerfen seiner Fenster. Gleiches geschah dem Senator für Polizeiangelegenheiten für seine Behandlung des Falles. UAGÖ, XF 1 f 616; AAZ Nr. 215, 3. 8. 1818; Hoppenstedt, S. 40ff.; Saathoff, S. 157 f. Ebd. 21./22. Juli/August 1818 Die demonstrative Entsendung von Militär nach Göttingen rief Unmut unter den Studenten hervor. Es entwickelten sich aus dem Gegensatz beider Gruppen blutige Straßenschlachten mit zahlreichen Verletzten. Schließlich zogen die Studenten geschlossen aus der Stadt aus und erklärten die Universität in Verruf. UAGÖ, XF 1 a 580; XF 1f 616; AAZ Nr. 216, 4. 8.; Nr. 218, 6. 8. 1818; Hoppenstedt, S. 50ff.; Bünsow, Heer, S. 217f.; Saathoff, S. 158; F. Saalfeld, S. 34ff. Ebd. 25.-27. Juli 1823 Nachdem eine Petition, studentische Teilnehmer an »Exzessen« auf dem Markt nicht zu bestrafen, von der Universitätsleitung außer acht gelassen wurde, zogen viele Studierende aus Göttingen aus und erklärten die Stadt in Verruf. HStAH, Dep. 110 A 193; AAZ Nr. 221, 9. 8.; Nr. 222, 10. 8.; Nr. 227, 15. 8. 1823; Saathoff, S. 158; Heer, S. 53 f. 266 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. 1829 Eine Petition von 300 Bürgern für kommunale Partizipationsausweitung wurde von der Polizei unterdrückt. Unger, S. 110; Mohnhaupt, S. 131ff Ebd. Okt. 1830 Einem Justizrat wurde »Fenstermusik« dargebracht für eine Schrift, in der er den Fürsten eine stärkere Hinwendung zum Adel empfahl. AAZ Beil. Nr. 296, 1830; Böhmer, S. 13ff.; Unger, S. 120; Saathoff, S. 167; Oppermann, S. 159f. Ebd. 2. Dez. 1830 Einen verhafteten Studenten befreiten drei- bis sechshundert Kommilitonen gewaltsam aus dem Konzilienhaus. AAZ Nr. 349, 15. 12. 1830; Unger, S. 111; Saathoff, S. 167; Hagen, S. 157; Heer, S. 202. Ebd. 8.-16. Januar 1831 Unter Anführung von Privatdozenten und Advokaten besetzten Studenten und Bürger das Rathaus, etablierten einen eigenen »Gemeinderat« und bildeten in der Stadt eine »Nationalgarde«, die Ruhe und Ordnung aufrechterhielt und Protestversuche anderer Einwohnergruppen zum Teil gewaltsam unterdrückte. In den folgenden Tagen gelang es den Göttingern, Eingriffsversuche kommunaler und staatlicher Behörden abzuwehren und der Regierung ihre Beschwerden und Reformforderungen vorzutragen. Schließlich kapitulierten sie aber doch widerstandslos vor der geballten militärischen Stärke des Staates und ergaben sich kampflos den einrückenden Soldaten. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I, II; Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 55,57; Hann. Des. 84 I D 7; Hann. Des. 87 Gött. 22; UBGÖ, Ms. Cod. hist. 316 k; StdtAH, S-1600 A 476; Böhmer, S. 18ff., 23 ff., 78ff.; Unger, S. 112ff.; Oppermann, S. 166 ff. Ebd. 18-/19. Febr. 1831 Wegen schlechter Verpflegung kam es beim Militär zu Befehlsverweigerungen und Ausschreitungen gegen Offiziere, die durch Verhaftungen intensiviert wurden. Trotz strengster Ermahnungen hielten die »Exzesse« auch am folgenden Tage an, so daß ein Bataillon aus der Stadt verlegt werden mußte. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Böhmer, S. 48f.
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Ebd. Juni 1831 Über 500 Göttinger setzten sich in einer Petition für ihre im Anschluß an den Auflehnungsversuch verhafteten Mitbürger ein. HStAH, Hann. 87 Gött. 22; Oppermann, S. 59ff. Ebd. 27. August 1831 Nach dem allmählichen Abbau der Truppenmassierung versammelten sich zahlreiche Soldaten aus Ostfriesland auf dem Marktplatz, weil sie sich gegenüber den bereits Beurlaubten benachteiligt fühlten und fürchteten, für den Winter keine Arbeit mehr zu bekommen oder sogar für immer in Göttingen bleiben zu müssen. Düsterdieck, S. 35f. Ebd. 24. April 1832 Einen jüdischen Leichenzug bewarfen Angehörige des »Pöbels« mit Steinen; Landdragoner griffen ein. AAZ Beil. Nr. 116, 1832. Ebd. Sept. 1837 Mehrere hundert Göttinger setzten sich mit ihrer Unterschrift unter eine Petition für ihre nach dem Auflehnungsversuch von 1831 verhafteten Mitbürger ein. HStAH, Hann. 87 Gött. 22; AAZ Beil. Nr. 263, 1837; Oppermann, S. 59ff Ebd. 20. Nov. 1837 Hundertfünfzig Studenten demonstrierten Prof. Dahlmann vor seinem Haus ihre Sympathie, wo sie auf bereits wartende Universitätspedelle trafen. Kück, S. 7, 63f. Ebd. 14. Dez. 1837 Studenten brachten dem Prorektor ein Pereat dar; das Einschreiten der Polizei war mit Verletzten und Verhaftungen verbunden. AAZ Beil. Nr. 357, 1837; Kück, S. 7,67. Ebd. 15. Dez. 1837 Vor den Häusern der Professoren Dahlmann und Grimm demonstrierten Studenten ihre Sympathie mit den »Göttinger Sieben«, was Ordnungskräfte durch Gewaltanwendung und Verhaftung zu verhindern suchten. Bei den Auseinandersetzungen gab es einige Verletzte. 268 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
AAZ Beil. Nr. 354; Nr. 355, 21. 12.; Nr. 357, 23. 12. 1837; Kück, S. 7, 117f; Saathoff, S. 188; Löschburg, S. 113f. Ebd. März 1838 Nachdem sich der Jurist Mühlenbruch auf einer Gesellschaft abfällig über die Göttinger Sieben geäußert hatte, drückten Studenten in seinem Kolleg mit Zischen, Stampfen, Pfeifen und Schreien ihre Mißbilligung aus und warfen ihm nachts die Fenster ein. Löschburg, S. 125 f. Ebd. 13. Sept. 1845 Unzufrieden über Universitätsgerichtsurteile in einer Kneipe zechende Studenten weckten die Aufmerksamkeit eines Pedellen. Aus seiner Lagebeurteilung entstand mit ausgedehnten Repressionsvorbereitungen der Obrigkeit eine bedrohliche Situation, die leicht in umfangreiche Gewaltanwendung von seiten der Ordnungskräfte hätte ausarten können, als sich 40-50 Studierende abends in einem Biergarten versammelten. UAGÖ, 6 a 79. Ebd. 4./5. Sept. 1846 Unzufrieden mit Universitätsgerichtsurteilen demonstrierten etwa 200 Studenten vor dem Haus eines Universitätsrates; eine Verhaftung intensivierte die Spannung zwischen ihnen und der Obrigkeit. Am folgenden Abend war das Haus des Polizeidirektors das Ziel einer studentischen Demonstration. Bei dem Bemühen, die Unruhen zu unterdrücken, wurden schwerwiegende Differenzen zwischen Polizei und Universitätsleitung deutlich. Der einsichtsvolle Rückzug angeforderter Landdragoner entspannte schließlich entscheidend die bedrohliche Konfrontationssituation, zu deren Zustandekommen einige Verhaftungen wesentlich beigetragen hatten. UAGÖ, 6 a 79. Hamburg August 1815 Als ein Bürgergardist wegen eines »Subordinationsfehlers« degradiert und aus der Garde entlassen werden sollte, empörten sich seine Kameraden und es kam zu »unruhigen Auftritten«. AAZ Nr. 237, 25. 8. 1815.
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Ebd. 25. Sept. 1815 Zwischen dänischen Soldaten, Besuchern des Vergnügungsviertels Hamburger Berg und der Wache entstand eine schwere Schlägerei mit einem Toten und zahlreichen Verletzten. AAZ Nr. 279, 6. 10. 1815. Ebd. 12. Dez. 1816 Stadtsoldaten im Militärhospital rebellierten gegen das schlechte Essen und warfen dem Ökonomen die Fenster ein. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1817 Nr. 4. Ebd. 5. April 1817 Nach einem Streit mit Soldaten wurden zwei Zuckerbäckerknechte verhaftet. Als 60 Kollegen ihre Freilassung vor dem Stadthaus forderten, griff Militär gewaltsam ein. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1817 Nr. 142. Ebd. 12. Dez. 1817 Tatenbcrgcr Bürgergardisten widersetzten sich demonstrativ und drohend den von der Bürgergardenführung gegen sie verhängten Pfändungen wegen Mißachtung einer Verurteilung zum Strafexerzieren. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1817 Nr. 231. Ebd. 16. Juli 1818 Gegen die Vergabe der Arbeiten für ein neues Wachthaus an auswärtige Handwerker demonstrierten Hamburger Bauhandwerker mit Zerstörung des gerade fertiggestellten Bauwerks. Voigt. Ebd. 20.-26. August 1819 Vom Jungfernstieg nahmen mehrtätige, sich allabendlich wiederholende Ausschreitungen gegen Juden ihren Ausgang, in denen hauptsächlich jüdischen Bewohnern die Fenster eingeschlagen wurden. Erst als die Demonstranten sich auch Angriffe gegen Ordnungskräfte zuschulden kommen ließen, ergriff die Obrigkeit energischere Repressionsmaßnahmen. StAHH, Cl. VII Lit. Lb No. 18 Vol. 8 Fase 1; AAZ Nr. 243, 31. 8.; Nr. 244, 1. 9.; Nr. 246, 3. 9.; Nr. 247, 4. 9.; Nr. 250, 7. 9.; Nr. 269, 26. 9. 1819; Sterling; Hudtwalcker, Bd. 2, S. 569 f. 270 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. April 1821 Gefangene des Spinnhauses brachen aus und demonstrierten auf dem Gefängnishof, mit Beilen und Hämmern bewaffnet, für bessere Verpflegung. Bewaffnetes Militär stellte die Ruhe wieder her, wobei einige Beteiligte verletzt wurden. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1822 Nr. 157;AAZNr. 115, 25. 4. 1821. Ebd. 1821 Auf der Maurergesellenherberge ereigneten sich schwere Auseinandersetzungen zwischen einheimischen und auswärtigen Gesellen, die Arbeit suchten. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1821 Nr. 354. Ebd. Sept. 1826 Anläßlich einer Sonntagsparade des Bürgermilitärs kam es zu Mißfallenskundgebungen gegen das Verhalten des Rates in einer Ehrenangelegenheit des Majors to der Horst, die einige Verhaftungen zur Folge hatten. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1826 Nr. 211; AAZ Beil. Nr. 258, 1826. Ebd. 31. Aue.-4. Sept. 1830 Mit einer Schlägerei zwischen Christen und Juden auf dem Jungfernstieg am 31. 8. begann eine Reihe von Protesten, die zeitweise die Autorität des Senats fundamental zu erschüttern drohten. Sie setzten sich am folgenden Abend fort; im Verlauf der Auseinandersetzungen, in die Ordnungskräfte eingriffen, wollte der »Pöbel« Verhaftete gewaltsam befreien. Am dritten Tag war das Stadthaus als Gefängnis und Hauptwache Ziel z. Τ. gewaltsamer Massendemonstrationen. Zu Zusammenstößen der Demonstranten mit berittenen Soldaten kam es in anderen Straßen der Innenstadt. Am folgenden Abend standen sich sogar Bürgermilitär und Reiterei des Militärs gegenüber. Demonstrationen und antijüdische Ausschreitungen setzten sich fort. Am 4. 9. schließlich wurden von der Obrigkeit über 10000 Soldaten und Bürgergardisten zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung aufgeboten. Abends fanden Demonstrationen von Vorstadtbewohnern am Millerntor gegen die Schließung des Tores statt. Von dort zog eine Menschenmenge weiter zu einem Gasthaus auf dem Hamburger Berg, das »spoliiert« wurde. StAHH, Cl. VII Lit. Me Nr. 12 Vol. 4; Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831 Nr. 574; StAHB, 2-D-20.b.2.a.; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 353ff.; Seelig; Treu; Dammann, S. 238; AAZ Nr. 251, 8. 9.; Nr. 253, 10. 9. 1830; Beil. Nr. 257, 261, 1830. Ebd./Hamburger Berg 5. Sept. 1830 Am Sonntagnachmittag war das Ziel vieler neugieriger Spaziergänger das am Vorabend »spoliierte« Gasthaus. Die als Wache dort zurückgelassenen Soldaten fühlten 271 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
sich von dem wachsenden Gedränge bedroht und forderten Verstärkungen an, die mit Unmutsäußerungen und Steinwürfen empfangen wurden. Nach abermaliger Verstärkung und Verlesung eines Tumultmandates feuerten die Soldaten wahllos in die Menge, was einige Tote und zahlreiche Verwundete forderte. Die nun folgenden Straßenschlachten zwischen Militär und zornigen Hamburgern dauerten bis in den späten Abend an. StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4; Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831 Nr. 573; AAZ Beil. Nr. 257, 261, 1830; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 355ff.; Seelig, S. 133f.; Prell, S. 7; Treu, S. 181 ff.; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 63. Ebd. 6. Sept. 1830 Ewerführer-Knechte wollten die allgemeine Unruhe zu einem Protest gegen auswärtige Konkurrenten nutzen und schleppten einen Fremden aufs Stadthaus, wo sie dessen Ausweisung verlangten. Anschließend sollen sie sich in ihrem Wohnviertel »zusammenrottiert« haben. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831 Nr. 575; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 262; Seelig, S. 134. Ebd. /St. Georg 6. Nov. 1830 200 Vorstadtbewohner petitionierten für rechtliche und politische Gleichstellung mit den Stadtbürgern. StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5; Baasch, Geschichte, S. 18f; Gallois, Bd. 2, S. 693f; Bd. 3. S. 328ff.; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 360. Ebd. / St. Geore 2.-4. August 1831 Ein »förmlicher Angriff« von ca. 100 Bewohnern St. Georgs auf das Deichtor, um dessen Schließung abends zu verhindern und gegen die Diskriminierung der Vorstadt zu protestieren. Am folgenden Abend fand an gleicher Stelle eine geordnete, vorher offensichtlich verabredete Massendemonstration von Vorstädtern und städtischen Sympathisanten statt. Gerüchte über Mißhandlungen wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration am 2. 8. verhafteter Vorstädter riefen große Erregung in St. Georg hervor, dessen Bürgergardisten die sofortige Freilassung verlangten und abends gewaltsam die Schließung des Stadttors zu verhindern suchten. Städtisches Bürgermilitär drängte sie mit gefälltem Bajonett zurück. StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5; Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1832, Nr. 37; AAZ Beil. Nr. 224, 1831; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 381 ff.; Dammann, S. 239; Gallois, Bd. 2, S. 692; Bd. 3, S. 407f.
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Ebd. März 1832 Mit einem »Tumult« protestierten Unterschichtenangehörige an einem Löhnungssamstag auf dem Bauhof gegen die unzureichenden Arbeitsgelegenheiten. StAHH, Cl. VII Lit. Cb No. 5 Vol. II Fase. 8. Ebd. 30./31. Juli 1835 Aus der massiven Diskriminierung jüdischer Gäste in der Alsterhalle entstanden schwere Schlägereien, die sich am folgenden Abend wiederholten. »Pöbelhaufen« zogen durch die Stadt und warfen Juden die Fenster ein. StAHH, Cl. VII Lit. Lb No. 18 Vol. 8 Fase. 2a, 2b; Polizeibeh.-Kriminalw. C, J g . 1835 Nr. 976; AAZ Beil. Nr. 222, 1835; Baasch, Geschichte, S. 9; Krohn, S. 56f., 61ff. Ebd. 10. Okt. 1835 Goldschmiedegesellen weigerten sich auf ihrer Herberge, die Ladenschlüssel gemäß dem Gewerbereglement von 1835 einem Ladenmeister zu übergeben. Die Obrigkeit erzwang schließlich durch Polizeieinsatz und Verhaftungen die Übergabe. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, J g . 1835 Nr. 1186. Ebd. Okt. 1835 Töpfergesellen wurde die Musik auf ihrer Herberge bei Strafe verboten. Sie zahlten die angedrohte Geldstrafe und feierten weiter. Am nächsten Tag protestierten sie mit Arbeitsverweigerung, auf die die Obrigkeit mit Verhaftungen und Stadtverweisungen reagierte. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, J g . 1835 Nr. 1187. Ebd. 24. Sept. 1836 Um die Auslegung der Wanderbestimmungen entbrannten Schlägereien unter einheimischen und auswärtigen Maurergesellen, die mehrere Abende hintereinander fortdauerten und einige Verletzte forderten. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, J g . 1836 Nr. 1807. Ebd. Frühjahr 1839 Nach erneuten gewaltsamen Auseinandersetzungen um die Wanderbestimmungen zogen fremde Maurergesellen aus der Stadt aus und erklärten sie in Verruf. Das Hamburger Amt mußte sich nach langen Verhandlungen mit einer erheblichen Geldsumme von der Verrufserklärung loskaufen. StAHH, Cl. XI Spec. Lit. Μ. Nr. 2 Vol. 2b; Verbindungen, S. 54, 77f., 91; 273 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 87; Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 301, 27. 10. 1840. Ebd. Mai 1840 In der Hansestadt versammelten sich ca. 150 liberale Hannoveraner, vorwiegend aus Stade, um gegen die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes durch König Ernst-August zu protestieren. StASTD, Rep. 80 Stade Ρ Nr. 253, 257; Gossel, S. 63f. Ebd 18. Jan. 1841 Bei der ersten Versammlung eines Mäßigkeitsvereins protestierten mehrere hundert Personen zunächst verbal, dann mit »Spoliierung« des Versammlungslokals gegen die Absichten des Vereins. StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 6; AAZ Nr. 25, 25. 1.; Nr. 26, 26. 1. 1841; Baasch, Geschichte, S. 80; Stubbe, S. 34ff. Ebd. 3. Sept. 1841 Vor dem Gefängnis demonstrierten Freunde und Anhänger dem Verfasser eines auf einen politischen Skandal bezogenen Gedichts »Der unfreiwillige Hausverkauf« ihre Sympathie, was viele Neugierige anlockte. Polizei und Militär griffen ein und nahmen Verhaftungen vor. AAZ Nr. 253, 10. 9. 1841; Baasch, Geschichte, S. 18ff. Ebd. Anfang Mai 1842 Kollektive Plünderungen und Mißhandlungen von Ausländern während der Ausnahmesituation der großen Brandkatastrophe. Zwischen Zimmer- und Maurergesellen und den ihnen verhaßten Dragonern kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, offensichtlich um den angeordneten Arbeitseinsatz der Handwerker im Zusammenhang mit den Löschanstrengungen. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1842 Nr. 1334, 1335, 1354, 1362, 1387, 1432, 1433, 1447; AAZ Nr. 133, 13. 5.; Nr. 136, 16. 5. 1842; Sass, S. 15ff.; Schieiden, S. 119ff.; Gallois, Bd. 3, S. 630ff. Ebd. 22. Juni 1842 100-300 Maurergesellen hielten vor der Stadt ihr verbotenes Gesellengericht ab. Fünf Teilnehmer wurden von der Polizei verhaftet. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1842 Nr. 469; Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 263, 10. 9. 1840. 274 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. Juni 1842 500 Hamburger setzten sich mit ihren Unterschriften unter eine Petition der Patriotischen Gesellschaft für eine Verfassunesreform ein. Nirrnheim, S. 143; Levy, S. 31ff. Ebd. Juli 1842 Erneute Massenpetition zur Verfassungsfrage. Lüdemann, S. 398ff.; Nirrnheim, S. 143; Levy, S. 31 ff. Ebd. April 1843 Erneute ausführliche Verfassungspetition der Patriotischen Gesellschaft mit mehreren hundert Unterschriften. Lüdemann, S. 398ff.; Nirrnheim, S. 143; Levy, S. 31 ff Ebd. Juni 1843 Schneidergesellen protestierten, durch angeblich unbedeutende Zunftstreitigkeit veranlaßt, mit Arbeitseinstellung, worauf 40 aus der Stadt gewiesen wurden. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1843 Nr. 2222. Ebd. Juli 1843 Schiffszimmerleute verweigerten durch Arbeitseinstellung die Zusammenarbeit mit Altonaer Kollegen, die nicht in Hamburg angenommen werden sollten. StAHH, Pohzeibeh.-Kriminalw. C, J g . 1843 Nr. 2255. Ebd. 8./9. Sept. 1843 Bei der Rückkehr von 4—500 Teilnehmern an der ersten Versammlung eines Vereins für Weintrinken wurden diese am Stadttor lauthals begrüßt. Dragoner versuchten, die Menge gewaltsam zu zerstreuen, woraus Auseinandersetzungen resultierten, die sich am folgenden Abend zwischen Neugierigen und Soldaten wiederholten. Es waren einige Verletzte zu beklagen; Verhaftungen erfolgten ebenfalls. AAZ Nr. 257, 14. 9.; Nr. 260, 17. 9. 1843. Ebd. Jan. 1845 Zwischen Soldaten aus Hamburg und Altona entstand in einem Tanzlokal eine Massenschlägerei mit zahlreichen Verletzten, in die Militär gewaltsam eingriff AAZ Nr. 36, 5. 2. 1845.
275 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. 19. Juni 1847 Ein »Volkshaufen« demolierte das Haus eines Kartoffelhändlers. Andere Übergriffe richteten sich gegen Bäcker. StAHH, Protocollum Senatus Hamburgensis 1847, No. 1; AAZ Nr. 172, 21. 6.; Nr. 174, 23. 6. 1847. Ebd. 17. Juni 1847 Kollektive Plünderung des Kellers eines Gemüsehändlers. StAHH, Patronat St. Pauli II A 7596; AAZ Nr. 174, 23. 6. 1847; Baasch, Geschichte, S. 87. Ebd. / St. Pauli 18. Juni 1847 Die vor dem Hintergrund der Protestaktionen in Hamburg angeordnete abendliche Wachverstärkung erregte großes Aufsehen. Bald wandten sich die Neugierigen dem Haus eines Bäckers zu, dessen Fenster eingeworfen wurden. StAHH, Patronat St. Pauli II A 7596. Ebd. Febr. 1848 Eine eindringliche Petition mit über 300 Unterschriften zur Verfassungsreform. Gabe, S. 33; Lüdemann, S. 419ff. Hannover 11. Sept. 1830 Ca. 300 Personen versuchten abends, das Kornmagazin aufzubrechen. HStAH, Hann. Des. 92 XU 137 Vol. I; Hann. Des. 92 XXXII III 6; AAZ Beil. Nr. 272, 281, 1830. Ebd. 17. Sept. 1832 Nach der Mißhandlung eines Dienstmädchens brachten dem Peiniger Handwerksgesellen und andere Neugierige eine »Fenstermusik«. AAZ Beil. Nr. 269, 270, 1832. Ebd. 12. Okt. 1835 Während Militärübungen vor der Stadt entstand ein schwerer Ordnungskonflikt zwischen Ordnungskräften und Zuschauern, der sich am Nachmittag in der Stadt fortsetzte und schließlich ein Todesopfer sowie zahlreiche Verletzte forderte. Über 50 Teilnehmer wurden arretiert. HStAH. Hann. Des. 80 Hann. I Ce 118; AAZ Beil. Nr. 291, 1835; Nr. 58, 1836. 276 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. 4. Juni 1839 Bei einem großen Zapfenstreich sah die Obrigkeit Ruhe und Ordnung durch Widersetzlichkeiten einiger Zuschauer bedroht; einige Verhaftungen waren die Folge. AAZNr. 163, 12. 6. 1839. Ebd. 17. Juli 1839 600-800 Hannoveraner demonstrierten vor dem Rathaus ihre Sympathie für den vom König abgesetzten Magistratsdirektor Rumann und gegen die kommissarische Amtsübernahme durch einen Beamten. Eine »tausende umfassende Menschenmenge« begleitete eine Magistratsdelegation zum Schloß, um gegen den Eingriff in die Stadtverfassung zu protestieren. HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 641; StdtAH, 2 A 06; S-1600 A 477; AAZ Nr. 205, 24. 7. 1839. Ebd. 19. Juli 1839 Mehrere hundert Personen demonstrierten anläßlich der Einführung des Stadtgerichtsdirektors ins Amt des Magistratsdirektors vor dem Rathaus ihre staatsgrundgesetzliche Gesinnung und verlangten eine ähnliche Erklärung von ihrem künftigen Stadtoberhaupt. Die Beratung einer Petition wurde von der Militärkommission unterbunden. HStAH, Hann. Des. 80 Han. I 641; Dep. 103IX C Nr. 43 Kasten 910; AAZ Nr. 208, 27. 7. 1839. Ebd. 19. Juli 1839 Verstärkungen der Schloßwache lockten viele Schaulustige an. Als Reiterei sie zerstreute, entstand ein schwerer Ordnungskonflikt mit einigen Verletzten. AAZNr. 202, 21. 7. 1839. Ebd. 1840 Gesellen hielten ihr verbotenes Gericht auf der Herberge ab. 64 wurden daraufhin verhaftet und des Landes verwiesen. Verbindungen, S. 92. Helmstedt 9. Okt. 1830 Der »Pöbel« zog auf die Behörden schimpfend durch die Stadt und brachte einigen Offizianten eine »Fenstermusik«. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 13; 124 C Neu 3890; AAZ Beil. Nr. 300, 1830. 277 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Herzberg Okt. 1832 Arbeitslose »Arbeiter in Eisen und Stahl« protestierten bei Anhängern und Günstlingen eines Fabrikanten, der das Monopol zur Gewehrproduktion besaß, mit »Fenstermusik« gegen das Verhalten des Unternehmers. HStAH, Hann. 74 Herzberg Κ 91; Κ 9; Hann. Des. 80 Hild. IE1828. Hildesheim Sept. 1830 Auf Anschlagzetteln wurden Brot und Fleisch gefordert. Reiterei zerstreute gewalt sam einen Teuerungstumult. AAZ Beil. Nr. 270, 1830. Ebd. 25. Nov. 1830 Handwerker gingen kollektiv gegen unzünftige Konkurrenten vor und zerstörten deren Arbeitsgerät bzw. Arbeitsprodukt. HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54. Ebd. 15. Jan. 1831 Eine große Menschenmenge demonstrierte ihre Sympathie für den Göttinger Auflchnungsversuch und bestrafte im weiteren Verlauf des Protests den Zensor für seine Weigerung, die Druckerlaubnis für die »Anklage des Ministeriums Münster« zu erteilen, mit dem Einwerfen der Fenster an seinem Haus. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54; Dep. 110 A 193; AAZ Beil. Nr. 27, 1831; Gebauer, S. 325ff. Hohegeiß/Zorge (Herzogtum Braunschweig) 5. Nov. 1830 Viele Hohegeißer begleiteten ein Militärkommando aus Neugierde nach Zorge und brachten dort einem unbeliebten Bergmeister eine »Fenstermusik«. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 3; DZM, 2.4. 1. Nr. 8161; Helmstädter Zeitung Nr. 88, 10. 11.; Nr. 90, 17. 11. 1830; Annalen Nr. 9, 6. 11.; Nr. 11, 13. 11. 1830. Holzminden 19. Jan. 1831 Tagelöhner forderten mit demonstrativer Überreichung einer Petition ultimativ vom Bürgermeister Arbeit und Brot. Zahlreiche Verhaftungen erfolgten am nächsten Tag. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 6.
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Ebd. 28. Juli 1831 Unterschichtenangehörige griffen die Häuser des Markt- und Armenvogtes, eines Apothekers, des Justizamtmannes sowie eines Kaufmannes an. Die Bürgergarde wurde mit Steinwürfen von einem Einschreiten zurückgehalten. StAWF, 130 Neu Fb. 1 16, 49; 12 Α Neu Fb. 2 II Β 6; Annalen Nr. 63, 16. 8. 1831; AAZ Beil. Nr. 237, 1831. Jeverland August 1831 Mehrere hundert Jeverländer forderten in einer Petition die endliche Einführung einer landständischen Verfassung. StAOL, 31-13 Nr. 31-1 I; R F. W. Hinrichs, S. 74ff.; Pleitner, S. 366f. Kissenbrück (Herzogtum Braunschweig) 27. Nov. 1830 Die Bevölkerung widersetzte sich dem Ortsvorsteher und zwei Landdragonern, die eine verarmte Bauernfamilie ins Witwenhaus umsiedeln wollten. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6171. Königslutter (Herzogtum Braunschweig) 3. Okt. 1830 Unterschichtenangehörige warfen anläßlich einer Illumination zur Regierungsübernahme durch Herzog Wilhelm dem Justizamtmann die Fenster seines Hauses ein. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 13. Ebd. 6. Okt. 1830 Wiederholung der »Fenstermusik« vor dem Haus des Justizamtmannes. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 13. Lauterberg (Landdrostei Hildesheim) 26. Dez. 1836 Auf dem Markt wurde der verhaßte Flurschütz angegriffen und auf seiner Flucht von Steinwürfen einer Menschenmenge verfolgt, die ihn anschließend im Haus eines Offizianten belagerte. Der Förster mit bewaffneten Waldarbeitern und schließlich Militär zerstreuten die Protestierenden, von denen 30 arretiert wurden. HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 1774; Hann. 74 Herzberg Κ 90. Marienhafe (Landdrostei Aurich) Herbst 1830 Der Einnehmer wurde mißhandelt und die Fenster seines Hauses wurden eingeworfen. StAOL, 70-3517. 279 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. 13. Mai 1847 Aus dem obrigkeitlichen Eingriff in verbotenes Geldspiel auf dem Marktplatz entwickelte sich eine Demonstrationsversammlung, die von den Lokalbehörden Brot verlangte. Eine Bürgerwache wurde sofort zur Unterdrückung des Protests organisiert. Verhaftungen erfolgten anschließend. StAAUR, Rep. XL 880; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 654. Norden (Landdrostei Aurich) 20.-23. Juli 1840 Einige 100 Arbeiter verweigerten die Fortsetzung der Arbeit am Fahrwasser der Ems wegen zu geringen Lohnes. Schließlich sahen am 22. 7. sich die Behörden gezwungen, militärische Verstärkungen aus Aurich anzufordern. StAAUR, Rep. 6 10499; Rep. 32a Nr. 619. Osnabrück 14. Februar 1831 Eine Sympathiedemonstration für die Älterleute Osnabrücks wurde von Dragonern zerstreut. StAOS, Dep. 3b I 382; Dep. 50b 90; AAZ Beil. Nr. 60, 1831. Ebd. 3. Februar 1838 Massendemonstration zur Unterstützung der staatsgrundgesetzlichen Haltung des Magistrats. Oppermann, S. 144f. Ebd. Februar 1839 Kollektive Steuerverweigerungen von über 400 Bürgern. AAZ Nr. 31,31. l.; Nr. 32, 1. 2.; Nr. 49, 18. 2 ; Nr. 58, 27. 2. 1839; Oppermann, S. 187. Ebd. 13. Jan. 1840 Nach der Verhaftung eines Altermanns wegen Aussageverweigerung vor der Poliziei demonstrierten viele Einwohner vor dem Rathaus während einer Bürgerschaftssitzung für dessen Freilassung. AAZ Nr. 25, 25. 1. 1840. Ebd. Februar 1840 Schmiedegesellen zogen aus Protest gegen die Verlegung ihrer Gesellenversamrmlung durch die Meister vom üblichen Montagabend auf Sonntag aus der Stadt au:s.
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Am übernächsten Tag kehrten sie jedoch auf Veranlassung des Magistrats zurück. Zwei Anführer wurden arretiert. Jeschke, S. 151 Anm. 426. Osnabrücker Gebiet Mai 1840 Eine Gemeinde lehnte sich gegen die Einsetzung eines nicht staatsgrundgesetzlich gesinnten Pastors auf und wollte die Gottesdienste boykottieren. Die Obrigkeit drohte, die Einsetzung notfalls mit militärischen Mitteln durchzusetzen. AAZ Nr. 142, 21. 5. 1840. Osterode (Landdrostei Hildesheim) 30. November 1830 Die Anwesenheit des geflohenen Braunschweiger Herzogs Karl II. löste vor einem Gasthaus einen Auflauf Neugieriger aus, von dem sich der Herzog derartig bedroht fühlte, daß er heimlich die Flucht ergriff. StdtABS, D III IV Nr. 23. Ebd. 5.Januar 1831 Eine Bürgerversammlung wählte einen autonomen »Gemeinderat« und formierte selbständig eine »Kommunalgarde«, was die Behörden als Auflehnungsversuch ansahen und militärisch unterdrückten, wobei die beiden geistigen Führer des politischen Protests verhaftet wurden. HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 55; AAZ Nr. 15, 15. 1.; Nr. 17, 17. 1.; Nr. 21, 21. 1. 1831; Böhmer, S. 59f.; Oppermann, S. 165f. Radolfshausen (Landdrostei Hildesheim) 12. Febr. 1831 Bei einer Musterung widersetzte sich ein zu Musternder. Seine Arretierung weckte den Protest anderer Gemusterter, die ihn befreiten und im Triumphzug in den Nachbarort zogen. Militärische Verstärkungen ermöglichten eine Wiederverhaftung. HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 56. Schöningen (Herzogtum Braunschweig) 29. Sept. 1830 Anläßlich einer Illumination zur Regierungsübernahme Herzogs Wilhelm wurden einigen Offizianten die Fenster eingeworfen. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 4, 13.
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Ebd. 25.-27. April 1847 Mehrere Abende hintereinander führten Unterschichtenangehörige kollektiv Kartoffeldiebstähle durch, wobei bewaffnete Wächter nicht einzugreifen wagten; eine Wachthütte wurde dabei ebenfalls in Brand gesteckt. Militärverstärkungen unterbanden schließlich weitere Aktionen. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6211. Ebd. 1. August 1847 Bei einem Konfrontationstermin in der Untersuchung der Kartoffeldiebstähle entbrannte unter den Vorgeladenen Streit, der sich auf dem Marktplatz fortsetzte. Dort verursachten einige Verhaftungen zusätzliche Aufregung. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6211. Stadt- und Budjadinger Land (Großherzogtum Oldenburg) August 1831 61 Einwohner setzten sich in einer Petition für die Einführung einer Verfassung ein und forderten eine Umverteilung der Steuerlasten. StAOL, 31-13 Nr. 31-11. Stade 26. September 1839 Aus Protest gegen die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes versammelten sich C2. 100 Städter und Bauern demonstrativ zu einem Mittagessen am Tage der vormaligen Verkündung des Staatsgrundgesetzes. AAZ Nr. 286, 13. 10. 1839. Ebd. 18. März 1840 Die Veröffentlichung von Bestimmungen gegen die Gesellenverbindungen löste eine eintägige Arbeitseinstellung der Schustergesellen aus. Jeschke, S. 228. Stade, Landdrostei Herbst 1839 Kollektive Steuerverweigerungen aus Protest gegen die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes. StASTD, Rep. 80 Stade Ρ Nr. 291, 294, 297. Vallstedt (Herzogtum Braunschweig) Oktober 1830 Häuslinge verweigerten gemeinsam die Schulgeldzahlung. StAWF, 12 Α Neu Fb. 4 C 149. 282 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Varel Juni 1846 Nach dem teilweisen Zusammenbruch eines gerade erst errichteten Deiches stellten Deicharbeiter die Arbeit ein, um die Lohnbedingungen für die Wiedererrichtung neu zu bestimmen. Unterstützung erhielten sie von »Fabrikarbeitern«. Eine Kommission nahm sich ihrer Forderungen an, nachdem Militär zur Baustelle beordert worden war. AAZ Nr. 189, 8. 7.; Nr. 191, 10. 7. 1846. Wieda (Herzogtum Braunschweig) 7. November 1830 Unter ,,Fenstermusik« forderten Einwohner den Steuereinnehmer zur Niederlegung seines Amtes auf. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2II Β 3; Voges, S. 67. Wildeshausen (Großherzogtum Oldenburg) 26. Juli 1819 Anläßlich der Verpachtung des Fruchtzehnten fanden Protestaktionen von Unterschichtenangehörigen gegen einen Händler statt, der als Vertreter eines auswärtigen Bewerbers um die Pacht angegriffen wurde. StAOL, 70-3519. Wildeshausen (Landdrostei Hildesheim) 17. Juni 1831 Aus einem Verhaftungsversuch bei einem Tanzvergnügen entstand ein gefährlicher Ordnungskonflikt. HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 55; AAZ Beil. Nr. 176, 1831. Wolfenbüttel 30. Dezember 1830 Die Bekanntmachung der Reduzierung öffentlicher Arbeiten weckte bei den Betroffenen Unmut, der die Behörden zunächst zur Zurückhaltung zwang. Am folgenden Tage wurden dann vermeintliche Rädelsführer verhaftet. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 407; 34 Ν Fb. 1 Nr. XXI 5. Zellerfeld 15. Juli 1840 Anläßlich des Verhörs eines angeblichen Brandstifters versammelten sich viele Neugierige auf dem Marktplatz, wodurch sich Landdragoner bedroht fühlten. Mit Verhaftungen und Gewaltanwendungen zerstreuten sie die Menge. HStAH, Hann. Des. 84 II G 61.
283 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Ebd. 24. August 1844 Die polizeiliche Einschränkung des Freischießens provozierte Tätlichkeiten gegen Ordnungskräfte, die in den folgenden Tagen aus anderen Orten Verstärkung erhielten. HStAH, Hann. Des. 84II G 61; AAZ Nr. 253, 9. 9. 1844. Zorge (Herzogtum Braunschweig) 5. Okt. 1830 50-60 Bergleute, die sich verabredet hatten, forderten vor dem Sitzungsort der Kommissarien des Gruben Vereins »unziemlich« Lohnerhöhungen, Brennholz und die Absetzung eines Steigers. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 3. Ebd. 26. Okt. 1830 20-30 Bergleute verlangten gemeinsam vom Oberhütteninspektor augenblicklich eine Brotzulage; nur mit Mühe konnte der Bergoffiziant die Aufgebrachten vertrösten. StAWF, 12 Α Neu Fb. II Β 3. Ebd. 31. Okt. 1830 Hauptsächlich Beschäftigte im Bergbau demonstrierten bei einem unbeliebten Steiger mit »Fenstermusik«. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2II Β 3. Ebd. 4./5. Nov. 1830 Mehrere 100 Demonstranten drangen ins Zollhaus ein und demolierten anschließend den Schlagbaum. Dem Amtsvorsteher holten sie aus seinem Haus ein beschlagnahmtes Branntweinfaß. Als sie, wie angekündigt, ihren Protest am folgenden Tag fortsetzen wollten, trafen sie auf den alarmierten Oberhauptmann und bewaffnete OfTizianten und Honoratioren des Ortes. Mit dem Eintreffen von Militär zeigten sich die Demonstranten von der Überlegenheit und Einsatzbereitschaft der Ordnungskräfte überzeugt und gingen friedlich nach Hause. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 3; DZM, 2.4.1. Nr. 8161; AAZ Beil. Nr. 324, 1830. Ebd. /Südharz 30. Nov. 1830 Ca. 500 Personen unterstützten Herzog Karl II. bei seinem Versuch, von preußischem Gebiet aus ins Herzogtum Braunschweig zu gelangen und die Regierung zu stürzen. An der Grenze stießen sie bereits auf einen Militärtrupp, der ausreichte, den Herzog sein Vorhaben aufgeben zu lassen. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2II Β 2,3,5; Fb. 5 6197. 284 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Nordseeküste (Landdrostei Aurich) Juni 1825 Einige hundert Deichbauarbeiter verliehen ihrer Forderung nach Lohnerhöhungen durch Arbeitsniederlegung Nachdruck. Soldaten verhafteten mutmaßliche Anstifter. Freerksen, S. 105; Siebert, S. 264ff.; Schaer, Lage, S. 135ff. Eisenbahnbau Königreich Hannover Abschnitt Harburg-Hannover Anfang Okt. 1844 An einem Löhnungssamstag versammelten sich Baustellenarbeiter und verlangten unter Drohungen die Auszahlung des ihnen zustehenden Lohnes. AAZNr. 287, 13. 10. 1844. Abschnitt Lehrte-Hildesheim 15. Okt. 1845 »Arbeiterexcesse« für höheren Lohn. Berittenes Militär griff ein, wobei einige Demonstranten verletzt wurden. AAZ Nr. 295, 22. 10. 1845. Abschnitt Lehrte-Celle Sept./Okt. 1845 »Lohntumulte« AAZ Nr. 295, 22. 10. 1845. Abschnitt Leinebrücke bei Blumenau Juli 1846 Weil die Bezahlung im Tagelohn statt im Akkord erfolgte, protestierten Arbeiter gemeinsam durch »zu frühes Aufhören mit der Arbeit«. Entlassungen sollten vor weiteren Aktionen abschrecken. HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I Ba 100.
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Abkürzungen
AAPS AAZ AAZ Beil. ABS AfGS Aß AHR AJS APZ AS ASF ASR ASS BdL BGA BJ BSM CP CPS DV DZM EHR FA FF GD GG GÖJ GWU HStAH HZ IASdL IRSH Jb. JbS JbW
= Annals of the American Academy of Political and Social Science = Augsburger ›Allgemeine Zeitung‹ = Augsburger ›Allgemeine Zeitung‹ Beilage = American Behavioural Scientist = Archiv für die Geschichte des Sozialismus = Archiv für Sozialgeschichte = American Historical Review = American Journal of Sociology = Aus Politik und Zeitgeschichte (= Beil. zu ›Das Parlament‹) = American Scolar = Archiv für Sippenforschung = American Sociological Review = Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik = Blätter für deutsche Landesgeschichte = Beitrage zur Geschichte der Arbeiterbewegung = Bremisches Jahrbuch = Braunschweigisches Magazin = Comparative Politics = Comparative Political Studies = Deutsche Vierteljahresschrift = Deutsches Zentralarchiv, Abtl. Merseburg = English Historical Review = Finanzarchiv = Finanzwissenschaftliche Forschung = Geschichtsdidaktik = Geschichte und Gesellschaft = Göttinger Jahrbuch = Geschichte in Wissenschaft und Unterricht = Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover = Historische Zeitschrift = Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur = International Review of Social History = Jahrbuch = Jahrbuch für Sozialwissenschaft = Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte
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JEH JfG JfS JMH JNS JPR JPS JSH JVK KZfSS Μ. MEW MHG NJ NPL OLJ OSM PaP PVS Sch. Jb. SJ SOWI StAAUR StAHB StAHH StAOL StAOS StASTD StAWF StdtABS StdtAH UAGÖ UBGÖ VSDR VSWG WP ZAA ZbL Zs. ZVdS ZVHG
= Journal of Economic History = Jahrbuch für Geschichte = Jahrbuch für Sozialwissenschaften = Journal of Modern History = Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik = Journal of Peace Research = Journal of Peasant Studies = Journal of Social History = Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte = Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie = Mitteilung bzw. Mitteilungen = Karl Marx - Friedrich Engels: Werke = Mitteilungen für Hamburgische Geschichte = Niedersächsisches Jahrbuch = Neue Politische Literatur = Oldenburgisches Jahrbuch = Osnabrücker Mitteilungen = Past and Present = Politische Vierteljahresschrift = Schmollers Jahrbuch = Stader Jahrbuch = Sozialwissenschaftliche Informationen für Unterricht und Studium = Niedersächsisches Staatsarchiv Aurich = Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Bremen = Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg = Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg = Niedersächsisches Staatsarchiv Osnabrück = Niedersächsisches Staatsarchiv Stade = Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel = Stadtarchiv Braunschweig = Stadtarchiv Hannover = Universitätsarchiv Göttingen = Universitätsbibliothek Göttingen = Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches = Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte = World Politics = Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie = Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte = Zeitschrift = Zeitschrift des Vereins für deutsche Statistik = Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte
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Anmerkungen Einleitung 1 : iehe den Überblick über das zeitgenössische Schrifttum von P. Mombert, Aus der Literatur über die soziale Frage und über die Arbeiterbewegung in Deutschland in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: AfGS 9, 1921, S. 224-236; fernerC.Jantke u. R. Hilger, Die Eigentumslosen. Der deutsche Pauperismus und die Emanzipationskrise in Darstellungen und Deutungen der zeitgenössischen Literatur, Freiburg/Br. 1965; sowie W. Abel, Der Pauperismus in Deutschland. Eine Nachlese zu Literaturberichten, in: Ders. u. a. (Hg.), Wirtschaft, Gesellschaft und Wirtschaftsgeschichte. Festschr. f. F. Lütge, Stuttgart 1966, S. 284-298; prägnant dazu auch B. Vogel, Die »Soziale Frage« in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland, in: SOWI 5, 1976, S. 73-78. 2 Genannt seien lediglich W. Schieder, Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung Die Auslandsvereine im Jahrzehnt nach der Julirevolution von 1830, Stuttgart 1963; O. Büsch u. H. Herzfeld (Hg.), Die frühsozialistischen Bünde in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Vom »Bund der Gerechten« zum »Bund der Kommunisten« 1836-1847, Berlin 1975. Äußerst anregend und informativ H.-U. Thamler, Von der Korporation zur Assoziation. Zur Frühgeschichte von Sozialismus und Arbeiterbewegung in Frankreich und Deutschland, in: NPL 25, 1980, S. 62-78. 3 W. Conze, Vom »Pöbel« zum »Proletariat«, in: VSWG 41, 1954, S. 333-364. 4 Dazu die Beiträge in den Sammelbänden von H . - U . Wehler (Hg.), Geschichte und Soziologie, Köln 1972; P. C. Ludz (Hg.), Soziologie und Sozialgeschichte. Aspekte und Probleme, Köln 1972 — ( KZfSS Sonderh. 16); sowie J . Kocka (Hg.), Theorien in der Praxis des Historikers, Göttingen 1977 (= GG Sonderh. 3). 5 E. P. Thompson, History from Below, in: Times Literary Supplement, 7. April 1966, S. 279f.; J . Stevenson u. R. Quinault, Popular Protest and Public Order. Six Studies in British History. 1790-1920, London 1974, S. 33-74. 6 A. Soboul, Les Sans-culottes Parisiens en 1' An ii. Mouvement Populaire et Gouvernement Revolutionaire 2 Juin 1 7 9 3 - 9 Thermidor An II, Paris 1958; G. Rude, The Crowd in the French Revolution, New York 1959; ders., The Crowd in History. A Study of Popular Disturbances in France and England, 1730-1848, New York 1964; D. H. Pinkney, The Crowd in the French Revolution of 1830, in: AHR 70, 1964, S. 1-17; P. Pilbeam, Popular Violence in Provincial France after the 1830 Revolution, in: EHR 41, 1976, S. 278-297. 7 Als Überblick G. Rude, Debate on Europe, 1815-1850, New York 1972, bes. S. 179ff.; ders., English Rural and Urban Disturbances on the Eve of the First Reform Bill 1830-1831, in: PaP 37, 1967, S. 87-102; E. J . Hobsbawm u. G. Rudè, Captain Swing, London 1969; E. J . Hobsbawm, Labouring Men. Studies in the History of Labour, London 1965; E. P. Thompson, The Making of the English Working Class, London 1963; ders., The Moral Economy of the English Crowd in the Eighteenth Century, in: PaP 50, 1971, S. 76-136. R. B. Rose, EighteenthCentury Price Riots and Public Policy in England, in: IRSH VI, 1961, S. 277-292;J. T. Ward (Hg.), Popular Movement. 1830-1850, London 1970. Ferner vgl. den Literaturbericht von S. Pollard, Englische Arbeiterkultur im Zeitalter der Industrialisierung: Forschungsergebnisse und Forschungsprobleme. Ein bibliographischer Aufsatz, in: GG 5, 1979, S. 150-166, bes. S. 150-156. 8 Thompson, Making, S. 9; ders., The Poverty of Theory, London 1979, bes. S. 2 9 7 . - V g l .
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Anmerkungen zu Seite 14—16 ferner M . Vester, Die Entstehung des Proletariats als Lernprozeß. Die Entstehung antikapitalistischer Theorien und Praxis in England 1792-1848, Frankf. M. 1970. 9 Stevenson, Quinault, S. 15; vgl. A. D. Grimshaw, Interpreting Collective Violence. An Argument for the Importance of Social Structure, in: AAPS 391, 1970, S. 9-20; S. Verba, Entwicklungskrisen und ihre Abfolge, in: Μ. Jänicke, (Hg.), Politische Systemkrisen, Köln 1973, S. 295-313; S. Rokkan, Die vergleichende Analyse der Staaten- und Nationenbildung: Modelle und Methoden, in: W. Zapf (Hg.), Theorien des sozialen Wandels, Köln 1971, S. 228-252; sowie den Sammelband von L. Binder u. a., Crises and Sequences in Political Development, Princeton 1971. 10 Τ. R. Gurr, Why Men Rebel? Princeton 1970; deutsch: Ders., Rebellion. Eine Motiva tionsanalyse von Aufruhr, Konspiration und innerem Krieg, Düsseldorf 1972; vgl. C. Tilly, Revolutions und Collective Violence, in: F. J . Greenstein u. N. Polsby (Hg.), Handbook of Political Science, Bd. 3, Reading 1974, S. 483-555, bes. S. 485ff. 11 Olson, Rapid Economic Growth as a Destabilizing Force, in: JEH 23, 1963, S. 529-552; S. N. Eisenstadt, Breakdowns of Modernization, in: Economic Development and Cultural Change 12, 1964, S. 345-367; S. P. Huntington, Political Order in Changing Societies, New Haven 1968, S. 37ff.; ders. Political Development and Political Decay, in: WP 17, 1965, S. 386-430; dazu auch Κ. Ο. Hondrich, Wirtschaftliche Entwicklung, soziale Konflikte und politische Freiheiten. Bestimmungsgründe politischer Partizipationsrechte in soziologischer Analyse, Frankfurt 1970. Ferner den Hypothesentest von P. R. Schneider u. A. L. Schneider, Social Mobilization, Political Institutions, and Political Violence, in: CPS 4, 1971, S. 69-90; als Überblick s. Η. Eckstein, Introduction. Toward the Theoretical Study of Internal War, in: Ders., Internal War. Problems and Approaches, New York 1964, S. 1-32; H. Bienen, Violence and Social Change: A Review of Current Literature, Chicago 1968; C. Tilly, Revolutions; P. Calvert, A Study of Revolution, Oxford 1970; weitere problemorientierte Überblicke von D. Lindner, Theorie der Revolution. Ein Beitrag zur verhaltenstheoretischen Soziologie, Diss. München 1971, S. 16ff.; G. P. Meyer, Revolutionstheorie heute. Ein kritischer Überblick in historischer Absicht, in: GG 2, 1976, S. 122-176; sowie E. Weede, Unzufriedenheit, Protest und Gewalt: Kritik an einem makropolitischen Forschungsprogramm, in: PVS 16, 1975, S. 409-428; und E. Zimmermann, Soziologie und politische Gewalt. Darstellung und Kritik vergleichender Aggregatdatenanalysen aus den USA, Stuttgart 1977, bes. S. 102ff.; schließlich auch K. v. Beyme, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Empirische Revolutionsforschung, Opladen 1973, S. 7-38. 12 C. Johnson, Revolutionstheorie, Köln 1971, bes. S. 141 ff.; zur Kritik L. Stone, Theories of Revolution, in: WP 18, 1966, S. 159-176; Beyme, S. 25 f.; G. Wiswedeu. T. Kutsch, Sozialer Wandel. Zur Erklärungskraft neuerer Entwicklungs- und Modernisierungstheorien, Darmstadt 1978, S. 172f. 13 J . Davies, Toward a Theory of Revolution, in: ASR 27, 1962, S. 5-19; vlg. dazu D. E. Morrison, Some Notes toward a Theory on Relative Deprivation, Social Movements and Social Change, in: A B S 14, 1971, S. 675-690; sowie Gurr, Rebellion. - Kritik findet insbesondere die Beliebigkeit der Begriffe und Prozesse; dazu D. Snyder u. C. Tilly, On Debating and Falsifying Theories of Collective Violence, in: ASR 39, 1974, S. 610-613; Stone, S. 171ff.; Meyer, S. 143 ff.; U . Jaeggi u. S. Papcke (Hg.), Revolution und Theorie I. Materialien zum bürgerlichen Revolutionsverständnis, Frankfurt 1974, S. 42ff.; außerdem E. Zimmermann, bes. S. 40ff.; Weede, S. 414ff.; Wiswede, Kutsch, S. 173ff. 14 Ein knapper Überblick ebd., S. 153ff.; dazu auch J . Bronowski, Protest-Past and Present, in: AS 38, 1968/69, S. 535-546, hier S. 535. 15 G. Le Bon, Psychologie der Massen, Stuttgart 1968, S. 10ff.; vgl. dazu A. Oberschall, Social Conflict and Social Movements, Englewood Cliffs 1973; sowie M. D. Biddis, The Age of the Masses. Ideas and Society in Europe since 1870, London 1977, bes. S. 127ff. 16 Rude, C r o w d in History; G. T. Marx, Issueless Riots, in: AAPS, 1970, S. 21-33, bes.
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Anmerkungen zu Seite 16-17 S. 22, dort auch weitere Literatur. Ferner N. J . Smelser, Theorien des kollektiven Verhaltens. Köln 1972; dazu auch W.-D. Narr, Gewalt und Legitimität, in: Leviathan 1, 1973, S. 7-42: S. Papcke, Progressive Gewalt. Studien zum sozialen Widerstandsrecht, Frankfurt 1973, S. 30ff.; J. P. Dierriennic, Theory and Ideologies of Violence, in: JPR, 1972, S. 361-374. 17 G. T. Marx, bes. S. 22; Smelser; Rudé, Crowd in History; F. R. v. d. Mehdeu, Comperative Political Violence, Englewood Cliffs 1973, S. 36ff.; D. A. Hibbs, Mass Political Violence: A Cross National Causal Analysis, New York 1973, S. 181 ff. 18 E. J . Hobsbawm, Sozialrebellen. Archaische Sozialbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert, Neuwied 1962, S. 145ff.; Narr, S. 27f.; C. Tilly, The Changing Place of Collective Violence, in: Μ. Richter (Hg.), Essays in Social Theory and Social History, Cambridge Mass. 1970, S. 139-164, hier S. 143f.; ders. u. a., The Rebellious Century 1930-1930, Cambridge Mass. 1975, S. 2. Vgl. Bienen, S. 21; Huntington, Political Order, S. 357f.; T. R. Gurr, Verglei chende Analyse von Krisen und Rebellionen, in: M. Jänicke (Hg.), Herrschaft und Krise, Köln 1973, S. 64-89, hier S. 80; Hondrich, S. 145: T. Lowi, The Politics of Disorder. New York 1971; D. Perry, Violence - Visible and Invisible; in: Ethics 81, 1970, S. 1-21; U. Widniaier, Politische Gewaltanwendung als Problem der Organisation von Interessen. Eine Querschnittsstudie der sozialpolitischen Ursachen gewaltsamer Konfliktaustragung innerhalb von Nationalstaaten, Meisenheim 1978. bes. S. 11f., 37. 19 Z. Β. vertrat in der Diskussion über ein Kriminalgesetzbuch für das Herzogtum Braunschweig 1840 der bedeutendste Liberale der Standeversammlung, Steinacker, die Ansicht: »Ich würde mir die Strenge gefallen lassen, wenn unsere Staatseinrichtungen so organisiert wären, daß das Volk oft nur zu gerechte Forderungen auf gesetzlichem Wege erreichen könnte. In einem wahrhaft freien Staate ist der Angriff auf den Staat zugleich ein Angriff auf die Freiheit, und den mag man so streng bestrafen als man will. Bei uns aber steht die Sache doch noch etwas anders.« Zit. nach K. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung (1833-1847), Diss. Jena 1921, S. 77. 20 Unter solchen Voraussetzungen kann eine Untersuchung der Entstehungsbedingungen und der Handlungsprozesse von Protest einen friedenspädagogischen Beitrag leisten. Vgl. dazu H. Nicklas u. Ä. Ostermann, Überlegungen zur Gewinnung friedensrelevanter Lernziele aus dem Stand der kritischen Forschung, in: Kritische Friedensforschung, hg. v. C. Wulf, Frankfurt 1973, S. 315-326; sowie den Überblick von A. Kuhn, Zehn Jahre Friedensforschung und Friedenserziehung. Ein Rückblick aus fachdidaktischer Sicht, in: GD 5, 1980, S. 9-22, bes. S. 11 f. - In diesem Zusammenhang zum Problem der historischen Relevanz siehe T. Nipperdey, Über Relevanz, in: GWU 23, 1970, S. 577-596, hier S. 578. - Gleichzeitig ist damit die gesellschaftliche Relevanz der Fragestellung angesprochen; kritisch dazu ebd.. S. 582ff.: J . Kocka, Sozialgeschichte, S. 123ff. 21 P. A. Sorokin, Social and Cultural Dynamics. Α Study of Change in Major Systems of Art. Truth, Ethics, Law and Social Relationships. London 1957. 22 Dazu das grundlegende Arbeitspapier von C. Tilly u. J . Rule, Measuring Political Upheaval, Princeton 1965, bes. S. 4ff., 12ff.; C. Tilly, Revolutions, bes. S. 505f.; ders.. Changing Place, S. 142ff.; ders. u.a., S. 13ff.; ferner R. Tilly, Popular Disorders in Germany in the Nineteenth Century: A Preliminary Survey, in: JHS 4, 1970, S. 1-41, hier S. 4. 23 Zu diesem Problem C. Tilly, How Protest Modernized in France, 1845-1855; in W. O. Aydelotte u.a., The Dimension of Quantitative Research in History, Princeton 1972. S. 192-255, hier S. 196; ders. u.a., S. 248f.; Stevenson, Quinault, S. 19; H.-G. Haupt, Zur historischen Analyse von Gewalt. C. Tilly u. a., The Rebellious Century 1830-1930; in: GG 3, 1977, S. 236-256, hier S. 241, 245ff.; K. Hausen, Schwierigkeiten mit dem »sozialen Protest«. Kritische Anmerkungen zu einem historischen Forschungsansatz, in: GG 3, 1977, S. 257-263. 24 Vgl. H. Volkmann, Kategorien des sozialen Protests im Vormärz, in: GG 3. 1977, S. 164-189, hier S. 166. 25 Vgl. dazu Hausen, S. 261.
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Anmerkungen zu Seite 17-20 26 Hierzu und zum Folgenden den grundlegenden Aufsatz von Volkmann, Kategorien, S. 166. 27 Dazu siehe K. Becker, Die Entwicklung des Petitions- und Beschwerderechts in ausländischen und deutschen Verfassungen bis zum Jahre 1848, Diss. Greifswald 1913, S. 74ff.; vgl. ebenfalls den Beschluß des Deutschen Bundes aus dem Jahre 1831, wo das Sammeln von Unterschriften für Adressen an die Bundesversammlung als »ruhegefährdend« eingestuft wurde; zit. bei J . L. Klüber, Fortsetzung der Quellensammlung zu dem öffentlichen Recht des Deutschen Bundes, Erlangen 1833, S. 33. 28 Volkmann, Kategorien, S. 166f.; kritisch dazu Hausen, S. 257. 29 C. Tilly, Revolutions, S. 514; ders. u.a., Rebellious Century, S. 313. 30 Volkmann, Kategorien, S. 169. 31 Ebd., S. 166. 32 »Mentalitäten sind vergleichsweise wenig reflektierte Komplexe von Meinungen und Vorstellungen. Sie entstehen aus der gewohnheitsmäßigen Orientierung in einem begrenzten Erfahrungsbereich . . .«, so die Definition von D. Rüschemeyer in; R. König, Soziologie, Köln 1967, S. 190; sie bezeichnen im Unterschied zu Ideologien nicht die Denkformen und Wertbegriffe, durch die sich eine soziale Schicht deutet, rechtfertigt und zur Aktion bringt; siehe dazu W. K. Blessing, Zur Analyse politischer Mentalität und Ideologie der Unterschichten im 19. Jahrhundert. Aspekte. Methoden und Quellen am Bayerischen Beispiel, in: ZbL 34, 1971, S. 768-816, hier S. 776f.; R. Reichhardt, »Histoire des Mentalités« - Eine neue Dimension der Sozialgeschichte am Beispiel des französischen Ancién Régime, in: Intern. Archiv f. Sozialgesch. d. dt. Literatur 3, 1978, S. 130-166; W. Lepenies, Geschichte und Anthropologie. Zur wissenschaftshistorischeu Einschätzung eines aktuellen Disziplinenkonflikts, in: GG 1, 1975, S. 325-343, hier S. 331 f.; E. Hinrichs, Mentalitätsgeschichte und regionale Aufklärungsforschung, in: Ders. u. W. Norden, Regionalgeschichte. Probleme und Beispiele, Hildesheini 1980, S. 21-41. 33 Im Gegensatz zu Mentalitäten sind Attitüden eher an konstante Situationen gebunden, in denen sie die Handlungsbereitschaft mobilisieren; vgl. Blessing, S. 780f.; R. König, S. 300. 34 Z. B. Antisemitismus, wie er ausgeprägt in Hamburg existierte. 35 Ebd., S. 190-194; Blessing, S. 771 ff.; dazu auch T. Nipperdey, Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, historische Anthropologie, in: VSWG 55, 1968. S. 145-164, hier S. 156. - Zum Problem der Artikulierung von Unzufriedenheit allgemein siehe Hausen, S. 261 f.; J . Galtung, Eine strukturelle Theorie der Revolution, in. Jänicke, Herrschaft, S. 121-167, hier S. 138ff.; L. Uhen, Gruppenbewußtsein bei deutschen Arbeitern im Jahrhundert der Industrialisierung, Berlin 1964, S. 59ff.; T. Geiger, Die Masse und ihre Aktion. Ein Beitrag zur Soziologie der Revolution. Stuttgart 1926, S. 84ff. 36 Zur Schichtungsproblematik allgemein Κ. Μ. Bolte, Einige Bemerkungen zur Problema tik der Analyse von »Schichtungen« in sozialen Systemen, in: D. W. Glass u. R. König (Hg.), Soziale Schichtung und soziale Mobilität, Köln 1974, S. 29-53, hier S. 31ff.; G. Baumert, Kritische Bemerkungen über empirische Ansätze zur Bestimmung der sozialen Schichtung, in: Ebd., S. 316-328, hier S. 3l6ff.; J . Kocka, Theorien in der Sozial- und Gesellschaftgeschichte. Vorschläge zur historischen Schichtenanalyse, in: GG 1, 1975, S. 9-42, hier S. 32ff. 37 Vgl. Allgemein A. Kraus, Die Unterschichten Hamburgs in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Entstehung, Struktur und Lebensverhältnisse. Eine historisch-statistische Untersuchung, Stuttgart 1965, S. 3ff.; Blessing, S. 775; F. D. Marquardt, Sozialer Aufstieg, sozialer Abstieg und die Entstehung der Berliner Arbeiterklasse 1806-1848, in: GG 1, 1975, S. 43-77; Ρ. Aycoberry, Der Strukturwandel im Kölner Mittelstand 1820-1850, in: Ebd., S. 78-98; Conze, Pöbel, bes. S. 339ff.; ders., Mittelstand, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Stuttgart 1972, S. 54ff.; Jantke, Hilger, S. 7. 15; R. Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, Stuttgart 1967, S. 146, 340f.; W. Fischer, Soziale
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Anmerkungen zu Seite 21-26 Unterschichten im Zeitalter der Frühindustrialisierung, in: Ders., Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Frühindustrialisierung, Göttingen 1972, S. 242-257, hier S. 243, 247, 252f. 38 Volkmann, Kategorien, S. 173; zu untescheiden ist auch zwischen einem aktiven Kern und passiven Zuschauern, die ebenfalls aktiv werden können; Smelser, S. 231. 39 Zur Kategorienbildung dienen die Vorschläge von Volkmann, Kategorien, als Orientierung, die einen Vergleich verschiedener Untersuchungsergebnisse auf annähernd gleicher Erhebungsbasis in Zukunft ermöglichen könnten. 40 Vgl. L. A. Coser, Theorie sozialer Konflikte, Neuwied 1966, S. 57ff.; C. Tilly, Protest, S. 223ff.; Volkmann, Kategorien, S. 173f., führt die Objekte als dritte Formation neben der Protest- und der Ordnungsformation ein. 41 Vgl. dazu auch C. Tilly, Protest, bes. S. 224, 252 ff. 42 Vgl. auch ders., Rule; Μ. Kossok u. W. Markov, Zur Methodologie der vergleichenden Revolutionsforschung der Neuzeit, in: M. Kossok (Hg.), Studien zur vergleichenden Revolu tionsgeschichte 1500-1917, Berlin (Ost) 1974, S. 1-28; Hausen, S. 259. 43 Zu Ordnungskonflikten bes. C. Tilly, Rule, S. 5f. 44 Dazu Gurr, Rebellion, S. 102ff., 226f.; ausführlich gehen C. Tilly, Rule, S. 93, in ihrem Erhebungsbogen auf die Manifestationsbedingungen ein, was aus Mangel an historischem Material nicht nachvollzogen werden konnte. Aus gleichem Grund erwies es sich als unfruchtbar, z. Β. für Objekte oder Beteiligung »Fluktuation« zu erheben. 45 Dazu G. T. Marx, S. 31; Gurr, Rebellion, S. 202f.; Smelser, S. 94f., 219, 225. 46 Ebd., S. 38, 226ff.; Gurr, Rebellion, S. 205. 47 H. Volkmann, Die Krise von 1830. Form, Ursache und Funktion des sozialen Protests im deutschen Vormärz, Habilschr. FU Berlin 1975, S. 88f.; vgl. R. Tilly, S. 4. 48 C. Tilly, Rule, S. 74ff. - Zur Kritik Narr, S. 9f.; Stevenson, Quinault, S. 28f. - Zum Problem der Indexbildung vgl. auch Sorokin, S. 387ff.; Gurr, Krisen, S. 70ff.; dazu vgl. auch J. J . Wanderer, An Index of Riot Severity and Some Correlates, in: AJS 74, 1968/69, S. 500-505. 49 Vgl. Volkmann, Kategorien, S. 170; eine ähnlich detaillierte Kategonsierung, wie sie C. Tilly, Protest, S. 222, benutzt, scheitert an mangelnder Datenmenge. 50 Zur Gewaltausübung gegen Personen vgl. Grimshaw, S. 12 f. 51 Die von Gurr, Rebellion, S. 215, unterschiedenen Kategorien normativer bzw. utilitaristischer Rechtfertigung von Gewalt konnten nicht mit Information gefüllt werden. - Zum Gewaltbegriff und seinen normativen Implikationen allgemein Narr, S. 16 ff 52 Siehe Volkmann, Kategorien, S. 181; vgl. Η. Α. Landsberger, Peasant Unrest; Themes and Variations, in: Ders. (Hg.), Rural Protest: Peasant Movements and Social Change, London 1974, S. 1-64, hier S. 19f. 53 Verkündung eines Tumultmandats und Ankündigung strengen Einschreitens im Übertretungsfall, oft verbunden mit dem Gebot der Ausgangsbeschränkung. 54 Zur normativen Problematik siehe S. P. Huntington, The Change to Change: Modernization, Development and Politics, in: CP 3, 1971, S. 283-322; F. R. Pfetsch, Zum Stand der Innovationsforschung, in: Ders. (Hg.), Innovationsforschung als multidisziplinäre Aufgabe, Göttingen 1975, S. 9-24, hier S. 13ff. 55 Dazu allgemein Gurr, Krisen, S. 70ff. 56 Vgl. allgemein die Ausführungen über die Rolle der ›gatekeeper‹ im politischen System bei D. Easton, Α Systems Analysis of Political Life, New York 1965, S. 88ff. 57 Zur theoretischen Bedeutung S. Verba, Comparative Political Culture, in: L. Pye u. S. Verba (Hg.), Political Culture and Political Development, Princeton 1966, S. 512-560; H.-J . Puhle, Politischer Stil, in: Κ. Sontheimer u. H. H. Röhring (Hg.), Handbuch des Parlamentarismus, München 1970, S. 398-401; P. Hüttenberger, Politische Kultur und politische Entwicklung, in: APZ, B1, 1974, S. 21-29. 58 Dazu auch Marx, Issueless Riots; ferner die Studie von Thompson, Moral Economy.
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Anmerkungen zu Seite 26-31 59 Zur Koalitionsfrage im weitesten Sinn C. Tilly, Revolutions, S. 511; Galtung, S. 130ff.; außerdem Kossok, Markov, S. 21 ff. 60 Kritisch dazu Νarr, S. 9, 28f.; vgl. Landsberger, S. 25f., 34. 61 Dazu Volkmann, Kategorien, S. 165; R. W. Fogel, The Limits of Quantitative Methods in History, in: AHR 80, 1975, S. 325-350, bes. S. 341; Haupt, S. 255; Meyer, S. 160; sowie C. Tilly, Rule, bes. S. 68; ferner allgemein A. V. Cicourel, Methode und Messung in der Soziolo gie, Frankfurt 1974, S. 203ff. 62 C. Tilly, Rule, S. 70, 93ff. 63 Volkmann, Kategorien. 64 Zur Bedeutung der Augsburger »Allgemeinen Zeitung«, zit. im Folgenden als AAZ, für den Vormärz sowie zu Fragen der Zensur, der Korrespondenten u. ä. L. Salomon, Geschichte des Deutschen Zeitungswesens, Bd. 3, Oldenburg 1906, S. 151 ff., 283 ff., 453ff. 65 Vgl. C. Tilly, Rule, S. 62ff.; C. Tilly u.a., S. 16, 318; R. Tilly, Popular Disorders, S. 6ff.; Haupt, S. 243. 66 Z. B. die Meldung über eine Verhaftung Stüves, AAZ Beil. Nr. 359, 360, 25. bzw. 26. 12. 1837; Nr. 9, 9. 1. 1838; Nr. 11, 11. 1. 1838; oder eine »Verschwörung« der bremischen Glaserinnung, AAZ Beil. Nr. 300, 1830; Nr. 304, 31. 10. 1840. 67 Zur sog. »collective history« siehe den Überblick bei C. Tilly, Revolutions, S. 499ff. 68 Allgemein dazu Uhlen, S. 23, 27; Blessing, S. 781. 69 L. v. Rönne u. H. Simon, Das Polizeiwesen des Preußischen Staates, Bd. 1, Breslau 1840, S. 664f. - Zum Problem des staatlichen Definitionsmonopols Narr, S. 12; A. Lüdtke, Praxis und Funktion staatlicher Repression: Preußen 1815-1850, in: GG 3, 1977. S. 180-210. 70 Das Kriminal-Gesetz-Buch für das Herzogtum Braunschweig, Braunschweig 1840, §§ 96-98, 101f. Vgl. auch A. v. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, Gießen 1840». §§ 201-205. 71 Zur Reizschwelle allgemein vgl. Haupt, S. 241 f., 253; Hausen, S. 261. 72 Ohne die Fürstentümer Lübeck und Birkenfeld. 73 Zur Analyse der Herausforderungen an das politische System sowie der Krisen- und Repressionsstrategien bieten Ansätze der politischen Krisentheorien wertvolle Anregungen. Dazu der aspektreiche Sammelband von Jänicke, Politische Systemkrisen; grundsätzlich klärend das kybernetische Modell von Easton. 74 Als Beispiel vorgetäuschter mathematischer Exaktheit für nominalskalierte Daten vgl. Sorokin, S. 394ff. - Siehe Fogel, S. 337; hierzu und zum Folgenden R. Floud, An Introduction to Quantitative Methods for Historians, London 1973. - Aus drucktechnischen und redaktionellen Gründen wurden die ursprünglich über 80 Tabellen stark gekürzt und ihre Aussagen zum größten Teil in den Text integriert; gleichwohl bilden sie die Grundlage für den II. Teil der Proteststudie. 75 Als Testverfahren für Hypothesen wird die X 2 -Methode benutzt, mit deren Hilfe die Abweichungen einer theoretisch zu erwartenden von der tatsächlichen Verteilung auf Signifikanz überprüft werden können. Liegt ein statistisch signifikanter Zusammenhang vor, wird dessen Stärke über den Kontingenzkoeffizienten C oder Κ geschätzt, ohne daß jedoch das statistische Ergebnis direkt über die Art der Korrelation Auskunft gibt; denn die Werte von C bzw. Κ befinden sich im Bereich von 0 bis + 1. Zu beachten ist bei der Interpretation ferner, daß der maximale Wert des Kontingenzkoeffizienten (C max ) von der Anzahl der jeweiligen Tafelfelder abhängt und der Wert 1 lediglich bei einer über alle Grenzen gewachsenen Tafelfelderzahl erreicht werden kann. Vgl. dazu G. Clauss u. H. Ebner, Grundlagen der Statistik für Psychologen, Pädagogen und Soziologen, Berlin (Ost) 1974, S. 249ff., 289ff.; S. Siegel, Nonparametric Statistics for the Behavioural Sciences, New York 1956, S. 42ff., 175ff., 196ff.; Floud, S. 125ff
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Anmerkungen zu Seite 35-36 Kapitel 1 1 Diese Tendenzen arbeiten zuletzt überzeugend H. Berding, Napoleonische Herrschaftsund Gesellschaftspolitik im Königreich Westfalen 1807-1813, Göttingen 1973; sowie E. Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht. Die Einführung des Codes Napoleon in den Rheinbundstaaten, Göttingen 1974, heraus; ferner dazu H. O. Sieburg, Die Auswirkungen des napoleonischen Herrschaftsystems auf die Verfassungentwicklung in Deutschland, in: Ders., Napoleon und Europa, Köln 1971, S. 201-220. 2 In gewisser Weise war eine solche Problemhäufung vergleichbar mit der Situation in den Ländern der heutigen sog. »Dritten Welt«, die von der Politischen Krisentheorie thematisiert werden. Siehe dazu die Beiträge im Sammelband von Binder, Crises and Sequences; femer Rokkan; Huntington, Chance, S. 311ff. Zur Staatenbildung in Europa C. Tilly (Hg.), The Formation of National States in Western Europe, Princeton 1975. 3 Fehrenbach, S. 46, 49f. 4 Vgl. dazu ebd., S. 80f., 103; F. L. Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Köln 1970, S. 61ff. - Ferner W. v. Bippen, Geschichte der Stadt Bremen, Bd. 3, Bremen 1904, S. 388ff.; H. Kastendiek, Der Liberalismus in Bremen, Diss. Kiel 1951, S. 13; G. Rüthning, Oldenburgische Geschichte, Bd. 2, Bremen 1911, S. 371, 376, 380ff.; H. Liibbing, Oldenburgische Landesgeschichte, Oldenburg 1953, S. 151 f.; G. Kohnen, Die Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts in Oldenburg seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts, Diss. Köln 1960, S. 55 ff.; Zur Geschichte der Entwicklung und Tätigkeit der allgemeinen Stände des Königreichs Hannover 1830-1832, Leipzig 1842, S. 31 f.; M. Bär, Abriß einer Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Osnabrück, Hannover 1901, S. 97ff.; H. Senholdt, Studien über die Ablösung der bäuerlichen Lasten im ehemaligen Fürstentum Hildesheim, Diss. Göttingen 1900, S. 2ff.; R. Lüderssen, Die Befreiung und Mobilisierung des Grundbesitzes im Herzogtum Braunschweig, Braunschweig 1881, S. 5; W. Bornstedt, Geschichte des braunschweigischen Bauerntums, Braunschweig 1970, S. 90f.; F. Koldewey, Das Königreich Westfalen, in: 1813. Braunschweig vor 100 Jahren. Ein Rückblick auf die Franzosenzeit und Freiheitskriege, Braunschweig 1913, S. 20--25, hier S. 20f.; T. Müller, Stadtdirektor Wilhelm Bode. Leben und Werk, Braunschweig 1963, S. 35ff.; G. Bartels, Preußen im Urteil Hannovers 1815-1851, Hildesheim 1960, S. 23; W. Wittich, Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, Leipzig 1896, S. 426ff.; F. Thimme, Die inneren Zustände des Kurfürstentums Hannover unter der französisch-westfälischen Herrschaft 1806-1813, Bd. 2, Hannover 1895, S. 197ff., bes. S. 210ff.; H. Heizer, Insurrektionen zwischen Weser und Elbe. Volksbewegungen gegen die französische Fremdherrschaft im Königreich Westfalen 1806-1813, Berlin (Ost) 1959, S. 95ff. 5 Vgl. W. Conze, Das Spannungsfeld von Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815-1848, Stuttgart 1962, S. 218, 240. 6 Vgl. F. W. v. Reden, Allgemeine vergleichende Finanzstatistik, Bd. 1, Abt. 2, Darmstadt 1851, S. 1060; Wittich, S. 428; in Oldenburg wurde die vollzogene Befreiung von der Leibeigenschaft aufrechterhalten; vgl. Rüthnitig, S. 338 ff., 483; ferner G. Franz, Politische Geschichte des Bauerntums, Celle 1959, S. 8; Lüderssen, S. 6; Bornstedt, S. 90f.; H. Schwarzwälder, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 1, Bremen 1975, S. 42. - Im Fürstentum Hildesheim hatten einzelne Gemeinden die günstigen Ablösungsmöglichkeiten genutzt; verbittert klagten sie jetzt gegen die Regierung in Hannover und hatten Erfolg; Senholdt, S. 6f. 7 Vgl. K. H. Kaufhold,Umfang und Gliederung des deutschen Handwerks um 1800, in: W. Abel u. a., Handwerksgeschichte in neuer Sicht, Göttingen, S. 26-64; auf Preußen konzentriert K. Abraham, Der Strukturwandel im Handwerk in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts und seine Bedeutung für die Berufserziehung, Köln 1955, S. 51; allgemein F.-W. Henning, Die Einführung der Gewerbefreiheit und ihre Auswirkungen auf das Handwerk in Deutschland, in: Abel, Handwerksgeschichte, S. 142-172; vgl. auch W. Abel, Neue Wege handwerksgeschichtlicher
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Anmerkungen zu Seite 36-38 Forschung, in: Ebd., S. 1-25; ferner K. Assmann, Zustand und Entwicklung des städtischen Handwerks in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts dargestellt am Beispiel der Städte Lüneburg, Celle. Göttingen und Duderstadt, Göttingen 1971, S. 149ff.; zur Beseitigung der Zünfte siehe H. Laufenberg, Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg, Altona und Umgebung, Hamburg 1911, S. 41; H. v. Jindelt, Die Entstehung der Gewerbefreiheit im Königreich Hannover, Diss. Kiel 1921, S. 116f.; für Bremen vgl. Schwarzwälder, S. 84f. - Die Beurteilung der Wirkungen durch die Behörden war abhängig vom regionalen Verwaltungssitz; vgl. z. Β. die Berichte der Kreisämter in Greene, 22. 2. 1816, und in Gandersheim, 26. 6. 1846; StAWF, 129 Neu 24 2; sowie den der Polizeidirektion Braunschweig, 3. 6. 1846; ebd., 126 Neu 1342; zum Einfluß der Zünfte, ebd., 12 Α Neu Fb. 5 6208. 8 Vgl. F. W. v. Reden, Das Königreich Hannover statistisch beschrieben, zunächst in Beziehung auf Landwirtschaft, Gewerbe und Handel, Bd. 1, Hannover 1839, S.502ff.;Jindelt, S. 72ff.; Abraham, S. 51; Henning, Gewerbefreiheit, S. 166ff.; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 15ff.; H.-J. Schulze, Oldenburgs Wirtschaft einst und jetzt. Eine Wirtschaftsgeschichte der Stadt Oldenburg vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Oldenburg 1965, S. 161 ff.; O. Aden, Entwicklung und Wechsellagcn ausgewählter Gewerbe in Ostfriesland von der Mitte des 18. bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, Aurich 1964, S. 83ff.; Senholdt, S. 4ff.; zum Vergleich die ausgezeichnete Studie von J . Bergmann, Das Berliner Handwerk in den Frühphasen der Industrialisierung, Berlin 1973, S. 36ff. 9 Dazu Jindelt, S. 66f., 124 ff., 142ff. Reden, Königreich Hannover, Bd. 1, S. 470f., 502ff.; die große Zahl der Konzessionisten von 1833 charakterisiert das Ergebnis dieser Gewerbepolitik; dort auch eine Aufzählung der einzelnen Gewerbeverordnungen. - Zu sehr den zünftlerischen Charakter betont M. Jänecke, Die Gewerbepolitik des ehemaligen Königreichs Hannover in ihren Wandlungen von 1815-1866, Marburg 1892, S. 5ff.; den neuesten Forschungsstand repräsentiert J . Jeschke. Gewerberecht und Handwerkswirtschaft des Königreichs Hannover im Übergang 1815-1866, Göttingen 1977, S. 29ff.; für Ostfriesland siehe auch den Dienstbericht der Landdrostei Anrieh pro 1823; StAAUR, Rep. 6 Nr. 10481. 10 Vgl. Schulze, Oldenburgs Wirtschaft, S. 165ff. 11 Vgl. Schwarzwälder, S. 84f.; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 41; Kraus, S. 21; H.-L. Schaefer, Bremens Bevölkerung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Bremen 1957, S. 142f; U. Branding, Die Einführung der Gewerbefreiheit in Bremen und ihre Folgen, Bremen 1951, S. 14 ff. 12 »Verordnung die Gewerbesteuer betr.« v. 29. 10. 1821; die »Verordnung, die modifizierte Gewerbe- und Gildeordnung betr.« v. selben Tag stellte u. a. die Gilden von 1807 wieder her (§ 1) und reglementierte die auf dem Lande zugelassenen Handwerker (§§ 17, 18). - Dazu K. Kybitz, Der Staatshaushalt des Herzogtums Braunschweig in den Jahren 1833/86, in; FA 5, 1888. S. 187-233. 13 Zum Steuersystem und anderen Belastungen Thimme, Bd. 1, S. 401 ff.; A. Kleinschmidt, Geschichte des Königreichs Westfalen, Gotha 1893, S.9 5 f f . ;Kybitz, S. 190ff.; Rüthning, S. 382f.; Fehrenbach, S. 101 f. 14 Vgl. H. Schmidt, Politische Geschichte Ostfricslands, Leer 1975 (= J . Ohling (Hg.], Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 5), S. 371f.; Bippen, S. 335, 388, 396; Thimme, Bd. 1, S.418fff.;H.-H. Dammann, Militärwesen und Bürgerbewaffnung der freien Hansestädte in der Zeit des Deutschen Bundes von 1815-1848, Diss. Hamburg 1958, S. 46ff.; W. v. Groote, Die Entstehung des Nationalbewußtseins in Norddeutschland 1790-1830, Göttingen 1955, S. 52ff. 15 Allgemein zum Problem der Errichtung eines leistungsfähigen Steuersystems und zu dessen sozialen Wirkungen K. Borchard, Staatsverbrauch und öffentliche Investitionen in Deutschland. 1780-1850, Diss. Göttingen 1968, bes. S. 14, 17ff., 92ff.; E. Klein, Von der Reform zur Restauration. Finanzpolitik und Reformgesetzgebung des preußischen Staatskanzlers Karl August v. Hardenberg, Berlin 1965; E. Schremmer, Zusammenhänge zwischen Kata-
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Anmerkungen zu Seite 38-39 stersteuersystem, Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsstruktur im 19. Jahrhundert. Das Beispiel Württemberg: 1821 bis 1877-1903, in: J . Bog u. a. (Hg.), Wirtschaftliche und soziale Strukturen im säkularen Wandel. Festschr. f. W. Abel, Bd. 3, Hannover 1974, S. 679-706; W. Steitz, Zur Etablierung der Realbesteuerung in den Süddeutschen Staaten im Rahmen der sich auflösenden Feudalstrukturen 1806-1850, in: VSWG 63, 1976, S. 145-179. 16 Zur politischen Mobilisierung allgemein siehe Huntington, Change, S. 314ff.; ders., Political Order, S. 33. 17 Zur Bedeutung des Artikels 13 siehe H. Brandt, Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz. Politisches Denken im Einflußfeld des monarchischen Prinzips, Neuwied 1968, S. 57 ff.; W. Mager, Das Problem der landständischen Verfassungen auf dem Wiener Kongreß 1814/15, in: HZ 217, 1974, S 296-346; H. Boldt, Deutsche Staatslehre im Vormärz, Düsseldorf, S. 21f.; H. O. Meisner, Die Lehre vom monarchischen Prinzip im Zeitalter der Restauration und des Deutschen Bundes, Breslau 1913, S. 168ff.; U. Bermbach, Über Landstände. Zur Theorie der Repräsentation im deutschen Vormärz, in: Festgabe f. D. Sternberger, Heidelberg 1968, S. 241-262, hier S. 241ff.; im Gegensatz zu Meisner F. Strathmann, Altständischer Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen der Jahre 1814 bis 1819. Ein Beitrag zur Kontinuität der deutschen Verfassungsgeschichte, Diss. Mainz 1955, S. 123ff. 18 Im Hochstift Münster, das teilweise an Oldenburg gefallen war, hatte bis 1803 eine landständische Verfassung gegolten. Zum Verfassungsproblem C. Haase, Die oldenburgische Gemeindeordnung von 1855 und ihre Vorgeschichte, in: OLJ 55, 1955, S. 1-45, hier S. 5f.; K. Hartong, Beiträge zur Geschichte des oldenburgischen Staatsrechts, Oldenburg 1958, S. 54ff., 100; Rüthning, S. 445f., 485ff.; G. Kohnen, S. 77ff.; A. Kohnen, Zur Vorgeschichte des Ersten Oldenburgischen Landtags, in: OLJ 31, 1927, S. 199-229, hier S. 207ff.; kritisch aus der Sicht der Jeverländer H. F. W. Hinrichs, Der oldenburgische Verfassungsstreit nach gedruckten und ungedruckten Quellen. Ein Beitrag zur Erörterung des Verfassungswesens seit dem Befreiungskriege bis auf unsere Tage, Sudenburg 1846, S. 16; D. Schönwart, Das Problem einer landständischen Verfassung in Oldenburg im Zeitalter der Freiheitskriege, in: OLJ 56, 1957, S. 1-49,hierS. 3, 11ff., 17ff., 30ff. - Hier war offensichtlich die Auffassung von der Beamtenschaft als einer fortschrittlichen Kraft lebendig; dazu allgemein R. Koselleck, Staat und Gesellschaft in Preußen 1815-1848, in: W. Conze (Hg.), Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815-1848, Stuttgart 1962, S. 79-112, hier S. 109ff.; K. Mannheim, Das konservative Denken. Soziologische Beiträge zum Werden des politisch-ideologischen Denkens in Deutschland, in: ASS 57, 1927, S. 68-142, 470-495, hier S. 107ff. 19 Vgl. Rüthning, S. 382, 483ff.; Hartong, S. 147f.; Reden-, Finanzstatistik, S. 1025; besonders deutlich artikuliert wurden die Nachteile des Steuersystems in der Petition des Stad- und Budiadinger Landes v. 13. 8. 1831; StAOL, Best. 31-13 Nr. 31-1 I. 20 Vgl. F. K. v. Strombeck, Staatswissenschaftliche Mitteilungen vorzüglich in Beziehung auf das Herzogtum Braunschweig, Braunschweig 1831/32, S. 17f., 24f., 28ff., 34f.; G. v. Stumpfeid, Die altständischen Elemente in der modernen Verfassungsentwicklung des Herzogtums Braunschweig, Eberswalde 1921, S. 33ff.; A. Rhamm, Die Verfassungsgesetze des Herzogtums Braunschweig, Braunschweig 1900, S. 18f., 23f.; O. Böse, Karl II. Herzog zu Braunschweig und Lüneburg. Ein Beitrag zur Metternichforschung, Braunschweig 1956, S. 48f., 94, sieht in der Landschaftsordnung »eine weitgehende Parallelisierung beider Länderregime« und eine Verschwörung des Adels mit der vormundschaftlichen Regierung zur Verhinderung einer autonomen Politik der jüngeren Linie des Weifenhauses; diese Verschwörertheorie durchzieht seine ganze Arbeit. - Vgl. ferner G. P. v. Bülow, Mitteilung zur Erläuterung der braunschweigischen Geschichte und Gesetzgebung, Braunschweig 1839, S. 18ff.; ders., Zur Erläuterung der Landschaftsordnung des Herzogtums Braunschweig von 1820, Braunschweig 1831, S. 88ff.; ders., Rückblicke auf mein Leben, Helmstedt 1844, S. 135ff. 21 Dazu ders., Mitteilung, S. 27ff.; W. J . L. Bode, Beitrag zur Geschichte der Feudalstände im Herzogtum Braunschweig und ihres Verhältnisses zu dem Fürsten und dem Volke, veran-
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Anmerkungen zu Seite 39 laßt durch die Schrift des Herrn v. Grone: »Geschichte der korporativen Verfassung...«, Braunschweig 1843, S. 69f.; ders., Beiträge zur Geschichte der Feudalstände im Herzogtum Braunschweig, 2. H.: Die Aufhebung der Feudalstände und die Herstellung einer die Gesamtheit der Staatsgenossen vertretenden Ständeversammlung . . ., Braunschweig 1843, S. 9ff.; Reden, Finanzstatistik, S. 940ff.; Ilse, S. 16. - A. Wagner, Die deutsche Besteuerung im 19. Jahrhundert, in: Ders., Lehr- und Handbuch der politischen Ökonomie, 4. Hauptabt.: Lehrbuch der Finanzwiss., Leipzig 1889-1901, S. 488ff.; Kybitz, S. 189ff., 200ff.; dort auch Vergleichszahlen für andere Jahre. 22 Dazu Zur Geschichte der Stände, S. 43ff.; H.-J. Behr, Politisches Ständetum und landschaftliche Selbstverwaltung. Geschichte der Osnabrücker Landschaft im 19. Jahrhundert, Osnabrück 1970, S. 29ff.; T. Schieder, Partikularismus und Nationalbewußtsein im Denken des deutschen Vormärz, in: Conze, Staat und Gesellschaft, S. 9-38, hier S. 17; Reden, Finanzstatistik, S. 661 ff.; E. v. Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680-1866, Bd. 1, Leipzig 1898, S. 43, 323ff.; G. A. Grotefend, Geschichte der allgemeinen landständischen Verfassung des Königreichs Hannover in den Jahren 1814-1848, Hannover 1857, S. 16ff. 23 Zur Präponderanz des Adels siehe die ausgezeichnete Arbeit von J . Lampe, Aristokratie, Hofadel, Staatspatriziat in Kurhannover. Die Lebenskreise der höheren Beamten an den kurhannoverschen Zentral- und Hofbehörden 1714-1760, 2 Bde., Göttingen 1963; ferner H. Luden, Das Königreich Hannover nach seinen öffentlichen Verhältnissen, besonders die Verhandlungen der allgemeinen Stände-Versammlung in den Jahren 1814, 1815 und 1816, Hannover 1818, S. 63f.; R. Vierhaus, Land, Staat und Reich in der politischen Vorstellungswelt deutscher Landstände im 18. Jahrhundert, in: HZ 223, 1976, S. 40-60; U. Vogel, Konservative Kritik an der bürgerlichen Revolution. August Wilhelm Rehberg, Darmstadt 1972, S. 144ff.; H. A. Plöhn, Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Adel und Bürgertum Kurhannovers und der braunschweigischen Lande, in: ASF 5, 1928, S. 87-89. - Symptomatisch war der Sturz Rehbergs, der die Steuerreform in die Praxis umsetzen sollte; vgl. K. Mollenhauer, A. W. Rehberg, ein hannoverscher Staatsminister im Zeitalter der Reaktion, in: Jahresber. über d. Hzgl. Gymnasium zu Blankenburg, Blankenburg 1904, S. 3-22; 1905, S. 3-23, hier T. 2, S. 19f.; Grotefend, S. 45ff.; A. Lutz, Geschichte des deutschen Beamtentums, Berlin 1909, S. 460, 466. - Rehberg stand den Ansprüchen des hannoverschen Adels kritisch gegenüber, was sich auch in seinen Verfassungsvorstellungen niederschlug, die zur Entzweiung mit dem Grafen Münster führten; HStAH, Dep. 110 A 215. - Zur Verfassung vgl. Behr, Ständetum, S. 34ff.; Zur Geschichte der Stände, S. 95ff.; Strathmann, Altständischer Einfluß, S. 37, 47, 68; zu den Kompetenzen der Provinzialstände P. Klein, Verfassungskonflikt zwischen der ostfriesischen Landschaft und dem Königreich Hannover, Diss. Kiel 1973, S. 26ff.; Behr, Stände, S. 126f.; K. Kolb u. J . Teiwes, Beiträge zur politischen, Sozial- und Rechtsgeschichte der Hannoverschen Ständeversammlung von 1814—1833 und 1837-1849, Hildesheim 1977, S. 49ff. 24 Zur Adelsopposition H.-J. Behr, Georg v. Scheie 1771-1844. Staatsmann oder Doktrinär? Osnabrück 1973, S. 59ff.; U. Vogel, S. 228ff.; E. Lehzen, Hannovers Staatshaushalt, Bd. 1, Hannover 1853, S. 331ff.; zu integriert sieht das Steuersystem J . G. L. W. Ubbelohe, Über die Finanzen des Königreichs Hannovers, Hannover 1834, S. 210ff.; Zur Geschichte der Stände, S. 51f., 61, 75ff., 83f.; Reden, Finanzstatistik, S. 690ff.; Wagner, S. 480ff.; dazu insgesamt jetzt auch Kolb, Teiwes, S. 32ff. 25 Für Bremen vgl. Bippen, S. 389ff., 439ff.; Schaefer, S. 59, 136f., 150ff.; Kastendiek, S. 14f.; Schwarzwälder, S. 40ff., 56ff.; Wagner, S. 518ff., 612ff.; einige Hinweise auch bei E. Fitger, Die Finanzen Bremens, in: FA 1, 1884, S. 234-243, hier S. 240ff - Zu Hamburg in vornapoleonischer Zeit W. Grab, Demokratische Strömungen in Hamburg und SchleswigHolstein zur Zeit der ersten Französischen Republik, Hamburg 1966, S. 22f.; ferner J . G. Gallois, Geschichte der Stadt Hamburg, Bd. 3, Hamburg 1855, S. 11, 15ff.; zur reformverhin-
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Anmerkungen zu Seite 39-41 dernden Taktik des Senats ebd., S. 52; sowie Bd. 2, Hamburg 1854, S. 661 ff.; H. Nirrnheim, Die hamburgische Verfassungsfrage von 1814-1848, in: ZHG 25, 1924, S. 128-148, hier S. 132ff.; Kraus, S. 27; J . Bolland, Die hamburgische Bürgerschaft in alter und neuer Zeit, Hamburg 1959, S. 18ff.; E. Baasch, Die Handelskammern Hamburg 1665-1915, Bd. 2, S. 521 ff.; ders., Geschichte Hamburgs 1814-1915, Bd. 1, Gotha 1924, S. 4; O. Starke, Die hamburgischen Steuern von der Wiederbefreiung bis zur Steuerreform 1814—1857, Diss. Tübingen 1919; Reden, Finanzstatistik, S. 1534, 1541; L. Behrends, Die Entwicklung der direkten Steuern in Hamburg und die Errichtung der Steuerdeputation am 9. Mai 1815, Hamburg 1915. - Zur Rolle der Akzise allgemein F. K. Mann, Steuerpolitische Ideale: Vergleichende Studien zur Geschichte der ökonomischen und politischen Ideen und ihres Wirkens in der öffentlichen Meinung 1600-1935, in: FF 5, 1937, S. 1-360, hier S. 50f. 26 Für Braunschweig, das keine territorialen Veränderungen erfuhr, vgl. Strombeck, Mitteilungen, S 23 f.; O. v. Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover, Bd. 2, Gotha 1882, S. 44 ff.; H. Mundhenke, Die Entwicklung der braunschweigischen Kreisverfassung von 1818-1884, in: BSJ 35, 1954, S. 117-144, hier S. 117ff.;J. König, Landesgcschichte. in: J . Moderhack (Hg.), Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, Braunschweig 1977, S. 61-109, hier S. 91. - Oldenburg erhielt schließlich 1817 die Kirchspiele Damme und Neuen-kirchen sowie das Fürstentum Birkenfeld, das in der Untersuchung wegen seiner Entfernung zum Kernland und seiner unterschiedlichen Strukturen ebenso unberücksichtigt blieb wie das Fürstentum Lübeck. 1813 wurde die Herrschaft Jever integriert und 1819 auch staatsrechtlich dem Großherzogtum einverleibt; vgl. Hartong, S. 20ff.; Rüthning, S. 426ff.; Lühhing, S. 154f.; H. F. W. Hinrichs. S. 12f.; G. Kohnen. S. 75ff. 27 Das Königreich Hannover wurde auf dem Wiener Kongreß um das Fürstentum Hildesheim, Stadt und Gebiet Goslar, das Fürstentum Ostfriesland und Harlingerland, die niedere Grafschaft Lingen und einen Teil des Fürstentums Münster erweitert; vgl. W. M. Berghaus, Die Verfassungsgeschichte der Ostfriesischen Landschaft, Diss. Göttingen 1955, S. 201; R. Vierhaus, Die Landstände in Nordwestdeutschland im späten 18. Jahrhundert, in: D.Gerhard(Hg.), Ständische Vertretungen, Göttingen 1969, S. 72-93, hier S. 75ff., 79ff.; Conze, Spannungsfeld, S. 212; H. Oncken, Rudolf v. Bennigsen. Ein deutscher liberaler Politiker, Bd. 1, Stuttgart 1910, S. 37ff. — In den neuen Landesteilen sollten veränderte Städteordnungen der Regierung ein erhöhes Maß an Kontrolle sichern; dazu R. Nürnberger. Städtische Selbstverwaltung und sozialer Wandel im Königreich und in der Provinz Hannover während des 19. Jahrhunderts, in: NJ 48, 1976, S. 1-15, hier S. 4 . - Zur herrschenden Rechtsauffassung bei der Restaurationsproblematik siehe T. Schieder, Partikularismus, S. 23ff.; Meisner, S. 116ff. 28 Vgl. Schmidt, S. 371 f.; Rüthning, S. 387ff.; Bippen, S. 371ff.; Thimme, Bd. 1, S. 442ff.; Heitzer, S. 237, 251. 29 Kraus, S. 12, 59; Bippen, S. 399. 30 Dazu vgl. Dammami, S. 46ff.; Bippen, S. 371; Heitzer, S. 284ff.; Μ. Η. Hudtwalcker, Ein halbes Jahrhundert aus meiner Lebensgeschichte, Bd. 2, Hamburg 1864, S. 508; Groote, S. 55. 31 Dazu am Beispiel Oldenburgs ebd., S. 46f., 54f., 86ff.; ferner T. Schieder, Partikularis mus, S. 15f. 32 Vgl. Groote, S. 87; Koselleck, Preußen, S. 287; K. Obermann, Deutschland von 1815-1849, Berlin (Ost) 19673, S. 25; R. Stadelmann, Soziale und politische Geschichte der Revolution von 1848, München 1973, S. 49; L. Beutin, Das Bürgertum als Gesellschaftsstand im 19. Jahrhundert, in: BdL 90, 1953, S. 132-165, hier S. 134; Brandt, S. 7, 33, 161 ff.; ferner die Entwicklungsanalyse von D. Claessens u. L. Ciaessens, Kapitalismus als Kultur. Entstehung und Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft, Düsseldorf 1973; sowie die auf literarischen Zeugnissen prominenter Zeitgenossen beruhende Darstellung von A. Berend, Die gute alte Zeit. Bürger und Spießbürger im 19. Jahrhundert, Hamburg 1962; außerdem L. Kofler, Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied 1974. 33 Vgl. Behr, Ständetum, S. 37f.; Gallois, Bd. 3, S. 22, 27, 36, 41f., 45, der als Beleg die
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Anmerkungen zu Seite 41-42 Teilnehmerzahlen an den Bürgerschaftsversammlungen zitiert; von den ca. 3-4000 Berechtigten erschienen gewöhnlich wenig mehr als 200. - Zu direkt sehen E. N. Anderson u. P. R. Anderson, Political Institutions und Social Change in Continental Europe in the 19th Century, Berkely 1967, S. 21 ff., die Beziehung zwischen materieller Interessiertheit und Beteiligungsansprüchen. 34 Bibliographisch erfaßt bei A. Ulrich, Katalog der Bibliothek des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover 1890. - Eine Auszählung der Titel zur Sozial- und Verfassungsorganisation Hannovers ergab folgende Daten: 1815-1825: 19 (8); 1826-1830: 4 (3); 1831-1833: 60 (36); 1833-1836: 6 (10); 1837-1842: 51 (51); 1843-1847:20 (21). In Klammern die Vergleichszahlen nach V. Loewe, Bibliographie der Hannoverschen und Braunschweigischen Geschichte, Posen 1908. - Zum Zusammenhang zwischen der Steuergesetzgebung und Protest allgemein G. Ardant, Financial Policy and Economic Infrastructure of Modern States and Nations, in: C. Tilly, National States, S. 164-242, hier S. 166ff.; R. Braun, Taxation. Socialpolitical Structure, and State Building. Great Britain and Brandenburg-Prussia, in: ebd., S. 243-327, hier S. 246ff.; dazu auch Anderson, S. 21 ff.-Die AAZ Nr. 83, 24. 3. 1819, schrieb: Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nähme zu, »da man täglich mehr fühlt, daß es dabei mindernd oder mehrend das Vermögen und die Zufriedenheit, den Freiheitskreis und die teuerste Lebenshaltung eines jeden gilt«. - Vermittelter Protest regte sich auf dem Lande, z. B. in der Vorstellung von Häuslingen über Abgaben; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I Bm 133. 35 Zu diesem Problem allgemein K. Dohse, Das politische System in der Krise. Modell einer revolutionären Situation, in: Jänicke, Systemkrisen, S. 112-137, hier S. 119. - Langfristig war der Wiener Kongreß für ein wachsendes Bewußtsein von der Veränderbarkeit der Verfassungsverhältnisse nicht ohne Bedeutung, demonstrierte er doch die Disponibilität von Grundrechten und Verfassungsrecht; dazu W. v. Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus. Zur Entstehung und Bedeutung der Grundrechtsartikel in den ersten Verfassungsurkunden von Bayern, Baden und Württemberg, Köln 1973, bes. S. 46, 94; ferner Meisner, S. 117f. 36 Vgl. Groote, S. 87ff.; Brandt, bes S. 39, 161, 169; Koselleck, Preußen, S. 289ff.-Bedauerlicherweise war die Arbeit von O. Suhr, Die berufsständische Verfassungsbewegung in Deutschland bis zur Revolution 1848, Diss. Leipzig 1923, nicht verfügbar. 37 Vgl. allgemein die Schilderung des bäuerlichen Ansehens in verschiedenen Bevölkerungsschichten von J . G. Gagliardo, From Pariah to Patriot. The Changing Image of the German Peasant 1770-1840, Kentucky 1969; ferner Groote, S. 61 f.; Franz, S. 8;J. H. Clapham The Economic Development of France and Germany, 1815-1914, Cambridge 1921, bes. S. 37ff.; zum mäßigen ländlichen Bildungsstand R. Stadelmann u. F. Fischer, Die Bildungswelt des deutschen Handwerkers um 1800. Studien zur Soziologie des Kleinbürgers der Goethezeit, Berlin 1955, S. 199ff.; allgemein dazu auch A. C. Stinchcombe, Agricultural Enterprise and Rural Class Relations, in: R. Bendix u. M. Lipset (Hg.), Class, Status and Power, New York 19662, S. 182-190; E. J. Hobshawm, Pessant and Politics, in: JPS 1, 1973, S. 3-22. 38 Solche Befürchtungen hegte A. A. Abendroth, Wünsche bei Hamburgs Wiedergeburt im Jahre 1814, Kiel 1814, der zur Eile drängte. 39 Zum Problem der sozialen Mobilisierung vgl. Huntington, Political Development; und Olson. - Zum Begriff der »Dekorponerung« siehe Conze, Spannungsfeld, S. 238f., 248f. Zum Kommunikationsaspekt E. Sapir, Communication, in: B. Berelson u. M. Janowitz (Hg.), Public Opinion and Communication, Toronto 19662, S. 162-166; und den Sammelband von L. W. Pye (Hg.), Communications and Political Development, Princeton 1963; zur Zensur und ihrer sehr unterschiedlichen Handhabung siehe Baasch, Zeitungswesen, S. 17ff.; R. Engelsing, Massenpublikum und Journalistentum im 19. Jahrhundert in Norddeutschland, in: Ders., Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1, Berlin 1966, S. 49, 140; G. Sasse, Bremisches Zeitungswesen bis 1848, Diss. Leipzig 1932, S. 43ff.; G. Sommer, Die Zensurgeschichte des Königreichs Hannover, Quakenbrück 1929, S. 22f.; W. Barton, Bibliographie der oldenburgischen Presse, in: OLJ 57, 1958, S. 41-80; 58, 1959, S. 55-78; 59, 1960, S. 83-110.
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Anmerkungen zu Seite 43 hier 57, 1958, S. 49; E. Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse von 1819. Die endgültige Stabilisierung der restaurativen Politik im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongreß 1814/15, Hildesheim 1974, S. 311 ff.; H. Tidemann, Die Zensur in Bremen von den Karlsbader Beschlüssen 1819 bis zu ihrer Aufhebung 1848, in: BJ 31, 1928, S. 370-414; 32, 1929, S. 1-110; Groote, S. 91f.; M. Kramer, Die Zensur in Hamburg 1819-1848. Ein Beitrag zur Frage staatlicher Lenkung der Öffentlichkeit während des deutschen Vormärz, Diss. Hamburg 1975; E. Peitner, Oldenburg im 19. Jahrhundert, Bd. 1, Oldenburg 1899, S. 317ff. - Zur Koalitionsgesetzgebung allgemein C. Tilly, Reflections on the History of European State-Making, in: Ders., National States, S. 3-83, hier S. 38; F. Müller, Korporation und Assoziation. Eine Problemgeschichte der Vereinigungsfreiheit im deutschen Vormärz, Berlin 1965, S. 252f.; ein Überblick über die einschlägige Gesetzgebung auch bei E. Todt u. H. Radent, Zur Frühgeschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung 1800-1849, Berlin (Ost) 1950, S. 52ff.; ferner W. Ritscher, Koalitionen und Koalitionsrecht in Deutschland bis zur Reichsgewerbeordnung, Stuttgart 1917, bes. S. 113, 167ff.
Kapitel 2 . 1 . 1 StAOL, 70-3519; AAZ Nr. 225, 15. 8. 1819. 2 Zur Teuerungskrise und ihren sozialen Auswirkungen W. Abel, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch und Synopsis, Hamburg 1974, S. 317ff., 326ff.; ders., Der Pauperismus in Deutschland am Vorabend der industriellen Revolution, Hannover 1970, S. 42; F.-W. Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800-1914, Paderborn 1972, S. 55ff.; H. Mottek, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Von der Französischen Revolution bis zur Zeit der Bismarckschen Reichsgründung, Berlin (Ost) 19762, S. 88; J . Kuczynski, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Bd. 1: Darstellung der Lage der Arbeiter in Deutschland von 1789-1849, Berlin (Ost) 1961, S. 149, 234f.; Die Getreidepreise in Deutschland seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts, in: VSDR 44, 1935, S. 273-321, hier bes. S. 281; D. Saalfeld, Handwerkereinkommen in Deutschland vom ausgehenden 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Bewertung von Handwerkerlöhnen in der Übergangsperiode zum industriellen Zeitalter, in: Abel, Handwerksgeschichte, S. 65-115, hier S. 108, 110; grundsätzlich dazu H. Freiburg, Agrarkonjunktur und Agrarstruktur in der vorindustriellen Zeit. Die Aussagekraft der säkularen Wellen der Preise und Löhne im Hinblick auf die Entwicklung der bäuerlichen Einkommen, in: VSWG 64, 1977, S. 289-327; sehr anregend die vergleichende Studie von J. D. Post, The Last Great Subsistence Crisis in the Western World, Baltimore 1977. - Siehe ferner die zeitgenössische Schilderung von G. v. Gülich, Geschichtliche Darstellung des Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues der bedeutendsten handeltreibenden Staaten unserer Zeit, Bd. 2, Jena 1830, S. 362ff.; außerdem D. Siemens, Armut und Armenpflege in Hamburg früher und jetzt vergleichend, in: ZVdS 2, 1848, S. 838-853, hier S. 841; Darstellung der Grundsätze und Einrichtungen der vervollkommneten Braunschweiger Armenanstalt in besonderer Beziehung auf die von den Herren Armenpflegern zu besorgenden Geschäfte . . ., Braunschweig 1817, S. 21 f.; dazu auch C. Lahmeyer, Das Magazinkornwesen des Oberharzer Bergbaues in seiner geschichtlichen Entwicklung und jetzigen Gestaltung, in: Z. f. Bergrecht 30, 1889, S. 211-228; H. Sasse, Die Kornteuerungspolitik Bremens im 18. und 19. Jahrhundert, Diss. Münster 1922, S. 122ff. Angesichts der großen Zahl von Bedürftigen wurden z. B. die Armenpfleger in Braunschweig zu strenger Anwendung der Vorschriften und äußerst sparsamem Verhalten aufgefordert. - Siehe auch AAZ Nr. 15, 15. 1. 1817; Nr. 104, 14. 4.; Nr. 250, 8. 9. 1817; Nr. 168, 17. 6. 1818. 3 Wenngleich noch detaillierte Studien über die sozialen Folgen der Krise ausstehen, finden sich doch einige Informationen bei G. v. Gülich, Über den gegenwärtigen Zustand des Ackerbaues, des Handels und der Gewerbe des Königreichs Hannover, Hannover 1827, S. 3 1 , 55;
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Anmerkungen zu Seite 44—45 AAZ Nr. 15, 22. 1. 1824; Beil. Nr. 59, 1823. Ferner siehe Aden, S. 14; Getreidepreise, S. 276, 284f.; Abel, Massenarmut, S. 346ff.; A. Spiethoff, Die wirtschaftlichen Wechsellagen, Bd. 1, Tübrngen 1955, S. 55f.; Mottek, S. 88ff.; H. Schmidt, S. 391f.; allgemein F.-W. Henning, Kapitalbildungsmöglichkeiten der bäuerlichen Bevölkerung am Anfang des 19. Jahrhunderts, in: W . Fischer (Hg.), Beiträge zu Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsstruktur im 16. und 19. Jahrhundert, Berlin 1971, S. 57-81, hier S. 62ff., 91; K. Borchardt, Die industrielle Revolution in Deutschland, München 1972, S. 42; A. Neumann, Die Bewegung der Löhne der ländlichen »freien« Arbeiter im Zusammenhang mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Königreich Preußen gegenwärtigen Umfangs vom Ausgang des 18. Jahrhunderts bis 1850, Berlin 1911, S. 171ff.; Freiburg; grundlegend Post, S. 145 ff. 4 Vgl. E. W. Buchholz, Die Bevölkerung des Raumes Braunschweig im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Industrialisierungsepoche, Diss. Göttingen 1952, S. 3ff.; neuerdings K. Mittelhäusser, Häuslinge im südlichen Niedersachsen, in: BdL 116, 1980, S. 235-278, hier bes. S. 249ff.; F. W. R. Zimmermann, Die Bevölkerungszunahme und die Bevölkerungsdichtigkeit des Herzogtums Braunschweig im 19. Jahrhundert unter Einfluß der natürlichen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen, Braunschweig 1903; S. Wrase, Die Anfänge der Verkopplungen im Gebiet des ehemaligen Königreichs Hannover, Hildesheim 1973, S. 31 ff.; W. Achilles, Die Bedeutung des Flachsanbaus im südlichen Niedersachsen für Bauern und Angehörige der unterbäuerlichen Schicht im 18. und 19. Jahrhundert, in: H. Kellenhenz (Hg.), Agrarisches Nebengewerbe und Formen der Reagrarisierung im Spätmittelalter und 19./20. Jahrhundert, Stuttgart 1975, S. 109-122, hier S. 109f; ders., Die niedersächsische Landwirtschaft im Zeitalter der Industrialisierung 1820-1914, in: NJ 50, 1978, S. 7-26, hier S. 9f.; G. Adelmann, Strukturelle Krisen im ländlichen Textilgewcrbe Norddeutschlands zu Beginn der Industrialisierung, in: H. Kellenbenz (Hg.), Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarkt, München 1974, S. 110-128, hier S. 112; sehr prägnant dazu H. Linde, Proto-Industrialisierung: Zur Justierung eines neuen Leitbegriffs der sozialgeschichtlichen Forschung, in: GG 6, 1980, S. 103-124, hier S. 112ff.; vgl. ferner Wittich, S. 420ff.; D. Saalfeld, Bauernwirtschaft und Guisbetrieb in der vorindustriellen Zeit, Stuttgart 1960, S. 86ff.; G. Ipsen, Die preußische Bauernbefreiung als Landesausbau, in: ZAA 2, 1954, S. 29-54, hier S. 32 Anm. 3; W. Fischer, Rural Industrialization and Population Change, in: Comparative Studies in Society and History 15, 1973, S. 158-170, hier S. 162ff.; G. Hohorst, Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaftswachstum als historischer Entwicklungsprozeß demo-ökonomischer Systeme, in: R. Mackensen u. H. Wewer (Hg.), Dynamik der Bevölkerungsentwicklung. Strukturen, Bedingungen, Folgen, München 1973, S. 91-118; W. Köllmann, Bevölkerung und Arbeitskräftepotential in Deutschland 1815-1865: Ein Beitrag zur Analyse des Pauperismus, in: J . Landesamt f. Forschung Nordrhein-Westf 1968, S. 209-254, hier S. 35f; ders., Bevölkerungsgeschichte 1800-1970, in: H. Aubin u. W. Zorn (Hg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2: Das 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1976, S. 9-50, hier S. 9 f ; R. Engelsing, Sozial-und Wirtschaftseeschichte Deutschlands, Göttingen 1973, S. 100ff. 5 ›Helmstädter Zeitung‹ Nr. 31, 21. 4. 1827. 6 Dazu auch Buchholz, Bevölkerung Braunschweigs, S. 6ff.; ders., Ländliche Bevölkerung an der Schwelle zum Industriezeitalter. Der Raum Braunschweig als Beispiel, Stuttgart 1966, S. 9ff.; Mittelhäusser, S. 250f; Köllmann, Bevölkerungsgeschichte, S. 36;J. Tack, Die Hollandgängerei in Hannover und Oldenburg. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterwanderung, Leipzig 1902, S. 100ff.; Conze, Pöbel, bes. S. 339f.; Behr, Ständetum, S. 97. 7 Bericht der Hzgl. Kammer v. 5. 11. 1821; StAWF, 4 Alt 18 Bd. 2 4418 A 7 a; sowie Promemoria des Grafen v. Veitheim, 28. 1. 1821, das der Ständekommission als Diskussionsgrundlage diente; ebd., 23 Neu Fb. 1 953; vgl. auch W. Achilles, Siedlungs-und Agrargeschichte, in: Moderhack, Landesgeschichte, S. 129-150, hier S. 147. 8 Dazu siehe Jeschke, S. 419, 427, 440; für Hamburg Gallois, Bd. 3, S. 261 ff. 9 Vgl. Borchardt, Industrielle Revolution, S. 33.
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Anmerkungen zu Seite 45 10 J . F. Voigt, Zerstörung des neuerbauten Wachthauses am Steintor durch Hamburger Hauszimmerleute im Juli 1818, in: MHG 10, 1911, S. 73f. 11 Die Zimmerleute in Helmstedt wollten z. B. das Hauen und Beschlagen von Bau- und Schutzholz zu ihrer ausschließlichen Befugnis erklären, wodurch Tagelöhner Verdienst verloren hätten; StAWF, 39 Neu 18 11. - Forderungen nach Gewerbeverschärfungen u. a. in der Stadt Oldenburg; Schulze, Oldenburgische Wirtschaft, S. 167 f. - In Braunschweig wollte sich die Woll-und Leinewebergilde vor Konkurrenz vom Lande schützen; StAWF, 126 Neu 1468. Die hannoversche Regierung griff allein zwischen 1821 und 1825 86mal in die Gewerbeverhältnissemit Verordnungen ein; Reden, Königreich Hannover, Bd. 1, S. 507ff. - Auf der Hamburger Maurergesellenherberge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und auswärtigen, arbeitsuchenden Gesellen; StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1821 Nr. 354. - Zur Bönhasenjagd vgl. die Diskussion in der Braunschweigischen Regierung über den § 130 der Gewerbe- und Gildeordnung; StAWF, 126 Neu 1342. - Zum Charakter des Handwerkerprotests vgl. auch Fälle aus dem 18. Jahrhundert bei Grab, S. 32ff., 156f.; K. Schwarz, Die Lage der Handwerksgesellen in Bremen während des 18. Jahrhunderts, Bremen 1975, bes. S. 272f; H. Laufenberg, Hamburg und sein Proletariat im 18. Jahrhundert. Hamburg 1910, bes. S. 98ff.; aber auch ders., Arbeiterbewegung, S. 14f., Todt, Radant, S. 68ff. 12 Dazu die zweimal wöchentlich in den »Braunschweigischen Anzeigen« veröffentlichten Preisnotierungen, bes. für Mai bis September 1825; ferner AAZ, Beil. Nr. 59. 1823; Nr. 15, 22. 1. 1824.-Zum Charakter der Krise J . A. Schumpeter, Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses. Göttingen 1961, S. 280; H. Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit. Wirtscliaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa, Berlin 1967, S. 35ff.; eine Diskussion der Unterkonsumptionsthese bei W. Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, Hamburg 19783, S. 238f. 13 Allgemein vgl. Abel, Massenarmut, S. 347f.; Hoherst, S. 102; H. Linde. Die Bedeutung der deutschen Agrarstruktur für die Anfänge der industriellen Entwicklung. in: JfS 13. 1962. S. 179-195; Freiburg; R. Spree, Die Wachstuniszyklen der deutschen Wirtschaft von 1840 bis 1880, Berlin 1977, S. 132. 14 Nach Reden, Königreich Hannover. Bd. 1. S. 23, ergibt sich folgende Verteilung von Ackerland und Weiden auf insgesamt 166373 Besitzer: Besitzgröße (in ha)
(in %)
unter 2,6 2 , 6 - 5,2 5,2- 7.8 7,8-13 13 -20.8 20.8-52 52 -104 darüber
Anzahl der Besitzer 76767 28098 13569 15521 14651 16608 1056 103
46.1 16.9 8.2 9.3 8.8 10.0 0.6
Gesamt
166373
100
0.1
Eine Besitzgröße von 5-7 ha ist für kleine, mittelbäuerliche Betriebe charakteristisch; W. Abel, Agrarpolitik, Göttingen 19673, S. 243; ders., Massenarmut. S. 277, führt Beispiele an, wo am Ende des 18. Jahrhunderts mit 7,3 ha eine gewisse Marktquote erreicht wurde. Dazu auch F. Schaer, Die ländlichen Unterschichten zwischen Weser und Ems vor der Industrialisierung- ein Forschungsproblem, in: NJ 50, 1978. S. 45-69, bes. S. 46.
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Anmerkungen zu Seite 46-47 15 Gülich, Zustand, S. 31; AAZ Nr. 15, 22. 1. 1824; Beil. Nr. 59, 1823; Beil. Nr. 144, 1826; Abel, Agrarkrisen, S. 231 ff.; Aden, S. 14, 99, 112. 16 Vgl. H. Schmidt, S. 391; Aden, S. 112; Neumann, S. 171 ff.; Achilles, Landwirtschaft, S. 9f.; Abel, Massenarmut, S. 349. 17 Dazu G. Schmoller, Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Statistische und nationalökonomische Untersuchungen, Halle 1870, bes. S. 454ff.; F. W. v. Reden, Der Leinwand- und Garnhandel Norddeutschlands, Hannover 1838, S. 60f.; Achilles, Flachsanbau, S. 121; A. Wrasmann, Das Heuerlingswesen im Fürstentum Osnabrück, T. II: Das Heurlingswesen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: M. d. Ver. f. Gesch. u. Landesk. v. Osnabrück 24. 1921, S. 1-154, hier S. 17ff.; sowie Mittelhäusser, S. 261ff.; ferner die Berichte aus der Landdrostei Osnabrück; StAOS, Rep. 335 Nr. 1802; außerdem Adelmann, S. 111ff.; Aden, S. 89, berichtet, daß bereits in den 1820er Jahren das Verlagssystem rückläufig gewesen sei. - Die Auswirkungen der Gemeinheitstellungen auf die soziale Lage der Häuslinge dürfte je nach Stand der Durchführung unterschiedlich gewesen sein; vgl. Wrase, S. 76f.; K. Reck. Fragmentarische Betrachtungen über Gemeinheitsteilungen im nördlichen Deutschland, vorzüglich im Königreich Hannover, Göttingen 1831, S. 36; Mittelhäusser. S. 260, 264. - Zur Auswanderung siehe J . Ostendorf, Zur Geschichte der Auswanderung aus dem alten Amte Damme 1830-1880, in: OLJ 46/47, 1942/43, S. 164-297; Zahlenangaben liegen in größerem Umfang erst für die Zeit nach 1830 vor. Vgl. auch R. Engelsing, Bremen als Auswandererhafen 1683-1880, Bremen 1961, S. 22f; auch über Rotterdam wanderten schon vor 1832 viele Menschen aus der Landdrostei Osnabrück aus; dazu K. Kiel, Gründe und Folgen der Auswanderung aus dem Osnabrücker Regierungsbezirk, insbesondere nach den Vereinigten Staaten, im Lichte der hannoverschen Auswanderungspolitik betrachtet. 1823-1866, in: M. d. Verf. f. Gesch. u. Landesk. v. Osnabrück 61, 1941, S. 85-176, hier S. 97.-In Bremen als bedeutendem Auswanderhafen konnte die Zusammenballung so vieler Menschen nicht ohne Reibungen bleiben. Den spektakulärsten Fall stellte die Erstürmung einer Ulanenwache im Hannoverschen durch 50 brasilianische Rekruten dar, die die Herausgabe eines vermeintlichen Deserteurs verlangten; StAHB, 2-C-12.e.; Engelsing, Bremen, S. 23. 18 Siehe S. P. Gans, Über die Verarmung der Städte und des Landmannes und den Verfall der städtischen Gewerbe im nördlichen Deutschland, besonders im Königreich Hannover, Braunschweig 1831. S 1 2ff.; Assnnwn, S. 70ff., 189. 19 AAZ Beil. Nr. 12, 1826; Nr. 172, 21. 6. 1826; Nr. 229, 16. 8. 1829. Ausführliche Angaben für Hamburg bei Gallois, Bd. 3, S. 60ff., bes. 237, 246, 261ff.; ferner zum Baugewerbe Aden. S. 91; Assnnwn, S. 20ff., 33,89;Jeschke, S. 419; ferner die Zahl der Wohnhäuser für Bremen bei Schaefer, S. 38. - Zumindest für Norddeutschland trifft die These von Borchardt, Industrielle Revolution, S. 42, nicht in vollem Umfang zu, daß von der agrarischen Überproduktionskrise sich die Krise auf die gesamte Wirtschaft ausgebreitet habe, intensiviert durch staatliche Deflationspolitik. 20 Zu den Sturmflutschäden und dem daraus resultierenden Finanzproblem siehe AAZ Beil. Nr. 143, 1825; Nr. 174, 23. 6. 1825; Beil. Nr. 144, 1826; Rüthning, S. 499ff. - Zum Bau Bremerhavens G. Bessel, Geschichte Bremerhavens, Bremerhaven 1927, S. 209. - Ein großer Teil der Gesamtsumme von 2,1 Mill. Talern konnte mühelos auf dem Kapitalmarkt beschafft werden, galt der Staat doch immer noch als zuverlässigster Schuldner, dem man Geld sogar bei in den 1820er Jahren sinkenden Zinssätzen langfristig zur Verfügung stellte. Rendite und Risiko schienen dem im großen Umfang vorhandenen und nach Anlage suchenden Kapital im Vergleich mit anderen Sektoren am erfolgversprechendsten. Siehe dazu AAZ Nr. 174,23. 6. 1825; Nr. 71, 12. 3. 1826; Beil. Nr. 144, 1826. - Allgemein dazu H. Winkel, Kapitalquellen und Kapitalverwendung am Vorabend des industriellen Aufschwungs in Deutschland, in: Sch.Jb. 1970, S. 275-301; ders., Höhe und Verwendung der im Rahmen der Grundlastcnablösung bei Standes- und Grundherren angefallenen Ablösungskapitalien, in: Fischer, Wirtschaftswachstum, S. 83-99; K. Borchardt, Zur Frage des Kapitalmangels in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts
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Anmerkungen zu Seite 47-50 in Deutschland, in: J N S 173, 1961, S. 402-421, hier S. 412ff.; E. Klein, Zur Frage der Industriefinanzierung im frühen 19. Jahrhundert, in: H. Kellenbenz (Hg.), Öffentliche Finanzen und privates Kapital im späten Mittelalter und in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1971, S. 118-128; J . Kahn, Geschichte des Zinsfußes in Deutschland seit 1815 und die Ursachen seiner Veränderung, Stuttgart 1884, S. 58. 21 In der Stadt Hannover sei der Tagelohn im Verhältnis zu den Lebensmittelpreisen sehr hoch, meldete die AAZ Beil. Nr. 12, 1826. - V g l . Assmann, S. 32ff., 53ff.; Saalfeld, Handwerkereinkommen; Abel, Massenarmut, S. 349; Kuczynski, Lage der Arbeiter, S. 241 ff. 22 Vgl. Assmann, S. 71; zum Preisverlauf in Hamburg siehe Gallois, Bd. 3, bes. S. 233f., 239, 241, 250ff.; ferner Zur Statistik des Königreichs Hannover, H. 6, Hannover 1858, wo die Getreidenormalpreise ab 1808 nach verschiedenen Preisbezirken aufgeführt sind, hier bes. S. 36ff.; Getreidepreise, S. 290; AAZ. Beil. Nr. 215, 232, 305, 1829; Nr. 34, 1830. 23 Gallois, Bd. 3, S. 258, 260; F. Rauers, Bremer Handeisgeschichte, Bremen 1913, S. 1, 10f., 35; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 59; Siemens, S. 851, verzeichnet für 1828/29 in Hamburg 257 »Fallissements«. - Zur Umschichtung der privaten Haushaltsausgaben siehe Assmann, S. 57ff. 24 Bartels, S. 24f., 30ff., wertet die zeitgenössische hannoversche Publizistik aus. Besonderes Aufsehen erregte die Schrift von Gülich, Zustand; vgl. auch die aufgeführten Titel bei Loewe und Ulrich. 25 Vgl. das Promemoria des Braunschweiger Kammerrats Weidner v. 15. 8. 1827; StAWF, 4 Alt 18 Bd. 2 4516 G 1 a; Gülich, Zustand, S. 65ff.; Gans, S. 40f.; Reck, S. 20f.; Stüve stellte 1829 in der Zweiten Kammer des Königreichs Hannover einen entsprechenden Antrag, der jedoch von der Ersten Kammer abgelehnt wurde; Bartels, S. 26f.; dazu auch L. Hoffmeyer, Chronik der Stadt Osnabrück, Osnabrück 1964 3 , S. 302.
Kapitel 2.2. 1 Dazu die ausführliche Darstellung von Böse, S. 23ff.; ferner A. Sieben, Die Stellung Österreichs zu den braunschweigisch-hannoverschen Angelegenheiten 1820-1830, Diss. Wien 1924. 2 Vgl. Böse, S. 41ff. 3 Dazu Plöhn; T. Müller, S. 113, 129f; Böse, S. 56f.; H. Schröder u. W. Assmann, Die Stadt Braunschweig. Ein historisch-topographisches Handbuch für Einheimische und Fremde, Braunschweig 1841, S. 152ff. - Zum Vereinswesen L. Hänselmann, Das erste Jahrhundert des Großen Clubs in Braunschweig, Braunschweig 1880, bes. S. 18ff.; vgl. auch K. Steinacker, Revolutionsgespräche im Jahre 1789 am Braunschweigischen Hofe, in: BSJ 1929, S. 144-155, hier S. 145f. - Allgemein dazu T. Nipperdey, Verein als soziale Struktur in Deutschland im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Geschichtswissenschaft und Vereinswesen im 19. Jahrhundert, Göttingen 1972, S. 1-44. - Das Problem der politischen Elite behandeln Τ. Β. Bottomore, Elite und Gesellschaft. Eine Übersicht über die Entwicklung des Eliteproblems, München 1966, bes. S. 15; auch L. W. Pye, Identity and the Political Culture, in: Binder, Crises and Sequences, S. 101-134. 4 Karl machte den Geheimrat für die Verzögerung seines Regierungsantritts verantwortlich; Denkwürdigkeiten des Herzogs Carl von Braunschweig, Bd. 1, Kassel 1844, S. 109ff., und die Quellenstücke in ebd., Bd. 2, Kassel 1844, S. 94ff., womit der Herzog den Eindruck einer gewichtigen innerbraunschweigischen Opposition gegen Schmidt-Phiseldeck zu erwecken suchte. Dieser Darstellung schloß sich Böse, S. 41f., 47ff., an; sehr phantasiereich K. Braun, Der Diamantenherzog, Berlin 1881, S. 44ff.; zuverlässig T. Müller, S. 100, 105f.; und Ilse, S. 23f. - Z u r preußischen Haltung DZM, 2.2.1. Nr. 13 119. 5 Zu den Mitgliedern gehörte ein ehemaliger Hildesheimer Lehrer namens Klindworth. der
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Anmerkungen zu Seite 50-51 sich zuvor vergeblich beim dortigen Bischof angebiedert hatte, und der politische Abenteurer Witt, genannt v. Döring, der im Verdacht stand, als Agent Metternichs 1817-1819 Kontakt zu Karl Folien unterhalten zu haben; vgl. Braun, S. 59ff.; T. Müller, S. 105ff.; J . Kühn, Die Verschwörung der Gräfin Görtz-Wrisberg zur Wiedereinsetzung Herzogs Karl II., in: BSJ 47, 1966, S. 158-190, hier S. 165. 6 Zu den Interventionshoffnungen siehe beispielsweise einen Brief von Frau v. Haeckel, geb. v. Schulenberg, an Frau v. Sierstorpff, 10. 2. 1830: Am Einschreiten »einer höheren Macht« fange sie an zu zweifeln, denn »eine Krähe hackt der anderen die Augen nicht aus; und die Willkür zu beschränken, das wollen sie alle nicht«; StAWF, 242 Ν 1117. - Bereits im Oktober 1828 sah man den Moment der Besetzung gekommen, als sich ein hannoversches Infanterieregiment den Durchzug durch das Amt Thedinghausen gegen den Protest der braun schweigischen Behörden erzwang; vgl. AAZ Nr. 302, 28. 10.; Nr. 306, 1. 11. 1828; dazu auch H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 3, Leipzig 1885, S. 564; ausführlich und quellenreich Ilse, S. 28ff.; Sieben, S. 50, 89ff.; Böse benutzt Briefstellen als Beleg für Revolutionsvorbereitungen, doch ist eine solche Interpretation allein schon deshalb nicht schlüssig, weil alle Briefe aus der Zeit der schwebenden Bundesexekution stammten; ab Frühjahr 1830 finden sich keine entsprechenden Belegstellen mehr. 7 Der Kontakt zum Herzog bestand bald nur noch über tabellarische Aufstellungen der anstehenden Geschäfte; Bericht des Staatsministeriums an Herzog Wilhelm, 9. 10. 1830; StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 407; dazu Bülow, Rückblicke, S. 169, 177; T. Müller, S. 106f.; siehe ferner die Stimmungsberichte von v. Mayerns an Karls Flügeladjudanten; DZM, 2.4.1. Nr. 8161. 8 Hieraus schlossen die Stände eine faktische Anerkennung der Landschaftsordnung; zu diesen Vorgängen StAWF, 23 Neu Fb. 1 17. 9 StAWF, 23 Neu Fb. 1 16; T. Müller, S. 108. - Das Konvokationsrecht stellte eine Ausnahme für ständische Verfassungen der Zeit dar; K. F. Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, Berlin 1966, S. 31 Anm. 56. - Manche Stimmen in der Öffentlichkeit verdächtigten die Stände des »Demagogismus«, dabei wolle man doch »nichts Neues, nichts Volkstümliches, wie man es nennt und unter diesem Namen verdächtigt macht«; einzig die Erhaltung der Verfassung von 1823 sei das Ziel. AAZ Beil. Nr. 185, 1829. 10 Über ein vorbereitendes Zusammentreffen mit dem Herzog berichtet Strombeck, Mitteilungen, H. 2, 204-220; wobei Karl bereit gewesen sei, »den Ständen selbst solche billigen Wünsche zu gewähren, die vielleicht von der vorherigen Regierung abgeschlagen wären«. - Bei der Jahreszahl fiel offensichtlich ein Druckfehler vor; aus dem Zusammenhang ergibt sich eindeutig 1828. Das falsche Datum übernimmt Böse, S. 99. Vgl. auch die Darstellung Karls in: Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 169f. 11 Rhamm, S. 30f.; Böse, S. 99f.; T. Müller, S. 108. 12 Ihre Klagen formulierten sie in der Schrift »An eine hohe Versammlung des durchlauchtigsten Deutschen Bundes«, Leipzig 1829. Ausführlich Ilse, S. 265ff.; T. Müller, S. 108 f.; auch Rhamm, S. 31ff.; sowie die Berichte des Ständevertreters in Frankfurt, v. Cramm, an v. Veitheim über den Stand der Angelegenheiten; StAWF, 242 Ν 347. - Böse, S. 96ff., der der Ritterschaft Angst vor dem Verlust ihrer politischen Stellung durch angebliche »Demokratisierungspläne« Karls unterstellt, dessen mögliche vage Äußerungen jedoch lediglich dem Zeitgewinn dienten; vgl. Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 1 6 9 . - Z u r Legitimitätskrise allgemein L. W. Pye, The Legitimacy Crisie, in: Binder, Crises and Sequences, S. 135-158; Verba, Entwicklungskrisen; Rokkan; diese Politik Karls trug durchaus Merkmale des politischen Verfalls, wie ihn allgemein J. R. Gillis, Political Decay and the European Revolutions, 1789-1848, in: WP 22, 1969, S. 344-370, beschreibt. 13 Böse, S. 77ff.; T. Müller, S. 109f. - Viel Aufsehen soll die Verhaftung eines Zeitungsredakteurs im Theater wegen Übertretung des Zensuredikts im Januar 1830 erregt haben; AAZ
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Anmerkungen zu Seite 51-53 Nr. 33, 2. 2. 1830; G. Bruns, Die Rechtssache des der verletzten Ehrerbietung gegen Sr. Durchlaucht den Herzog Carl zu Braunschweig-Lüneburg beschuldigten Freiherrn v. Sierstorpff, Braunschweig 1830; R. Heinemann, Studien zum braunschweigischen Gerichtswesen im 19. Jahrhundert. Das Obergericht des Herzogs Karl II., in: BSJ 50, 1969, S. 121-127; ferner StAWF, 242 Ν 346; ferner ebd., 23 Neu Fb. 1 17. Vgl. auch Rhamm, S. 32. 14 Das Landgericht Wolfenbüttel entschied in der Sierstorpff sehen Angelegenheit für eine Rückkehr des vom Herzog Verbannten. Karl ließ das Urteil kassieren und richtete, um weitere derartige »Pannen« zu vermeiden, ein besonderes Obergericht ein. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6197; ebd., 12 Α Neu Fb. 5 407; Heinemann. 15 Vgl. StAWF, 242 Ν 823; ebd., 12 Α Neu Fb. 5 407; T. Müller, S. 110f. 16 Solche Briefe im Nachlaß v. Veitheims; StAWF, 242 N. 17 StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6197; ebd., 4 Alt 18 Bd. 2 4419 A 7 b; ebd., 12 Α Neu Fb. 5 407; AAZNr. 118, 28. 4. 1830. 18 StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 5653; ferner die »Niederschrift des Kammerassessors v. Thielau über die Staatsverwaltung des Herzogtums Braunschweig unter Herzog Karl II. unter Schilderung der einzelnen Verwaltungszweige«; ebd., 259 Ν 31; vgl. auch ebd., 39 Neu 15 13. 19 Hierzu und zum ähnlich strukturierten Weserdistrikt die »Skizze des Zustandes« durch v. Thielau vom April 1830; StAWF, 23 Neu Fb. 1 18; ebd., 12 Α Neu Fb. 5 407; Promemoria der Berg- und Hüttendirektion, 14. 9. 1830; ebd., 50 Neu Fb. 11 7874; auch AAZ Nr. 118, 28. 4. 1830; sowie die »Verhandlungen der Landesversammlung Braunschweig«, 1. ord. Ltg., »Bericht der zur Revision der Landes-Steuer-Rechnung erwählten Ausschuß-Commissione, S. 176ff.; No. XLIII, S. 596; Anlage zu No. LIII, S. 20. 20 Karl habe der »inneren Zirkulation« viel Geld entzogen, klagte das Staatsministenum; StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 407; ebd., HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2. - Vgl. T. Müller. S. 107f.; Böse, S. 84ff.; Reden, Finanzstatististik, S. 967f. 21 StAWF,34NFb. 1 Nr. XI 104; ebd., 12 Α Neu Fb. 5 5653; die Kammer bemühte sich um einen Überblick über den Ernteausfall. - Siehe die Lagebeurteilung durch das Mitglied des Staatsministeriums, Bülow, Rückblicke, S. 197; K. Steinacker, Die Erwerbsverhältnisse des Braunschweigischen Weserdistrikts, in: BSM 21, 1833, S. 161-165; Τ. Müller, S. 114ff.-Böse, S. 113f., wertet die Angaben lediglich als Propaganda der Verschwörer. 22 Treitschke, Bd. 3, S. 566. - Er wurde der Giftmischerei verdächtigt; der Herzog sollte ferner der Religion seiner Väter abgeschworen haben, offensichtlich ein Hinweis auf die Anlehnung ans katholische Österreich, u. a. mehr. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 5653; Eine Stimme aus dem Volke über den Aufstand in Braunschweig im Jahre 1830. Magdeburg 1843, S. 10f.; S. Kokosky, Herzog Karl und die Geschichte des Aufstandes und Schloßbrandes zu Braunschweig 1830, Braunschweig 1830, S. 26ff.; G. Koch, Der Aufstand der Braunschweiger am 6. und 7. September, seine Veranlassung und seine Folgen, Braunschweig 1830, S. 19, 25ff.; Böse, S. 109f. 23 Zu diesem Problemkreis allgemein Gurr, Rebellion, S. 112, 362 f.; Smelser, S. 39, 94ff., 110ff., 224ff. 24 Siehe dazu die wöchentlichen Notierungen der Marktpreise in den ›Braunschweigischen Anzeigern. 25 StAWF, HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2; HS VI 9 Nr. 68; T. Müller, S. 115f.; Koch, S. 27ff.-Die assoziativen Wirkungen solcher Maßnahmen analysiert allgemein Galtung, S. 157ff. 26 AAZ Beil. Nr. 129, 1830; Nr. 260, 17. 9.; Nr. 265, 22. 9. 1830; Stimme aus dem Volke, S. 41; Böse, S. 117f., sah darin ein förmliches Attentat. 27 Dabei wurden als Forderungen Brot, Arbeit und Steuererleichterungen laut. - StAWF, HS VI 7 Nr. 29; HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2; 34 Ν Fb. 1 Nr. XXI 6; ferner StAHB, 2 - D - 20. b.2.a. 28 StAWF, 34 Ν Fb. 1 Nr. XXI 6; angesichts dieser Maßnahmen rechneten Beobachter nicht mit erneuten Tumulten; StAHB, 2 - D -20.b.2.a. 29 Dies wurde der Bevölkerung sofort bekanntgemacht; StAWF, 34 Ν Fb. 1 Nr. XXI6; HS
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Anmerkungen zu Seite 53-54 VI 7 Nr. 29; HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2; gegenüber dem Justizrat Fricke kündigte der Herzog 20000 Taler zur Linderung der Not in der Stadt an der Erhaltung der Ruhe; J . G. Fricke, Mein Staatsdienst. Beitrag zur Regierungsgeschichte Sr. Durchlaucht des Herzogs Carl von Braunschweig-Lüneburg, Hamburg 1831, S. 29. 30 Gefeiert wurde von der Bevölkerung der Branntweinbrenner Götte als Braunschweiger »La Fayette«, der bis zum Herzog vorgedrungen war und dort energisch seine Forderungen vorgetragen hatte; seine Tat bejubelte das populäre Gedicht »Das Bürgerlied«; zit. in: Sammelband betreffend Herzog Karl IL und die Revolution von 1830, Stadtbibliothek Braunschweig.; siehe auch StAWF, HS VI 9 Nr. 68. 31 Die verschiedenen Zahlenangaben schwanken zwischen 500 und »einigen Tausend«; Koch, S. 37; E. Frhr. v. Bursian, Der Aufstand in der Stadt Braunschweig am 6. und 7. September 1830 und der bevorstehende Anfall des Herzogtums Braunschweig an Hannover, Leipzig 1858, S. 113; Böse, S. 122. 32 Verschiedentlich wurde von Gegenwehr des Militärs berichtet, ohne daß sich daraus jedoch ein einheitliches Bild gewinnen ließe. In der offiziösen Darstellung wurde jeder militärische Einsatz verneint. Angaben aus dem Armenkrankenhaus bestätigen allerdings auch nach Art der Verletzungen schwere Zusammenstöße. Die »Beilage zum 86. Stück der Braunschweigischen Anzeigen«, 1830, S. 14, verzeichnete unter den Kirchennachrichten ebenfalls Opfer; zit. in: Sammelband; siehe dazu auch O. V. Corvin-Wiershitzki, Herzog Karl und die Revolution von Braunschweig. Aus den Papieren eines verstorbenen Staatsmannes. Ein Beitrag zur Geschichte des Jahres 1830, Jena 1843, S. 118f.; zuletzt J . Moderhack, Heinrich Werner, der Komponist von Goethes »Heidenröslein«, als Augenzeuge der Braunschweiger Revolution von 1830. in: Der Freundeskreis 80, 1978, S. 2-5. StAWF, HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2. - Vgl. auch AAZ Beil. Nr. 129, 1830; Nr. 260, 17. 9.; Nr. 268, 25. 9.; Nr. 270, 27. 9. 1830. - Die entscheidende Bedeutung der Repressionsbereitschaft für den Verlauf von Revolutionen heben u. a. C. Tilly, Revolutions, S. 532; und Johnson, S. 11, 118 ff., hervor. 33 Nach Bodes Angaben sollen sich an diesem Tage 750 Gardisten für den Schutz öffentlicher Gebäude in der Stadt eingesetzt haben; auch in den Selbstdarstellungen gestand man ein, daß in der Volksmenge keine Repressionswirkung entfaltet wurde. Die Anwesenheit der Garde diente vielmehr als Argument für die Passivität des Militärs, das kein Bürgerblut vergießen wollte. StAWF, HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2; 12 Α Neu Fb. 5 5653; HS VI 7 Nr. 29; StAHB, 2 - D 20. b. 2.a. - Vgl. AAZ Nr. 265, 22. 9. 1830, die in insgesamt 17 Nummern bis zum 7. 10. 1830 über die Unruhen berichtete. - T. Müller, S. 119, irrte im Datum, seine Angaben bezogen sich zweifellos auf den 8. 9. 1830. 34 Als Adjudanten dienten ihm der Verleger und spätere Herausgeber der liberalen Deutschen Nationalzeitung, E. Vieweg, und der Kammerassessor H. v. Münchhausen. Vgl. die Bekanntmachung des Stadtmagistrats v. 8. 9. 1830; StAWF, HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2; Koch, S. 46; H. Henniges u. H. Voges, Chronik der Familie Löbbecke, Braunschweig 1911, S. 180f. - Die Garde erhielt 2000 Gewehre, 12 Pistolen, 285 Säbel und 360 Piken; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 B11 IL 35 So die Bekanntmachung des Stadtmagistrats und des Generals v. Herzberg, 8. 9.1830; StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 5653; vgl. HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2; HS VI 9 Nr. 68. 36 Allgemeine Zeitung und Anzeigen Nr. 110, 12. 9. 1830; vgl. StAWF, HS VI 9 Nr. 68; Moderhack, Werner, S. 4. 37 Einzelne Aktionen ließen sich nicht zuverlässig klären; vgl. StAWF, HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2; verschiedene, z. Τ. widersprüchliche Augenzeugenberichte in HStAH, Hann. Des. 92 XXII III 6. 38 So Bode, StAWF, HS VI 9 Nr. 68. 39 Dazu Armenkrankenhaus und Kirchennachrichten, zit. in: Sammelband. 40 Ausgehend von den Einlieferungszeiten lassen sich zwei Schwerpunkte als mögliche Indizien für außergewöhnliche Ereignisse erkennen: am 8. 9. wurden zwischen 18 und 24 Uhr
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Anmerkungen zu Seite 55-57 38 Verhaftungen durchgeführt; am 9. 9. waren es zwischen 6 und 12 Uhr 40 Arretierungen, die u. U. mit einem vom hannoverschen Regierungsrat Heinichen berichteten Tumult in Zusammenhang stehen konnten; StAWF, 38 Α Neu Gr. 2 Fb. 1 Abt. III 38 Vol. 1; HStAH, Hann. Des. 92 XXXII III 6. 41 Dieser Beschluß wurde auf nachdrücklichen Wunsch Herzog Wilhelms gefaßt; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II B4. 42 In seinem vorläufigen Abschlußbericht betonte das Kreisgericht, daß die Notizen der Polizeidiener für eine Untersuchung gegen Personen, die im Besitz von Gegenständen aus dem Schloß seien, nicht ausreichten; von ihr wären andernfalls ca. 220 Personen betroffen gewesen. Umfangreiche Verhörprotokolle in StAWF 38 Α Neu Gr. 2 Fb. 1 Abt. III 38 Vol. I; ferner siehe 12 Α Neu Fb. 5 5653, sowie HStAH, Hann. 74 Liebenburg IV 192. 43 StAWF, 38 Α Neu Gr. 2 Fb. 1 Abt. III 38 Vol. I. 44 Diese Schichten waren dem Kleinbürgertum zuzurechnen; zu dessen Bedeutung allgemein A. J . Mayer, The Lower Middle Class as Historical Problem, in: JMH 47, 1975, S. 409-436, bes. S. 418; sie dominierten bei gleichzeitigen Unruhen in Frankreich; Pilbeam, S. 288f.; ferner A. Leppert-Fögen, Die deklassierte Klasse. Studien zur Geschichte der Ideologie des Kleinbürgertums, Frankfurt 1974, S. 10. 45 Vgl. Armenkrankenhaus und Kirchennachrichten, zit. in: Sammelband; unter Hinweis auf Bode und Herzberg berichtete ein hannoverscher Kaufmann, daß die Menge des 7. September aus diesem Stadtteil gekommen sei; HStAH, Hann. Des. 92 XXXII III 6. 46 Nur wenige Verhaftete ließen sich im »Adreßbuch der Stadt Braunschweig 1830« nachweisen, dessen Auswahlkriterien allerdings nicht eindeutig waren; gleiches galt für die Opfer. Siehe dazu auch W. Meibeyer, Die Verteilung der Sozialklassen in der Stadt Braunschweig 1758, Braunschweig 1967. 47 Die Soldaten entstammten denselben Schichten, die vor dem Schloß ihren Unmut äußerten; erst am 5. 9. einberufen, waren sie selbst von der Mißstimmung ergriffen. Offiziere waren durch ungerechte Besoldung und ausgebliebene Beförderungen brüskiert worden: StAWF, 23 Neu Fb. 1 18; 39 Neu 15 13; HStAH, Hann. Des. 92 XXXII III 6; Koch, S. 14, 28; . Kokoski, S. 23. - Zur Verbesserung der Zustände nach den Ereignissen StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 5095. 48 So J. R. Mucke, Die politischen Bewegungen in Deutschland 1830-35 mit ihren politi schen und staatsrechtlichen Folgen, Bd. 1, Leipzig 1875, S. 3; Corvin-Wiersbitzki, S. 99, 122ff.; selbstverständlich auch die Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 151 f.; G. G. Gewinns, Geschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. 8, Leipzig 1866, S. 685 f., der völlig unkritisch die antihannoversche Haltung von Bursian, S. 97f., übernahm; den Höhepunkt von Versuchen, Karl in günstiges Licht und als Opfer einer planvollen Verschwörung hinzustellen, bildet Böse. 49 Vor allem Koch, S. 46. 50 StAWF, 34 Ν Fb. 1 Nr. XXI 6; HS VI 9 Nr. 68. Dazu wurde auch mit der Verlegung des Regierungssitzes nach Blankenburg gedroht. 51 Am 10. 9. wurde sogar eines seiner Mitglieder, der allseits unbeliebte Bosse, von der Bürgergarde außer Landes geschafft. Andere Mitglieder mußten sich zum Schutz vor Übergriffen aufs Stadthaus begeben, was die tatsächlichen Machtverhältnisse verdeutlichte. Vgl. T. Müller, S. 119f.; Böse, S. 133f.; Berichte in HStAH, Hann. Des. 92 XXXII III 6. - Zur Frage einer möglichen Anklage gegen ehemalige Staatsministeriumsmitglieder StAWF, 259 Ν 29. 52 Zum Problem der Folgeunruhen allgemein Sorokin, S. 394; am Beispiel der Französischen Revolution 1830 J . Rule u. C. Tilly, 1830 and the Unnatural History of Revolution, in: J . of Social Issues 28, 1967, S. 49-76, bes. S. 59, 62ff.; C. Tilly, Revolutions, S. 535ff. 53 So der mit den Geschäften eines Oberhauptmanns beauftragte Koch; StAWF, 12 Α Neu Fb. 4 C 143. 54 StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 15. 55 StAWF, 12 Α Neu Fb. 4 C 143. - In Kissenbrück widersetzte sich die Bevölkerung gegen
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Anmerkungen zu Seite 58-62 den Ortsvorsteher, der mit Hilfe des Pfarrers und zweier Landdragoner eine verarmte Bauern familie ins Witwenhaus einweisen wollte; ebd., 12 Α Neu Fb. 5 6171. - Aus allen Landesteilen trafen Berichte über die destabilisierende Wirkung der Braunschweiger Ereignisse ein; ebd., 12 Α Neu Fb. 2 II Β 5; 12 Α Neu Fb. 2 II Β 10; 12 Α Neu Fb. 4 C 143; 124 Ε 113; dazu auch das Landgericht; 12 Α Neu Fb. 5 3711. 56 StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 4 und 13; K. Rose, Die Schöninger Bürgergarde im Jahre 1830/31, in: Braunschweigische Heimat, 1933, S. 155-159. - Am 18. 9. warf eine Menge in Schöningen dem Apotheker die Fenster ein, weil jener gesagt haben soll, 200 aus dem »Pöbel« müßten an der Cholera sterben, dann »würde es erst wieder gut«! Die Bürgergarde verhaftete 2 Tagelöhner; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 4. StdtA Königslutter, Η I 1, VI 5, St. VI 1. 57 StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 13; 124 C Neu 3890; AAZ Beil. Nr. 300, 1830; Helmstädter Zeitung Nr. 71, 11. 9. 1830. 58 StAWF, 12 Α Neu Fb. 4 C 143. 59 Ebd., 124 Ε Neu 113. 60 Ebd., 126 Neu 2835. 61 Wie die Bürgergardenoffiziere später erklärten, sollte der Akziseeinnehmer seine Aufgaben »nicht mit so großer Strenge versehen«; auch müßten die Landdragoner versetzt werden. Die Gemeinde habe mit dem Angriff auf den Ortsvorsteher ihrem Wunsch Nachdruck verleihen wollen, selbst einen anderen zu wählen. Ebd., 12 Α Neu Fb. 2 II Β 14. 62 Ebd., 12 Α Neu Fb. 2 II Β 4; dazu Annalen Nr. 58, 29. 7. 1831; T. Müller, S. 130f. 63 StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 3. 64 Sic forderte als Sofortmaßnahme 1000 Taler zur Arbeitsbeschaffung; ebd., ferner 50 Neu Fb. 11 7874; 12 Α Neu Fb. 2 II Β 10. Vgl. auch 129 Neu 8 4; Reden, Königreich Hannover, S. 288. 65 Der Steiger Thielkuhl hatte zwei Jahre zuvor einem Bergmann für bestimmte Arbeiten zu seinem normalen Tageslohn für jeden Arbeitstag einen Schnaps versprochen, was er nicht eingehalten hatte. - Zu den persönlichen Hintergründen vgl. StAWF, 60 Neu Gr. 2 71, 77. 66 Unter dem Herzog Carl Wilhelm Ferdinand (1735-1806) hätte es derartige Einrichtungen nicht gegeben. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 3. 67 Eichholz hatte einige Jahre zuvor in Hohegeiß eine unter großer Beteiligung der Bevölkerung untersuchte Kupfermine für nicht ausbeutungswürdig erklärt und dadurch alle Hoffnungen auf zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten zerstört; C. W. Eichholz, Nachricht über die Kupfergrube Elisabeth bei Hohegeiß, in: BSM 1826, 33, S. 453-458; 34, S. 470-474. - Siehe zu den Vorfällen, über die Herzog Wilhelm sofort untertreibend nach Berlin berichtete, StAWF, 12 A Neu Fb. 2 II Β 3; DZM, 2.4.1. Nr. 8161; sowie Helmstädter Zeitung Nr. 88, 10. 11. 1830; Annalen Nr. 9, 6. 11.; Nr. 11, 13. 11. 1830. 68 Offensichtlich spielten auch Verwandschaftsbeziehungen eine Rolle: 7mal war der Name Bischoff, 3mal Mast vertreten. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 3. 69 Dabei bezogen sie sich auf eine angebliche Regulation von 1810 und die altbraunschweigi sche Verfassung, wie sie sagten. Zum hannoverschen Beispiel vgl. J. F. L. Hausmann, Über den gegenwärtigen Zustand und die Wichtigkeit des Hannoverschen Harzes, Göttingen 1832, S. 80f., sowie die Anlage II. - Von Zorge aus pflanzte sich die Unruhe nach Wieda fort, w o am 7. 11. 1830 unter Führung eines Nagelschmiedemeisters und den Söhnen des Orts Vorstehers der Steuereinnehmer unter einer »Fenster-Musik« zur Niederlegung seines Amtes aufgefordert wurde. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 3; Η. Voges, Das Schützenfest in Wieda und Zorge, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der braunschweigischen Revolution von 1830, in: BSM 5, 1930, S. 65-70, hier S. 67. 70 Je einmal erging eine Zwangsarbeitsstrafe von 2 bzw. 6 Monaten; 3 Personen erhielten 6, 9 andere 4 Wochen Zwangsarbeit. Von den 5 angeklagten Frauen erhielten 2 8 Tage Gefängnis; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 3. - Bald wurde auch Eichholz versetzt; ebd., 60 Neu Gr. 2 77. 71 Dabei war auch der Zeitungsredakteur v. Vechelde, der den Gardisten sagte, das Vorge-
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Anmerkungen zu Seite 63-67 hen gegen Bäcker sei richtig, weil sie die ärmere Klasse betrögen; Bericht ans Preuß. Außenmin., Brschw. 8. 1. 1831; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr, 8 Bd. 1. - Ein dritter Auflauf wurde auf dem Steinweg zerstreut, wo in einem Gasthaus ein Maurergeselle »aufrührerische Reden« hielt. 72 Die Abrißarbeiten am Schloß wurden bis zum Monatsende beendigt; bis dahin sollten 500 Arbeiter entlassen werden, wozu die notwendigen Sicherheitsmaßregeln vorsorglich getroffen wurden. - StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 4; 133 Neu 1262. 73 Sie fanden weder in städtischen Gewerben noch in der Landwirtschaft Arbeit; zur sozialen Situation vgl. StAWF, 34 Ν Fb. 1 Nr, XI 105; zur Handwerksstruktur und ihren Veränderungen K. Assmann u. G. Stavenhagen, Handwerkereinkommen am Vorabend der industriellen Revolution. Materialien aus dem Raum Braunschweig-Wolfenbüttel, Göttingen 1969. 74 Die aufgeteilten Arbeiten sollten dann im Akkord geleistet werden, »damit auch für das gnädigst bewilligte Geld das Nötige geleistet werde«; es komme darauf an, »daß diese rohen Menschen die Wohltat, welche die Hohe Landesregierung durch Bewilligung bedeutender Summen zum Arbeitsverdienste ihnen erwiesen sowie die fortwährende Fürsorge der Stadtbehördc für ihr Bestes so ganz verkennen, sich in die Anordnungen ihrer vorgesetzten Obrigkeit fügen und durch Trotz und Widersetzlichkeit ihren Willen nicht erreichen . . .«; das war die Motvation des Magistrats. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 407; 12 Α Neu Fb. 2 II Β 15; 34 Ν Fb. 1 Nr. XXI 5; 127 Neu 1820. 75 Zum Leinenabsatz vgl. ebd., 130 Neu Fb. 1 238. 76 Ebd., 12 Α Neu Fb. 2 II Β 6. 77 Bemerkenswerterweise artikulierte sich in den Beschwerden auch gewisser Antisemitis mus: Der Bürgermeister nehme jüdische Handlungen in Schutz und fordere sie. 78 StAWF, 130 Neu Fb. 1 49. 79 Ebd., 202 Ν 276. 80 Der Armenvogt hatte als Preuße gegenüber einheimischen Bewerbern den Vorzug erhalten. - Ebd., 130 Neu Fb. 1 16, 49; 12 Α Neu Fb. 2 II Β 6; vgl. auch Annalen Nr. 63, 16. 8. 1831. 81 StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 6; der Oberhauptmann hielt die Straßenpolizeiordnung mit ihren umfangreichen Reglementierungen für das nächste Protestmotiv; vgl. ebd., 130 Neu Fb. 1 100. - Die beträchtlichen Stationierungskosten übernahm schließlich die Landeskasse; ebd., 12 Α Neu Fb. 2 II Β 6 und 7. 82 Als die Stadtdeputierten für die Besetzung des vakanten Bürgermeisterpostens Unterschriften sammelten, intervenierte der Advokat Steinacker als Führer der Opposition bei der Behörde: Die Bürger hätten doch am Beispiel des Armenvogts »auf so unzweideutige Weise« ihre Meinung gegen eine Auswahl durch die Stadtdeputierten bekundet. - Er betrieb auch energisch die Wiedererrichtung der Bürgergarde. 83 Ebd., 12 Α Neu Fb. 2 II Β 6 und 14; 130 Neu Fb. 1 524. 84 Zur Städteordnung siehe die Verhandlungen des 1. ordentlichen Landtages des Herzogtums Braunschweig, S. 298ff.; Nr. XXXIf.; StAWF, 23 Neu Fb. 1 1362. - T . Müller, S. 149; nicht immer korrekt Rothschild, Die Kommunalverfassung der städtischen und ländlichen Gemeinden des Herzogtums Braunschweig, Braunschweig 1844. 85 Vgl. Verh. 1. o. Ldtg., No. XX; StAWF, 23 Neu Fb. 1 18; 12 Α Neu Fb. 5 407; Braunschweigische Anzeigen Nr, 70, 8. 9. 1830. 86 F. K. v. Strombeck, Was ist Rechtens, wenn die oberste Staatsgewalt dem Zwecke des Staatsverbandes entgegenhandelt, Braunschweig 1830; diese Schrift erlebte von November 1830 bis Anfang 1831 drei Auflagen. Zur Kritik Κ. Η. Jürgens, Über die Notwendigkeit durchgreifender Reformen bei der gegenwärtigen Lage Deutschlands. Mit einleitenden Bemerkungen über die von Herrn v. Strombeck vor kurzem abgehandelte Frage; Was ist Rechtens . . .? Braunschweig 1831, S. 9ff. Ferner F. Murhard, Über Widerstand, Empörung und Zwangsübung der Staatsbürger gegen die bestehende Staatsgewalt in sittlicher und rechtlicher Beziehung, Braunschweig 1832, S. 385ff.; Betrachtungen über den Aufstand der Braun310 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Anmerkungen zu Seite 67-69 Schweiger und den gewünschten endlichen Regierungsantritt Sr. Durchlaucht des Herzogs Wilhelm v. Braunschweig-Oels aus dem Standpunkte des Naturrechts, des positiven Rechts und der Politik, Braunschweig 1830. - Vgl. auch Dahlmanns Position der vorsichtigen Verteidigung Karls; H. Christern, Friedrich Christoph Dahlmanns politische Entwicklung bis 1848. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Liberalismus, Leipzig 1921, S. 230ff.; außerdem M . Köhler, Die Lehre vom Widerstandsrecht in der deutschen konstitutionellen Staatsrechtstheorie der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1973, bes. S. 86ff. 87 Offener Brief eines Braunschweiger Bürgergardisten . . ., Braunschweig 1830; Zweiter Briefeines Braunschweiger Bürgergardisten an das Braunschweigische Volk . . ., Braunschweig 1830; der Verfasser soll ein gewisser Ernst Grosse gewesen sein, über den jedoch keine weitere Information vorliegt; vgl. StAWF, 133 Neu 1801. - Diese Schriften finden bei V. Eichstädt, Die deutsche Publizistik 1830. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der konstitutionellen und nationalen Tendenzen, Berlin 1933, S. 64ff., keine Berücksichtigung. 88 K. Steinacker, Wünsche der Braunschweiger zur Beherzigung bei den bevorstehenden landschaftlichen Verhandlungen, H. 1: Über Verbesserung der Volksvertretung, Braunschweig 1831, bes. S. 10; K. H. Jürgens, Bemerkungen durch den den Ständen des Herzogtums Braunschweig im Oktober 1831 vorgelegten Entwurf. . ., Braunschweig 1831, der sich am süddeutschen Liberalismus orientierte; dem späteren Entwurf sehr nahe kam A. de Dobbeler, Über geschichtliche Entstehung, Charakter und zeitgemäße Fortbildung der landständischen Verfassung des Herzogtums Braunschweig und des Fürstentums Blankenburg, Braunschweig 1831. 89 Bülow, Landschaftsordnung; Strombeck, Mitteilungen. 90 A. C. E. v. Grone, Widerlegung der von Herrn K. Steinacker unter dem Titel «Wünsche . . .« erschienenen Schrift, Wolfenbüttel 1831; im gleichen Sinne eine Zuschrift »Aus dem Harz Distrikt« an die »Allgemeine Zeitung und Anzeigen‹ Nr. 124, 15. 10. 1830. 91 Im Herbst 1830 formierten sich in mindestens 19 Orten Bürgergarden, die untereinander eine informelle Organisation mit dem Zentrum in der Hauptstadt ausbildeten. Dies zeigte sich bei der Eidesleistung auf Wilhelm, den Abwehrvorbereitungen gegen Karl und dem Organisationsstatut; dazu StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 11 I und II, 12 und 15; 34 Ν Fb. 1 XXI 7; 126 Neu 2835, 2836; zu einzelnen Orten siehe 12 Α Neu Fb. 2 II Β 9; 129 Neu 15 2 und 7; 130 Neu Fb. 1 522 und 523; 133 Neu 2196; 124 C Neu 3891; ferner StdtABS, D IIIIV 1 Nr. 3 Vol. I und Nr. 23. 92 StAWF, 130 Neu Fb. 1 49. 93 StAWF, 23 Neu Fb. 1 1 8 ; 1 2 A N e u Fb. 5 404; am 20. 9. 1830 ernannte ihn Karl »während unserer diesmaligen Abwesenheit . . . laut besonderer Vollmacht zum General Gouverneur«. 94 StAWF, HS IV 9 Nr. 68; HStAH, Hann. Des. 92 XXXII III 6; die Preußische Regierung fand sich schnell mit der zeitweise faktischen Entmachtung des Staatsministeriums ab; dazu ein Brief Omptedas an Bernstorff, 14. 9. 1830; DZM, 2.4.1. Nr. 8161. 95 StAWF, HS IV 9 Nr. 68; bezeichnend war die Form der Bekanntmachung der Regierungsumbildung: nicht Herzog Wilhelm, dessen Herrschaft noch keine sichere rechtliche Grundlage besaß, sondern der Stadtmagistrat erließ am 13. 9. eine entsprechende Proklamation. 96 Zu den landschaftlichen Aktivitäten StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 407; Fb. 2 II Β 15; 23 Neu Fb. 1 18; HStAH, Hann. Des. 92 XXXII III 6. - Als Symbol aller Willkür galt ein beim Brand aufgefundenes sog. »Schwarzes Buch«, in dem Karl Angaben über eine Geheimpolizei und Pläne zur Ausschaltung und Verunglimpfung unliebsamer Beamter niedergeschrieben hatte; die tatsächliche Substanz entsprach allerdings kaum der publizistischen Wirkung; ebd., HS VI 9 Nr. 61 Bd. 2; Sammelband; Treitschke, Bd. 3, S. 565f.; Allgemeine Zeitung und Anzeigen Nr, 115, 24. 9. 1830. 97 Dazu StAWF, 23 Neu Fb. 1 18; HStAH, Dep. 110 A 193; Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Hann. Des. 92 XXXII III 6; Dep. 110 A 149; DZM, 2.4.1. Nr. 8161. -Zugespitzt formulierte Büssem, S. 8: Die »Legitimität diente als ideologische Camouflage des Kampfes der Großmäch-
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Anmerkungen zu Seite 69-71 te um ihre Einflußsphären . . .« - Zur Politik der deutschen Bundesstaaten, auf die hier nicht ausführlicher eingegangen werden soll, K. Lange, Herzog Karl von Braunschweig und die Legitimisten, in: BSJ 30, 1949, S. 81-107; Böse, S. 143ff.; H. v. d. Dunk, Der deutsche Vormärz und Belgien 1830/48, Wiesbaden 1966, S. 84ff.; F. Richter, Das europäische Problem der preußischen Staatspolitik und die Revolutionskrisis von 1830 und 1832, Leipzig 1933. 98 So Wittgenstein an Herzog Karl, 20. 10. 1830; DZM, 2.4.1. Nr. 8161. 99 Zit. bei Ilse, S. 411 ff.; über dieses Vorgehen erregte sich Metternich heftig, da offensichtlich die Adresse der Landstände vom 27. 9. die Veranlassung zu diesem Schritt gegeben hatte. In der Hauptstadt fanden in jenen Tagen antikarlistische Demonstrationen statt; auf dem Burgplatz sollen mehrere tausend Menschen Karl ein Pereat gebracht haben. 100 Gleichzeitig wurden alle Behörden zu strengem Durchgreifen bei etwaigen prokarlistischen Umtrieben aufgefordert; einige als Karlisten verdächtige Braunschweiger wurden präventiv in Haft genommen; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 4; Corvin-Wiersbitzki, S. 145 f.; Bursian, S. 144f.; Böse, S. 175f. 101 StAWF, 34 Ν Fb. 1 XXI 7; StdtABS, D III IV 1 Nr. 23; vgl. Corvin-Wiersbitzki, S. 144f. - Am 18. 11. wurde die Regierungsvollmacht zurückgezogen; zit. in: Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 533. 102 HStAH, Dep. 110 A 149; DZM, 2.4.1. Nr. 8161; ausführlich zu den diplomatischen Aktionen Böse, S. 145ff., 183ff.; Ilse, S. 430ff 103 Proklamation v. 18., 24. und 26. 11. 1830; StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 403; er versuchte auch, seinen Bruder zu einer geheimen Konterrevolution zu bewegen; Böse, S. 161 f. 104 StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 2; Helmstädter Zeitung Nr. 95, 4. 12. 1830; sowie der Bericht des Betroffenen in: Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 543f. 105 Zit. in: BSM Nr. 94, 1. 12. 1830; in einem Schreiben an den Prcuß. Außenminister vom 26. 11. rechtfertigte Wilhelm diesen Schritt mit der gewachsenen Unruhe in der Bevölkerung und dem zunehmenden Drängen vieler Bürger auf eine Huldigung; DZM, 2.4.1. Nr. 8162 Selbst in Wiener Regierungskreisen hatte man bereits 1828 die Regierungsfähigkeit Karls bezweifelt; so erklärte der Hofrat Kress, daß »Karl unfähig wäre, die Ausübung der Regierung fortzusetzen«. Zit. bei Sieben, S. 87. 106 StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 2, 3 und 5; 12 Α Neu Fb. 5 6197; für die preußischen Präventivmaßnahmen in der Provinz Sachsen vgl. DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 8 Bd. 1. - Siehe ferner Annalen Nr. 18, 8. 12.; Nr. 19, 10. 12. 1830; Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 292ff Zorge und Wieda erhielten für ihre loyale Haltung ein Freischießen bewilligt; StAWF, 60 Neu 2 34. - In Osterode löste Karls Anwesenheit einen Auflauf Neugieriger aus, von denen sich der Herzog bedroht fühlte; er flüchtete erneut. Darüber der Bericht des Advokaten König, des späteren Initiators des Osteroder Gemeinderates, an den Bürgergardenchef Löbbecke; StdtABS, DIU IV 1 Nr. 23; dazu auch Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 306ff. 107 Die Garden des Weserdistrikts besetzten vorsorglich die Grenze; StdtABS, D III IV 1 Nr. 23; auch hannoversche Truppen sollen zur Aufrechterhaltung der Ruhe in Braunschweig bereitgestanden haben; AAZ Beil. Nr. 352, 1830. 108 Vgl. Ilse, S. 435ff.; Böse, S. 189ff.; Bursian, S. 152ff.; ferner Huber, Bd. 2, S. 55ff. 109 DZM, 2.4.1. Nr. 8164, 8162. 110 So Ancillon an den Preuß. König, 11. 6. 1830; ebd., 2.2.1. Nr. 13121. 111 »Kurze Zusammenstellung der Gründe, welche die definitive Regulierung der Regierungsangelegenheiten des Herzogtums Braunschweig noch vor dem 25. April in höchstem Grade dringend erscheinen lassen«; ebd., 2.4.1. Nr. 8164. 112 Ebd., 2.2.1. Nr. 13121; dazu Ilse, S. 482ff. 113 DZM, 2.4.1. Nr. 8164. 114 StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6197; 23 Neu Fb. 1 64; vgl. Eichstädt, S. 71 f. 115 AAZ Beil. Nr. 147, 148, 1832.
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Anmerkungen zu Seite 11-16 116 StAWF, 23 Neu Fb. 1 65, 67; vgl. T. Müller, S. 129, 137ff.; Rhamm, S. 35ff.; Huber, Bd. 2, S. 60ff. 117 K. H. L. Pölitz, Votum über den Entwurf der revidierten Landschaftsordnung des Herzogtums Braunschweig, Leipzig 1831, fand offensichtlich in den Kommissionsverhandlungen Beachtung; zur Kritik Jürgens, Bemerkungen. Vgl. auch Stumpfeid, S. 61ff.; Eichstädt, S. 71; Rhamm, S. 35ff.; T. Müller, S. 140ff.; sowie StAWF, 23 Neu Fb. 1 83 Vol. 1. 118 Das Ergebnis war in politisch interessierten Kreisen kaum kontrovers; vgl. ebd., 23 Neu Fb. 1 64; ferner Eichstädt, S. 71f. 119 Dazu StA WF, 129 Neu 1 2; 4 Alt 18 Bd. 24418 A 7, 4516G 1; 23 Neu Fb. 1954, 955 Vol. 1 und 2. 120 Ebd., 12 Α Neu Fb. 2 II Β 11 Vol. 1 und 2, Β 15; 133 Neu 2196; 34 Ν Fb. 1 Nr. XXI 15; ferner StdtABS, D III IV 1 Nr. 3 Vol. 2; außerdem Verh. 1. o. Ltg. d. Hzgt. BS, Nr. XXXII, S. 486 ff., LXXXIV, S. 1093f.; sowie AAZ Nr. 239, 27. 8. 1831; Nr. 13, 14. 1. 1832; Nr. 116, 15. 6. 1837. Vgl. auch Steinacker, Reichsgedanke, S. 152; Müller, Bode, S. 130ff. 121 Siehe dazu die zahlreichen Gedichte zit. in: Sammelband. - Allgemein zur Rolle der Volksmassen Kossok, Markov, bes. S. 4f.
Kapitel 2.3. 1 Vgl. Saathoff, S. 166; F. Unger, Göttingen und die Georgia Augusta, Göttingen 1861, S. 110; ferner Brüning, Die Stadtverfassung der Stadt Göttingen vom 8. April 1831, in: J . d. Geschichtsvereins 3, 1910, S. 99-120d; H. Mohnhaupt, Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert, Göttingen 1965, bes. S. 131ff - Gleiches widerfuhr einer Petition aus Osterode im Herbst 1830; HStAH, Hann. Des. 80Hild. Ι Ε 55. 2 Vgl. Allgemeine Zeitung und Anzeigen, Sonntagsbl. Nr. 38, 19. 9. 1830. 3 HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 56. 4 So in einem Bericht aus Braunschweig, 8. 1. 1831; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 8 Bd. 1; ähnlich das Urteil des preuß. Regierungsrats Stiehler; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14 Bd. 1. 5 HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 58; sowie die Petition von 141 Kolonen aus sechs osnabrück'schen Dörfern; StAOS, Rep. 350 Wit. I Fach 45 Nr. 1. - Zur Agrarfrage allgemein Kolb, Teiwes, S. 54ff. 6 Vgl. StAOS, Rep. 335 Nr. 1802; Rep. 350 Grö. I Fach 201 Nr. 3; StAAUR, Rep. 6 Nr. 10488; AAZ Beil. Nr. 60, 1831. 7 J . H. Gebauer, Geschichte der Stadt Hildesheim, Bd. 2, Hildesheim 1924, S. 323. 8 HStAH, Hann. Des. 92 XXXII III 6; Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54, 57; Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; vgl. AAZ Nr. 265. 22. 9. 1830: Beil. Nr. 270. 1830. 9 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Hann. Des. 92 XXXII III 6. - In Marienhafe wurde ein Einnehmer mißhandelt; StAOL, 70-3517. 10 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Hann. Des. 92 XXXII III 6; AAZ Beil. Nr. 272, 281, 1830. 11 HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54; Hann. Des. 92 XXXII III 6; Gebauer, S. 321. 12 StAOS, Rep. 335 Nr. 1802; StAAUR, Rep. 6 Nr. 10488, 10490; HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; nach einem Bericht des Herzogs von Cambridge und des Kabinetts-Ministe riums an Münster; danach erhielt die Landdrostei Aurich zunächst 15000 Taler, von denen bis zum Jahresbeginn bereits 8300 Taler für Arbeitsbeschaffung ausgegeben wurden. Wegen der zunehmenden Not erhielten Hannover und Osnabrück eine Aufstockung ihrer Mittel um 1000 bzw. 2000 Taler. Besonders große Not herrschte in der Grafschaft Bentheim, wo 65 Malter Roggen zur Verteilung kamen; vgl. auch HStAH, Dep. 110 A 193; Hann. 74 Hannover VIII Η Ι Nr. 2.
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Anmerkungen zu Seite 76-79 13 Die Harzbewohner verlangten Lohnerhöhungen und Verbesserungen ihrer Anstellungsbedingungen. - Ebd., Dep. 110 Α 193;Hann. Des. 84 I D 7. 14 Vgl. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; vom 21. 12. 1830 bis 17. 1. 1831 wurden über 2100 Malter Roggen von der Domänenkammer bewilligt für notleidende Gebiete. 15 Die Landdrosten vertrauten offenbar ganz auf die ihnen zur Verfügung stehenden Truppen, obigeich davon ein großer Teil in die südlichen Landesteile abgezogen war. Dazu StAOS, Rep. 350 Grö. I Fach 201 Nr. 3; Rep. 335 Nr. 1802; HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54, 55, 56. 16 Zit. nach H.-P. Diisterdieck, Das Heerwesen im Königreich Hannover von 1820-1866, Diss. Braunschweig 1971, S. 30. -Zur außenpolitischen Lagebeurteilung siehe HStAH, Hann. Des. 92 XLI 136. 17 Teilnehmer waren die Advokaten Freytag und König aus Osterode sowie Seidensticker, die Prokuratoren Eggeling und Laubinger sowie die Privatdozenten Ahrcns, Rauschenplat und Schuster aus Göttingen.-HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. II; vgl. W. Löschburg, Es begann in Göttingen. Protestation und Entlassung der Göttinger Sieben, Berlin (Ost) 1964, S. 20; H. A. Oppermann, Zur Geschichte des Königreichs Hannover von 1832-1860, Bd. 1. Stuttgart 1910, S. 157ff.; »Hannoversche Zeitung‹ Nr. 118, 18. 5. 1836. 18 G. König, Anklage des Ministeriums Münster vor der öffentlichen Meinung, o. O. 1831; ein Exemplar in StdtAH, S. 1600 A 476. 19 Die drastische Ausdrucksweise und oft übertriebene und manchmal falsche Information taten der politischen Wirkung als Kampfschrift keinen Abbruch. - HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; dazu auch vom Kabinettsrat J . F. Rose, Aktenmäßige Würdigung einer Schmähschrift . . ., Hannover 1831; weitere publizistische Äußerungen sind in der Bibliographie bei Eichstädt, S. 185, erfaßt; vgl. Treitschke, Bd. 4, S. 153f.; Löschhurg, S. 21f.; Mucke, Bd. 1, S. 19; Oppermann, S. 158ff., 172. 20 HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 55; ferner zwei Erklärungen im »Ostcroder Gemcindeblatt«. zit. bei Oppermann, S. 165f.; sowie eine Proklamation zit. bei G. W. Böhmer, Der Aufstand im Königreich Hannover im Jahre 1831, aktenmäßig dargestellt mit besonderer Rücksicht auf seine Entstehungsursachen und Folgen, Leipzig 1831, S. 59. 21 Proklamation v. 5. 1. 1831, zit. bei Oppermann, S. 166; HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 55. 22 Zur Zeit der Abfassung der Proklamation vom 5. 1. waren der Kommandant und der Adjudant der Garde noch nicht gewählt; sie traten erst in der »Anzeige von dem Gemeinderat der Stadt Osterode« vom 6. 1. in Erscheinung. Bis dahin war lediglich der Beschluß gefaßt, eine 400köpfigc Kommunalgarde zu organisieren; vgl. ebd. 23 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 57; Bekanntmachung v. 13. 1. 1831, zit. bei Böhmern. 60. 24 Gewinns. S. 710; AAZ Nr. 21, 21. 1. 1831, sowie die Artikel in Nr. 15, 15. 1., und Nr. 17, 17. 1. 1831. - Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Kontakte Königs zur Bürgergardenführung in Braunschweig; StdtABS, D III IV 1 Nr. 23; zur Verbindung zu Löbbecke StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 Nr. 6205. 25 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. II. 26 Assmann, S. 21, 33, bes. 55; G. v. Seile, Die Georg-August-Universität zu Göttingen 1737-1937, Göttingen 1937, S. 261; Oppermann, S. 158ff.; Unger, S. 110. 27 Vgl. AAZ Beil. Nr. 296, 1830; Oppermaun, S. 159f.; Unger, S. 110; Saathoff, Bd. 2, S. 167; Böhmer, S. 13ff., mit Auszügen aus der Schirft; J . Jaeger, Duderstadt und die Göttinger Unruhen 1831, in: Heimatland 6, 1909/ 10, S. 41-44. 28 Zit. nach H. Bünsow u. G. Heer, Die alte Burschenschaft 1815-1834, in: H. Haupt u. P. Wentzke (Hg.), Quellen und Darstellungen zur Geschichte der deutschen Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung, Bd. 13, Heidelberg 1932, S. 209-339, hier S. 290. Bei einem Besuch einer Studentengruppe in Kassel soll der ehemalige Heidelberger Burschenschaftler Abegg »hochverräterische Reden« geführt haben; auf Ersuchen der dortigen Regierung wurde
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Anmerkungen zu Seite 79-81 er bis zur Auslieferung in Göttingen in Haft genommen. Vgl. AAZ Beil. Nr. 349, 1830; Unger, S. 111; Saathoff, Bd. 2, S. 167; sowie Hagen, S. 157; und G. Heer, Geschichte der deutschen Burschenschaft, Bd. 2, Heidelberg 1927, S. 202, die beide ein falsches Datum angeben. 29 Vel. Saathoff. Bd. 2, S. 167. 30 Vgl. dazu Selle, S. 238f.; Unger, S. 164ff. - Noch im August 1830 hielt die Universitätsspitze sogar die Studenten für untereinander verfeindet, weil »ordnungswidriges und feindseliges Benehmen gegeneinander« unerträglich zugenommen habe; vgl. Bekanntmachung des Prorektors v. 11. 8. 1830; UniAGÖ, X F 1 a 580. 31 Sie sollte in lateinischer Sprache erscheinen, also breiteren Volksschichten unzugänglich sein. Nachdem sie auswärts gedruckt war, wurde eine akademische Disziplinaruntersuchung eingeleitet. Vgl. Oppermann, S. 160f.; Heer, S. 202; Unger, S. 110f.; Mucke, Bd. 1, S. 20f.; Böhmer, S. 16f. - Diesem Vorgang mit Einschränkung der beruflichen Perspektive kam für die spätere politische Radikalisierung der Privatdozenten zweifellos wesentliche biographische Bedeutung zu. 32 Die Darstellungen gehen hier auseinander: Heer, S. 202, sieht die Initiative von Studenten, vor allem von Burschenschaftlern, ausgehen; der Leseklub sei jedoch verboten worden. Nach Unger, S. 111, waren die ehemaligen Korpsburschen Rauschenplat, Schuster und Ahrens die Initiatoren; so auch Saathoff, Bd. 2, S. 167; diese Interpretation entsprach dem gerichtlichen Untersuchungsergebnis; HStAH, Hann. Des. 92 XL1 137 Vol. I. - Zur Rolle der Burschenschaften, die in Göttingen nicht recht Fuß fassen konnten und immer wieder nur informelle, zahlenmäßig schwache Zirkel bildeten, siehe Heer, S. 53ff., 102f.; Selle, S. 240. 33 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; man traf sich bei einem später mitverurteilten Gastwirt; ebd.. Vol. II. Vgl. Böhmer, S. 18; nach Oppermann, S. 166f., soll am 7. 1. ein Verschwörertreff stattgefunden haben, das jedoch selbst die amtliche Untersuchung nicht ermitteln konnte. - Ein Augenzeuge der Ereignisse war Unger, S. 112; vgl. Saathoff, Bd. 2, S. 167; auf schmaler Literaturbasis H. Bock, Deutsche Klassenkämpfe zur Zeit der französischen Julirevolution 1830-1834. Antifeudale Klassenbewegungen, Organisationsformen, Bewußtseinsveränderungen und Literaturprogramme bei beginnender Wirksamkeit des Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit, in: JVK 17, 1975, S. 40-106, hier S. 62ff. 34 Dazu die Berichte vom Mitglied der Polizeikommission, Prof. Bergmann; HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; und des Privatdozenten Klose, zit. bei W. Gresky, Der Göttinger Aufruhr von 1831. Aus den Briefen des Privatdozenten Dr. Wilhelm Klose, in; GÖJ 1968, S. 177-190, hier S. 183; ferner AAZ Nr. 17, 17. 1. 1831, die bis zum 2. 2. 1831 in zahlreichen Artikeln berichtete. Vgl. auch Unger, S. 112; Böhmer, S. 18f.; Heer, S. 202, gibt sogar für den Ausbruch ein falsches Datum an. 35 HStAH, Hann. 87/Gött. 22. 36 Der Ablauf der Gardenbildung im einzelnen war nicht zu ermitteln. Dazu ebd., Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I, II; StdtAGÖ, 1624 5; unterschiedlich die wenig konkreten Angaben bei Oppermann, S. 167; Unger, S. 112f.; Saathoff, Bd. 2, S. 168; die Proklamation zit. bei Böhmer, S. 60. 37 Den Hintergrund bildeten das Erscheinen des Kommandeurs der städtischen Garnison auf dem Rathaus am Samstag und die Ankunft Beurlaubter mit ihren Offizieren am Stadttor, was die Alarmierung der Bürger und Studenten zur Folge hatte; HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I, II; Gresky, S. 184; ferner zur Besetzung der Führungsstellen Böhmer, S. 19; Unger, S. 113f.; Seile, S. 263. - Über die soziale Abgrenzung der Garde ist ebensowenig bekannt wie darüber, ob sich hinter ihrem Namen ein politisches Programm verbarg. Vermutlich wollte man im Gegensatz zu bekannten Bürgergarden den offenen Charakter betonen, der weder Studenten noch Landleute ausschloß. Gleichzeitig kam darin der landesweite Anspruch zum Ausdruck; ein nationales Programm war dagegen nicht erkennbar. Für die Regierung war gleichwohl mit der Namensgebung gegenüber der Kommunalgarde von Osterode eine Steigerung der Herausforderung verbunden; HStAH, Hann. Des. 84 I D 7.
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Anmerkungen zu Seite 81-86 38 Sie ordneten sich in die übrigen Abteilungen ein, ohne durch besondere Radikalität aufzufallen. Daß sie den »Revolutionsversuch . . . für sich als eine Errungenschaft verbuchten«, wie H. Bock, Bürgerlicher Liberalismus und revolutionäre Demokratie. Zur Dialektik der sozialen und nationalen Frage in den deutschen Klassenkämpfen von 1831-1834, in: JfG 13, 1975, S. 109-151, hier S. 117, meint, entsprach nicht ihrem realen Anteil. - H S t A H , Hann.87/ Gött. 22; Böhmer, S. 19f.; Unger, S. 113f.; Heer, S. 203. 39 Proklamation des »Gemeinderates« v. 9. 1. 1830, zit. bei Böhmer, S. 203. 40 HStAH, Hann. 87/Gött. 22; Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; StdtAGÖ, 1624 5. - Nach übertriebenen Angaben der AAZ Beil. Nr. 19, 1831, waren 60000 Bauern zur Unterstützung bereit; vgl. auch Nr. 20, 20. 1.; Nr. 21, 21. 1. 1831. 41 Unger, S. 113; Saathoff, Bd. 2, S. 169. 42 Proklamation zit. bei Böhmer, S. 60; vgl. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. II; Hann. Des. 80 Hild. I E 57. 43 HStAH, Hann. Des. 84 I D 7; Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Gresky, S. 184; Böhmer, S. 23, 63; Unger, S. 114f. 44 StdtAGÖ, 1624 5. 45 Vgl. ebd.; HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. II; der preuß. Landrat Lehmann berichtete sogar, Nieper werde als Geisel für König und Freytag festgehalten; DZM, 2.4. 1. Nr. 8175. 46 HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 55. Vgl. auch Allgemeine Zeitung und Anzeigen Nr. 7, 16. 1. 1831; AAZ Nr. 18, 18. 1. 1831. 47 Zit. nach Böhmer, S. 82; vgl. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. II; ferner Mucke, Bd. 1, S. 23; Mohnhaupt, S. 140. 48 Beim Erfolg dieser Forderungen hätten andere Orte dem Beispiel folgen können; die Opposition gegen die Herrschaftsstruktur hätte noch größeres Gewicht erlangt. Ob der Gemeinderat dafür allerdings ein Aktionsprogramm besaß, erscheint zweifelhaft aufgrund seiner Verlautbarungen. Vgl. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Oppermann, S. 168f; Böhmer, S. 24ff. 49 HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 57; vgl. auch die Anweisung an die Landdrostei vom 12. 1. 1831; Hann. Des. 841 D 7 . - D i e Regierung sah die besondere Gefahr im Zusammenwir ken von Studenten, gutwilligen und vermögenden Bürgern sowie allen, »die nichts zu verlieren haben und denen daher jede gewaltsame Erschütterung, welche die Bereicherung oder sonstige Verbesserung ihrer Lage auf Kosten anderer als möglicherweise zu erreichendes Ziel auch nur in der Ferne zeigt«, gelegen käme. 50 UBGÖ, Ms. Cod. hist. 316 Κ; vgl. Böhmer, S. 25ff.; Gresky, S. 184. 51 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 57. Zur Sicherung der übrigen Gebietsteile sollten von den Stadtmagistraten Verhandlungen mit zuverlässigen Bürgern über eine etwaige Errichtung einer Bürgergarde geführt werden, die noch im Herbst 1830 strikt abgelehnt worden war; Hann. Des. 84 I D 7. 52 Protokoll der Sitzung in ebd., Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; vgl. Düsterdieck, S. 33f. Damit ist der Eindruck, als habe eine Universitätsdeputation am 14. 1. und besonders die Stellungnahme Dahlmanns das harte Durchgreifen der Regierung bewirkt, nicht länger haltbar. Die Entscheidung war längst gefallen; bestenfalls hat Dahlmanns Ansicht, man solle militärisch vorgehen, die Stadt werde sich dann schon kampflos ergeben, den Herzog von Cambridge in seiner Lageeinschätzung bestärkt. Dazu K. Janicke, Dahlmanns Anteil am Hannoverschen Staatsgrundgesetz von 1833, in: Z. d. hist. Vereins Nieders., 1890, S. 224-296; 1891, S. 235-267, hier S. 224f. Boehmer, S. 29f.; Oppermann, S. 169; Treitschke, Bd. 4, S. 156; Seile, S. 263; Saathoff, Bd. 2, S. 170; bes. Gervinus, S. 712; Christern, S. 98f. - Entscheidender Einfluß dürfte vielmehr v. Scheie und v. Alten zugekommen sein; Behr, Scheie, S. 92f. 53 Monatlich rechnete das Ministerium mit 120-150000 Dukaten. Anleiheverhandlungen liefen bereits mit den Rothschilds in Frankfurt; HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I.
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Anmerkungen zu Seite 86-89 54 Zur Planung ebd. - Die Proklamationen finden sich zahlreich in verschiedenen Beständen, u. a. StdtAGÖ, S-1600 A 476; UBGÖ, Ms. Cod. hist. 316 Κ; zit. auch bei Böhmer, S. 78ff. 55 Ebd., S. 66; UBGÖ, Ms. Cod. hist. 316 K. 56 Ebd.; zit. auch bei Böhmer, S. 81 f.; vgl. Gresky, S. 184. 57 Vgl. ebd., S. 184; Oppermann, S. 170f.; Unger, S. 1 1 5 . - H S t A H , Hann. 87/Gött. 22. 58 Zit. bei Böhmer, S. 82f. 59 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; AAZ Nr. 28, 28. 1. 1831. Rauschenplat, Ahrens, Stölting u. a. gelang die Flucht. 60 AAZ Beil. Nr. 22, 1831; Gresky, S. 185; Unger, S. 115f.-Vor Göttingen waren am 15. 1. 1831 4500 Infanteristen, 600 Kavalleristen mit 10 Geschützen zusammengezogen worden, berichtete der Herzog von Cambridge an den König; HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I. Diese offiziellen Angaben korrigieren die Zahlen von 10000 Mann bei Unger, S. 115; 8000 bei Oppermann, S. 171; »über 7000 Mann, mehr als die Hälfte der Hannoverschen Armee«, Treitschke, Bd. 4, S. 156. - Z u r Mobilisierung vgl. Düsterdieck, S. 34. 61 Zit. bei Böhmer, S. 85; vgl. ebd. S. 40; Gresky, S. 185; Vnger, S. 116. 62 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54; Dep. 110 A 193; vgl. Gehauer, S. 325 ff.; abgesandt wurden ein Student und ein Tierarzt. - Der Gastwirt, bei dem die Versammlung stattfand, und ein Lehrer, der mit seinen Schülern der Bürgergarde beigetreten war und ihnen die »Gottinger Kundgebung« verlesen hatte, wurden in Untersuchung gezogen. - Auf das ausgeprägte landschaftliche Selbstbewußtsein weist M. Hamann, Geschichte des Regierungsbezirks Hildesheim, in: C. Haase (Hg.), Niedersachsen. Territorien, Verwaltungseinheiten, geschichtliche Landschaften, Göttingen 1971, S. 118-140, hin, das »in Krisenzeiten schnell eine gegen Hannover gerichtete Spitze« bekommen konnte. Aus anderen Motiven hatten einen Tag vorher einflußreiche Bürger den Magistrat zu einer Abordnung nach Hannover bewegt, die um Milde bitten sollte: sie sorgten sich um ihre möglicherweise in die Ereignisse verstrickten Söhne. 63 HStAH, Dep. 110 A 193; ferner DZM, Rep. 77 Tit. 509, Nr. 14 Bd. 1. - Zum Problem der Gardenbildung auf Druck bürgerlicher Schichten in anderen Orten vgl. HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54, 55, 57; Hann. Des. 84 I D 7; Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I, IL; StAOS, Rep. 335 Nr. 1802, 6267; Rep. 347 Nr. 382; Dep. 50 b Nr. 1465; Dep. 29 b I Nr. 112; Dep. 3 b V Fach 68 Nr. 16; Dep. 61 b Nr. 229. 64 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I, II; Hann. 74 Göttingen Κ 426; Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 1740; Κ. Η. Bernotat, Die Geschichte des Fleckens Bovenden, Bovenden 1952, S. 122, bringt eine kurze Erwähnung. 65 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. II; Hann. 87/Gött. 22; Solidaritätsaktionen fanden auch in Niedernjesa statt; Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 55. 66 HStAH, Hann. 74 Herzberg Κ 91. 67 Ebd., Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 55. 68 Die einschlägigen Proklamationen zit. bei Böhmer, S. 64ff., vgl. ebd., S. 39. - Siehe zur Petitionsbewegung HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. 1; Hann. 74 Herzberg Κ 91; StAOS, Rep. 335 Nr. 1802. Vgl. auch den Stimmungsbericht des Landrats Lehmann, Halberstadt, 16. 1. 1831; DZM, 2.4.1. Nr. 8175. 69 Zum Problem des Krisenmanagements allgemein Easton, S. 57ff., 117ff., 363ff.; Smel ser, S. 216, 309ff., schlägt zur Vermeidung von »Feindseligkeit« die Untersuchung alternativer Protestwege vor. Neben sozialer Kontrolle stehen »politische Flexibilität und Aufgeschlossenheit« der Obrigkeit als Strategie zur Verfügung. - Vgl. ferner Johnson, S. 112ff., der der Resynchronisationsfähigkeit des politischen Systems durch herrschende Eliten einen hohen Stellenwert einräumt; Dohse, S. 122ff., untersucht die Erfolgsaussichten von Krisenmanagement. 70 Hier bestand eine gewisse Tradition; bereits im Gefolge der Französischen Revolution von 1789 waren Hildesheimer Bauern untereinander in Kontakt getreten, um gemeinsam bei
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Anmerkungen zu Seite 89-93 der Regierung vorstellig zu werden; C. Haase, Obrigkeit und öffentliche Meinung in Kurhannover 1789-1803, in: NJ 39, 1967, S. 192-294, hier S. 226ff. -HStAH, Hann. Des. 80Hild. Ι Ε 58; Des. 92 I, IV Nr. 3a, T. 2; StAOS, Rep. 350 Wit. I Fach 45 Nr. 1; Rep. 335 Nr. 1802; Dep. 347 Nr. 382. - Die Nähe der Stadt Hannover beeinflußte ebenfalls stark die politischen Regungen des Umlandes; HStAH, Hann. 74 Hannover XII Η 1 Nr. 2. 71 Ebd., Hann. 80 Hild. Ι Ε 54, 56, 58; Gebauer, S. 328. 72 Für ihre Aktivitäten wollte ihnen die Bevölkerung ein » Vivat« bringen; dabei sollen zwei Männer versucht haben, einen »Tumult« zu inszenieren. Zwei Dragoner genügten, um die Menge mit dem Hinweis, die Alterleute hätten sich das »Vivat« verbeten, zu zerstreuen. - Eine unpolitische Darstellung gab der Magistrat: Aus Neugier sei eine Volksmenge vor dem Haus des Generals Fincke zusammengelaufen, weil dieser nach Gerüchten ein selbstverfaßtes Gedicht von Soldaten habe absingen lassen wollen. - Die AAZ Beil. Nr. 60, 1831, verbreitete gar die Meldung, eine aus Hannover zurückgekehrte Bürgerdeputation sei unter Hausarrest gestellt worden, was den Anlaß zu Protest gegeben habe; dafür fanden sich jedoch keinerlei Hinweise. Zu diesem Komplex HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; Dep. 110 A 193; StAOS, Dep. 3 b I Nr. 382; Dep. 50 b Nr. 90; vgl. Behr, Scheie, S. 92. - Auch in Osnabrück wurde Militär zusammengezogen; ebd., Rep. 335 Nr. 1802; AAZ Nr. 60, 1. 3. 1831. 73 So die vielen anderen als Vorbild dienende Petition der Stadt Lüneburg; zit. bei Böhmer, S. 96ff., vgl. ebd., S. 45ff.; AAZ Beil. Nr. 45, 1831; Oppermann, S. 173ff. 74 Vgl. Böhmer, S. 41 ff 75 Zur Bedeutung der ›Sckretarcokratie‹ allgemein A. Lutz, Geschichte des deutschen Beamtentums, Berlin 1909, S. 460; Meier, Bd. 1, S. 495. 76 Vgl. zu diesem Vorgang Böhmer, S. 47; Lutz, S. 462; Meier, Bd. 1, S. 45ff.; Oppermann, S. 176f.; Behr. Schele, S. 94ff. 77 Zit. bei Meier, Bd. 2, S. 619ff. 78 Zum öffentlichen Echo vgl. den Stimmungsbericht von C. Stüve, Über die gegenwärtige Lage des Königreichs Hannover, Jena 1832, S. 114: »Der Graf Münster war einmal der Repräsentant alles dessen, was man haßte . . .« 79 Proklamation v. 27. 1. und 9. 2. 1831, zit. bei Böhmer, S. 89ff.; vgl. Oppermann, S. 175f. - Eine Flut amtlicher Berichte setzte ein; HStAH, Hann. 74 Hildesheim Κ 47; Hann. 80 Hild. Ι Ε 58; StAOS, Dep. 61 b Nr. 157; Rep. 335 Nr. 1802; Dep. 347 Nr. 382. 80 HStAH, Hann. 87/Gött. 22; vgl. Böhmer, S. 46. 81 Vgl. z. B. HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 56, über Versammlungen der Besitzer gutsherrnfreier Höfe im Amt Westerhof. 82 Vgl. Oppermann, S. 178f.; Stüve, S. 58, 115. 83 Zur Thronrede und ihrer Aufnahme in der Öffentlichkeit vgl. ebd. S. 116f., 122ff.; Oppermann, S. 182f., 188f.; Grotefend, S. 95, nimmt an, die Regierung hätte aus Zeitdruck keine konkreten Aussagen zur Verfassungsfrage machen können. Dazu insgesamt Kolb, Teiwes, S. 74ff. 84 Zit. bei Meier, Bd. 2, hier S. 628. - Scheie als Führer der Adelspartei versuchte vergeblich, diese Situation zum Aufhalten von Reformen auszunutzen; Behr, Scheie, S. 98f. - Wie viele andere, hoffte auch Stüve, S. 118f., auf eine energische Führung bei der Reformpolitik. 85 Zu dem Verlauf der Verhandlungen siehe Grotefend, S. 96ff.; ausführlich Oppermann, S. 183ff.; Zur Geschichte der Stände, S. 2ff., Eichstädt, S. 75ff.; Janicke, S. 235ff.; Stüve, S. 119ff.; Behr, Scheie, S. 99ff.; Kolb, Teiwes. - Als Zwischenbericht Stüves Kommentar v. 4. 5. 1832; StdtAH, S. 1600 A 478. - Zum abschließenden Urteil stellvertretend für andere Autoren Huber, Bd. 2, S. 91; eine ausführliche Analyse des Staatsgrundgesetzes bei Grotefend, S. 103ff., dessen Aufnahme »lau und fast gleichgültig« gewesen sei. 86 Ein Ablösungsgesetz erfüllte viele Wünsche der Bauern; dazu und zur maßgeblichen Beteiligung Stüves an der Initiative und Ausarbeitung vgl. Meier, Bd. 1, S. 351 ff.; Oppermann, S. 246f.; Zur Geschichte der Stände, S. 55ff.; Bartels, S. 26ff. 318 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Anmerkungen zu Seite 93-94 87 Ebenfalls lokalen Beschwerden trug die Landdrostei Hildesheim mit einer Verschärfung der Zunftbestimmungen Rechnung; Gebauer, S. 327f. - Vgl. Brüning, S. 112ff.; Mohnhaupt, S. 140ff.; die Stadt beschäftigte bis zum Sommer 100-150 Arbeiter bei öffentlichen Arbeiten; U B G Ö . Ms. Cod. hist. 316 Κ. 88 Zit. nach Oppermann, S. 236; vgl. auch Stüve, S. 20, der die Ansprüche an die Leistungen des Staates vermindern und den »Erwerb« vermehren wollte. 89 HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 482; vgl. Oppermann, S. 237ff. 90 Eine Untersuchungskommission stellte umfangreiche Ermittlungen an, die sich bald aber nur auf die Hauptakteure konzentrierten; HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I, II. - Von den zunächst über 30 Verhafteten blieben 12 im Gefängnis in Celle; ebd., Hann. 74 Göttingen Κ 427 b; StdtAGÖ, 1624 5; AAZ Beil. Nr. 78, 83, 1832. 91 HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. II; Hannoversche Zeitung Nr. 118, 18. 5. 1836; Freitag wurde am 7. 9. 1836 zur Ausreise nach Amerika begnadigt. 92 Von den 14 Mitgliedern des Gerichts der Justizkanzlei Celle stimmten immerhin 6 für die Todesstrafe für einige Angeklagte; bei der Abstimmung über die Delikte war ein Mitglied der Meinung, daß es sich nicht um Hochverrat, Majestätsverbrechen und wirklichen Aufruhr, sondern lediglich um durch allgemein politische Aufregung veranlaßten, intendierten, aber nicht vollendeten Aufruhr gehandelt habe. Diese Ansicht vertrat der Justizrat F. E. v. Leutsch. - Im Verlaufe des Verfahrens handelte sich der Verteidiger Gans wegen öffentlicher »Injurien« eine sechsmonatige Zuchthausstrafe und den Entzug seiner Zulassung ein, wogegen er erfolgreich Revision einlegte. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. II; ferner Hann. Des. 70 IX a; Hann. Des. 70 Nr. 93, 3455, 3457-3463. - Zum Prozeßverlauf AAZ Nr. 86, 26. 3. 1832; Nr. 299, 26. 10. 1834; Nr. 144, 23. 5. 1836; Nr. 299, 25. 10. 1836; Nr. 307, 2. 11. 1836; Nr. 279, 6. 10. 1838. 93 1842 kamen Ulrici und Dr. Ramel frei; 1843 befanden sich noch Seidensticker, Laubinger und Brauns in Haft, der im gleichen Jahr zur Auswanderung nach Amerika begnadigt wurde, desgleichen Seidensticker im Oktober 1845. Laubinger wurde am 21. 4. 1844 entlassen. Dazu AAZ Nr. 251, 3. 9. 1842; Nr. 52, 27. 2. 1843; Nr. 61, 2. 3. 1843; Nr. 69, 10. 3. 1843; Nr. 28, 28. 1. 1844; Nr. 292, 19. 10. 1845; Nr. 306, 2. 11. 1845. 94 In Göttingen versuchte ein Teil der Einwohner die auswärtigen Universitätsdozenten als Hauptunruhestifter in einer Petition hinzustellen und für die Göttinger Gefangenen um Milde zu bitten. 1833 beantragte der Liberale Freudenthal, die Stände sollten um Niederschlagung der Untersuchung nachsuchen. Vor dem letzten Revisionsurteil 1837 unterschrieben die Bürgervorsteher, Magistratsmitglieder und über 200 Bürger Göttingens eine Bittschrift für Haftentlassung. Aus Hildesheim wurde im Sommer 1832 eine Petition mit über 1000 Unterschriften abgeschickt. - Zur großen Erregung über die Prozesse HStAH, Hann. 87 Gött. 22; AAZ Beil. Nr. 334, 1833; Beil. Nr. 262, 1837; Oppermann, S. 59ff.; Gebauer, S. 327. 95 Zu Widersetzlichkeiten kam es bei Militärauslosungen in Radolfshausen und Weener im Februar 1831; HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 56; StAAUR, Rep. 6 10490. - Den Übergang zur Normalität in Göttingen signalisierten zwei Studentenproteste: Aus einem Arretierungsversuch bei einem Tanzvergnügen entstand ein gefährlicher Ordnungskonflikt, den der Appell eines Offiziers beruhigte. Datum: Juni 1831; HStAH, Hann. Des. 80 Hild Ι Ε 55; AAZ Beil. Nr. 176, 1831. - Zwischen Studenten und Bewohnern Bovendens kam es zwei Tage hintereinander zu Massenschlägereien mit mehreren hundert Beteiligten; Datum: Juni 1834; HStAH, Hann. Dep. 80 Hild Ι Ε 1741; AAZ Beil. Nr. 200, 1834. 96 40 Soldaten wurden verhaftet; 22 wurden zu längeren oder kürzeren Gefängnisstrafen verurteilt, 6 zu 3 und 2 Jahren Karre mit körperlicher Züchtigung und einer zu lebenslanger Haft. HStAH, Hann. Des. 92 XLI 137 Vol. I; AAZ Beil. Nr. 60, 1831; Böhmer, S. 48f. 97 Offiziere versuchten vergeblich, den Bürgern die Schuld an den Ereignissen zu geben; demgegenüber stellte der Untersuchungsbericht eindeutig das frühere Benehmen der Offiziere als Ursache der Subordination fest. Zu einem für die Stimmung in der Truppe und die
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Anmerkungen zu Seite 95-96 Mentalität der Soldaten bezeichnenden Zwischenfall kam es am 27. August; nachdem ab März die Truppenmassierung allmählich abgebaut worden war, versammelte sich eine große Zahl von Soldaten aus Ostfriesland auf dem Marktplatz, weil sie sich gegenüber Leidensgenossen, die beurlaubt waren, benachteiligt fühlten. Manche glaubten sogar, für immer in Göttingen bleiben zu sollen; andere fürchteten, für den Winter weder Arbeit noch Unterkommen zu finden; Düsterdieck, S. 35 f.
Kapitel 2.4. 1 Behr, Scheie, S. 132f, mit Sympathie für die Regierungspolitik; G. Gehrkens u. W. R. Röhrbein, König Ernst-August von Hannover, das Grundgesetz, der Staatsstreich und die Göttinger Sieben, in: GÖJ, 1963, S. 187-214, hierS. 192 ff.; zugleich eine massive Kritik ander Einseitigkeit von G. M. Willis, Ernst-August, König von Hannover, Hannover 1961, S. 103 ff. - Treitschke, Bd. 4, S. 649, nannte polemisch den Einspruch »heimtückisch, in der Tasche«. Ferner dazu C. F. Dahlmann, Zur Verständigung, Basel 1838, S. 5. 2 Vgl. hierzu und zurjuristischen Prüfung des Problems durch eine königliche Kommission Behr, Scheie, S. 133ff., 147f., 150ff; Gehrkens, Röhrbein, S. 200; Willis, S. 125, 127; Kolb, Teiwes, S. 152 ff.; Huber, Bd. 2, S. 94f; H. Schuirmann, Johann Carl Bertram Stüve in der vormärzlichen Opposition 1837-1848, Diss. Göttingen 1927, S. 16. - Treitschke, Bd. 4, S. 650, über Scheie: »Der Name dieses reaktionären Heißsporns sagte Alles«. - Boldt, S. 248f, 290, rechnet die königliche Argumentationsstruktur zum reaktionären Denken im Vormärz, das er in seiner Taxonomie dem »patrimonialen Modell« zuordnet. - Vgl. zu diesem Komplex auch die Handakte des Kabinettsrats Falcke; StdtAH, S-1600 A 473. 3 Zit. bei Oppermann, S. 365ff; zum öffentlichen Echo ebd., S. 133ff.; Behr, Scheie, S. 159 ff -Zur verfassungsrechtlichen Argumentation Huber, Bd. 2, S. 95 f.; auch Graf Münster erklärte sich in einem Brief an v. Gagern für den Fortbestand der Verfassung von 1819; HStAH, Dep. 110 A 194. 4 Zit. bei Oppermann, S. 137; zur Entstehung vgl. Dahlmann, S. 27ff; Löschburg, S. 37f, 48ff; H. Kück, Die »Göttinger Sieben«. Ihre Protestation und ihre Entlassung im Jahre 1837, Berlin 1934, S. 19, 24ff -Zur rechtlichen Beurteilung der Eidesfragc Huber, Bd. 2, S. 96ff. Die Sieben wehrten sich immer wieder dagegen, als ›Liberale‹ bewundert oder gebrandmarkt zu werden; J . Grimm, Über seine Entlassung, Basel 1838, S. 8; Christern, S. 228, hebt für Dahlmann die Gleichzeitigkeit von sittlicher, rechtlicher und politischer Motivation hervor; vgl. auch Gehrkens, Röhrbein, S. 207. 5 Am 20. 11. 1837 wurde eine Demonstration vor Dahlmanns Haus von der Obrigkeit gewaltsam unterbunden.-AAZ Beil. Nr. 353, 1837; Nr. 355,21. 12.; Nr. 357,23. 12. 1837; vgl. Saathoff, Bd. 2, S. 186; Löschburg, S. 77 f.; Kück, S. 62f; auch Dahlmann, Verständigung, S. 62; vgl. außerdem H. Schröter, Briefe Ludwig Windthorsts an seinen Schwager Ferdinand Eneelen 1834-1868, Hannover 1954, S. 70f. 6 Am 14. 12. 1837 der Prorektor; Kück, S. 67; der Jurist Mühlenbruch in seinem Kolleg; Löschburg, S. 125f; vgl. dazu Treitschke, Bd. 4, S. 669. 7 Vgl. Dahlmann, Verständigung, S. 66ff; zum Echo Löschburg, S. 129ff; Kück, S. 72ff, 105ff., 152ff.; W. Schoof, Hamburg und die Göttinger Sieben, in:ZVHG47, 1961, S. 107-111. - Eine rechtliche Würdigung bei Huber, Bd. 2, S. 102ff., der die Entlassungen als »Willkür« bezeichnete. 8 Dazu AAZ Beil. Nr. 354, 1837; Nr. 355, 21. 12.; Nr. 357, 23. 12. 1837; Saathoff, Bd. 2, S. 188; Löschburg, S. 113f; Kück, S. 117f Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Obrigkeit fanden in diesen Tagen vor den Häusern Dahlmanns, des Prorektors und Grimms sowie auf dem Marktplatz statt.
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Anmerkungen zu Seite 96-98 9 AAZ Beil. Nr. 354, 1837; Nr. 355, 21. 12. 1837; vgl. Dahlmann, Verständigung, S. 83; Oppermann, S. 141; Saathoff, Bd. 2, S. 188f. 10 Vgl. »Vertrauliche Notizen der Bundeszentralbehörde« vom November 1837; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14 Bd. 2. 11 Viele Flugblätter aus der Schweiz verbreiteten die Kampfparole «Freiheit! Gleichheit! Humanität!« - Selbst in Ostfriesland wurden briefliche Aufruhraufrufe gefunden; StAAUR, Rep. 6 Nr. 10518; dazu DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14 Bd. 1, 2; 2.4.1. Nr. 8232. Zahlreiche Schmähschriften kursierten; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 644; vgl. Löschburg, S. 78f.; Kück, S. 65ff., 123. 12 Zum Gesamtablauf ausführlich Oppermann, S. 128f., 147f., 152, 204; W. Gossel, Der Kampf um das Staatsgrundgesetz in Hannover mit besonderer Beziehung auf das Gebiet zwischen Niederelbe und Niederweser, in: SJ, 1947, S. 53-374, hier S. 54; M. Warschauer, Johannes Hermann Detmold in der Opposition (1838-1848). Ein Beitrag zur Geschichte der Hannoverschen Verfassungskämpfe und des politischen Denkens in Deutschland, Hildesheim 1926, S. 8ff. - Zu den Wahlverweigerern gehörten auch einige sonst konservative Wahlkorporationcn u. a. im Lande Hadeln. 13 Nach diesem Artikel hatte der Bund dafür zu sorgen, daß eine in anerkannter Wirksamkeit stehende Landesverfassung nicht anders als auf dem verfassungsmäßig vorgeschriebenen Weg, nämlich durch Vereinbarung von Regierung und Ständen, geändert würde. Diese Eingriffspflicht hatte einige Jahre zuvor der Bund im Verfassungsstreit des Herzogtums Braunschweig wahrgenommen. Dazu Huber, Bd. 2, S. 106ff. 14 Zit. bei Oppermann, S. 181 ff., 188ff.; vgl. Behr, Scheie, S. 192; Hannoversches Portofolio. Sammlung von Aktenstücken zur Geschichte des Hannoverschen Verfassungskampfes, Bd. 1. Stuttgart 1839, bes. S. 210; Bd. 2, 1840, S. 76ff., 91 ff., 201 ff. 15 Zu den Bundesverhandlungen Oppermann, S. 169ff., 190ff.; Schuirmann, S. 35; Warschauer, S. 38f., 58ff.; Hann. Portofolio, Bd. 3, bes. S. 70ff., 175ff. 16 Vgl. Oppermann, S. 189, 202ff.; Hann. Portofolio, Bd. 3, S. 146f.; Behr, Scheie. S. 206f.; nach Treitschke, Bd. 4, S. 682, »begannen auch die Gemäßigten zu fühlen, daß unter dem Deutschen Bunde kein Recht mehr fest stand, und in immer weiteren Kreisen verbreitete sich die Hoffnung auf einen gewaltsamen Umschwung . . .«-Für Oncken, S. 42, bedeutete der Beschluß, »daß ein Ausländer das geltende Recht eines deutschen Landes mit einem Fußtritt beiseiteschieben durfte«. - Huber, Bd. 2, S. 112, meinte, der Bund habe »der Sache des Konstitutionalismus in Deutschland einen schweren Schlag« versetzt. - Sowohl für Metternichs Politik als auch für die Absichten Ernst-Augusts gilt das Urteil von O. H. v. d. Gablentz, Reaktion und Restauration, in: Zur Geschichte und Problematik der Demokratie. Festg. f. H. Herzfeld, Berlin 1958, S. 55-77, hier S. 64: »Sein System war Klassenkampf von oben gegen den drohenden Aufstieg des dritten Standes«. 17 Zit. bei Oppermann, S. 205; zuvor hatte Bayern gegen die einseitige Auslegung protestiert; vgl. ebd., S. 214f.; Hann. Portofolio, Bd. 3, S. 147ff. - Bei der Verlesung von der Kirchenkanzel protestierten Gottesdienstbesucher in Göttingen mit »Geräuschen, Husten, Scharren«; die Universitätskirche verließen die Besucher vorzeitig. AAZ Nr. 267, 24. 9. 1839. - Mit Zischen und Pfeifen demonstrierten Besucher des Hoftheaters, worauf einige Verhaftungen erfolgten, die großes Aufsehen erregten; AAZ Nr. 5, 5. 1. 1840. 18 Aus den Reaktionen Stüves und Detmolds sprach eine Unterschätzung der Tragweite des Bundesbeschlusses; vgl. Warschauer, S. 62f.; Schuirmann, S. 53. 19 Zu den Verfassungsverhandlungen Oppermann, S. 226f.; ferner Kolb, Teiwes, S. 167ff. 20 Vgl. das Vorwort von Detmold zum Hann. Portofolio, Bd. 3, S. XI; ferner Schuirmann, S. 20f.; Warschauer, S. 48. - Geradezu absurd waren Gerüchte über Anfragen der Magistrate der Landdrostei Osnabrück, ob Bramsche der Stadt Osnabrück, »falls es dort losginge«, 2000 Mann zur Verfügung stellen wollte; StAOS, Rep. 330 I Nr. 58. 321 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Anmerkungen zu Seite 98-100 21 Allein in Osnabrück bekundeten jeweils mehrere hundert Bürger durch Unterschrift unter drei große Bittschriften ihr politisches Interesse; vgl. Oppermann, S. 198f., 202, 233. 22 Vgl. StASTD, Rep. 80 Stade Ρ Nr. 234, 253; AAZ Nr. 149, 28. 5. 1840. - Auf Helgo land trafen sich im August 1841 über 100 Landleute aus dem Bremischen mit Hoffmann ν . Fallersleben; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 650. 23 Z. B. in Weende, August 1838; AAZ Beil. Nr. 240, 1838; am Tage der vormaligen Verkündung des Staatsgrundgesetzes in Stade, AAZ Nr. 286, 13. 10. 1839; vgl. Gossel, S. 63f.; in Celle wurde jährlich als »kleine Demonstration« der Geburtstag des vormaligen Vizekönigs gefeiert; AAZ Nr. 81,22. 3. 1842.-Einepolitische Oppositionsversammlung von 150Hannoveranern aus Stade fand im Mai 1840 in Hamburg statt. 24 StASTD, Rep. 80 Stade Ρ 266. 25 Vgl. dazu ebd., Stader Geschichtsverein Cb 33; Oppermann, S. 237f.; Schuirmann, S. 19f.; Gossel, S. 66ff.; Warschauer, S. 13. 26 Ebd., S. 11ff., 17, 21, 26ff., 31; Schuirmann, S. 20f., 33f.; Oppermann, S. 179, 237. 27 C. F. Dahlmann (Hg.), Gutachten der Juristenfakultäten in Heidelberg, Jena und Tübingen, die hannoversche Verfassungsfrage betreffend, Jena 1839, bes. S. 240, 245f.; diese Schrift wurde in Hannover beschlagnahmt; HStAH, Hann. 87 Göttingen 27; dazu ferner Köhler, bes. S. 99ff. - Die Mitglieder des Osnabrücker Magistrats wurden für die Bestellung der Gutachten zur Übernahme der Kosten von der Regierung genötigt; vgl. AAZ Beil. Nr. 361, 1838; Nr. 307, 3. 11. 1842. 28 Rechtliche Grundlagen führte vor allem das Tübinger Gutachten aus; Dahlmann, Gutachten, S. 251ff. 29 So vor allem Stüve, der die Pflicht der Magistrate zur Steuereintreibung betonte; Schuirmann, S. 29; das Hamelner Bürgerkollegium wollte zunächst den Bundesbeschluß abwarten; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 642; ebd., Hann. Des. 80 Hann. I A 55 1; vgl. AAZ Nr. 2132, 31. 7. 1839; Beil. Nr. 364, 1838. 30 Dabei wurde argumentiert, das Budget 1838/39 sei nicht von einer staatsgrundgesetzlichen Ständeversammlung bewilligt worden; Schuirmann, S. 29. 31 Vgl. AAZ Nr. 17, 17. 1. 1839. 32 Vgl. AAZ Nr. 3 1 , 3 1 . l . ; N r . 32, 1. 2.;Nr. 49, 18. 2.;Nr. 58, 27. 2. 1839; unter den 366 befanden sich 85 insolvente Personen. Zu weiteren Verweigerungen ebd., Nr. 50, 19. 2.; Nr. 237, 25. 8. 1839. - In Osnabrück beschloß angeblich eine Bürgerversammlung im Gasthaus ›Musenburg‹ Steuerverweigerung und Pfändungswiderstand; StAOS, Rep. 335 Nr. 1803 I, II; vgl. dazu auch Oppermann, S. 187. 33 Das Amt hielt Aufwiegelungen für unwahrscheinlich, da die Grundbesitzer, wenn sie wollten, durch ein »einziges Wort Tausende auf ihre Seite bringen könnten«; StASTD, Rep. 80 Stade Ρ Nr. 294. - Nach einer Denunziation soll sogar ein Schultheiß Einwohner des Landes Hadeln aufgewiegelt haben; ebd., Rep. 80 Stade Ρ Nr. 237. - Noch 1841 wandten sich Tagelöhner an den König und berichteten, in einer Ziegelfabrik würden keine Einheimischen eingestellt, weil sie nicht an Steuerverweigerungen teilgenommen hätten; ebd., Rep. 80 Stade Ρ Nr. 297; vgl. Gossel, S. 59. 34 Dabei gilt es, quellenbedingte Vorbehalte zu berücksichtigen: die Behörden führten die Namenslisten unübersichtlich und mit wechselnder Intensität. Zweifellos entstand dieser Eindruck auch aufgrund der unterschiedlichen Fälligkeiten der einzelnen Steuern bei verschiedenen Zahlern. Darüber hinaus brachte der oft über mehrere Ämter oder Gerichte verstreute Landbesitz einzelner Bauern, die dann mehrfach verzeichnet wurden, Zuordnungschwierigkeiten, die nur über ein Kataster zu lösen wären, was den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Zudem befanden sich in den Listen auch Insolventen, die nach Möglichkeit ausgeklammert wurden. 35 Hauptquellenbestand war StASTD, Rep. 80 Stade Ρ 291, der ergänzt wurde durch Rep. 80 Stade Ρ 292. 36 Freie Bauern waren hier eine traditionell zahlenmäßig breite Schicht mit stark ausgepräg-
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Anmerkungen zu Seite 100-101 tem Freiheitsbewußtsein, weil sie nie einem Grundherrn hörig gewesen waren; vgl. Gossel, S. 61 f.; H.-J. Schulze, Der Regierungsbezirk Stade. Verwaltungsbezirk und historische Landschaftsbildung, in: Haase, Niedersachsen, S. 201-223. 37 Führende Familien waren die Schmoldts, Drewes, Krönkes, die in Kontakt mit den Advokaten und Prokuratoren Holtermann, Freudentheil, Süßmann und Weynecken standen; zu diesem Kreis gehörten der Arzt Henrici aus Lehe und der Landesdeputierte Sylvester aus Assel. Vgl. die Unterzeichner einer Blankovollmacht für Holtermann, StASTD, Stader Geschichtsverein Cb 33, sowie die Teilnehmerliste eines Oppositionstreffens in Hamburg, ebd., Rep. 80 Ρ Nr. 253; vgl. auch H. Allmers, Hauptmann Böse, Bremen 1884, S. 88ff. 38 Zum traditionellen Kommunikationssystem insbesondere auf dem Lande allgemein Hobsbawm, Peasants; Landsberger. 39 Vgl. StASTD, Rep. 80 Stade Ρ Nr. 295. 40 In zwei Berichten eines angeblich gut informierten Braunschweigers an den Magdebur ger Oberpräsidenten vom Juli 1839 hieß es, die Stimmung selbst auf dem platten Land werde von Woche zu Woche »übler«; Steuerverweigerungen kamen allgemein vor, besonders in den nördlichen Provinzen, wo man sie bereits im Mai allgemein besprochen habe; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14 Bd. 3; dagegen hielt die Landdrostei Stade die Stimmung nicht für bedrohlich; es liege bis Oktober kein Grund zu der Besorgnis vor, »daß dieser Widerstand allgemein werden und die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und des obrigkeitlichen Ansehens stören und hindern« werde; StASTD, Rep. 80 Stade Ρ Nr. 237; vgl. Nr. 291. - Ferner AAZ Nr. 277, 15. 8. 1839; Nr. 253, 10. 9.; Nr. 313, 14. 11. 1839. 41 Kurzzeitig geriet die Regierung tatsächlich durch einige für die Steuerbehörden negative Urteile in Verlegenheit. Beispielhaft die Klage des Advokaten Weynecken gegen das Finanzministerium; vgl. Oppermann, S. 202, 223f.; ferner Schuirmann, S. 55; AAZ Nr. 124, 4. 5. 1839. 42 Der Magistrat hatte zunächst gemeinsam unter Verfassungsvorbehalt gehuldigt und Mahnungen der Regierung mit eigenen rechtlichen Deduktionen beantwortet. Vgl. Hann. Portofolio, Bd. 1, bes. S.120f.; Oppermann, S. 144f; Schuirmann, S. 22f - Als weit übertrieben erwiesen sich Meldungen über eine Verhaftung Stüves und Unruhen in der Stadt im Dezember 1837; AAZ Beil. Nr. 359, 360, 1837; Beil. Nr. 9, 11, 1838. 43 Die erste Beschwerde vom 15. Juni an den Bund, zit. in: Hann. Portofolio, Bd. 2, S. 43, wurde von der Bundeskanzlei abgewiesen; daraufhin verfaßte der Magistrat im Juli eine abgemilderte Vorstellung, zit. in: ebd., S. 51; vgl. StdtAH, 2 A 05; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. 1 A 641. - Zur Entscheidungsfindung der Regierung vgl. Behr, Scheie, S. 195. Detmold übte starken Einfluß auf die Aktionen des Magistrats aus; vgl. Warschauer, S. 47. 44 Ebd., S. 196. - Stüve fürchtete sofort, daß die Volksmassen zu weit gehen könnten und empfahl Detmold »höchste Aufmerksamkeit und Kraftentfaltung«, damit nicht »liberale Spektakelmacher« daraus ihre Nutzen zögen; zit. nach Warschauer, S. 48. 45 HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 641; AAZ Nr. 205, 24. 7. 1839. - Die RumannAngelegenheit rege allgemein auf, berichtete der Magdeburger Oberpräsident; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14 Bd. 3. - Die Untersuchung wurde mit einigen Urteilen am 25. 8. 1842 abgeschlossen; StdtAH, 2 A 06, S-1600 A 477. 46 Die militärischen Verstärkungen Scheles führten zu einem Konflikt mit Neugierigen am 19. 7. 1839; vgl. DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14 Bd. 3; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 641; StAOS, Rep. 335 Nr. 1803 I; AAZ Nr. 202, 21. 7. 1839; die Erregung baute sich schnell wieder ab; vgl. HStAH, Dep. 103 IX C Nr. 43 Kasten 910; AAZ Nr. 208, 27. 7. 1839. 47 Hier wurden Gesundheiten auf Rumann und Stüve ausgebracht und über 200 Unterschriften für eine Adresse an den hannoverschen Stadtdirektor gesammelt. Ferner habe man beschlossen, »nicht allein keine Steuern mehr zu zahlen, sondern auch sich nicht mehr auspfänden zu lassen«; StAOS, Rep. 335 Nr. 1803 I, II. 48 AAZ Nr. 25, 25. 1. 1840; vgl. auch Oppermann, S. 219f.
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Anmerkungen zu Seite 102-103 49 Vgl. ebd., S. 18f., 69f.; dort auch zum wichtigen Problem der Öffentlichkeit; Behr, Ständetum, S. 143. 50 Die Erleichterung betrug durchschnittlich etwa 10 v. H. der Gewerbe- und Personensteuer; errechnet nach Lehzen, Bd. 1, S. 354f. - Durchaus treffend charakterisierte der Hamelner Amtmann die Stimmung: Dem Untertanen sei es gleichgültig, »nach welcher Form regiert werde, wenn nur die Regierung ihm alle seine bisherigen Vergünstigungen und Vorteile uneingeschränkt zu Teil werden lasset«; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 55 I; vgl. StAAUR, Rep. 6 10497, 10498, 10499. 51 Vgl. den Bericht aus Hannover von G. W. Meyer, Juli 1839; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14 Bd. 3. 52 Detailliert dazu Behr, Scheie, S. 155ff. 53 Vgl. dazu Oppermann, S. 253, 255f. - 1840 drohte die Regierung im Falle der Wahlverweigerung bäuerlicher Korporationen mit der Wiedereinführung von Chausseebaudiensten und bürgerlichen Wählern mit Entzug der Garnison und dem Stop öffe3ntlicher Bauten; vgl. Anschreiben an die Landdrosteien v. 4. 9. 1841; zit. in: Hann. Portofolio, Bd. 4, S. 431f. AAZ Nr. 5, 5. 1. 1841, meldete die Einstellung des Chausseebaues im Lande Wursten wegen Wahlverweigerung. 54 Vgl. Oppermann, S. 200, 254; Schuirmann, S. 56f.; Warschauer, S. 19; zudem verlor Stüve durch seine weitgehende Orientierung an der Osnabrücker Stadtrechtstradition an Einfluß auf die Liberalen, was sich gerade 1848 bemerkbar machte; dazu die kritische biographische Skizze von Sheldon, Stüve. 55 Zu den Untersuchungspraktiken vgl. die Beschwerden einiger Grundbesitzer; StASTD, Stader Geschichtsverein Cb 33; ferner vgl. Schuirmann, S. 27f.; Gossel, S. 57, 64ff. 56 Vgl. Oppermann, S. 238; Behr, Scheie, S. 214; Gossel, S. 60; Warschauer, S. 71. 73ff.; Allmers, S. 91. - Nachdem 1842 in einem anonymen Brief aus Neuchatel Wehner, Böse, Breusing, Christiani und Stüve beschuldigt wurden, Revolutionsabsichten zu hegen, ordnete die Regierung erneut heimliche Überwachung an; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. 1 A 55/1. 57 Auf militärisches Einlager ließen es, soweit bekannt, nur Holtennann und Böse ankommen; Gossel, S. 71 f.; Allmers. S. 91f.-Zwischenzeitlich herrschte bei den Behörden Verhaltensunsicherheit gegenüber den Verweigerern; vgl. StASTD, Rep. 80 Stade Ρ 292, 296; StAOS, Rep. 335 Nr. 1802 I; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 55/1; AAZ Nr. 253, 10. 9.; zur Repression vgl. StASTD, Rep. 80 Stade Ρ 292. - Zum besseren Schutz der in Stade gelagerten Waffen wurde bei der keineswegs »erwünschte(n)« politischen Stimmung die Garnison verstärkt; ebd., Rep. 80 Stade Ρ 237. 58 Die Anweisung zit. bei Oppermann, S. 208f.; allgemein zur Offensive der Regierung Behr, Scheie, S. 213f. - Das Obergericht Hadeln versuchte, sich dieser Aufgabe mit dem Hinweis zu entziehen, daß ihm die Verfügung über die Polizei nicht zustünde; StASTD, Rep. 80 Stade Ρ 237. 59 Vgl. dazu den Bestand HStAH, Dep. 103 IX C; ferner Oppermann, S. 222. 60 Dazu ebd., S. 171; Behr, Scheie, S. 174f; Kück, bes. S. 14; Salomon, Bd. 3, S. 370ff.; G. Sommer, Die Zensurgeschichte des Konigreichs Hannover, Quakenbrück 1929, S. 42, 44ff.; H. Gerstenberg, Die Hamburgische Zensur in den Jahren 1819-1848, Hamburg 1908, S. 21; Baasch, Zeitungswesen, S. 23ff.; ders., Geschichte, S. 62ff. - Im Königreich Hannover war die Zeitungsdichte ohnehin die geringste aller deutschen Staaten mit Ausnahme von Luxemburg und Österreich; 77 512 Einwohner kamen statistisch auf eine politische Tages- oder Wochenzeitung; F. W. v. Reden, Statistische Ergebnisse der deutschen periodischen Presse, in: ZVdS 2, 1848, S. 244—249. - Der Preußische König meinte, in dieser Angelegenheit seien die Zensoren »außer Rand und Band«; zur Zensur in Preußen über die hannoversche Verfassungsfrage siehe DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14Bd. 2, 3, 4; 2.4.1. Nr. 8175. 61 Nicht unrealistisch hieß es in der AAZ Beil. Nr. 354, 1837, daß der Verfassungsstreit z. Τ. von Gefühlen entschieden werde, die der König auf seiner Seite habe. Vgl. zur Reisetätig-
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Anmerkungen zu Seite 103-105 keit Oppermann, S. 166f.; Schuirmann, S. 26f.; Behr, Scheie, S. 160, 183. - Daß monarchische Selbstdarstellung auch Risiken barg, zeigte ein Zapfenstreich am Vorabend des Königsgeburtstages 1839; wegen Widersetzlichkeit wurden einige der neugierigen Zuschauer verhaftet; AAZ Nr. 163, 12. 6. 1839. - Heftigen Unwillen erregten die Sektionsführer der Schützengarde, als sie 1840 dem König ein Gedicht vortrugen, von dem die Gardisten vorher nicht unterrichtet waren; als politische Demonstration wurde ihr Rücktritt verlangt; ebd., Nr. 96, 5. 4. 1839; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 55/1. - In Hildesheim kam sogar eine Demonstration gegen einen staatsgrundgesetzlichen Oppositionellen zustande; ebd., Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 911; AAZ Beil. Nr. 315, 1838. 62 Vgl. Oppermann, S. 177f.; Schuirmann, S. 17f.; Schröter, S. 11. 63 Die Ostfriesen verfolgten weiterhin den Weg völligen Desinteresses für »innerhannoversche« Vorgänge; parallel zur Landesverfassung zeichnete sich seit 1840 in der Provinzialfrage ein Kompromiß mit Ernst-August ab; vgl. Oppermann, S. 167; Behr, Ständetum, S. 144f.; Schmidt, S. 387ff.; H. Borkenhagen, Ostfriesland unter der hannoverschen Herrschaft 1815-1860, Aurich 1924, S. 68ff.; P. Klein, S. 63ff. 64 Gegen die Zusammensetzung der ersten Kammer nach einem Verfassungsentwurf von 1838 entstand Opposition eines Teiles des ritterschaftlichen Adels, der seine Vertretungsinteressen verletzt sah; sie konzentrierte sich auf Scheie. Bei den Verfassungsverhandlungen setzte sich der Adel energisch für ein Zustimmungsrecht der Stände ein, um vor Reformanwandlungen der Regierung sicher zu sein; vgl. Behr, Scheie, S. 177f., 181 f.; Schuirmann, S. 63f. 65 Zur internationalen Lage vgl. Hagen, S. 606ff. 66 Sehr abwägend das Urteil der Opposition; Hann. Portofolio, Bd. 4, S. 50ff.; Schuirmann, S. 59ff., sieht im Verfassungskompromiß eine Niederlage der Regierung; Behr, Scheie, S. 220f., stellt fest, daß Scheie sein Programm nicht durchsetzen konnte; nach Huber, Bd. 2, S. 114, habe es sich für den König nicht gelohnt, »das Odium des Verfassungsbruchs auf sich zu nehmen und das Land in einen erbitterten Verfassungsstreit zu stürzen«. - Im Herzogtum Braunschweig sahen sich Teile der Ritterschaft ermutigt, einen Vorstoß zur Veränderung der Verfassung zu unternehmen, der jedoch am Herzog scheiterte; er stärkte bewußt die gemäßigt liberalen Kräfte um Steinacker; vgl. A. C. E. v. Grone, Sammlung einiger Urkunden und Aktenstücke der korporativen Rechte und Verfassungsverhältnisse die Wolfenbütteler Ritterschaft betreffend . . ., Hannover 1843; Bode, Beiträge; J . L. C. Hetmuth, Über den Versuch einiger ritterschaftlicher Gutsbesitzer, eine eigene korporative Verfassung im Herzogtum Braunschweig zu bilden, Braunschweig 1843; Ziegenbein, S. 109ff.
Kapitel 2.5. 1 Vgl. Gallois, Bd. 3, S. 256. 2 Die Zahlen betrugen 1829:123; 1830:150; 1831:180; nach Siemens, S. 851. Vgl. dazu auch die Angaben über die Veränderung des Häuserbestandes bei F. H. Neddermeyer, Zur Statistik und Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburg 1847, S. 210, sowie die Tätigkeit der Handelsgerichte mit Angaben über die Zahl der Vergleiche, ebd., S. 485; siehe auch Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 59. 3 Vgl. Baasch, Geschichte, S. 42f.; Gallois, Bd. 3, S. 107f; auch Hudtwalcker, Bd. 3, S. 363f; G. Seelig, Die Julirevolution in Hamburg, in: Der Lotse 1, 1900/01, S. 131-136, hier S. 134f.; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 59f. 4 Ebd., S. 59; Gallois, Bd. 3, S. 250ff. - Breite Bevölkerungsschichten waren über das Vorgehen des Rates gegen den Offizier to der Horst empört; in diesem Zusammenhang kam es 1826 anläßlich einer Sonntagsparade zu Mißfallenskundgebungen, die Verhaftungen zur Folge hatten. Der Protest wiederholte sich an zwei folgenden Wochentagen; große Erregung rief der aufkeimende Mystizismus um Rautenberg, Wichern u. a. hervor. Dazu StAHH, Polizeibeh. -
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Anmerkungen zu Seite 106-108 Kriminalw. C. Jg. 1826 Nr. 211; AAZ, Beil. Nr. 258, 1826; vgl. Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 60. 5 Vgl. Kramer, S. 100, 161; zur Zensur siehe auch Gerstenberg, S. 19, 32, 34. 6 Vgl. Seelig, S. 131; Kramer, S. 160f.; zur politischen Stimmung Eichstädt, S. 97f.; P. E. Schramm, Hamburg, Deutschland und die Welt. Leistung und Grenzen hanseatischen Bürgertums in der Zeit zwischen Napoleon und Bismarck, München 1943, S. 202; Bolland, Bürgerschaft, S. 23. 7 Zur Situation in Hamburg siehe AAZ Nr. 157, 13. 9. 1816; Nr. 167, 15. 6. 1817; Nr. 242, 30. 8. 1817; ferner H. Krohn, Die Juden in Hamburg 1800-1815. Ihre soziale, kulturelle und politische Entwicklung während der Emanzipationszeit, Frankfurt 1967, S. 10f., 20ff.; Schramm, S. 338ff. Außerdem allgemein R. Rürup, Emanzipation und Antisemitismus. Studien zur »Judenfrage« der bürgerlichen Gesellschaft, Göttingen 1977; W. J . Cahnmann, Wirtschaftliche und gesellschaftliche Ursachen der Judenfeindschaft; in: F. Böhm u. W. Dirks (Hg.), Judentum. Schicksal, Wesen und Gegenwart, Wiesbaden 1965, S. 632-679, bes. S. 639ff.; die Einleitung von M. Richarz, Jüdisches Leben in Deutschland. Selbstzeugnisse zur Sozialgeschichte 1780-1871, 0. 0. 1976, bes. S. 25, 58ff.; sowie M. Behnen, Probleme des Frühantisemitismus in Deutschland (1815-1848), in: BdL 112, 1976, S. 244-279; ausführlich M. Zimmermann, Hamburgischer Patriotismus und deutscher Nationalismus. Die Emanzipation der Juden in Hamburg 1830-1865, Hamburg 1979, S. 23ff. 8 Dazu StAHH, Cl VII Lit. Lb No 18 Vol. 8 Fasc. 1; ferner AAZ Nr. 243, 31. 8. 1819; Nr. 244, 1. 9. 1819;Nr. 246, 3. 9. 1819; sowie E. Sterling, Anti-Jewish Riots in Germany 1819: A Displacement of Social Protest, in: Historia Judaica 2, 1950, S. 105-142, bes. S. 134ff.; I. Kracauer, Geschichte der Juden in Frankfurt a. M. (1150-1824), Bd. 2, Frankfurt 1927, S. 491 ff. 9 Weil die Juden darin nicht ausdrücklich als Quelle der Unruhen benannt wurden. - Der Abend des 25. August stellte den Höhepunkt dar: Eine Infanteriepatrouille wurde auf dem Jungfernstieg von Tumultanten behindert und bis zur Hauptwache verfolgt, wo die Menge unter Hurrah ihre Stärke demonstrierte. In der Marktstraße warfen ca. 300 Protestler dort wohnenden Juden die Fenster ein. Ein anrückendes Militärkommando wurde mit Steinen beworfen, worauf es mit gefälltem Bajonett vorging. - Insgesamt wurden an 16 Häusern die Fensterscheiben demoliert; zur allgemeinen Stimmung vgl. AAZ Nr. 247, 4. 9. 1819. 10 Zit. nach ebd.; vgl. außerdem AAZ Nr. 250, 7. 9,;Nr. 269, 26. 9. 1819; sowie Hudtwalkker,Bd. 2, S. 569f. 11 Vgl. Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 61f.; außerdem einen Bericht aus Hamburg; DZM, 2.4.1. Nr. 8172. 12 Nach dem Brief eines Unbekannten an den Bremer Bürgermeister Gröning, 4. 9. 1830; StAHB, 2-D-20.b.2.a.; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 353f., 357f; Seelig, S. 132; F. Gabe, Hamburg in der Bewegung von 1848-49, Heidelberg 1911, S. 21 f.; M. Zimmermann, S. 31 ff.; vgl. ferner A A Z Nr. 253, 10. 9. 1830. 13 StAHB, 2-D-20.b.2.a.; Brief von F. T. Schmidt aus Hamburg, 7. 9. 1830; StAOL, Best. 70 Nr. 3517; Seelig, S. 132. 14 J . A. Prell, Darstellung der Unruhen weniger Tage in Hamburg, Hamburg 1830, S. 10. Der Verfasser war der Chef des Bürgermilitärs. 15 StAHH, CL VII Lit. Me No. 12 Vol. 4; StAHB, 2-D-20.b.2.a.; Hudtwalcker, Bd. 3, S, 457; Seelig, S. 132; M. Treu, Die Hamburger Unruhen im September 1830, in: MHG 46, 1930, S. 178-184, hier S. 1 7 9 . - E i n anderer Versuch, Gefangene aus einer Nachtwächterwache zu befreien, wurde ebenfalls von den Ulanen abgewehrt. 16 Zur Abwehr nochmaliger Übergriffe errichtete die Menge auf dem Jungfernstieg Barrikaden aus Stühlen und Tischen. StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4; vgl. Polizeibeh.Kriminalw. C, Jg. 1831 Nr. 574; StAHB, 2-D-20.b.2.a.; Dammami, S. 238; Prell verschwieg diesen Zusammenstoß und versuchte, den Anschein von Eintracht zwischen beiden Formationen zu erwecken.
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Anmerkungen zu Seite 108-110 17 StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4; vgl. für diesen Tag AAZ Beil. Nr. 257, 1830; StAHB, 2-D. 20.b.2.a.; hier wurde von vielen Verwundeten und einigen Toten berichtet, die sonst nirgends erwähnt wurden. Dazu ferner Hudtwalcker, Bd. 3, S. 355, 358ff.; Treu, S. 179f. 18 Extrakt Protokoll der Oberalten-Sitzung, 4. 9. 1830; StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4; vgl. Hudtwalcker, Bd. 3, S. 355; Seelig, S. 133. 19 StAHH, Cl. II Lit. Me No. 12 Vol. 4; nach Prell, S. 7, umfaßte das Bürgermilitär 7486 Personen; 1841 gehörten 10580 Männer zum Bürgermilitär, zur Garnison und zu den Nachtwächtern; Neddermeyer, S. 728. 20 Zur Rechtfertigung berichteten die Soldaten ihre Befürchtung, »der wahnsinnige Pöbel möchte die wilden Tiere loslassen«, die im Vergnügungsviertel vorgeführt wurden. - Abermals durch Schüsse wurde eine Menge zerstreut, die am Abend auf die Soldaten schimpfte. Bedeutenden Anteil an den Aktionen dürften Matrosen gehabt haben, weshalb sich der Senat an die Konsuln wandte, ausländischen Schiffsbesatzungen möglichst keinen Landgang zu gewähren. - Dazu der ausführliche Bericht der militärischen Führung; StAHH, Cl. VII Lit. M e No. 12 Vol. 4; ferner Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831 Nr. 573; AAZ Beil. Nr. 257, 261, 1830; sowie Hudtwalcker, Bd. 3, S. 356f., 360ff.; Seelig, S. 133f.; Treu, S. 181 ff.; zum Tumultmandat Neddermeyer, S. 520. 21 Extrakt der Oberalten-Sitzung, 6. 9. 1830, berichtet von einem Toten und 10-12 Verwundeten; StAHH, Cl. II Lit. Me No. 12 Vol. 4; AAZ Beil. Nr. 257, 1830, übernahm die offiziellen Angaben; in der Beil. Nr. 260, 1830, sprach sie von 15 Getöteten unter den Schaulustigen - zwei Kinder darunter - und vielen Verletzten; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 63, berichtet von 11 Schwerverletzten, von denen 6 starben. 22 StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831 Nr. 575; vgl. Hudtwalcker, Bd. 3, S. 362; Seelig, S. 134. - V o n den 14 Verhafteten waren 10 bereits vorbestraft; das wegen Beteiligung an der Aktion auf dem Stadthaus ergangene Strafmaß reichte von 8 Tagen Arrest bis zu einem Jahr Gefängnis. - Unklar blieb ein möglicher Zusammenhang von Arbeitsniederlegungen der Schuster Anfang 1831 mit den Septemberunruhen; vgl. J . M. Lappenberg (Hg.), Sammlung der Verordnungen der Freien Hansestadt Hamburg seit deren Wiederbefreiung im Jahre 1813 bis 1865, Bd. 11, Hamburg 1832, S. 294; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 86. 23 Extrakt Protokoll der Oberalten Sitzung, 8. 9. 1830; StAHH, Cl. Lit. Me No. 12 Vol. 4. 24 Angaben über die Teilnehmerzahlen für die Judentumulte schwankten zwischen 1000 und 6000-7000 auf dem Jungfernstieg; »über 1000« besaß für die Menge am 2. September die größte Wahrscheinlichkeit. Das Militär als Berichterstatter hatte angesichts seines Erfolges keinen Grund, die Bedrohung durch die Menge zu untertreiben. Ebd.; AAZ Nr. 253, 10. 9. 1830. 25 Derartige Charakteristika kleinbürgerlicher Mentalität arbeitet Leppert-Fögen, S. 10, heraus. 26 Sie mußten für ihre »bürgerliche Nahrung« das Bürgerrecht erwerben, das mit Bürgermilitärdienstpflicht verbunden war; vgl. Dammann, S. 221, 230; Gabe, S. 11; N.A. Westphalen, Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 2 Bde, Hamburg 18462, hier Bd. 2, S. 385ff. 27 StAHH; Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831, Nr. 575; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 361, erwähnt weitere Disziplinlosigkeiten. 28 Zahlenangaben dazu bei Neddermeyer, S. 22ff. 29 Für sie konnte möglicherweise zutreffen, was die Obrigkeit in vergleichbaren Situationen zu betonen pflegte, daß sie nämlich von interessierten »Gönnern« berauscht und aufgehetzt worden seien. In Hamburg hatten die vielen Schankwirte allen Grund, den Protest zu fördern; denn infolge einer Akziseanordnung von 1829 litten sie unter großem Umsatzrückgang. So sank die konsumierte Menge von 413000 Bouteillen 1829 auf 356000 im Jahre 1830. Dieser Rückgang traf zu etwa 85 v.H. die kleinen Schankwirte, deren Funktion als Kommunikationszentrum ihnen durchaus die Gelegenheit bot, eigene Unzufriedenheit auf die Gäste zu übertra-
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Anmerkungen zu Seite 111-113 gen. Vgl. ebd., S. 22ff., 296, 559; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 363; Gallois, Bd. 3, S. 110; Seelig, S. 133. 30 StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4; siehe ferner Hudtwalcker, Bd. 3, S. 358ff.; See/ig, S. 132; Treu, S. 180. 31 Prell, S. 23; Extrakt Protokoll der Oberalten-Sitzung, 4. 9. 1830; StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4; in diesem Sinn auch der Bericht der AAZ Nr. 251, 8. 9. 1830; sowie Allgemeine Zeitung und Anzeigen Nr. 109, 10. 9. 1830; Helmstädter Zeitung Nr. 12, 15. 9. 1830. Über eine solche Einschätzung äußerte sich selbst der Senator Hudtwalcker, Bd. 3, S. 363, skeptisch; vgl. auch Treu, S. 180f.; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 63, nennt als Träger »Arbeitsleute, Tischler, Bürstenmacher, vor allem jedoch Ewerführerknechte«. 32 StAHH, Cl. VII Lit. Cb No. 5 Vol. II Fase. 8. 33 Ebd.; Baudeputation am 25. 1. 1832. 34 Extrakt Senatsprotokoll, 20. 10. 1830; ebd.; vgl. Gallois, Bd. 3, S. 324. 35 Durch Einschränkung der Bautätigkeit verloren in diesen Monaten weitere 600 Personen ihre Arbeit. - StAHH, Cl. VII Lit. Cb No. 5 Vol. II Fasc. 8; Β 98 Bd. 7; Protocollum der Bau Deputation No. VII von August 1831 bis Oktober 1833, S. 155; vgl. ferner S. 147, 149, 412; Lappenberg, Bd. 12, S. 78. Eine Erwähnung der Vorkommnisse auch bei Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 86; die wachsende Not drückte sich in der Anzahl der Portionen der Armenspeisung im benachbarten Altona aus: 1829/30:9000; 1830/31:30-60 000; 1831/32:118000; zit. bei A. Flor, Arbeitslöhne und Lebensmittelpreise, auch Wohltätigkeitsanstalten in Altona, in: ZVdS 1, 1847, S. 900-911, hier S. 908. Die Zahl der eingezeichneten Armenfamilien in Hamburg stieg von 2666 im Jahre 1830 auf 2998 1832. Infolge der Cholera gab es ab Oktober 1831 15000 Armenkranke; bei der zweiten Cholerawelle waren es sogar 18000; Siemens, S. 841, 843; die Epedemie forderte 2100 Todesopfer, ausnahmslos aus unteren sozialen Schichten. Vgl. Gallois, Bd. 1, S. 692; Bd. 2, S. 410, 414, 423f. 36 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 688; Bd. 3, S. 108. 37 Untersuchungsakten und Gerichtsakten sind nicht mehr vorhanden. - Nach Extrakt Protokoll der Oberalten-Sitzung, 8. 9. 1830, StAHH, Cl. VII Lit. Me. No. 12 Vol. 4, wurden stündlich we3itere Verhaftete eingeliefert; 66 seien bereits registriert; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 362, selbst sprach von 60 Arretierten für den 7. 9. 1830. 38 Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 63; Gallois, Bd. 3, S. 110; Treu, S. 183, meinte, die Strafen seien hoch gewesen, um Abschreckung zu bewirken. 39 Zur vollen politischen Beteiligungsberechtigung gehörte neben dem Bürgerrecht noch Grundbesitz als Qualifikationsmerkmal; ein solches »Erbe« mußte nach dem Grundgesetz von 1772 mindestens 1000 Taler im Stadtgebiet oder 2000 Taler im Landgebiet unbelastet umfassen. 40 Ein Besuch von über 300 galt bereits als »zahlreich«; Gallois, Bd. 2, S. 688; als sog. »Freiwillige« der Erbgesessenen nahmen sogar nur durchschnittlich 50-60 an den Konventen teil; Levy, S. 43; vgl. auch Seelig, S. 135; Baasch, Geschichte, Bd. 1, S. 15; Gabe, S. 7f.; zur politischen Stimmung Eichstädt, S. 97f. 41 Vgl. »Erzählung der Unruhen im August 1831« in StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5; ferner Baasch, S. 18f.; Gallois, Bd. 1, S. 693f.; Bd. 3, S. 328ff.; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 360. - Bürgerliche Bevölkerungskreise bekundeten ihr Vertrauen in den petitionistischen Weg auf einer Versammlung am 3. 9.; am 6. 11. reichten sie eine Supplik mit 200 Unterschriften für eine Integration in die Stadt ein. 42 Oberalte verwalteten das Kirchvermögen der fünf Kirchspiele der Stadt. Sie bildeten in ihrer Gesamtheit eines der drei bürgerlichen Kollegien und fungierten als Wächter über die Einhaltung der Gesetze, als beratende Behörde für den Senat und als Repräsentanz der Bürgerschaft. 43 Am 2. August besprach eine Bürgerversammlung die eingetretene Lage. Vor dem Versammlungslokal sollen bereits Menschenansammlungen stattgefunden haben. StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5; vgl. Hudtwalcker, Bd. 3, S. 381.
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Anmerkungen zu Seite 113-116 44 Vgl. ebd.; völlig diffus die Angaben hierzu bei Dammann, S. 239; siehe StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5. - Gleich nach Toresschluß warfen drei Männer eine Laterne ein, von denen zwei verhaftet wurden. 45 Ebd.; sowie Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831 No. 469, 539. - An diesem Tag war die Stimmung zusätzlich durch die Pleite der Zentralkasse erregt. Vgl. Hudtwalcker, Bd. 3, S. 381, 384; Gallois, Bd. 2, S. 692; Bd. 33, S. 407f. 46 Ebd., Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 382. - In der Stadt wurden abends Ansammlungen am Schweinemarkt, dem Ausgangspunkt der Demonstration am Vortag, zerstreut. 47 StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5; Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831 Nr. 539; Jg. 1832 Nr. 37. 48 Da der Senat das vorstädtische Bürgermilitärbataillon »als faktisch aufgelöst« ansah, sollten Soldaten entsandt werden, um »nötigenfalls mit Gewalt die Ruhe herzustellen«. Nach dem vorjährigen brutalen Vorgehen auf dem Hamburgerberg empfand die Bürgermilitärführung eine solche Maßnahme als Provokation. Ebd., Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5. 49 Erschreckt meinte Hudtwalcker, Bd. 3, S. 383, daß das Büxgermilitär eine politische Potenz darstelle, »die den sicheren Kern des Untergangs der Verfassung in sich trage . . .« 50 Ebd., S. 384; Baasch, Geschichte, S. 19; Gallois, Bd. 3, S. 352. 51 Vgl. ebd., Bd. 3, S. 590. 52 Zu den Urteilen vgl. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1831 Nr. 539, Jg. 1832 Nr. 37; Extrakt Senatsprotokoll, 25. 1. 1832 in: Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 5. - Die Bürgergardisten wurden wegen Teilnahme am 4. 8., frevelhafter Reden über Gefangenenbefreiung und Verhinderung des Torschließens verurteilt. Wegen gleicher Delikte erhielten 9 andere Verhaftete Strafen zwischen 8 Tagen Gefängnis und 6 Monaten Zuchthaus. Nur spärliche Berufsangaben lagen über die Verhafteten vor: 3 Säger, 3 Arbeitsmänner, 1 Packer. Hudtwalkker, Bd. 3, S. 381, hielt Holzsäger und »andere Deicher« für die Träger der ersten Demonstration. 53 Vgl. dazu die Fälle in StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1815 Nr. 112; Jg. 1817 Nr. 4; Jg. 1822 Nr. 157; Jg. 1817 Nr. 159; Jg. 1821 Nr. 340; Jg. 1822 Nr. 7; sowie AAZ Nr. 279, 6. 10. 1815; Nr. 115, 25. 4. 1821. 54 Zit. nach Dammann, S. 229, vgl. auch 176f. - Allgemein dazu auch J. Calliess, Militär in der Krise. Die bayerische Armee in der Revolution 1848/49, Boppard 1976, S. 48ff. 55 Definitionsmacht ist die »sozial vorstrukturierte Chance, eine Situation für andere verbindlich zu definieren«; sie macht die Ordnungskräfte »zum Herrn der Situation« qua gesetzlicher Delegation oder durch außergesetzliche Anmaßung. J . Feest u. E. Blankenburg, Die Definitionsmacht der Polizei. Strategien der Strafverfolgung und sozialen Selektion, Düsseldorf 1972, S. 19f. 56 Vgl. Dammann, S. 175; dazu außerdem den Bremer Senatsbeschluß v. 22. 10. 1830; St AHB, 2-D-20.b.2.a.: Seit einiger Zeit gäbe es Beschwerden, »daß die Soldaten zum Nachteil der Bürger zu vielen Arbeiten gebraucht würden«. 57 Z. T. wurden die Löscharbeiten völlig chaotisch durchgeführt. Vgl. dazu die recht zuverlässigen Beschreibungen von F. Sass, Geschichte des Hamburger Brandes mit Wünschen für das neue Hamburg, Leipzig 1842, S. 11 ff.; und H. Schieiden, Versuch einer Geschichte des großen Brandes in Hamburg vom 5.-8. Mai 1842, Hamburg 1842, S. 35 ff., 65 ff., 114 ff. - Eine ausführliche, kommentierte Bibliographie erstellte J . Heckscher, Die Literatur des großen Brandes von Hamburg 1842, in: ZVHG 11, 1903, S. 25-183. 58 Wie er sie in Proklamationen verzweifelt beschwor; zit. bei Schieiden, S. 273; vgl. Sass, S. 30, 33; Gallois, Bd. 3, S. 617f 59 Sass, S. 15ff, 39ff.; ferner eine Reihe von Kriminaluntersuchungen, StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1842 Nr. 1335, 1354, 1362, 1387, 1432, 1433, 1447. Der Wirt der Alsterhalle z. B. verteilte bereitwillig an die Menge Getränke und Lebensmittel; er wurde wenig
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Anmerkungen zu Seite 116-118 später vom Bürgermilitär auch noch verhaftet. - Vgl. auch die Tabelle der Polizeisachen bei Siemens, S. 849, die für »Verübte grobe Frevel, Unfug und begangene Tätlichkeiten« und »Diebstahl« eine eindeutige Spitze anzeigte. - Oft verteilten die Besitzer ihre Waren, weil sie wegen Mangel an Transportmöglichkeiten sonst von den Flammen vernichtet worden wären. Vgl. Schieiden, S. 119f., 155f.; aus Angst, die Zahl der potentiellen Plünderer zu erhöhen, lehnte der Senat ein Mecklenburgisches Angebot ab, Chausseearbeiter zum Löschen zu entsenden. 60 Sass, S. 66, geht über die offiziellen Angaben hinaus; Schieiden, S. 224, 308ff., nach dem hier zitierten »Stand- und Gewerbeverzeichnis« der Abgebrannten bildeten mit 552 die »Arbeitsleute« die größte Gruppe der 5042 registrierten Personen; dann kamen 285 »Näherinnen, Putz- und Händearbeiterinnen« gefolgt von 72 »Arbeitsfrauen«. 61 Allgemein dazu Smelser, S. 99, 140ff., 240; vgl. auch B. Moore, Totalitäre Elemente in vorindustriellen Gesellschaften, in: Ders., Zur Geschichte der politischen Gewalt, Frankfurt 1966, S. 30-84, hier S. 37. 62 Rivalität zwischen englischen Fabrikarbeitern und einheimischen »Arbeitsleuten« hatte vorher bereits zu einigen blutigen Wirtshausschlägereien geführt. - Der Senat versuchte, die englischen Ingenieure durch öffentliche Erklärungen zu schützen. Vgl.3Sass,S. 53ff.; Schieiden, S. 170ff.; StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C,Jg. 1842 Nr. 1334, 1335; sowie den allgemeinen Stimmungsbericht des Bürgermeisters Petersen, zit. bei Schramm, S. 144f.; ferner Gallois, Bd. 3, S. 633. - In der AAZ Nr. 133, 13. 5. 1842, hieß es übertreibend, einige Brandstifter seien totgeschlagen, mehrere vom Volk erwürgt; wesentlich realistischer die Schilderung in Nr. 136, 16. 5. 1842: »Viele Engländer sind verhaftet, manche darunter vielleicht unschuldig; denn es genügte, daß jemand ein Wort englisch sprach oder nur wie ein Engländer aussah, um sich arretiert oder auch mißhandelt zu sehen«. 63 Vgl. einen von der Zensur verbotenen Artikel, zit. bei Kramer, S. 216f; außerdem einen Stimmungsbericht, zit. bei Bolland, Bürgerschaft, S. 23ff - Allgemein zum Problem erhöhter normativer Spannung nach einer Katastrophe Smelser, S. 224. 64 Zit. bei Schieiden, S. 294f. 65 Hauptforderungen waren die Trennung von Verwaltung und Justiz, Partizipationsausweitung innerhalb der bestehenden sozialen Schranken durch eine Veränderung des Wahlmodus für die bürgerlichen Kollegien sowie ein Initiativrecht für die Bürgerschaft; auf die Verfassungsdiskussion soll im einzelnen hier nicht eingegangen werden. Vgl. auch Nirrnheim, S. 142ff.; ausführlich Levy, S. 28ff., 47ff, 74ff.; Gallois, Bd. 3, S. 647 f.; Gabe, S. 29, 42ff.; R. Lüdemann, Hamburgs Verfassungskampf während der letzten 10 Jahre, in: Die Gegenwart 9, 1854, S. 397-471, hier S. 398ff., bes. S. 405. 66 Nämlich im Juni und Juli 1842 sowie im April 1843; vgl. ebd., S. 398ff.; Nirrnheim, S. 143; Levy, S. 31ff. 67 Vgl. Lüdemann, S. 407; Baasch, Geschichte, S. 82f. 68 Vgl. Lüdemann, S. 408ff. 69 Nachdem sich Rat und bürgerliche Kollegien geeinigt hatten, wurde die Bürgerschaft befragt, die ohne Diskussion der Vorschläge ablehnen oder zustimmen konnte; die Abstimmung erfolgte getrennt in den fünf Kirchspielen, deren einfache Stimmenzahl den Ausschlag gab. 70 Schieiden, S. 315. - Vgl. Nirrnheim, S. 147; D. Bavendamm, Von der Revolution zur Reform. Die Verfassungspolitik des hamburgischen Senats 1849/50, Berlin 1969, S. 19f. - Zu den oft erregten Auseinandersetzungen in den Kirchspielberatungen siehe Lüdemann, S. 415. 71 Die Obrigkeit beobachtete die Vereinsentwicklung mit großem Argwohn. Über den Juristenverein meinten die Oberalten im September 1846, daß er »auch politische Gegenstände in seinen Kreis zu ziehen und insbesondere durch vorgreifliche Mittel auf die Rat und Bürger Konvente einzuwirken beabsichtigt«. Wenn diese Tendenzen alle Korporationen und Vereine verfolgten, könne die Gefahr eintreten, »wo dann (noch schlimmere Folgen zu geschweigen) zu
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Anmerkungen zu Seite 118-120 erwarten wäre, daß sich unsere Erbgesessene Bürgerschaft in vorher gestimmte, jeden Gegenstand einseitig behandelnd, lotterien und demzufolge in viele, den festen Gang der Gesetzgebung und die unbefangene Überlegung vereitelnde, also auch nichts zustande bringende Oppositions-Elemente auflösen würde«. StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 7. - Zum Vereinswesen allgemein und den einzelnen Vereinen Nirrnheim, S. 146; Laufenberg, Arbeiterbewegung, 69ff.; Gallois, Bd. 3, S. 710f.; A. Obst, Geschichte der Hamburgischen Bürgervereine, Hamburg 1911, S. 16ff.; Lüdemann, S. 417, 419; J . Bolland, Juristen im Verfassungskampf Gründung und Wirken des Vereins Hamburgischer Juristen 1846-1860, Hamburg 1956, S. 7ff. - Zur Bildungsgesellschaft für Arbeiter StAHH, Serie V Lit. R Nr. 203. 72 Vgl. Sass, S. 70; bes. E. Singer, Die Entstehung der hamburgischen Staatsanleihen 1801-1857, Diss. Hamburg 1916, S. 24ff.; ferner W. Vogel, Der Brand von Hamburg 1842 und die preußischen Hilfsmaßnahmen, in: Mendelssohn-Studien 2, 1975, S. 103-140, hier S. 109ff.; Behrends, S. 22f., 30ff.; Wagner, S. 595; dazu das Urteil von Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 69f. 73 StAHH, Sammelband »Das geheimnisvolle Haus«; 1841 war es in diesem Zusammenhang zu einem Auflauf vor dem Gefängnis gekommen, in das der Verfasser eines Gedichts »Der unfreiwillige Hausverkauf« eingeliefert worden war. Freunde wollten ihm demonstrativ ein Ständchen bringen, was viele Neugierige anlockte, so daß Polizei und Militär eingriff. Am nächsten Tag war der Dichter wieder frei. Dazu AAZ Nr. 253, 10. 9. 1841; Baasch, Geschichte, S. 18ff. 74 Der englische Ingenieur Lindley galt als Vertrauensmann der Senatoren; vgl. Lüdemann, S. 408f.; Schramm, S. 156f. 75 Nach Lüdemann, S. 419ff, fiel diese Entscheidung am 2. März; vgl. Baasch, Geschichte, S. 88; Gabe, S. 33; Bavendamm, S. 25f. - Erste Nachrichten aus Paris trafen bereits am 28. 2. in Hamburg ein; Nirrnheim, S. 148; Gallois, Bd. 3, S. 733, berichtete sogar vom 26. 2., was durchaus möglich war, da Briefe aus Paris nur 62 Stunden benötigten; vgl. AAZ Nr. 319, 15. 11. 1847.
Kapitel 2.6. 1 Symptomatisch für die den beiden Parteien jeweils zur Verfügung stehenden Waffen waren die Todesursachen der beiden Opfer: ein Kolbenschlag bei einem Zivilisten, ein Steinwurf bei einem Soldaten. Davon zeugten auch die beschädigt gemeldeten Armaturen: überwiegend Gewehrschäfte; StAHB, 2-D-17.b. 4. 2 An beiden Tagen wurden 22 Personen verhaftet, darunter 4 Schneider-, 3 Schuster- und 1 Schlossergeselle, 1 Tonnenmacher, 1 Krüger, 1 Chirurg sowie 1 Magd. Eine Dominanz fremder Schneider- und Schustergesellen, wie sie Schaefer, S. 99, feststellte, bestätigen die wenigen Sozialdaten der Verhafteten zwar nicht, doch war deren besondere Aktivität keinesfalls auszuschließen; denn der Schustergeselle wurde zunächst für einen Schneider gehalten, was in diesem Handwerk Solidarität auslöste. Das Verhältnis verhafteter Auswärtiger zu Einheimischen betrug an beiden Tagen 8:2 und 3:7. - Am 3. 11. 1827 wurden 12 Personen zu Gefängnisstrafen zwischen 8 Tagen und 6 Monaten verurteilt. Ein Bürger wurde mit 3Jahren Zuchthaus bestraft, weil er trotz im Bürgereid geschworenem Gehorsam gegenüber dem Senat unter dem »tumultuierenden Haufen gegenwärtig gewesen« war. StAHB, 2-D-17.b. 4. Vgl. AAZ Nr. 208, 27. 7. 1827; Schwarzwälder, S. 97; eine kurze Notiz bei C. Miesegaes, Chronik der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 3, Bremen 1833, S. 427f. 3 Senatsbeschluß, 27. 9. und 7., 8. 10. 1830; StAHB, 2-D-20.b.2.a.; vgl. auch Schwarzwälder, S. 135. 4 Senatsbeschluß 7., 8., 12., 16. 10. 1830; StAHB, 2-D-17.b.4. 5 Ebd.; ohne realen Hintergrund waren Nachrichten über eine »Verschwörung« der Glaser-
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Anmerkungen zu Seite 121-125 innung in der AAZ Beil. Nr. 300, 1827, die aus Hamburg stammten; vgl. Beil. Nr. 304, 1827, sowie StAHB, 2-S-5.0.8.b., wo sich ebenfalls kein besonderer Protest ermitteln ließ. 6 Senatsbeschluß, 22. 10. 1830; ebd., 2-D-20.b.2.a.; vgl. ferner F. Lemelson, Die bremische Bürgerwehr von 1813-1853, in: BJ 33, 1931, S. 205-304, hier S. 283. 7 Vgl. H. Sasse, S. 131f. 8 Bei Baubeginn am 2. Juli 1827 drohten 2-300 Arbeiter aus Enttä3uschung über die nicht erfüllten Lohnversprechen mit Streik. Der Unternehmer sowie der bremische Amtmann gaben jedoch nicht nach und forderten die Unzufriedenen zum Verlassen der Baustelle auf. Am nächsten Tag erschienen alle bis auf »einige zwanzig« wieder zur Arbeit. - Einziger Bericht darüber bei Bessel, S. 217; im Anschluß daran Schwarzwälder, S. 131. 9 Senatsbeschluß, 10. 9. 1830; StAHB, 2-D-20.b.2.a.; H. Sasse, S. 128. Zur Getreideeinfuhr vgl. auch die Angaben bei Rauers, S. 36. 10 Vgl. H. Sasse, S. 125, 132. 11 Senatsbeschluß, 10., 13. 9. 1830; StAHB, 2-D-20.b.2.a. 12 Hierauf und auf die verfassungsrechtlichen Streitpunkte soll im einzelnen nicht eingegangen werden; sie finden sich ausführlich bei Bippen, S. 453ff.; Schaefer, S. 152f.; Kastendiek, S. 21ff.; Schwarzwälder, S. 135f.-Zur politischen Stimmung vgl. F. L. Voget, Über staatsbürgerliche Anforderungen unserer Zeit insbesondere an das neue Verfassungswerk für den Bremischen Freistaat, Bremen 1831, bes. S. 47; K. Müller, Die Staats- und verfassungsrechtliche Entwicklung in Bremen bis zum Jahre 1848 unter Berücksichtigung von Hamburg und Lübeck, Diss. Leipzig 1931, S. 62ff. 13 Smidt weilte oft im Ausland, so daß die Beratungen ruhten. - Auf Anregung der Bürgerschaft sollte weder über die Verhandlungen zwischendurch berichtet werden, noch sollten die Teilnehmer Weisungen entgegennehmen; vgl. Bippen, S. 453. 14 Vgl. ebd., S. 454ff.; K. Müller, S. 74. - Ein energischer publizistischer Vorstoß von J . Rösing, Konstitutionelle Verhandlungen zwischen Rat und Bürgerschaft der freien Stadt Bremen und Hinblick auf die am 8. Februar 1831 erwählte und beeidigte Verfassungsdeputation, Bremen 1834, blieb ohne sichtbaren Erfolg. Vgl. auch Voget, S. 47. 15 Diese Tendenz einer allgemeinen Politisierung spiegelte die Anzahl der Bürgerkonvente und der Umfang ihrer Protokolle wider: 1830 waren es nur 13, die 297 Seiten Verhandlungsaufzeichnungen füllten; 1831 immerhin 22 mit 454 Seiten; 1832 reduzierte sich die Frequenz wieder auf 16 bei 276 Seiten; vgl. Rösing, S. 75. 16 StAHB, 2-R-6.b.2.a.2.c. Vgl. auch Dammann, S. 105ff.; Schwarzwälder, S. 166. 17 StAHB, 2-R-6.b.2.a.2.c.;Dammann,S. 110f. 18 Oppositionszeitungen auch 1835/36 die »Bremischen Blätter« und «Bremer Zeitung«. Nach StAHB, 2-R-6.2.a.2.d., hatte der Club 1841 etwa 200 Mitglieder; vgl. Schaefer, S. 155, 158; Schwarzwälder, S. 166; Bippen, S. 456f 19 Zu den Umrissen der sozialen Schichtung vgl. Schwarzwälder, S. 90ff, 134, 170f. 20 Vgl. ebd., S. 136f. 21 Vgl. Dammann, S. 155ff.; Schaefer, S. 159. 22 Nach verschiedenen, unbestimmten Angaben sollen sich die Zigarrenmacher besonders hervorgetan haben, doch unter den später Verurteilten war lediglich einer nachweisbar. StAHB, 2-D-17.b.4.a.l.; AAZ Nr. 120, 30. 4. 1841; Parolen zit. bei Dammann, S. 159f.; zum Selbstbewußtsein der Hanseaten Schaefer, S. 161; vgl. ferner Schwarzwälder, S. 173. 23 Mitglieder des Klubs »Einigkeit« hatten bereits 1832 diese »Deputation« gebildet, von der immer wieder anonym Verse und Parolen gegen die Wehrpflicht in Umlauf gesetzt wurden; Dammann, S. 135ff.; StAHB, 2-R-6.2.a.2.d.; vgl. Weser Zeitung v. 2. 11. 1841; AAZ Nr. 120, 30. 4. 1841. 24 Vgl. Weser Zeitung v. 2. 11. 1841; Dammann, S. 157. 25 StAHB, 2-D-17.b.4.a.1.; vgl. Weser Zeitung v. 2. 11. 1841; ferner Dammann, S. 161ff.; Schwarzwälder, S. 169.
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Anmerkungen zu Seite 126-130 26 Proklamation v. 20. 4. 1841; StAHB, 2-D-17.b.4.a.l.; der Versammlungsraum der »Einigkeit« blieb, »so lange die Untersuchung wegen der Einreichung von Schriften gegen die Ausführung der Losung (oder Konskribtion)« andauere, geschlossen. Auf eine Petition von 130 Mitgliedern wurde er im November unter Vorbehalt wieder geöffnet; ebd., 2-R-6.b.2.a.2.d. 27 Sie nahmen in der Folgezeit selbst Abgabenerhöhungen ohne Protest hin; Schaefer, S. 159.
Kapitel 2.7. 1 Vgl. dazu Statistische Nachrichten über das Großherzogtum Oldenburg, H. 2, Oldenburg 1857, S. 12ff., 131. - Bezogen auf den Gesamtstaat im Jahre 1841 und berechnet auf km 2 waren es 43,5 Einwohner; im Vergleich dazu Braunschweig mit 76,1 Einw./km2; Statistik des Deutschen Reiches, N. F. Bd. 44. Berlin 1897, Tab. 3; H. Haufe, Die Bevölkerung Europas, Berlin 1935, S. 173; ferner A. Lammers, Das Großherzogtum Oldenburg in seinen öffentlichen Zuständen, in: Die Gegenwart 9, 1854, S. 263-306, hier S. 294f. Zur Sozialstruktur vgl. Schulze, Oldenburgs Wirtschaft, S. 31 f., 34ff.; zum Verkehrsystem ebd., S. 44ff. 2 Zur Bevölkerungsstruktur ebd., S. 26f.,34ff. 3 Einen Eindruck vermittelt StAOL, 70-3685/3686. 4 Vechta, Cloppenburg und 2 Drittel des Kreises Delmenhorst würden keine Hilfe benötigen; StAOL, 70 - 3689; vgl. ferner 70 - 3690/3691. 5 Vgl. dazu Statistische Nachrichten, H. 4, S. 5. 6 StAOL, 70-3689. 7 Ebd. 8 So die Resolutionen des Großherzogs, 14. 9., 7. 10. 1830; ebd. 9 Nach einem Bericht der Regierung, 2. 9. 1830; ebd. 10 Die Resolution des Großherzogs, 7. 10. 1830; ebd. 11 Ebd. - Vgl. die Untersuchungen zum gerechten Preis und der »moral economy« in England und Frankreich von R. B. Rose, S. 279ff.; C. Tilly, Changing Place, S. 147ff.; ders., Food Supply and Public Order in Modern Europe, in: Ders., National States, S. 380-455; Rude, Crowd in History, S. 283; L. Tilly, La Révolte Frumentaire. Forme de Conflict Politique en France, in: Annales 27, 1972, S. 731-757; Thompson, Moral Economy. 12 Der Großherzog am 14. 9. 1830; StAOL, 70-3689. 13 Trotz erhöhter Sensibilität der Obrigkeiten im Herbst 1830 wurde nur erhöhter Schmuggel als Antwort auf die ungünstige ökonomische Situation verzeichnet; der Magistrat von Oldenburg meldete 2 unbedeutende Vorfälle, von denen »zu einer anderen Zeit kaum die Rede gewesen« wäre; vor dem Haus des Cloppenburger Bürgermeisters wurde ein Drohzettel gefunden; StAOL, 70-3517. 14 Ebd. 15 Vgl. Schulze, Oldenburgs Wirtschaft, S. 168ff. 16 Vgl. H. F. W. Hinrichs, S. 12, 29; Pleitner, S. 365f.; Rüthning, S. 520f.; Schönwart, S. 3. 17 Vgl. H. F. W. Hinrichs, S. 29f. 18 Vgl. AAZ Beil. Nr. 290, 1830; C. Haase, Der Verwaltungsbezirk Oldenburg. Abriß seiner Geschichte, in: Ders., Niedersachsen, S. 155-178, hier S. 174. 19 Die Stad- und Budjadinger klagten vor allem über eine ungerechte Steuerverteilung sowie die Deich- und Siellasten. StAOL, 31-13 Nr. 31-1 I; vgl. G. Kohnen, S. 104ff.; Zur politischen Stimmung im Jeverland 1831 vgl. H. F. W. Hinrichs, S. 74ff.; Pleitner, S. 366ff.; P. Kollmann, Das Herzogtum Oldenburg in seiner wirtschaftlichen Entwicklung während der letzten 40 Jahre, Oldenburg 1893, S. 144f. - Tatsächlich arbeitete der Großherzog einen umfangreichen Verfassungsentwurf aus, der 1832 fertiggestellt wurde. Die dänischen und
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Anmerkungen zu Seite 130-133 russischen Agnaten lehnten ihn allerdings ab; vgl. StAOL, 31-13 Nr. 31-1 I. Vgl. ferner Pleitner, S. 369f.; Rüthning, S. 522ff.; Hartong, S. 56f. 20 Aus jeverländischer Sicht H. F. W. Hinrichs, S. 68ff.; ferner Pleitner, S. 368f.; ausführlich G. Kohnen, S. 111 ff.; Hartong, S. 155f.; Haase, Gemeindeordnung, S. 9ff. 21 StAOL, 31-13 Nr. 31-1 I; vgl. H. F. W. Hinrichs, S. 100; G. Kohnen, S. 149, 151; Haase, Gemeindeordnung, S. 21. 22 Zum politischen Gegensatz von Marsch und Geest H. F. W. Hinrichs, S. 109ff.; Lammers, S. 265. - Mit dem Erlaß der Gemeindeordnung wurde ein Teil des politischen Interesses auf lokaler Ebene gebunden; die Hauptstadt erhielt eine neue Stadtverfassung. Dazu H. F. W. Hinrichs, S. 101; G. Kohnen, S. 137ff.; Schulze, Oldenburgs Wirtschaft, S. 127; D. Kohl, Das Oldenburger Staatsrecht, in: OLJ 34, 1930, S. 5-65, hier S. 42. 23 Dänemark erhob zunächst energischen Einspruch wegen der Einbeziehung des Fürstentums Lübeck, weil man selbst Schleswig-Holstein nur eine beratende Stimme in den Ständen einräumen wollte. Weitergehende Bestimmungen für das Fürstentum Lübeck mußten für den dänischen König unangenehme Vergleiche provozieren. Rußland schloß sich diesen Einwänden an und riet zur Verschiebung der Ausführung. Vgl. Pleitner, S. 369ff.; Rüthning, S. 522f.; Hartong, S. 56f.
Kapitel 2.8. 1 A. Löw, Die Frankfurter Bundeszentralbehörde 1833-1842, Diss. Frankfurt 1933, S. 1ff.; Treitschke, Bd. 4, S. 267ff.; Bock, Klassenkämpfe, S. 81 ff.; P. Wende, Radikalismus im Vormärz. Untersuchungen zur politischen Theorie der frühen deutschen Demokratie, Wiesbaden 1975, S. 25. 2 HStAH, Hann. Des. 84 I D 8; es kursierten Schriften wie »Das Recht des deutschen Volkes und die Beschlüsse des Frankfurter Bundestages vom 28. Juni 1832«; StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6205. - 1836 wurde in Hildesheim folgende Mauerparole gefunden: »Freiheit und Gleichheit sei stets unser Ziel, wonach wir streben. Die Bürger hiesiger Stadt!« Hintergründe waren nicht zu ermitteln; HStAH, Hann. Des. 80 Hild Ι Ε 906. 3 Vgl. K. Griewank, Vulgärer Radikalismus und demokratische Bewegung in Berlin 1842-1848, in: Forsch, z. brandenb.-preuß. Geschichte 36, 1924, S. 14-38, hier S. 18. 4 Vgl. Baasch, Geschichte, S. 58; zu den Aktivitäten in Bremen Schwarzwälder, S. 166; zum Preßverein Bock, Liberalismus, S. 122f. 5 Vgl. die Zensurmaßnahmen; StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6205; ferner K. Glossy, Literarische Geheimberichte aus dem Vormärz, in: J . d. Grillparzer Gesellschaft 21, 1912, S. I-CLV, 1-153, hier S. XCVff.; Wende, S. 26ff. 6 Der Weg eines politischen Gedichts ließ sich nach Behördenermittlungen verfolgen: es gelangte vom Vater an den Sohn und über einen Bildhauer, Kupferschmidt, einen bekannten hannoverschen Bauunternehmer, eine Näherin, eine Wäscherin, einen Unteroffizier der Leibgarde schließlich an einen Präparandenseminaristen, der es an seinen Vater, einen Schullehrer, weitergab; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I A 644; vgl. auch StAOS, Rep. 335 Nr. 1802; außerdem Glossy, S. LXXXII; W. Schieder, S. 142ff. 7 Daß diese in ihren längerfristigen Wirkungen kaum zu überschätzende oppositionelle Bewegung hier nur skizziert wird, hat seinen Grund im Protestbegriff, der sich auf illegales kollektives Handeln konzentriert; allgemeine Entfremdung und Loyalitätsentzug gegenüber dem politischen System lassen sich mit ihm nicht analysieren. Wegen ihrer legalen Basis bleibt die politisch z. T. recht wirksame Opposition in den Ständen und Parlamenten ausgeklammert.
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Anmerkungen zu Seite 134—135 Kapitel 3. 1 Vgl. die Ernteberichte aus dem Braunschweigischen, StAWF, 126 Neu 4298; sowie Preisangaben, ebd., 39 Neu 12 620; 4 Alt 18 Bd. 2 Η 552 Μ 7 1. - Siehe die Indexwerte b e i j . Kuczynski, Löhne und Ernährungskosten in Deutschland 1820-1937, Libau 1937, S. 43; ferner Getreidepreise, S. 276, 278, 290; Saalfeld, Handwerkereinkommen, bes. S. 88f., 109. im Verlaufe des 3. Jahrzehnts vergrößerte sich die Schere wieder; im einzelnen verlief die Bewegung allerdings recht unterschiedlich. Vgl. für Göttingen, Celle und Lüneburg Assmann, S. 32f., 54f., 289ff. Siehe auch die Angaben bei Gallois, Bd. 3, S. 429, 438, 447, 455f., 459, 464, 469, 477f., 489, 502, 515, 528, 557. 2 Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 77ff.; Achilles, Landwirtschaft, S. 15f.; Bergmann, Handwerk, S. 243ff.; Preisangaben bei Jeschke, S. 488ff. 3 Reden, Königreich Hannover, S. 275; vgl. Borchardt, Industrielle Revolution, S. 57. 4 Vgl. Köllmann, Arbeitskräftepotential, S. 224ff.; Bergmann, Handwerk, S. 248ff.; Jeschke, S. 284ff., bes. S. 296f, 420f.; W. Fischer, Das deutsche Handwerk in den Frühphasen der Industrialisierung, in: Ders., Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung, Göttingen 1972, S. 315-337, hier S. 326ff.; Obermann, Deutschland, S. 142; Assmann, Stavenhagen, S. 249; D. Saalfeld, Methodische Darlegungen zur Einkommensentwicklung und Sozialstruktur 1760-1860 am Beispiel einiger deutscher Städte, in: H. Winkel (Hg.), Vom Kleingewerbe zur Großindustrie. Quantitativ-regionale und politisch-rechtliche Aspekte zur Erforschung der Wirtschafts-und Gesellschaftsstruktur im 19. Jahrhundert, Berlin 1975, S. 227-259, laßt die Beschäftigungssituation völlig außer Acht; als Überblick siehe Κ. Η. Kaufhold, Grund züge des handwerklichen Lebensstandards in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: W. Conze u. U. Engelhardt (Hg.), Arbeiter im Industrialisierungsprozeß. Herkunft, Lage und Verhalten, Stuttgart 1979, S. 136-162. 5 Vgl. die Verhandlungen des 1. ordentlichen Landtages des Herzogtums Braunschweig, No. XLIII, 21 No. 1823, S. 596, sowie Anlage zu No. LIII, S. 29.; auch Reden, Königreich Hannover, S. 288. 6 Steinacker, Erwerbsverhältnisse. 7 Vgl. StAWF, 127 Neu 159; ferner Schmoller, S. 624ff., 647; Köllmann, Arbeitskräftepotential, S. 224ff. 8 Diese Befürchtung kam in einer Denkschrift von Handwerksmeistern 1840 zum Ausdruck; nicht jeder Meister solle daher Lehrlinge ausbilden, sondern es genüge eine MeisterLehrling-Relation von 3 : 1 ; StAWF, 125 Neu 100. 9 Für Braunschweig vgl. AAZ Beil. Nr. 299, 1837; Nr. 112, 1838; Nr. 145, 20. 5. 1844. Für Hannover vgl. ebd. Nr. 145, 24. 5. 1844; Nr. 171, 19. 6. 1844. - Für Hamburg StAHH, Cl. VII Lit. Cb No. 5 Vol. II Fase. 8; AAZ Nr. 163, 12. 6. 1843; Singer, S. 24ff.; Gallois, Bd. 3, S. 441, 457f., 472, 481, 493, 506f., 520, 533, 548, 560f.; vgl. auch den Verbrauch an Mauersteinen als Indikator für die Bautätigkeit; Angaben dazu bei Neddermeyer, S. 325. - Zur öffentlichen Bautätigkeit allgemein Borchard, S. 250, 273ff.; zum Wohnungsbau vgl. die Häuserzahlen boi Jeschke, S. 470, und Schaefer, S. 38; außerdem vgl. Assmann, Stauenhagen, S. 189. 10 Vgl. ebd.; StAWF, 130 Neu Fb. 1 240; 39 Neu 4 36; Schmoller, S. 454ff.; Reden, Leinwand, S. 62ff.; E. Schmitz, Leinengewerbe und Leinenhandel in Nordwestdeutschland (1650-1850), Köln 1967, S. 60ff.; F.-W. Henning, Industrialisierung und dörfliche Einkommensmöglichkeiten. Der Einfluß der Industrialisierung des Textilgewerbes in Deutschland im 19. Jahrhundert auf Einkommensmöglichkeiten in den ländlichen Gebieten, in: Kellenbenz, Agrarisches Nebengewerbe, S. 155-173; Mittelhäusser, S. 263 f.; Achilles, Flachsanbau. - »Selbstausbeutung« meint eine Steigerung des eigenen Arbeitsaufwandes zur Sicherung einer subsistenzerhaltenden Reallohnhöhe bei sinkender Stücklohnhöhe; dazu H. Medick, Die protoindustrielle Familienwirtschaft; in: P. Kriedtke u. a., Industrialisierung vor der Industrialisierung. Gewerbliche Warenproduktion auf dem Land in der Formationsphase des Kapitalismus, Göt-
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Anmerkungen zu Seite 135-136 tingen 1977, S. 90-154, hier S. 141f.; ders., Zur strukturellen Funktion von Haushalt und Familie im Übergang von der traditionellen Agrargesellschaft zum industriellen Kapitalismus: die protoindustrielle Familienwirtschaft, in: W. Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1976, S. 254-282; K. Obermann, Wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte der Krise von 1845-1847 in Deutschland, insbesondere in Preußen, in:JfG 7, 1972, S. 141-174, hier S. 160; P. Steinbach, Industrialisierung und Sozialsystem im Fürstentum Lippe. Zum Verhältnis von Gesellschaftsstruktur und Sozialverhalten einer verspätet industrialisierten Region im 19. Jahrhundert, Berlin 1976, S. 57 ff.; Adelmann, S. 115ff.; allgemein auch J . Schlumbohm, Der saisonale Rhythmus der Leinenproduktion im Osnabrücker Lande während des spaten 18. und der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts: Erscheinungsbild, Zusammenhänge und interregional Vergleich, in: A ß XIX, 1979, S. 263-298. 11 Vgl. den Rückblick des Braunschweigischen Staatsministeriums vom Juli 1846; StAWF, 39 Neu 21 72, sowie die Angaben in diversen Gesuchen von Häuslingen; 39 Neu 21 73, 76; 39 Neu 12 168; 4 Alt 18 Bd. 5 169 D IX, IX 1; 4 Alt 18 Bd. 38 1453 D XXI. - Vgl. F. Lütge, Über die Auswirkungen der Bauernbefreiung in Deutschland, in: JNS 157, 1943, S. 353-404, bes. S. 400f.; Kiel; Neumann, S. 205; D. H. L. Bening, Die Umbildung der ländlichen Zustände in Folge der Gemeinheitsteilungen und Verkopplungen, Hannover 1858, S. 64ff., beurteilte die Arbeitsmöglichkeiten für »Nebenbewohner« skeptisch; vgl. außerdem Ostendorf, S. 171 ff.; W. Schulte, Volk und Staat. Westfalen im Vormärz und in der Revolution 1848, Münster 1954, S. 122ff.; als Zeitgenosse der Gemeindepfarrer G. L. W. Funke, Über die gegenwärtige Lage der Heuerleute im Fürstentume Osnabrück mit besonderer Beziehung auf die Ursachen ihres Verfalls und im Hinblick auf die Mittel zu ihrer Erhebung, Bielefeld 1847. 12 Diesen Weg wählten auch durchaus Begüterte; K. Obermann, Die deutsche Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von Amerika im 19. Jahrhundert, ihre Ursachen und Auswirkungen, in: JbW, 1975/II, S. 33-55, hier S. 55; Rutenberg, Die Ursachen der deutschen Auswanderung, in: ZVdS 2, 1848, S. 231-243, hier S. 240f.; Buchholz, Bevölkerung, S. 48ff.; Kiel; Ostendorf, S. 198; eine steigende Zahl von Auswanderungskonsensen in StAWF, 39 Neu 5 107, 110, 111, 114; 39 Neu 14 721. Siehe außerdem Mohl, Über Auswanderung, zit. in: Jantke, Hilger; Funke, S. 51 ff.; Engelsing, Bremen, S. 22f. 13 So die Landesdirektion des Herzogtums Braunschweig 1833; StAWF, 126 Neu 78 1; vgl. die ausführlichen Berichte des Stadtmagistrats Braunschweig von 1846; ebd., 126 Neu 1348; vgl. auch Kraus, S. 42; Bergmann, Handwerk, S. 55ff. 14 StAWF, 126 Neu 1348; Bergmann, Handwerk, S. 75ff. 15 Solche Strukturen bestanden in jenen Gewerben, wo viele Meister ohne Gesellen entwikkelten, größeren Betrieben gegenüberstanden; Bergmann, Handwerk, S. 219ff. Die Einkommensschichtung spiegelte derartige Gegebenheiten wider, die bei Handwerkern ein gleichzeitiges Anwachsen der Wohlhabenden und der Ärmsten anzeigte; vgl. Assmann, Stavenhagen, S. 50f. 16 Vgl. Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 42ff, 73ff.; Ritscher, S. 167f. - H. Bopp, Die Entwicklung des deutschen Handwerksgesellentums im 19. Jahrhundert unter dem Einfluß der Zeitströmungen, Paderborn 1932, S. 33f, 46ff.; F. Paeplow, Zur Geschichte der deutschen Bauarbeiterbewegung, Berlin 1932, S. 107ff. 17 Dazu das »General-Reglement für die Hamburgischen Ämter und Brüderschaften«; zit. bei Lappenberg, Bd. 14, bes. §§ 2, 4, 5, 6, 16, 24, 89, 93, 106, 107. - Vgl. Gallois, Bd. 3, S. 343, 365, 372f.; ausgezeichnet dazu W. Nahrstedt, Die Entstehung der Freizeit. Dargestellt am Beispiel Hamburgs. Ein Beitrag zur Strukturgeschichte und strukturellen Grundlegung der Freizeitpädagogik, Göttingen 1972, bes. S. 110ff, 130ff., 160ff., 220f.; ferner Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 41f., 73f.; Jeschke, S. 95. - Auf lokaler und Werkstattebene leisteten Gesellen gegen derartige Bestrebungen mit vorübergehender Arbeitsniederlegung Widerstand. So Göttinger Schlossergesellen 1822, weil Zunftgenossen aus einem Betrieb nicht an der Gesellenversammlung hatten teilnehmen dürfen; StdtAGÖ, 1623 4. - Osnabrücker Schmiede-
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Anmerkungen zu Seite 136-142 meister wollten die Gesellen versammlung vom üblichen Montagabend auf den Sonntag verlegen, wogegen die Gesellen mit Auszug aus der Stadt protestierten. Am zweiten Tag gelang es dem Magistrat, sie zur Rückkehr zu bewegen. 2 Anführer wurden mit 14 Tagen Gefängnis und Stadtverweisung bestraft; Jeschke, S. 151 Anm, 424. - In Bremen verliehen Rademacher 1817 ihrer Forderung nach einem freien Tag zusätzlich alle 4 Wochen mit Arbeitsniederlegung Nachdruck; K. Helm, Die bremischen Holzarbeiter vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Bremen 1931, S. 122. 18 Am Beispiel Berlins Bergmann, Handwerk, S. 77ff. 19 StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6208. Angeblich herrschten unter den Gesellen in Oldenburg keine Verbindungen; St AOL, 262, 1-2082. 20 Vgl. Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 263, 19. 9. 1840; Nr. 363, 28. 12. 1840; Beil. Nr. 263, 1840; zur Gesellensolidarität und ihren gruppeninternen Sanktionsmustern vgl. StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6208; ferner Schwarz, S. 214ff.; Paeplow, S. 94ff. - Grundsätzlich zu einseitig durch Lohnfragen determiniert sehen Todt, Radandt, S. 96ff, das Konfliktverhalten vormärzlicher Handwerksgesellen. 21 Vgl. Bergmann, Handwerk, S. 91ff. 22 StAHB, 2-S-15.0.7.d. - Zum Handwerkerethos Stadelmann, Fischer, S. 67ff.; Bergmann, Handwerk, S. 111ff. 23 StAHB, 2-S-15.0.k.4.; vgl. auch die kurze Erwähnung bei Schwarzwälder, S. 97; ausführlich Helm, S. 131 f. - Zur Bedeutung der Gesellenlade Bergmann, Handwerk, S. 57. 24 Zit. nach M. Quarck, Die erste deutsche Arbeiterbewegung 1848/49. Geschichte der Arbeiterverbrüderung 1848/49, Neudruck Glashütten 1970, S. 337; ähnlich argumentierte auch der Lübecker Rat; siehe Die Verbindungen der Maurergesellen oder authentische Darstellung der bei diesen Verbindungen üblichen Gebräuche nebst Mitteilungen über die neueste Geschichte derselben, Lübeck 1841, S. 60. 25 Zur Situation im Bauhandwerk siehe Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 13, 73ff., 85; F. W. v. Reden, Vergleichende Zusammenstellung der Preise der notwendigsten Lebensbedürfnisse sowie Verhältnisse der handarbeitenden Volksklassen in Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt a. M., in: ZVdS 1, 1847, S. 1038-1046; Flor, bes. S. 901; Assmann, Stavenhagen, S. 30ff.; Bergmann, Handwerk, S. 77f., 210f., 239; Saalfeld, Darlegungen, S. 233f.; Jeschke, S. 135ff, 149, 251ff, 288, 426, 428, 440. 26 Augenfällig wurde die Präponderanz in der Person des Altgesellen, der von den Einheimischen aus ihren Reihen bestimmt wurde. Als Vorsitzender des Gesellengerichts und Hüter zünftigen Rechts und Brauchtums führte er auch den Vorsitz der regelmäßigen Gesellenversammlungen. 27 StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1821 Nr. 354. 28 Heiraten war Gesellen allgemein verboten; Maurer und Zimmerer stellten Ausnahmen dar; vgl. § 67 des Hamburger Gewerbereglements von 1835; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 76. 29 StAHH, Pohzeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1836 Nr. 1807. 30 Die Urteile reichten von Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft bis zu 6 Monaten Arrest; siehe ebd. 31 Extrakt des Senatsprotokolls vom 10. 10. 1836; ebd. 32 Dazu StAHH, Cl. XI Spec. Lit. Μ Nr. 2 Vol. 2b; Verbindungen, S. 54, 77f., 91; hierauf stützen sich Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 87, und an ihn anknüpfende Autoren. Ergänzend Bergmann, Handwerk, S. 120 Anm. 53. Ferner Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 301, 27. 10. 1840. 33 Siehe »Bericht des Direktors des Kriminalgerichts über die im Jahre 1840 verhandelten Untersuchungssachen«; StAHB, 2-D-19.n.4.; Verbindungen, S. 45ff, 79, 89f.; Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 301, 27. 10. 1840; Beil. Nr. 363, 1840; Jeschke, S. 149.
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Anmerkungen zu Seite 142-151 34 Siehe StAHB, 2-D-19.n.4.; Verbindungen, S. 89f.; Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 263, 19. 9.; Nr. 301, 27. 10. 1840. - Ungenau Schwarzwälder, S. 168. 35 Vgl. auch die Zuschrift des Bremers Hochmayr in der AAZ Nr. 329, 14. 11. 1840; zum publizistischen Echo H. Pelgeru. M. Knieriem, Friedrich Engels als Bremer Korrespondent des Stuttgarter ›Morgenblattes für gebildete Lesen und der Augsburger allgemeinen Zeitung‹, Trier 19762, S. 23ff.; dort auch Engels' Artikel. 36 Große Aufregung verursachten Pariser Schneidergesellen, die für ihren Streik die Kollegen in der Heimat um Unterstützung baten; zu den Unterzeichnern eines Ersuchens an die Braunschweiger gehörten zwei Wolfenbüttler Gesellen; StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6208; zit. auch bei G. Eckert, 100 Jahre Braunschweiger Sozialdemokratie, T. 1: Von den Anfängen bis zum Jahre 1890, Hannover 1965, S. 11ff.; allgemein dazu Ritscher, S. 169; zum polizeilichen Vorgehen allgemein Bergmann, Handwerk, S. 121. 37 Zit. nach Pelger, Knieriem, S. 24f.; dazu Paeplow, S. 141 ff.; außerdem Ritscher, S. 166ff.; Schwarzwälder, S. 168; Leipziger Allgemeine Zeitung Beil. Nr. 363, 1840. 38 StAHB, 2-D-19.n.4. 39 Vgl. Verbindungen, S. 84, 89f, 92; Bergmann, Handwerk, S. 121 f. 40 StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1842 Nr. 469; Leipziger Allgemeine Zeitung Nr. 263, 19. 9. 1840. Dazu vgl. auch Verbindungen, S. 70, 96; Bergmann, Handwerk, S. 116; Stadelmann, Fischer, S. 102f. 41 Verbindungen, S. 92. 42 Siehe Jeschke, S. 228. 43 Vgl. Laufenberg, Arbeiterbewegung, 75; ferner Jeschke, 136ff.; Saalfeld, Darlegungen, 231ff. 44 StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1835 Nr. 1186. Vgl. Bergmann, Handwerk, S. 24; zur älteren Zunft idealtypisch zugespitzt und im historischen Urteil nicht immer korrekt S. Fröhlich, Die soziale Sicherung bei Zünften und Gesellenverbänden, Berlin 1976, S. 38ff. 45 AAZ Nr. 132, 12. 5. 1839; vgl. Hamburger Gewerberegiement von 1835 §§ 94f.; außerdem Nahrstedt, S. 130f.; als allgemeine Problemskizze ausgezeichnet E. P. Thompson, Time, Work-Discipline and Industrial Capitalism, in: PaP 38, 1967, S. 56-97. 46 Bericht Januar 1831, HStAH, Hann. 74 Herzberg Κ 91; vgl. außerdem ebd., Herzberg Κ 9; zur Gewehrfabrikation auch Reden, Königreich Hannover, S. 304ff. 47 Auf Seiten des »Fabrikanten« sollen auch der Ortsvorsteher und der Holzherr gestanden haben; vgl. Gesuch der Arbeiter; HStAH, Hann. 74 Herzberg Κ 9. 48 HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 1828. 49 AAZ Beil. Nr. 121, 1831; zur Lage der Schiffszieher allgemein StASTD, Rep. 74Achim Nr. 63. 50 StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Ig. 1835 Nr. 1187. 51 Dazu ausführlich StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 211; Wochenblatt für den Kreis Holzminden Nr. 38, 13. 9. 1845. 52 Dabei erfolgten keine weiteren Verhaftungen. Lediglich ein mehrmals zurückkehrender betrunkener »Knecht« wurde in Haft genommen. Drei Tage später ergingen bereits die Urteile: Freilassung für drei »Knechte«, 8 Tage bei Wasser und Brot für den vierten. StAHH, Polizeibeh.-Kriminalw. C, Jg. 1817Nr. 142. 53 HStAH, Hann. Des. 80 Hann. I Ce 118; AAZ Nr. 291, 18. 10. 1835; Beil. Nr. 58, 1836. 54 HStAH, Hann. Des. 80 I Ca 129. 55 L. V. Rönne u. H. Simon, Das Polizeiwesen des Preußischen Staates, Bd. 1, Breslau 1840, S. 664. 56 HStAH, Hann. Des. 84 II G 61; AAZ Nr. 253, 9. 9. 1844. 57 Der Begriff ›plebejische Kultur‹ wurde zunächst für das England des 18. Jahrhunderts von E. P. Thompson, Patrician Society, Plebeian Culture, in: JSH 7, 1973/74, S. 382-405, bes. S. 392, 397, geprägt; Medick, Familienwirtschaft, S. 138ff., bes. S. 142ff., übernimmt ihn in
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Anmerkungen zu Seite 151-155 seiner Untersuchung der ländlichen Gewerbetreibenden. Vgl. auch Thompson, Time, S. 72ff.; ders., Making, S. 443ff.; Nahrstedt, S. 130ff.; G. Möhler, Das Münchner Oktoberfest. Brauchformen des Volksfestes zwischen Aufklärung und Gegenwart, München 1980, bes. S. 234ff.; T. Braatz, Das Kleinbürgertum in München und seine Öffentlichkeit von 1830-1870. Ein Beitrag zur Mentalitätsforschung, München 1977, S. 56ff., 99ff.; K. Tenfelde, Bergarbeiterkultur in Deutschland. Ein Überblick, in: GG 5, 1979, S. 12-53, hier S. 26f. 58 Vgl. Thompson, Patrician Society, S. 400; Bergmann, Handwerk, S. 89. 59 A A Z Nr. 292, 19. 10. 1845. 60 AAZ Nr. 311, 7. 11.; Nr. 330, 26. 11.; Nr. 345, 11. 12.; Nr. 346, 12. 12.; Nr. 351, 17. 12. 1838. 61 Dazu allgemein Möhler, S. 201ff.; Braatz, S. 56f.; H. Bausinger u.a., Grundzüge der Volkskunde, Darmstadt 1978, S. 69, 153. 62 C. Stubbe, Hamburg und der Branntwein, o. 0. 1911, S. 3 7 . - V g l . zur Enthaltsamkeitsideologie C. W. Brodersen, Die Armut, ihr Grund und ihre Heilung. Ein Beitrag zur Verminderung überhandnehmender Verarmung der niederen Volksklasse, Altona 1833, bes. S. 55f.; romantisierend H. W. Bensen, Der Proletarier. Eine historische Denkschrift, Stuttgart 1847, bes. S. 348. - Zum Wirtshausbesuch L. Schneider, Der Arbeiterhaushalt im 18. und 19. Jahrhundert. Dargestellt am Beispiel des Heim- und Fabrikarbeiters, Berlin 1967, S. 81 f., 104f., 142; Medick, Familienwirtschaft, S. 142ff.; Thompson, Patrician Society, S. 392; ferner vgl. R. Engelsing, Probleme der Lebenshaltung in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert, in: Ders., Zur Sozialgeschichte deutscher Mittel- und Unterschichten, Göttingen 1973, S. 11-25, hier S. 20f. 63 StAHH, Gl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 6; vgl. AAZ Nr. 25. 25. 1. 1841; Nr. 26, 26. 1. 1841, Baasch, Geschichte, S. 80; Stubbe, S. 34ff. 64 Nur AAZ Nr. 257, 14. 9.; Nr. 260, 17. 9. 1843. 65 Nach einem Bericht des Kreisamtes Schöningen, 8. 2. 1831; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β Nr. 4. 66 AAZ Beil. Nr. 269, 270, 1832. 67 StAHH, Cl. VII Lit. Cb Nr. 5 Vol. II Fase. 8; vgl. Siemens, S. 849. 68 Dazu siehe allgemein J . Mooser, Gleichheit und Ungleichheit in der ländlichen Gemeinde. Sozialstruktur und Kommunalverfassung im östlichen Westfalen vom späten 18. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, in: A ß 14, 1979, S. 231-262; am Beispiel Preußens D. Blasius, Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität. Zur Sozialgeschichte Preußens im Vormärz, Göttingen 1976, bes. S. 39ff.; Bausinger, bes. S. 180f.; Schulte, S. 152f.; Siemens, S. 849; Abel, Massenarmut, S. 384f. 69 HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 1774. 70 Vgl. vor allem die Dienstberichte der Landdrostei Aurich; StAAUR, Rep. 6 1 0 4 8 8 - 9 0 , 10495, 10504; ferner StAWF, 12 Α Neu Fb. 4 C 143; DZM, 2.2.1. Nr. 16378, 16448; C. F. G., Der Pauperismus und dessen Bekämpfung durch eine bessere Regelung der Arbeitsverhältnisse, in: DV 1844, S. 315-340, hier S. 319f. 71 Den unpolitischen Charakter betont Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 87; vgl. außerdem Bergmann, Handwerk, S. 114ff.; auch Leipziger Allgemeine Zeitung Beil. Nr. 363, 1840. - Bopp, S. 60, bezeichnet die Gesellenbruderschaften generell als »politische Geheimbünde«. Zur Regierungspolitik vgl. Ritscher, S. 164ff. - Weitere Diskussion verdient der Hinweis auf anarchistische Elemente in frühsozialistischen Bünden bei P. Lösche, Anarchismus, Darmstadt 1977, S. 112f 72 W. Schieder, S. 236ff., 274ff.; K. Birker, Die deutschen Arbeiterbildungsvereine 1840-1870, Berlin 1973, S. 28f.; E. Schraepler, Geheimbündelei und soziale Bewegung. Zur Geschichte des »Jungen Deutschland« in der Schweiz, in: IRSH 7, 1962, S. 61-92; Obermann, Deutschland, S. 116ff. - Beispielhaft der von Pfarrer Weidig religiös ›versetzte‹ ›Hessische Landbote« Büchners; vgl. Bock, Liberalismus, S. 150f.; R. Engelsing, Zur politischen Bildung
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Anmerkungen zu Seite 155-158 der deutschen Unterschichten 1789-1863, in: Ders., Zur Sozialgeschichte, S. 155—179, hier S. 162; vgl. dazu auch den Sammelband von Büsch, Herzfeld. 73 Für das gesamte Untersuchungsgebiet vgl. L. Tiesmeyer, Die Erweckungsbewegung in Deutschland während des 19. Jahrhunderts, H. 9, Hannover 1908; H. 10, Kassel 1908; H. 16, Kassel 1912; für Bremen vgl. Schaefer, S. 125ff.; Kastendiek, S. 25ff.; Pelger, Knieriem, S. 7ff., 31 ff.; zu Hamburg bereits vor 1830 siehe Schramm, S. 288ff.; I. Lahnen, Zwischen Erweckung und Rationalismus. Hudtwalcker und sein Kreis, Hamburg 1959, bes. S. 118ff.; für Braunschweig Steinacker, Reichsgedanke, S. 153f. - Zur gesamten religiös-politischen Problematik siehe Glossy, S. LXIXff.; Griewank, Vulgärer Radikalismus, S. 20; H. Rosenberg, Theologischer Rationalismus und vormärzlicher Vulgärliberalismus, in: HZ 141, 1930, S. 497-541; ausgezeichnet die Analyse von J. Brederlow, »Lichtfreunde« und »Freie Gemeinden«. Religiöser Protest und Freiheitsbewegung im Vormärz und in der Revolution 1848/49, München 1976; vgl. Engelsing, Bildung, S. 162; E. J . Hobsbawm, Europäische Revolutionen, Zürich 1962, S. 442ff.; E. Wolfgramm u.a., Die sozialökonomischen Kämpfe der Eisenbahnbauarbeiter in Sachsen 1844-1848, in: Aus der Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin (Ost) 1964, S. 65-101, hier S. 90ff.; F. Müller, S. 91. - Zur deutsch-katholischen Bewegung als ein Protest gegen die Amtskirche siehe B. Bauer, Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfang der deutsch-katholischen Bewegung bis zur Gegenwart, Berlin 1849; ferner F. W. Graf, Die Politisierung des religiösen Bewußtseins. Die bürgerlichen Religionsparteien im deutschen Vormärz: Das Beispiel des Deutschkatholiszismus, Stuttgart 1978. - In Hannover spielte in diesem Bereich der Verfassungskonflikt eine zusätzliche Rolle, wie Gemeindemitglieder im Osnabrück'schen bei ihrem Protest gegen die Einsetzung eines Pfarrers im Frühjahr 1840 deutlich machten, der Gegner des Staatsgrundgesetzes von 1833 war; siehe AAZ Nr. 142, 21. 5. 1840. - 1844 demolierte eine Kirchengemeinde das Pfarrhaus aus Protest gegen einen oktroyierten Pfarrer. StAOS, Rep. 300 Nr. 1005. 74 Vgl. Obst, S. 24f.; Schwarzwälder, S. 166; allgemein Nipperdey, Verein; J . J . Sheehan, Partei, Volk und Staat: Some Reflections on the Relationship between Liberal Thought and Action in Vormärz, in: H.-U. Wehler (Hg.), Sozialgeschichte Heute. Festschr. f. H. Rosenberg, Göttingen 1974, S. 162-174, hier S. 164; D. Langewiesche, Die Anfänge der deutschen Parteien. Partei, Fraktion und Verein in der Revolution von 1848/49, in: GG 4, 1978, S. 324-361, hier S. 327f., 339f. - Zur Polenbegeisterung und ihren politischen Implikationen siehe E. Kolb, Polenbild und Polenfreundschaft der deutschen Frühliberalen. Zu Motivation und Funktion außenpolitischer Parteinahme im Vormärz, in: Saeculum 26, 1975, S. 111-127; Bock, Liberalismus, S. 116f.; Obermann, Deutschland, S. 89ff.; Glossy, S. VIIf. 75 Dazu Birker, S. 31 ff., 105ff., 112ff.; Nipperdey, Verein, S. 19ff.; G. Scheel, Die Anfänge der Arbeiterbewegung im Königreich Hannover zwischen Integration und Emanzipation, in: NJ 48, 1976, S. 17-70; außerdem Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 90ff.
Kapitel 4 1 UAGÖ, 6 b 47; bei dem Verfasser handelte es sich um einen Geheimrat v. Dabelow; AAZ Nr. 33, 6.2.;Nr. 56, 25. 2. 1816; ferner Bünsow, Heer, S. 211; Hudtwalcker, Bd. 3, S. 522.-Zu v. Dabelow auch Brandt, S. 52. 2 Hoppenstedt, Aktenmäßige Darstellung der Vorfälle, welche letztverflossenen Sommer auf der Universität Göttingen stattgefunden haben, Hannover 1831, S. 18f.; Bünsow, Heer, S. 231 f. 3 Vgl. C. N. C. F. Jansen, Statistisches Handbuch des Königreichs Hannover, Hannover 1824, S. 60; F. Saalfeld, Geschichte der Universität Göttingen in dem Zeitraum von 1788 bis 1820, Hannover 1820, S. 587f., 608f.; ferner zur Situation in Göttingen Gresky, S. 177ff.
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Anmerkungen zu Seite 158-163 4 Hoppenstedt, S. 18f. 5 Vgl. AAZ Nr. 216, 4. 8. 1818; Hoppenstedt, S. 40ff.; Saathoff, Bd. 2, S. 157f. 6 U A G Ö , X F 1f 616; AAZ Nr. 215, 3. 8. 1818; Hoppenstedt, S. 40ff.; Saathoff, Bd. 2, S. 157f. 7 Ebd., S. 158; W. Görges u. F. Spehr, Vaterländische Geschichten und Denkwürdigkeiten der Vorzeit der Lande Braunschweig und Hannover, Bd. 3, Braunschweig 1881 2 , S. 442; Hoppenstedt, S. 50 ff.; nach den ›Nürnberger Blättern« sollen zwei Husaren getötet worden sein, was allerdings nirgends sonst bestätigt wurde; zit. in AAZ Nr. 218, 6. 8. 1818; vgl. AAZ Nr. 216, 4. 8. 1818; Bünsow, Heer, S. 217f. 8 Zur Protesttradition vgl. F. Saalfeld, S. 34ff. - In dem Ausschuß sollen nicht die Senioren der Landsmannschaften, sondern kapitalkräftige Kommilitonen aktiv gewesen sein, die mögliche Strafen weniger hart treffen würden; UAGÖ, X F 1 a 580; X F 1 f 616. - Die Zahlen sanken bis auf 658; im Sommer 1820 betrug die Studentenzahl wieder 1255. - Ein ähnlicher Verlauf auch bei Studentenprotest 1822 in Halle, wo die Studierenden jedoch unter Vermittlung der Militärbehörden nach 2 Tagen zurückkehrten; DZM, 2.2.1. Nr. 15127. 9 Dazu der ausführliche Bericht des Geh. Legationsrats v. Laffert v. 20. 8. 1823 im Nachlaß des Grafen Münster; HStAH, Dep. 110 A 193; ferner AAZ Nr. 221, 9. 8. 1823; Nr. 222, 10. 8. 1823; Nr. 227, 15. 8. 1823; Saathoff, S. 158; Heer, Bd. 2, S. 53f. - Siehe ferner UAGÖ, 6 a Nr. 56, 56a. 10 Nach dem Bericht des Göttinger Polizeidirektors; UAGÖ, 6a 79. 11 Der Polizeidirektor monierte anschließend, daß das Universitätsgericht die Vorfälle »als einen gewöhnlichen Studentenauflauf« behandele, während es sich seiner Meinung nach eindeutig um Aufruhr handele, da die Obrigkeit beschimpft und verhöhnt worden und fortgesetzt Widerstand geleistet worden sei. UAGÖ, 6a 80. 12 Zum hannoverschen Vorgehen Büssem, S. 95; Huber, Bd. 1, S. 733; Dabelow, der 1816 Studentenproteste ausgelöst hatte, spornte die Regierung eifrig an; dazu Treitschke, Bd. 2, S. 435. - Zur allgemeinen Revolutionshysterie Koselleck, Preußen, S. 303; Obermann, Deutschland, S. 53; F. Hertz, The German Public Mind in the Nineteenth Century. Α Social History of German Political Sentiments, Aspirations and Ideas, Totowa 1975, S. 93. 13 Die AAZ berichtete bis zum 16. 10. 1819 in 17 Nummern mit teilweise sogar zwei Artikeln pro Nummer darüber. 14 Vgl. Bussem, S. 374ff.; auch Gablentz, S. 64f.; T. Schieder, Das Problem der Revolution im 19. Jahrhundert, in: Ders. Staat und Gesellschaft im Wandel unserer Zeit. Studien zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, München 1958, S. 11-57, hier S. 20ff. - Zur politischen Bewegung im Universitätsbereich Heer; Wende, S. 21f.; Büssem, S. 47ff., 70ff.; Huber, Bd. 1, S. 706ff.; K. H. Jarausch, The Sources of German Student Unrest. 1815-1848, in: L. Stone (Hg.), The University in Society, Princeton 1974, S. 532-567, hier S. 535ff. - Sehr abgewogen das zeitgenössische Urteil des Leipziger Theologieprofessors H. G. Tzschirner, Die Gefahr einer deutschen Revolution, Leipzig 1823, der eine realistische Einschätzung der Universität als politischer Bewegungskraft versuchte.
Kapitel 5 1 Vgl. Lübbing, S. 161; Schulze, Oldenburgs Wirtschaft, S. 183ff.; P. Kollmann, Statistische Beschreibung der Gemeinden des Herzogtums Oldenburg, Oldenburg 1897, S. 645. - In den Hansestädten bestanden Fabriken insbesondere für die Zigarrenherstellung und den Maschinenbau, wo aus Mangel an qualifizierten einheimischen Arbeitern größtenteils Engländer beschäftigt wurden; Schaefer, S. 46f.; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 45ff.; D. Herms, Die Anfänge der bremischen Industrie. Vom 17. Jahrhundert bis zum Zollanschluß (1888), Bremen
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Anmerkungen zu Seite 163-165 1952, S. 49; H. Golka u. A. Reese, Soziale Strömungen der Märzrevolution von 1848 in der Landdrostei Hannover, in: NJ 45, 1973, S. 275-301, hier S. 279. 2 Reden, Königreich Hannover, S. 300f., 310ff.; Scheel, S. 22f.; Golka, Reese, S. 2 7 9 . - Z u m Vergleich wurde in der Stadt Braunschweig 1832 die erste Dampfmaschine in Betrieb genommen; 25 Jahre später arbeiteten bereits 45 Dampfkessel; Buchholz, Bevölkerung, S. 67. 3 Verbreitet war auch das Verlagssystem in der Leinenherstellung; Henning, Industrialisierung, S. 159, schätzt die so Beschäftigten in Deutschland für 1835 auf etwa 1,4 Mill. Menschen oder 10 v.H. aller Beschäftigten. 4 R. Spree u. J . Bergmann, Die konjunkturelle Entwicklung der deutschen Wirtschaft 1840-1864, in: Wehler, Sozialgeschichte Heute, S. 289-325, hier S. 289; Obermann, Krise, S. 167ff. 5 Vor allem Engels' Lage der arbeitenden Klassen in England; vgl. Abel, Massenarmut, S. 305 ff.; zur Publikationszahl ders., Pauperismus-Nachlese. 6 Vgl. dazu W. Wolf, Das Elend und der Aufruhr in Schlesien, in: Jantke, Hilger, S. 157-178; zu ihrer sozialen Lage A. Schneer, Über die Not der Leinenarbeiter in Schlesien und die Mittel, ihr abzuhelfen, Berlin 1844. - Henning, Industrialisierung, S. 155, weist darauf hin, daß die Träger nicht die viel zahlreicheren Leineweber waren, sondern die Baumwollspinner; bei ihnen war die Mechanisierung bereits fortgeschritten. - Mit dem »Weberaufstand« nahm nach Obermann, Deutschland, S. 161 ff, »die aktive Bewegung des Proletariats ihren Anfang«; vgl. auch Kuczynski, Lage der Arbeiter, S. 190ff.; G. Adler, Die Geschichte der ersten sozialpolitischen Arbeiterbewegung in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf die einwirkenden Theorien. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der sozialen Frage, Breslau 1885, S. 108. Zum Echo allgemein Engehing, Bildung, S. 161; D. Dowe, Aktion und Organisation. Arbeiterbewegung, sozialistische und kommunistische Bewegung in der preußischen Rheinprovinz 1820-1852, Hannover 1970, S. 36; Uhren, S. 153ff.; sowie die bei Mombert zitierten Schriften; ferner die umfangreiche Sammlung historischer Zeugnisse von L. Kroneberg u. R. Schlosser, Weber-Revolte 1844. Der schlesische Weberaufstand im Spiegel der zeitgenössischen Publizistik und Literatur, Köln 1979. 7 Selbst aus Gegenden ohne nennenswerten Eisenbahnbau berichtete die AAZ, daß 1844 Arbeitsleute gesucht seien; »bei den Bauten haben sie (die Arbeiter, H.-G. H.) niemals eine bessere Zeit gehabt«. AAZ Nr. 150, 29. 5. 1844. 8 AAZ Nr. 141, 20. 5.; außerdem Nr. 43, 12. 2.; Nr. 145, 24. 5. 1844; sowie Nr. 263, 20. 9. 1845. 9 Nach Berechnungen von R. Fremdling, Eisenbahnbau und deutsches Wirtschaftswachstum 1840-1879. Ein Beitrag zur Entwicklungstheorie und zur Theorie der Infrastruktur, Dortmund 1975, S. 98; vgl. auch die gute Analyse von W. Wortmann, Eisenbahnbauarbeiter im Vormärz. Sozialgeschichtliche Untersuchung der Bauarbeiter der Köln-Mindener Eisenbahn in MindenRavensberg 1844-47, Köln 1972, bes. S. 74ff.; Schuhe, S. 153f. - Nach den Richtlinien der Hamburger Armenanstalt hätte diese Summe ausgereicht, um über 17,7 Mill. Familien zu unterstützen. - Zur Funktion des Eisenbahnbaus für die deutsche Industrialisierung ferner R. Fremdling, Modernisierung und Wachstum der Schwerindustrie in Deutschland, 1830-1860, in: GG 5, 1979, S. 201-227; sowie H. Wagenblass, Der Eisenbahnbau und das Wachstum der deutschen Eisen- und Maschinenbauindustrie 1835-1860, Stuttgart 1973. 10 Vgl. F. W. v. Reden, Die Eisenbahnen Deutschlands, Berlin 1844, 1. Abt. 2. Abschn. 3. Lief., S. 118, 181, 217, 250, 305, 317; 2. Absch. 2. Lief., S. 96, 977, 979; 2. Absch. 3. Lief., S. 1481, 1552. 11 Dazu ebd., 1. Abt. 2. Absch. 2. Lief., S. 445, 703f., 840, 974; 3. Lief. S. 212, 305; 4. Lief, S. 1686, 1987; Wortmann, S. 60 f.; Wolfgramm, S. 84; D. Eichholtz, Bewegungen unter den preußischen Eisenbahnbauarbeitern im Vormärz, in: Beiträge zur deutschen Wirtschaftsund Sozialgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, Berlin (Ost) 1962, S. 251-287, hier S. 254f.; ausführlich auch U. O. Ringsdorf, Der Eisenbahnbau südlich Nürnbergs 1841-1849. Organisa-
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Anmerkungen zu Seite 166-170 torische, technische und soziale Probleme, Nürnberg 1978, S. 113ff., 1 9 1 f f . - Z u m Charakter des Akkordlohns als Stücklohn allgemein K. Marx, Das Kapital, Bd. 1, Berlin (Ost) 1974 (= MEW 23), S. 576ff. 12 Reden, Eisenbahnen, 1. Abt. 2. Absch. 3. Lief, S. 217; Eichholtz, S. 153ff., 260; Wortmann, S. 60ff., 9 6 f ; Wolfgramm, S. 77, 83f.; Ringsdorf, S. 222ff.; Schulte, S. 153f.; vgl. auch Dowe, S. 36ff. 13 A A Z Nr. 287, 13. 10. 1844. - Zum Umfang und der Struktur des hannoverschen Eisenbahnbaus L. U . Scholl, Ingenieure in der Frühindustrialisierung. Staatliche und private Techniker im Königreich Hannover und an der Ruhr, Göttingen 1978, S. 172ff. 14 A A Z Nr. 295, 22. 10. 1845. 15 HStAH, Han. Des. 80 Hann. I Ba 100; vgl. auchHann. Des. 80 Hann. I Bee 78. 16 Dazu siehe P. Freerksen, Beitrag zur Geschichte des Ostfriesischen Deichwesens im Allgemeinen und der Niederbremischen Deichacht im Besonderen, Emden 1892, bes. S. 105; E. Siebert, Entwicklung des Deichwesens vom Mittelalter bis zur Gegenwart, in: H. Homeier, Der Gestaltwandel der ostfriesischen Küste im Laufe der Jahrhunderte, Pewsum 1969, S. 264ff.; F.-W. Schaer, Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Deicharbeiter an der oldenburgisch-ostfriesischen Küste in der vorindustriellen Gesellschaft, in: NJ 45, 1973, S. 115-144, hier S. 135ff. 17 Freerksen, S. 105; Siebert, S. 273; vgl. zum Deichbau in diesen Jahren AAZ Beil. Nr. 144, 1826. 18 StAAUR, Rep. 32a Nr. 619; Rep. 6 Nr. 10495. 19 AAZ Nr. 189, 8.7.; Nr. 191, 10. 7. 1846. 20 Vgl. Schaer, Lage, S. 137; Siebert, S. 272f.; Wortmann, S. 153, 158. 21 Vgl. Schaer, Lage, S. 137; Wolfgramm, S. 96. - Allgemein zur Symbolik von Fahnen für Gruppenbildungen Uhen, S. 103ff. 22 Lohnbetrügereien schienen beim Deichbau nicht vorzukommen; hier besaßen offensichtlich auch die Püttmeister nicht die Gewohnheit, ihren Arbeitern Geld abzupressen. Dagegen gehörte beides zur sozialen Situation beim Eisenbahnbau. Vgl. Wortmann, S. 149; Eichholtz, S. 255, 286f.; dies bestätigte auch Wolfgramm, S. 71. 23 Vgl. Schaer, Lage, S. 132. 24 Die hier beschriebenen Fälle sowie die bei Eichholtz und Wolfgramm erwähnten Proteste ergeben folgende Monatswerte für die 1840er Jahre: Jan.: 2; Febr.: 1; März: 3; April: 5; Mai: 2; Juni: 2;Juli: 7; Aug.: 5; Sept.: 3; Okt.: 5; Nov.: 5; Dez.: 0; Gesamt: 40. 25 Darin stimmen Eichholtz, S. 281ff., und Wortmann, S. 152, 155, überein; Wolfgramm, S. 88, 101, betont dagegen, daß die Kämpfe 1845 in eine neue Phase eintraten; für »sie ist der Umstand kennzeichnend, daß das stärkere Hervortreten der jungen Arbeiterklasse nun auch für die Entwicklung der politischen Verhältnisse und besonders für das Heranreifen einer revolutionären Situation von immer größerer Bedeutung« wurde. Unverkennbar sei seit dem Weberaufstand eine Höherentwicklung »im Bewußtsein der Klassensolidarität«, die bis 1848 »mit der revolutionär demokratischen Bewegung zusammengewachsen« sei. - Allgemein die Bedeutung der täglichen Protesterfahrung für die Bewußtseinsbildung untersucht überzeugend am englischen Beispiel Vester, ferner auch Uhen, S. 59ff.; eine realistische Einschätzung des Bewußtseinsstandes und dessen Entwicklung gibt W. Schmidt, Zu einigen Fragen der sozialen Struktur und der politischen Ideologie in der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848/ 49, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 7, 1965, S. 645-660.
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Anmerkungen zu Seite 171-173 Kapitel 6 1 Vgl. Abel, Massenarmut, S. 388f.; J . Bergmann, Ökonomische Voraussetzungen der Revolution 1848. Zur Krise von 1845 bis 1848 in Deutschland, in: GG 2, 1976, S. 254-287, hier S. 260f. 2 In Ostfriesland fiel die Ernte allgemein schlecht aus; die üblichen Überschüsse wurden nicht erreicht. Im südlichen, am dichtesten bevölkerten Landesteil Hannovers blieb die befürchtete Mißernte bei Kartoffeln weitgehend aus. Vgl. Galleis, Bd. 3, S. 688f.; AAZ Nr. 255, 12. 9.; Nr. 265, 22. 9. 1845. Allgemein dazu auch T. S. Hamerow, Restoration, Revolution, Reaction - Economics and Politics in Germany 1815-1871, Princeton 1958, S. 76ff. - Zu den Auswirkungen der Kartoffelkrankheit siehe Abel, Massenarmut, S. 365f. 3 Vgl. dazu die Angaben in: Getreidepreise, S. 278; Bergmann, Voraussetzungen, S. 260. 4 Zur Agrarkonjunktur allgemein ebd., S. 255ff.; Spree, Bergmann, S. 299ff.; M. Stürmer, 1848 in der deutschen Geschichte, in: Wehler, Sozialgeschichte Heute, S. 228-242, hier S. 232; Gallois, Bd. 3, S. 700, 724. - Die Preußische Regierung rechnete mit Mindererträgen bei Roggen von 41 v.H.; stellenweise war der Ausfall sogar 52 v.H.; bei Kartoffeln betrug er 64 v.H.; Obermann, Krise, S. 145f. - U m Braunschweig waren die Ernteerträge knapp ausreichend; StAWF, 126 Neu 4298; unterschiedlich in der benachbarten Provinz Sachsen; DZM, 2.2.1. Nr. 16378, 16413, 16448. Ausgesprochen gut waren sie in Holstein und Dänemark; Gallois, Bd. 3, S. 700. 5 Vgl. Bermann, Voraussetzungen, S. 267ff.; Abel, Massenarmut, S. 367f.; Gallois, Bd. 3, S. 700, 724. 6 Obermann, Krise, S. 154ff.; vor allem Bergmann, Voraussetzungen, S. 262ff. - Zum Getreidehandel Gallois, Bd. 3, S. 700, 721, 724. 7 Vgl. DZM, 2.2.1. Nr. 16378; Spree, Bergmann, S. 301f.; Abel, Massenarmut, S. 371ff.; Bergmann, Voraussetzungen, S. 256, 270ff. 8 Allgemein dazu C. Tilly, Food Supply, S. 385ff., 443; ders., Hauptformen kollektiver Aktion in Westeuropa. 1500-1975, in: GG 3, 1977, S. 153-163, hier S. 157, 160ff.; Rudé, Crowd in History, S. 219; R. B. Rose, S. 279, 284ff.; zu Hungerunruhen in Deutschland Hamerow, S. 84f.; Obermann, Deutschland, S. 186f., sieht in ihnen die Manifestation der »Kraft der Volksmassen«; V. Klemm, Größe und Grenzen der kleinbürgerlich-demokratischen B e w e gung in der Revolution von 1848/49 in Deutschland, Berlin (Ost) 1968, S. 19, charakterisiert sie als »antifeudale Volksbewegung«. - Als informelle Aktionen stuft sie Uhen, S. 156ff., ein. 9 Oldenburg und Delmenhorst waren in normalen Jahren Importgebiete für münsterländisches Getreide; in der Krise erhielten sie hauptsächlich Zufuhren aus Bremen. Preisangaben aus: Statistische Nachrichten, H. 4, S. 5f.; für Braunschweig die wöchentlichen Notierungen in den Braunschweigischen Annalen 1846/47. - Vgl. dazu auch die Angaben zu Altona bei Flor, S. 904f. 10 Statistische Nachrichten, H. 4; vgl. Flor, S. 904f.; AAZ Nr. 94, 4. 4. 1847. - Im Osnabrück'schen stieg der Preis für den Malter Roggen im Herbst 1846 von 7 auf 14-20 Taler, im Frühjahr 1847 sogar auf 36-40 Taler; Wrasmann, S. 101 f. - In Frankfurt/Oder kletterten die Roggenpreise 1846/47 um 150 v.H., die von Kartoffeln gar um 250 v.H.; Klemm, S. 18. - Zum Hamburger Exportgeschäft Gallois, Bd. 3, S. 699, 724f.; Preisangaben für hannoversche Städte bei Jeschke, S. 493ff. 11 Der Begriff wurde geprägt von R. Koselleck in seinen Beiträgen zu L. Bergeron u. a., Das Zeitalter der europäischen Revolution 1780-1848, Frankfurt/M. 1969, S. 234. 12 DZM, 2.2.1. Nr. 16448; AAZ Nr. 113, 13.4.; Nr. 118, 28. 4. 1847; in Bremen stieg während des Monats April der Roggenpreis um 40 v.H.; AAZ Nr. 126, 6. 5. 1847; vgl, allgemein O.-E. Krawehl, Hamburgs Schiffs- und Warenverkehr mit England und den englischen Kolonien 1814-1860, Köln 1977, S. 214ff., 3343ff. 13 Vgl. AAZ Nr. 138, 18.5.; Nr. 139, 19.5.; Nr. 145, 25. 5.; Nr. 147, 27. 5. 1847. -
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Anmerkungen zu Seite 173-177 Merseburg und Magdeburg erwähnten erst im Juni/Juli-Bericht fallende Preise; DZM, 2.2.1. Nr. 16448, 16413. - Vgl. Abel, Massenarmut, S. 388f. - Ende Mai der Preisrückgang in Braunschweig; BSM Beil. Nr. 45, 1847, S. 367ff.-Endgültig brachte der Zusammenbruch der Getreidespekulation im Juni einschneidende Preissenkungen; AAZ Nr. 154, 3. 6.; Nr. 161, 10. 6. 1847. - Stürmer, S. 232f., stellt dagegen erst für den Sommer 1848 einen spürbaren Preisrückgang fest. 14 Vgl. DZM, 2.2.1. Nr. 16448, 16378; Spree, Bergmann, S. 301f.; Obermann, Krise, S. 162ff.; Bergmann, Voraussetzungen, S. 270ff.; F. W. v. Reden, Erwerbsmangel, MassenVerarmung, Massen-Verderbnis; deren Ursachen und Heilmittel, in: ZVdS 1, 1847, S. 118-135, hier S. 119f., 123; vgl. StAOS, Rep. 300 Nr. 1006, 1007; ferner die Supplik Bremer Gewerbetreibender, zit. bei Abel, Massenarmut, S. 420ff. - Große Not herrschte auf den Dörfern im Göttingenschen, wo der Mangel unter der »handarbeitenden Klasse« allgemein wurde; AAZ Nr. 274, 1. 10. 1846; Nr. 128, 8. 5. 1847; DZM 2.2.1. Nr. 16448. - Im Braunschweigischen Weserdistrikt konnten fast 2000 Familien durch kleine Landwirtschaft, Weberei, Waldarbeit und Steinbrucharbeiten längst nicht das Nötigste verdienen; StAWF, 12 A Neu Fb. 13 η 48833. - Die relativ günstige Entwicklung im industriellen Sektor änderte sich 1847 ebenfalls; oft wurden Arbeiter entlassen; zur Konjunktur Spree, Bergmann, S. 293f., 302ff.; siehe ferner DZM, 2.2.1. Nr. 16413, 16448. - In Lüneburg rief der Eisenbahnbau eine Arbeitskräfteknappheit hervor, die eine Welle von Lohnerhöhungen auslöste; Assmann, S. 33. 15 StAWF, 12 Α Neu Fb. 13 η 48833; vgl. auch ebd., 39 Neu 4 36; 126 Neu 4298; für Westfalen Schulte, S. 149ff. 16 StAAUR, Rep. 21a Nr. 2424. 17 Ein Hilfsverein in Bremen gab zwischen 20. 1. und 3. 3. 1847 65300 Portionen, pro Tag über 1500, aus; in Altona wurden sogar täglich 2000 Essen vom 2. 12. 1846 bis 17. 4. 1847 verabreicht, insgesamt 147514; Abel, Massenarmut, S. 383; Flor, S. 903; vgl. ferner AAZ Nr. 90, 31. 3.; Nr. 128, 8. 5. 1847; Gebauer, S. 353; C. Cassel, Geschichte der Stadt Celle, Bd. 2, Celle 1934, S. 252; Schulte, S. 150ff.; Obermann, Krise, S. 152. 18 Siehe Gebauer, S. 353; allgemein F. F. Piven u. R. A. Clowarä, Regulating the Poor, New York 1971, S. 3ff.; ferner StAWF, 12 Α Neu Fb. 13n 48833; StAOS, Rep. 300 Nr. 1007, 1008. - In Bremen reagierte der Senat trotz energischer Aufforderung von Gewerbetreibenden erst relativ spät; Abel, Massenarmut, S. 420ff.; H. Sasse, S. 128, 132ff.; für Hamburg siehe auch die »Vossische Zeitung« vom 20. 5. 1847. 19 StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6211. 20 StAAUR, Dep. LX 880; dagegen trat das Innenministerium für energisches Einschreiten und schnelle Untersuchung gegen die Anstifter ein; HStAH, Hann. Des. 80 Hann. IA 654. - Im Mai fand ein Teuerungstumult in Verden statt, den die Landdrostei im Gegensatz zu den Lokalbehörden herunterspielte; er sei völlig isoliert erfolgt und werde sich bei günstiger Ernte nicht wiederholen. Mit Blick auf den politischen Bereich maß sie ihm lediglich »rechtsstörenden« Charakter zu; ebd., Rep. 6 Nr. 10506. 21 Vossische Zeitung, 20. 5. 1847. 22 StAHH, Protocollum Senatus Hamburgensis 1847, No. 1; AAZ Nr. 172, 21. 6.; Nr. 174, 23. 6. 1847. 23 StAHH, Patronat St. Pauli II A 7596. Ferner AAZ Nr. 174, 23. 6. 1847; eine kurze Erwähnung bei Baasch, Geschichte, S. 87; Bolland, Juristen, S. 18. 24 StAHH, Patronat St. Pauli II A 7596. 25 So der Senat in seinem Tumultmandat; ebd. 26 Gallois, Bd. 3, S. 725. 27 So die Regierung Merseburg nach Protesten in Halle, Merseburg und Eilenburg; DZM, 2.2.1. Nr. 16448; vgl. Obermann, Krise, S. 161; allgemein zu Plünderungen C. Tilly, Food Supply, S. 386ff 28 H. Leiskow, Spekulation und öffentliche Meinung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts,
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Anmerkungen zu Seite 177-180 Jena 1930, S. 70ff.; über Kornpreise, -wucher u. ä. in BSM Beil. Nr. 44, 1847, bes. S. 361ff. Erst 1848 wurde beim Senator Merck in Hamburg gegen dessen »angeblich preissteigernde Korngeschäfte« durch Fenstereinwerfen protestiert; Schramm, S. 215. 29 In Aschersleben und Straßfurt; DZM, 2.2.1. Nr. 16413; vgl. auch Obermann, Krise, S. 158f. - Zur Bedeutung Magdeburgs vgl. Krawehl, bes. S. 341. 30 Dazu allgemein C. Tilly, Food Supply, S. 337ff. 31 Vgl. Krawehl, S. 131f., 339. 32 Nach einer amtlichen Statistik besaßen 1847 in der Landdrostei Osnabrück Heuerleute zwischen 3,8 und 5,5 Morgen Ackerland sowie mindestens eine Kuh; vgl. Wrasmann, S. 98ff.; zur breitgestreuten Verfügung über Land in Oldenburg Wegmann-Fetsch, S. 19f. - Hannoversche Städte waren intensiv bemüht, zusätzliche Flächen als Gartenland zur Verpachtung für ihre Einwohner bereitzustellen; Jeschke, S. 421f. - Zur Eigenversorgung siehe außerdem H. J . Teuteberg u. G. Wiegelmann, Der Wandel der Nahrungsgewohnheiten unter dem Einfluß der Industrialisierung, Göttingen 1972, bes. S. 89. 33 Zweifellos war gegenüber früheren Jahren eine Verschlechterung der Pachtmöglichkeiten eingetreten; vgl. StAWF, 4 Alt 18 Bd. 5 169 D IX 1. - In Braunschweig wurden 1823/25 die Kartoffeln von den Stadtbewohnern noch auf eigener Scholle gezogen; vgl. Teuteberg, Wiegelmann, S. 150; zu Altona siehe Flor, S. 904. 34 Köllmann, Arbeitskräftepotential, sieht in den Jahren 1846/48 den Kulminationspunkt von Bevölkerungswachstum, überschrittenem Nahrungsmittelspielraum und Entwertung des Arbeitsplatzes. - Vgl. Obermann, Deutschland, S. 181f.; Gallois, Bd. 3, S. 727; Siemens, S. 851. 35 Zum industriellen Konjunkturabschwung vgl. Spiethoff, S. 40f., 114ff.; Spree, Wachstumszyklen, S. 129ff.; ders., Bergmann, S. 318; Mottek, S. 199ff.; die Anzahl der Maschinenarbeiter sank beispielsweise in Berlin um über 75 v.H.; ebd., S. 235; zur Lage in Hamburg Gallois, Bd. 3, S. 727. Kapitel 7 1 F. Engels, Einleitung, in: Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850, Berlin (Ost) 1971 (= MEW 7), S. 512; ders., Revolution und Konterrevolution in Deutschland, Berlin (Ost) 1972 (= MEW 8), S. 11,22f; vgl. Obermann, Deutschland, S. 185, 193ff., 250; konkreter ders., Krise, bes. S. 174, worin er die Teuerungskrise und Kapitalmangel als wichtige Faktoren der sich beschleunigenden »sozialen Veränderungen« bezeichnet; von ihnen war »es nur noch ein kleiner Schritt zu sozialen und politischen Bewegungen, die in die Revolution einmündeten«. Mottek, S. 199ff, umgeht das Problem völlig. Ferner zum Zusammenhang von ökonomischer Krise und Revolution W. Schmidt; dazu auch A. Dorpalen, Die Revolution von 1848 in der Geschichtsschreibung der DDR, in: HZ 210, 1970, S. 324-368. 2 Stadelmann, S. 36f., 59, 63; ihm schließt sich Stürmer, bes. S. 233f., an. 3 Bergmann, Voraussetzungen, S. 248ff.; um eine differenzierte Klärung bemüht sich auch J . Sigmann, Eighteen-Fortyeight. The Romantic and Democratic Revolutions in Europe, London 1973, S. 79ff. 4 Todt, Radant, S. 79, ermittelten für 1847 nur noch einen Streik, gegenüber 1846: 3 und 1844: 8. - Eine Zusammenstellung der Eisenbahnbauarbeiterproteste ergab: 1844: 7; 1845: 17; 1846: 9; 1847: 6. 1847 verteilten sich die Proteste mit je einem Fall auf die Monatejanuar, April, Mai, August, Oktober und N o v e m b e r . - R . Tilly, S. 16f., sieht im Protestbild der 1840er Jahre einen Reflex der ansteigenden sozialen Spannungen. In C. Tilly u.a., S. 208f., betont er das Kulminieren des Protests in der Revolution 1848; insgesamt hielt er jedoch Norddeutschland für protestarm. 5 Vgl. allgemein Sigman, S. 183ff
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Anmerkungen zu Seite 180-186 6 Vgl. M. Püschner, Die Rheinkrise von 1840/41 und die antifeudale Oppositionsbewegung, in: H. Bleiber (Hg.), Bourgeoisie und bürgerliche Umwälzung in Deutschland 1789-1871, Berlin (Ost) 1971, S. 101-134. 7 Vgl. dazu Obermann, Deutschland, S. 246ff.; Klemm, S. 23ff.; dies betont W. Pöls (Hg.), Historisches Lesebuch 1. 1815-1871, Frankfurt 1966, bes. S. 24; siehe auch Wende, S. 204ff.; W. Bussmann, Zur Geschichte des deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert, in: HZ 186, 1958, S. 527-557, hier S. 529ff. - Allgemein außerdem J . J . Sheehan, Liberalismus und Gesellschaft in Deutschland 1815-1848, in: L. Gall (Hg.), Liberalismus, Köln 1976, S. 203-231; L. Krieger, The German Idea of Freedom. History of Political Tradition, Chicago 1957; W. J . Mommsen, Der deutsche Liberalismus zwischen »klassenloser Bürgergesellschaft« und »Organisiertem Kapitalismus«, in: GG 4, 1978, S. 77-90; auch L. Gall, Liberalismus und »bürgerliche Gesellschaft«. Zu Charakter und Entwicklung der liberalen Bewegung in Deutschland, in: Ders., Liberalismus, S. 162-186. 8 V. Valentin, Geschichte der deutschen Revolution von 1848-1849, Bd. 1, Köln 1970, S. 208. 9 T. Müller, S. 202ff.; Steinacker, Reichsgedanke, S. 152f., 155ff., 173ff.; E. Heusinger, Braunschweig in seiner Beteiligung an der deutschen Volkserhebung, Braunschweig 1849, S. 149ff. 10 Rüthning, S. 544; G. Kohnen, S. 218ff.; Wegmann-Fetsch,S. 23ff.; vgl. StAOL, 31-13 Nr. 31-1 I; AAZ Nr. 25, 12. 10. 1845; Nr. 71, 12. 3.; Nr. 123, 3. 5.; Nr. 205, 24. 7. 1847. 11 Wegmann-Fetsch, S. 26ff. 12 Golka, Reese, S. 280ff.; Kolb, Teiwes, S. 219ff. 13 Bippen, S. 459ff.; Kastendiek, S. 33ff.; Schwarzwälder, S. 172, 178ff. 14 Obst, S. 16ff.; Lüdemann; Gallois, Bd. 3, S. 711, 735ff.; Baasch, Geschichte, S. 82ff.; Gabe, S. 26ff.; mit einigen Ungenauigkeiten im Protestablauf Bauendamm, S. 22ff.; H. Böhme, Frankfurt und Hamburg. Des deutschen Reiches Silber- und Goldloch und die allerenglischste Stadt des Kontinents, Frankfurt 1968, S. 213, hielt die Reformbewegung für bereits am Vorabend der Revolution ermüdet. 15 Zum Verlauf vgl. Golka, Reese, S. 282f.; Kolb, Teiwes, S. 227f.; Wegmann-Fetsch, S. 28ff.; T. Müller, S. 202ff.; Steinacker, Reichsgedanke, S. 152f.; Bippen, S. 460ff.; Kastendiek,S. 33ff.; Schwarzwälder, S. 183ff.; Bavendamm, S. 24f.; Baasch, Geschichte, S. 89f.; Gallo15, Bd. 3, S. 735ff.; Gabe, S. 33ff. 16 Dazu Obst, S. 18ff.; Bauendamm, S. 22f.; Kastendiek, S. 33; T. Müller, S. 202; L. Knackstedt, Die Braunschweiger Deutsche Reichszeitung in der deutschen Bewegung von 1848-1851, Braunschweig 1931, S. 6. - In Hannover und Oldenburg entstanden liberale Vereine erst im Zuge der Märzereignisse und im weiteren Verlauf des Jahres 1848; Kolb, Teiwes, S. 227, 236ff.; Wegmann-Fetsch, S. 189ff. 17 Bippen, S. 461; Baasch, Geschichte, S. 89; Gallois, Bd. 3, S. 735, 737f.; Laufenberg, Arbeiterbewegung, S. 107. 18 Die bislang vorliegenden, verdienstvollen Arbeiten erlauben allerdings noch kein flächendeckendes Bild, sondern konzentrieren sich auf einzelne Regionen: für Braunschweig siehe bes. Buchholz, Bevölkerung, S. 21ff.; die oldenburgischen Marschen behandelt H. Bollnow, Politische und soziale Bewegungen in Oldenburg 1848, in: NJ 36, 1964, S. 158-171; ferner zu Oldenburg Wegmann-Fetsch, S. 45ff., 110ff.; die Landdrostei Hannover untersuchen Golka, Reese; dazu auch Kolb, Teiwes, S. 219ff. 19 Dazu vgl. Buchholz, Bevölkerung, S. 22ff.; Bollnow, S. 160ff.; Golka, Reese, S. 284ff.; Kolb, Teiwes, S. 218ff.; ferner siehe die Gesuche in den Beständen des StAWF, 4 Alt 18 Bd. 18 971 D VII; 28 1453 D XXI; 5 169 D IX; 39 Neu 21 73, 74, 76, 80. 20 So die Forderung von Tagelöhnern im braunschweigischen Ahlum, 8. 4. 1848, da sonst »unsere Interessen niemals gehörig berücksichtigt« werden; StAWF, 4 Alt 18 Bd. 18 971 D VII.
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Anmerkungen zu Seite 186-204 21 Zit. nach Golka, Reese, S. 284; vgl. Kolb, Teiwes, S. 224. - Zur politischen Semantik der Landbewohner siehe allgemein R. Wirtz, Die Begriffsverwirrung der Bauern im Odenwald 1848. Odenwälder »Excesse« und die Sinsheimer »republikanische Schilderhebung«, in: D. Puls u. a., Wahrnehmungsformen und Protestverhalten. Studien zur Lage der Unterschichten im 18. und 19. Jahrhundert, Frankfurt 1979, S. 81-104. 22 Vgl. Golka, Reese, S. 281f.; Jeschke, S. 37ff.; Hamerow, bes. S. 150. 23 Kolb, Teiwes, S. 228ff.; Golka, Reese, S. 293ff. 24 Vgl. T. Müller, S. 203; Steinacker, Reichsgedanke; Valentin, Bd. 1, S. 365. 25 Vgl. Golka, Reese, S. 290ff.; Wegmann-Fetsch, S. 115f. 26 Vgl. Überlegungen von Stadelmann, S. 10, 59f.; ferner allgemein von Johnson, S. 147 f.; ähnlich auch Almond, Mundt, S. 626.
Teil lI 1 Vgl. M. Weber, Die »Objektivität« sozialwissenschaftlicher Erkenntnis, in: Ders., Soziologie, weltgeschichtliche Analysen, Politik, hg. v. J . Winckelmann, Stuttgart 19684, S. 186-262, hier S. 220. 2 Vgl. Volkmann, Krise, S. 170ff. Sein Resümee, wirtschaftlicher Verursachung habe 1830 in auffallendem Gegensatz zur tatsächlichen materiellen Lage eine untergeordnete Rolle gespielt (S. 167), dürfte in erster Linie auf die Augsburger Allgemeine Zeitung als Hauptquellenbasis zurückzuführen sein. Zeitungen konzentrierten sich augenscheinlich mehr auf spektakuläre politische Herausforderungen in den Hauptstädten. 3 Kybitz,S. 219. 4 Vgl. R. Tilly, S. 15f.; die geringe Bedeutung, die Tilly ökonomischem Protest für 1830ff. zumißt, resultiert offensichtlich aus lückenhaften Daten; denn für Gesamtdeutschland verzeichnet er 1830-39 lediglich 28 Fälle, während allein für Norddeutschland 1830-34 20 Protestfälle ermittelt werden konnten. Dabei sind allerdings die Protestkriterien von Tilly zu berücksichtigen. 5 In England häufte sich Hungerprotest; dazu J . Stevenson, Food Riots in England 1792-1218, in: Ders., Quinault, S. 33-74, hier S. 36. Die Mißerntejahre 1856/57 wurden in Deutschland ebenfalls nicht von ungewöhnlich zahlreichem Protest begleitet; vgl. R. Tilly, S. 11f. 6 Dazu gehörten allein 13 Ordnungskonflikte, davon 4 in den Jahren 1815-18 und 5 1830-37. - Vgl. ebd., S. 14, nach dessen Forschungen studentischer Protest auf gesamtdeutscher Ebene 1816-29 stark überdurchschnittlich auftrat. 7 Nach einem Bericht aus Hamburg; DZM, 2.4.1. Nr. 8172. 8 StAHH, CL. VII Lit. Lb No. 18 Vol. 8 Fasc. 2a, 2b; Polizeibeh.-Knminalw. C., Jg. 1835 No. 976; AAZ Beil. Nr. 222, 1835; Krohn, S. 56f., 61 ff.; M. Zimmermann, S. 47ff. 9 Bevölkerungszahlen errechnet nach Haufe, S. 158ff., 230f. 10 Vgl. den allgemeinen, knappen Überblick von H. Zwehr, The Modernization of Crime in Germany and France, 1830-1913, in: JSH 8, 1975, S. 117-141. - Ein zeittypisches Urteil über die Verruchtheit der Stadt in der Petition sämtlicher Dorfschaften des Bremischen Gebietes gegen die Wehrpflicht 1832; StAHB, 2-R-6.b.2.a.2.c; vgl. außerdem StAHH, Cl. VII Lit. Cb No. 5 Vol. II Fasc. 8; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β Nr. 4. 11 Vgl. zum Problem der politischen und sozialen Destabilisierung durch Modernisierung, insbesondere im Zusammenhang mit Urbanisierung, Eisenstadt; Olson; Huntington, Political Order; C. Tilly, Rule, S. 12ff.; C. Tilly, Changing Place, S. 141; ders. u.a., S. 32ff., 83ff.; als Überblick auch Rude, Debate, S. 80ff. 12 Die Bevölkerungszahlen bei Siemens, S. 847f.; Schaefer, S. 36ff.; in der Tendenz bestätigend die neuen Berechnungen von A. Kraus in den von ihr besorgten Quellen zur Bevölke-
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Anmerkungen zu Seite 205-216 rungs-, Sozial-und Wirtschaftsstatistik Deutschlands, hg. v. W. Köllmann, Bd. 1: Quellen zur Bevölkerungsstatistik 1815-1875, Boppard 1980, S. 250ff., 262ff. - Allgemein zu diesem Problemkreis W. Köllmann, Die Bevölkerung Rheinland-Westfalens in der Hochindustrialisierungsperiode, in: VSWG59, 1971, S. 359-388; E. Pfeil, Großstadtforschung. Entwicklung und gegenwärtiger Stand. Hannover 19722, bes. S. 147. 13 Kraus, bes. S. 60. 14 Vgl. die Kritik von Hausen, S. 261 f. 15 Zit. nach Polizeistatistiken bei Siemens, S. 849. 16 Vgl. R. Tilly u. G. Hohorst, Sozialer Protest in Deutschland im 19. Jahrhundert: Skizze eines Forschungsansatzes, in: K. H. Jarausch (Hg.), Quantifizierung in der Geschichtswissenschaft. Probleme und Möglichkeiten, Düsseldorf 1976, S. 232-278; R. Tilly, S. 31. 17 Siehe StAWF, 125 Neu 100; 126 Neu 78 1 und 1348. 18 Unter sozialer Kontrolle wird hier Steuerung abweichenden Verhaltens durch Sanktion verstanden. Dabei bilden Familie, Werkstatt, Betrieb, Schule und Zunft wichtige Medien. Siehe d a z u j . Stevenson, Social Control and the Prevention of Riots in England, 1789-1829, in: A. P. Donajgrodzkis (Hg.), Social Control in Nineteenth Century Britain, London 1977, S. 27-50; und Smelser, S. 33f.; C. Cilly, Rule, S. 12f. 15; Olson, S. 532. 19 Dazu allgemein Hobsbawm, Peasants; Landsberger; Η. Alavi, Peasant Classes and Primor dial Loyalities, in: JPS 1, 1973, S. 23-62, behandelt die ländliche Klassenbildung; ferner siehe Mooser. 20 Vgl. Neddermeyer, S. 728. 21 Allgemein dazu Hibbs. 22 Wünschenswert, aber methodisch schwierig wäre die systematische Analyse von Situationen, in denen Protest nicht zustande kam. - Die Wirkung der Quantität von Repressivkräften darf nicht überschätzt werden; vgl. Lüdtke, S. 209f.; Hobsbawm, Sozialrebellen, S. 153; zu kurzgeschlossen sieht R. Tilly in C. Tilly u. a., S. 217, die Zusammenhänge. 23 Gerüchte, Neugier und Alkohol spielten nachweislich in mindestens 54 Fällen eine wichtige Rolle. 24 StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4. - Allgemein vgl. Nahrstedt, S. 103f., 138f., 162, 218; Bergmann, Handwerk, S. 113f. 25 Dazu Bock, Liberalismus, S. 143; Gallois, Bd. 2, S. 69, schrieb dem schlechten Wetter bei den Judentumulten 1830 ebenfalls dämpfende Wirkung zu. 26 StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4. 27 R. Tilly, S. 20, stellt eine Bedeutungszunahme der »simple crowds« in den 1830er und 40er Jahren fest; Gruppen mit »ideological identity« waren für 1816-1829 sehr bedeutsam. Berufsgruppen steigerten ihren Prozentanteil; ders. in: C. Tilly u. a., S. 226. - Auch Volkmann, Krise, S. 120, hebt die Rolle der spezifischen Gruppen hervor. 28 Gewerbestatistik von 1833 bei Reden, Königreich Hannover, Bd. 1, S. 472ff. 29 Dazu G. F. Krause, Betrachtungen über die Unruhen der Zeit und ihre Ursachen, Gotha 1831, S. 6; vgl. außerdem Jarausch, S. 551ff. Nicht inadäquat erscheint ein Erklärungsansatz, der von einem Modell kognitiver Dissonanz ausgeht; dazu B. Bartol, Ideologie und studentischer Protest. Untersuchungen zur Entstehung deutscher Studentenbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert, München 1977, S. 27ff. 30 StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4. 31 In Hamburg wuchs die Fluktuation Fremder von 13790 im Jahre 1830 bis auf 62450 1847; Siemens, S. 849. - Durch Dresden zogen vom November 1830 bis Dezember 1831 z. Β. 17790 Handwerksgesellen; weitere Vergleichszahlen, die die hohe Mobilität der Gesellen unterstreichen und die Kontrollaktivitäten der Polizei verdeutlichen, bei H.-J. Rupieper, Die Polizei und die Fahndungen anläßlich der deutschen Revolution von 1848/49, in: VSWG 64, 1977, S. 328-355, S. 333; vgl. auch die Karte der »Wanderwege der deutschen Handwerksgesellen im Ausland« bei W. Schieder.
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Anmerkungen zu Seite 216-223 32 Beim Braunschweiger Schloßbrand vermutete ein Teil der Öffentlichkeit die Anstifter im Adel; hinter Masken versteckt, sollten sie beim Sturm auf das Schloß vorangegangen sein. Diese Sichtweise reaktiviert Böse, S. 94ff., 109, 115, 127. 33 Zur Rolle der Advokaten auch ein Bericht von einer Reise durch Hannover, verfaßt von Dr. Ungewitter; DZM, Rep. 77 Tit 509 Nr. 14 Bd. 3. Ein Teil der Göttinger Advokatengruppe, der nicht verhaftet worden war, machte eine politische Radikalisierung durch, die sie zu Revolutionären werden ließ; ein herausragendes Beispiel stellte Rauschenplatt dar, der bereits beim Frankfurter Wachensturm wieder führend beteiligt war. 34 Die Dunkelziffer dürfte relativ gering gewesen sein, weil bei polizeilichen Ermittlungen und Gerichtsverfahren ein solches »Vorleben« von Bedeutung war. - Bemerkenswert war die Vorbestrafungsquote bei verhafteten Ewerführerknechten 1830; von 14 waren 9 bereits vorbestraft, einer hatte sich bereits einmal in Polizeigewahrsam befunden. Sie galten deshalb als besonders unruhige Elemente. 35 StAOL, Bstd. 70-3517. 36 Auswärtige als tatsächliche Anführer traten nur bei dem Göttinger Revolutionsversuch hervor; die Universitätsdozenten lebten allerdings bereits seit längerem in der Stadt und waren mit ihrer sozialen Umwelt verbunden. 37 Voikmann, Krise, S. 127, ermittelte lediglich einen Anteil von 5 v.H. der Fälle mit Ortsfremden als Träger. 38 Auswärtige, die ihren Wohnsitz mittlerweile am Protestort hatten, konnten für eine Überprüfung der Urbanisierungsthese nicht in relevantem Umfang ermittelt werden. 39 Volkmann, Krise, S. 127, kommt zu dem Ergebnis, daß in einem Drittel der Fälle Jugendliche die Protestformation mitprägten. 40 So das Amt Schöningen 1847; StAWF, 12 Α Neu Fb. 5 6211. Unter 16 bei einem Protest an öffentlichen Bauten in Braunschweig verhafteten Demonstranten befanden sich 4 Lehrlinge im Alter von 16, 20 und 25 Jahren, die offensichtlich ihre Lehre nicht fortsetzen konnten; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β Nr. 4. 41 Unter 16 bei einem Protest an öffentlichen Bauten in Braunschweig verhafteten Demonstranten befanden sich 4 Lehrlinge im Alter von 16. 20 und 25 Jahren, die offensichtlich ihre Lehre nicht fortsetzen konnten; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β Nr. 4. 42 Zum Sozialisationsdefizit vgl. die Klage des Amtes Schöningen von 1847; StAWF, 12 A Neu Fb. 5 6211; zum mangelnden Schulbesuch ebd., 39 Neu 20 113; ferner J. F. Enthold u. H. Wülff, Bilder aus der Geschichte des bremischen Volksschulwesens, hg. ν. Η. Η. Enthold, Bremen 1928, S. 349ff., sowie C. Hessenmüller, Geschichte der braunschweigischen Armenanstalten, Braunschweig 1855, S. 66f.; Bensen, S. 349ff. - Vgl. allgemein P. Lundgreen, Schulbildung und Frühindustrialisierung in Berlin/Preußen. Eine Einführung in den historischen und systematischen Zusammenhang von Schule und Wirtschaft, in: U. Herrmann (Hg.), Schule und Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Sozialgeschichte der Schule im Übergang zur Industriegesellschaft, Weinheim 1977, S. 62-110, hier S. 65ff.; den guten Überblick von H. Kerscher, Sozialwissenschaftliche Kriminalitätstheorien, Weinheim 1977. Außerdem Medick, Haushalt; W. Schaub, Städtische Familienformen in sozialgeschichtlicher Sicht (Oldenburg 1743/1870), in: W. Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1979, S. 292-345, bes. S. 296ff.; sowie Bergmann, Handwerk, S. 26f.; M. Mitterauer, Funktionsverlust der Familie, in: Ders. u. R. Sieder, Vom Patriarchat zur Partnerschaft. Zum Strukturwandel der Familie, München 1977, S. 94-119 ; ders., Der Jugendliche in der Familie, in: ebd., S. 120-143. 43 Nur ein Teil gehörte zu den Schichten, die Klemm, S. 14, dem Kleinbürgertum zuordnet; vgl. zu den sozialen Trägerschichten für Frankreich 1830 Pilbeam, S. 288; allgemein auch Rudé, Crowd in History, S. 199ff.; E. J . Hobsbawm, Sozialrebellen. Archaische Sozialbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert, Neuwied 1962, S. 151 f., bezeichnet diese sozialen Gruppen als Mob. 44 Volkmann, Krise, S. 141f., schätzt die staatliche Präsenz bei Protest 1830-34 auf unter 50 v.H. der Fälle.
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Anmerkungen zu Seite 223-233 45 Die meisten Forschungen zur Repressionspraxis sowie zur Polizei- und Militärgeschichte beziehen sich auf Preußen; sie geben die allgemeine Entwicklungsrichtung auch für die hier untersuchten Staaten wieder. Vgl. Rupieper, S. 329ff.; Lüdtke; Volkmann, Krise, S. 143ff.; als Gesamtüberblick D. Bayley, The Police and Political Development in Europe, in: C. Tilly, National States, S. 328-379; für England auch Hobsbawm, Rudé, S. 253ff.; Pilbeam, S. 291, über Frankreich. 46 Dazu einige Beispiele bei Rupieper, Polizei, 333ff. 47 Lüdtke, S. 200. 48 Vgl. StAWF, 12 Α Neu Fb. 4 C 143. 49 Vgl. ebd., 12 Α Neu Fb. 2 II Β 14. 50 Zum gewöhnlichen Ablauf in Preußen, bei dem der Landrat eine zentrale Rolle spielte, DZM, 2.2.1. Nr. 16435, 15013; Rönne, Simon, S. 664f.; Lüdtke, S. 198. 51 Zur preußischen Praxis Rupieper, S. 329. 52 Vgl. StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β 7. 53 Ermittelt nach Angaben bei Neddermeyer, S. 514; Reden, Finanzstatistik, Bd. 2, S. 892, 998, 1059; Braunschweigisches Adreßbuch 1832. Braunschweig o. J . , S. 14; Rupieper, S. 332f; eher optimistisch die Schätzung für Preußen bei Volkmann, Krise, S. 145. 54 Vgl. StAWF, 12 Α Neu Fb. 4 C 143; die Landdrostei Aurich klagte über solche Zustände permanent; StAAUR, Rep. 6 Nr. 10483, 10488, 10493, 10494. 55 In 3 Fällen waren Polizei, Militär und Bürgerwehr aktiv. 56 Vgl. StAHH, Cl. VII Lit. Lb No. 18 Vol. 8 Fase. 2a; für Bremen StAHB, 2-D-20.b.2.a.; vgl. auch die Anweisungen beim Vorgehen gegen Arbeitsniederlegung in Norden; StAAUR, Rep. 32 a Nr. 619. - Zur Präponderanz des Militärs in Preußen bei größeren Protesten siehe »Ansichten«. 57 Siehe StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β Nr. 4; 130 Neu Fb. 1 49; 34 Ν Fb. 1 Nr. XXI 7; StdtABS, DIII IV 1 Nr. 23. 58 Siehe HStAH, Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54, 55, 56, 57; StAOS, Rep. 350 Grö. I Fach 201 Nr. 3; Dep. 3b I Nr. 382. 59 Vgl. Dammann, S. 229. 60 Vgl. StAHH, Cl. VII Lit. Me No. 12 Vol. 4; dazu die »Kassandraworte« von Hudtwalcker, Bd. 2, S. 383 f., der vor dem Bürgermilitär reguläres Militär eingesetzt sehen wollte. 61 Vgl. Volkmann, Krise, S. 147f. 62 Lüdtke, S. 208ff.; erklärt findet sich die Festungspraxis in: Ansichten über das Verfahren zur Unterdrückung von Straßenaufständen, in: Archiv für die Offiziere der Kgl. Preuß. Artillerie-und Ingenieur-Corps 25, 1849, bes. S. 1. 63 Zum Folgenden vgl. Volkmann, Krise, S. 154ff. 64 Ebd., S. 156. 65 Die Verantwortungsstruktur war für Protestierende kaum erkennbar; vgl. zu diesem Problem allgemein Smelser, S. 210ff. 66 Die Objekte dienten gewissermaßen als Theorieersatz; sie erfüllten die Funktionen, die Smelser, S. 37f., 95ff., generalisierenden Vorstellungen zumißt; vgl. außerdem Oberschall, S. 119. 67 Symptomatisch der Antrag Braunschweiger Bürger nach einer scharfen Proklamation gegen Arbeiter; denn sie teilten »den Widerwillen gegen die Arbeiter, welche einen Versuch machten, die öffentliche Ruhe zu stören«; StAWF, 12 Α Neu Fb. 2 II Β Nr. 4 . - Z u r wachsenden Distanzierung vgl. auch einen Bericht von v. G. W. Meyer aus Hannover 1837; DZM, Rep. 77 Tit. 509 Nr. 14 Bd. 3; allgemein dazu Η. Ε. J ansen, Das Proletariat im Vormärz in den Anschauungen deutscher Denker, Diss. Kiel 1928. 68 Vgl. T. Schieder, Die Krise des bürgerlichen Liberalismus. Ein Beitrag zum Verhältnis von politischer und gesellschaftlicher Verfassung, in: Ders., Staat und Gesellschaft, S. 58-88, bes. S. 59; K. Klotzbach, Das Eliteproblem im politischen Liberalismus. Ein Beitrag zum
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Anmerkungen zu Seite 234-245 Staats-und Gesellschaftsbild des 19. Jahrhunderts, Köln 1966, S. 13, 45; K. Griewank, Ursache und Folgen des Scheiterns der deutschen Revolution von 1848, in: HZ 170, 1950, S. 495-523, hier S. 509. 69 Vgl. Volkmann, Krise, S. 81 f., der gröbere Klassen verwendet. 70 Der Median der Teilnehmerzahl im protestreichen Frankreich 1830-49 lag bei 350, also nicht wesentlich höher als in Norddeutschland. Allerdings war die mittlere Teilnehmerzahl sehr viel größer, ein Indiz dafür, daß einige besonders teilnahmestarke Ereignisse die Daten beeinflußten. Vgl. C. Tilly, Protest, S. 213, Tab. 1. 71 Vgl. Volkmann, Krise, S. 93. Er versucht mit Erfolg, den Datenmangel bei Teilnehmerzahlen durch die Verwendung von Bilinguen zu reduzieren (88f.). R. Tilly, S. 35, erschließt die Teilnehmerzahl aus der Stärke der Ordnungskräfte. Für den Vormärz ist dazu die Datenlage allerdings kaum günstiger; es fehlen Vorarbeiten, die Zahlen über die Ist-Stärke bestimmter Militärabteilungen oder gar Bürgergardenformationen bereitstellen. Zudem hing der Umfang des Aufgebots nicht nur von der Zahl der Demonstranten, sondern auch von der Bedeutung ab, die ihrer Herausforderung von der Obrigkeit beigemessen wurde. 72 Die Gesamtbevölkerung wurde nach Angaben für 1841 in Statistik, S. 4, errechnet. - Für 70 Fälle konnten etwa 33000 Teilnehmer ermittelt werden; unter den anderen 75 Protestfällen gab es keinen mit einer so umfangreichen Teilnehmerzahl, wie die beim Sturm auf das Schloß in Braunschweig oder dem Göttinger Revolutionsversuch. Die Arbeitskonflikte in den 1840er Jahren erreichten diese Teilnahmehöhe nicht, so daß die Durchschnittsteilnehmerzahl der Fälle, für die keine Zahlenangaben vorlagen, im Bereich des Median gelegen haben dürfte; 22000 Personen waren deshalb nicht zu hoch geschätzt. 73 Siehe dazu C. Tilly, Rule, S. 75 f. - Die Teilnehmerzahl als numerisch wesentlich größerer Faktor bestimmte entscheidend das Produkt Mann/Tage. 74 Tilly und Rule wollen nur Proteste mit Gewaltanwendung aufnehmen, so daß für sie das Problem der Verzerrung bei gewaltfreien Aktionen nicht besteht. Allerdings stellt es sich grundsätzlich für ihre Fallauswahl. 75 Vgl. zum Indexproblem die Vorschläge von Sorokin, S. 386 ff., die jedoch den falschen Eindruck mathematischer Genauigkeit hervorrufen. 76 Das Bestreben auf dem Lande, Protestaktionen zu verabreden, war deutlich erkennbar; vgl. StAWF, 12 Α Neu Fb. 4 C 143. 77 Sie ließen sich in 48 Fällen eindeutig als bedeutsam feststellen; die Dunkelziffer dürfte beträchtlich gewesen sein. 78 Eine Differenz von Kern und Kulisse war in 69 Fällen erkennbar. Volkmann, Krise, S. 86 ff., schätzt den Anteil des Kerns auf 2,5-10 v.H. der Gesamtteilnehmer. 79 Wegen der Ritualisierung der Sachzerstörung und des bedeutenden Anteils der Provokation durch Ordnungskräfte bei Gewaltanwendung der Demonstranten gegen Personen wurde auf eine Zuorndung ihrer Gewaltausübung in »offensiv« bzw. »defensiv« verzichtet. 80 Sie deutet Volkmann, Krise, S. 56ff., am Beispiel der Eutiner Unruhen von 1832 an. 81 Dazu Thompson, Patrician Society; Medick, Familienwirtschaft. 82 Vgl. dazu den zeitgenössischen Beschreibungs- und Analyseversuch von H. Graf zu Dohna, »Über das Los der freien Arbeiter«; zit. in Jantke, Hilger, S. 244—249; ferner allgemein dazu K. Thomas, Work and Leisure in Pre-Industrial Society, in: PaP 29, 1964, S. 50-66; Thompson, Time; Nahrstedt, bes. S. 130f., 220f. 83 Diese Vorstellung schlug sich in der zeitgenössischen Pauperismusliteratur durchgängig nieder. Vgl. Reden, Erwerbsmangel, S. 123, 133; ders. Zusammenstellung der Preise, wo allgemein Familieneinkommen als befriedigend angesehen wurde, wenn es für Wohnung, Nahrung und Kleidung ausreichte; Rücklagen oder Ausgaben für ›social life‹ wurden nicht in Erwägung gezogen. Desgl. bei Flor. Allgemein dazu auch B. Moore, Injustice. The Social Bases of Obedience and Revolt, London 1978, bes. S. 130f, 142f., 148.
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Anmerkungen zu Seite 245-251 84 Vgl. Piven, Cloward, S. 3ff.; ferner den Bericht des Amtes Jever, 26. 8. 1830; StAOL, 70-3689. 85 Zum Legitimitätsproblem vgl. Thompson, Moral Economy, bes. S. 78, 95; Volkmann, Krise, S. 98; D. V. J . Bell, Resistance and Revolution, Boston 1973, bes. S. 77ff., hebt Ungerechtigkeit als dominierende Legitimation hervor; sie tritt sowohl auf ökonomischer und moralischer als auch politischer und sozialer Ebene auf. Ihre Formen sind relative Deprivation, soziales Unrecht und Modellinkompatibilität. Damit geht er über den Deprivationsansatz hinaus. - Allgemein zum Problem der Legitimation durch Tradition Oberschall, S. 29; außerdem Moore, Injustice, bes. Kap. 1-3. 86 So in der Bekanntmachung des Hamburger Senats, 17. 6. 1847; StAHH, Patronat St. Pauli II A 7596. 87 Vgl. StAHH, Cl. VII Lit. Cb No. 5 Vol. II Fasc. 8; StAHB, 2-D-20.b.2.a; StAOL, 70-3689. 88 Medick, Familienwirtschaft S. 146f.; auch Volkmann, Krise, S. 52. Er betont die internalisierte Protesterfahrung. Sie wurde ebenso gelernt wie anderes Sozialverhalten. Vgl. Oberschall, S. 25. 89 C. Tilly, Revolutions, S. 506f., unterscheidet »reactive«, »proactive« und »competitive« Aktionen. Vgl. ferner Volkmann, Krise, S. 50; Hobsbawm, Sozialrebellen, S. 160. 90 Zeitgenossen erlebten das Jahr 1830 als »ein geistiges Ferment«; so L. H. Fischer, Des teutschen Volkes Not und Klage3, Frankfurt/M. 1845, S. 16. 91 Vgl. Lüdtke; außerdem H. Volkmann, Modernisierung des Arbeitskampfes? Zum Formwandel von Streik und Aussperrung in Deutschland 1864-1975, in: H. Kaelble u. a., Probleme der Modernisierung in Deutschland. Sozialhistorische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, Opladen 1978, S. 110-170. 92 Vgl. R. Tilly, S. 27 ff.; ders. in C. Tilly u. a . , S . 216, wo er die Hypothese aufstellt, »that rapid urbanization and industrialization reduced the level of collective violence, because they moved masses of the potentially violent from familiar contexts and thus destroyed their means of collective action«.
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Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover (HStAH). Deutsche Kanzlei London: Hann. Des. 92 XXXII III 6; XLI 136; XLI 137 Vol. I, II. Kabinettsakten (Innenministerium): Dep. 103 IX C Nr. 43 Kasten 910. Justizkanzlei Celle: Hann. Des. 70 IX a; Des. 70 Nr. 3455, 3457-3463. Landdrostei Hannover: Hann. Des. 80 Hann. I A 55/1, 482, 641, 642, 644, 650, 654, 2162: Ba 100; Bee 78; Bm 133; Ca 129; Ce 118. Landdrostei Hildesheim: Hann. Des. 80 Hild. Ι Ε 54, 55, 56, 57, 58, 906, 911, 1042, 1740, 1741, 1774, 1828. Ämter: Hann. 74 Freudenberg VIII 475; Göttingen Κ 424, 426, 427 b; Hannover VIII Η 1 2; Herzberg Κ 9, 90, 91; Hildesheim Κ 47, Liebenburg IV 192. Polizeidirektion Göttingen: Hann. Des 87 Göttingen 22, 26, 27. Berghauptmannschaft Clausthal: Hann. Des. 84 I D 7, 8; II G 61. Nachlaß des Grafen Münster: Dep. 110 A 149, 193, 194, 215. Niedersächsisches Staatsarchiv Aurich (StAAUR). Landdrostei Aurich: Rep. 610481, 10483, 10488, 10490, 10493, 10494, 10495, 10497, 10498, 10499, 10504, 10505, 10506, 10518, 12827; Rep. 21 a 2454. Ämter: Rep. 32 a 619, Stadtarchiv Esens: Dep. LX 880. Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg (StAOL). Regierung Oldenburg: Best. 70-3517, 3519, 3685, 3686, 3689, 3690, 3691. Landstände: Best. 31-13 Nr. 31-1 I. Stadt Oldenburg: Best. 262, 1-2082. Niedersächsisches Staatsarchiv Osnabrück (StAOS).
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Landdrosrei Osnabrück: Rep. 300 I 58. Staats- und Kabinettsministerium zu Hannover: Rep. 300 1006, 1007, 1008. Landdrostei/Regierung: Rep. 335 1802, 1803 I, II, 6267. Ämter: Rep. 350 Grö. I Fach 201 3; Wit. I Fach 45 1; Fach 81 10; Ibg. I Fach 305 2. Stadtarchiv Osnabrück: Dep. 3 b 381, 382; Fach 58 32; Fach 68 16. Stadtarchiv Lingen: Dep. 29 b I 112. Stadtarchiv Quakenbrück: Dep. 50 b 53, 90, 1465. Stadtarchiv Neuenhaus: Dep. 61 b 157, 229. Niedersächsisches Staatsarchiv Stade (StASTD) Landdrostei Stade: Rep. 80 Stad Ρ 234, 237, 253, 266, 291, 292, 294, 295, 296, 297. Ämter: Rep. 74 Achim 63. Stader Geschichtsverein CB 33. Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel (StAWF) Geheimratskollegium, Staatsministerium: 12 Α Neu Fb. 2 Β 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11 I, II, 12, 13, 14, 15; Fb. 4C 143; Fb. 5 11, 37, 211, 403, 404, 407, Β 711, 3711, 5095, 5653, 6171, 6197, 6205, 6208, 6211; Fb. 13 n 48 833. Landtag: 23 Neu Fb. 1 16, 17, 18, 64, 65, 67, 83 Vol. I, 953, 954, 955, Vol. I, II, 1362. Kreisgerichte/Stadtgerichte: 31 Neu 17 22. Wolfenbüttel (nichtstaatliche Akten): 34 Ν Fb. 1 XI 104, 105, XXI 6, 7, 15. Distrikts-, Kreisgerichte: 38 Α Neu 2 Fb. 1 III Abt. 38 Vol. I. Kreisämter (Ämter) und Stadtgerichte: 39 Neu 4 36; 5 107, 110, 111, 114; 12 168, 620; 14 721; 15 13; 18 11; 21 72, 73, 74, 76, 80. Hzgl. Kammer: 50 Neu Fb. 11 7874. Bergamt Blankenburg: 60 Neu 2 34, 71, 77. Landtag: 124 Neu C 3890, 3891; Ε 113. Landesdirektion: 125 Neu 100. Kreisdirektion Braunschweig: 126 Neu 78 1, 1342, 1346, 1348, 1468, 2798, 2835, 2836, 4298. Kreisdirektion Wolfenbüttel: 127 Neu 159, 1820.
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Kreisdirektion Gandersheim: 129 Neu 12; 8 4; 15 2, 7; 24 2, 18, 19. Kreisdirektion Holzminden: 130 Neu Fb. 1 16, 49, 100, 238, 522, 523, 524. Nachlaß K. F. v. Veitheim: 242 Ν 346, 347, 823, 1117. Nachlaß v. Thielau: 259 Ν 29, 31, 32. Guts- und Familienarchiv v. Campe: 202 Ν 276. Kammersachen: 4 Alt 18 Bd. 2 Η 552 Μ 7 1; Bd. 2 4418 A 7, 4418 Α 7a; Bd. 5 169 D IX, IX 1; Bd. 18 917 D VII; Bd. 28 1453 D XXI. Handschriften: HS VI 7 29; 9 61, 68. Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Bremen (StAHB) Ratsarchiv: 2-C-12.e. - 2-D-17.b.4.; 17.b.4.a.1.; 20.b.2.a. - 2-D-19.n.4. - 2-Q-9.c.2.b.1.; 9.c.2.b.2.a.; 9.d.2.a.3.; 9.h.4.Bd. 1. - 2-R-6.b.2.a.2.c; 6.b.2.a.2.d. - 2-S-5.0.8.b.; 15.0.7.d.;15.0.7.k.4.Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg (StAHH) Bestand Senat: Protocolla Senatus Hamburgensis de Anno 1847. CI. VII Lit. Cb No. 5 Vol. II Fase. 8; Me No. 12 Vol. 4, 5, 6, 7; CL. XI Spec. Lit. M Nr. 2 Vol. 2 b; Lb No. 18 Vol. 8 Fase. 1, 2a, 2b. Serie V Lit. R 203. Protokollum der Baudeputation B 98 Bd. 7. Patronat St. Pauli II A 7596. Polizeibehörde-Kriminalwesen C 1815 Nr. 112; 1817 Nr. 4, 58, 142, 159, 231; 1818 Nr. 116, 117, 148; 1821 Nr. 340, 346, 354, 362; 1822 Nr. 7, 18, 157, 204, 211; 1831 Nr. 469, 539, 573, 574, 575; 1832 Nr. 37; 1834 Nr. 469; 1835 Nr. 976., 1186, 1187; 1836 Nr. 1807; 1842 Nr. 469, 1334, 1335, 1354, 1362, 1387, 1432, 1433, 1442, 1447; 1843 Nr. 2222, 2255. Sammelband »Das geheimnisvolle Haus«. Zentrales Staaatsarchiv Merseburg (DZM) Innenministerium: Rep. 77 Tit. 509 Nr. 8 Bd. 1; Nr. 14 Bd. 1, 2, 3, 4. Außenministerium: 2.4.1. Nr. 8161, 8162, 8164, 8172, 8175, 8232. Geheimes Zivilkabinett: 2.2.1. Nr. 13119, 13121, 15013, 15127, 16378, 16413, 16435, 16448. Stadtarchiv Braunschweig (StdtABS) D III I Nr. 1; D III IV 1 Nr. 3 Vol. I, Nr. 23; D III XIII Nr. 1, 2. Stadtarchiv Göttingen (StdtAGÖ) 1623 4,5. Stadtarchiv Hannover (StdtAH) 2 A 05, 6, 7. S-1600 A 473, 476, 477, 478. S-1602 A 492, 493. S-1603 A 495. Stadtarchiv Königslutter Η I 1, VI 5, St. VI 1. 356 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
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380 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Register Abgabenerleichterung 37, 76, 133, 256 Ablösungsordnung 44, 72, 318 Achim 146, 156, 3259 Adel 38f., 49, 53, 56, 67, 73, 76f., 79, 103, 127, 247, 297, 325 Agrarsektor 35f., 38, 48, 180, 186, 253 Ahlum 347 Ahrens. J . H. 87, 314 Albrecht, W. E. 95 Alkohol 152, 166, 209 Alltag /-swelt /-sieben 14, 147, 151-154, 186, 199, 232 Alten, K. A. Graf v. 86, 316 Altona 109, 176, 275 antijüdische Ausschreitungen 10, 111, 200, 233, 243, 256, 271 Arbeiter 45, 47, 62f., 75f., 121, 135, 154, 164-169, 207, 213, 215f., 219, 222, 242f., 245, 248f., 257, 278, 280, 285, 310, 332, 343, 345 Arbeiterbewegung 258 Arbeiterbildungsbewegung 257 Arbeiterbildungsverein 13 Arbeitsbeschaffung 52, 62f., 67, 112, 133, 176, 246, 256 Arbeitskampf/-konflikt 211, 249, 257f. Aschersleben 346 Assmann, K. 220 Augsburger Allgemeine Zeitung 27, 46, 78, 164, 293, 348 Aurich 11, 167, 173, 259, 280, 313 Auswanderung 46, 135 Bayern 321 Bentheim 313 Berding, H. 11 Bergmann, F. C. 315 Bergmann, J . 11, 179 Berlin 68, 70, 188 Bettmar 57 Blankenburg 70 blauer Montag 136, 149 Blumenau 285
Bode, W. 56, 68, 307 Bodenwerder 149, 259 Böse, H. 100, 182, 324 Borchardt, K. 45 Bosse, R. de 308 Bovenden 88, 216, 259f., 319 Bramsche 321 Brauns 319 Braunschweig 29, 37ff., 41, 44f., 48f., 57, 59, 66f., 70f., 74, 82, 93f., 105, 113, 119, 129, 131 f., 135, 147, 151, 172f., 175, 181, 184, 187, 193, 195, 199, 203f., 207, 209, 215, 221, 224, 231 f., 235, 251, 260, 284, 290, 302, 314, 325, 342, 344f., 350, 352 Bremen 27, 29, 37, 39f., 118f.,122,126, 128f., 132, 141, 152, 177 f., 182, 185, 195, 198, 201, 203, 230f., 237, 261-264, 337, 344 f. Bremerhaven 47, 121, 135, 264 Bremer Zeitung 332 Bremische Blätter 332 Bremisches Magazin 124 Breusing, C. 324 Brotunruhen 30, 174, 179, 195 Brüssel 67 f. Budjadingerland 130, 282 Bürgergarde /-militär /-wehr 21, 23, 53 f., 56, 58f., 62 ff., 66-73, 76, 88f., 107-110, 114fr., 119ff., 125, 131f., 151, 153, 176, 181, 187, 207, 222, 226ff., 233, 260ff., 271, 279, 308, 310f., 315ff., 327, 329, 351 Bürgertum 13, 20, 36, 40f., 48f., 56, 65, 72f., 103, 111, 124, 152, 156, 186, 215, 226f., 233, 242, 244, 250-253, 255 Bürgerverein Braunschweig 181 Bürgerverein Bremen 183 Bülow, G. P. v. 67 Burschenschaften 162 Busche, L. v. d. 87, 89 Calließ J . 11 Celle 47, 152, 166, 204, 265, 314, 322, 335 Cholera 113, 153
381 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Christiani, R. 324 Clausthal 150f., 265 Conze, W. 13 Cuxhaven 265 Dabelow, C. C. Freiherr v. 340 Dänemark 334 Dahlmann, F. C. 95f., 268, 316 Davies, J . 15 Deichbau 30, 166, 168f., 213, 283f. Delius, F. Α. 128 Delmenhorst 127, 172, 344 Demonstration 24, 55, 57, 73, 80, 94, 96, 98, 100f., 113f., 151f., 186f., 226, 242f., 253, 256, 269, 271 Detmold, J . Η. 98, 321, 323 Deutsche Nationalzeitung 307 Deutscher Bund 18, 50 f., 71, 80, 97, 99, 101 f., 104, 132f, 138, 142f., 162, 198, 201 f., 235, 251 f., 321 Donandt, F. D. 123f. Dresden 349 Drewes, D. 323 Duckwitz, A. 122 Duderstadt 88
Frankfurt/O. 344 Frankfurter Wachensturm 133, 211, 350 Frankreich 14, 35, 173, 202 Frauen 43, 61, 65, 120, 175f., 213, 219f. Freizeit 147 Freudentheil, G. 182, 323 Freytag, A. C. 77f., 93, 201, 314, 316 Fricke, J . G. 307 Friedrich-Wilhelm, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg 49 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 104 Fürstenau 265
Eichholz, C. W. 59ff., 309 Eilenburg 345 Eimsbüttel 153 »Einigkeit« - »Bremischer Mittelstands-Bürger-Club« 124f., 183, 333 Eisenbahnbau 30, 164, 166-169, 213, 229f., 237, 285, 342 f. Elbe 246 Elsfleth 130 Emden 265 Engels, F. 143, 179, 338, 442 England 14, 173, 333, 348 Ernst-August, König von Hannover 95, 97, 100-104, 157, 182, 202, 251, 274, 325 Euphrosyne 183 Eutin 130 Ewald, H. 95
Gallois, J . G. 113 Gans, S. P. 319 Geismar 88 Georg VI., König von Großbritannien und Hannover 49 Gerhard 66 Gervinus, G. G. 78, 95 f. Geselle/Handwerksgeselle 20, 36, 43, 45, 55f.,61,64f, 119f., 126, 128f., 136f., 139-145, 148 ff, 154f., 158, 178, 199, 206f., 210, 213, 215, 218f., 221, 230, 241 f., 249, 262f., 271, 277, 302, 336ff., 349 Gesellenverbindung 13, 136-139 Gewalt/-anwendung 15ff, 21, 23f., 53, 65, 78, 89, 124, 160, 162, 225 ff., 237, 240-243, 253, 256f., 269, 292, 329, 352 Gcwerbc/-sektor 35, 47, 51, 65, 106, 123, 180, 221, 264 Gewerkschaften 257 Gittelde 58, 265 Götte, J . A. C. 55, 307 Göttingen 47, 74, 78f., 84ff., 90f., 94, 158ff., 162, 199, 201 f., 214ff., 235, 266-269, 314f., 317, 319f., 335 Göttinger Sieben 96, 157, 268 f. Goslar 75, 151, 298 Grimm, J . 95f., 268, 320 Grimm, W. 95, 268, 320 Gröning, G. 326 Grone, A. C. E. v. 67 Grone 88 Grundeigentümerverein (Hamburg) 183 Gurr, R. 15
Fabrikarbeiter 146, 173, 283, 330 Falcke, G. F. v. 320 Fenster-Musik 60, 79, 96, 106, 152, 154, 157, 181, 259, 261, 265ff., 277f., 283f. Folien, K. 305 Frankfurt/M. 27, 68, 316
Hadeln 100 Halle 341, 345 Hamburg 22, 27, 29, 37, 39f., 46f., 105f., 110, 112f., 116, 119, 129, 131f., 135, 138ff., 143f, 147, 149, 164, 173, 176f., 183, 185, 193, 195, 198-201, 203ff., 211,
Eggeling 80, 87, 314 Ehre, kollektive 150, 153, 158 - , soziale 119, 245
382 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
215. 230f., 255f., 269-276, 323, 326ff., 346, 349 Hamburger Berg 40, 108, 209, 270 f., 329 Hamburger Gewerbereglement von 1835 136, 139, 144, 273 Handwerk 13, 22, 36 f., 44f., 47, 51, 106, 125, 134, 139, 144, 154, 173, 178, 180, 186, 198, 207, 219, 221, 224, 256 Handwerker 20, 37, 58, 63, 84, 90, 99, 106, 116, 124f., 135ff., 149, 173, 178, 182, 185f., 205, 213, 215f., 233f., 243, 245, 247f., 256. 270, 274, 278 Hannover 11, 29, 36, 39, 45-51, 59, 68 f., 74, 76, 78, 82, 85, 88, 90, 94f., 98, 100f., 105, 113, 119, 131 f., 134, 140, 142f., 154, 157f., 162f., 165 f., 180, 182, 184, 186, 193, 195, 199, 201, 203f., 207, 209, 214f., 217, 224, 230, 251 f., 254, 276f., 285, 304, 313, 317f., 324, 340, 347, 350 f. Hannoversche Gewerbeordnung 186 Hannoverscher Verfassungskonflikt 27, 30, 199, 215-218, 223, 229, 233, 243 Harburg 75, 166 Harlingerland 298 Harz 51, 61, 76, 90, 135 Heine, S. 108 Heimchen 308 Helgoland 322 Helmstedt 58 Herberge 138 ff., 142 ff., 147f., 206, 261, 273, 277 Herzberg, F. A. v. 52f., 56, 307 Herzberg 88, 145, 154, 278 Herzog von Cambridge 77, 85 f., 89 f., 313, 317 Henrici, G. H. 323 Hessen 67, 76 Hildesheim 75, 78, 89f., 151, 166, 204, 278, 285, 298, 319, 325, 334 Hobsbawm, E. J. 14 Hoffmann v. Fallersieben, Α. Η. 322 Hohegeiß 61, 278 Hollandgängerei 135 Holstein 344 Holtermann, K. D. H. 323f. Holzminden 63f., 66, 215, 219, 278f. Hoppenstedt, G. E. F. 158 Horst, to der 325 Horst, E. v. d. 182 Hudtwalcker, Μ. Η. 109, 144, 185 Hungertumulte/-unruhen 171, 180, 188, 243, 258, 348
Jever 127, 181 Jeverland 279, 333 Johnson, C. 15 Junges Deutschland 133 Karl II., Herzog zu Braunschweig-Lüneberg 38, 50-53, 56f., 60, 68ff., 73, 216, 226, 231, 260, 281, 284,3 0 4 f f . ,311f. Karlsbader Beschlüsse 162 Kassel 35, 96, 314 Kehdingen 100 Kellinghusen, Η. Κ. 185 Kinderarbeit 44 Kirsten 85 Kissenbrück 279 Kleinbürgertum 40, 106, 110, 155, 187f., 308, 350 Klindworth, G. 304 Kocka, J . 11 König, G. 74, 77f., 93, 201, 312, 314, 316 Königreich Westfalen 38 Königslutter 57f., 279 Kommunalgarde 58, 77f. 88, 226, 281, 314f. Kontrolle, soziale 15, 116, 120, 154, 198. 206ff., 221, 228, 257, 317, 349 Kopenhagen 140 Kornunterstützungen 43, 53, 61, 133, 256 Kraus, A. 205 Krönke, Η. Α. 323 Kurhessen 74 Laffert, v. 341 Landbevölkerung 20, 215, 248, 250, 252 Langenbeck, K.J. M. 81 Laubinger 80, 314, 319 Lauterberg 155, 279 Lebenswelt 20, 136, 138, 144, 147, 155, 164, 186, 205f., 208, 210, 216, 222, 239, 247f., 257 Le Bon, G. 16 Lehmann 162, 316 Lehrte 166, 285 Leipziger Allgemeine Zeitung 142 Leutsch, F. E. V. 319 Liberalismus/Liberale Bewegung 13, 133, 180 Linden 163 Lingen 298 Loccum 185 Löbbecke, L. 54, 68, 312 Loyalismus 152 Luddismus 146 Ludewig, H.-U. 11 Lübeck 140
383 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35712-6
Lübeck, Fürstentum 140f., 334 Lüneburg 75 Luxemburg 324 Mäßigkeitsverein 152, 274 Magdeburg 345 Manifestationsbedingungen 23, 195, 208, 210f., 215, 234, 243, 292 Marienhafe 279 f. Marseillaise 71, 81, 106, 111, 261 Mentalität 20, 291 Merck, G. W. 351 Merseberg 11 Metternich, C. Fürst von 49, 67, 305, 312 Militär 17, 21, 23, 52, 61, 63, 66ff., 70f., 73, 75f., 81f., 87, 96, 108ff., 113f., 116, 119ff., 149, 152f., 166, 175, 185, 199, 207, 209, 222, 225-228, 260, 265f., 271, 274f., 279, 284f., 307, 327, 331 Modernisierung 15, 26, 132, 253, 348 moral economy 246f. Mühlenbruch, C. F. 320 Münchhausen, H. v. 182, 307 Münster, E. F. H. Graf v. 50, 77, 82, 84, 88, 90f., 278, 313 Münster 298 Musenburg 101, 322 Mystizismus 111, 325 Napoleon 35, 40 Nationalgarde 80-83, 85, 88, 267 Neuer Hilfsverein 121 Neuhaus 99 Niedernjesa 317 Nieper, G. L. 84f., 316 Norden 167, 175, 280 Northeim 77 Österreich 102, 306, 324 Övelgönne 127 01denburg 27, 29,3 7 f f . ,118, 126f., 129ff., 167, 172, 181 f., 184, 193, 195, 201, 204, 218, 224, 296, 333, 337, 344, 346, 347 Ordnungskonflikt 22, 119f., 147, 199, 201, 207, 210, 222, 247, 276, 292, 348 Orientkrise 104, 125 Osnabrück 11, 37, 75f., 89, 93,9 9 f f . ,103, 215, 280f., 313, 321f., 346 Osterode 70, 74, 77f., 94, 216, 281, 312, 314 Ostfriesland 75f., 177, 298, 320f., 334 Ouvrier 143 Paris 35, 67f., 105, 131, 183, 188, 235 Patriotische Gesellschaft 117, 183, 201, 275
Peter Friedrich Ludwig, Herzog von Oideiburg 38 Petition 18, 24, 26, 29, 38, 71, 74, 79f., 89f., 93f., 118, 123, 125f., 159, 181, 183f., 187, 240, 242, 249, 253f., 262, 264, 266ff., 2 7 5 f f . , 279, 317, 348 Pietismus 152, 180 plebejische Kultur 151, 155, 244, 247, 338 Polizei 17, 21, 23, 28,5 8 f f . ,62, 79, 107, 110, 119, 125, 140, 142, 144f., 148,174ff.,199, 207, 209, 222-226, 228,263ff.,267f.,274, 276, 280, 324, 331, 349, 351 Pollmann, B. 11 Pollmann, Κ. Ε. 11 Pöls, W. 11 Preußen 48, 59, 68, 71, 172, 180, 224, 228, 351 Püttmeister 167 Rache 73, 108, 174, 231 Radikalismus 133 Radolfshausen 281, 319 Ramel 319 Rauschenplat, J . Ε. Α. 80f., 314, 350 Rautenberg J. W. 111, 325 Revolution 1848 13, 29, 133, 179, 346 Rönne, L. 28, 150 Rose,J. F. 90ff. Rothschild (Bankhaus) 316 Rude, G. 14 Rügebräuche 157, 241 Rule. J . 27, 352 Rumann, R. W. 101, 277, 323 Rußland 334 Sachsen, Königreich 67, 198 Sachsen, Preuß. Provinz 30, 177, 344 Salder 57 St. Georg113ff.,272 St. Pauli 176, 276 Schachtmeister 164f. Scheie, G. Freiherr v. 95, 104, 316, 318, 323, 325 Schildt, G. 11 Schleswig-Holstein 334 Schmidt-Phiseldeck,J. v. 49, 304 Schmidt, F. T. 326 Schmoldt, C. 323 Schöningen 57, 153, 174f., 281 f., 350 Scholz 68 Schröder, H. 220 Schuster, T. 80f., 87, 314 Schweiz 96, 321 Seesen 173 Seidensticker, G. 80f., 319
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Selbstausbeutung 46, 135, 165 Simon, Η. 28, 150 Smidt, J. 122, 124, 185, 332 Sorokin, P. A. 16 Stade 37, 92, 143, 204, 218f., 282, 322ff. Stadelmann, R. 179, 188 Stadland 130, 282, 333 Stedinger Land 130 Steinacker, K. 67, 181, 290, 310, 325 Steuerverweigerung9 8 f f . ,218, 237, 240, 242, 280, 282, 322f. Stieler 313 Stölting 85 Strombeck, F. K. v. 67 Stüve, J . Κ. Β. 92, 98, 182, 293, 318, 321-324 Studenten 20,7 9 f f . ,83f., 90, 94, 96, 157ff., 161f., 181, 201,2 1 4 f f . ,234, 240f., 248, 266f., 269, 315, 319 Süßmann 323 Sylvester, B. 323 Tagelöhner 20, 55f., 62ff., 108, 116, 126, 135, 149, 173, 178, 207, 210, 213, 215f., 219, 222, 233, 242f., 245, 249, 278, 302, 347 Teuerung 22, 43, 47, 51, 79, 127, 129, 154, 170-173, 177-180, 188, 200, 245f., 346 Teuerungsunruhcn/-tumulte 30, 171, 174, 176f., 180, 188, 209, 211, 213, 229f., 278, 345 1 hedinghausen 305 Thielau, W. E. F. v. 306 Thielkuhl, W. 60, 309 Thompson, Ε. Ρ. 14 Tilly, C. 17, 24, 27, 237, 352 Tilly, L. 17 Tilly, R. 17 Tocqueville, A. de 15 Tumultuarische Aktion 24, 243, 249, 256 Uelschen, G. 204 Uelzen 75 Ulrici 319 Ungewitter 350 Umonisten 122 Unterschichten 13, 18, 20, 30, 72f., 93f., 110f., 121, 134, 152, 155, 165, 175, 177 f., 186f., 195, 198f., 206, 221, 224, 226, 241, 2 4 4 f f . , 255, 257 Valentin, V. 181 Vallstedt 57, 282 Varel 130, 163, 167f., 283
Vechelde, F. K. v. 309 Vechelde 57 Verden 345 Verein Hamburgischer Juristen 118 Vereine, Vereiuswesen 156, 187, 242, 330, 347 Verlagssystem 46, 342 Verweigerung 19, 24, 234, 240, 242 Victoria, Königin von Großbritannien 95 Vieweg, E. 307 Volkmann, H. 17, 21, 24, 235, 251 Volksjustiz 57, 247 Volkskultur 30, 151 Waake 88 Walkenried 60 Weber, M. 195 Weber, W. 95 Weberunruhen/-aufstand 13, 163, 169, 179, 342 Weende 322 Weener 319 Wehler, H.-U. 11 Wehner, J . A. 324 Weinhagen, C. L. F. 89, 182 Weser 120 Weserbergland 172 Westerhof74 Westfal 80 Westfalen 38 Weynecken J . C. 323 Wichern, J . H. 325 Wieda 283, 309 Wien 132, 188 Wiener Kongreß 35, 39 Wildeshausen (Oldbg.) 43, 283 Wildeshausen 283 Wilhelm IV., König von Großbritannien und Hannover 75, 77f., 95 Wilhelm, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg 57f., 68-71, 73, 260, 279, 281, 311f. Witt, F. J . 305 Witzenhausen 96 Wolfenbüttel 63, 283 Zellerfeld 150f., 265, 283f. Zensur 42, 103f., 133, 242, 255, 293 Zorge 59ff., 70, 278, 284, 309 Zunft 36f., 106, 122, 136, 138, 140, 143ff., 155, 206, 208, 213ff, 217, 234, 240, 242, 246, 262, 338, 349
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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 1. Wolfram Fischer · Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung Aufsätze - Studien - Vorträge. 1972. 547 Seiten, kart. 3. Hans Rosenberg · Politische Denkströmungen im deutschen Vormärz 1972. 142 Seiten, kart. 4. Rolf Engelsing · Zur Sozialgeschichte deutscher Mittel- und Unterschichten 2., erweiterte Auflage 1978. 341 Seiten, kart. 7. Helmut Berding · Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik im Königreich Westfalen 1807-1813 1973. 160 Seiten, kart. 11. Hans-Ulrich Wehler (Hg.) · Sozialgeschichte Heute Festschrift für Hans Rosenberg zum 70. Geburtstag. 33 Beiträge. 1974. 669 Seiten, kart. 12. Wolfgang Köllmann · Bevölkerung in der industriellen Revolution Studien zur Bevölkerungsgeschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert. 1974. 285 Seiten mit zahlreichen Schaubildern und Tabellen, kart. 15. Reinhard Rürup - Emanzipation und Antisemitismus Studien zur »Judenfrage« der bürgerlichen Gesellschaft. 1975. 208 Seiten, kart. 19. Hans H. Gerth · Bürgerliche Intelligenz um 1800 Zur Soziologie des deutschen Frühliberalismus. Mit einem Vorwort und einer ergänzenden Bibliographie herausgegeben von Ulrich Herrmann. 1976. 155 Seiten, kart. 20. Carsten Rüther · Räuber und Gauner in Deutschland Das organisierte Bandenwesen im 18. und frühen 19. Jahrhundert. 1976. 197 Seiten und 2 Faltkarten, kart. 22. Dirk Blasius · Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität Zur Sozialgeschichte Preußens im Vormärz. 1976. 203 Seiten, kart. 31. Hans Rosenberg · Machteliten und Wirtschaftskonjunkturen Studien zur neueren deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. 1978. 343 Seiten, kart. 33. Hanna Schissler · Preußische Agrargesellschaft im Wandel Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Transformationsprozesse von 1763 bis 1847. 1978. 285 Seiten, kart. 35. Heinz Reif Westfälischer Adel 1770-1860 Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite. 1979. 711 Seiten, kart. 37. Heinrich Best · Interessenpolitik und nationale Integration 1848/49 Handelspolitische Konflikte im frühindustriellen Deutschland. 1980. 433 Seiten, kart.
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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 38. Heinrich August Winkler · Liberalismus und Antiliberalismus Studien zur politischen Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 1979. 376 Seiten, kart. 41. Richard Tilly Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierung Gesammelte Aufsätze. 1980. 320 Seiten mit zahlr. Tabellen, kart. 43. Wolfgang Renzsch Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung Zur sozialen Basis von Gewerkschaften und Sozialdemokratie im Reichsgründungsjahrzehnt. 1980. 260 Seiten, kart. 46. Barbara Greven-Aschoff Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894-1933 1981. 313 Seiten, kart. 47. Waclaw Dlugoborski (Hg.) · Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel Achsenmächte und besetzte Länder. 18 Beiträge. 1981. 388 Seiten, 34 Tabellen, kart. 48. Neithard Bulst / Joseph Goy / Jochen Hoock (Hg.) Familie zwischen Tradition und Moderne Studien zur Geschichte der Familie in Deutschland und Frankreich vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. 21 Beiträge. 328 Seiten, kart. 49. Toni Pierenkemper / Richard Tilly (Hg.) Historische Arbeitsmarktforschung Entstehung, Entwicklung und Probleme der Vermarktung von Arbeitskraft. 9 Beiträge. 1982. 291 Seiten, kart. 50. Knut Borchardt Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 1982. 302 Seiten, kart. 51. Werner K. Blessing · Staat und Kirche in der Gesellschaft Institutionelle Autorität und mentaler Wandel in Bayern während des 19. Jahrhunderts. 1982. 422 Seiten, kart. 52. Hans-Werner Hahn · Wirtschaftliche Integration im 19. Jahrhundert Die hessischen Staaten und der Deutsche Zollverein. 1982. 486 Seiten, kart. 53. Norbert Finzsch · Die Goldgräber Kaliforniens Arbeitsbedingungen, Lebensstandard und politisches System um die Mitte des 19. Jahrhunderts. 1982. 218 Seiten, kart. 55. Hartmut Kaelble Soziale Mobilität und Chancengleichheit im 19. und 20. Jahrhundert Deutschland im internationalen Vergleich. 1983. Ca. 317 Seiten mit 47 Tabellen und 3 Schaubildern, kart. Bitte fordern Sie den Sonderprospekt Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft an!
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